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Full text of "Monumenta Germaniae paedagogica"

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| JAMES WALKER. D.D., LL.D., 
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Monumenta Germaniae Paedagogica 


Schulordnungen 
Schulbücher und pädagogische Miscellaneen 


aus den Landen deutscher Zunge 


Unter Mitwirkung einer Anzahl von Fachgelehrten herausgegeben 


von 


KARL KEHRBACH 


BAND I 
Braunschweigische Schulordnungen 1 


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BERLIN 
A. Hofmann & Comp. 
1886 











nn Schulorünungen 


von den 


ältesten Zeiten bis zum Jahre 1828 


mit 
Einleitung Anmerkungen Glossar und Register 
2 


Herausgegeben 
von 


Professor D. Dr. Friedrich Shi 


Direktor des Herzoglichen Realgymnasinms in Braunsch 


ERSTER BAND 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 


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A. Hofmann & Comp. 
1886 


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Schulordnungen 


der 


Stadt Braunschweig 
vom Jahre 
1251 — 1828 
$ 


Gesammelt und herausgegeben 
von 


FRIEDRICH KOLDEWEY - 


DELER 


.. 





Der 


Hochwürdigen Theologischen Fakultät 


der 


UNIVERSITÄT JENA 


als Zeichen 


ehrerbietigen Dankes 
für die 


dem Herausgeber unter dem 4. Mai 1885 honoris causa verliehene Würde 


eines Doktors der Theologie 











Vorwort 


Um für die Schulgeschichte eines Landes oder einer Stadt einen 
sichern Boden zu gewinnen, ist eine eingehende Berücksichtigung der 
betreffenden Schulordnungen von grölster Bedeutung. Zwar werden 
die thatsächlichen Zustände des Schulwesens auch durch sie noch 
nicht hinlänglich aufgehellt; denn nur zu oft blieb die Ausführung 
hinter den Absichten der Gesetzgeber zurück, und nirgends mehr als 
auf dem Gebiete der Jugenderziehung hat sich das paradoxe Wort 
»Optimae leges, pessima respublic« als richtig erwiesen. Immerhin 
aber ist es ein grolser Grewinn die Bahnen kennen zu lernen, welche 
man seitens der jedesmal malsgebenden Kreise zur Umsetzung der 
pädagogischen Theorie in pädagogische Praxis wollte betreten wissen. 

Wie die Dinge indessen zur Zeit noch liegen, ist eine allgemeine 
oder auch nur einigermalsen weitgehende Benutzung der Schul- 
ordnungen Deutschlands noch gar nicht möglich. Sehr schätzenswert 
sind allerdings die Sammlungen, welche Vormbaum!, Joh. Müller?, 
und in Bezug auf die württembergischen Schulgesetze Hirzel und 
Eisenlohr” veranstaltet haben, und auch die Sondergeschichten ein- 
zelner Anstalten bieten hier und da willkommene Beiträge; aber ein 
sehr grolser Teil des Materials liegt immer noch handschriftlich oder 


IR. Vormbaum, Evangelische Schulordnungen. Gütersloh 1860—64. 

2 Joh. Müller, Vor- und frühreformatorische Schulordnungen und Schulver- 
träge in deutscher und niederländischer Sprache I. Zschopau 1885. 

® A. L. Reyscher, Vollständige Sammlung der württembergischen Gesetze. 
Band XI. 1. Abteilung, enthaltend die Gesetze für die Volksschulen, herausgeg. 
v. Th. Eisenlohr. Tüb. 1839; 2. Abteilung, enthaltend die Gesetze für Mittel- 
und Fachschulen, herausgeg. v. C. Hirzel. 1847; 3. Abteilung, enthaltend die 
Universitätsgesetze, herausgeg. v. Th. Eisenlohr. 1843. 








x Vorwort 





in seltenen Drucken in den Archiven und Bibliotheken verborgen, 
und es wird noch fleifsiger Arbeit bedürfen, ehe alle diese für die 
Schulgeschichte so wertvollen Schätze ans Licht des Tages gefördert 
sind. | 

Bei dieser Sachlage bedarf es keiner weiteren Rechtfertigung, 
wenn der Unterzeichnete es unternimmt die Schulordnungen seines 
engeren Vaterlandes aus dem Dunkel, von dem sie zumeist bis heute 
bedeckt waren, hervorzuholen und für die schulgeschichtliche Forschung 
bereit zu stellen. Er veröffentlicht zunächst in dem vorliegenden 
ersten Bande seiner Sammlung eine Reihe von Dokumenten, welche 
sich auf die Bildungsanstalten der Stadt Braunschweig beziehen. Der 
zweite Band wird das Schulwesen in den übrigen Teilen des Herzog- 
tums in Berücksichtigung ziehen. Eine derartige Sonderung findet 
in dem unabhängigen Entwickelungsgange, den das Schulwesen ın der 
Hauptstadt genommen, eine zureichende Begründung. Bis 1671 erfreute 
sich dieselbe den Herzögen gegenüber einer Selbständigkeit, wie sie 
in reichsunmittelbaren Gemeinwesen nicht viel bedeutender war, und 
auch nach dem Verlust ihrer politischen Selbständigkeit sind es bis 
in das laufende Jahrhundert hinein nur wenig zahlreiche und noch 
dazu recht lockere Fäden, mit denen die Schulen der Stadt in die 
allgemeine Gesetzgebung und Verwaltung des Herzogtums hinein- 
gezogen wurden. 

Die mitgeteilten Ordnungen reichen bis in die Mitte des 13. Jahr- 
hunderts zurück und erstrecken sich von dort bis gegen die Zeit, da der 
jüngst verstorbene Herzog Wilhelm die Regierung des Landes über- 
nahm. Die Ordnungen der letzten 50 bis 60 Jahre sind nicht mit 
aufgenommen, weil sie einerseits für den, der nach ihnen verlangt, 
leicht zu erhalten, andererseits aber für die besonderen Zwecke, denen 
die Monumenta Germaniae paedagogica dienen, von geringerer 
Wichtigkeit sind. Über katholische, reformierte und israelitische Lehr- 
anstalten der Stadt Braunschweig wird ınnerhalb der Monumenta an 
anderer Stelle berichtet werden. 

Neben den Schulordnungen im eigentlichen und engeren Sinne 
haben, dem Plane der Monumenta Germaniae paedagogica! entsprechend, 
auch mancherlei andere Schriftstüäcke Aufnahme gefunden, die auf die 


! K.Kehrbach, Kurzgefafster Plan der Monumenta Germaniae paedagogica etc. 
Berlin. A. Hofmann & Comp. [1884] S. 13. 


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Vorwort XI 


Entwickelung des Schulwesens in irgend welcher Weise ordnend und 
bestimmend eingewirkt haben: Entscheidungen von Streitigkeiten, 
Abschnitte aus Stiftsstatuten, Gründungsurkunden, Verbote von Un- 
gehörigkeiten, Dienstverträge, Berichte, Gutachten, Schulgesetze ein- 
zelner Anstalten, nicht zum wenigsten auch Lektionspläne und Unter- 
richtsordnungen. Derartige Dokumente sind für die Erkenntnis der 
schulgeschichtlichen Vergangenheit - von grolser Bedeutung, und zu 
beklagen ist nur, dals bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts 
so wenig davon der Vernichtung entgangen ist. Daher ist denn auch, 
was von diesen Schulordnungen im weiteren Sinne aus älterer Zeit 
vorhanden war, fast ausnahmslos mitgeteilt worden, während für die 
neuere Zeit, namentlich in bezug auf die Unterrichtsordnungen, bei 
der Fülle des in gedruckten Programmen vorhandenen Materials und 
bei der Gleichartigkeit der einzelnen Lehrpläne eine Beschränkung 
auf einige charakteristische Stücke geboten erschien. Wenn schliels- 
lich dann auch unter 11 und 39 Aktenstücke Berücksichtigung ge- 
funden haben, die niemals zu gesetzlicher Geltung gelangt sind, so 
dürfte gleichwohl die Mitteilung derselben wegen des genauen Ein- 
blicks, den sie in die zur Zeit ihrer Entstehung herrschenden Zu- 
stände und Bestrebungen gewähren, hinlänglich gerechtfertigt sein. 
Die Reihenfolge, in der die Ordnungen zum Abdruck gebracht werden, 
ist die rein chronologische. Von einer Gruppierung nach sachlichen 
Gesichtspunkten, so sehr sie für die neueren Zeiten sich empfohlen 
haben würde, mufste ın Hinblick auf die älteren Stücke Abstand ge- 
nommen werden. 

Die Einleitung, welche den Schulordnungen dieses Bandes voran- 
geht, bietet im ersten Teile, um den Boden, aus dem die einzelnen 
Dokumente hervorwuchsen, die Persönlichkeiten, denen sie ihre Ent- 
stehung verdankten, die Zeit, für welche sie von Bedeutung waren, dem 
Auge des Beschauers ein wenig näher zu rücken, einen Überblick 
über den Gang, den die Entwickelung des Schulwesens in der Stadt 
Braunschweig genommen hat. In dem zweiten Teile aber werden 
nach Darlegung der Grundsätze, welche bei der Textgestaltung mals- 
gebend waren, für jede einzelne Ordnung die erforderlichen biblio- 
graphischen Nachweise und textkritischen Bemerkungen mitgeteilt. 
Von den Texten selbst sind die sonst üblichen Fufsnoten mit der 
varia lectio, die für viele Leser ein geringes Interesse haben und oft 


XU Vorwort 


nur dazu dienen die Aufmerksamkeit zu zerstreuen und abzuziehen, 
absichtlich ferngehalten und in die spezielle Einleitung zu den einzelnen 
Ordnungen verwiesen. Aus demselben Grunde ist auch davon abgesehen 
durch Hinzufügung irgend welcher Zeichen oder Zahlen innerhalb des 
Textes auf die erläuternden Anmerkungen zu verweisen. Wer diese 
zu benutzen wünscht, wird sich mit Hülfe der Marginalzahlen, trotz- 
dem dieselben auf den ersten Bogen zum Bedauern des Herausgebers 
nicht mit der erwünschten Gleichmälsigkeit verwendet sind, und an 
der Hand des vor jeder Anmerkung hinzugefügten Hinweises ohne 
Mühe zurecht finden. Das Glossar am Ende des Werkes wird dem, 
der des Niederdeutschen nicht mächtig ist, eine willkommene Beigabe 
sein. Auf eine Förderung der Sprachwissenschaft macht dasselbe 
keinen Anspruch. Ein Register und ein Verzeichnis der in den 
Ordnungen erwähnten Schulbücher werden erst am Ende des zweiten 
Bandes, der übrigens baldigst erscheinen wird, zum Abdruck gelangen. 

Den Vorstehern und Beamten des Herzogl. Landeshauptarchivs 
und der Herzogl. Bibliothek zu Wolfenbüttel, der Landschaftächen 
Bibliothek, insbesondere aber dem Herrn Stadtarchivar Hänselmann 
zu Braunschweig fühlt sich der Unterzeichnete für mannigfache Unter- 
stützung und Förderung zu lebhaftem Danke verpflichtet, nicht minder 
auch seinem hochverehrten Kollegen, dem Herrn Gymnasialdirektor 
Dr. Dürre in Wolfenbüttel, dessen mit ausgezeichneter Sorgfalt ge- 
arbeitete, aber leider nur bis 1671 fortgeführte Programmschrift über 
die Gelehrtenschulen der Stadt Braunschweig (Braunschw. 1861) ihm 
die wertvollsten Fingerzeige geboten hat. 


Braunschweig, 12. April 1886. 


Prof. D. Dr. Koldewey, 


Direktor des Herzogl. Realgymnasiums. 


Einleitung 
Ri 


Ein Verzeichnis der mehrfach erwähnten Schriften befindet sich 


am Schlusse des Bandes. 














I 


Überblick über die Entwickelung des Schulwesens 
in der Stadt Braunschweig 


1 
Die Zeit des Mittelalters 


Wie überall in Deutschland, so war es auch in Braunschweig 
die Kirche, welche die ersten Schulen ins Leben rief. Drei Anstalten 
verehrten daselbst in ihr die gemeinsame Mutter: die beiden Stifts- 
schulen zu St. Blasien und zu St. Cyriacı nebst der Kloster- 
schule zu St. Ägidien. 

Das Stift des heiligen Blasius lag innerhalb der Burg Tank- 
warderode, hart auf dem westlichen Ufer des Okerarmes, der die 
Diözese Hildesheim gegen den Sprengel des Bischofs von Halberstadt 
abschlofs!. Dasselbe verdankte seine Entstehung dem brunonischen 
Grafengeschlechte und war schon längere Zeit vorhanden, ehe das 
Herrendorf »Brunswik« zu einer Stadt heranwuchs. Die ältere Kirche 
desselben wurde bereits vor 1038 geweiht?. Durch Heinrich den Löwen 
erfuhr dann das Stift eine so gründliche Umwandlung, dafs die Reform 
einer Neuschöpfung fast gleich kam. Die alten Gebäude wurden ab- 
gerissen und durch stattlichere Bauwerke ersetzt; die neue Kirche, 
noch heute ein beredtes Zeugnis von einstmaliger Gröfse und Bedeu- 
tung, erst 1227 vollendet. Wie St. Blasien, so stand auch das Stift 
des heiligen Cyriacus unter der geistlichen Obhut der Bischöfe von 


! Über die Diözesangrenze zwischen Hildesheim und Halberstadt vergl. 
Dürre, Stadt Braunschweig S. 20. 38. 368f. 

? Dürre, Stadt Braunschweig S. 46f. — Hänselmann, Chroniken II, S.X. 

® Dürre, Stadt Braunschweig S. 67. 383f. 


xXVI Einleitung I 





Hildesheim. Von dem Brunonen Ekbert II zwischen 1068 und 1090 
gegründet, lag es auf einer mälsigen Anhöhe dicht vor dem Thore 
im Süden der Stadt, dort wo jetzt die Gebäude des Bahnhofs sich 
erheben. Im Volksmunde wurde es gewöhnlich das Stift auf dem 
Berge genannt!. Nicht vie) jünger war das Benediktinerkloster des 
heiligen Ägidius, den die sächsische Mundart als Sankt Ilgen be- 
zeichnete. Die Stifterin desselben war die Markgräfin Gertrud (+ 1117), 
die Urgrofsmutter Heinrichs des Löwen. Noch heute ragt die 1115 
geweihte Kirche als fernhin sichtbares Wahrzeichen der Stadt Braun- 
schweig empor. Da das Kloster auf der östlichen Seite des Oker- 
flusses belegen war, so bildete es einen Bestandteil der Diözese Hal- 
berstadt?. 


Wann und wie zu St. Blasien, zu St. Cyriaci und zu St. Ägidien 
Schulen begründet wurden, entzieht sich der geschichtlichen Kenntnis. 
Wahrscheinlich sind sie zugleich mit den geistlichen Stiftungen, zu 
denen sie gehörten, ins Leben getreten. In der Burg reicht die 
älteste Spur einer Lehranstalt bis ins 11. Jahrhundert zurück, indem 
der dortige Scholastikus bereits in einer zu Ehren des 1068 ver- 
storbenen brunonischen Grafen Ekbert I errichteten Memorienstiftung 
mit einer Schenkung bedacht wird?; auf dem Berge geschieht der 
Schule zum ersten Male in einem um 1200 vom Pfalzgrafen Heinrich 
untersiegelten Güterverzeichnisse Erwähnung*; zu St. Ägidien aber 
ist die älteste sichere Nachricht von der Schule des Klosters erst in 
einem Testamente aus dem Jahre 1338 enthalten, in welchem Ludolt 
Doring, einem Schüler derselben, die Summe von jährlich 3 Mark 
(30 Thlr.) zu seinem Unterhalte vermacht wird’. 


ürre. Stadt Braunschweig S. 51. 419f. 
ürre, Stadt Braunschweig S. 56. 502. 
ürre, Stadt Braunschweig S. 563; Gelehrtenschulen S. 3. 

* Dürre, Stadt Braunschweig S. 564; Gelehrtenschulen S. 6. 

® Vergl. Sack, Schulen S. 39. 52. — Dürre, Gelehrtenschulen S. 6, glaubt 
schon aus dem 12. Jahrh. eine Spur der Klosterschule zu St. Ägidien nach- 
weisen zu können. Aus einer Stelle bei Arnold von Lübeck (Chron. Slav. III, 3 
ap. Leibn. Script. Brunsv. II, 655), wo von dem Bischof Heinrich von Lübeck, der 
vor seiner Erhebung auf den Bischofsstuhl zehn Jahre lang (von 1162—1172) die 
Abtei zu St. Ägidien in Braunschweig inne gehabt hatte (vergl. Chron. Slav. II, 13 
ap. Leibn. p. 6388 und Wattenbach, Geschichtsquellen S. 452), bemerkt wird: 
» Dei nutu venit Brunschwigetnihilominus scholarumcuram suscepit regendam,schliefst 
er, dafs Heinrich, da er als Benediktiner nur Leiter einer Benediktinerschule gewesen 


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Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XV 


Nicht ganz klar ıst das Verhältnis, in dem die Schule des neuen 
St. Blasiusstifts zu der des alten Burgstifts gestanden hat. Da 
bei der Umwandlung der älteren Stiftung durch Heinrich den Löwen die 
inneren Einrichtungen derselben in das neue Stift mit hinüäbergenommen 
wurden, so liegt die Annahme nahe, dafs auch die Schule ohne Unter- 
brechung in dem Neubau weitergeführt ward. Aber es ist auffällig, 
dafs bei allen Memorien und Seelenmessen, die in den späteren Regie- 
rungsjahren Heinrichs des Löwen und zur Zeit seiner Söhne bis 1227 
zu St. Blasien zum Gedächtnis fürstlicher Personen begründet wurden, 
der Scholastikus niemals bedacht wird, überhaupt auch der Schule 
in dieser ganzen Zeit an keiner einzigen Stelle in den vorhandenen Ur- 
kunden Erwähnung geschieht!. Man hat es deshalb für möglich, wenn 
nicht für wahrscheinlich gehalten, dafs die Schule zu St. Blasien in 


sein könne, ein anderes Kloster dieses Ordens aber zu Braunschweig nicht be- 
standen habe, vor seiner Erhebung zum Abt schon Lenker der Klosterschule zu 
St. Agidien gewesen sei. Die ganze Stelle lautet S. 655: »(Henricus) cum esset 
circa aetstem viginti annorum iam adolescens factus, relicto studio Parisiensi 
terram nativitatis suae egreditur, Brabantiam seilicet, quia de Brusle civitate 
oriundus erat. Et veniens Hildesheim, quia in artibus bene profecerat, scholas 
ihidem regendas acceperat. Cumque per tempus ibi stetisset, Dei nutu venit 
Brunschwig et nihilominus scholarum curam suscepit regendam. Procedente autem 
tempore febre tactus decubuit. In infirmitate autem positus tale vidit somnium: 
Videbat vivum procerum valde et horrendum sese agitantem; ipse vero fugiens 
venit ad fluvium latissimum; quem cum propter timorem praedonis infesti anhelans 
transiret, venit ad monasterium B. Aegidii; quod cum intrasset, manus insequentis 
inimici evasit. Evigilans igitur et divinae clementiae circa se dispositionem sen- 
tiens, mox ad monasterium B. Aegidii deducitur et tonsuratus habitu monachali 
induitur et febrium importunitate cessante et fluctibus secularium tempestatum 
eripitur, et sic monachus factus monachi vigilavit in actus.« Hiernach hat 
Heinrich schon vor seinem Eintritt in das Ägidienkloster, ebenso (nihilominus 
i. g. perinde) wie er es vorher in Hildesheim gethan, zu Braunschweig ein Schulamt 
(cura scholarum) verwaltet. Dafs aber die Schule, an der er thätig war, die zu 
St. Ägidien nicht gewesen sein kann, geht daraus hervor, dafs er sich erst einige 
Zeit nach Übernahme des Schulamtes infolge eines Traumgesichts zu dem Kloster 
führen läfst (ad monasterium deducitur), um in dasselbe als Mönch sich aufnehmen 
zu lassen. Nach allem ist daher die Anstalt, au welcher der spätere Abt zu 
St. Ägidien und Bischof von Lübeck in seinen jungen Jahren zu Braunschweig 
gewirkt hat, entweder zu St. Cyriaci oder zu St.Blasien zu suchen, und da in unserer 
Quelle jegliche nähere Bestimmung fehlt, so wird man an die bedeutendere und 
in weiteren Kreisen bekannte Stiftsschule in der Burg zu denken haben, zumal die 
andere Anstalt genau genommen nicht in Braunschweig selbst, sondern aufserhalb 
der Stadt belegen war. 


’ Dürre, Gelehrtenschulen S. 5; Stadt Braunschweig S. 389. 





XVII Einleitung I 


diesem ganzen Zeitraum geschlossen gewesen und erst mit der Weihe 
.der neuen Stiftskirche (29. Dezember 1227) wieder eröffnet worden 
sei. Aber das gänzliche Fehlen einer Schulanstalt während eines 
halben Jahrhunderts wäre bei einem so angesehenen Stifte, wie es 
das des heil. Blasius war, schwer zu begreifen, um so schwerer als 
gerade zu jener Zeit die Beschlüsse des 3. und 4. Laterankonzils von 
1179 und 1215 mit Nachdruck darauf drangen, dafs nicht blo/s bei 
den Kathedralkirchen der Bischofssitze, sondern überhaupt bei allen 
Kollegiatkirchen die verfallenen Lehranstalten wieder in Gang gebracht 
oder neue errichtet würden!. Die Nichtberücksichtigung des Scholastikus 
bei den fürstlichen Seelenmelsstiftungen findet aber in der eigentüm- 
lichen Stellung, die derselbe innerhalb des hochwürdigen Kollegiums 
zu St. Blasien einnahm und von der unten noch des weitern die 
Rede sein wird, eine hinreichende Erklärung. Dazu macht eine Stelle 
in dem Öttonischen Stadtrecht von 1227, die sich auf die Wahl eines 
Schülerbischofs bezieht?, ganz und gar den Eindruck, als ob die Schule 
in der Burg, auf die allein die betreffende Bestimmung Bezug haben 
kann, in jenem Jahre nicht erst nach langer Pause wieder ins Leben 
gerufen war, sondern auf eine lange Vergangenheit und auf einen un- 
unterbrochenen Bestand zurückblickte. Nach allem scheint es daher 


I Conc. Later. III. a. 1179. c. 18 bei Mansi XXI, 228: ». .. per unam- 
quamque ecclesiam cathedralem magistro, qui clericos eiusdem ecclesiae et scholares 
pauperes gratis doceat, competens aliquod beneficium assignetur, quo docentis neces- 
sitas sublevetur et discentibus via pateat ad doctrinam. In aliis quoque resti- 
tuatur eccelesiis sive monasteriis, siretroactis temporibusaliquidin 
eis ad hoc fuerit deputatum.« — Conc. Later. IV. a. 1215.c. 11 bei Mansi 
XXI, 999: »Quia nonnullis propter inopiam et legendi studium et opportunitas pro- 
ficiendi subtrahitur, in Lateranensi concilio pia fuit institutione provisum, ut per 
unamquamque cathedralem ecclesiam magistro, qui clericos eiusdem ecclesiae aliosque 
scholares pauperes gratis instrueret, aliquod competens beneficium praeberetur, quo 
et docentis relevaretur necessitas et via pateret discentibus ad doctrinam. Verum 
quoniam in multis ecclesiis id minime observatur: nos praedictum roborantes statu- 
tum (sc. conc. Lat. III) adiicimus, ut non solum in qualibet cathedrali ecclesia, sed 
etiam in aliis, quarum sufficere poterunt facultates, constituatur 
magister idoneus a praelato cum capitulo seu maiori ac saniori parte capituli 
eligendus, qui clericos ecclesiarum ipsarum et aliarum [richtiger wohl 
alios] gratis in grammatica facultate ac aliis instruat iuxta posse.« 
Vergl. auch Georg. Gothofr. Keuffel, Historia originis et progressus scholarum 
inter christianos (Helmst. 1743) S. 244. 256. 

32 Otton. Stadtrecht $ 39 bei Hänselmann, Urkundenbuch S. 6: »Swe- 
likes borgeres sone to bisscope gekoren wert, he ne darf nicht geven mer tein 
scillinge. he ne hebbe provende: so scal he dhenen.« 


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Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XIX 


kein Bedenken zu haben die Schule des neueren Stifts als die un- 
mittelbare Fortsetzung von derjenigen anzusehen, die schon vor den 
Zeiten Heinrichs des Löwen im alten Burgstifte vorhanden gewesen war. 

Von den drei klerikalen Schulen war die in der Burg, wie die 
älteste, so auch die bei weitem bedeutendste und vornehmste, ganz 
entsprechend der hervorragenden Stellung, welche das St. Blasiusstift 
nicht blols in der Stadt Braunschweig, sondern überhaupt im Gebiete 
des Welfengeschlechts einnahm. Bei allen Teilungen und Spaltungen 
des Fürstenhauses blieb dasselbe ein gemeinsames Familiengut der 
verschiedenen Linien und ging erst 1671 durch Vertrag in den 
Alleinbesitz der wolfenbüttelschen Herzöge über. Mit fürstlichen 
Gmaden und Gerechtsamen war es reichlich bedacht, und neben den 
irdischen Überresten des Stammvaters hat eine grolse Anzahl seiner 
Nachkommen die letzte Ruhestätte dort gefunden. So begreift man es, 
dafs von dem Glanze, der die Kirche des heiligen Blasius umgab, auch 
der Schule desselben einige Strahlen zu gute kamen. Es liegt nahe, 
sie als eine Art von schola palatii des Welfenhauses zu betrachten. 

Die oberste Schulleitung lag bei den Benediktinern in den 
Händen des Abts; in der Burg kam sie einem der Kanoniker zu, der 
in den älteren Zeiten »magistere oder »magister scolarium«, später 
:scholasticus« genannt wird!. Seine Präbende war die »scolastria«?. Zu 
St. Cyriaci hat die Schule des Stifts zu keiner Zeit einen der Chor- 
herren zum Vorsteher gehabt®. Zwar wurde 1472 von dem Patrizier 
Johann von Damm eine neue Präbende für die Scholasterie gegründet, 


! Der Name »magister«e und »magister scolarium« wird ihm erteilt in der 
unter 1 abgedruckten »decisio inter capitulum et scolasticum« von 1251 (S. 3 ff.); 
»scolasticus« wird er genannt in den unter 2 abgedruckten Statuten des Stifts von 
1368 und 1442 (S. 5 ff.), in der Verordnung von 1370 (No. 3, S. 7), in dem 
Vergleich zwischen Kapitel und Rat von 1420 (No. 5 D, S. 20). 

5. 44; 6", (Seitenangabe ohne Titel bezieht sich immer auf den Text 
vorl. Werkes.) 

® Hiernach ist zu berichtigen, was z. B. Kaemmel, Gesch. d. deutschen 
Schulw. S. 120 und Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 182 behaupten, dals die 
Leitung des Unterrichtswesens an einer Dom- oder Stiftskirche stets in den Hän- 
den eines Kanonikers, des Scholastikus, gelegen habe. Dafs dieses nur die Regel 
gewesen, bemerkt schon Mone, Schulw. vom 13. bis 16. Jahrh. S. 262. Auch das 
Kollegiatstift zu Wernigerode hatte keinen Scholastikus unter den Stiftsherren, 
vergl. Ed. Jacobs, Der Rektor und die Stiftsschule zu Wernigerode, abgedr. in 
der Zeitschr. des Harzvereins, Jahrg. XVIII (1885) S. 297. 

* Sack, Schulen S. 64. 


928 





XX Einleitung I 


aber der Inhaber derselben hat nie einen Eıinfluls auf die Stiftsschule er- 
langt. Dekan und Kapitel blieben bis zu der Zerstörung des Stifts 
im Jahre 1545 die obersten Vorgesetzten der Anstalt!. 

Die Stellung des Scholastikus zu St. Blasien verdient be- 
sondere Beachtung. Ohne Zweifel gehörte er schon in dem älteren Burg- 
stifte zu der Zahl der Kanoniker. Gerold, der die Stiftsschule bis zu 
seiner 1155 erfolgten Erhebung auf den Bischofsstuhl von Aldenburg 
in Wagrien geleitet hat, wird ausdrücklich als solcher bezeichnet?. 
Aber die Rechte des Scholastikus standen hinter denen der übrigen‘ 
Chorherren (domini) zurück. Bei der Verteilung fürstlicher Memorien- 
gelder fiel ihm nur die Hälfte zu von dem, was jenen zu teil ward’, 
und in dem neuen Stifte blieb er eine Zeitlang überhaupt von der- 
artigen Benefizien ausgeschlossen. Zu den Sitzungen des Kapitels 
hatte er nur Zutritt, wenn er eigens dazu geladen wurde, das aber 
brauchte nur bei der Wahl des Dekans und bei der Aufnahme eines 
neuen Ühorherrn zu geschehen, und während die vollberechtigten 
Präbendare von den fürstlichen Patronen ernannt wurden, stand über 
die Scholasterie das Recht der Präsentation dem Dompropst zu®. 
Auch bei der Verleihung des Gnadenjahres (annus gratiae) zeigte 
sich deutlich, wie der Scholastikus hinter den übrigen Chorherren 
zurückstand. Das Benefizium bestand darin, dals die Einkünfte einer 
Präbende noch ein volles Jahr nach dem Tode des Inhabers zu dessen 

! In den 1483 revidierten Stiftsstatuten ist von dieser Scholasterie überhaupt 
nicht die Rede, wahrscheinlich deshalb nicht, weil die Verhältnisse derselben noch 
nicht hinlänglich geordnet waren. Bei den Verhandlungen aber, die 1545 wegen 
der Reformation des Stifts geführt wurden, gaben Senior und Kapitel folgendes zu 
Protokoll (handschriftlich im Stadtarchiv): »Da ist noch eine neue Präbende, genannt 
die Scholasterie, in kurzen Jahren errichtet, die noch nicht in vorstehende Präbenden 
gekommen, da sich die Damme die Fundation und Kollation davon behalten haben.« 

? Helmoldi Chron. Slav. I, 79. ap. Leibn. Script. Brunsv. II, 601 sq.: »Fuit 
autem eo tempore sacerdos quidam Geroldus, Suevia natus, parentibus non infimis, 
capellanus ducis, scientia divinarum scripturarum adeo imbutus, ut neminem in 
Saxonia videretur habere parem, in corpore pusillo magnanimus, magister scholae 
in Brunswich et canonicus urbis eiusdem, familiaris principis propter con- 
tinentiam vitae.« Dafs dieser Gerold nicht zu St. Cyriaci, sondern in der Burg 
magister scholae und canonicus gewesen sei, ist bereits nachgewiesen von Dürre, 
telehrtenschulen S. 4; vergl. Wattenbach, Geschichtsquellen S. 451. 

8 Dürre, Gelehrtenschulen S. 3f. 

4 Vergl. oben S. XVII. 

e8.73, 

e5.612,; 44 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XXI 


Gunsten unverliehen blieben, damit etwaige Schulden davon bezahlt 
oder milde Stiftungen nach seinem Willen damit begründet werden 
möchten. Die übrigen Kanoniker erfreuten sich dieser Vergünstigung 
schon seit undenklichen Zeiten, als der Scholastikus noch immer ihrer 
entbehrte. Erst 1283 wurde sie ihm zu teil; das zweite Gnaden- 
jahr aber, das den bevorzugten Domherren durch fürstliche Huld 
ım Jahre 1307 zufiel, hat er niemals erlangt!. 

Während aber der Inhaber der Scholasterie zu St. Blasien unter 
den Mitgliedern des Kollegiums der Kanoniker als einer der geringeren 
dastand, erfuhr die Stellung seiner Amtsbrüder in anderen Stiften seit 
dem 12. Jahrhundert durchweg eine bedeutende Hebung. Vielerorten 
galten dieselben als die ersten nach Propst und Dekan, und ins- 
besondere an den Domstiften der bischöflichen Kathedralkirchen 
wurde ihr Amt unter die Dignitäten im engeren Sinne gerechnet. Mit 
der steigenden Würde wuchsen auch die Einnahmen. Die Sitte, dals 
ihnen für die Verköstigung der jungen Kanoniker, welche die Stifts- 
schule besuchten, die Präbenden und Präsenzgelder derselben zu teil 
wurden, brachte grofsen Gewinn. Dabei traten sie von der eigent- 
lichen Schularbeit mehr und mehr zurück und zogen für den Unter- 
richt, den sie ursprünglich selber erteilt hatten, und für die Hand- 
habung der Disziplin untergeordnete Lehrkräfte heran’. 

Auch Engelbert, der um die Mitte des 13. Jahrhunderts zu 
St. Blasien die Scholasterie inne hatte, war von dem Streben erfüllt 
seine Arbeit zu mindern, sein Ansehen zu mehren, seine Einkünfte 
zu erweitern; aber aus dem Kampfe, der sich darüber zwischen ihm 
und dem Kapitel entspann, ging er nicht als Sieger hervor. Herzog 
Otto I, der Enkel Heinrichs des Löwen, wies am 10. Tage vor den 
Kalenden des August (23. Juli) 1251 seine Ansprüche zurück. Un- 
verkennbar war der Herzog unter dem Einflufs des Kapitels be- 
strebt von St. Blasien die bei anderen Stiftsschulen hervortretenden 
Neuerungen fern zu halten und hier wenigstens den Fortbestand der 
guten alten Zeit sicher zu stellen. 

Für die Schulgeschichte gewinnt die unter 1 abgedruckte »decisio 


I Dürre, Stadt Braunschweig S. 392; Statuten des Stifts S. 6%. 

? Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 184ff.; Kaemmel, Gesch. d. deutschen 
Schulw. S. 120; Mone, Schulw. vom 13. bis 16. Jahrh. S. 262; Meyer, Gesch. d. 
Hamburger Schulw. S. 32 ff.; v. Mülverstedt, Beiträge z. Kunde d. Schulw. S. 9. 


XXU Einleitung I 


inter capitulum et scolasticum« des Herzogs Otto (8. 3ff.) ein be- 
sonderes Interesse, weil darin neben der über den Magister Engelbert 
verhängten Strafe »ad cautelam futurorum« die Pflichten und Rechte des 
Scholastikus, wie sie-bis dahin gewesen waren und nach der Meinung 
des Fürsten auch in Zukunft sein sollten, ziemlich deutlich ver- 
zeichnet werden. Derselbe soll wieder, wie es seine Vorgänger ge- 
than, im »dormitorium puerorum« sein Schlafgemach haben, um die 
Schüler zu dem Frühgottesdienste zu wecken und ihrer Ausgelassen- 
heit zu steuern, soll ferner ın der Schule, statt dieselbe an einen 
Unterlehrer in Verding zu geben (locare) und sich dafür einen Teil 
des Schulgeldes als eine Art Pachtzins (pensio) zahlen zu lassen, 
selbst den Unterricht erteilen und selbst die Zucht ın die Hand 
nehmen, soll auch nach den Weisungen des Dekans seine Schüler 
zum Ühorgebet und zu den Gottesdiensten führen. Für die jungen 
Kleriker, die seiner Obhut übergeben sind, soll seine Gerechtsame 
alles in allem (pro omni iustitia) in einem Salarrum von 2 Gulden 
bestehen, eine weitere Verehrung aber allein in den guten Willen der 
Beteiligten gestellt sein. Wären unter den Schülern Verwandte von 
Stiftsherren — die wohl bei ihren Vettern zu wohnen und zu speisen 
pflegten! — so soll er sie, im Fall die Zahlung des Salarıums 
entweder gar nicht oder nicht rechtzeitig erfolge, deshalb von der 
Schule nicht zurückweisen, sich vielmehr mit seiner Klage an Dekan 
und Kapitel wenden, die dann für Ersatz des Ausfalls Sorge tragen 
würden. Fielen dem Stifte neue Güter zu, so soll er daran keinen 
Anteil haben, sondern mit den für ihn ausgesetzten Erträgen der 
Scholasterie (speciales proventus magistris scolarium deputati) zufrieden 
sein, bei neu hinzutretenden Brotspenden aber und bei Konsolationen, 
die für Heiligenfeste und für Seelenmessen gestiftet würden, nur mit 
Bewilligung des Dekans und Kapitels berücksichtigt werden. 

Die Beschränktheit der Rechte, welche sich in der Stellung des 
Scholastikus zu St. Blasien zur Zeit des Herzogs Otto I bemerklich 
macht, ist während des ganzen Mittelalters im wesentlichen dieselbe 
geblieben, wie aus den unter 2 mitgeteilten Abschnitten der zuerst 
1308 aufgestellten und 1442 revidierten Stiftsstatuten (S. 5ff.) deut- 
lich hervorgeht. Ein vollberechtigtes Mitglied des Kollegiums, ein wirk- 
licher capitularis, ist derselbe niemals geworden, und in bezug auf 

I Specht, Gesch. des Unterrichtsw. S. 174. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XXI 


seine Einnahmen (stipendia) blieb er für die Schule sowohl wie für den 
Chor abhängig von der Zustimmung des Kapitels. Grols aber war 
die Veränderung, welche im Laufe der Zeit sein Verhältnis zu der 
Schule selber erfuhr. Als 1370 die unter 3 mitgeteilte Verordnung »de 
concordia rectorum scholarum« (S. 7f.), zustande kam, war es, 
nach dem ganzen Tone derselben zu schliefsen, zu St. Blasien eine schon 
lange Zeit bestehende Gewohnheit, dafs die eigentliche Schularbeit von 
einem untergeordneten Lehrer besorgt wurde, während der canonicus 
scholasticus über seine Schule nur noch die oberste Aufsicht führte. 


Auch zu St. Ägidien und auf dem Berge lagen Unterricht und 
Schulzucht ın der Hand untergeordneter Magister oder Rektoren!. 
Weit davon entfernt Mitglieder des Konvents oder Kapitels zu sein, 
waren dieselben weiter nichts als Beamte, die der an der Spitze ste- 
hende Prälat in seinen Dienst nahm, wahrscheinlich jedesmal nur für 
einen der halbjährigen Kurse (termini), die um Ostern und Michaelis 
ihren Anfang nahmen. Ob sie, wie es andererorten oft der Fall 
war?, in der Regel die niederen Weihen der Kirche empfangen hatten, 
wird nicht bekannt. Ihre Lage war schwerlich beneidenswert. Bot 
sich ihnen eine bessere Lebensstellung, so zogen sie davon; die meisten 
werden nach kurzer Schulthätigkeit dem meist einträglicheren und jeden- 
falls leichteren und sorgenfreieren Berufe eines Landpriesters sich zuge- 
wendet haben. Einen Gehalt erhielten sie weder von seiten der ihnen vor- 
gesetzten Prälaten noch von seiten des Stifts oder des Klosters?, es 
mülste denn sein, dafs man die unbedeutenden Spenden,die etwa aus Stif- 
tungen ihnen zuflossen, oder das Gremach, das man ihnen zuwies, dahın 
rechnen wollte. Ihre Einnahme bestand daher so gut wie ganz aus dem, 
was dieSchüler ihnen an Geld und Naturalien zu liefern verpflichtet waren. 

Die Schüler (scolares), welche die klerikalen Schulen des Mittel- 
alters besuchten, waren zwiefacher Art. Auf der einen Seite standen 
diejenigen, welche dem Stift bereits als junge Kanoniker*, dem Kloster 


! Vergl. besonders $. 7f. die unter 3 mitgeteilte Verordnung. 

? v. Mülverstedt, Beiträge z. Kunde d. Schulw. S.4; Kaemmel, Gesch. 
d. deutschen Schulw. S. 125. 

3 Dieses wird S. 24° in den Statuten des Cyriacusstifts ausdrücklich be- 
merkt; wenn S. 6° von einem precium magistrorum die Rede ist, so kann damit 
zur das den Lehrern von Seite der Schüler gezahlte Schulgeld gemeint sein. 

* Man bezeichnete sie wohl mit der Diminutivform von »dominus« als »domicelli«, 
»domicellares« (entst. aus »dominicelli, domnicelli«, vergl. Du Cange, Gloss. s. v.). 





XXIV Einleitung I 





als Novizen angehörten, auf der andern die Laien, welche daneben 
sich einfanden, meist armer Leute Kinder und daher schlechtweg 
»pauperes« genannt!. In den meisten Stiften und Klöstern wurden die 
beiden Arten scharf als schola interior und schola exterior ausein- 
ander gehalten und blieben auch im Unterricht von einander getrennt’. 
Wie weit das auch in Braunschweig der Fall war, läfst sich aus den 
vorhandenen Urkunden nicht ermitteln. Daraus, dals die Anstalt eines 
einzelnen Stifts oder Klosters oft mit dem Plural von scola benannt 
wird®, läfst sich bei dem Sprachgebrauch des Mittelalters kein Schlufs 
ziehen, um so weniger als gerade auch dort, wo allein von den jungen 
Kanonikern die Rede ist*, zur Bezeichnung der für sie bestimmten 
Schulanstalt die Pluralform zur Anwendung kommt. Trotzdem wird 
man sich hüten müssen aus dem Mangel an Nachrichten das Nicht- 
vorhandensein einer sonst weit verbreiteten Scheidung folgern zu wollen. 

An jungen Kanonikern und Novizen hat es den klerikalen Schulen 
zu Braunschweig wohl selten gefehlt. Die Präbenden der Kollegiat- 
kirchen wurden sehr häufig schon an Knaben verliehen’, und nicht 
die Ausnahme, sondern die Regel war es, dafs Väter und Mütter 
ihre für den Mönchsstand bestimmten Kinder schon in zarter Kind- 
heit als dem Herrn Geweihte (oblati) dem Kloster überbrachten®. In 
beiden Fällen aber hatten Kapitel wie Konvent ein lebhaftes Interesse 
daran, dafs ihre zukünftigen Mitglieder in genügender Weise für ihre 
dereinstige Stellung erzogen und vorgebildet würden, und übernahmen 
daher sofort, nachdem die Entscheidung getroffen, die ganze Erzie- 
hung des Knaben. 

Wie die jungen Novizen in der Klosterschule zu St. Ägidien 
behandelt wurden, ist nicht bekannt; nur soviel wissen wir, dafs man 
sie streng von der Welt geschieden hielt. Gottschalk Kruse, der 
erste, der zu Braunschweig in Luthers Geiste gelehrt hat, wurde nach 
dem frühzeitigen Tode des Vaters, noch »gans junck und kyntlyck«, 


18.318 werden scolares et pauperes unterschieden. 

? Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 36 f.; 150 ff.; 181. 

83 So z.B. 31%, 43; 625; 910 und öfter. Der Plur. »scholae« zur Bezeich- 
nung einer einzelnen Anstalt findet in der ursprünglichen Bedeutung von schola = 
»Vorlesung« eine zureichende Erklärung. 

* So wiederholt in den Statuten des St. Blasiusstifts S. 5f., desgleichen in 
den Statuten des St. Cyriacusstifts S. 24. 

5 Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 173. 

6 Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 150ff. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XXV 


von seiner Mutter dem Kloster übergeben und sofort von dem Abte 
Arnold Papenmeyer eingekleidet. Sieben Jahre vergingen, ehe er 
seine Verwandten in der Stadt besuchen durfte!. | 

Etwas mehr erfährt man über die Erziehung, die den jungen 
Kanonikern zu St. Blasıen und zu St. Cyriacı zu teil wurde. Die 
unter 2 und 8 mitgeteilten Abschnitte aus den Statuten der Stifte? 
geben darüber einige, wenn auch nur kärgliche Auskunft. Sofort 
nach ihrer Aufnahme wurden sie in der Burg dem Scholastikus, aut 
dem Berge dem Rektor übergeben und hatten demselben alsdann 
zweimal im Jahre die ihm zukommende Kompetenz (duplex iustitia®) 
zu zahlen. Unter der Aufsicht und Botmälsigkeit (in custodia et 
obedientia) des Scholastikus, beziehungsweise des Rektors, blieben die 
scholares canonici, bis sie alt genug und fähig (habiles) waren die 
Weihe zu dem untersten in der Reihe der höheren ordines*, dem. 
Subdiakonat, zu empfangen. Lag es dann in ihren Wünschen eine 
Universität (studium sollemne, universale, generale, auch einfach studium 
im Gegensatz zu scola) zu besuchen, so wurde ihnen dazu vom Kapitel 
bereitwillig Urlaub erteilt. Man suchte ihnen den Aufenthalt auf 
der Hochschule möglichst zu erleichtern. Denn während ein von dem 
Stift abwesender Chorherr sonst nur einen beschränkten Teil seiner 
Einkünfte (absentia) erhielt, wurden dem studierenden Kanoniker 
zu St. Blasien aufser der ihm zukommenden Absenz noch drei Wispel 


1 Gottschalk Krusens, Klosterbruders zu St. Ägidien in Braunschweig, Bericht, 
warum er aus dem Kloster gewichen. Nach dem Urdrucke mit Einleitung und 
Glossar herausgegeben von Ludwig Hänselmann. Wolfenb. 1886. Auch bei 
Lentz, Braunschweigs Kirchenreformation S.'132. Vergl. Rehtmeyer, Kirchen- 
hist. I1I, 2. 

28S.5f.u.S.24. Vergl. dazu die von Mone, Schulw. vom 13. bis 16. Jahrh. 
S. 266 ff. mitgeteilten Statuten oberrheinischer Stifte. 

3 Die »duplex iustitia« wird sowohl zu St. Blasien als auf dem Berge ge- 
zahlt, vergl. S.5'7; 243. Über die Höhe des Betrages vergl. S. 4°. Fraglich 
muls bleiben, ob die dort vorgeschriebenen duo solidi einmal oder zweimal jährlich 
entrichtet wurden. 

* Die katholische Kirche zählt in der Regel 7 ordines, die der ostiarii, lectores, 
exorcistae, acolythi, subdiaconi, diaconi, presbyteri. Von diesen galten die drei 
letzteren als ordines maiores, und erst mit dem untersten derselben, dem Subdiakonat, 
beginnt die Pflicht der Ehelosigkeit. Vergl. Herzog, Theol. Encyklop. X1?, 87. 

5 Welches Alter in Braunschweig dazu erforderlich war, ist kaum zu ent- 
scheiden. Das Mittelalter schwankte zwischen dem 18., 20. und 25. Lebensjahre; 
das Tridentinum hat den Beginn des 22. dafür festgesetzt. Vergl. Herzog, Theol. 
Eneyklop. XV 2, 8. 


XXVI Einleitung I 


Weizen (tres chori siliginis!) als Beihülfe gegeben, zu St. Cyriaci der 
volle Ertrag der Präbende tamquam praesenti gereicht. Einen allzu 
frühen Besuch der Universität wollte man jedoch nicht befördern. 
Daher die Bestimmung, dals, wenn einer schon vor der Subdiakonats- 
weihe (sine ordine sacro, non habens ordines maiores) sich dem 
sollemne studium zuwendete, ıhm nur so viel von seiner Präbende zu- 
kommen sollte, als ıhm bei fernerem Verbleiben ın der Schule zu 
teil geworden wäre. Auch ein über das übliche Triennium hinaus 
ausgedehnter Universitätsbesuch fand keine Begünstigung?. 

Wann zuerst neben den zukünftigen Stiftsherren und Mönchen in 
Braunschweig auch aus dem Laienstande Schülern der Zutritt zu den 
klerikalen Schulen gestattet wurde, ist nicht bekannt, möglicherweise 
ist es gleich von Anfang an geschehen. Was aber zuerst nur Her- 
kommen und Sitte gewesen sein mochte, wurde zum Gesetz, als die 
schon erwähnten Laterankonzile von 1179 und 1215 es allen 
Kollegiatkirchen zur Pflicht machten neben den jungen Klerikern 
auch armen Schülern umsonst den Weg zu den Wissenschaften zu 
eröffnen®. In Braunschweig werden derartige pauperes neben den 
scholares canonici schon 1251 in der unter 1 mitgetheilten »decisio 
inter capitulum et scolasticum« erwähnt“. 

Zunächst waren es wohl nur Bürgersöhne und Knaben aus der 
Umgegend, welche in Braunschweig an die Pforten der Stifts- und 
Klosterschulen klopften; daneben aber stellten ohne Zweifel bald auch aus 
weiterer Ferne Schüler sich ein. Mancherlei milde Stiftungen boten 
den armen Knaben und Jünglingen die Gelegenheit neben dem 
Unterricht in den Wissenschaften auch Nahrung und Kleidung zu 
gewinnen. Was dann noch fehlte, ersetzte das Almosen, das singend 
an den Thüren erbeten wurde. Wo die Söhne des heiligen Franziskus 
den Bettelsack trugen, war es auch für die armen Schüler keine 
Schande von Haus zu Haus milde Gaben zu heischen. Hat doch 
selbst Luther ohne ein Gefühl der Beschämung erzählt, dafs er ın 
seiner Jugend auch so ein Partekenhengst gewesen sei, der an den 

18.6°. Ein corus oder chorus enthielt 30 oder 25 modii. Du Cange, 
Gloss. 3. v. 

2 Vergl. S. 6; 24. 

3 Vergl. oben S. XVII, Anm. 1. 


+ Ss. 31%: [magister] scolas suas ad pensionem ultra non locabit, sed per se 
scolares et pauperes quibus deest pecunia, si idoneos viderit, ..... informabit. 











Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XXVII 


Thüren um Brot gesungen!. Seit dem 13. Jahrhundert besonders 
wuchs mehr und mehr an den Schulen die Zahl der fremden 
Mendikanten. Unstät zogen sie von Ort zu Ort. Für viele war 
das Studium nur ein Vorwand, um ohne Arbeit ihre Nahrung zu ge- 
winnen. Gar mancher trieb sich noch als Schüler umher, wenn 
längst schon der Bart ihm die Wangen umschattete. Die Sitten 
solcher Burschen waren nicht immer die besten; die Begriffe von 
Mein und Dein wulsten sie nicht immer mit Sicherheit zu unter- 
scheiden; gegen die Lehrer waren sie frech und widerspenstig und 
liefen davon, wenn ihnen eine Strafe bevorstand. »Vagantes« nannte 
diese Proletarier der Wissenschaft die Schulsprache der Zeit, Bak- 
chanten der Volkswitz. Auf manchen Städten lasteten sie zuzeiten 
wie eine Landplage; durch drohende Mandate suchten geistliche und 
weltliche Behörden dem Unfug zu steuern. In Braunschweig aber 
scheinen derartige Mafsregeln nicht nötig gewesen zu sein?. 


Von den zugewanderten Schülern, vielleicht auch von den Söhnen 
unbemittelter Einwohner, gewährten die beiden Stifte, möglicherweise 
auch das Kloster, einer beschränkten Anzahl noch besondere Ver- 
günstigungen, vor allem die Wohnung im Dormitorium, daneben noch 
allerlei Spenden an Brot und Geld, zu St. Oyriaci, und wahrscheinlich 
ebenfalls zu St. Blasien, auch Befreiung von der Zahlung des Schulgeldes. 
Für solche Wohlthaten hatten sie mancherlei Dienste zu leisten und 
bildeten namentlich den Stamm des kirchlichen Sängerchors, der für 
die kirchlichen Feiern, für Messe, Horendienst und Prozession, von 
gröfster Bedeutung war. In den Urkunden wird ihrer bald als der 
sarmen Schüler«, bald als der »Chorschüler«, namentlich aber als der 
»Schlafschüler (slapscolere)« gedacht3; in der Ordnung von 1370* und in 
den Statuten des Cyriacusstifts von 1483° werden sie »dormitoriales« 
genannt. Dafs sie diesen Namen geführt hätten, weil sie verpflichtet 
gewesen wären »abwechselnd in einem in der Kirche stehenden ver- 


ıJ. Köstlin, Martin Luther (Elberfeld 1875) I, 40. 

? Über die fahrenden Schüler vergl. besonders Palmers Art. »Bachanten« 
in Schmids Pädag. Encyklop. 1!, 338ff.; über die gegen die Vaganten getroffenen 
Mafsregeln, Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 199 ff. und Kaemmel, Gesch. d.. 
deutschen Schulw. S. 139. 

3 Dürre, Stadt Braunschweig S. 571. Vergl. auch unten Text S. 12%, 

158", 

55. 24%, 





XXVII Einleitung I 


schliefsbaren Bette zu schlafen und so für die Sicherheit der kost- 
baren Gefälse und Ornate zu sorgen«, ist ein Mythus, der schon allzu- 
lange in der Schulgeschichte des Mittelalters gespukt hat!. Der Ge- 
sang war bei den Schlafschülern die Hauptsache; die Wissen- 
schaft trat vor den Anforderungen, die der Chor an sie stellte, zurück, 
und meistens mögen sie im Dormitorium des Stifts geblieben sein, 
bis ırgend eine Versorgung im niederen Kirchendienst sich ihnen darbot. 


Schulgeld (precium) hatten in den klerikalen-Schulen der Stadt 
Braunschweig, trotz der entgegenstehenden Bestimmung der beiden 
erwähnten Laterankonzile, sowohl die Bürgerkinder wie die fremden 
Bettelschüler zu zahlen. Erwähnt wird dasselbe zuerst in der unter 3 
mitgeteilten Verordnung des Prälaten von 1370 (S.7£.), auch in den 
Statuten der Stifte ist davon die Rede?. Wie hoch dasselbe sich in den 
älteren Zeiten belief, ist nicht bekannt; erst gegen Ende des Mittelalters 
werden die von den Schülern entrichteten Summen näher bestimmt ®. 


Neben dem precium wird in der Verordnung von 1370 und in 
den Statuten des Oyriacusstiftes als eine von den Schülern zu ent- 
richtende Naturalienabgabe noch der pastus erwähnt*. Derselbe mag 
ursprünglich in einem Schmause, den die Schüler einer Anstalt zu ge- 
wissen Zeiten des Jahres ihrem Lehrer spendeten, bestanden haben, wurde 
aber wohl später, wie es auch in der Lateinschule zu Dordrecht ge- 


! Sack, Schulen $. 26; Kaemmel, Gesch. d. deutschen Schulw. S. 144; 
Kriegk, Bürgerth. i. Mittelalter S. 84f. Vergl. auch Dürre, Stadt Braunschweig 
S. 565 f.; Gelehrtenschulen S. 8. Der Vater des Mythus von den Schlafschülern 
ist Sack, ein überaus fleifsiger Sammler, aber wegen seiner ungenügenden Sprach- 
kenntnisse für Milsverständnisse äufserst empfänglich. Seine durchaus irrige Auf- 
fassung von den Pflichten der dormitoriales, die er in seiner Geschichte der Schulen 
zu Braunschweig S. 26 u. 6. vorträgt, gründet sich auf die Rechnungen der St. 
Martinikirche, aus denen aber nichts weiter hervorgeht, als dafs der Opferschüler 
an dieser Kirche auf einer Prieche derselben einen Bretterverschlag zur Schlafstelle 
hatte, vergl. Sack, Schulen S. 155f., Anm. 38. Von den Klöstern und Stiften ist 
dabei überhaupt gar nicht die Rede. Das Richtige findet sich schon bei Meyer, 
Gesch. d. Hamburger Schulw. S. 25fl. und bei v. Mülverstedt, Beiträge z. 
Kunde d. Schulw. S. 17fl. — Zu St. Blasien stieg die Zahl der Dormitorialen zu 
Zeiten auf 24, vergl. Sack, Schulen S. 83. Als Wohnung war für sie die »curia 
choralium« vorhanden, vergl. Dürre, Stadt Braunschweig S. 408, Anm. 216; S. 570. 


2 8.6°° precium magistrorum, S. 24” precium scolarium. 
®? In der unter 6 mitgeteilten Ordnung von 1478, S. 21. 
5, 811,948, 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XXIX 


schahl, in eine Geldsumme umgesetzt. Jedenfalls ist die Bezeich- 
nung nicht als ein Synonym von precium aufzufassen ?. 

Die Zucht, welche in den klerikalen Schulen geübt wurde, war 
hart. Für gelinde galt es, wenn sich der Lehrer mit Ohrfeigen 
(alapando), mit Zupfen an Haaren und Ohren (per crines seu aurem 
trahendo) begnügte*. Der Stock kam selten aus der Hand des 
Lehrers, selbst dann nicht, wenn derselbe bei feierlichen Aufzügen 
seinen Zöglingen voranschritt. Er bildete das Abzeichen des Standes. 
Selbst die gröfsesten Burschen wurden nicht mit Schlägen verschont, 
und so wenig vermochte man sich eine gründliche Schuldisziplin ohne 
körperliche Strafen zu denken, dafs »sub virga degere« geradezu so: 
viel wie »in scolis esse« bedeutete. Bei der Wildheit der Jugend 
mochte allerdings Strenge notwendig sein, und dem Zeitgeiste war es 
noch nicht zuwider, wenn ein hochaufgeschossener Schlingel die Rute 
zu fühlen bekam. Bei alledem erschien das Schulleben als ein Joch, 
das auf den Knaben und Jünglingen lastete. Es war ganz gewöhnlich, 
dafs man sie, solange sie unter Botmälsigkeit des Lehrers standen, 
als »pueri subiugales« oder als »pueri sub iugo existentes« 
bezeichnete®. Ein Irrtum aber wäre es, wollte man annehmen, die 
jungen Kanoniker und Mönche hätten sich in den inneren Schulen 
einer milderen und nachsichtigeren Behandlung als die übrigen 
Schüler zu erfreuen gehabt. Fehlt es auch über die Art und Weise, 


! Müller, Schulordnungen und Schulverträge I, 63, wo »past« zwischen 
kermis- und marctgelt aufgeführt und von Müller in der Übersetzung irrtümlich 
als Ostergeld aufgefaflst wird. — Erwähnt wird der pastus auch noch in einer 
Ordnung der Domschule zu Speier aus dem 14. Jahrhundert bei Mone, Schulw. 
vom 13. bis 16. Jahrh. S. 270: »Item scolares legentes in publico non prohibeantur 
recipere pastum solito more dandum; dignus est enim operarius mercede sua.« 

? Dürre, Stadt Braunschweig S. 566; Gelehrtenschulen S. 8, wo die Schreib- 
weise »pascum“ auf einen Fehler in dem Abdruck der Ordnung von 1370 bei 
Rehtmeyer, Kirchenhist. I, Beil. S. 18, zurückzuführen ist. 

$ Vergl. Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 202 fl. 

8:80, 

5 Der Ausdruck »puer subiugalis« findet sich S. 8° und 8'° in der Verordnung 
der Prälaten von 1370, wo die so bezeichneten Schüler den Gegensatz zu den aus 
der Zahl der älteren Schüler genommenen Gehülfen (socii, secundarii) (des Magisters 
bilden. Bei Meyer, Gesch. d. Hamburger Schulw. S. 204 findet sich der Ausdruck 
»scholares sub iugo existentes« im Gegensatz zu den maiores socii rectoris in einer 
Urkunde von 1836. Im Registrtum memoriarum St. Blasii (handschriftlich im 
Landeshauptarchiv zu Wolfenbüttel) heifst es auf Bl. 75&: »Isti denarii dantur tam 
absentibus quam praesentibus et existentibus sub iugo.« 


XXX Einleitung I 


wie zu Braunschweig unter ihnen die Zucht geübt wurde, an be- 
sonderen Nachrichten, so läfst sich doch annehmen, dafs die Strenge, 
‚welche in den allgemeinen Stifts- und Ordensregeln vorgeschrieben 
war, auch hier den zukünftigen Chorherren und Konventualen gegenüber 
gehandhabt worden ist. Jedenfalls zeugt es nicht gerade von Ver- 
weichlichung und tadelnswerter Nachsicht, wenn dem Scholastikus 
zu St. Blasien 1251 zur Pflicht gemacht wird die jungen Herren für 
die um 3 Uhr morgens stattfindende Matutin zu wecken und über- 
mütigen Ausschreitungen derselben ernstlich entgegen zu treten!. 
Neben den pueri subiugales werden in der Verordnung der Prä- 
laten von 1370 (S. 7£.) noch die socii oder secundarii erwähnt. Es 
waren erwachsene junge Leute, die vielleicht noch, wie es in Hamburg 
geschah, bei dem Rektor einige schwierigere Lektionen hörten, deren 
Aufgabe aber wesentlich nicht mehr im Lernen, sondern bereits im 
Lehren bestand. Sie gingen dem Rektor als Hülfslehrer (secundarii) 
bei dem Unterricht der Kleinen zur Hand, und bei dem durchaus 
zunftmälsigen Charakter des mittelalterlichen Schulwesens lag es 
nahe sie als die Gesellen (socu) des Meisters der Schule zu be- 
zeichnen. Wichtiger noch als die Thätigkeit in der Schule war für 
sie die Stellung, die ihnen ihr Schulherr in wohlhabenden Bürger- 
häusern verschaffte. Wer von den Einwohnern es irgend vermochte, 
nahm einen solchen Schulgesellen als Pädagogen für seine Kinder 
ins Haus. Für die freie Kost und andere Gutthaten war dieser dann 
seinen Zöglingen beim Lernen behülflich, begleitete sie zur Schule 
und brachte sie sicher wieder zu den Eltern zurück. Er blieb ın 
der Nähe, wenn die Kinder auf den Strafsen mit einander spielten, 
und kam es dabei zwischen den Schülern der verschiedenen Anstalten 
zu Zank und Schlägereien (verbis seu factis) und verhöhnte die eine 
Partei die andere mit spöttischen Versen (ritmis inhonestis), so stand 
ein jeder Gesell seinen Pflegebefohlenen mit kräftiger Faust zur Seite. 
Mit seinem Meister lebte der Gesell oftmals in Hader. Lohn erhielt 
er von ihm nicht, hatte ihm vielmehr, weil seine Aufnahme unter die 
Angehörigen der Schule und damit der Vorteil, den er als Pädagoge 
genols, von der Erlaubnis und dem guten Willen des Rektors abhing, 
precium und pastus wie die jüngeren Scholaren zu leisten. Das aber 
behagte ihm selten, und oft lief er seinem Meister davon, ohne die 
930 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XXXI 


gebührende Abgabe entrichtet zu haben. Fand er alsdann in einer 
der Schwesteranstalten Aufnahme, gelang es ihm sogar seine Zög- 
linge mit sich zu ziehen, so loderte der Zorn des geschädigten 
Magisters hell empor, und die ohnehin schon unter den verschiedenen 
Rektoren auf Brotneid beruhende Milsstimmung erhielt neue Nahrung. 
Im 14. Jahrhundert war durch derartige Vorkommnisse das Verhältnis 
der drei Schulen zu einander in eine so grolse Verwirrung geraten, 
dafs die obersten Vorsteher derselben, der Abt zu St. Ägidien, der 
Dekan zu St. Cyrisci und der Scholastikus zu St. Blasien, um die 
gestörte Eintracht der Rektoren wieder herzustellen und künftigen 
Widerwärtigkeiten vorzubeugen, sich veranlaist sahen in der unter 
3 mitgeteilten Verordnung (S. 7f.) die gegenseitigen Rechte und Pflichten 
derselben zu regeln und insbesondere auch festzusetzen, wie sich der 
eine Kollege den entlaufenen socii secundarii und pueri subiugales 
des andern gegenüber zu verhalten verpflichtet sei!. 


Die Wissenschaften, welche in den drei klerikalen Schulen 
gelehrt wurden, waren keine anderen als wie sie überhaupt in derar- 
tigen Anstalten zur Zeit des Mittelalters den Gegenstand des Unter- 
richts zu bilden pflegten®. »Primitivae et scolasticae disciplinae«, 
»primitivae scientiase et artes« werden sie genannt, und es kann kein 


I! Dals die in der Verordnung von 1370 vorkommenden Bezeichnungen »socii« 
und »secundarii« nur verschiedene Namen für dieselben Persönlichkeiten sind, hat 
bereits Dürre, Gelehrtenschulen S. 7 nachgewiesen und dabei die Vermutung 
ausgesprochen, dafs die socii secundarii so benannt seien, weil sie »den kleineren 
Schülern zugesellt (socii) wurden, um ihnen, wie beim Unterricht, so beim Ar- 
beiten helfend (secundarii) zur Seite zu stehen«. Für unsere Auffassung spricht 
besonders eine Bestimmung in den »Consuetudines Hamburgensis ecclesiae« von 
1336 bei Meyer, Gesch. d. Hamburger Schulw. S. 204, wo von dem Rektor gesagt 
wird: »Huius officium est libros gramaticales, loycales et rethoricos scolaribus sub 
iugo existentibus et maioribus suis sociis libros phie (philosophie?) legere. ... 
Item statuet unum de sociis suis ad maiorem cantum et unum ad minorem cantum 
et unum ad ymnos, qui scolares ad cantandum distincte et decenter sollicite infor- 
mabunt.“ Man vergl. auch H. W. Heerwagen, Zur Geschichte der Nürnberger 
Gelehrtenschulen von 1485—1526 (Progr. 1860) S. 12. — In einer Salzwedeler Ur- 
kunde von 1364 werden die Gehülfen des rector scolarium als »sodales paedagogi« 
bezeichnet. Riedel, C. D. Brand. A. XIV, S. 139, bei v. Mülverstedt, Beiträge 
z. Kunde d. Schulw. S.7, Anm. 4. 

9 Über den Unterricht in den Stifts- und Klosterschulen vergl. die aus- 
fübrlichen und sehr schätzenswerten Mitteilungen bei Specht, Gesch. d. Unter- 
richtsw. Kap. 3, S. 67ff. und Kap. 4, S. 81—126. 

8.149; 18”; 16, 


XXX Einleitung I 


Zweifel darüber obwalten, dafs die Gegenstände des Triviums, Gram- 
matik, Rhetorik und Dialektik, damit gemeint sind. In welcher 
Weise aber diese Disziplinen getrieben, welche Lehrbücher dafür zu 
Grunde gelegt wurden, in welchem Alter die Schüler an sie heran- 
traten, wie lange Zeit sie in der Regel gebrauchten, um ihrer mächtig 
zu werden — darüber und über verwandte Fragen fehlt es an jeglicher 
Auskunft. Die Unterrichtssprache war natürlich die lateinische, und 
zwar genau so gut und so schlecht, wie sie in den mittelalterlichen 
Schulen üblich war. Lesen und Schreiben wurde wie überall zu- 
gleich mit den Anfangsgründen des Latein gelernt!. 

Neben den Wissenschaften des Triviums war es besonders die 
Musik, die in den klerikalen Schulen des Mittelalters eifrig geübt wurde, 
meist wohl nur praktisch, um die kirchlichen Gesänge der Jugend geläufig 
zu machen. Die Theorie der Tonkunst, die Lehre von der Harmonie, 
von der Komposition und dergl. gehörte dem Quadrivium an?. Aber 
gerade die praktische Übung des Kirchengesanges war für die Kirche 
von der grölsesten Wichtigkeit. Ohne Gresang hätten die täglichen Horen 
und die Gottesdienste der Sonn- und Festtage, hätten die Prozessionen 
und die Feiern zu Ehren der Heiligen ihrer herrlichsten Zierde ent- 
behrt. Auch in Braunschweig wurde auf die musikalische Schulung 
der Jugend ein grolses Gewicht gelegt. Dem Scholastikus zu St. 
Blasien machen die Stiftsstatuten die Überwachung des Chors zur 
ernsten Pflicht, und dem Magister Engelbert war es 1251 gewaltig 
verübelt worden, dafs er die disciplina chori vernachlässigt und seine 
Scholaren von den kirchlichen Gottesdiensten fern zu halten gewagt 
hatte*. Es wird unter den geistlichen Herren nicht an solchen gefehlt 
haben, denen ein guter Sänger unter den Knaben wertvoller als ein 
guter Grammatiker war. 

Die Einförmigkeit des Schullebens wurde überall in den Stifts- 
und Klosterschulen sehr oft durch kirchliche Feiern, zuweilen auch durch 
Feste von recht weltlichem Charakter unterbrochen. Namentlich war 
es das Bischofsfest, das mit seinem Mummenschanz und seinen possen- 
haften Aufzügen zu der sonst herrschenden Strenge und Enthaltsam- 

I Verg. Kaemmel, Gesch. d. deutschen Schulw. S. 177, und besonders 
Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 67f. 

? Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 140#. 


ss, 6°. 
as, 31, 339, 490, 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XXXIHI 


keit einen sonderbaren Gegensatz bildete!. Auch in Braunschweig 
war dieses Fest schon früh im Schwange. Bereits das Ottonische Stadt- 
recht von 1227 nimmt, wie bereits erwähnt wurde, darauf Rücksicht 
und sucht einem übermälsigen Aufwande dabei hindernd entgegen- 
zutreten?. Zwar wird die Schule, in der zu jener Zeit der Knaben- 
bischof gekoren wurde, in der Urkunde nicht ausdrücklich genannt, 
doch kann bei der ganzen Stellung der verschiedenen Anstalten gar 
kein Zweifel darüber sein, dafs hier allein von der Stiftsschule in der 
Burg die Rede ist, zumal sie als die einzige dasteht, bei der auch 
sonst noch das in Rede stehende Schulfest urkundlich erwähnt wird. 


Den Anlals zu solcher Erwähnung boten die wüsten Ausschrei- 
tungen, zu denen im Laufe der Zeit die ursprüngliche Harmlosigkeit 
des Festes entartet war. Am Vorabend des St. Nikolaustages (6. De- 
zember) trieb ein Schüler, der vermummt und wie ein Junker Lieder- 
lich? gekleidet war, in dem Gotteshause allerlei ungehörige Possen. 
War dieser mit seinem Unfug zu Ende, so begann das eigentliche 
Bischofsspiel. Schon vorher hatten die Schüler aus ihrer Mitte einen 
zum Bischof, einen anderen zum Abt gewählt. Im vollen Prälaten- 
ornat, bekleidet mit Infula und Hirtenstab, ahmten dieselben unter dem 
Gelächter der Anwesenden die heiligen Gebräuche nach und spendeten 
den Segen, als wären sie wirkliche Würdenträger der Kirche. Auch die 
Einwohnerschaft nahm teil an der Festlichkeit, und haufenweise lief 
das Volk zusammen, wenn der Knabenbischof an der Spitze einer 
Prozession mit Wachskerzen und seidenen Bannern durch die Strafsen 
zog. Selbst von den Kanonikern mochten nicht wenige mit Behagen 
auf ein Grebaren schauen, das wie ein tolles Satyrspiel in den Ernst 


! C.Schmidt in dem Art. »Narrenfest« in Herzogs Theol. Encyklop. X?, 
425f.; Kaemmel, Gesch. d. deutschen Schulw. S. 201ff.; Specht, Gesch. d. Un- 
terrichtsw. S. 225f. 

? Vergl. oben S. XVII, Anm. 2. — Auch in Helmstedt sicherte sich die 
städtische Behörde einen Einflufs auf die Wahl des Schülerbischofs, vergl. die be 
treffende Bestimmung aus den Stadtstatuten bei Knoch, Stadtschule zu Helm- 
stedt S. 16: „De scolre ne solen hir nenen bischop kiesen ane des rades willen.“ 

3S. 10%: »consueverunt constituere quendam larvatum in similitudinem 
ribaldi«. Dafs »ribaldus« nicht Popanz (Dürre, Gelehrtenschulen S. 9), sondern 
soviel wie Lüderjahn, Wüstling, insbesondere liederlicher Kriegsknecht bedeutet, 
zeigt Du Cange, Gloss. s. v. »ribaldus«: vergl. franz. ribaud, engl. ribald. Über 
die Ableitung vergl. Diez, Etymol. Wörterb. 1?, 348. Das Wort stammt von ahd. 
hriba, mhd. rıba, und dem Suff. bald, also »scortorum amans«. 


6) 


XXXIV ; Einleitung I 


des kirchlichen Lebens hineintrat. In zügellosen Spottversen (rit- 
mizationes) wurden dabei die Vorgesetzten und sonstige angesehene 
Personen dem Gelächter preisgegeben, und festliche Schmäuse, zu 
denen die canonici novitii die Kosten ‚bezahlten, gaben den Anlals 
zu Trunkenheit und Völlerei. Bis nach Weihnachten zog sich der 
Unfug hinaus und fand erst an dem Tage des Evangelisten Johannes 
(27. Dezbr.) und an dem der Unschuldigen Kindlein (28. Dezbr.) 
seinen Abschlufs!. Und wie im Winter das Bischofsfest, so rief im 
Sommer die Feier des St. Ulrichstages (4. Juli) schlimme Unge- 
hörigkeiten hervor. In gemeinsamem Zuge führten alsdann die beiden 
Stiftsschulen mit grolsem Gepränge den sogenannten Pfaffenbaum (Papen- 
boem) durch die Stadt. Die Anfertigung dieser Standarte, an der 
Fahnen mit dem herzoglichen Wappen flatterten, störte schon lange 
Zeit vorher die Regelmälsigkeit des Unterrichts?. 

Im Anfang des 15. Jahrhundert hatten die Mifsbräuche bei dem 
Bischofsspiel und bei dem Umzuge des St. Ulrichstages einen so un- 
erträglichen Charakter angenommen, dafs das Kapitel zu St. Blasien 
sich veranlalst sah mit Ernst dagegen einzuschreiten. Am Montag 
nach Reminiscere (21. Februar) 1407 untersagte es die Feier der 
beiden Feste für alle Zeiten und wies die bislang dafür aufgewendeten 
Geldmittel anderweitigen Bestimmungen zu. Und so grols war das 
Gewicht, das die geistlichen Herren auf die Durchführung ihres 
Verbots legten, so grofs die Furcht vor einer Wiederkehr des Unfugs, 
dals sie von Papst Gregor XII eine Bestätigung ihrer Verordnung er- 
wirkten. Die Bulle desselben d. d. Senis Idibus Decembribus pontif. a. 
primo (13. Dezember 1307) ist unter 4 (S. 9ff.) zum Abdruck gebracht. 


* Ganz ähnlich verlief die Feier in Hamburg. Vergl. Meyer, Gesch. d. 
Hamburger Schulw. S. 15. 197f., 203. — Vergl. auch Leverkus, Urkundenbuch 
des Bistums Lübeck I (1856), S. 782. 

? Die Veranlassung zu der Feier des St. Ulrichstages ist nicht bekannt. Wie 
es scheint, sollte das fürstliche Wappen am Pfaffenbaum die Schulen als fürstliche 
Anstalten bezeichnen Vergl. Herm. Boten im Schichtbuch (Hänselmann, 
Chron. II, 321), wo von den beiden Kapiteln gelegentlich ihrer Weigerung das 
Halten von Privat- und Schreibschulen zu gestatten gesagt wird: „Wente se dar 
vele rechticheyt to hadden, dat se dat vordedingen konden myt orem papenböme, 
den de twey schole alle seven jare in der stad ummevorden myt banren, darinne 
stunt de wapen der fursten to Brunswick.“ Die Angabe Botens, dafs der Umzug 
mit dem Pfaffenbaum nur je im siebenten Jahre stattgefunden habe, scheint auf 
einem Irrtume zu beruhen. Die unter 4 mitgeteilte Urkunde setzt S. 12 eine all- 
jährlich wiederkehrende Feier des St. Ulrichstages voraus. 














Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XXXV 


Wenige Jahre nachdem zu St. Blasien die zügellosen Festlich- 
keiten der Schuljugend verboten waren, traten zu den drei klerikalen 
Lehranstalten noch zwei lateinische Stadtschulen hinzu, von 
denen die eine an die Kirche des heiligen Martin, die andere an 
die der heiligen Katharına sich anlehnte. Beide standen unter dem 
Patronate des Rats. Die Altstadt und der Hagen, wo sie belegen waren, 
bildeten die beiden angesehensten von den fünf Weichbilden der Stadt!. 

Derartige städtische Gelehrtenschulen waren nicht neu. Schon 
seit dem 13. Jahrhundert waren sie in wachsender Anzahl ins Leben 
getreten, vielfach ın Städten, die sich mit der Hansastadt Braun- 
schweig an Macht und Ansehen nicht zu messen vermochten?. Selbst 
das kleine Städtchen Helmstedt war schon seit 1248 (1253) mit einer 
solchen Lehranstalt versehen®. Überall hatte sich die Stiftung der 
städtischen Schulen unter dem Einspruche der geistlichen Herren, 
denen die an den betreffenden Orten vorhandenen Stifts- und Kloster- 
schulen gehörten, vollzogen, und meist war es den Bürgern erst nach 
hertem Kampfe gelungen den Widerstand der Prälaten zu überwinden. 

Die Beweggründe zu dem Kampfe um die Begründung der 
städtischen Schulen unterliegen vielfach noch einer irrtümlichen Auf- 
fassung. Man habe, so meint man, Anstols genommen an der sitt- 
lichen Verwahrlosung der Geistlichkeit, habe für die Jugend bessere 
Lehrer, nutzbringendere Stoffe, höhere Ziele und eine gesundere 
Methode gewünscht. Der Angelpunkt des ganzen Streites sei eben 


I Die fünf Weichbilder der Stadt, Altstadt, Hagen, Neustadt, Altewik und 
Sack, waren ursprünglich selbständige Gemeinwesen und wurden jedes durch einen 
besonderen Rat geleitet. Zuerst nur nach aufsen durch gemeinsame Verteidigung 
der Ringmauer geeint, verschmolzen sie erst sehr allmählich zu einem einzigen 
Gemeinwesen. Der Rat der Gesamtstadt hiels zum Unterschiede von den Räten 
der einzelnen Weichbilde der »gemeine Rat«. Jedes Weichbild hatte seine be- 
sondere Kirche. Die der Altstadt war dem h. Martin, die des Hagen der h. Katharina, 
die der Neustadt dem h. Andreas, die der Altenwik dem h. Magnus, die des Sack 
dem h. Ulrich geweiht. Letztere lag auf dem jetzigen Kohlmarkte und wurde 
1544 ihrer Baufälligkeit wegen abgebrochen. Der Gemeinde wurde dafür die Kirche 
des Brüdernklosters zugewiesen. Aufser den genannten 5 Pfarrkirchen bestanden 
noch zwei andere Pfarrkirchen mit sehr kleinen Gemeinden, die St. Petri- und die 
St. Michaeliskirche. Näheres bei Dürre, Stadt Braunschweig S. 295ff., 445 ff. 

2 Vergl. die Übersicht bei Kaemmel, Gesch. d. deutschen Schulw. S. 65—95 
und besonders bei Meister, Schulstreit des Mittelalters S. 31f. 

® Knoch, Stadtschule zu Helmstedt S. 13f., und wegen des Jahres der Grün- 
dung ebendas. S. 16, Anm. 

5*+ 


XXXVI Einleitung I 


nichts anderes als der Widerspruch des Laientums gegen einen 
moralisch entarteten, den Bedürfnissen des praktischen Lebens ent- 
fremdeten, bildungsfeindlichen Klerus gewesen!. 


Von einer derartigen Opposition des Bürgerstandes gegen die 
Geistlichkeit und gegen die innere Organisation ihrer Schulen wissen 
die zeitgenössischen Quellen nichts zu berichten. Überall, wo in den 
Städten um die Schulen gekämpft wird, treten vorwiegend nur äulser- 
liche Motive hervor. Der Klerus ist der Begründung neuer Lehr- 
anstalten neben den seinigen entgegen, weil seine Privilegien dadurch 
geschädigt, seine Einnahmen geschmälert werden. Die Bürger aber 
verlangen für ihre Kleinen meist eine gröfsere Bequemlichkeit oder 
Sicherheit des Schulweges, vor allem auch das Recht einen un- 
wissenden und die Jugend milshandelnden Schulmeister strafen und 
fortschicken zu können. Dazu gesellte sich der Wunsch, wie in den 
Stifts- und Klosterkirchen, so auch in den städtischen Gotteshäusern 
den Kultus durch den Gesang eines Schülerchors verherrlicht zu 
sehen, nicht zum wenigsten auch das stolze Bestreben, wie auf allen 
Gebieten des bürgerlichen Gemeinwesens, so auch auf dem der Jugend- 
bildung von fremden Einflüssen, seien sie geistlicher oder weltlicher 
Art, unabhängig zu sein. Wie wenig aber dabei ein Gegensatz gegen 
die innere Organisation der kirchlichen Schulen in Frage kam, zeigt 
ein Blick auf die städtischen Anstalten selbst. Zucht und Methode, 
Schulbücher und Lehrplan sind dieselben wie sie in jenen sich finden; 
auch in dem Lehrerpersonal ist ein Unterschied nicht zu bemerken. 
Dazu kommt, dafs es in der Regel gerade die höchsten Beamten der 
Kirche, dafs Päpste und Bischöfe es waren, durch deren Privilegien 
den städtischen Obrigkeiten die Begründung eigener Schulen gelang. 


In Braunschweig waren die Beweggründe, welche in der 
Bürgerschaft den Wunsch nach Errichtung eigener Lehranstalten 
wachriefen, im wesentlichen dieselben wie sie auch an anderen 
Orten sich geltend gemacht hatten. Die Schule der Benediktiner 
lag am fernsten Südostrande, die des Cyriacusstiftes gar aufserhalb 


I So Schmidt-Lange, Gesch. d. Pädag. II, 312; Dürre, Gelehrtenschulen 
S. 17; Stadt Braunschweig S. 373; Sack, Schulen S. 87. Auch Kaemmel, Gesch. 
d. deutschen Schulw. S.56 trägt ähnliche Anschauungen vor, die er jedoch $. 63 
abschwächt. Das Richtige bei Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S.248f.; Meister, 
Schulstreit im Mittelalter S. 19ff. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XXXVL 


der Stadt; die ungepflasterten Stralsen aber waren zur Winterszeit und 
bei Regenwetter schwer zu passieren, so dals dadurch für die fern 
wohnenden Schüler manche Versäumnis und Unregelmälsigkeit im 
Schulbesuch erwuchs. Die stattlichen Pfarrkirchen der Stadt entbehrten 
des Chorgesangs, und was am meisten ins Gewicht fiel, die Kinder 
der Bürger erfuhren in den klerikalen Schulen eine üble Behandlung, 
insbesondere sobald, was nicht selten geschah, zwischen den geist- 
lichen Herren und dem Rat eine Milshelligkeit einfiel. »Dar worden.« 
so erzählt ein alter Chronist, »de borger kindere geslagen, vorhömodet 
unde vornichtet, unde dar konde efte moste de rad nicht umme 
spreken unde se darumme straffen, soden natolatene, ore kindere 
so nicht to vorhumpelen; unde de cappittele se, de mester myt oren 
locaten, dar ock nicht umme straffen wolden, unde leyten dat so 
gescheyn; unde des deme rade unde oren borgeren sere vordrot«!. 

Dem Wunsche der Bürger, neben den klerikalen Schulen noch 
andere Anstalten für ihre Jugend errichtet zu sehen, traten die Prälaten 
unter Berufung auf ihre Privilegien mit Nachdruck entgegen. »Ock 
so wolden,« heilst es in der soeben erwähnten Chronik weiter, »de 
twey cappittele neyne schole mere instaden noch vrome prester dedeboven 
twey jungen mosten leren in dem alfabete, noch jennige schriverschole, 
dar me doch dudesche schrift inne lerde; wente se dar vele rechticheyt 
to hadden, dat se dat vordedingen konden myt orem papenböme, den 
de twey schole alle seven jare in der stad ummevorden myt banren, darinne 
stunt de wapen der fursten to Brunswick«?. Zu weiterer Sicherung 
ihrer Rechte erwirkten sie auch in profesto Purific. Mar. (1. Februar) 
1407 von den Herzögen Bernhard und Heinrich, die um jene Zeit 
gemeinsam die Lande Braunschweig und Lüneburg regierten, ein 
Mandat, das den Städtern ausdrücklich die Errichtung neuer und 
eigener Schulen verbot?. Aber die Bürgerschaft beruhigte sich nicht 
dabei, um so weniger, als bald zwischen den Kapitelherren von 
St. Blasien und dem Rat um der St. Ulrichskirche willen sich ein 
äufserst heftiges Zerwürfnis entspann. Die Chroniken haben es mit 

' Hermann Boten im Schichtbuch, bei Hänselmann, Chron. II, 321. 

* Vergl. oben S. XXXIV, Anm. 2. 

® In der unter 5B mitgeteilten Urkunde erklärt zwar Herzog Bernhard dieses 
Verbot für gefälscht, aber es ist trotzdem höchst wahrscheinlich, dafs dasselbe 


wirklich aus der herzoglichen Kanzlei hervorgegangen ist. Das Original desselben 
ist nicht mehr vorhanden. 


XXXVIU Einleitung I 


dem Namen des Pfaffenkrieges benannt!. Es kam so weit, dafs das 
Kapitel die Stadt mit dem Banne belegte und, um schlimmer Ver- 
gewaltigung zu entgehen, eiligst von dannen zog. Die Schule in der 
Burg wurde geschlossen. Da wandte sich der Rat an den Papst 
Johann XXIII, und dieser erteilte ihm von Konstanz aus, wohin er 
des Konzils wegen gekommen war, am 6. Tage vor den Kalenden des 
März (25. Februar) 1415 das unter 5A mitgeteilte Privilegium (S. 13ff.) 
und damit die Erlaubnis bei den Pfarrkirchen zu St. Martin und zu 
St. Katharinen je eine eigene Schule zu errichten. Die Erfüllung 
ihrer Wünsche kostete der Stadt zwar ein gutes Stück Geld; aber 
grofs war auch die Freude, als ihr Abgesandter Fricke Twedorp mit 
der päpstlichen Urkunde in der Heimat erschien. Ungesäumt wurde 
der Bau der nötigen Schullokale in Angriff genommen. 

Für die klerikalen Anstalten war die Errichtung der städtischen 
Schulen ein harter Schlag, und man begreift es, dafs ihre Vorsteher 
kein Mittel unversucht liefsen, um die Durchführung der verhafsten 
Mafsregel zu verhindern. Vergeblich bemühten sich die Landesfürsten 
die Streitenden zu einer Einigung zu bringen; vergeblich war es, dafs 
Herzog Bernhard sich offen auf die Seite der Bürgerschaft stellte und 
am 9. Juli 1418 in dem unter 5 B mitgeteilten Edikte (S. 15ff.) das 
1407 von ihm und seinem Bruder Heinrich ausgegangene Verbot, als wider 
sein Wissen und Wollen erlassen, für kraftlos und nichtig erklärte. 
Es kam zu Prozessen vor dem kaiserlichen Hofgericht, vor dem 
Konzil zu Konstanz, vor dem palatium causarım zu Rom. Wie das 
Konzil und das Hofgericht sich in der Sache gestellt haben, ist nicht 
bekannt. In Rom aber nahm der Handel für die Stadt eine un- 
günstige Wendung? In dem leider nicht vorhandenen Urteils- 


! Hänselmann, Chron. I, 1ff.; 320ff. Vergl. auch Dürre, Gelehrten- 
schulen S. 18ff.; Sack, Schulen S. 89 ff. 

? Im Grunde waren es zwei Prozesse, die in Rom zur Verhandlung gebracht 
wurden. In dem einen standen neben den Herren von St. Blasien die beiden 
Pfarrer Heinrich von Schöningen zu St. Martin und Johann Ember zu St. Andreas, 
so dals drei Kläger darin gegen Rat und Bürgerschaft auf den Kampfplatz traten 
(Privil. des P. Martin S. 18° „in illa quam vobis tres .... in ea quam similiter 
vobis.... moverant causis“); in dem andern hatten sich die Herren zu St. Cyriaci 
mit Abt und Konvent zu St. Ägidien zu einer Klage gegen die Stadt vereinigt. 
Während aber in der Klage der Prälaten von St. Ägidien und St, Cyriaci nur von 
der Errichtung der städtischen Schulen die Rede war, wurden in dem ersten daneben 
auch andere Beschwerden, insbesondere aus Anlals des Bannes, den die Klagenden 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XXXIX 


spruche des Papstes wurde ihr 1419 die Fortführung der bereits 
ins Leben getretenen Schulen untersagt; daneben hatte sie bedeu- 
tende Prozelskosten zu zahlen. Trotz alledem gab die stolze Bürger- | 
schaft ihre Sache noch nicht verloren, und in der That gelang es der 
Geschicklichkeit, mit welcher der rührige Stadtschreiber Dietrich 
Fritze am päpstlichen Hofe verhandelte, nicht zum wenigsten aber 
den grolsen Greldsummen, die man ihm mitgab und nachsandte, in 
Rom die malsgebenden Kreise von der Gerechtigkeit der Sache der 
Städter zu überzeugen. So kam es, dals am 16. Tage vor den 
Kalenden des Oktober (16. Sept.) 1419 Papst Martin V, unter Aufhe- 
bung seines erst kurz zuvor gefällten Urteils, in der unter 5C abge- 
druckten Bulle (S. 18f.) das von seinem Vorgänger Johann XXIII im 
Jahre 1415 bewilligte Privilegium bestätige. Am St. Matthiastage 
(24. Februar) 1420 kam dann unter der Vermittelung des Herzogs 
Bernhard zwischen dem Rat und den Stiftsherren zu St. Blasien nebst 
den mit in den Streit verwickelten Pfarrherren zu St. Martin und 
zu St. Andreas ein Vergleich zu stande, aus dem unter 5D die auf 
den Schulstreit bezüglichen Abschnitte mitgeteilt sind (S. 19 fl.). 
Bald gaben auch die übrigen Vertreter des Welfenhauses ihre Zu- 
stimmung. Damit war der Pfaffenkrieg zu Ende und der Bestand der 
beiden städtischen Lateinschulen, des Martineums und des Katha- 
rineums, gesichert. 


Über die innere Einrichtung der neuen Anstalten ist nur wenig 
bekannt, doch steht hinlänglich fest, dafs sie von den klerikalen 
Schulen im wesentlichen gar nicht verschieden waren. In den 
Gründungsurkunden wird ihre Ähnlichkeit mit diesen ausdrücklich 
hervorgehoben!. Hier wie dort bilden die Disziplinen des Triviums 
den Unterrichtsstoff?, hier wie dort sollen die Leistungen des Schüler- 
chors zur Erweiterung und Hebung des Gottesdienstes verwendet 


über die Stadt verhängt hatten, zur Sprache gebracht. Die Beachtung dieses Ver- 
hältnisses ist wichtig für das Verständnis der unter 5C und 5D mitgeteilten 
Urkunden. 

I Vergl. das Privilegium des Papstes Johann XXIII (S. 14° 29) und das des 
Papstes Martin V (18°), wo sie ausdrücklich in bezug auf die klerikalen Schulen 
als »consimiles scole« bezeichnet werden. 

? Die zu lehrenden Wissenschaften werden bezeichnet als gramaticales et 
huiusmodi primitive discipline (14°!, 182%), primitive sciencie et artes liberales 
(159), gramaticalia unde de ersten kunste 20°. Vergl. dazu oben $. XXXI. 


XL Einleitung I 





werden!. Auch das Lehrerpersonal war ohne Zweifel von ganz der- 
selben Art wie es in den Stiften und bei den Benediktinern Beschäf- 
tigung fand. \Venn man gemeint hat, Mitglieder des Prediger- und 
Franziskanerordens hätten an den städtischen Schulen den Unterricht 
übernommen, so ist das eine Vermutung, deren Richtigkeit durch nichts 
sich erweisen lälst; zudem würde auch eine derartige Beschäftigung 
der Ordensbrüder den Ordensregeln schwerlich entsprochen haben ?. 

Gleichzeitig mit den städtischen Lateinschulen erhielten auch die 
deutschen oder Schreibschulen in der Stadt Braunschweig ihre 
rechtliche Grundlage. Es ist bereits erwähnt, wie auch derartigen An- 
stalten gegenüber die Prälaten sich ablehnend verhalten hatten?; aber in 
dem Vertrage von 1420 wulsten die Städter es durchzusetzen, dals es 
nicht mehr verboten sein sollte »schrivelscholen« zu halten, um darın 
unter Ausschluls des Latein und sonstiger Wissenschaft »schriven 
unde lesen dat alphabet unde dudessche boke und breve« zu lehren*. 
Die Anstalten, welche aufgrund dieser Bestimmung hervorschossen, waren 
zunächst nichts weiter als Privatunternehmungen, und es mag zur Er- 
öffnung derselben kaum einer besonderen Grenehmigung der Obrigkeit 
bedurft haben. Aber zwei unter ihnen, welche zu St. Martin in der 
Altstadt und zu St. Katharinen im Hagen gehalten wurden, müssen schon 
am Ausgange des Mittelalters den Charakter öffentlicher und städtischer 


I Vergl. das Privilegium des Papstes Johann XXIII (S. 142): »quod apud 
quamlibet sancti Martini et sancte Catharine ecclesiarum huiusmodi consimiles 
scole habeantur et exinde in eisdem ecclesiis cultus divinus augmentetur.« 

? Die Vermutung wurde zuerst in Bezug auf das Katharineum ausgesprochen 
von dem Rektor Bremer in einer »Brevis historia scholae Catharinianaex vom 
Jahre 1712 (Monumenta scholae Catharinianae, handschriftlicher Quartband 
in der Bibliothek des Martino-Katharineums, Bl. 3): »In initio 15 seculi schola 
Cathariniana ad coenobium Paulinum condi coepta est... Docuerunt in ea primum 
monachi Dominicani ordinis, sed post eiectos Brunswiga seculo 16 ımonachos praeceptores 
Lutheranae religionis constituti sunt.« Alleın Anschein nach war es die ursprüng- 
liche Lage der Schule am Kloster, welche Bremer zu der obigen Bemerkung ver- 
anlalste.e Dürre, Gelehrtenschulen S.20 und Stadt Braunschweig S. 575, teilt die 
Notiz mit dem Zusatz »angeblich« mit. Eine besondere Beteiligung der Franzis- 
kaner am Martineum ist von Dürre a.a. O. als Vermutung, von Kawerau, Agri- 
cola S. 9 als Thatsache ausgesprochen. Es ist aber durch nichts zu erweisen, dals 
zur Zeit des Mittelalters die Mitglieder eines Klosterkonvents sich überhaupt zum 
Unterricht an Stadtschulen herbeigelassen haben, trotzdem es auch von Kaemmel, 
Gesch. d. deutscheu Schulw. S. 44 behauptet wird. 

3 Vergl. oben S. XXXV1. 

+5.20%, 














Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XLI 


Schulen gehabt haben. Denn wo in der Bugenhagenschen Kirchen- 
ordnung von 1528 von den beiden »düdeschen jungen scholen« die 
Rede ist!, macht es ganz den Eindruck, als ob die an der Spitze der- 
selben stehenden »dudeschen schole meystere van deme erbarn rade 


angenamen« schon früher ihre Bestallung als städtische Beamte vom 
Rate erhalten hatten?. Die Aufgabe derselben wird, wenn aus den 
späteren Verhältnissen ein Rückschluls auf die früheren Zustände ge- 
macht werden darf, hauptsächlich darin bestanden haben junge Leute 
im Rechnen und Schreiben so auszubilden, dafs sie als Kaufleute oder 
als Handwerker, namentlich aber auch als städtische Schreiber ihrem 
Berufe gewachsen waren’. 

Nach der Beendigung des Pfaffenkrieges bleiben die sämtlichen 
Schulanstalten in der Stadt Braunschweig mehr als ein halbes Jahr- 
hundert hindurch in tiefes Dunkel gehüllt. Erst 1478 treten sie 
wieder in der unter 6 mitgeteilten Ordnung (8. 21 & in eine deut- 
lichere Beleuchtung hinein. 

Es waren keine erfreulichen Zustände, Selen die Prälaten und 
den Rat veranlalsten gemeinsam diese Ordnung »de regimine scho- 
larum« zu erlassen. Die Rektoren, oft wohl durch die Not des 


ı 5. 36. 

®? Nach Bode, Stadtverwaltung III, 32 sollen die beiden Schreibschulen zu St. 
Martin und zu St. Katharinen als Parochialschulen, die besonders den Interessen des 
Handeisstandes dienten, schon seit dem Ende des 13. Jahrhunderts bestanden haben. 
Die Quelle, worauf diese Angabe sich gründet, wird nicht genannt. Aber Sack, 
(Schulen S. 8. 11) hat bei seiner unermüdlichen Durchforschung der mittelalterlichen 
Akten nichts von diesen Anstalten gefunden; auch wäre es höchst auffallend, wenn 
sie zur Zeit des Pfaffenkrieges bestanden hätten, ohne dals ihrer in einem der 
darüber erhaltenen Dokumente gedacht wird. Wir sind deshalb der Überzeugung, 
dafs dieselben erst nach 1420 ins Leben getreten sind. Eine gleiche Bewandtnis 
hat es mit den übrigen Parochialschulen, von denen Bode, Stadtverwaltung III, 31, 
berichtet. In den Akten und Urkunden werden derartige Anstalten zur Zeit des 
Mittelalters und noch lange darüber hinaus gar nicht erwähnt. Allerdings ist hie 
und da bei den verschiedenen Kirchen von Pfarrschülern die Rede (Sack, Schulen 
S. 8ff., 23ff.), aber diese waren nichts weiter als Mitglieder des kirchlichen Perso- 
nals, Ministranten und Mefsgehülfen, wie sie der kirchliche Dienst erforderte. Schüler 
aber hiefsen sie, weil die Sprache der Zeit einen jeglichen Menschen, der irgend 
welche Schulbildung genossen hatte, aber in abhängiger Stellung sich befand, mit 
diesem Namen beehrte. Vergl. v. Mülverstedt, Beiträge z. Kunde d. Schulw. 
S. 21 ff. 

3 Über die Privatschulen, deutschen Schulen und Schreibschulen des Mittel- 
alters finden sich schätzenswerte Mitteilungen bei Müller, Quellenschriften 
S.315 ff. Die Braunschweiger Anstalten werden von ihm erwähnt S. 322 ff. 


XLHO Einleitung I 


Lebens dazu gezwungen, suchen einer dem andern die Schüler ab- 
zujagen; den Hülfslehrern, die sie in Dienst genommen, fehlt es zum 
Teil an den nötigen Kenntnissen, um ıhr Amt mit Nutzen zu ver- 
walten; bei den Meistern aber sowohl wie bei den Gesellen macht 
sich nicht selten ein Mangel an sittlichem Ernst und Gewissenhaftig- 
keit bemerkbar; durch leichtfertige Sitten geben sie den Schülern ein 
böses Beispiel, leben mit einander ın Unfrieden und Hader, lassen 
sich in der Behandlung der Jugend von ihrer Leidenschaft zu roher 
Gewaltthätigkeit fortreilsen, laufen auch wohl davon, ohne die über- 
nommenen Lektionen zu Ende geführt zu haben. Den Schülern 
endlich fehlt es an Fleils und an Gehorsam; der Gregoriustag 
(12. März) im Anfang des Schuljahrs, an dem man die neuen Schüler 
in den Häusern aufsuchte, um sie in Prozession zur Schule zu führen, 
giebt Anlals zu wilden Raufereien und zu ähnlichen Ungehörigkeiten, 
wie sie vor Zeiten zu St. Blasien das Nikolausfest hervorgerufen 
hatte. Es muls wohl schlimm genug um das Gedeihen des Schul- 
wesens ausgesehen haben, um die sonst so selten einträchtigen Vor- 
steher der verschiedenen Anstalten zu gemeinsamen Malsregeln zu 
veranlassen. 


Ziemlich deutlich treten in der Ordnung von 1478 die äufseren 
Verhältnisse der Lehrer hervor. Die Rektoren stehen unmittelbar 
unter den geistlichen oder weltlichen Vorgesetzten der betreffenden 
Anstalten, im Ägidienkloster unter dem Abt, in den Stiftsschulen 
unter dem Kapitel — ein Scholastikus wird zu St. Blasien nicht er- 
wähnt — im Martineum unter dem Rat der Altstadt, im Katharıneum 
unter dem des Hagen. Ihre Einnahme bestand in dem Schulgelde, 


! Das weitverbreitete Gregoriusfest wurde am 12. März, dem Todestage 
Gregors I (t 604), gefeiert. Wann dasselbe zuerst in Braunschweig Eingang fand, 
ist nicht bekannt, doch liegt die Vermutung nahe, dafs es als Ersatz für das 1407 
abgeschaffte Nikolausfest in Aufnahme kam. Auch an andern Orten des Landes 
wurde es begangen, in Helmstedt der damit verbundene possenhafte Umzug sogar 
erst 1746 verboten, vergl. Knoch, Stadtschule zu Helmstedt II, 21. Was über 
dieses Fest in Gottschicks Artikel »Schulfeste« in Schmids Pädag. Encyklop. 
VIH, 24 gesagt wird, ist wenig erschöpfend. Näheres bei Löschke, die reli- 
giöse Bildung der Jugend im 16. Jahrh. (Breslau 1846) S. 158fl.; Fechter, Gesch. 
des Schulw. in Basel bis zum J. 1589 (1837) I, 30 f.; Ruhkopf Gesch. d. Schulw. 
S. 159f.; Kriegk, Bürgerthum i. Mittelalter S. 93 £.; Specht, Gesch. d. Unter- 
richtsw. S. 229; Kaemmel, Gesch. d. deutschen Schulw. S. 202 f., wo auch noch 
weitere Litteraturnachweise sich finden. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XLOI 


dem »Lohne«, wie es in der Ordnung genannt wird. Die Söhne der 
Reichen zahlten, wahrscheinlich halbjährlich, zwei neue Schillinge, 
die aus dem Mittelstande zwei alte Schillinge, die armen Bettelschüler 
nur einen neuen Schilling. Dazu kam ohne Zweifel die Wohnung! 
und was gutherzige Eltern den Lehrern ihrer Kinder freiwillig dar- 
brachten. Dafs dieselben seitens der Gemeinde keine Bezahlung erhielten, 
ist schon aus dem Schweigen der Ordnung »de regimine scholarum« 
zu vermuten, wird aber auch von einem Zeitgenossen ausdrücklich be- 
stätigt, wenn er sagt: »Confluunt huc ex vicinioribus oppidis adole- 
scentes, quibus ex eleemosyne victus est; magister vero qui ipsis 
praeest modicam ab auditoribus collectam recipit, ex publico nihil«?. 

Als Hülfslehrer der Rektoren werden Lokaten und Bakkalarien 
erwähnt. Jene waren, wie die socii secundarıı hundert Jahre zuvor 
es gewesen®, ältere Schüler, die, ohne eine akademische Bildung ge- 
nossen zu haben, bereits zu lehren begannen*, diese junge Männer, 


! Vergl. auf S. 32 die Bestimmung der Kirchenordnung von 1528: »Sulke 
woninge der scholmeysteren unde gesellen wil holden unde buwen eyn erbar radt, 
alse stedes tovorne.« 

? Telomonii Ornatomontani (Tilemann Zierenberger) descriptio belli inter 
Henricos iuniorem et seniorem duc. Brunsv. et Luneb. civitatemque Brunsvicensem 
circa a. 1492 gesti ap. Leibn. Script., Brunsv. I], 91. 

3 Vergl. oben S. XXX. 

* Das Wort »locatus« wird nach dem Vorgange von Ruhkopf, Gesch. d. 
Schulw. S. 104 gewöhnlich von locare in der Bedeutung mieten, dingen abgeleitet, 
so dafs man darunter einen vom Rektor gedungenen Hülfslehrer versteht. Dals dieses 
Verbum im Mittelalter,.dem klassischen Gebrauch zuwider, im Sinne von conducere 
verwendet wurde, kann allerdings nach Diefenbach, Gloss. s. v. »locare« nicht zweifel- 
haft sein. Trotzdem erheben sich gegen diese Ableitung nicht unbedeutende Be- 
denken. Zunächst ist es auffällig, dafs dieser Ausdruck für die in einem durchaus 
ähnlichen Verhältnis stehenden Vikare der Pfarrherren niemals gebraucht wird. 
Man nennt dieselben auf deutsch geradezu Miet- oder Heuerpfaffen (von »heuern«, 
conducere und locare, vergl. Grimm, Wörterb. IV, 2, 1286 s. v.), aber lateinisch 
findet sich dafür wohl nur die Bezeichnung »mercenarii«, z. B. Rehtmeyer, 
Kirchenhist. I, 231. Noch auffälliger ist es, dafs die andern Hülfslehrer, wie 
baccalarii, succentores und dergl., die doch gleichfalls als »Gesellen« im Dienste 
des Rektors stehen, niemals zu den locati gerechnet, sondern stets von ihnen 
unterschieden werden, namentlich aber, dafs für den rector scholarium selbst, ob- 
wohl er von dem Scholastikus, oder wer sonst der oberste Vorstand der Schule 
war, in Dienst genommen wurde, doch zu keiner Zeit diese Benennung in An- 
wendung kommt. Überhaupt tritt es nirgends hervor, dals man zu der Zeit, als. 
das Wort locatus noch in aller Munde war, den Begriff des Mietlings damit ver- 
bunden hat. Die bei Schiller-Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterb.l, 711 s. v. 
herangezogenen Glossare führen nur die Bedeutungen »vndermeister, hypodidasca- 


XLIV Einleitung I 


die von einer Universität mit dem untersten Grade der facultas artium, 
dem Bakkalariat, zurückgekehrt waren, ohne es jedoch schon zu der 
Würde des Magisteriums gebracht zu haben. Die meisten von ihnen 
waren arme Gesellen, die an den Schulen ihr Dasein fristeten, bis 
entweder ein geistliches Amt sich ihnen bot oder ein glücklicher Zu- 
fall ihnen die Mittel zur Fortsetzung ihrer Studien gewährtel. Die 
Anstellung der Hülfslehrer war ganz ın das Belieben der Rektoren 
gestellt. Gehalt erhielten sie eben so wenig vom Rektor wie von der 


lus, vicarius« an, und wenn z. B. Luther von den Städten, die tüchtige Lehrer 
nicht angemessen besolden wollten, die Äufserung thut: »sie sollen dafür kriegen 
Lokaten, Bachanten, grobe Esel und Tölpel, wie sie vorhin gehabt haben, die ihre 
Kinder mit grofser Unkost und Geld dennoch nichts anders lehren 'denn eitel Esel 
sein« (Jen. Ausg. V, 1708), so ist darin von einem Mietverhältnis als Anlafs der 
Benennung auch nicht die leiseste Andeutung zu finden. Dazu kommt, dafs in der 
Bautzener Schulordnung von 1418 (Müller, Vorreform. Schulordnungen I, 39) die 
untersten Lehrer statt locati mehrere Male »locatores« genannt werden, eine Be- 
zeichnung, die bei der gewöhnlichen Ableitung geradezu unmöglich sein würde. 
Nach allem scheint es, dafs die Ableitung des Wortes »locatus« von locare und 
die Erklärung desselben durch praeceptor conducticius oder mercenarius abzuweisen 
ist. Dann aber bleibt nur die Annahme übrig, dals das Wort unmittelbar aus dem 
Substantiv locus gebildet ist wie barbatus, cordatus, sagatus, lupatus und viele 
andere schon im klassischen Latein, oder wie graduatus, licentiatus, collegiatus in 
der Sprache des Mittelalters. Wenn aber Meyer, Gesch. d. Hamburger Schulw. 
S. 51; 471; 478 die Lokaten als »loca tenentes<« und zwar im Sinne des franzö- 
sischen lieutenant auffalst, so ist dagegen zu bemerken, dafs die locati nie eigent- 
liche Stellvertreter des Rektors gewesen sind. Richtig scheint vielmehr zu sein, 
was der Verfasser bereits seit Jahren vermutet hat und was kürzlich auch von 
Paulsen, Gel. Unterr. S. 106 Anm. vorgeschlagen wurde, dafs man nämlich unter 
den locati sich die Vorsteher der einzelnen Abteilungen der Schüler zu denken 
hat, die im Mittelalter ganz allgemein und auch noch in der Reformationszeit 
(Hamburger Schulordnung bei Vormbaum, Schulordnungen I, 19f.; 40 ff.) 
loca, in den Wiener Schulordnungen von 1446 und 1460 (Müller, Vorreform. 
Schulordnungen I, 56fl.; 74ff.; Paulsen, Gel. Unterr.791 ff.) aber Lokatien oder 
Lokate genannt werden. Hieraus erklärt sich auch, weshalb weder Kantor noch 
Succentor, die in ihrer Eigenschaft als Gesanglehrer die gesamte sangfähige Schul- 
jugend zu einem einzigen Coetus vereinigten, zu den Lokaten jemals gerechnet 
wurden. — Dals aber die locati ältere Schuler waren, geht deutlich aus der Nürn- 
berger Schulordnung von 1501 (Müller, Vorreform. Schulordnungen I, 135; Rey- 
scher, Württemb. Gesetze XI, 2, 6) hervor, wo es heifst: »Locati.... die sollent 
auch vszbündig vnd für ander schuler geschickt, gevbt vnd gelertt sin«. 

! Das Wort »baccalarius« bezeichnete ursprünglich einen jungen Ritter, der 
noch kein eigenes Banner führte, vergl. Diez, Etymol. Wörterb. I?, 42f. Trotzdem 
die Etymologie des Wortes noch nicht ganz aufgehellt ist, so sollte doch wenigstens 
von der »bacca lauri« als einer Auszeichnung der graduierten Studiosen oder von 
dem »baculus« als dem Abzeichen des Lehrerstandes nicht mehr die Rede sein. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XLV 


Stadt; wäre es geschehen, so hätte es sicher in der Ordnung »de 
regimine scholarum« Erwähnung gefunden. Wie hundert Jahr vorher 
die socii secundarıi, so lebten die Lokaten sowohl wıe die Bakkalarien 
von dem, was eine Hauslehrerstelle ihnen einbrachte. In dieser Weise 
hat 1514 Johann Agricola aus Eisleben, der spätere Hofprediger des 
Kurfürsten von Brandenburg, in Braunschweig längere Zeit bei einem 
Bürger namens Durigke gewohnt!. 


Als Lehrgegenstände der sämtlichen Lateinschulen nennt die 
Ordnung von 1478 die freien Künste (de frigen kunste), die nach 
gewohnter Weise (na wontlikere wise) betrieben werden sollen. Ins- 
besondere werden daneben noch das Lateinsprechen und der Gesang 
betont. Was die Schulen aber wirklich geleistet haben, wird aus dem 
Urteil eines Zeitgenossen bekannt, wenn er sagt: »Nulla hic studia 
gentilium literarum; poeticam oratoriamque prorsus ignorant; gramma- 
ticae duntaxat ac dialecticae operam adhibent«?. Allerdings stehen 
die Braunschweiger Schulen mit ihrer Vernachlässigung der heidnisch- 
klassischen Litteratur und der Rhetorik nicht allein. Auch an anderen 
Orten traten die übrigen Gegenstände des Triviums vor der Dialektik, 
dem Lieblingskinde der Scholastik, zurück. »Littera sordescit, logica 
sola placet« ıst eine Klage, die für den Geist der Schulen am Aus- 
gang des Mittelalters ın weiten Kreisen charakteristisch ist?. 


Neben den Lateinschulen werden in der Ordnung von 1478 noch 
die »biischolen« d. i. Nebenschulen erwähnt, die aus der Bestimmung 
des Vertrags von 1420 über die Schreibschulen* ihre Berechtigung 
herleiteten. Die Übergriffe, die ihre Leiter sich in das Unterrichts- 
gebiet der Lateinschulen gestatteten, boten den Anlals zu be- 
schränkenden Bestimmungen. Nur bis zum siebenten Jahre sollten 
die Kinder ın ihnen verweilen, die Zahl der Schüler über zehn nicht 
hinausgehen. Die Vorschrift fand schwerlich allseitige Beachtung. 
Auch den Schreibmeistern (scrivelmester) sah sich der Rat das Jahr 
darauf am Freitage nach Oculi (19. März 1479) veranlalst in einem 


! Kawerau, Agricola S. 10. 

? Telomon. Ornatomontanus ap. Leibn. Script. Brunsv. II, 91. 

® Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 126. 

* Vergl. oben S. XXX VII. 

® Ähnlich ging es an andern Orten zu, vergl. J. Müller, Quelenschriften. 
S. 321. 


XLVI Einleitung I 


Zusatz zu der Ordnung von 1478 (S. 23) jeglichen Lateinunterricht 
ausdrücklich zu verbieten und sie auf „dudesche bouke unde breve“ 
zu beschränken. 


2 


Von der Reformation bis zur Unterwerfung der Stadt 
unter das landesherrliche Regiment (1671) 


Einen bedeutsamen Abschnitt in der Entwickelung des Schul- 
wesens der Stadt Braunschweig bildet die Reformation. Erst nach 
leidenschaftlichen Kämpfen widerstreitender Parteien gelangte dieselbe 
zum Siege. An den Einspruch des Landesherrn, des römisch ge- 
sinnten Herzogs Heinrich von Wolfenbüttel, kehrte man sich nicht; 
denn die blühende Hansastadt hatte es verstanden ein so hohes Mals 
von Rechten und Freiheiten zu erwerben, dals sie an Selbständigkeit 
den reichsunmittelbaren Städten nicht allzuviel nachstand. Zudem 
fühlte sie sich durch die Festigkeit ihrer Mauern und durch den Mut 
ihrer Bürger stark genug, um das Grollen des Fürsten verachten zu 
können. So kam es, dals Johannes Bugenhagen der Pommer, den 
der Rat von Wittenberg herbeigerufen hatte, unbehelligt von den 
Gegnern der Reformation den neuen Verhältnissen im Sommer 1528 
teils durch seine persönliche Einwirkung, teils durch die von ihm ver- 
falste und von Rat und Bürgerschaft feierlich angenommene Kirchen- 
ordnung feste Ziele und sichere Bahnen vorzuschreiben vermochte. 

Dals auch die Schulen der Stadt unter der Hand des Refor- 
mators einen neuen Aufschwung gewinnen möchten, war nicht das 
letzte, was man bei seiner Berufung von ihm erwartete. »Mit den 
Schulen«, so hatte man schon vor seiner Ankunft geäufsert, »sähe 
E.E. Rat es hochnotwendig an, weil gelehrte Schulmeister nicht. 
wohl aufzubringen und zu erhalten und eine Zeit her eine geringe 
Schule gewöhnlich gewesen, dals ein jeder nach seinem Vermögen 
dazu thäte, damit die Schulen verbessert und ein geschickter Mann 
zu St. Martin und St. Katharinen unterhalten würde«!. 


I! Rehtmeyer, Kirchenhist. III, 56. 











Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XLVII 


Bei dieser Stimmung des verständigeren Teils der Bürgerschaft 
fanden Bugenhagens Vorschläge für die Neugestaltung des städtischen 
Schulwesens bereitwillige Annahme, wenn es auch, wo der Kosten- 
punkt in Frage kam, bei manchen an Unlust zu zahlen nicht fehlte!. 
Die vereinbarten Bestimmungen erhielten durch die Aufnahme in 
»Der Erbarn Stadt Brunswig Christlike ordeninge« recht- 
liche Geltung. Sie bilden die erste evangelische Schulordnung der 
Stadt Braunschweig und sind unter 8 zum Abdruck gebracht?. 


Bemerkenswert ist an der Bugenhagenschen Ordnung zunächst 
die Wärme, mit der den Bürgern Erziehung und Unterricht ihrer 
Kinder ans Herz gelegt wird; nur durch sie werde für das zeitliche 
und ewige Heil der Einzelnen, nur durch sie für die Wohlfahrt des 
Ganzen gesorgt. Es sind dieselben Gedanken, wie sie so oft in den 
Schriften der Reformatoren wiederkehren und wie sie Luther selbst 
ganz besonders kräftig und eindringlich in seiner Schrift an die Rats- 
herren der deutschen Städte (1524) dargelegt hat. Im Grunde ist 
es eine Art moralischen Schulzwanges, der hier proklamiert wird. 
Seine Eltern- und Christenpflicht, so wird eingehend ausgeführt, seine 
Schuldigkeit gegen Kirche und Staat vergilst, wer seine Kinder nicht 
zur Schule schickt; Schande über den, der aus Gleichgültigkeit oder 
um des Mammons willen seine Nachkommenschaft von dieser Quelle 
so mannigfachen Segens zurückhält! Man unterschätze das Gewicht 
derartiger Mahnungen nicht! So einfach und selbstverständlich sie 
der Jetztzeit erscheinen, so neu und bedeutungsvoll klangen sie den 
Söhnen des 16. Jahrhunderts ins Ohr. Mit solcher Kraft, mit solcher 
Herzlichkeit, in solcher Allgemeinheit, wie Bugenhagen in seiner 
Kirchenordnung in dem Abschnitte »Van den scholen« es thut, hatte 
noch niemand zuvor am Strande der Oker den Schulen das Wort 
geredet. 


Vor allem sind es die beiden städtischen Lateinschulen, denen 
der Reformator Beachtung schenkt. Die zu St. Martin wurde für die 
Knaben aus der Altstadt, dem Sack und der Altenwik, die zu St. Ka- 


! Vergl. Hänselmann, Bugenhagens Kirchenordnung für die Stadt Braun- 
schweig, Einl. S. XXX. Die Vorschläge Bugenhagens, wie sie vom Rate der 
Gesamtstadt den Verhandlungen mit der Gemeinde zu Grunde gelegt wurden, finden 
sich ebendaselbst S. LIIf. 

2 Ss. 25ff. 


XLVIH Einleitung I 


tharınen für die aus dem Hagen und der Neustadt bestimmt. Jene 
war bedeutender als diese. Ihr Rektor sollte ein magister artium sein, 
fähig, seine Schüler unmittelbar auf die Universität vorzubereiten, 
daneben auch gelegentlich theologische Vorlesungen für die Gelehrten 
zu halten. Neben ihn stellte man einen »gelerden helper«, einen 
Kantor und einen »gesellen vor de ringesten jungen«.. Der gelehrte 
Helfer war ein studierter Mann, der es aber über den Grad des 
Bakkalareats noch nicht hinausgebracht hatte; der Kantor sollte ge- 
schickt sein auch den künstlichen, figurierten Kirchengesang (in 
figurativis; zu leiten und einzuüben; der »ringeste gesell« war, wie 
die Lokaten der Ordnung von 1478, ein Lehrer ohne akademische 
Bildung. Gleicher Art war das Personal zu St. Katharinen, nur dals 
der Magister an der Spitze dort fehlte. Über beiden Schulen stand 
eine Schulkommission, die aus dem Superintendenten, seinem Adjutor, 
Deputierten der fünf Weichbildsräte und den Kastenherren der Kirch- 
spiele zusammengesetzt war. Zweimal im Jahre sollte sie durch eine 
Visitation sich überzeugen, ob auch die Vorschriften der Kirchen- 
ordnung von den Schulgesellen befolgt würden. 

Um tüchtige Lehrer für die Schulen zu gewinnen und sie daran 
festzuhalten, werden die Gehaltsverhältnisse derselben gebessert und 
geordnet. Rückhaltslos wird die Pflicht der Weichbildsgemeinden, an 
der für sie bestimmten Anstalt die Lehrer geziemend (temelick) zu 
besolden, anerkannt. Dem Magister zu St. Martin werden 50 Gulden, 
seinem studierten Helfer, seinem Kantor, wıe auch dem Rektor zu 
St. Katharınen je 30, den übrigen je 20 Gulden ausgesetzt. Dazu 
kommt für jeden die freie Wohnung und ein Anteil am Schulgeld. 
Letzteres war allerdings kärglich genug. Wer reich war oder zu den 
Geschlechtern der Patrizier (van den slechten) gehörte, zahlte für 
seinen Sohn jährlich nicht mehr als etwa den zehnten Teil von dem, 
was seine Magd als Jahreslohn erhielt, nämlich 8 Mariengroschen, 
von denen 36 auf einen Thaler gingen; der gemeine Mann kam mit 
12 Matthier oder 6 Mariengroschen davon!. Ganz unbemittelte Kinder 
sollten die Lehrer auch ohne Belohnung, »umme Gades willen«, in 
Unterricht nehmen. Die Hälfte des Schulgeldertrages fiel dem Rektor 
zu, die andere wurde unter die übrigen Lehrer gleichmäfsig verteilt. 
Es wird schwer sein, von dem wirklichen Werte dieser Einnahmen 

8.31. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XLIX 


sich den rechten Begriff zu machen. Bugenhagen hielt sie für aus- 
reichend. Fortan, so meint er, sei kein Schulgesell mehr gezwungen, 
wie es bisher allgemein üblich gewesen, für die freie Kost und andere 
Geschenke die Söhne wohlhabender Bürger privatim zu unterrichten; 
wolle er es thım, so solle ihm der Gewinn als gute Nebeneinnahme 
gegönnt sein!. In der That ıst auch das, was den Geistlichen der 
Stadt an Gehalt zugebilligt ward, nicht viel bedeutender, als die Besol- 
dung der Lehrer®. Bei alledem scheint die Not noch oft genug an 
die Thüren der Schulgesellen geklopft zu haben, und noch eine lange 
Zeit mulste vergehen, ehe der freie Tisch in den Bürgerhäusern auf- 
hörte für die Lehrer eine lockende Zubulse zu sein?. 


Dadurch, dafs die Gemeinde die Besoldung des Schulpersonals 
übernahm, erwarb sie das Bestallungsrecht über die Lehrer. Ent- 
gegen dem Gebrauch des Mittelalters wurden fortan in Braunschweig die 
Hilfslehrer nicht mehr von den Rektoren, sondern von den Weich- 
bilden, zu denen die betreffende Schule gehörte, in Dienst genommen. 
Gewils nicht zum Schaden der Sache. Es lag im Geiste der Zeit, 
dafs der Superintendent bei der Wahl der Lehrer einen mafsgebenden 
Einflufs erhielt. 


Für die innere Einrichtung der Lateinschulen legt Bugenhagen 
den sogenannten kursächsischen Lehrplan zu Grunde, den kurz zuvor 
Philippus Melanchthon verfalst und dem 15283 erschienenen »Vnterricht 
der Visitatorn an die Pfarhern ym Kurfurstenthum zu Sachssen« bei- 
gefügt hatte. Nur darin, dafs neben dem Latein, der Dialektik und 
Rhetorik auch noch den Anfangsgründen des Griechischen und 


18. 32. 

2 Nach der Kirchenordnung von 1528 Bl. E 4b, bei Hänselmann, 
Kirchenordnung S. 76, erhielt der Superintendent jährlich 100 Gulden, sein Ad- 
jutor 50 Gulden, die Prediger je 35 Gulden, alle daneben noch die freie Woh- 
nung und im Fall der Verheiratung noch eine jährliche Zulage von 10 Gulden. 
Dazu kamen dann aber wohl noch freiwillige Gaben und Aceidenzien. 

3 Vergl. S. 63%; 1332. 

18.32# u 0. 

5 Der Melanchthonsche Lehrplan ist abgedruckt bei Vormbaum, Schulord- 
nungen L 1ff.; K. Weber, M. Phil. Melanchthons evang. Kirchen- und Schulordnung 
vom Jahre 1528 (Schlüchtern 1844) S. 106fl.; Corpus Reformatorum XXVI, 
90#8.; Israel, Sammlung etc. (No. 5, Zschopau 1880). Demnächst wird auch in 
den Mon. Germ. Paed. eine Ausgabe des kursächsischen Lehrplans von Kehrbach 
erscheinen. 

4 


L Einleitung I 


— 


Hebräischen ein wenn auch nur recht bescheidenes Plätzchen ein- 
geräumt wird, geht Bugenhagen über den praeceptor Germaniae hinaus. 
Die unterste von den drei Melanchthonschen Unterrichtsstufen bildet 
eine Elementarklasse, in der zunächst Lesen und Schreiben, daneben 
aber auch schon die Anfangsgründe der lateinischen Sprache gelehrt 
werden; die oberste Klasse (dat drudde part) führt ihre Schüler bis 
zur Reife für die Universität. Bei den damaligen Verhältnissen ge- 
nügte es, dafs nur die eine Anstalt, das Martineum, mit dieser Oberstufe 
versehen ward, und auch hier schien es zweifelhaft, ob man fürs erste 
geeignete Schüler dafür zusammenbringen würde. Die jüngeren Lehrer 
und Bürgersöhne, die ihre Studien nicht ganz hatten vollenden können, 
sollten an dem Unterrichte dieser Klasse, sei es ın allen, sei es in 
einzelnen Lektionen, teilzunehmen berechtigt sein. Nur wohlbeanlagte 
Schüler sollten ermuntert werden, die Schule bis zur obersten Stufe 
durchzumachen, damit sie dereinst dem gemeinen Besten in geistlichem 
und weltlichem Regimente dienen möchten. Den übrigen möge man 
zeitig raten sich einem praktischen Berufe zuzuwenden. 

Wie in dem Melanchthonschen Plane, so wird auch in der Braun- 
schweiger Kirchenordnung den Lateinschulen die Pflege des kirch- 
lichen Gesanges ernstlich zur Pflicht gemacht. Bei Begräbnissen 
und Trauungen, namentlich aber bei den zahlreichen Gottesdiensten 
kam der Schülerchor zur Verwendung; dazu traten Metten und Vespern, 
welche das frühere Horeninstitut zu ersetzen bestimmt waren. Grerade 
über diese täglichen Morgen- und Nachmittagsgottesdienste der Schüler 
giebt Bugenhagen in dem S. 38ff. mitgeteilten Abschnitte »Vam 
singende unde lesende der scholekynderen in der kerken« 
sehr eingehende Vorschriften, weit eingehender noch als sie in Melanch- 
thons Visitationsbuche oder in Luthers Gottesdienstordnung von 1523 
und 1526 enthalten sind!. Wir haben dieselben in ihrem ganzen Um- 


! Vergl. den Abschnitt des Visitationsbuches »Von teglicher vbung ynn der 


kirchen«, Corp. Ref. XXVI, 83ff.; Luthers »Ordnung gottis dienst ynn der gemeyne« 
von 1523, und »Deutsche Messe vnd ordnung gottis diensts« von 1526, abge- 
druckt in Luthers Werken von Walch X, 262 ff, Erlanger Ausg., deutsche 
Werke XXN, 151lff., 226 ff, auch bei Richter, Evang. Kirchenordnungen des 
16. Jahrhunderts I, 1ff. und 35 ff. — Für das Verständnis der auf die Nebengottes- 
‚dienste der Schüler bezüglichen Bestimmungen ist besonders wichtig Schoeberlein, 
Schatz des liturg. Chor- und Gemeindegesanges I, 5l3ff.,; Armknecht, Die alte 
Matutin- und Vesperordnung in der evang. luth. Kirche (1858). Von älteren Werken 
ist vor allen Lossii Psalmodia lehrreich. 














Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LI 





fange zum Abdruck gebracht, weil sie einerseits für die Erkenntnis des 
Schullebens im Reformationszeitalter von grölster Bedeutung sind, 
und weil andererseits gerade die hierauf bezüglichen Bestimmungen 
der Braunschweiger Ordnung in den weitesten Kreisen der lutherischen 
Kirche vorbildlich gewirkt haben. 


Neben den lateinischen Schulen werden in der Bugenhagenschen 
Ordnung noch die beiden deutschen Jungenschulen erwähnt, die 
allem Anschein nach wie jene schon am Ausgang des Mittelalters vorhan- 
den gewesen waren!. Das Anstellungsrecht über die deutschen Schul- 
meister stand dem gemeinen Rat, nicht den Weichbilden, zu. Man 
sollte ıhnen, so wird bestimmt, aus der Kasse der Gesamtstadt 
(gemeyne schat caste) Geschenke geben, damit sie, was bislang nicht 
geschehen war, ihren Schülern auch Unterricht in der Religion er- 
teilen möchten. Einen festen Gehalt aber erhielten sie aufser diesen 
Remunerationen aus öffentlichen Mitteln damals noch nicht, sondern 
waren mit ihren Einnahmen allein auf den Ertrag des Schulgeldes 
angewiesen. Ganz abweichend aber von den jetzigen Gewohnheiten 
sollte die Summe, die den deutschen Schulmeistern von ihren Schülern 
gezahlt wurde, grölser als das Schulgeld in den lateinischen Anstalten 
sein, weil die Schüler derselben »nicht so lange derven leren alse 
de latinischen, ock dar umme dat sulke meystere neynen anderen 
sold hebben«. Im Laufe der Jahre besserte sich die äulsere Stellung 
der Vorsteher dieser Anstalten. Als im Jahre 1570 der Rat mit dem 
Schreib- und Rechenmeister Christoph Wiltvogel den unter 20 mit- 
geteilten Dienstvertrag (S. 120f.) abschlofs, wurde demselben neben der 
freien Wohnung im Brüdernkloster ein Gehalt von jährlich 40 Gulden, 
den Gulden zu 20 Mariengroschen gerechnet, aus der städtischen Münz- 
schmiede und zwei Scheffel Roggen aus den Mitteln der Martinikirche 
versprochen. Deutlicher als in der Kirchenordnung tritt in diesem 
Dokumente die Bestimmung und der Lehrstoff der städtischen Schreib- 
schulen hervor, indem darın dem Schreib- und Rechenmeister zur 
Pflicht gemacht wird der »jungen Jugend den Catechismus und andere 
gute Disziplin und mores, und dazu deutsch Schreiben und Rechnen 
zu lehren«.. Da von dem Lesen dabei gar nicht die Rede ist, so kann 
kein Zweifel darüber obwalten, dals der eigentliche Elementarunter- 


I Vergl. oben S. XLI. 
4r 








LO Einleitung I 


richt von dieser Art von Anstalten ausgeschlossen war. Sie bildeten 
gewissermalsen die höheren Bürgerschulen der Reformationszeit. 

Bemerkenswert ist auch, was über die Jungfrauenschulen in 
der Bugenhagenschen Ordnung bestimmt wird. Allem Anschein nach 
waren vorher noch gar keine öffentlichen Anstalten für die weibliche 
Jugend der Stadt vorhanden gewesen!, und wenn nicht alles täuscht, 
so hatte sich auch noch gar nicht ein Verlangen danach gezeigt. Um 
so verdienstlicher ist es, dafs der Reformator den noch schlummern- 
den Sinn für weibliche Bildung in der Bürgerschaft zu wecken ver- 
sucht, weniger um die Bürgertöchter mit; allerlei prunkenden Kennt- 
nissen zu erfüllen, als um sie für ihre zukünftige Stellung als Haus- 
frauen mit einer soliden sittlich-religiösen Grundlage auszustatten. 
Ob freilich die Jungfrauenschulen auch wirklich den Beifall der Bevöl- 
kerung gefunden haben, wird nicht ersichtlich. In der ferneren Ent- 
wickelung des braunschweigischen Schulwesens treten sie nicht weiter 
hervor. Fast scheint es, als wären sie, wenn sie überhaupt ins Leben 
traten, bald wieder verschwunden. 

So hatte denn Bugenhagen mit Umsicht und mit dem ihm eigenen 
praktischen Geschick für die Jugendbildung der Stadt Braunschweig 
gesorgt. Die Mädchen waren wie die Knaben berücksichtigt; bei den 
letzteren keine Altersstufe, keine Schicht der Bevölkerung übergangen. 
Elementarunterricht boten die untersten, Vorbereitung für die Univer- 
sitätsstudien die mittleren und obersten Klassen der Lateinschulen; 
wer für seinen Beruf als städtischer Beamter, als Handwerker oder 
Kaufmann Gewandtheit im Rechnen und Schreiben nötig hatte, fand 
zur Erlangung derselben bei den Schreibmeistern Gelegenheit. Damit 
schien dem Reformator den Bildungsbedürfnissen eines Gemeinwesens, 
das damals etwa 16000 Einwohner umfalste?, so vollständig und 
allseitig Rechnung getragen zu sein, dafs er das Halten von Privat- 
schulen (winkel scholen) neben den öffentlichen Anstalten, damit nicht 
diesen dadurch Abbruch geschehen möge, entschieden untersagte®. 
Freilich ohne durchgreifenden Erfolg; denn trotzdem und trotz mannig- 
facher Erneuerung des Verbots tauchen die Winkel- oder Klippschulen 
bis in das 18. Jahrhundert hinein immer von neuem hervor und 


I Sack, Schulen S. 34. 


9 Bode, Stadtverwaltung III, 37. 
35. 36°. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LII 


entbehren keineswegs der Gunst weiter Kreise der Bevölkerung. Es 
wäre gewils verkehrt, wollte man die Ursachen dieser Erscheinung 
allein in der nach Brot trachtenden Betriebsamkeit der Winkel- 
schullehrer, in der Verblendung der Eltern und in dem Vorurteil des 
Publikums gegen die öffentlichen Schulen erkennen. Auf die Länge 
lälst die öffentliche Meinung sich über die wahren Interessen des 
Gemeinwesens nicht irre führen, und es müssen doch sehr erhebliche 
Gründe gewesen sein, die zwei Jahrhunderte hindurch wieder und 
immer wieder Anstalten wachriefen und aufrecht erhielten, gegen die 
nicht blofs die in ihren Einnahmen geschädigte Zunft der Schul- 
kollegen mit Beschwerden und Klagen, sondern Rat und Geistlich- 
keit mit drohenden Edikten auf den Kampfplatz traten. Ohne Zweifel 
war es der Mangel an eigentlichen und wohleingerichteten Volks- 
schulen und die Unzulänglichkeit des Elementarunterrichts in den 
lateinischen Anstalten, was die Kinder zuzeiten in so grolser Zahl 
zu den Privatlehrern trieb. So gewinnen die Winkelschulen für die 
Schulgeschichte ein vorwiegend symptomatisches Interesse. Sie gleichen 
den Pflanzen, die nur auf sumpfigem Boden emporschieisen und dann 
erst verschwinden, wenn die rüstige Hand eines kundigen Landmanns 
die Bearbeitung des Erdreichs in Angriff nimmt. 

Die Schulordnung von 1528 behielt, allerdings nicht ohne in 
einzelnen Punkten verändert zu werden, ihre Geltung, bis 1596, 
wenigstens für die Lateinschulen, eine neue Ordnung an ihre Stelle 
gesetzt ward. Von den sämtlichen Bugenhagenschen Schulgesetzen 
ist sie die älteste. Für die übrigen (Hamburg, Lübeck, Dänemark 
und Schleswig-Holstein, Herzogtum Wolfenbüttel) bildet sie die Grund- 
lage und ist teilweise Wort für Wort in dieselben hinübergenommen; 
auch für Minden, Göttingen, Soest, Bremen, Osnabrück und noch 
andere Städte ist das, was in Braunschweig angeordnet wurde, zu 
einem Muster und Vorbilde geworden!. 


Auf die klerikalen Anstalten in der Burg, auf dem Berge 
und zu St. Ägidien nimmt die Bugenhagensche Schulordnung, da dem 
Rat keine Macht über dieselben zustand, überhaupt keine Rücksicht. 
Als aber 1529 das Benediktinerkloster von den Städtern in Besitz 
genommen und säkularisiert worden war, wurde die Schule desselben 


! Kaemmel i. d. Art. »Bugenhagen« bei Schmid, Päd. Encyklop. I?, 797. 


LIV Einleitung I 


nicht lange darauf! nach denselben Grundsätzen wie das Martineum 
und die Katharinenschule eingerichtet und für die Kinder aus der 
Altenwik bestimmt. Die beiden Stiftsschulen aber gingen ihre eigenen 
Wege. Die zu St. Cyriacı verschwand, als das Stift 1545 von der 
aufgeregten Bevölkerung niedergerissen wurde?; das Blasianum fristete 
noch längere Zeit ein kümmerliches Dasein. Von den Söhnen der 
Bürger wurde es wenig besucht und kam- auch dann nicht ın Auf- 
nahme, als in dem Stifte, zuerst 1542—1547 infolge der Schmalkal- 
dischen Okkupation, dann wieder seit 1568 infolge der Reformation 
des Herzogs Julius, das Augsburger Bekenntnis Eingang fand. Die 
letzte Spur der einst so blühenden Anstalt verschwindet unter den 
Unruhen des 30jährigen Krieges®. | 


Schon wenige Jahre nach dem Erlafs der Bugenhagenschen 
Ordnung sah sich der Rat veranlalst die Bestimmungen derselben 
durch eine neue Verfügung für die Lateinschulen, deren Zahl nunmehr 
durch den Zutritt des Ägidianums auf drei gewachsen war, zu er- 
gänzen und zu befestigen. Diese »Ordeninge des Erbarn Radts«, 
die unter 9 mitgeteilt ist (S. 47 ff.), gestattet durch Gebot und Verbot 
einen Schlufs auf die damals herrschenden Schulzustände. Man tadelte, 
so scheint es, am Unterricht namentlich den Mangel an systematischer 
Ordnung, an der Handhabung der Disziplin eine an Rohheit grenzende 
Strenge; auch auf das Lateinsprechen und auf die Gewöhnung zu 
Anstand und zu guten Sitten wurde nicht ernstlich genug geachtet; 
bei den halbjährigen Visitationen suchten die Lehrer der Kommission 
Sand in die Augen zu streuen; die von ihnen erteilten Privatlektionen 
standen dem Erfolge der öffentlichen Lehrstunden hindernd im Wege, 
und auch der Besuch der Gottesdienste liefs an Pünktlichkeit manches 
zu wünschen. 

Um der Unregelmäfsigkeit und Willkür des Unterrichts entgegen 


I Dürre, Gelehrtenschulen S. 23 giebt unter Beziehung auf Sack, Schulen 
S. 44 als Jahr der Erneuerung des Ägidianums 1535 an. Gewils ist nur, dafs die 
Umgestaltung der Anstalt zu einer städtischen Schule zwischen 1529 und 1535 ge- 
schah. Der unter 10C S. 56ff. mitgeteilte Lehrplan von 1535 berechtigt zu der 
Annahme, dals die Schule in jenem Jahre schon einige Zeit als städtische Anstalt 
bestanden hatte. 

? Rehtmeyer, Kirchenhist. III, 168 f.; Sack, Schulen S.62.; Dürre, Ge- 
ehrtenschulen S. 12. 


® Sack, Schulen S. 70ff.; Dürre, Gelehrtenschulen .S. 13. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LV 





zu treten, wurde bei dieser Gelegenheit die Bestimmung getroffen, 
dafs vor jeder Schule der Lektionsplan ‚derselben, »summarie up eyn 
breth anslan«, ausgehängt werden sollte!. Dem entsprechend liefs 
sich der Stadtsuperintendent M. Martin Görlitz (Gorolitius)? noch 
vor Beginn des Wintersemesters 1535/36 von den Rektoren der drei 
Anstalten zu St. Martin, St. Katharinen und St. Ägidien derartige Zu- 
sammenstellungen einsenden und überreichte dieselben alsdann dem Rat 
zur Genehmigung. Ein glücklicher Zufall hat diese unter 10 mit- 
geteilten ältesten Stundenpläne der Stadt Braunschweig (S. 49 ff.), diese 
»labores scholarum«, wie man sie nannte, vor dem Untergange 
bewahrt. Sie gewähren einen interessanten Einblick in die Unterrichts- 
verfassung jener Zeit. 

Am kürzesten falst sich der nicht einmal dem Namen nach be- 
kannte Rektor des Martineums. Seine Anstalt zeigt sich, den Be- 
stimmungen der Kirchenordnung entsprechend, als die bedeutendere. 
Nur in ihr bietet der öffentliche Unterricht Lektionen für Dialektik, 
Disputationen und Redeübungen. Die Rhetorik hören die am weite- 
sten geförderten Schüler im Brüdernkloster®, wo nach der Vorschrift 
der Kirchenordnung vom Rektor, vom Superintendenten und von 
dessen Adjutor lateinische Vorlesungen für einen weiteren Kreis von 
Zuhörern (vor de gelerden) gehalten werden mufsten®. Nur auf diese 
Anstalt hatte gewils auch die Bestimmung der Ordnung des Rats 
von 1535 Bezug, wonach die Beteiligung an den Disputationsübungen 
auch jungen Bürgern und andern, die der Schule bereits entwachsen 
waren, gestattet sein sollte°. 

15, 48", 

? Martin Görlitz oder Gorolitius, wurde, nachdem er bis dahin Pfarrer 
in Torgau gewesen, von Luther selbst i. J. 1528 der Stadt Braunschweig als 
Superintendent zugesandt und bekleidete das ihm durch viele Widerwärtigkeiten 
verbitterte Amt bis zum Beginn des Jahres 1543. Nachdem er dann einige Jahre 
als Prediger an dem reformierten St. Blasiusstifte und als Inspektor des durch die 
Schmalkaldischen besetzten Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel gewirkt hatte, 
ging er 1545 als Superintendent nach Jena und starb daselbst 1549. Nähere Nach- 
richten über Görlitz mit Quellenangabe bei Koldewey, Reformation des Herzog- 
thums Br.-Wolfenb. etc. in der Zeitschr. d. hist. Ver.: f. Niedersachsen, Jahrg. 1868, 
S. 331f. 

® S. 51*: in Coenobio. 

* Vergl. Kirchenordnung von 1528 Bl. C 6b. Eija, bei Hänselmann, 


Kirchenordnung S. 47. 71, vergl. unten $. 28% und Rehtmeyer, Kirchenhist. III, 71. 
°»8.48, 2. Tff. 





LVI Einleitung I 


Mit gröfserer Ausführlichkeit spricht sich M. Philippus!, der 
Rektor des Katharineums, über die Einrichtungen seiner Anstalt aus. 
Auch er ist bereit mit seinen Schülern die schwereren Unterrichts- 
gegenstände wie Dialektik, Arithmetik, die Anfangsgründe des Grie- 
chischen zu treiben, hat aber darüber zu klagen, dals es ihm an ge- 
eigneten Zuhörern (maiuscula ad talia apti) fehle. Die Eltern schicken 
ihm entweder ihre Kinder gar nicht zu oder nehmen sie bald wieder 
fort, um sie zu den Schreibmeistern oder in die verderblichen Winkel- 
schulen (ad scribas ac ludos inordinatos, ingeniorum bonorum ac 
literarum simplices ac manifestas pernicies) zu bringen. Gerade in dieser 
Geringschätzung von seiten des Publikums mag die Veranlassung zu 
suchen sein, weshalb M. Philippus die Vorzüglichkeit seiner Ein- 
richtungen nicht ohne eine gewisse Beflissenheit hervorhebt. 

Mehr noch als der Rektor der Katharinenschule hat Bernhard 
Vogelman?, sein Kollege am Ägidianum, zu klagen. Seine Anstalt 
wird nur von wenigen Schülern besucht, und auch diese stellen sich 
nur unregelmäfsig und unpünktlich ein. Die Eltern verachten zu 
einem grolsen Teile Bildung und Jugendunterricht; andere schicken 
in arger Verblendung ihre Kinder nur ein bis zwei Jahre. Die Schule 
droht zusammenzustärzen, wenn nicht die Geistlichkeit durch ihren 
Einflufs verhütet, dafs die schon bis zum äulsersten gestiegene Ge- 
ringschätzung der Wissenschaft (literarum extremus contemptus) noch 
tiefere Wurzeln schlägt. Ob freilich der Notschrei des Rektors viel 
geholfen hat, wird nicht bekannt. Wenn nicht alles täuscht, so kam 
das Ägidianum zu keiner Zeit zu einem rechten Gedeihen. 

Als der Erbare Rat 1535 die neue Schulordnung erliels, herrschte 
bereits seit Jahren zwischen den Städtern und dem protestanten- 
feindlichen Herzoge Heinrich dem Jüngeren eine sehr gereizte Stim- 
mung, die bald in offene Feindseligkeiten ausbrach. Zum Schutz der 
bedrängten Stadt zogen im Sommer 1542 als Hauptleute des Schmal- 
kaldischen Bundes, dem die Stadt schon seit 1531 angehörte, Kur- 


! Näheres ist über M. Philippus nicht bekannt, als dafs er überhaupt der 
erste lutherische Rektor zu St. Katharinen gewesen sein soll, vergl. Rehtmeyer, 
Kirchenhist. III, Beil. S. 464; Dürre, Gelehrtenschulen S. 64. 

® Näheres ist über denselben nicht bekannt, vergl. Dürre, Gelehrtenschulen 
S. 70; Sack, Schulen S. 44. Dafs er kein guter Lateiner war, beweisen arge Schnitzer 
in seinem Bericht, z.B. 8. 57 ®®. »tercia classis examinatur per cantorem, iterum 
illis Latinam vocem prescribens. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LVI 


fürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen 
mit starker Heeresmacht heran, vertrieben den Fürsten, besetzten das 
Land und liefsen dasselbe im Namen des Bundes von Wolfenbüttel 
aus durch eine Regentschaftskommission verwalten. Überall wich 
nun in Städten und Dörfern das römische Kirchentum dem Augs- 
burger Bekenntnis, und 1543 erschien eine von Bugenhagen verfalste 
»Christlike Kerken-OÖrdeninge«, um den neuen Einrichtungen in 
Kirche und Schule Halt und Bestand zu verleihen. 

Für die Stadt Braunschweig blieb der Umschwung, trotzdem sie 
bereits lutherisch war, nicht ohne Bedeutung. Über die katholisch 
gebliebenen Stifte zu St. Blasien und zu St. Cyriaci beanspruchten die 
Schmalkaldischen Fürsten als Rechtsnachfolger des landesflüchtigen 
Herzogs Landeshoheit und Patronat, und es währte nicht lange, so 
erscholl die Stimme evangelischer Prädikanten, wo bislang noch Mels- 
gebet und Horengesang erklungen war. Man hatte die Absicht die 
reichen Präbenden in den Dienst der neubegründeten Landeskirche 
zu ziehen, um sie, wıe zur Dotation der obersten Kirchenbehörde, so 
auch zur Errichtung einer höheren Lehranstalt (sunderlike schole) 
zu verwenden. Dieselbe war nur für solche Schüler bestimmt, die eine 
gewöhnliche Lateinschule bereits absolviert hatten und nun noch fär 
den Besuch der Universität in den höheren Schulwissenschaften »fein 
zugerichtet« werden sollten. Drei Hauptlehrer (Rektor, Subrektor, 
Kantor) sollten im Verein mit mindestens vier Hälfslehrern neben 
dem Latein Dialektik, Rhetorik, die Grundlehren der Mathematik und 
Arithmetik lehren; für das Griechische und für das Hebräische war 
je ein besonderer Lektor in Aussicht genommen; die Theologie sollte 
durch einen Prädikanten und zwei Lektoren vertreten sein. Die 
Ausführung des Planes scheiterte an dem Einspruch der Mitpatrone 
aus den übrigen Welfenlinien?”. Wenn man bedenkt, welch reiche 
Mittel den beiden Stiften zu Gebote standen, so muls man ernstlich 
beklagen, dafs es nicht gelungen ist sie als Grundlage für ein höheres 
evangelisches Bildungsinstitut zu gewinnen, das der Stadt jedenfalls 
zu grolsem Vorteil gereicht und möglicherweise den Keim zu einer 


I Koldewey, Reformation des Herzogth. Br.-W. etc. in der Zeitschr. des 
hist. Ver. f. Niedersachsen, Jahrg. 1868, S. 343 ff.; Heinz von Wolfenbüttel (Halle 
1883); C. A. H. Burkhardt, Gesch. der sächsischen Kirchen- und Schulvisita- 
tionen von 1524—1545 (Leipz. 1879) S. 297 ff. 

9 Vergl. S. 59!; Rehtmeyer, Kirchenbist. III, 160. 


LVIH Einleitung I 


wirklichen Hochschule gebildet hätte. Als Herzog Heinrich 1547 in 
sein Fürstentum zurückkehrte, wurden die Präbenden zu St. Blasien 
und die Einkünfte des inzwischen zerstörten Cyriacusstifts wieder in 
den Dienst der römischen Kirche gestellt, seit der Reformation des 
Herzogs Julius (1568) aber vielfach zu der Besoldung verdienter 
Staatsbeamten verwendet; erst die gewaltsame Hand der westfälischen 
Regierung hat sie in den allgemeinen Säckel des Staates geworfen. 
Für die Nachwelt wird es von Interesse sein aus der unter 11 mit- 
geteilten Ordnung (S. 58fl.) zu ersehen, zu welchem Zwecke die 
evangelischen Fürsten die Stiftsgüter bestimmt hatten. 

Um dieselbe Zeit, als man über die Umwandlung der beiden 
Stifte erfolglose Verhandlungen führte, machte sich, vielleicht infolge 
der Kriegsunruhen, an den schon vorhandenen Schulen ein bedenk- 
licher Lehrermangel bemerkbar. Auf Veranlassung des humanistisch 
gebildeten Arztes D. Antonius Niger!, der in Braunschweig die Stelle 
eines städtischen Physikus bekleidete, wendete sich daher der Rat an 
Melanchthon mit der Bitte, der Stadt zur Beseitigung des Übels be- 
hülflich zu sein, und dieser empfahl am Palmsonntage 1545 zur Be- 
setzung des Rektorats einen seiner Schüler, M. Johannes Bezolt oder 
Petzolt (Peceltus) aus Schweidnitz, als einen Mann, der wohl geübt 
in der lateinischen und griechischen Sprache, erfahren in der christ- 
lichen Lehre und gottesfürchtig sei?. Zu Ostern erschien der von so 
bedeutsamer Seite empfohlene Magister in Braunschweig. Zugleich 
mit ihm wurden noch zwei andere Wittenberger, Petrus Avianus 
Vallensis® und Johannes Zannger* aus Weinbrück in Ungarn (Oeni- 

! Der humanistisch gebildete Arzt und Doktor der Medizin Antonius Niger 
(Nigrinus, Melas) stammte nach Jöcher, Gel.-Lex. III, 944 aus Breslau, studierte in 
Erfurt, lehrte nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Italien in Marburg Physik 
und Griechisch, wurde von dort als Physikus der Stadt nach Braunschweig berufen 
und starb daselbst am 5. Juni 1555. Unter seinen bei Jöcher verzeichneten Schriften 
befindet sich auch eine griechische Grammatik. 

? Der Empfehlungsbrief Melanchthons d. d. Witemberg am Palmtag 1545 ist 
gedruckt im Supplementband zum Corp. Ref. (Hal. Sax. 1874) S. 218. Aus Akten 
des Braunschweiger Stadtarchivs geht hervor, dafs Bezolt nur zwei Jahre in Braun- 
schweig geblieben ist und bei Ankunft und Abschied ein »ehrliches Viaticum « 
erhalten hat. 

® Von Avianus ist nichts Näheres bekannt. Bei Dürre, Gelehrtenschulen 
wird er nicht erwähnt. 


* Joh. Zannger war 1517 zu Weinbrück geboren, wurde 1545 Kantor am 
Martineum, übernahm 1548 das Rektorat an der Katharinenschule, ging 1553 ins 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LIX 


pontanus), als Lehrer des Martineums in den städtischen Schuldienst 
genommen. 

Bevor der neue Rektor sein Amt antrat, überreichte er am 
Dienstag nach Ostern (7. April) dem Rate in Gegenwart der Kasten- 
herren und einiger Prediger ein Schriftstück mit den Bedingungen, 
unter denen er mit seinen Kollegen das Schulamt an der christlichen 
Jugend zu Braunschweig zu führen bereit sei. Durch die Annahme 
derselben seitens der städtischen Obrigkeit kam ein rechtsgültiger 
Dienstvertrag zustande, der älteste, der in der Geschichte des braun- 
schweigischen Schulwesens bekannt ist. Das ziemlich ausführliche 
und bisher noch gar nicht bekannte Dokument, das wir unter 
12 zum Abdruck bringen (S. 62ff.), gewährt einen interessanten 
Einblick in die äufseren Verhältnisse des Lehrerstandes der damali- 
gen Zeit. 

Folgenreicher als die Vervollständigung des Lehrerpersonals 
wirkte auf die Entwickelung des Braunschweiger Schulwesens die 
Veränderung, welche ein halbes Jahr später die oberste Leitung des- 
selben erfuhr. Mehr als zwei Jahre lang hatte die städtische Greist- 
lichkeit nach dem Rücktritt des Mag. Görlitz von der Superinten- 
dentur eines Hauptes entbehrt, als es endlich nach mannigfachen 
Verhandlungen gelang zum Nachfolger desselben Nikolaus Medler 
zu gewinnen. Die Wittenberger hatten ihm bereits zehn Jahre zuvor 
die Würde eines Doktors der Theologie verliehen; man rühmte ihn 
nicht blofs als Gottesgelehrten, sondern auch als Mathematiker und 
Kenner der Sprachen; von Luther wurde er in dem Häuflein seiner 
Getreuen als einer der treuesten geschätzt!. Mit Sachkenntnis und 


Pfarramt über und starb 1587 als Adjutor des Stadtsuperintendenten. Vergl. 
Rehtmeyer, Kirchenhist. II, 414f.; Dürre, Gelehrtenschulen S. 59; 64. 


! D. Nicolaus Medler wurde 1502 zu Hof im Vogtlande geboren, studierte 
in Erfurt und Wittenberg und hatte bereits an mehreren Orten, zuletzt in Witten- 
berg, als Lehrer und Prediger gewirkt, als er 1536 Superintendent in Naumburg 
wurde. Von Luther wurde er ganz besonders geschätzt. Mannigfache Streitigkeiten 
trieben ihn von Naumburg fort. Er ging erst nach Spandau, kam aber im Herbst 
1545 (oder Anfang 1546) nach Braunschweig, wohin man ihn seit 1543 wiederholt 
schon gerufen hatte. Seine energische Thätigkeit wurde hier durch verdriefsliche 
Zwistigkeiten gelähmt, an denen sein heftiges Wesen und seine Herrschsucht zu 
einem guten Teile die Schuld trug. Bald nach Ostern 1551 verliefs er Braun- 
schweig und starb noch in demselben Sommer zu Bernburg, wo er eine Anstellung 
als Superintendent gefunden hatte. Vergl. Weingartens Art. »Medler« bei 


LX Einleitung I 


Thatkraft nahm er sich in Braunschweig, wie der Kirche, so auch 
des Unterrichtswesens an, und hätten nicht die Heftigkeit und Eigen- 
willigkeit seines Charakters manches wieder verdorben, so würden 
die Bildungsanstalten der Stadt unter seiner Hand trotz der unruhigen 
Zeitläufte gewils zu erfreulicher Blüte gelangt sein. Antonius Niger 
stand ihm bei seinen Bestrebungen fördernd zur Seite. 


Als die erste Frucht der vereinten Thätigkeit der beiden Dok- 
toren tritt uns die unter 13 mitgeteilte »Institutio scholae Bruns- 
vicensis per aestatem anno 1546« (S. 65fl.) entgegen. Dieselbe 
bietet einen sorgfältig ausgearbeiteten Lehrplan, daneben Gesetze für 
Schüler und Lehrer. Es wird daraus ersichtlich, dafs im Sommer 1546 
für die sämtlichen Lateinschulen der Stadt zwar immer nur noch eine 
einzige Prima bestand, aber nicht mehr, wie Bugenhagen es gewollt! 
hatte, organisch mit dem Martineum verbunden, sondern abgelöst 
von dieser Anstalt als eine selbständige Abteilung in dem Orga- 
nismus des städtischen Schulwesens. In dem Magister Strei- 
perger?, dem Schwiegersohne Medlers, besals sie einen eigenen Vor- 
steher. Ihre Lehrstoffe gehen über die einer gewöhnlichen Latein- 
schule erheblich hinaus. Nicht blofs Griechisch und Hebräisch wird 
neben dem Latein und den Wissenschaften des Triviums gelehrt, 
sondern auch Astronomie und Arıthmetik treten hinzu, und der Theo- 
logie werden eine Reihe besonderer Vorlesungen gewidmet. Als 
Lehrer verwendete man, was irgend an wissenschaftlich befähigten 


Herzog, Theol. Encyklop. IX?, 460 ff. Zu der dort angegebenen Litteratur ist 
noch hinzuzufügen Holstein, D. Nicolaus Medler und die Reformation in Naum- 
burg, abgedr. in der Zeitschr. f. Preufs. Gesch. und Landeskunde IV (1867) 
Ss. 271—287. 


! Vergl. oben S. L. 


? M. Johannes Streiperger (Streitperger oder Streitberger), 1515 zu Hof 
im Vogtlande geboren, war, bevor er seinem Schwiegervater, dem Superintendenten 
Medler (Rehtmeyer, Kirchenhist. II, 195), nach Braunschweig folgte, Diakonus 
in Naumburg gewesen. In Braunschweig dauerte seine Wirksamkeit als Lehrer 
der 1. Klasse und nachher als Rektor des Pädagogiums im Brüdernkloster oder der 
schola maior, wie aus einem im Stadtarchiv vorhandenen Briefe des Mag. Johannes 
Glandorp an den Rat vom 13. September 1548 hervorgeht, nur zwei Jahre. Von 
1548 an war er in seiner Vaterstadt Inspektor der Schulen, später Pastor und 
Superintendent, wurde 1567 Generalsuperintendent zu Culmbach, 1574 zu Witten- 
berg Doktor der Theologie und starb 1602. Vergl. Jöcher, Gel.-Lex. IV, 879, 
wo auch seine Werke verzeichnet sind. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXI 


Männern sich in der Stadt gewinnen lies. Neben Streiperger wirkte 
insbesondere der namhafte Humanist Glandorp!, der früher bereits 
eine Reihe von Jahren als Rektor am Martineum thätig gewesen war; 
Antonius Niger lehrte die griechische Sprache, und der Superintendent 
hefs sich die Mühe nicht verdrieisen aufser den hebräischen und 
theologischen Lektionen auch noch arıthmetischen Unterricht zu er- 
teilen. Der so organisierten gemeinsamen Prima gegenüber umfalsten 
die Lateinschulen nur noch die Klassen von Sekunda abwärts bis 
zu der untersten Stufe, auf der den Kleinen das Lesen gelehrt 
ward. Für alle diese Anstalten aber ist der Lehrplan derselbe. Es 
macht sich bemerkbar, dafs unter Medlers Regiment ein einheitliches 
System durch das Schulwesen der Stadt Braunschweig sich hin- 
durchzieht. 

Im folgenden Winter gewann die abgesonderte Prima eine noch 
grölsere Selbständigkeit. Jedenfalls wurde sie jetzt, falls es nicht 
bereits früher geschehen war, in das Brüdernkloster verleg. Am 
18. Januar 1547 erhielt sie bei einer feierlichen Visitation die unter 
14 A und B mitgeteilten, von Medler entworfenen und vom Rate bestä- 
tigten Gesetze (S. 73ff.). Sie erscheint nunmehr als schola maior; auch 
Pädagogium zu den Brüdern und lectorıum publicum wird sie ge- 
nannt. Ihr Lehrplan blieb im wesentlichen derselbe wie er schon 1546 
gewesen; man erkennt ihn aus dem Lehrplane für den Sommer 1547, 
der unter 140 zum Abdruck gebracht ist (S. 77ff.). Zu jener Zeit war 
es auch, dafs zwei berühmte Theologen der neuen Anstalt für einige 


! M. Johannes Glandorp (1501—1564) wurde seiner Zeit als gelehrter 
Schulmann und lateinischer Dichter ebenso sehr gepriesen, wie er wegen seiner 
beifsenden Epigramme gefürchtet wurde. Das Nähere über sein Leben und seine 
Schriften giebt Hölscher in der Allgem. Deutschen Biographie IX, 208 ff.; vergl. 
auch Jöcher, Gel.-Lex. I, 1014. Was seine Braunschweiger Thätigkeit betrifft, 
so sagt er in einem an den Rat gerichteten und im Stadtarchiv befindlichen 
Schreiben vom 13. September 1548, dafs er der Stadt 12 Jahre lang treulich ge- 
dient habe. Demnach mufs er 1536 nach Braunschweig gekommen sein. Nach 
Dürre, Gelehrtenschulen S. 54, hat er das Rektorat am Martinsum verwaltet, aber 
wie lange das geschehen, ist nicht bekannt. Er wurde Professor an dem im 
Winter 1546/47 eröffneten Pädagogium, aber infolge seiner Zerwürfnisse mit dem 
Superintendenten Medler in der dritten Woche nach Ostern 1548 vom Rate dieses 
Amtes entsetzt. Er las dann in seinem Hause privatim und meinte dadurch mehr 
zu nützen als durch seine frühere öffentliche Lehrthätigkeit. Nach einer Notiz in 
einem Gedenkbuche der Neustadt S. 453 aus dem Jahre 1553 zog Glandorp mit 
seiner Habe von Braunschweig nach Hameln. 


LXII Einleitung I 


Zeit ihre Thätigkeit widmeten, kein geringerer als Philipp Melanchthon, 
daneben Matthias Flacıius. Hinter den festen Mauern der lutherischen 
Hansastadt hatten sie vor den Gefahren des Schmalkaldischen Krieges 
eine sichere Zuflucht gefunden und vergalten die ihnen erwiesene 
Gastfreundschaft durch Vorlesungen, die sie im Pädagogium hielten!. 
Wie daneben die unvollständigen Lateinschulen sich gestalteten, geht 
aus dem unter 15 mitgeteilten Lehrplan des Martineums für das 
Wintersemester 1547/48 (S. 82ff.) hervor. 


Bei alledem erfreute sich die neue Schulorganisation keineswegs 
des Beifalls der Bürgerschaft. Eine Eingabe der Kastenherren aus 
dem Jahre 1547? rügt die Bevorzugung der fremden Professoren vor 
den einheimischen Lehrkräften, tadelt auch die Uneinigkeit und Zank- 
sucht der Lehrer. Ein besonderes Pädagogium oder Lektorium hält 
sie ım Grunde nicht für nötig. Soll es einmal da sein, so milsfällt 
es, dals die jungen Prädikanten und Schulgesellen nebst den andern 
jungen Männern‘, für welche die Vorlesungen desselben von Wert 
waren, mit den noch unter der Rute stehenden halbwüchsigen Burschen 
aus den Lateinschulen auf derselben Bank sitzen sollen. Man wünscht, 
dals die Anstalt vorwiegend nur denen sich öffnet, die einer Ergän- 
zung oder eines Ersatzes der Universitätsbildung bedürfen. Schülern 
aber soll der Zutritt nur dann gestattet sein, wenn sie zuvor durch 
eine Prüfung vor dem Superintendenten und dem Rektor die Fähig- 
keit darthun die Professoren mit Nutzen zu hören. 


Unter dem Eindruck dieser Vorschläge der Kastenherren machte 
Medler unter dem 29. August 1547 den Vorschlag den drei Latein- 
schulen ihre Prima wiederzugeben und das Lektorium fortan nur 
noch für ältere, der Schulzucht entwachsene Zuhörer bestehen zu 
lassen?. Bald wurde auch den vereinigten Wünschen des Super- 
intendenten und der Kastenherren Rechnung getragen. In den Lehr- 


I Rehtmeyer, Kirchenbhistorie III, 179. 195; Weingarten in dem Artikel 
»Medler« bei Herzog, Theol. Encyklop. IX?, 461, wo freilich nach Rehtmeyers 
Vorgange auch der bereits 1541 verstorbene Urbanus Rhegius und Justus Jonas, 
der nach Ausweis seines Briefwechsels (herausgeg. von Kawerau, 2 Bde. Halle 
1884. 1885) gar nicht in Braunschweig gewesen ist, unter den Lehrern des Päda- 
gogiums genannt werden. Melanchthon verweilte in Braunschweig im Mai 1547, 
vergl. Corp. Ref. VI. p. XI sq.; Sp. 533ff. 

2 Mitgeteilt unter 16, S. 85ff. 

9 Akten des Braunschweiger Stadtarchivs. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXIMI 


plänen des Sommers 15481 erscheinen das Martineum und das Kathari- 
neum als vollständige Anstalten. Wie aber das Pädagogium um jene 
Zeit gestaltet war, lälst die unter 14 D mitgeteilte Lehrordnung des- 
selben (S. 79ff.) erkennen. Man brauchte nur noch einige juristische 
und medicinische Vorlesungen hinzuzufügen, so hatte man eine kleine 
Universität, wie sie in Hamburg schon seit Jahren unter den Namen 
des Lektoriums vorhanden war?. Was die Schmalkaldischen Bundes- 
fürsten fünf Jahre zuvor vergeblich erstrebt hatten, schien ein ein- 
zelner durch kräftiges Wollen und rüstiges Schaffen erreicht zu haben. 

Aber es schien auch nur so. Das Pädagogium hatte keinen Be- 
stand. Die Zerwürfnisse unter den Lehrern hörten nicht auf, und 
gerade Medler war bei seinem heftigen und herrischen Wesen ganz 
dazu angethan den Friktionen immer neue Nahrung zu geben. Bald 
nach Ostern 1548 wurde Glandorp, die Zierde der Anstalt, wegen 
seines Haders mit dem Superintendenten seines Amtes entlassen; 
Antonius Niger stellte sich auf seine Seite und zog sich von seiner 
bisherigen Thätigkeit zurück. Andere Lehrer hörten auf zu dozieren, 
weil bei den obwaltenden Kriegsunruhen die Besoldungen nicht ge- 
zahlt werden konnten. Um nur die Vorlesungen weiter zu führen, 
sah sich Medler genötigt wenig geeignete Lehrkräfte heranzuziehen, 
so den Gesellen eines Beutelmachers, der zu Posen von Juden 
Hebräisch, so auch einen Wollkämmer, der zu Neapel Griechisch ge- 
lernt hatte. Schliefslich wurde dem viel geplagten und angefeindeten 
Manne die unerwartete Opposition eines jüngeren Prädikanten beim 
Disputieren der Anlafs, um in tiefer Verstimmung seine Lieblings- 
schöpfung ihrem Schicksal zu überlassen®. Sie sank in sich selbst 
zusammen; einer förmlichen Aufhebung bedurfte es nicht. Wann 
dieser Zusammensturz erfolgte, ist nicht genau zu ermitteln; aber als 
Medler bald nach Ostern 1551 von Braunschweig heimlich und ohne 
ein Wort des Abschieds entwich, war das Pädagogium schon seit 
einiger Zeit zu Grunde gegangen’. 

I No. 17, S. 89 £.; No. 18, S. 97 f. 


? Vormbaum, Evang. Schulordnungen I, 24f.; Paulsen, Gelehrter Unter- 
richt S. 1871. 

9 Akten des Braunschweiger Stadtarchivs. 

4 Rehtmeyer, Kirchenhistorie III, 196. 

® Was über das Pädagogium bislang bekannt war, beschränkt sich auf das, 
was Rehtmeyer in seiner Kirchenhist. III, 194 ff. darüber berichtet. Derselbe be- 





LXIV Einleitung I 


Für die Entwickelung der Lateinschulen konnte der Zusammen- 
sturz des Pädagogiums nur vorteilhaft sein. Nähere Nachrichten von 
Bedeutung sind freilich nur von dem Martineum und Katharıneum 
bekannt; von der Ägidienschule ist längere Zeit gar nicht die Rede, 
vermutlich, weil Heinrich der Jüngere nach seiner Rückkehr in sein 
Fürstentum (1547) das Ägidienkloster wieder an sich zu bringen 
wulste. Erst nach dem Regierungsantritt des Herzogs Julius (1568), 
des Reformators des Herzogtums, wurde die Anstalt, wie es scheint, 
von neuem eröffnet!. 

Die Verfassung der Schulen zu St. Martin und zu St. Katharinen 


zieht sich dabei auf den »Catalogus ministrorum verbi in ecclesia Brunsvicensis«, 
der handschriftlich in dem städtischen Archiv vorhanden ist. Es wird interessant 
sein kennen zu lernen, was dort auf S. 68f. in der vita Medleri darüber erzählt 
wird. »Medlerus«, so heifst es, »et scholas et exercitia publicarum lectionum in- 
stauravit. Nam opera et auxilio Antonii Nigri Med. Doct. primus ursit et obtinuit, 
ut ad Fratrum institueretur publicum paedagogium, ubi tractarentur et explicaren- 
tur quam possent artes et linguae, theologia item et universa philosophia: ubi ipse 
publice docendo et legendo multum iuventuti profuit. Versati quoque sunt illic 
in studio publice legendi Niger D. M., Iohannes Streitbergerus, gener Medleri, 
qui cum sorore Brunsvicum venerat, Matthias item Flacius Illyricus, M. Joh. 
Glandorpius, Rector Martinianus, M. Schmiedenstedius et ali. Cumque in istis 
perquam tenuibus initiis non occurrerent semper, qui cum applausu linguas docerent, 
designavit lectores quos potuit. Fuit quidam loeularius, Georgius Schweitzbergius, 
habens aedes oppositas curiae Saccensi, cuius domesticus, adiutor eius opificii, 
didicerat linguam Hebraeam Posonii a Iudaeis. De eo cum audiisset Medlerus, 
sine mora aggressus est hominem ipsique persuasit promisso stipendio non pauco- 
rum florenorum, ut in cathedram ascenderet. Paruit iste professus Hebraica ad sex 
septimanas. Post autem usus excusatione capitis laborem non ferentis noluit in 
instituto opere pergere. Cum vero etiam Niger D. Graecae linguae rudimenta 
aliquamdiu explicasset ab eoque’ incepto desisteret, quod deceret sibi magis haben- 
dam rationem et curam aegrotantium, Medlerus, ne quid praetermitteretur ad 
operam pertexendam, Hasium quendam Neapolitanum civem lanificem conduxit, 
Graecae linguae non ignarum, qui sic eam coepit explicare, ut non displiceret; 
noluit tamen ultra progredi, nec multo post venit in suspicionem, quod monetam 
adulterasset, itaque coniectus est in carcerem, sed tamen certis indiciis inventus 
est innocens, reliquum vitae lanificio traduxit. Verum enimvero Medlerus, ut haec 
exercitia lectionum cupidissime instituit et operam dedit pro virili parte, ut hac- 
tenus liberaliter foverentur et observarentur, ita passus est ea subito praeter 
omnium expectationem collabi levissima occasione. Ineidit ipsi in publico con- 
gressu disputatio cum Hermanno Primate, quem e vestitu auguratus non ausurum 
contra ipsum hiscere. Cuius cum deprehendisset inopinatam vim ingenii sua gra- 
viter defendentis et concertationes in disputando pertinaces, tantopere commotus 
est, ut mox in isto studio et opere lectionum cessaret«. 
I Sack, Schulen S. 48. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXV 


wird ın den unter 17 und 18 mitgeteilten Lektionsplänen! auf das 
klarste dargelegt. Die Unterrichtszeit umfalst die Stunden von 6—9, 
von 12—2 und von 3—4. Mittwochs und Sonnabends bleibt an den 
Nachmittagen die Schule geschlossen. Die untersten Klassen bieten 
nichts weiter als die Gegenstände des Elementarunterrichts, Lesen, 
Schreiben und Katechismus; in den mittleren und oberen nehmen 
latemische Grammatik, Prosodie und Lektüre den Löwenanteil der 
Stunden ın Anspruch. Daneben wird fleilsig Musik getrieben, und 
auf der obersten Stufe treten Dialektik, Rhetorik und die Anfänge 
des Griechischen hinzu. Der Kanon der lateinischen Autoren um- 
falst Cicero, Virgil, Terenz. Das Martineum behauptet noch immer 
vor der Schwesteranstalt den Vorrang. Die Zahl seiner Klassen ist 
grölser, die Prima mehr entwickelt. Arithmetik und Theologie wer- 
den in ihr neben den übrigen Wissenschaften gelehrt, und die Histo- 
rien Justins dienen dazu die Schüler mit der Geschichte des Alter- 
tums bekannt zu machen?. Melanchthons Lehrbücher führen in beiden 
Anstalten für Latein, Dialektik und Rhetorik eine unbestrittene Herr- 
schaft; für das Griechische wird, wie es schon 1535 der Fall war, 
Metzlers Elementarbuch zu Grunde gelegt?. Die täglichen Schüler- 
gottesdienste werden noch immer nach der ursprünglichen Vorschrift 
der Kirchenordnung abgehalten. Um 8 Uhr unterbricht die Mette 
den Unterricht, um 2 Uhr ruft die Vesper die Schüler zum Chor. 
Nur die Primaner des Martineums waren vom Besuch der Mette ent- 
bunden‘. 


Was bei einer derartigen Organisation die Schulen geleistet 
haben, tritt nirgends hervor. Wenn aber die Latinität der Schüler 
nicht besser gewesen ist als sie in der vom Rektor Zannger verfalsten 
»administratio« des Katharineums sich darstellt, so muls man die 
viele Mühe und die Zeit beklagen, die auf die Erlernung der lateini- 
schen Sprache verwendet wurde. Bei aller Gewandtheit und Flüssig- 


15. 898.; ITE. 
2 S. 90, vergl. mit S. 101ff. 
35, 102%; 5, 55%, 


* Vergl. S. 90, wo von dem Besuch der Mette um 8 Uhr bei den Primanern 
nicht die Rede ist, wozu jedoch zu vergl. S. 95° und die kritische Bemerkung 
zu der Stelle in der speziellen Einleitung zu No. 17. 

5 





LXVI Einleitung I 


er nn er nos 


keit des Ausdrucks zeigen sich darin Barbarismen, denen gegenüber 
die emendierende Hand des Herausgebers sich als machtlos erweist). 

Aus den folgenden vier bis fünf Jahrzehnten wird über die 
innere Entwickelung des Katharineums und Ägidianums nichts von 
Bedeutung bekannt; wohl aber ist von dem Martineum aus dem 
Jahre 1562 die unter 19 mitgeteilte Ordnung: »Scholae Bruns- 
vigensis ad divum Martinum administratio« vorhanden (S.105ff.), 
die einen beachtenswerten Einblick in die Verfassung dieser Anstalt 
gewährt. Eine andere Ordnung derselben, die der Rektor Hayneccius 
1588 veröffentlichte, ist leider nıcht mehr aufzufinden?. 

Die »administratio Martiniana« aus dem Jahre 1562 ver- 
dankt dem damaligen Rektor der Anstalt, M. Andreas Pouchen?, 
ihre Entstehung. Derselbe war zu dem Amt eines Schulmannes durch 
manche gute Eigenschaft wohl befähigt. Es fehlte ihm nicht an Ge- 
lehrsarhkeit, nicht an sittlichem Ernst und an Liebe zur Jugend. 
Allem Anschein nach wurde ıhm auch der Beifall der Urteilsfähigen 
und die Anerkennung seiner Vorgesetzten zu teil. Bei alledem hatte 
er über Verkennung und Anfeindung zu klagen, vielleicht nicht ganz 
ohne eigene Schuld; denn er war »etwas heftig und aliquando acerbus«*; 
aber der hauptsächlichste Grund seiner übeln Erfahrungen lag doch 
wohl ın der Geringschätzung, mit der man in jenen Zeiten noch ın 
geistlichen und weltlichen Kreisen über die Schuldiener und den 
Wert ihrer Thätigkeit im allgemeinen zu urteilen pflegte, und die 

I Vergl. weiter unten die spezielle Einleitung zu No. 18. 

? M. Martin Hayneccius (1544— 1611) leitete das Martineum von 1585 
bis 1588 und wurde dann Rektor in Grimma. Die erwähnte Ordnung führte den 
Titel »Ludus literarius Brunsvic. Martinianus«e und erschien 1588 zu Leipzig. Vergl. 
Rehtmeyer, Kirchenhist. IV, 354; Dürre, Gelehrtenschulen S. 25. 55; Jöcher, 
Gel.-Lex. II, 1416. 

3 M. Andreas Pouchenius stammte aus Gardelegen in der Altmark, wo 
er etwa 1526 geboren war. Er hatte 1546 zu Wittenberg unter Melanchthon 
studiert, war 1548 Konrektor in Helmstedt geworden, aber noch in demselben 
Jahre nach Braunschweig gegangen, um das Konrektorat am Martineum zu. über- 
nehmen. Nachdem er dann nochmals ein Jahr lang in seiner Vaterstadt das Amt 
eines Stadtsekretarius innegehabt hatte, kehrte er nach Braunschweig als Rektor der 
genannten Anstalt zurück und leitete dieselbe von 1552 bis 1564. Er wurde als- 
dann Pastor an der Martinikirche, 1571 Koadjutor des Superintendenten Chemnitz, 
ging 1575 als Superintendent nach Lübeck und starb daselbst im Jahre 1600. 
Vergl. Dürre, Gelehrtenschulen 54; Knoch, Stadtschule zu Helmstedt I, 39; 


Rehtmeyer, Kirchenhist. III, 389 £.; V. Suppl. S. 138. 
* Rehtmeyer, Kirchenhist. III, 390. 











Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXVII 


ein Charakter, der sich seiner Tüchtigkeit bewulst ist, nicht leicht: 
zu tragen vermag. Es ist gewils nicht ohne Grund, wenn Pouche- 
nius klagt: »Quid hoc scholastico munere spretius, quid vanius, quid 
abiectius vulgi iudicio«? Der Verkennung und Verunglimpfung gegen- 
über hielt derselbe es für angemessen seinen Mitbürgern und ins- 
besondere den beteiligten Eltern einen Einblick in die Organisation 
seiner Anstalt zu gewähren und so seine pädagogischen Absichten 
und Mafsregeln öffentlich zu rechtfertigen. Ein derartiger Zweck - 
macht es erklärlich, dafs durch die Schrift des Rektors Pouclien ein 
etwas panegyrischer Anhauch sich hindurchzieht. 

In einer lesbaren, wenn auch hie und Ja etwas schwerfälligen 
und stellenweise nicht ganz korrekten Latinität giebt Pouchen zu- 
nächst ın dem Abschnitt: »de classıum distributione et singu- 
larum operis et lectionibus«! die Lehrverfassung seiner Anstalt. 
Von den 6 Klassen ıst die unterste noch immer dazu bestimmt, die 
zarte Jugend in die Geheimnisse der Lese- und Schreibkunst einzu- ' 
führen. . In der folgenden beginnt das Latein, un fortan die Schüler 
bis auf die oberste Stufe als vornehmster Unterrichtsgegenstand zu 
begleiten. Von der drittobersten Stufe an (hier Quarta genannt) nimmt 
das Lateinsprechen in ausgedelhnter Weise seinen Anfang; von der 
zweitobersten Klasse (Quinta) an beginnen lateinische Verskunst, 
Griechisch, Arıthmetik und Theorie der Musik die Schüler zu be- 
schäftigen; zuletzt tritt in der obersten Klasse (Sexta) noch Astronomie 
(spherica doctrina) und Hebräisch hinzu. Der Kanon der zu lesenden 
Schriftsteller ist gegen die Ordnung von 1548 bedeutend erweitert. 
Neben den antiken Autoren finden auch moderne Latinisten eine 
ausgedehnte Berücksichtigung. Der Religionsunterricht beginnt mit 
der Einübung des Katechismus, um mit einem systematischen Lehr- 
buche abzuschliefsen; die Lektüre einzelner biblischer Schriften wird 
weniger von der Rücksicht auf Erbauung und sittlich-religiöse För- 
derung als von sprachlichen Gesichtspunkten geleitet. Die Mutter- 
sprache findet in den unteren Klassen Beachtung, aber nur um dem 
Latein die Wege zu bahnen. Von der drittobersten Klasse an wird sie 
für den Schulverkehr verboten, und heimliche Aufpasser (corycaei?) 


ıS. 105—114. 
? »Corycaeus« (Kwpuzaios) bezeichnet zunächst einen Seeräuber vom cilicischen 
Vorgebirge Äwpvuxos, dann einen Spion. Wegen der übertragenen Bedeutung des 


5* 





LXVII Einleitung I 


vereinigen sich mit offen dazu ernannten Beobachtern, um die deutsch 
redenden Mitschüler zur Anzeige zu bringen. 

Was in dem zweiten Abschnitt »de praeceptoribus«! und in 
dem dritten »de discipulis«? von den Pflichten der Lehrer und 
Schüler gesagt wird, zeugt von Erfahrung, sittlichem Ernst und von 
einer warmen Begeisterung für die Aufgaben des Lehrerstandes. Be- 
sonders wohlthuend berührt es, wenn den Lehrern für ihre Über- 
setzungen Zierlichkeit und Anmut im Gebrauch der deutschen Sprache 
zur Pflicht gemacht wird. »In Germanicis interpretationibus«, so 
heifst es S. 11529, »non velim quolibet sermone autorum verba reddi, 
sed Teutonicae linguae ornatui et lepori operam darı«.. Einige Vor- 
schriften werfen auf die unter Lehrern und Schülern herrschenden 
Sitten ein eigentümliches Licht. Für die begeisterten Lobredner der 
guten alten Zeit würde es recht belehrend sein, wenn sie sich davon 
überzeugten, welche Vergehungen und Laster der würdige Rektor 
Lehrern wie Schülern zu verbieten für nötig erachtet. 

Als Rektor Pouchen seine »administratio scholae Martinianae« ver- 
öffentlichte, stand bereits seit mehr als sieben Jahren (seit Dez. 1554) 
Martin Chemnitz als Koadjutor des Superintendenten Mörlin im 
Dienste der Stadt. Fünf Jahre später (1567) übernahm er selbst 
die Superintendentur und erhielt damit zu gleicher Zeit auch über 
die Schulen die oberste Aufsicht. Es konnte nicht fehlen, dafs auch 
auf diesem Gebiete der Einflufs des bedeutenden Mannes sich be- 
merklich machte; aber nur wenig ist darüber bekannt. Als auf seinen 
Betrieb 1570 eine Ordnung zur Regelung des Bettelwesens in der 
Stadt zustande kam, wurden auch für die der Unterstützung bedürf- 
tigen Schüler feste Bestimmungen getroffen?. So entstand die älteste 


Wortes vgl. Strabo XIV, 1, 32:.... ap ob dY ndvra röv rolunpdyuova xat 
xaraxoveıv Enıyeipoövra ray Aadpa xal &v änopbnrw dialeyoutvov Kwpuxatov 
xaloünev zal &v mapoynla yapev' ou d’ dp ö Kwpuxaios hxpoalero xri.; Meineke 
in com. Gr. IV p. 113; Steph. Byz. p. 402 Mein. ganz nach Strabo; Cic. ep. ad 
Att. X, 18, 1: omnes enim xwpvxaior videntur auscultare quae loquor; Zenob. 
prov. IV, 75 das. Schneidewin (I. p. 105£.); Suid. s. v.; Phot. lex. s. v. I, p. 366 
Naber. — Derartige geheime Aufpasser werden auch in der Ordnung des Ganders- 
heimer Pädagogiums von 1571 und noch in vielen anderen Schulgesetzen erwähnt. 
Vergl. auch die Schulordnung des Rats von 1596, S. 136°, 

Ss. 114—116. 

2 S. 116—120. 

9 Rehtmeyer, Kirchenhist. II, 314; Bode, Stadtverwaltung Ill, 44; Dürre, 
Gelehrtenschule S. 45. 














Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXIX 


Kurrendenordnung der Stadt Braunschweig. Leider ist dieselbe nicht 
auf unsere Zeit gekommen. Sie war wichtig genug. Es wurde durch 
sıe ein Institut ins Leben gerufen, das zu gleicher Zeit der unbemit- 
telten Jugend Brot und frommen Gemütern Erbauung gewährte. 
Selbst wenn einer an dem Stralsengesang keine rechte Freude hatte, 
mufste er sich doch erleichtert fühlen, dafs nun nicht mehr täglich 
und stündlich, wie es bis dahin geschehen war, seine Thür von Bettel- 
kindern belagert wurde, sondern dafs nur noch einigemal in der 
Woche die Schar derselben in wohlgeordnetem Zuge vor seinem 
Fenster sich zeigte. Im Grunde war die Kurrende eine mit den 
Lateinschulen verbundene Armenschule mit stark ausgeprägtem kirch- 
lichen Charakter. Über Lesen, zur Not auch Schreiben und Rechnen 
kamen die Mitglieder derselben wohl nur selten hinaus. Wurden sie 
älter und grölser, so wendeten sie sich, ohne überhaupt mit dem 
Latein sich befalst zu haben, einem Handwerk oder einer dienstbaren 
Stellung zu. Die Einrichtung war gut und zeitgemäls, so lange noch 
keine städtischen Volksschulen und insbesondere noch keine Armen- 
schulen vorhanden waren, und dafs es der Kurrende an dem Beifall 
der Bürgerschaft nicht gefehlt hat, davon zeugen zahlreiche Vermächt- 
nisse, die ım Laufe der Zeit ihr zu teil wurden. Erst die Auf- 
klärung des 18. Jahrhunderts mit ihrem Mangel an Verständnis für 
die frommen Gebräuche der Vorzeit und die gleichzeitige Entwickelung 
des Volksschulwesens machten der Schöpfung Chemnitzens ein Ende!. 

Noch in anderer Weise hat der grolse Theologe auf das Schul- 
wegen der Stadt Braunschweig einen tiefgehenden Einflufs geübt. Als 
er 1577 im Verein mit Andreae zur Sicherung des reinen Luthertums 
die Konkordienformel zustande gebracht hatte, wurde derselben vom 
Rat symbolische Geltung beigelegt?, und die sämtlichen Schulkollegen 
mufsten, ebenso wie die Prediger, durch ihre Namensunterschrift sich 
zu derselben bekennen. Dadurch erhielt das Lehrerpersonal eine 
streng lutherische Färbung. Wer zum Calvinismus sich neigte, wurde 
seines Amtes entsetzt?. Erst die Unterwerfung der Stadt unter die 

! Bode, Stadtverwaltung III, 44. 

2 Stübner, Kirchenverfassung S. 77. 

3 So 1582 der Rektor am Katharineum Matthias Bergius, vergl. Reht- 
meyer, Kirchenhist. III, 500 ff.; Dürre, Gelehrtenschulen S. 65. So auch 1593 der 


Rektor am Ägidianum Hermann Hubert, vergl. Rehtmeyer, Kirchenhist. IV, 130f.: 
Dürre, Gelehrtenschulen S. 72. 


LXX Einleitung I 


Botmälsigkeit der Landesherren im Jahre 1671 machte der Geltung 
der Eintrachtsformel für die Stadt Braunschweig ein Ende. 

Bald nachdem Martin Chemnitz seine irdische Laufbahn be- 
schlossen hatte (8. April 1586), treten in auffallender Weise Klagen 
über die mangelhafte Beschaffenheit der Braunschweiger Latein- 
schulen hervor. Der berühmte schwäbische Philologe und Dichter 
Nikodemus Frischlin!, welcher 1588 das Rektorat am Martineum 
übernahm, klagt in seiner Antrittsrede gar bitter über die Beschränkt- 
heit der Schulzimmer und über den gesundheitsschädlichen Gestank, 
der darin herrsche. Unerträglicher seien die Hinderungen, welche durch 
die zahlreichen Begräbnisse, bei denen Lehrer und Schüler zu singen 
hätten, für den Erfolg des Unterrichts entständen. Am schlimmsten 
sei der Mangel an brauchbaren Lehrern. Wer könne es aber auch, 
so ruft er aus, einem tüchtigen Manne verdenken, wenn er von einem 
so elenden Berufe sich fern halte! »Denn die Männer«, so fährt er 
fort, »welche den ganzen Tag im Gestank und Lärmen der Knaben 
zugebracht haben und halb schwindsüchtig, halb taub geworden sind, 
diese müssen mancherorten, wenn sie heimkommen, das Brot des 
Jammers essen und das Wasser der Bekümmernis trinken. Wären 
Beispiele nicht verhafst, so könnte ich Städte nennen, wo der Sau- 
und Kuhhirt einen gröfsern Lohn hat als der Schulmeister«?. 

Auch in der Bürgerschaft herrschte Verstimmung. »Es ist leider«, 
so lassen sich am Donnerstag nach Galli (22. Okt.) 1590 die Haupt- 
leute aus allen fünf Weichbilden vernehmen, »itzo in ore omnium, 
dafs alhie in S. Mertens schole, sonderlich in prima classe und andern 
mehr, ganz unfleilsig und zwaer also gelesen werden solle, als die 
nonnen oder bartke [Mönche] den psalter pflegen zu lesen, welches 
mit schmerzen zu vernehmen, dafs der jugend, worauls man leute in 


I Nikodemus Frischlin (1547—1590) verwaltete das Rektorat am Mar- 
tineum von 1588 bis 1589. Den Abgang des geistvollen und gelehrten, aber auch 
selbst für jene Zeiten ungewöhnlich streitfertigen Mannes rief eine mit dem Schul- 
wesen gar nicht zusammenhängende Schmähschrift hervor, die von ihm verfafst, 
aber ohne sein ausdrückliches Wollen in Braunschweig gedruckt wurde. Bekannt 
ist sein tragisches Ende, das ihn bei der Flucht von Hohenurach, wo er gefangen 
sals, ereilte. Vergl. D. Fr. Straufs, Leben und Schriften des Dichters und Phi- 
lologen Nicodemus Frischlin. Frankfurt a. Main 1856. Über den Aufenthalt in 
Braunschweig S. 419 ff. 

? Nic. Frischlini Oratio de scholis et gymnasiis aperiendis etc. in lucem 
protracta a Fr. Herm. Flaydero. Tubingae 1627. Das Citat nach Straufs S.423f. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXXI 


kirchen und weltlichem regiment nach jahren nehmen konte, nicht 
befser und fleifsiger solle vorgestanden werden; pitten, vermahnen 
alles fleilses, E. ernv. und erb. W. wollen bei den personen, welchen 
insonderheit das uffsehent uf schulen geburt, die beschaffenheit thuen, 
das sie ein auge auf die rectores, conrectores und andere  dienere 
haben, dieselbige von der trachheit aufmuntern und zu nötigem und 
nützlichem lesen anreizen mögen, auf dafs der lob und ruemb, welchen 
demnechst etzliche jahr hero vor dieser zeit die löbliche stadt in die- 
sem gehapt hat, nicht untergehen möge; dagegen auch gleich wol sie 
mit besoldungen und wohnungen, darinnen bilsweile alle unordnung 
fürfellet, vermöge der kirchen ordnung bedenken, auf dals sie dero- 
wegen der lieben jugendt mit desto mehrerem fleilse vorstehen mügen«. 
— »Vergangen und vorige wintern ist in den schulen alhie von den 
grolsen und kleinen knaben hieuber ein gros klagen gewesen, das gar 
selten eingeheizet wird und sie den gar kalten winter uber grofsen 
frost erlitten haben, welches die warheit und zu erbarmen ist, das 
man sich der lieben jugendt nicht besser annimmt und die in grofsem 
froste sitzen lassen soll: pitten fleilsig eine solche ernste ordnung zu 
thuende, das der gebüer möge En und sich die liebe jugendt 
getrewlich befohlen lassen werden«! 


In die Klagen der Büryerschaft stimmt auch die Geistlichkeit 
eın. »Es wird leıder«, so äufsert sich das Konsistorium, »eine solche 
Unachtsamkeit, Verdruls, laxatio disciplinae und Faulheit gespüret, dafs 
fast kein Heilen mehr da ist«?. 


Unter diesen Verhältnissen entschlossen sich die zuständigen Be- 
hörden zu einer gründlichen Reform des tief damieder liegenden 
Schulwesens. Für das Martineum wurde ein neues Gebäude errichtet 
und am 23. Oktober 1595 feierlich eingeweiht, dasselbe, das bis 1869 
der Sitz der Anstalt gewesen ist”. Dem innern Verfall aber sollte 
bei den sämtlichen Lateinschulen eine neue Schulordnung Abhülfe 
bringen. 

Die Ausarbeitung des neuen Gesetzes übernahm der Super- 


I Akten des Braunschweiger Stadtarchivs. 


? Akten des Braunschweiger Stadtarchivs. Vergl. auch Dürre, 
Nicephorus 8.7. 


° Rehtmeyer, Kirchenhist. IV, 153f; Dürre, Nicephorus S. 8 ff. 


LXXI Einleitung I 


intendent M. Lucas Martinil. Sein Entwurf? fand nicht in allen 
Punkten den Beifall des Rats. Schon die Überschrift: »Christliche 
Anordnung eines Ehrwürdigen Consistori zu Braunschweig, Wie es 
hinfuro in ihren Schuelen daselbst soll gehalten werden« erregte Be- 
denken; denn der Rat wollte als weltliche Obrigkeit sich seines Rechts 
über die Schulen zu Gunsten der Kirche nicht begeben. Er verlangte 
daher, dafs »diese newe ordnung, instaurationem scholarum betreffendt, 
in E. Erbarn Raths, als unser ungezweiffelten, unmittelbahren 
obrigkeit, nahmen vorfalset werde«. Mifsfällig wurde es auch bemerkt, 
dals in der neuen Ordnung von dem geistlichen Verfasser »etliche 
bey den schueldienern eingerilsene sträffliche milsbreuche zu viel- 
mahlen mit fast harten worten taxirt würden«. Das sei wegen der 
unschuldigen nicht recht und auch deshalb bedenklich, weil es später 
den Schulgesellen, wenn sie dem alten löblichen Gebrauch zufolge 
zum Predigtamt befördert würden, »auflgerucket« werden könnte. 
Andere Bedenken traten hinzu, nicht zum wenigsten, dals es den 
Lehrern in dem Entwurf nicht dringend genug eingeschärft sei, dals 
sie vor einer Überbürdung der Jugend mit allzu hohen und unver- 
ständlichen Dingen sich zu hüten, andererseits aber einer treuen 
Pflichterfüllung, Pünktlichkeit im Beginn der Lehrstunden, Sorgfalt 
bei der Korrektur sich zu befleilsigen hätten. 

Die Einwendungen des Rats gegen den Entwurf des Super- 
intendenten Martini? führten zu Verhandlungen, bei denen die Geist- 
lichkeit dem Wunsch der weltlichen Obrigkeit sich fügte. So kam 
denn das neue Gesetz glücklich zustande und wurde am 4. Februar 1596 
auf dem Neustadt-Rathause im Beisein des geistlichen Ministeriums, 
der Kasten- und Schulherren, sowie der Rektoren und Schulkollegen 
als »Eines Erbarn Raths zu Braunschweig christliche An- 
ordnung« feierlich bekannt gemacht. 

Für die Geschichte des Schulwesens ist die Schulordnung 


! Lucas Martini (geb. 1548, gest. 1599) verwaltete die Superintendentur 
von 1594—1599. Näheres über ihn bei Rehtmeyer, Kirchenhist. IV, 150 fi. 

? Vorhanden im Braunschweiger Stadtarchiv. 

® „Eines Erbaren Hochweisen Raths auff die newe Schulordnung vorfalsete 
brouvhuara, d.d. 20. u. 21. Oktober 1595«, vorh. im Braunschweiger Stadt- 
archiv. 

* Abgedruckt unter 21, S. 122ff. Über die Entstehung und Publikation 
derselben vergl. Rehtmeyer, Kirchenhist. IV, 154; Dürre, Nicephorus S. 15. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXXIU 





des Rats von 1596 von nicht geringem Interesse. Sie kennzeichnet 
den Geist, in dem man in einer der Hochburgen des unverfälschten 
Luthertums die Lateinschulen geleitet wissen wollte. Ihr Grundzug 
ist ein stark ausgeprägter Konservativismus. Derselbe zeigt 
sich zunächst in dem Festhalten an der schrankenlosen Abhängigkeit 
der Schule von der Kirche. Zwar hatte der Rat den Anspruch 
der Geistlichkeit, das neue Gesetz im Namen der kirchlichen Behörde 
zu erlassen, mit Entschiedenheit zurückgewiesen, nicht aber um die 
Schule irgendwie selbständig zu machen, sondern einzig und allein 
um seine obrigkeitlichen Hoheitsrechte zu wahren. Sobald diese an- 
erkannt sind, überlälst er willig das Schulwesen der kirchlichen 
Leitung. Ohne Zweifel entsprach die Dienstbarkeit der Schule den 
Wünschen der Geistlichkeit; es wäre aber gewifs nicht richtig, wollte 
man hier allein in hierarchischen Gelüsten die Quelle ihres Wollens 
und Handelns erblicken. Es war den Vertretern der Kirche ein 
wirklicher Ernst damit, die Schule zu einer »officina spiritus sancti« 
zu machen!. Zudem gründeten sich ihre Ansprüche auf das Her- 
kommen und auf die in der Kirchenordnung von 1528 ausgesprochenen 
Satzungen, und die Anschauungen der malsgebenden Kreise des Laien- 
standes standen ihrem Anspruch auf Herrschaft nicht entgegen. Die 
Schule war ja die Tochter der Kirche, und gerade die Reformatoren 
hatten dem vorher etwas vernachlässigten Kinde eine liebevolle Sorg- 
falt gewidmet. Was war natürlicher, als dafs man auch ferner der 
Mutter die Leitung der noch so wenig entwickelten Tochter überliels 
und gar nicht daran dachte für die letztere einen eigenen und selb- 
ständigen Haushalt zu gründen! Und die Tochter fügte sich meist 
such ohne Murren in ihre untergeordnete Stellung. Zeigte sie sich 
einmal trotzig und ungeberdig, so genügten einige Rutenstreiche, um 
sie zu ihrer Kindespflicht zurückzuführen. Dals bei derartigen Fami- 
lienscenen die gezüchtigte Tochter bei dem Publikum oder bei den 
weltlichen Behörden Trost und Beistand gefunden habe, tritt ın 
Braunschweig zur Zeit der reinen Lehre niemals hervor, 

Die Unterordnung der Schule unter die Kirche macht sich in 
mannigfacher Hinsicht bemerkbar: in der Verpflichtung der Lehrer 
sich der Lehrnorm der symbolischen Bücher zu unterwerfen?, in der 


ı Ss. 123*, vergl. S. 32413, 
3 8. 123, vergl. S. 127°. 





LXXIV | Einleitung I 


Beaufsichtigung der Anstalten durch die “Geistlichkeit!, in dem 
Schnitt der Kleidung, die den Schuldienern vorgeschrieben wird?, 
nicht zum wenigsten aber in den zahlreichen kirchlichen Andachts- 
übungen, zu denen Lehrer wie Schüler alltags und Sonntags sich 
einzufinden gezwungen sind. Die täglichen Metten und Vespern 
werden noch ganz in derselben Ausdehnung, wie Bugenhagen sie 
vorgeschrieben hatte, weitergeführt®; jeden Sonntag sind mehrere 
Gottesdienste zu besuchen; dazu kommt eine Reihe von Wochenpre- 
digten. Fast mufs man fürchten, dals das Allzuviel des Guten eher 
geschadet als genützt hat, und man begreift es, dals bei Schülern und 
Lehrern eine Abneigung gegen den Erbauungszwang durch Unaufmerk- 
samkeit während der Predigt, durch Fortbleiben, Zuspätkommen und 
vorzeitiges Weglaufen sich kund thut#. 


Geradezu schädlich wirkte für die Zwecke der Schulen die Be- 
teiligung derselben an den Leichenbegängnissen. Das Mittel- 
alter hatte an das kirchliche Begräbnisritual, zu dem der Gesang der 
Schüler gehörte, die Hoffnung auf Kürzung des Fegefeuers geknüpft?, 
die Reformation den frommen Brauch auch fernerweit noch zuge- 
lassen, nicht als eine Hülfe für den Toten, sondern zur Ermahnung 
für die Lebendigen®. So tief aber wurzelte die Gewohnheit in den 
Gemütern, dals zu der Zeit, als die Schulordnung des Rats erlassen 
wurde, kein Begräbnis für »ehrlich« gehalten wurde, wenn nicht die 
Stimme des Schülerchors, wo möglich in den künstlichen Weisen des 
Figuralgesangs, dabei erscholl. »Kaum ist heutigen Tages«, so sagt 
Frischlin, »ein Schuster, ein Schneider, ein Schmied, der, wenn er 
entweder selbst stirbt oder sein Weib oder eines seiner grölseren 
Kinder durch den Tod verliert, nicht die ganze Schule für die Be- 
gleitung der Leiche in Anspruch nimmt«’. Wer die Kosten für ein 
Begräbnis mit der ganzen Schule (funus generale) nicht aufbringen 
konnte, zog wenigstens einen Teil der Lehrer und Schüler (funus 


18. 138f., leg. 2; S. 134, leg. 3; S. 185f., Art. VII; S. 139* u. ö. 

28. 12319, 

® S. 1244 und dazu die Anmerkung. 

4 S. 124f., leg. 8. 

® Wetzer und Welte, Kirchenlexikon, 2. Aufl. von Hergenröther u. Kaulen, 
II (Freiburg i. Br. 1883) S. 190. 

® So die Bugenhagensche Kirchenordnung, vergl. S..821. 

" Frischlini oratio de scholis etc. bei Straufs, Nic. Frischlin $. 424. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXXV 


speciale, particulare) heran, damit entweder zwei Lehrer mit 24 Paar 
Knaben (funus duale), oder zum wenigsten doch einer mit 12 Paar 
Knaben (funus quartale) der Bahre singend voranschreiten möchten!. 
Die neue Schulordnung verschlielst sich in der That nicht gegen die 
übeln Folgen, welche aus den fast täglichen Leichenprozessionen für 
den Unterricht erwuchsen; sie beklagt, dafs dadurch »viel guter Stun- 
den vor- und nachmittags von den Knaben in der Schule versäumt 
werden«?; aber die Stimme der Vernunft erwies sich, wie so oft, als 
kraftlos gegen die Macht des Herkommens, zumal dieselbe in Bürger- 
stolz und frommer Prahlerei die kräftigste Stütze fand. Immerhin ist 
es erfreulich, dafs man dem Unwesen wenigstens in etwas zu steuern 
versuchte; aber fast zwei Jahrhunderte mulsten noch vergehen, ehe 
die Leichenbegleitung seitens der Lateinschulen in Wegfall kam. Wie 
ın vielen anderen Fällen, so war es auch hier die nüchterne An- 
schauungsweise der Aufklärungszeit, die dem frommen Milsbrauch 
‚der Vorzeit ein Ende machte. 

Auch aus der Art des Lehrerpersonals läfst sich die dienst- 
bare Stellung der Schule erkennen. Dals die Kollegen theologische 
Kandidaten waren, wird nur der Unverstand tadeln. Im besten Falle 
hätte man gar keine anderen Lehrkräfte gefunden. Zudem war das, 
was zu jenen Zeiten in den Schulen gelehrt wurde, so einfach, so 
wenig mannigfaltig, so sehr mit der theologischen Wissenschaft ver- 
wandt, dafs ein junger Gottesgelehrter den Forderungen des Schul- 
amts mit etwas gutem Willen leicht gewachsen war. Auch enthält 
ja die Theologie sehr bedeutsame Momente, um einen Mann mit 
warmem Herzen und klarem Geiste für die Aufgaben der Jugend- 
erziehung in ganz besonderer Weise fähig zu machen. Der Fehler 
war aber, dafs die jungen Theologen, wenn sie vor die Jugend traten, 
gar nicht die Absicht hatten längere Zeit derselben ihre Thätigkeit 
zu widmen; sie liefen davon, sobald sich ihnen ein Pfarramt mit 
geringerer Arbeit, wenigerem Verdruls, mehr Geld und gröfserem 
Ansehen aufthat. Oft hatten sie dann gerade erst angefangen brauch- 
bare Lehrer zu sein; nur selten, dafs einer, der sonst tüchtig war, 
bis ans Ende des Lebens im Schulstaub verharrte. Man wende nicht 
ein, dals die Not zu diesem schnellen Wechsel gedrängt habe. Ein 


18.138, vergl. S. 340f. 
2 5. 138°, 


LXXVI Einleitung I 


wenig mehr Sold und ein wenig mehr Ehre hätte recht wohl oft 
gerade die besten auf längere Zeit an die Schulen zu fesseln ver- 
mocht. Andererseits ist es auch sehr die Frage, ob der Kirche an 
einer ausgedehnteren Schulmeisterthätigkeit ihrer Kandidaten gelegen 
gewesen wäre. Man schickte dieselben auf das Katheder, nicht um der 
Schule, sondern um des Predigtamts willen. Wenn sie von der Uni- 
versität kamen, waren sie noch so jung, so unerfahren, so unfertig, 
so lebenslustig: wie hätte man sie jetzt schon an die Spitze einer 
Gemeinde zu stellen vermocht? Da bot denn das Schulamt eine 
gute Gelegenheit, um sie erst einige Jahre ausreifen, sich austoben, 
gewissermalsen ihre Flegeljahre durchmachen zu lassen. Bei .den 
Verhandlungen über die neue Schulordnung kommt dieser Gesichts- 
punkt klar und deutlich zum Ausdruck!. »Der Rat habe«, so heilst 
es, »bilsdahero und sonderlich tempore D. D. Morlini et Chemnitıi, 
beeder gottseligen, aus hochbedencklichen wichtigen ursachen keine 
junge gesellen, allsbalden sie ex academia gekommen, zum predig- 
ampt berufen, sy weren dan von Gott dem almechtigen mit sonder- 
lichen gaben geziret, besondern sy vorerst ad pistrinum scholasticum 
vorwiesen, daselbst ire industriam et fidem in erudienda ijuventute 
etliche jahr zu exploriren, ihnen selbsten zum besten, darmit ihr iu- 
dicium, quod alias in iuvenibus et crudum et praeceps est, zugleich 
mit dem alter et per quotidianam cum reverendo ministerio eiusque 
senioribus exercitatis öucdlav wachsen und zunehmen möchte. Den- 
selben löblichen und bis daher wohlgeratenen gebrauch sei der rat 
auch hinfort zu continuiren gänzlich bedacht und entschlossen«. Für 
die Kirche war dieser »löbliche Gebrauch« ohne Zweifel sehr vorteil- 
haft; für die Schule aber war es nicht heilsam, dals man sie wie eine 
Art von Purgatorium betrachtete, in dem das »crudum et praeceps 
iudicium« der jungen Gottesgelehrten von seinen Schlacken gereinigt 
werden sollte. Von wie grober Art aber diese Schlacken bei manchem 
von ihnen gewesen, wird gerade in der Schulordnung von 1596 mit 
unmilsverständlicher Deutlichkeit auseinandergesetzt?. 


Auch in den Vorschriften über Unterricht und Methode 
zeigt sich der konservative Grundzug der Schulordnung?. Die Lehr- 
! Eines Erb. Hochw. Raths örouvnuara, $ 2. 


? S. 123, leg. 4. 
® Art. III, S. 126 f.; Art. IV, S. 128. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXXVII 


gegenstände sind im wesentlichen dieselben wie sie in dem Lehrplan 
des Martineums von 1562 aufgeführt werden: Religionslehre, Latein, 
Griechisch, Hebräisch, Dialektik, Rhetorik, Arithmetik, Theorie der 
Musik. Die zu lesenden Schriftsteller sind gegen die frühere Fülle 
im Lateinischen auf die Äsopischen Fabeln, die poetische Anthologie 
des Murmellius, Terenz, Virgil, die Briefe, Reden und Officien Ciceros, 
von den Neulateinern auf Sleidanus, im Griechischen auf Theognis, 
Homer, Demosthenes und das Neue Testament beschränkt. Die 
lateinische Grammatik beherrscht noch immer Melanchthon, nur dals auf 
der obersten Stufe ergänzend Linacer hinzutritt; ın der Dialektik teilt er 
das Regiment mit dem Antiaristoteliker Petrus Ramus, in der Rhetorik 
mit dem Ramisten Talaeus!. Für das Griechische ist die weit ver- 
breitete Grammatik des Rostocker Professors Posselius in Gebrauch; 
dem Religionsunterricht dient neben Luthers Katechismus die Ca- 
techesis des Chytraeus als Grundlage, ein im ganzen noch einfach 
und biblisch gehaltenes Lehrbuch der Glaubenslehre, noch nicht 
durchzogen von dem Geiste einer Polemik, wie er in anderen Hülfs- 
büchern jener Zeit sich geltend macht. Daneben werden die Sonn- 
tagsevangelien in lateinischer Sprache gelesen, und COastellios dialogi 
sacri bilden die Grundlage des biblischen Geschichtsunterrichts, der 
freilich nach der Sitte der Zeit, wie überall, so auch hier so gut wie 
ganz unter den Gesichtspunkt der grammatischen Erklärung und 
Übung gestellt wird. Bei der Wahl dieser und der sonst noch er- 
wähnten Schulbücher war die Absicht malsgebend, nur solche Werke 
zu nehmen, die sich bereits an anderen Orten ın »fürnehmen und 
wolbestalten Schulen« bewährt hatten 2. 


! Es beruht auf einem Mifsverständnis, wenn Kaemmel in dem Art. »Ramus« 
in Schmids Encyklop. VI, 569 unter Bezugnahme auf Dürre, Gelehrtenschulen 
S. 35 bemerkt, dafs in der braunschweigischen Schulordnung von 1596 sich das 
Streben zeige, dafs Dialektik und Rhetorik überhaupt aus den Schulen zu entlassen 
und den Academicis zu befehlen seien. Nur die Subtilitäten der Logik sollen aus den 
öffentlichen Stunden entweder in Privatstunden verwiesen oder für die Universität 
aufgespart werden, vergl. S. 127f. Über die befremdliche, aber auch an anderen 
Orten vorkommende Verbindung von zwei so verschiedenen Systemen, wie es das des 
Aristotelikers Melanchthon und das des Antiaristotelikers Ramus sind, vergl. 
Kaemmel a.a. 0. S.569, wo übrigens dieser für die Geschichte des Schulwesens 
nicht unwichtige Gegenstand keineswegs erschöpfend behandelt ist. Den Einflufs 
der Ramisten auf die deutschen Schulen noch genauer als es bisher geschehen ist 
zu verfolgen würde eine lohnende Aufgabe sein. Vergl. Henke, Calixt I, 74. 

28,127, 





LXXVII Einleitung I 


Für die Methodik des Unterrichts fehlt es zwar nicht an 
Winken und Vorschriften, die auch heute noch Beachtung verdienen; 
aber ırgend ein Fortschritt, ein Keim zu einer frischeren und leben- 
digeren Gestaltung der Lehrweise findet sich nicht. In der That 
nahm ja auch die pädagogische Reform, welche in Deutschland ins- 
besondere durch Ratichius in Gang gebracht wurde, erst anderthalb 
Jahrzehnte später ihren Anfang; es ist aber sehr fraglich, ob der kon- 
servative Sinn, der zu jener Zeit das Schulregiment in Braunschweig 
beherrschte, für die Vorschläge der Reformer sich empfänglich ge- 
zeigt hätte. 

Die Bestimmungen über Schuldisziplin! enthalten manches 
Gute. Erfreulich ist es besonders zu lesen, wie. gegenüber der leiden- 
schaftlichen Rohheit des Strafverfahrens, wie sie zu jener Zeit über- 
all in den Schulen noch üblich war, den Lehrern eine severitas sine 
crudelitate und eine lenitas sine ındulgentia zur Pflicht gemacht 
wird?2. Aufpassere: freilich und Angeberei durch custodes und corycaeı 
waren noch immer nicht in ihrer moralischen Verwerflichkeit erkannt‘. 
Der Willkür, die längere Zeit schon in dem Ausfallen einzelner Lehr- 
stunden und ganzer Schultage geherrscht hatte, suchte man durch 
feste Bestimmungen »de feriis scholasticis oder Einstellung der Schul- 
arbeit« entgegen zu treten*. Auch hierbei wird das Zurückgreifen auf 
die früheren guten Einrichtungen ausdrücklich erwähnt. 

Neben dem öffentlichen Unterricht wird in der neuen Schul- 
ordnung auch die Privatunterweisung in den Häusern, die »paeda- 
gogia domestica«, einer Regelung unterzogen®. In ausgedehnter Weise 
wurde dieselbe sowohl von Schulkollegen als von älteren Schülern, 
den Pädagogen, geübt, nicht blols ausnahmsweise, um unbefähigten und 
flatterhaften Knaben weiterzuhelfen, sondern als eine fast unentbehr- 
liche Ergänzung der Schule; denn unmöglich schien es, dafs die 
Lehrer in den vollen Klassen auf einen jeden Schüler insonderheit 
achten und denselben »forttreiben« könnten®. Im Grunde waren die 
Pädagogen ganz ähnliche Leute, wie sie in der Ordnung der Prälaten 

! Art. VI, 8. 133 f. 

2 S. 135, leg. 8. 

3 Ss. 135, leg. 7. 

% Art. IX, S. 138 £. 


5 Art. V, S. 131 ff. 
es. 131", 





Entwickelung des Schulwesens in .der Stadt Braunschweig LXXIX 


von 1370 als socii secundarii Erwähnung finden!, nur dafs sie ın 
der Schule selbst nicht als Hülfslehrer fungierten. Noch 1660 und 
1755 wird ihrer in den Schulordnungen der Stadt Braunschweig ge- 
dacht?. Wie die mittelalterlichen Vaganten kamen sie von auswärts 
(peregrin!) herbeigezogen, um wohlhabenderen Bürgersleuten gegen 
freie Kost und Nachtlager bei der Kindererziehung behülflich zu sein. 
Ohne Erlaubnis der Rektoren durften sie keine Stelle (hospitium) an- 
nehmen, auch die, welche sie hatten, nicht mit einer anderen ver- 
tauschen, und standen auch dann noch unter der Aufsicht und Bot- 
mälsigkeit derselben, wenn sie es nicht mehr für gut fanden die 
Schule selbst noch zu besuchen. Ihre Pflichten beschränkten sich 
nicht blofs auf die Nachhülfe beim Lernen; auch für die Reinlichkeit: 
ihrer Schutzbefohlenen, für das Waschen, Kämmen und Ankleiden 
derselben hatten sie zu sorgen, und in manchen Familien scheint ihre 
Stellung über die eines pädagogischen Hausknechts nicht hinaus- - 
gegangen zu sein?. Vornehmen Bürgern ward es gestattet ihre Kinder, 
ohne sie überhaupt zur Schule zu schicken, durch einen »gelarten 
Gresellen« unterrichten zu lassen, nur dals derselbe sich der Kirchen- 
ordnung und der Lehre der symbolischen Bücher gemäls verhalten 
und nicht auch anderer Leute Kinder an sich ziehen sollte. Winkel- 
schulen wurden aufs neue verboten. 

Wie für die Pädagogen, so werden auch für die Kurrendaner 
und Ohorschüler (symphoniaci), ohne Zweifel auf Grundlage dessen, 
was bereits durch Chemnitz Geltung gefunden, feste Bestimmungen 
getroffen. Man hüte sich diese beiden Arten von Schülern in ein- 
ander zu werfen. War die Kurrende ım Grunde weiter nichts als 
eine mit den Gymnasien verbundene Armenschule, deren Mitglieder 
nur in den untersten Klassen sich aufhielten, so bildeten die sym- 
phoniaci einen geschulten Sängerchor, zu dem alle Unterrichtsstufen 
von unten bis oben ihr Kontingent stellten. In den Kirchen und 
auf den Stralsen, oft auch bei Hochzeitsfesten und Begräbnissen liels 


!8. 7f. und oben $. XXX. . 

? Vergl. im Schulmemorial des Martineums von 1660 S. 188, No. 7; in der 
Punktation von 1755 S. 397, No. 9. 

3 $. 132, leg. 4, vergl. S. 15210, 

“5. 183, leg. 8. 

° 8. 138, leg. 7. 

8 Art, X, S. 140ff. 


LXXX Einleitung I 


der Chor die kunstreichen Weisen des figurierten Gesanges in Motetten 
und Hymnen erklingen. Unbemittelten Knaben und Jünglingen wurde 
durch diese Einrichtung der Besuch der Lateinschulen bis in die 
obersten Klassen ermöglicht, und es fehlt nicht an Beispielen, dafs 
gerade aus der Zahl der Chorschüler sehr tüchtige und brauchbare 
Männer hervorgegangen sind!. Viele von ihnen schätzten freilich 
die Wissenschaft gering, blieben, wenn sie grölser wurden, dem 
Schulunterricht fern und beschäftigten sich neben dem Gesange mit 
Privatunterricht, bis etwa eine Landschullehrerstelle ihnen zu teil 
ward. Derartige junge Leute zeigten nicht selten lockere Sitten, so 
dafs man sich veranlalst sah ihren Ausschreitungen mit ernstlicher 
Drohung entgegen zu treten ?. 


Was in dem letzten Teile der Schulordnung von der »Beloh- 
nung der Schuldiener« gesagt wird®, gewährt leider in die Höhe 
der Einnahmen, die den Lehrern für ihre Amtsthätigkeit zu teil wur- 
den, keinen genügenden Einblick. Immerhin läfst sich das System 
der Besoldung daraus erkennen. Auch hier drängt sich das Festhalten 
am Hergebrachten unverkennbar hervor. Von’einem Streben die mate- 
rielle Lage der Lehrer zu verbessern ist nichts zu bemerken. 

Die »hospitia«, welche zunächst erwähnt werden, waren nichts 
anderes als die freie Kost, die der wohlhaberide Bürger einem un- 
bemittelten Schulkollegen, wenn derselbe seiner Kinder als Privat- 
lehrer sich anzunehmen bereit war, nicht ungern gewährte. Offen- 
bar hatte die Kärglichkeit der Gehalte noch nicht gestattet von dieser 
unerfreulichen Sitte abzugehen®. Die öffentliche Meinung nahm aber 
allem Anschein nach keinen Anstols daran. In Helmstedt machten 
unverheiratete Lehrer sogar noch bis ins 18. Jahrhundert hinein von 

I Th. W.H. Bank, der 1843 zu Wolfenbüttel als Konsistorialrat und Abt 
des Klosters Amelungsborn verstarb, einer der vortrefflichsten Geistlichen, die das 
Herzogtum Braunschweig gehabt hat, war eine Zeitlang Chorpräfekt am Martineum. 
Vergl. Koldewey, Album S. 3. 

? Art. X, leg. 6 und 8, S. 142f. 

3 Art. XI, $. 143 ff. 

* 8, 143%, vergl. S. 133°”. Dürre, Gelehrtenschulen S. 51 will unter den 
-hospitiis« eine Abgabe verstehen, die den Lehrern von Nichtschülern für die Er- 
laubnis in ihren Stunden zu hospitieren entrichtet sei. Aber dann hätte nur der 
Rektor, höchstens noch der Konrektor, davon profitiert; denn bei andern Lehrern 


hospitierte niemand. 
5 Vergl. oben S. XLIX. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXXXI 


der ihnen in Bürgerhäusern gebotenen mensa ambulatoria häufig 
Gebrauch 1. 

Können die hospitia ebenso wenig wie der Erwerb aus den 
Privatstunden? einen Anspruch darauf machen als eine Besoldung für 
die amtliche Thätigkeit der Lehrer angesehen zu werden, so bildeten 
die »stipendia«® den eigentlichen Gehalt, den die Stadt denselben 
reichen liefs. Sie wurden, wie schon zu Bugenhagens Zeit?, aus den 
Kassen der Kirchen gezahlt. Leider wird die Höhe der für jeden 
einzelnen ausgesetzten Summe nicht näher angegeben. Dagegen 
finden sich über das Schulgeld genaue Bestimmungen®. Dasselbe 
sollte ın derselben Höhe, wie nach »altem Gebrauche« üblich war, 
weiter gezahlt werden; aber es sind nicht ganz mehr die kärglichen 
Summen, wie sie in der Bugenhagenschen Ordnung® festgesetzt 
waren. Offenbar hatte inzwischen — man weils nicht, wann — eine 
Steigerung stattgefunden. Die Primapner zahlten halbjährlich einen 
Örtsthaler, d. ı. !/4 rthlr., die Sekundaner und Tertianer 6 Marien- 
groschen, d. i. !/g rthlr.; von den übrigen hatten die auswärtigen 
gleichfalls 6 mgr., die einheimischen nur 3 Gutegroschen, d. i. !/g rthlr. 
zu entrichten. Die Verteilung des Schulgeldes unter die Kollegen 
sollte bleiben, wie sie bislang üblich gewesen war, doch lälst sich der 
herkömmliche Verteilungsmodus mit Sicherheit nicht ermitteln”. 


I! Knoch, Stadtschule zu Helmstedt II, 5. 

2 Art. XI, leg. 6, S. 144. 

5. 143, | 

* Kirchenordnung von 1528 Bl. 2b, bei Hänselmann, Kirchenordnung 
S. 295. 

5 Art. XI, leg. 2, S. 144. 

6 8. 31, vergl. oben S. XLVII. 

? Dafs im Laufe der nächsten 50 Jahre die Schulgeldsätze um ein geringes 
erhöht wurden, zeigt die im Stadtarchiv in zwei verschiedenen Abschriften ent- 
haltene » Nachrichtung, wie die collegen an St. Mart. schuele alle 
halbe jahr das schul geld unter sich theilen, aufgezeichnet anno 
1650«. Dieselbe bietet auch den damals üblichen Verteilungsmodus. Die »Nach- 
richtung« lautet: »Die primani haben zu der zeit an schul geld gegeben jeder 
alle halbe jahr 12 gr., die secundani 9 gr., die tertiani, quartani, quintani, sextani 
et septimani jeder 6 gr. Solches hat zu unterschiedtlichen mahlen getragen wie 
folget: in prima classe 30 thlr., in secunda classe 10 thir., in tertia classe 
6 thir., in quarta classe 6 thlr., in quinta classe 8 thlr., in sexta classe 8 thlr., 
in septuma classe 22 thlr.: summa % thlr. Hievon nimt der rector die halbscheid, 
ist 45 thir. Von der andern halbscheid bekomt der conrector von jedem thaler 
9 gr., ist 11 thlr. 9 gr., der cantor auch so viel, ist 11 thlr. 9 gr., der sub- 


6 


LXXXIH Einleitung I 


Wie bei dem Schulgelde, so wird auch für die Accidenzien, 
die den Lehrern bei Trauungen und Begräbnissen zufielen, die Bei- 
behaltung des bisherigen Gebrauchs festgesetzt; wie hoch aber diese 
Einnahmen sich um 1596 beliefen und in welcher Weise die Ver- 
teilung der aufkommenden Gelder geordnet war, wird nicht bekannt. 
Besonders einträglich waren die Begräbnisgebühren. Um die Mitte 
des 17. Jahrhunderts wurden für ein funus duale dem Kantor 15 gr., 
dem ihn begleitenden Kollegen 3 gr. gezahlt; bei der Prozession der 
ganzen Schule erhielt das Kollegium insgesamt die Summe von drei 
Thalern!. Wer es vermochte und glänzen wollte, gab auch wohl 
noch mehr. 

Aufser dem Gehalt aus der Kirchenkasse, dem Schulgeld und 
den Accidenzien erhielten die Lehrer noch eine freie Wohnung. Die- 
selbe wird zwar in der Schulordnung nicht ausdrücklich erwähnt; 
aber aus sonstigen Nachrichten ist nicht daran zu zweifeln, dals jedes 


conrector nichts, der tertianus vom thaler 6 gr., ist 7 thlr. 18 gr., der quartanus 
auch so viel, ist 7 thlr. 18 gr., der quintanus vom thaler 3 gr., ist 3 thir. 27 gr., 
der sextanus nichts, der infimus vom thaler 3 gr., ist 3 thlr. 27 gr.: summa % thlr. 
So aber 1 thir. oder weniger überbleibet, solches wird in den fiscum geleget und 
zu seiner zeit getheilet; über das bekomt der rector alles schul geld so die 
currentarii geben mulsen vor sich alleine.« 

Weshalb der Subconrector und der Sextanus bei der Verteilung des Schul- 
geldes nicht berücksichtigt wurden, läfst sich nicht ermitteln. Die angegebenen 
Schulgelderträge, die nach dem ganzen Zusammenhange auf das halbe Jahr be- 
rechnet sind, lassen die Frequenz, deren sich das Martineum um 1650 erfreute, 
mit ziemlicher Genauigkeit erkennen. Es entfallen danach auf I, 90, auf II, 40, 
auf II und IV je 36, auf V und VI je 48, auf VII 132, insgesamt 430 Schüler. 
Dazu kamen dann noch die Kurrendaner. Vergl. Dürre, Gelehrtenschulen S. 52, 
wo aber die Schulgelderträge als jährliche aufgefaflst werden, so dafs nur die Hälfte 
der von uns berechneten Schülerzahl in Ansatz gebracht wird. Wenn die Frequenz- 
ziffer 430 für die eine Lateinschule als sehr hoch erscheint, so bedenke man, 
dafs die untersten Klassen, da Bürger- und Volksschulen noch nicht vorhanden 
waren, auch von solchen Knaben besucht wurden, die jetzt den Gymnasien fern 
bleiben. Unter den 90 Primanern waren gewils viele Symphoniaci. Übrigens fehlt 
es auch sonst nicht an Beispielen, dals die oberste Klasse einer Lateinschule mit 
einer so ungeheuren Schülerzahl gefüllt war. Vergl. weiter unten S.XCIV. 

! »Nachrichtung, wie das todten geld pro deductione funerum, pro generali 
3 thlr., unter die schul collegen St. Martini anno 1663 d. 10. April zu distribuiren 
angefangen worden.« Handschriftlich im Stadtarchiv. Vergl. Dürre, Gelehrten- 
schulen S. 52. Von den für das funus generale gezahlten 3 thlr. erhielten Rektor, 
Konrektor und Kantor je 14 gr. 1 pf., der Subkonrektor, Tertius und Quartus je 
11 gr. 3 pf., Quintanus, Sextanus und Infimus je 10 gr. 3 pf. Vergl. hierzu 
S. 183, No. XII: »Cum partitio funeralis pecuniae sit geometrica etc.« 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXXXIII 


Mitglied des Schulpersonals sich dieses Benefiziums erfreute. In dem 
ursprünglichen Entwurfe des Gesetzes war auch von freiwilligen 
Abgaben, von Martinsgeld, von »Verehrungen in die Küche« und 
dergleichen die Rede; aber der Rat hatte gemeint, man müsse der- 
gleichen, weil es kein debitum sei, beiseite lassen; ein ehrlicher 
Bürger werde auch ohne feste Vorschriften gegen treue Schulkollegen 
sich »ergetzlich« zu bezeigen wissen. In der That liefs denn auch der 
Braunschweiger Bürger es nach wie vor sich nicht nehmen die 
Lehrer seiner Kinder durch extraordinäre »Ergetzlichkeiten« zu er- 
freuen!. Meist wurde wohl arglos gegeben, arglos genommen. An 
Bestechung dachte man schwerlich. Bei alledem war es ein Gewinn, 
dals am 23. November 1825 alle aulserordentlichen Geschenke der 
Schüler an Lehrer an den Gymnasien der Stadt Braunschweig durch 
ein Konsistorialreskript verboten wurden?. Die Neuzeit besitzt nicht 
Harmlosigkeit genug, um derartige Einrichtungen zu tragen. Aber auch 
früher war es nicht gut, dals der Lehrer, gezwungen durch die Not des 
Lebens, die freiwilligen Spenden seiner Schuljugend freudig begrülste. 


Rat und Geistlichkeit hatten sich von der neuen Schulordnung 
segensreiche und nachhaltige Folgen versprochen; aber ihre Hoffnung 
wurde getäuscht. »Man merkte bald«, so wird berichtet, »dafs es so 
nicht wollte gehen, wie der Superintendent hatte gehoffet; ward auch 
wenig, endlich nichts gehalten«?. Zwischen dem Superintendenten 
und dem Rektor des Katharineum» M. Karl Bumann kam es wegen 
der Schulordnung zu einem Konflikt, der zwar am 30. Juli 1596 ge- 
schlichtet wurde, aber doch, wie es scheint, die Ursache war, dafs 
der gelehrte Magister schon im Herbst desselben Jahres von seinem 
Amte zurücktrat*. Fachmann und Hierarch standen gegen einander. 
Es lag im Geiste der Zeit, dafs der letztere den Sieg davon trug. 


I Vergl. in der Punktation von 1755 S. 317°?, 3192. 

2 Osterprogramm des Katharineums vom J. 1826. 

3? Rehtmeyer, Kirchenhist. IV, 154. 

* M. Karl Bumann war schon 1586 am Katharineum Prorektor, verwaltete 
das Rektorat von 1588 bis 1596, wurde dann Rektor am Grauen Kloster zu 
Berlin, kehrte 1604 als Rektor des Martineums nach Braunschweig zurück, zog 
aber 1607 wieder davon, um die Leitung der Schule zu Joachimsthal zu über- 
nehmen. Er starb 1610. Bumann war ein Vertreter der ramistischen Dialektik 
und verfafste (nach Kaemmel im Art. »Ramus« in Schmids Encyklop. VI, 569) 
eine »Dialectica P. Rami ad paucissima praecepta redacta«, die zu dem Zerwürfnis 


6* 


LXXXIV Einleitung I 


Drei Jahre nachher veranlalste Kränklichkeit den Vater der neuen 
Schulordnung sein Amt niederzulegen!. Die Superintendentur blieb 
einstweilen unbesetzt, und der Koadjutor Johannes Kaufmann? 
führte die Zügel des geistlichen Regiments, bis ihn die üblen Folgen 
seines streitfertigen, leidenschaftlichen, herrschsächtigen und rücksichts- 
losen Zelotismus im Sommer 1605 zu heimlicher Flucht nötigten. 
Keiner hat bitterer den Hals des Koadjutors empfunden als der 
braunschweigische Volkstribun Henning Braband, der am 17. Sep- 
tember 1604 unter unsagbaren Mifshandlungen auf dem Schaffot seine 
trotzige Seele aushauchte?; aber auch die Schule fühlte seine harte 
Hand. Hermann Nicephorus, der Rektor des Martineums, wurde, 
weil er es nicht verstand schweigend den auf ihm lastenden Druck 
zu ertragen, auf Betrieb seines geistlichen Vorgesetzten um Amt und 
Brot gebracht?. Ohne Zweifel hat der eifrige Schulmann bei seinem 
Streite mit dem Haupte der Geistlichkeit nicht immer die Grenzen 
der Besonnenheit gewahrt; aber seine Klagen waren berechtigt, und 
was er im Anhang zu dem Lektionsplan von 1603 über die dem 
Gedeihen der Schule entgegen stehenden Hindernisse bemerkt°, 
zeugt, wie von Verständnis für die einschlägigen Fragen, so von 
einer warmen Liebe zur Jugend. »Labor multus, profectus exiguus«, 
so charakterisiert er das Lehrsystem seiner Zeit®. Vielleicht ist er 
der erste Pädagoge, der in Braunschweig über eine Überbürdung, 
nicht blols der Lehrer, sondern auch der Schüler geklagt und nach 
einer Ausscheidung nutzloser Unterrichtsstoffe verlangt hat’. Klar 
sieht er, was der Entwickelung eines tüchtigen Lehrerpersonals im 
Wege steht®, und fest ist er überzeugt, dafs, wenn nicht der Lehrer- 


mit dem Superintendenten den Anlafs gegeben haben soll. Vergl. über ihn Reht- 
meyer, Kirchenhist. IV, 154; Dürre, Gelehrtenschulen S. 56. 65. 67: Jöcher, 
Gelehrtenlex. 1, 148 f. 

I Rehtmeyer, Kirchenhist. IV, 190. 

?2 Rehtmeyer, Kirchenhist. IV, 179 und bes. Kap. 4, S. 194 ff. 

® Rehtmeyer, Kirchenhist. IV, 251. 

* Hermann Nicephorus verwaltete das Rektorat am Martineum von 
1595—1604. Seinem Gedächtnis ist aufgrund eines reichen urkundlichen Materials 
von Dürre in einer sorgsam gearbeiteten Programmschrift (Braunschweig 1869) 
ein würdiges Denkmal gesetzt. 

5 8, 151f.; Dürre, Nicephorus S. 38. 

6 8. 152°. 

"Ss. 151%. 

es. 152° 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LAXXV 


stand innerlich und äulserlich gehoben wird, an eine Besserung des 
schlechten Zustandes der Schulen überhaupt nicht zu denken sei. 
Aber was half die Erkenntnis des Übels, wo die Macht fehlte Ab- 
hülfe zu schaffen! Die sachkundigen Schulmänner standen zu jener 
Zeit in einem schlimmen Dilemma. Schwiegen sie, so blieb alles 
beim alten; redeten sie, so wurden sie als unruhige Köpfe gemals- 
regelt — wahrlich, es gehörte eine sehr grolse Gleichgültigkeit oder 
eine sehr groise Berufsfreudigkeit dazu, um unter derartigen Ver- 
hältnissen für die Zeit seines Lebens im Schulstaube ausharren zu 
können. | 


Bei aller Engherzigkeit und Härte, die der Koadjutor Kaufmann 
in seinem Verfahren gegen den Rektor Nicephorus bewies, kann man 
ihm doch das Zeugnis nicht versagen, dals er in seiner Weise das 
darniederliegende Schulwesen zu heben ernstlich versucht hat. Mit 
Eifer hielt er im Brüdernkloster die ın der Kirchenordnung von 1528 
vorgeschriebenen theologischen Vorlesungen! und duldete nicht, dals 
die jungen Schuldiener, für deren Weiterbildung dieselben hauptsäch- 
lıch bestimmt waren, sich davon fern hielten?; bei den Visitationen 
der Schulen wurden eingehende Bestimmungen über den Unterricht 
und die Disziplin getroffen®, und die Rektoren erhielten den Auftrag, 
die Lektionspläne, wie es in früheren Zeiten üblich gewesen wart, 
halbjährlich aufzustellen und vorzulegen. 

Auf diese Weise sind unter dem Einfluls des Koadjutors die 
unter 22 bis 26 mitgeteilten Dokumente entstanden (S. 146 fl... Es 
sind zumeist Lehrpläne der einzelnen Anstalten, die über Klassen- 
zahl und Unterrichtszeit, über Lehrstoffe und Lehrbücher erwünschte 
Auskunft erteilen. Besonders wertvoll tür die Schulgeschichte ist es 
dabei, dals in den unter ”5A und B (S. 164 ff.) abgedruckten 
Plänen des Ägidianums auch das Mafs der während eines Semesters in 
Wirklichkeit absolvierten Pensa bemerkt wird. Dasselbe ist nament- 
lich in der Lektüre äufserst gering, und man begreift es, wie wohl begrün- 
det es ist, wenn ein so erfahrener Schulmann wie Nicephorus über die in 


I Kirchenordnung der St. Braunschweig Bl. Eij@, bei Hänselmann, Kirchen- 
ordnung S. 71; vgl. Einleitung S. LV. 

2 Vergl. S. 167*; 168°, 

5 Vergl. S. 161f. 

* Vergl. S. 4816, S, 49 f.; S. 65f.; S. 89 ff., sowie oben S. LV. 


LXXXVI Einleitung I 


den Lehrstunden herrschende »nimium diuturna in inutilibus et non ne- 
cessarlis commoratio retardans« bittere Klage führt!. Auch die von den 
geistlichen Visitatoren am 12. April 1599 für das Katharineum vorge- 
schriebene und unter 24 mitgeteilte Lehr- und Disziplinarordnung 
(S. 161 ff.) bildet einen schätzenswerten Beitrag zu der Geschichte 
des braunschweigischen Schulwesens. Dazu tritt schlielslich noch ın 
der unter 26 zum Abdruck gebrachten »Synopsis legum schola- 
sticarum in paedeuterio Aegidiano« (S. 169ff.) ein Versuch, dem 
Schüler seine sämtlichen Pflichten unter den einzelnen Geboten und 
Verboten des Dekalogs vor die Augen zu stellen. 


Nach dem Fortgange des Koadjutors Kaufmann (1605) scheinen 
die Lateinschulen der Stadt Braunschweig wieder in die alten Gleise 
der Willkür und des Schlendrians zurückgesunken zu sein. Bei dem 
Ägidianum kam überdies ein so bedenklicher Mangel an Mitteln 
hinzu, dafs die Anstalt fortwährend an Lehrerwechsel, oft auch an 
Lehrermangel zu leiden hatte und nur kümmerlich fortgeführt werden 
konnte?. So sah sıch denn das Konsistorium 1621 veranlalst, am 
14. Juli die unter 27 mitgeteilten »Monita scholasticalia« ($. 176 ff.) 
zu entwerfen, um die Bestimmungen der Schulordnung von 1596, 
soweit sie nicht »per expressum aut tacitum consensum amplissimi 
senatus« geändert waren, wiederum einzuschärfen und insbesondere 
den im Unterricht und in der Disziplin hervorgetretenen Mängeln durch 
ausführliche Vorschriften abzuhelfen. Am 1. September desselben 
Jahres erhielten die »Erinnerungen« des Konsistoriums die Sank- 
tion des Rats und dadurch gesetzliche Kraft. Neue Gesichtspunkte 
bieten diese Monita scholasticalia nicht. Von einem Einfluls der 
reformatorischen Bestrebungen, wie sie gerade um jene Zeit sich 
vielerorten bemerkbar machten, bieten sie überhaupt keine Spur; aber 
es berührt doch wohlthuend, wenn man vernimmt, wie das geistlose 
Diktieren von unnötigen und nutzlosen Bemerkungen und Exkursen, 
die ohne Zweifel in den meisten Fällen den akademischen Kollegien- 
heften der Lehrer entnommen wurden, gänzlich untersagt wird3. Auf 
den sittlichen Zustand des Lehrerpersonals werfen einzelne Bestim- 


18. 151°, 
? Sack, Schulen $. 49. 
3 Vergl. z.B. S. 176 unter 1, S. 177 unter 4. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXXXVII 


mungen ein eigentümliches Licht. Trunksucht und Trägheit scheinen 
bei den Lehrern ziemlich oft hervorgetreten zu sein!. 


Welchen Erfolg die»Monita scholasticalia« gehabt haben, liegt 
im Dunkel. Wenn aber alle Bestimmungen derselben so geringe Be- 
achtung fanden wie die Schlulsbemerkung, wonach die Lehrer samt und 
sonders den generalibus funeribus beiwohnen sollten?, so war es um 
das Schulwesen übel bestellt; denn trotz der Vorschrift der geist- 
lichen Behörde und trotz des darunter gesetzten Ratssiegels, zeigte 
sich oft bei den Leichenprozessionen eine »magna raritas dominorum 
collegarum«®. Die meisten glaubten mit irgend welcher Entschuldigung 
oder zur Not mit einer geringen Geldbulse sich ohne weiteres von 
ihrer Pflicht loskaufen zu können. Infolgedessen trafen die Lehrer 
des Martineums 1623 unter sich ein Abkommen, in dem sie be- 
stimmten, in welchen Fällen die Abwesenheit der Lehrer bei den 
Begräbnissen als entschuldigt anzusehen, unter welchen Verhältnissen 
dafür eine Geldstrafe (mulcta) an die gemeinsame Kasse (fiscus) zu 
entrichten sei. Diese »leges exequiales scholae Martinianae« 
vom Jahre 1623, die unter 28 zum Abdruck gebracht sind (S. 182ff.), 
wurden 1627 revidiert und 1654 nochmals bestätigt. 


Wenige Jahre nach dem Erlafs der Monita scholasticalia 
wurde die Fackel des Krieges, die bislang nur erst in Böhmen und im 
Südwesten Deutschlands gelodert hatte, auch ın Niedersachsen ent- 
zündet. Braunschweig selbst wurde zwar durch seine festen Mauern 
vor dem Schlimmsten geschützt; immerhin aber war die Unruhe und 
Verwirrung zu grols, um nicht die Pflege der Wissenschaft zu Boden 
zu drücken, und die moralische Haltung des Lehrerpersonals sowohl 
wie der Schuljugend konnte von der Verwilderung und Rohheit nicht 
unberührt bleiben, welche, finstern Unholden gleich, mit den zügel- 
losen Horden des Kriegsvolks einherzogen. In den nachfolgenden 
Jahrzehnten aber lasteten, wie überall, so auch in der Stadt 
Braunschweig materielle Not und sittliche Erschlaffung auf den 
Gemütern und hielten, wie überhaupt die Entfaltung des geistigen 
Lebens, so auch die gedeihliche Entwickelung des Schulwesens zurück. 


I Vergl. No. 10 und 11 auf S. 180f., vergl. dazu den »morbus ex crapula 
ortus« S. 18212, 

2 S. 181%, 

35. 182°, 





LXXXVII Einleitung I 


In jener Zeit stand von 1646 bis 1662 Brandanus Daetrius 
an der Spitze des geistlichen Ministeriums, einer der ausgezeichnet- 
sten Theologen seines Jahrhunderts, von Georg Calixt zu Helmstedt - 
ein Schüler und Gesinnungsgenosse. Seine Berufung in die Super- 
intendentur war ein Zeichen, dafs ın Braunschweig jener starre und 
engherzige Konfessionalismus, wie er besonders durch den Koadjutor 
Johann Kaufmann vertreten war, den Boden verloren hatte!. 


Bei der ganzen Art und Weise des bedeutenden Mannes konnte 
es nicht anders sein, als dals auch auf die Schulen der Stadt seine 
Thätigkeit und sein Einfluls sich erstreckte; aber was die gerade aus 
jener Zeit höchst lückenhaften Akten davon zu berichten wissen, ist 
nicht von Belang. Darf man nach den noch vorhandenen Doku- 
menten ein Urteil fällen, so suchte Daetrius vor allem die äulsere 
Zucht und Ordnung wieder zu heben. So wurde unter seiner Ober- 
leitung 1654 die unter 28 mitgeteilte Begräbnisordnung des Marti- 
neums von 1623 wieder zur Geltung gebracht?, 1652 und 1660 ein 
bereits 1643 erlassenes Verbot von Schülerumzügen zur Weih- 
nachtszeit, die an das alte Bischofsspiel erinnern, von neuem ein- 
geschärft (No. 29, S. 185), 1655 das Umsingen der Kantorei- 
oder Chorschüler zwischen dem Christfest und Neujahr ‘auf ein 
bescheidenes Mals beschränkt (No. 30, S. 186). Gleiche Rücksicht 
auf äufsere Ordnung zeigt auch das Schulmemorial (No. 31, 
S. 187 ff.), das 1660 für das Martineum bei Gelegenheit eines Rek- 
toratswechsels erlassen wurde. Ob freilich diese Verordnung der 
tief darniederliegenden Anstalt zu einem wirkungsvollen Antriebe der 
Umkehr und Erhebung geworden ist, erscheint nach dem Bilde, das 
dieselbe von den herrschenden Zuständen entwirft, sehr zweifelhaft. 
Das Material, das die Schule zu bearbeiten hatte, war hart und un- 
gefüge, die Werkleute, die demselben eine würdige Gestalt geben 
sollten, lässig und unlustig zur Arbeit. Wie Tagelöhner blickten sie 
mehr auf den Lohn als auf das Werk, das vor ihnen lag. Auf einem 
derartigen Boden wirkt der geistige Hauch, der von einem bedeuten- 
den Manne ausgeht, nicht wie das belebende und befruchtende Wehen 


I Über Daetrius (geb. 1607, gest. 1688) vergl. Rehtmeyer, Kirchenhist. IV, 
588ff. 619; Allg. deutsche Biogr. IV, 766f.; Henke, Calixt I, 477. 489; 
IIA, 26. 44. 183; IIB, 69 f. 

2 Vergl. unten Einleitung II zu No. 28. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig LXXXIX 


des Frühlings, sondern er fährt spurlos dahin wie der Windstofs, der 
über ein Stoppelfeld streicht. 

Zwei Jahre nach dem Erlals des Schulmemorials folgte Daetrius 
dem Rufe des Herzogs August als Oberhofprediger, Abt und Kon- 
sistorialdirektor nach Wolfenbüttel. Noch kein volles Jahrzehnt hatte 
er dort gewirkt, als die stolze Hansastadt durch eine Belagerung ge- 
zwungen wurde ihre so lange Zeit aufrecht erhaltene Unabhängigkeit 
aufzugeben und wie die kleinen landsässigen Städte des Fürstentums 
sich demütig unter die Oberhoheit der Herzöge zu beugen. Als 
Herzog Rudolf August am 16. Juni 1671 auf dem Altstadt-Rathause 
die Huldigung der Bürgerschaft entgegennahm!, wurde mit der poli- 
tischen Freiheit der Stadt zugleich auch die Selbständigkeit des 
städtischen Schulregiments ins Grab gelegt. 


—— nm 0 |——n —— 


Von der Unterwerfung der Stadt (1671) bis zur west- 
fälischen Fremdherrschaft 


Bei der Rückkehr der Stadt unter das landesherrliche Regiment 
wurden die geistlichen Angelegenheiten und in ihrem Gefolge die 
Schulen zunächst unter das Fürstliche Konsistorium zu Wolfenbüttel 
gestellt?, und trotz ihres Protestes mulsten Ratskollegium und Stadt- 
geistlichkeit es sich gefallen lassen, dafs der Generalschulinspektor 
des Landes die Lateinschulen seiner Visitation unterzog®. Im Jahre 
1682 übernahm dann eine neu errichtete herzogliche Behörde, das 
Geistliche Gericht, unter der obersten Aufsicht des Konsistoriums 
mit der Leitung der kirchlichen Verhältnisse zugleich auch die Ver- 
waltung des Schulwesens. Dasselbe bestand aus einem der Bürger- 
meister als Direktor, dem Stadtsuperintendenten, dem Senior des 
geistlichen Ministeriums und einem Mitgliede des Magistrats als Bei- 
sitzern*. Seine Befugnisse wurden nie scharf und gründlich bestimmt, 


I Die Bedingungen der Unterwerfung bei Rehtmeyer, Chronik III, 1512. 
? Ribbentrop, Stadt Braunschweig I. Einleitung, S. CLXXX. 

3 Akten des Braunschweiger Stadtarchivs. 

* Ribbentrop, Stadt Braunschweig II, 105. 


XC Einleitung I 


und fortwährende Streitigkeiten über die Grenzen seiner Rechte und 
Pflichten hinderten den Erfolg seines Wirkens, nicht zum wenigsten 
auf dem Gebiete der Jugendbildung!. Erst die französisch-westfälische 
Fremdherrschaft (1806—1813) machte dem geistlichen Gericht ein 
Ende?. Aus der ganzen Zeit seines Bestehens wird auch nicht 
ein einziger Fall bekannt, ın dem dasselbe aus eigenem An- 
triebe auf die Hebung der ihr anvertrauten Anstalten ernstlich Be- 
dacht genommen hätte. 

Gleichwohl war es ein Gewinn, dafs die Verwaltung des Schul- 
wesens den altersschwachen Händen der früheren Weichbildsmagistrate 
entnommen und unter den Einflufs der fürstlichen Regierung gestellt 
ward. Verhielt auch die nächste Instanz sich lau und unthätig, so 
waren doch die darüber stehenden Behörden, wenigstens zuzeiten, von 
einem lebhaften Interesse für die Hebung der Bildungsanstalten erfüllt, 
und in einzelnen Fällen erhielten die Bestrebungen derselben durch 
die persönliche Teilnahme der Landesherren einen ganz besonderen 
Nachdruck und Aufschwung. 

Die erste Frucht der neuen Verwaltung war die Begründung 
einer Anstalt für die armen und verlassenen Waisenkinder. 
Grols ist der Segen, den dieselbe bis auf unsere Tage herunter in 
weiten Kreisen verbreitet hat. 

In der That war es um die ärmsten unter den Armen übel 
genug bestellt. Von seiten des Gemeinwesens war bislang so gut 
wie nichts geschehen, um ihr Elend zu lindern. Ein Haus, worin 
man sie verpflegte, eine Schule, worin man sie unterrichtete, war 
nicht vorhanden. Bettelnd zogen sie von Thür zu Thür und fristeten 
von den gespendeten Almosen ein kümmerliches Dasein. Zu der 
leiblichen Not gesellte sich sittliche Verwahrlosung; nur zu oft 
wuchsen die sich selbst überlassenen Knaben und Mädchen zu un- 
nützen und lasterhaften, nicht selten auch zu gefahrbringenden Mit- 
gliedern der bürgerlichen Gesellschaft heran. »Es finden sich«, so 
wird berichtet, »unter denen vielen Bettlern arme Weysen und gantz 
verlafzene unschüldige Kinder, welche bey solcher Betteley übel er- 
zogen werden und in Mülsiggang, Sünden und Lastern aufwachsen, 
dafs, wo sie nicht durch Gottes sonderbahre Gnade und Schickung 


I Bode, Stadtverwaltung III, 41. 
2 Schröder-Assmann, Stadt Braunschweig I, 173. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig xXClI 


hernach, wenn sie zu Jahren kommen, den Bettelstab fahren lassen 
und sich zu ehrlichen Handthierungen und Diensten begeben, sie zu- 
letzt dem Nachrichter in die Hände gerahten oder doch sonsten ihres 
gottlosen Lebens halber ein böses Ende nehmen«!. 


Auch an erwachsenen Bettlern und an landstreichendem Gesindel 
fehlte es nicht. »Absonderlich in dieser Stadt«, so heilst es in dem- 
selben Berichte?, »ist das Betlen auf den Gassen und vor den Thüren 
dergestalt häufig eingerissen, dals alle bisher dagegen gebrauchten 
Mittel nicht bastant gewesen solchem Übel abzuhelfen, und es fast 
dahın kommen, dafs man vor denen Bettlern, so wohl frembden als 
einheimischen, auf den Gafsen nicht mehr mit Frieden gehen oder 
stehen, noch in den Häusern das seinige ruhig und ohn derselben 
ungestümes Anlauffen verrichten kan, so gar, dafs auch durch das 
frembde Bettelvolk bisweilen allerhandt böse Krankheiten in die Stadt 
gebracht oder sonst gefährliche Bubenstücke verübet und grolser 
Schade und Unheil angerichtet wirdt«. 


Solchen Zuständen gegenüber war die bisherige Praxis machtlos. 
Die Almosen, welche von der Kirche und von Privatleuten gespendet 
wurden, machten das Übel nur schlimmer, und es half wenig, wenn 
der Bettelvogt die verkommenen Landstreicher auf einige Tage ins 
Gefängnis warf oder zum Thore hinauswies. Man entschlols sich 
daher, um dem sozialen Schaden wirksamer entgegenzutreten, das 
gesamte Bettelvolk in einer gemeinsamen Anstalt unterzubringen und 
es dort unter einer festen Zucht und Ordnung zur Arbeit und Gottes- 
furcht anzuhalten. Zu diesem Zwecke baute man 1676—1678 das 
reich begüterte Hospital der Jungfrau Maria? zu einem »Armen-, 
Waisen-, Zucht- und Werkhause« um und sammelte darın alles, 
was durch Arbeitsunfähigkeit und Gebrechlichkeit, namentlich aber durch 
Arbeitsscheu und Hang zur Landstreicherei dem Gemeinwesen lästig 
oder gefährlich wurde. Auch Geistesschwache und Irrsinnige, wenn 
die eigene Familie für sie nicht zureichend zu sorgen vermochte, 


! Ordnung des Armen-, Waisen-, Zucht- und Werkhauses von 1677, Bl. 2. 

? Ebendaselbst BI. 1. 

3 Das Hospital Beatae Mariae Virginis wurde 1245 auf einer von zwei Oker- 
armen umflossenen Insel auf der Grenze der Altstadt und der Altenwik gegründet 
und von Herzog Otto I mit Privilegien ausgestattet. Näheres bei Dürre, Stadt 
Braunschweig S. 580ff. 


XCH Einleitung I 


fanden darin Unterkunft. Neben dieser Gesellschaft wurde auch den 
Waisenkindern eine Heimstätte bereitet. 

Für unser Gefühl ist es befremdlich, dals man kein Bedenken 
trug das Waisenhaus mit dem Zucht- und Werkhause, wenn nicht 
unter einem Dache, so doch auf demselben Grundstück zu vereinigen. 
Auf den ersten Blick ist man zu der Annahme geneigt, dals die be- 
denkliche Verbindung der leicht verführbaren Kinder mit denen, die 
zum grolsen Teil sittlich tief gesunken waren, nur durch den Druck der 
Verhältnisse veranlalst sein könne. Aber das 17. Jahrhundert liels 
sich in dieser Hinsicht von anderen Gesichtspunkten bestimmen. 
Während unsere Zeit in den Waisenkindern vorwiegend einen Gegen- 
stand des Mitleids erblickt, führten die thatsächlichen Zustände vor 
200 Jahren von selbst darauf, dieselben von vornherein als verwahr- 
loste und verkommene Glieder der menschlichen Gesellschaft, die für 
sie errichteten Anstalten aber an erster Stelle als Besserungshäuser 
zu betrachten. Nur so erklärt es sich, dafs auch an anderen Orten 
diese auf keinen Fall segensreiche Verbindung getroffen werden 
konnte. Der fromme Herzog Ernst von Gotha beabsichtigte gleich 
nach dem westfälischen Frieden ein »Zucht- und Waisenhaus« zu 
begründen und wurde nur durch Geldmangel an der Durchführung 
dieses Planes verhindert; ın Frankfurt a.M. wurde 1675 ein »Armen-, 
Waisen- und Arbeitshaus« errichtet, das neben den Waisenkindern 
u. a. auch Sträflinge und Blödsinnige aufnahm, und die Insassen 
des 1686 gestifteten Waisenhauses der Residenzstadt Dresden bildeten 
gleichfalls eine aus Verbrechern und Kindern gemischte Gesellschaft!. 

Aufnahme in das Waisenhaus fanden nach den Statuten »zu- 
vorderst hiesiger Bürger und Inwohner elterlofse oder von denen ver- 
lafsene arme Kinder, sowohl Knaben als Mägdtlein, unter vierzehn 
Jahren, hernach auch dergleichen inländische Kinder, nach Befindung 
auch wohl frembde, wie auch Fündtlinge und aulser der Ehe erzeugete 
arme Kinder«?. Wie hoch die Zahl derselben sich belaufen durfte, 
wird in den alten Statuten nicht bestimmt. Wahrscheinlich richtete 
man sich nach dem Bedürfnis und nach den Mitteln des Hauses. 


I Vergl. Kaemmel in dem Art. »Waisenhaus« in Schmids Pädag. Ency- 
klop. X, 234. 

? Ordnung des Armen-, Waisen-, Zucht- und Werkhauses Bl. 12. 

3 Jetzt werden in dem Waisenhause B. M. V. 172 arme Waisen (120 Knaben 
und 52 Mädchen) im Alter von 7 Jahren bis zur Konfirmation unentgeltlich unterrichtet 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XCII 


Abgesehen von der bedenklichen Nähe der Züchtlinge und Blöd- 
sinnigen war für die Waisenkinder in der neuen Anstalt, soweit es 
dıe unter 32 mitgeteilten Abschnitte aus der Ordnung derselben 
(S. 189 ff.) erkennen lassen, den Verhältnissen gemäls wohl gesorgt. 
Die Kleidung war bescheiden, aber reinlich und haltbar, die Speisung 
einfach, aber ausreichend und jedenfalls besser als sie armen Kindem 
im Elternhause zu teil wurde. Die ganze Hausordnung war streng 
und von dem Geiste einer ernsten Religiosität durchzogen. Von be- 
sonderer Wichtigkeit aber war, dafs man eine eigene Schule für die 
Waisen errichtete, in der neben der Religion Lesen, Schreiben und 
Rechnen betrieben, den Mädchen aber auch Anweisung zum 
Spinnen, Nähen und anderen weiblichen Handarbeiten erteilt 
wurde. 

Wie für die Waisenkinder, so trat auch bald für die Nach- 
kommenschaft der Garnison, die seit 1671 der Stadt zugewiesen 
war, eine besondere Schule ins Leben. Ihre erste Spur macht sich 
1713 bei der Begründung der Garnisongemeinde bemerkbar, und es 
ist kennzeichnend für die Verhältnisse der Zeit, dafs gerade die Lehrer 
an den Lateinschulen, um nicht die Soldatenjungen für ihre Kurrenden- 
klassen und damit einen Teil ihrer Einnahmen zu verlieren, gegen 
die Errichtung einer derartigen Anstalt Beschwerde erhoben!. Diese 
aber war notwendig genug. Die Besatzung, welche 1671 nach 
Braunschweig verlegt wurde, betrug 6500 Mann’, und in ihrem 
Nachtrabe befanden sich 911 Soldatenkinder, von denen aber wohl 
ein guter Teil noch nicht schulfähig oder nicht mehr schulpflichtig 
war®. Die Unterrichtsgegenstände der Garnisonschule waren dieselben, 
wie sie mit den Waisenkindern betrieben wurden. 

Auch für die Lateinschulen blieb der Wechsel der städtischen 


und verpflegt. Bei der alljährlich zu Ostern stattfindenden Aufnahme sind vier 
nicht der Stadt Braunschweig angehörige Waisenkinder zu berücksichtigen. Vergl. 
»Die Stadt Braunschweig im Jahre 1880. Verwaltungsbericht des Stadtmagistrats.« 
S. 43. 

! »Copey des hochfürstl. Decrets, wie es mit den Soldatenkindern wegen des 
Schulegehens soll gehalten werden« d. d. 30. Aug. 1713, handschriftlich vorh. in 
einem in der Bibliothek des Martino-Katharineums befindlichen Quartbande »Monu- 
menta scholae Catharinianae ab anno 1700 consignari coepta«. 

32 Ribbentrop, Stadt Braunschweig I, 232. 

3 Sack, Schulen S. 51 mit Bezugnahme auf das Archiv für Niedersach- 
sen, 1848, S. 310. 


XCIV Einleitung I 


Verwaltung nicht ohne Wirkung. Für das Katharıneum wurde gegen 
Ende des 17. Jahrhunderts von dem fürstlichen Regentenpaare Rudolt 
August und Anton Ulrich ein neues Gebäude errichtet und am 
8. Juli 1700 mit grolser Feierlichkeit eingeweiht!. Gleichzeitig ging 
das Patronat über die Anstalt aus den Händen des Rats in die des 
Landesherrn über. Das Martineum blieb nach wie vor eine städtische 
Anstalt. Die Ägidienschule aber, die infolge ihrer unzureichenden 
Dotierung zu allen Zeiten gekränkelt hatte?, wurde — gewils nicht 
zum Schaden der Sache — durch ein fürstliches Mandat vom 30. De- 
zember 1708 auf die unteren Klassen einer Lateinschule beschränkt, 
ihre Prima aber nebst dem Singechor mit dem Martineum vereinigt”. 


Das innere Leben der Lateinschulen, das lange Zeit unter 
deın Banne eines greisenhaften Marasmus gestanden hatte, gewann 
unter dem neuen Regiment für einige Jahrzehnte einen frischeren 
Aufschwung. Von Christoph Jastram, der von 1697 bis 1712 an 
der Katharinenschule das Rektorat verwaltete, wird berichtet, »dals 
er seine Schüler nicht nur zur Gottesfurcht, sondern auch zu einer 
reinen Latinität, zur griechischen Sprache und andern Literis huma- 
nioribus wohl angeführet und dadurch die Schule in gute Aufnahme 
gebracht habe«*. Gröfserer Blüte als das Katharıneum erfreute sich 
das Martineum unter der Leitung der Rektoren Gelhud (1687—1690) 
und Gebhardı (1690—1710), die beide als kenntnisreiche und 
eifrige Schulmänner gerühmt werden. Unter Gelhud nahm die 
Frequenz der Anstalt in so hohem Malse zu, dafs selten unter 80, 
meistens 90 bis 100 Schüler in der ersten Klasse sich befanden. 


Zu jener Zeit bildeten, wie im Reformationszeitalter die Schul- 
komödien, oratorische Schulakte den Stolz der gelehrten Anstalten®. 
Auch in Braunschweig fanden die Schulaktelebhaften Beifall, und vielZeit 


I Acta inaugurationis novae scholae Catharinianae.. Brunsv. 1700. fol.; 
Konr. Heusinger, Nachricht von der Katharinenschule S. 4. Das neue Gebäude 
lag am Hagenmarkt, dort wo jetzt die Casparistralse angelegt ist. 

? Vergl. oben S. LXXXVI. 

9 Bode, Stadtverwaltung III, 43; Sack, Schulen S. 50. 

* Rehtmeyer, Kirchenhist. V. Suppl. S. 263. 

5 Rehtmeyer, Kirchenhist. V. Suppl. S. 261f. und 264 ff. 

6 Vergl. Heilands Art. »Dramatische Aufführungen«e in Schmids Pädag. 
Encyklop. II?, 107 ff. Von der Aufführung von Schulkomödien zeigt sich in der 
Stadt Braunschweig keine Spur. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XCV 


und Mühe wurde aufgewendet, um diese Feierlichkeiten recht glänzend zu 
gestalten. Die Schüler hielten dabei selbstgefertigte Reden und trugen 
ihre poetischen Versuche vor. Das Latein war darin vorherrschend, 
aber auch deutsche Vorträge waren nicht selten; zuweilen verstieg 
sich ein Jüngling zu Produktionen in griechischer, ja selbst in hebräi- 
scher oder in französischer Sprache. Oft nahmen die Akte die Form 
dramatischer Vorstellungen an. Ein lateinisches Programm des Rek- 
tors lud die Vorgesetzten und die Gönner der Schule ein bei der 
Festlichkeit zu erscheinen, und selbst der hohe Adel und fürstliche 
Personen verschmähten es nicht den Glanz derselben durch ihre An- 
wesenheit zu erhöhen. In der Bibliothek des Martino-Katharineums 
sind heute noch vier starke Foliobände von je 1500 bis 2000 Seiten 
vorhanden, in denen derartige Primanerarbeiten der alten Märtens- 
schule aus den Jahren 1687 bis 1720 von Wort zu Wort der Nach- 
welt erhalten sind. Auch das Katharıneum glänzte durch öffent- 
liche Redeakte, und 1709 ‘erhielt dort sogar der mit dem Rektor 
Jastram? entzweite Konrektor durch ein fürstliches Dekret? die Er- 
laubnis »exercitia oratoria publica« abzuhalten, nur sollte er »sich an 
die historiam der alten Zeiten halten und daraus die themata behueff 
der anzustellenden declamationum nehmen, von denen gegenwärtigen 
Läufften und Begebenheiten aber peroriren zu lassen und zu handeln 
ohne speciale concession oder Befehl sich gäntzlich enthalten«. Fast 
scheint es, als hätte ein öffentlicher Redeakt dem Leiter desselben 
neben der Ehre auch einen Vorteil ın klingender Münze gebracht; 
sonst liefse sich, wie damals die Anschauungen und Bestrebungen 
waren, ein derartiger Wetteifer des Konrektors mit seinem Vorgesetz- 
ten kaum recht erklären. 


! Der verstorbene Oberschulrat G. T. A. Krüger (f 1873) hat diesen Schüler- 
arbeiten zwei Programmschriften gewidmet: 1. Die Primaner-Arbeiten gegen Ende 
des siebenzehnten und im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts. Ein Beitrag 
zur Gesch. des Martineums zu Braunschweig und des Gymnasialwesens überhaupt. 
Braunschw. 1860. 2. Die dramatischen Aufführungen auf dem Martineum zu Braun- 
schweig gegen Ende des siebenzehnten und im Anfange des achtzehnten Jahr- 
hunderts. Braunschw. 1862. 


? Vergl. oben S. XCIV. 


3 »Copey des Herzoglichen Decrets, auf was weise die Conrectores actus 
oratorios anstellen sollen« d. d. 16. Juli 1709, handschriftlich in den »Monumenta 
scholae Catharinianae«. 


“ 











XCVI Einleitung I 


Ob freilich die oratorischen Produktionen der Primaner für die 
wissenschaftliche Förderung derselben von erheblichem Nutzen ge- 
wesen sind, dürfte heutzutage schwerlich noch mit Sicherheit zu ent- 
scheiden sein. Ohne Zweifel waren sie für strebsame Jünglinge ein 
Sporn ihre Kräfte zu schärfen und zusammenzufassen. Andererseits 
muls man fast glauben, dafs durch die Vorbereitungen, welche sie 
erforderten, die eigentlichen Zwecke des Unterrichts mehr als gut war 
in den Hintergrund gedrängt wurden. Bei der Wertschätzung der 
noch vorhandenen Arbeiten lälst sich aber gar nicht abmessen, was 
daran der Fertigkeit des Schülers, was der bessernden Hand des 
Lehrers zuzuschreiben ist. Jedenfalls sind derartige Leistungen noch 
immer nicht das Unterpfand einer umfassenden und nachhaltigen 
Blüte der ganzen Anstalt, und es wäre sehr voreilig, wenn man 
daraus, dafs der Rektor die Primaner zu einem frischeren Streben 
zu begeistern verstand, allein schon auf einen befriedigenden Zustand 
der übrigen Klassen schliefsen wollte. Täuschen die wenigen erhaltenen 
Akten nicht, so wurden auch unter dem neuen Regimente die 
Lehrer der mittleren und unteren Klassen durch die Kümmerlichkeit 
ihrer Einnahmen so schwer zu Boden gedrückt, dafs sie zu einer 
frischen und fröhlichen Thätigkeit gar nicht zu kommen vermochten. 

Über die Organisation des Unterrichts in den Latein- 
schulen, über die Lehrgegenstände, die Lehrbücher u. dergl. ist aus 
der ganzen Zeit, seit das Konsistorium 1621 die »Monita scholasti- 
calia« erlassen, überhaupt nichts bekannt. Erst ım 5. Jahrzehnt des 
18. Jahrhunderts wird in dieser Hinsicht das mehr als hundertjährige 
Dunkel wieder gelichtet. 

Immerhin war es für die Lateinschulen von unberechenbarem 
Vorteil, dals sie eine gewisse, durch Gesetz und Herkommen be- 
gründete Ordnung besalsen. Weit schlimmer war es um die deut- 
schen Elementarschulen bestellt. Für sie war so gut wie alles 
der Willkür und dem Zufall preisgegeben. 

Nach der Bugenhagenschen Schulordnung von 1528 bildeten 
die untersten Klassen der Lateinschulen die einzigen öffentlichen 
Anstalten, in denen für die männliche Jugend der Stadt, soweit sie 
überhaupt eine Schule besuchen wollte, die Gelegenheit lesen und 
schreiben zu lernen sich darbot!. In der That blieben dieselben 

! Vergl. oben S. Lff. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig XCVU 


auch Jahrhunderte lang dieser Bestimmung dienstbar!. Aber die 
Einrichtung des Reformators erwies sich bald als unvorteilhaft, 
schliefslich als unhaltbar?. Neben dem Lesen und Schreiben wurden 
mit den Knaben, sobald es irgendwie anging, sogleich auch die An- 
fangsgründe des Latein in Angriff genommen, so dals die, für welche 
der fremdsprachliche Unterricht wertlos war, von der auf die Schule 
verwendeten Zeit keineswegs genügenden Nutzen hatten. Als dann 
nach Begründung der Kurrende® die untersten Stufen der Latein- 
schulen sich mit den Bettelschülern füllten, nahmen die besser situierten 
Kreise der Einwohnerschaft daran Anstofs ihre Kinder mit denselben 
zusammenzubringen. Schlielslich waren auch die Elementarklassen 
der drei Lateinschulen bei weitem nicht ausreichend, um die sämt- 
lichen schulfähigen Knaben fassen und genügend fördern zu können. 
Die beiden Schreibschulen aber waren, wie schon oben bemerkt, für 
den ersten Elementarunterricht weder bestimmt noch berechtigt?. Wer 
in sie eintreten wollte, mulste schon zu lesen verstehen. Ihr eigent- 
licher Zweck war und blieb, den künftigen Unterbeamten, Kaufmann 
und Handwerker im Schreiben und Rechnen zu fördern. Zwar wur- 
den im Laufe der Zeit auch Mädchen in sie aufgenommen, und bei 
dem Andrange, dessen sie sich erfreuten, zogen die Schreib- und 
Rechenmeister ihre tüchtigsten Schüler, die sogenannten Schreiber, 
als Hülfslehrer heran; aber eigentliche Volksschulen, insbesondere 
Elementarschulen waren sie nicht®. 

Bei dieser Sachlage suchte, wer es irgend vermochte, dem Mangel 
an einer geeigneten Leseschule durch Privatunterricht entgegenzutreten, 
sei es, dals er an einen von den Schulkollegen sich wendete®, sei es, 
dafs er einen älteren Schüler als Pädagogen ins Haus nahm’. Die 
Reichen aber und Vornehmen pflegten ihre Kinder überhaupt nicht 


I Vergl. die Lehrpläne von 1546 S. 68; 1548 S. 93 und 98; 1562 S. 105; 
um 1600 S. 148. 151. 153. 156. 161. 166; 1741 S. 202. 

# Vergl. oben S. LIU. 

3 Vergl. oben S. LXVIIIf. 

% Vergl. oben S. XLf.; LIf. 

5 Vergl. oben S. LIf.; aus der unter 39 mitgeteilten Punktation S. 342. 
348ff.; Ribbentrop, Stadt Braunschweig II, 207. 

© Vergl. aus den mitgeteilten Ordnungen vom J. 1545 S. 63, vom J. 1596 
S. 133°, vom J. 1660 S. 189°. 

? Vergl. z. B. aus dem J. 1547 S. 75°, aus dem J. 1596 S. 131 f., aus 
dem J. 1660 S. 187#. $ 1. 7. 9; dazu oben 8. LXXVIIIf. 

7 





XCVIH Einleitung I 


zur Schule zu schicken, sondern sie, bis sie herangewachsen waren, 
durch einen studierten Informator unterrichten zu lassen!. Aber der- 
artige Malsregeln waren für die meisten zu kostspielig. So kam es, 
dafs trotz der entgegenstehenden Bestimmung der Kirchenordnung 
von 1528? schon früh neben den öffentlichen Anstalten hie und da 
Winkel- und Klippschulen entstanden?, ungeachtet wiederholter 
Verbote? immer von neuem hervortauchten und von zahlreichen 
Bürgerssöhnen besucht wurden. Auch Mädchen fanden darin Auf- 
nahme. Der Widerspruch gegen derartige Unternehmungen war, wenn 
überhaupt, wohl nur in den wenigsten Fällen sachlicher Art und 
hatte vorwiegend, wenn nicht immer, in dem Schulgeldverlust, den 
die privilegierten Anstalten dadurch erfuhren, seinen Grund. Das 
einfachste wäre gewesen die Berechtigten für den Ausfall zu ent- 
schädigen und dem unverkennbaren Bedürfnis durch die Eröffnung 
eigener deutscher Schulen von Obrigkeits wegen entgegen zu kommen. 
Das aber kam niemand in den Sinn. So liefs man denn schlielslich 
die Privatlehrer und Privatlehrerinnen ohne Rücksichtnahme auf die 
Klagen der Schulkollegen gewähren und begnügte sich damit von 
denselben die Einholung einer Konzession von seiten des Rats zu 
verlangen. Wann diese Einrichtung getroffen wurde, ist aus den 
Akten nicht ersichtlich. Man weifs nur, dals 1723 die Zahl der 
konzessionierten Lehrer auf 40 festgesetzt wurde®. Die von ihnen ge- 
haltenen Anstalten wurden die »kleinen Schulen« genannt. Eine 
Konzession war leicht zu erlangen. Gehalt wurde den Schulhaltern 
überhaupt nicht aus den öffentlichen Kassen gereicht; sogar für die _ 
Beschaffung des Unterrichtslokals mufsten sie selbst Sorge tragen. 
Nach der Befähigung wurde wenig gefragt, eine Aufsicht so gut wie 
gar ‘nicht geübt. An Übelständen konnte es unter solchen Verhält- 
nissen nicht fehlen; aber die Behörden verschlossen dagegen die 


! Vergl. was in der Schulordnung von 1596 S. 133, leg. 8 über den »ge- 
lahrten Gesellen« gesagt ist. Noch im 18. Jahrhundert war es nicht üblich, dals 
vornehme Leute ihre Kinder in eine öffentliche Schule schickten, vergl. 9. 397 
No. 8. 

? Vergl. oben S. LIIf. 

3 So schon 1535, vergl. die Klage des Rektors am Katharineum über die 
ludi inordinati S. 56°. 

* So 1596 S. 183 leg. 7, und noch 1708, vgl. Bode, Stadtverwaltung III, 46. 

5 Bode, Stadtverwaltung II, 46. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig IC 


Augen und waren froh, wenn ihr Blick nicht mit Gewalt auf die 
unliebsamen Zustände hingelenkt wurde. Da ein Schulzwang nicht 
bestand, so liefs, wer gleichgültig war oder das Schulgeld — das die 
Privatlehrer keinem erliefsen — nicht aufzubringen vermochte, nicht 
selten seine Kinder ohne jeglichen Unterricht aufwachsen, und bis 
weit in das 18. Jahrhundert hinein fehlte es in Braunschweig nicht an 
Mädchen und Knaben, die bis zu ihrem 16. Lebensjahre überhaupt 
noch auf keiner Schulbank gesessen hatten. 


So lagen die Verhältnisse, als Karl 1 1735 den Herzogshut 
auf sein Haupt setzte. Nur selten hat ein Fürst den Schulen seines 
Landes ein so warmes und geradezu persönliches Interesse entgegen 
gebracht als er. Das ganze Herzogtum, alle Kreise der Bevölkerung 
wurden von seinen einsichtigen und wohlwollenden Malsregeln berührt. 
Hätte nicht seine Prachtliebe in Verbindung mit den Kriegen, in die 
er als treuester Bundesgenosse Preulsens verwickelt wurde, die 
Finanzen des Landes erschöpft, so würde der Erfolg seines Wirkens 
für die Bildungsanstalten des Herzogtums noch umfassender und 
nachhaltiger gewesen sein. 


Wie Herzog Karl die Schulen in den kleineren Städten und auf 
dem platten Lande gefördert hat, bleibt dem zweiten Bande dieses 
Werkes darzulegen vorbehalten. Hier kommt es nur darauf an zu 
- verfolgen, wie der warmherzige Fürst unter dem Einflusse vortreff- 
licher Berater das Bildungswesen der Hauptstadt teils erweitert und 
wirklich vervollkommnet, teils wenigstens zu vervollkommnen und zu 
heben versucht hat. 


Die erste Spur von der Bereitwilligkeit der Regierung des Her- 
zogs Karl, das Schulwesen zu fördern, ist finanzieller Natur. Frei- 
lich von einer allgemeinen und durchgreifenden Aufbesserung der 
unzureichenden Gehalte und Einkünfte ist dabei überhaupt nicht die 
Rede. In der That wären auch schwerlich die Mittel dazu vorhanden 
gewesen. Das Herzogtum Braunschweig erfreute sich zu jener Zeit 
keineswegs reich fliefsender Ertragsquellen; zudem verschlang die 
grolsartige Hofhaltung, die Vorliebe des Fürsten für militärische 
Schaustellungen, die Anlage gemeinnütziger Anstalten bedeutende 
Summen. Wie man trotzdem auch ohne Aufwendung staatlicher 


I Bode, Stadtverwaltung III, 40. 
7*+ 


6 Einleitung I 


Mittel bedrängten Lehrern zu helfen suchte, erhellt aus Akten, die 
ein günstiger Zufall vor dem Untergange bewahrt hat!. 

Als ım Jahre 1740 am Katharineum der unterste Kollege, der 
Septimus Hase, gestorben war, wendeten sich die Lehrer der Quarta, 
Quinta und Sexta unter dem 22. Juni an das geistliche Gericht 
mit der Bitte, es möchte die von dem Verstorbenen bislang versehene 
siebente Klasse mit der sechsten verschmolzen und die dadurch frei 
werdende Geldsumme ihnen selbst zu gleichen Teilen als Aufbesserung 
zugewendet werden. Als feste Einnahmen bezögen sie ein jeder, so 
berichten sie, nicht mehr als 57 thlr. 11 mgr., dazu kämen von 
den Kurrendengeldern noch wöchentlich für den Quartus 2 ggr., für 
den Quintus 4 ggr., für den Sextus 8 ggr. »Ob es aber müglich 
sey«, so lautet nun die Klage, »dals ein rechtschaffener Mann, wenn 
er den ganzen Tag und alle Tage bey der jezt unbändigen Jugend 
im Joche ziehen sol, zumal wenn er eine starke Familie hat, und 
bey jetzigen beklommenen Zeiten von erwehnter Summe, wir wollen 
nicht sagen honet, nur kümmerlich leben könne, überlassen wir Dero 
allerseits hochweisem Urtheil. Die Erfahrung hats bisher gegeben, 
dafs von den 2 üntersten Collegen, die doch keine Frauen, keine 
Kinder und kein Gesind gehabt haben, der Septimus, mit Namen 
Hase, würklich vor Hunger und Kummer crepiren müssen, der Sextus 
hingegen, namens Kölbel, den ganzen Winter über krank gewesen 
und jetzund noch vor Schwachheit kaum die Schule besuchen kan, 
ungeachtet einem jedtweden von ihnen des Herrn Bürgermeisters von 
Kalm Hochedelgeborn von hiesiger Catharinen-Kirche aus blosser 
commiseration 10 Thaler reichen lassen.« Mit den Accidenzien stände 
es noch weit schlechter als mit den fixis. »Könnten wir«, so heifst 
es, »von unsern Accidentien rühmen, was jener Pacht- oder Amtmann 
von den seinigen gerühmet hatte, wenn er bey Erzählung des fixi, ver- 
mutlich im Scherz, gesaget: »Das sey nur das fas, das nefas komme 
noch besser«, wolten wir uns gerne zufrieden geben; allein wir 
müssen leider im Gegentheil klagen: Das fas oder fixum bringt nicht 
viel, das nefas aber oder die sogenannten Accidentien bringen noch 
weit weniger. Diese kommen entweder auf eine gute Anzahl Dis- 
cipuln an, oder sie rühren von den Leichen her. Auf jene ist künftig 
hin wegen der unzähligen Klipp-Schulen und Studenten, womit 


! Abschriftlich in den »Monumenta scholae Catharinianae«. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CI 


alle Strassen angefüllet sind, wenig oder gar keine Hoffnung mehr zu 
machen. Gesezt auch dafs unter weilen, welches doch selten ge- 
schicht, ein und ander novitius kömt, so ist doch der Vortheil dabey 
sehr schlecht: gestalt die wenigsten Eltern an ihre Kinder etwas 
wenden wollen, und da in den theuren Zeiten jedermann seine Waaren 
zu steigern weils, so dürfen wir doch unsere saure Arbeit niemals 
auf einen höhern Preis setzen, vielmehr sucht man bey dergleichen 
Umständen uns hier und da abzuziehen, ja viele Eltern sind gar so 
bolshaftig, lassen ihre kinder ein, anderthalb, zwey und mehr Jahre 
in die Schule gehen, und ehe man sichs versieht, nehmen sie selbige 
ohne Abschied heraus und bezahlen gar nicht. Die Aceidentien 
aber, so billig von den Leichen, als worauf wir insonderheit gewiesen 
sind, herkommen solten, und wovon eigentlich das in 3 Thalern be- 
stehende ordinarium müste gegeben werden, fallen heut zu Tage so 
sparsam vor, dafs wir bekanter mafsen bey allen examinibus uns 
darüber zu beschweren genötiget worden. Wie viele Leichen müssen 
wir um Gottes willen verschenken! Von wie vielen bekömt jedweder 
unter uns, da er 8 ggr. haben solte, nicht mehr als einen Mattier, 
und deren gehen 72 auf einen Thaler!« Von so elendem Solde, wie 
ihn der verstorbene Septimus bezogen, könne keine ledige, geschweige 
eine beweibte und mit einer Familie versehene Person leben. Ein 
Studiosus, wenn er als Hauslehrer neben der freien Station nur 
“20 thir. als jährliches Salarium empfinge, stände sich viel besser 
als unter den vorliegenden Verhältnissen ein Schulkollege. Sollten 
sich nichts desto weniger Bewerber um die erledigte Stelle einfinden, 
so wären sie entweder untüchtig, oder sie kennten den Zustand der 
Schule nicht, oder es müfsten welche sein, »die nach der heutigen 
Mode sich eher ums Fleisch als ums Brot bekümmern, wir wollen 
sagen, die schon Bräute am Halse haben, mithin von denselben, um 
desto eher unter die Decke zu kommen, hiezu angespornet werden. 
Erlangen sie ja endlich ihren Zweck, und sie erfahren, dafs nach 
Lutheri Ausspruch bey der Schul-Information zwar Esels-Arbeit, aber 
nur Zeisgens-Futter anzutreffen, so folget gar bald die Reue, mit 
der Reue das Klagen und Lamentiren, worauf dann das Final die 
äuserste Verachtung ist, dergestalt dals niemand mehr seine Kinder 
in die Schule schicken wil«. 

Das Gesuch der bedrängten Kollegen wurde nach längeren Ver- 


CH Einleitung I 


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handlungen mit den oberen Behörden noch im Herbst des Jahres 
1740 gewährt, und ihre Danksagungen für die ihnen nunmehr er- 
wachsende Mehreinnahme von nicht ganz 60 Mark jährlich für jeden 
sind geradezu überschwenglich. Nicht lange nachher wurde auch die 
sechste Klasse noch eingezogen. Am Martineum folgte man, um auch 
hier die Lehrerbesoldungen um etwas: erhöhen zu können, dem Bei- 
spiel und setzte die Zahl der Klassen gleichfalls auf fünf herab!. 

Verhältnisse, wie sie 1740 an dem Katharineum zu Tage traten, 
waren keineswegs vereinzelte Erscheinungen. Auch an anderen An- 
stalten machen sie sich, wenn auch nur selten in so handgreiflicher 
Weise, bemerkbar. Und wie unendlich oft mag das Seufzen der not- 
leidenden Schuldiener verhallt sein, ohne dafs in den Akten eine Spur 
davon erhalten ist! Für die Beurteilung des Schulwesens der frühe- 
ren Zeiten ist aber die Kenntnis solcher Thatsachen von groflser Wich- 
tigkeit. Man denkt milder über die geringen Leistungen der Vor- 
zeit, wenn man weils, welche Last wie ein Bleigewicht auch bei den 
fleifsigen und fähigen Lehrern den Eifer und die Freudigkeit des Be- 
rufes zu Boden drückte. Nur dals man das Schulamt als den nicht 
allzulange dauernden Übergang zu einem Pfarrdienst betrachtete, 
macht es erklärlich, dals überhaupt noch ein einigermalsen tüchtiger 
Mann sich zur Übernahme desselben bereit fand. Wer bis zu seinem 
späten Lebensabend in den mittleren und unteren Klassen an den 
Lateinschulen ausharrte, muls entweder für eine andere Lebensstellung 
untauglich, oder er muls ein sonderbarer Kauz gewesen sein, der aus 
dem einmal betretenen Geleise nicht herauszufinden verstand. 

Weit mehr als zu materieller Hülfe war man in den leitenden 
Kreisen zu organisatorischen Vorschriften und Verordnun- 
gen bereit, um sowohl bei den lateinischen Anstalten als namentlich 
"auch bei den sogenannten kleinen Schulen an die Stelle der Willkür 
und des Schlendrians eine feste Ordnung und einen lebensvolleren 
Aufschwung zu setzen. Bei allen diesen Mafsregeln aber zeigt sich 


! Wann die sechste Klasse am Katharineum eingezogen wurde, läfst sich nicht 
genau bestimmen. Aus der unter 39 mitgeteilten Punktation S. 308 geht hervor, dafs 
es 1755 bereitsgeschehen war. Von dem Martineum berichtet Scheffler, Nachrichten 
S. 12, die Einziehung der 6. und 7. Klasse sei 1750 erfolgt; aber aus der an- 
gezogenen Stelle der Punktation erhellt, dafs 1755 an dieser Anstalt noch mehr als 
5 Klassen bestanden. Es mufs jedoch die erwähnte Beschränkung der Klassen- 
zahl bald nachher vor sich gegangen sein. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CHI 





der Einfluls der Halleschen Pädagogik, die damals in weiten 
"Kreisen, wie bei den Behörden und den Schulmännern, so auch bei 
dem Publikum sich eines fast ungeteilten Beifalls erfreute. 

Nicht mit Unrecht. Der Vater derselben, August Hermann 
Francke, war in seinem innersten Wesen eine durchaus praktische 
Natur. Wie er den akademischen Lehrstuhl von dem Banne eines 
unfruchtbaren Dogmatismus zu befreien und anstatt einer vorwie- 
gend den Verstand, oft genug nur das Gedächtnis in Anspruch neh- . 
menden Orthodozie in den theologischen Vorlesungen eine Gottes- 
gelahrtheit zur Herrschaft zu bringen suchte, die, ohne das Wissen 
zu verachten, doch an erster Stelle bei den Studiosen ein lebendiges 
Christentum zu wecken, das Herz zu erwärmen, den Willen zu kräf- 
tigen, den Wandel zu läutern geeignet wäre: so bemühte er sich auch 
bei seinen Schuleinrichtungen von der Jugend das blols theoretische 
Wissen und den wertlosen Gedächtniskram fern zu halten, dafür aber 
auf der Grundlage eines »rechtschaffenen Christentums«, wie er es 
nannte, ihr in reichem Malse zu bieten, was je nach der zukünftigen 
Lebensstellung für sie selbst und für das Gemeinwohl nützlich und 
vorteilhaft sein möchte. Wie daher in den von ihm gestifteten An- 
stalten die armen Waisenkinder, wenn sie sich nicht zu einer höheren 
Berufsart eigneten, neben der Religion, dem Lesen, Schreiben und 
Rechnen auch zu allerlei Handfertigkeiten, die Knaben zum Spinnen 
“ und Stricken, die Mädchen aufserdem noch zum Nähen angeleitet 
wurden, so bietet der Lehrplan seines Pädagogiums neben der Theo- 
logie und den alten Sprachen auch Französisch, Geographie, Ge- 
schichte, Arithmetik, Geometrie, Beredsamkeit, die Fundamente der 
Astronomie, Botanik und Anatomie, auch eine Anweisung zu wohlan- 
ständigen Sitten, ohne dafs jedoch die Schüler zur Beteiligung an die- 
sen sämtlichen Disziplinen verbunden gewesen wären. Er hatte sich 
auch schon 1698 mit der Absicht getragen eine eigene Schule für den 
Mittelstand zu gründen, »ein besonderes Pädagogium«, wie er sich 
ausdrückt, »für diejenigen Kinder, welche nur im Schreiben, Rechnen, 
Lateinischen, Französischen und in der Ökonomie angeführt werden 
und die Studia nicht continuiren, sondern zur Aufwartung bei für- 
nehmen Herrn, zur Schreiberei, zur Kaufmannschaft, Verwaltung der 
Landgüter und nützlichen Künsten gebraucht werden sollen«!. Wäre 

! Kramer, A. H. Franke I, 275. 


CIV Einleitung I 


diese Absicht zur Ausführung gekommen, so hätte Deutschland in 
dem Vater des Pietismus auch den Begründer der ersten Realschule 
zu ehren; aber es blieb bei dem blofsen Plane. Gleichwohl war es 
Halle, wo 1706 ın der »mathematischen und mechanischen Real- 
schule« des Diakonus M. Christoph Semler den Anforderungen des 
praktischen Lebens zum ersten Male, wenn auch noch in etwas küm- 
merlicher Weise, rückhaltlos Rechnung getragen wurde. Von Francke 
aber war es ein besonders glücklicher Gedanke, dafs er zur prakti- 
schen Ausbildung von geeigneten Lehrern 1707 in Verbindung mit 
seiner Schulanstalt ein »Seminarıum praeceptorum« begründetel, wäh- 
rend schon zehn Jahre zuvor sein Kollege Christoph Cellarius an 
der Universität in dem »Collegium elegantioris litteraturae« das erste 
philologische Seminar errichtet hatte?. 


Nach Franckes Tode (1727) wurden seine Erziehungsgrundsätze 
von zahllosen Schülern weiter verbreitet, und insbesondere entwickelte 
sich an den Halleschen Anstalten eine Pädagogik, die Lehrstoff wie 
Methode mit Entschiedenheit unter den Gesichtspunkt einer nüch- 
ternen, gewissermalsen hausbackenen Utilität stellte. Ohne Zweifel 
war dieselbe einseitig und entbehrte des Schwunges. Was keine 
praktische Verwertung versprach, wurde von ihr beiseite geworfen; 
jede Stunde galt als verloren, die nicht zur Übung der Gottseligkeit 
oder zur Erwerbung nützlicher Kenntnisse Verwendung fand. Freie 
Nachmittage und Ferien kannte man nicht?. Aber der Geist der 
Zeit war gerade derartigen Grundsätzen günstig, und in Preufsen 
stand Jahrzehnte hindurch das öffentliche Erziehungswesen unter dem 
Einflufs der Hallenser®. Vielleicht dafs gerade die nahen verwandtschaft- 
lichen Beziehungen des Herzogs Karl zum preufsischen Königshause 
es gewesen sind, die ihn zu einem Freunde der Pädagogik des Pie- 
tismus gemacht haben. 


Zunächst ist es die fürstliche Katharinenschule, an der die 
Hallesche Richtung sich bemerkbar macht. In demselben Jahre, in 
welchem den unteren Kollegen derselben eine für die herrschenden 
Verhältnisse nicht unwesentliche Aufbesserung des Gehalts zu teil 


! Kramer, A. H. Francke II, I1ff. 
9 Paulsen, Gel. Unterr. S. 358. 

3 Kramer, A. H. Francke I, 228. 
* Paulsen, Gel. Unterr. S. 389 ff. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CV 





wurde, trat in das durch Todesfall erledigte Rektorat der Magister 
und bisherige Assessor an der philosophischen Fakultät zu Jena Joh. 
Andr. Fabricius, ein Mann, dessen Gelehrsamkeit und rüstige 
Manneskraft einen neuen Aufschwung der Anstalt zu verbürgen 
schien!. Ostern 1741 veröffentlichte derselbe in einem Programme 
den unter 33 mitgeteilten Lehrplan (S. 196 ff.), den ersten, der seit 
den Zeiten des Koadjutors Kaufmann? wieder die Unterrichtsordnung 
einer braunschweigischen Lateinschule erkennen läfst. 

Die unterste der 6 Klassen umfalst nur Kurrendaner, die in 
verschiedenen Gruppen im Christentum, Lesen und Schreiben unter- 
richtet werden. Nur einigen Schülern werden in ihr auch die An- 
fangsgründe der lateinischen Sprache gelehrt. Regelrecht wird die- 
selbe erst in Quinta in Angriff genommen; von Tertia ab treten das 
Griechische, Geschichte und Geographie, in Prima Theologie und Logik 
hinzu. Neben dem öffentlichen Unterricht erteilen der Rektor und Kon- 
rektor den Primanern auch noch Privatlektionen, jener in der lateini- 
schen und deutschen Rhetorik mit praktischen Übungen verbunden, 
dieser in der Erklärung einiger lateinischer Schriftsteller, sowie in 
den griechischen und römischen Altertümern; privatissime werden 
Mathematik nach Wolf, Philosophie und Hebräisch angeboten. Zur 
lateinischen Lektüre dienen für Tertia Nepos und Phädrus, für Sekunda 
Nepos, Cäsar, Ciceros Briefe und Ovids Tristien, für Prima in auf- 
fallender Fülle zu gleicher Zeit Horaz, Cäsar, Livius, Virgil, Ciceros 
Briefe und Reden. Das Griechische tritt sehr zurück. Nur das Neue 
Testament wird gelesen, doch werden denen, die weiter streben, auch 
klassische Schriftsteller — genannt wird nur Hesiod — in Aussicht 
gestellt. In der Religion wird bis Tertia der Katechismus eingeübt, 
zunächst der Luthersche Text, alsdann die Erklärung von Gesenius, 


ı M.Johann Andreas Fabricius, geb. 1696 zu Dodendorf b. Magdeburg, 
hatte in Helmstedt und Leipzig Theologie studiert und war, bevor er 1740 als 
Rektor an die Katharinenschule berufen wurde, seit 1734 Adjunkt oder Assessor 
an der philosophischen Fakultät zu Jena gewesen. Im Sommer 1745 erhielt er 
neben dem Rektorat eine Professur am Collegium Carolinum, und las, wie er es 
schon 1741 am Katharineum gethan, nach einem eigenen Entwurfe über Philosophie, 
vergl. S. 196° und S. 2381. Schon 1746 fiel er wegen einer litterarischen Fehde 
in Ungnade, wurde seiner Ämter entsetzt, ging Michaelis 1746 nach Jena, wurde 
1753 Rektor in Nordhausen und starb daselbst 1769. Vergl. Eschenburg, Coll. 
Carol. S. 67. 

2 Vergl. oben S. LXXXIV. 


CVI Einleitung I 


die schon seit 1667 als Landeskatechismus eingeführt warl. Daneben 
erscheint zum ersten Male das biblische Element auf Grundlage der 
Hübnerschen biblischen Geschichten, die freilich ın Tertia wieder 
durch die Benutzung einer lateinischen Übersetzung in den Dienst 
des Sprachunterrichts gestellt werden. In Sekunda und Prima wird 
dem theologischen Unterricht eine Schrift des früheren Rektors am 
Martineum Jo. Alb. Gebhardi? zu Grunde gelegt, die 1700 unter 
dem Titel »Nucleus S. Scripturae sive Sylloge dietoram classicorum 
Iinguis authenticis et vernacula« erschienen war. 


Schon der gegen früher nicht unerheblich erweiterte Lehr- 
stoff zeigt in dem Unterrichtsplan des Rektors Fabricius den Ein- 
flufs einer veränderten Zeit. Geschichte, Geographie, Mathematik, 


! Justus Gesenius, geb. 1601 zu Esbeck im Amte Lauenstein, 1629— 1636 
Pastor zu Braunschweig, gest. 1671 als Oberhofprediger, Konsistorialrat und General- 
superintendent zu Hannover, ein Schüler von Georg Calixt. Sein Katechismus 
erschien zuerst zu Lüneburg 1631 ohne den Namen des Verfassers, in zweiter Aus- 
gabe 1635 und dann noch sehr oft. Im Herzogtum Braunschweig kam dieses Buch 
durch Herzog Rudolf August 1667 in Gebrauch in der Ausgabe: D. M. Lutheri 
kleiner Catechismus und über denselben kleine Catechismus-Fragen D. Just. Gesenii, 
auf sonderbare Verordnung hervorgegeben zu durchgehendem gleichformigen Ge- 
brauch der Kirchen und Schulen im Fürstenthum Braunschweig, Wolffembüttelischen 
Theils. Wolfenb. 1667, 8. In der Erneuerten Kirchenordnung des Herzogs Anton 
Ulrich von 1709 wurde Th. I, Kap. IV, Abschnitt III bestimmt, dafs die Prediger 
die Lehren und Fragen nach Anleitung dieses Buches einrichten und daneben die 
dahin gehörigen Sprüche aus der Bibel der Jugend bekannt machen, selbige aus- 
wendig lernen und recitieren lassen sollten. Damals waren die zugehörigen Bibel- 
sprüche noch nicht darin abgedruckt, aber schon 1720 erschien eine Ausgabe mit 
den zu den Fragen hinzugesetzten Schriftsprüchen, wie sie der Helmstedter Professor 
Joh. Eberh. Bulsmann ausgewählt hatte. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts 
verlor der Geseniussche Katechismus im Lande Braunschweig an Ansehen, 
wurde 1823 in dem Landtagsabschiede vom 11. Juli als ein unzulängliches Re- 
ligionsbuch bezeichnet und im Interesse des Rationalismus durch die »Kleine Bibel« 
von Ziegenbein, die dann an dem Abt Bank einen umgestaltenden Bearbeiter 
fand, fast überall verdrängt; aber die formliche Abschaffung desselben erfolgte erst, 
als durch die Verordnung vom 28. Dezember 1858 die Katechismuserklärung des 
Abts Ernesti als Landeskatechismus eingeführt wurde. Vergl. Prauns Bibl. 
Brunsv.-Luneb. (Wolfenb. 1744) S. 414 No. 2143 und besonders H. Fr. Th. L. 
Ernesti, Zur Orientirung über die Katechismus - Literatur der ev.-luth. Kirche 
(Braunschweig 1859) S. 26 ff., sowie den Artikel »Justus Gesenius« von C. Bertheau 
in Herzogs Theol. Encyklop. V?, 143 ff, wo auch die Litteratur über Gesenius 
angegeben ist. 

? Vergl. oben S. XCIV. 

® Rehtmeyer, Kirchenhist. V. Suppl. S. 265. 











Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CVI 


namentlich aber die deutsche Redekunst hatte die Schule der Refor- 
matoren wenig oder gar nicht beachtet. Naturwissenschaft freilich 
und Französisch bleiben noch ausgeschlossen. Deutlicher noch als 
die Unterrichtsgegenstände es thun, läfst die Wahl der Lehrbücher 
Hallesche Einwirkungen erkennen. Die Langesche lateinische Gram- 
matık, Wolfs Grundrifs für Mathematik, die Hübnerschen und 
Freyerschen Jehrmittel waren von der Frankeschen Anstalt herüber- 
genommen. 

Der Lehrplan des Martineums war um jene Zeit von dem der 
Katharinenschule schwerlich in bemerkenswerter Weise verschieden. 
Jedenfalls hatten beide Anstalten, als sie 1745 durch selectae 
classes erweitert wurden?, wie aus dem unter 35 mitgeteilten »cata- 
logus lectionum classium primae et selectae utriusque 
gymnasii« (S. 257 f.) hervorgeht, auf der obersten Stufe eine und 
dieselbe Unterrichtsorganisation, die von der, welche das Programm 
des Rektors Fabricius darbietet, ın keinem wesentlichen Punkte ab- 
weicht. Damals geschah es auch, dafs beide Lateinschulen zu Gym- 
-nasien erhoben wurden®. Eine materielle Förderung der Lehrer war 
aber mit dieser Rangerhöhung der Anstalten nicht verbunden. 


Um jene Zeit hatte man auch bei den kleinen Schulen bereits 
zu einer Reform die einleitenden Schritte gethan: das geistliche Ge- 
richt erhielt 1743 den Auftrag Vorschläge zur Verbesserung dersel- 
ben höchsten Orts einzureichen. Aber der geforderte Bericht erfolgte 
erst nach Verlauf von fünf Jahren®. Nicht geringere Seelenruhe be- 
wies auch das Kolloquium des geistlichen Ministeriums, das regel- 
mälsig alle Quartal, daneben auch sonst noch bei aufsergewöhnlichen 
Veranlassungen, die lutherischen Pfarrer der Stadt zusammenführte?. 
Ein gleichfalls im Jahre 1743 an dasselbe ergangener fürstlicher Be- 
fehl, den Besuch der kleinen Schulen betreffend, kam erst am 


! Paulsen, Gel. Unterr. S. 383. 386. 

2 S. 209%, vergl. auch Scheffler, Nachrichten S. 15. 

3 Eschenburg, Coll. Carol. S. 11. 12. 17; vergl. auch unten S. 209", 
* Bode, Stadtverwaltung III, 47. 


5 Die Kolloquien des geistlichen Ministeriums wurden seit 1529 gehalten, vergl. 
Rehtmeyer, Kirchenhist. IU, 87f. Von den darüber geführten Protokollen sind 
die älteren im Stadtarchiv, die aus neuerer Zeit in der Registratur der General- 
superintendentur vorhanden. 


CVIOE Einleitung I 


5. August 1749 zur Verlesung!, vielleicht auch dann nur, weil 
inzwischen ein beschleunigender Wink von oben erfolgt war. Die 
alsdann beschlossene regelmälsige Schulvisitation wurde nach Aus- 
weis der Protokolle von der Geistlichkeit wirklich in Angriff genom- 
men und, wenn auch nicht immer mit gleichmälsigem Eifer, so doch 
regelmälsig weiter geführt. 

Inzwischen hatte die fürstliche Regierung schon den Prediger an 
der zum Waisenhause gehörigen Liebfrauenkirche Uthesius? mit 
der speziellen Beaufsichtigung der kleinen Schulen beauftragt. Nach- 
folger desselben wurde 1750 Joh. Arnold Anton Zwicke?, der vier 


I Protoc. Colloqu. Rev. Minist. von 1747—1800. Folioband im Archiv 

der Generalsuperintendentur. In dem Protokoll vom 5. August 1749 heilst es: 

»2. Wurde ein seit 1743 schon emanierter fürstl. Befehl, die Besuchung der 

kleinen Schulen betreffend, so jetzt erst zum Vorschein kommen, verlesen. 

3. Ward von ordentlicher Einrichtung des Besuchs der kleinen Schulen ge- 
sprochen und beliebt, dafs 

a) wo zween Collegen an einer Kirche, der, so die Arbeitswoche nicht hat, 
visitiren solle. 

b) Nach Anzahl der Schulen ward nötig erachtet, dafs wenigstens alle Monath 
einmahl visitirt werde. 

c) Welches denn der jedes mahl dem Herrn Superintend. einzusendende Be- 
richt erweisen muls. 

d) Der Bericht ist so abzufalsen, dafs 1. der Schulmeister zu specificiren. 
und 2. demnächst von dem Fleifs desselben und Beschaffenheit der In- 
formation Bericht zu erstatten, und zwar wird quartaliter von beyden 
Herren Predigern der Bericht separatim eingesandt. Wo nur ein Pastor 
steht, hat derselbe die Arbeit allein zu übernehmen. 

e) Die Berichte werden bey jedem Quartal-Colloquium eingebracht, und wird 
solcher malsen vors erste der Anfang mit visitiren gemacht, und die 
ersten Berichte auf künftige Weynachten, geliebt's Gott, zum ersten 
mahle eingebracht, und zwar verschlofsen«. 

? Joachim Uthesius, geb. 1680 zu Anklam, war, nachdem er vorher unter 
anderem eine Zeitlang (1715—1721) inspector scholarum in Weimar gewesen, 
1741 als Pastor nach Broistedt gekommen und 1743 an die erst 1785 nieder- 
gerissene Waisenhauskirche (Dürre, Stadt Braunschweig S. 585; Braunschw. 
Mag. 1845, No.45, S.366) versetzt. Er ging 1750 als Pastor nach Marienberg bei 
Helmstedt und starb dort 1761 als Superintendent der Wolsdorfer Inspektion. 

3 Johann Arnold Anton Zwicke war am 26. Januar 1721 zu Lippstadt ge- 
boren und hatte ein Inspektorat am Franckeschen Pädagogium seit 1746 verwaltet. 
Nach Braunschweig kam er 1750 als Pastor der Liebfrauenkirche und wurde 
damit Vorsteher der Waisenhausschule. Zugleich hatte er auch die kleine Kirche zu 
St. Leonhard vor dem Augustthore zu versehen. Nachdem ihm bereits 1754 neben 
seinen sonstigen Ämtern die Superintendentur über die im NO. der Stadt sich 
erstreckende Inspektion Campen übertragen war, zog er um Ostern 1759 nach 
Königslutter, wo er 1778 als Stadtprediger und Superintendent sein Leben beschlofs. 











Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CIX 


Jahre lang bereits als Inspektor am Halleschen Pädagogium beschäf- 
tigt gewesen war. Öffenbar hatte man ihn vom Strande der Saale 
herbeigerufen, damit er in die unbefriedigenden Schulzustände der 
Welfenstadt den frischeren Pulsschlag der Franckeschen Stiftungen 
hineintrüge. 

Der neue Pastor und Schulinspektor Zwicke war einer der 
eifrigsten Vertreter der Halleschen Bestrebungen. Als erste Haupt- 
regel schreibt er dem Lehrer vor: »Lehre keinen etwas, lals ihn auch 
nichts lernen, was ihm in seinem ganzen Leben nichts nutzen wird«!. 
Auf der andern Seite war er ernstlich bemüht im Bereich seines 
Wirkens, teils als Inspektor der kleinen Schulen, teils als Vorsteher 
der Waisenhausschule, der Jugend nun auch wirklich nutzbare Lehr- 
stoffe zu bieten und ihr die Aneignung derselben thunlichst zu er- 
leichtern. Seine Wirksamkeit hat dem Schulwesen seiner neuen 
Heimat in mannigfacher Weise Anregung und Förderung gebracht. 

Schon in die erste Zeit von Zwickes Thätigkeit ın Braun- 
schweig fällt die Begründung des mit dem Waisenhause verbundenen 
Lehrerseminars?. Die Absicht eine derartige Anstalt zu errich- 
ten hatte, wie es scheint, schon vor seiner Ankunft bestanden, aber 
seiner Ihatkraft wird es zuzuschreiben sein, dals die Durchführung 
des Plans sich nicht, wie es in Wolfenbüttel mit der dortigen Lehrer- 
bildungsanstalt geschah, noch längere Zeit verschleppte. Leider fehlt 
es über das Braunschweiger Lehrerseminar an eingehenden Nach- 
richten. Eine Ordnung desselben, ein Unterrichtsplan u. s. w. ist 
bislang nicht aufgefunden. Die Seminaristen, deren Zahl 8 betragen 
haben soll®, wurden als Lehrer am Waisenhause und an den Armen- 
schulen verwendet. Die Anstalt, die später auch mit einem Vor- 
seminar verbunden wurde, bestand bis 1853; die durch ıhre Auf- 
hbebung entstandene Lücke wurde 1860 durch das jetzige Seminar 
ausgefüllt®. 


! Herbstprogramm der Waisenhausschule vom J. 1753. 

? Als Jahr der Begründung des Braunschweiger Seminars wird gewöhnlich 
1752 angegeben, vergl. C. Matthias, Lehrerseminar zu Wolfenbüttel S. 10; 
Braunschw. Anz. vom 18. April 1885; Schmidt, Kurze quellenmäfsige Darstel- 
lung S.18. Da aber das Seminar in der unter 36 abgedruckten »Vorläufigen Nach- 
richt« vom Jahre 1751, S. 266, als vorhanden erwähnt wird, fällt die Gründung 
spätestens in das Jahr 1751. 

® Schmidt, Kurze quellenmäfsige Darstellung $S. 18. 

* Vergl. Braunschw. Anz. vom 18. April 1885. 


CX Einleitung I 


Wie unter Zwickes Leitung die. Verbesserung der kleinen Schulen 
vorgenommen wurde, zeigt die unter 36 mitgeteilte »Vorläufige 
Nachricht« von 1751 (S. 259 ff.), die ohne Zweifel von keinem 
andern als von ihm verfalst ist. Vermag diese erste \olksschulord- 
nung der Stadt Braunschweig auch dem, was man heutzutage von 
einem wohlorganisierten städtischen Schulwesen verlangt, nicht zu ent- 
sprechen, so war es doch ein Gewinn, dals der bisherigen Willkür 
und Verwirrung wenigstens in etwas ein Ziel gesetzt und die gesam- 
ten Anstalten unter eine einheitliche Leitung gestellt wurden. 

Die konzessionierten Lehrer und Lehrerinnen hatten bislang in 
ihren Anstalten klein und grois, Knaben und Mädchen, Anfänger 
und Fortgeschrittene neben einander gehabt. Fortan sollten nun die 
verschiedenen Schulen je nach der Fähigkeit der Lehrer und Lehre- 
rinnen in Stufenklassen gesondert werden. Für die Knaben wurden 
drei, für die Mädchen zwei solcher Unterrichtsstufen als genügend 
angesehen. Auf der untersten Stufe wurden Knaben und Mädchen 
noch zusammen unterrichtet; bei den folgenden fand eine Trennung 
der Geschlechter statt. Die Versetzung in eine obere Klasse blieb 
der Anordnung des Inspektors vorbehalten. Geeignete Lehrer sollten 
für die Zukunft durch das Lehrerseminar ausgebildet werden; die 
vorhandenen Kräfte wurden durch den Inspektor mit einer besse- 
ren Lehrmethode bekannt gemacht. Die Kinder lernten lesen und 
schreiben; die Mädchen wurden, wenn sie bei einer Lehrerin in 
die Schule gingen, auch in weiblichen Arbeiten unterwiesen.: Das 
hauptsächlichste Lehrbuch bildete der Landeskatechismus von Gese- 
nius!. Das Erscheinen noch anderer brauchbarer Lehrmittel ward in 
Aussicht gestellt. Zwicke selbst verfalste ein Buchstabierbüchlein, 
das noch vor Ende des Jahres 1751 aus der kurz zuvor neu ange- 
legten Buchdruckerei des Waisenhauses hervorging?. Gehalt wurde 
den Schulhaltern und Schulhalterinnen auch jetzt noch eben so wenig 
wie früher zu teil, und auch das Schullokal mulsten sie nach wie 


! Vergl. oben S. CVI Anm. 1. 

? 0. L. Grotefend und F.G. H. Culemann, Geschichte der Buchdruckerei 
in den Hannoverschen und Braunschweigischen Landen. Hannover 1840. Bi. J3. 
Vergl. die Mitteilungen des Seminarlehrers Bosse in den Braunschw. Anz. 1886, 
No. 59. Es erschienen aus derselben Druckerei auch noch andere Schulbücher, 
von denen, da sie in sämtlichen Volksschulen des Landes eingeführt wurden, erst 
im 2. Bande die Rede sein wird. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CX1 


vor selber beschaffen. Sie waren einzig und allein auf das Schulgeld 
angewiesen, das für die unterste Stufe wöchentlich auf 1 mgr., für 
die mittlere auf 1 ggr., für die oberste auf 2 mgr. festgestellt ward. 

Das Publikum wulste sich nicht gleich in die neue Ordnung zu 
finden. Manche Eltern oder Vormünder wollten, ohne die Stufen- 
einrichtung zu beachten, ihre Kinder oder Pflegebefohlenen durchaus 
zu keinem andern Lehrer schicken als zu dem, welcher ihnen beliebte, 
und wurde ihnen dieses nicht gestattet, so hielten sie dieselben wohl 
ganz von der Schule zurück. Andererseits nahmen auch die Schul- 
halter und Schulhalterinnen um. des Schulgeldes willen nur zu gern 
auch solche Kinder auf, die gar nicht in ihre Klassen gehörten. Der- 
artige Ungehörigkeiten wurden im folgenden Jahre 1752 in einer 
»Fortsetzung der Nachricht von den kleinen Schulen« streng 
untersagt, zugleich aber den Eltern ausdrücklich freigegeben, dals sıe 
bei der Wahl der Anstalt an das Kirchspiel, in dem sie wohnten, 
nicht gebunden sein sollten!. Die ganze Stadt wurde bei dieser Ge- 
legenheit nach den fünf kirchlichen Hauptgemeinden? in fünf Schul- 
bezirke eingeteilt. Die Zahl der Schulhalter betrug 19, die der Schul- 
halterinnen 23. Unter den Lehrern werden nur 5 kirchliche Unter- 
beamte, 3 Opfermänner, 1 Kantor und der Citator des geistlichen Ge- 
richts aufgeführt. Für die oberste Stufe waren 9, für die mittlere 11, 
für die unterste 22 Klassen bestimmt. 

Ein Schulzwang wird weder in der »Vorläufigen Nachricht« 
von 1751 noch ın der »Fortsetzung« von 1752 ausgesprochen, viel- 
mehr geradezu erklärt, dals man das Fernhalten der Kinder von der 
Schule eines jeden eigener Verantwortung überlasse, die freilich vor 
Gott gewils sehr schwer sei®. Aber schon am 31. August 1752 er- 
schien das unter 37 mitgeteilte fürstliche Mandat (S. 268), in dem 
den Predigern verboten wird ein Kind zur Konfirmation anzunehmen, 
das nicht wenigstens ein Jahr eine der obersten Klassen der kleinen 
Schulen besucht habe. Es ist dies unseres Wissens das erste Mal, 
dafs für die Stadt Braunschweig die allgemeine Schulpflicht ge- 
setzlich vorgeschrieben wurde. Bald folgten noch andere nützliche 


! »Erste Fortsetzung der Nachricht von jetziger Einrichtung der Kleinen 
Schulen in der Stadt Braunschweig«e. Braunschweig 1752. 1 Bogen in 4°. Vor- 
handen im Braunschweiger Stadtarchiv. 

? Martini, Katharinen, Brüdern, Andreas, Magni. Vergl. S. XXXV, Anm. 1. 

3 »Erste Fortsetzung« S. 5. 


CXU Einleitung I 


Verordnungen. Die Schulversäumnisse, so wurde bestimmt, sollten von 
den Lehrern zur Anzeige gebracht werden (18. Nov. 1752); als eine 
verbotene Privatschule sei anzusehen, wenn mehr als sechs Kinder 
zusammen privatim unterrichtet würden (12. Februar 1754); die schul- 
fähigen Kinder sollten von den Öpferleuten bei Einziehung der Qua- 
tembergelder verzeichnet, die Listen der in höhere Klassen versetzten 
Schüler und Schülerinnen durch den Druck bekannt gemacht werden 
(13. November 1754). Auch Armenschulen wurden für die Kinder 
derjenigen, die das Schulgeld nicht aufzubringen vermochten, seit der 
ım Jahre 1742 vorgenommenen Verbesserung der Armenpflege errichtet. 

Noch bemerkenswerter als bei den kleinen Schulen tritt die Wirk- 
samkeit des Pastors Zwicke im Bereich der Waisenhausschule 
hervor. Schon 1748 war die bedenkliche Verbindung der Züchtlinge 
mit den Waisenkindern gelöst?. Jene waren nebst den Geisteskran- 
ken ins Alexiushaus gebracht; diese allein an der der Jungfrau Maria 
geweihten Stätte zurückgeblieben. Zwickes Absicht ging nun dahin 
die seiner Leitung überwiesene Anstalt in der Weise umzuwandeln, 
dafs einerseits neben den Waisenkindern auch Knaben und Mädchen 
aus der Stadt Zulals erhielten, andererseits aber durch Erweiterung 
des Lehrstoffs in ausgedehnter Weise auf die Bildungsbedürfnisse des 
Mittelstandes Rücksicht genommen würde. 


Für diesen Teil der Bevölkerung waren ursprünglich die beiden 
Schreibschulen in der Altstadt und ım Hagen bestimmt gewesen, und 
man wird annehmen müssen, dals dieselben ım Reformationszeitalter 
auch wirklich den vorhandenen Anforderungen genügt haben. Aber 
sie hatten mit der fortschreitenden Zeit sich nicht weiter entwickelt. 
Während seit Baco von Verulam (} 1626) die Bekanntschaft mit der 
Natur und ihren Gesetzen, wie für die Wissenschaft, so für das prak- 
tische Leben eine stets wachsende Bedeutung gewonnen hatte, zu gleicher 
Zeit die Kenntnis der modernen Sprachen nicht mehr blofs für Hof 
und Adel, sondern auch für den Handelsstand sich als notwendig er- 
wies, vermochten die Schreib- und Rechenmeister dem künftigen Kauf- 
mann und Techniker noch immer nicht mehr als Regel de tri und die 


! Bode, Stadtverwaltung 1ll, 48, und danach Heppe, Gesch. des Volks- 
schulw. III, 242. 

? Bode, Stadtverwaltung Ill, 45. 

®? Braunschw. Mag. 1845, No. 45, S. 366. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig  CXII 


zopfigen Formen des Briefstils zu bieten. Was dem jungen Bürgers- 
sohne für seinen dereinstigen Beruf unter den veränderten Verhält- 
nissen wirklichen Nutzen versprach, blieb hier nicht minder als in 
den Gelehrtenschulen unberücksichtigt. Und doch blühten in Braun- 
schweig noch immer, ja mehr vielleicht als in den letzten Zeiten der 
städtischen Selbständigkeit, Gewerbe und Handel, und in den Strafsen 
drängte sich eine zahlreiche, wohlhabende, betriebsame Bürgerschaft. 
In dieser aber mehrte sich die Erkenntnis, dafs nur eine wahrhaft 
praktische Schulbildung das heranwachsende Geschlecht bei dem, was 
die Vorfahren erworben, zu erhalten imstande sei. 

In Berlin war der Prediger an der Dreifaltigkeitskirche, Joh. 
Jul. Hecker, der gleichfalls wie Zwicke eine Zeitlang als Lehrer am 
Halleschen Waisenhause gewirkt hatte, den Wünschen und Bedürf- 
nissen des Bürgerstandes 1747 durch die Begründung einer »ökono- 
misch-mathematischen Realschule« entgegen gekommen!. Von allen 
Seiten liefen ihm die Schüler zu, und Friedrich II zeichnete die An- 
stalt durch den Namen der »Königlichen Realschule« aus. Sie war 
für Zwicke das Vorbild, das er am Strande der Oker nachzuahmen 
bestrebt war. Bald bot das Waisenhaus einen ganz anderen Anblick. 
Schon 1750 wurde die nur für die Waisenkinder bestimmte Schule 
ohne alle Einschränkung auch für Schüler und Schülerinnen aus der 
Stadt zugänglich gemacht, gleichzeitig das Lehrerpersonal durch theo- 
logisch gebildete Informatoren vermehrt, der Lehrplan durch die Auf- 
nahme neuer Lehrstoffe erweitert, bald auch für auswärtige Schüler 
ein Pensionat eingerichtet. Öffentliche Prüfungen, zu denen seit 1752 
halbjährlich durch gedruckte Programme eingeladen wurde, gingen 
darauf aus die gute Meinung der Eltern für die junge Anstalt zu 
gewinnen. | 

Die Organisation der von Zwicke begründeten »Schule im 
Hochfürstlichen Gro[lsen Waisenhause zu Braunschweig« 
ist in der unter 38 zum Abdruck gebrachten »Vorläufigen Nach- 
richt« von 1754 (S. 259 ff.) dargelegt. Danach waren die Unter- 
richtsfächer derselben sehr mannigfaltig. Aufser den Gegenständen 


! F. Ranke in dem Art. »Hecker« in Schmids Pädag. Encyklop. II, 
349f. — Kramer in dem Art. »Realschule« in Schmids Pädag. Encyklop. VI, 
678f. — v. Raumer, Gesch. der Pädag. II®, 136f. — J. H. Schulz, Gesch. der 
Königl. Real- und Elisabethschule zu Berlin. 1857. 

S 


CXIV Einleitung I 





der Volksschule lehrte man Deutsch, Latein und Französisch, Ge- 
schichte, Geographie, Mathematik, Mechanik, Baukunst und Ökonomie; 
selbst Heraldik wurde getrieben. Eine Sammlung von Naturalien, 
Maschinen und Modellen diente zur Förderung des Unterrichts. Aus 
der Fülle des Gebotenen wählten die Schüler sich aus, was ihnen für 
ihren zukünftigen Beruf am zweckmälsigsten schien; was dem ein- 
zelnen keinen praktischen Nutzen zu bringen versprach, das liefs er 
beiseite. Die Mädchen, welche von den Knaben gesondert unter- 
richtet wurden, erhielten auch im Nähen, Sticken und andern weib- 
lichen Handarbeiten Unterweisung. Als einen besonderen Vorzug 
pries man es, dals man die Schüler nicht nach dem Klassensystem, 
sondern nach dem von Francke nach dem Vorgange der Jesuiten 
eingeführten Fachlehrsystem! den verschiedenen Abteilungen zuwies. 

In allen diesen Einrichtungen findet sich kaum ein einziger Zug, 
der nicht den Hallensern oder dem Heckerschen Vorbilde abgelauscht 
wäre. Und wie die Berliner Anstalt, so hat auch die Schöpfung des 
Direktors Zwicke berechtigten Anspruch auf den Namen einer Real- 
schule. Sie ist die zweite dieser Art, die ın Deutschland bestanden 
hat?. In ihrer fernern Entwickelung blieb sie freilich hinter ihrem 
Vorbilde zurück; während jene noch heute in hoher Blüte den ur- 
sprünglichen Zwecken dienstbar ist, gestaltete sie sich in kaum be- 
merkbaren Übergängen zu einer Bürgerschule mittlerer Art. Aber 
auch in dieser bescheideneren Gestalt hat sie der Stadt Braunschweig 
reichen Segen gebracht. Der Leitung ihres Begründers erfreute sie 
sıch nur kurze Zeit. Direktor Zwicke, dem bereits 1754 neben 
seinen sonstigen Ämtern die Superintendentur über die Inspektion 
Campen übertragen war, zog um die Österzeit des Jahres 1759 nach 
Königslutter, wo er 1778 als Superintendent sein Leben beschlofs. 
Gleichzeitig mit seinem Fortgange wurden mit der Waisenhausschule 
die Reste des Ägidianums vereinigt”. Der Charakter der Anstalt 


! Thilo, Classenlehrsystem und Fachlehrsystem, inSchmids Pädag. Encyklop. 
1°, 907; Paulsen, Gel. Unterr. S. 387; v. Raumer, Gesch. der Pädag. II, 125; 
Vormbaum, Schulordnungen III, 61f.; Kramer, A. H. Franke I, 236f. 

* Nach Schulz, Gesch. der Königl. Real- und Elisabethschule zu Berlin 
(vergl. Schmids Pädag. Encyklop. III, 354) entstanden alle anderen Nachbil- 
dungen der Heckerschen Anstalt erst später, die in Wittenberg 1756, die in Star- 
gard 1759, die in Züllichau 1763, noch später die in Breslau und Erlangen. 

® Sack, Schulen $. 51; Verzeichnis der Lektionen in der kombinierten 
Waisenhaus- und Ägidienschule vom Herbst 1759. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CXV 


wurde dadurch nicht wesentlich geändert, nur dals dem Latein etwas 
mehr Zeit gewidmet ward. Sie führte seitdem den Namen der 
»Kombinierten Waisenhaus- und Ägidienschule«, bis sie denselben vor 
etwa 50 Jahren mit ihrer jetzigen Bezeichnung als »Waisenhausschule« 
vertauschte. Das einst so hoch gepriesene Fachlehrsystem wich im 
Laufe der Zeit dem Klassensystem; das Latein kam 1835, das Fran- 
zösische erst 1858 ın Wegfall. Was die Anstalt einstmals gewollt 
und gewesen, ist kaum noch als dunkle Sage der Nachwelt bekannt. 

In demselben Jahre, in welchem Direktor Zwicke das Publikum 
in der »Vorläufigen Nachricht« mit den Einrichtungen der neuorgani- 
sierten Waisenhausschule bekannt machte, verlegte Herzog Karl seinen 
Wohnsitz aus dem Schlofs seiner Väter zu Wolfenbüttel nach Braun- 
schweig. Fast scheint es, als ob dieser Wechsel die Geneigtheit des 
Fürsten, das Schulwesen der neuen Residenz immer mehr zu vervoll- 
kommnen, nur noch gesteigert hätte; denn schon im folgenden Jahre 
beschäftigte sich die herzogliche Regierung mit dem Plane, für die 
sämtlichen sogenannten grolsen Schulen der Stadt eine gemeinsame 
und einheitliche Schulordnung zu erlassen. Aufser den beiden 
Gymnasien und der Realschule rechnete man zu diesen Anstalten 
auch die beiden Schreibschulen und die Reste des Ägidianums, die 
man bei dieser Gelegenheit als eine Art von Progymnasium oder als 
Trivialschule, wie man es nannte, zu der Realschule ins Waisenhaus 
zu verlegen beabsichtigte. 

Mit der Ausführung des Plans wurde der einflulsreiche Geheime- 
rat von Schliestedt! beauftragt, der seinerseits wieder den Kon- 

! Heinrich Bernhard Schrader von Schliestedt, geb. 1706 als ein 
Sohn des Patriziers und Bürgermeisters Paul Schrader, war unter Karl I zuerst 
Hofrat, seit Februar 1754 Geheimrat und Klosterratspräsident, nannte sich seit jener 
Zeit nach seinem Rittergute »von Schliestedt«, wurde 1770 Präsident der Kammer 
und Dekan zu St. Cyriaci, und starb am 10. Juli 1773. Auf Herzog Karl I, dessen 
kostspielige Neigungen und Projekte er entweder forderte oder doch nicht zurück- 
hielt, übte er einen fast uneingeschränkten Einflufs. Als bald nach dem sieben- 
jährigen Kriege dem Lande der Staatsbankerott drohte, brachte Schliestedt viele 
ebenso durch Sparsamkeit gegen sich auf, wie früher seine Verschwendung Anstols 
erregt hatte. Auch Lessing fühlte sich durch ihn in seinen Hoffnungen auf Ver- 
besserung seiner Lage getäuscht. Daher das ungünstige Urteil über ihn in einem 
Briefe an Eva König vom 17. Sept. 1773 (Freundschaftl. Briefwechsel zwischen 
G.E. Lessing und seiner Frau. 2 Bde. Berlin 1789. II, 94): »Ich weils nicht, ob 


Sie es gehört, oder von ungefähr in den Zeitungen gelesen haben, dafs vor 
8 Wochen der einzige Mann in Braunschweig starb, durch den Alles und Jedes, 


8*r 


CXVI - Einleitung I 


sistorialrat Bütemeister!, den Generalsuperintendenten Mejer?, den 
Bürgermeister Wilmerding? und den Direktor Zwicke zur Mit- 
arbeit heranzog. Der letztere gehörte der Kommission als Schrift- 
führer an. Es kann kaum zweifelhaft sein, dafs er gerade den mals- 
gebenden Einfluls ausübte, zumal ein anderer eigentlicher Fachmann 
unter den Herren nicht vorhanden war. Die Rektoren der Gymnasien 
hatte man beiseite gelassen. 

Im September 1755 hatte die Kommission ihre Arbeiten be- 
endet?. Das Resultat derselben liegt vor in der unter 39 mitgeteilten 
»Punctation behuef einer beisern Einrichtung der grolsen 
insonderheit der lateinischen Schulen in Braunschweig und 
der demnächst für dieselben abzufalsenden Schulordnung« 
(S. 298 f.). Dieselbe ist klar und einsichtig gedacht, mit Sorgfalt 
und Sachkenntnis ausgearbeitet. Noch heute erweckt sie ein nicht 
unbedeutendes schulgeschichtliches Interesse. Bei der reichen Fülle 
des Inhalts sei es gestattet nur einige Punkte hervorzuheben. 

Zunächst mufs es als ein glücklicher Gedanke erscheinen, dals 
man für die Verwaltung der sogenannten grolsen Schulen eine eigene 
Kommission, den Schulsenat, einsetzen wollte. Dem Fachmann frei- 
lich war man keineswegs geneigt in diesem Kollegium neben den 
geistlichen und weltlichen Mitgliedern eine Stimme einzuräumen. Es 
mulste noch eine lange Zeit vergehen, ehe man einsah, dals, wie in 
juristischen Dingen dem Rechtsgelehrten, in kirchlichen dem Theo- 
logen, ın medizinischen dem Arzt, so in den Angelegenheiten der 
Jugendbildung dem Schulmann ein einflufsreiches Wort gebührt. 
Offenbar hing die Ausschliefsung der Schulmänner von dem Schul-. 
was geschehen sollte, geschah. Er war der unglaublichste Verzögerer und Trödler, 
der je unter der Sonne gelebt und ihm allein habe ich die Schuld gegeben, dafs 
meine Sache so auf die lange Bank geschoben worden.« Ruhiger und unparteiischer 
urteilt Venturini über ihn (Brschw. Gesch. S. 556 f.). Für die Hebung des Schul- 
wesens hatte Schliestedt jedenfalls ein sehr warmes Interesse, und namentlich hatte 
das Collegium Carolinum ihm ungemein viel zu verdanken. 

! Julius Christian Heinrich Bütemeister, geb. 1715, gest. 1775, war 
Kriegs- und Konsistorialrat. | 

? Nikolaus Gerhard Mejer, geb. 1710, gest. 1784, war 1752 Superintendent, 
1753 Generalsuperintendent geworden. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 79. 

® Joh. Heinrich Wilmerding, geb. 1705, gest. 1782, wurde 1749 Syn- 
dikus; wann er Bürgermeister geworden, ist nicht festzustellen. 


* Protokoll vom 11. September im Braunschweiger Stadtarchiv. 
6 S. 298. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CXVH 


senat mit der geringen Wertschätzung zusammen, die man überhaupt 
dem Lehrerstande zu jener Zeit noch angedeihen hels!., 

An eine wesentliche Erhöhung der Lehrerbesoldungen dachte 
man nicht, vielleicht dafs auch die finanzielle Lage der Schulkollegen 
durch die teils schon vollendete, teils beabsichtigte Kombination der 
unteren Klassen der Gymnasien? für den Augenblick leidlich gebessert 
war. Ein Gewinn war es ımmerhin, dafs man den Lehrern die stets 
lästige, oft geradezu despektierliche persönliche Einziehung ihrer Bezüge 
abzunehmen und dem Registrator des zu errichtenden Schulärariums 
zu übertragen beabsichtigte”. Auch darin zeigt sich ein gewisses 
Bemühen die Reputation des Standes zu heben, dals man die Schul- 
kollegen von dem Tragen der Leichen, das sie bislang noch in ein- 
zelnen Fällen hatten verrichten müssen, gänzlich befreien wollte®. 

Um die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrer zu fördern und 
auch den Schülern eine Gelegenheit zur Erweiterung ihrer Bücher- 
kenntnis zu bieten, wird für die Verwaltung der Bibliotheken der 
beiden Gymnasien eine bestimmte Ordnung in Vorschlag gebracht. 
Die Anfänge derselben reichten bis ins 17. Jahrhundert zurück°. 
Jetzt wollte man, um die Hülfsmittel nicht zu zersplittern, die Samm- 
lungen beider Anstalten vereinigen und sie der umsichtigen Ver- 
waltung eines Bibliothekars unterstellen ®. 

In Bezug auf die Begleitung der Leichen von seiten der Schüler 
und Lehrer der Gymnasien wird keine Veränderung in Vorschlag 
gebracht”; aber der Kirchenbesuch wird Lehrern und Schülern nur noch 
für die Gottesdienste an den Sonn-, Fest- und Bufstagen zur Pflicht 
gemacht, die Beteiligung an den Wochengottesdiensten auf die viertel- 
jährigen Katechismuspredigten eingeschränkt®. Die Kurrendaner soll- 
ten aus den Gymnasien in die Armenschulen verwiesen werden, 
gewils ihnen selbst wie den Gelehrtenschulen zum Nutzen®. Unter 

! Vergl. auch 8. 316. 

3 Vergl. S. 308 und oben S. CI. 

3 8. 316 f. 

48. 314. 

5 Krüger, Vorrede zu dem Verzeichnis der Bibliothek des Obergymnasiums, 
S. XIU; Dürre, Gelehrtenschulen S. 42f. 

e S. 320. 

78. 340. 


8 5. 335. 
»S. 330f. 


CXVIH Einleitung I 


den Bestimmungen über die Sitten der Schüler macht es auf die 
Nachwelt einen erheiternden Eindruck, wenn den Primanern und 
Selektanern unter gewissen Einschränkungen das Tragen eines Degens 
erlaubt wird!. Um das willkürliche und frühzeitige Fortlaufen von 
den Schulen zu der Universität zu verhindern, wird jedem Schüler, 
der abgeht, falls er anders auf spätere Beförderung hoffen will, die 
Einholung eines Schulzeugnisses zur Pflicht gemacht ?. 

Den Schwerpunkt der Punktation bildet die Unterrichtsordnung. 
Dieselbe ist ungemein eingehend und sorgfältig ausgeführt und ent- 
hält eine so grofse Menge von praktischen Winken und Vorschriften, 
dafs sie als eine Fundgrube für die Kenntnis der damaligen Pädagogik 
angesehen werden darf. Sie ist der Ausdruck der Schulmeister- 
weisheit des spätern Pietismus, nur hie und da von einigen Besonder- 
‚heiten gereinigt. Das Fachsystem findet in den Lateinschulen keine 
Aufnahme; eine Dispensation vom Griechischen soll nicht gestattet 
sein®; die zu jener Zeit ganz allgemein gebräuchliche Unterscheidung 
der Lektionen auf der obersten Stufe in publicae und privatae wird 
zwar noch fest gehalten, doch jeder, der die öffentlichen Stunden 
mitnimmt, auch zur Teilnahme an den privaten verpflichtet‘. Ferien 
werden, dem Halleschen Gebrauch zuwider, bewilligt®. 

Bemerkenswert ist die Stellung, die man der Realschule in dem 
Schulorganismus der Stadt zuweisen will. Im Grunde soll sie gar 
keine selbständige und in sich abgeschlossene Anstalt sein, sondern 
weiter nichts als eine Ergänzung zu den übrigen Schulen bilden, in 
der für einen jeglichen Schüler aus der Stadt, wenn es ihm für seinen 
zukünftigen Beruf wünschenswert ist, in den modernen Sprachen, in 
den Realien, hauptsächlich aber in den mathematischen, naturgeschicht- 
lichen und technischen Disziplinen eine angemessene Unterweisung 
bereit steht. Die Stunden derselben sind daher auch so gelegt, dals 
sie mit den Lektionen der übrigen grofsen Schulen nicht zusammen- 
treffen. Es sollte also eine Anstalt werden, die weit weniger den 
Realschulen, als den Fortbildungsschulen der Jetztzeit entspricht. 

18. 326, $ 13. 

25. 388. 

3 S. 344. 

“8. 343f. 


5 S. 381. 
65. 344 und 352fl. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig UXIX 


Den Schlufs der Punktation bildet ein Promemoria, die Errich- 
tung eines Seminarium philologicum betreffend. Der Verfasser des- 
selben ist nicht genannt, doch liegt es nahe an Zwicke zu denken. 
Was darın in Vorschlag gebracht wird, ist ja in Hinsicht sowohl auf 
die Mittel als auf die Ziele noch kümmerlich; immerhin aber lälst 
dieser Vorschlag erkennen, dals man sich in Braunschweig von der 
Unzulänglichkeit der bisherigen Gymnasiallehrerbildung zu überzeugen 
begann. 

Ohne Zweifel hätte die Punktation dem höheren Schulwesen der 
Residenz eine feste Grundlage und eine wohlzusammenhängende Glie- 
derung zu geben vermocht; aber sie erlangte nicht die gesetzliche 
Geltung. Als sie dem Rat zur Zustimmung vorgelegt wurde, hatte 
dieser mancherlei Einwendungen. Namentlich gefiel es nicht, dafs 
durch die Errichtung des Schulsenats der Einfluls der städtischen 
Behörden gemindert werden sollte; auch auf das uneingeschränkte 
Besetzungsrecht an dem städtischen Martineum und auf die Prüfung 
der Lehrer wollte man nicht verzichten. In einem ungnädigen 
Schreiben des Herzogs vom 14. Mai 1756 wurden die Einwürfe des 
Magistrats widerlegt; bald aber kam der siebenjährige Krieg und 
brachte über Braunschweig viel Verwirrung. Als dann der Friede 
wiederkehrte, hatte man Jahrzehnte lang viel zu viel mit der allge- 
meinen Not des Landes zu thun, als dals man für die Schulen Zeit 
oder gar Geld zur Verfügung gehabt hätte. So sank der ganze Plan 
ın Vergessenheit, und nur einem glücklichen Zufall ist es zu danken, 
dafs überhaupt von ihm noch nach 130 Jahren hat wieder die Rede 
sein können. Dals er es aber verdient aus dem Dunkel des Akten- 
. regals wieder an das Licht gezogen zu werden, wird dem Schul- 
historiker, der ıhn studiert, nicht zweifelhaft sein. 

Mit der Ordnung für die kleinen Schulen, der Umgestaltung der 
Waisenhausanstalt und den Versuchen zur Hebung der Gymnasien 
und zur Herstellung einer einheitlichen Ordnung für die grolsen 
Schulen sind die Verdienste des Herzogs Karl I um das Bildungs- 
wesen der Hauptstadt noch nicht erschöpft. Seine glänzendste That 
bedarf noch der Erwähnung. Es ist die Stiftung des nach ihm be- 
nannten Collegium Carolinum!. 


! Die Hauptquelle für die Geschichte dieser Anstalt bis zu ihrer Aufhebung 
durch König Jerome im J. 1808 bildet Eschenburgs Entwurf einer Geschichte 


CXX Einleitung I 


Die Entstehung und Entwickelung dieser Anstalt ist unauflöslich 
mit dem Namen des damaligen Propstes und Hofpredigers, späteren 
Abts und Konsistorialvizepräsidenten Jerusalem verknüpft. Seit 
1742 verweilte derselbe am fürstlichen Hofe zu Wolfenbüttel als Er- 
zieher des Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand (geb. 1735) und er- 
freute sich in hohem Mafse der Gunst des regierenden Herrn und der 
der Herzogin Philippine Charlotte, der geistvollen Schwester Friedrichs 
des Grofsen. Bis an das Ende seines langen Lebens blieb er dem 
Fürstenhause als einflulsreicher Ratgeber verbunden. In seltener 
Harmonie vereinigte sich ın ihm scharfsinniges Urteil mit humaner 
Gesinnung, umfassende Gelehrsamkeit mit einem feinen Gefühl für 
Schönheit und guten Geschmack. Dabei besals er in hohem Malse 
die Gabe im Verkehr mit Höherstehenden bei aller Verbindlichkeit 
der Umgangsformen die eigene Würde zu wahren. In seiner Theo- 
logie huldigte er einem aufgeklärten Supernaturalismus. Als Schüler 
Gottscheds wendete er der deutschen Sprache und Litteratur seine 
besondere Aufmerksamkeit zu und gehörte selbst zu den wenigen 
Grottesgelehrten seiner Zeit, die anziehend und geschmackvoll zu 
schreiben verstanden. Seine »Betrachtungen über die vornehmsten 
Wahrheiten der Religion« haben bis in das jetzige Jahrhundert hinein 
als Erbauungsbuch der gebildeten Stände gedient. 


des Collegii Carolini (1812). Das Werkchen ist klar und mit Wahrheitsliebe ge- 
schrieben, doch darf man nicht vergessen, dafs die Anschauungen des Verfassers 
durch eine pietätsvolle Anhänglichkeit an die Anstalt und an ihren geistigen Vater 
Jerusalem beeinflulst werden. 

i Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem wurde geboren zu Osnabrück aın 
22. November 1709 und studierte in Leipzig Theologie, trieb daneben aber auch 
in ausgedehnter Weise philosophische und ästhetisch - litterarische Studien. Durch 
Gottsched wurde er in die Wolfsche Philosophie eingeführt und gehörte auch 
dessen deutscher Gesellschaft an. Seine Bildung vervollkommnete er durch einen 
mehrjährigen Aufenthalt in den Niederlanden und in England. Am braunschweigi- 
schen Hofe, der damals noch in Wolfenbüttel residierte, verweilte er seit 1742 als 
Hofprediger und Erzieher des Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand, wurde 1744 
Titularpropst des Kreuz- und Ägidienklosters zu Braunschweig, 1749 als Mosheims 
Nachfolger Abt von Marienthal, 1752 Abt von Riddagshausen, 1772 Vizepräsident 
des Konsistoriums, 1787 von Göttingen aus Doktor der Theologie, nachdem ihn 
schon lange vorher auch die Helmstedter Fakultät promoviert hatte. Seit 1751 wohnte 
er in Braunschweig, wohin er mit seinem Zöglinge gezogen war, damit dieser unter 
seiner Aufsicht und Leitung das Collegium Carolinum besuche. Dort starb er am 
2. September 1879. Sein Sohn war der unglückliche Jüngling, dessen Selbstmord 
Goethe den Anlafs zu seinem Werther gab. Ein von dem Herausgeber entworfenes 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CXXI 


‚ Nach seiner ganzen Geistesrichtung und Lebensstellung hatte 
Jerusalem für die Bildung der niederen Schichten der Bevölkerung 
nur wenig Interesse; vorwiegend war es die Jugend des Adels, des Be- 
amtenstandes und der höheren Bürgerkreise, der er seine Aufmerk- 
samkeit zuwendete.e Für diese aber, so meinte er, sei in den 
Lateinschulen, wie überall, so auch in Braunschweig nicht genügend 
gesorgt. Nicht in der Zahl oder ın den Fähigkeiten der Lehrer liege 
der Mangel, sondern in der ganzen Organisation dieser Anstalten. 
Einerseits wären sie zu den Universitäten nicht in eine angemessene 
Beziehung gesetzt, andererseits hätten sie nur solche Schüler im Auge, 
die aus der Gelehrsamkeit ihren Lebensberuf machen wollten. Diese 
könnten gar nicht früh genug nach den Hochschulen eilen und nähmen 
doch nichts mit sich als einen armseligen Vorrat von lateinischen 
und noch wenigeren griechischen Wörtern. Weil bei ihnen der Ver- 
stand noch wenig geordnet, der Geschmack für das Wahre, Gute und 
Nützliche nicht geweckt sei, weil sie die Wissenschaften, denen sie 
sich widmen wollten, und deren Hülfsmittel gar nicht kennten, so 

- blieben auch die akademischen Studien für sie meist ohne rechten 
Erfolg. Für solche junge Leute aber, welche keine sogenannte Ge- 
lehrte werden wollten, seien die Lateinschulen überhaupt gar nicht 
geeignet. Und doch machten »diejenigen, welche in den grölsesten 
Welthändeln der Welt nützten, die mit Einrichtung gemeinnütziger 
Anstalten, der Handlung, der Verbesserung der Naturalien, Vermehrung 
des Gewerbes und der Landhaushaltung umgingen, die sich auf 
mechanische Künste legten, die zu Wasser und zu Lande, über und 
unter der Erde das gemeine Beste suchten«, einen ebenso wichtigen 
Teil des Gemeinwesens als die Gelehrten aus. Der Staat habe die 
dringende Verpflichtung, auch auf ihre zweckmälsige Ausbildung ernst- 
lich Bedacht zu nehmen. Man müsse daher eine selbständige, in 
freier und weitherziger Weise geleitete Anstalt zu errichten suchen, 
ın der junge Leute, wenn sie studieren wollten, durch encyklopädische 
Lehrkurse auf die wissenschaftlichen Vorträge der Universitäts- 
professoren vorbereitet würden, wenn sie den höheren Berufsarten des 
praktischen Lebens sich zu widmen gedächten, eine zweckentsprechende 


Lebensbild Jerusalems findet sich in der Zeitschr. f.d. hist. Theol. v. Kahnis, 
Jahrg. 1869, IV, 8. 530—574, und danach etwas verkürzt in den Lebens- und 
Charakterbildern (Wolfenbüttel 1881) S. 105—166. 


CXXU Einleitung I 


allgemeine Bildung erhielten. Beide Arten von Jünglingen aber müls- 
ten neben den Wissenschaften zu einem gesunden Urteil (bon sens), 
gutem Geschmack und feinen Sitten angeleitet werden!. Allerdings 
hatten schon andere vor Jerusalem die Unzulänglichkeit der Latein- 
schulen erkannt. Aber vielleicht hat keiner mit grölserer Klarheit 
als er die Diagnose gestellt. Das Heilmittel, das er empfahl, mulste 
dem zusagen, der wie er von der Unmöglichkeit die vorhandenen 
Gymnasien in zweckentsprechender Weise zu reformieren, über- 
zeugt war. 

Eine Gelegenheit mit seinen Ansichten über die Reform des 
höheren Schulwesens hervorzutreten bot sich Jerusalem nicht lange 
nach seiner Ankunft am Hofe zu Wolfenbüttel. Als im Jahre 1742 
an der Klosterschule zu Marienthal, einer zur Ausbildung zukünftiger 
Theologen bestimmten Anstalt?, beide Lehrer gestorben waren, erhob 
sich für die herzogliche Regierung die Frage, ob der frühere Zustand 
dder Schule wiederhergestellt oder durchgreifende Veränderungen mit 
ihr vorgenommen werden sollten. Wie andere einsichtsvolle Männer, 
so wurde auch Jerusalem um sein Gutachten ersucht und trat nun 
mit dem Vorschlage hervor, die Marienthaler Klosterschule, die über- 
haupt nicht mehr zeitgemäfs sei, ganz eingehen zu lassen und mit 
Hilfe der auf dieselbe bislang verwendeten Mittel in der Stadt Braun- 
schweig ein Institut zu errichten, in dem der soeben dargelegte Plan 
zur Ausführung käme®,. 

Anderer Meinung war der gleichfalls befragte gelehrte General- 
superintendent Köcher. Er meinte, dem von Jerusalem dargelegten 
Bildungsbedürfnis der höheren Stände werde genügt, wenn die beiden 
Lateinschulen der Stadt zu Gymnasien erhoben und durch selekte 


ı Jerusalems Ansichten über die Unzulänglichkeit der Lateinschulen sind, 
von ihm selbst dargelegt, in der unter 34 A mitgeteilten »Vorläufigen Nachricht« 
enthalten, rückhaltloser noch in einigen für die Veröffentlichung nicht bestimmten 
Denkschriften, aus denen die Hauptgedanken bei Eschenburg, Coll. gar! 
S. ff. und S. 12 ff. wiedergegeben sind. 

? Von den Klosterschulen des Herzogtums — Marienthal, Riddagshausen, 
Amelungsborn u. Michaelstein — wird im 2. Bande noch des weiteren die Rede sein. 

* Eschenburg, Coll. Carol. S. 1ff. 

* Joh. Chr. Köcher, geb. 1699, 1737 in Göttingen zum Doktor der Theologie 
promoviert, seit 1742 Generalsuperintendent, 1745 Mitglied des Kuratoriums des 
Collegium Carolinum, ging 1751 als ordentlicher Professor der Theologie nach 
Jena, wo er 1772 starb. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 76. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CXXIH 


Klassen — wie man sie in Halle eingerichtet hatte! — erweitert 
würden. Er fürchtete, der gestiftete Nutzen würde mit den erwach- 
senden Kosten nicht in Einklang stehen; die vorhandenen Latein- 
schulen würden auf der oberen Stufe ihrer Schüler beraubt werden; das 
ganze Unternehmen nicht von Bestand sein?. Dementgegen bezweifelte 
Jerusalem, dafs mit einem weiteren Ausbau der Gelehrtenschule, nament- 
lich für die, welche nicht studieren und doch eine höhere Bildung 
erwerben wollten und mülsten, überhaupt zureichend zu sorgen mög- 
lich sei. Die Gymnasien könne und dürfe man ihren eigentlichen 
Zwecken nicht entziehen; nur von der Begründung einer selbständigen, 
von den Gelehrtenschulen gänzlich losgelösten Anstalt sei Abhilfe zu 
hoffen. Der Gegensatz der beiden Männer hat mit gewissen Strö- 
mungen der Gegenwart einige Ähnlichkeit. Köcher vertritt die Grund- 
sätze des humanistischen Gymnasiums. Jerusalem freilich ist weit 
entfernt von einer Richtung, wie sie bald darauf in Braunschweig 
der Pastor Zwicke vertrat und wie sie auch heutzutage sich bemerk- 
lich macht, einer Richtung, die nichts als das unmittelbar Nützliche 
und praktisch sofort Verwendbare im Auge hat. Was er erstrebt, 
ist von einem einseitigen Realismus ebenso weit wie von einseitigem 
Humanismus entfernt: es ist die Vereinigung beider Richtungen unter 
dem höheren Gesichtspunkte des bon sens und guten Geschmacks. 
Die Anstalt, die ihm vorschwebt, ist eine Einheitsschule im höheren Stil, 
die, eine breite und feste gymnasiale Grundlage voraussetzend, den 
aus den höheren Lebenskreisen stammenden oder denselben zustrebenden 
Jünglingen einerseits Gelegenheit giebt das, was ihnen, sei es für zu- 
künftige Universitätsstudien, sei es für eine höhere Berufsart des 
praktischen Lebens not und nützlich ist, je nach verschiedenen 
Gruppen in zureichender Weise zu erwerben, die andererseits aber 
ein Grewicht darauf legt das, was Gemeingut aller Grebildeten sein 
muls, unverkürzt und in gefälliger Form ihnen darzureichen. 
Jerusalem fand für seine Pläne bei dem Fürsten ein geneigtes 
Ohr, bei dem Hofrat Schrader, dem späteren Geheimrat von Schlie- 
stedt?, eine einflufsreiche Fürsprache. Beiden schmeichelte es eine 
Anstalt ins Leben zu rufen, die einen so eigenartigen und vornehmen 


! Paulsen, Gel. Unterr. S. 387. 
? Eschenburg, Coll. Carol. S. 11. 
3 Vergl. oben S. CXV, Anm. 1. 





CXXIV Einleitung I 


Charakter an sich trug und dem Lande Ehre, der Hauptstadt gute 
Einnahmen versprach. So entstand 1745 das Collegium Carolinum, 
dessen ursprüngliche Absicht und Organisation aus den unter 34 A—K 
(S. 203—256) abgedruckten Dokumenten zu erkennen ist. 

Die Verwaltung des Collegium Carolinum wurde einem Kura- 
torıum übertragen, das sich anfangs aus dem Abt Mosheim! ın 
Helmstedt, dem Hofrat Erath?, dem Greneralsuperintendenten Köcher 
und den Propst Jerusalem zusammensetzte. Als die erstgenannten 
von diesen Männern teils fortzogen, teils starben, behielt Jerusalem 
die Leitung allein; von Anfang an war er, und für die weitere Ent- 
wickelung blieb er die Triebfeder des Granzen®. 

Von den mitgeteilten Schriftstücken erschien das erste, die 
»Vorläufige Nachricht von dem Collegio Carolino zu Braun- 
sch weig« (S. 203ff.) bereits einige Monate vor Eröffnung des neuen 
Instituts (d. d. 17. April 1745). Das Schriftchen ist von Jerusalem 
selbst verfalst und verfolgt den Zweck das Publikum über die Be- 
weggründe, die zu der Errichtung des Carolinums geführt hatten, 
sowie über die Bestimmung und die Einrichtungen desselben aufzu- 
klären und die öffentliche Meinung dafür zu gewinnen. Sie giebt 
ein so deutliches Bild von dem, was die Stifter erstrebten, dafs es 
keines weiteren Zusatzes bedarf. Der »Vorläufigen Nachricht« sind 
dann noch von Zeit zu Zeit fernerweite »Nachrichten« gefolgt, ohne 
dals jedoch wesentlich neue Gesichtspunkte darin sich aussprächen®. 

Die übrigen Stücke beziehen sich zum grölsten Teil ausschliels- 
lich auf das Leben und Studieren derjenigen jungen Leute, die in 
dem Collegium selbst neben dem Unterricht auch Wohnung, Be- 
köstigung und Beaufsichtigung fanden, so unter B die »Gesetze 
für diejenigen, welche ıns Collegium Carolinum aufge- 


i Joh. Laurentius Mosheim, geb. 1693 oder 1694, seit 1723 Professor der 
Theologie in Helmstedt, Abt von Marienthal und Michaelstein, war ins Kuratorium 
hineingezogen, damit die Anstalt durch den Ruhm seines Namens empfohlen werden 
möchte. Er ging 1747 als Kanzler nach Göttingen, wo er 1755 am 9. September 
starb. Vergl. Herzog, Theol. Encyklop. X?, 328 ff.; Eschenburg, Coll. Carol. S. 7. 

?2 Anton Ulrich von Erath, geb. 1709, lehrte am Collegium Carolinum 
Reichshistorie und braunschweigische Geschichte, ging später nach Dillenburg als 
nassauischer Justiz- und Regierungsrat und starb 1773. Vergl. Eschenburg, 
Coll. Carol. S. 66. 

3? Eschenburg, Coll. Carol. S. 21. 

* Eschenburg, Coll. Carol. S. 14ff.; 147. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig UXXV 


nommen werden« (S. 217ff.), unter C »Serenissimi gnädigste 
Declaration den dem Collegio Garolino verliehenen Burg- 
frieden betreffend« (8. 225£f.), unter D »Serenissimi gnä- 
digste Verordnung das Leihen an die Studiosos COarolini 
betreffend« (S. 227); unter E die »Anweisung an die Cura- 
tores des Carolini die besonderen Fähigkeiten eines oder 
des andern Studiosi betreffend« (S. 228); unter F das vom 
Generalsuperintendent Köcher für die Morgen- und Abendandachten 
verfalste »Gebet fürs Carolinum« (S. 228f.)!, unter H die »Kurz- 
gefalsten Puncte die Aufnahme in das Collegium Carolinum 
betreffend« (8. 243ff.), unter J die »Instruction für die Hot- 
meister wegen der Repetition derer Lectionum« (S. 250f.), 
unter K den »Entwurf des jährlichen Aufwandes im Collegio 
Carolino zu Braunschweig« (S. 254ff.). 

Daneben erscheint unter G das Vorlesungsverzeichnis 
(S. 229ff.), mit dem das ÜCarolınum, nachdem bereits im Sommer 
1745 einige Professoren gelesen hatten, im Herbst dieses Jahres 
seine Thätigkeit begann. Es bietet dadurch noch ein besonderes 
Interesse, dafs darin »bei jedem Collegio der Endzweck und die 
Art und Weise, wozu und wie es gelesen werden soll?«, umständlich 
angegeben wird?. 

Die Sprachen, welche in dem Vorlesungsverzeichnis den Stu- 
dierenden angeboten werden, sind mannigfach. Erfreulich ist es, dals 
man neben dem Hebräischen, Griechischen, Lateinischen, Französi- 
schen, Englischen und Italienischen auch der Muttersprache und 
ihrer Litteratur eine besondere Beachtung zuwendet. Man trieb 
Grammatik und Stilistik; um aber die Jünglinge »durch den Reich- 
tum, durch die Pracht, Vortrefflichkeit und Hoheit der Sprache zu 
einer desto grölseren Liebe und Verehrung derselben zu reizen«, las 
man mit ihnen wöchentlich zweimal einen deutschen Dichter, zu- 
nächst Haller, ohne jedoch Opitz, Canitz und Hagedorn ausschliefsen 


! Fernerweite Nachricht von dem Coll. Carol. zu Braunschweig. 1746. 4°. 
S. 8; Eschenburg, Coll. Carol. S. 26. 

2 S. 230%, 

? Der Semesteranfang war zuerst am Carolinum Ostern und Michaelis. Bald 
aber verlegte man den Beginn der halbjährlichen Vorlesungen an das Ende der 
beiden Messen, also in den August und Februar. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. 
S. 20f. Diese Einrichtung hielt sich bis zu der Aufhebung der Anstalt im Jahre 1808. 


CXXVI Einleitung I 


zu wollen!. Lessing hatte damals kaum erst die Meifsener Schul- 
bank verlassen; Herder war ein Kind von zwei Jahren; Goethe und 
Schiller waren noch nicht geboren. Die Pflege der Muttersprache 
ist eins der hauptsächlichsten Verdienste des Carolinums geworden. 
Gärtner, Ebert, Zachariä?, auf Jerusalems Antrieb berufen, haben 
an ihm als Lehrer gewirkt. Befruchtende Strahlen fielen von hier 
aus über die deutschen Lande. Lange bevor die hellsten Gestirne 
des deutschen Dichterhimmels in Weimar zusammentrafen, leuchtete 
über Braunschweig bereits das Morgenrot der deutschen Dichtkunst 
verheilsungsvoll empor‘. 


Auch von den Wissenschaften und Künsten bietet das Vor- 
lesungsverzeichnis eine reiche Fülle. Es werden hebräische, griechische 
und römische Altertümer, Geographie in Verbindung mit Grenealogie 
und Heraldik, Universal-, Kirchen-, Reichs- und Litterargeschichte. 
Philosophie, Mathematik, Physik, Kameral- und Polizeiwissenschaft, 
Architektur, italienische Buchhaltung und Handelskunde angekündigt: 
dazu treten für die Künstler und Kunstsinnigen Zeichnen, Malerei 
und Skulptur; die fürstlichen Sammlungen werden der Benutzung 
frei gestellt; der künftige Arzt findet Unterweisung über den Bau des 
menschlichen Körpers und über die materia medica; die Begründung 
eines botanischen Gartens und eines theatrum anatomicum wird in 
baldige Aussicht gestellt; wer sich der Rechtsgelehrsamkeit zu wid- 
men gedenkt, kann bereits römisches und deutsches Recht kennen 
lernen, und dem zukünftigen Theologen wird sowohl die natürliche 
wie die geoffenbarte Gottesgelahrtheit vorgetragen. Die Unterrichts- 
sprache sollte in allen diesen Wissenschaften die deutsche sein. 


Zu den Sprachen und Wissenschaften gesellte sich Reiten, Tan- 
zen, Drechseln und das zu jener Zeit so sehr beliebte Glasschleifen. Auch 
zur Vervollkommnung in der Vokal- und Instrumentalmusik bot sich 


ı 5. 233f. 

2 Gärtner (} 1791) wirkte am Carolinum seit 1748 als Lehrer der Sitten- 
lehre und der deutschen Redekunst; Ebert (F 1795) wurde am Carolinum 1748 
Hofmeister und lehrte von 1749 die englische Sprache, später auch Griechisch und 
Literar-Geschichte; Zachariä (fF 1777) wurde gleichfalls 1748 Hofmeister am 
Carolinum, las über Dichtkunst, Mythologie und ein sogenanntes Zeitungskolleg. 
Näheres bei Eschenburg S. 63f., 69f., 91f., vergl. unten S. 406f. und Schiller, 
Braunschweigs schöne Literatur S. 42ff., 49ff., 63 ff. 

3 Vergl. Schiller, Braunschweig’s schöne Literatur S. 199ff. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CXXVI 





geeignete Gelegenheit; die Konzerte, welche wöchentlich veranstaltet 
wurden, haben sich lange Zeit grofser Beliebtheit erfreut!. 

Das hier dargelegte Programm des Collegium Carolinum hat sichı 
ım Lauf der Jahrzehnte nur wenig geändert. (Geringe Zusätze. 
geringe Auslassungen waren, wie schon aus der Vergleichung mit dem 
Lektionsverzeichnis von 1774, das in No. 40 auf S. 406—411 mitgeteilt 
ist, genugsam hervorgeht, nicht imstande den (Gresamtcharakter des 
Lehrstoffs zu beeinträchtigen. Die jungen, unerfahrenen Leute in 
diesem bunten Gewirre zurechtzuweisen, war eine der Hauptaufgaben. 
die Jerusalem sich gestellt und die er mit. unermüdlicher Liebe bis 
in sein hohes Alter erfüllt hat?. 

Zu Professoren der neuen Anstalt wählte man zunächst, was 
man in der Stadt selbst an geeigneten Kräften auffinden konnte. 
Auch die Rektoren und Konrektoren der beiden Gymnasien waren 
darunter. Wo eine Lücke sich zeigte, rief man aus der Ferne ge- 
eignete Persönlichkeiten herbei. Die Gehalte waren nicht bedeutend, 
aber die Stellungen galten stets für ehrenvoll. Den Stand der Gym- 
nasiallehrer hat es gehoben, dafs man einzelne aus seiner Mitte zu- 
gleich zu Professoren am Carolinum ernannte. Eine beachtenswerte 
Stellung nahmen die Hofmeister ein, die unter den Karolinern 
wohnten und ihre Sitten und Studien beaufsichtigten. Für manchen 
strebsamen Mann ist das Hofmeisteramt die Staffel zu höheren Würden 
geworden. 

Von vornherein war die ganze Einrichtung des Collegium Caro- 
linum vorwiegend auf die Pensionäre, die eigentlichen Karoliner, 
zugeschnitten. Die, welche in der Stadt entweder bei ihren Eltern 
oder auch bei fremden Leuten wohnten, galten im Grunde, trotz aller 
gegenteiligen Versicherungen, doch nur als eine Art von Beiwerk. Später 
wurden sie sehr bezeichnend in amtlichen Erlassen Semikaroliner 
genannt. Der Fürst verlangte mit einer »edlen Ungeduld«, wie der 
Geschichtsschreiber der Anstalt sich ausdrückt?, dafs seine Lieblings- 
schöpfung, der er so vielen guten Willen und auch so bedeutende 
Geldaufwendungen widmete, nun auch viele Fremde, womöglich junge 
Herren vom Adel, Grafen- und Fürstensöhne herbeizöge. Hierdurch 


! Eschenburg, Coll. Carol. S. 28. 
? Vergl. S. 418 No. 24; Eschenburg, Coll. Carol. S. 22. 
3 Eschenburg, Coll. Carol. S. 21. 


CXXVIU Einleitung I 


erhielt das Carolinum von Anfang an das Gepräge einer grols an- 
gelegten Ritterakademie!. Diese in dem ursprünglichen Plane keines- 
wegs beabsichtigte Richtung brachte der Anstalt zunächst viel Glanz; 
zugleich aber lag darin der Keim zu einem langdauernden und nie 
überstandenen Siechtum. Die Inskriptionslisten der ersten Jahre 
zeigen 47, 60, 65, 61 Namen; schon 1749 sinkt der Zuzug auf 21, 
in den folgenden Jahren auf 16, 12, 4, 9 herab?. Hob sie sich 
dann auch wieder ın etwas, so kam die Zahl der Neueintretenden 
doch nur selten über 25 hinaus, trotz der gut klingenden Namen, 
die in der Liste der Lehrer verzeichnet standen. Wäre nicht Jeru- 
salem mit seinem ungemein grolsen Ansehen, mit seiner ausgebreiteten 
Bekanntschaft in den höchsten Kreisen, mit seinem unermüdlichen 
Werben und Empfehlen gewesen, so hätte schwerlich eine Macht der 
Erde von dem Carolinum ein frühzeitiges Grab abzuwenden vermocht. 
Es glich einem verkümmerten Körper, über den ein grolses und 
stattliches Gewand gezogen ist. Das Haupthindernis einer gedeih- 
lichen Entwickelung war das kostspielige Leben der Karoliner. Die 
Pension von 100 rthl. erscheint ja äufserst gering, zumal auch das 
Honorar für die öffentlichen Vorlesungen mit hineingerechnet war. 
Aber die Nebenausgaben, die sich kaum vermeiden lielsen, waren 
bedeutend; die Privatvorlesungen, die für den, der wirklich etwas 
lernen wollte, unerlälslich waren, erforderten grolse Summen. Dazu 
kam, trotz der Hofmeisteraufsicht, die üppige und ausgelassene Lebens- 
weise derer, denen die Börse mit Goldstücken gespickt war. Auch 
weniger bemittelte rils das Beispiel fort. So kann man es den 
Vätern kaum verargen, wenn sie Bedenken trugen ihre Söhne einer 
Anstalt anzuvertrauen, wo die Gelegenheit zu lernen vielfach so wenig 
benutzt wurde, und wo so mannigfache Klippen verborgen lagen, an 
denen Arbeitslust und Sittenreinheit zu scheitern drohten. 

Man hat dann viel an dem Carolinum herumkuriert. Man liels 
es an Anpreisungen in deutscher, französischer und englischer Sprache 
nicht fehlen; man änderte die Organisation der Verwaltung und setzte 
an die Stelle des Kuratoriums ein Konzilium der Professoren und Hof- 
meister; man erliefs neue Gesetze; man verpflichtete die Einwoh- 


I Petri, Wesen nnd Zweck des Coll. Carol. S. 29. 
2 Eschenburg, Coll. Carol. S. 97ff., wo die Matrikel des Collegium Caro- 
linum abgedruckt ist. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig UCXXIX 





ner der Stadt ihre Söhne, ehe sie dieselben zur Universität schickten, 
eine Zeitlang dem Collegium als Semikaroliner zu überweisen; man 
erliels für die Hofmeister eine sehr ausführliche und wohldurchdachte 
Instruktion: die unter 40—44 und unter 47 mitgeteilten Dokumente 
geben davon Zeugnis, wie ernstlich den leitenden Kreisen, wie unter 
KarlI, so auch unter seinem Nachfolger Karl Wilhelm Ferdinand 
(1780—1806), die Heilung des kränkelnden Organismus am Herzen 
lag. Aber es war wie wenn der Arzt seinem Patienten immer neue 
Rezepte verschreibt. Die auf den Kranken mit dem Auge der Liebe 
blicken, nehmen jedes kurze Aufflackern der Lebenskraft für ein Zei- 
chen der Genesung; die Kundigen aber schütteln das Haupt und fra- 
gen, wann es mit dem Leidenden zu Ende geht!. 

Für die Schulgeschichte hat das Carolinum in den letzten vier 
Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts und im Anfange des jetzigen 
fast nur noch ein pathologisches Interesse, trotzdem würdige und ge- 
lehrte Männer an demselben noch immer gewirkt haben und aus den 
Reihen der Schüler eine nicht geringe Zahl von braven und tüchtigen 
Beamten in Staat und Kirche hervorgegangen ist. Wir eilen über 
die letzten Zeiten hinweg. Das Pensionat, das 1791 bis auf zwei 
Studiosen zusammen geschmolzen war, hörte auf, ohne dals es einer 
formlichen Aufhebung bedurft hätte? Nun blieben die Semikaroliner, 
auf die man anfangs nur wenig geachtet, allein noch zurück. Eine 
Zeitlang dachte man daran die Universität Helmstedt, die gleichfalls 
kränkelte, nach Braunschweig zu verlegen und das Carolinum mit 
derselben zu vereinigen; aber man ging wieder davon ab?. Bald 
kam der Krieg. Bei Jena brach der vielhundertjährige Welfenthron 
in Stücken; Braunschweig fiel im Oktober 1806 den Siegern zur Beute, 
und es dauerte nicht lange, so nächtigte König Jerome von Westfalen, 
wo kurz zuvor noch Jerusalems Zögling geruht hatte. Die Stiftung 
Karls I wurde im November 1808 aufgehoben und in eine Militär- 
schule verwandelt®. 

Wie das Collegium Carolinum, so bietet auch das Volksschul- 


! Die Schülerzahl am Carolinum belief sich in den letzten Jahren des 18. Jahr- 
hunderts gewöhnlich auf 30—40, eine geringe Zahl für einen so grolsartig ange- 
legten Organismus. Vergl. Petri, Wesen und Zweck des Coll. Carol. S. 32 Anm. 

? Eschenburg, Coll. Carol. S. 43. 

® Eschenburg, Coll. Carol. S. 50. 

* Eschenburg, Coll. Carol. S. 54. 





CXXX Einleitung I 


wesen in der letzten Hälfte der Regierungszeit Karls I. und unter 
Karl Wilhelm Ferdinand kein erfreuliches Bild. Die auf Betrieb des 
Pastors Zwicke! erlassenen Verordnungen und die von ihm getroffe- 
nen Einrichtungen waren gewils an sich gut und löblich; aber sie 
genügten doch nicht, um dem Schulwesen der Stadt zu einer befrie- 
digenden Entwickelung zu verhelfen. Die zersplitterte Lage der etwa 
40 einzelnen Klassen an 40 verschiedenen Orten erschwerte die Aufsicht; 
der Mangel an öffentlichen Schulgebäuden pferchte die Jugend oft in 
ganz ungeeigneten, engen und dumpfen Lokalen zusammen; es kam 
vor, dals ein Schulhalter seine Anstalt nicht weiter zu führen wulste, 
weil ihm der Mietsherr die Wohnung kündigte; namentlich aber war 
es die stets unsichere und meist ungenügende Gehaltslage der Lehrer 
und Lehrerinnen, welche dem Gedeihen des Volksschulwesens wie ein 
unübersteiglicher Damm im Wege stand, und bei der uneingeschränk- 
ten Freiheit der Einwohner im Bereich der geeigneten Unterrichts- 
stufe für ihre Kinder den Lehrer zu wählen hatte die eine Anstalt 
unter Überfüllung, die andere unter Schülermangel zu leiden. Die 
Inspektion von seiten der Stadtprediger wurde zwar, wie das Protokoll- 
buch über die Kolloquien erkennen lälst, regelmäfsig geübt, aber sie 
reichte bei den obwaltenden Verhältnissen nicht aus, um wesentliche 
Besserungen zu schaffen. So lange man nicht imstande war gute 
Schulhäuser zu bauen und zureichende Besoldungen zu zahlen, blieben 
die einsichtigsten Organisationspläne auf Sand gebaut?. 

Gleichwohl hat es auch in jener Zeit der Stadt Braunschweig 
nicht ganz an guten Volksschulen gefehlt; sie waren aber nicht eine 
Frucht des Systems, sondern wuchsen allein aus der persönlichen 
Tüchtigkeit und dem guten Willen einzelner Lehrer hervor. Unter 
diesen wirklich tüchtigen Volksschullehrern wird vor allen der Vikarius 
Franke genannt, der auf der Wende des Jahrhunderts hinter der 
Burgmühle die Armenschule der Katharinen- und Andreasgemeinde 
leitete und mit ihr eine Industrieschule verband. Der Name des 
Mannes verdient der Nachwelt erhalten zu werden. Er zeigte, was 
Einsicht und treuer Eifer auch unter einem schlechten System zu 


! Vergl. oben S. CIX ff. 

2 Bode, Stadtverwaltung II, 48f. Rosiger malt die Zustände der Volks- 
schulen am Ausgang des vorigen Jahrhunderts Ribbentrop, Stadt Braunschweig 
II, 209. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig OXXXI 





leisten vermag!. Weaisenhaus- und Garnisonschule nebst dem Lehrer- 
seminar standen zu jener Zeit unter der Leitung von Friedrich 
August Junker, einem der verdienstvollsten Pädagogen, die Braun- 
schweig in seinen Mauern gehabt hat?. 


Weit schlimmer noch als um die Volksschulen war es in den 
letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts um die beiden Gym- 
nasien bestellt. Die äulseren Verhältnisse der Lehrer blieben im 
wesentlichen wenig genügend, wie sie gewesen. Aus Mangel an 
einem geregelten Pensionsfonds lieis man selbst Rektoren noch im 
Amte, wenn längst schon die Zügel über die Jugend den alters- 
schwachen Händen entfallen waren. Am schwersten lastete auf den 
beiden Anstalten die Konkurrenz des Carolinums, zumal seitdem durch 
die unter 42 mitgeteilte Verordnung von 1777 (S. 420f.) der Besuch 
desselben für alle Söhne Braunschweiger Einwohner, die sich dem 
akademischen Studium zuwenden wollten, obligatorisch gemacht war. 
Nicht früh genug konnten die halbwüchsigen Burschen der Schulbank 
enteilen, um auf dem Carolinum Studenten spielen zu können. Die 
in der angezogenen Verordnung festgesetzte Aufnahmeprüfung vor dem 
Concilium ? scheint niemanden geschreckt zu haben. Mit der Katharinen- 
schule kam es so weit, dafs sie von 1780—1790 aus Mangel an 
Schülern der Prima beraubt war*; dem Martineum drohte 1800, zum 
Teil infolge der Disharmonie der Lehrer, »der Pest der öffentlichen 
Schulen«, wie ein späterer Rektor dieser Anstalt sich ausdrückt, 


! Der Armenschullehrer Vikarius Elias Franke starb als Domorganist am 
20. Juni 1839 im 75. Lebensjahre. Seine Schule wird rühmend erwähnt bei Bode, 


Stadtverwaltung S. 45 und besonders im Intelligenzblatt der Allgem. Literatur-Zei- 
tung, Jena 1800, No. 65, S. 543f. 


? Friedrich August Junker (er schreibt sich mit k, nicht mit ck), geb. 
30. Juni 1754 zu Halle a./S., studierte in seiner Vaterstadt Theologie, wirkte 
1775—79 als Lehrer am dortigen Pädagogium, wurde 1779 Garnisonprediger in 
Magdeburg, daneben auch später noch mit der Leitung der Garnisonschule be- 
auftragt. Im J. 1798 berief ihn Herzog Karl Wilhelm Ferdinand, der ihn bei 
seinen militärischen Inspektionen kennen gelernt hatte, als Garnisonprediger (an der 
Ägidienkirche) und Direktor der Waisenhausanstalten, der Garnisonschule und des 
Schullehrerseminars nach Braunschweig. Er starb am 7. Januar 1816. Vergl. 
Braunschw. Anzeigen 1816 No. 3. Junkers Handbuch der gemeinnützigsten. 
Kenntnisse war seiner Zeit mit Recht weit verbreitet. 


9. 421%. Über das Concilium vergl. S. 411ff. und oben S. COXXVII. 
* Heusinger, Nachrichten von der Katharinenschule S. 5. 
9* 


CXXXUL Einleitung I 





geradezu der Untergang. Die Schülerzahl war in sämtlichen 5 Klassen 
zusammengenommen bis auf 50 gesunken!. 

Herzog Karl Wilhelm Ferdinand (1780—1805) liels sich, 
wie die Hebung des Schulwesens in seinem ganzen Lande, so auch 
die Besserung der Gymnasien seiner Hauptstadt ernstlich angelegen 
sein. Erfreulich war es jedenfalls, dafs die Pflicht der Leichen- 
begleitung — wie es scheint, 1783? — in Wegfall kam; für die Kur- 
rendaner wurde, nachdem bereits 1781 die Martini- und Katharinen- 
kurrende zusammengezogen waren, 1791 eine eigene Freischule errichtet?. 
Um dem krankenden Katharıneum neue Lebenskraft einzuflölsen, 
wurde 1786 in das Rektorat ein wohlangesehener Schulmann aus der 
philanthropischen Schule, Rektor Johann Stuve in Neu-Ruppin, 
herbeigerufen; aber die Anstellung desselben wurde in letzter Stunde 
durch Gegenbestrebungen vereitelt. Auch der Versuch dem überall im 
Lande tief darniederliegenden Schulwesen durch die 1786 erfolgte 
Errichtung einer eigenen Oberschulbehörde, des Schuldirektoriums, 
in dem Joachim Heinrich Campe die gewichtigste Persönlichkeit 
war, aufzuhelfen, brachte keinen Gewinn; zudem veranlalste schon 
1790 der Einspruch der von den Prälaten beeinflufsten Stände den 
Herzog die Schulverwaltung dem Konsistorium wieder zurückzugeben’. 
Schliefslich setzte aber die Ernennung tüchtiger Direktoren dem 
wachsenden Verfall der Gymnasien einen Damm entgegen. An der 
Katharinenschule übernahm 1790 Konrad Heusinger®, am Mar- 

! Scheffler, Nachrichten von dem Martineum, S. 16. 20. 

? Seit diesem Jahre ist wenigstens in den kirchlichen Akten von den bis 
dahin an die Schüler gezahlten Begräbnisgeldern nicht mehr die ‚Rede. Den 
Lehrern wurden die Leichengelder auch nach Wegfall der Leistung noch weiter 
gezahlt. Seit 1828 fallen dieselben an die Gymnasialkasse. 

3? Ribbentrop, Stadt Braunschweig II, 196; Bode, Stadtverwaltung III, 44. 

* Johann Stuve, Freund und Gesinnungsgenosse J. H. Campes, geb. 1751 
zu Hamm in Westfalen, wurde, als sich die Anstellung am Katharineum zerschlug, 
Professor am Carolinum und Mitglied des Schuldirektoriums. Er starb am 12. Juli 
1793. Vergl. Heusinger, Nachrichten von der Katharinenschule S. 6; Schiller, 
Braunschweig’s Literatur S. 152ff. 

5 Über das Schuldirektorium vergl. Koldewey, Das braunschweigische Schul- 
direktorium und die Holzmindener Schulordnung vom Jahre 1787. Holzmindener 
Programm 1884; L. v. Ranke, Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten von 
Hardenberg (Leipzig 1877) I, 78f. Nähere auf Campe und das Schuldirektorium 
bezügliche Mitteilungen wird der 2. Band bringen. 


8 Konrad Heusinger, geb. am 2. August 1752 zu Wolfenbüttel als Sohn 
des dortigen Rektors Jakob Friedrich Heusinger, studierte von 1769 an in Helm- 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CXXXIH 


tineum 1801 Georg Anton Christoph Scheffler! die Leitung. 
Für beide Anstalten kehrte nunmehr im Innern Ordnung und wissen- 
schaftlicher Sinn, nach aufsen Achtung und Vertrauen zurück. Das 
Katharineum erhielt gleich bei Heusingers Eintritt seine Prima wieder; 
bei beiden Anstalten stieg die Frequenz. 

Sowohl Heusinger als Scheffler führten bei ihrem Amtsantritt 
sofort feste Lehrpläne ein, die trotz der Übereinstimmung in den 
Hauptsachen doch in einzelnen Punkten von einander abweichen. 
Auch die eingeführten Lehrbücher sind, soweit es sich erkennen lälst, 
nicht in allen Fällen dieselben. In beiden Gymnasien sind vom Grie- 
chischen, das bereits in Quarta begonnen wird, Dispensationen statthaft, 
aber nur in der Katharinenschule werden die nichtgriechischen Pri- 
maner und Sekundaner während der griechischen Stunden als »Neben- 
prima« im Lateinischen, Deutschen und Französischen beschäftigt. 
Hier wie dort werden neben der Religion und den klassischen Spra- 


stedt und Göttingen und wurde nach einer fünfjährigen Thätigkeit als Hauslehrer 
1:78 Konrektor in seiner Vaterstadt. Im Jahre 1786 wurde er Mitglied des von 
Herzog Karl Wilhelm Ferdinand unter dem Einflufs des Philanthropen Campe be- 
gründeten, aber schon 1790 wieder aufgehobenen Schuldirektoriums. Das Direktorat 
des Katharineums zu Braunschweig übernahm er 1790, wurde auch Professor am 
Collegium Carolinum. Er starb am 12. Januar 1820. Nach seines Vaters Tode 
gab er die von demselben in Verbindung mit seinem Oheim Joh. Mich. Heusinger 
bearbeitete Ausgabe von Ciceros Officien mit einer Vorrede und Registern heraus, 
edierte auch eine Handausgabe desselben Werkes sowie die Heroiden Ovids. Sein 
Hauptwerk, die noch heute wertvolle Übersetzung des Livius, erschien erst ein 
Jahr nach seinem Tode. Aulserdem sind von ihm Aufsätze in Zeitschriften und 
einige Programme vorhanden. Eine Sammlung seiner von Zeitgenossen bewunderten 
lateinischen und deutschen Gedichte scheint nicht veröffentlicht zu sein. Biogra- 
phische Notizen über ihn hat Scheffler im Osterprogramm des Katharineums von 
1822 und in Seebodes Archiv für Phil. und Päd. I, 562 ff. (1824) veröffentlicht, 
desgl. A. F. W. Leiste in der Geschichte des Wolfenbüttler Gymnasiums (Wolfen- 
büttler Programm von 1817) S. 41. Vergl. Allgem. Deutsche Biographie 
XU, 336f.; Pökel, Philolog. Schriftsteller-Lex. S. 120f. Hoffmann von Fallers- 
leben, der zu Heusingers Schülern gehört hat, fällt über denselben in dem Werke 
»Mein Leben« I, 83f. ein sehr anerkennendes Urteil, spricht sich aber über die 
übrigen Lehrer des Martineums, mit Ausnahme von Petri, nicht aus. 

! Georg Anton Christoph Scheffler, am 21. Oktober 1762 zu Wolfen- 
büttel geboreri, war 1788—1790 am Anna-Sophianeum zu Schöningen, 1790—1801 
an der Grofsen Schule zu Wolfenbüttel Konrektor, bekleidete darauf das Rektorat 
am Martineum bis 1821, übernahm dann die Leitung des Katharineums, legte aber 
1823 das Schulamt nieder, um sich fortan nur noch dem Collegium Carolinum, dem 
er seit 1815 als Professor angehörte, zu widmen. Er starb am 21. Februar 1825. 
Näheres und ein Verzeichnis seiner Schriften bei Koldewey, Album S. 6f. 








CXXXIV . Einleitung I 


chen nicht blols, wie fünfzig Jahre zuvor, Deutsch, Logik, Geographie, 
Geschichte und Mathematik, sondern auch Naturgeschichte und Fran- 
- zösisch gelehrt. Die alte verderbliche Unterscheidung der Stunden 
des Rektors und Konrektors in öffentliche und private, die im Grunde 
wohl keinen anderen Zweck als eine Steigerung der Schulgelderträge 
verfolgt hatte, ist geschwunden. In der Sonderung der Schüler unter 
einander herrscht das Klassensystem, doch ist die frühere Einrich- 
tung, wonach in jeder Klasse nur ein einziger Lehrer den gesamten 
Unterricht besorgte, in Prima Rektor und Konrektor die Lektionen 
teilten, durch die Verwendung von Fachlehrern durchbrochen. Wir 
haben diese Unterrichtsordnungen des Katharineums und Martineums 
samt den für das letztere von Scheffler erlassenen Schülergesetzen 
unter 45 (8. 441 ff.) und 46 (S. 448 ff.) zum Abdruck gebracht. Die- 
selben sind bis gegen Einde der zwanziger Jahre fast unverändert in 
Geltung geblieben. Als Heusinger ı. J. 1800 den bereits 1790 auf- 
gestellten und genehmigten Lehrplan der Katharinenschule bei Ge- 
legenheit ihres ersten hundertjährigen Jubelfestes! veröffentlichte, sals 
auf den Bänken der Quinta der siebenjährige Karl Lachmann, der 
spätere grolse Philologe”. Schon im Herbst 1804 wurde er Prima- 
ner. Mitten unter dem Wirrsal der westfälischen Fremdherrschaft 
verliefs er Ostern 1809 die Anstalt. Heusinger hat neben seinem 
Namen im Album bemerkt: »Egregie institutus, m. Martio 1809. post 
examen publicum mults cum laude dimissus academiam Lipsiensem 
petit, philologorum ac theologorum studiüis deditus. Autumno Gottingam«. 
Es kann doch kein schlechter Schulmeister gewesen sein, der solchen 
Schüler zu entlassen vermocht hat. 


4 


Von der westfälischen Zeit bis zur Schulreform der 
Jahre 1828—30. 

Die Jahre der westfälischen Fremdherrschaft waren nicht geeig- 

net das Schulwesen der Stadt Braunschweig zu fördern. Die Um- 


! Am 8. Juli 1800, vergl. oben S. XCIV. 

® Karl Lachmann ist zu Braunschweig am 4. März 1798 als Sohn des 
Pastors Lachmann an der Andreaskirche geboren. Er starb zu Berlin am 13. März 
1851. Vergl. den Artikel des Herausgebers »Karl Lachmann und die Stadt Braun- 
schweig« in den Braunschw. Anz. 1885 No. 102 und 103. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CXXXV 


wandlung des Carolinums in eine Militärschule kennzeichnet den Geist, 
der die malsgebenden Kreise beherrschte. Auch die übrigen Anstal- 
ten litten unter dem Drucke der Zeit. Am Katharineum wurde eine 
Lehrerstelle ganz eingezogen!. Das Getöse der Waffen zerstreute die 
Jugend; die grofsen politischen Ereignisse, die allgemeine Not dräng- 
ten die Bildungsfragen in den Hintergrund zurück. Als dann der Friede 
das alte Herrscherhaus und mit ihm Ordnung und Sicherheit zurück- 
führte, mulste man froh sein nichtnoch weitere Lücken beklagen zu müssen. 
Die Militärschule schwand mit dem Zusammensturz der Fremdherrschaft. 


Bald nach der Rückkehr des Herzogs Friedrich Wilhelm er- 
hob sich die Frage, ob nicht die Schöpfung Jerusalems zu erneuern 
sei. Anfangs war man an höchster Stelle dem Plane wenig geneigt; 
aber die Stimmung schlug um, und am 6. September 1814 unter- 
zeichnete der Fürst das Dekret, wodurch er das Collegium Carolinum 
mit seinem alten Namen, einem ewigen Gredächtnisse seines erlauch- 
ten Ahn, in einem den gegenwärtigen Bedürfnissen der Zeit und den 
Anforderungen des Landes angemessenen, so viel als möglich erwei- 
terten Umfange« wiederherstellte.e Das Publikum wurde davon durch 
eine Bekanntmachung des Geheime -Rats - Collegiums vom 22. Sep- 
tember 1814 in Kenntnis gesetzt?. Die Vorlesungen nahmen Montag 
den 17. Oktober ihren Anfang®. 


Man fragt sich, welche Gründe dazu geführt haben eine Anstalt 
wieder ins Dasein zu rufen, deren Lebensfähigkeit nach den früheren 
Erfahrungen von vornherein doch jedenfalls nicht als gesichert erschei- 
nen konnte. Ohne Zweifel hatte die Rücksicht auf die Ehre und das 
Ansehen des Landes dabei ein grolses Gewicht. Vor dem Kriege hatte das 
Herzogtum zwei grolse Bildungsinstitute, die Helmstedter Universität 
und das COarolinum besessen. Jetzt hatte es beide verloren. An die 
Erneuerung der Universität konnte man kaum denken. Da wird es 
begreiflich, dafs man wenigstens des Oollegiums nicht entbehren wollte. 
Andere Einflüsse kamen dazu. Vor allem waren es wohl die Pro- 
fessoren, die alten sowohl als solche, die es werden wollten, die für 
die Wiederherstellung sich begeisterten. 


! Heusinger im Herbstprogramm des Katharineums von 1816, vorhanden 
im Braunschweiger Stadtarchiv. 

? Braunschw. Anz. 1814, St. 75. 

® Braunschw. Anz. 1814, St. 81. 


CXXXVI Einleitung I 


— oo. 


Die Bestimmung der erneuerten Anstalt erhellt aus der Bekannt- 
machung vom 22.September. »Der Zweck des Collegii Carolini«, so heilst 
es, »ist, theils diejenigen jungen Leute, welche sich den Wissenschaften 
widmen, auf den höhern akademischen Unterricht näher, als es durch 
den gewöhnlichen Schulunterricht geschehen kann, vorzubereiten und 
ihnen den Übergang von diesem zu jenem zu erleichtern, theils aber 
auch solchen jungen Leuten aus höheren Ständen, welche für ihre 
künftige Bestimmung eigentlicher akademischer Studien nicht bedür- 
fen und daher keine Universität besuchen wollen, Gelegenheit zu ge- 
ben sich eine höhere Bildung und vielseitigere wissenschaftliche Kennt- 
nisse zu erwerben, als sie auf den gewöhnlichen gelehrten Schulen 
erhalten können«!. Es sind das im Grunde dieselben Gesichtspunkte, 
wie sie 70 Jahre zuvor Jerusalem geltend gemacht hatte; aber man 
hätte doch zunächst fragen müssen, ob denn auch die Voraussetzun- 
gen, welche den Berater Karls I zu seinen Vorschlägen geführt hat- 
ten, noch immer dieselben seien; ob es denn wirklich nicht möglich 
sei die Gelehrtenschulen ohne grolse Mühe und Opfer so einzurich- 
ten, dafs sie in genügender Weise auf die akademischen Studien vor- 
zubereiten vermöchten; ob nicht eine leichtere Weise sich finden lielse, 
um den für die höheren Berufsarten des praktischen Lebens bestimm- 
ten jungen Leuten, sei es im Anschlufs an die Gymnasien, sei es in 
einer für sie insbesondere bestimmten Anstalt, etwa nach Art der 
jetzigen Realgymnasien, eine geeignete Vorbildung zu geben. Fast 
scheint es, als ob derartige Fragen bei den Verhandlungen über die 
Wiederherstellung nicht hinreichend genug in Erwägung gezogen sind. 

Die Verwaltung des wiedererstandenen Oarolinums wurde einem 
Direktorium übertragen, das aus dem Geh. Staatsrat von Zimmer- 
mann?, dem Hofrat Eschenburg? und dem Major Mahn? zusam- 


! Vgl.auch denVorbericht zu den unter48 mitgeteilten Gesetzen von 1823, S.461 ff. 

? Der Geh. Staatsrat Eberhard August Wilhelm v. Zimmermann, geb. 
1743, hatte am alten Collegium Vorlesungen über Mathematik, Geographie, Naturge- 
schichte, Physik und Mechanik gehalten. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 92 
und im Lektionsverzeichnis von 1774 S. 409. Er starb am 3. Juli 1815. 

® Johann Joachim Eschenburg, geb. 1743, wirkte am Carolinum seit 1767 
als Hofmeister, seit 1773 als Professor und erhielt 1777 die Professur der schönen 
Litteratur und Philosophie. Er starb als Geh. Hofrat am 29. Februar 1820. Vergl. 
Eschenburg, Coll. Carol. S. 66f.; Schiller, Braunschweig’s Literatur S. 81. 

* Der Major, spätere Oberstlieutenant Mahn war noch 1823 Mitglied des 
Direktoriums, vergl. S. 4780. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CXXXVII 


mengesetzt war. Letztererhatte dieäulsere Geschäftsführung übernommen. 
Nur Eschenburg, der erste, der Shakespeare den Deutschen in 
einer lesbaren Übersetzung bekannt gemacht hat, auch sonst als fein ge- 
bildeter Gelehrter bekannt ist, gehörte von diesen dreien dem Kreise 
der Professoren an. An eine Erneuerung des Pensionats dachte man 
nicht; auf einen erheblichen Zuzug von aulsen konnte man, mit Aus- 
nahme des benachbarten hannoverschen Gebiets, nicht rechnen. Das 
Verzeichnis der behandelten Wissenschaften und Sprachen ist von 
den früheren so wenig verschieden, dals ein Abdruck derselben nicht 
erforderlich erschien. In dem Dekret des Herzogs werden genannt: 
klassische, sowohl ältere als neuere Litteratur, Philosophie, die schö- 
nen Redekünste, Völker- und Länderkunde, allgemeine Geschichte, 
Geschichte der Wissenschaften und Künste, Mathematik, Mechanik, 
Baukunst, Astronomie, Physik und Naturgeschichte, Technologie und 
Gewerbekunde, Englisch, Französisch, Italienisch, für die Theologen 
ZEixegese des Neuen Testaments und event. Dogmatik, für die Juristen 
Institutionen und Rechtsgeschichte. Für Mediziner und Chirurgen 
war durch das anatomisch-chirurgische Institut gesorgt. Dieses Pro- 
gramm ist bis zum Schluls des hier behandelten Zeitraums dasselbe 
geblieben. Gesetze für die Studierenden wurden 1823 erlassen. Wir 
haben dieselben unter 48 (S. 461ff.) zum Abdruck gebracht. 

Bemerkenswert ist die nahe innere Verbindung, in die man 
anfangs das Collegium Carolinum zu dem ganz in der Nähe belege- 
nen fürstlichen Katharineum zu setzen beabsichtigte. In dem 
Dekret des Herzogs vom 6. September 1814 heilst es darüber: 

»Die Aufnahme der Landeskinder in dieses Institut kann nur 
nach einer vorgängigen Prüfung von einem durch die Directoren an- 
geordneten engern Ausschuls der aus den verschiedenen Fächern zu 
erwählenden Lehrer stattfinden; und soll dafür gesorgt werden, dals 
nicht nur diese, sondern auch die Ausländer, bei welchen kein eigent- 
lich sogenanntes Examen, sondern nur eine väterliche Berathung hin- 
länglich und nothwendig erachtet wird, in dem mit diesem höhern 
Institute durch seine Lage und durch seine innere Einrichtung genauer 
verbundenen Catharineum Gelegenheit finden in einigen ausgewählten 
Lehrstunden das Versäumte nachzuholen, ohne dafs diese darum als 
Schüler des Gymnasiums zu betrachten sein sollen«. 

»Um diesen Zweck durch die innere Vereinigung beider nur durch 


CXXXVIL Einleitung I 


Namen und Disciplin getrennten Lehranstalten herbeizuführen, sollen, 
so viel es ihunlich ist, die Professoren des Collegiums zugleich in 
den obern Classen der genannten Schule unterrichten, und gegenseits 
Lehrer der Schule einen Theil des höhern Unterrichts an dem neuen 
Institute zu übernehmen angewiesen werden. Es soll zu dem Ende 
der Director des Catharineums gehalten sein, durch Übereinkunft mit 
den bereits angestellten oder noch künftig anzustellenden Lehrern, in 
Absicht der Schulordnung eine solche Einrichtung zu treffen, dals in 
dieser Hinsicht für keine von beiden Anstalten eine Behinderung 
hervorgehe«. 

»Die studierten oder akademisch gebildeten Lehrer dieser Anstalt 
führen den Titel Professoren, und findet unter denselben keine andere 
Rangordnung statt als nach dem Verhältnisse ihrer Dienstjahre, wobei 
es jedoch keinen Unterschied macht, an welcher der beiden Lehr- 
anstalten sie bis jetzt angestellt gewesen sınd.« 

Eine derartige engere Verbindung des Uarolinums mit dem 
Katharıneum ist nie ernstlich in Angriff genommen. Kaum weils 
noch jemand, dafs sie überhaupt beabsichtigt war. Der ganze Plan 
mag auch, da nach Aufhebung der Militärschule eine Anzahl der 
Professoren bei der Katharinenschule Beschäftigung gefunden hatte, 
mehr durch finanzielle und Personenfragen als durch sachliche Rück- 
sichten hervorgerufen sein. 

Häufig, und nicht selten mit leidenschaftlicher Erregung, ist die 
Frage erörtert worden, ob die Wiederherstellung des Collegium Uaro- 
linum ein Fehler gewesen sei oder nicht. Unseres Erachtens hat die 
Zeit ein nicht milszuverstehendes Urteil gesprochen. Im Jahre 1835 
wurde die Organisation der Anstalt geändert. Dieselbe zerfiel nunmehr 
in drei Abteilungen, die humanistische, technische und merkantilische, 
die jede unter einem besonderen Vorsteher standen. Die merkan- 
tilische Abteilung scheint nie eine bemerkenswerte Bedeutung gewonnen 
zu haben; die technische blühte kräftig empor; die humanistische trat 
um so mehr zurück, je frischer sich die Gymnasien entwickelten. 
Mit dem Tode des Geh. Hofrats Petri im Jahre 1857 verlor sie ihre 
letzte Stütze. Ihre Aufhebung erfolgte, als 1862 das Carolinum in 
eine polytechnische Schule verwandelt wurde. 

Den beiden Gymnasien der Stadt legte man mit der Wieder- 
herstellung des Collegium Carolınum eine sehr übele Hinderung in 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig UXXXIX 


den Weg. Es war eine für sie schwer zu ertragende Thatsache, dafs 
die Schüler, wenn sie kaum erst in die Prima eingetreten waren, der 
lockenden Freiheit des Oarolinums sich zuwendeten. So lange die 
Rektoren zugleich als Professoren am Collegium wirkten — man 
nannte sie dann Professores dirigentes — blieben. Reibungen ver- 
mieden; sobald aber dieses nicht mehr der Fall war, kam es zu ver- 
driefslichen Konflikten, die erst mit der Aufhebung der humanistischen 
Abteilung ihren völligen Abschluls fanden. Daneben fiel es auch 
schwer ins Gewicht, dafs die Aufwendungen für das Üollegium die 
für Bildungszwecke flüssigen Mittel in so hohem Mafse in Anspruch 
nahmen, dafs für andere Anstalten nur wenig übrig blieb. 

Und doch hätte gerade das Martineum ebenso wohl wie die 
Katharinenschule einer sehr kräftigen Pflege und Förderung bedurft!. 
Woran es vor allem fehlte, war ein tüchtiges Lehrerpersonal. Die 
Rektoren, welche in den ersten beiden Jahrzehnten unseres Jahrhunderts 
an der Spitze der beiden Gymnasien standen, waren Männer von 
gründlichem Wissen und ernstem Willen. Konrad Heusinger von 
der Katharinenschule ist noch heute als der geschmackvolle Über- 
setzer des Livius bekannt, und Scheffler, sein Kollege vom Mar- 
tineum, wird gleichfalls als ein Mann von tüchtiger Gelehrsamkeit 
gerähmt. Aber von den Gehülfen, welche den gelehrten Rektoren 
zur Seite standen, besafsen nur wenige Wissenschaft und Lehrgeschick 
in zureichendem Mafse. Man hatte sie genommen, entweder weil 
bessere Kräfte nicht vorhanden waren, oder weil eine gute Fürsprache 
ihnen förderlich war. Für viele war der Beruf eine drückende Last, 
der Verkehr mit der Jugend eine freudelose Bürde; gerade den ge- 
wissenhaftesten fehlte nicht selten die Gabe ihre Schüler für den 
Lehrstoff zu erwärmen; daneben mangelte es nicht an jenen gut- 
herzigen und biederen Charakteren, deren Schwächen und Sonder- 
barkeiten für die übermütige Jugend die unversiegbare Quelle einer 
nicht immer ganz harmlosen Heiterkeit geworden sind. 

Es ist gewils sehr schwer über die Zustände und Personen einer 
Zeit, die von der unsrigen nicht blols durch die Reihe der Jahre, 
sondern mehr noch durch eine tiefgehende Umwandlung der An- 


I! Die nachfolgenden Ausführungen sind, zum Teil wörtlich, der Programm- 
schrift des Herausgebers »Geschichte des Realgymnasiums in Braunschweig. I. Braun- 
schweig 1885« entnommen. 


CXL Einleitung I 


schauungen geschieden ist, ein gerechtes und zutreffendes Urteil zu 
fällen, und leicht könnte man es dem Nachgeborenen verargen, wenn 
er auf dem Gebiete des Schulwesens an den Repräsentanten der guten 
alten Zeit manches auszusetzen findet. Es sei daher gestattet zwei 
Zeugen vorzuführen, deren Sachkenntnis und Unbefangenheit man 
nicht bestreiten wird, den Professor Scheffler und den Oberschulrat 
Krüger]. 

Sıebzehn Jahre hatte Scheffler das Rektorat des Martineums 
geführt, als er sich bei dem Vorschlage die beiden Gymnasien zu 
reorganisieren zu der Äulserung veranlalst sah: »Die Lehrer der beiden 
Institute mülsten in ihren Fächern geschickte Männer sein, ausgezeichnet 
durch Kenntnisse, Lehrgabe, Ansehen, strenge Sittlichkeit, gewissen- 
hafte Berufstreue und regen Eifer für alles Gute, das sie mit Freund- 
lichkeit und Ernst ın jeder Hinsicht, wo und wie sie es nur könnten, 
zu fördern suchen mülsten, ohne gleich feilen Lohndienern immer 
erst zu fragen: Was wird uns dafür? kurz, sie mülsten ihren Schülern 
in Fleifs, Ordnungsliebe und Moralität als Muster vorleuchten«®. 

Es bedarf wohl keines besonderen Hinweises, um zu erkennen, 
dals das, was Scheffler für die Zukunft wünschte, in der Gegenwart 
nicht überall vorhanden war. Sein ungünstiges Urteil findet seine 
volle Bestätigung durch Krüger, wenn derselbe 1866 in dem Rück- 
blick auf seine lange und erfolgreiche Direktorialthätigkeit über den 
Anfang derselben sich folgendermalsen vernehmen lälst: »Unter der 


I G. Theod. August Krüger, geb. in Braunschweig am 11. Februar 1793, 
studierte, nachdem er das Martineum und Katharineum besucht, von 1810—1813 in 
Göttingen Philologie und Theologie, wurde im Herbst 1813 Kollaborator und 
Pastor adi. in Clausthal, im Sommer 1815 Konrektor in Wolfenbüttel, im Herbst 
1828 Direktor des Obergymnasiums und zugleich des Gesamtgymnasiums, 1856 
auch Direktor des Progymnasiums. Von Göttingen aus wurde er honoris causa 
1837 zum Doktor der Philosophie, 1863 zum Doktor der Theologie ernannt und 
erhielt bei seinem fünfzigjährigen Amtsjubiläum den Titel Oberschulrat. Ostern 
1866 trat er in den Ruhestand und starb zu Braunschweig am 4. Oktober 1873. 
Seine Schriften sind verzeichnet bei Koldewey, Album S. 12. Vergl. Pökel, 
Philolog. Schriftsteller-Lex. S. 146. 

? Die charakteristische Äufserung Schefflers, welche bei aller Vorsicht des 
Ausdrucks doch deutlich genug erkennen läfst, was derselbe an seinen Lehrern 
vermilste, findet sich in einer Vorlesung, die 1818 im Herbstexamen des Martineums 
gehalten und bald darauf im Braunschw. Mag. von 1818, St. 44 unter der Über- 
schrift »Wie hat sich die Schule als Bildungsanstalt der Menschheit bei dem 
herrschenden Zeitgeiste in wissenschaftlicher und moralischer Hinsicht zu verhalten?’ 
abgedruckt wurde. Die fragliche Stelle steht auf S. 697. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CXLI 


bedeutenden Zahl der an dem Katharıneum und Martineum bereits 
vorhandenen Lehrer befanden sich freilich manche, aut deren erfolg- 
reiche Wirksamkeit im Lehramte nicht eben grofse Hoffnungen gesetzt 
werden konnten... Verwandt sollten sıe alle werden, und das Wich- 
tigste war jedem Lehrer seine geeignete Stelle anzuweisen, an der 
von ihm der meiste Nutzen zu erwarten, von einigen auch der ge- 
ringste Schaden zu besorgen war. Dies erscheint vielleicht manchem 
Leser als ein hartes Wort. Indessen die damaligen Schüler werden 
dasselbe gewils nicht zu hart finden und sich bei dem Rückblick auf 
ihre Schulzeit gar wohl die Schwächen einzelner Lehrer und die 
Schwierigkeiten vergegenwärtigen, die es in den ersten Jahren machte, 
den Neubau mit den vorhandenen Lehrkräften zustande zu bringen. 
Namen zu nennen würde hier unpassend sein«!. 

Im Grunde freilich ist es unschwer zu begreifen, dals es um das 
Lehrerpersonal nicht besser bestellt war. Die Gehalte der meisten 
Lehrer waren noch immer gering?, und die Sorge um das tägliche 


1G. T. A. Krüger, Rückblick auf die Geschichte des Gymnasiums, in- 
sonderheit des Ober- und Progymnasiums, von seiner ersten Einrichtung im 
Jahre 1828 an bis auf die Gegenwart, abgedruckt im Programm des Ober- und 
Progymnasiums von 1866 (Braunschw. 1866) S. 6 f. 

? Im Jahre 1827 wurden die thatsächlichen Einnahmen der Lehrer an den 
beiden Gymnasien zu folgenden Beträgen veranschlagt. A. Martineum: Direktor 
1100 Thilr. und Wohnung zu 150 Thlr., Konrektor 879 Thir. und Wohnung zu 
150 Thlr., Subkonrektor 953 Thir., Tertius 644 Thlr., Quartus 608 Thlr., Quintus 
509 Thlr., Kantor 328 Thir., Religionslehrer für 8 Stunden 200 Thlr., 1. Kolla- 
borator 600 Thlr., 2. Kollaborator 250 Thir., französ. Sprachlehrer für 23 Stunden 
(an beiden Anstalten) 300 Thlr., Schreiblehrer für 4 Stunden 60 Thlr., Zeichen- 
lehrer für 6 Stunden 60 Thlr. B. Katharineum: Direktor 1175 Thlr. und Wohnung 
zu 100 Thlr., 1. Ordinarius 787 Thlr. und Wohnung zu 100 Thir., 2. Ordinarius 
884 Thir., 3. Ordinarius 880 Thlr., 4. Ordinarius 723 Thlr., franz. Sprachlehrer; 
s. 0., Religionslehrer für 8 Stunden 200 Thlr., 1. Kollaborator 262 Thlr., 2. Kolla- 
borator 200 Thlr., Zeichenlehrer für 6 Stunden 90 Thlr., Schreib- und Rechen- 
lehrer für 18 Stunden 449 Thlr. Nimmt man auf die veränderten Preise der 
Lebensbedürfnisse Rücksicht, so dürften in jener Zeit 100 Thlr. etwa so viel wert 
gewesen sein wie jetzt 500 Mk. Dabei ist indessen auch in Anschlag zu bringen, 
dafs ein regelmälsiges Aufrücken nach der Zahl der Dienstjahre nicht üblich, dafs 
vielmehr der Gehalt an eine bestimmte Stelle geknüpft war. "Dadurch kam es, dals 
oftmals ein Lehrer schon in jungen Jahren in eide verhältnismäfsig einträgliche 
Stelle einrückte, nicht selten auch einer zeitlebens bei einem geringen Einkommen 
ausharren mulste. Die Gehalte der Direktoren waren nach allem zureichend be- 
messen. Sie betrugen nach dem jetzigen Geldwerte etwa 5500 bis 6000 Mk. ohne 
die Wohnung, und Petri gelangte zu dieser Einnahme, als er etwa 40, Friedemann, 
als er etwa 30 Jahre alt war. Sie hatten also von Anfang ihrer Direktorialthätig- 





CXLO Einleitung I 


Brot verscheuchte bei manchem die Frische und Freudigkeit, die doch 
nirgend notwendiger, nirgend fruchtbringender als ın dem Berufe eines 
Lehrers ist. Und wer wollte sich wundern, dals gerade die tüchtigsten 
Jünglinge bei der Wahl ihres Berufes vor einem Stande zurück- 
schreckten, der ihnen als Lohn für viele Mühe nur Not und Ent- 
behrung, dazu noch obendrein den Spott der Jugend in Aussicht 
stellte? Zu der Unzulänglichkeit der Gehalte kam noch das ganz 
verkehrte System der Besoldung, das ein höchst unliebsames 
Schwanken der Einnahmen zur Folge hatte. Die von den Schülern 
gezahlten Schulgelder, die für die meisten Lehrer einen grolsen 
Teil der Einkünfte bildeten, flossen noch wie früher direkt in die 
Taschen der dazu berechtigten Kollegen. Jeder neue Schüler mehrte 
die Einnahme, jeder Abgang minderte sie. Bei der wechseln- 
den Frequenz waren die Gehalte sehr verdrielslichen Schwankungen 
unterworfen!, und was schlimmer ist, das Schulgeld wurde, besonders 
wenn es nicht, wie am Katharıineum, von den Berechtigten gleich- 
mälsig geteilt wurde, sondern jedesmal dem betreffenden Klassenlehrer 
zuflols, unter den Kollegen die giftige Quelle von Neid und Zwie- 
tracht. und gab namentlich bei den Versetzungen der Schüler aus 
einer Klasse in die andere nicht selten den Anlafs, dafs die sach- 
liche Rücksicht durch den persönlichen Nutzen zurückgedrängt ward. 
Nur zu häufig suchte ein Ordinarius so viele von den jugendlichen 
Seelen an sich zu reilsen, als die Eifersucht der Kollegen und die 
Wachsamkeit des Direktors es zuliefs. Die Überfüllung der Klassen, 
dieses Haupthindernis für das Gedeihen des Unterrichts, war für die 
Lehrer noch nicht der Gegenstand der Beschwerde. Je voller die 
keit an eine Einnahme, wie sie jetzt in unserem Lande den Gymnasialdirektoren 
erst nach einer recht langen Dienstzeit zu teil wird. Dagegen blieben die Gehalte 
der übrigen Lehrer erheblich zurück, und besonnene Kenner der Verhältnisse 
sprachen sich 1827 dahin aus, »dafs die mit einzelnen Lehrstellen verbundenen Ein- 
künfte für das wenn auch noch so billig angeschlagene Bedürfnis unzureichend seien«, 
und dafs nichts dringender not thue, als dals die Gehalte der ältern Lehrer er- 
höht würden. Vergl. in der unter 49 mitgeteilte »Nachricht von der Umgestaltung 
der Schulen in der Stadt Braunschweig« S. 482. 

! Aus den Akten ergiebt sich, dafs die Stelle des Collega Tertius am Mar- 
tineum, die 1827 etwa 644 Thlr. eintrug, in früherer Zeit ihrem Inhaber infolge 
der grölseren Schülerzahl schon eine Jahreseinnahme von 884 Thir. gewährt hatte, 
also um 240 Thir., nach dem jetzigen Geldwert um etwa 1000—1200 Mk. zurück- 


gegangen war. Was würde in unsern Tagen ein Beamter sagen, wenn ihm eine 
derartige Minderung des Gehaltes in Aussicht gestellt würde! 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CXLII 


Klasse, je voller der Beutel. Nur zu berechtigten Grund hat Krüger, 
wenn er darüber klagt, dals in der alten Zeit das Schulgeld dem 
Leiter der Anstalt bei den Translokationen »manche Inkonvenienzen« 
gebracht hat!. Und wie im Innern der Anstalten, so war auch nach 
aulsen hin das verkehrte System von den übelsten Folgen. Wie sehr 
dadurch das Ansehen und die Achtung des ganzen Lehrerstandes 
geschädigt wurde, giebt Scheffler zu erkennen, wenn er unwillig 
ausruft: »Der Lehrer wird äufserst selten von den Eltern gefragt, ob 
der Sohn durch seine natürlichen Fähigkeiten und durch seinen Fleils 
schon zu einem höheren Bildungsinstitute reif sei. Wer wollte darum 
den Lehrer fragen? Den könnte ja leicht das leidige Interesse des 
Schulgeldes zu einer verneinenden Antwort bestimmen!«? 

So waren denn die Kärglichkeit der Gehalte, das Schwan- 
ken der jährlichen Einnahmen und der direkte Schulgeld- 
bezug von seiten der Lehrer schwerwiegende Hindernisse für die 
Tüchtigkeit und die Reputation des Lehrerpersonals. Bei manchem 
wurde die ideale Auffassung des Berufes schon im Keime erstickt, 
und nicht selten vermilste man jene Noblesse der Gesinnung, die 
Rektor Arnold zu Rugby im Auge hatte, als er von dem Schul- 
manne verlangte, er müsse nicht blos ein Ohrist und Gelehrter, son- 
dern daneben ein Gentleman sein®. 

Und diese Lehrer standen ın ihren Klassen weit unabhängiger 
und selbständiger da, als das wohlverstandene Interesse eines Schul- 
organismus auch unter normalen Verhältnissen es verträgt. Die Rek- 
toren waren dem Herkommen gemäls wenig mehr als die ersten Lehrer 
der Anstalt; eine auf umsichtiger und kräftiger Leitung beruhende 
Einheit der Zucht und Methode, ein gedeihliches Ineinandergreifen 
der einzelnen Kräfte war in jenen Zeiten so gut wie unbekannt. Dazu 
kam, dafs die damalige Organisation der Gymnasien in gewisser Hin- 
sicht für die Arbeit des Lehrers weit grölsere Schwierigkeiten darbot, 
als sie bei den jetzt herrschenden Einrichtungen zu überwinden sind. 
Jede Anstalt umfalste nur fünf Klassen, und zwei Jahre waren in 
der Regel erforderlich, um eine derselben zu durchlaufen. Da nun 


! Krüger, Rückblick S. 5. 

? Braunschw. Mag. 1818, St. 44, S. 700f. 

3 Über die Anforderungen, welche Dr. Thomas Arnold, der Rektor der 
Schule zu Rugby (geb. 1795, gest. 1842), an einen Lehrer stellte, vergl. L. Wiese, 
Deutsche Briefe über Englische Erziehung I (8. Aufl. Berl. 1877) S. 214 f. 


CXLIV Einleitung I 


die Versetzungen halbjährlich stattfanden, so wurden in jeder Klasse 
Knaben und Jünglinge von sehr verschiedenem Kenntnisstande zu- 
sammengehäuft. Halbjährige, einjährige, anderthalbjährige und oft 
noch ältere Schüler bildeten mit den neuen Ankömmlingen ein buntes 
Gewühl. Nur eine sehr tüchtige Lehrkraft, eine scharfe Abgrenzung 
der Abteilungen, eine rein sachliche Versetzungspraxis wären imstande 
gewesen die disparaten Elemente mit einem nur einigermalsen be- 
friedigenden Erfolge zu fördern. Was aber konnte in einem der- 
artigen Gewirre erreicht werden, wenn bei dem Lehrer Berufsfreudig- 
keit und Lehrgeschick in gleicher Weise vermilst wurden, was nament- 
lich, wenn die Frequenz einzelner Klassen, wie es wohl vorkam, auf 
die Zahl von 60 bis 70 stieg? 

Bei alledem wurden die Schüler, wenn sie nicht gar zu unbegabt 
und nicht gar zu träge waren, in dem üblichen Tempo von Klasse 
zu Klasse geschoben, bis sie entweder ins praktische Leben sich ver- 
liefen oder, unbehindert von einem in Braunschweig noch unbekannten 
Maturitätsreglement, mit einer in den meisten Fällen noch recht frag- 
würdigen Reife zur Universität oder auf die humanistische Abteilung 
des Collegium Carolinum. enteilten. 

Wer wollte es leugnen, dals trotz dieser Zustände in jenen alten 
Zeiten eine nicht geringe Anzahl von tüchtigen, zum Teil sogar be- 
deutenden Männern aus den Braunschweiger Gymnasien hervorgegangen 
sind! Aber der Wert einer Schule ist nicht nach vereinzelten be- 
deutenden Schülern zu beurteilen, sondern findet sein Mals in dem, 
was eine Anstalt der grofsen Masse ihrer Zöglinge zu leisten ver- 
mag. Kernhafte Tüchtigkeit bricht auch unter ungünstigen Verhält- 
nissen sich Bahn, und der Genius entwickelt nicht selten seine Kraft 
am freudigsten dort, wo der Schwung seines Fittigs nicht von 
Schranken und nivellierendem Zwange gehindert wird. Dals in 
offiziellen Kundgebungen, in Programmen und Nekrologen, viel 
von der Blüte der beiden Gymnasien die Rede ist, darf über die 
tiefgehenden Schäden nicht täuschen. Wer dergleichen Schriftstücke 
zu lesen versteht, hört oftmals deutlich genug durch das gespendete 
Lob die Klage hindurchklingen, und wenn der geistliche Visitator im 
Herbst 1824 dem Konsistorium berichtet, er habe sich bei den öffent- 
lichen Prüfungen im Martineum und Katharıneum, sowie bei der ım 
Martineum stattgefundenen Censur, von dem guten Zustande der bei- 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig ÜOXLV 





den Gymnasien überzeugt!, so bilden gleichzeitig die fachmännischen 
Urteile des Direktors der Katharinenschule zu dieser optimistischen 
Kritik einen schreienden Gegensatz. 

Ähnliche Zustände, wie sie hier geschildert sind, herrschten im 
Grunde vor 60 Jahren mehr oder weniger ın allen Gymnasien des 
Herzogtums. Für die Stadt Braunschweig aber lag noch ein beson- 
derer Übelstand in dem Nebeneinanderbestehen der beiden gleich 
berechtigten und von einander ganz unabhängigen Gelehrtenschulen. 
Ein derartiger Dualismus hat unter allen Umständen seine Gefahren, 
und schlimm ist es schon, wenn blofs ein falscher Ehrgeiz die eine 
Anstalt zu der Konkurrentin der anderen macht, schlimmer aber, 
wenn der Geldpunkt dabei in Frage kommt. Zwischen dem Mar- 
tineum und der Katharinenschule hatte sich denn auch eine Rivaliıtät 
übelster Art ausgebildet, und nicht blofs die Kollegialität, sondern 
auch die Zucht und Disziplin hatten bitter darunter zu leiden. »Bis 
vor wenigen Jahren«, so äulsert ein würdiger Kenner der Verhält- 
nisse? ım Jahre 1819, »konnte ein Schüler, welcher auf einer Anstalt 
strafbar geworden war, ohne Umstände auf die andere entweichen, 
und der, welcher auf einer z. B. nicht nach Prima gelangen konnte, 
ward sofort auf der anderen dahın befördert. Diesem Unfug halfen 
die beiden jetzigen dirigierenden Professoren — Heusinger und 
Scheffler sind gemeint — durch eine edle Verabredung ab. Aber 
bei ihrem edelsten Eifer kämpften sie dennoch in den getrennten 
Anstalten oft unter Verdrielslichkeiten, oft gar vergebens gegen solche 
Zumutungen der Eltern«. Und wenn Scheffler zu gleicher Zeit 
urteilt, ein solches Nebeneinanderbestehen könne allerdings in Rück- 
sicht einer edlen Nacheiferung viel Gutes wirken, »wenn die beiden 
Anstalten ihren gemeinsamen Zweck immer vor Augen hätten und 
keine Eitelkeit, keine Scheelsucht und kein Geldinteresse ihre Ein- 
tracht schwächte«®, so giebt diese Äufserung deutlich genug zu er- 
kennen, wie sehr der treffliche Mann trotz seiner »edlen Verabredung« 


I Bericht des Generalsuperintendenten Hoffmeister an das Fürstl. Kon- 
sistorium vom 11. Oktober 1824, vorhanden im Archiv des Herzogl. Staatsministeriums. 
— Der Direktor des Katharineums war seit Januar 1824 Friedemann, von dem 
weiter unten Näheres mitgeteilt wird. 

? Pastor C. L. F. Lachmann im Braunschw. Mag. von 1819, St. 11, 
S. 174. 
® Braunschw. Mag. 1818, St. 44, S. 695. 


10 





CXLVI Einleitung I 


mit dem Kollegen von der Katharinenschule die verderbliche Rivalı 
tät empfand. 


Noch ein anderer Übelstand war es, der sich in der Zeit nach 
den Befreiungskriegen bei dem wachsenden Gewerbefleils und dem 
kräftig aufblühenden Handel in dem Schulwesen der Stadt Braun- 
schweig mehr und mehr bemerkbar machte: der Mangel an einer 
eigenen Schule für den höheren Bürgerstand. Die Real- 
schule im Grofsen Waisenhause war längst zu einer Bürgerschule 
umgestaltet; die Schreibschulen waren von ihrer früheren Einrichtung 
nicht abgewichen?; in den Gymnasien war, was im Französischen, 
in der höheren Rechenkunst und in den Naturwissenschaften wirklich 
geleistet wurde, für den, der den Blick über den Gresichtskreis der 
Kirchturmspitzen seiner Vaterstadt hinausschweifen liels, nicht aus- 
reichend; die Vorlesungen des Carolinums aber hatten wohl meist 
einen viel zu akademisch gehaltenen Anstrich, konnten auch von den 
jungen Leuten erst in einem schon viel zu weit vorgeschrittenen 
Lebensalter besucht werden, als dafs sie eine passende Befriedigung 
des vorhandenen Bedürfnisses, namentlich für den Kaufmannsstand 
zu bieten vermocht hätten. 


Schon im Anfang des Jahrhunderts war denn auch in Braun- 
schweig der Wunsch, dafs für die künftigen Handwerker, Künstler, 
Kaufleute, Ökonomen und Soldaten wieder eine besondere Lehr- 
anstalt höherer Art eingerichtet werden möge, nicht ohne Nachdruck 
hervorgetreten, und diese Bestrebungen erschienen bedeutend genug, 
um Scheffler zu veranlassen dieselben 1801 in einer Programm- 
schrift zu bekämpfen®. Für die kleinen Landstädte hielt er aller- 
dings die Umwandlung ihrer kümmerlichen Lateinschulen in gute 
Realschulen für wünschenswert; aber für die grölseren Städte wollte 
er die Einheitsschule gewahrt wissen. Es sei bedenklich, so meint 
er, schon vor dem 15. oder 16. Jahre über den Beruf eines jungen 
Mannes eine Entscheidung zu treffen, und der philologische Unter- 
richt des Gymnasiums sei, wenn er nur in anregender Weise erteilt 


I Vergl. oben S. CXIIIf. 

2 Vergl. oben S. LIf.; XCVIL; CXIIf. 

® In dem Programm, womit Scheffler zu seiner auf den 10. Juni 1801 an- 
gesetzten Einführung als Rektor des Martineums einlud. Der Titel der Abhandlung 
lautet: »Über die Absonderung der Schulen für Studierende und Nichtstudierende«. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CXLVIH 


und mit den übrigen Lehrfächern in das rechte Ebenmals gesetzt 
werde, auch für »die künftigen Ungelehrten aus den höheren Bürger- 
klassen« in formeller und materieller Hinsicht von grolsem Gewinn. 
Um in seiner Anstalt auch den Nichtstudierenden einen nützlichen 
Unterricht bieten zu können, räumte er den Realien und den neueren 
Sprachen einen grölsern Spielraum ein, und wer die alten Sprachen 
für seinen künftigen Beruf nicht nötig zu haben glaubte, wurde von 
der Erlernung derselben, namentlich von der des Griechischen, ohne 
Schwierigkeit dispensiert. 

Im Laufe der Jahre hatte Scheffler seine Ansichten über die 
Realschule geändert. Er sah ein, dals einerseits die Bildung, wie sie 
das Gymnasium bot, den vielfach veränderten Bedürfnissen der höhe- 
ren Berufsarten des praktischen Lebens nicht mehr zu entsprechen 
vermochte, andererseits aber die humanistische Anstalt nur gewinnen 
könne, wenn sie von dem Schwarme der Nichtgriechen befreit würde, 
der wie ein Hemmschuh der Verfolgung der eigentlichen Gymnasial- 
zwecke im Wege stand. Diese beiden Gesichtspunkte, in Verbindung 
mit dem Verdrufs, den er über die Rivalität der beiden gelehrten 
Schwesteranstalten empfand, waren die Gründe, die ihn zu einem 
eifrigen Fürsprecher für die Errichtung einer Realschule in Braun- 
schweig gemacht haben. Er trat 1818 geradezu mit dem Vorschlage 
hervor das eine der beiden humanıstischen Gymnasien in eine reale 
Lehranstalt zu verwandeln. Es wird interessieren seine Ausführungen 
kennen zu lermen!. 

»Jede Bildungsanstalt«, so sagt Scheffler, »mufs in ihren Zwecken 
möglichst einfach sein. Will sie zu viele Zwecke vereinigen, so ist 
sie in Gefahr keinen recht zu erreichen. Hieraus folgt die Nützlich- 
keit, um nicht zu sagen die Notwendigkeit, der Absonderung öffent- 
licher Schulen«. 

»Gröfsere Städte — wie etwa unser Braunschweig — haben 
gewöhnlich aus alten Zeiten her ein Paar gelehrter Schulen. Dies 
war vormals sehr gut und löblich, und auch noch jetzt kann das 
Nebeneinander-Bestehen derselben, wenn sie ihren gemeinsamen Zweck 
immer vor Augen haben und keine Eitelkeit, keine Scheelsucht und 
kein Geld-Interesse ihre Eintracht schwächt, ın Rücksicht einer edlen 
Nacheiferung viel Gutes wirken. Aber sollte es bei den veränderten 
! Braunschw. Mag. 1818, St. 44, S. 695 ff. 

10* 


CXLVIOI Einleitung I 


Zeitbedürfnissen nicht zweckmälsiger sein, wenn man aus den beiden 
lateinischen Gymnasien zwei Gymnasien verschiedener Art machte, 
ein gelehrtes und ein Realgymnasium? Jenes wäre blofs für die 
künftigen Gelehrten im weitern und engern Sinne bestimmt; dieses, 
keine gewöhnliche Bürgerschule, sondern höhere Anstalt, für die künf- 
tigen Kameralisten, Forstmänner, Ökonomen, Künstler, Kaufleute und 
andere Mitglieder der gebildeten Stände. Beide mülsten im Range 
völlig gleich, beide nach den Fähigkeiten und erworbenen Kennt- 
nissen der Schüler in Klassen geteilt sein. In dem gelehrten Gym- 
nasium stände unter den Lehrgegenständen die alte klassische Litteratur 
billig obenan, doch dürften die dem künftigen Grelehrten unentbehr- 
lichen Sachkenntnisse, sowie die nötigsten neueren Sprachen, und 
vornehmlich die Muttersprache, keineswegs vernachlässigt werden. 
In dem Realgymnasium herrschten dagegen die Sachkenntnisse nebst 
den neueren Sprachen und dem Deutschen vor, doch so, dafs das 
Lateinische wegen seiner mannigfachen Brauchbarkeit im gemeinen 
Leben und wegen seiner Verbindung mit den neuern Sprachen nicht 
ausgeschlossen würde, nur dafs es hier anders als auf dem gelehrten 
Gymnasium getrieben und die zweckmälsigen Autoren darin mehr 
kursorisch und ästhetisch als statarisch und grammatisch gelesen 
werden mülsten«. 

»Die Lehrer an beiden Instituten mülsten in ihren Fächern ge- 
schickte Männer sein, ausgezeichnet durch Kenntnisse, Lehrgabe, An- 
sehen, strenge Sittlichkeit, gewissenhafte Berufstreue und regen Eifer 
für alles Gute, das sie mit Freundlichkeit und Ernst in jeder Hin- 
sicht, wo und wie sie nur könnten, zu fördern suchen mülsten, ohne 
gleich feilen Lohndienern immer erst zu fragen: Was wird uns dafür? 
Kurz, sie müfsten ihren Schülern in Fleils, Ordnungsliebe und Mora- 
lität als Muster vorleuchten. Dafür mülste sie aber auch der Staat 
gehörig schätzen und sie, die ersten Bildner der künftigen Staats- 
bürger und selbst der vornehmsten Staatsbeamten, durch Sold und 
Ehre, beides unsern Zeiten angemessen, belohnen und auszeichnen«. 

»Wären nun auf diese Art zwei verschiedene Gymnasien da, so 
hätte jeder Vater die Wahl] seinen Sohn nach dessen künftiger Be- 
stimmung dem einen oder dem andern anzuvertrauen. Keine Unter- 
rıchtsstunde, die den Eltern, mit Recht oder Unrecht, entbehrlich 
dünkt, fiele dann weg, und der Lehrling würde zweckmälsiger und 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CXLIX 


in gehöriger Stufenfolge seiner nachmaligen Beschäftigung entgegen- 
geführt. Jetzt glaubt er oft, — und die Eltern glauben es nicht 
selten mit ihm und bestärken ihn ın seiner Meinung — dals er dieses 
oder jenes im Unterrichte einmal nicht nötig habe. Er treibt es also 
mit Widerwillen und Unlust, und sein Beispiel der Trägheit wirkt 
gar leicht nachteilig auch auf andere, die sich mit ihm in einer 
Klasse befinden und dabei einem andern Fache bestimmt haben. Bei 
der Trennung der Schulen aber fällt dies weg. Jeder Schüler wird 
mehr überzeugt, er lerne nichts für das künftige Vergessen«. 

»Ist indes des Knaben künftige Bestimmung noch nicht fest- 
gesetzt, — und das ist mehr lobens- als tadelnswert — so besuche 
er anfangs immerhin eine von beiden Schulen, gleichviel, welche; in 
den untern beiden Klassen, die man als Elementarklassen ansehen 
kann, wo sich die künftige Brauchbarkeit des Lehrlings erst zu ent- 
wickeln anfängt, wird dieses, sowie etwa bei veränderter Bestimmung 
des Knaben ein Wechsel der Schulen, nicht sehr bedeutend sein«. 

»Stimmt man aber meiner Ansicht und Meinung nicht bei, so 
vereinige man, wo zwei gelehrte Schulen sind, beide zu einem grolsen 
Ganzen, in welchem man durch eine stark vermehrte Zahl von Klassen 
und deren Einteilung in obere, untere und Nebenklassen sowohl eine 
gröfsere Abstufung in den erlangten Kenntnissen der Schüler als 
auch eine zweckmälsigere Beschäftigung derjenigen, welche nicht 
eigentlich studieren wollen, leicht bewirken kann«. 

Schefflers Vorschlag fand in Braunschweig allseitig Beachtung, 
nicht überall Billigung. Wie man in den angesehenen Beamtenkrei- 
sen darüber dachte, zeigen Äulserungen des Pastors Lachmann zu 
St. Andreas!. Die Umwandlung des einen humanistischen Gymna- 
siums in eine reale Lehranstalt wollte dem gelehrten Vater des grofsen 
Philologen nicht in den Sinn. Derartige Schulen, so meinte er, bil- 
deten durch ihre Rücksichtnahme auf den speziellen Beruf ihrer Zög- 
linge den Bürger aus, ehe der Mensch hinreichend ausgebildet sei. 
Die vielen Realitäten führten zu Einseitigkeit und schädigten die Idea- 
lität. Dem vorhandenen Bedürfnis würden einige Nebenklassen für 


1C.L. F. Lachmann war Pastor zu St. Andreas von 1792 bis 1823. Die 
angezogenen Äulserungen desselben finden sich in dem Aufsatze: »Das Martineo- 
Catharineum, ein Gesamt-Gymnasium zu Braunschweig“, abgedruckt im Braunschw. 
Mag. 1819, St. 11 und 12. 


CL Einleitung I 


die Nichtgriechen genügen. Gegen die mannigfachen Mängel der vor- 
handenen Zustände verschlielst er sich nicht und befürwortet mit 
Wärme die Verschmelzung des Martineums und Katharineums zu 
einer einzigen Anstalt. 


Wie Pastor Lachmann, so war auch Petri!, der seit 1821 
nach Schefflers Versetzung an die Katharinenschule an der Spitze 
des Martineums stand, ein entschiedener Freund der Einheitsschule. 
Man dürfe, so meint er, das Gymnasium nicht ohne weiteres als »Ge- 
lehrtenschulex bezeichnen. Die wissenschaftlichen Kenntnisse, die es 
unter seinen Zöglingen zu verbreiten strebe, seien nicht als ein aus- 
schliefsliches Monopol der sogenannten Fakultätsgelehrten zu betrach- 
ten. Sein Zweck sei »die Vorbildung für die Gesamtheit aller geistig 
thätigen Staatsbürger, mögen sie nun in besondern Fakultätsfächern 
oder sonst in achtbaren Geschäftskreisen wirken«. Die verderblichen 
Dispensationen der Nichtgriechen sind Petri gar nicht recht, aber er 
wagt es nicht gegen das durch den Gebrauch gebeiligte Unwesen mit 
Entschiedenheit aufzutreten. »Es würde allerdings, so äulsert er, ein 
anmafsender Eingriff in die den Eltern über ihre Söhne und den Bil- 
dungsplan derselben zustehenden Rechte sein, wenn die Schule, vol- 
lends ohne höhere Bevollmächtigung durch die Staatsbehörden, jedem 
ihrer Zöglinge die Teilnahme an dem gesamten Unterrichte ın allen 
Haupt- und Nebenabteilungen zur unbedingten Pflicht machen und 
diejenigen, die nicht alles mitlernen sollen, aus ihrem Scholse ent- 
fernt wissen wollte«. 


Bei einer derartigen Konnivenz von seiten der Gymnasialleitung 
kann man sich nicht wundern, dafs die Dispensationen vom Griechi- 
schen nach wie vor weiter florierten. Selbst von den künftigen Stu- 
dierenden blieben, weil die Sprache Homers für die Mediziner und 
selbst für die Juristen nicht unbedingt erforderich schien?, viele 
den griechischen Lektionen fern. Zugleich freilich dienten die Dis- 


ı Über Victor Friedrich Lebrecht Petri, geb. 1782, gest. 1857, finden 
sich eingehende Personalien bei Koldewey, Gesch. des Realgymnas. S.24f. Anm. 25. 
Die angezogenen Ausführungen finden sich in einem Programm des Martineums 
von Ostern 1822. 

% Noch 1846 wurde in der Hannoverschen Maturitätsprüfungsinstruktion be- 
stimmt, dals die griechische Sprache nur für die künftigen Theologen und Philo- 
logen einen notwendigen Gegenstand der Maturitätsprüfung bilden solle. Vergl. 
Zeitschr. f. d. Gymnasialw. 1847 (1. Jahrg.) 1. Heft, 8. 230. 233. 234. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CLI 


pensationen dazu den Wunsch nach einer Realschule in der Ein- 
wohnerschaft Braunschweigs abzuschwächen. Die Freunde derartiger 
Anstalten haben sich schon vor 60 Jahren in zwei Gruppen geteilt. 
Die einen verlangen danach‘, weil die Jugend dort wirklich etwas 
lernen kann, was ihr das Gymnasium für den spätern Beruf nicht 
zu bieten vermag, die andern, weil die Jugend dort nicht so sehr 
wie in den Gymnasien mit Dingen beschwert wird, die ihr in dem 
Gymnasium für die Gegenwart als lästige Bürde und für die Zukunft 
als nutzloser Ballast erscheint. Jene haben ein positives, diese ein 
negatives Interesse. Wer vorwiegend von dem letzteren sich leiten 
lälst, ist gern auch mit dem Gymnasium zufrieden, wenn nur das 
Söhnlein dort nicht so sehr mit Arbeit geplagt wird. 

So lagen die Verhältnisse, als Friedrich Traugott Friedemann! 
im Januar 1824 am Katharineum an die Stelle des alternden Scheff- 
ler trat. Er stand gerade im kräftigsten Mannesalter, und eine mehr- 
jährige Thätigkeit an der Spitze des Wittenberger Gymnasiums hatte 
den tüchtigen Lateiner bereits als scharfblickenden und thatkräftigen 
Direktor bewährt. Man hatte ihn aus der Ferne herbeigerufen, damit 
er, unbehindert durch mancherlei Rücksichten, deren ein Inländer nur 
schwer sich erwehrt, dem krankenden Schulorganismus wieder neue 
Kraft und Gesundheit einhauchen möge. »Wir erwarten von Ihnen 
Grofses«, hatte ihm der Generalsuperintendent Hoffmeister bei sei- 
ner Einführung zugerufen?. Und Friedemann hatte den ernstesten 
Willen den ihm entgegen kommenden Erwartungen zu entsprechen. 
Seine erste That war die Austreibung der Nichtgriechen. Nachdem 
er seine Primaner durch Vorstellungen dahin gebracht hatte, dals sie 
ohne Ausnahme an sämtlichen Unterrichtsgegenständen sich beteilig- 
ten, weigerte er sich fortan einen Schüler in die obersten Klassen 


3 Friedrich Traugott Friedemann, geb. 1793, war Direktor des Katha- 
rinsums vom Jan. 1824 bis zum Sommer 1828. Er ging als Oberschulrat und Direktor 
des Oberlandesgymnasiums nach Weilburg, wurde 1840 Archivdirektor in Idstein, 
wo er 1853 starb. Vergl. Koldewey, Gesch. des Realgymnas. S. 25, Anm. 27. 

# »Reden beim Wechsel des Direktorates im Herzoglichen Katharineum zu 
Braunschweig gehalten den 7. Januar 1824«. Braunschweig 1824. 8%. S. 16. — 
Der Generalsuperintendent L. F. A. Hoffmeister, geb. 1776, war Lehrer der 
Herzöge Karl und Wilhelm gewesen und stand als Pastor an der St. Petrikirche. 
Im Jahre 1826 ging er als Abt und Konsistorialrat nach Wolfenbüttel, wo er am 
10. Juli 1832 starb. Vergl. Koldewey, Album S. 2. Im J. 1885 sind von ihm 
hinterlassene Erinnerungen an seine Erzieherwirksamkeit veröffentlicht. 


CLI Einleitung I 





aufzunehmen, der nicht auch im Griechischen das seinige leiste. Die 
Dispensationen, so sagte er, befördern die Trägheit und stören die 
Ordnung des Ganzen. Die Ehre der Wissenschaft, der Ruf der An- 
stalt und die Verpflichtung gegen den Staat fordern, »dafs wir sorg- 
fältig jede Gelegenheit allen denen abschneiden, die ohne Beruf von 
innen und aufsen und ohne Liebe zur Sache sich zur Akademie 
drängen, nur weil sie auf diesem Wege am gemächlichsten durchs 
Leben zu kommen meinen. Eine Menge unnützer und lästiger Bür- 
ger kann so dem Vaterlande erspart, eine Menge unglücklicher und 
verdorbener Halbgelehrter, die sich am Ende selbst zur Last leben 
würden, kann so gerettet, eine Menge unwissender und gewissenloser 
Subjekte kann so dem Dienste des Staates und der Menschheit ent- 
zogen werden. Wer uns daher angehören will, mufs uns ganz an- 
gehören; denn wer nicht überall mit uns ist, der ist überall wider 
uns«!. 

In Friedemanns entschiedenem Auftreten gegen die Dispensa- 
tionen lag der Keim zu der Regeneration der Gymnasien; anderer- 
seits aber war die unabweisbare Konsequenz dieser Mafsregel die 
Begründung einer Realschule. Diese Konsequenz rechtzeitig und mit 
klarem Blick erkannt und mit fester Hand gezogen zu haben war das 
Verdienst des Dr. August Brandes?, eines jungen Gelehrten, der 
seit wenigen Jahren am Üarolinum als Lehrer der neueren Sprachen 
beschäftigt war. Als ehemaliger Schüler des Katharineums kannte 
derselbe die Zustände der Gelehrtenschulen, und in viel begehrten 
Privatstunden hatte er erfahren, welche Bildungsbedürfnisse insbeson- 
dere in den angesehenen Kaufmannsfamilien der Stadt nach Befrie- 
digung verlangten. Schon ein halbes Jahr nachdem Friedemann 
den Dispensationen den Krieg erklärt hatte, trat er, in Verbindung mit 
dem Pastor Möhle?® zu St. Andreas und dem Münzkommissär Süpke%, 

I »Lehrplan des Herzoglichen Katharineums zu Braunschweig für das Sommer- 
halbjahr 1824 nebst vorläufigen Bemerkungen von Dr. Friedr. Traugott Friede- 
mann, Direktor. Braunschweig, gedruckt bei C. Reichard. 4°. S. 4f. 

2 Über Dr. August Brandes, geb. 1798, gest. 1858, findet sich Näheres bei 
Koldewey, Gesch. des Realgymnas. S. 26, Anm. 30. 

3 Über Joh. Heinr. Friedr. Wilh. Möhle, geb. 1792, gest. 1865 als 
Generalsuperintendent zu Holzminden, findet sich Näheres bei Koldewey, Gesch. 
des Realgymnas. S. 26, Anm. 31. 


* Näheres über den späteren Professor Heinrich Friedrich Wilh. Süpke, 
geb. 1796, gest. 1862, bei Koldewey, Gesch. des Realgymnas. S. 26, Anm. 32. 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CLIU 


mit dem Plane zu der Errichtung eines Realinstituts hervor. »Es war 
früher«, so heifst es in der von diesen drei Männern am 13. Septem- 
ber 1824 erlassenen Bekanntmachung, «den Zöglingen der Gymnasien 
gestattet den Unterricht in der lateinischen und griechischen Sprache 
unbenutzt zu lassen, und sie wurden dann während der diesen Spra- 
chen gewidmeten Stunden in Nebenklassen beschäftigt. Diese Ein- 
richtung ist mit Recht aufgehoben, und es wird in Zukunft Haupt- 
gesetz unserer Gymnasien sein, dals jeder Schüler an allen Lektionen 
ohne Ausnahme teilnehmen muls, wie dies denn in dem Ostern die- 
ses Jahres herausgegebenen Schulplane des Herrn Dr. Friedemann, 
Direct. Cathar., deutlich ausgesprochen ist. Es bleibt also dem Nicht- 
studierenden, der doch vom zwölften Jahre an spätestens sich vorzüg- 
lich mit denjenigen Wissenschaften beschäftigen muls, welche zu seinem 
gewählten Fache unentbehrlich sind, nichts übrig als eine unserer 
Schreibschulen zu besuchen und in den neueren Sprachen, wie in den 
unentbehrlichen Wissenschaften, Privatunterricht zu nehmen. Dies 
ıst aber teils nur den Begüterten möglich, und teils kann nur eine 
sehr mangelhafte Bildung dadurch erreicht werden«. 

»Fest überzeugt, dafs in diesen Bemerkungen nur die allgemeine 
Meinung des gebildeten Publikums ausgesprochen sei, haben die 
Unterzeichneten sich entschlossen, eine Lehranstalt zu eröffnen, dureclı 
welche sie die oben bezeichnete Lücke in den Bildungsanstalten 
unserer Stadt auszufüllen sich bemühen werden. Es sollen in dieser 
Anstalt junge Leute von 11—16 Jahren sich nicht nur die jedem 
Gebildeten unentbehrlichen Kenntnisse erwerben, sondern auch die 
für ihren künftigen besondern Beruf erforderliche Vorbildung erhalten 
können. Der künftige Kaufmann, Ökonom, Soldat, Künstler, Forst- 
beflissene, Baumeister und Mechaniker muls sich darin alle Hülfs- 
und Vorkenntnisse erwerben können, welche ihn ın den Stand setzen 
sein Fach nachher mit Nutzen zu betreiben und spätern, eben so 
störenden als kostspieligen Privatunterricht zu entbehren«!. 

Der Erfolg übertraf die Erwartungen. Als das Realinstitut am 
12. April 1825 im zweiten Stockwerke des an der Reichenstralse be- 
legenen Predigerhauses zu St. Andreas eröffnet ward, hatten sich 
trotz des für jene Zeiten sehr erheblichen Schulgeldsatzes von jähr- 


I Vergl. die Nachweisung bei Koldewey, Gesch. des Realgymnas. S. 27, 
Anm. 33. 








CLIV Einleitung I 


lich 24 und 36 rthlr. 53 Schüler versammelt. Ihre Zahl wuchs im 
Laufe des Sommers auf 63 und stieg in den nächsten zwei Jahren 
auf 89, unter denen sich 31 auswärtige befanden. Schon merkten 
die Gymnasien an der sinkenden Frequenz und den geringeren Schul- 
gelderträgen, dafs ihnen in dem Realinstitut ein gefährlicher Rival erwuchs. 


Durch alle die hier geschilderten Vorgänge und Zustände hatte 
sich um die Mitte der zwanziger Jahre in den leitenden Kreisen mehr 
und mehr die Überzeugung befestigt, dals das höhere Schulwesen 
der Stadt Braunschweig einer durchgreifenden Reform dringend be- 
dürftig sei. Zugleich aber erkannte man auch, dafs es mit dem 
Volks- und Bürgerschulwesen in dem bisherigen Gleise gleich- 
falls nicht weiter ginge. Dasselbe befand sich noch immer in dem- 
selben Wirrsal wie fünfzig Jahre zuvor. An einzelnen tüchtigen 
Lehrern fehlte es zwar auch jetzt nicht. Die Schreibschule in der 
Katharinengemeinde erfreute sich unter der Leitung des Lehrers 
Daubert! eines Rufes, der durch anerkennenswerte Leistungen voll- 
ständig begründet war. Aber der Mangel an geeigneten Lokalen, die 
Zersplitterung der vielen unzusammenhängenden Klassen über die 
ganze Stadt, die Unmöglichkeit einer genügenden Inspektion, die Un- 
zulänglichkeit und die Schwankungen der Gehalte — alles das bildete 
nach wie vor unübersteigliche Hindernisse des Gedeihens. 


Bislang waren die staatlichen und städtischen Behörden noch 
immer durch Reorganisationen auf anderen Gebieten allzusehr in An- 
spruch genommen gewesen. Von der Mitte der zwanziger Jahre 
schien aber der Augenblick gekommen, um auf eine allgemeine und 
gründliche Reform des gesamten Schulwesens der Stadt Bedacht 
nehmen zu können?. So wurde denn durch höchstes Reskript vom 
16. Januar 1827 eine Kommission eingesetzt, welche »die Verbesserung 
der Schulanstalten der Stadt Braunschweig« in Angriff nehmen sollte. Zu 
Mitgliedern dieser Kommission wurden der Magistratsdirektor Bode?, 


I Karl Aug. Daubert starb am 29. Nov. 1844 als Schulinspektor, 71 J. alt. 

2 Bode, Stadtverwaltung II, 49. Über die Zustände vergl. S. CXXX. 

3 Wilhelm Julius Ludwig Bode wurde am 18. Mai 1779 zu Königslutter 
geboren, studierte Jurisprudenz zu Helmstedt und Göttingen, wurde Michaelis 1825 
Magistratsdirektor, später Stadtdirektor zu Braunschweig, trat 1848 in den Ruhe- 
stand und starb am 20. April 1854. Seine grofsen Verdienste um die Stadt 
Braunschweig und seine litterarischen Publikationen werden gewürdigt in der 
Allgem. Deutschen Biographie IH, 2f. 








Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CLV 


der Generalsuperintendent Henke! und die Direktoren Petri und 
Friedemann ernannt. Von diesen war es besonders Bode, durch 
dessen Umsicht, Energie und Besonnenheit die Aufgabe trotz der er- 
heblichsten Schwierigkeiten schnell und sachgemäls gelöst ward. 
Neben ihm entwickelte auch Friedemann eine unermüdliche Thätig- 
keit. Schon am 10. Oktober 1827 erhielt der von der Kommission 
entworfene Plan die landesherrliche Bestätigung, und unter dem 
6. Dezember 1827 wurde das Publikum durch die unter 49 mitgeteilte 
»Nachricht von der Umgestaltung der Schulen in der Stadt 
Braunschweig« (S. 478ff.) von den bevorstehenden Veränderungen 
in Kenntnis gesetzt. 

Dieser Plan — man kann ihn den Bodeschen nennen? — 
bezweckte aber nichts Geringeres als die sämtlichen Bildungsanstalten 
der Stadt mit Ausnahme des Carolinums den Bedürfnissen der Zeit 
gemäls umzuwandeln und die einzelnen Schulen zu einander in einen 
organischen Zusammenhang zu setzen. Abgesehen von den für ab- 
gesonderte Zwecke bestimmten Anstalten (katholische und israelitische 
Schule, Schule für Taubstumme, Blinde) zerfielen danach die ge- 
samten Schulen in zwei Gruppen, 1. in die einer höhern Bildung 
gewidmeten, und 2. in die zur Verfolgung der einem jeden Staats- 
genossen erforderlichen Bildung notwendigen Unterrichtsanstalten. Zu 
der ersten Gruppe werden die Gymnasien und die höhere Töchter- 
schule der Demoiselles Pott gerechnet, zu der zweiten gehören einer- 
seits die allgemeinen Volks- und Bürgerschulen, andererseits die 
Armen- und Freischulen. 


Der erste Gesichtspunkt, von dem sich die Kommission bei der 
Neugestaltung des höheren für die männliche Jugend be- 
stimmten Schulwesens leiten liels, ging darauf hinaus die vorhande- 
nen Anstalten zu einem grolsen einheitlichen Organismus unter dem 
Namen »Gresammtgymnasium« zu vereinigen. Dazu hob man das Marti- 
neum und Katharineum in ihrer Besonderheit auf, zog die vorhandenen 


! Theodor Karl August Henke, geb. am 16. Juli 1765 zu Braunschweig 
1791 Gymnasiallehrer in Holzminden, 1796 Pastor zu Rühle, 1800 Pastor zu Otten- 
stein, 1806 Pastor zu St. Magni in Braunschweig, 1820 Superintendent der Inspektion 
Campen, 1826 General- und Stadtsuperintendent, 1833 — 1835 stellvertretender 
Prälat und Landstand, gestorben am 11. Mai 1843. 


® Er ist in seinen Grundzügen mitgeteilt bei Bode, Stadtverwaltung III, 51 ff. 


CLVI Einleitung I 


Schüler und Lehrer zu einem neuen humanistischen Gymnasium zu- 
sammen, sonderte dann wieder die lange Reihe von Klassen in ein 
Ober- und ein Progymnasium und stellte neben diese beiden Ab- 
teilungen als dritte das seines privaten Charakters entkleidete Real- 
institut des Dr. Brandes unter dem Namen eines Realgymnasiums. 
Dafs man das letztere bei der Schulreform in dieser Weise be- 
rücksichtigte, war wohl berechtigt. Das rasche Aufblühen desselben 
hatte deutlich genug dargethan, dafs in Braunschweig eine derartige 
Lehranstalt geradezu notwendig sei. Durch eine neu zu errichtende 
staatliche oder städtische Realschule den Wünschen und Bedürfnissen 
weiter Kreise der Bürgerschaft gerecht zu werden war bei der Kärg- 
lichkeit der zu Bildungszwecken vorhandenen Mittel von vornherein 
unmöglich; andererseits aber war es bedenklich das Institut als 
Privatanstalt seine eigenen Wege gehen zu lassen, weniger weil man 
fürchtete, dasselbe werde ohne die leitende Hand der Behörden ver- 
kehrte Bahnen des Unterrichts einschlagen, sondern weil man im 
Interesse der humanistischen Anstalten der Konkurrenz desselben 
und dem bereits fühlbar gewordenen Verlust an Schulgeld mit Be- 
sorgnis entgegen sah. 

In dem neu gebildeten Gesamtgymnasium sollte zu gleicher 
Zeit die Einheit des Ganzen und die Selbständigkeit der Teile ge- 
wahrt werden. Das Obergymnasium hatte den Zweck auf die gelehrten 
Fakultätsstudien, das Realgymnasium auf die höheren Stufen des 
bürgerlichen Geschäftslebens vorzubereiten; mitten inne und für beide 
vorbereitend sollte das Progymnasium stehen. Jede der drei Ab- 
teilungen erhielt einen besonderen Vorsteher, der verpflichtet war 
»den eigentümlichen Zweck seiner Abteilung, zwar mit der grölsten 
Vollständigkeit, aber immer im sorgfältigsten Zusammenhange mit 
dem Ganzen zu erreichen«e. Jeder dieser Direktoren galt als das 
Organ und der verantwortliche Vertreter seiner Abteilung, und der 
Direktor des Obergymnasiums vertrat die Anstalt im allgemeinen. 
Über dem Ganzen stand als nächste Behörde das Ephorat, das sich 
aus dem Stadtdirektor und dem Stadtsuperintendenten zusammen- 
setzte und seinerseits dem Konsistorium unterstellt war. Die beiden 
Ephoren bildeten mit den drei Direktoren die Schulkommission. Das 
Patronat, das vorher bei dem Martineum städtisch, bei der Katharinen- 
schule staatlich gewesen war, wurde bei dem Gesamtgymnasium vom 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CLVII 


Magistrat und Konsistorium gemeinsam, die Wahl der Lehrer ab- 
wechselnd geübt, doch so, dafs das Direktorat des Gresamtgymnasiums 
stets vom Staat, das des Realgymnasiums stets von der Stadt be- 
setzt wurde. In finanzieller Hinsicht bildeten die drei Abteilungen 
eine völlige Einheit, und was von Wichtigkeit war, die Intraden 
flossen nicht mehr unmittelbar den Lehrern zu, sondern wurden, 
mochten sie nun in Schulgeldern, in Zuschüssen der öffentlichen 
Kassen, in Erträgen milder Stiftungen oder in sogenannten Accidenzien 
bestehen, ohne Unterschied in die gemeinsame (Gymnasialkasse ge- 
zahlt, und aus dieser allein bezogen dann die einzelnen Lehrer die 
für sie festgesetzten Gehalte!. 

Am Vormittag des 15. Januar 1828 wurde das Gresamtgymna- 
sum in der Brüdernkirche mit grolser Feierlichkeit eingeweiht. 
Friedemann veröffentlichte dabei die unter 50 zum Abdruck ge- 
brachten »Allgemeinen Umrisse der Verfassung des Ge- 
sammtgymnasiums zu Braunschweig« (8.490ff.). Am folgenden 
Tage begann die ernste Schularbeit. Friedemann war Spezialdirek- 
tor des Obergymnasiums und zugleich Direktor der Gesamtanstalt. 
Petri trat ganz in den Dienst des Collegium Carolinum, um der hu- 
manistischen Abteilung desselben bis zu seinem Tode seine reiche 
Gelehrsamkeit zu widmen. An die Spitze des Progymnasiums war 
Dr. Hartwig? gestellt, der vorher schon 12 Jahre hindurch als Leh- 
rer am Katharineum gewirkt hatte. Die Leitung des Realgymnasiums 
führte Professor Dr. August Brandes, der Stifter des Realinstituts. 
Das Obergymnasium war in den Räumen des alten Katharineums, 
dort, wo jetzt am Hagenmarkt der Durchbruch der Casparistralse statt- 
gefunden hat, untergebracht, das Progymnasium im ehemaligen Mar- 
tineum am Ziegenmarkt. Dort war auch für das Realgymnasium 
durch den Ausbau des oberen Stockwerkes eine Unterkunft gewonnen. 
Für die Schüler der sämtlichen drei Anstalten wurden sogleich bei 
der Eröffnung die unter 51 A mitgeteilten Gesetze (S. 502ff.) erlassen, 
für die Lehrer am Ende des Jahres in der unter 51 B zum Abdruck ge- 
brachten Instruktion (S.512ff.) die ihnen obliegenden Pflichten zusam- 
mengestellt. Die Schülergesetze wurden 1833 durch eine neue Redaktion 


! Vergl. die unter 50 mitgeteilten » Allgem. Umrisse«, S. 490 fi. 
2 Über Georg Heinrich Theodor Hartwig, geb. 1789, gest. 1865, vergl. 
Koldewey, Gesch. des Realgymnas. S. 30, Anm. 47. 





CLVIU Einleitung I 


ersetzt; die Instruktion für die Lehrer hat bis auf den heutigen Tag 
ihre gesetzliche Geltung noch nicht verloren. 


Ohne Zweifel lag in der Vereinigung der sämtlichen höheren 
Lehranstalten der Stadt zu einem einheitlichen Ganzen ein grolser 
Gewinn. Mit einem Schlage beseitigte man die verderbliche Rivalıtät, 
welche von alters her zwischen dem Martineum und der Katharinen- 
schule geherrscht hatte, und setzte zugleich den Konkurrenzgelüsten, 
die von seiten des Realinstituts drohten, einen kräftigen Damm ent- 
gegen. Auf der humanistischen Seite erwuchs die Möglichkeit durclı 
die Zusammenziehung der beiden fünfklassigen Gelehrtenschulen eine 
Reihe von Stufenklassen einzurichten, wie sie für einen gedeihlichen 
Fortschritt des Unterrichts geradezu notwendig sind. Für das Real- 
gymnasium aber lag ein unberechenbarer Vorteil nicht blols darın, 
dals es allen den Fährlichkeiten, denen ein jedes Privatinstitut aus- 
gesetzt ist, entzogen, sondern namentlich auch darin, dafs es als ein 
gleichberechtigtes Glied neben die Grelehrtenschule gestellt ward. Seine 
Schüler erhielten dieselben Gesetze, seine Lehrer dieselbe Instruktion 
wie die des humanistischen Gymnasiums. Darin war von vornherein 
ein Prinzip ausgesprochen, dessen Wert nicht hoch genug veranschlagt 
werden kann. Für das Ganze aber war es von grofser Wichtigkeit, 
dafs man gleich bei der Gründung des Gesamtgymnasiums dem 
alten verderblichen Besoldungssystem ein Ende machte. Es kann 
nicht zweifelhaft sein, dafs erst durch die Beseitigung des direkten 
Schulgeldbezugs die Grundlage für eine würdıge Stellung des Lehrer- 


standes äufserlich und innerlich gewonnen war. 


Bei alledem lagen neben den unverkennbaren Vorzügen auch 
nicht unerhebliche Mängel. 


Zunächst war die Einheit der Anstalt keineswegs so fest, als 
man glauben mochte, begründet. Vor allem war das Verhältnis der 
drei Direktoren keineswegs mit der nötigen Klarheit geordnet. Einer- 
seits sollten sie koordiniert und gleichberechtigt neben einander, und 
dann sollte doch wieder der Spezialdirektor des Obergymnasiums an 
der Spitze des Ganzen stehen. Man erkannte recht wohl, dafs in 
dieser Bestimmung der Anlals zu sehr unliebsamen Friktionen ent- 
halten sei; aber man liefs sich mehr, als für die Sache gut war, von 
persönlichen Rücksichten beeinflussen und half sich über den kitzlichen 





Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CLIX 


Punkt mit dem nichtssagenden Ausdrucke hinweg, der Direktor des 
Obergymnasiums sollte die Anstalt im allgemeinen vertreten. 

Und wie hier, so lag auch in dem lockern Zusammenhange, in 
den das Realgymnasıum zu den beiden andern Abteilungen gestellt 
ward, der Keim zu auseinander strebenden Tendenzen. Nach den 
Auslassungen der Kommission sollte dasselbe wie eine koordinierte 
Schwesteranstalt neben die Gelehrtenschule treten; für beide sollte 
das Progymnasium die Vorschule und Grundlage sein. Und wer 
wollte denn leugnen, dafs eine derartige Gliederung und Gruppierung 
der verschiedenartigen höheren Lehranstalten auf den ersten Blick 
viel Verlockendes und Anziehendes hat! Vielleicht ist damit auch für 
unsere Zeiten der Weg angedeutet, auf dem für mancherlei schwie- 
rige und verworrene Fragen, welche jetzt auf dem Gebiete des 
deutschen höheren Schulwesens erörtert werden, eine glückliche Lösung 
sich finden liefse. Soll aber von einer derartigen Verknüpfung von 
Gymnasium und Realschule ein wirklicher Nutzen erwartet werden, 
so ist es vor allem erforderlich, dafs beide aus der gemeinsamen 
Basis organisch hervorwachsen, und dafs die in der Vorschule ge- 
pflanzten Keime in beiden zu weiterem Wachstum gelangen. Ein 
solches Verhältnis war aber in dem Gesamtgymnasium keineswegs in 
ausreichendem Mafse vorhanden. In dem Progymnasium bildete das 
Latein den hauptsächlichsten Lehrgegenstand, und das Realgymnasium 
war, ebenso wie das Realinstitut es bereits gewesen, in seinen An- 
fängen und noch lange Zeit darüber hinaus eine lateinlose Anstalt, 
und für eine solche können nun einmal die unteren und mittleren 
Klassen des humanistischen Gymnasiums eine zweckmälsige Vor- 
schule nicht sein. In der That waren denn auch schon die Be- 
gründer des Gesamtgymnasiums so wenig von der allgemeinen Durch- 
führbarkeit dieser Mafsregel überzeugt, dafs von vornherein der Ein- 
tritt in das Realgymnasium nicht blofs den Schülern des Progymna- 
siums, sondern auch denen der höheren Bürgerschulklassen gestattet 
ward. So geriet das Realgymnasium gleich von Anfang an zu den 
andern Abteilungen in eine schiefe Stellung. Für seine spätere Ent- 
wickelung wäre es eine Erleichterung gewesen, wenn man es ent- 
weder durch die Aufnahme der lateinischen Sprache gleich von vorn- 
herein in einen wirklich organischen Zusammenhang zu dem Pro- 
gymnasium gesetzt, oder, falls man das nicht wollte, ihm unter 


CLX Einleitung I 


Verzicht auf eine derartige Verbindung von vornherein eigene Vor- 
bereitungsklassen gegeben hätte. So bedurfte es langjähriger und 
verdriefslicher Vorgänge, um eine Verknüpfung wieder zu lösen, die 
nicht hinreichend durch eine innere Einheitlichkeit begründet war. 

Schliefslich war auch die Gehaltsfrage bei der Schulreform noch 
keineswegs in völlig befriedigender Weise gelöst. In dem System der 
Besoldung trat ja eine wesentliche Verbesserung ein; aber die Erhöhung 
der Gehalte, so sehr man von der Notwendigkeit derselben überzeugt 
war, kam nicht zustande. Was man durch die Steigerung der Schul- 
gelder im Ober- und Progymnasium erreichte, war nicht von Be- 
deutung, und jedenfalls blieb eine ganze Reihe von Stellen so un- 
genügend dotiert, dafs ihre Inhaber ohne irgend welchen, dem Interesse 
der Schule so schädlichen Nebenerwerb überhaupt nicht auszukommen 
vermochten. Der staatliche Zuschufs, welcher bis dahin gezahlt war, 
wurde auch nicht um einen Groschen gemehrt, und der städtische 
Säckel erwies sich gegen die Bedürfnisse der Schule sehr ablehnend 
und spröde. In der Beschränktheit der Mittel lag auch der Grund, 
weshalb man von einer Pensionierung der alten und untüchtigen Lehrer 
Abstand nahm. Dreihundert Jahre waren verflossen, seit Bugen- 
hagen der ehrbaren Stadt Braunschweig ihre evangelische Schul- 
ordnung gab. »Holtene lohn, holtene arbeyt« hatte darin der ver- 
ständige Pommer gesagt!. Wie schwer muls es doch sein zu er- 
kennen, dafs auf dem Gebiete des Schulwesens nun einmal ohne Geld 
rechtschaffene Erfolge nicht zu erwarten sind! 

Nicht so rasch wie bei dem Gesamtgymnasium ging die Schul- 
reform bei den übrigen Unterrichtsanstalten vor sich. Es be- 
durfte erst des Ankaufs und der Einrichtung passender Schulhäuser, ehe 
für sie der Bodesche Plan zur Ausführung kommen konnte. Der Ausbau 
derselben war Ostern. 1830 vollendet, und mit dem Beginn des Sommer- 
semesters trat die neue Ordnung in Kraft?. Die bisherigen Gemeinde- 
und Privatschulen wurden durch zwei grofse Bürgerschulen ersetzt, 
von denen die des östlichen Schulbezirks (Schulhaus an der Wilhelms- 
stralse) 4 Klassen für Knaben, 4 für Mädchen nebst 2 Elementar- 
klassen und eine Nebenklasse für weibliche Arbeiten, die des westlichen 


18.30, 
? Bekanntmachung des Stadtmagistrats vom 13. April 1830 in den Braunschw. 
Anz. von 1830, St. 30; Braunschw. Mag. 1830, St. 14. 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CLXI 


Schulbezirks (Schulhaus am Südklint) 3 Knaben-, 3 Mädchen- und 
2 Elementarklassen sowie eine Nebenklasse für weibliche Arbeiten um- 
falste. Die beiden Armenschulen enthielten je 2 Knaben-, Mädchen- und 
Elementarklassen; daneben war noch eine zweiklassige Abendschule 
für solche Kinder errichtet, welche am Tage zu Arbeiten benutzt wurden. 
Neben diesen städtischen Bürger- und Freischulen bestanden noch als 
rein herzogliche Anstalten die Waisenhausschule mit je 4 Knaben- und 
Mädchenklassen und die Garnisonschule für die Kinder von Militär- 
personen, die 1830 gleichfalls auf 5 Klassen erhöht wurdel. Die 
höhere Töchterschule der Fräulein Pott, deren erste Anfänge bis ins 
Jahr 1811 zurückreichten, erhielt gleichzeitig von seiten der Stadt 
als Lokal das Haus zugewiesen, das bislang von der Katharinen- 
schreibschule benutzt war?. In ihrer Verwaltung bewahrte dieselbe 
den Charakter einer Privatanstalt. 


An den sämtlichen städtischen Bürger- und Armenschulen wur- 
den die Lehrer vom Magistrat sowohl angestellt wie besoldet?; die 
oberste Aufsicht lag bei dem Stadtsuperintendenten und dem Magistrat. 
In den Bürgerschulen war der Lehrer der ersten Klasse jedesmal 
Dirigent der Anstalt*; in den Armenschulen führte einer der Stadt- 
prediger die Aufsicht®. Als Lehrgegenstände werden für die Bürger- 
schulen Religion, deutsche Sprache, Naturgeschichte und Naturlehre, 
Schönschreiben, Rechnen, Geometrie, Geschichte, Gesanglehre, Zeichnen, 
Französisch und für die Töchterklassen weibliche Handarbeiten auf- 
geführt ®. 

Mit der Eröffnung der Bürgerschulen zu Ostern 1830 hatte der 
Reformplan des Jahres 1827 in allen wesentlichen Punkten seinen 
Abschlufs gefunden. Blieb auch hie und da noch manches zu wün- 
schen, so war doch für die fernere Entwickelung eine feste und ge- 
deihliche Grundlage gewonnen. Wenige Monate darauf begann die 


! Bode, Stadtverwaltung II, S. 5lf.; Schröder-Assmann, Stadt Braun- 
schweig II, 13 ff. 

2 Schröder-Assmann, Stadt Braunschweig II, 27; Bode, Stadtverwaltung III, 
56f. 64. 

3 Bode, Stadtverwaltung III, 55. 62 f. 64. 

* Schröder - Assmann, Stadt Braunschweig I, 16; Bode, Stadt- 
verwaltung III, 63. 

5 Schröder-Assmann, Stadt Braunschweig II, 19. 

© Schröder-Assmann, Stadt Braunschweig II, 16. 


11 





CLXII Einleitung I 


für das ganze Land segensreiche, mehr als fünfzigjährige Regierung 
des Herzogs Wilhelm. Auch das Schulwesen der Hauptstadt hat 
unter seinem friedlichen Scepter mannigfache Förderung erfahren. In- 
zwischen aber hat die unablässig lösende und neue Knoten schürzende 
Zeit vieles verändert. Das Bürger- und Volksschulwesen hat sich 
kräftig weiter gebildet, und trotz der Vermehrung und Erweiterung 
der einzelnen Anstalten vermögen dieselben bei dem fortschreitenden 
Wachstum der Stadt doch kaum noch die anschwellende Kinderschar 
zu fassen. Der Erziehung der weiblichen Jugend sind anstatt des 
bescheidenen Instituts der Demoiselles Pott zwei ausgedehnte städtische 
Töchterschulen gewidmet. Die Knaben und Jünglinge, die eine 
höhere Ausbildung suchen, finden dazu in zwei humanistischen Gym- 
nasien, einem Realgymnasium und einer ÖOberrealschule reichliche 
und vielseitige Gelegenheit. Aus dem Collegium Carolinum ist die 
Technische Hochschule Carolo-Wilhelmina geworden. Palastartig ragen 
die neuen Wohnsitze des Bildungswesens empor. In hohen und 
luftigen Räumen lauscht die Jugend der Stimme kenntnisreicher Lehrer 
und Lehrerinnen. Wie der Geist, so findet auch der Körper des 
heranwachsenden Geschlechts in den Schulen liebevolle und sorg- 
fältige Pflege. Wer will es dem Sohne der Stadt Braunschweig ver- 
argen, wenn er mit dankbarem Stolze hinschaut auf das, was opfer- 
williger Bürgersinn und die Fürsorge einer weisen und wohlwollenden 
Staatsregierung geschaffen! 

Unwillkürlich aber wendet sich der Blick von der Gegenwart 
zurück zu jener in undurchdringliches Dunkel gehüllten Stunde, da 
zum ersten Male am Strande der Oker ein Strahl höherer Geistes- 
bildung emporleuchtete, da zum ersten Mal der Scholastikus zu 
St. Blasien die jungen Kanoniker in enger, klösterlicher Zelle um sich 
sammelte, da zum ersten Male in der Kirche des alten Burgstifts 
der fromme Klang eines jugendlichen Sängerchors erscholl. Mehr 
als acht Jahrhunderte sind seitdem vorübergerauscht, und der Weg, 
der zurückgelegt ist, war nicht blofs lang; er war auch mühsam, 
vielfach von Gefahren umdroht. Oft führte er durch dürre Sand- 
wüsten und über unfruchtbares Heideland; das Gewand, in dem das 
Schulwesen einherschritt, war meist armselig und kümmerlich zu- 
sammengeflick. Zwei Kleinode aber trug es zu allen Zeiten in 
seiner Hand und hielt sie, wenn auch nicht immer in gleichem 


Entwickelung des Schulwesens in der Stadt Braunschweig CLXII 


Glanze, so doch nie ohne Segen zu spenden hoch empor über Stadt 
und Land: Gottesfurcht und Wissenschaft! Mögen diese köstlichen 
Kleinode auch in Zukunft in den Bildungsanstalten der alten und 
ruhmreichen Stadt Braunschweig allezeit treue Hüter finden! Das 
walte Gott! 


11® 


II 


Textgestaltung 
textkritische und bibliographische Erläuterungen 
zu den einzelnen Stücken 


1 
Textgestaltung 


Bei der Gestaltung des Textes der zum Abdruck gebrachten 
Schulordnungen vermochte der Herausgeber sich nicht zu entschliefsen, 
wie es jetzt von manchen Seiten lebhaft gewünscht wird, genau die 
Schreibweise und Zeichensetzung der Vorlagen wiederzugeben. Wem 
wäre denn auch von denen, welche diese Sammlung als eine Quelle 
der Schulgeschichte benutzen, ernstlich damit gedient, wenn jeder 
grofse Buchstabe, jedes u oder v, jedes i oder j, wie sie der Brauch 
der Zeit oder die Laune und der Schönheitssinn des Schreibers oder 
Setzers verwendet hat, mit diplomatischer Treue wiedergegeben würde! 
Was könnte es nützen in den lateinischen Texten des 16. und 17. 
Jahrhunderts die lange Endsilbe a durch ä& oder & hervorzuheben, 
die Adverbien durch einen accentus gravis (maxim®, paulö, tm) 
auszuzeichnen! Wer möchte seine Freude daran haben alle die Kon- 
sonantenhäufungen, namentlich am Ende der Wörter, die offenbar zu 
einem guten Teile nur der Geschmacksrichtung und der Willkür, oft 
auch dem Unverstande der Kanzlisten ihre Entstehung verdanken 
(z. B. habenn, Articull, anndtworttenn, Jugenndt, wirdtt u. dergl.), 
der Nachwelt erhalten zu sehen! Wer endlich würde Vorteil davon 
ziehen, wenn ihm die Hervorhebung der Fremdwörter durch besondere 
Schrift oder gar die altfränkische Verknüpfung von deutschen und 
lateinischen Lautzeichen in einem und demselben Worte (wie »decli- 
niret«, »declinationen«, »Collegen« u. dergl.) deutlich vor Augen ge- 
stellt würde! Manche von diesen Eigentümlichkeiten zu wahren 
wurde schon dadurch ausgeschlossen, dafs Verlagsbuchhandlung und 


Textgestaltung CLXV 


Redaktion für den Druck der Monumenta die Antiqua gewählt hatten; 
alle aber hätten im Grunde nur für solche Zwecke einen Wert ge- 
habt, die der Absicht der vorliegenden Veröffentlichung fern liegen. 
Wer über die Entwickelung der Orthographie — oft wäre es auch 
nur graphische Technik — oder der Setzerpraxis Belehrung sucht, 
wird so wie so an die Originale sich halten müssen. Wollte man 
aber die Interpunktion der Vorlagen unverändert wiedergeben, so 
würde bald durch den fast gänzlichen Mangel einer Zeichensetzung, 
bald wieder durch eine übermälsige Fülle von Einschnitten das Ver- 
ständnis erschwert werden. Oft wären auch jetzt gar nicht mehr 
übliche Striche zu verwenden gewesen, und hie nnd da hätte ein 
Satzzeichen eine Bedeutung, die es für das Auge der Gegenwart 
längst nicht mehr besitzt. 

So sehr aber auch der Herausgeber vor einer allzu konservativen 
Repristination des Äufseren seiner Vorlagen sich hüten zu müssen 
geglaubt hat, so wenig hat er doch auch zu einer modernisierenden 
und nivellierenden Umgestaltung des Textes sich für berechtigt ge- 
halten. Er hat darangegeben, was ihm blols äulserlich erschien, 
was nur dem Auge zu dienen und einem vermeintlichen Schön- 
heitssinn zu entsprechen bestimmt war; aber sorgfältig hat er zu 
wahren gesucht, was für die Wiedergabe des Lautes der einzelnen 
Wörter Bedeutung besals. Manchem wird er in diesem Bemühen 
vielleicht zu weit gegangen sein; wenn aber alle Schrift den Zweck 
verfolgt dem Leser zu erkennen zu geben, wie die einzelnen Wörter 
von den Sprachorganen hörbar gemacht werden sollen, so ist seines 
Erachtens jegliches Zeichen festzuhalten, was zur Erreichung dieses 
Zweckes behülflich zu sein imstande ist, selbst auf die Gefahr hin, 
dafs dabei hie und da Wortbilder (wie »kohmmen« u. dergl.), in 
denen Dehnung und Kürzung zugleich angedeutet sind, sich vorfinden. 
Im allgemeinen ist ihm bei der Wiedergabe der Handschriften die 
Art und Weise malsgebend gewesen, wie in den besseren und ein- 
facheren Drucken der betreffenden Zeit die Wortbilder sich zu ge- 
stalten pflegen. Er hat sich daher nicht entschliefsen können Doppel- 
konsonanten wie ck, tz, dt u. s. w. nach anderen Konsonanten oder ff 
nach einem langen Vokal zu vereinfachen, auf die Unterscheidung de 
lateinischen Endung ae, e und @ zu verzichten, ß durch {s oder ss zu 
ersetzen, von der Schreibweise ew und aw für eu und au abzuweichen 
oder das e über a, o, u, e und y, wo es einen eingeschobenen halben 
Vokal bezeichnet, fortzulassen oder auch, wenigstens über a, o, u 
‚durch Punkte wiederzugeben. Beibehalten hat er auch y als ein 


CLXVI Einleitung II 


Zeichen für den Laut i, sowie Schreibweisen wie »gramatica«, »gra- 
mattica«, »sintaxis«, »etimologia«, »humilimus«, »foelix«, »Paena«, 
»Solomo«, weil die Art, wie der Schreiber die Wörter gesprochen 
wissen wollte, sıch darin kund thut. Aus demselben Grunde ist, wo 
in der Vorlage »zu«, niederdeutsch »t0o« oder »tho«, mit seinem In- 
finitive zu einem Worte verbunden war, diese Vereinigung unaufgelöst 
geblieben, andererseits die gesonderte Schreibweise der einzelnen Teile 
der Composita, soweit sie in der Vorlage sich vorfand, nicht geändert 
worden. Hierbei aber bei einem und demselben Schriftstücke die 
Orthographie einheitlich zu gestalten, so dals für dasselbe Wort die 
am häufigsten vorkommende Schreibung desselben konsequent durchgeführt 
wurde — daran hinderte, trotz des ansprechenden Versuchs, den in 
dieser Hinsicht Hänselmann in seiner Ausgabe der Bugenhagenschen 
Kirchenordnung der Stadt Braunschweig gemacht hat, den Heraus- 
geber die Erwägung, dals in der Schreib- und auch in der Druck- 
weise in den älteren Zeiten ein Streben nach Konsequenz überhaupt 
sich nicht geltend macht, dafs es vielmehr fast den Anschein ge- 
winnt, als hätten die Vorfahren sich darin gefallen bei der wieder- 
holten Wiedergabe desselben Lautkomplexes eine gewisse Mannig- 
faltigkeit und Abwechselung an den Tag zu legen. 

Bei dieser Rücksichtnahme auf die Beibehaltung des Lautes 
beschränken sich die Abweichungen, die sich der Herausgeber von 
seinen Vorlagen in der Schreibweise erlaubt hat, im wesentlichen 
darauf, dafs sowohl in den deutschen wie in den lateinischen Texten die 
Antiqua zur Anwendung kommt und die grofsen Anfangsbuchstaben auf 
die ersten Wörter der Sätze und die Eigennamen beschränkt sind, 
in den deutschen Stücken die übergrofse Konsonantenfülle, wo sie auf 
den Laut keine Einwirkung hatte, gelichtet ist, und die Zeichen für v, 
u, i und j nach dem jetzigen Gebrauch gesetzt werden, in den la- 
teinischen aber die nutzlosen Accentzeichen in Wegfall treten und das 
Zeichen j überhaupt keine Verwendung findet. Wenn obige Aus- 
führungen mit den Bestimmungen, die Kehrbach in dem »Kurz- 
gefafsten Plane der Monumenta Germanise Paedagogica etc.« (S. 18 
Anmerkung)! für die Editionen innerhalb dieses Unternehmens stellt, 

I Es wird hier unter Hinweis auf Kehrbachs Ausgabe der sämtlichen Werke 
d. F. Herbarts (Vorrede des 1. Bandes) unter anderem verlangt, dafs bei den 
Editionen „die Integrität des Sprachgebrauchs, der Orthographie und Interpunktion 
der Originalien durchaus gewahrt werden soll“ — und dafs „Veränderungen der 
Orthographie und Interpunktion nur da erfolgen dürfen, wo offenbare Schreib- oder 


Druckfehler vorliegen, also solche Fehler, welche die Autoren der Originale bei er- 
neuter und genauer Durchsicht selbst gebessert haben würden.“ — Es ist selbst- 


Textgestaltung CLXVII 


nicht völlig in Einklang gebracht werden können, so hofft der Heraus- 
geber doch diese Abweichungen genügend begründet zu haben. 

Übrigens hat derselbe diese Abweichung von den Bestimmungen 
des »Planes« nicht eintreten lassen, ohne zuvor über jede Veränderung 
der Originaltexte mit der Redaktion sich ins Einvernehmen zu setzen. 
Redaktion und Herausgeber haben überdies nicht verfehlt alle ein- 
zelnen Punkte mit Herrn Geheimen Oberregierungsrat Dr. Waitz in 
Berlin, dem sie hiermit den ergebensten Dank aussprechen, durch- 
zuberaten. 

Sollte aber bei dem eingeschlagenen Editionsverfahren das eine 
oder andere vermilst werden — und auf eine allgemeine Zustimmung 
ist ja bei den noch so wenig geklärten und oft einander geradezu wider- 
sprechenden Ansichten über Editionsgrundsätze überhaupt nicht zu 
rechnen — so wird doch hoffentlich der Inhalt des gebotenen Materials 
dafür zu entschädigen imstande sein. 


2 


Textkritische und bibliographische Erläuterungen 


zu den einzelnen Stücken. 


Die Überschriften der einzelnen Ordnungen sind von dem Herausgeber beigefügt und suchen, 
wo es anging, den Inhalt des betreffenden Stücks aufs kürzeste anzugeben. Wo sich darunter 
noch in Majuskeln eine zweite Überschrift findet, ist dieselbe den Vorlagen selbst entnommen. 


— 


1. Bestimmungen über die Rechte und Pflichten des Scholasticus 
zu St. Blasien, 1251. S. 3ff. 


Das Original der Urkunde, durch welche Herzog Otto I 1251 
den Streit zwischen dem Kapitel und dem Scholastikus zu St. Blasien 
entschied, ist nicht mehr vorhanden. Eine Abschrift davon besitzt 
das Landeshauptarchiv zu Wolfenbüttel auf Bl.31 des Ordinsrium St. 
Blasii, eines Kopialbuches, das 1301 begonnen und bis gegen Ende 
des 14. Jahrhunderts fortgesetzt ist, vergl. Dürre, Stadt Braun- 
schweig S. 383, Anm. 1. Dort wird die Urkunde am Rande von 
alter Hand als »descisio inter capitulum et scolasticum« bezeichnet. 
Sie war bislang noch nicht gedruckt, wurde aber besprochen bei 
Dürre a. a. O. S. 570. 

In der Handschrift stand 3% statt »sanioris« zuerst »senioris«. 
Die Korrektur scheint schon von der Hand des Abschreibers zu 
verständlich nicht ausgeschlossen, dafs bei einer Anzahl von Veröffentlichungen der 


Monumenta die Bestimmungen des „Planes“ voll und ganz ausgeführt werden 
können. 





CLXVIH Einleitung I 


stammen. — 56 scheint »constitutOrum« auf den ersten Blick ein Schreib- 
fehler statt »constitutärum« sc. consolacionum zu sein. Aber die 
Lesart der Handschrift ist vollkommen berechtigt, wenn man das 
Wort als neutrum auf den zusammengesetzten Ausdruck »panis ebdo- 
medalis et quarundam consolacionum« bezieht. 


2. Schulordnung aus den Statuten des Kapitels zu St. Blasien, 
1308. 1442. S. 5ft. 


Die Statuten des Kapitels zu St. Blasien, welche 1308 fest- 
gestellt und 1442 einer Revision unterzogen wurden, enthalten an 
verschiedenen Stellen eine Anzahl von Bestimmungen, welche sich 
einerseits auf die Erziehung der jungen Kanoniker in der Stiftsschule 
und ihr Studium auf Universitäten, andererseits auf den Scholastikus 
beziehen und hier als Schulordnung des Stifts zusammengestellt sind. 
Die ältere Form der Statuten von 1308 ist nicht mehr vorhanden; 
von der Recension von 1442 besitzt das Landeshauptarchiv zu Wol- 
fenbüttel aulser 6 Abschriften aus viel späterer Zeit das auf Perga- 
ment geschriebene Original, das noch heute mit der langen und 
schweren Eisenkette versehen ist, durch die man das wertvolle Buch 
vor Verschleppung zu sichern bemüht war. Nach diesem Original 
sind die betreffenden Abschnitte von uns mitgeteilt. Sie finden sich 
dort als Art. 7 fol. 13, Art. 42 fol. 13, Art. 20 fol. 6, Art. 21 
fol. 6P, Art. 29 fol. 7b, Art. 36 fol. 10P, Art. 41 fol. 13. — 


Die Statuta St. Blasii sind noch nicht gedruckt. Nur einige Ab- 
schnitte derselben finden sich bei A. U. Erath, Erbtheilungen im 
Braunschw.-Lüneb. Hause (Frankf. u. Leipz. 1736, 49) S. 17, andere 
in mangelhafter Übersetzung bei Sack, Schulen $. 67 und 69. Vergl. 
auch Dürre, Gelehrtenschule S. 12; Stadt Braunschweig S. 570f. 


3. Verordnung der Prälaten über die gegenseitigen Rechte und 
Pflichten der Rektoren, 1370. S. 7f. 

Das Original dieser Verordnung befindet sich im Landeshaupt- 
archiv zu Wolfenbüttel unter den Urkunden des Blasiusstifts No. 353. 
Sie ıst auf Pergament geschrieben und war mit den Siegeln der drei 
Prälaten versehen, von denen nur noch das eine wohl erhalten ist. 
Auf der Rückseite steht von späterer Hand vermerkt: »De concordia 
rectorum scholarum«, womit der Kernpunkt des Inhalts getroffen ist. 
Daneben findet sich in den Schriftzügen des 16. Jahrhunderts die 
nicht zutreffende Bezeichnung: Dispositio de administratione scholarum 
de ao. 1370. Rehtmeyer teilt sie mit in der Kirchenhistorie, Beil. 





Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CLXIX 


— 


zum 1. Teil S. 18f. unter der Überschrift: »Concordantia praelato- 
rum super regimine scholarum«. Rehtmeyers Abdruck leidet an einer 
grofsen Anzahl von Lesefehlern, die zum Teil dem Verständnis im 
Wege stehen, namentlich wenn 811 statt »pastum« das ganz uner- 
klärliche »pascum« gesetzt ist, vergl. Einleit. S. XXIX, Anm. 2. 
Die deutsche Übersetzung der Urkunde bei Sack, Schulen S. 40 
ist ungenau und lälst die erforderliche Kenntnis der vorliegenden 
Verhältnisse und Thatsachen vermissen. Eine eingehende Besprechung 
der Verordnung findet sich bei Dürre, Stadt Braunschweig S. 563ff. 
und Gelehrtenschulen 6ff. 

Dem Abdruck der M.G.P. liegt die Wolfenbütteler Original- 
urkunde zu Grunde. Als Schreibfehler haben wir verbessert: 8% 


»exertendis« in »exercendis«; 8% »ricmis« in »ritmis«. 


4. Verbot zügelloser Schülerfeste zu St. Blasien, 1407. S. 9ff. 


Die Urkunde der Kapitels zu St. Blasien d. d. feria sec. post 
Reminiscere (21. Februar) 1407, durch welche das Bischofsspiel und 
das Umhertragen des Pfaffenbaums verboten wird, befindet sich im 
Landeshauptarchiv zu Wolfenbüttel unter den Urkunden des St. Bla- 
siusstifts sign. 436. Dieselbe ist auf Pergament geschrieben und 
mit dem gröfseren Wappen des Stifts versehen. Sie ist Wort für 
Wort ın die päpstliche Bestätigungsbulle d. d. Senis Id. Decembr. 
pontif. anno primo (13. Dez. 1407) aufgenommen, die im Stadt- 
archiv zu Braunschweig unter der Aufschrift von späterer Hand: 
»De abusionibus in festo Nicolai servatis sublatis« aufbewahrt wird. 
Letztere ist gleichfalls auf Pergament geschrieben und wird durch 
die daran hängende Bleibulle und durch die Schriftzüge der päpst- 
lichen Kanzlei hinlänglich als echt bewiesen. Wäre dieses nicht der 
Fall, so würde die Datierung vielleicht einen Anlals zum Zweifel zu 
geben imstande sein. Denn da Gregor XII am 30. November 1406 
gewählt und am 5. Dezember 1406 geweiht wurde, so fallen die Iden 
des Dezember 1407 nicht in das erste, sondern bereits in das zweite 
Jahr seines Pontifikats. 

Die Schreibweise der Urkunde des Kapitels weicht von der, 
welche in der päpstlichen sich findet, namentlich darin ab, dals sie 
eine grolse Vorliebe des Schreibers für »ci« statt »ti« an den Tag 
legt. Als fernere Abweichungen bietet sie: 1017 »dyaconi«; 1018 
»subdyaconi«; 10°3 u. ö. »consweverunt«; 1038 u. ö. »sollempniter«: 
1039 u. ö. »excercere«; 1119 u. 1197 »Ewangelistae«; 112° »marca«; 
1214 »exstirpendas«; 12% »choralibus«; 13% »appencione«. Bei dem 





CLXX Einleitung II 


Abdruck haben wir die päpstliche Bulle zu Grunde gelegt, auch für 
die darin aufgenommene Urkunde des Kapitels, dabei aber als Irr- 
tümer des Schreibers in Übereinstimmung mit der Urkunde des Ka- 
pitels geändert: 1015 »Sthenige« in »Schenige«; 1016 »Groteran« in 
»Groteian«; 102% »sic« in »sit«; 1132 »ricinizantium« in »ritmizantium«; 
11?2 »ricinizatione« in »ritmizatione«; 114 »feriuas« in »ferinas«; 
1218 »ricinizationes« in »ritmizationese. Der Abdruck der Urkunde 
bei Rehtmeyer, Kirchenhistorie Beil. I, 231ff. bietet dieselben 
Fehler wie das päpstliche Original, daneben noch Lesefehler, z. B. 
1097 »personi« statt »persolvi«e; 1116 »votivo« statt »vocato« und 
zahlreiche andere. Charakteristisch ist auch, dals Papst Gregor so- 
wohl in der Überschrift als auch im Eingange 91 bei Rehtmeyer als 
Georgius erscheint. 


5. Gründungsurkunden der städtischen Schulen zu St. Martini 
und St. Katharinen, 1415—1420. S. 13f:. 


5A. Privilegium des Papstes Johann XXIll, 1416. S. 13 ff. 


Von dem Privilegium des Papstes Johann XXIII d. d. Constancie VI. 
Kal. Mart. pontif. a. quinto (24. Februar 1415) besitzt das Stadt- 
archiv zwei Ausfertigungen sign. 535. Beide sind auf Pergament 
geschrieben und mit der päpstlichen Bulle versehen. Die eine wird 
am Schluls durch den Zusatz von »Duppt*« vor »Gratis etc.« als 
Duplikat kenntlich gemacht. Dieselbe weicht von der ersten Aus- 
fertigung darin ab, dafs sie 143, wo jene »nostre statuti ordina- 
cionis et constitucionis« bietet, grammatisch richtiger liest: »nostre 
ordinacionis constitucionis et statutie. Aulserdem hat 1423 die zweite 
st. »apud quamlibet ex.... ecclesüis«: »apud quamlibet sancti M. et 
8. C. ecclesiarum«.. Bei dem Abdruck haben wir die erste Aus- 
fertigung zu Grunde gelegt, dabei aber 14” aus dem Duplikat die 
Variante »nostre ordinacionis ete.« aufgenommen. Bei der Bestätigung 
des Privilegiums durch Martin V ın der unter 5 C mitgeteilten Ur- 
kunde vom Jahre 1419 lag, wie 186 vergl. mit 143 erkennen lälst, 
die erste Ausfertigung vor. 


Die Urkunde ist bereits gedruckt bei Rehtmeyer, Kirchenhist. 
Beil. H, 219f., und danach wieder bei Sack, Schulen S. 166, 
Anm. 129. Diese Reproduktion leidet an manchen Lesefehlern, so 
ist z. B. weggelassen: 1318 »consules«; 14% »nuper«; 14% »non«; 
1438 ıst die erwähnte Lesart der ersten Ausfertigung umgewandelt 
in »nostrae statutae ordinationis et constitutionis«. 


Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CLXXI 


5B. Annullation des Verbots neue Schulen zu errlohten, 1418. 8. 15ff. 


Das bisher noch nicht gedruckte Dekret des Herzogs Bernhard 
d. d. in castro nostro Wulffenbutle a. 1418 nona m. Julii (9. Juli 
1418), durch welches ein in profesto Purific. Mar. (1. Februar) 1407 
von ihm und seinem Bruder Heinrich gegen die Errichtung neuer 
Schulen in Braunschweig erlassenes Verbot annulliert wird, befindet sich 
als Pergamenturkunde sign. 565 und mit dem Herzoglichen Siegel ver- 
sehen im Braunschweiger Stadtarchiv. Die darin reproduzierte Ver- 
ordnung von 1407 ist im Original nicht mehr vorhanden; dafs die- 
selbe aber nicht eine Fälschung gewesen, sondern wirklich aus der 
Kanzlei der Herzöge hervorgegangen sei, ist trotz aller Ableugnungen, 
welche in dem Annullationsdekret ausgesprochen werden, höchst wahr- 
scheinlich. 

Der Schreiber der Urkunde hat eine grolse Vorliebe für Composita 
und zieht infolgedessen auch oft in unberechtigter Weise näher zu- 
sammengehörige Wörter, insbesondere Präposition und Substantiv, in 
ein Wort zusammen, reilst aber auch andererseits wieder, wenn auch 
weit seltener, auseinander, was nicht getrennt werden darf. Bei dem 
Abdruck haben wir demgemäls in Abweichung von der Handschrift 
getrennt: 1519 »pro parte«; 1512 und 167 »extra muros«; 1519 »sacri 
pallatii«; 1523 »ex parte«; 152° »quarum quidem«; 16% »ex antiquis«; 
163 »ın diminucionem«; 1638 »in derogacionem«; 17° »per nos«; 
1731 »de scriptoribus«; dagegen haben wir verbunden: 16? »decanta- 
cionibus«; 1637 »alicuiusve«.. Aulserdem haben wır als Schreibfehler 
verbessert: 1630 »concedemus et indulgemus« in »concedimus et indul- 
gemus«; 1717 »ne... attemptant« in »ne... attemptent«; 17% »situ« 
in »scitu«. 


5C. Privilegium dee Papstes Martin V, 1419. S. 18f. 


Von dem Privilegium des Papstes Martin V d. d. Florentie XVI 
Kal. Octobr. pontif. a. secundo (16. Sept. 1419) befindet sich die auf 
Pergament geschriebene und mit der päpstlichen Bulle versehene 
Originalausfertigung im Braunschweiger Stadtarchiv sign. 569. Sie 
ist bereits gedruckt in der Programmschrift des Rektors am Martineum 
Joh. Alb. Gebhardi, Commentatio de origine et incremento gym- 
nasii Martiniani Brunsvicensis (Brunsvigae 1695 in 4°) Bl. A8—Bib, 
desgleichen bei Rehtmeyer, Kirchenhistorie, Beil. II, 221f. 

Von den in beiden Abdrücken nahezu gleichmälsig sich vor- 
findenden falschen Lesungen sind zu bemerken: 182% »frequenter 
negligerent« statt »frequentare negligerent«; 1833 und 19? »qua« statt 





CLXXLI Einleitung II 


»quam«; 1913 »dignitatumque« statt »dogmatumque«; 1918 »eiusdem« 
statt »eisdem«. Als Schreibfehler der Handschrift haben wir mit 
Rehtmeyer berichtigt: 18 »petitionibus.... per que« in »p..... per 
quas«; mit Rehtmeyer und Grebhardi 18% »opidorum« in »opidanorum«. 


5&D. Vergleioh zwisohen dem Kapitel zu St. Blasien und dem Rat über 
die städtischen Schulen, 1420. S. 19f. 

Die Vergleichsurkunde über die in sunte Mathias daghe (24. Fe- 
bruar) 1420 unter Vermittlung des Herzogs Bernhard zwischen dem 
Kapitel zu St. Blasien und dem Rat zustande gekommene Beendigung 
des Pfaffenkrieges befindet sich im Braunschweiger Stadtarchiv sign. 
672. Sıe ist auf Pergament geschrieben. Von den drei angehängten 
Siegeln fehlt das des Rats, während die des Herzogs und des Ka- 
pitels noch vorhanden sind. 

Die Urkunde ist gedruckt bei Rehtmeyer, Kirchenhist. Beil. II, 
222f. Eine ınkorrekte Abschrift, welche ın Hermann Botens 
»Schichtboyck« enthalten ist, findet sich in gebesserter Gestalt bei 
Hänselmann, Chron. II, 323ff. Die auf die Schulen bezüglichen 
Bestimmungen sind nach Rehtmeyer aufgenommen in Müllers Samm- 
lung vorreformatorischer Urkunden I, 42f. Wie Müller, so geben 
auch wir aus der umfangreichen Urkunde nur den die Schulen be- 
treffenden Abschnitt und schlieisen uns dabei genau an das Original 
an, nur dals 216 »wenne me« statt »wenneme« gedruckt ist. 2013 
ist von »darinne« in der Urkunde nur noch der erste Buchstabe les- 
bar; Rehtmeyer und Müller haben an dieser Stelle statt »darinne me 
lere« das ganz unverständliche »darmeler« und schieben‘ 2016 hinter 
»kunste« dann »inne leren« ein. 


6. Sehulordnung der Prälaten und des Rats, 1478. S. 21f. 


Die Ordnung der Prälaten und des Rats vom 9. März 1478 
findet sich nebst dem Zusatze vom Freitage nach Oculi (19. März) 
1479 unter der Überschrift »de regimine scholarum« auf Blatt 165f. 
in dem Gedenkbuch C, das sich früher im Landeshauptarchiv zu 
Wolffenbüttel befand, aber vor einigen Jahren dem Braunschweiger 
Stadtarchiv überwiesen ist. Dieselbe wurde bereits besprochen von 
Dürre, Gelehrtenschulen S. 20£.; Stadt Braunschweig S. 576. Einen 
Abdruck derselben mit Einleitung und Erläuterungen veranstaltete 
zuerst Joh. Müller in F. Manns Deutschen Blättern f. erziehenden 
Unterricht, 5. Jahrg. (Langensalza 1878) No. 49, S. 391ff.; auch hat 
derselbe sie aufgenommen in seine Sammlung von vorreformatorischen 


Schulordnungen I, 92ff. Beide Abdrücke sind nicht ganz genau. Von 


Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CLXXIII 


den orthographischen Abweichungen abgesehen, liest Müller 22!1 
»redeliken« statt »unredeliken« und 2327 »umme« statt »uiuen«. Auch 
verdient bemerkt zu werden, dafs die Handschrift keineswegs wie 
Müller »baccalaurii«, sondern stets »baccalarıi« schreibt. 

Der Abdruck der M.G.P. giebt genau die Schreibung des Ori- 
ginals unter Auflösung der zahlreichen Abkürzungen; 23 19 ist »mochte«, 
was die Handschrift hat, in »mochten« berichtigt. 


7. Schulordnung aus den Statuten des Cyriacusstiftes, 1483. S. 24. 

In den im Jahre 1483 revidierten Statuten des Oyriacusstifts 
finden sich, an ‚verschiedene Stellen zerstreut, einige Bestimmungen 
über den Schulunterricht und das Universitätsstudium der jungen Ka- 
noniker, wie auch über die Anstellung und Besoldung des rector scho- 
larium, die trotz ihrer geringen Ausführlichkeit als die Schulordnung 
des Stifts anzusehen sind. Ältere Fassungen der Statuten des Cyriacus- 
stifts sind nicht mehr vorhanden. Das auf Pergamentblätter ge- 
schriebene und in kalligraphischer Hinsicht bemerkenswerte Original 
der Revision von 1483 ist ım Landeshauptarchiv zu Wolfenbüttel. 
Die von uns mitgeteilten Abschnitte finden sich dort: als Art. 7—9 
fol. 5, Art. 20 fol. 10®, Art. 22 fol. 11, Art. 34 fol. 15. Meh- 
rere Abschriften aus späterer Zeit bewahrt das Landeshauptarchiv 
und eine das Braunschweiger Stadtarchiv, doch ist die letztere wegen 
der zahllosen Schreibfehler geradezu unbrauchbar. 

Die Statuten des Cyriacusstifts sind noch nicht gedruckt. Die 
auf das Schulwesen bezüglichen Abschnitte werden von Sack, Schulen 
S. 61 im Auszuge mitgeteilt, aber nicht obne jenen beklagenswerten 
Mangel an Verständnis, welcher dem rastlosen Sammler in seinen Publi- 
kationen eigen ist. Der von uns gegebene Abdruck schlielst sich genau 
an die Wolfenbüttler Handschrift von 1483 an. 


8. Schulordnung aus der Kirchenorduung der Stadt Braun- 
| schweig, 1528. S. 25ff. 

Die Kirchenordnung der Stadt Braunschweig, aus der die vor- 
liegende Schulordnung entnommen ist, wurde im Sommer 1528 von 
Bugenhagen während seines monatelangen Aufenthalts in Braunschweig 
entworfen und fand am 5. September die Genehmigung des Rats und 
der Bürgerschaft. Dieselbe ist in niederdeutscher Mundart, die freilich 
hie und da mit hochdeutschen Worten und Formen durchsetzt ist, 
verfalst und erschien bald nach ihrer Sanktion im Druck. Sie um- 
falst Bogen A bis Sı in 8°. Die Seiten sind nicht numeriert. Der 
mit reichverzierter Randleiste umgebene Titel lautet: 





CLXXIV Einleitung II 


Der Erbarn | Stadt Brunfwig Chrift- | life ordeninge | to denfte | 

dem hilgen Euangelio / | Chriftliter Ieue / tucht / frede om | de 

eynicheit. DA dar vonder vele | Chriftlife Iere vor de borge |re. 

Dord; Joanmnem Bu | genhagen Pomern | befcreuen. | 1. 5. 28. 

Am Ende: Bedrud to Wittenberdy dorch | Jofeph Hlud. 
Diese Ausgabe ist sehr selten geworden. Exemplare davon besitzt 
das Landeshauptarchiv und die Herzogliche Bibliothek zu Wolfen- 
büttel sowie das städtische Archiv und die landschaftliche Bibliothek 
zu Braunschweig. Schon 1531, in demselben Jahre, in dem sich 
Braunschweig dem Schmalkaldischen Bunde anschlols, erschien zu 
Nürnberg eine hochdeutsche Übersetzung auf 132 Bl. in 8°. Nur noch 
ein einziges Exemplar scheint davon vorhanden zu sein. Dasselbe 
befindet sich ım Besitz des Herrn Senators F. Culemann in Hannover 
und hat den Titel: 


Der Erbarn | Stadt Braunfhwyg | Ehriftenlicye Drdenung / 
zu | dienft dem heiligen Euange: | lio / Chriftenlicher lieb / zucht | 
fri | de vnd eynigkeit | Auch darun | ter vil Chriftenlicher Ilere | 
für die Bürger] | Durch Joan. Bugenhagen Pomer befchriben. 
1531. Am Ende: Gedrudt zu Yurmberg dur Kride | richen 
Daypus / Anno ıc. 1531. 
Eine neue Auflage der hochdeutschen Übersetzung erschien 1564 
als Bestandteil einer Sammlung von symbolischen Schriften, die der 
Rat mit einer Vorrede von Sonnabend nach Simonis und Judae 
(30. Oktober) 1563 als Corpus doctrinae veröffentlichte, vergl. 
die Anmerkung zu S. 1231. Die Kirchenordnung umfalst in dieser 
Ausgabe zwei Alphabete in 4%. Der Druckort ist nicht genannt. Der - 
Titel lautet: 


Der Erbarn Stadt | Braunfchweig Ehriftliche Drde- | nung / zu 
dienft dem heiligen Euangelio / Chrift- | licher lieb / zucht / friede 
ond einigkeit / | Auch darunter viel Chriftli- | cher Iehre fur 
die | Bürger. | Durdy Johan. Bugenhagen | Pomer befchrieben. | 
M.D.XXX71. | Holzschnitt, den städtischen Löwen darstellend. 
Diese zweite hochdeutsche Ausgabe hat dann wiederum dem Abdruck 
bei ©. Bellermann, Leben des Johannes Bugenhagen (Berlin 1859) 
S. 107ff. als Vorlage gedient. Nach der ältesten Ausgabe von 1528 
findet sich die Kirchenordnung mit Ausschluß der auf die Schulen 
bezüglichen Abschnitte bei Richter, Evang. Kirchenordnungen |], 
106f. Ein vollständiger Neudruck der ganzen Kirchenordnung erschien 
kürzlich unter dem Titel: Bugenhagens Kirchenordnung für 














Textgestaltung CLXXV 


die Stadt Braunschweig nach dem niederdeutschen Drucke 
von 1528 mit historischer Einleitung, den Lesarten der 
hochdeutschen Bearbeitung und einem Glossar. Im Auf- 
trage der Stadtbehörden herausgegeben von Ludwig 
Hänselmann. Wolfenbüttel Julius Zwilslers Verlag 1885. 
LXXXII und 394 S. in 8°. 

Die auf die Schulen bezüglichen Bestimmungen finden sich ın der 
ältesten Ausgabe der Kirchenordnung Ciijd bis D6° und J bis Kj*. Über 
dem ersten Abschnitte steht als Überschrift: »Van den Scholen«, über 
dem zweiten: »Vam singende vnde lesende der Scholekynde- 
ren in der kerken«. Bei Vormbaum, Evang. Schulordnungen I, 8 ff. 
ist nur der Abschnitt >Van den Scholen« zum Abdruck gebracht, der 
zweite, der sich auf die Schülergottesdienste bezieht, beiseite ge- 
lassen. Einzelne Partien der Bugenhagenschen Schulordnung finden 
sich bereits bei Scheffler, Einige Nachrichten von dem Martineum S. 6ff. 

Bei dem Abdruck der Schulordnung von 1528 geben wir den 
Text der ältesten, niederdeutschen Ausgabe wieder. Die nicht eben 
häufigen Abkürzungen, z. B. »dem« statt »deme«, »darum« statt 
»darumme«, »kynderi« statt »kynderen« u. dergl., sind aufgelöst, 
daneben folgende Druckfehler verbessert: 25% »dar hen leyden« in 
»dar hen to leyden« mit Hänselmann; 25° »hilgen« in »hilge«; 
252° »heben« in »hebben«s; 263% »Gei.« in »Gen«; 2714 »gend- 
menden« in »genömeden«s; 27° »Dornm« in »Dorumme«; 286 
»vndc« in »unde«; 288 »lercden« ın »lereden«; 2812 »laden« ın 
»latens; 2818 »appelle« in »appele«; 30° »gelerden« in »gelerde«; 
3120 »de andere« in »de anderen«s; 31°? »synt« in »syn«; 31 
»geselen« in »gesellen«; 32 Überschr. »Van den wöninge« in »Van 
der w«; 33® »nach« ın »mach«; 3311 »Superattenden« in »Super- 
attendenten»; 3314 »twitracht« in »twidracht«; 341% »och« in »ock«; 
3415 »vnd« in »unde«; 34°% »mehr« in »mehr«; 355 »vn/schicket« 
in »unschicket«s; 3514 »hehben« in »hebbens; 352? »wnde« in 
under; 3625 »di se leren« in »de se l«; 3712 »Vater vnse« in 
»Vader unses;s 3816 »vnscheddelik vnde vnuorhindelick« in »un- 
schedelik unde unvorhinderlick«s; 391% »mit mit« in »mit«; 391% 
»kyndern« in »kynderen«; 4014 »wem« in »wen me«; 402° »morges« 
in »morgens«s; 4037 »mtt« in »mit«s, 4119 »wisc« in »wise«; 
4123 »stemmen« in »stemmen«; 41° »Sabbatnm« in »Sabbatum«; 
4220 »He« in »Hec«; 42% »creaturac« in »creaturae«; 4316 »di- 
scipulus« in »discipulis«; 44% »de gantzen Psalter« in »den g. ps.«; 
4527 »kau« in »kan«; 4616 »monasyllaba« in »monosyllaba«. 


CLXXVI Einleitung II 


9. Schulordnung der städtischen Lateinschulen, 1535. S. 47ft. 


Von der Schulordnung des Rats vom Jahre 1535 besitzt das 
städtische Archiv zu Braunschweig 5 Abschriften, die sämtlich noch 
aus der Zeit des Erlasses herstammen oder doch bald darauf an- 
gefertigt sind. Von diesen steht die eine im Memorandenbuche No. 2 
(Liber civitatis Brunsvicensis de anno 1534 usque 1571 inclusive) 
auf Blatt 28—30* und ist deshalb als eine amtliche Ausfertigung an- 
zusehen. Dieses ist auch der Grund, weshalb wir sie für den Abdruck 
in den M. G. P. zu Grunde gelegt haben. Sie ist von einem Kanz- 
listen geschrieben; die Überschrift »Ordeninge.... gestalt hefft. ao. 
d. 35« hat aber Dietrich Prüfse (Prutze, Preulse), der von 
1524 bis 1570, erst als Secretarius, dann als Syndicus auf die Leitung 
der städtischen Verhältnisse einen oft malsgebenden Einfluls ausübte 
(F 1573), eigenhändig hinzugefügt. Von den übrigen Abschriften, die 
sämtlich auf ungeheftete Blätter geschrieben sind, fehlt bei einigen 
die Überschrift. Auch die Worte des Einganges »stede, vast und 
unvorbroken« finden sich aufser in der offiziellen Aufzeichnung des 
Memorandenbuchs nur noch in einer einzigen von den übrigen Ab- 
schriften. Dagegen fehlt der vorletzte Abschnitt: »Id schal ock de 
scholmester de fibulisten etc.« im Memorandenbuche, findet sich aber 
in drei anderen Exemplaren, in dem einen als Nachtrag von Prülsens 
Hand. Die sonstigen Abweichungen sind nicht von Belang und fast 
nur orthographischer Art. 

Die Ordnung des Rats von 1535 war bislang noch nicht ge- 
druckt. Einen Auszug daraus giebt Dürre, Gelehrtenschulen S. 24. 
Die zu Grunde gelegte Handschrift des Memorandenbuchs ist sorg- 
fältig geschrieben, ermangelt aber fast ganz der Interpunktion. 479 liest 
Dürre, Gelehrtenschulen S. 24 »actum declamationis« statt »actum 
declinationis«. Letzteres findet sich aber ın allen 5 Handschriften. 


10. Ordnung der städtischen Lateinschulen, 1535. S. 49ff. 

Von den Lehrplänen aus dem Jahre 1535 ist ım Stadtarchiv 
eine für alle drei Schulen von derselben Hand angefertigte Abschrift 
auf 9 Quartblättern vorhanden, auf deren Umschlag von dem Stadt- 
schreiber Prüfse als Registraturvermerk geschrieben ist: »Labores scho- 
larım Martinj, Catarine et Egidij«. Der Plan des Martineums nimmt 
nur ein einziges Blatt in Anspruch und hat weder Über- noch Unter- 
schrift. Da das betreffende Blatt jedoch nach Format und Schrift 
zu den beiden andern Plänen hinzugehört, ein entsprechendes Schrift- 
stück für das Martineum aber nicht vorhanden ist, so kann seine Be- 


Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CLXX VII 


stimmung einem Zweifel nicht unterworfen sein. Der Plan des Ka- 
tharineums füllt 6, der des Ägidianums 2 Blätter der Handschrift. 
Die »labores scholarım« vom Jahre 1535 waren bislang noch 
nicht bekannt; nur von dem Lehrplan des Ägidianums findet sich 
eine ohne die nötige Sach- und Sprachkenntnis abgefalste Übersetzung 
bei Sack, Schulen S. 44fl. Bei dem vorliegenden Abdruck sind 
die nicht häufig vorkommenden Abbreviaturen aufgelöst und folgende 
Schreibfehler verbessert: 511% »impudentifssimi« in »imprudentissimi«; 
5123 »postq.« in »post«; 5212 »non nullun« in »non nullum«; 5218 
»nos citant« in »noscitant«; 53° »Doctilss.« in »doctissimi«; 567 »diu« 
ın »dici«; 56 in der Adresse des Berichts vor Z. 15 add. »Rector«; 


5812 „existimant« in »existiment«. 


11. Ordnung des Schmalkaldischen Bundes für eine in Braun- 
schweig zu errichtende höhere Lehranstalt, 1543. S. 58f. 

Die Ordnung »van einer sunderliken scholen« bildet einen Bestand- 
teil der »Christliken Kerken-Ordeninge im lande Brunschwig Wulffen- 
buttels deles«, von der in dem 2. Teile dieser Sammlung des weitern 
die Rede sein wird. Dieselbe ist von Bugenhagen verfafst und er- 
schien 1543 in 4° zu Wittenberg. Der in Frage stehende Abschnitt 
findet sich Kj® bis Kıijb. Einen Abdruck der »Kerken-Ordeninge« 
giebt Hortleder, Ursachen des deutschen Krieges IV, Kap. 44, 
einen Auszug Seckendorf, Hist. Lutheranismi II, $ CIX. Bei 
Vormbaum, wo I, 44ff. die Schulordnung aus der Kirchenordnung 
von 1543 mitgeteilt wird, ist der hier abgedruckte Abschnitt »Van 
der oversten superintendentia etc.« nicht mit aufgenommen. Derselbe 
wird besprochen bei Sack, Schulen S. 72, und kürzer bei Dürre, 
Gelehrtenschulen S. 13. 

Bei dem Abdruck in den M.G.P. ist geändert: S. 58 Überschr. 
Z. 1 »vom« in »vam«; 592° »vrhgeradet« in »uthgeradet«. Die dem 
eigentlichen Text auf S. 58 in kleinerer Schrift vorgesetzte Bemer- 
kung bildet im Original eine Anmerkung ‘auf Bl. Kjb und Kjjt. 


12. Stipulationsvertrag des Rektors M. Peceltus und seiner 
Gesellen ete., 1545. S. 62 ff. 

Das Original dieses Stipulationsdokumentes befindet sich ım 
städtischen Archiv. Dasselbe ist von Peceltus eigenhändig geschrieben 
und von ihm und seinen beiden Kollegen unterzeichnet. Aulserdem 
ist an derselben Stelle auch eine mit einigen Schreibfehlern verunzierte 
Abschrift davon vorhanden mit dem Registraturvermerk von der Hand 

S 12 


CLXXVII Einleitung II 





des Stadtschreibers Prüfse: »Duße artikel worden von dem nigen schol- 
mester vnd sinen gesellen dem Rade overgeuen in presentia der casten- 
hern vnd itliger predicanten 3* in paschalibus ao. etc. 45«. Dafs der 
Vertrag auch wirklich zustande gekommen ist, wird durch diesen 
Vermerk des Stadtschreibers wahrscheinlich, durch den Eintritt der 
Stipulanten in den städtischen Schuldienst bewiesen. Nur über die 
Thätigkeit des Avıanus fehlt jegliche weitere Spur. 


Dem Abdruck haben wir die von Peceltus selbst geschriebene 
Originaleingabe zu Grunde gelegt. 


13. Lehrplan und Schulgesetze der städlischen Lateinschulen, 
1546. S. 6öft. 


Von den Schulordnungen aus der Zeit des Superintendenten 
Medler (13—18) waren bislang nur die Lehrpläne des Martineums 
von 1548 (17) und des Katharineums von demselben Jahre (18) be- 
kannt. Die übrigen Stücke treten hier zum ersten Male ans Licht. 
Sie befinden sich sämtlich handschriftlich im Braunschweiger Stadt- 
archiv; nur von 17 ist der erste Teil auch in einem alten Druck 
vorhanden. 


Die Handschrift von 13 umfalst 6 Folioblätter. Der Schreiber 
hat eine Vorliebe für das geschwänzte e, ohne jedoch in der Ver- 
wendung desselben konsequent zu sein. Auch sonst ist er recht will- 
kürlich und veränderlich in seiner Orthographie. Wir haben geändert: 
65?! und 66 »superantendens« in »superintendens«; 68° add. »Diebus 
Lune ... Veneris«s; 681? »catechißmo« in »catechismo«; 6813 »con- 
scripta« in »conscripto«; 68°! »sillabicarum« in »sillabicantium«; 68% 
»merediem« in »meridiem«; 69° »sttudia« in »studia«; 6913 »tam« in 
»iam«; 7020 »tamenn« in »tamen«; 71° »profetum« in »profectum«; 
717 »Nonn« in »Non«; 7117 »suas« In »suos«. 


14. Gesetze und Lehrpläne des Pädagogiums im Brüdernkloster, 
1547. S. 73. 


14A und B. Leges pro scholaribus eto. S. 73ff. 

Von den am 18. Januar 1547 publizierten Gesetzen des Päda- 
gogiums sind drei Handschriften vorhanden, von denen jede eine 
besondere Redaktion darstellt. Wir haben davon A und B zum Ab- 
druck gebracht. Die dritte Handschrift ist als Anhang der Lehr- 
ordnung des Sommers 1547 (14 C) beigefügt und stimmt im wesent- 
lichen mit A überein, nur dals der 5. Abschnitt: »So aber etliche 


Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CLXXIX 


werden privatos etc.« weggelassen ist und die beiden folgenden in 
einen zusammengezogen sind. 


A. Der von Medler eigenhändig in hochdeutscher 
Sprache niedergeschriebene Entwurf. Derselbe ist auf 6 Folio- 
seiten geschrieben und trägt von der Hand des Stadtschreibers Prülse 
den Registraturvermerk: »Leges pro scholaribus schole maioris Brunß- 
wigceensis publicate in visitatione facta 18. Ianuarij anno etc. 47«. 

Bei dem Abdruck ist geändert: 7310 »noch« in »nach«; 732% 
»repetire« in »repetiren«; 74° »legen« in »legem«. Als sprachliche 
Eigentümlichkeit ist 738, 731, 7327 »ader« in der Bedeutung von 
»aber« zu beachten. Die Form findet sich nach Lexer, Mittelhoch- 
deutsches Wörterb. I, 21 s. v. öfters in oberlausitzischen Urkunden, 
Medler aber stammte aus Hof im Vogtlande. Nach Grimm, Wörterb. 
I, 179 s. v. ist »ader« noch heute unter dem Volke für »aber« ge- 
bräuchlich. 


B. Niederdeutsche Übersetzung von A. Dieselbe ist auf 
5 Folioseiten von Kanzlıstenhand geschrieben und von Medler sowohl 
als von Prülse durchkorrigiert. Letzterer bezeichnet sie in dem Re- 
gistraturvermerk als: »Leges pro scholaribus in schola maiori«. Die 
Handschrift ist als das amtliche Originalkonzept der niederdeutschen 
Ausfertigung der Gresetze anzusehen. Der Eingang lautete ursprüng- 
lich: »Ouer dussen Lectionibus vnd Legibus, wo de publice angeslagen 
vnd affıgert sindt, wil ein Erbar Radt ernstligen vnnd gentzligen 
geholden hebben, Also dat ete.« Die Änderung ist von Prülse am 
Rande notiert. Die eine Ecke der Handschrift ist abgerissen, wo- 
durch einige Buchstaben des Eingangs weggefallen sind. Dieselben 
sind im Abdruck ergänzt, nämlich »Brunßw[igk]«, »brefues]«, »so 
sick [hir)«, »bege[uen dat]«. 

Als Schreibfehler sind verbessert: 7611 »theologicose i in »theolo- 
gicas«; 7619 »logen« in »legem«; 77? »achtes« ın »achtent«; 776 
»schale« in »schole«; die Handschrift hatte ursprünglich »schal«, 
Prülse fügte ein »e« hinzu, ohne nun »schale« in »schole« zu ändern. 
Die Korrekturen Prülsens sind folgende: 7519 add. »hir bis 75°7 
»und« statt »s0«; 7527 add. »de sulven«; 762° »dan wi... gedencken« 
statt »dan ein Erbar Radt.... gedencket«; 76°9 »dat se sick von hır 
begeven« statt »dat se ohren stoel wider setten wolden«; 76*° »dan 
wi... sin« statt »dan ein Erbar Radt ... ist«; 775 »de willen wi« 
statt »de wiıl ein Erbar Radt«;- 77° »wi ok« statt »ock ein Erbar 
Radt«; 7714 »wı... gedencken« statt »ein Erbar Radt.... gedencket<; 

12* 


CLXXX Einleitung II 


7717 »vorvestigung« statt »bevestigung«; 77% »gegen uns dem Radt« 
statt »gegen einen Erbarn Radt«; 772° »so« statt »dare. Medler än- 
derte 771 »von denen« statt »an denen«. 


14C. Institutio primae olassis scholae Brunsvicensis, 1547. S. 77f. 

Die Handschrift umfalst 4 Folioblätter. Sie ist von Medler 
eigenhändig geschrieben und bietet als Registraturvermerk von der 
Hand des Stadtschreibers Prülse: »Scholordenunge und Regiment der 
beiden doctoren von pasche wente Michel. 47«. Mit den »beiden 
doctoren« sind Medler und Niger gemeint. Die angehängten »Leges 
scholasticae« stimmen zu einem guten Teil mit denen überein, die S.69f. 
als Anhang zu der Lehrordnung von 1546 mitgeteilt sind. 

Bei dem Abdruck ist S. 78 vor Z. 16—30 das in der Hand- 
schrift fehlende »Hora« ergänzt, 7913 »vitant« in »vitent« geändert. 


14D. Leotiones in schola maiore und Institutio scholae Br. maioris S. 79 ff. 

Die unter 14D mitgeteilte Lehrordnung des Pädagogiums bietet 
zunächst unter der Überschrift »Lectiones in schola maiore« ein 
übersichtliches Verzeichnis der ın der Anstalt behandelten Unterrichts- 
gegenstände, sodann einen Stundenplan mit der Überschrift »Institutio 
schole Brunschwicensis maioris. Die Handschrift umfalst einen 
Foliobogen. Der ductus litterarum ist derselbe wie in 13. Eine 
Zeitangabe fehlt. Da aber der Lehrplan gegen die einander ähnlichen 
beiden Sommerpläne von 1546 (13) und 1547 (140) sehr erhebliche 
Abweichungen aufweist, so liegt es nahe ihn nicht zwischen dieselben 
in den Winter 1546/47, sondern später zu setzen, doch darf man 
über den Sommer 1548 nicht hinausgehen, da sowohl Streiperger 
als Glandorp damals das Pädagogium verlielsen. - 

Bei dem Abdruck sind als Schreibfehler verbessert: 8012 »exer- 
tium« in »exercitium«; 8017 »sintaxis« in »sintaxin«; 812? »schriben- 
dorum« in »scribendorum«. 


15. Lehrplan des Martineums, 1547. S. 82f. 


Die Handschrift umfalst 4 Blätter in 4%. Auf dem ersten Blatt: 
»GRAVISSIMO PRVDENTISSIMOQVE SENATVI OFFEREN- 
DVM«. Die von uns mitabgedruckte Überschrift: »Labores ete« steht 
auf dem zweiten Blatte, darunter dann der Plan. Die Anstalt hatte 
damals keine Prima, vergl. Einleitung S. LXI. 

Bei dem Abdruck ist 8310 »die« hinzugefügt; 83% ist statt 
»Lober« auch die Lesung »Loher« zulässig. 


Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CLXX XI 


16. Gutachten der Kastenherren über das Schulwesen der Stadt, 
1547. S. 85ff. 

Die Eingabe der Kastenherren an den Rat ist in einer Hand- 
schrift erbalten, die allem Anschein nach so, wie sie vorliegt, dem 
Rate überreicht ist. Sie füllt 6 Seiten in fol., befindet sich in einem 
und demselben Umschlage mit dem Lehrplane des Pädagogiums für 
den Sommer 1547 (14C) und wird von Prüfsens Hand registriert 
mit den Worten: »Item der Öastenhern artikel«. Sie ist nicht weiter 
datiert; da sie aber in einem Schreiben Medlers an den Rat vom 
29. August 1547 (Braunschw. Stadtarchiv) erwähnt wird, so muls 
sie aus dem Sommer 1547 stammen. Sıe lälst erkennen, wie man in 
schlichten Bürgerkreisen über die Pläne Medlers dachte. 

Bei dem Abdruck ist geändert 861% »mochte« in »mochten«. 
855 u. ö. ist »S. W.« Abkürzung für »Sine werde«, 85?1 »J. A. W.: 
Abkürzung für »Juwe achtbar wisheiden«, ebenso 852 u. ö. »d. W.« 
Abkürzung für »Juwe wisheiden.«. 


17. Lehrplan des Martineums, 1548. S. 89 ff. 

Die Lehrordnung des Martineums vom Sommer 1548 ist in 
ihrem ganzen Umfange in einer vom Superintendenten Medler revidier- 
ten 8 Folioblätter umfassenden Handschrift im Stadtarchiv zusammen mit 
18 vorhanden und wurde in dieser Form bereits von Dürre bei der 
Abfassung seiner Schrift über die Gelehrtenschulen benutzt. Inzwi- 
schen ist unter den Sackschen Akten des Stadtarchivs auch ein alter 
Druck aufgefunden, der 1 Bogen in 8° umfalst und den Titel führt: 

INSTITV- | TIO SCHOLAE | Brunfuicenfis apud di- | uum 

Martinum | per »sta- |tem. | Anno Domini 1548. 
Derselbe enthält die in der Handschrift fehlende Vorrede (S. 89); 
dagegen ist der Schluls, der die Verteilung der Lektionen auf die 
einzelnen Lehrer unter der Überschrift »Labores scholastici in colla- 
boratores distributi« verzeichnet (S. 94—97), nicht darin vorhanden. 
Die Handschrift bietet am Ende des letzten Abschnittes vor den »La- 
bores scholastici sc.« die Datierung: »6 Nonas marcıj Anno 1548« 
mit der eigenhändigen Unterschrift des Superintendenten »Nicolaus 
Medler Doctor«, während die Vorrede des Drucks um wenige Tage 
später (pridie Nonas Martii) unterzeichnet ist. 

Wo der Druck von der Handschrift abweicht, sind wir durch- 
weg ersterem gefolgt. Die hauptsächlichsten Abweichungen sind fol- 
gende: 90° »maiorem« Dr., »maioris<HS.; 9115 »animadvertente in- 
fimo« fehlt in der HS.; 9120 »bucolica« Dr., »buccolica« HS.; 913° 


CLXXXIL Einleitung II 


»in tertia« und, »in quarta classe« fehlt in der HS.; 921 »pran- 
dium« Dr., »meridiem« HS.; 927 lautet in der HS. »regit cantor 
chorum, accipiunt deinde merendam« 9212 »Ellingeri« HS., »Ellingeri« 
Dr.; 9216 »pueros secundae classis« Dr., »pueros primae et secundae 
classis« HS.; 938 lautet in der HS. »Istae omnes classes diebus Lunae 
etc«; 9311 »et quidem omnes pueri singillatim« fehlt ın der HS.; 
9311 »proponuntur« Dr., »dantur« HS.; 9322 »quas« Dr., »qua« HS;; 
9137 »cantor« fehlt im Dr. und in der HS. — In dem blofs hand- 
schriftlich vorhandenen Teile von S. 94—97 ıst 946 »Virgilii« ein Zu- 
satz von Medlers Hand; 95% stand »primae et« zuerst im Text, wurde 
von Medler durchstrichen, dann wieder von ihm an den Rand geschrie- 
ben, vergl. 9216. Wir haben geändert 9427 »buccolica« in »bucolica«. 


18. Lehrplan und Schulgesetze des Katharineums, 1548. S.97 fl. 


Die Handschrift umfalst 6 Folioblätter. Der fehlende Titel ist 
von uns nach Analogie des vorhergehenden hinzugefügt. Auf dem 
Umschlage, in dem sie mit 17 enthalten ist, findet sich als Registratur- 
vermerk des Stadtschreibers Prülse: »1548. Scholordeninge Martini, 
Scholordeninge Catarine, per estatem.« Geschrieben ist sie von dem 
neu eintretenden Rektor Johannes Zannger, über den zu vergl. S. LVII, 
Anm. 4. Die am Schlufs verzeichneten leges scholasticae sind bereits 
gedruckt bei Dürre, Gelehrtenschulen $. 39. 

Die Sprache bietet eine Anzahl von Barbarismen, die nicht als 
Schreibfehler, sondern als Ausflüsse der sprachlichen Unkenntnis des 
Verfassers anzusehen sind, so z. B. im Gebrauch des Partizipiums 
970 »suscipientibus nobis... invocamus«; 100! »chorum visitent, ac 
reversi, conrector illis«, vergl. 10116, 101%, 103%. Auch in der 
Anwendung des Gerundiums zeigen sich auffallende Eigenheiten, 
namentlich in der Verwendung des Genitivs. So hat die Handschrift 
998 »examinandi«, 9928 »scribendi«, 100° »exercendi«, wo wir, um 
das Verständnis zu ermöglichen, »examinando, scribendum, exercendo« 
gesetzt haben; dagegen haben wir 10012 »grammatices exercendi«, 
wofür die spätere Latinität Beläge bietet, unverändert gelassen. Von 
sprachlicher Unkenntnis zeugt auch 100 !7 »profectioribus« statt »provectio- 
ribus«. Wir haben geändert: 9714 »conservat« in »conservet«; 1007 
»ordinebit« in »ordinabit«; 100®? »proponatur« in »proponantur«; 
1017 u. ö. »exertitium« in »exercitium«; 1013 »ex aliqua evangelista« 
in »ex aliquo ev.«; 10114 »recitant« in »recitent«; 10417 »repetent« 
in »repetant«. In der Zählung der leges scholasticae auf S. 103f. ist 
von No. 16 an die irrtümliche Zählung der Handschrift berichtigt. 


Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken OLXXXIH 


19. Schulordnung des Martineums, 1562. S. 105#. 


Die vom Rektor Andreas Pouchen verfalste Ordnung des Mar- 
tineums erschien im Druck unter dem Titel: 


SCHOLE | BRVNSVIGENSIS AD | DIVVM MARTI- 
NVM ADMINI- | ftratio Rectore Andrea Pou- | chenio 
Gardlebenhi. | ET CONSTRVCTIO FIGV- | rata, ad imita- 
tionem Thom&z Lina- | cri compendio comprehensa, | ad 
ufum Secundz clafsis in | Iudo Martiniano. | PAyuwv. | "Hoörov 
oödev oödE novarwwrepov | ’Eoti Öuvaadaı Aordopoönevov YEpeıw | 
‘0 Amdopiwv yüp, Av 6 Aowdopoöpevog | MA rpoorowrar, Aordo- 
peita: 6 Aowdopwv. | ANNO. | M. D. LXTI. — Am Ende: 
WOLFFERBYTI. | Per Conradum Corneum. | ANNO. | 
M.D. LXIW. 


Das Werkchen umfalst Bogen A—F in 8°; die letzte Seite ıst 
leer. Von dem Büchlein ist nur noch ein einziges Exemplar vorhan- 
den, das sich zu Wolfenbüttel in der Herzoglichen Bibliothek befindet. 
Die eigentliche Administratio Martiniana füllt darin Bogen B und C. 
Sie erscheint hier zum ersten Mal von neuem gedruckt; nur der 
Abschnitt »de discipulis« (S. 116—120), welcher die Gesetze für 
die Schüler enthält, wurde bereits mitgeteilt bei Dürre, Gelehrten- 
schulen S. 37 ff. 


Bei dem Abdruck haben wir, abgesehen von der Berichtigung 
geringer Druckfehler, geändert: 106? add. »qui« nach dem Druck- 
fehlerverzeichnis; 107% »partes« in »partis«; 107?® »exquisitus« in 
»exquisitius«; 10820 »deterreri« in »adduci« nach dem Druckfehler- 
verzeichnis; 1116 »ideoque« in »ideo«; 1117 »prima« in »primae«; 
111% »quantum« in »quae« nach dem Druckfehlerverzeichnis; 1127 
»quid« in »qua« desgl.; 11228 »Mecelcro« in »Mecelero«; 112% 
»historias« in »historicis« nach dem Druckfehlerverzeichnis; 1153 
»0090TEpwv« in »oopwrepwv«; 1155 »ministerio« in »ministro« nach 
dem Druckfehlerverzeichnis; 1173? »instutuuntur« in »instituuntur«; 
11915 »disententibus« in »discentibus«; 11929 »numinae« in »numine«. 


20. Dienstvertrag des Rats mit dem deutschen Schreib- und 
Bechenmeister Christoph Wiltvogel, 1570. S. 120£. 


Von dem vorliegenden Dienstvertrage befindet sich eine Original- 
ausfertigung im Städtischen Archiv. Dieselbe ist auf einen Folio- 
bogen geschrieben und mit’ dem Siegel der Stadt, dem Siegel des 


CLXXXIV Einleitung II 


Schreib- und Rechenmeisters Christoph Wiltvogel und der eigen- 
händigen Unterschrift des letztern versehen. Über die Persönlichkeit 
Wiltvogels ist weiter nichts bekannt, als was aus dem vorliegenden 
Dokumente sich ermitteln läfst. Daraus, dafs man ıhm sein Korm- 
deputat auf die Martinikirche anweist, läfst sich mit Sicherheit 
schliefsen, dafs von den beiden städtischen Schreibschulen (vergl. Ein- 
leitung S. XLf.; LT) die in der Altstadt belegene ihm zugewiesen war. 


Die Handschrift zeigt eine sehr weit gehende Vorliebe für 
Häufung und Verdoppelung der Konsonanten. Wir haben den Wust 
gelichtet und nur dort die Häufung gelassen, wo sie in guten gleich- 
zeitigen Drucken oft oder regelmälsig sich vorfindet. 


21. Schulordnung des Rats, 1596. :S. 122#. 


Von der Schulordnung des Rats von 1596 besitzt das Städtische 
Archiv zu Braunschweig eine mit dem Siegel der Stadt versehene 
ÖOriginalausfertigung, daneben drei Abschriften aus weit späterer Zeit. 
Im Druck ist dieselbe niemals erschienen. Dürre hat sie für seine 
Geschichte der Gelehrtenschulen eingehend berücksichtigt. 


Bei dem Abdruck haben wir die Originalausfertigung zu Grunde 
gelegt, die 52 Folioseiten umfalst. Der Schreiber derselben zeigt 
eine ganz besondere Vorliebe für Konsonantenhäufungen und lälst 
selten eine Gelegenheit vorübergehen, um seinem Schönheitssinne 
durch Verdoppelung der Zeichen für n, 1, t, namentlich am Ende der 
Wörter, nachzugeben, ohne dafs jedoch irgend welche Konsequenz in 
dieser Hinsicht zu bemerken wäre. Im übrigen ist die Handschrift 
sorgfältig geschrieben, und wir haben, abgesehen von einiger Lichtung 
des Konsonantenüberflusses, nur folgende Änderungen vorzunehmen 
für nötig gehalten: 123#7 add. »haben«; 1252® u. ö. »cathegismic« 
in »catechismi« nach Korrektur von späterer Hand; 125° del. die 
Dittogr. von »so wohl«; 126 Überschr. vor Z. 18 »Lex Prima«; 
12712 »Cathonis« in »Catonis«, 12719 »Thalaei« in »Talaei« und 
127°1 »Schleidani« in »Sleidani« nach Korrektur von späterer Hand; 
13012 »colligirn« in »corrigiim« nach alter Korrektur; 1303 »er- 
wegen« in »erwogen«; 13213 »wann« in »wie«; 13717 »dennoch« 
in »demnach«; 13935 »das« in »des«; 1417 »cathalogum« in »cata- 
logum« nach alter Korrektur. Als Zusätze zu der Handschrift von 
fremder Hand notieren wir: 12729 »libri 1«; 12982 »imitationes, bisch- 
weilen«; 1435 »oder.... in seiner praesentz«. 








Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CLXXXV 


22. Lehrpläne des Martineums, c. 1600. S. 146 ff. 

22A. Soholae Martinianae leotiones hybernae, 1599. S. 146 ff. 

Der Lehrplan des Martineums für das Wintersemester 1599/1600 
befindet sich im Stadtarchiv und füllt 2 Seiten eines Foliobogens. 
Er ist von dem Rektor Hermann Nicephorus (1595—1604, vergl. 
S. LXXXIV) eigenhändig geschrieben und unterzeichnet. Er erscheint 
hier zum ersten Male gedruckt, wird aber bereits erwähnt bei Dürre, 
Nicephorus S. 23. 


23B. Tlenohus leotionum etc. 1603. 8. 149 ff. 


Das Original dieses Lehrplans von 1603, der ebenso wie 22 A 
von Nicephorus eigenhändig geschrieben und unterzeichnet ist, be- 
findet sich im Stadtarchiv und füllt die 4 Seiten eines Foliobogens. 
Einen Abdruck giebt Dürre, Nicephorus 8. 36ff. — 8.149 Z. 2 v. 
u. lest Dürre »inchoat« statt »inchoabit«.. Das Original bietet 
»inchoab.« In dem Anhange zu dem Plane haben wir 15122 und 
151% »drafia« in »drakia« geändert. 


22C. Leotiones Martinianae. S. 152f. 


Das Original dieses bisher noch nicht bekannt gewordenen 
Lektionsplans befindet sich im Stadtarchiv und füllt die eine Seite 
eines Folioblatts. Derselbe zeigt die Handschrift des Rektors Nice- 
phorus, ist aber nicht von ihm unterzeichnet. Eine Jahresangabe 
fehlt, doch läfst die Schlulsbemerkung erkennen, dafs er für ein 
Sommersemester bestimmt war. Da Nicephorus um Ostern 1604 
seines Amtes entsetzt wurde, so würde als der späteste Termin der 
Einreichung des Plans die Zeit kurz vorher angenommen werden 
dürfen, wahrscheinlicher aber ist, dals er schon aus einem früheren 
Jahre stammt. 


223D. Elenchus autorum etc. 8. 153f. 


Das Original, das auf 9 Seiten in 4° geschrieben ist, befindet 
sich im Stadtarchiv und war bisher noch nicht bekannt. Nach 15422 
ist es der Lektionsplan eines Wintersemesters, aber das Jahr ist 
nicht angegeben. Die Handschrift ist nicht die des Nicephorus. Da 
der Inhalt nicht wesentlich von 22A und 22B abweicht, so wird 
man annehmen dürfen, dafs der Plan von dem Nachfolger des Nice- 
phorus etwa im Wintersemester 1604/5 der Behörde eingereicht ist; 
jedenfalls ist er von den vorhergehenden Plänen des Martineums 
zeitlich nicht weit geschieden. 





CLXXXVI Einleitung II 


Bei dem Abdruck ist abgesehen von ganz zweifellosen Abkür- 
zungen 15530 und 15619 »colloquia C.« in Hinblick auf 15523 auf- 
gelöst in »colloquia Corderii«, 1575 der Schreibfehler »divina« in 
»divini« geändert. 


23. Lehrplan des Katharineums, 1598. S. 157f. 


Das im Stadtarchiv befindliche Original umfalst 3 Folioseiten. 
Dasselbe ist weder datiert noch mit dem Namen des Rektors, von 
dem der Plan eingereicht ist, versehen, doch läfst sich sowohl der 
Verfasser als die Zeit der Entstehung mit einiger Sicherheit erkennen. 
Da die mehrfach S. 157f. erwähnten Lehrer Henningus Cuiselius und 
Marcus Menten nach Dürre, Gelehrtenschulen S. 70 am Katharineum 
zwischen 1594 und 1596 angestellt wurden, so kann der Plan nicht 
vor 1594 entstanden sein, andererseits darf derselbe nicht später als 
Winter 1598/99 gesetzt werden, weil einige Lehrbücher Erwähnung 
finden, die in der am 12. April 1599 festgesetzten Lehrordnung 
(No. 24) abgeschafft sind, nämlich Civilitas morum Erasmi 158%, 
vergl. 16223, und Catech. Chytraei f. Sekunda 1592, vergl. 1623. 
Hiernach bleibt für die Datierung nur die Zeit von 1594 bis Winter 
1598/99 übrig. Da nun ferner die wegwerfenden Urteile des 
Verfassers über frühere Einrichtungen (157? cum studium poe- 
ticum per aliquot annos in schola sit turpiter neglectum, desgl. 159 
zu »hora 8«) den Verfasser als einen Rektor, der erst kürzlich die 
Leitung der Schule übernommen hat, erkennen lassen, so kann nur 
M. Joh. Bechmann, der im Herbst 1596 an M. Karl Bumanns Stelle 
in das Rektorat berufen wurde, den Plan abgefafst haben. Vergl. 
die Anspielung auf des Vorgängers Vornamen 1593 »iussu Carolico«. 
Dafs aber Bechmann nicht gleich nach seinem Amtsantritt diesen Plan 
eingereicht hat, sondern erst, nachdem er bereits einige Zeit am 
Katharineum thätig gewesen war, sagt er selbst 158°: »Deduxit hac- 
tenus etc.«.. Schlielslich aber macht der bittere Spott am Schluls 
161* über das »vocabularıum rhytmicum superintendentis« den Ein- 
druck, als ob der Superintendent Martini damals zwar noch am 
Leben war, aber dem Verfasser für die boshafte Bemerkung nicht 
mehr schaden konnte. Dieses führt auf das Jahr 1598; denn damals 
war Martini nach Rehtmeyer, Kirchenhist. IV, 190 bereits durch 
einen Schlagflufs gelähmt, und bei dem mit ihm verfeindeten Koad- 
jutor Kaufmann konnte der Rektor auf eine freundliche Aufnahme 
für seine hämische Schlulsbemerkung hoffen. So glauben wir nicht 
zu irren, wenn wir den Elenchus in das Jahr 1598, und zwar, weil 


Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CLXXXVLH 


derselbe durch den Anfang derLektionen um 7 Uhr sich als Winter- 
plan kundgiebt, in das Wintersemester 1598/99 versetzen. 

Der »Elenchus lectionum scholae Catharinianae« war bisher noch 
nicht bekannt. Bei dem Abdruck sind in der Schreibweise der 
griechischen Wörter einige Irrungen des Schreibers berichtigt, zahl- 
reiche Abkürzungen aufgelöst. Wir notieren folgende Änderungen: 
158% add. »et«; 158% »classis« in »classi«; 159% »pergromologus« in 
»pergnomologus«; 15910 »yod« in »ypö«; 15917 »sacris« in »sacri«; 
16018 »ZEolius« in »Aelius«e. Der Name des. Lehrers »Cuiselius« 
15929, 15930 u. ö. wird bei Dürre, Gelehrtenschulen S. 70 »Ciuselius« 
geschrieben. 


24. Lehr- und Disziplinarordnung des Katharineums, 1599. 
S. 161 ff. 


Das auf die beiden Seiten eines Folioblattes geschriebene Original 
befindet sich im Stadtarchiv und war bislang nicht bekannt. Die 
Ordnung wurde nach der Schlufsbemerkung S. 164 von den geist- 
lichen Visitatoren der Anstalt am 12. April 1599 in der Sakristei der 
Katharinenkirche festgestellt, doch sind die Namen der Herren nicht 
bekannt. Rektor war damals M. Joh. Bechmann, über den zu vergl. 
Dürre, Gelehrtenschulen S. 65 und die Einleitung zu No. 23. 


25. Lehrpläne des Aegidianums, c. 1600. S. 164ff. 
25 A. Typus praeleotionum eto., 1599. S. 164ff. 

Das Original des vorliegenden Lehrplans des Ägidianums vom 
Sommer 1599 befindet sich auf einem Folioblatt im Städtischen Archiv. 
Er wird dadurch besonders beachtenswert, dals er nicht, wie es zu 
jener Zeit bei den Schulprogrammen gebräuchlich war, die in dem 
bevorstehenden Semester zu betreibenden Lektionen im voraus mit- 
teilt, sondern, wie die jetzt üblichen Schulnachrichten, von den bereits 
durchgenommenen Pensen Rechenschaft giebt. Dadurch gewinnen wir 
einen nicht unwichtigen Einblick in das Mals dessen‘, was in einer 
Disziplin halbjährlich absolviert worden war. 

Der »typus praelectionum« war bislang nicht bekannt. Bei dem 
Abdruck haben wir geändert: 165% »Pentecostis« in »Pentecostes«. 


25 B. Syllabus praeleotionum etc. S. 167 ff. 
Das im Stadtarchiv befindliche Original füllt zwei Quartblätter. 
Die Züge der Handschrift sind nicht dieselben wie bei 25 A, und 
auch das Kokettieren mit griechischen Brocken weist auf einen andern 
Verfasser. Die Datierung fehlt; dafs B aber später als A zu setzen 


CLXXXVII Einleitung II 


ist, fordert das bei einigen Lektionen, z. B. Sirach und Prov. Salom. 
zu bemerkende Fortschreiten in der Lektüre, vergl. 169° mit 166°; 
1696 mit 1668. Dafs B aber noch in die Zeit des Koadjutors Kauf- 
mann gehört, geht aus der Rücksichtnahme auf denselben deutlich 
hervor, vergl. S. 167%, 168%. Da nun 1602 ım Ägidianum ein 
Rektoratswechsel stattfand (Dürre, Grelehrtenschulen S.72), so wird 
dieser Lehrplan in das Jahr 1602 oder 1603 zu setzen sein. Be- 
merkenswert ist bei 25 B ebenso wie beı 25 A, dals nicht die 
durchzunehmenden, sondern die durchgenommenen Pensa verzeichnet 
werden. 

Der »syllabus praelectionum« war bisher nicht bekannt. Bei 
dem Abdruck sind den griechischen Wörtern vielfach die fehlenden 
Accente und Spiritus hinzugefügt. Die namentlich in der zweiten 
Hälfte zahlreichen Abkürzungen sind aufgelöst. 


26. Schulgesetze und Lehrplan des Aegidianums, c. 1608. 
S. 169 ff. 


Die »synopsis legum scholasticarum in paedeuterio Aegidiano. 
nebst dem angehängten »ordo lectionum« befindet sich im Stadtarchiv. 
Die Handschrift umfalst 4 Blätter in folio und bietet weder eine 
Datierung noch eine Angabe über den Verfasser. Die Schriftzüge 
führen auf die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts. Weahrschein- 
lich stammt das nicht uninteressante Dokument von einem Rektor, 
der sich dem Koadjutor Kaufmann durch diese stellenweise etwas 
künstliche Subsumierung der sämtlichen Pflichten der Schüler unter 
die 10 Gebote des Dekalogs empfehlen wollte. 

Die »synopsis« nebst dem »ordo lectionum« war bislang nicht 
bekannt. Bei dem Abdruck haben wir als Schreibfehler geändert: 
17079 »Exdımöv« in »Exdıxov«; 17030 »demandate« in »de mandato«; 
17123 »Aagito« in »flagitato«; 172% »urgito« in »urgeto«; 1733 
»formentum« in »fermentum«. 


27. Verordnung des Konusistoriums über Unterricht und Dis- 
ziplin in den Lateinschulen, 1621. S. 176. 


Die »monita scholasticalia« von 1621 sind im Stadtarchiv ın der 
mit dem städtischen Siegel versehenen Originalausfertigung, die 13 
‚Folioseiten umfalst. Sie werden erwähnt bei Rehtmeyer, Kirchen- 
hist. IV, 154 und ın einer ım Stadtarchiv handschriftlich vorhandenen 
Geschichte des Katharineums (Suppl. 172, Bl. 74f.). In dieser wird 











Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CLXXXIX 


gesagt, »dals anno 1621 den 14. Juli von dem ÜÖonsistorio der Stadt 
Braunschweig einige monita, die institutionem und disciplinam scho- 
larum betreffend, entworfen und den 1. Sept. desselben Jahres von 
E. E. Rath unter der Stadt Siegel genehmigt worden, doch enthielten 
diese nichts Neues, sondern es würden darın blofs die vornehmsten, 
in der Ordnung von 1596 von der institutione und disciplina ent- 
haltenen Punkte nochmals eingeschärft«. Auf dieses Urteil bezieht 
sich Dürre, Gelehrtenschulen S. 26, der die »monita scholasticalia « 
selbst nicht gekannt zu haben scheint. 

Die »monita« erscheinen hier zum ersten Male im Druck. Wir 
haben die Konsonantenfülle der Handschrift, soweit nicht die Laut- 
verhältnisse dadurch beeinträchtigt wurden, in etwas eingeschränkt, 
sonst aber nur geändert: 

18012 »sich« in »sle«; 1816 add. »nicht«; 18117 »conrectorum « 
in »conrectorem .«. 


28. Begräbnisordnung des Martineums, 1623. 1627. S. 182 ff. 

Die »leges exequiales« des Martineums befinden sich im Stadt- 
archiv. Die Handschrift ist 1654 geschrieben. Sie umfalst einen 
Bogen in 4°, von dem die letzte Seite leer ist. Auf der Aufsenseite 
des ersten Blattes steht als Registraturvermerk: »Leges exequiales. 
De deductione funerum«. Voran geht noch folgende Notiz: »Anno 
1654 d. 15. Novembris seint diese leges exequiales bey der introduction 
deß newen conrectoris Dn. Andreae Burchardiı vom herm super- 
intendenten doct. Brandano Daetrio, h. Burgh. Tile v. Dam und 
miehr Clauß Warneken de novo confirmiret und den sambtlichen 
h. collegen fürgehalten, das so woll der oberste als der unterste unter 
ihnen sich darnach zu achten haben. Clauß Warneken, provisor et scho- 
larcha Martinianus m. pr.« Über Daetrius vergl. oben $. LXXXVIN. 
Die beiden andern Schulvorsteher sind nicht näher bekannt. 

Die bisher noch nirgends erwähnten »leges exequiales« erscheinen 
hier zum ersten Mal im Druck. Wir haben 1821* hinzugefügt 
»uteretur«. 


29. Verbot von Sehülerumzügen am Weihnachtsfeste, 1643. 
1652. 1660. S. 185. 

Es war gewils schon ein altes Herkommen, dafs die Schüler 
der drei lateinischen Schulen um die Weihnachtszeit verkleidet von 
Haus zu Haus zogen, um dort Komödien, daneben auch Schauspiele, 
deren Gegenstand die Geburt Christi war, aufzuführen. Möglicher- 


CXC Einleitung II 


weise sind diese Umzüge als ein Überrest des alten Nikolausfestes 
(vergl. S. XXXI) anzusehen. Der Unfug, zu dem dieselben An- 
lafs gaben, bewog das Konsistorium bereits am 9. Dezember 1643 
sie bei ernster Strafe zu verbieten und dieses Verbot, als demselben 
nicht Folge gegeben wurde, am 11. Dezember 1652 und am 15. De- 
zember 1660 zu erneuern. 

Das erste Verbot von 1643 ıst nicht mehr vorhanden, wohl 
aber die Erneuerungen derselben von 1652 und 1660. Beide befinden 
sich in der für das Martineum bestimmten Originalausfertigung auf 
je einem Foliobogen ım Stadtarchiv. Da sie ım Wortlaut überein- 
stimmen, so geben wir nur die Verordnung von 1660. Dieselbe 
ist von dem nicht weiter bekannten Sekretär des geistlichen Kon- 
sistorrums Hermann Mahner eigenhändig auf einen Foliobogen ge- 
schrieben. Die Dorsalaufschrift (S. 185, Z. 13ff.) wurde von dem 
Superintendenten Brandanus Daetrius (vergl. Einleitung S. LXXXVI 
unter Beisetzung der Anfangsbuchstaben seines Namens »B. D.« hin- 
zugefügt. Rektor des Martineums war zur Zeit des Erlasses und bei 
der ersten Erneuerung der Verordnung Barthold Snelle, (1642—1660), 
bei der zweiten Erneuerung am 15. Dezember 1660 M. Martin 
Teipel (1660— 1669), vergl. Dürre, Gelehrtenschulen S. 57. 


30. Verordnung über das Umsingen der Kantoreischüler, 1655. 
S. 186. 


Die Kantoreischüler, auf welche sich die vorliegende Verordnung 
bezieht, sind die Symphoniaci der Schulordnung von 1596, sonst 
auch Chorschüler, später auch Üoncertisten genannt, möglicherweise 
mit Einschlufs der Currendarii. Bereits am 5. Oktober 1650 hatte 
das Konsistorium sich genötigt gesehen den Streitigkeiten der Chor- 
schüler der verschiedenen Anstalten bei Gelegenheit des Umsingens 
zur Neujahrszeit durch folgende Bestimmung entgegen zu treten: 
»Die Martiniani sollen alle Jahr den Vorzug haben und in der Burg 
zum ersten singen, und wenn solches fertig, die Cathariniani zuge- 
lassen werden, welchen Hand und Mund gegen die andern zu halten 
bei ernstlicher, willkürlicher Castigation und Straff geboten sein soll.« 
Was dann zu dieser neuen Verfügung den Anlafs gab, wird aus 
derselben hinreichend erkannt. 

Die Vorlage unseres Abdrucks befindet sich auf einem Folio- 
bogen handschriftlich im Stadtarchiv. Es ist die für das Martineum 
bestimmte ÖOriginalausfertigung der Verordnung. Wir haben als 
Schreibfehler berichtigt: 1861? und 186'3 »den« in »dem«. 





Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken UCXCI 


31. Ordnung des Martineums, 1660. S. 187f. 

Im Anfang des Jahres 1660 wurde am Martineum der alters- 
schwache Rektor M. Barthold Snellius in den Ruhestand versetzt 
und erhielt zum Nachfolger den M. Martin Teipel (Dürre, Gelehrten- 
schulen S. 56f.).. Den Rektoratswechsel benutzte der Superintendent 
D. Brandanus Daetrius, um unter Zustimmung der Scholarchen durchı 
die Vorschriften des vorliegenden»Schulmemorials« dem hereingebroche- 
nen Verfall der Anstalt entgegen zu treten. 

Das Original des Schulmemorials von 1660 ist nicht mehr auf- 
zufinden. Das Stadtarchiv besitzt aber davon zwei bald nach dem 
Erlafs angefertigte Abschriften A und B, beide auf einem Foliobogen 
mit der Dorsalaufschrift: »Copey. Schuel-memorial de dato 23. Febr. 
1660. Daß original war von dem H. Superint. D. Brandano Dztrio 
selber geschrieben vndt auffgesetzet vndt von mir N. W. Scholarcha 
dem H. Rectori Martino Teipelio eingehendiget.« Für den Abdruck 
haben wir die Abschrift A, welche für B die Vorlage wieder ge- 
wesen zu sein scheint, zu Grunde gelegt. Die Abweichungen der 
letzteren sind nur orthographischer Art. Die Überschrift »Schuel- 
memorial« ist in beiden Copien in dorso vermerkt. $S. 188% haben 
wir vor »sonnabendts« das Wort »sich« gestrichen. 


32. Ordnung der Waisenhausschule, 1677. S. 189 ff. 

Die Ordnung der Waisenhausschule von 1677 bildet einen Be- 
standteil der »Stift und Ordnung des Armen Weysen Zucht 
und Werckhauses in Braunschweig«, von welcher die dem 
Waisenhause übergebene Originalausfertigung im Archiv dieser An- 
stalt noch heute aufbewahrt wird. Dieselbe füllt in ihrer ursprüng- 
lichen Gestalt 85 nur auf einer Seite beschriebene Folioblätter, denen 
von einer nur wenig späteren Hand ein Zusatz auf Bl. 86 hinzuge- 
fügt ist. Die Blätter der Handschrift sind, als die Ordnung in spä- 
terer Zeit eingebunden wurde, mit unbeschriebenem Papier durch- 
schossen. Von den von uns mitgeteilten Abschnitten bildet A 
Kap. V auf S. 39—41, B den Schlufs von Kap. IV auf S. 38—39, 
C Kap. XI auf S. 54—59, D Kap. XIH auf S. 63—65. 

Ein Druck der Ordnung ist nicht bekannt, ebenso wenig weitere 
Abschriften. Erwähnt wird dieselbe bei Bode, Stadtverwaltung III, 
43, desgl. in Fredersdorffs, Promtuarıum der Braunschw.-Wolfenbüttel- 


schen Landesverordnungen mit Hinweisung auf die neuere Gesetz- 
gebung, bearb. v. Ad. Steinacker (Gandersh. 1838, 40) S. 455. 


CXCH Einleitung II 


33. Lehrplan des Katharineums, 1741. S. 196 ff. 

Der Lehrplan des Katharineums von 1741 befindet sich in einem 
Programm, das der Rektor J. A. Fabricius zu Ostern des genannten 
Jahres auf 2 Bogen ın 40 veröffentlicht hat. Das einzige noch er- 
haltene Exemplar desselben besitzt die Herzogl. Bibliothek zu Wol- 
fenbüttel. Der ganz ın Majuskeln gesetzte Titel lautet: 

Q. B. D. B. F. | Ratio | praelectionvm | scholae prmei- 
palis Brvnovicanae | ad aedem divae Catharinae | in 
lvstratione brvmalı | CID ID COCXXXXL ipsis nonis Martüis | 
P.P. | qua simvi | patronos gravissimos omnivmque | ordinvm 
viros spectatissimos | ac bonis litteris faventes | ad armilvstrivm 
qvası | et ad avdıendam orationem valedictoriam | optimi 
ivvenis officiose et perhumaniter | invitat | Io. Andreas Fabri- 
civs | artivm et philosophiae magister |ex adsessore ordinis 
professorvm | sapientiae Ienensis |lycei rector | Literis exara- 
vit Arn. Iac. Keitel. 

Der erste Bogen enthält eine Abhandlung, in der insbesondere 
Ausführungen des Franzosen Vigneul-Marville über die Pflichten des 
»orare« und des »studere« für die Schüler besprochen werden, der 
zweite Bogen den Lehrplan. 

Bei dem Abdruck haben wir 9018; »hebdomate« beibehalten, da 
sich nicht entscheiden läfst, ob die unrichtige Bildung statt »hebdo- 
made« auf einem Druckfehler beruht oder absichtlich von dem Ver- 
fasser gesetzt ist. 


34. Die ältesten Ordnungen des Collegium Carolinum, 1745 — 1746. 
S. 203 ff. 
34 A. Vorläuffige Nachricht eto. S. 203 ff. 

Die von Jerusalem verfalste »Vorläuffige Nachricht«, d. d. 17. April 
1745, erschien bereits einige Monate vor der Eröffnung des Carolinums, 
vergl. Einleitung S. CXXIV.. Das Schriftchen umfalst 2 Bogen in 4° 
und führt den Titel: 

Dorläuffige | Nadyicdht | von dem | COLLEGIO | CAROLINO | 

zu Braunfchweig. 
Sie wurde bald darauf ohne irgend welche Veränderung zum zweiten, 
und mit nur geringen Veränderungen zum dritten Male aufgelegt. Es 
folgten alsdann 1746 auf 2 Bogen in 4°: »Fernerweite Nachricht von 
dem Collegio Carolino zu Braunschweig«, 1750 auf 4 Bogen in 4°: 
»Weitere Nachricht von dem Collegio Carolino und von der Auf- 
nahme in dasselbe«, und 1752 auf 1 Bogen in 4°: »Zugsbe zu der 


Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken GXCIII 


fortgesetzten Nachricht vom Collegio Carolino«. Zuletzt wurde der 
Inhalt dieser Schriften noch einmal mit einigen Veränderungen zu- 
sammengefalst und auf 31 Quartseiten veröffentlicht unter dem Titel: 
Ladiricht | von dem | COLLEGIO CAROLINO | in Braun- 
fhweig. | Braunfchweig, | gedrudt im der Fürftl. Wayfenhaus- 
Budydruderey, | 1765. 
Ein wörtlicher Abdruck dieser letzten Nachricht ist dann unter der 
Überschrift: »Ueber die Absicht und die erste Einrichtung des Collegüi 
Carolini« in Jerusalems Nachgelassene Schriften (Braunschw. 1792 
u. 1793) I, 67—110 aufgenommen. Vergl. Eschenburg, Coll. 
Carol. S. 14. 26. 27. 147. 

Wir haben in die Monumenta die erste Ausgabe aufgenommen, 
weil sie am unmittelbarsten die ursprüngliche Absicht der Anstalt 
erkennen lälst. Exemplare derselben finden sich in der Städtischen 
und in der Landschaftlichen Bibliothek. In der dritten Ausgabe ist 
der Passus S. 2101°—210%2, ın dem von dem Besuch der Selecta 
des Katharineums seitens dar Karoliner die Rede ist, fortgelassen, 
ein Zeichen, dafs man in dieser Hinsicht von dem ursprünglichen 
Plan bereits abgegangen war. 

Als Abweichung von der Vorlage haben wir nur 214?7 »ein- 
gerichtetsten« statt »eingerichtesten« zu bemerken. 


34B. Gesetze für diejenigen, welohe in das Collegium Carolinum auf- 
genommen werden, 1745. S. 217fl. 

Die Gesetze für die Studierenden des Carolinums vom Jahre 
1745 sind in zwei Ausgaben vorhanden. Die zweite Ausgabe, welche 
gleichfalls nach 1745 erschien, weicht von der ersten nur durch die 
erweiterte Fassung weniger Paragraphen ab. Beide sind auf 1 Bogen 
in 4° gedruckt. Der Titel der ersten Ausgabe lautet: 

Gejeße | für dieienigen, | welche ins | Collegium Larolinum | 

aufgenommen werden. | MDCCXLV. 
Der Titel der zweiten Ausgabe ist derselbe, nur ist vor der Jahres- 
zahl eingeschoben: »Sweyte Ausgabe«. Der Drucker ist weder bei 
der einen noch bei der andern angegeben. Erst 1784 wurden diese 
ersten Gesetze der Anstalt durch neue ersetzt. Vergl. Eschenburg, 
Coll. Carol. S. 25. 38. 148. Die Stadtbibliothek besitzt ein Exemplar 
der ersten, die Landschaftliche Bibliothek je ein Eixemplar von der 
ersten und zweiten Ausgabe. Für den Abdruck in den M.G. P. hat 
die zweite Ausgabe, die ja fast vierzig Jahre hindurch in Geltung 
gestanden hat, als Vorlage gedient. 

13 


CXCIV Einleitung U 


34 C. Serenissimi gnädigste Declaration den dem Collegium Carolinum 
verliehenen. Burgfrieden betreffend, 1745. S. 225 ff. 

Die Verordnung, durch die das Carolinum den Burgfrieden er- 
hielt, wurde am 10. Juli 1745 von dem herzoglichen Lustschlosse zu 
Salzthalen (jetzt Salzdahlum) aus erlassen und zunächst durch einen 
Separatabdruck auf !/, Bogen in 4° veröffentlicht, erschien dann 
1746 in der »Fernerweiten Nachricht von dem Collegio Caro- 
lino zu Braunschweig« S. 13 ff. und ist auch gedruckt bei 
Eschenburg, Coll. Carol. S. 155. Vergl. Eschenburg a. a. O. 
S. 32—35, wo noch einige andere Verfügungen über die Gerichts- 
barkeit der Angehörigen des Carolinums besprochen sind. 

Dem Abdruck in den M. G.P. liegt die älteste Publikation zu 
Grunde, wobei 22523 der Druckfehler »Behältnissen« mit dem Ab- 
druck in der »Fernerweiten Nachricht« und bei Eschenburg statt »Be- 
hältnisse« berichtigt worden ist. 


34 D. Serenissimi Verordnung das Leihen an die Studiosos Carolini 
betreffend, 1745. S. 227. 

Die Verordnung über das Leihen an die Studiosen des Carolinums 
wurde ebenso wie die über den Burgfrieden am 10. Juli 1745 von 
Salzdahlum aus erlassen und gleichfalls durch einen besondern Ab- 
druck auf 1/ Bogen in 4° bekannt gemacht. In der »Ferner- 
weiten Nachricht etc.« von 1746 findet sie sich auf S. 15 und bei 
Eschenburg, Coll. Carol. S. 158. Sie wurde durch fürstliche 
Reskripte vom 5. Mai 1747 und vom 16. Oktober 1783 von neuem 
eingeschärft, vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 161. Wir teilen 
sie nach dem ältesten Drucke mit. 


34 E. Anweisung an die Curatores eto., 1745. S. 228. 
Die Originalausfertigung dieser Verordnung befindet sich ım 
Archiv der Technischen Hochschule. Ein Druck derselben ist nicht 
bekannt. Sie wurde bislang nirgends erwähnt. 


34 F. Das Gebet fürs Carolinum, 1745. S. 228f. 

Wie man bei der Begründung des Carolinums das religiöse und 
kirchliche Leben der Studiosen zu fördern gedachte, wird in der 
»Fernerweiten Nachricht ete.« von 1746 auf S.8 dargelegt. »Wie 
die besten und fürsichtigsten Einrichtungen«, so heilst es, »und die 
klügsten und kostbarsten Anstalten vergeblich gemacht werden, so 
lange eine wahre Gottesfurcht nicht der Grund der Unterneh- 
mungen ist, so ist nicht allem der Hofmeister erste Pflicht ihre 


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Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CXCV 


Untergebene zu emer tugendhaften und christlichen Lebensart auf 
alle mögliche Weise anzuführen, sondern sie sind auch besonders 
angewiesen mit ihnen den öffentlichen Gottesdienst sowol als die 
Morgen- und Abendandachten, wozu eine, für das Collegium 
Carolinum aufgesetzte Gebetsformel gedruckt ist, auf das 
fleilsigste und devoteste abzuwarten. An den Sonn- und Festtagen 
führen sie die ihnen anvertraute Studiosos des Vormittages m die 
hiesige Stiftskirche St. Blasii und des Nachmittages in die St. Aegi- 
dien-Kirche, wo ihnen an beyden Orten besondere und bequeme 
Stände eingeräumet worden. Und in Ansehung der besondern Seel- 
sorge und des (rebrauches des heiligen Abendmahls sind die Studiosi 
an den Prediger der obgedachten Stiftskirche, Herrn Pastor Koch, 
gewiesen. Wofern sie aber entweder insgesamt oder einige von 
ihnen zuweilen aus triftigen Ursachen aus der öffentlichen Versamm- 
lung bleiben müssen: so wird von dem oder denen Hofmeistern, die 
ihretwegen mit aus der Kirche zurück bleiben, dahin gesehen, dals 
diese Zeit zu andern Uebungen der Gottseligkeit, oder wenigstens 
nicht auf unnütze oder gar sündliche Art angewendet werde«. 


Nach allem wurden die strengen Bestimmungen über Gebet und 
Gottesdienst nicht lange aufrecht erhalten. Immerhin wird es inter- 
essant sein die für die Morgen- und Abendandachten entworfene 
Formel kennen zu lemen. Sie findet sich als Separatabdruck auf 
einem Oktavblättchen in der Landschaftlichen Bibliothek und ist 
auch den »Fernerweiten Nachrichten« auf S. 16 als Beilage II. an- 
gehängt. Als Verfasser nennt Eschenburg, Coll. Carolinum S. 26 
den Greneralsuperintendenten D. Köcher, über den zu vergleichen 
Einleitung S. CXXI, A. 4. 


34 G. Vorlesungen und Übungen eto., 1745. S. 229. 


Die Vorlage umfalst 2 Bogen in 4%. Der Titel lautet: 
Anzeige | der | Dorlefungen | und | Hebungen, | welche | in dem | 
COLLEGIO CAROLINO | zu Braunfchweig | zum Theil be- 
reits ihren Anfang genommen haben, | zum Theil aber und 
vornehmlich | von Michaelis 1745. bis Dftern 1746. | werden 
angeftellet werden. | Braunfchweig, gedruct bey Friedörih Wil- 
helm Meyer. 


Exemplare besitzt die Landschaftliche und die Stadtbibliothek. Über 
den Anfangstermin des Semesters vergl. Einleitung S. CXXV, A.3. 
13* 


CXCVI Einleitung II 


34H. Kurzgefalste Punote die Aufnahme in das Collegium Carolinum 
betreffend, 1746. 5. 243ff. 

Die »Kurzgefalsten Puncte«, welche übrigens nicht blofs Bedin- 
gungen für die Aufnahme der Studiosen mitteilen, sondern auf die ganze 
äulsere Einrichtung der Anstalt sich beziehen, sind in zwei Ausgaben 
vorhanden. Die erste stammt aus dem Jahre 1745, die zweite aus dem 
Jahre 1746. Jene enthält auf 2 Quartblättern 33, diese auf 4 Quart- 
blättern 42 Bestimmungen. Vergl. Eschenburg, Coll. Carolinum 
S. 26. 148. Für den Abdruck haben wir die zweite Ausgabe zu 
Grunde gelegt. Auf dem Titelblatt derselben steht: 

Kurzgefaßte Puncte | die | Aufnahme | in das | Collegium 
Carolinum | betreffend. | Swote Ausgabe. | Braunfchweig, ge- 
drucdt bey Sriedrih Wilhelm Meyer. 
Als Druckfehler ist verbessert: 24431 »verknüfte« mit der 1. Ausgabe 
in »verknüpfte«s; 24527 »pränumerit« in »pränumeriret«s; 2463 
»gleichen« in »gleichem«; 246°? »jeden« in »jedem«; 247% »in« 
in »im«. 
34 J. Instruotion für die Hofmeister wegen der Repetition derer Leo- 
tionum, 1746. S. 250ff. 

Als Vorlage für diese Instruktion der Hofmeister diente das von 
Jerusaleın entworfene und von dem Hof- und Kammerrat Zinke, der 
gleichfalls seit Februar 1746 dem Kuratorium angehörte, durchkorri- 
gierte Originalkonzept, welches sich im Archiv der Technischen Hoch- 
schule befindet. Eine ÖOriginalausfertigung oder ein Druck derselben 
ist dem Herausgeber nicht bekannt geworden. Bei Eschenburg, 
Coll. Carolinum, wird diese Instruktion nicht erwähnt. 

Geändert ist 2518 »die« in »den«; 25326 »mehrer« in »mehr«. 
Die Ungleichmäfsigkeit der Orthographie erklärt sich durch die von 
Zinke zu Jerusalems Entwurf hinzugefügten Zusätze. 


34K. Entwurf des jährlichen Aufwandes eto., oc. 1746. S. 254. 

Von dem »Entwurfe« befindet sich ein auf 1/; Bogen in 4° gedruck- 
tes Exemplar in der Stadtbibliothek. Eine Angabe über die Zeit der 
Veröffentlichung findet sich nicht, doch dürfte das Jahr 1746 das 
richtige sein. Jedenfalls hatte das Carolinum schon einige Zeit be- 
standen, als dieser Kostenanschlag bekannt gemacht wurde. Eine 
neue Regelung der Ausgaben trat 1774 ein, vergl. die unter 40 mit- 
geteilte »Nachricht« (8. 401). 

Bei dem Abdruck haben wir geändert: 25535 »studirenten« in 
»studirenden«; 25616 »den« in »dem«. 





Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CXCVLH 


35. Lektionsplan der obersten Klassen im Martineum und 
Katharineum, c. 1745. S. 257£. 

Von dem »catalogus lectionum classium primae et selectae etc.« 
ist eine von dem Sekretär Wegener durch die Bemerkung: »in fidem 
copiae orig. typis impressi A. S. Wegener m. pr.« beglaubigte Ab- 
schrift im städtischen Archiv vorhanden. Das der Abschrift zu 
Grunde gelegte gedruckte Original ist nicht mehr vorhanden. Aus 
welchem Jahre dasselbe stamme, wird nicht bemerkt, doch erscheint 
es wahrscheinlich, dals es gleich bei der Errichtung der selekten 
Klassen im J. 1745 veröffentlicht ist. Diese Nebenklassen wollten 
nicht gedeihen und gingen bald wieder ein da ist es nicht wohl 
denkbar, dafs man für sie später noch einen besonderen Lektions- 
plan gedruckt hat. 

Als Schreibfehler haben wir verbessert: S. 258% »hebdomadi- 
bus« ın »hebdomadis«; 25823 »conscribendae« in »conscribendi«. 


36. Ordnung der deutschen Schulen, 1751. S. 259 ff. 

Die ohne Zweifel von dem Pastor und Schulinspektor Zwicke 
(vergl. oben S. CVII, A. 3) verfalste Schulordnung für die deutschen 
Schulen von 1751 ist in einem alten Drucke erhalten, den die Stadt- 
bibliothek besitzt. Derselbe umfalst 11/3 Bogen in 4° und führt den Titel 

Dorläufige adıricht | von jetiger Einrichtung | der | Kleinen 
Schulen | in der | Stadt Braunfchweig. | Anno 1751. 

Das Schriftchen wird erwähnt bei Bode, Stadtverwaltung III, 
47. Heppe, Gesch. d. deutschen Volksschulwesens II, 242 giebt 
den Hauptinhalt als Anordnungen, die Zwicke getroffen, scheint aber 
die Ordnung selbst nicht gekannt zu haben. 

Geändert haben wir 26631 »errichtung« in »erreichung«. 


37. Verordnung über die Schulpflicht der Kinder bis zur Kon- 
firmation, 1752. S. 268. 
Die Vorlage ist eine gedruckte amtliche Publikation des Ge- 
setzes, 1/3, Bogen in 4°, mit dem Titel: | 
SERENISSIMI | Derordnung, | die | von den Catechumenis 
hiefiger | Stadt beyzubringenden Atteftate | betreffend. | De dato, 
Braunfchweig, den Stern Aug. 1752. 
Erwähnt bei Bode, Stadtverwaltung III, 47; Heppe, Gesch. 
des deutschen Volksschulw. III, 242. 


CXCVII Einleitung II 


38. Ordnung der Realschule im Waisenhanse, 1754. 3. 269 #. 


Von der Ordnung der Realschule im Waisenhause von 1754 
(vergl. oben S .CXTIIIf.) sind noch zwei alte Drucke vorhanden, der 
eine in der Stadtbibliothek zu Braunschweig, der andere ın der Herzogl. 
Bibliothek zu Wolfenbüttel. Das Schriftchen umfalst 31/a Bogen 
in 80. Der Titel lautet: 

Dorläuffige Kachricht | von | der gegenwärtigen Derfaffung | Der | 
Schule | im | Hodhfürftl. groffen Wayfenhaufe | zu Braunfchweig | 
um derer willen | die fid) darnadı erkundigen | ertheilt | von | Joh. 
Arn. Ant. wide, | Director der Schule des Wapfenhaufes 
und | der damit verbundenen Anftalten, Superintenden-Iten der 
Lampifchyen Infpection, Schul In |fpector und Paftor zur |. 
Fr. und zu St. | Leonhard. | Braunfchweig, | gedrudt im groffen 
Woaifenhaufe 1754. 
Einen Auszug daraus geben die »Acta historico-ecclesiastica, 
oder Gesamlete Nachrichten von den neuesten Kirchen-Geschichten« 
B. 18. Weimar 1754. S. 363—379. Erwähnt wird das Schriftchen 
bei Heppe, Gesch. des deutschen Volksschulw. II, 244. Einen 
Abdruck nebst Einleitung veröffentlichte der Herausgeber im Pro- 
gramm des Herzogl. Realgymnasiums zu Braunschweig, Ostern 1886. 

Die Vorlage zeigt, namentlich gegen das Ende zu, eine Anzahl 
von Ungenauigkeiten; insbesondere ist in den Endungen n und m 
sehr häufig verwechselt. Abgesehen von der Richtigstellung derarti- 
ger Versehen sind noch als Druckfehler geändert : 2731 »abgesondertes« 
in »abgesondert«; 27637 »den« in »denen«; 2763 »und« in »um«; 
28011 »Waysen-Mütter« in »waysen-mutter«; 28227 »ihr« in »ihre«; 
28287 „an meisten« in »am meisten«; 2841* »in der Schule« in »ın 
die schule«; 28425 »ihren Kinder« in »ihren kindern«; 2851! »der- 
selben« in »denselben«; 2862? »auswenden« in »auswendig«; 29020 
»Beiahlung« in »bezahlung«; 29286 »können« in »könne«; 293°9 add. 
»von«; 295% add. »zu der«; 2959° »unter den er wohnet« in »unter 
denen etc.«; 295% »mit dem« in »mit denen«; 296% »von demselben« 
in »vor demselben«; 29723 »zu sagen« in »zusagen«. 


39. Entwurf einer Ordnung für die grofsen Schulen der Stadt 
Braunschweig, 1755. S. 298 f. 

Der bislang völlig unbekannte Entwurf findet sich von Kanzlisten- 
hand geschrieben im Stadtarchiv in einem Aktenheft, das aufserdem 
noch einige Dokumente in betreff der Verhandlungen, welche 1755 
und 1756 über das Zustandekommen einer Schulordnung für die so- 


Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CIC 


genannten grolsen Schulen erfolglos geführt wurden (vergl. oben 
S. OXVf.) enthält. Das demselben vorangehende Inhaltsverzeichnis ist 
nicht mit zum Abdruck gebracht. Die Überschrift lautet: 
Punctation | Behuef | einer beßern Emrichtung der großen 
infonderheit | der lateinifchen Schulen in Braunfcyweig | und 
der | Demnadjft für diefelben abzufagenden Schulordnung. 
Die Handschrift ist deutlich, aber ohne Verständnis der lateinischen 
Sprache, ohne genügende Kenntnis der deutschen Grammatik, stellen- 
weise geradezu ohne Aufmerksamkeit geschrieben. Es mulste daher 
bei dem Abdruck nicht wenig geändert werden, um einen lesbaren 
Text herzustellen, doch ist der Charakter der Handschrift dabei gewahrt. 
Die öfters vorkommende Verbindung der Präposition zu mit einem 
Infinitiv haben wir, weil sie in gleichzeitigen Drucken sich selten nur 
noch findet, als Versehen behandelt. Die substantivischen Composite 
werden ın der Handschrift .meist in ein Wort zusammengezogen, s0 
aber, dafs das zweite Bestandteil einen grolsen Anfangsbuchstaben 
zeigt. Wir haben geglaubt in diesen Fällen, da für uns grolse Buch- 
staben ausgeschlossen waren, die Verbindung aufrecht erhalten zu 
müssen. Bei dem ganzen Charakter der Handschrift mufste dem 
Herausgeber eine etwas freiere Bewegung gestattet sein, doch ist 
alles, was auf den Laut Bezug hatte, sorgfältig gewahrt. Die sämt- 
lichen Abweichungen zu verzeichnen würde zwecklos und bei der 
Fülle derselben auch kaum möglich sein. Wir begnügen uns die 
wichtigsten herzusetzen. Geändert ist: 300° »Fallordnung« in »füll- 
horn« nach alter Korrektur von fremder Hand; 3001? »senda« in 
»secula«; 3012® »nach bisherigen« in »nach der bisherigen«; 80833 
add. »wenn«; 306° »auserwehnten« in »vorerwehnten«; 83062 add. 
»erwarten« an Stelle einer Lücke; 30828 add. »sollen«; 308% add. 
»zu errichtenden«s; 31023 add. »muß«; 31511 »beykommen« in 
»bekommen«; 316® »Stadtpredigern«, was dem Sinn entgegen ist, in 
»landpredigern«; 317% »Olaflse« in »calse«; 318? add. »sie« hinter 
daß; 32013 add. »seyn laßen«; 32226 add. »in«; 3237 add. 
»quartaliter — werden«; 3252% »unzügliche« in »anzügliche«; 32623 
add. »oder stocke« nach alter Einbesserung von fremder Hand; 
32714 add. »kann«; 3285 add. »ihm«; 3301 »accaepti« in »accepi«; 
33030 »werden« in »wartens; 33710 add. »sie«;s 33729 »rep.« in 
»resp.s; 34111 add. ». Es soll«s; 34625 »analisia« in »analytica«; 
34639 add. »einer«s; 84926 add. »giebt«s; 354? add. »wird«; 3576 
add. vers; 35815 add. »und«s; 3607 add. »gedruckten« an. Stelle 
einer Lücke; 367% add. »genuss; 369% add. »an«; 370% add. 


CC Einleitung II 


»werden«s; 37116 add. »mit«; 372 37 »erfindungen« in »empfindun- 
gen«; 378 % »von« in »vors; 38735 add. »nicht«; 394 632 »vor- 
stellung« in »verstellung«; 3999 »reiferiges« in »reiferes«. Die zwie- 
fache Setzung von »sich« 347%-35 hat sich aus dem Original mit 
herübergeschlichen. Auf dem Lektionsplane (Anh.) scheint die für Mon 
tag ın Prima von 4—5 angesetzte Lektion noch mit in die Stunde von 
3—4 zu gehören, und ebenso möchten in Quarta am Montag die 
Nachmittagslektionen statt von 2—5 auf 1—4 zu setzen sein. Der 
Abdruck giebt in dieser Hinsicht genau die Vorlage wieder. 


40. Ordnung für das Collegium Carolinum, 1774. S. 401 ff. 


Die gesunkene Frequenz des Carolinums veranlalste zu den in 
dieser Ordnung angezeigten Malsregeln, die hauptsächlich eine Ein- 
schränkung und Regelung der Ausgaben der Studiosen zum Zweck 
hatten. Dieselbe ist zugleich mit dem Verzeichnis der Vorlesungen 
von der Sommermesse 1774 bis zur Wintermesse 1775 (vergl. Einlei- 
tung S. OXXV, A.3) und gewissermalsen als Vorwort dazu veröffentlicht 
worden. Das Schriftchen umfalst 2 Bogen in 4° und führt den Titel: 

Lachricht | von einigen | wichtigen Derbefferungen | des | Fürft- 
lichen Collegii Larolini, | nebft der | Anzeige | der | Dorlefungen 
und Uebungen | welche | im gedachten Collegio | zu Braun: 
jhweig, | von der Sommermefje 1774. an, bis zur Win | 
termiefje 1775. | gehalten werden. | Braunfchweig, | Gedrudt bey 
Sriedrih Wilhelm Meyer. 
Um die neuen Einrichtungen auch im Auslande bekannt zu machen, 
wurde die »Nachricht« von Mauvillon ins Französische, von Ebert 
ins Englische übersetzt (vergl. Eschenburg, Coll. Carolinum 
S. 32. 36), doch sind Exemplare von diesen Übersetzungen nicht 
mehr aufzufinden. Dagegen ist die deutsche Ausgabe sowohl in der 
Landschaftlichen als in der Stadtbibliothek vorhanden. 

Bei dem Abdruck wurde geändert: 40127 »ausgebreitesten« ın 

»ausgebreitetsten«; 404°° »höchstem« in »höchsten«. 


41. Ordnung des Conciliums am Collegium Carolinum, 1777. 
S. 411ff. 

Über die Einsetzung des Conciliums am Collegium Carolinum 

im Jahre 1777 an Stelle der bis dahin bestehenden Direktion berichtet 

Eschenburg, Coll. Carolinum S. 33f. Dasselbe bestand aus den 

sämtlichen ordentlichen Professoren und öffentlichen Hofmeistern und 

sollte alles vornehmen, was »zur guten Ordnung, zur Ehre und Auf- 








Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CCI 


nahme des Üollegio« gehörte. Seine Errichtung war eine von den 
mannigfachen Mafsregeln, durch die man vergeblich die gesunkene 
Anstalt wieder in Flor zu bringen versuchte. 

Die Verordnung des Herzogs Karl I, welche das Concilium ein- 
setzt und seinen Geschäftskreis regelt, d. d. Braunschweig, den 
26. August 1777, ist abgedruckt bei Eschenburg, Coll. Carolinum 
S. 162. Aufserdem findet sich im Archiv der Technischen Hoch- 
schule eine alte Kopie aus der Herzoglichen Kanzlei, welche sieben 
Folioblätter umfalst. Letztere ist dem Abdruck in den M.G.P. zu 
Grunde gelegt. Abgesehen von der Berichtigung mehrmaliger Ver- 
wechselung in den Endsilben en und em haben wir mit Eschenburg 
geändert: 41438 »feug« in »feig«; 4172? »nähmen« in »nähmes; 
418% »exerciren« in »exercicen«e. Die Bezeichnung der Paragraphen 
durch Zahlen fehlt bei Eschenburg. In der Abschrift ist sie am 
Rande hinzugefügt, anscheinend um den Gebrauch derselben zu er- 
leichtern. 


42. Verordnung wegen der Semikaroliner, 1777. S. 4201. 
Die Verordnung des Herzogs Karl I wegen der Semikaroliner 
ist von nicht geringer Wichtigkeit, nicht sowohl wegen der Fixierung 
des von denselben zu zahlenden Vorlesungshonorars, als vielmehr 
wegen der darın enthaltenen Bestimmung, wodurch den zum Besuch 
einer Universität bestimmten Söhnen der Braunschweiger Einwohner 
der Besuch des Collegium Carolinum zur Pflicht gemacht wird. 
Näheres in der Einleitung S. CXXIX und bei Eschenburg, Coll. 
Carolinum S. 35. 
Als Vorlage für den Abdruck diente ein amtlicher Druck auf 
1/a Bogen in 4°, der den Titel führt: 
SERENISSIMI | gnädigfte | DECLARATION | die Dermin- 
derung der von den foge- | nannten Semi-Carolinern für den 
Un- | terricht im $Fürftl. Collegio Carolino | fünftig zu bezah- 
lenden Lections- | und Exercitien:&elder | betreffend. | d. d. 
Braunfchweig, den 29ten September, 1777. 
Ein Abdruck findet sich bei Eschenburg, Coll. Carolinum S. 159. 


43. Gesetze für das Collegium Carolinunm, 1784. S. 422f. 
Die Gesetze für die Studierenden des Carolinums vom Jahre 
1784 waren dazu bestimmt an die Stelle der unter 34B mitgeteilten 
Gesetze von 1745 (S. 217f.) zu treten, die für die in mancher 
Hinsicht veränderten Verhältnisse nicht mehr recht passen wollten. Als 


CCH Einleitung 1I 


ihren Verfasser nennt Eschenburg, Coll. Carolinum S. 38 den 
Hofrat Gärtner, über den zu vergl. Einleitung S. OXXVI, Anmerk. 2. 
Dieselben erschienen in einem Separatdruck, der 1 Bogen in 4° um- 
falst und dessen Titel lautet: 
Erneuerte und vermehrte | Gefete | des Collegii Carolini. | 
Sraunfdweig, 1784. 
Eine französische Übersetzung wurde unter dem Titel: »LOIX 
du College Carolin renouvelldes et augmentees, & Brunsvic en 1784«, 
und eine englische unter dem Titel: »THE LAWS of the Caroline 
College renovated and augmented. Brunswick, 1784« je auf 1/, Bogen 
in 80 gedruckt. Die Landschaftliche Bibliothek besitzt sowohl von 
der deutschen als von der französischen und englischen Ausgabe je 
ein Exemplar. 
Bei der Wiedergabe des alten Drucks ın den M.G.P. sind 
folgende Druckfehler verbessert: 42513 »feln« ın »sein«; 4272 
»brauchen« in »braucht«. 


44. Instruktion für die Hofmeister am Collegium Carolinum, 
1786. S. 428 ff. 

Die Instruktion, welche Herzog Carl Wilhelm Ferdinand unterm 
13. März 1786 für die Hofmeister am Collegium Carolinum erliels, 
findet sich abgedruckt bei Eschenburg, Coll. Carolinum $. 173ff. 
Die Zahl der Hofmeister war, wie auch S. 432 & 9 erkennen lälst, 
bei der geringen Zahl der Pensionäre auf zwei beschränkt. Die In- 
struktion trat aulser Kraft, als das Pensionat 1791 aus Mangel an 
Pensionären einging, vergl. Eschenburg, Coll. Carolinum S. 43. 

Folgende Abänderungen sind zu verzeichnen: 43216 add. »den«; 
43314 »derselben« in »denselben«; 43423 »in« in »im«; 436%, wo 
offenbar eine Zeile des Textes bei Eschenburg ausgefallen ist, add. 
»dals derselbe ohne sein wissen,« 4392 »dem Eleven« in »den 
eleven«. Die zweifache Setzung von »aber« 435? (Ueberhaupt aber 
ist es aber etc.) und die Aufeinanderfolge der Namen des Herzogs 
44115 (Carl F. W.) findet sich so ın der Vorlage. 


45. Ordnung des Katharineums, 1880. S. 441ff. 

Die unter 45 mitgeteilte Ordnung des Katharineums wurde für diese 
Anstalt von Konrad Heusinger (vergl. Einleitung S.CXXXI, A. 6.) bald 
nach seinem Eintritt in das Rektorat mit Genehmigung der Behörde 
eingeführt und zehn Jahre später bei Gelegenheit des hundertjährigen 
Jubiläums der Anstalt am 8. Juli 1800 in einem Programm ver- 


Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CCII 


öffentlicht, das 22 Seiten in 4° und den Lektionsplan auf 1/, Bogen 
umfafst. Der Titel lautet: 


Kurze Nachrichten | von der | Herzoglichen | Katharinenschule | 
zu Braunschweig | und | ihrer Einrichtung | seit 1790 | Wodurch 
zugleich |zu der Feier | ihres ersten hundertjährigen | Jubel- 
festes, |am achten Julius 1800 Nachmittags um 2!in dem 
ersten Hörsaale, | unterthänig und gehorsamst | einladet | Kon- 
rad Heusinger, Professor | Braunschweig, gedruckt bei Karl 
Reichard. 


Auf S. 2—11 enthält das Schriftchen dürftige Nachrichten über 
dıe Vergangenheit der Anstalt, auf S. 12—18 folgt die von uns mit- 
geteilte »Einrichtung der Katharinenschule seit 1790«, dann noch auf 
den letzten Blättern ein Verzeichnis der Lehrer und Schüler. Dem 
Abdruck wurde das in der Stadtbibliothek vorhandene Exemplar des 
Programms zu Grunde gelegt. 

In unserem Abdruck ist 44430 der Druckfehler »aulseroroent- 
lichen« berichtigt. 


46. Lehrplan und Schulgesetze des Martineums, 1801. S. 448ff. 


Der Lehrplan und die Schulgesetze des Martineums von 1801 
traten durch G. A. Chr. Scheffler (vergl. Einleitung S. CXXXII, 
A.1.) in Gültigkeit. Sie wurden bei Gelegenheit seiner Einführung 
in das Rektorat am 10. Juni 1801 in dem Einladungsprogramm ver- 
öffentlicht, das aufser dem Titelblatt und dem beigefügten Lektions- 
plane 33/4 Bogen in 4° umfalst und folgende Aufschrift führt: 

Hu der | auf den 10. Jun. Dormittags um 9 Uhr | feftgefeßten | 
feierlichen Einführung | einiger Kehrer | an dem hiefigen Mar: 
tineum |ladet unterthänig und gehorfamft | ein | und theilt | nebft| 
einigen Bemerkungen über die Abfonderung der Schulen | für 
Studirende und Llichtftudirende | den | neuen Keftionsplan und 
die Schulgefege | des Martineums | mit |D. Georg Anton 
Chriftoph Scheffler | defignirteer Rektor des Gymmafiums. | 
Sraunfdhweig, 1801. | 

S. 1—9 enthält die in dem Titel angegebene Abhandlung, 
S. 10—16 den »Lehrplan des Martineums«, S. 17—22 die »Gesetze 
für die Schüler des Martineums«, S. 23—28 die Personalien Schefflers 
und der zugleich mit ihm eingeführten Lehrer, S. 29 die Einladung 
zu der bevorstehenden Feier. Dem Abdruck wurde das in der Stadt- 
bibliothek vorhandene Exemplar des Programms zu Grunde gelegt. 


CCIV Einleitung I 


47. Gesetze für das Collegium Carolinum, 1802. S. 458ff. 
Die Gesetze für die Studierenden des Öollegium Carolinum von 
1802 wurden auf einem halben Bogen in 40 veröffentlicht. Sowohl 
die Bibliothek der Technischen Hochschule als die der Stadt besitzen 
Exemplare davon. Einen Abdruck giebt Eschenburg, Coll. Carol. 
S. 190ff. 


48. Gesetze für das Collegium Carolinum, 1823. S. 461ff. 
Die Gesetze für die Studierenden des Collegium Uarolinum von 
1823 erschienen im Druck auf 2 Bogen in 80 unter dem Titel: 
Befetze | für | die Studirenden | des | Collegii Carolint. | Medaillon 
mit dem Bildnis der Pallas. | Braunfchweig. | Drud und 
Papier von $Sriedricg Dieweg. | 1823. 
Das Exemplar, das die Vorlage bildete, befindet sich im Privat- 
besitz des Herausgebers. 


49. Motive und Plan der Schulreform des Jahres 1828. S. 478ff. 


Das Schriftchen, welches von der zur Verbesserung des Schul- 
wesens eingesetzten Kommission (vergl. Einleitung S.CLIVf.) zur Orien- 
tierung des Publikums über die bevorstehenden Reformen schon im 
Dezember 1827 veröffentlicht wurde, umfalst 2 Bogen in 49 und hat 
die Überschrift: 

Lachricht | von der | Umgeftaltung der Schulen | in | der Stadt 

Braunfchmweig. 
Ein Titelblatt ist nicht beigegeben. Verfasser ist der bereits oben 
S. CL, A.1 erwähnte damalige Direktor des Martineums und Professor 
am Collegium Carolinum Petri, vergl. Seebodes Kritische Biblio- 
thek f. d. Schul- und Unterrichtswesen. Neue Folge. Erster Jahrg. 
1828, No. 28, S. 224; No. 71, S. 562. Exemplare des sehr sel- 
tenen Schriftchens befinden sich in der Stadtbibliothek und im Pri- 
vatbesitz des Herausgebers. 


50. Ordnung des Gesammtgymnasiums, 1828. S. 490fl. 


Die vorliegende Ordnung des Gesamtgymnasiums wurde von 
dem Direktor des neubegründeten Obergymnasiums und der Gesamt- 
anstalt Friedemann (vergl. S. CLI, A. 1) entworfen und zum Tage 
der Einweihung am 15. Januar veröffentlicht. Sie ist enthalten in 
einer Programmschrift in 4°, die den Titel führt: 

Allgemeine Umriffe | der | Derfaffung des Befammtgymnaftums | 
zu | Braunfchweig | nebft dem | Kehrplane bis Dftern 1828. | 


Textkritische u. bibliogr. Erläuterungen zu den einzelnen Stücken CCV 


Multa dies variusque labor mutabilis aevi | Rettulit in melius. 
Virg. | Braunfchweig, 1828. | Bedrudt in Herzoglicher Waifen- 
haus-Buchöruderii. 
Die beiden ersten Blätter enthalten Titel und Friedemanns Vorrede, 
dann S. 1—20 die von uns mitgeteilte Ordnung, ferner S. 20—28 
Personalnotizen über die einzelnen Lehrer der Anstalt. Der auf dem 
Titel erwähnte Lehrplan erschien separat. 





51. Gesetze des Gesammtgymnasiums, 1828. S. 502. 
51 A. Gesetze für die Schüler des Gesammtgymnasiums, 1828. S. 502ff. 
Die bei der Einweihung des Gesamtgymnasiums veröffentlichten 
Gesetze für die Schüler der Anstalt erschienen im Druck auf 2 Bogen 
in 4° unter dem Titel: 
Befege | für die | Schüler | des | Gesammt-Gymnasiums | zu | 
Braunschweig. | 1828. 
Dieselben wurden bereits 1833 durch andere Gesetze, deren Gültig- 
keit bis heute noch nicht aufgehoben ist, ersetzt. Die Schülergesetze 
von 1828 sind sehr selten geworden. Ein Exemplar befindet sich im 
Privatbesitz des Herausgebers. 


51 B. Gesetze für die Lehrer des Gesammtgymnasiums, 1828. S. 512ff. 
Die Gesetze für die Lehrer des Gesamtgymnasiums wurden 1828 
entworfen, am 6. November 1828 höchsten Orts genehmigt, erschienen 
aber erst 1829 im Druck. Sie umfassen mit Einschluls des Titel- 
blattes 18 Seiten in 4° und führen den Titel: 
Beftimmung | der amtlichen | Derpflichtungen und Derhältniffe | 
der Lehrer | am Gefammtgymnaftum | zu Braunfchweig. | 1829. 
Ihre Gültigkeit ist noch nicht aufgehoben. Bis vor etwa 20 Jahren 
wurden sie im Realgymnasium von jedem neueintretenden ordentlichen 
Lehrer unterschrieben. Ein Exemplar der jetzt sehr seltenen Schrift 
befindet sich im Archiv des Herzoglichen Realgymnasiums zu Braun- 
schweig. 


Schulordnungen 


der Stadt Braunschweig 


EL 


1 


Bestimmungen über die Pflichten und Rechte 


des Scholasticus zu St. Blasien. 
1251. 


7 
DECISIO INTER CAPITULUM ET SCOLASTICUM. 


Dei gracia Otto, dux de Brunswich, universis presentibus 
vel futuris hanc literam inspecturis salutem in illo qui est vers 
salus. Cum super diversis articulis, in subsequentibus enumeran- 
dis, a magistro Ennghelberto et ex parte decani et maioris et sa 

s nioris partis capituli sancti Blasii propositis per responsionem dicti 
magistri Enghelberti essemus sufficienter instructi, visum nobis 
fuit et iuste ipsum magistrum in omnibus excessisse. Ad satis- 
factionem igitur preteritorum et ad cautelam futurorum de pru- 
dentum virorum consilio diffiniendo sic duximus statuendum, ut 

ıodietus magister cameram habeat in dormitorio puerorum, sicud 
sui antecessores habere consueverunt, in qua singulis noctibus 
dormiat, scholares ad matutinas excitando, quibus et ipse interesse 
debet, et ipsorum scolarium insolencias, si necesse fuerit, refre- 
nando,. Item disciplinam chori, studium scolarium, quod heu iam 

ı dudum in diota ecclesia viluisse videtur, cum omni discrecione 
sc opera reformabit, ita videlicet, ut non solum a decano et ca- 
pitulo, verum ab aliis diligencia ipsius rite valeat commendari. 
Scolas suas ad pensionem ultra non locabit, sed per se scolares 
et pauperes quibus deest pecunia, si ydoneos viderit, pro suo 

» discrecionis modulo ac sciencie informabit. Scolares vero ad 
mandatum decani faciet intrare et exire ad divinum officium ce- 
lebrandum, nec aliqua facultas sibi sit, prout aliquando fuit, ipsos 
& choro sive a divino obsequio repellendi seu maliciose tacendi. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 1* 


& Monumenta Germanise paedagogica I 


Et si ausu temerario in hoc reus inventus fuerit, quod absit, vel 
de aliquo suprascriptorum remissus et negligens fuerit, omni iure 
quod in choro vel in scolis habere videtur privatus sit perpetuo 
ipso iure, et sit libera facultas preposito ipsam scolastriam lo- 
candi persone ydonee, prout viderit expedire. Preterea salario, 
duorum solidorum videlicet pro omni iusticia ab antiquis tem- 
poribus constituto et ab antecessoribus suis magistris recepto, 
contentus debet esse, nisi quis sine omni pacto et convencione 
sibi ultra quid gratis offerat intuitu honestatis. Item nullum 
scolarem de familia dominorum obtentu sallarii sui a scolis re- ıo0 
pellat, sed si sallarium debitum tempore debito ab ipeis habere 
nequiverit, coram decano et capitulo de hoc querelam deponat, 
qui iusticia mediante ipsi complementum iusticie exhibebit. Et 
si secus fecisse inventus fuerit et a decano et; maiori parte capi- 
tuli monitus non satisfecerit, pene supradicte, scilicet privacioni, ı5 
ipsum decrevimus subiacere. Item quod idem magister contuma- 
citer decano obedire recusavit et in signum sue obediencie in 
locis in quibus canonici ipsius ecolesie vestes religionis deferre 
consueverunt sine religione incessit ac panes prebendales semel 
et iterum contra inhibicionem decani rapuit,. verum eciam scola- » 
res in choro vices suas explere prohibuit maliciose et decanum 
probris et contumeliis affecit, pro hiis excessibus vi mensibus tali 
penitencie subiacebit. Primo veniam petat a decano et capitulo 
cum genuum flexione, in superiori parte claustri sine strepitu et 
cum omni reverencia sit oonversacio eius, cibis quadragesimalibus ss 
vesci debet singulis diebus dominicis dumtaxat exceptis, nisi 
uberiorem graciam a decano et capitulo valeat impetrare, infimum 
stallum habebit in choro, veste lugubri, scilicet capps, indutus 
erit, singulis noctibus in dormitorio dominorum tempore peni- 
tencie permanebit et singulis diebus in choro ad singulas horas erit » 
primus in choro et ultimus de choro, vicem suam tamquam canonicus 
in choro non explebit, sed decanus per alium faciat expediri. Tempus 
vero huius penitencie, si idem magister pro tempore expleverit humi- 
liter et devote, decano et capitulo concedimus moderandum. Duas 
marcas puri argenti,in quibus tenetur ecclesie, volumus, utipsas infra ss 
xiiiieim dies exsolvat a die promulgate sentencie computandos, nec 
compensari volumus cum eisdem mareis fructus sue prebende a tem- 
pore sue contumacie suspensos, sed ipsos fructus in pios usus 
converti pro decani et capituli voluntate. Habita eciam consi- 
deracione sue peticionis, videlicet ut de bonis noviter comparatis «0 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 1 5 


percipere debeat sicud unus canonicorum, dicimus, quod, cum ad 
speciales proventus magistris scolarium deputatos sit electus in 
canonicum et in fratrem, contentus debet esse eisdem fructibus 
cum sdiectione panis ebdomedalis et quarundam consolacionum 
spro solempnitatibus sanctorum ac memoriis defunctorum de novo 
constitutorum, ita tamen, si nove consolaciones in eadem ecelesia 
undecungue proveniant vel bona comparata fuerint, nichil iuris 
sibi adicere valeat in eisdem, nisi decanus et capitulum sibi gra- 
ciam voluerint specialem, non obstante aliquo privilegio sibi 
ıwsuper hoc a nobis indulto. Et si predictam penitenciam servare 
recusaverit vel huic ordinacioni contravenerit, ipsum privatum 
esse decrevimus omni iure quod in dicta ecclesia noscitur obtinere. 
Datum in Brunswich x® Kialendas Augusti anno gracie M® co? li. 


2 


Schulordnung 
aus den Statuten des Kapitels zu St. Blasien. 
1308. 1442. 


u 
De modo recipiendi canonicos et de distinctis prebendis ıc. 


dien. re Canonicus receptus ab omnibus, si est sine ordine 
maiore, scolastico presentetur. In cuius custodia et obediencia debet 
esse, faciens sibi in omnibus duplicem iusticiam in scolis, quousque 
a scolis emancipetur. 


De licencia petenda pro ordinibus recipiendis. 


20 Canonici in scolis existentes, id est ordines superiores non 
-habentes, quando ordines recipere voluerint, licenciam a decano 
et capitulo rogent. Quibus, si abiles sunt et annos habent, licencis 
talis non est deneganda ad recipiendum ordinem subdiaconatus. 


6 Monumenta Germanise paedagogica I 


De canonicis volentibus ire ad studium universale. 


Canonici volentes ire ad solempne studium a decano et ca 
pitulo licentiam rogabunt. Quibus, si abiles sint iuxta qualitatem 
personarum, competens licencia non denegabitur, et dabuntur ei 
ennuatim in subsidium ultra absenciam suam tres chori siliginis. ; 


De anno peregrinacionis et anno studii. 


Canonici qui in peregrinacionem voluerint infra spacium 
unius anni, quam diu in peregrinacione fuerint, totum corpus 
prebende sue sine defectu habebunt, et dabitur eis cotidiana 
distribucio, et alia accidencia in omnibus habebunt ut presentes. ı0 
Transactis vero dictis annis studii et uno anno peregrinacionis, 
qui iterum ad studium ire voluerint vel in studio permanere 
proposuerint vel qui iterum in peregrinacionem ire voluerint, gra- 
cia premissa carebunt, sed prebenda ipsis sicud aliis absentibus 
ministratur. Canonici in studio existentes, non habentes ordines ıs 
maiores, graciam premissam non habebunt, sed datur ipsis pre- 
benda ut illis qui sunt in scolis. 


De collatione scolastrie. 


.... Item prepositus in ecclesia nostra habet scolastriam, quam 
conferre potest cui Deus sibi inspiraverit, et hoc nisi cum consilio x 
capituli. 


De scolastico et eius officio. 


Scolasticus legitime presentatus iuret servare honestas et 
consuetas eccelesie consuetudines sicud canonici, et consuetudines an- 
tecessorum suorum in omnibus observare. Debet bene preesse scolis a5 
et choro, et ne aliquis defectus vel negligencia sint in eis, bene 
debet custodire. In suis antiquis stipendiis scole debet esse con- 
tentus, et nulla nova sine scitu et consensu capituli debet nec 
potest statuere in scolis et in choro innovare. Alia officia ad 
scolasticum pertinencia hic obmittimus. Scolasticus habebit unum » 
annum gracig post obitum suum in sus prebenda. Si autem sco- 
lastriam vacare contigerit ad aliquod tempus, ecolesia censum 
scolg sicud prebende vacantis quod creverit super precium ma- 
gistrorum tollit, et in ecolesig usus convertetur. 


Schulördnungen der Stadt Braunschweig 2 7 


me nn m m 0 — 





De canonicis vocandis ad capitulum et non vocandis. 


Canonici diligenter chorum frequentabunt. Ad negocia et 
ad capitulum libenter veniant exclusis preposito, scolastico et 
canonicis altarium sancti Marie et sancti Petri, qui ad capitulum 

snon veniant nisi vocentur, sed in receptione canonicorum et in 
electione decani interesse debeant. 


b) 


Verordnung der Prälaten über die gegenseitigen 
Rechte und Pflichten der Rektoren. 
1370. 
= 
DE CONCORDIA RECTORUM SCHOLARUM. 


Nos Henricus, Dei et apostolice sedis gracia abbas mona- 

sterii sancti Egidii in Bruneswich ordinis sancti Benedicti, Lippol- 
ıo dus de Goddenstede, eiusdem Dei gracia decanus ecclesie sancte 
Ciriaci prope Brunswich iam dicto, necnon Gherhardus de Hydtz- 
acker, scolasticus scole ecelesie sancti Blasii ibidem, videlicet in 
Brunswich, recognoscimus et presentibus publice protestamur: nos 
invicem placitasse, concordasse et finaliter convenisse, rectores 
ıs nostrarum scolarum modum regendi infrascriptum in regendo 
scolas nostras absque omni dolo et fraude debere inviolabiliter 
observare.. Primo liberum erit cuilibet eorum post festum Pasche 
et beati Michaelis recipere socios et pueros quoscunque pro tunc 
videlicet tempore introitus puerorum predicti, nisi socius aliquis 
» in discordia a magistro suo termini precedentis recesserit seu 
se separaverit. Ille enim in nulla scolarum nostrarum ex tunc 


8 Monumenta Germaniae psedagogica I 


recipietur, nisi prius cum magistro quem offenderit in iure vel 
in amicicia se composuerit competenter. Qui si fortassis igno- 
ranter in aliqua scolarum nostrarum receptus fuerit, quam cito 
magister seu rector offensus suam offensam ad noticiam magistri 
qui ipsum receperit deduxerit, ipse talem socium in 'suis scolis 
non patietur tamdiu, donec rectori offenso satisfecerit competenter. 
Quod de secundariis et pueris subiugalibus observandum decrevi- 
mus penitus et tenendum. Verum extra predicta tempora, vide- 
licet introitus post festum Pasche et beati Michaelis terminos, 
nullus socius seu secundarius vel puer in aliqua nostrarum scola- 
rum recipietur, nisi prius suum pastum vel precium rectori suo, 
cuius regimen deseruit, in toto exsolverit vel, si ipsum offenderit, 
sibi satisfecerit ut prefertur. Et idem de dormitorialibus recı- 
piendis in dormitorium decrevimus observandum. Üeterum qui- 
cunque puer subiugalis post aliquem duorum terminoruin predic- 
torum terminum in aliqua nostrarum scolarum scola tribus diebus 
informaciones suas recipere visus fuerit, illum ad integrum pre- 
cium illius termini rectori eiusdem scole voluimus et decrevimus 
obligari. Ceterum si aliquis rectorum scolarum nostrarum predicta- 
rum puerum alterius scole in generali processione vel in monasterio 
vel in ecclesia, ubi pueri omnium vel plurium scolarum convene- 
rint, disciplinaverit, ipsum videlicet alapando vel per crines seu 
aurem decenter trahendo, dummodo hoc per fraudem seu dolum 
et rancorem non fiat, magister eiusdem pueri hoc pro malo seu 
pro ingrato aliquatenus non habebit. Ceterum rectores nostrarum 
scolarum predictarum summopere et toto conamine cavebunt, ne 
socii secundarii et pueri unius scole in ludis ipsorum in stratis 
seu plateis evidenter exercendis socios secundarios et pueros al- 
terius scole seu aliarum scolarum offendant, commoveant et per- 
turbent verbis seu factis seu ritmis inhonestis: qui secus fecerint 
ad nostrum arbitrium satisfacient competenter. Omnia premissa, 
ut preferuntur, bona fide promittimus nostros rectores nostrarum 
scolarum predietarum debere inviolabiliter observare. In quorum 
evidens testimonium sigilla nostra presentibus sunt appensa. Anno 


10 


230 


2> 


domini m°cce® septuagesimo in die Purificacionis Marie virginis. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 4 9 


m 








0 deep ee Fin mn m — nn m -——— 


4 


Verbot zügelloser Schulfeste zu St. Blasien. 
1407. 


u 


Gregorius episcopus, servus servorum Dei, ad futuram rei 
memoriam. Illis que pro divini cultus augmento et ad susci- 
tandum fidelis populi devotionem rationabiliter facta sunt, ut 
llabata persistant, libenter apostolice confirmationis presidium 

simpertimur. Sane petitio dilectorum filiorum, decani et capituli 
ecclesie sancti Blasıii Brunswicensis Hildesemensis dioceseos, nobis 
exhibita continebat, quod, cum olim in antiquissimis temporibus in 
eadem ecclesia quedam abusiones et corruptele, que canonicis obviant 
institutis, invaluissent, videlicet quod scolares qui protempore in 
ı0 scolis eiusdem ecclesie disciplinis litteralibus erudiebantur in profesto 
sancti Nicolai Confessoris aliquem iuvenem scolarem de se ipsis an- 
nis singulis eligebant, quem episcopum nominabant, ante cuius elec- 
tionem quendam larvatum in similitudinem ribaldi constituebant, 
qui in decantatione vesperorum in ipsa ecelesia in festo eiusdem 
ıs sancti, tunc in ipsa ecclesia multitudine cleri et populi congregata, 
multas insolentias et scurrilitates exercere solebat, ipseque scolaris 
sic electus in episcopum extunc festivis diebus pontificalibus indutus 
et ornatus processionaliter incedebat, multis aliis discipolis asso- 
ciatus, et pontificali ritu benedictionem populo largiebatur ac 
» multa similia faciebat, que nedum erant inhonesta, sed etiam per- 
turbabant ipsum divinum officium in ecclesia memorata, ac etiam 
prefatus sophisticus episcopus suique socii a quocunque novo 
canonico ipsius ecclesie certam pecunie summam recipere con- 
sueverant et in pastu in festo beati Iohannis Evangeliste et Inno- 
3 centum infra festa natalis domini nostri Iesu Christi consumere, 
potius commessationibus et ebrietatibus quam divinis officiis vacan- 
tes, prefati decanus et capitulum considerantes, quod hec et 
similia etiam cederent in divine maiestatis offensam, necnon, quan- 
tum erat in ipsis, huiusmodi abusivas consuetudines ab eadem 
» ecclesia perpetuo removere volentes, provida deliberatione preha- 
bita statuerunt et ordinarunt, quod abusiones et prandia huius- 
modi decetero non fierent, ymo penitus cessare deberent, quodque 


10 Monumenta Germaniae paedagogica I 





pecunie, que per eosdem novos canonicos persolvi consueverant 
et in huiusmodi commessationibus prius expendebantur, in ne- 
cessarlis et licitis usibus ac utilitatibus ipsius ecclesie expende- 
rentur, prout in litteris autenticis inde confectis, eorundem decani 
et capituli sigillo munitis, quarum tenorem de verbo ad verbum 
presentibus inseri fecimus, plenius continetur, quare pro pafte 
dictorum decani et capituli nobis fuit humiliter supplicatum, ut 
statuto et ordinationi prefatis robur apostolice confirmationis 
adiicere de benignitate apostolica dignaremur. Nos itaque huius- 
modi supplicationibus inclinati statutum et ordinationem prefata 
a0 quecungue inde secuta rata habentes et grata ipsa auctoritate 
apostolica ex certa scientia confirmamus et presentis scripti pa- 
trocinio communimus. Tenor vero dicetarum litterarum talis est: 

Dei gracia Ludolffus decanus, Hermannus de Zozen, Hinricus 
Sennep, Hinricus de Schenige, Iohannes de Barem, Iohannes Golt- 
smed, Hermannus Dykeshoved presbyteri, Iohannes Groteian, 
Hermannus thesaurarius, Magnus Ingeleve diaconi, Hinricus 
Spange et Bruno Lutze subdiaconi, canonici ecelesie sancti Blasii 
Brunswicensis Hildesemensis dioceseos, in capitulo generali ca- 
pitulariter congregati et capitulum generale pronunc represen- 
tantes et ut capitulum diversis tractatibus capitularibus etiam in 
aliis capitulis generalibus matura deliberacione prehabita super 
abusionibus et insolentiis et corruptelis pernitiosis et iuri contra- 
riis infrascriptis, attento, quod, licet iuxta verba veritatis domus 
Dei domus orationis esse debeat, et illam decet, sanctitudo, ut 
cuius in pace factus est locus, eius cultus sit cum debita vene- 
ratione pacificus sitque ab omni scurrilitatum et cachinnationum 
insultibus liber et alienus, ne, ubi peccatorum est venia postu- 
landa, ibi detur occasio peccandi, tamen in ecolesia nostra 
sancti Blasii quedam abusiones, insolentie et corruptele iuri et 
rationi contrarie invaluerunt ita, quod per nonnulla tempora sin- 
gulis annis scolares de scolis ecclesie nostre in vigilia beati Ni- 
colai, confessoris atque pontificis eximii, consueverunt eligere 
unum iuvenem de scolaribus nostris, quem nuncupaverunt epi- 
scopum, et ante assumptionem illius constituere quendam larvatum 
in similitudinem ribaldi, qui tempore eodem quo laus divina et 
vespertina Deo omnipotenti et in honorem beati Nicolai persolvi 
ac solemniter celebrari deberet a sacerdotibus et clero in eadem 
ecclesia, insolentias, scurrilitates ac ribaldias exercere in eodem 
loco sancto non verebatur in nonmodicam turbationem divi- 


10 


2” 


25 


Ei) 


u) 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 4 11 


norum, et illo cessante ab huiusmodi insolentiis dieti scolares 
iuvenem quendam, quem episcopum, et alium, quem abbatem vo- 
care solebant, in simulationem pontificalis et abbatialis dignitatis 
infulis et ornamentis episcopalibus et abbatialibus cum baculis 
spastoralibus ornatos sibi eligere solebant et simulata solemnia 
diectarum dignitatum cum eisdem iuvenibus exercere in choro 
ecclesie et in ipsa ecclesia et extra in singulis festivis diebus 
infra dietam vigiliam beati Nicolai et festum beatorum Innocen- 
tum inclusive, qui iuvenis sic, ut premittitur, quasi pontificalibus 
ıoornatus, in fine vesperorum festivorum benedictiones solemnes 
ut pontifex dare et singulis diebus processionalibus, quasi ponti- 
ficali dignitate constitutus, processionaliter in summo loco pro- 
cessionis, candelis oereis precedentibus, cum comitiva sibi ad hoc 
deputata ut pontifex incedere consuevit et alia simulata ponti- 
ıs ficalia exercere in elusionem pontificalis dignitatis et offensam 
divine maiestatis, occasione quarum abusionum cum dicto vocato 
episcopo pastus inconvenientes et iure prohibiti tam canonicis vi- 
carlis quam scolaribus venire, solempnium divinorum in festis 
bestorum, presertim Iohannis Evangeliste et Innocentum, et aliis 
s predictis diminutio, scolarium in scolis negligentia, populi inde- 
votio et alia inconvenientia varia provenire dinoscebantur: quod- 
que canonici novitii, per principes iuxta ordinem et vicissitudinem 
suos presentati, ad prebendas sibi debitas per capitulum non con- 
sweverunt admitti nisi prius prestita cautione, quod ille quem 
2sordo tangeret iuxta ordinem presentationis facte de eo ad dietas 
prebendas in vigilias besti Nicolai Confessoris predicti tradere et 
presentare vellet unam summam pecuniarum bursario ecclesie 
nostre distribuendam taliter, quod de eadem summa tradi deberet 
una marcha cum dimidia argenti Brunswicensis warandie procu- 
soratoribus scolarium de scolis ad pastum et solemnitates cum suo 
simulato episcopo exercendas et pro suo servitio et ad ludum 
larvatorum et ritmizantium, 'de quibus ludo et ritmizatione non 
pauce exhorbitationes et inconvenientie provenire consueverunt: 
item dabatur de eadem summa certa pars, videlicet una marcha 
sscum dimidia, dieti argenti vicariis nostris et officiatis ecclesie 
nostre ad pastum seu prandium, quod habere consweverunt in 
die beati Iohannis Evangeliste, ipso iure prohibitum, quod etiam 
non sine ebrietatibus, divinorum negligentiis in eodem festo et 
aliis inconvenientiis fieri consuevit: etiam dabantur cuilibet 
“canonicorum tres solidi ad vinum et ferinas pro suo servitio 


12 Monumenta Germaniae paedagogica I 


iure vetito: item dabantur duo banneria de sindali vel serico pro 
solemnitatibus cum eodem simulato episcopo equitando exercendis: 
item consuevit fieri alia exorbitatio a dietis scolaribus in die 
beati Odalrici, quod dicti scolares cum quodam simulacro, quod 
appellabatur in vulgo seu vulgariter Papenboem, in eguitando et5 
ducendo undique per dietum opidum Brunswicense, in cuius fac- 
tura scolarium seu puerorum in scolis negligentie per longa tem- 
pora et alie inconvenientie nonmodice etiam provenire solebant: 
unde nos decanus et capitulum, perpendentes predictas abusiones 
fuisse et esse illicitas, iuri et rationi contrarias, ymmo fortius ı0 
ipso iure prohibitas, de quibus etiam non pauca incommoda, ut 
premittitur, provenire solebant, easdem abusiones, insolentias et 
corruptelas de nostra ecclesia et alias, ubi opus erit, duximus 
abolendas, tollendas et penitus extirpendas, statuentes et ordi- 
nantes, quod decetero in eadem ecclesia nostra et alias, ubiıs 
nostr& interest seu intererit, huiusmodi simulati episcopi electiones 
et abusiones circa easdem electiones habende et cum eodem, ac 
larvatorum ludi, ritmizationes, equitationes ac commessationes et; 
pastus predicti a quibuscungne et quibuscunque faciende et fa- 
cienda, fieri non debeant quovis modo. Et quia non est rationi 20 
dissonum, quod aliquando pro varietate temporum statute varian- 
tur humana, ymmo fortius huiusmodi corruptele, et non aufertur 
quod in melius mutatur: nos decanus et capitulum in eodem 
capitulo nostro generali statuimus et ordinamus, quod dicta pe- 
cuniarum summa, que per canonicos novitios in receptione eorun- 25 
dem iuxts ordinem suum singulis annis in vigilia beati Nicolai 
Confessoris predicti consuevit exsolvi ad abusiones predictas illi- 
citas et iure prohibitas, exnunc et ammodo perpetuis temporibus 
in dieta vigilia sancti Nicolai per eosdem novitios canonioos sin- 
gulis annis iuxta ordinem suum debeat exsolvi illi vel illis, quos so 
decanus et capitulum dicte ecclesie nostre protempore ad hoc 
deputabunt, in necessarios et evidenter utiles usus ecclesie nostre 
convertenda, distribuenda modo et forma infrascriptis, videlicet 
una marcha coralibus seu scolaribus ad divinum officium in ec- 
clesia nostra deputatis, qui die noctuque, presertim illis temporibus, 35 
eisdem offhiciis invigilent, scolastico eiusdem ecclesie nostre septem 
fertones ad reformandum libros et alia in scola necessaria, et 
quod tunc remanet de eadem summa in dictos necessarios et 
utiles ecclesie nostre usus, maxime fabrice, que multa reparatione 
indiget, et ad ornatus ipsius ecelesie debeat converti. Et ut hec«o 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 4 13 


ordinatio et salubre statutum et omnia et singula premissa per- 
petuis temporibus firma et inconvulsa permaneant et a nobis et 
successoribus nostris et omnibus et singulis, quorum interest seu 
intererit, inviolabiliter observentur, presentes nostras litteras inde 
sconscriptas cum &appensione maioris sigilli ecclesie nostre duximus 
roborandas. Datum et actum in capitulo nostro generali sub anno 
domini millesimo quadringentesimo septimo feria secunda post 
dominicam qua cantatur Reminiscere in ecclesia Dei, presentibus 
in eodem capitulo generali omnibus et singulis capitularibus su- 
10 pradictis. 

Nulli ergo omnino hominum liceat hanc paginam nostre con- 
firmationis infringere vel ei ausu temerario contraire. Siquis autem 
hoc attemptare presumpserit, indignationem omnipotentis Dei et 
beatorum Petri et Pauli apostolorum eius se noverit incursurum. 

ıs Datum Senis Idibus Decembribus pontificatus nostri anno primo. 


Registrata gratis. 
B. de Vincio. 


5 


Gründungsurkunden der städtischen Schulen 


zu St. Martini und St. Katharinen. 
1415— 1420. 


= 


A 


Privilegium des Papstes Johann XXIII. 
1416. 


Johannes episcopus, servus servorum Dei, ad perpetuam rei me- 
moriam. Sincere devocionis affeotus quem dilecti filii proconsules, 
consules et universitas opidi Brunswicensis, Hildesemensis et Hal- 
berstadensis diocesium, ad nos et Romanam gerunt ecclesiam non 

zindigne meretur, ut peticiones eorum, illas presertim per quas hii 


14 Monumenta Germaniae paedagogica I 


qui natura sunt dociles ad exercicium primitive discipline per 
loca debita disponantur, quantum cum Deo possumus ad exaudi- 
cionis graciam admittamus. Sane peticio pro parte eorundem 
proconsulum, consulum et universitatis nobis nuper exhibitea 
continebat, quod, licet in eodem opido septem seu plures et> 
presertim sancti Martini et sancte Catherine inter alias non me- 
diocres parrochiales ecclesie existant, tamen de quadam consue. 
tudine, que, ut ab aliquibus asseritur, per nos confirmata existit, 
due dumtaxat scole pro iuvenibus in primitivis et scolasticis di- 
sciplinis imbuendis, videlicet una apud monasterium sancti Egidii ıo 
ordinis sancti Benedicti et alia apud sancti Blasii infra, et tercia 
apud sancti Ciriaci extra muros dioti opidi ecclesias consistunt. 
Cum autem, sicut eadem peticio subiungebat, nonnulli pueri opi- 
danorum et incolarum eiusdem opidi in ipsis disciplinis imbuendi 
propter nimiam distanciam et frigus intensum, quod hyemali ı5 
tempore in partibus illis communiter viget, scolas ipsas negligunt 
frequentare in eorundem opidanorum et incolaruım nonmodicum 
preiudicium atque damnum: pro parte dictorum proconsulum, 
consulum et universitatis fuit nobis humiliter supplicatum, ut ad 
hoc, quod pueri ipsi scolas prefatas diligencius frequentent et in 20 
disciplinis prefatis apcius erudiantur, quod apud quamlibet sancti 
Martini et sancte Catherine ecclesiarum huiusmodi consimiles scole 
habeantur et exinde in eisdem ecclesiis cultus divinus augmente- 
tur, statuere et ordinare de benignitate apostolica dignaremur. 
Nos igitur attendentes, quod per hoc disciplina necnon divinusss 
cultus in eodem opido poterit augmentari, huiusmodi supplica- 
cionibus incolinati auctoritate apostolica tenore presencium sta- 
tuimus et eciam ordinamus, quod eciam apud quamlibet ex sancti 
Martini et sancte Catherine ecclesiis huiusmodi consimiles scole 
institui et teneri prefatique pueri in eisdem instituendis et tenen- so 
dis scolis in gramaticalibus et huiusmodi primitivis disciplinis 
erudiri valeant, consuetudine ac confirmacione predictis necnon 
constitucionibus apostolicis ac legibus imperialibus, quascumque 
eciam penas continentibus, et aliis contrariis non obstantibus 
quibuscumque. Nos enim exnunc irritum decernimus et inane, s5 
si secus super hiis a quoquam quavis auctoritate scienter vel igno- 
ranter contigerit attemptari. Nulli ergo omnino hominum liceat 
hanc paginam nostre ordinacionis, constitucionis et statuti in- 
fringere vel ei ausu temerario contraire. Siquis autem hoc attemp- 
tare presumpserit, indignacionem omnipotentis Dei et beatorum vo 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 5 15 


Petri et Pauli apostolorum eius se noverit incursurum. Datum 
Constancie VI. Kalendas Marcii pontificatus nostri anno quinto. 


B. de Pistorio. 
Gratis de mandato domini nostri pape. 
% Goswinus. 


B 
Annulation des Verbots, neue Schulen zu errichten. 
1418. 


Nos Bernhardus, Dei gracia dux in Brunswig et Luneborch, 
omnibus presentes literas intuentibus vel audientibus cupimus 
declarari, quod ad nostram noviter pervenit noticiam, qualiter 
pro parte decani, canonicorum et capituli ecclesie sancti Blasii, 

ıonecnon pro parte abbatis, conventus et monasterli sancti Egidii 
ordinis sancti Benedicti intra muros, atque decani, canonicorum 
et capituli ecolesie sancti Ciriaci extra muros opidi nostri Bruns- 
wicensis, Halberstadensis et Hildesemensis dyocesium, quedam 
litere, que dicuntur per nos et pie memorie Hinricum, dilec- 
ıstum fratrem nostrum, ducem in Brunswig et; Luneborch, dum egit 
in humanis, fore decrete et per sigilla nostra appendencia fore 
sigillate, iudicialiter producte sint in Romana curia coram di- 
versis auditoribus sacri pallacii apostolici contra dilectos fideles 
nostros proconsules, consules atque cives nostri opidi Bruns- 
» wicensis predicti in causa seu causis, quam vel quas predicti de- 
cani, canonici et capitula ecclesiarum sancti Blasii et sancti 
Ciriaci atque abbas et conventus monasterii sancti Egidii pre- 
dicti moverunt predictis proconsulibus, consulibus et civibus ex 
parte quarundam scholarum, quas proconsules, consules atque 
»s cives predicti auctoritate apostolica erexerunt et pro iuvenibus et 
scholaribus in primitivis scienciis et artibus liberalibus disci- 
plinari volentibus regi fecerunt, videlicet unam apud ecclesiam 
sancti Martini, aliam apud ecelesiam sancte Katherine opidi 
sepedicti, quarım quidem literarum, que dicuntur nostre, licet 
snon sint, tefior de verbo ad verbum sequitur et est iste: 


16 Monuments Germanise peedagogica I 


Nos Berenhardus et Hinricus fratres nostrique heredes, Dei 
gracia duces Brunswicenses et Luneburgenses, universis et singulis 
presentes litteras inspecturis seu visuris in domino caritatem. Ad ea 
que divinum cultum ac statum et honorem ecclesiasticum recipiunt 
libenter intendimus ecclesiasque et ecclesiasticas personas in suiss 
libertatibus desideranter confovemus. Sane quis apud sancti Blasii 
opidi nostri Brunswicensis et; sancti Ciriaci extra muros eiusdem 
opidi insignes collegiatas ecclesias, necnon monasterium sancti Egi- 
dii predieti opidi ordinis sancti Benedicti, Hildesemensis et Halber- 
stadensis dyocesium, ab olim iuxta quandam laudabilem consuetu- ı0 
dinem scole publice pro inbuendis et disciplinandis scholaribus 
inibi pro tempore in primitivis scienciis et artibus dumtaxat esse, 
regi et gubernari consueverunt, cumque proteccio et defencio eccle- 
siarum et monasteriorum predictorum, & nostris progenitoribus tam 
ducibus Brunswicensibus quam divis Romanis imperatoribus sol- ı5 
lempniter institutorum et fundatorum, ad nos velud patronos 
eorundem pertinere dinoscitur, ac inibi, et presertim in ipsa ecelesia 
sancti Blasii, in qua ecclesia quam plurimorum progenitorum 
nostrorum corpora requiescunt in domino traditaque sunt eccle- 
siastice sepulture, scolarium multitudine amminiculante copiosa » 
continue temporibus retroactis viguerunt ac vigeant depresenti 
cum sollempnissimis decantacionibus officia divina, que nostris 
temporibus et inantea intendimus non minui sed conservari debere, 
ideogue ratificantes eandem consuetudinem ac volentes, sicut ex 
antiquis temporibus extitit, laudabiliter teneri et conservari: ante- = 
dictis sancti Blasii et sancti Ciriacı ecclesiis ac monasterio sanctı 
Egidii ipsarumque ecclesiarum prepositis, decanis, scholasticis, 
canonicis et capellanis, necnon ipsius monasterii sancti Egidii 
abbati et conventui concessimus et indulsimus ac tenore presentis 
nostri privilegii concedimus et indulgemus, quod scolas publicas » 
scolarium antedictas possint et valeant libere et licite retinere 
easque more solito et consueto facere regi et gubernari, absque 
eo quod alique alie scole scholarium in dicto opido Brunswicensi 
aut eciam prope illud et extra eos muros erigantur aut fiant quo- 
vismodo. Ne autem, quod absit, in diminucionem forsan huius- 3 
modi divini cultus, status et honoris, in preiudicium et gravamen 
ecclesiarım et personarum predictarum alicuiusve earum, ac pre- 
sertim in derogacionem presentis nostri privilegii aliquas alias 
scholas pro huiusmodi scholaribus instruendis et disciplinandis 
quovismodo erigi contingat, fieri vel eciam gubernarı- statuimus «s 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 5 - 17 


et ordinamus ac volumus, ut apud aliqua alia monasteria vel 
ecclesias, in eodem opido Brunswicensi aut prope illud et extra 
eius muros existencia, alique scole pro inbuendis et disciplinandis 
iuvenibus et scholaribus ipsis in scienciis, artibus aut facultatibus 
shuiusmodi, predictis scolis prius in prefato opido edificatis et 
existentibus similes vel dissimiles, nullatenus fiant, instituantur 
aut erigantur, ac quod predicti iuvenes et scolares in prefatis 
scolis apud monasterium sancti Egidii necnon sancti Blasii et 
sancti Ciriaci ecclesias collegiatas antedictas, dumtaxat ut prius fieri 
ıconsuevit, eciam infuturum perpetuis temporibus in eisdem scien- 
ciis, artibus et facultatibus instrui, disciplinari et erudiri libere 
debeant ac more solito dumtaxat gubernari, quibuscungue personis 
nobis subiectis, cuiuscungue eciam status vel preemimencie fuerint, 
et precipue proconsulibus, consulibus ac communitati dictä nostri 
ısopidi Brunswicensis expresse ex certis iustis causis, nos ad hoc 
moventibus, inhibendo, ne scolas aliquas instituere vel erigere 
aut facere gubernari presumant vel aliquatenus attemptent. In 
quorum omnium et singulorum fidem et; testimonium presentes 
nostras literas exinde confectas nostris sigillis appendentibus fe- 
*»cimus communiri. Datum et actum in castro nostro Tzellis sub 
anno domini millesimo quadringentesimo septimo in profesto Pu- 
rificacionis Marie virginis gloriose. 
Nos igitur, Bernhardus dux predictus, considerantes ocoul- 
tacionem et veritatis premissorum suppressionem fore notivam, 
»et quod de istius veritatis suppressione dampna, lites atque 
lesio iuris proconsulum, consulum atque civium predietorum ve- 
leant evenire, prout percepimus iam devenerant: igitur pre- 
sentibus publice protestamur, quod litere predicte, quarum tenor 
presentibus est insertus, numquarn de scitu, consensu aut voluntate 
»nostra scripte sigilloque nostro sigillate nec per nos decrete sunt, 
nec experiri possumus apud quemquam de scriptoribus aut notariis 
nostris, qui tempore date literarum predicetarum sigillum Inostrum 
atque literas nostras auctoritate nostra respexerunt, qualiter sigillum 
nostrum, si nostrum sit, eisdem literis sit appensum, quare literis 
ss predictis presentibus contradicimus nec eas aliquomodo auctoritate 
nostra approbamus nec eas habere volumus aliquaın potestatem. In 
cuius rei testimonium nostrum sigillum presentibus ex certa sciencia 
est appensum. Datum in castro nostro Wulffenbutle anno domini 
millesimo quadringentesimo decimo octavo nona mensis Iulii. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 2 


18 Monumenta Germaniae paedagogica I 





0 
Privilegium des Papstes Martin V. 
1419. 


Martinus episcopus, servus servorum Dei, dilectis filiis, pro- 
consulibus, consulibus et universitati opidi Brunswicensis, Hil- 
desemensis et Halberstadensis diocesium, salutem et apostolicam 
benedictionem. Sincere devotionis affectus quem ad nos et Ro- 
manam geritis ecclesiam non indigne meretur, ut petitionibus 
vestris, illis presertim per quas singulis litterarum querendi studia 
prestatur oportunitas, quantum cum Deo possumus, favorabiliter 
annuamus. Dudum siquidem venerabili fratri nostro Baldassari, 
episcopo Tusculanensi, in sua obedientia, de qua partes ille erant, 
tunc Iohanni XIII nuncupato, pro parte vestra exposito, quod, 10 
licet in opido vestro Brunswicensi, Hildesemensis et Halberstaden- 
sis diocesium, septem seu plures et presertim sancti Martini et 
sancte Catherine inter alias non mediocres parrochiales ecclesie 
existerent, tamen de quadam consuetudine, que, ut ab aliquibus 
asserebatur, per eundem episcopum, tunc Iohannem XIII, confir- ıs 
mata fuerat, due dumtaxat scole pro inbuendis iuvenibus in pri- 
mitivis et scolasticis disciplinis, una videlicet apud monasterium 
sancti Egidii ordinis sancti Benedicti et alia apud sancti Blasii 
infra, et tercia apud sancti Ciriaci extra muros dicti opidi eccle- 
sias consisterent, quodque nonnulli pueri opidanorum et incolarum 20 
eiusdem opidi in ipsis disciplinis imbuendi propter nimiam di- 
stantiam ac frigus intensum, quod yemali tempore in partibus 
illis communiter vigebat, scolas ipsas frequentare negligerent in 
eorundem opidanorum et incolarum nonmodicum preinditium 
atque damnum: idem episcopus, tunc Iohannes XIII, per suas litteras 25 
statuit et eciam ordinavit, quod eciam apud quamlibet ex sancti 
Martini et sancte Catherine ecelesiis huiusmodi consimiles scole 
institui et teneri prefatigue pueri in eisdem instituendis et tenen- 
dis scolis in gramaticalibus et huiusmodi primitivis disciplinis - 
erudiri valerent, prout in ipsis litteris plenius continetur. Cum z 
autem, sicut exhibita nobis nuper pro parte vestra petitio subiun- 
gebat, licet dilecti filii, Luderus Rottorp, qui se gerit pro sco- 
lastico sancti Blasii, in illa quam vobis tres, ac decanus et 
capitulum sancti Ciriaci ecclesiarum, abbas quoque et conventus 
monasterii predictorum, dietarum litterarum cassationi et irrita- ss 








Scehulordnungen der Stadt Braunschweig 5 19 


tioni per eundem episcopum, tunc lohannem XIII, eorum asser- 
tione factis, ut presumitur, potissime inherentes, in ea quam 
similiter vobis occasione instituendarum scolarum predictarum 
moverant causis et in palatio causarum apostolico diutius venti- 
slatis, eciam totidem pro se et contra vos diffinitivas, per quas 
eciam in expensis in huiusmodi causa factis condemnati fuistis 
et quibus iuxta requisitionem desuper vobis factam parere cu- 
rastis, sentencias reportarint, cause tamen propter quas institutio 
scolarum fieri deberet huiusmodi subsistant viribus expresse in 
ılitteris memoratis: pro parte vestra nobis humiliter fuit suppli- 
catum, ut super premissis oportune providere de benignitate aposto- 
lica dignaremur. Nos igitur huiusmodi, per quas scientiarum 
viros consilii maturitate conspicuos, virtutum dogmatumque orne- 
tibus redimitos efficientium fons ad Dei laudem et gloriam ac 
ıs divini augmentum cultus aperiri et discendi prospicitur, suppli- 
cationibus inclinati, vobis, quod unam apud sancti Martini et 
aliam apud sancte Catherine ecclesias predictas pro huiusmodi in 
eisdem primitivis scientiis erudiendis et imbuendis iuvenibus 
absque requisitione licentie vel consensus cuiusvis erigere et per 
sopersonas ydoneas regi et gubernari facere libere ac licite valeatis, 
auctoritate apostolica tenore presentium de spetiali gratia indul- 
gemus, non obstantibus premissis ac constitutionibus apostolicis 
ceterisque contrariis quibuscungue Nulli ergo omnino hominum 
liceat hanc paginam nostre concessionis infringere vel ei ausu 
sstemerario contraire. Siquis autem hoc attemptare presumpserit, 
indignationem omnipotentis Dei et beatorum Petri et Pauli aposto- 
lorum eius se noverit incursurum. Datum Florentie XVI Kalendas 
Octobris, pontificatus nostri anno secundo. 
Registrata gratis. 
so Goswinus. 


D 
Vergleich 
zwischen dem Kapitel zu St. Blasien und dem Rat 
wegen der städtischen Schulen. 
1420. 


Van Goddes gnaden wy Bernd, hertoghe to Brunswig unde 
Luneborch, bekennen openbare in dessem breve, dat we na rade 
2° 


20 Monnmenta Germanise paedagogiea I 


unser prelaten, manne unde rede, de by dessen nageschreven stucken 
unde dar an unde over gewesen hebben, fruntliken gerichtet unde 
geeynt hebben unse leven andechtighen deken, scholasticus unde 
capittel unses stichtes to sunte Blasiese to Brunswig, hern Hin- 
rike van Scheninghe, perner to sunte Mertene, unde hern Jo-s 
hanne Ember, pernere to sunte Andrease dar sulves, unde orer 
aller bystendere de se darin theyn uppe eyne siid, unde 
unse leven getruwen borghemestere, radmanne unde borghere 
unser stad Brunswig unde ore bystendere de se dar in theyn 
uppe andere siid, in desser wiis: To dem ersten x. .... 10 
Vortmer alze unse leven getruwen borgermestere unde rad to 
Brunswig van dem stole to Rome de gnade beholden hebben, 
dat se moghen twey schole buwen laten, de eyne to sunte Mer- 
tene unde de andere to sunte Catherinen in unser stad Brunswig, 
unde de regeren laten, darinne me lere kyndere unde jungen gra- ı5 
maticalia unde de ersten kunste, unde ok, offt sek dat alzo velle, 
dat me welken perner bynnen Brunswig to banne kundeghede, 
dat denne des perners parlude van anderen perneren bynnen 
Brunswig, de nicht to banne weren, goddes denst horen unde sa- 
eramente nemen moghen wur se wolden, unde de perners one de » 
gheven moghen, alze de paveses breve dyt klarliken inne hebben, 
dar de deken, capittel unde scholasticus to sunte Blasiuse, her 
Johan Ember unde her Hinrik pernere vorghenomet entigben weren 
unde mit one dar umme kreteden in dem hove to Rome, dar aver 
grote koste, kret unde arbeyt van ghekomen synd, unde alze de» 
rad nu nye gracien uppe de sulven scholen beholden hefft unde 
van den sacramenten uppe dat nye sentencien wedder wunnen 
hefft: dar up seghe we unde willen, dat dat alzo geholden werde, 
dat me den rad unde de borghere to Brunswig by den gnaden, 
alze de paves breve inne hebben, laten schal. Unde desse vorghe- zo 
nomeden deken, capittel unde scholasticus unde perners enschullen 
den rad unde borghere in den scholen to hebbende unde sacre- 
menten to nemende unde anderen perneren de to ghevende, alzo 
forder offt de bannenen perners ore kercken nicht regeren leten 
myt nochhafftighen capellanen, nicht mer hinderen noch vanss 
orer weghene hinderen laten in jennigherleye wiis. Weret ok, 
dat bynnen Brunswig we were de schrivelschole holden wolde, 
dar en scholden se de ok nicht ane hinderen, doch en scholde 
me nemende mer leren in den schrivelscholen wen schriven 
unde lesen dat alphabet unde dudessche boke und breve.« 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 5 >] 


= nn mn no un -_-- —_——. u 


Doch dorch erbarcheyt desser vorghenomeden kardkanc; to Aut 
Blasiuse unde to troste unde to gnaden unß unde unser elderen, 
de desse kercken stichtet hebben, hefft uns de rad gevulbordet, 
dat de scholre in oren twen scholen, de ruchelen hedden, to sunte 
s Blasiese wesen scholden to den grottesten vigilien unde selemissen, 
wenne me uns edder unse elderen dar beghinge unde to neghen 
malen vorludde, unde wen dar kerchwyunge were, unde to sunte 
Blasii daghe, oft me dat van Ön esschede...... Gegeven na 
Cristi bord veirteynhundert jar, dar na in dem twintigesten jare, 
ıin sunte Mathias daghe des hilghen, apostels. 


6 


Schulordnung der Prälaten und des Rats. 
1478. 


ir 
DE REGIMINE SCHOLARUM. 


De mester der schole sanctorum Egidii, Blasii, Ciriaci, Mar- 
tini unde Katherine hir to Brunswigk mogen van oren scholeren 
esschen unde nemen lon in nascrevener wise, alz van deme riken 
ii schillinge nige, van den mediocribus ii schillinge olt unde van 

ıs den armen intraneis de hostiatim hir pro pane gan eynen nigen 
schilling Brunswikescher weringe unde nicht myn, unde dusses 
lones schullen vorplichtet sin de scholere de boven drey dage in 
de schole gingen unde intituleret weren, unde de schullen bii 
dusseme ersten oreme mestere bliven unde in anderen scholen nicht 
»wentholden werden in deme ersten halven jare. 

Item de mestere unde de sine enschullen nicht gan den bor- 
geren in de huß, ore kindere to oren scholen to reytsende, sun- 
der se schullen malken tor schole gan laten dar he best togeneget 
is, bii vorlust des lones dat ome dar van werden mochte, alz iı 


22 Monumenta Germaniae paedagogica I 


schilling nige van den riken, ii schillinge olt van den mediocribus 
unde eynen schilling nige van den intraneis mendicantibus, dat 
he so van den sinen deme mestere deme he de sine entogen hedde 
geven schal. 

Item de mestere myt den oren schullen ore scholere dar tos 
holden, dat se flitliken tor schole gan, unde se in redelikeme 
dwange holden, unde one truweliken leren dogede, gude sede unde 
de frigen kunste na wontlikere wise, unde sunderliken, dat se latin 
spreken unde oren sangk leren. 

Item kemet, dat jennich scholer sinen mestere unde den sinen ı0 
umbehorsam worde unde wolde siik in unredeliken dingen nicht 
dwingen laten na wontlikere wise unde tigen sinen mester unde 
de sine frevelde myt worden edder myt werken, de enscholde 
bynnen Brunswigk noch uppe deme Berge nicht entholden werden, 
unde diit schal stan to erkantnisse der prelaten der vorscrevenen ıs 
drigere stichte unde drigere borgermestere des rades to Brunswigk. 

Ok schullen de mestere, baccalarii, ore locaten unde de 
scholere neyne hir vorbodene were dragen bii dage noch bii nacht, 
bii der were vorlust. 

Ok schullen de mestere myt den oren uppe de schole unde » 
ore scholere flitliken warden unde ore angehavenen lectiones con- 
tinueren unde ok finieren bii vorlust der helfte deslones, dat on 
de scholere de to den lectien seten tome halven jare geven scholden. 

Item de mestere unde de ore enschullen ok ore scholere nicht 
unredeliken vorweldigen, treden edder unwertliken stoten, sunder 3 
se schullen dar inne jo vornuftiger wesen wan de scholere. 

Item schullen siik de mestere, ore baccalarii unde locaten 
tuchtigen holden vor oren scholeren unde den neyn quad exempel 
geven. 

Item schullen de mestere myt flite Badsheyden: dat se frome, »0 
tuchtige, gelerde hulpere krigen, de on ore scholere helpen re- 
geren tome besten. 

Item entstunde twidracht twischen den mesteren, baccala- 
rien unde locaten eyner edder mer schole, des schallen se siik under 
siik gutliken vordragen: mochte des nicht sin, so schullen sess 
siik des de vorscrevene seß personen der prelaten unde des rades 
in witlikere fruntscup edder in rechte beseggen laten unde dat 
ok na oreme rade unde utsage holden. 

Welk baccalarius edder locate ok sunder redelike sake sineme 
mestere to biitiden entginge edder ome gewalt dede, de enscholde « 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 6 23 


van den anderen mesteren tigen sinen willen bynnen eyneme jare 
in oren scholen nicht entholden werden, he enhedde siik ersten 
myt sineme mestere umme de sake vorlikent. 

Item Gregorii, wan men de jungen in de schole halt, schullen 

sde mestere wene bii oren scholeren hebben, de dar vor sii, dat 
siik de scholere underlanges nicht enslan edder warpen, so wol 
eyr gescheyn is. 

Item schullen de mestere vestliken vorbeden, dat de scholere 
de watere vormyden, unde de overtredere na legenheyt dar umme 

ı0o dwingen. 

Item we biischole heylde, de enschal boven teyn jungen 
nicht holden in sinere lere, unde wan de sulven jungen edder der 
welk denne to seven jaren komen, so enschullen se in den bii- 
scholen nicht lengk entholden werden, sunder se schullen denne 

ısin eyne der schole gan de vorbenomet sin, so forder se denne 
hir tor schole gan willen :zc. 

Item weret, dat jennich mester baccalaries edder locaten 
heylde de ungeleret weren, so dat se ore stede nicht vorhegen 
konden, so mochten de werdigen heren, de abbet to sunte. Egi- 

» dien sinen, de cappittele in der Borch unde uppe deme Berge oren, 
unde de rad in der Oldenstad unde in deme Hagen oren mesteren 
toseggen, den ungelerden personen tolatende, deme schullen denne 
de mestere dar inne volgaftich sin, dene laten unde eynen beteren 
in de stidde nemen. 

5 Dusse gesette sin van den erliken stichten vorbenomet unde 
deme ersamen rade to Brunswigk umme bestantnisse willen 
orer schole so vorramet, besloten unde den mesteren viven de 
itsunt ore schole regeren uppe deme Cappittelhuß in der Borch 
gelesen, de na gudeme berade des den heren bedankeden, dat 

„annameden unde spreken, se wolden de vorscrevenen gesette gerne 
so holden. Diit geschach amme mandage, des en dages des 
mantes Marcii, anno domini ıc. Ixxviil. 


. Item de jenne de scrivelschole holden enschullen nemande 
holden, de latinsche bouke edder scrifte leren, sunder de personen 
ssschullen dat leren in den latinschen scholen, unde in den scrivel- 
scholen schal men nicht leren men dudesche bouke unde breve. 
Diüt heft de rad den scrivelmestern togesecht laten amme fridage 
na Oculi 1xxix, 


24 Monumenta Germanise paedagogica I 





7 


Schulordnung 


aus den Statuten des Cyriacusstiftes. 
1483. 


I 


Canonicus receptus, si est sine ordine sacro, a decano et 
capitulo rectori scholarium presentetur. In cuius custodia debet 
esse, faciendo sibi in omnibus duplicem iusticiam in scolis, quous- 
que a scolis emancipetur. Antequam autem emancipetur, cum 
licencia decani et capituli recipiat ordinem subdiaconatus. Cuis 
licencia non est deneganda, si ad hoc abilis invenitur. Ipso 
ordine recepto a scholis emancipetur a decano et capitulo et 
faciat decano obedienciam, vel seniori de capitulo decano absente, 
iuxta morem et formam consuetam. 


Item canonicus in sacro ordine existens, ad solempne volens ı0 
ire studium causa doctrine, a capitulo licenciam rogabit. Qui si 
abilis ad studium fuerit, sibi licencia ad tres annos continuos 
a die exitus sui non denegabitur. Cui etiam tota prebenda annone 
et denariorum ebdomedarum tanquam presenti integraliter debet 
ministrari, aliis obvencionibus dumtaxat exceptis que tantum ıs 
presentibus in capitulo debent dividi pro labore speciali. Si vero 
in sacro ordine non fuerit, premissa gracia carebit, et dabitur 
prebenda sicut puero in scolis, quamvis fuerit in studio solempni. 


Transactis vero tribus annis studii, si idem canonicus in 
studio permanere vel iterum ad studium redire proposuit post 20 
primos tres annos, gracia premisss carebit. 


Item capitulum ad placitum suum rectorem scolarium 
instituat et destituat. Cui nichil dabitur a capitulo nisi tantum 
precium scolarium. Scolares vero dormitoriales precium non dabunt 
magistro, nisi tantum pastum illi cuius lectionem audierit. 35 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 8 25 


8 


Schulordnung aus der Kirchenordnung 


der Stadt Braunschweig. 
1528. 


u 


Van den Scholen. 


Id is hillich unde christlick recht, alse gesecht is, dat wy 
‘ unse kynderken Christo tor döpe bringen. Overs, ach leyder, wen 
se upwassen unde de tidt kumpt, dat me se leren schal, so is 
snemand dar heyme. Nemand vorbermet sick over de armen kyn- 
dere, dat me so lerede, dat se mochten by Christo bliven, deme 
se in der döpe geoffert synt. Nemand vorsümet gerne den kyn- 
derken de döpe, alse ock recht is, overs wedderumme, nemand 
gedenket, dat uns nicht alleyne bevalen is de kyndere to döpen, 
wsonder ock, wen de tidt kumpt, to leren, alse gescreven is to 
vorn van der döpe. 

De gedoften kynderken leven in der gnaden Gades, alse 
Adam unde Eva vor der sunden imme paradise, weten nichts 
gudes noch böses, wo wol se van unser sundliken nature halven 

ısto törne unde tome bösen geneget synt. Se hebben de tosage 
Christi: Sulker is dat rike Gades. 

Wen overs de tidt kumpt, dat se vornunfftich beginnen to 
werden, so kumpt ock de slange, alse to Adam unde Even, unde 
beginnet de kyndere to leren alle undöget, unde dar to de vor- 

»nufft dar hen to leyden, dat se lestere de artikele des christliken 
lovens unde vorachte den vorbund mit Christo gemaket in der 
döpe. Denne is id tidt, denne wert van uns gevordert, dat me 
se leren schal, overs leyder, me hölt se nicht dar to, dat se Gades 
wört hören unde leren, me leret se ock nicht in den hüseren 

2: Gades früchte unde gebade, me achtet nicht, dat se dat hilge 
evangelion Christi leren, dat se so mochten bliven by Christo, 
deme se tovorne in der döpe geoffert synt. Wat hefit dat an- 
ders vor eyne meyninge, wen eflt de lüde wolden also seggen: 
De kyndere, de wy Christo geoffert hebben in der döpe, scho- 





26 Monumenta Germaniae paedagogica I 


len, nu se upwassen, nicht syne bliven. De kleynen brachte 
wy em, wente he secht: Latet de kynderken to my kamen, de 
groten overs schal he nicht hebben, wy willen nicht wöten, dat 
he uns ock gebaden hefft de kyndere to leren, wy willen nicht 
weten, dat he gesecht hefft Luc. 11: Salich synt de dat wort; 
Gades horen unde dat bewaren, unde Jo. 8: We van Gade is, 
de höret Gades wört, gy synt nicht van Gade, darumme höre gy 
ock nicht Gades wört. 

So geyt id denne, dat gotlose öldern uptehn gotlose kyndere. 
Alse se von oren Ölderen geholden synt, so holden se ore kyndere ı0 
vortan. Böse ey, böse küken, dat jo also des düvels regimente, 
de eyn furste der werlt van Christo wert genömet, sterk unde 
mechtich blive. 

Etlike sorgen vor ore kyndere, dat se jo geldes unde gudes 
genöch mogen hebben, unde de helle dar to, alse de rike man in ıs 
der helle Luc. 16 klagede over syme viff nagelatene brudere, 
de des gudes alse erven ock so wurden brukende tor hellen, alse 
he tovorne hedde gedän. Sulke hengen mit deme herten alleyne 
an deme gude, scherren, kratzen to samende dach unde nacht, 
achten nicht, eflt etlike nöringe recht edder unrecht sy, geven dem » 
armen Lazaro nicht, de hunde licken en und synt bermhertiger 
wen sulke up dat gelt vorstockede herten, unde h&ten doch de 
wile vor der gantzen werlt ehrlike, frame, uprichtige lude, alse 
ock de sulvige rike man, imme evangelio bescreven, neyn schand 
ruchte hedde, dat he scholde syn eyn döff, eyn unrechter, eins; 
ehebrecher, eyn vordrucker wedewen unde weysen, eyn lögener ıc. 

Also regeret mit dissen de got Mammon, dat se nicht by 
Christo konen bliven unde van oreme gude wat gudes dohn jegen 
de nottrofftigen, de doch sus orer gudere unde rike dage konden 
mit Gade wol bruken, alse de riken Paulus leret 1 Tim. 6. Ja» 
me vint lüde, de dat bröt mit orer hand werven, de vele lever 
geven, alse ock christene scholen dön, Ephe. 4. 

De meyste joget overs lecht sick up schande unde sunde, up 
legen unde bedr&gen, dar to alle mynschen van nature ock geneget 
synt, Gen. 8. 35 

Wen overs etlike to sick sulvest kamen unde merken, dat 
sulcks to vele sy unde nicht recht, so volgen se denne errige leren, 
unde to böteringe ores levendes laten se clostere unde capellen 
buwen, stichten missen unde andere Gades denste, dar en nicht 
van bevalen is, löpen edder laten lopen to Hierusalem, to sunte « 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 8 27 


Jacob, to Rome ıc., lösen vele aflates breve, de doch alleyne 
nutte synt den vorköpers unde nicht den köpers, laten sick 
inscriven in sundergen bruderschoppen, laten sick dehlhaftich 
maken aller guden wercken, de dach unde nacht in den closteren 
sgeschehn, geven to sulken dingen grote testamente unde laten 
sick in monnike kappen begraven, alle darumme dat se jo mo- 
gen mit den ören öre sunden lös werden unde salich. 
Andere lopen in de kappen unde werden monnike unde Car- 
thüsere, dar dohn se ersten genöch vor öre sunden, tome letsten 
ıo werden se so hillich, dat se ock andern lüden. van örer hillicheit 
unde groten vordensten konen vorköpen, noch ndömen se neyn gelt, 
sonder sweren armöth toholden, unde erneren sick doch unchrist- 
lick, etlike mit bödelye, alle mit bedregerye. 
Alle disse genömeden ungelucken kamen hehr, dat wy vor- 
ıs göten, ja ock nicht wöten den vorbund den wy gemaket hebben 
mit Christo in der döpe, dar wy gewasschet synt mit Christus 
blude, gehilget dorch den hilgen geist, in welker gnade wy dar 
annemen to levende unde to stervende, bet dat imme jungesten 
dage unse döpe vulkamen werde: denne werde wy aller sunde 
2ounde alles Övels ersten rechte lös syn. Under des hefft de hilge 
geist stedes mit den christenen to schaffen, dat he se lere unde 
fram make, alse wy ock imme Vader unse bidden unde beg£ren, 
so wy id anders rechte wöten to böden. Worumme wöte wy 
sulke unse gnade nicht unde vorgöten se, dat wy dar na andere 
as wege erdencken tor salicheit? Me denket nicht, dat me uns in 
Gades früchte unde in der erkentnisse Christi uptehe nach Gades 
wörde. 
Dorumme is hyr to Brunswig dorch den erbarn radt unde 
de gantze gemeyne vor alle andere dinge vor nödich angesehen, 
3ogude scholen uptorichten unde dar to besolden ehrlike, redelike, 
gelörde magister unde gesellen, Gade deme almechtigen ton eren, 
der jöget tome besten unde to willen der gantzen stadt, dar 
inne de arme unwetene jöget moge tuchtig geholden werden, leren 
de teyn gebot Gades, den loven, dat Vader unse, de sacramente 
3s Christi, mit der uthlegginge so vele alse kynderen denet, item 
leren singen latinische psalme, lesen uth der scrifft latinische 
lectien alle dage. Dar to scholekunst, dar üth me lere sulks vor- 
stän. Unde nicht alleyne dat, sonder ock dar uth midt der tidt 
mogen werden gude scholemeystere, gude predigere, gude recht- 
“ vorstandige, gude arsten, gude Gades fruchtende, tuchtige, ehrlike, 


28 Monumenta Germaniae paedagogica I 


redelike, gehorsame, fruntlike, gelörde, fredesame, nicht wflde, 
sonder frölike borgere, de ock so vortan öre kynder tome besten 
mogen holden, unde so vortan kyndes kynd. 

Sulck wil Got van uns hebben, he wert ock by uns syn 
mit syner gnade, dat sulk wol gedye unde vörtga. De Jödens 
lereden ore kyndere in den hüseren unde hedden scholen in allen 
steden, de synagogen werden genömet, dat se jo den Mosen wol 
lereden, unde konden oren loven vorantwerden, alse de Jöden noch 
na örer wise öre kynder leren. By uns christenen is id jo schande, 
dat wy Christum nicht leren recht erkennen, in welken wy doch ıo 
gedöpet synt, dar to is id ock schade, dat wy de joget nicht 
laten leren sulke kunste, dar dorch se dar na sick sulvest unde 
der welt dönen kunden, tor salicheit der selen unde to gudem 
regimente in disseme levende landen unde steden dänende. 

Geröde sulck unse vlyt mit etliken nicht wol, so wurde he ıs 
doch geraden in velen anderen. Eyn böm de vele guder appele 
drecht, schal nicht darumme afgehowen werden, dat twe edder 
dre appele wormadich sind. Dat gude möt me nicht nalaten 
darum, dat id an etliken vorlaren is. 


Latinische jungen scholen. 


Twe gude latinische jungen scholen synt angesehn vor » 
genöch, unde wo wol id ringe is in sulker stadt, so wil me doch 
de beyden scholen deste ehrliker holden unde vlitiger mit geler- 
den magistern unde gesellen, dat de jöget sere wol dar dorch vor- 
sorget sy. 

De eynne schole sol syn to sunte Marten. Dar wil mes 
holden eynnen gelerden magister artium, disser stadt to den eren, 
der jöget tome besten. Wente wo wol int erste kleyne kyndere 
nicht grote meystere bedarven, alse id eynnen schyn hefft, so 
könen doch gelerde unde erfarene meystere mit beter wise de ge- 
schickede kyndere in dren jaren edder korter tidt gelörder maken » 
nach Gades hulpe, wen andere in twyntich jaren. Me vorsöke 
id, me wert id mit etliken kynderen also bevinden. Sulck eyn 
man kan ock wol nutte syn, wen etlike saken vohr villen dat 
evangelion andrapende, item kan ock wol to tiden eynne lati- 
nische lectie lesen uth der hilgen scrifft vor de gelerden. Overss 
sulck schal me em nicht upleggen, sonder laten id to syneme 
egenen willen, dat de jöget mit sundergeme arbeyde nicht in der 
scholen werde vorsümet. 








Sehulerdnungen der Stadt Braunschweig 8 29 


Darumme, ock umme der kynder willen christlick up etlike 
tide in der weke to leren, möt me sick umme sehen, dat me 
krige sulken magistrum artium, de deme evangelio Christi gun- 
stich unde darinne vorstendich sy, ane dat me sus doch eynnen 

sanderen by den kynderen in disser stadt nicht konde liden. 

Deme magistro artium schal me holden eynnen gelerden 
helper, ock eynnen cantor, de arbeid do gelick den anderen nach 
des magisters willen, unde dar to den kyndern singen lere. Item 
noch eynnen gesellen vor de ringesten jungen. In disse schole 

„scholen gesand werden der borger kyndere uth der Olden Stadt, 
Sacke unde Oldenwyfek. 

De andere schole schal syn to sunte Catharinen. Dar schal 
me holden eynen gelerden rector, eynnen cantor unde noch eynnen 
gesellen. 

ss In disse schole scholen gesand werden der borger kynder 
uth dem Hagene unde Nye Stadt. 

Ringer wen mit sulken vorgescreven soven personen kan 
me de beyden scholen nicht anrichten, umme des schölarbeydes 
unde des regerendes willen. Ock de wile hyr viff caspele synt, 

„kan me in disser stadt nicht weyniger personen hebben. Wente 
ane de beyden scholemeysters möt me van den gesellen eynnen 
jeweliker kerken thovorordenen, also dat de magister to sunte 
Marten eynnen by sick hebbe, eynnen sende hen to sunte Magnus, 
eynnen hen to sunte Ulrike, unde de rector to sunte Catharinen 

sock eynnen by sick hebbe unde eynnen sende hen to sunte An- 
drees, wen dekyndere lösen unde singen scholen des hilgen aven- 
des unde des hilgen dages, also hir na wert gescreven werden. 
Welke nicht gudes wurden dohn ane regäres man. 

De kyndere overs scholen des hilgen avendes unde des hilgen 

»dages in dat caspel to chore gän, dar inne se öre ölderen hebben. 
Sendet men neyne kyndere in de scholen uth eynneme caspele, 
so wert de kerke ane sulke ere stän. Dar umme werden de bor- 
gere des caspels wol dar to dencken, besondergen dat se öre 
kyndere mögen hören singen unde ldösen, dar to scholen ock unde 

skönen wol de predicanten dat volck vormanen. 


Van der besoldinge der latinischen scholen. 


Wy willen uns bevlitigen, redelike unde genöch gelörde ge- 
sellen to holden by den scholen, unde nicht untuchtige unde un- 
vorstendige. Dar umme is id billich, dat wy de nicht holden 


30 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


alse bödelere, sonder temelick eynnen jeweliken na syneme werde 
besolden, de wile wy wol wöten, dat se bedorven tor töringe, 
kledinge, beddinge, böke to kopende unde anderer anvelliger nöt, 
de to tiden mehr kostet wen &tent unde drinckent. 

Ock wen en so sware kranckheit to quöäme, dat se oren sold 5 
nicht konden vordönen, so wille wy se doch, alse unse denere, 
in den nöden nicht vorlaten, wente id were unchristlick, so lange 
dat se id beteren konen. 

Unde efft uns nu redelike unde gelerde gesellen vohrvillen, 
de wol eynne tidtlanck van armüt wegen annömen wat me enıo 
wolde geven, so wille wy doch sulken vordel nicht söken, dat 
unse ordeninge moge vast unde bestendich bliven. Wente id hedde 
neyn bestandt, dar umme dat sulke dar van lopen, wen se id 
 beteren konen, unde wernen andere vor unsen denst. Dar to werden 
sulke ock görme unvlitich, vordraten, vorsümelick und unlustich ı; 
tome arbeyde by den kynderen, unde geyt na demesproke: Hol- 
tene lohn, holtene arbeyt. 

Me möt ock by dissen tiden alle ummelöpere nicht anndmen 
lichtverdigen, to vormiden schwermerye wedder dat evangelion 
unses heren Jesu Christi. 20 

Wy willen disse ordeninge van den scholen unde andere 
nicht anhöven up etlike personen edder unbestendich, sunder also, 
dat se möge stedes bliven. Dar helpe uns Got to dorch syne 
gnade. Amen. 

Ock wen gude besoldinge vorhanden is, so kan eyn erbar 2 
radt unde andere dar to vamme rade unde der gemeyne voror- 
dente, alse synt de schat casten heren aller paren de to der 
scholen horen, frylick orloff geven den gesellen de nicht ge- 
lörde genöch werden to oreme ampte bevunden, edder nicht vli- 
tich synt, edder sus wolden schendlick leven, unde so in de stede » 
andere wedder vorschaffen. Welke stede andere werden gerne 
anndmen umme guder beloninge willen. 

Ungelörde, wen se röde wurden angenamen, alse id den 
annömeren wol feylen kan, schal me nicht dar by beholden. Un- 
vlitige, wen se ock gelört synt, schaffen den kynderen neynen ss 
framen. Schendige geven der Stadt unde der joget böse exempel, 
welkes jo unlidelick by den christen schal syn. Nicht leren is 
bötter wen dat böse leren. 

Darumme is bestemmet deme magistro artium to sunte Mar- 
ten gewisse järlich solde veftich gulden, in disseme ersten jare« 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 8 31 


overs schal he sick benögen laten an vehrtich gulden. Syneme 
helper xxx gulden. Deme cantor ock xxx gulden. Deme vehrden 
gesellen xx gulden. 

Deme rector to sunte Catharinen xxx gulden. Syneme can- 

store xx gulden, Unde deme drudden gesellen xx gulden. 

Sulken sold schal me en uthdälen alle verndel jares, wente 
se bederven id wol. 

Dar baven schal eyn jewelick junge van den slechten unde 
van den riken geven alle jär viii marien groschen, eyn jewelick 

„van den anderen xii mathier. Also kan ein rike man synen 
sone x jar in de schole laten gän mit sulkeme lone, dat he möt 
eynner denst maget in eynneme jare geven. De anderen hebben 
noch beteren köp. So scholde jo werlick amme söne mehr macht 
liggen wen an eynner denstmaget, unde mehr an tucht, ere unde 

ıs kunst des sones, deme alle gut höret, wen an deme arbeyde der 
maget, de to örer tidt dar van geyt. Sulks jungen lohns overs 
schal alle halve jare gegeven werden de helffte. 

Van sulkeme jungen lone, schal ein jewelick scholemeyster 
ın syner scholen de helffte gantz vor sick n&men. De andere 

s helffte scholen de anderen gesellen in öÖrer scholen gelick dehlen, 
dat nicht twedracht mancken werde umme der kyndere willen. 
Wente de ringeste geselle darff wol so geleret nicht syn alse de 
andern, so wert he doch mehr kyndere under sick hebben unde 
nicht mit ringereme arbeyde beladen werden. Werden se guden 

s vlyt anwenden an de kyndere, so werden se velichte der deste 
mehr hebben. 

Sulk lohn alle halve jare to sammelen, schal de schole- 
meyster eynneme van synen gesellen, deme he dat vortrüwet, 
bevehlen, welck allen dar van schal rekenschop dohn. 

» Weren etlike borgere so unbillich, dat se vor öre kyndere 
nicht wolden betalen, de vormane me gutlick zc. Weren overs 
so arme lüde, de nichts vormochten, unde wolden doch öre kyn- 
dere ock gerne holden tome besten, de mogen gan to den vor- 
stenderen der gemeynen schat casten in öreme wickbelde: de 

ss werden in sulkeme valle deme scholemeystere anseggen unde sulke 
kyndere thobringen, umme Gades willen antondmen, dat mit sul- 
ker wise sulke lere unde gude tucht der kyndere gemeyne werde 
vor de riken unde vor de armen. 

Item so etlike lüde, wen me de doden to grave drecht, vor 

“de bare de scholere mit eynneme gesellen wolden singen laten 


32 Monumente Germaniae paedagogica 1 


düdesche psalme edder andere h ıge löde, nicht tohulpe den doden, 

sunder to ermaninge den levendigen, ock Te Deum laudamus 

edder wat anders, wen de brüt in de kerke geleydet is: dat gelt 

da vohr late me de gesellen under sick dehlen ane de schole- 

meystere. Ane gelt darven se id nicht dohn. We’en ock nicht; 
wat redelikes wil geven, de vordere se nicht dar to. Wente se 

scholen dar to ane beloninge unvorbunden syn. 

Me vynt etlike borgere by uns, de nicht alleyne gerne vor 
öre kyndere in de schole betalen gemeyne lohn, sonder ock umme 
sonderges vlites unde arbeydes willen jegen öre kyndere geven ıo 
etliken gesellen frye kost unde andere geschenke. Up sulk unwisse 
dinck overs köne wy unse ordeninge nicht stellen. Ock werden 
de gesellen in der scholen arbeydes genoch krigen, so se anders 
recht werden mit der saken ummegän, dat se nicht vele anders 
arbeydes unde moye konen wahr nömen. Weren denne etlike ge- ıs 
sellen so främ, so geschicket unde flitich, dat se över ören schöl- 
arbeyd mit etliken jungen sondergen arbeyd wolden anndmen, 
unde so by den borgeren edder andern noch mehr erwerven konden 
unde wolden — de nöt wert se wol leren unde forderen, besundergen 
so se ehelick werden — so late me sulkes öre vordehl syn.ı-.Id is» 
böter, dat se by uns, doch mit öreme arbeyde, wat vorwerven, 
wen dat se by uns scholden vorderven. Wente sulke gesellen 
werden nicht v&le to böre gän, sonder der stadt mit öreme denste 
nutte syn mehr wen andere. Dar umme is id ock recht, dat se 
mehr vordels hebben. 95 


Van der wöninge der schöl personen. 


De beyden scholmeysters scholen hebben keke und kökene ıc., 
ein jewelick van den anderen gesellen eynne kamere unde dorntze. 
Sulke woninge der scholmeysteren unde gesellen wil holden unde 
büwen eyn erbar radt, alse stedes tovorne, to redeliker unde vor- » 
benömeder notrofit. Wolde övers eyn geselle ehelick werden unde 
konde in sulken kameren nicht husholden, dar umme dat där noch 
koke noch kokene is, so schal dat caspel, dar de geselle in de 
kerke vorordenet is, eynne woninge to sulker nöt vorschaffen 
edder to vorschaffen by der gemeynen casten anlangen. 3 


Van dem arbeyde in den scholen. 


Mit deme arbeyde unde övinge in den scholen schal id mit 
der tidt tome meysten geholden werden, alse Philippus Melan- 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 8 33 


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chthon hefft bescreven imme boke, dat dissen titel hefft: Under- 
richtinge der visitatoren an de parnere ıc. 


De kyndere schölen ged&let werden in dre classes edder in 

dre parte. De ersten synt de ringesten, de anderen de middelsten, 

s de drudden de besten, alse in deme genömedeme boke bescreven 

steyt. De ersten twe parte scholen geleret werden in beyden 
scholen. 


Dat drudde part, wen etlike dar to gedyen, mach leren 
alleyne to sunte Marten. Sulke jungen, unde nicht andere, mach 
ıo de magister to sunte Marten, wen de öldern (at begören, ann&men, 
doch nicht ane dat ordel des superattendenten, welk den jungen 
examineren schal, efft he ock in dat drudde part dänet, dat deme 
rector to sunte CatAarinen nicht wat to vohr vange gescheh, 
edder nicht hader unde twidracht werde under den beyden scholen- 

ıs meysteren. 


Konde ock unde wolde de rector to sunte Catharinen sulke 
gelerde jungen vortan leren, de in syne schole sus lange gehöret 
hebben, so sta id by der ölderen willen, de jungen där tolaten 
edder wech tonemen, doch also dat de rector dar mede nicht 

x» vors"ne synen arbeyd, em vor de anderen twe parte der kyndern 
upgelecht. . 


Sulck eyn drudde part der jungen wert me velicht int erste 
nicht hebben edder gantz weynich, doch möt sulkes angehaven 
wesen. Velichte werden andere gesellen unde borger kyndere, de 

3 to vorn studeret hebben, ock willen to sulken edder etliken lec- 
tien gän, de gelesen werden vor de jungen des drudden partes, 
alse imme genömeden boke bescreven steyt: den schal me sulcks 
ock gerne gunnen. Synt se vormögen, so mogen se dar vor deme 
magistro wat in de kökene schencken nach ereme willen. 


» Alle vlit unde arbeyd in den scholen schal dar to denen, 
dat de jungen jo wol werden geövet latinisch to leren, dat se 
leren wol lösen, recht scriven, vorstan de autores de en uthge- 
lecht werden, recht latyn spreken unde stedes versche unde epi- 
stolen maken. Id schadet ock nicht, dat me se up etlike tidt 

s examinere unde höre, wo se düdesch röden, dat se nicht dat eynne 
int andere werpen unde unvorstendich reden ıc. Dat kan me 
wol dohn, wen se möten latinische sententien exponeren. Dar 
to helpet; den jungen uth der maten sere, so se ordentlike ge- 
schickede latinische epistolen maken. Me late se jo nicht leren 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 3 








34 Monumenta Germaniae paedagogica 1 





reden edder scriven köken latyn, so fro alse me id by en b£- 


teren kan. 

Disse övinge schal stedes waren so lange, dat se ock denen 
tor dialectica unde rhetorica, alse in deme genömeden boke 
bescreven is. s 

To rechter tidt mach me den de dar to denen ock wol 
grekisch lesen leren, unde dat Pater noster, edder eyn capitel uth 
deme nyen testamente, edder wat anders dat kort unde licht is, 
grekisch vohr leggen unde mit der tidt nach der grammatike 
etlike dietiones leren declineren :c., doch des sulvigen nicht to » 
vele, dat nicht de magistri öre kunst bewisen ane frucht der 
jungen. Wente grekisch leren, ehr se wol geövet synt imme 
latinischen, is by uns gantz vorlarene kost,unde moye. 

Des geliken mach me en ock hebreische bock stave kennen 
unde lesen leren, tohulpe efft etlike van en dar na in eynner ss 
hogen schole, dar de tungen geleret werden, dar to geneget unde 
geschicket wurden mehr van der sprake to leren. 

Me schal de kyndere unde de jungen nicht besweren mit 
deme dat se nicht dragen könen, overs vlitich anholden latinisch 
to leren, alse in deme genömeden boke bescreven is. » 

In deme sulvigen boke steyt ock, wo me se to etlike tiden 
mit Gades wörde unde hilger scrifft leren und in Gades fruchte 
unde imme christenen geloven unde levende schal uptehn, Gade 
to den eren, to prise deme hilgen evangelio, uns unde en tor 
salicheit. Amen. 2 


Van den cantoren in den scholen. 


De beyden cantores in beyden scholen scholen na bevehle 
unde willen öres rectoris schölarbeid dohn gelick den andern ge- 
sellen. Dar över is öre sunderge ampt, dat se allen kynderen, 
gröt unde kleyne, gelert unde ungelert, singen leren, (alse Philippus » 
Melanchthon in deme genomeden boke bescreven hefft,) gemeynen 
sanck düdesch unde latinisch, dar to ock in figurativis, nicht alleyne 
na gewänheit, sonder ock mit der tidt kunstlick, dat de kyndere _ 
leren vorstän de voces, claves unde wat mehr höret to sulker 
musica, dat se leren vaste singen unde renlick »tc. = 

Me wert hyr wol stedes vinden gesellen, de deme cantor 
helpen singen tenor, bass, alt. So schal sick de cantor in je- 
weliker schole anrichten eynne cantorye, dat he kan singen in 
figurativis to etliken tiden in der kerken, dar sine schole is, unde 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 8 35 





ock top tiden in den anderen kerken, velichte eyn mäl umme de 
soste wökene, so de predicatores unde dat volck in den anderen 
kerken sulcks gerne willen hebben. 

e cantica, edder tome högesten dre, in figurativis up eyn 
singen, is genöch növen den orgelen, dat me des nicht 
erde unde unschicket anrichte. Wente andere löde, lati- 









to schal he erwelen dre edder vehr gude jungen, de 
sanck vaste konen holden, overs alle andere jungen in 


hebben) de kan me wol regeren, dat se metich singen unde höreu 
na der! anderen. Sus scholen in der schole alle kyndere unde 
jungen | singen leren. 
' 
i Van dem ordele des scholemeysters 
| över de jungen. 


Wen de jungen in de schole hebben gegän unde synt ge- 
ıs worden xii jär olt, so schal de scholemeyster den ölderen in 
gudeme loven anseggen, so etlike gantz nicht leren konden. 


De anderen de wol leren konen schal he, wen se xvi jar 
olt synt, mit disser wise underscheyden. De he vornympt, wo 
wol se vor sick geleret synt unde genöch geschicket, nicht so ge- 

»o ärdet, dat se in der gemeyne andere vortan konden leren, den 
rade he, dat se vortan by sick öven wat se geleret hebben, unde 
leren eynne redelike unde gotlike nöringe nach der werlde lope. 
De overs bevunden werden, wo wol de weynigesten, dat se ge- 
schicket konnen werden andere to leren unde mechtich öre kunst 

3; to brucken, de offere me Gade, dat se ander lüden dönen imme 
geystliken unde werliken regimente. Sulker lüde bedarff me. Eyn 
is to tiden böter deme gemeynen besten wen teyndusent andere. 

Dat hete wy overs hyr Gade offeren— wo wol wy alle scholen 
Gade geoffert syn — dat me sulke nicht late kamen to handwerken, 

sid were denne nöt, edder to andereme werlikeme handele, de 
neringe andrapende, sonder me sende se to studören vortan, so 
lange se des bedarven, eynnen jeweliken to den kunsten dar he 
to geneget is. Synt se arm, me geve en tohulpe mit sulkeme 
beschöde, dat se uns vorbunden scholen syn vor unsen sold to 

s dönen, wen wy se uth deme studio edder uth eynneme anderen 
dönste to uns forderen. 

5* 








En 


36 Montimenta Germaniae paedagogica I 


Men wert velichte ock frame rike lüde vinden by uns de 
to sulken gelerden unde geschickeden armen werden sondä&gen 
sold maken, dar mede se mogen studären, tome gemeynen beten 
unde veler salicheit. | 

Wy hebben unse kyndere dar hen gegeven, dat se wapen; 
unde monnike wurden. Were id nicht böter, dat wy unse kyndere 
mit unseme vormoge also Gade geven, to veler lüde nutticheit 
unde salicheit? Wurden se nicht de rikesten syn, mit groten hü- 
seren,ackeren unde höven unde gelde,so wurden se doch de nuftesten 
syn, unde Got wurde örer ock nicht in der neringe vorgötn. m 





Dat de scholen bestendich mogen syn. 


De superattendente edder öÖverste prediker mit syneme helper, 
neven vyff personen des rades uth den viff wickbelden unde neven 
den schat casten heren, scholen alle halve jare de beyden scholen 
visiteren, to besehn, efit id ock in allen dingen nach der orde- 
ninge, ersten angevangen, recht to gha ıc. Ock scholen neyne ı 
winkel scholen gestadet werden, dar dorch den rechten guden 
scholen moge afbroke geschehn ıc. 


Van den düdeschen jungen scholen. 


Den beyden düdeschen scholemeystern, van deme erbarn 
rade angenamen, schal me des jares ut der gemeynen schat casten 
geschenke geven. Dar vohr scholen se schuldich syn, ören jungen » 
to etliken tiden wat gudes to leren uth deme wörde Gades, de 
teyn gebot, den loven, dat Vader unse, van den beyden van 
Christo ingesetteden sacramenten, mit korter düdinge, unde christ- 
like senge ıc. 

Sus scholen de jungen de se leren en, den sold unde lohn » 
vor ören arbeid geven, deste riker unde mehr, de wile se nicht so 
lange derven leren alse de latinischen, ock dar umme dat sulke 
ıneystere neynen anderen sold hebben. 


Van den juncfrawen scholen. 


Vehr juncfrawen scholen scholen geholden werden, in vehr 
örden der gantzen stadt wol gelegen, darumme dat de junck- » 
frawen nicht verne van ören elderen scholen gän. De schole- 
meysterinnen wil eyn erbär radt vorschafflen unde annemen, de 
in deme evangelio vorstendich syn unde van gudeme gerüchte. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 8 37 


Den schal me ock eynner jeweliken uth der gemeynen schat 
casten geschenke geven unde laten en neyne nöt liden, alse der 
gantzen stadt christlike denerinnen. Dar vor scholen se weten, 
dat se der stadt mit öreme sulkem denste vorplichtet synt. 

5 Den sold overs unde dat lohn vor ören arbeyt scholen de 
ölderen der junckfrawen, so se vormögen synt, deste mehr unde 
rikeliker geven unde betalen alle jare, unde andehl des järlones 
alle verndel jares, unde to tiden wat in de kokene, de wile sulke 
lere moye unde arbeyt by sick hefft, unde wert doch in ringer tidt, 

ı uthgerichtet. "Wente de junckfrawen darven alleyne lösen leren 
unde hören etlike düdinge up de teyn gebade Gades, up den loven 
unde Vader unse, unde wat de döpe is unde dat sacramente des lives 
nnde bludes Christi, unde leren uthwendich upseggen etlike spröke 

ıyen testamente, van deme loven, van der löve unde 
tu io cwier erütze, unde etlike hilge, den junckfrawen denende 
historien edder geschichte, to övinge örer memorie edder ge- 
dechtnisse, ock mit sulker wise intobyldende dat evangelion Christi, 
dar to ock christlike senge leren. Sulcks könen se in eynneme 
jare edder tome högesten in twen jaren leren. Darumme geden- 
» cken de öldern ock, dat se den meysterinnen nicht toringe geven 
vor sulken arbeid, wo wol in korter tidt gedän. 

Unde de Juncfrawen scholen men eynne stunde, edder tome 
högesten twe stunde des dages in de schole gän. De andere tidt 
scholen se överlösen, item den ölderen däönen unde leren husholden 

3; unde tosehn :c. 

Van sulken juncfrawen, de Gades wört gevatet hebben, 
werden dar na nutlike, geschickede, frölike, fruntlike, gehorsame, 
gadesfrüchtende, nicht bylövische und &genköppesche hüs moderen, 
de öre volck in tüchten konen regören, unde de kyndere in gehorsame, 

» eren unde Gades früchten uptehn. Unde de kyndere vortan werden 
öre kyndere ock so uptehn, unde so vortan kyndes kynd. Schal 
overs wat dar manck nicht wol geraden, dat möt me Gade re- 
gören laten. Wy scholen dat unse dohn, alse uns Got bevalen 
hefft. O wo böse were id, wen me sulke gude örsake vor de 

ss unwetende jöget nicht vorderde. 

So övere eyn: borger gantz arm were unde wolde syne dochter 
ock gerne leren laten, de spreke de vorstenderen der gemeynen 
casten der armen to in syner pare, dat se wolden sulck uthrichten 
umme Gades willen ıc. 


38 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Vam singende unde lesende der er ke 
in der kerken. 


Vele de gelört synt möten bekennen, dat id en tor lere 
unde tor memorie geholpen hefft, dat se in der jöget mosten singen 
psalme unde etlike antiphen unde responsoria :c., welk ock plach 
mit guder möticheit gewönlick syn in kleynen steden unde ock 
in groten, alse noch, dar me nicht singet horas canonicas unde s 
andere dinck des neyn ende is, dat ock vordretlick is geworden 
den presteren unde bevalen den drunkenen chorschöleren. 

Darumme wille wy sulke nutticheit unsen kynderen ock 
hebben, dat se avent unde morgen singen unde lösen alle dage, 
welk me plecht to nömen vesper unde metten. Unde de to vorne ı0 
so geleret hebben, scholen unsen kynderen dat ock nicht vor- 
gunnen, se scholen de brugge nicht upwerpen, wen frame lüde 
over dat water willen navolgen. Wat en geholpen heflt, wert 
anderen ock helpen unde schal nu dorch Gades gnade mehr noch 
helpen, de wile id mötich schal unde schickelick gehölden werden, ı5 
deme anderen studio unschedelik unde unvorhinderlick, dar to 
ock neyne antiphen, responsorium edder wat anders schal gesun- 
gen edder gelesen werden, id sy denne alleyne uth der hilgen 
scrifft unde nach der hilgen scrifft meyninge. Dar up scholen 
sehn de scholemeystere, dat id nicht anders to ga. Ock schal » 
nu böter viyt vohrgewendet werden, dat de kyndere dat latin 
dat se singen unde lösen, leren vorstahn. Mit sulker wise werden 
se gewanet tor hilgen scrifft schyr mit spele gande. Darumme 
schal id alle dage mit disseme stucke geholden werden, alse hyr 
na steyt. 25 

Alle werkel dage schal de cantor to sunte Marten unde de 
cantor to sunte Catharinen mit allen jungen syner schole in de 
kerke, tor scholen belegen, gan, des morgens to achten, des aven- 
des to twen, doch up sulke tidt, dat de predige nicht dar dorch 
werde vorhindert. De costere in den 'beyden kerken scholen dar » 
to lüden, up tidt alse en de scholemeystere unde predicanten dar 
sulvest bevehlen werden. Deme cantor schal noch eyn van den 
gesellen helpen, dat se konen psalme singen up beyden choren. 

Des morgens scholen twe jungen up eynner sundergen stede 
imme chore anheven eynne antiphen, unde balde na deme an- ss 
hövende scholen twe andere jungen, ock up eynner sundergen 
stede, anhöven eynnen psalm van den de me nömet de metten 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 8 39 


psalme, nach deme tono der antiphen. Den sulvigen psalm unde 
noch eynnen edder twe dar to, dar na se lanck edder kort synt, 
schal me up beyden chören, versch umme versch, latinisch mit 
deme Gloria patri, uth singen, dar to eynnen octonarium uth 

s deme psalme Beati qui sunt integri in via etc. mit deme Gloria 
patri, unde dar up de antiphen. 

De psalme scholen nicht overgerumpelt werden, sunder fyn 
syllabatim pronunciöret, mit eynnem gudeme medio, unde dat up 
deme anderen chore nicht werde dat andere versch angehaven, 

wehr dat vorneste uthe is. Jagen wert jo neyn nöt syn, me nöme 
deste weyniger psalme unde singe de sulvigen recht. Overs dat 
unbeschödelike unde festlike monnekesl&pent lavet ock nemand 
de vorstand hefft. Gelörde gesellen werden sick wol hyr inne 
schicken mit den kynderen. 

15 Balde na der antiphen schal ein junge bereyt syn, vor dem 
pulmete dar me id wol hören kan, unde lesen eynne latinische 
lectie uth deme nyen testamente, sosse edder achte regen lanck, 
nicht vele, dar na id de sententie liden wil. De lectie schal ge- 
lesen werden mit sulkem tono, alse me lectien plecht to lösen in 

» der metten, dat ende overs, alse me plach enden, wen me las eyn 
prophetia, also: sol sol sol la sol fa fa. Iube domine, edder 
Tu autem domine, darven se nicht seggen, sonder scholen an- 
heven mit deme titel des bokes unde des capitels dar uth se lösen, 
also: Lectio sancti evangelii secundum Mattheum capite primo, 

» secundo 2c., Lectio epistole besti Pauli apostoli ad Romanos 
capite duodecimo zc., Lectio Actorum apostolorum capite quinto ıc., 
unde in der avent lectie: Lectio libri Geneseos capite primo. In 
principio creavit Deus :c., item Lectio Essie prophete capite etc. 
Na deme ersten jungen schal balde eyn ander vortan lesen, ock 

»so, doch ane vohr rede, unde flux na deme anderen de drudde 
ock so, dat se to samende uth lesen eyn halff capitel edder eyn 
gantz, darna de capitele lanck edder kort synt — wente etlike 
capitele synt so lanck, dat me wol dre morgen konde dar uth 
lesen ix Korte lectiones — dat de kynder nicht dar mede be- 

sschweret werden unde so weynich desto vlitiger leren. Na den 
dren schal de vörde junge balde, wat de anderen latinisch hebben 
gelesen, düdesch lösen, doch nicht mit gesange, sonder lude 
unde slicht, alse me plecht eyn evangelion up dem predick- 
stole to lesen, nicht stamerende, nicht hastich, nicht unvorsten- 

« dich, sonder bedütlick, beschedelick, distinete unde fYyn uth deme 








40 Monumenta Germaniae paedagogica I 


munde vorstentlick. Darumb möten ock de schat casten heren 
in allen paren vorschaffen in de scholen latinische unde düdesche 
biblien. 

Balde dar up schal de cantor alleyne singen dat erste halve 
versch vamme Benedictus, nach deme tono der antiphen de he; 
gedenket na deme Benedictus to singen. Dat Benedictus schal 
geendet werden na gewänheit up beiden chören. 

Na der antiphen late me de kyndere up de kne vallen unde 
segge: Kyrie eleison, Christe eleison, Kyrie eleison. Pater noster. 
De predicante spreke: Et ne nos. ÖOstende nobis domine mise- ı0 
ricordiam tuam. RBesponsio: Et salutare tuum da nobis. Do- 
minus vobiscum. ÖOremus cum collecta. Rursum Dominus vo- 
biscum. Dar up singen twe kyndere Benedicamus. 

Dit alle, wen me id gewanen wert, wert kume eynne halve 
stunde waren. 15 

De cantor schal den kynderen mennigerleye gude anti- 
phonen leren, dat nicht vordrätlick stedes eynnerleye werde ge- 
sungen. Möt he doch sus alle dage eyne stunde mit den jungen 
singen, mit etliken wat behendes, mit anderen wat ringes unde 
graves. 20 

Des avendes edder to der vesper schal id na aller wise mit 
der antiphen vohr unde mit den vesper psalmen, doch ane den 
octonarium, geholden werden alse des morgens. De vehr lectien 
overs scholen syn uth deme olden testamente. Dar na schal me 
singen de kostelen hymnos feriales, alle dage eynnen, eder ock ss 
to tiden andere fyne hymnos Ambrosii, Prudentii :c., der hilgen 
scrifft gelickmatich. Unde na deme hymno dat Magnificat, alse 
vamme Benedictus gesecht is. Dar na Kyrieeleyson ıc. 

Des hilgen avendes overs unde des hilgen dages tor vesper 
schal id ock so geholden werden in allen vyff groten paren. » 
Wente denne schal eyn geselle in syne pare gän, mit den jungen 
de dar öre olderen hebben. Eyn predicante mach em de psalme 
up eynnem chore helpen singen. Övers na den lectien, ehr me 
den hymnum singet, schal me singen eyn responsorium, unde de 
ungelerden kyndere, de ersten singen leren, scholen dat versch 35 
alleyne singen in deme responsorio mit deme Gloria patri. Na 
deme Benedicamus schal me lesen Nunc dimittis, lancksam, mit 
eynneme medio, doch sine tono, up beyden choren de versche 
umme schicht, mit deme Gloria patri. Dar up balde gesungen 
den hymnum tome heren Christo: Jesu, redemptor seculi, verbum « 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 8 41 





patris altissimi 2c., mit gelikeme sange unde mit eynner langen 
note edder pause, wen.eyn dimetrum uthe is, welck ock fyn 
were in anderen hymnis to holden. 
Na deme hymno, wen dat Amen gesungen is, so late me 
s de kyndere by paren tuchtich uth der kerken gan, unde up deme 
kerckhave geve me en vorlöff:ıc. Wente se overs up sulke hilge- 
avende unde hilgedage scholen in öre pare kamen, so lere me se, 
dat se sick nicht samelen up eynne stede in der kerken unde 
driven böverye, sunder eyn jewelick nöäme löver mit sick synen 
ıo psalter, edder syn nye testamente, edder wat anders, unde lese 
in eynner banck edder stede, so lange dat na deme lüdende de 
geselle uth der scholen kumpt unde kloppet mit deme stocke 
imme chore. Denne scholen se tüchtig int chör gän :c.. 
Des sundages up den morgen, wen me den catechismon 
ıs hefft in den paren geprediget unde eyn düdesch l&t dar na ge- 
sungen, scholen dar bereyt: syn, alse des avendes to vorne, de 
kyndere de in de pare hören mit öreme gesellen unde lesen la- 
tinisch up beyden chören, lancksam, sine tono, umme schicht, 
den catechismon mit disser wise. 


20 De geselle schal ersten mit lancksameme unde middelma- 
tescheme stemmen spreken: 
Hec sunt precepta domini Dei nostri. 


Na deme sulvesten stemmen scholen de kyndere alleyne, 
lancksam unde beschedeliken, up beyden chören, umme schicht, 
» eyn jewelick chor syne röge lösen, alse hyr de rögen na synt 
gescröven: 
Ego sum dominus Deus tuus. Non habebis deos alienos 
coram me. 
Non assumes nomen domini Dei tui in vanum. 
30 Sabbatum sanctificabis mihi. 
Honora patrem tuum et matrem tuam, ut sis longaevus 
super terram. 
Non occides. 
Non maechaberis,. 
35 Non furtum facies. 
Non loqueris contra proximum tuum falsum testimonium. 
Non concupisces domum proximi tui. 
Non concupisces uxorem eius, non servum, non ancillam, 
non bovem, non asinum nec omnia quae illius sunt. 


42 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Vortan na der sulvigen wise 
spreke de geselle: 


Hi sunt articuli nostre fidei. 


De kyndere ummeschicht alse tovorne: 

Credo in Deum patrem, omnipotentem, creatorem coeli et; 
terre. 

Et in Iesum Christum, filium eius unicum, dominum nostrum. 

Qui conceptus est de spiritu sancto, natus ex Maria virgine. 

Passus sub Pontio Pilato, crucifixus, mortuus et sepultus, 
descendit ad inferos. 10 

Tertia die resurrexit a mortuis, ascendit ad coelos, sedet ad 
dexteram Dei patris omnipotentis. 

Inde venturus est iudicare vivos et mortuos. 

Credo in spiritum sanctum. 

Sanctam ecclesiam catholicam, sanctorum communionem. 15 

Remmissionem peccatorum. 

Carnis resurrectionem. 

Et vitam eternam. Amen. 


Vortan de geselle: 
Hec est oratio dominica. ’0 


De kyndere: 

Pater noster qui es in coelis. 

Sanctificetur nomen tuum. 

Adveniat regnum tuum. 

Fiat voluntas tua, sicut in coelo et in terra. = 

Panem nostrum quotidianum da nobis hodie. 

Et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus 
debitoribus nostris. 

Et ne nos inducas in tentationem. 

Sed libera nos a malo. Amen. 


De geselle: ” 
Mandavit Christus, ut baptizemur in ipsum, dicens. 


De kyndere: 


Ite in mundum universum et praedicate evangelium omni 
creaturae. 
Qui crediderit et baptizatus fuerit salvus erit. 3 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 8 43 





Qui vero non crediderit condemnabitur. 
Data est mihi omnis potestas in coelo et in terre. 
Euntes ergo docete omnes gentes, ut servent omnia que- 
cunque ego precepi vobis. 
s Baptizantes eas in nomine patris et filii et spiritus sancti. 
Et ecce ego vobiscum sum omnibus diebus, usque ad con- 
summationem seculi. 
Nisi quis renatus fuerit ex aqua et spiritu, non potest in- 
troire in regnum Dei. 
10 Quod natum est ex carne caro est, et quod natum est ex 
spiritu spiritus est. 
De geselle: 


Hec est institutio sacramenti corporis et sanguinis 
domini nostri Iesu Christi. 


15 De kyndere: 


Dominus noster Iesus Christus, vescentibus discipulis, in ea 
nocte qua traditus est, accepit panem. 
Et cum gratias egisset, fregit deditque discipulis suis et ait. 
Accipite, comedite, hoc est corpus meum quod pro vobis datur. 
20 Hoc facite in mei commemorationem. 
Similiter et calicem, postquam caenavit, accepit et gratiis 
actis dedit illis, dicens. 
Bibite ex hoc omnes. 
Hoc poculum novum testamentum est in meo sanguine, qui 
as pro vobis effunditur in remissionem peccatorum. 
Hoc facite, quociescungue biberitis, in mei commemorationem. 
Quociescungue enim comederitis panem hunc et biberitis 
poculum hoc, mortem domini annunciatis, donec venerit. 


Wen de catechismus latinisch so up beyden chören umme- 
» schicht gelesen is van den kynderen, so scholen balde bereyt stän 
ii jungen de de antiphen anheven, unde twe de den psalm an- 
heven, dat me singe psalme mit eynnem edder twe octonariis 
unde lese lectien, alse tovorne gesecht is. Na den lectien schal me 
singen eyn responsorium, unde de kleynen kyndere scholen midden 
3 imme chore tosamen kamen unde singen dat vers unde dat Gloria 
patri. Dar na schal me singen Te Deum laudamus latinisch, 
dat mach me ock to etliken tiden up den orgelen spelen, alse 
ock tor vesper den hymnum unde Magnificat. 





44 Monumenta germaniae paedagogica I 


Na dem Te Deum Kyrieeleyson ut supra cum collecta et 
Benedicamus. Dar na scholen de kyndere ruhm hebben vor der 
missen ein weynich heym to gan. Darumme möt me dat Te 
Deum up den orgelen nicht lange spelen, besundergen des wynters. 

De leyen de up disse tidt lust hebben in der kerken tos 
syn, de mogen gän in de kerken dar me up diesse tidt prediget 
unde hören Gades wört. Willen se gerne Te Deum laudamus 
düdesch singen, alse se ock g&rne scholen dohn, so singen se des 
namiddages wör me prediget, dar hebben se rumes genöch to 
singen, so doch, dat dat singent der predike wike. Sulke la- ı0 
tinische gesenge werden den leyen öre düdesche gesenge nicht 
vorhinderen, wente se werden gesungen werden, wen de leyen in 
der kerken mit predigen tohören nicht to schaffen hebben. Se 
werden doch sus genöch düdesch to singen krigen. Wente vor 
allen sermonen unde na allen sermonen scholen se singen, unde ıs 
dat meyste van der missen. 

Wen overs wör eyn sermön schal geschehn, unde dar sul- 
vest singen de kyndere vesper, so schal id so to gän. De psalme 
scholen de kyndere latinisch singen unde de lectien l&sen, alse 
gesecht is. De wile sammelen sick de leyen. Balde na den » 
lectien scholen de leyen unde scholere umme schicht singen eyn 
düdesch 1&t edder eynnen düdeschen psalm. Dar up schal volgen 
de predige. 

So hebben id de hilgen bisschope edder prestere wandages 
geholden. Wen öre volk to samende quam, so las me där unde » 
sanck wat gudes uth der hilgen schrifft, deme volke to beteringe, 
alse noch na wiset de singende misse. Unde de bisschop trat 
up unde lerede dat volck unde löde em vohr uth der hilgen 
scrifft, nicht eyn gantz caput, sunder eyn part van deme capite, 
welk me darumme hefft genömet capitulum, dat is eyn kleyn » 
caput edder eyn part van deme capite. Also synt noch vor- 
handen de homilien der doctorum, dat synt predigen, alse se 
deme volke de evangelia geprediget hebben. Augustinus hefft 
den gantzen Psalter syneme volke geprediget, alse dat grote bock 
Augustini betüget, welk up den Psalter gescreven is. Item hes 
hefft sermones gedän de verbis domini. Item de verbis apostoli. 
Des geliken Ambrosius ock, Chrysostomus unde de anderen alle etc., 
so lange dat andere prestere edder bisschoppe wen de, de Paulus 
bescrivet, synt geworden. De hebben mit ören monneken unde 
papen dat capitulum in de bedeböke gebracht, dat se also mit « 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 8 45 





eynneme Deo gratias dar van könen kamen. Scholden se dat 
capitulum up den predickstöl bringen, so wolde id mehr moye 
kosten. 

Darumme is ock alle unse kynder singent, ock wen me 

s nicht prediget up de stunde, dar hen gestellet, dat se nicht alleyne 
dar dorch geövet werden unde gewennet tor hilgen scrifft, sonder 
ock, so etlike andere in der kerken weren, mögen to hören lectien, 
latinisch unde düdesch, nach öreme vorstande, alse Paulus leret 
1 Corin. xiiii. 

10 Wen nu de predige under der vesper, alse gesecht is, uthe 
is, so schal me wedder eyn düdesch 1&t singen na deme böde. 
Dar mede geyt dat meyste volck wech. So scholen de kyndere 
den hymnum unde Magnificat ete. vortan singen, dar to mach me 
up den orgelen spelen. Dat responsorium overs mögen se denne 

ıs anstän laten, dat id nicht to lange ware. Sulke vesper wert 
alleyne tho vallen des hilligen avendes, wör de superattendente 
unde syn adjutor predigen werden. 

Wen de kyndere des sanges gewanet werden, so schal de 
cantor en dre responsoria leren, dat de gesellen mit en singen 

» des hilgen avendes eyn, dat ander des hilgen morgens, dat drudde 
des anderen avendes, dat so de kyndere deste mehr leren singen. 
De cantor mit den gesellen scholen sick ock in den antiphenen 
unde responsorien unde hymnis schicken nach der tidt unde nach 
den festen, doch dat uth der hilgen sorifft sy de sanck, edder 

sus nicht unchristlick. Sulck kan me wol üth den sanckböken 
uth notören, dat me id des anderen jares wedder kan singen, 
so me nicht böters wet edder hebben kan. Dar to scholen se 
ock geschicket syn mit den lectien uth deme olden testamente, 
dat se de kyndere wisen up de böke, dar uth se mögen leren 

» de historien unde gude leren unde prophetien. Darumme mögen 
se wol v&le capitele ungelösen laten, den kynderen nicht sun- 
dergen d&nstlick. Dat nye testament schal gantz gelesen werden. 

De scholemeystere scholen ock vlitich dar up sehen, dat 

up etlike tide unde feste de dageliken kercklectien nabliven, unde 
ss sunderge lectien werden gelesen, de sick wol rymen mit den festen 
unde sundergen tiden, id sy des avendes edder des morgens, uth 
dem olden edder nyen testamente, dar is nicht angelegen, alleyne 
dat id ordentlik to ga, to beteringe der kynderen. Also mach 
me van dominica Judica bet up Paschen des avendes unde morgens 

«lösen laten uth den vehr evangelisten wat gescreven is vamme 


“* 


46 Monumenta germanise paedagogica I 


lidende Christi, unde dar manck ock dat xiii. capitel Joannis. 
De Paschen w&ke över, wat de vehr evangelisten van der 
upstandinge Christi gescreven hebben, dar to den sermon Christi 
na deme letsten aventmale gedän, welken Joannes bescrifft cap. 
xiiii. xv. xvi. xviii., so lange na Paschen, dat se den uthlesen s 
des avendes unde morgens. Uppe Ascensionis Act.1. Up Pynxten 
dat andere capitel, dat drudde, dat vehrde edder mehr ex Actis 
apostolorum. Up Wynachten uth deme Luca unde etlike prophetien 
üth dem propheten Esa. ix. xi. zii. xxv. xxxv. xl., unde schyr 
vortan wat me wil usque ad finem libri. Item Ezechielis xxxiiii., ı0 
Michee iiii. unde v. unde andere prophetien mehr. Des geliken 
mogen se ock up andere tide dohn unde vorordenen wat nut- 
bares den jungen to lesen, unde achten dar up, dat de jungen 
jo bescheydelick leren lesen unde merken unde mit rechter wise 
lösen de cola, commata unde periodos unde interrogationes, unde ıs 
wen se pauseren, de monosyllaba unde indeclinabilia ete. Sulke 
texte ouers, wen de vele synt, up sunderge tiden gelösen, kan 
me wol stän laten, wen se wedder vohr vallen in den dageliken 
lectien. 

Den psalm Beati qui sunt integri in via 2c. schal me des » 
morgens neven den anderen psalmen so vordehlen, dat he uth 
kumpt umme de drudde wöke. Dat kan also geschehn. Des sunda- 
ges, wen me en anvenget, so schal me singen twe octonarios, doch 
mit eynneme Gloria patri, uppe den anderen twen sundagen 
unde allen werkeldagen men eynnen octonarium, so kumpt he ss 
uth, dat me en des vehrden sundages mit twen octonarien to singen 
wedder anvenget. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 9 47 





9 


Schulordnung der städtischen Lateinschulen. 
1535. 


— 


ORDENINGE SO EIN ERBAR RADT DEN SCHOLMESTERN 
DER DRIERSCHOLEN MARTINI CATHARINE UND EGIDI 
VORGESCREVEN UND GESTALT HEFFT. 
a0. d. 35. 


5 Nafolgende artikel wyl eyn erb. radt von den wolgelarten 
den scholmestern und ohren gesellen der drier scholen, alse 
Martini, Catarine und Aegidii, stede, vast und unvorbroken ge- 
holden und gebetert hebben. 

Tom ersten dat se willen eyner ydern stunde ore deputerden 

»w lectien vorordenen und bestellen, und varietatem und mannich- 
foldicheit vormiden. 

Tom anderen dat se sick daranne so vele mogelick beflytigen, 
dat de lectien, so se up eyn halff yar anfangen und eyner ydern 
stunde vorordenen worden, geendiget mochten werden. 

13 Dat men ock vor beide primam et secundam classes horam 
scribendi alle werkeldaghe vorordene. 

Darto dat alle knapen des dages eyne halve stunde syngen 
und de andern halvestunde precepta musices lernen. 

Dat men ock actum declinationis over de gantzen schole 

»» holde und darinne der andern resumerden und gelesen lectien 
halven recapitulation make. 

Dat ock alle dage de defectus schole vorhort und myt fiyte 
darup geseyn werde, dat eyn ider to rechter tidt uth und ynga, 
und dat men der kynder by den harn over de blocke to werpen 

3 vorschone, sunder se myt roden, wo sick gebort, wan se dat 
vorschuldit, straffe. 

Item dat de scholmester und ohre gesellen myt den knapen 
latyn reden und onen gude kunste und darbeneven mores lernen, 
ock dartho holden, dat se up der strate under enander latyn 

» spreken und gude sede voren. 


48 Monumenta Germaniae paedagogica I 


—— — un 





Item dat men alle weken eyns von den knapen, so des 
vorstendich syn, latinische eptstolen fordere, und dat se ock 
desulven mosten defenderen. 

Item dat men alle xiiii dage itlige lichte position wolde 
yn der schole an eyn breth intimeren und den knapen des ersten ; 
deils lernen, wo se argumenteren, assumeren und negeren scholden. 
Eff ock junge borger und ander, de des vorstendich, darto lust 
kregen, dat se sick ynm sodaner disputation mochten bewisen, und 
dat darto eyn namhafftiger dach uthgesettit worde. 

Item dat ock den knapen tor weken nicht mehr dan eyn » 
halver speldach nagelaten und vorgunstit werde. 

Item dat men ock yn poesi ex probatis autoribus eyne stunde 
mede neme, alse uth dem Virgilio, Ovidio edder Mantuano, idoch 
dat alle lection so mochten gestalt und gemetiget werden, dat 
se den vorstandt der knaben nicht overtreden und obtundarden. ıs 

Dat se ock ohren scholearbeidt, wat se von eyner stunde 
yn de andern resumeren, summarie up eyn breth anslan, yn 
edder vor der schole hangende hebben, up dat sick eyn yder 
ores arbeydes daruth erkunden moge. Dat ock darna de exami- 
natio der knapen yn den visitationibus, de nu mer den wynter » 
kort vor edder na Winachten, und den sommer kort vor edder 
na sunte Johannis dage schal vorgenomen, moge gerichtit werden. 

Id schullen ock alle morgen de knapen up den klocken- 
slach, wan se tor schole komen, myt eynem christligen gesange 
divinum auxilium imploreren, und desgeliken den namiddach s 
to xii slegen und up den avent. wan se uthgan, ore studium 
mit gesange endigen. 

Men wil ock nicht, dat jennige privat lection werden vor- 
genomen, de den ordinariis lectionibus mochten nadelich syn; 
sunder wanner de dageligen stunde bestalt und wol vorheget » 
werden, wolde dennoch imants wes yn sunderheit darover ane 
sunderlige beloninge und to bytiden lesen, scholde ome hirmede 
nicht benomen syn. 

Id schullen ock de knapen yn der tydt, wan de visitatio 
gescheyn schal, darup nicht unterrichtit edder instruert werden, ss 
wat me se examineren wille, sunder id schal de superattendens 
macht hebben, eynem idern magistro und gesellen de knaben 
tovorhoren tobevelen an dussem edder yennem orde uth den 
lectionibus, de men one dat halve jar resumerde, up dat de knapen 
dar dorch angeholden mogen werden, alle lectiones mit flyte to « 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 9 49 


Le 


continueren, wo dan sodans dem hern superattendenten am for- 
drechligsten entwerder yn dialectica, oratoria, gramatica edder 
poesi ratsam beduchte, 
Id schal ock de scholmester de fibulisten und klenen knapen 
ssinen gesellen divideren und ein idern einen gewissen tal to- 
ordenen, und schal ein ider scholgesell de knapen so om in siner 
division gefallen des dages ver mal, alse twige vormiddage und 
twige namiddage, examineren und vorhoren. 
Id schullen ock alle scholemester myt oren gesellen alle 
ıo virdage myt den knapen up geborlige und bestemmede tidt to 
chor uth und yngan, und de scholemester unde cantores den 
baculum foren, und eyn ider ym chor syne stede kleden und 
up de kynder seyn, dat se sick schickerlick moten holden. Und 
schullen de scholemester darup grude achtinge geven, dat ohre 
ıs scholen und de knapen wol regert und ertogen, ock de gesellen 
eyn yder syne stunde und lection so om upgelecht worde myt 
fiyte temptere und ware, und sick eyn yder by synem stande 
so flytigen bewise und schicke, alse he dat vor dem almech- 
tigen, dem erb. rade und mennichligem wete und truwe tovor- 
0 antworden. 


10 


Lehrpläne der städtischen Lateinschulen. 
1535. 


nz 
LABORES SCHOLARUM MARTINI, CATARINE ET EGIDL. 


A 
LABORES SCHOLAE MARTINIANAE. 


Hora 6: Prima classis discit colloquia Erasmi. 
Secunde classis pueri interim audiunt locos communes, a 
quibus exigetur inflecttendi nominum et verborum, etiam 
sintaxeos ratio. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 4 


50 Monumenta Germanise paedagogica I 





Interim elementarii recitant lectiones, et examinantur scrip- 
turae quas vesperi domi scripserint. 


Hora octave itur in chorum. 


Hora 7: Defectus scolae examinatur. Mox duabus classibus sin- 
taxis traditur. 5 


Doctioribus primae classis prelegitur Philippi dialectica. 
Secundae classis pueris aetimologia interpretetur. Tercia 
reddit leotionem. 


A prandio hora 12 aut docetur musica aut cantatur. 


Hors 1: Omnibus primae classis et plerisque secundae pueris Te- ı 
rentii comedia prelegitur. Secunde classis pueris aetimologie 
prelegitur. 


Hora 3: Prima et secunda classis audiunt Aesopi fabulas. Tertia 
classis reddit ut alıis horis suam lectionem. 


Hora secunda cantantur vesperae. 15 


Hora4: Prime classi die Lune die Mercuriique Virgilius prelegi- 
tur. Item die Martis Cicero traditur. 


Interim pueri elementarii discunt cathechismum et Latinas 
voces quas domum portabunt. 


Die Iovis hora 9 Erasmus de civilitate morum universis prelegitur. so 


Die Saturni a sexta usque ad septimam interpretantur pueris prime 
et secundae classis sentencie Solomonis, et interim minu- 
tioribus cathechismus traditur, 


Singulis septimanis primae classis pueri disputant in Philippi dia- 
lectica. | 2 


Dialeetica alias prelegitur die Martis et sexte feria hora none. 


Die Iovis vero pueris doctioribus prelegitur elementale Grecum 
hora 9. 


Pueri quoque sexta feria exhibent epistolas. 


Singulis quoque mensibus, si non aliud exercende memorie argu- so 
mentum in promptu est, instituitur declamatio in ludo, 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 10 51 


Sabato hora nona prime, secunde et tercie classi cathechismus 
traditur. 


Die Iovis hora prima pueris audientibus Terentium preleguntur 
institutiones rhetorice in Coenobio. 


B 
LABORES SCHOLAE CATHARINIANAE. 


Reverendo domino Martino Gorolitio, ecclesiae Bruno- 
politanae superattendenti dignissimo ac suo in Christo 
fratri et compatri dilectissimo M. Philippus 8. 


5 En tibi aliquando tandem non modo labores nostros, quos 
tu solos petisti, sed alia etiam omnia, que quidem hac tabula 
continentur, quae olim iam in nostro ludo e paxillo suspensa a 
nobis omnium ostenduntur oculis. Sive hanc stulticiam, sive li- 
beralitatem voces, licebit. Ego certe eo adtexui, ut, si quid plus 

10 minusve aequo bonoque insit, ad tuum iudicium mutem, cui omnia 
nostra vel stare merito vel cadere semper debent. Adde quod 
forsan aliquanto facilius videbis, rectene an secus nostrae doctri- 
nae puerili captui accomodentur, si ingenia ipsa puerorum ac 
profectum hic ceu quadam in tabella depictum contuebere. Vale. 

ıs Pridie Calend. Octob. 35. 


Ad lectorem praefatio. 


Animadverso, quod imprudentissimi quique ad improbe iudi- 
candum de rebus optimis maximis, literis videlicet ac pietate, summa 
ımpudentia simul et audatia passim ruant, tum quod in tanta iudi- 
cantium turba atque colluvie nostri quoque oflicii functio multum 

30 sepe sermonis censureque subeat, visum est nobis nostrae scholae 
morem ac laborum rationem in hac tabula ob oculos omnibus 
ponere, in hoc utique, ut vulgaria iuditia et sentencias de nobis 

| minus post moremur, si que in formandis pueris facimus sanis 
| doctisque hominibus probentur, maxime illi}; quos amplissimus 

33 Idemque prudentissimus huius inclitae urbis senatus ludorum litera- 
riorum visitatores esse voluit, sin improbentur, uti sic eliciamus 
extorgqueamusve premonstrationem rectiorum, que secuti de pueritia 

4# 


52 Monumenta Germaniae paedagogica I 


ipsa adeoque hac civitate laudatissima melius mereri et admini- 
strati oflieii probabiliorem rationem reddere queamus, non solum 
in hac ecclesia sobriis eruditisque viris, verum olim ipsi etiam 
Iesu Christo, domino ac deo nostro, cum ad eius tribunal siste- 
mur. Cui sit cum patre et sancto spiritu laus, honor et gloria > 
in omnia secula.. Amen. 


SCOLAE CATARINIANAE ORDINATIO QUAM EIUSDEM RECTOR 
SEMPER SERVARE EANDEM COGITAT, NISI HONESTAE 
GRAVESQUE CAUSE NONNIHIL MUTARE COGANT. 


Puerorum in classeis divisio et in qua classe quales. 


Principio, quemadmodum tres sumus quos amplitudo ac 
prudentia senatus in hac schola docere iussit, ita explorata aetate, 
natura ac profectu puerorum, eos divisimus in tres omnino, sive 
ordines dicere sive classeis malis, quamquam ingens dissimilitudo 10 
ingeniolorum, multiplex item variaque infirmitas, plures utique 
postulet. Prima seu summa classis hosce continet qui non nullum 
jiam in gramatticis profectum fecerunt inque quibus plusculum 
habilitatis ad discendum inesse vel aetatis beneficio vel naturae 
censuimus. In secundam classem conscripti sunt qui non ite ıs 
pridem ad legendi facultatem profecerunt, ingeniis mire inaequa- 
libus. Tercia classe continentur qui vel sillabas colligunt, non 
procul a legendi facultate, vel literulas etiamnum noscitant, plane 
puelli, nuper admodum formandi nobis traditi. 


Laborum per totam scholam ratio. 


Iam quod ad labores nostros attinet, ita sumus eos inter 20 
nos partiti, ut et non difficillime a nobis fieri queant et pueris 
plurimum fructus adlaturi videantur. Laboramus autem in hunc 
utique modum. Mane simul atque in ludum a pueris precepto- 
ribusque est conventum — id quod aestate hora sexta, hieme ad 
mediam septime fieri consuevit — totus puerilis coetus genibus ss 
innitens pro sua immensa ac ineffabili bonitate et: misericordia 
gratias agit deo caeli et terrae, eius auxilium hymno orationeque 
invocans, citra quod nec literarum studia nec humanas res ullas 
fortunari certum est. Dein lecto catalogo primae classi Teren- 
tius ac Virgilius alternis exponuntur postridieque reposcuntur, 
adhibito vocum et sentenciarum diligenti examine. Ad hec natu 
minores huius ordinis memoriter recitant et exponnnt nobilem 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 10 53 


illam Aelii Donati gramattices methodum. Dum hec in prima 
classe geruntur, interim secundae exponuntur cathechismus ac 
Donatus posteroque die reposcuntur, pueris audita memoriter re- 
ferentibus. Qui ex hoc ordine declinationibus nondum habiles 

ssunt, hi ex suis libellis partem aliquantam legunt dumtaxat scri- 
buntque quantum iubentur. Tercia classis, que plane parvulorum 
est, non nisi lectiunculas suasrecitat, idque ab ingressu in ludum 
horam usque ad octavam. 

Porro nona hora primus ac secundus ordines doctissimi Phi. 

ı Melanchthonis:aetimologiam audiunt, postridie audita memoriter 

“ reeitantes, maxime quae ad comparationes, ad genera, ad preterita 
ad supina, denique ad defectiva anomolaque pertinent. Qui lec- 
tioni gramaticae etiamnum intempestivi sunt interim ex suis li- 
bellis legunt, quantum vel possunt vel tempus patitur. 

15 Hora autem duodecima, postquam pueri iterum cantico et 
oratione divinam opem implorarunt, quemadmodum matutino 
tempore solitum fieri commonstravimus, legitur catalogus. Dant 
poenas qui ante meridiem sine preceptorum consensu vel abfuerunt 
a Judo vel aequo tardius in ludum venerunt. Habetur vero tum 

2 ratio parvulorum, qui excusatius hic peccant, hieme presertim. 
Post hec maioribus iunctis cantilene in dies festos precinuntur. 
Praelegitur et ars ipsa musicae duplex. Caeterum parvuli ut 
ante meridiem audiuntur a duodecima usque ad secundam, prop- 
terea quod plusculi sunt fere nec hora una commode audiri dili- 

3s genterque possunt. 

Sub hec hora prima duae precipuae classes per vices seu 
alternis sintaxin Philippi interpretantur memoriterque ordine re- 
censent et describunt nobilia aliquot apopthegmata, in tabula di- 
ligenter prescripta anteque exposita a preceptoribus. 

30 Preterea tercia hora primis duobus ordinibus interpretamur 
per vices moralia Catonis disticha ac apologos Aesopicos, postri- 
die eadem a pueris reposcentes cum declinationibus et structuris. 
Iam vero qui ad hos libellos nondum sunt idonei, illi interea 
ediscunt et recitant suum cathechismum cum aliquot vocabulis 

3 pro suo quisque captu et aetate (que iuxta scholarium morem 
Latina vocamus). 

Postremo, quum amplissimo prudentissimoque senatui placue- 
rit pueros dimitti debere aestate quidem hora quinta, hieme vero 
quarta, exponimus primae et secundae classibus Salamonis sen- 

40 tencias pro Latino (quod sic ludorum consuetudo appellat), aestate 


“3 
‘ 


54 Monumenta Germaniae paedagogica I 


quidem a quarta ad quintam, hieme autem quanto tempore licet. 
Iubemus item, ut pueri aliquot tum vocabulorum capita, tum 
dialogos minutos lingua nostraque memoriter recitent, quod prop- 
ter eos maxime factum volumus, quorum captus adhuc admodum 
informus est. | s 

His in hunc modum factis summo studio ac fide, universe 
classes genibus innixe orationem suam dicunt ac himnum con- 
cinunt vespertinum. Deinde dimittuntur domum, sed paucis ante 
et fideliter moniti, ut modestiae ac morum bonitati studeant, lec- 
tiones domi accurate relegant, scribendo atqte loquendo imiten- ı0 
tur, inprimis autem, ut vivant in timore Dei, hunc pre oculis 
habeant, cui brevi de oflitio suo seu vocatione totaque vita ra- 
tionem reddituri sint. 


De sabbatis seu diebus Saturni. 


Omnibus Saturni diebus feriisque itidem precedaneis seu, ut 
vocamus, sacris vigiliis prima et secunda classes mane cathe- ıs 
chismum recitat memoriter ac ordine interpretatur adusque horam 
octavam. Eundem ediscunt et recitant et tercii ordinis puelli, 
sed lingua tantum Germanica. A nona ad decimam maioribus 
alternis prelegitur libellus morum civilium et prosodia Philippi 
Melanchthonis, parvulis in suo cathechismo ediscendo pergentibus. » 


De diebus feriis. 


Quandoquidem pueri diebus festis horis antemeridianis et 
ita aliis obruuntur, ut sermonibus divinis aegre interesse possint, 
et ipsi arcarum prefecti eos nulla putant opere pretia posse ibi 
facere, continemus ipsos sub sacris contionibus in ludo, evange- 
lıon eis gramattice et simplicissime interpretantes paucisque indi- ss 
cantes precipuos seu communes locos, pro ipsorum utique captu, 
hoc instituti nihil gravatim ad hominum doctorum, precipue 
concionatorum, arbitrium quocunque tempore mutaturi. Absit 
enim longissime a nobis, ut impedire vel ullius profectum vel 
gloriam Dei velimus. Imo ardenti affectu precamur, ut et pluri- » 
mum proficiant omnes et verbum gloriaque Dei nostri omnium 
cordibus illucescat, ceu sol exoriens omnium oculis sese ostendit. 


De laboribus appendix, 


tum de poenarum qualitate nonnichil. 


Labores ordinarios, quorum supra facta est nomenclatura, 
sic hactenus obiimus, ut tamdiu omnibus nobis in ludo manen- 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 10 55 


dum fuerit, quamdin manserint et pueri. Nunc quum prudencia 
ac benignitas diaconorum ad nostras preces quartum nobis addi- 
derit, incertum in semestrene an in annum futurum, fortassis est, 
ut magister ludi aliquantula laborum parte levetur, quam ipse 

» levationem, siquidem obtinget, privatim maiores docendo ita sar- 
ciet, ut eius temporis ratio pulchre constiterit. 

Preterea nostras operas in formanda pueritis sie impendimus, 
ut non simus superbi, non pigri, non tristes nimium aut severi, 
sed prompti, faciles, blandi. Porro poenis adeo non delectamur, 

ı ut faelicissimos simus nos iudicaturi, si in totum omittere liceat. 
Quod si qui, sui oflicii immemores, statuta nostra contemptim 
transiliant, ii non nisi virgis caeduntur, eaque corporis parte qua 
ipsis nocere nequit, reliquis verberibus aut punitionibus schola 
in universum exclusis, 


De sermone Latino et epistolis scribendia. 


13 Natu maioribus barbare seu Germanice loqui impune non 
licet, et ut pueri loquendi facultatem facilius nanciscantur, lo- 
quimur et nos ad ipsos non nisi Latini sermonis simplicem pro- 
prietatem quanta maxima possumus cura custodientes nosque sic 
ad ipsorum captum adtemperantes, ut nulla neque nutrix neque 

2 mater ofliciosius sese ad sui infantuli ingeniolum accommodare 
fortasse queat. Huc accedunt Germanice epistolarum prescrip- 
tiones, quas singulis septimanis, et minimum semel, in Latinum 
translatas preceptoribus exhibent. 


Labores privati seu extraordinarii. 

Porro ut maiorum ingenia non infaelicia et privatim iu- 

» ventur, interpretamur puerorum precipuis et qui aliquo tenus in 

literis iam progressi sunt certis ac statutis horis domestica opera 

Thomam Linacrum de absoluta omnium orationis partium struc- 

tura, observationes linguae Latinae seu phrases ex Ooptimis qui- 

busque auctoribus excerptas, elementa item linguae Grecae Ioannis 

» Metzleri. His finitis succedent commentarii copiae, elementa 

dialectices, arithmetica idque genus alia, modo aliquot maius- 

cula maneant ad telia apti, qui discendi amore flagrent nosque 
sus diligentia acuant. 


De puerorum profectu. 


Iam si nostre cura, multiplex item variusque labor minus 
 eflicit quam debeat, habet nos bona spes fore, ut homines pru- 


56 Monumente Germanise paedagogica I 


dentes et aequi iudicent id nostra culpa non fieri, sed omnino 
parentum, qui pueros suos aut non mittunt ad nos, aut missos 
post aliquantum profectum abripiunt ad scribas ac ludos inor- 
dinatos, ingeniorum bonorum et literarum simplices ac manifestas 
pernicies, adeoque rerum meliorum spes in liberis suis ceu quadam ; 
herba impie enecant. Dolet iam olim huius rei iniquitas nobis 
supra quam dici possit, verum quando mutare non possumus, 
committimus Deo. Quod sı eiusmodi incommodorum ad 1llos 
ad quos debebat nullus nunc sensus redit, ingens brevi nimisque 
serus utique redibit. Quin et ipsa posteritas haud dubie hanc w 
nostram sentiet caecitatem super hac longe meritissima conquestura, 
ut interim de iudicio Dei nihil dicamus. Qui ex ecclesia sua 
omnia mala tollere dignetur per Ihesum Christum, filium suum 
ac dominum nostrum, laudandum in sempiterna secula.. Amen. 


LABORES SCHOLAE AEGIDIANAE. 


Bernardus, rector scholae Aegidianae, suo M. Martino S. 


Iubes pro tuo officio, Martine optime, ut tibi nostrae pae- ıs 
dagogie rationem describam, quo, uti decet episcopum, non mi- 
norem schole quam ecclesiae geras curam. Ut igitur hac in re 
meum faciam officium utque strenuus miles ducis exequar iussa, 
mitto ad te brevem nostrarum lectionum indicem et ordinem ut 
vocant paedagogie, in qua nostros secuti preceptores putamus et 2» 
nostris pueris, quantum tenuitas feret, et bonis viris nos satis- 
facturos. | 

Hiberno tempore pueri in ludum conveniunt hora sexta et 
detinentur usque ad decimam. Aestivo tempore hora septima 
usque ad nonam. A meridie rursum confluunt hora duodecima 3 
ad quartam usque, tam hieme quam aestate. 

Caeterum mane, ubi in ludum coiere, dicunt orationem ma- 
tutinam cum hymno Veni creator spiritus. Sub hac hors pre- 
legitur utrique classi per tercium Philippi gramatica, culus 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 10 57 


potissimas regulas ediscunt natu maiores. Interim ego terciam 
classem examino eorum qui literas colligunt et iungunt syllabas. 
Septima hora datur repetitioni et peragendis pro more sacris. 
Hora nona prime classi a me legitur vel Terentii comedia vel 

s Erasmi colloquia vel Ciceronis dialogus de amicitia, per vices 
tamen, ut alio finito aliud substituatur. Grata enim et in his 
rebus varietas est. Sub eadem hora secunde classi preleguntur 
Erasmi selecta colloquia vel Mosellani dialogi alternis per can- 
torem. Horam tamen in hebdomada Donato tribuit, ubi decli- 

ı nationum et coniugationum rudes formas rudioribus inculcat. 
Tertiae classis interim Latina vocabula discunt. Atque hec est 
antemeridiani temporis opera. 

Ubi duodecima iterum confluxere, canunt hymnum Veni 
sancte spiritus. Hic cantor utrique classi musicen tradit, pre- 
ıs ceptis exempla addens, quia hec ars ut alie fere omnes usu magis 
quam preceptis constat. Hic iterum examinatur tercia classis 
per tertium. Hora prima primae classi a me leguntur epistole 
Ciceronis cum ratione scribendarum epistolarum Hegendorphini. 
Finito libro Ciceronis sufficio primum librum copiae Erasmi. 

2 Sub eadem hora secunde classi preleguntur Aesopi fabule per 
tertium. Secunda hora iterum sacra aguntur, et reliquum tempus 
usque ad terciam datur repetitioni. Tertia hora secundis terciisque 
feriis prelego prime classi Murmelii sentencias una cum ipsius 
prosodia, ut syllabas discant metiri et versibus faciendis assue- 

» scant. Finitis sentenciis substituo vel Virgilii bucolica vel Ovidii 
tristium libros. Quartis et sextis feriis Philippi sintaxin. In- 
terim secunde classi disticha Cathonis proponuntur ediscenda per 
tertium, et hic tercia classis tercio examinatur per cantorem, 
iterum illis Latinam vocem prescribens, quam ediscant. Quintis 

» feriis ante meridiem puerorum prime classis scripta corriguntur. 
Religuum tempus eius diei datur puerorum honestis lusibus. 
Sabbatis ante meridiem recitatur cathechismus a tota schola, 
partim Latine, partim Germanice. A meridie exponitur gramattice 
evangelium. 

35 Habes, optime Martine, breviter descriptam nostre paedagogie 
rationem, cuius sedulam nostram operam bona fide pollicemur, 
neminem futurum existimantes nisi stolidum et indoctum, qui 
vel maiorem operam desideret, vel mala institutione puerorum 
ingenia corrumpi clamitet, quod tamen indoctum et morosum 

+ vulgus fere assolet, culpam inscitie in pueris male in preceptores 


58 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


transferentes, ubi ipsi mala indulgentis reliquisgque domesticis 
morbis depravarunt ingenia.. Quid aliis accidat, nescio. Me in 
hac urbis parte nihil tam habet male quam parentum nostrorum 
in hac re negligentia, qui partim omnino contemnunt puerorum 
eruditionem, partim ita frigide rem agunt, ut tota schola ruinam ; 
minitari videatur. Inclinatam enim rem offendes. Ita ad paucos 
res rediit, cum quibus ipsis etiam pessime agitur, qui, ubi adsunt 
diem, rursum integros octo absunt. Nemo ignorat, quam in mi- 
nimis artibus usu sit opus, et si paulum cessetur, quam mox 
omnia corruant. Tamen hec pessima sententia invasit homines 1 
de his non paulo maioribus artibus, ut vel annuum vel bimum 
tempus ad solidam pueri eruditionem satis esse existiment. Sed 
ili etiam quorum, proh dolor, apud nos pars est pessime sen- 
tiunt, qui rem omnino indignam arbitrantur, in qua operam ac 
diligentiam ponant. Quare hic iterum mihi monendus es, optime ı 
Martine, uti per concionatores excitari aligquantum nostros cures, 
ut penitius paulo considerent, quorsum res reditura sit, si is li- 
terarum extremus contemptus radices altius egerit. 


Bernardus Vogelman. 


11 


Ordnung des Schmalkaldischen Bundes 
für eine in Braunschweig zu errichtende höhere 


Lehranstalt. 
1543. 
Ba 07 


VAN DER OVERSTEN SUPERINTENDENTIA, VAM CONSISTORIU 
UND VAN EINER SUNDERLIKEN SCHOLEN. 


Dit gantze capitel van der Ööversten superintendentia, vam con- ® 
sistorio und van einer sunderliken scholen is tho Brunswig up dit mael 





Schulördnungen der Stadt Braunschweig 11 59 


also, alse hir geschreven steyt, üicht vorordenet in den dömen, dewile 
mehr försten tho den dömen gehören. Ane alleine is dar im Översten 
dome dorch der försten rede, sunderlick darhen gesand, vorordenet 
ein prediker, deme nicht anders bevalen is denn tho prediken, und 
sein lector theologiae, deme nicht anders bevalen is denn etlike lection 
publice in der hilgen schrifft tholesende, alse dat alles de rede sunderlick 
dar beschreven hebben. Wy överst hebben dit capitel van der öÖversten 
superintendentia, vam consistorio und van einer sunderliken scholen 
'hyr in disser unse ordinantien also van wörde to wörde laten stan, 
walse uns unse gelerden de wy tho disser ordinantien gebruket vor ge- 
schreven hebben, int erste dar tho, dat wy dardorch erinnert werden, 
wenn wy namals dar in den landen edder in andern unsen landen 
sülck gut edder des geliken van den stifften und stifftes personen willen 
anrichten. Denn wy begern ja nicht, Got sy gelavet, dat sülcke ehr- 
ıs like stiffte und güdere wor anders hen kamen denn tho Gades ehre 
und thom gemeinen besten, tho gelerde lüde tho holdende, der christen- 
heit tho gude. Vule büke und ungelerde schand papen mit eren gott- 
losen gadesdensten und vegevüres missen van sülcken güdern numebhr 
thoholdende is nicht radt, sunder it is schendich und ergerlick vor 
» christen lüden, wedder Got und wedder dat leve evangelion unses heren 
Jhesu Christi. Thom andern laten wy dit capitel also stahn ock tho 
einem exempel andern heren und försten, efft se ock ein mal wat 
gudes wolden und könden maken van sülken stifften und stifftes per- 
sonen up disse wyse edder der geliken. Wy früchten överst, dewile 
» disse werld, besunder by den papen, so böse is, dat de stiffte sölcker 
Gades ehren nicht werdt sind, sunder möthen villichte anders geveget 
werden, und thom lesten mit dem helschen vüre. Male quesyt, male 
perdit, spreckt de Wale, und Christus secht: Alle plantinge de myn 
hemmeische vader nicht geplantet hefft werd uthgeradet werden. Heren 
» und försten belonen ere denere mit sülcken güderen. Dar mögen se vor 
antwerden etc. Sölcke güdere sint jo allererst tho sülcken christliken 
‚ampten gemaket, als men dat wol bewysen kan. 


In den dömen tho Brunschwig scholen alle canonici vor- 
ordenet werden to christlichen ampten und beholden also alle 
» inkament. Nemand (na affgande disser canoniken de nu blyven) 
schal angenamen werden tho den prebenden, de nicht geleret und 
düchtich is tho sülckem ampte. 





60 Monumenta Germanise paedagogica I 


Dar schal int erste eine sunderlike schole upgerichtet werden, 
darhen de joget werde gedan de in den andern kinder scholen 
nicht mehr leren kan. In der scholen scholen dre canonici ma- 
gistri artium syn, rector, subrector und cantor, den schal men 
veer edder mehr scholegesellen tho schicken und se na werde 
van kercken güderen darsülvest besolden. Se scholen sick in de 
classes, in de stunden und lection der dialecticae, rhetoricae, prin- 
cipiorum aliquot mathematices, arithmeticae (doch dat de gramma- 
tica stedes neven mit repetiret werde, und geövet mit epistel 
schriven und carmina maken und latin reden etc.) also schicken, 
dat id en sülvest nicht beswerlick und der fynen geschickeden 
joget versümelick sy, dat me de joget dar na fyn thogerichtet 
in eine bewerde universitet senden kan. Dar könen se denne 
mehr leren und uthrichten in twen jaren denn andere knaben, 
de so nicht vorhen geleret hebben, in teyn jaren. Rationem ca- 
techismi und etwas uth der hilgen schrifft schal men mit den 
knaben repetiren up einen sundergen dach in der weken. In der 
scholen schal ock syn ein canonicus Graecus lector und ein ca- 
nonicus Hebraicus lector. 

Ein canonicus schal syn predicator, twe canonici scholen 
syn theologiae lectores, dar ein jewelick schal twe mal in der 
weken latinisch in der hilgen schrifft lesen, des morgens wenn 
men dar nicht prediket. In de predike, und besondern in de 
lection, scholen schuldig syn alle canonici thokamende. Dat is 


dat rechte capitulum, von oldes also genömet, dar men tracteret : 


nicht ein gantz caput sanctae scripturae, sunder alleine (so vele 
id de stunde lyden wil) ein capitulum, id est partem capitis unius, 
alse de papen in eren horis ein capitulum lesen, doch leider ane 
uthleginge. Se könen mit einem Deo gratias dar van kamen. 
Darvan heten se canonici, a canonica scriptura, alse de olden 
doctores de hilge schrifft nömen. Dat sind ock horae canonicae, 
de stunden in welcken werd gelesen und tracteret canonica scrip- 
tura. Overst in dissen lesten tyden hefft de Antichrist mit synen 
gotlosen bisschopen und dömpapen sülcke götlike namen in einen 
schendigen und spöttischen misbruck gebracht und lose papen 
und vule büke daruht gemaket. 

De predicator mit den beiden theologen scholen de översten 
superintendenten syn, de richten scholen de lere, so etlike predi- 
canten verklaget werden der valschen leren edder unwetenheit 


„. 


12 
© 


% 


3 


halven. Tho den schal men senden alle erwelede predicanten, « 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 11 61 





dat se de examineren und ehristlick ordineren. Nen predicante 
edder scholemeister schal angenamen werden, de nicht schrifftlike 
tüchnisse hefft van en. Disse scholen macht hebben tho citeren 
und tho vorderen de jennen de umme der lere willen verklaget 
s werden, und de schuldigen und ungehorsamen, so se sick nicht 
beteren willen, vam ampte affthosettende. Fürder schal sick ere 
jurisdiction nicht strecken. 

Over dit alle schal ock under den canoniken upgerichtet 
werden ein gemein consistorium ecclesiasticum vor dit gantze land. 

ı Darhen scholen gewyset werden (und anders nergende hen) alle 
hadersaken van kercken und kercken güdern, van kercken denern 
und scholen denern und eren solarien. Darhen schal men ock 
wysen alle ehesaken, wenn se hadersaken werden, alse thovorne 
gesecht is. Darumme scholen se ock macht hebben tho citeren 

ıs und tho straffen na Christus regel Matth. 18. Völt överst de 
sake der werltliken overicheit tho straffende, so scholen se yd dar- 
hen wysen, und der overicheit scholen se antögen, dat se straffen 
schal offentlike horerye, ehebrekerye, woker etc. Twe canonici, 
in consistorio principales, scholen juristen syn, so geleret, dat se 

»» de ehesaken richten könen und andere gelt saken van den kercken 
güdern etc. Doch dat se nicht volgen des pawestes unrechte 
rechte in dissen twen ehesaken, im unvorsönlikem ehebroke und 
im unwedderkamelikem wechlopen, darvan gude bokesschen ge- 
schreven sind uth Gades worde na dem natürliken rechte. Sind 

3; de beiden so geschicket, dat se ock mit gudem rade dissen landen 
und lüden nütte könen syn, so is yd noch vele bether, und sülcke 
schal men in dem consistorio gerne weten. Twe canonici scholen 
dar notarii syn, schriven alle hendele und sententien, examineren 
testes etc. De anderen canonici scholen im consistorio mitradt 

so und bysittere und richtere syn und also leren im consistorio, in 
den prediken und in den theologiae lectionibus, dat se namals tho 
grötern ampten mögen gebruket werden. 

Sülck alles moth jo heten eine christlike schole, dar de ca- 
nonici billick den sold edder ere prebenden nemen. Wat scholden 

3»; se anders nütte syn? 

Baven dat me bedorff thom buwende etc. scholen van den 
vicaryen der dömen knaven in der schole und in den universi- 
teten thom studio geholden werden, etlike twe jar, etlike dre 
jar, etlike lenger, na gelegenheit, dat wy also gelerde lüde up- 

wtheen tho denste dem geistliken und werltlikem regiment. 


62 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


Van dissem alle schal eine sunderlike ordinatio gestellet, 
upgerichtet und beschreven werden in den dömen tho Brunschwig, 
tho gude und nottrofft vor disse Brunschwikesche lande. 


12 


Stipulationsvertrag 
des Rectors M. Peceltus und seiner Gesellen 


bei ihrer Anstellung am Martineum. 
1545. 


Rz 


Dieweil ein erbar radt diser löblichen stadt Braunschwig 
durch vorordnete personen, alse euch ersamen und weysen kasten- ; 
hern und den achtbarn hochgelarten hern Antonium Nigrum, 
der ertzney doctor, mich von Wittemberg‘ zu irem schulmeister, 
der gemeynen stadt und christligen jugent zu gut und nutzbar- 
keit, gefordert und vocirt haben, dazu dan der almechtige, ewige 
(Got, vater unsers lieben hern Jesu Christi, gluck, gnad und segen ı» 
gnediglich vorleihen wolle, auff das solch erliches und notwen- 
diges, seliges wergk und ampt deste fuglicher und bequemer 
seinen vortgangk erlangen moge, ist in bester meinung zube- 
dengken und zuvorgewissen, wie und welcherley gestalt und con- 
senß ich anzunemen und zuvorhalten sey, neben meynen collegis, 
zuvormeiden zukunfftige irthumb und incommoditet. Ist der- 
wegen meine dinstbare bith an E. E. W., wollen dise meine not- 
turfftige anliegend bedengken im besten vorstehen und wenden. 
Dan dieweil ich nechst gottlicher ehrsuchung mich gegen gemeiner 
stadt in einem so groß wichtigen ,'mhueseligen und angsthafftigen » 
ampt und condition neben meynen collegis vorwilligen und vor- 
pflichten sol, ist es nicht on billigkeit, das ich dorin eine gelegene 
sorgfeltigkeit trage und vorbehalte. Doran dan E. E. W., hoff 
ich, keinen misgefallen haben werden noch sollen. 


uch 
u 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 12 63 


Und erstlich dieweil am tag ist, wie die jugent auß vor- 
kerter anreytzung und verziehung gar unbendig, meisterloß und 
unstrefflich zu sein turstiglich zu zeiten vornimbt, und ire eltern 
als unerfarne und unbedechtige leute denselbigen verbösten mut- 

s willen und widerspenstigkeit mher sterken, wil ich neben meinen 

collegis hochlich gebetten haben, E. E. W. wollen hirin als von 
Got verordnete patronen, weise leutte und presidentes scho- 
larım ein ernstes auffsehen haben und verwarnung, auff das solchs 
keynerley weyse gestattet werde. Dan one das bevor untreglich 

“ ılast, do ernst und erbeit gefoddert, vorhanden, welche mher ge- 
lindert dan beschweret sol werden etc. Deme vor zu komen, wirt 
ein erbar radt neben E. E. W. sonder zweifel eigentlich und 
vorsichtig bedacht seyn. 

Zum andern ist es uns wol zu dangk, das achtbare und 

ıs erbare gelarte hern und superattendentes schole elegirt und ‚ver- 
ordnet seyn, mit welcher radt und willen besserung der lieben 
jugent gesucht werden konne, in deme so sie die schulen auff 
gelegene zeit visitirn, die knaben examinirn und adhortirn, der 
preceptorn notturfftige vorkommende erregung anhören und mo- 

» derirn und andere vorfallende mangel der schulen abwenden und 
levirn. Des wir hirmit freuntlichen zu geschehen wollen er- 
sucht haben. 

Zum dritten besserung des schulgebeues und habitationen 

soll E. E. W. heimgestalt sein. 

) Zum vierden die schulordnung mit lectionibus, repeticioni- 
bus, auditionibus und cantionibus etc. soll von dem achtbarn ern 
doctor etc. (idoch zur zeit besserung vorbehalten) in ein richtige 
form gebracht werden, damit kein anstoß der unordnung möcht 
einfallen. 

20 Zum funfften mit dem singen in kirchen sol nach vorge- 
hender gewonheit oder auff bericht der erwirdigen hern pfarrher 
und predicanten gehalten werden von denen so auß der schulen 
dazu confirmirt sein. 

Zum sechsten mit den privatis discipulis, weil man des 

ss tisches kost davon haben muß, wirt es seinen vortrag haben, 
alleine das fodderung der gemeinen schulen damit gemerhet und 
bestettiget werde. 

Zum siebenden dieweil solch auffrichtige und nottige be- 
dengken der schulen vorhanden, welche vornemlich E. E. W. und 

“einem erbarn radt zu gemutt und zu außrichtung gehen sollen, 


64 Monumenta Germaniae paedagogica I 


wollen wir auch unser stipendien wegen erinnert haben, und ich 
vor meyne person, ob ich meynes dinstes erstattung und sold 
(mit darlegung des jerlichen schulgeldes und precii) auff hundert 
fl. erwarten und bringen soll, auff das ich nicht das ungewisse 
vor das gewisse zu hoffen genöttiget, wie dan anders wo auch 5 
gebreuchlich, und wo was mangeln wurde, das es E.E. W. er- 
statten und erfullen wolle. Dorumb am besten, das iderem under 
uns was er haben soll klerlich werde angezeigett. 

Zum achten seyn wir des gentzlichen vorsehens, E. E. W. 
werden uns die unkost der furhe und zerung halben, schrifftlicher ıo 
erbittung noch, widererstatten. 

Zum neunden hoff ich auch mit sonderlicher bithe, ein er- 
bar rath neben E. Erb. W. werden des unbeschwert sein, uns zu 
unser notturfft auff winters zeit mit beholtzung versorgen, wie 
den auch in andern stedten nicht ungewonlich. 15 

Wo nhu solche vorbemelte artikel von einem erbarn radt 
und E. E. W., dermassen uns darin als vocirten und hergebrachten 
personen rädtlich und dinstlich zusein, wie wir uns den gentz- 
lich vertrösten, gezveiget und becreftiget wurden, wollen wir, 
noch gegebner freuntlicher antwort, unser trew, fleiß, mhue und » 
sorg so viel muglich’'negst Got einem erbarn radt, E. E. W. und 
gemeiner stadt jugent hirmit eingeben und verbunden haben, auff 
beyder seits weitter wolgefallen und entliche entrichtung. Dor- 
noch sich dan ein erbar radt und E. E. W. mit der presentacion 
und comendation oder uberantwortung der schulen regiment, wie : 
geburlich, wol wirt wissen zuverhalten. Dan wir auch mit radt, 
anreytzung und bester erkantnus der hochgelarten unser lieben 
preceptorn zu Wittembergk, wie vorgemelt, zudienen und zuwil- 
faren, so leidenlich, erböttig und bereit sein. 


E. E. W. willige Mm 


loannes Peceltus Sweidnicensis. 
Petrus Avıanus Vallensıs. 
Ioannes Zannger Oenipontanus. 


| 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 13 66 


15 


Lehrplan und Schulgesetze der städtischen 


Lateinschulen. 
1546. 
> 


INSTITUTIO SCHOLAE BRUNSVICENSIS PER AESTATEM 
ANNO 1546. 


Prima classis per omnes scholas una tantum 
habetur in genere. 








Lunge examinat rem grammaticam 
Martis gr aa 
;3 )Mercurii ortographiam et ethimologiam a 5 & 
en |Tovis sintaxin Philippi maiorem g ne a 
5 Veneris | prosodiam sive rationem scriben- PerBer. 
Saturni dorum versuum 
Lune 
Martis relerit Terent; rector 
:3 }ovis Be schole 
10 nm | Veneris apud divum 
Mercurii prosam ) orationem examinat cum| Martinum. 
R Saturni ligatam| magistro Streipergero ; 
oO 
Erf Lune Eu 
Martis | historiographum quendam jegi 
15 ‚3 ) Mercurii) Ciceronis epistolas vel orationem[ dominus 
oo |] Tovis quandam magister 
vun | Speram loannis de Sacro Busto Glmeorpius. 
Saturni | 
ung Hebream linguam 
20 Saturni testamento veteri leget 
= AR 
B= rn iheologian ex superintendens,. 
© | Veneris 
Martis )theologiam ex novo testamento legit dominus 
Iovis | coadiutor. 
35 Sub horam nonam diebus Mercurii, quibus concionatores 


suum collogquium habent, pueri alternatis diebus vel declamatio- 
nem vel disputationem habebunt, presidente magistro Streipergero. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 5 


Hora 


Monumenta Germanise paedagogica I 


Post meridiem 
legitur musica in omnibus scholis, quam pueri 
illic audiunt quilibet in ea urbis parte in qua 
habitat, et hoc ideo, ut ibidem visitent chorum, 


Lune 
Martis 
Iovis 
Veneris 


12 die 


2 die 
ee RD Ggggse 


ipsos suos preceptores. 

Lune 
Martis 
Iovis 
Veneris 
Mercurii 
Saturni 
Lune 
Martis 
lovis 
Veneris 
Lune 
Mercurii) repetunt pueri et exercent stilum saribendo. 
Veneris 
Martis 
lIovis }audiunt pueri contiones. 
Saturni 
Lune 
3 |Mari 
„ ]Iovis 

Veneris 
Huic prime classi magister loannes Streiperger preest, dili- 


| dialecticam 


1 die 


rhetoricam }legit magister Streiperger. 





| Virgilium 


grammaticam et Acta 


apostolorum alternatim ms Er dominn 


doctor Anthonius 
Demosthenem Niger. 








3 die 


legit arithmeticam superintendens. 


genter in pueros animadvertens, ut omnibus intersint lectionibus 
et sua officia secundum leges prescriptas semper faciant. 


Hora 


Secunda classis. 

Diebus Lune, Martis, Iovis et Veneris 
Lunge ethimologia (ex minori grammatica Philippi 
Martis sintaxis ordine legitur. 
Iovis 
Veneris 
legitur Terentius. 
visitant pueri chorum et deinde repetunt Terentium usque 

ad horam nonam. 


examinatur res grammatica ex Terentio. 





© = 6 die 


persolvant pretium scholasticum et agnoscant ; 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 13 67 


Post prandium 
12 legitur musica per omnes classes primarias. 





an yaoelica Vargilii 
3 Martis 1 
i 1 preleguntur. 
m | selecte Ciceronis epistole 
Veneris 


2 visitant pueri chorum et deinde repetunt iam auditam 
lectionem parvuli aut dimituntur usque ad horam tertiam. 
3 examinatur res grammatica per omnes primarias classes. 


10 „Piebus Mercurii et Saturni 
6 Mercuriü himni sacri rel a 
Saturni evangeliste ordine Een 
Mercurii emendantur scripte. 
Saturni legitur lupus. 
15 8 ingrediuntur pueri choruam et exercentur deinde in cantu 
Gregoriano usque ad horam nonam. 


Post prandium 


Hora 


repetunt pueri suas lectiones. 
2 ingrediuntur chorum et audiunt contiones die Saturni. 


20 Tertia classis est declinantium et coniugantium. 
Diebus Lune, Martis, Iovis et Veneris 
6 examinatur et declaratur compendium grammatice per 
exempla sumpta ex Catone. 
7 discunt pueri exponere et memoriter Catonem. 
N 8 ingrediuntur chorum et repetunt Catonem usque ad horam 
nonam. 
Post prandium 
12 audiunt musicam ex compendio. 
1 discunt exponere fabulas Aesopi. 
”0 2 ingrediuntur chorum et repetunt Aesopum usque ad horam 
tertiam. 
3 exercentur cum ceteris in preceptis grammaticis. 


Diebus Mercurii et Saturni 


: | Mercurii Latinum catechismum 


> o | Saturni evangelium dominicale discunt exponere. 


5* 





68 


& 
=) 
Fi 


Classis 


Monumenta Germanisae paedagogica I 


‚2 |Mercurii emendantur scripta. 
r» 'Saturni legitur lupus. 


8 ingrediuntur chorum et exercentur in cantu Gregoriano 
usque ad horam 9. 


Post prandium 


repetunt suas lectiones et visitant chorum die Saturni 
hora secunda. 


Quarta classis est declinantium. 
Diebus Lune, Martis, Iovis et Veneris 


exercentur pueri declinando et interpretantur eis rudi- ı0 
menta grammatice. 


7 discunt exponere versiculum ex catechismo carminibus 


conscripto. 


8 ingrediuntur chorum et deinde repetunt suam lectionem 


usque ad horam nonam. 


Post prandium 


12 discunt musice compendiolum. 
1 discunt pingere literas. 
2 visitant chorum et discunt versiculum exponere et me- 


moriter ex catechismo. 


3 examinantur cum ceteris in grammatica. 


Die Saturni et Mercurii 


6 recitant sua precepta grammatica ordine singuli. 
7 discunt exponere catechismum in prosa. 


ingrediuntur chorum etrecitant Germanicum catechismum. 35 


Post prandium 
repetunt et visitant chorum hora secunda. 


Restant adhuc quatuor classes. 
quinta legentium Latine, 
sexta legentium Germanice. 
septima sillabicantium. 
octava elementariorum. 


Hi pueri singuli quater per diem, bis ante et tocies post 


meridiem, audiuntur. Hora autem octava et secunda, dum re- 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 13 69 


liqui pueri in choro sunt, hi exercentur in vocabulis rerum edi- 
scendis, quorum duo ante et totidem post meridiem eis propo- 
nuntur. Sed die Mercurü et Saturni ante meridiem tantum in 
catechismo Germanico ediscendo exercentur. 

5 Pueri sus studia semper incipiant cum invocatione, cantan- 
tes aliquem himnum sacrum, et unus ex eis finito himno recitet 
aliquam orationem, mane matutinam ex catechismo vel similem 
aliquam, post meridiem vero de invocatione spiritus sancti aliquam. 


Lune Somno refectis artibus. 
10 Martis .\Iam lucis orto sidere. 
. }Mercurii Lucis creator* optime. 
me Iovis sanlabunt Ecce iam noctis tenustur umbra. - 
‚| Veneris j Nocte surgentes. 
Saturni Primo dierum omnium. 7 


Post meridiem 


15 Lune Veni creator. , 
. )Martis Veni sancte. 
ae Iovis Ren Nunc sancte et Rerum potens. 
Veneris Rerum deus et Te lucis coniunctim. 


Licebit tamen interdum illorum loco velalium quempiam sacrum 

» et pium himnum pro ratione temporis canere. Exeuntes autem e 
ludo pueri primum recitent aliquod caput ex catechismo et duos 
versus ex Cisioiano, presentis semper mensis. Post.prandium vero 
vesperi addant orationem nocturnam ex catechismo vel similem 
aliquam pro gratiarum actione. 


2 Lune decalogum. 
Martis simbolum apostolorum. 
. }Mercurü ante et post orationem dominicam. 
Die unter 
lovis prandium recitent |sacramentum baptismi. 
Veneris sacramentum altaris. 
so Saturni officium puerorum. 


Domi autem circa mensam dicant benedictionem et gratia- 
rum actionem. 


Leges scholastice pro pueris. 
1. timeant Deum. 
2. colant pietatem. 
35 3. audiant contiones et lectiones sacras,. 
4. venerentur suos maiores. 


70 


Pveri 19 


Monumenta Germaniae paedagogica I 


. obediant parentibus, preceptoribus et dominis suis. 
. inveniantur fideles. 

. neminem ledant. 

. vitent maledicta. 

. sint assidui in suis lectionibus.. 

. diligenter repetant sua studia. 

11. gerant habitum scholasticum. 

. abstineant ab armis. 

. loquantur Latine. 

. fugiant levitatem et scurrilitatem in sermone. 
. sint modesti in omnibus suis actionibus. 

. studeant se ornare virtutibus. 
. absint a potacionibus. 

. non ludant. 


Leges scholastice pro praeceptoribus. 
1 


10 


Statim in principio studiorum ante et post prandium ad ıs 


minus semper unus ex praeceptoribus, qui scholam claudat atque 
recludat, in puncto hore aut quidem ante horam adsit, qui cum 


pueris himnum cantet ac in cantantes animadvertat. 


Sic etiam nunquam pueri, nisi a quodam preceptore dimissi 


2 


fuerant, antea tamen gratiarum actione cantata, scholam exeant. so 


Hore in scholis et lectiones cum consilio superintendentis 
prelectoribus distribuantur, et sine eius consensu nemo eorum 


3 


vel horas vel lectiones mutet. 


Singulis autem suis horis preceptores diligenter invigilent 


4 


et eas nunguam negligant; si vero interdum necessitas eos abesse 35 


cogit, constituant interim alium quempiam ex eorum collegis in 


locum suum. 


Prelectores operam dare debent, ut quolibet semestris spacio 
certum auctorem aliquem, vel saltem alicuius auctoris libros ali- 


5 


quot, precipue vero artium compendia finient. 


30 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 13 1 


—— on mn mn m nn 


Non debent in privato, novas presertim, sine superatten- 
dentis consensu instituere preceptores lectiones, sed illas que in 
scholis leguntur cum suis privatis discipulis diligenter repetere, 
ne puerorum ingenia multitudine lectionum obruant et se ipsos 

> nimium gravent, presertim cum nihil quoad puerorum profectum 
pro cuiuslibet ingenii captu in institutione scholastica obmissum sit. 


7 
Non solum autem legant, sed et repetant cum pueris in 
scholis preceptores lectiones suas quas preleguut, ita ut ad minus 
in singulis classibus et lectionibus tertia pars hore repeticioni 
a, tribuatur. 
8 
Auctores non tantum quoad sententiam et artificium rhe- 
toricum interpretandi sunt, sed singule etiam voces in eis Ger- 
manice exponantur, et earum vis et proprietas pueris explicetur 
diligenter. 
9 
35 Artium precepta sedulo pueris inculcanda, et quomodo postea 
hec ad usum ipsi transferre debeant, fideliter informanda sunt. 


10 
Quilibet preceptor diligenter in suos auditores animadvertat, 
ut sedulo omnes adsint et singuli officia sua in audiendis et re- 
petendis lectionibus suis diligenter faciant. 


11 
20 Est etiam adhibendus modus in corrigendis pueris, quorum 
diligenter sunt consideranda ingenia. Quidam enim magis ala- 
critate quam austeritate preceptorum emendantur. 


12 
Preceptores semper cum diseißulis suis loquantur Latine et 
simul ‚etiam in ipsos animadWfht, ut et ipsi invicem Latine lo- 
ss quantur et stilum scribendo exdrceant. 
2 ö TrRe 
ae 13 Be 


Sunt sutem -nOn tantum artes, vörum etiam virtutes docendi 
“ ® . — ® >; w ® . 
pueri, ideo et in enarrandis auctorıbus simul etiam ea que ad 
ethicam pertinent pueris explicanda sunt. 


12 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


nn —— | m ee a m mn 





14 
ÖOportet quidem preceptores se et lectiones suas ad puero- 
rum captum accomodare. 
15 
In singulis classibus annotentur in tabulis lectiones singu- 
larum horarum, ut pueri et preceptores suum officium inde in- 
telligant. 
| ‚16 
In quolibet semestris spacio per superintendenten: et ceteras 
a senatu ad hoc officium ordinatas personas schole visitande sunt, 
et ıbi pueri in ipsorum studiis examinari, a preceptoribus vero 
de ipsorum officio ratio inquiri debet. 


17 
Feriatis diebus, quando non habentur contiones, cantor solus 
chorum regat, et tamen diligenter in pueros animadvertat, ut et 
in platea et in choro.honeste se gerant. 


18 
Festis et sabbatis autem diebus, quando contiones sunt, 
omnes in choro preceptores adesse et quilibet in suo loco dili- 
genter pueros observare neque eos ex contionibus nisi in summo 
frigore dimittere debent. 
19 
Rectores scholarum in reliquos suos collegas quoque animad- 
vertere debent, ut unusquisque singulis horis officium suum se- 
dulo faciat. 
20 
Sunt autem non tam docti quam fideles et pii eligendi 
preceptores, qui intelligunt suum officitum in primis Deo gratum 
et ecclesie necessarium esse, ac ideo in suis laboribus sint ala- 
criores. 


20 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 14 13 


14 


Gesetze und Lehrpläne des Pädagogiums 


im Brüdernkloster. 
1547. 





5 .. 


A 


LEGES PRO SCHOLARIBUS SCHOLE MAIORIS BRUNSWIGCENSIS 
PUBLICATE IN VISITATIONE FACTA 18. ITANUARII 
ANNO ETC. 47. 


5 Über disen lectionibus und legibus, wie die publice ange- 
schlagen und affıgirt sint, wil ein erbar radt ernstlichen und 
gentzlichen gehalten haben, also das keiner ungestrafft bleybe, 
der dise leges ubertreten wurde. 

So sollen auch alle und ein ider dise lectiones, wie die vor- 

w zeichent sein, steth mit vleis horen und frequentiren, der oder 
die anderst in disem auditorio auditores sein wollen. 

Wo ader etliche, so zuvor in publicis academiis gewesen, 
weren, so hirinnen lectiones horen wolten, denen ist erleubet 
dieselben nach irem gefallen zu horen. 

15 Do auch etliche sein wurden, so den tisch bey den burgern 
darumb hetten, das sie knaben ein und aus der schulen furen 
ınusten, und umb der selbigen ursachen ader anderer ihrer hern 
geschefft willen der stunden nicht aller gewarten kondten, den 
sollen umb der selbigen geschefft willen etliche stunde erleubet 

» sein, idoch das solches ire hern selbst den preceptoribus anzeigen 
ader durch andere leut anzeigen lasen, auff das man wissen mag, 
ob dem also sey ader nicht. 

So ader etliche wurden privatos preceptores haben, die auff 
ire studia achtung geben, die selben regiren und gegen der knaben 

»s eltern vorantworten wurden, und die selbigen preceptores iren 
privatis discipulis’ etliche stunde, do sie mit inen repetiren mochten, 
frey begeren wurden, den sollen sie erleubet werden, doch das 
es.mit wissen des rectoris geschee und bey im zuvor durch die 
preceptores privatos gesucht werde, ausgenommen die theologicas 

» lectiones und sacras contiones sollen keinen erleubet werden. 

So ader einem bisweylen ein notig geschefft furfallen wurde, 
las er eine stundt ader ein halben tag die lectiones nicht horen 


14 Monumenta Germanise paedagogica 1 


_—— —-- . »—e m m ai m nn mn nr Eh ht m 1 m m mm 


kondt, der sol von dem rectore veniam nemen und genugsam ur- 
sach anzeigen, als dan sol im erleubet werden. Do er aber auch ein 
ertichte ursach furgewandt befunden wurdt, so sol er als dan 
dupelt gestrafft werden. 

Welcher nun hiruber mutwilliglich ein legem ubertreten > 
ader eine lection vorseumen wurde, der sal mit ernst gestraflt 
werden, und der auch solche ordnung und leges nicht wolt halten, 
der mag sein stul furder setzen und diser schulen mussig stenh. 
Dan ein erbar radt die jenigen, so sich selbst vorseumen und 
andere ergern wollen, keines weges zu dulden noch zu leiden » 
gedenckt. 

Der wegen sollen dises die pene und straffen sein: nemlich 
welcher eine stundt ane venia vorseumet, der sal ein scherff, der 
aber einen halben tag ader eine predigt zu drey schlegen zun 
Brudern vorseumet, einen brunschwigischen pfenning zur straff ıs 
geben. Und solche gelt straff sollen allein die jenigen geben so 
uber sibenzehen jaren alt sein. Die andern, so junger und darunter 
sein, sollen mit ruten gestraffet werden. 

Do aber auch etliche das gelt gering wegen wolten, darumb 
das sie es villeicht nicht erwerbden durffen, und sich an die » 
gelt straff nicht keren wolten, die sollen, wan sie zum dritten 
mal wider kummen und ungehorsams befunden wurden, auch 
mit ruten gestraffet werden. Und do sollichs an inen auch nicht 
helffen wolt und sie so jar ungezogen sein wurden, das sie auch 
zum virten mal in ungehorsam befunden wurden, sal den selben ss 
angesaget werden, das sie iren stul weyter setzen wolten, und 
solchs sal publice fur der gantzen schul gescheen. Dan ein erbar 
radt solchen ungehorsamb an denen die sich nicht pessern wollen 
gantz und jar nicht zugestaten willens ist, achtets auch inen selbst 
fur nutzer, sie fahen was anders und pessers an, dan das sie ire » 
zeyt unnutz zu bringen und ire eltern umb das gelt so sie auff 
sie wenden betrigen wolten. Und so auch etliche von frembden 
orten her sein wurden, die wil ein erbar radt dar uber in der 
stadt nicht leiden, es were dan, das sie sich zu dinst begeben 
ader handtwerck lernen wurden, domit sie andern nicht erger- ss 
nus geben. 

Und nach dem aber auch ein erbar radt grundtlich erfaren, 
das etliche sein, die sich untereinander, und etliche auch so vor- 
gessen aller treu und eren und so gantz undanckwar sein, das 
sie ihre hern preceptores, so sie zum aller pesten zihen und unter- 








Sehulordnungen der Stadt Braunschweig 14 7b 


weisen, mit schmehe schrifften angreiffen und die selben auch in 
schrifften schmehen und lestern durffen, welches, die weil es auch 
in rechten vorpoten, ein erbar radt keins weges zu gedulden noch 
zu gestaten gedencket, besunder hinfurder solche lesterung ader 
s schmehe erstlich mit dem carcer und volgent mit der befestigung 
zu straffen ernst gesinnet ist: dafur mage sich nun ein ider 
klein ader groß zu huten und solchs schmehens schrifftlich und 
mundtlich sich zu enthalten wissen. Were aber, das es imande 
dafur hilt, das im von seinen condiscipulis unbilliches widerfure, 
ıo der mochte sich sollichs gegen den hern preceptoribus beclagen. 
Und ob es auch imandt dafur hilt, das er von den hern precep- 
toribus unbillicher weiß beschweret wurde, der mage sich solchs 
gegen eim erbarn radt beclagen: da sal zum iden mal dises ein- 
sehen mit ernst gescheen, das nimandt zur unpilligkeyt beschweret 
ıs werden sal. 


B 
LEGES PRO SCHOLARIBUS IN SCHOLA MAIORI. 


Wi borgemester und radt der stadt Brunßwigk doin kunt 
und opinbar allen dusses unses breves ansichtigeren und sunder- 
lig denen so sick hir her gude kunste und zede to lerende be- 
geven, dat wi over dussen nabescreven legibus und hir bi publi- 

0 certen lectionibus, wo de hir neven affligert worden sin, ernstligen 
holden willen, also dat keiner ungestraffet blive, de dusse leges 
overtreden worde. 

So schullen ock alle und ein ider dusse lectiones, wo de 
hir bi vortekent sin, stedts mit vlite horen und freguenteren, der 

3 edder de anderst in dussem auditorio auditores sin willen. 

Wo aver itlige, so thovorn in publicis academiis gewesen, 
wehren und hirinnen lectiones horen wolden, den ist erlovet de 
sulven nach ohrem gefallen tho horen. 

Wo ock itlige sin worden, so den disck by den borgern 

% darumme hedden, dat se knaben in und uth der scholen foiren 
mosten und umb dersulvigen orsaken edder anderer ohrer hern 
geschefte willen der stunde nicht alle gewarden konden, den 
schullen umb dersulvigen geschefte willen itlige stunde erlovet 


76 Monumenta Germaniae paedagogica I 


sin, idoch dat solckeß ore hern sulvest den preceptoribus antzeigen 
edder dorch andere lude antzeigen laten, up dat men wetten moge, 
ift deme also sy edder nicht. 

So aver itlige worden privatos preceptores hebben de up 
ohre studia achtinge geven, desulvigen regeren und gegen ders 
knaben eldern vorantworden ‘worden, und desulvigen preceptores 
ohren privatis discipulis itlige stunde, darinnen se mit ohnen re- 
peteren mochten, fry begeren worden, den schullen se erlovet 
werden, doch dat idt mit wetten deß rectoris geschee und by 
ohme thovorn dorch de preceptores privatos gesocht werde, uth- ı0 
genhomen de theologicas lectiones und sacras conciones schullen 
keinem erlovet werden. 

So aver einem bißwilen ein nodige geschefte vorfallen worde, 
dat he eine stunde edder einen halven dag de lectiones nicht 
horen konde, de schal von dem rectore veniam nhemen und ge- ı5 
nochsame orsake antzeigen, alßdan schal ohme erlovet werden. 
Dar he aver, dat he eine erdichtede orsake vorgewant hedde, be- 
funden worde, so schal he alßdan dubbelt gestraffet werden. 

Welcker nu hirover mothwillig ein legem overtreden edder 
eine lection vorsumen worde, de schal mit ernste gestraffet werden, » 
und de ock solcke ordnung und leges nicht wolde holden, de 
mag sinen stoel forder setten und dusser scholen motig staen. 
Dan wi dejennigen so sick sulvest vorsumen und andere ergern 
willen, keines wegeß tho dulden noch tho liden gedencken. 

Derwegen schullen dut de peene und straffe sin: nemlig as 
welcker eine stunde ane venia vorsumet, de schal ein scherf, 
de aver einen halven dag edder eine predigt tho dren slegen 
thon Brodern vorsumet, einen Brunswigkschen penning thor 
straffe geven. Und solcke geldtstraffe schullen alleine dejennigen 
geven so over seventein jhar olth sin. De andern, so junger » 
und darunder sin, schullen mit roden gestraffet werden. 

Dar aver ock itlige dat geldt geringe wegen wolden, darumb 
dat se idt vellichte nicht erwerven dorven, und sick an de geldt- 
straffe nicht keren, de schullen, wen se thom dridden male wedder 
komen und ungehorsam befunden worden, ock mit roden ge- 
straffet werden. Und dar solckes an ohnen ock nicht helpen 
wolde und se so gar ungetogen sin worden, dat se ock thom 
verden male in ungehorsam befunden worden, schal densulven 
angesecht werden, dat se sick von hir begeven. Und solckes 
schal publice vor der gantzen schole geschein. Dan wi solcken « 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 14 77 


ungehorsam von denen de sick nicht betern willen gantz und 
gar nicht tho gestaden willens sin, achtent ock ohnen sulvest 
vor nutter, se fangen wat anders und beters an, dan dat se ohre 
tidt unnutte thobringen und ohre eldern umb dat geldt so se 
s up se wenden bedregen wolden. Und so ock itlige von frombden 
orden her sin worden, de willen wi darover in der stadt nicht 
liden, idt wehre dan, dat se sick tho deinste begeven edder handt- 
wercke lehren werden, darmit se andern nicht ergernisse geven. 
Und nachdem aver wi ok gruntlig erfaren, dat itlige sin 
ı de sick undereinander, und itlige ock so vorgetten aller truwe 
und ehren und so gantz undanckbar sin, dat se ohre hern pre- 
ceptores, so se thom aller besten tehen und underwisen mit smehe- 
schriften angripen und desulven ock in schriften smehen und 
lestern dorven, welckeß, dewile idt ock im rechten vorboden, wi 
ıs keines weges tho gedulden noch tho gestaden gedencken, besunder 
henforder solcke lesterung edder smehe erstlig mit dem carcer 
und folgendes mit der vorvestigung tho straffen, ernstlig gesinnet 
sin: darvor mag sick nu ein ider clein edder groth tho hoiden 
und solckeß smehenß schriftlig und muntlig tho entholden wetten. 
3e Weret aver, dat idt jemandt darvor heilde, dat ohme von sinen 
condiscipulis etwas unbilliges wedderfoire, de mochte sick solckeß 
jegen den hern preceptoribus beclagen. Und ift idt ock jemandt 
darvor holt, dat he von den hern preceptoribus unbilliger wise 
besweret worde, de mag sick solckeß gegen uns dem radt be- 
ss lagen: so schal thom idern male duth insehent mit ernste ge- 
schein, dat nemandt thor unbillicheit besweret werden schole. 
Dar na sick ein ider moge weten tho richten. Actum den ach- 
ten deß mants Januarii anno etc. xlvii. 


© 


INSTITUTIO PRIMAE CLASSIS SCHOLAE BRUNSVICENSIS 
PER AESTATEM ANNO 1547. 

Lune 

Martis 

» £ 3 Mercurii ethimologiam magister 
FE |). ]Iovis syntaxin legit Streiperger. 
Veneris 

Saturni 


examinat rem grammaticam 


| prosodiam 


! 


78 Monumenta Germanise paedagogica I 








Lune Iteri 
Saturni \ P5® terıum 
teyer . _$legit superintendens. 
‚3 ) Veneris theologiae compendium 
= a | canonicam loannis legit coadiutor. £ 
lovis 
8 Mercurii emendantur scripta puerorum. 
= Lune 
as) 
Martis } Caesarem 
‚3 ) Mercurii legit magister 
lovis Glandorpius, 10 
> . (epistolas Ciceronis 
Veneris 





, Saturni computum ecclesiasticum 
Diebus Mercurii, quibus concionatores collogquium suum 
habent, sub hora nona habebunt pueri declamationem vel dis- 
putationem alternatim, presidente magistro Streypergero. 15 


Post meridiem 
[12 audiunt pueri musicam in minoribus scholis, quilibet in 
ea urbis parte in qua habitant, et simul etiam ibidem 
chorum visitant et pretium scholasticum persolvunt. 





R ns | dialecticam ” 
.3 \ Martıs 
rd | legit magister Streiperger. 
Iovis i 
Er un . | rhetoricam 
E Veneris 
a. Lune | 
3 Martis Demomtnonem Grece legit dominus 
Iovis doctor Anthonius Niger 
2 | Acta apostolorum Ä 
Veneris 
2 Lune examinat magister Streiperger 
cn |) Veneris grammaticam Grecam. 





Ceteris diebus sub hac hora audiunt pueri conciones sacras. » 


Diebus Mercurii et Saturni post meridiem 


£ | 12 legit magister Heinricus Fabri arithmeticam. 
| 1 legit magister Streiperger Virgilium. 
Sed iste due lectiones omnibus libere sunt. 


Leges scholastice. 35 


Auditores singuli primum dent sua nomina, ut eo melius 
cuiuslibet ratio haberi possit. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 14 79 


Debent autem singuli singulas has audire lectiones et ex 
eis nunquam &besse neque ex eis nunguam sine venia exire. 
Nullus autem puer ex minoribus scholis sine suorum precep- 
torum consensu et iuditio ad has lectiones admittendus est. 
5 Sub his publicis lectionibus nulla privatim institui debet. 
timeant Deum. 
colant pietatem. 
audiant conciones sacras. 
venerentur suos maiores. 
10 obediant preceptoribus et parentibus suis. 
sint suis heris fideles et obsequentes. 
neminem ledant. 
vitent maledicta et convicia. 
repetant sus studia diligenter. 
‚= . ]) gerant habitum scholasticum. 
abstineant ab armis. 
loguantur Latine. 
fugiant levitatem et scurrilitatem in sermone. 
sint modesti in omnibus suis actionibus. 
” non sint blasphemi neque cavillatores. 
studeant se ornare virtutibus. 
absint a potacionibus. 
fugiant balnes frigida. 
non ludant. 
25 sint pacifici. 
Transgressores secundum senatus decfetum severe punientur. 


D 
- LECTIONES IN SCHOLA MAIORE. 
Grammatica. 
Artes dicendi { Dialectica. 
Rhetorice. 
Arithmetica. 
3” Mathematica ? Musica. 
Philosophia Sphera. 
Phisica. 











80 


810 


Monumenta Germaniae paedagogica I 


Greca. 
Lingue / Latina. 
Hebrea. 
Facultas Theologia. 
Terentius. 
Virgilius. 
Cicero. 
Livius. 
Demosthenes. 
Psalterium Davidis. 
E is Asse 
xercitium ; 
BE Soluta oratio. 
stili . 
Tyanslatio. 


Auctores 


INSTITUTIO SCHOLE BRUNSCHWICENSIS MAIORIS. 


Diebus Lune, Martis, Iovis et Veneris 




















Dang examinat rem grammaticam 
3 Martis Br rector 
«on jTovis legit grammaticam ) etimologiam schole. 
Veneris Philippi sintaxin 
7 legit Terentium magister Ioannes Pistoris. 
1a... [‚bivium 
- | a rag Eu Suetonium dominus 
E sap Salustium magister 
oo | Mercurii lerit orationem alıquam loannes 
Iovis TE er librum quendam | Glandorffus. 
Veneris epistolarum 
Lune legit rector schole Ovidium de Fi = stibus. 
:3 | Martis 
 |Jovis dominus nn mer 
Mercurii legit in theologia. 


Veneris superintendens 


10 


15 


30 


25 


Hora 
Ydie Sdie 7 die 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 14 81 


Post prandium 
Lune legit arithmeticam dominus Ioannes apud 
Martis | divum Andream concionator. 
Iovis cantor apud divum Martinum profitetur 
Veneris musicam. 





12 die 





1 legit Vergilium concionator apud divam Catharinam. 
Lune 
Martis grammatıcam 
Iovis 
Veneris 


Grece legit dominus | 
doctor Niger. 


2 die 


3 die 
I ET. N ET 





Demosthenem 


Lune 

Mercurü \ Jegit Hebream linguam ) Udalricum 
Iovis 

Martis 

Veneris } contionator apud divum) Martinum. 
Saturni 


Lune 
Martis dialeoticam 





Iovis legit rector schole. 


Veneris 


4 die 





rhetoricam 





Diebus Mercurii et Saturni 
6 legit rector scholg prosodiam et rationem scribendorum 








versuum. 
Mercurii prosam 
Saturnj | Teetor emendat scripta ligatam orationem. 


Mercurü legit magister Glandorfüus. 

Saturni audit lupum rector schole. 
Mercurii legit superattendens 
| declamatur presidente 
aut disputatur Besen schole. 





Saturni alternatis vicibus 





Post prandium 


1 legit rector mathematicam, 
2 legit dominus doctor Anthonius Niger phisicam. . 


N 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 6 





82 Monumenta Germanise paedagogica I 


15 


Lehrplan des Martineums. 
1547. 


I 


LABORES SCHOLASTICI IN HORAS ET COLLABORATORES 
DISTRIBUTI PER HYEMENAB ANNO 1547 IN 1548 
IN SCHOLA MARTINIANA. 


Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 


6 mmaticam 
) legit Tereiiam 
8 dat vocabula rerum et animadvertit in omnes classes, 
ut post chorum repetant. 

Post prandium 
secunda 
tertia 

 quinta 
epistolas Ciceronis | soxta 
secunda 
tertia et 
quarta 


secundae classi. 





5 


feria 
secundae 
classi. Mn 


bucolica Vergilii 





1 legit 





3 repetit rem grammaticam cum classe, 





Magister hora 


Diebus Mercurii et Saturni 
Mereuriü ‚ \ sacros hymnos ) in secunda 15 
Saturni | legit ) evangelistam classe. 
Mercurii emendat: puerorum scripta in 


— | Satumi legit lupım eadem 
8 post chorum docet rudimenta Graecae linguae alas 


| 12 legit arithmeticam 











‚© 
ae 
© 
R: 








10 


15 


25 


Cantor 


Nicolaus Faber 


Ioannes 


| 


N 


N 
MD 30 


6 
© 
ae 
> 


u 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 15 83 


Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 


exercet rudimenta grammaticae ex 
catechismo in quarta classe. 
exponit catechismum carminibus 
regit chorum. 
exercet musicam in secunda classe. 
docet quartam classem pingere literas. 
regit chorum. 


Diebus Mercuriiı et Saturni 


Mercurii ., ( catechismum in tertia 

Saturni pn evangelium dominicale| classe. 

die Mercurii emendat sceripta cum magistro in secunda 
classe. 

die Saturni repetit in quarta classe lectiones quas pueri 
per septimanam audiverunt. 

regit chorum, deinde exercet choralem cantum cum tertia 
et quarta classe. 

regit chorum, sicut et dominicis diebus mane et vespere. 


Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 
tradit compendium grammaticae 
legit et repetit praecpta Catonis 
audit syllabicantes et legentes cum Ioanne. 
1 legit fabulas Aesopi tertiae classi. 

2 visitat cum cantore chorum. 


in tertia classe. 


Diebus Mercurii et Saturni 


audit legentes et syllabicantes cum Joanne. 
| Mercurü emendat scripta 


P E in terti 1 
Saturni legit lupum ın tertia classe 





8 visitat cum cantore chorum. 


8 








Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 
| Ioanne Stoer. 


audit syllabicantes et legentes cum Ioanne Obermeyer. 





'visitat chorum cum cantore. 
Nicolao Fabro. 


audit pueros cum 
P Urbano Lober. 


84 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Diebus Mercurii et Saturni 
6 audit pueros cum Nicolao Fabro. 
| 7 audit eosdem recitare catechismum. 
8 visitat chorum cum cantore. 


Ioannes 


Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 5, 


Ioannes 
Stoer 


6 audit cum Joanne pueros. 
12 exercet musicam in tertia et quarta classe. 





Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 

recitantes vocabula rerum. 

repetentes in tertia et quarta ı0 
classe. 


animadvertit 
in 


sub choro 
post chorum 








tradit prosodiam | 


is di da, tertia 
3 alternatis diebus) examinat rem |" en a 
: et quarta classe. 

grammaticam 


Ursinus 


Die Mercurii 15 
\ 7 exponit quartae classi catechismum in prosa. 


Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 
7 audit pueros cum loanne. 


8 
3 animadvertit in pueros.recitantes vocabula rerum. 
Die Mercurii 20 


6 audit pueros in quarta classe recitantes ordine praecepta 
grammaticae singulos. 


Ioannes Obermeyer 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 16 85 


me er nn m 





16 


Gutachten der Kastenherren über das Schulwesen 


der Stadt. 
1547. 


LG 
DER CASTENHERN ARTIKEL. 


Werdige, achtbar, höch unde wolgelärde, gunstige, leve heren 
und brodere. Nach dem disse tydt her de sunderlige vlyth und 
moye des werdigen und hochgelärden heren doctoris und supe- 
rattendenten der scholen halben ghesein und vermerket, des wy 

sS. W. hochlich bedanken, und nach dem S.W. ock boven de 
verordenten schole al hyr noch eyn nye pedagogium mit sunder- 
ligen preceptoren, ock sunderliger scholtucht, angerichtet und 
verordent hefft, und wy wol S. achtbar werde dith institutum 
wol gudt gemenet und thom besten hefft angefangen, ist dennoch 
ıw der ersamen casten heren, do men vom erbarn rade eyn peda- 
gogium offte lectorium publicum anthorichten gebeden, de meninge 
und vorstandt nicht gewesen, sodane nye schole mit solcher 
scholtucht anthorichten, dar mit de verordenten particular etwas 
veringert, dar van ock by unsen borgeren menigerleie geclaget, 
ıs ock befunden, dat S. W. der schole halben mennigerleye sorge 
und irrung vorfelt, dar mit S. W. offt turbirt und vererret wert, 
und derhalben synes angenomen und befolen amptes mochte ver- 
droten werden, unde de wyle ock beide van der nyen angefangen 
ock anderen scholen etlige ghebreck und feil befunden, hebben 
» de ersamen casten heren etliche artikel van den scholen behertiget 
und de sulvigen upgetekent, dar uth J. A. W. ohre bedenkent 
vormerken, mit fruntliger bitt, J. W. wil dyth nicht anders den 
up dat fruntligesthe und broderligesthe van uns annemen, konnen 
ock guden und fruntligen jegenbericht dar over van J. W. wol 
35 erdulden. 

Thom ersten, nach dem in unser ordeninge twe schole Mar- 
tinı und Catharing bestemt, und de dridde Egidii vamme erbaren 
rade etlicher orsake halben dar tho gebeden, und syn disse dre 
particular vor genoch angesehn: so nu de sulvigen mit fromen, 

3o vlitigen und gelarden magistris, cantoren und gesellen, ock mit 





86 Monumenta germanise paedagogica I 


guder scholtucht, wy bet her, versorget, und dat de kinder uth 
den wickbelden den scholen, dar hen se luth der ordeninge de- 
putert, tho ghewiset worden, achten de ersamen casten heren 
disse stadt mit particularn gnugsam versorgt. 

Thom anderen, dat de preceptores und scholgesellen, gelick s 
alße (le predicanten, vam erbarn rade unde casten heren in jedem 
wickbelde by ohre schole mochten vocert und angenomen werden, 
doch mit iuditio und ordel des superattendenten und adjutoren 
thom scholampte confermert und bestetiget. 

Thom dridden, so ock borger effte borger kinder tho sol- » 
chem scholampte willich und duchtich weren, dat als denne de 
sulvigen umme veler orsake willen nicht vor bigeghan, besonder 
vor anderen gefordert, dar mit ein jeder syn kinth tor lere tho 
holden verorsaket. 

Thom verden, dat de preceptores und scholgesellen van den ı: 
kinderen, se weren extranei edder borger kinder, nicht mehr tho 
schol lone, pro introitu edder inscriptione, tho holtgelde, edder 
pro pena vorderen mochten, den als thom dele in unser ordeninge 
uthgedrucket und vam erbarn rade, superattendenten und casten 
heren erkant, dar mede de armoth nicht moge beswert und over- % 
nomen werden. 

‘Thom 5. noch dem in unser gemene itzunder vele kranken, 
dar van vele versterben, acht me van noden, dat up de cantorı 
unde scholgesellen ghesein, dar mede unse borgere nicht unbilliger 
wise pro funere besweret und ghescattet werden. 3 

Thom 6. de wile de kinder in den particularn in classes 
dividert, wolle de superattendens und adjutor ein vlitich upsehnt 
hebben, dat van den preceptorn sodane lectiones ordinert, de de 
knaben mit frucht horen mogen, und de preceptores dar by ver- 
manen, ein jeder syne deputerte lection unde befoln ampt mit» 
vlite wolde uthrichten, dat also de knaben in aller godtselicheit 
und mit deme besten instituert und de gude tydt nicht unnut- 
ligen tho bringen. 

Thom 7. dat ock de maiores ein jeder in synen chor, dar 
hen se ghehort, ghewiset werde und dar des fierdages und avendes » 
jegenwordich sy und de psalme und ander chor gesenge mit fiyte 
heipen singen unde nicht alse jungkern im chor sthan, dar mede 
frome herten offendert, alse bet her vele mahl gheschein. 

Thom 8. dat de extraneen, de by unseren borgern ge- 
herberget und umme ohrer kinder willen underholden werden, « 














Schulordnungen der Stadt Braunschweig 16 87 


van den preceptoren vlitigen vermanet, se nicht allene ohr stu- 
diren waren, besonder ock de befoln knaben vlitigen resumern 
und stedes uth und in voren. 


Thom 9. so ock frome und gelärde preceptores edder ge- 
ssellen by den scholen in ampte weren, dat me de, noch umme 
ander lude gunst edder ungunst willen, ahne orsake nicht ver- 
wisen wolle, denne veranderinge der preceptoren jo ahne schaden 
der joget nicht geschein mach. 


‚„ Thom 10. so disse vorgeschreven dre schole vam heren 
ıo superattendenten und adjutor alse oberste scholmestere und upsehr 
vlitigen visitert, und desulvigen mit fromen, vlitigen und gelarden 
magistris, cantorn und gesellen, wy boVven gesecht, bestelt unde 
versehn weren, worde me der angefangen scholtucht thon Bar- 
voten, doch guder meninge angerichtet, unses erachtens entraden 
ı» kunnen. Denne de artes, de itzunder im auditorio thon Barvoten, 
alße de grammatica, dyalectica, rethorica, musica und poesis, ge- 
lesen werden, konden ock wol ordentlicher wyse in den parti- 
cularn in de classes bequemlich dividert und tradert werden, wy 
vormaels geschein. 


30 Thom 11. dat averst boven disse verordenten und wolbe- 
stelten particularia van den ersamen casten heren vor etlichen 
jaren van deme erbarn rade eine publica schola, unde umme 
ghelegenheit der stede thon Barvoten anthorichten ghebeden, und 
dat van den closter goderen in disse schole edder lectorium ghe- 

> lerde professores mochten besoldet und verordent weren, ist nicht 
der casten heren meninge und vorstandt gewesen, in dissem lec- 
torio eine solche scholtucht anthorichten, dar me sick mit den 
knaben criminern, mit roden unde stupen handeln worde, welck 
excercitium jo den particularn befoln syn scholde, dar de heren 

» predicanten, unses erachtens, unde borger, ock fromde lude, de to 
tyden dyth lectorium visiteren, wenigen lusten anthohoren und 
tho sehnde hebben, dar ock in unser gemene allerleie nachrede 
van geschicht, dar ock de professores in ohren lection nicht ein 
den anderen calumniern scholde, wy dar van ghesecht, besonder 

3; dat disse publica schola edder lectorium gemene und fry syn 
worde, dar in der stille und mit sachtmodicheit van den pro- 
fessorn beneven deme heren superattendenten und adjutor, Godt 
deme almechtigen und disser stadt tho ehren, den inwoneren, 
ock fromden tho nutt und fromen, profitert unde gelesen worde. 


88 "Monumente Germaniae paedagogica I 





Und vor erst ist dyth vornementh der ersamen casten heren 
also bedacht worden, dat gelerde professores thon Barvoten publice 
tho lesen verordent worden, nicht vor allerleie knaben, de sust 
in den particularn mit gnugsam guden lectionibus versorget, 
‚sonder vor de heren predicanten, de also orsake hedden wyder s 
tho studerende. i 

Item vor unse borger, de lust thom studio hedden, de ock 
de lectiones, wens ohne ghelegen, visiteren mochten. 

Item vor junge studenten, so ohre olderen in universali 
studio nicht lenger tho holden vermochten, so de sulvigen nicht » 
in, deinsthe, dennoch by ohrem studio continiern mochten. 

Item vor arme grote gesellen, de ohre elderen in universiteten 
nicht holden konnen, und alrede in umliggeden particularn visi- 
tert und sick hyr in de particular nicht wolden wedder begeven, 
dene mochten disse publice lectiones ock fry syn, und me mochte ıs 
se ohren olderen edder frunden unde der vermaninge des godt- 
ligen wordes und dem weltligen regimente laten bevolen syn. 

Item dat ock in duth lectorium kein scholer uth unsen 'par- 
ticularn ghestadet worde, he were tho vorne vamme scholmesther 
und superattendenten examinirt und duchtich ghefunden, dat he » 
mit trucht de professores horen konde, doch dat de preceptores 
in den scholen up disser uth unde ingaent acht hedden. 

Item dat ock de scholgesellen disse lectiones visiterden, 
doch dat se ohr befohln ampt dar mede nicht versumeden. 

Unde achten de ersamen casten heren, dat des dages 4 lec- »; 
tiones publice in dissem lectorio genoch syn worden, ii des vormid- 
dages und ii des namiddages. Watte stunde aberst disse lectiones 
scholden gelesen werden, woldem tho den professorn und heren 
predicanten gestalt hebben. Wat ock vor lectiones dar scholden 
gelesen werden, woldem ohren werden geliker stalt ock bevolen so 
hebben, doch dat eine lectio in sacris geholden worde, dar de heren 
predicanten alle jegenwordich wesen wolden. 

So nu disse vlyth, wy gesecht, in den particularen vorge- 
want, unde de ordeninge im lectorio gheholden worde, beduchte den 
ersamen casten heren, dat disse stadt mit schol regimente gnug- » 
sam versorget were, worde ock deme heren doctor, deme disser 
angefangen scholtucht vele obligt und offte grofflich turbirt und 
vexirt wert, tho groter verlichtinge, und alse syner werde wol 
tho gunnen, selbst thom besten komen, unde bidden der halven 
de ereamen cssten heren, J. acht. wer. wolde dyth ohre bedenkent « 


Schulordnungen der Stadt Braunschwoig 16 89 


ohne jo nicht thom ergesten uthleggen — denne se jo in disser 

erligen stadt mit sorgen, dat ydt beyde mit predigen und schol 

regimente wol und ordentlich moge tho ghan — besonder dyth 

anbringent up dat fruntligeste und broderligeste vermerken und 
s annemen. Godt geve syne gnade. 


17 


Lehrplan des Martineums. 
1548. 


INSTITUTIO SCHOLAE BRUNSVICENSIS APUD DIVUM 
MARTINUM PER AESTATEM. ANNO DOMINI 1548. 


CANDIDO LECTORI SALUTEM. 


Cum tot huc usque laborum nostrorum scholasticorum ini- 
quissimos non modo censores, sed et repraehensores acerbissimos 
habuerimus, qui nos etiam apud pios et bonos homines calumniis 
suis perversissimis in suspitionem negligentiae et ignaviae inducere 

ı conati sunt, necessitate coacti sumus hanc praesentem nostram 
institutionem scholasticam publice aedere, ut sic iuxta divi Petri 
doctrinam non tam de fide quam de officio nostro rationem 
reddere omnibus hominibus parati essemus, praesertim vero paren- 
tibus qui liberos suos in scholam nostram mittunt, ut sciant, 

ıs quem fructum in suis pueris ex hac nostra institutione expectare 
debeant. Deinde etiam propterea id eo libentius fecimus, ut 
nostrae scholae pueri et praeceptores certam quandam, et quidem 
brevissimam suorum officiorum formulam praescriptam haberent, 
quam omnium bonorum virorum iudicio ultro subiicimus. Ca- 

3 villatores vero, quibus nihil nisi quod ipsi faciunt reetum videtur, 
enixe oramus, ut vel meliorem nobis praescribant rationem, vel 
calumniari tandem operam nostram desinant. Tu vero, candide 
lector, bene vale et syncere de nobis iudica. Brunsvigae pridie 
Nonas Martii. Anno 1548. 

35 Nicolaus Medler Doctor 

et Superintendens. 


90 


Monumenta Germanise paedagogica I 





Hora 


Hora 


In prima classe, cui praeest rector ludi magister 
Heinricus Fabri. 
































'Lunae |examinat rem grammaticam Latine 
Martis et Graece 
‚= |Iovır legit etimologiam maiorem gram- 
eo j Veneris | maticae Philippi 
Mercuriüi ae 
‚ \legit evangelia dominicalia Graece 
'Satumi | ® a 
magister 
Lunae |} ]istoriam Iustini ; 
3 slovis | Aoneida Virgilüi 
tm | Veneris 
Mercurii examinat pe 
Satumi Jupum 
Lunae (. . ee 
in dialecticis 
Martis 
& .. . 
rS Mercurü in rhetoricis legit 
ao JIovs ) superintendens. 
Veneris in theologia 
Saturmi 
A meridie 
Luna 
| © na | arithmeticam conrector. 
:3 \Martis \ jogit 
lovi 
a re 2 musicam cantor. 
Veneris 
Lunae 
E Martis f magister legit epistolas familiares Ciceronis 
„, |Iovis maiores. 
Veneris 


2 adolescentes ingrediuntur chorum, deinde accipiunt me- 


rendam. 
E _. | conrector re | minorem prosodiam Micylli. = 
Iovis ] egit 
nm 1 2 . 20. . 
Veneris magister syntaxin maiorem Philippi. 


10 


Eh) 


35 


Hora 


& 
a 
ö 
Au 


Schulorduungen der Stadt Braunschweig 17 91 


In secunda classe, cui praeest conrector. 
Lunae 


Martis | examinat rem grammatıcam 


‚3 )Mercurii legit hymnos saoros 
eo jJ0vis legit etimologiam minoris gramma- 
Veneris ticae Philippi 
' Saturni legit evangelium Marci Latine 
conrector 
Lunae 
Marti 
‚® a legit Terentium 
v Iovis 
= | Veneris 
Mercurii 


| | scripta 
' Satumi | SAAnmDaN en 


8 ingrediuntur pueri chorum, deinde repetunt Terentium 
animadvertente infimo usque ad horam nonam. 


A meridie 











Lunae 
© arithmeticam 
3 )Mart ; ut 
audiunt pueri cum primanis. 
cı )Jlovis 
vi musıcam 
Veneris 
Lunae U Dee, 
: bucolica Virgilii 
Martıs 
legit conrector. 
Iovis : i 
. \epistolas Ciceronis minores 
\ Veneris 


2 ingredinatur pueri chorum, deinde dimittuntur usque 
ad horam tertiam. 





‚© \Martis audiunt pueri cum primanis prosodiam Micylli. 
= }Iovis 
= Vaneris legit minorem syntaxin Philippi conrector. 





In tertia classe, cui praeest cantor. 


Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 


6 examinat rem grammaticam ex compendio 

7 exponit pueris Catonem 

8 regit chorum et deinde audit repetentes Cato- 
nem in tertia et catechismum in quarta classe 


cantor 











92 Monumenta Germaniae paedagogica I 


mm m nn nn nr DE re Tr 





Post prandium 


Lunae 
©® ® ® ® “ °. 
3 JMartis (exercet cum pueris musicam ex rudimentis 
ca JIovis succentor. 
-’ . 

Veneris 5 


1 legit minores fabulas Aesopi cantor. 

2 ingreditur cantor cum pueris chorum, qui deinde acci- 
piunt merendam. 

3 exponit supremus versum ex Catone et examinat decli- 


4 


& ey 
= nationes et, coniugationes in | | las. 10 


Diebus Mercurii et Saturni 


catechismum Ellingeri 

evangelium dominicale | 
.a |Mercurüi ) scripta 
— |Satumi | lupum 15 
8 regit chorum, deinde exercet pueros secundae classis in 

| cantu Gregoriano usque ad horam nonamı. 


6d 


‚© (Mercuriü : 
Saturni 





> cantor. 
examınat 





In quarta classe, cui praeest supremus. 
Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 


6 legit et exercet rudimenta grammaticae | | 

7 legit catechismum Latinum Lutheri u 

8 ingrediuntur pueri chorum, deinde repetunt Catonem 
animadvertente cantore. 


2u 


Post prandium 
12 audiunt pueri musicam cum tertianis. 


„ | 1 examinat scripturas supremus. 25 
© ’ 2 ingrediuntur pueri chorum, deinde dimittuntur pro me- 
2. renda. 


3 coniungitur haec classis tertiae. 


Die Mercurii et Saturni 


6 rudimenta gramma- 3 
audit pueros memoriter reeitantes ticae. 
7 supremus ordine omnes Latinum catechis- 


'  mum Lutheri. . 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 17 93 


u —r. 


& , 8 ingreditur supremus cum pueris tertiae et quartae classis 
hr in chorum et deinde exercet eos in cantu Gregoriano. 

Diebus dominicis et festis regit supremus chorum apud di- 
vum Huldericum. 


Restant adhuc aliae quatuor classes, quibus praesst medius, 
et habet adiuvantes succentorem et infimum. 


Quinta legentium Latine et pingentium literas. 
s Sexta legentium Germanice. 
. es x . . . 
Septima \syllabicantium Germanice. 


Octava elementariorum. 
Postremae istae elasses singulae diebus Lunae, Martis, Iovis 
et Veneris quater in die, bis ante et toties post meridiem, per 
ıo medium, succentorem et infimum in lectionibus suis diligenter, 
et quidem omnes pueri singillatim, audiuntur. Deinde propomun- 
tur eis dietis diebus quatuor rerum vocabula ediscenda, bina 
ante et totidem post meridiem, quae per integram horam ordine 
memoriter recitant auscultante infimo. Diebus vero Mercurii et 
ıs Saturni, quando ante prandium semel sunt auditi, recitant cate- 
chismum Lutheri Germanicum, sub horam septimam medio et sub 
horam octavam infimo animadvertente. 
Incipiunt autem omnium classium pueri semper sua studia 
eantando aliquem hymnum sacrum, et recitando catechismi aliquam 

» partem ea finiunt. 

Porro diebus Mercurii et Saturni a meridie domi repetunt 
lectiones quas proximo biduo antea audierunt. 

Sed diebus dominicis et festis tantum ceremoniis et con- 
cionibus sacris vacant. 

35 Sunt praeterea et aliae nonnullae leges, pueris et praecep- 
toribus praescriptae, ut secundum eas officia sua expediant, quas 
brevitatis causa hic omisimus. 

Solemus tamen quolibet fere semestri unam atque alteram 
lectionem pro captu et profectu puerorum variare et quoque 

» pueros quosdam ex una in aliam superiorem classem transferre. 
Ideo hunc ordinem tantum ‘pro huius aestatis spacio praescripsi- 
mus. Bene vale, candide lector. 


94 


Magister hora 


Conrector hora 


© 
. 


en 


® 
3 
[> 


Monumenta Germaniae paedagogica I 


LABORES SCHOLASTICI IN COLLABORATORES 





DISTRIBUTI. 

Latinam. 

6 legit grammaticam Ba 
unse Iustinum. 


2 \ Martis N 2 
| Tovis Aeneida Virgilii. 


Veneris 
8 dat vocabula rerum postremis 4 classibus. 


Post meridiem 


1 legit epistolas Ciceronis maiores. 
2 dat vocabula rerum. 
Iovis 


Veneris legit minorem syntaxin Philippi. 








Diebus Mercurii et Saturni 


6 legit evangelium dominicale Graece. 
Mercurii emendat scripta. 
Saturni examinat lupum. 





Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 


6 examinat et legit grammaticam. 
7 legit Terentium. 


Post meridiem 


Lunae ), .. am: 
= Martis | apit arıithmeticam. 
ca JIovs |. 
lyanena us legentes. 
Lunae MR 
E: Martis | legit bucolica Virgilii. 
Iovis eo 
” Varenik ‚ Togit minores epistolas Ciceronis. 
Lunae 
" rosodiam. 
. n a legit ? 
„„ jTovis ae 


Veneris 


15 


35 


&i 








10 


13 


35 


Cantor hora 


Supremus hora 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 17 95 





Diebus Mercurii et Saturni 





.3 ( Mercurii hymnos sacros. 
6 legit 
eo | Saturni evangelium Marci Latine. 
2 Mercurü ER scripts, 
- | examina 
— [Satumi lupum., 











Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 


6 exercet rem grammaticam. 
7 exponit Catonem. 
8 regit chorum, deinde audit repetentes. 


Post prandium 


Lunae 
3 Martis | audit legentes. 
a Iovis . i 
” Weneris | legit musicam. 


1 legit minores fabulas Aesopi. 
2 regit chorum. 


Diebus Mercurii et Saturni 





:3 ( Mercurii ‚ featechismum Ellingeri. 
© \Saturni | ’eg1t | evangelium dominicale. 
‚2 |Mercurü scripta. 

© Saturni | exXeminat ) Jupum, 

8 


regit chorum, deinde exercet pueros primae et secundae 
classis in cantu Gregoriano usque ad horam nonam. 
2 item et diebus dominicis et festis regit chorum. 


Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 
6 exercet pueros in rudimentis grammaticae. 
7 legit catechismum Lutheri. 


Post prandium 


1 examinat scripturas,. 
3 exponit Catonem et examinat declinationes et coniuga- 


tiones in classe. 


4 











Supremus hora 


Medius hora 


12 die 


Succentor 


Monumenta Germaniae paedagogica I 


Die Mercurii et Saturni 


6 ) audit pueros me- | rudimenta grammatices 
7 | moriterreeitantes | catechismum Lutheri Latinum | OTdine. 
8 visitat cum cantore chorum et deinde exercet pueros 
tertiae et quartae classis in cantüu Gregoriano usque 5 
ad horam nonam. 
Diebus dominieis et festis regit chorum apud divum 
Udalricum, 


Medius praeest postremis quatuor classibus. 








Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 10 
6 succentore 
z| CUM } infimo audit postremas classes, 
Lunae, 
25 . \Martis 
8 visıtat cum cantore chorum die NER 
Iovis, 15 
Veneris. 


Post meridiem 


Lunae 
Martjs [ eum cantore 


Tovis audit pueros. 
0 
Venerig \ cum conrectore 


1 audit pueros cum succentore. 


Diebus Mercurii et Saturni » 


6 audit pueros cum infimo. 
7 audit eosdem recitare catechismum Lutheri Germanicum. 3 


Succentor iuvat cantorem et medium. 
6 audit pueros cum medio, 


classe. 





3 
4 
1 audit pueros cum medio. RN 
2 visitat chorum cum cantore. 





E 12 exercet musicam in 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 17 9 


_——— a ET ra EEE EEE ET Bun EEE EEE EEE 





Infimus iuvat medium. 


Lunae, 
. 2. )Martis 
7 audit pueros cum medio die Iovi ' 
’ 
Veneris. 


5! animadvertit recitantes vocabula rerum. 


Infimus hora 


Die Mercurii et Saturni 


8 anımadvertit recitantes catechısmum Germanicum Lutheri. 


FINIS. 


18 


Lehrplan und Schulgesetze des Katharineums. 
1548. 


Rz 


INSTITUTIO SCHOLAE CATHARINTANAE PER AESTATEM 
ANNO 1548. 


0 Ex vocatione iusta suscipientibus nobis docendi munus, rem 
ut laboriosissimam, ita et dificilimam, primo omnium invocamus 
Deum omnipotentem, patrem domini nostri Ihesu Christi, ut suo 
sancto spiritu nostra docentium et discentium studia excitet, regat 
et conservet ad nominis sui gloriam, ecclesiae suae et rei publi- 

ı cae salutem per Christum dominum nostrum, cui inserviemus. 
Amen. 

Cum initium sapientiae sit timor domini, omnium rec- 
tissime nos facturos esse censeo, si studia nostra tum matutina 
tum meridiana a pietate et invocatione divini nominis ordiamur. 

zı Quare mane sexta scholam ingressi coniunctis classibus ac flexis 
genibus preces nostras fundamus ex praescripto piae memorise 
doctoris Martini Lutheri, primum symbolum, post orationem 
dominicam; his adiungemus gratiarum actionis precatiunculam: 


Sehulordnungen der Stadt Braunschweig 7 


98 Monumenta Germanise pasdagogica I 


Ego tibi, o pater etc. Qua absoluta spiritus sancti auxilium pro 
foelici studiorum successu invocabimus cantando: Veni, sancte 
spiritus, adiuncta collecta cum suis versiculis. Quibus exactis 
tacite se pueri in classes suas recipiant, ubi in qualibet classe 
puer unus atque alter assurgat et recitet unicam partem catechismi 
cum explanatione, in prima etsecunda Latine et Germanice, in cae- 
teris Germanice tantum. Post haec studia alacriter aggrediantur. 
Itidem et meridiana hora duodecima faciendum, ut studia inchoen- 
tur a decantatione hymni eius hebdomadae adiuncta prece pro 
felici studiorum successu. 

Et quemadmodum in ingressu scholae pietatis ratio habita 
est, ita et eandem observandam esse censeo in egressu. Antequam 
igitur pueri hora nona dimittantur, rursum coniunctis classibus 
Latine quinque partes catechismi sine explicatione recitent, post 
ıneridiem vero Germanice. Pueri quoque unus post alterum, non 
copulatim seu gregatim, sed ordine dimittantur, sine strepitu et 
tumultu, ne a. maioribus minores laedantur. Quare utile fore 
existimo, Si praeceptores ingresa — interim dum pars recitatur, vel 
post meridiem dum pueri ad musicam discendam coniuncti de- 
bita sua loca occupant — suis classibus singulis vicibus sententiam 
vel pietatis vel honestatis proponant, atque in foribus ab iisdem 
deinde ordine exigant ac domi recitandam mandent. Primae classi 
proverbia Salomonis, secundae disticha Catonis, tertise dicta sa- 
pientum utiliter proponi posse existimo, pueris quartae classis 
rerum vocabula recitantibus. 


Infimae quartae classis institutio. 

Infima haec classis licet una sit, tamen ordinis ratione in 

tres partes subdividendam esse arbitror, sic ut prima sit alpha- 
betariorum, altera syllabicantium, tertia legentium. 


Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 
6 | semel } | coadiuvante 
recitent | coram infimo et 
7 | semel | \ D. conrectore. 
8 discant vocabula rerum a rectore, quae usque in nonam 
D. conrector e choro reversur cum illis repetat et 
exerceat. 


Hora 


2] eeritent ! 
1\ Baum ! semnel | que tertise classi Catonem exponat, quod 


ut faciat commodius, ambabus horis 
coadiuvantis opera utetur. 


5 


iv 


15 


20 » 


2 


#11] 


semel ) coram infimo, qui tamen prima hora quo- 3 





Selfulordnungen der Stadt Braunschweig 18 99 








: 2 a rectore literas pingere discant, quemadmodum et pueri 
tertiae classis, postquam e choro revertantur, a rectore 
scribere discunt. . 

3 vocabula rerum ab infimo discant. 


Hora 


Diebus Mercurii et Saturni 


6 coram infimo semel recitent, cui adiuvantis accedit opera. 
| 7yecatechismum ab infimo discant, et quod religuum fuerit 
8 temporis catalogum absentiae examinando tribuatur. 


‚Tertiae classis institutio. 


Pueri tertise classis, cum iam expedite legere noverint, 
ıo assuefaciendi erunt ad paradigmata Donati nomina, pronomina 
et participia declinare et verba coniugare. Quod ut utiliter fieri 
possit, simplicissima ratione Lutheri catechismus Latine illis ex- 
ponatur, ut paulatim verbis Latinis assuescant, cum e contrario 
Germanicam enarrationem saepius consulere possint ijuvandae me- 
ıs morise gratia. Quare eius classis preceptor diligenter curabit, 
ut in exponendo, quantum liceat, enarrationem Germanicam ex 
adverso asscriptam sequatur et ab ea non discedat. Deinde ex 
catechismo nomina, pronomina vel verba proponat ad paradigmata 
Donati declinanda et coniuganda. Atque ut verba Latina una 
» cum catechismi doctrina tenacius inhereant, cogat pueros, ut 
auditam lectionem altero die mane memoriter recitent. Propo- 
natur et Cato, ex quo pariter et verba Latina et morer discant 
formare, cuius lectionem audıtam etiam altero die memoriter re- 
citent, quibus addatur exereitium sententiam brevem in Latinam 
» linguam transferendi. Paulatim quoque ad musicum concentum 
illorum aures assuefaciendae sunt, a quibus tamen non anxie 
musicae ratio exigatur. Denigque manus illorum ad literarum 
figuras Latine etGermanice scribendum formentur. Atque ea omnia 
ex praescripto ordinationis Pomerani et Philippi in libro de vi- 
»sitatoribus scripto.. Quae quidem per hebdomadam his horis 
absolvi possunt. 


Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris 
D. cantore. 


7 rector catechismum illis exponat ac auditam lectionem 
ab lisdem memoriter recitandam exigat. 


6 Donati paradigmata memoriter discant et recitent coram 


7* 





100 Monumenta Germaniae paedagogica el 


— nn mn on u —._ m —— — m. 





| 8 chorum visitent, ac reversi, conrector illis ex catechismo 
nomina, pronomina et participia et verba ad paradig- 
mata Donati formanda proponat, donec dimittantur 
hora- nona. 

12 in musica a cantore instituantur. 5 

1 infimus Catonem illis exponat duobus prioribus diebus, 
posterioribus vero D. cantor illis suam operam locabit. 

2 chorum visitent, ac reversi, quod religquum est temporis 
exercendo manus pingendis literarum figuris Latine et 
(Germanice tribuant informante rectore. 10 

3 cum reliquis duabus classibus Mmaioribus actui gramma.- 
tices examinandi intersint, ut paulatim eorum iuditia 
informentur ex creberrima recitatione preceptorum. 
regularum et constructionum grammatices, subinde et 
illis nomen, pronomen, participium vel verbum djara ı: 
voce formandum imponatur per D. conrectorem, interim 
dum rector profectioribus primae classis dialectices et 
rhetorices precepta legit et discenda proponit. 


Hora 
——— 


Diebus Mercurii et Saturni 


6 catechismum recitantes audiat cantor. er 

? Mercurii: sententiam e Germanico versam D. cantori ex- 
hibeant emendandam, a quo alia proponatur illis sen- 
tentia vertenda in tabula. 

Saturni: evangelium D. cantor illis exponat et absentiae 

catalogum legat, quemadmodum et die Mercurii. 2 

8 post chorum D, cantor suo juditio vel lectiones in templo 
legendas ordinabit, vel pueros in musica exercebit. 


Secundae classis institutio. 


Cum iam aliquantulum confirmati maiores labores sufferre 
possunt, prius aligquamdiu exercitati in vocabulis Latinae linguae 
cognoscendis, tandem in secundam classem relati, hic modus illos s. 
instituendi suscipiatur. Ut primo octo orationis partibus ex Donato 
cognitis, D. Philippi grammaticae praecepta discenda illis propo- 
nantur, quae altero die ab illis exigantur, ut memoriter recitent. 
Simili ratione et syntaxin addiscant et memoriae mandent, ubi 
preceptori fideli incumbet, ut iudicia puerorum diligenter informet, :s 
quo Latinam linguam tum in vocabulis secundum grammaticae 
etimologiam, tum in orationibus coniunctis secundum syntaxeos 








Pl) 


25 


3) 


35 


regulas iudicare et paulatim suo sermone et stylo assequi possint. 


Schulordnungen der Stadt: Braunschweig 18 101 











[nn nn 





— 


Huic grammaticae exercitio accedant linguae politioris authores, 
ut sunt fabulae Aesopicae Camerarii, Ciceronis epistolae selectae 
et Terentii fabulae Ex quibus praeter simplicem verborum ex- 
s positionem praeceptor formulas Latine loquendi et scribendi ex- 
. cerpat et proponat excipiendas, quibus in quotidiano sermone et 
styli exercitio utantur. Denique et in verbo Dei excolendi sunt, 
ut iudicio praeceptoris ex aliquo evangelista Christi hystoriam 
et facta discant. Interponatur etiam ipsorum studiis frequens 
uw musicae exercitium, cognitione praeceptorum firmatum. 


Hora 


Diebus Lunae, Martis, Iovis, Veneris 

6 prioribus diebus etimologiam, posterioribus vero duobus 
diebus syntaxin a conrectore discant et praecedentem 
lectionem coram eodem memoriter recitent. 

? Terentium &.D. cantore audiant. 

8 chorum visitent, et reversi, rector cum illis repetat et 
grammaticae rationem verborum et sententiarum exigat 
coniuncta prima classe. 

12 musicam a D. cantore addiscant. 

1 prioribus duobus diebus epistolas Ciceronis selectas a D. 
cantore, posterioribus vero duobus diebus fabulas Aeso- 
picas Camerarii ab infimo audiant. 

2 chorum visitent, et reversi, D. conrector primae et huic 
secundae classi adsit, ut repetant auditam lectionem, 
ac subinde praeteritas lectiones revocet. 

3 in grammatica exerceantur coniunctis primae et secun- 
dae classis pueris actu generali per. D. conrectorem. 


Diebus Mercurii et Saturni 

6 dominus conrector illis exponet Matheum. 

7 exhibeant D. conrectori scripta. 

8 chorum visitent, et reversi negligentiae morum et Lati- 
nitatis paenas accipiant catalogo lecto per D. conrec- 
torem. Thema Germanicum D. conrector illis dictabit 
et quod reliquum fuerit temporis interpretationi evan- 
gelii et epistolae tribuat. 


Primae classis institutio. 


Etsi in hac classe praeparandi essent adolescentes, ut| in 


singulis artium et linguarum principiis instituti fideliter ac ma- 








102 Monnmenta Germeniae paedagogica I 


—— 


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m — 


numissi cum commodo ipsorum et parentum utiliter ad universi- 
tatem mittantur, ut eam pietatis rationem ac artium linguarumque 
institutionem quam feliciter in schola puerili coeperunt aliquando 
in universitate sub doctissimis et clarissimis quibusque preceptori- 
bus ad gloriam Dei, ipsorum, ecclesise Christi et rei publicae sa- 
lutem et utilitatem absolvant: tamen, cum prima hac vice non 
omnie simul tradi aut proponi possint, ordinis ratione ea saltem 
illis proponenda esse censeo quae priorem puerilem ac simplicem 
grammaticae et: Latinae linguae institutionem confirment penitiori 
ac diligentiori singulorum preceptorum et verborum explicatione. 
Quare in etimologia, syntaxi et prosodia fideliter et viliganter 
instituantur et exerceantur, Quarum quidem partium praecepta 
bonis et probatis authoribus interpretandis, cognoscendis et edi- 
scendis confirmentur. Nunquam igitur ex ipsorum manibus ex- 
cutiantur Terentius, Cicero et Vergilius. His addantur D. Philippi 
dialectices et rhetorices praecepta nec non et Graecae linguae 
principia ex Metzlero cum assiduo styli et sermonis exercitio. 
Quorum etiam studiis interponatur exacta musices preceptorum 
ratio, frequenti exercitio firmata, ut ecelesia in templis et scholis 
aliquando illis uti possit. Denique et pietatem non negligant 
diligenter evolvendo et cognoscendo sacro bibliorum libro. 


Diebus singulis per hebdomadam 


VI a rectore audiant tres grammaticae partes, etimologiam, 
syntaxin et prosodiam, binis diebus quamlibet partem 
praelegente, qui ab adolescentibus severe exigat prae- 
cedentis lectionis non tantum memoriter recitationem, 
verum etism eius intellectum et usum. 

VII a D. Ioanne Lentio audiant Terentium diebus Lunae, 
Martis, Iovis et Veneris. Die vero Mercurii rec- 
tori exhibeant scripta, Saturni autem rectorem 
sacra tractantem ex iuditio concionatorum audiant. 

VIII chorum visitent et D. cantoris dicto obediant, quemad- 
modum et diebus sabbathis et festis. Reversi vero 
praesente rectore auditas lectiones repetant, a quibus 
et grammaticae ratio exigatur. Die Mercurii argu- 
mentum rectore dietante excipiant. Die Saturni rec- 
tor absentiae, morum et Latinitatis catalogum legat 
ac inobedientes et negligentes paenis excipiat, seu 
mulctam ab illis exigat in erogationem in commune. 


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39 











Hora 


10 


21) 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 18 103 





XII a D. cantore musicam audiant et musicae exercitium 
utriusque cantus non negligant. Contemptores autem 
musices puniantur ferula et paena pecuniaria in 
erogationem in commune. 

I minores huius classis a D. conrectore binis diebus 
bucolica et binis diebus Ciceronis epistolas audiant, 
maiores vero a rectore Aeneida Vergilii. Diebus 
Mercurii et Saturni rector illis Graecae linguae 
principia tradat. 

II chorum visitent, et reversi praesente conrectore auditam 
lectionem repetant coniuncta classe secunda. 

III minores exerceantur in grammatices praeceptis actu ge- 
nerali coniunctis primae et secundae classis pueris. 
Maioribus vero binis atque binis diebus D. Philippi 
dialectices et rhetorices praecepta prelegantur a 
rectore. 


LEGES SCHOLASTICAE. 


Scopus studiorum sit gloria Dei. 


. Omnem itaque studiorum successum & Deo petant et expectent. 


Deum metuant. 


. Pietatem colant. 
. Conciones sacras attente et benevole audiant et observent. 


Ceremonias sacras reverenter peragant. 

Verbi ministros revereantur et honorent. 

Iis qui praesunt quocunque in officü genere debitunı honorem 
deferant. 


. Honoratioribus cedant. 
. Honestati studeant. 
. Honestis matronis verecunde reverentiam exhibeant. 


Lusus in plateis, cemiteriis et publicis locis evitent. 


. Nemini malo exemplo sint. 

. Pravorum consortia fugiant. 

. A maledictis, iurgiis et contentionibus abstineant. 

. E domo paterna egressi, facies sit munda, manus lotae, crines 


compti, vestis ornata. 


. Sine oscitantia aut mora in plateis mature se in scholam 


recipiant. 


. Übique ardentibus votis studiose preces suas dicant et de- 


cantent. 


104 


18. 
19. 
20. 
21. 
22. 


23. 
24. 
2D. 
26. 
27. 
28. 
29. 


30. 


Monumenta (sermaniae paedagogica I 


Lectiones attente et tacite audiant. 

Praeceptoris dieta diligenter excipiant et saepius relegant. 

Lectiones modeste recitent et tacite repetant. 

Caeteris recitantibus taceant. 

Preceptorum obiurgationes sine remurimuratione patienter 
sufferant. 

Lectiones non negligant, sed neglectas aliis interim negotiis 
occupati cunı consodalibus repetant: studia namque con- 
tinuata iuvant. 

Quilibet suum locum deputatum occupet. 

Consodali assidenti molestus non sit. 

Scholastici ubique reperiantur habitu, sermone Latino, mo- 
destia, pietate et diligentia. 

Balnea frigida et deambulationes sine consensu parentum, 
dominorum vel preceptorum vitent. 

Mandata parentum, dominorum et preceptorum exequantur. 

Lectiones auditas domi repetant, et si quae non satis exce- 
perint, aut illis exciderint, ex consodale vel eius lectionis 
preceptore discant. 

Deo ubique et omnibus temporibus grati sint in suis orationi- 
bus, consecrationibus et gratiarum actionibus. 


Obedientes horum pietatis et honestatis et diligentiae pre- 


ceptorum praemia a Deo in hac et aeterna vita, ab hominibus 
autem laudem et gloriam reportabunt. 


Inobedientes vero praeter aeternas et temporales paenas, 


quas a Deo, severo iudice, accipient, a preceptoribus quoque suis 
ferulis acerrimis et aliis scholasticis mulctis punientur. 


Iohannes Zannger 
Oenipontanus. 


5 


15 


25 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 19 105 


19 


Schulordnung des Martineums. 
1562. 


u 


SCHOLAE BRUNSVIGENSIS AD DIVUM MARTINUM 
ADMINISRATIO 
RECTORE ANDREA POUCHENIO GARDELEBENSI 
ANNO M.D.LXL. 


DE CLASSIUM DISTRIBUTIONE ET SINGULARUM OPERIS 
ET LECTIONIBUS. 


In scholis utilissima consuetudine inolevit mos iam plane 
vulgaris, ut pueri pro aetatis et ingeniorum viribus in classes 
distribuantur. Et prudentia praeceptorum qui eius rei primi 
autores fuerunt magnam laudem wmeretur| Experientia enim 
s quotidiana eos docuit male studia discentium regi et inspici posse, 
cum omnes in turba sine ordine simul erudiendi sunt. Retar- 
datur enim progressus ingeniosorum, aut si excitatioribus ad 
discendum opera data fuerit, tardiores et hebetiores negligi necesse 
est, qui, si suo loco pro captu ingenii instituerentur, non plane 

ıw omnem operam perderent. Non enim raro naturae difficultas di- 
ligentiae paret. Proinde in ludo nostro tali classium ordine 
utimur. 

Classis infima et humilima. 


In hanc recipiuntur qui primum elementa literarum de facie 
agnoscere discunt. Est haec prima scaturigo scholarum. Ab hac 
ıs enim extrema linea omnibus est faciendum discendi initium. Hi 
praeter literarum characteres prima simul catecheseos capita nude 
recitare discunt et post memoriae ımandant, quod praestare possunt 
alio quopiam natıu maiori ipsis saepiuscule verba partium cate- 
chismi, ut sunt decalogus, syımbolum, oratio dominica, baptismus 
0 et coena dominica cunı preculis matutini et vespertini temporis, 
praeeunte, cuius recitationem dum voce subsequuntur, animum 
paulatim et mentem penetrant. Haec bipartita opera primis 
alphabetariis impendenda est. 


106 Monumenta Germaniae paedagogica I 





Classis proxima. 

Hanc consequitur classis alia eorum qui literas connectere 
et syllabas vocum colligere discunt, inter quos et illi sunt qui 
expedite libellos pueriles legere norunt, ut sunt Donatus, cate- 
chesis Lutheri, grammatica et quos praeterea comparandae solidae 
lectionis gratia usurpant et quotidie terunt. 5 

Hi quia legendi pleniorem facultatem consecuti sunt, nudis. 
catechismi partibus, quas in primis scholae subselliis addidicerunt, 
paulatim explicationes ex Lutheri catechismo Germanico adiun- 
gunt, ut dietorum sententiam sensim intelligant et Christianismi 
pleniorem adipiscantur cognitionem. 10 

Ad haec exercitium pingendi literas et describendi integras 
sententias ad exemplum a praeceptore cuique praescriptum his 
iniungitur, quod ad legendi expeditiorem notitiam facere certum est. 

Quin et Germanicis paginis chartisque legendis operam navant, 
ut tanto tempestivius et temporius parentibus domi usui esse ıs 
queant. 

Antequam his domum abeundi facultas & praeceptore con- 
ceditur, et ante et post meridiem bina vocabula Latina ad co- 
gnoscendas appellationes rerum in schola ediscunt et domi paren- 
tibus exponunt. au 


Tertia classis. 


Huic ascribuntur qui absque titubatione et haesitatione exacte 
quaecunque offeras legere et dietionum voculas describere norunt. 

Hi paradigmata declinationum et coniugationum, et quae 
inicio de partium orationis discretionibus et differentiis ipsis 
quam pinguissima Minerva tradi possunt, ex Donato ediscunt. »; 
Ac exercendi eius studii gratia adiunguntur iis interpretatio- 
nes distichorum Catonis et sententiarum Solomonis, evangeliorum 
Latinorum dominicalium, crassissima analysis vocabulorum. Qui 
his praelegit periodica serie voces sententiarum colligit et quam 
maxime puerili Teutonica interpretatione vertit, addita cuilibet » 
sententiae paraphrasi copiosiore, ut quid dicatur penitus asse- 
quantur. Hunc enim duplicem transferendi Latina laborem ne- 
cessario existimo horum causa suscipiendum esse. 

Ubi interpretandi labore aliquoties praeceptor perfunctus est, 
easdeım partes delegat ordine aliquot pueris, ut quantum assecuti as 
sint ex eorum redditione interpretationis perspiciat, ac si quid 
eos fugerit, uberius edoceat. Subiungitur his compendiolum ali- 


Schnlordnungen der Stadt Braunschweig 19 107 





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—— m a m 


quod grammatices Donati, brevitati proximum, pleniuscule tamen 
nonnulla explicans, ut propius aliquanto partes orationis inspi- 
cere possint. Huic rei appositissima est ävalucıs vocabulorum 
ex auditis lectiunculis, qua, cuius partis orationis quaevis sit 
; quoque usurpata accidente, declaratur et flectendae cuiusque ratio 
ostenditur. 

Horum scriptionis exercitatio tota consistit in declinationum 
et coniugationum paradigmatibus exarandis, et quotidie nunc suo 
Marte declinationem vocabuli, nunc verbi coniugationem ex audita 

ı Jectione descriptam exhibebunt suo lectori, ut, sicubi lapsi fuerint, 
error corrigatur et erroris causa iis ostendatur. 


Classis quarta. 


Huc ex proxima transferimus eos qui in primis declinatio- 
num coniugationumque formulis sedulam navarınt operam easque 
ad unguem memoria tenent et partes orationis mediocri dexteri- 

ıs tate dignoscunt. 

Ac hie etymologiae fusior doctrina, addita syntaxi quoque, 
traditur. Atque ut pluribus exercitiis studia eorum promoveantur, 
enarramus his auditoribus paedologiam Petri Mosellani, selectiores 
et planiores Ciceronis epistolas, fabellas Aesopi, sacros dialogos 

»Castalionis, breviora quaedam Erasmi colloquia, flores poöticos 
seorsim eXcusos, et quae praeterea scriptorum talia iudicamus, 
quae horum captui quadrent. 

Interpretatio praelectionum omnino ad grammaticum dictio- 
num ordinem, in periodis explicandis consuetum, efflormanda est. 

» Explodenda igitur est ea indiligentia qua, ut: fors fert vocabula, 
nonnulli sententiarum voces jungunt. 

Repetitio partim est etymologica, qua excutiuntur vocabu- 
lorum naturae paulo exquisitius quam in classe praecedente. In 
nominibus casuum fines in singulis declinationibus, derivationes 

» compositionumque formae accuratiori studio indagantur, in verbis 
vero praeterita et supina sedulo inquiruntur, et subduntur cuius- 
que rei ex grammatica rationes quae ea de re traduntur, ac pari 
opera reliquarum partium orationis tractatio et exquisitio suscipi- 
tur. Partim vero est; repetitio syntaxeos investigatio, quae tamen 

» potissimum intra iustae et legitimae structurge metas cohibetur, 
quse huic coetui sufficere nostro iudieio potest. Admodum enim 
tenera adhuc sunt ingenia huius, ut sic dicam, tribus, quae arte 


108 Monumenta Germaniae paedagogica I 








m nn nn m nn 


potius ac lenocinio quodam dulcedinix studiorum allicienda sunt 
ad discendum quam quibus non sint capiendis obruenda. His 
duabus prioribns repetitionis partibus succedit tertia, qua ver- 
borum et dietionum in quavis orationis parte naturae et propriae 
significationes commonstrantur, et quae sit gpaoswv ratio, pinguiore 
tamen Minerva. 

Haec autem omnia ea gratia suscipienda et sic ordine par- 
tienda sunt, ut eo modo paulatim ad Latinum sermonem assue- 
fiant. Nam in hac classe inicium fieri volumus et utendi sermone 
Latino et de Germanico in Latinam orationem nonnulla singulis 
hebdomadis convertendi, quo ut eo facilior ipsis sit accessus, 
tertia pars repetitionis plurimum emolumenti illis attulerit. 

Constituimus hic corycaeos, qui delatoriis chartis vernaculo 
sermone loquentes praeceptoribus indicent, ac praeter hos palam 
notis quibusdam praecipitur non Latins lingua utentes observandi 
et notam Grermanicae loquelae usurpatae, quos depraehenderint, 
conferendi. Et huius rei propterea tam diligentes observatores 
constituimus, quod persuassum habemus, nisi tali quodam metu ad 
usum Latini sermonis adigantur statim ab inicio, post eos ma- 
iore molestia et difficultate, ut id faciant, adduci vix posse. 

Materia autem, quae iis Germanice dietatur Latinitate do- 
nanda, sic ad ea quae in lectionibus audierunt attemperatur, 
ut non procul ab iis dissideat, ac inde ad versionem instituendam 
facıle subsidium petere possint. Brevia tamen omnia haec esse 
expedit, ut exercitium plus delectationis quam laboris prae se 
ferat. Prolixitate enim et rerum obscuritate facile deterreri po- 
terunt, ut conatum et industriolam abiiciant. 

Excitandae diligentiae causa, ac ut seduliores aliquam suae 
industriae et diligentiae frugem et gloriam percipiant tardiori- 


busque segmieia exceutiatur et calcar ad discendum addatux, gram- : 


maticae disputatiunculae habentur quavis septimana semel, quibus 
ternis quaestiunculis ex etymologia et syntaxi se mutuo provo- 
cent. Lacessuntur superiores ab inferioribus, ac quia sine 'lucro 
et quaestu victoria ingrata est, vietus iacturam loci honoratioris 
facit, inferior, si succubuerit, quod affectavit etsi non impetra.vit, 
conatu tamen laudabili ostendit se ad altiora aspirare, quae ‘da- 
turus sit operam manibur pedibusque ut temporis processu adi- 
piscatur, etei nunc irrita spe in arenam descenderit. Superior 
antem, ab inferiori superatus et loci honore spoliatus, Er 
randi loci spe non plane excidif. Si enim eum sua virtute! et 


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15 


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Schulordnungen der Stadt Braunschweig 19 109 


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m nn nn nn nn m u m en nn -—— an mn. 


diligentia octavo die, quam eo detractus est, postliminio acqui- 
rere et Tecuperare possessoremque novum eo excutere poterit. 
laudem eius meretur industria, eique Ircitum id est periclitar. 
Sin vero et hic rursus palmam et vietoriam novus victor ob- 
stinuerit, omne pristinae possessionis ius alter amittit: aya9y 
maiösag’ Epıs oz. 
Hanc exercitationem cum imperitum cerdonum vulgus audit, | | 
quod mireris, adeo offenditur, ut potius quam hanc aleam dispu- 
tationis suos paciatur experiri segnissimos nulliusque spei liberos, 
ı eos nostrae scholae valedicere malit. Rides fortassis quod dico, 
attamen vera narro de iis qui se albae gallinae filios et Catonem 
sapientia aequiparare existimant. Adeo verum est illud Theognidis: 
aaroiow Ö oumw mäcıv dösiv Ölvapaı, nec quod summus agit Iup- 
piter omnibus probatur: orrs yap 0 Zsus 009’ Uwv mavras Avöavsı 
1s our avexwv. Sed non invidemus his quam capiunt ex affectata 
et studiose quaesita suorum pernicie voluptaten.. 
His singulis diebus musices et binis diebus hebdomadae ca- 
techismi et evangeliorum dominicalium praelectio et recitatio Ä 
cum classe praecedente communis est. 





Classis quinta. 


zu Huic succedit classıs nova et sublimior, in quam ex proxima 
ascribuntur qui etymologiae praecepta, quae ab analogiae ıninus 
variant, et mediocri diligentia iustae et legitimae constructionis 
rationes et leges perdidicerunt ac eius sunt erudiciunculae, ut 
ad graviores grammaticae et studiorum puerilium partes sint aıl- 
» mittendi. 

In hoc autem consessu argutius et supersticiomius tota gram- 
matica tradenda est, nec quicgquam praetermittendum quod al 
eam artem pertinet. 

Ac quia quos in hoc numero erudimus iam aetate et iu- 

» diecio sunt paulo firmiore et robustiore, existimamus discentiun 
studiis apprime utile esse, hic in nostra schola Graecae lingun« 
discendae exordium fieri. Nam hoc loco plerique tales sunt, qui 
utriusque literaturae studio, si coniungatur, et delectari et institui 
possunt. Ut autem in rerum prima noticia comparanda fieri par 

s; est, solummodo prima simplicium declinationum et coniugationum 
elementa cum inflexionibüs articulorum et pronominum, et quae 
ad casuum et temporun forınationes et (eclinationes spectant, 





110 Monumenta Germaniae paedagogica I 








his tradere sufficit, ne linguam ignotam, priusquam cognoscant, 
oderint, sed amor et desiderium Graecarum literarım animis sen- 
sim instilletur. ; 

Ac ut inflexionum paradigmata magno numero iis in promptu 
sint, primis et tenuissimis his etymologiae Graecae iniciis adiun- 
gimus Graecarum fabellarum Aesopicarum, quae et brevitate et 
perspicuitate horum studiis et ingeniis commodiores sunt, expli- 
cationem, quae res et ad concinnitatem lectionis acquirendanı 
non parum frugis affert. Est et ubi proponi possint Phocylidis 
sententiae, vel aurea Pythagorae dicta, evangelia dominicalia. 
Quin ubi in horum puerorum rem ‚facere praeceptorum iudicio 
visum fuerit, nihil impediat, quo minus evangelista Lucas, cuius 
oratio ad veram Graecae orationis Ypaoıv prar caeteris proxime 
accedit, grammatice iis enarretur, quod ob rerum piarım et 
coelestium dignitatem quoque fieri conduxerit. Non tamen hic 
temere quidquam institui velim sine gravi consilio. 

Ex Latinis vero autoribus iis praeleguntur Terentius, episto- 
lae Ciceronis, Virgilii bucolica, psalterium Eobani, nec incommoda 
his esse possunt poematia Lotichii, Sabinı et similium nostri 
seculi poetarum, quorum numeri aut obscoenitate materiae carent 
aut insectatione bonorum. 

Hic incipient stylum exercere exquisitiore labore, ita ut et 
ad scribenda carmina paulatim iis via sternatur qui ingeniis sunt 
paulo foelicioribus. Principio igitur, ut ad id studii alliciantur, 
utile et commodum fuerit iis versus paucos ordine grammatico 
constructos poöticisque numeris emotos dictare ac imperare, ut suis 
legibus eos restituant, quod iis proderit, ut metiendorum versuum 
ratione perspecta sensim suo Marte versiculos connectere ac absque 
tali cortice, quod aiunt, natare incipiant. In scriptorum lima et 
correctione sedula hic opera impendenda est ab iis qui eorum 
scriptis litura errata eximunt, nec &x megiöponjs tantum et de- 
sultorie censoria virgula utendum, sed perconctabuntur singulos 
de usurpatarum locutionum et goacswv autoritate. Non enim 
permittenda est cuique licentia absque imitatione probatorum 
autorum in scholasticis styli exercitiir loquendi quidquid sese 
forte fortuna obtulerit, sed consuefieri necesse est juventutem, ut 
eius quod scribit autores habeat. Ita enim fiet, ut Germanico- 
latinae orationes paulatim in desuetudinen veniant et verae 
Latinitatis ratio recuperetur, per talem ignaviam amissa et obli- 
terata. 


0 


15 


2u 


35 


4yu 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 19 111 





en nn dr en ann a ng mn men 


Ac imponetur ipsis hoc pacto necessitas bonorum autorum 
loquendi consuetudinem eo maiore sedulitate inter praelegendum 
et repetendum observare, cum inter emendandum scripta dietorum 
suorum rationem cogantur reddere. 

5 Et quia prosodiae ob numerorum cognationem affınes sunt 
ınusica et arithmetica, ideo has seiungi non paciemur. Musicae 
itaque et arithmeticae lectio his cum primae classis auditoribus 
communis est, et cuique suum biduum tribuitur. Tam diu autem 
in hac palestra exercebuntur, quoad, si non Latine simul, gram- 

ı matice tamen et congrue loqui et scribere didicerint. 

Haec autem classis prae caeteris eo erit infoelicior, quod, 
quibus non est animus studia literarum ad umbilicum perducere 
et persequi, hic defectionem facturi sint antelaturique eruditioni 
vel opificum tabernas vel negociationum curas aut institoriam 

ı nummos spondentem aut quo praeterea quemque sua libido rap- 
tura est. Ideoque, priusquam a literis desciscant, hic aliqua opus 
est institutionis fidelitate, ut tamen aliquid in animos adigatur, 
unde in reliqua vita nonnihil utilitatis percipere possint. Poterunt 
et his praeceptorum arbitrio nonnullae praelectiones constitui, quas 

»» simul cum primanis audiant. 

Corycaeorum clandestinae et subornatae auscultationes hic 
ad Latini sermonis usurpationem obtrudendam intermitti sine 
discentium iactura non possunt. 


Sexta et summa classis. 


Nunc ad eam classem narratio nos perduxit quae primas 
» obtinet, in quam assumuntur ex praecedente illi qui tolerabi- 
liter et grammatice loquuntur et seribunt. 

His iure praestantissimorum autorum utriusque linguae de- 
betur enarratio. Et quia hie solidior artium dicendi cognitio 
comparanda est, inter grammaticos principem locum tribuimus 

» Linacro, a quo plurima Latinae structurae mysteria ostensa et 
sine impietate memorise sunt prodita, ut non tantum abunde ea 
cognosci possint quae ad constructionem iustam, sed etiam ad 
figuratas structuras in primis scitu sunt necessaria, ut interes 
silentio praeteream quae prae omnibus cum vetustioribus tum 

s; recentioribus ipsi in etymologia quoque sint accepta referenda. 
Utiliter tamen eius lectionem ad methodum Micyllianae granı- 
maticae, quantum eius fieri potest, attemperamus: ita enim liquidius 





112 Monumenta Germaniae paedagogica I 





—— nn un en 


discentes cernunt, quae antea praeceptis ex eo consueto libello 
cognitis hinc tanquam ditioris auctuarii loco accedant. Vallam 
in Linacri explicatione non raro in consilium adhibere res ipsa 
monet. 

Res metrica his integra tradenda est,. ac exercitium tam 
prosam quam ligatam orationem scribendi urgendum hic est ut 
quam maxime. Ac sı qua est exercendae et augendae sermonis 
copiae ratio, hanc praecipue condncibilem iudicamus, qua eadem 
materia diversis carminum generibus describitur. Non enim eas- 
(lem voces ubigque recipi et usurpari constat: subinde itaque in 
alias atque alias formas Prothei ritu necesse est: se variet oratio. 
donec numeris metrieis quibus ntuntur illigari possit. 


Dialectices praecepta ex erotematis Philippi Melanthonis 
tradimus, quorum usum scholis utilissimum et commodissimum 
esse credimus et usu multorum annorum edocti sumus. Ad 
ıllustrationem praeceptorum ex quotidianis autorum praelectioni- 
bus, dum repetitiones auditorum instituimus, exempla depro- 
mimus, argumentorum locos breviter ostendimus, et monstratis 
terminis unde argumentationes conflatae sunt. syllogistice eos 
colligamus et consequentiarum causas paucis verbis adducimus, 
ut ratio totius oeconomiae oculis nude subilciatur. 


Addimus et rhetoricen, ut iustam loquendi et. scribendi ra- 
tionem, artium praeceptis congruentem, intelligant. BRhetoricae 
colophone imposito subiilcimus orationis cuiusdam Ciceronianae 
enarrationem, ut praeceptorum usum ostendamus, qua absoluta ad 
commentarios Erasmi de verborum et rerum copia divertimus, 
unde nos postea ad rhetoricen recipimns. 


Graecae grammaticae praecepta vel ex Mecelero vel ex Cle- 
nardo «locemus, et auditores maturiores subinde ad Urbanı, Grae- 
corum grammaticorum coryphaei, lectionem ablegamus. 


De arithmetica et musica iam antea meminimus, quam com- 
memorationen hic volens omitto. 


Latinae linguae autores eos deligimus qui omnium con- 
fessione discentibus sunt utilissimi. Ex historicis sunt Livius, 
Caesar, Iustinus praecipul, ex poetarum numero Virgilius, Ovi- 
dius; poterit et Lucanus non excludi, si ita occasio ferat; Terentius 
et castiores Plautinae comoeldiae scholis sunt receptae et familiares, 
inter quos, si ita videatur, et Seneca sortiri locum aliquando 
potest. Ex oratoribus nemo est cui Ciceronen posthabere possi- 


10 


U 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 19 113 


mus. Et hinc sumi posse iudicamus quolibet tempore commo- 
dissime, qui studiis et sermoni discentium recte formando sint. 


Ex Graecis hactenus interpretati sumus quaedam Sophoclea, 
Philippicas et Olinthiacas Demosthenis orationes. Nunc Isocrati 
s immoramur. Est et noster libellus Plutarchi de educandis liberis 
congruentis et necessarii argumenti. Ex poötis nonnunquam 
Theognis, Hesiodus, ac si res ita ferat, ipse poötarum fons Ho- 
merus accersi poterit. BRecito unde delectum agamus. Interpo- 
nimus his quandogue syntaxeos Graecae tractationem, quae con- 
ıo structionis leges absque molestia complecti videtur. 

Ex catechisticis libellis plenius scriptis utimur, Willichii 
opera hac in re nobis commoda fuit, nec inutilis Urbani Rhegii 
libellus neo Davidis Chytraei fuerit. Non enim hic temere quem- 
vis in scholam admittimus, cum compertum habeamus non 

ıs carere quosdam, cur iis merito abstineatur, suspicione errorum 
non levium. Et non incommode hic usurpatur illud poötae: 
Quos credis fidos, effuge: tutus eris. 


Ad haec cum in autoribus et praecipue poötis multa insint 

quae citra cognitionem doctrinae sphericae de circulis, zonis, ortibus 

zo occasibusque poöticis, quibus in definiendis temporibus passim utun- 

tur, et climatum differentiis nec intelligi nec commode et explicate 

tradi possint, ne in huiusmodi locis alicubi oblatis vel aqua, 

quod dicunt, haereat, eius doctrinae prima elementa scitu sunt 

necessaria. Quapropter, ut et hac parte discentes pleniori obsequio 

3; demereamur, quae de primo mobili traduntur eos vel extraordi- 
narlis et succisivis horis docebimus, ut nunc iam coepimus. 

Et non ignoramus in scholis ad quamvis disciplinarum pro- 
fessionem fundamenta ponenda, ideoque, sicubi citra Graecae La- 
tinaeque linguae detrimentum et inuriam fieri poterit, captabimus 

> aliquando, ut iam et olim a nobis factum est, occasionem propo- 
nendi nostrorum scholasticorum nonnullis sacrae Hebraeae linguae 
quoque inicia, cuius cognitione ecclesise ad multa Christianae 
fidei et doctringe mysteria prodenda mirum in modum opus est. 
Et ita, ut nostra quidem fert opinio, nihil a nobis praetermittitur, 

ss quod ad fidelem iuvenilis aetatis informationem attinet, nec labor 
ullus aut molestia subterfugitur. 


Haec est propemodum nostrae institutionis et palaestrae 
scholasticae descriptio, qua partim hactenus usi sumus et, quoad 
in hac statione Deus nos versari volet, porro utemur, unde in 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig. 8 





u 


114 Monumenta Germanise paedagogica I 


certissimam spem venimus non parum utilitatis ad omnes socie- 
tatis et communitatis civilis ordines rediturum esse. Haec tamen 
ita descripsimus, ut quovis tempore, rebus scholae ita ferentibus, 
addi possint moralia et physica, ut sunt quae a Pontano in Me- 
teoris de rebus quae in sublimi generantur sunt tradita. s 

Horarum et praelectionum distributio non multae operae ac 
laboris est, ideogue eam non apposuimus. Ac ex hac scholasticae 
administrationis commemoratione semper eligi ea possunt quae 
ex re sint discentium. Quomodo enim omnibus simul in ludo 
literario locus concedatur? Et in delectu varietas nimia ut stu- ı0 
diorum praesentissima pestis vitanda est, quae semper impedit, 
ne in singula intentus animus auditoris esse valeat. 


Nunc ad alia quaedam sermonem vertemus. 


DE PRAECEPTORIBUS. 

In asciscendis praeceptoribus nihil tribui potest cuiusque 
hominis seu deprecatoris gratiae aut precibus. Nam solo respectu ıs 
publicae utilitatis discentium ad salutem ecclesiae, rei publicae, et 
oeconomiae hic omnisa sunt gerenda. Committendae igitur docendi 
partes sunt doctis, modestis, quosque non alicubi in Christianae 
doctrinae capitibus labe aspersos ab orthodoxa sententia ecclesiae 
dissentire compertum est, quique studio, amore iuvandi discentium » 
studia non facile laborum taedia et molestiam concipiant. Ignavi 
vero ab his mellificationibus et alveariis procul arcendi sunt. 
Qui vero in collegarum numerum cooptati fuerint, iis saepenumero 
de suse functionis cum dignitate tum necessitate in mentem ve- 
niat. Ita enim fiet, ne segniciei in sparta sua exornanda se sint » 
daturi. Ac si crebro sibi in mentem revocarint, quam fidem Deus 
ab iis requirat qui opus domini exercent, non facile taedium aut 
odium muneris sibi obrepere pacientur. Quorum autem industria 
et fides hac cogitatione non excitatur, extremi ingenii iudico nec 
dignos, quibus tenella iuventutis ingenia committantur. Hi itaque » 
sibi persuasum habeant certo fore, ut, quemadmodum abunde prae- 
miorum Deus fidelibus ministris et operariis rependit, ita non sit 
facturus, ut suam negligentiam et omissionem inultam ferant. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 19 115 


Et quanquam verum est neminem ea esse prudentia et dili- 
gentia, quin interdum aliquid parum recte fiat — äpapravsı yap 
xal Gopwrepwv Goywraros — consulto tamen aut ultro admittere, ut 
negligentiae accusari possis, excusatione vix dignum fuerit. In 

s ministro requiritur diligentia et recte faciendi rgoaipeaıs. 

Praelegendi labori nemo se accingat, nisi ad praelectionem 
se mature et sedulo domi instruxerit, ut quae ad explicationem 
rerum docendarum requiruntur signate et dextre pro auditorum 
captu enodare queat. Inter docendum facessat argutiarum et 

ı subtilitatum ociosa ostentatio.e. Detur autem opera, ut quam 
pinguissima Minerva enarratio instituatur, quo appareat studio 
esse crassissimam docendi viam. Ita discentibus perspicua magis 
erunt audita, et obscuritatis suspicio adimetur. Hoc ut praestetur, 
matura et sedula rerum praemeditatione opus erit. 

15 Praelectionum inicia fiant tempori in ipsis horarum momen- 
tis, ne diu lectoris adventus expectandus sit. Cui qualibet septi- 
mama curandarum precum scholasticarum munus incumbit, quod 
in vicem omnibus delegabitur, ilico ut horologio tempus ordien- 
darum operarum signatum fuerit, precationes consuetas auspicabi- 

» tur. His finitis proxima erit catalogorum in quavis classe recitatio, 
ut.absentes notari possint. Hora laboris praeterita in eos ingui- 
ratur, et absentise vel sero veniendi causa percontationibus co- 
gnoscatur. 

Una hora tantum enarrandum suscipi debet, cuius proxima 

36 lectione possit repetitio fieri, ut nihilominus pergatur. Non autem 
pigeat idem membrum aliquoties reiterare, si auditorum aut rerum 
necessitas id exigat. 

Periodorum membra naturali et grammatico ordine vocum 
connecti debent nec tumultuarie congeri. 

” In Germanicis interpretationibus non velim quolibet sermone 
autorum verba reddi, sed Teutonicae linguae ornatui et lepori 
operam dari. 

Mores praeceptorum tales omnino esse convenit, quibus pueri 
non corrumpantur, sed moratiores et probiores reddantur. Quia 

3 enim ea decori esse prae inscitia sua arbitrantur quae in prae- 
ceptoribus cernunt, non difficile est ipsis aliquam scabiem affricare. 
Ac ita non raro fit, ut nonnullis inficiantur, priusquam ea in 
vicio haberi norunt. 

Temulentis aut hesternam crapulam redolentibus non con- 

«0 cedemus apud iuventutem aliquid operis facere, ac si quem ebrie- 

8* 





116 Monumenta Germaniae paedagogica I 


tatis vicio deditum depraehenderimus nec eius rei facere velle 
modum, munere hunc pocius movebimus, quam passuri simus 
aliquam maculam propter eum scholae aspergi. 

In progressionibus funebribus vel aliis quibuscungue quisque 
ad suae classis pueros incedat et eos observet, ne quid in con-: 
spectua hominum et loco publico committant quod scholae crimini 
dari possit. 

In choro studeant, ut discipuli omnia recte in decantandis 
psalmis administrent et: moribus sint sacro loco convenientibus. 

Morum levitatem, dictionum turpitudinem, verborum scurri- ıo 
les obscoenitates et diras execrationes vestitusque lasciviam aversa- 
buntur maximopere. 

Ut scriptorum censura sit agenda, in superioribus suo loco 
diximus. 

Si quibus obortae fuerint simultates aut rixae, eas ad rec- ıs 
toris munus pertinet cognosoere et componere. Sin hulus autori- 
tate reconciliatio fieri nequeat, referenda est res porro ad cura- 
tores scholae et superintendentem, quorum in talibus summam 
potestatem esse aequum est. 

Qui suo munere abire volent, id in temppre gymnasiarchae » 
indicabunt, ut spacium detur vocandi successorem, ne quid .ex 
hac re detrimenti schola capiat. 

Dimittendi et suscipiendi collegas potestatem penes ludi 
moderatorem esse aequum est. Huic enim imputatur quicquid 
in schola geritur: igitur ut tanto sint ipsi dicto audientiores ad- » 
ministri, necessitas flagitat eius potestatis hanc rem esse. Confir- 
matio vero dimissionis et receptionis penes curatores scholae est. 

Missio autem iure iis denuncisatur qui aut oflicii sui partes 
negligenter obeunt aut ad docendum sunt inepti aut morum 
turpitudine muneri labem aspergunt, vel quorum consuetudo in- » 
tolerabilis est propter gYtAovsıxiav, ebriositatem, spurciciem etc., 
quive parum sanae sunt sententiae in doctrina Christianismi. 


DE DISCIPULIS. 

I. Insciente rectore nemo sibi hospicium procuret aut. per 
alium quemcungue conficiendum curet. Non enim expedit civium 
liberis, ubicunque libitum fuerit, novicios sibi hospicia parare. 

H. Nec hospicium permutet quisque sine rectoris permissu. 
Discursiones illae non carent repraehensionibus. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 19 117 


III. In scholam et disciplinam qui recipi se petit, det fidem 
sancteque recipiat se reverenter legibus obtemperaturum prae- 
ceptoribusque dicto audientem futurum nec quicgquam commissurum 
quod contra ofliecium ingenui pueri et discipuli sit scholaeve ma- 

s culam aspergere possit. 

IV. Qui in album scholasticorum relatus et ius scholae assecu- 
tus est, operam det et sedulo caveat, ne blasphemiae, magicarum ar- 
tium, dirarum imprecationum, maledictorum, iuramentorum, spreti 
ministerii, initae conspirationis aut factae coniurationis, erimina- 

io tionum, conviciorum, furti, scortationis, calumniae et obtrectationis 
alienae famae iure accusari possit. 


V. Caveat omnia quae vel praeceptorum laedant autoritatem, 
vel cum condiscipulorum detrimentis, circumventione, iniuria et 
fraude coniuncta sunt. 

15 VI. Usu gladiorum, pugionum, telorum et bellicorum ar- 
morum omnibus severe interdicimus. 

VII. Nemo sibi usurpet licentiam potandi, in tabernis de- 
sidendi et sectandi piscationes, chartas lusorias, aleam, tesseras, 
aut quaecunque vitanda sunt scholasticis tractandi. 


20 VIIE. Hyberno tempore glaciem, iaculationes compressae ni- 
vis vitent. 

IX. Aestivo tempore vitabunt aquam profluentem periculi 
causa. Qui enim periculo se committit metuat necesse est, ne eo 
extinguatur et pereat. 

35 X. Nihil consuetudinis vel contrahatur vel colatur cum iis 
qui studia non colunt. Hae enim consuetudines plerumque sunt 
perniciosae. 

XI. Aversanda est omnibus, qui se probos et morigeros per- 
hiberi volent, conversatio eorum qui ob admissa et delicta sua 

30 ex coetu scholastico eiecti et proscripti sunt: aloxpa yap xal xaxa 
rapa TouTwv Enödaoxsraı. 

XL. Qui ad condiscipulorum fraudem instituuntur levitate 
contractus venditionum, donationum, permutationum, et qui prae- 
terea huius generis sunt, omnes fugiant. 

35 XII. Nullas actiones comicas, tragicas aut similes instituent 
absque praeceptorum voluntate. 


XIV. Quoties in ludum conveniendi tempus est, quisque suo 
loco tempestive adsit. 


118 Monumenta Germanise paedagogica I 


XV. 8i quem occupationes domi retinent, earum praecep- 
tores certiores reddat et sic impetret, ut sibi ludo literario abesse 
liceat, idque coram aut per literas. 

XVlI Qui sine praeceptorum voluntate domi manserit, ob 
neglectum munus poenas luet. | s 

XVH. Qui infrequentes in scholam veniunt, eius socordiae 
admonebuntur, et si nihil admonitiones profecerint, arcebuntur a 
Iudo et hospicio. 

XVII. Priusguam preces aut lectiones inchoantur, suum 
quisque locum occupabit et aliquid rei aget. 10 

XIX. Sub praelegendo sint in omnia quae a praeceptoribus 
raduntur intenti, ut assequantur fideliter sententiam dietorum 
vel autoris. 

XX. Non igitur concessse sunt sub praelectionibus confa- 
bulationes, murmurationes, somnus, mutuae iniuriae, aut quicquid ıs 
attentionem perturbat. 

XXI. Recitationes et lectiones sint clarae, distinctae et tales 
quae pronunciationis aequabilitate fiant. 

XXTI. Nemini permittimus e ludo se domum recipere, nisi 
omnia in schola sint peracta. 30 

XXIII. Cum coetus scholastici dimissio fit, absque tumul- 
tuatione domum eatur, nec quicquam morae in plateis trahatur. 

XXIV. Domi fiat auditarum lectionum recognitio et repe- 
titio, et vitetur ocium et studiorum intermissio. 


XXV. Decurionum est quovis conveniendi tempore anno- 35 
tare eos qui non adsunt tempori tam in schola et templis, et 
tam eos quam absentes ad praeceptores deferre. 

XXVI. In coemiteriis nihil lusus fieri permittemus, quod ei 
loco singularem reverentiam deberi censeamus. 

XX VII. Honos exhibendus est cuique debitus ubique loco- zo 
rum de via cedendo, caput aperiendo etc. 

XXVIU. In templo omnia ita agantur, ut fieri religio, loci 
ratio et Dei angelorumgue praesentia postulat. 

XXIX. Hinc ut quisquam absit, an aequum sit concedere 
non facile video. Nulli enim rei studium pietatis et cognoscendi ss 
verbi Dei posthaberi debet. 

XXX. Nemo rebus ad scholam pertinentibus, fenestris, sca- 
mnis, tabulis, pulpitis etc., quidquam det damni. Qui contrarium 
fecerit, resarciendum curabit quod violavit et poenam luet simul. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 19 119 


XXXI. Nemo iniurius sit condiscipulo.. Laesus et iniuria 
affectus ad praeceptores acceptam iniuriam deferat. 

XXXII. Nemo recipietur in discentium coetum sine testi- 
monio priorum praeceptorum, nisi alias liberalitas indolis aut 

s morum modestia eum suspicione mala liberet. 

XXXIII. Didactrum persolvent exteri semper trimestri citius 
quam cives aut etiam tunc, cum primum se scholae nostrae com- 
mittunt. 

XXX]IV. In funebribus processionibus tam partialibus quam 

ı0 totalibus modestiae et verecundiae opera detur, et aequabilitati 
cantionum funebrium studeatur. 

XXXV. Vestitum volumus omnes indutum gerere, non ne- 
gligenter circumiectum humeris, laxum et diffluentem. 

XXXVl. In scribendi exercitio exquisitissimam operam & 

ıs discentibus requirimus. Huic igitur negligentise non est conce- 
denda impunitas. 

XXXVII. Scriptiones exhibeant provectiores alternis nunc 
prosas nunc ligatas. Et qui Graecae orationis facultatem aliquam 
sunt adepti, Graeca una cum Latinis alternatim exhibebunt. 

20 XXXVII. In vestitu studeatur mundiciei et decoro, vitetur 
levitas Thrasonica in vestium sectionibus. Certum enim est; vesti- 
tum animi indicium esse. 

- XXXIX. Tota studiorum ratio sic ineatur, ut ecclesia, res 
publica, oeconomia civilisque hominum communitas inde ad ulti- 

3 mum suum percipiat commodum. Quibus hic discendi finis prae- 
scriptus est, his non potest fieri quin crebro in mentem veniat 
suae vocationis et muneris. Ä 

XL. Implorationes divini auxilii crebras et ardentes esse 
convenit. Sine divino enim afflatu et numine oleum et opera, 

zo quod dici solet, luditur. 

XLI. Ubique locorum inter se Latino sermone utentur, ut 
vel sermo eos a vulgo indocto discernat et eos scholasticos esse 
testimonio sit. 

XL. Disciplinae et legem scholasticarum impacientes qui- 

3 que parum pie sua colunt studia, praeceptorum monitis morem 
gerere recusant scholaeve sunt dedecori, infamiae et condisci- 
pulis perniciosi et in viam redire vel in officio esse nolunt, in 
literaria politia non sunt tolerandi. 





120 Monumente Germaniae paedagogica I 


Quae praeteres ad scholae salutem constitui et decerni opus 
fuerit, praeceptorum iudicio et circumspectioni commissa 6886 
convenit. 


20 


Dienstvertrag des Rats 
mit dem deutschen Schreib- und Rechenmeister 
Christoph Wiltvogel. 
1570. 
Br 


Wir burgermeistere und rathmanne der stadt Braunschweig 
bekennen und betzeugen in und mit diesem unserm briefe vor 5 
uns, unsere nachkommen und alles weme, das wir den ehrhaff- 
tigen Christoff Wiltfogell vor unsern teutschen schreib und rechen- 
meister zehen jahrlang, die nehesten die sich auff S. Johannis 
Babtistaee in diesem itztlaufenden siebentzigsten jahre anfahen, 
nacheinander vorfolgen und auff S. Johannis Babtistae, wenn ı0 
man den weinigern zael achtzig schreiben wirdt, endigen 
sollen, bestelt und angenommen haben, und thun das auch in 
und mit krafft dieses briefs. Und dieweile ehr uns bei der 
jungen jugendt fur einen teutschen schreib und rechenmeister 
acht jar lang, die nun vorflossen, albereit getreulich und fleissig ıs 
gedienet, so haben wir ihme itzunt aus gunstigem .guten willen 
zehen gulden muntze voreheret und gegeben. 

Und sollen und wollen ihme auch die vorberurte zehen 
jar uber jedes jars viertzig gulden muntze, vor jeden gulden 
zwantzig mariengroschen gerechnet, von unser muntzesmiede, 20 
und zween scheffel rogken von unser kirchen $. Martini korn- 
zinsen durch die kastenherren darselbst zu einer besoldung ent- 
richten und geben lassen, nemblich jedes jars auf Michaelis 
zehen gulden muntze, die ehr itzundt zum ersten termine 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 20 121 


von unß empfangen, und zehen gulden auff Weinachten, 
zehen gulden auff Ostern mitsambt den zween scheffel rogken, 
und zehen gulden auf S. Johannis Babtistae. Darzu soll ehr 
in dieser seiner bestallunge in unserm Bruder closter, darinne 
sehr itzundt wonet, die freien behausunge haben und darzu 
schosses und aller bürgerlichen unpflicht frei sein. Wo aber ehr 
und seine ehefrauwe dingpflichtige guther haben oder uberkommen 
werden, die uns zu weichbilde gelegen weren, die soll und will 
ehr uns bei geschwornem eide jarlichs zu geburlicher zeitt vor- 
ıoschossen, und im fall eß sich zutruge, daß ehr in zeitt dieser 
seiner werenden bestallunge, daß Got gnedlich vorhute, mit tode 
abgehen und vorfallen worde, so wollen wir seine ehefrauwen, 
alsdan seine nachgelassen witwen, die zeit ihres lebens mit einer 
bequemen freien hehausunge vorsorgen, s0 ferre sie alhie wesent- 
ıs lich pleiben worde. Hirgegen soll und will ehr uns vormittels 
gotlicher hulffe die vorberurte zehen jar uber bei der jungen 
jugend fur einen teutschen schreib- und rechenmeister dienst- 
pflichtig sein und pleiben und der jungen jugendt, die zu ihme 
in die schule gehen werden, vormuge und inhalt unser christ- 
» lichen kirchenordnunge mit bestem fleisse den catechismum und 
andere gute disciplin und mores, und darzu teutsch schreiben und 
rechen leren, und sich in diesem seinem ambte und dienste der- 
massen getreulich und aufrichtig ertzeigen und vorhalten, daß 
eß ihme rhumblich und unvorweislich sein solle, alles getreulich 
3 und ungeferlich. 

Des zu urkundt sein dieser briefe zween eins lauts, der 
ist ein bei unns dem rathe der stadt Braunschweig, und der 
ander bei mir Christof! Wiltfogell, und die allebeide haben 
wir der rath der stadt Braunschweig mit unserm stadt signete, 

%» und ich Christoff Wiltfogell mit meinem petzier, wissentlich 
hirunter auffgetruckt, besiegelt und mit meiner eigen handt 
unterschrieben. Geschehen und gegeben nach JhesuChristi unsers 
herrn und salichmachers geburt im funfftzehnhundert und sie- 
bentzigsten jare am abendt S. Michaelis Archangeli. 


(Siegel.) 
Christoff Wiltvogel 
von Weissenfels. 


Siegel 
(der Stadt Braunschweig. 





122 Monumenta Germaniae paedagogica I 


21 


Schulordnung des Rats. 
1596. 
I 


UNSERE EINES ERBARN RATHS ZU BRAUNSCHWEIG 
CHRISTLICHE ANORDNUNG, WIE ES HINFUHRO IN 
UNSERN GEMEINEN STADT SCHULEN 
SOLL GEHALTEN WERDEN. 


DER ERSTE ARTICUL. 
Von bestallung der schul personen und ihrem ampt. 


Lex Prima. 


Dieweil zur newen anrichtung christlicher schulen vor allen 
dingen notig, das man tuchtige praeceptores und richtige schuler 
darin bekomme, soll nach gemeinem brauch das erste bey denen 
hierzu deputirten herren, das ander bey den rectoribus scholae 
stehen auf folgende weiße. 5 


Lex Secunda. 


Was die zael und annehmung der schuldiener belanget, 
bleibet es bey der ordnung welche vorlengst eingewilliget und 
biBdaheru gehalten worden, das nemlich die furgeschlagenen per- 
sonen nach erkundigung anhero beschrieben, durch den super- 
intendenten befraget, zur probe gehoret und alßdann nach be- ıo 
findung einhellig vociret und publice eingewiesen werden. 

% 


Lex Tertia. 


Die schulknaben sollen wie zuvor von niemandt dann allein 
vom rectore und in absentia vom conrectore recipirt werden, da 
dan ein rector dem andern seine knaben nicht soll abspannen, 
viel weiniger die endtlauffene auß dessen schule sine testimonio ıs 
praeceptoris und ohn erlaubnus des superintendentis auffnehmen. 
Den frembden schulern aber sollen sie ihre testimonia besehen, 
und da sie den legibus scholastieis in allen stucken zu pariren 
und sich der ruten guthwillig zu subjiciren angeloben, sollen sie 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 21 123 


examiniret und nach befindung in bequeme classes und hospitia, 
do ihnen, den leuthen und ihren kindern allerseits mit gedienet 
ist, geordnet werden. 


Lex Quarta. 


Weyl aber unsere schulen officinae spiritus sancti seint, 

ssoll unser superintendens und die scholarchae darin keinen men- 

schen dulden und wissen, er sey praeceptor oder discipul, der 

ein gotlos oder ergerliches leben fuhret. Derowegen soll zuvor 

auff die jennigen die man annehmen will vleißige kundtschafft 

geleget, ihre wordt, geberdt und kleidung observiret, und ihnen 
ıw folgende puncten anzuloben vorgehalten werden. 

Nemlich das sie erstlich wollen Got fur augen haben und 
in kindtlichem vortrawen zu ihm ihre schularbeit vorrichten, 
andere an ihrem vleis nicht hindern, dem evangelio gunstig 
sein, zu unsern normis doctrinase mit mundt und feddern — wo 

ıs es noth thut — sich bekennen und keine ausgesetzte falsche lehre 
vortheidigen oder einschieben. Darnach, das sie von aussen 
mit kleidungen, gebehrden, wortten und wercken sich erbarlich 
und unergerlich wollen vorhalten. Dan es soll mit nichten ge- 
duldet werden, das die schuldiener ohne hartzkappen und man- 

»tel fur die jugendt und ehrliche leuthe kommen, oder das sie 
und ihre schuler hohe breitranttige huette, weite ausgefullete 
beuche, lange dicke rantzen, zugefaltene weite reutter ermel, 
allerley bunte leichtfarbige strumpff, und was sonsten unhoef- 
liches aufikohmmen oder noch von kleidung wieder ehre und 

3 ihren standt mochte gebraucht werden, tragen wollten. Do 
auch einer oder mehr sich der gotteslesterung, zeuberkunste, 
scherzen aus Gottes worte, trotzes, vorkleinerung der obern an- 
massen, unnotige disputationes, muthwillige gezeng und factiones 
erreigen, morthliche waffen bey sich tragen, dem sauffen, spielen 

» doplen und der buberey nachgehen, heimliche gelage halten 
in offentlichen schencken, garkuchen, unehrlichen, vordechtigen 
ortten, offentlichen nachtgassieren, schandt- und bubenreden trei- 
ben, in convivis und nuptiis sich ergerlich erzeigen, pasquill 
und schmeheschrifften machen oder spargiren, und andere offent- 

ss liche laster treiben wurde: so baldt mans erfehret, soll er sich 
selbst seines standes und forderung endtsetzet und vorlustig 
gemacht haben. Dann so lange man solche sunde duldet, kan 
und mag das schul wesen nicht in besserung kommen. 











124 Monumente Germaniae paedagogica I 


DER ANDER ARTICUL. 
Von vorrichtung des gottes dienstes. 


Lex Prima. 


Dieweyl die furcht des herrn der weisheit anfang ist und 
unsere jugendt vor allen dingen zur erkentnus und preis des le- 
bendigen Gottes mus auffwachsen, wehre zumahl gotloß, erger- 
lich und unhofllich, wann die schul vorwanten unter dem gottes- 
dienste auß der kirchen pleiben, langsam darein kommen, unter 
der predigt auslauffen oder leichtfertige tractatus lesen, uffm 
chor spatzieren, reden und scharren, schimpflich von den con- 
cionibus uhrtheilen und auff den dritten tagk in den hohen 
festen gahr aussen pleiben wollten. Darumb wir dieses hier- 
mit ernstlich wollen vorbothen haben, und wollen, das man alle 
wege zu rechter zeit vleissig zur kirchen kommen, die collegae 
unterm singen mit zum pult tretten und helffen, was zum teut- 
schen und lateinischen choral jederzeit geordnet — nach anwei- 
sung unserer kirchen ordnung vom 88 biß zum 97 blatt — mit 
singen trewlich bestellen, im figural alle uppige, leichtfertige 
compositiones meiden und allein christliche, gravitetische stuck, 
welche zur andacht dienen und der cantorei bey frembden ruhm- 
lich sein konnen, singen soll. 


Lex Secunda. 


Dieweil auch sehr viel an dem gehor des gotlichen worts 
gelegen, ordnen wir, das man die erwachsene knaben soll lassen 
auff dem chor herfur treten, das sie dem predig stuel neher kom- 
men und hinder ihren praeceptoribus stehen und vleissig auff- 
mercken. Do es auch die eltern eines theilB bey den rectorn 
ausbracht, mogen dieselben knaben hinabgehen an einen ge- 
legen orth und zuhoren. Man soll auch die maiores welche ad 
theologiam aspiriren antreiben, das sie sich an ortter setzen, 
da man wohl horen kann, und die conciones schrifftlich auf- 
fassen und den montag dieselben dem rectori zeigen, do dann 
auch die sero venientes und absentes, die in puncto nicht da 
seindt, sollen hernach mit der ruthen gezuchtigt werden. 


Lex Tertia. 


Was die zeit und weise betrifft, wann "und wie die schul- 
personen beim gottesdienst pleiben sollen, bleibts bey dem 


5 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 21 125 


gewonlichen standt und arth, wie anfenglich geordnet, beydes 
zur metten, hohemes, mittags und vesper. Es wirdt aber hierbey 
den rectoribus ernstlich befohlen, das sie des sonnabents und 
sontags fruhe und nachmittags zu rechter zeit, ehe man anfehet 
s zusingen, auffm chor gegenwertig sein und vleissig auffmerck 
haben sollen, damit nicht allein die discipuli, besondern auch die 
collegae mature ankohmmen und den discipulis mit ihrer absentz 
oder tardo vel sero accessu nicht ein boeß exempel geben, auch 
nicht herausser lauffen, ehe und zuvor alles vorrichtet und die 
ı gantze gemeine dimittirt werde. 


Lex Quarta. 


Darnach was die ordentlichen gesenge zur vesper, fruhe- 
predigt, hohemes und mittag zu S. Ilgen und zun Brudern be- 
langet, soll von dem von alters wohlgeordnetem nichts außge- 


lassen werden. 
Lex Quinta. 


15 Es sollen auch zu den allgemeinen abendt predigten neben 
der gantzen gemein sich auch alle der dreyen schulen praecepto- 
res mit allen ihren discipulis einstellen, die Martiniani zun Bru- 
dern, die Aegidiani zu S. Aegidii, die Cathariniani beiderseits, 
und sollen die predigten außhoren und hernach des montagß ihre 

so discipul daraus examiniren. 


Lex Sexta. 


In die dingstages vesper predigt sollen alle praeceptores aus 
den dreyen schulen mit allen ihren knaben in der Brudern kir- 
chen zur repetition des catechismi post mediam tertiam kommen, 
die schuler zum predig stuel sich nahen, fertig, laut und lang- 

s samb andtworten, die collegae sub repetitione sich unter die 
knaben eintheilen, die still sein lassen und mit nichten zugeben, 
das sie sich in die stuele vorkrichen. 


Lex Septima. 


Weyl vor dieser zeit wohl geordnet, das den maioribus in 

prima et secunda classe, so wohl den collegis qui aspirant ad 

so ministerium, zum besten man des donnerstages ein viertheil 

vor dreyen die knaben dimittirt, das sie konnen zur predigt 

kommen: sollen sie propter exemplum und sonsten hierzu treu- 
lich noch vormahnet sein. 


126 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Lex Octava. 


Wann man in der wochen fruhe pfleget die litaney zu- 
singen, sollen sich die hierzu deputirten vor der predigt samb- 
len, durch drey knaben die gemeine noth nicht behendt und vor- 
wirret, sondern langsamb, deutlich und vorstendig lassen vor- 
singen, soll auch am ende jedes verses nicht so lang das auß- 
halten gedehnet, sondern messig abgebrochen werden. 


Lex Nona. 


Desgleichen wen man auff alle quartal den catechismum vier- 
zehen tage lang predigt, bleibts billig dabey, das die Martiniani 
zu den Brudern, die-Cathariniani und Aegidiani aber zu S. Ca- 
tharina morgens und zur vesper, so offt es der orter fellet, sich ı0 
eine stunde zuvor samblen, vor und nach der predigt selbst mit 
helffen singen, die erklärung des catechismi anhoren. 


Lex Decima. 


Endtlich kan es auch wohl bey deme pleiben, das die can- 
tores die brantmessen jedes orts singen, wan es begeredt wirdt, 
doch mit dem bescheidt, das sie umb dieses singen willen die ıs 
erste stunde nachmittage in der schulen nicht vorseumen. So 
viel vom gottsdienst. 


DER DRITTE ARTICUL. 
Von der institutione scholastica oder unterweisung der knaben. 


Lex Prima. 


Weyl negst Gott ein jeder auff die menschen sehen und 
sonderlich derer wohl wahrnehmen soll, welche ihm ampts hal- 
ben in sein gewissen befohlen, wollen wir ernstlich vorbotten so 
haben allerley untrew, die man hierin begehen kan mit lang- 
sam kommen, confabylirm, zuviel auffgeben, einstellung notiger 
lection und was das sein magk, und ordnen, das man morgendts 
und mittagß horis destinatis soll gegenwerttig sein, die preces 
scholasticas alßbaldt anfangen und allewege ein capittel aus der » 
bibel ablehsen, auch hernach bey allen stunden die jedem ge- 
horen vleissig auffwarten und aushalten. 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 21 127 


Lex Secunda. 


Darnach was die lectiones betrifft, soll man die knaben 
nicht mit allzuvielen, unnottigen, allzuhohen dingen belegen, 
auch kein new buchlein in die schule ohne einwilligung des 
superintendenten und der schulherrn nehmen, vielweiniger un- 

s reine papistische und calvinische tractatlein einschieben oder 
sonsten sawische, unfletige poeten und authores den knaben zu- 
lesen gestatten, sondern bey diesen nachfolgenden lectionen 
pleiben, alß da seindt: Alphabetarium Latinum et Germani- 
cum midt dem vocabulario rythmico, compendium et grammatica 

ıo minor Strophii aus der grossen grammatica Philippi von worth 
gezogen, catechismus Lutheri, Civilitas morum, Disciplina pue- 
rorum, Catonis disticha, nomenclator Hadriani Iunii, colloquia 
Corderii, musica Roggii, evangelia dominicalia, fabulae Aesopi 
minores, loci versuum Murmelii, Crusii nomenclator Graecus, 
ıs catechesis Chytrei, dialogi Castalionis, Thheognis, prosodia Mur- 
melii, Ciceronis epistolae, officia et orationes, Terentius, gram- 
matica Graeca, compendium Hebraeae linguae, grammatica maior 
Philippi midt dem Linacro umbgewechselt, syntaxis Graeca Posselüi, 
dialectica Philippi coniuncta cum Ramo, rhetorica Talaei libril cum 

#0 libro primo Philippi, arithmetica, Virgilius, Homerus, Demosthenes, 
Sleidani de monarchis et novi testamenti Graeci lectio, inmaßen 
wir diese buchlein fast alle in furnehmen und wolbestalten schulen 
hin und herwieder finden. 


Lex Tertia. 


Ferner was die weise zulehren belanget, soll man den un- 

15 tersten knaben alle buchstaben und wortter deuthlich, langsamb 
und laut fursagen, und im deutschen sie zur oberlendischen 
sprach gewehnen, das sie die epistolen und evangelien in der- 
selben sprach konnen fur dem altar lesen. Den andern soll 
man die regulas etymologiae et syntaxeos deutlich exponirn, die 
» meinung der regula umbschweiffig mit deutschen worten einbil- 
den, den usum regularum in dem beygesetztem exempel zeigen 
und dergleichen daheimb nachzumachen befehlen, den superio- 
ribus aber zu dehm was itz gesagt auch in den authoribus den 
textum logice disponirn, generalem statum, praecipua argumenta, 
s phrases, emphases, tropos, figuras, sententias et locos doctrina- 
rum darinne zeigen, omnes sophisticas cavillationes, altercationes 
philosophorum de praeceptis, subtiles quaestiones et argutias 


128 Monumenta Germanisae paedagogica I 


logicas, damit man die jugendt alzulange mit ihrem mercklichen 
schaden auffhelt, das sie das gantze systema logicum nicht 
baldt fassen konnen, aus den schulen lassen und es den acade- 
miis befehlen oder den provectioribus extraordinarie diebus Mer- 
curii et Saturni weisen, sonst auch mit vielen dictatis die ju-s 
gendt verschonen und darnach trachten sollen, das die praecepta 
logica und rhetorica so viel muglich jede in jahres frist absol- 
viret werden. Man soll auch mit den intermediis sonderlich die 
praecepta und exercitia musices vleissig treiben. 


Lex Quarta. 


Endtlich weyl vor alters theologicae lectiones in publico 
auditorio fur die studirende jugendt, collegas scholae, derer eine 
zimbliche anzahl bey uns ist, und etzliche prediger die es be- 
gehren, zuhalten geordnet, und aber dieselben endtlich fallen 
mussen, wenn sie muthwillig vorseumet und nicht besucht wer- ıs 
den: soll hiermit allen schuldienern ernstlich eingebunden werden, 
das, weyl man umb ihres nutzes willen alßdann die gantze ju- 
gendt dimittirt, sie sich nicht zu klug oder zu viel duncken 
lassen, sondern mit den primanis aus allen schulen allezeit sich 
einstellen und die necessaria excipirn lassen sollen. » 


DER VIERDTE ARTICUL. 
Von den exercitiis scholasticis oder mancherley schul ubungen. 


Lex Prima. 


Dieweyl alle muhe und arbeit in praelegendo verlohren, 
wo sich die jugendt nicht woll und vleissig in den praeceptis 
ubet, und aber solche ubung uff einer vleissigen repetitione lec- 
tionum, compositione et emendatione scriptorum, recitatione ora- 3s 
tionum, sermone Latino und disputatione scholastica beruhet: 
ziehen wir uns auch hie auff die alten ordnung, welche vermag, 
daß unsere schuldienere kein einige lection sollen lassen sine 
repetitione hingehen, sondern es dahin richten, das die kleine 
knaben, alle und ein jeder insonderheit nach dem andern — nicht » 
5 oder 6 auff einmahl — seine lection auffsage, und ihme geweiset 


Schulordnungen der Stadt, Braunschweig 21 129 


werde wo ehr irre, und das von den intermediis die praecepta 
artium exponirt, ad unguem recitirt, die exempla regularum et 
praeceptorum demonstrirt, gleiche darnach formiret und erzehlet, 
in autoribus aber der text exponirt, die furnembste dieta und 

s phrases daraus recitirt, etymologia, syntaxis und prosodia in vo- 
cabulis gezeigt werde. Bey den superioribus aber soll man son- 
derlich an stadt der vielen dictaten die praecepta artium ex pro- 
batis utriusque linguse authoribus per cotidianam analysin et 
genesin -logicam, grammaticam, rhetoricam und ethicam ad usum 

ıw transferirn. Solches deste besser zuvorrichten, soll man die supe- 
riores dahin halten, das sie ihre libellos annotationum zur handt 
haben und inter legendum alles consignirn. 


Lex Secunda. 


Was die exercitia styli betrift, sollen die infimi collegae 

ihren kindern wochentlich rein ausschreiben das ABC, etzliche 
ıs zahlen oder zieffern und das kurtze spruchlein aus den sontag- 
lichen evangelien, und sie es alle tage lassen abschreiben. Die 
intermedii und superiores sollen wochentlich zwey scripta machen, 
und soll bey den quartanis, tertianis und secundanis die materia 
ad imitationem derer lectionen, die sie dieselbige wochen gehabt, 
0 gerichtet sein, damit sie dieselben phrases lernen brauchen. Die 
tertiani- sollen uber ihre beide scripta auch ein Graecum dictum 
von der taffel abschreiben und also daß griegische nachmahlen 
lehrnen. Die secundani sollen neben zwey scriptis prolixioribus 
et tersioribus zugleich eins oder zwey disticha Latina componirn 
2 und ein Latinum dictum irgendt von einer zeillen Graece vertiren, 
damit sie hernach in prima Graecos versus zuschreiben desto 
fertiger sein, auch bischweilen eine epistolam Cicefonis ins teutsche 
bringen lernen. In prima aber mussen die exercitia stili im vollen 
schwange gehen und auff allerley weise geubet werden, also das 
3o man wochentlich alternatim in utraque lingua zwey scripta gebe 
und die knaben den diem mensis et anni allewege an den randt 
zeichnen lasse, und das man ihnen bißweilen imitistiones, bisch- 
weilen exempla progimnasmatum Aphtonii furlege, eines in soluta 
des mittwochens, das ander in ligata des sonnabents uffzuweisen. 
3 Den alten nutzlichen brauch, das man im jahr drey oder 
vier mahl declamire und orationes recitire, zuerhalten, sollen 
vleissige rectores ihren discipeln bischweilen nuhr ein nudum 
thema pro captu geben und darvon ein carmen oder orationem 


Schulordnuugen der Stadt Brauuschweiy he) 


130 Monumenta germaniae paedagogica I 


zumachen befehlen, so guth sie es konnen, damit sie ihre prae- 
cepta logica und rhetorica ad usum transferirn, in den buchhern 
auffschlagen, nachsuchen und die autores Graecos et Latinos 
imitiren, auch die rectores das iudicium in einem jeden desto 
besser exploriren lernen, und do etzliche seint, welche ihr ding > 
vleissig und artificiosi gesteldt, kann mans publice in praesentia 
inspectorum recitirn oder ablesen lassen. 


Lex Tertia. 


Belangendt die emendationem scriptorum, sollen die praecep- 
tores in den untersten classibus alle tage, in den mitlern aber 
wochentlich zwier die scripts in singulis classibus corrigirn, ı0 
einen knaben auff einmahl fur sich fordern, den andern silentium 
und attentionem gepiethen, ihn die vitia selbst corrigirn lassen, 
wo ehrs kahn, wo nicht, dieselben laut taxiren, damit die andern 
knaben unter des auch gebessert werden, gute compositiones loben, 
und die gahr untuchtige mit worten und ruthen straffen. In prima ı; 
classe aber sollen die rectores und conrectores selbsten, und mit 
nichten die inferiores collegae, der ihren scripta, und zwar nicht 
perfunctorie, sondern mit allem trewen vleiß, emendiren, und 
wann sie den andern oder dritten tagk dieselben wieder in die 
schulen bringen, sollen sie einem jeden die vitia phrasium et » 
vitiosam connexionem periodorum offentlich zeigen. Ob nuhn 
dieseß woll ein labor taediosissimus ist, sollen doch dargegen der 
nutz und nothwendigkeit erwogen werden. Sunt enim exereitia 
stili spiritus et anima studiorum scholasticorum, quae si languent, 
languent ipsa studia. Meinen sie nuhn ihre discipulos mit trewen, ss 
werden sie eg also machen, das es gegen dem archididascalo an 
jennem tage zuvorandtworten sey. 


Lex Quarta. 


Von den colloquiis cotidianis ist nichts weinigerß viel zu- 
halten. Darumb da ja unsere schuelpersonen beiderseits ausser 
und neben lehrstunden in notigen und nutzlichen sachen ihre so 
studia betreffendt bißweilen mit einander zureden haben, soll das 
von den superioribus mit nichten in teutscher, sondern in latei- 
nischer sprach geschehen, so wohl wan sie fragen, alß wan sie 
andtworten. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 21 131 


Lex Quinta. 


Es ist aber hierzu auch nicht weinig nutzlich, wan man 
wochentlich und monatlich certamina scholastica in den classi- 
bus anstellt, da ein knabe den andern in praesentia praeceptoris 
aus den gewonlichen lectionibus etwas Latine fragen mus, und 

swan man in prima disputationes philosophicas anstelt praeside 

rectore vel conrectore, und lest einen respondirn, die andern 
objiciren und opponiren, doch also, das dieses alles Latine, mo- 
deste und dextre geschehe. Darumb wollen wir uns vorsehen, 
das man daruber treulich halten werde. 


DER FUNFFTE ARTICUL. 
Von der paedsgogia domestica oder hausschulen. 


Lex Prima. 


10 Es ist den praeceptoribus unmuglich, das sie unter so grossen 
hauffen schulknaben auf einen jeden insonderheit alle tage sehen 
und denselben vorttreiben konnen. Darumb gibt man billich nach, 
das paedagogi in den heusern gehalten werden, wo ferne sie 
sich richtig erzeigen und die schulmeistere ihre directores pleiben. 

ıs Dieweyl aber auch hierin grosse mangel furfallen konnen, muß 
man auch hievon die alte guette ordnung herfursuchen. 

Und anfenglich will man gar nicht gestatten, das die rec- 
tores von den frembden scholaribus quasi iure quodam suo eine 
vorehrung fordern sollen, wan sie von ihnen umb einen freyen 

»o tisch zu verschaffen ersucht werden, oder das sie die frembde, 
so gutes vormugens, umb ihreß eigen nutzes willen in gute vor- 
nehme hospitia, arme schuler aber, ungeachtet sie viel geschickter 
sein knaben zuunterweisen, in die ungelegene herbergen stecken 
sollen, sondern sie sollen einen jeden nach geschicklichkeit re- 

3: spective in gute oder geringe hospitia bey ihrem gewissen bringen. 


Lex Secunda. 


Wan die rectores den frembden knaben bey den burgern 
angeholffen, sollen die peregrini durch bubenstuck andere pau- 
peres aus ihren hospitiis nicht außbeißen und ihren dienst offerirn, 
sondern, da sie an einem orthe zu grosse beschwerung haben, 

» solches dem rectori heimblich klagen und umb besser forderung 
9 


1323 Monumenta Germanias paedagogica 1 


bitten. Do aber ein burger eines selbst begehret, magk er wohl 
zu ihme ziehen, doch mit vorbewust des rectoris, der es dann 
auch umb eigen nutzes willen nicht hindern soll. 


Lex Tertia. 


In den hospitiis sollen sie herrn und frawen ehrn, gehorchen 
und furchten, sich dienstfertigk erzeigen, ohne deroselben wißen 
und erlaubnus aus dem hause nicht gehen, vielweiniger deß nachts 
sussenpleiben, und mit der taglichen khost und nachtlager, wie 
gering es auch ist, zufrieden sein und sich drucken. 


Lex Quarta. 


Gegen die kinder sollen sie freundtlich und gelinde sein, 
sie zu rechter zeit auffwecken, anziehen, waschen, kemmen und 
betten laßen, in die schulen und wieder herauß bringen, den ca- 
techismum, feine psalmen und gebethlein lehren, unterweisen, 
wie sie ihre schul lectiones vorstehen und die praecepta und 
phrages grammaticas in den teglichen scriptis brauchen sollen, 
zu zuchtigem essen, weinigem reden, eingezogenem leben und feinen 
gebehrden beide mit wortten und ihren eigenen guten exempeln 
gewehnen und ihre ungebehrde und ubertretung gebuhrlich straffen. 
Und weyl ihrer etliche in der persuasion stehen, wen man in 
der schul feyrabend hab, dorffen sie zu haus auch nichts repetirn, 
soll ihnen dasselbe hinfuhro nicht mehr gestattet werden. 


Lex Quinta. 


Wegen des herrn und der frawen guth, geldt, nahrung, 
hausgesindt und freunden sollen sie sich auffrichtig erzeigen, nicht 
partirn, nichts stehlen oder verschencken, das gefundene dem herrn 
zustellen, mit dem gesinde sich nicht beißen, zerren und schlagen, 


5 


20 


seines herrn haus und brodt nicht schenden, nichts aus dem hause s; 


waschen, frembde brieffe nicht lesen, sondern still, zuchtig, redt- 
lich und trewe sein. 
Lex Sexta. 

Es sollen auch die rectores in den halben jahren die hospitia 
bißweilen visitirn und sehen, wie sie ihre almosen einnehmen, 
oder doch sonsten die hospites darumb fragen, damit die vleis- 
sigen in der furcht behalten und die unvleissigen angetrieben 
werden, und do sich unleidentliche unthaten bey ihnen ereugen, 
ihnen stracks das hospitium auffsagen und andere arme knaben 


>) 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 21 133 


fordern. Waß nuhn hie von den schulern gesagt die da paeda- 
gogias verwalten, das sollen ihnen die collegae scholae denen man 
freye kost gibt, auch lassen gesagt sein. 


Lex Septima. 

Es soll auch nicht gestattet werden, das jemandt alhie 
heimbliche winckelschulen halte, oder die paedagogi zu ihren 
sknaben noch anderer leuthe kinder umb ihres eigenen nutzes 
willen ohne einwilligung ihrer hospitum nehmen oder in den 
hospitiis und anders woh offenliegen, wann sie nicht mehr in die 
schuel alhier gehen wollen. 


Lex Octava. 

Doch soll hierbey einem jeden vornehmen burger frey ge- 

ı lassen sein, seinen kindern einen gelarthen gesellen anders wohero 

zuhalten, so fern er nicht unserer kirchen ordnung und normis 

doctrinae zuwieder sich mercken lest oder unsere discipulos maiores 

an sich zeugt und unsere schulen vorkleinert und anderer leuth 
kinder darneben zulehren annimpt. 


DER SECHSTE ARTICUL. 


Von der schul disciplin. 

15 Es sollte wohl billig ein jeder ohne furcht und zwangk 
von sich selbst willig das seine thun, das es weder drewens noch 
straffens bedurffte, es will aber in dieser argen weldt nicht sein. 
Darumb mus auch hierin auff den alten schlagk billigkeit und 
ernst zugebrauchen angeordnet werden, weyl leider die disciplin 

» in den schulen sehr gefallen. 


Lex Prima. 


Erstlich behelt ihm ein erbar hochweiser rath billich vor, 
zu jederzeit in schulsachen der billigkeit nach zubefehlen und 
der schuldiener, so wohl auch der schuler, grobe excess nach 
der policey ordnung, auch gemeinen beschriebenen rechten, ohne 

3; ansehen ihres standes zu straffen. 


Lex Secunda. 
Negst denselben ihren Erb. ist die suprema inspectio dem 
hrern superintendenten befohlen, ohn welches vorwissen und ein- 


134 Monumenta Germaniae paedagogica I 


willigen nichts geschehen soll, und dan auch den scholarchis 
ordinarie, mit welchen sich der superintendens in gemeinen schul 
sachen allein, in wichtigen aber, welche das gantze schulwesen 
anlangen, mit zuthuung der prediger und kastenherren, zu jeder 
schulen gehorig, berathschlagen und schliessen soll. 5 


Lex Tertia. 


Es sollen auch dem superintendenten und den schulherrn 
die herrn des ministerii in den weichbilden, zu derselben schulen 
gehorig, mit wochentlicher inspection und sonsten die handt biethen, 
und wan dieselben sampt oder sonders nach befindung dem einen 
oder andern schuldiener etwas einsagen oder erinnern werden, ı 
das sollen die schuldiener mit ehrerbiethung und nicht vorecht- 
lich auffnehmen, vielweiniger bey sich hingehen lassen, sondern 
sich in alle wege darnach richten. Wurde solches nicht ge- 
schehen und uns uber einiger vorachtung klage furkommen, wol- 
len wir uber die auctoritet unsers predig ampts und unser vor- ıs 
ordenten schulherr mit ernst halten und die jennigen schul- 
diener welche ihnen kein gehor geben wollen bey ihren diensten 
lenger nicht dulden. 

Lex Quarta. 

Negst diesem soll der rector uber die collegas und disci- 
pulos das schul regiment fuhren, alleßB was den legibus gemes » 
anordnen, taglich die classes zu ungleichen stunden visitiren und 
einem jeden nach gelegenheit befehlen und einreden. Dem sie 
auch alle gebuhrliche folge ohn einige vorachtung leisten sollen. 


Lex Quinta. 


Im fahl sie aber wieder diese ordnung handlen und die 
erste privat admonition in windt schlagen wurden, sollen sie durch as 
den superintendenten, coadjutorn und inspectores zugleich gestrafft 
und ad certam mulctam an ihrer besoldung nach gelegenheit der 
vorbrechung, den armen schulern zum besten zuvortheilen, mulc- 
tirt und endtlichen tertia vice zur absetzung condemnirt werden. 


Lex Sexta. 


Was die schuler belanget, sollen ihnen die leges welche » 
ihre person in den schulen betreffen, des jahrs zwier abgelesen 
und furgehalten werden, wie bißhero dawieder gehandelt, mit 
ernstlicher warnung, und ein jeder angemahnet werden, dieselben 
zu desto besserer nachrichtung abzuschreiben. 2 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 21 135 


Lex Septima. 


Es sollen auch die praeceptores treulich, teglich und vater- 
lich ihre jugendt zu gutem anmahnen, mit gebuhrlichem ernst 
beträwen, durch custodes und corycaeos in den schuelen, kirchen 
und den gassen die.ungehorsame notiren. 


Lex Octava. 


5 Und weyl ihnen in der zuchtigung neben ernsten straff- 
‚worten die rueten befohlen, dieselben bey grossen und kleinen 
zugleich durchgehen lassen und darin eine severitatem sine cru- 
delitate und lenitatem sine indulgentia brauchen, sich auch im 
straffen alles fluchens und ungebuhrlichen redens endthalten, die 

ı knaben nicht midt schlusseln, buchern oder feusten ins angesicht 
schlagen, nicht greulich uber die bencke werffen, ihre gliedt vor- 
rucken, bey den ohren trecken, das gehor und gesichte vor- 
letzen und wie ein diebhencker stenpen, sondern vatterlich 
zuchtigen und einen respectum haben des alters, der grosse und 

ıs der stercke der knaben und ungleiche delicta auff ungleiche weise 
heimbsuchen. Will sich ein knabe nicht guthwilliglich darein 
ergeben, soll solches dem rectori angezeigt werden, und durch 
seine zuchtigung gebuhrliche hulff geschehen. 


Lex Nona. 


Da aber einer ex maioribus offentliche scandala erreget und 

» damit der gantzen schul einen bosen namen gemacht, soll der- 

selbige mit ruthen coram toto caetu und in praesentia superin- 

tendentis vel coadiutoris et inspectorum gesteupet und nach ge- 
legenheit ex schola relegirt werden. 


nu 


DER SIEBENDE ARTICUL. 
Von den examinibus oder gemeinen schul visitation. 


Es ist aber ein alter und ehrlicher brauch bey uns, das 

3 gewisse personen aus dem rath, ministerio und kirchen jehr- 

lich zweyer die schulen visitirn und die knaben in ihrem beysein 

haben examiniren lassen. Mit was ceremonien nuhn dasselbe ge- 

halten, dabey soll es durch Gots gnadt noch pleiben, und jehrlich 

vierzehen tage vor Ostern und Michaelis angestellet werden auf 
so diese weise. 


136 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Lex Prima. 


Das die schuler anfenglich etzlich mahl vor dem examine 
erinnert und zur repetition ihrer praeceptorum und annotationum 
vermahnet werden, das man auch die negste wochen zuvor die 
praecepta durchleuft und sihet wo es mangele, das ist billich. 
Aber essoll hinfuro nicht gestattet: werden, das die praeceptores s 
drey oder vier wochen zuvor ihnen etzliche quaestiones in die 
feder dicetieren und dieselbe unter sie austheilen. Dan es findet 
sich, das außer diesem die knaben sich weiter umb die anderen 
lectiones nichts bekummeren und also an ihrem nutz mercklich 
vorhindert und aller unfleiß der collegen vertuschet wirdt. Darumb ıo 
auch solchem hinfuro vorzukommen, werden die visitatores in 
jedem classe fragen, was fur lectiones das halbe jahr gelesen, und 
dem praeceptori selbst sagen, woraus ehr examiniren und auff 
welcher banck er anfahen soll. 


Lex Secunda. 


Wan nuhn der superintendens und coadjutor den eingang ı5 
zum examine gemacht, sollen erstlich die collegae in ihrer andt- 
wort sich aller stachelreden und suggilirens fur den knaben 
endthaltten, alleschuler zur stelle haben, sie ihre praecepta pieta- 
tis, artium et linguarum, so viel sie das halbe jahr gehoret, 
stando memoriter recitiren und deutlich, clara voce, sepositis libris so 
et, versa facie ad inspectores auff alle quaesıta antworten lassen, 
und do sich etzliche lange bedencken, alßbaldt einen andern 
fragen. Und sollen die scripta, bey welchen, alß oben gemeldet, 
der tagk und zeit wan sie exhibiret sein vorzeichnet stehe, ohne 
betrug nach ordnung der bencke den visitatoribus ausgetheilet 3; 
werden, damit kan der begangene unfleis nicht vertuscht werden. 


Lex Tertia. 


Wan nuhn die rectores post explorationem ingeniorum unter 
den schulknaben eine musterung halten und etzliche vortrucken 
wollen, sollen sie nicht auf die person, auf gifft und gab, sondern 
allein auff die geschicklichkeit eines jeden sehen und alßbaldt » 
montags nach Quasimodogeniti und den vierdten tagk nach 
Michaelis anfahen in den classen scripta zu geben, das sie die 
selbe ex tempore vertirn, und soll sich per breve examen er- 
kundigen, wie fertig ein jeder in seinen praeceptis grammatices 
sey, und nach befindung beider stuck sie promovirn oder sitzen 3 








Schuiorduungen der Stadt Braunschweig 21 137 





lassen. Dann es soll ex tertia in secundam keiner kommen, der 
nicht seine formas declinationum et coniugationum neben dem 
compendio fertig recitirn, desgleichen soll ex secunda, quae est 
cor scholae, keiner in primam geruckt werden, der in seiner gram- 

s matica und syntaxi haesitirt und sine crassis vitiis grammatica- 
libus nicht schreiben kann. 


Lex Quarta. 


_ Da aber die rectores sehen und spuren, das unter den knaben 
von 12, 13, 14, 15 jahren etzliche seint welche gantz nichts lernen 
und fassen oder es heut oder morgen ihnen oder andern nicht 

ı wieder geben und zu nutze machen konnen: soll er solches in 
geheimb den eltern ansagen, damit sie auff &in ehrlich handt- 
werck oder auff andere ehrliche nahrung mit ihnen dencken 
konnen, wie unßere kirchen ordnung vermagk. 


DER ACHTE ARTICUL. 


Von der deductione funerum oder bestettigung der todten. 


Lex Prima. 


Das man die todten ehrlich soll begraben, lehret uns die 

ıs heilige schrifft, erfordert auch die christliche liebe und die wur- 
digkeit des heiligen geistes, der in solcher christen corper ge- 
wohnet. Demnach so oft hinfuro funera furfallen, sollen die 
knaben zu rechter zeit aus der schulen gelassen, die rectores und 
conrectores hinden, die collegae aber jeder bey seynem caetu auf 
so der seiten hergehen mit einem weissen baculo, damit sie bey den 
knaben gute ordnung und disciplin auff der gassen halten, soll 
auch ein jeder in distributione warten, biß seine knaben durch 
seindt, und darauff sehen, das sie zuchtig, langsamb und in rich- 
tiger ordnung .vortgehen, auch auff dem kirchhoff die kleinen 
»: solang heraussen pleiben lassen, biß die begrabnus fast geschehen, 
dann sonsten treiben sie unter des in der kirchen allen muthwillen. 


Lex Secunda. 


Die grablieder sollen der meiste theil teutsch sein, sonder- 
lich uff den gassen, und nicht alzu hoch oder alzu niederig an- 
gefangen, auch, wenn die leuth in die kirchen zu opfer gehen, 


138 Monumente Germanise paedagogica I 


vor der collecta nicht alzu kurtz abgebrochen, sondern, wie von 
alters her gebreuchlich gewesen, die schonen trostlichen respon- 
soria zu zeitten gesungen und damit der ritus funeris vorlengert 
werden, biß die weiber alle in die stuele kommen. Das Jam 
maesta zu figurirn wirdt gar zu gemein umb geldes willen, s 
welches zuvor nicht gewesen: soll darin ein mas gehalten und 
allein den ampts personen und literatis die ein gradum haben 
und denen sonsten leichtpredigten geschehen figurirt, den an- 
deren aber die es begern choraliter und allewege nach der collecta 
gesungen werden. 10 


Lex Tertia. 


Wan funera.des sontags, dingstags und donnerstags umb 
zwey uhr furfallen, sollen darumb von den collegen und knaben 
die predigten hora tertia nicht vorseumet werden, dieweil keines 
das andere hindert. Und nachdem fast alle tage generalia oder 
specialia funera furfallen und dardurch sehr viel guter stunden ıs 
vor und nachmittag von den knaben in der schuel vorseumet 
werden, sollen in den kleinen begrebnussen des winters meisten 
theilß die inferiores currendarii dazu genommen, im sommer aber, 
so viel sichs leiden will, allererst nach den schul stunden die 
funera deducirt werden. 20 


DER NEUNDE ARTICUL. 
Von den feriis scholasticis oder einstellung der schularbeit. 


Wir wissen woll, das man in allen emptern und geschefften 
bischweilen auch seine ruhe haben und sich wieder erquicken 
mus. Dieweyl aber solche licentz eine zeitlang her fast mis- 
braucht worden, so mus nach der alten ordnung auch hierin ge- 
burliche mas getroffen werden auff folgende weiße. 35 


Lex Prima. 

Erstlich, was die gantzen schulen belanget, ist vorgonnet, 
das man stille halte mit der schularbeit in der Oster und Pfingst- 
wochen durchaus, von Weinachten an biß den negsten tagk nach 
dem Newen jahre, die ersten drey tage in den fastnachten und 
die ersten drey tage nach Michaelis. Wan ein newer collega » 
wirdt eingewießen, sollen die schuler feyren einen halben tag. 
Wan einer ex collegis hochzeit helt, einen halben tagk, denn zu 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 21 139 


andern hochzeiten sollen sie ihre stunde warten oder sie durch 
andere collegas bestellen. Wann in den hundes tagen allzu grosse 
hitze *einfelt und der superintendens solches erleubt, bischweilen 
einen halben tagk. Darkegen sie post examina ihre fruestunden 

s vor voll behalten sollen. Wan arme sunder alhier — und nicht 
draußen — vorurtheilet werden, eine stunde. 


Lex Secunda. 


Zum andern, die schuler betreffendt, soll den schulknaben 
mit nichten freystehen in die schul und heraußer zugehen, wenn 
sie es gelustet, sondern sollen nach den examinibus newe cathalogi 

ıo gemacht und allezeit abgelesen werden, das man die absentes 
wiße, und soll ein jeder rector und collega in seiner classe zum 
weinigsten des tags einmahl, ehe dan die knaben dimmittirt werden, 
dieselben absentes examinirn und midt der ruthen die schuldigen 
zuchtigen, sollen auch die knaben welche geschefft halben vor- 

ıs hindert werden toties quoties veniam apud praeceptores impe- 
trirn, und weyl sie offt causas fingirn, soll man bischweilen in 
die heuser schicken und nachforschen, ob sie mit wissen ihrer 
eltern und herrn aussen pleiben. 


Lex Tertia. 

Zum dritten, die praeceptores betreffendt, wann ein collega 
2 nothwendige geschefte oder hinderung bekommet, kan nach be- 
schaffenheit der sach ihm wohl ein uhrlaub vorgonnet werden, 
doch mit dem bescheidt, das keiner von den rectoribus oder 
andern schuldienern ohn außtrucklich erlaubnus des herrn super- 
intendenten und der vorordenten kasten oder schulherrn zu- 
9; samen, alß die an unsere stadt sie angenohmmen, auch zuvor und 
ehe er seine stunden durch andere, dazumahl freye collegas rich- 

tig bestellet hab, aus der schulen pleibe oder vorreise. 


Lex Quarta. 

Damit sich nicht die collegen damit entschuldigen, sie mussen 

fur die ministros predigen, soll hinfuro keiner unter den stunden, 
30 80 er seiner lection warten oder in der kirchen bey den knaben 
sein solte, one gnugsame bestellung derselben durch einen andern 
auff die cantzel tretten, er habe dan alzeit, so offt ers thun will; 
besonders den superintendenten und rectorem darumb angesprochen. 
Dann sie seindt mit ihrem gewissen an die schul jugendt und 
ss nicht an die cantzel gebunden, des sollen sie auch allein warten. 


140 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Lex Quinta. 


Do auch einer oder mehr gedechten von diesen schulen ab- 
zuziehen, ihrer vorbesserung nach andere conditiones anzunehmen, 
soll ihnen dieses zwar nicht gewehret werden, doch so ferne sie 
ein viertheil jahr vor ihrem abzuge bey dem superintendenten 
und scholarchis den dienst resignirn: wurde er aber das nichts 
thun, soll ihme das letzte quartal nicht gefolget werden, sie 
wolten dannoch ein gantz viertheil jahr, nach beschehener lose- 
kundigung anzurechnen, ihren dienst trewlich vorwalten, daher 
ihnen alBdann die besoldung pro rata temporis billich gereichet 
wirdt, damit die jugendt durch solchen unzeitigen abzugk nicht ıo 
vorseumet oder den andern collegis ihre arbeit geheuffet werde. 
Es sollen aber desgleichen ihnen ihre dienste im nothfahl ein 
viertheil jahr zuvor ausgekundigt werden, es wehre dan, das 
einer offentliche flagitia begangen hette, das man ihne eilendt 
muste abschaffen. 15 


DER ZEHENDE ARTICUL. 


Von den elemosinis pauperum oder unterhaltung der armen. 


Nachdem es christlich und billich ist, das man sich auch 
unter andern armen der schuel jugendt trewlich annimpt und 
ihnen wochentlich etwas reichet und zustewer gibt, bleibet es 
billich bey solcher gewohnheit, doch das sich auch die sympho- 
niaci und currendarii richtig in einsamblung und gebrauch solcher » 
allmosen, wie itzt folgen wirdt, erzeigen. 


Lex Prima. 


Erstlich sollen die currendarii zwei provisores haben, die 
sollen in gegenwarth des superintendenten, der visitatorn und des 
rectoris jehrlich zwier nach Ostern und Michaelis die arme kna- 
ben einschreiben und zuvor berichten, ob bißhero mangel ein- » 
gefallen wehre, das man sich daraus bespreche, darnach die 
currendarios ein jeden umb seinen nahmen, eltern, hospitem, pro- 
fectum und mores befragen und nach befindung der sachen sie 
auffnehmen oder rejicirn oder ein zeitlang suspendiren. Man soll 
aber allezeit bey einer gewissen zahl pleiben, so viel muglich, 30 
und die jennigen welche reiche eltern oder freye hospitia haben 
oder symphoniaci seindt oder wegen des weichbildts in andere 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 21 141 


schulen gehoren, oder die albereit einen bruder in der currenda 

haben oder frembt hergekommen und noch nicht in tertiam 

tuchtig seindt, nicht auffnehmen, es sey dan, das es die hogste 

armnth und noth erfordere und man an ihnen ein fein ingenium 
s und profectum spure und solchs der vorrath tragen konne. 


Lex Secunda. 


Die currendarii sollen alleweg ihre gewisse praefectos, divi- 
sores und collectores haben. Die praefecti sollen den catalogum 
cnrrendariorum allewege vor dem außgehen ablesen, die absentes 
notiren, sie auff den gassen regieren, in der schuel alle respon- 

ı soria und entiphen anschreiben, mit den knaben ubersingen und 
von den novitiis nichts einzuschreiben nehmen. Die divisores 
sollen gleicheit in abwegen deß brodts halten, nichts voruntrewen. 
Die collectores sollen aller gassen und heuser gelegenheit wissen, 
wo man brodt und wo man geldt gibt, keine furbey gehen, auch 

ıs von brodt und geldt nichts unterschlagen, damit nicht durch 
ihre unwissenheit, unschtsambkeit und abzugk die anderen vor- 


vortheilet werden. 
Lex Tertia. 


Die currendarii sollen alle mitwochen und sonnabents hora 
prima in der schul sich alle vorsamblen, ihre responsorien, antiphen 
» und andere lieder de tempore von der taffel abschreiben, uber- 
singen und lernen, und wan sie umbsingen wollen, alle praesentes 
sein in puncto, außharren, alle ihre bucher fur sich haben, vleissig 
und deuthlich singen, still, zuchtig und langsamb vortgehen, auch 
ausser der currende niemandt fur den tuhren liegen und betlen, 
» sonsten in den kirchen alleweg fruhe zur metten sich einstellen. 
Welcher muthwillig wieder dieser stuck eins handelt, soll nach 
gelegenheit seinen partem halb oder gantz endtberen oder wohl 
gahr excludirt werden. 


Lex Quarta. 


Die außtheilung soll von den provisoribus in praesentia visi- 

so tatorum des sontags und donnerstags hora II richtig ohn ansehen 
der person geschehen. Da etzliche wahrhaftig sträfflich, soll 
ihnen nach gelegenheit der vorbrechung mit einwilligung der 
visitatorn etwas abgekurtzt oder sie suspendirt werden. Den 
praefectis, divisoribus und collectoribus soll man fur die muhe 
» etwaß zuvor geben, das uberbliebene geldt zehlen, ins buch vorzeich- 





142 Monnmenta Germaniae paedagogica I 


nen und in die laden schutten, was man aus der laden zubueßet 
alleweg auffschreiben, die zinse welche jehrlich auszuzelen ver- 
macht, sollen auff bestimpte zeit in praesentia visitstorum mit 
ehrlicher gedechtnus des stifters distribuirt, und armen kranken 
und gahr notturftigen knaben bischweilen geldt zu schuen, buchern 
oder dergleichen unvormeidtlichen sachen furstrecken und an- 
schreiben, endtlich jehrlich in praesentia superintendentis et visi- 
tatorum scholae richtige rechnung thun, die retardaten anzeigen, 
und was noch von dem currenden geldt in den austheilungen 
überblieben, zehlen, verzeichnen, in die lade schliessen, die schlussel ı0 
in ihre und andere hende geben, die heuptsummen mit vorbewust 
und einwilligung des superintendenten und der visitatorn an ge- 
wisse orter auf vorgehende genungsame vorsicherung austhun und 
auffkundigen. 


u 


Lex Quinta. 


Betreffendt die symphoniacos soll der rector ihr provisor sein ı5 
und allein pios, modestos, diligentes et indigentes und welche 
honesta testimonia haben aufnehmen, sie alle in zwene caetus 
theilen, da bey jeden tuchtige cantores sein, und ihnen praefectos oder 
praecentores ordnen, auch die distributionem regulirn und allewege 
dabey sein, das keinem in proportione geometrica unrecht geschehe. z0 


Lex Sexta. 


Die symphoniaci sollen alle mitwochen und sonnabendt in 
der schuel figurirn und den ungeschickten helffen abrichten, auff 
den gassen ihr bestimbte tag und stundt und ein jeder caetus 
seine wochen in acht haben, unter des superintendenten und coad- 
iutoris predigt nachmittag innen halten, gewis und langsamb, : 
such allein geistliche muteten, hymnos und gravitetische stuck 
singen und alle reuter und schandtbuben lieder meiden und 
nicht so behendt von einem haus zum andern lauffen. In den 
nuptiis und conviviis sollen sie sich selbst nicht angeben, in kein 
brauthaus kommen, da man frue nit figurirt, vielweiniger fur » 
alle volle geste und in die kuchen lauffen, auch sonsten durchaus 
in keinen leichtfertigen, losen ortern, da buben gelachk gehalten 
werden, auch nicht in den garkuchen, offentlichen bier und wein- 
heusern oder an irgent einem vordechtigen orth sich finden 
lassen, in den brautheusern uber vier schlege und in ehrlichen » 
conviviis des abendts uber neun schlege nicht pleiben, sollen auch 
keine vocationes in die herbergen oder sonst extraordinarie an- 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 21 143 


nemen one vorwissen und erleubnis ires rectoris, und dieses alles 
bey vorlust dieses beneficii. Item sollen sie alle metten, hohe- 
messen und vespern vleissig besuchen und die cantorei bestellen. 


Lex Septima. 


Das gelt sollen die collectores lassen in den buchsen stecken 

s und in der schul oder in des rectoris hause in seiner praesentz 

unter sich friedtlich ohne wiedermurren, und verfortheilung distri- 
buirn, auch do sie verbrochen, sich guthwillig straffen lassen. 


Lex Octava. 


Es sollen die currendarii und symphoniaci das gesamblete 
geldt allein zur notturft und mit nichten zu einiger hofart, uppig- 
ıo keit in kleidung oder ander unnutzer vorschwendung, davon oben 
im ersten articul gesagt, mißbrauchen, in den weichbilden da 
sie unbekandt ihre sauffgelachk und musica convivia nit halten. 
Dan da die praecentores oder praefecti solcher stuck eins thun 
oder den ihren gestatten und nicht anzeigen werden, sollen sie 
ıs neben denselben vorbrechern ihres beneficii hirinnen nicht allein 
beraubet, sondern ferula gestrafet und nach gelegenheit gahr ex- 
terminirt werden: denn wir unsere geistliche musicam dem teufel 
und alten Adam zuleihen und mit unßern almosen zu aller leicht- 
fertigkeit ursach zugeben mit nichten gemeinet. 


DER EILFFTE ARTICUL. 
Von der belohnung der schuldiener. 


Lex Prima. 


20 Billig und recht ists, das man denen welche umb ander 
leuth willen muhe und arbeit haben ihre muhe und trewe redt- 
lich bezale und vorgelte, auch ihnen dazu befurderlich sey, das 
sie von andern ergezung haben mugen. Demnach wie itzunder 
neben den hospitiis die stipendia angeordnet und allen schul- 

: dienern von der kirchen und sonsten guthwillig gereicht worden, 
damit sie auch bißhero zufrieden gewesen, also wirdt ihnen auch 
hinfuro billig nach der kirchen gelegenheit dasselbe alles willig 
und richtig gereichet und, wo ferne sie ihres ampts treulich ab- 
warten, nichts abgebrochen. 





144 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Lex Secunda. 


Das schulgeldt bleibt im alten gebrauch, und wirdt des 
jahrs zweyer von einem jeden in prima geben 1 orts thaler, in 
secunda et tertia 6 mareigr., in quarta et sequent., so er frembt 
ist, 6 gr., so er ein burgers kindt ist, 3 gutegr., und soll diese 
summa nicht gesteigert werden, soll auch nicht gestatet werden, 5 
das die rectores umb mehrers geldes willen den schulern, sie 
sein eddel oder uneddel, erleuben, ihres gefallens uff die sontage 
hinzugehen wo sie wollen und vom chor zu pleiben. 


Lex Tertia. 


Die collectio soll ohn betrugk und vorfortheilung geschehen 
durch einen oder mehr aus den collegen, und soll davon nichts ıo 
ausgeben, damit ers redtlich und baar konne uberandtworten, 
sonst soll ihme seine besoldung innen behalten werden, das sich 
die andern daran erholen. Konte mans dahin richten, das alle 
knaben auff einen gewissen halben tagk es alles erlegen wie in 
andern etzlichen schulen, wehre es fur die praeceptores und disci- ı: 
pul. Die distributio aber inter collegas bleibt wie vohr. 


Lex Quarta. 


Belangend die accidentia von den burgern bleibt es billig 
dabey, was anfenglich oder hernach durch gemeinen schlus der 
stende geordnet und eingewilligt ist zugeben zur brautmesse, zu 
den begrebnussen und sonsten. Es soll auch den opfferleuthen zo 
nicht befolen werden mehr zu fodern oder die leuthe zuschatzen. 
Was aber uber die gebuhr freywillig gegeben wirdt, ist ihnen 
woll gegonnet. 

Lex Quinta. 


Aus den novitiis scholastieis soll ein jeder dem rectori 2 gr. 
pro inscriptione vorehren, wan ers vermag, von den promotioni- 
bus aber in die hospitia oder einer classi in die andern soll weder »s 
rector oder collegae etwas fodern oder nehmen. Dan dieses gehet 
ohne verdacht des eigen nutzes nicht ab. 


Lex Sexta, 


Wollen die rectores und collegae neben ihren lehrstunden 
auch privatos halten, lesset ihnen solches die kirchen ordnung fol. 
36 billig zu, doch mit diesem vorbehalt, das sie gar nichts an 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 21 145 


ihren lehrstunden und am gottesdienst in der kirchen vorseumen 
und der knaben uber zehen nicht halten, weil hierdurch den 
peregrinis die hospitia endtstehen, und es unmuglich ist ihrer 
viel in einer privat stunde alle zuverhoren und einen jeden in- 
s sonderheit, wie ehrs bedarff, zuunterweisen. 


Lex Septima. 


Das ubrige, das ihnen solte zum besten gehen, wirdt unser 
herr Christus hie mit seinem geistlichen und leiblichen segen und 
gaben und dorten mit ewiger herligkeit nach der vorheisung 
Danielis bezahlen. Wir wollen auch sie wieder allerley gewalt 

ı» und muthwillen, die ihnen wegen ihres ampts begegnet, treulich 
schutzen, im nothfall gegen den unbendigen die handt biethen 
und sie neben dem ehrwurdigen ministerio uns zu aller gunst 
und guter befurderung befohlen sein lassen. 


Beschlus. 


So viel ists, das wir von wieder ersetzung der gefallenen 
ıs schulzucht und arbeit alhier sehr notig geachtet und zu rettung 
unserer gewißen in newe ordnung zuverfassen keinen umbgang 
haben konnen: werden unsers vorhoffens alle die in der schuel- 
arbeit erfahren bekennen mussen, das hierinnen nichts newes, 
untuchtiges oder schedtlichs, sondern nuhr das alte, notige und 
ao nutzliche, welches vor dieser zeit auch alhier im schwang gangen 
und an ihme selbst das rechte schulwesen ist, wieder herfur ge- 
sucht und hinfurder fleissig zuhalten befohlen haben. 
Gepiethen demnach allen und jeden unserer stadt rectorn, con- 
rectorn und schuldienern, auch allen schulern und discipuln, welche 
» allhie gedencken gottesfurcht, gute kunste, sprachen und sitten zu- 
lernen, das sie sich in allen und jeden obbeschriebenen puncten, 
ein jeder nach standes gebuhr, gehorsamlich und unstrefflich bey 
vorlust aller gunst und forderung erzeigen. Dann wir nicht ge- 
sinnet seindt in diesen dingen etwas nach eines oder des andern 
a0 gefallen zu dispensirn oder zuubersehen, wollen auch gantz nicht, 
das einer oder mehr aus den praeceptoribus in irgent einer schuel 
einen newen, wiedrigen gebrauch ohne unser deß raths austruck- 
lichen befehlig wolte vorhengen, und do derselbe oder dergleichen 
uber kurtz oder langk solte attentirt werden, soll es itzt alB dann 
s und dan alß itzt hiermit gentzlich cassirt und abgeschaffet sein. 
Wir wollen uns auch hiermit furbehalten haben diese schulord- 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 10 


146 Monumenta Germanise paedagogica I 


nung jederzeit nach gelegenheit zuendern, zumindern, zumehren 
und zuvorbessern. Der ewige sohn Gottes, unser heilandt Jesus 
Christus, dem sein vater auch eine gelerte zungen gegeben, welche 
er zu Hierusalem mitten unter den gelerthen gebraucht und da- 
mit bezeuget hat, das ihme der lehrstandt auff erden wohl ge- > 
falle und er in unsern schulwercken gegenwerttig bey uns sei, 
der wolle mit dem lieblichen taw seines heyligen geistes auff 
unsere kirchen und schulgärtner und so viel tausent getaufter 
pflantzen fallen, sie erfrischen, stercken, kreftigen, ihre gemuter 
und hertzen zur richtigkeit und einhelliger gleichformigkeit im ı0 
guten lencken und gedeyen zu den studiis geben, wolle auch 
unß allen unter den schatten seiner hende bedecken, auff das 
durch unsere arbeit der himmel gepflantzet und der gemeine 
nutz befordert, er auch sampt seinem vatter und heiligen geist 
von unß und unsern nachkommen moge geehret und gepreiset ıs 
werden von nuhn an biß in ewigkeit. Amen. 

Publicirt auffm Newenstadt Rathhauße, in beysein der herrn 
des ehrwirdigen ministerii, der vorordenten kasten und schul- 
herrn, auch der rectorn und collegarum scholarum, am viertten 
monats tage Februarii anno 96. 20 


22 


Lehrpläne des Martineums. 
c. 1600. 


nz 


A 
SCHOLAE MARTINIANAE LECTIONES HYBERNAE 
ANNI 9. 


In prima classe. 


Lectiones. 
Dialecticae pars xgırıny. 
Rhetoricae lib. 2. de actione. 
Oratio Cic. Catil. 4. 
Oratio Isocratis ad Nicocl. 
Virg. georg. lib. 1. 
Historia. Analyses epistolarum dominicalium logicae. 


Rectoris 


25 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 22 147 


Exercitia. 


Argumentorum dictatio et emendatio. 
Declamationum dispositio et emendatio. 
Disputatio. 

Recitationes oratiopum Ciceronis et Isocratis. 
Latina locutio. 


Rectoris 


Lectiones. 


‚ \ Latina. 
Grammatica | Graeca. 
Officia Cic. lib. 2. cap. 5. Prima igitur est ado- 
lescenti etc. 
Terent. heaut. 
Homeri Odyss. 8 posterior pars. 
Cateches. Chytraei locus de evangelio. 


10 Oonrec- 
toris 


Exercitia. 
Carmina. 
Argumentorum emendatio. 


e Disputatio inferiorum primanorum. 


In secunda classe. 


| 


Dialog. sacrorum lib. 1. dial. Gabaonitae. 
Loci communes Murmelıı. 
. |] Prosodia eiusdem. 
Cantoris 2 
Moasica. 


Exercitia. 
Argumente. 


Disputatio. Latina locutio. 


Lectiones. 


| Latina. 
Graeca. 
Terent. eunuch. 
Epistolae Cic. 
Evangelia Graeca. 
Catech. 7. locus. 


Grammat. 


25 Subcon- 
rectoris 


Exercitia. 
Argumenta. Disputatio. 
10* 


148 Monumenta Germaniae paedagogica 1 





In tertia. 


Lectiones. 
Catechismus Lutheri. 
Evangelia dominicalia Latina. 
Gemma gemmarum Adami Siberi. 
Grammatica Philippi maior. 
Colloquia Corderii. 
Epistolae Ciceronis. 
Educatio puerilis linguae Graecae. 
Tria argumenta per septimanam. 
Analyses. 
Disputatio. 
Musice. 
Latina locutio. 


10 


In quarta. 
Catechismus Lutheri Latinogermanicus. 
Evangelia. 
Gemma Siberi. 13 


Compendium grammaticae Philippi. 
Colloquia Corderii. 
Compendium comparationum. 
Trias argumenta per septimanam. 
Crebrae analyses. n 
Concertatio. 
Latina locutio. 
In quinta. 


Discunt legere, pingere, recitant catechismum et Donatum. 


1. Colloquimur alternis septimanis. 
2. Leges observantur in schola et templis frequentandis, et 3 
multantur collegae negligentes. 


Hermannus Nicephorus 
Rector. 





jun 


N m 


Scehulordnungen der Stadt Braunschweig 22 149 


ELENCHUS LECTIONUM ET EXERCITIORUM HUIUS 
SEMESTRIS IN SCHOLA MARTINIANA. 


Zuv rw Jew. Ao. 1603. 
In prima classe, 


Rectoris lectiones. 
Philippi lib. 4. Lossii pro ea. 


. Dialectica | Rami ib. 1. per collationem. 


Rhetorica Talaei, de figuris dictionis. 
Oratio Ciceronis pro M. Marcello. 
Oratio Isocratis ad Nicoclem. 


. Virgilii Aeneidos lib. 1. 


Exercitia. 

; ‚ (Germanici Latina }et utriusque 
Conversio argumentl )Tgtini Graeca emendatio. 
Recitatio orationum Ciceronis et Isocratis et Virgilii etc. 

j ‚ \hebdomadaria. 
Disputatio } Menstrua. 
Declamatio. 


Conrectoris lectiones. 


Catech. Chytraei, locus 5. de evangelio et recitatio catechismi 
. Lutheri. 


. Etymologia Lat. gramm. Philippi cum prosodia Murmelii. 


Grammatica Graeca Clenardi cum syntaxi Graeca Posselii. 


. Cic. offic. lib. 1. locus de temperantia. 

. Heautontimorumenos Terentii. 

. Ciceronis epistolarum familiarium lih, 5. 

. Homerus, pro quo mavult Pythagoram et Phocylidem. 


Exercitia. 


. Emendatio argumentorum dimidiae partis. 
. Poetica. 


In secunda classe. 


. Cantoris lectiones. 


. Castalionis dialogorum 11. lib. 1. inchoabit. 


Prosodia Murmelii. 


150 Monumenta Germaniae paedagogica I 


DD - 


. Loci communes sententiosorum versuum e Tibullo, Proper- 


tio etc. ab initio. 


. Musica de modis. 
. Epistolae Ciceronis a Sturmio collectae. 


Exercitia. 


. Argumentorum emendatio. 5 
. Poesis. 
. Musicae exercitatio. 


Subconrectoris lectiones. 


. In grammatica Latina Philippi verbum inchoabit, in Graeca 


Clenardi partes indeclinabiles. 


. In syntaxi Latina coniunctiones et sequentia. 10 
. In Terentii Phormione act. 2. scenam 2. 

. In epistolis familiaribus Ciceronis epistolam 167. lib. 9. 

. Evangelia Graeca. 

. Figurata syntaxis cum exemplis Latinis et Graecis. 


Exercitia. 


. Argumentorum dictatio et emendatio. 15 


In tertia classe. 


Lectiones. 


. Catechismus Lutheri Latinus et Germanicus. 
. Grammatica Latina Philippi ab initio, ut et syntaxis. Strophii 


compendium. 


. Colloquia Corderii incipientur a dialogo 30. libri 3. 
. Gemmae gemmarum Adami seleotae cap. 11. 0 
. Evangelia re Latina. 


“ Exereitia. 


. Analyses crebrae. 
. Argumenta. Preces, litania. 


In quarta classe. 


Lectiones. 


. Catechismus D. Lutheri utraque lingua. 
2. Compendium grammaticum. — et syntaxıs Philippi »: 


singulis semestribus perdiscitur 














Schulordnungen der Stadt Braunschweig 22 151 


3. Colloquia Corderii incipientur a dialogo 52. libri 1. 
4. Vocabula Hadriani Iunii a posteriore parte de elementis. 
b 


. Evangelia Latina. 
Exercitia. 


1. Perpetua declinatio, comparatio, coniugatio. 
5 2. Crebrae analyses et quotidiana scriptio. 
3. Argumentorum inchoatio. Litania. 


In quinta. 


1. Catechismus Germanicus. 
2. Perpetua lectio evangeliorum, epistolarum sacrarum et psalterii 
Davidis itemque testamenti novi. 
ı 3. Recitatio formularum Donati et comparationum. 
4. Vocabula rhythmica D. M. Lucae Martini. 


Exercitia. 


1. Pingendi et exhibendi literas et sententias praescriptas. 
2. Recitatio quotidiana catechismi totius et litaniae. 


In sexta et septima, 


1. Catechismus inculcatur. 

ıs 2. Literis cognitis et syllabis in vocem collectis legere discunt. 
3. Ediscunt paulatim vocabula quidam. 
4. Scribere Germanice et Latine incipiunt. 


Ad scholam recte constituendam tollenda sunt impedimenta 
et adiumenta procuranda. 
20 Impedimentum vero commune est aut proprium. 
Commune, quo tam praeceptores quam discipuli impediuntur. 
Hoc totum in äarasıa consistit tum institutionis tum temporis. 
"Arafıa institutionis est lectionum et exercitiorum. 
'Arafıa lectionum est primum multitudo obruens ingenia, 
3 deinde confusio etiam classium perturbans, tertio inutilium et 
non necessariorum cum utilibus et non necessarlis permistio, item- 
que nimium diuturna in iisdem commoratio retardans. Ex qua 
Arafia maxima studiorum pestis existit et taedium. 
'Arafia exercitiorum est in paucitate, raritate et modo la- 
w boriosiore quam utiliore. 
'Ara$ıa temporis est, quod ultra horas quatuor in dies sin- 
gulos labor scholasticus extenditur. Quo fit, ut neque praecep- 





152 Monumenta Germaniae paedagogica I 





toribus meditandi neque discipulis ‘ediscendi locus relinquatur. 
Hinc labor multus, profectus exiguus. 

Impedimentum proprium est praeceptorum aut paedago- 
gorum. 

Praeceptorum: despectus, ingratitudo, temeraria reprehen- ; 
io, exigua pretiosissimi et maximi laboris praemia ac stipendia, 
atque hinc sustentationis et necessariorum librorum inopia, ac 
denique animorum demissio et a rebus scholasticis peregrinatio. 

Impedimentum paedagogorum est, quod eis otii parum est 
ad instituendos domi pueros, sordidi negotii plurimum et ancillare ıo 
generosorum saepe animorum famulitium. Atque hinc studiorum 
deploranda iactura. 

Haec impedimenta nisi omnia aut certe pleraque et prae- 
cipua tollantur, desperandum est de meliori scholarum statu etc. 

De adiumentis alias, si de his impedimentis tollendis con- ıs 
stiterit. 

Quid igitur et quomodo faciendum, cupimus nobis praescribi 
et explicari, ut expedita sint omnia. 

Hermannus Nicephorus. 


e) 
LECTIONES MARTINIANAE. 








In prima classe. In secunda. 
Catechesis Chytraei. Catechismus Lutheri. 2 
Grammatica Latina et Graeca. Evangelia dominicalia. 
RBhetorica Talaei. Dialogi sacri. 

Dialect. er. ” per collationem. nn “ 

Oratjo | Ciser- pro Rose. Amer. Flores Tibulli. os 
di Isoc. Nicocles. Syntaxis figurata Lati- 

Virgilii Aeneid. lib. 1. nograeca. 

Officia Cic. Exereitia. 

Epistolae Cic. Grammatica Philippi. 

Terentius. In tertia. 

Theognis. Catechismus. 30 

Syntaxis figurata Latinograeca. Grammat. Strophii. 
soluta. Graecum compendium. 

Exercitia !ligata. Colloguia Corderii. 

disputationes. Nomenclator. 


Exercitia. ss 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 22 153 


In quarta. In quinta. 
Catechismus Lutheri. Donatus. 
Compendium Strophii. Catechismus. 
Nomenclator. Psalterium. 
Compendium comparationum. Preces perpetuae. 
Colloquia Corderii. Scriptura. 


In sexta et septima. 


Catechismus et preces. 
Literas cugnoscendi legendique ratio. 


Haec Deo bene favente et adiuvante per hanc aestatem 


qua fieri poterit diligentia tractabuntur in hac schola. 


D 


ELENCHUS AUTORUM LECTIONUM ET EXERCITIORUM 


10 


CLASSIS PRIMAE IN SCHOLA MARTINIANA 
BRUNSVICENSIUM. 


Diebus 7 et J! 


horis antemeridianis proponitur et explicatur 


h. 6. die ) grammatica Philippi Melanchthonis a conrectore, 


sed die J' Linacri. 


h. 7. dialectica Philippi Melanchthonis a rectore. 


sh. 8 
h. 12 
h. 1 

oh. 2 
h. 6 

7 

25 8 


officia Ciceronis a conrectore. 


Horis pomeridianis 


. praecepta musices de modis, quos vulgo vocant tonos, & 


cantore. 


. Virgilii Aeneis a rectore, 
. Terentius a conrectore. 


Diebus 3 et H 


. catechesis Chytraei a conrectore. 
. elementa Hebraeae grammatices a Michaele Neandro con- 


scripta & rectore. 


. emendantur scripta Graeca vel Latina et in prosa vel 


ligata oratione a rectore et conrectore. 
A meridie conceduntur feriae. 


154 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Diebus 3 et © 
horis antemeridianis 
h. 6. grammatica Clenardi a conrectore explicatur. 
7. die A rhetorica Talaei, sed die © rhetorica Philippi Me- 
lanchthonis a rectore. 5 
8. epistolae familiares Ciceronis a conrectore. 


Horis pomeridianis 
h. 12. exercetur musica figuralis cantore praesente. 
1. Hesiodus a conrectore explicatur. 
2. die 4 oratio prima Catilinaria Ciceronis, sed die Q oratio u 
prima Olynthiaca Demosthenis a rectore. 

Exereitia disputationum logicarum et coatecheticarum qua- 
ternis et, declamationum in utraque lingua, prosa vel ligata ora- 
tione, senis septimanis instituantur dirigente ea rectore. Horis 
privatis et extraordinariis vel etiam post examina hybernum et ıs 
aestivum in nostra schola tradi debent a rectore et, conrectore: 

physica, 

ethica, 

arithmetica, 

sphaerica, » 

P. Rami logica. 
Et quidem hoc hyberno semestri a rectore praelegantur h. 12. diebus 
A et Q primanis superioribus ethica, cum interea inferiores cum 
secundanis in musicis exerceantur. Logicam Rameam post examen 
hybernum iterabit et continuabit rector. 9 


Elenchus classis secundae lectionum et exercitiorum. 


Horis antemeridianis proponitur 
die J et J 
. etymologia grammatices Philippi Melanchthonis. 
. dialogi sacri Castalionis. 
. epistolae familiares Ciceronis. ” 


OD 10 


Horis pomeridianis 
h. 12. coniunguntur secundani cum primanis. 
1. syntaxis grammatices Philippi Melanchthonis. 
2. Terentius. 


a 3 


a] 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 22 155 


Die 8 


. arithmetica Lossii. 


emendantur exercitia styli. 


A prandio feriantur cum ceteris a studiis. 


Diebus 94 et © 


horis antemeridianis explicatur 


. grammatica Graeca Clenardi. 
. Theognidis sententiae. 
. epistolae Ciceronis. 


Horis pomeridianis 


. exercetur musica figuralis. 
. prosodia. 
. versus sententiosi a Murmelio collecti. 


Die d 


. catechismus Lutheri cum praecipuis definitionibus cate 


cheseos Chytraei. 


» evangelium Graecum. 
. exercetur musica choralis. 


Lectiones classis tertiae. 


Horis antemeridianis 


diebus ) J 4 2 z 


. etymologia grammatices Strophii. 
. colloquia Corderii. 
. epistolae Ciceronis a Sturmio collectae. 


Horis pomeridianis 


. diebus )) et J' musica Palladii, sed diebus 9 et Q exer- 


cetur musica choralis,. 


. syntaxis grammatices Corderii, sed die 91 catechismus 


Lutheri in lingua vernacula. 


. colloquia Corderii, sed superioribus compendium Graecae 


grammatices traditur diebus 3 et ©. 











156 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Die 8 et d 
h. 6. catechismus Lutheri Latinus. 
7. die 3 emendantur scripta, sed die D evangelium Lati- 
num et lectio Graeci textus. 
8. die 8 gemma gemmarum Siberii, sed die $ coniungun- s 
tur cum secundanis. 


Exercitia et lectiones classis quartae. 
Horis antemeridianis 
diebus Jg 4 9 
h. 6. etymologia grammatices Strophii. 
7. colloquia Corderii. 10 
8. gemma gemmarum Siberii. 


Pomeridianis 
h. 12. coniunguntur quartani cum tertianis. 
1. syntaxis grammatices Strophii. 
2. Donatus, sed die J' catechismus Lutheri in lingua verna- ıs 
cula et die Q catechismus Lutheri Latinus. 


Diebus 8 et d 
6. catechismus Lutheri vernacula et Latina lingua. 
7. emendantur exercitia styli, sed die $ evangelium Latinum. 
8. evangelium in lingua vernacula, sed die D cum secunda- » 
nis et tertianis coniunguntur. 


h. 


Exercitia classium quintae, sextae et septimae. 

Quintani, sextani et septimani partim ad simplicem litera- 
rum pronunciatiöonem et inde ad syllabarum compositionem eru- 
diuntur, partim integras dictiones legendo proferre docentur a 
tribus inferioribus collegis. Vegetiores autem non tantum Lati- 2 
nae, sed et Germanicae lectioni adsuescunt ac per totam septi- 
manam aliquot periodos pro aetate et ingenio discentis legere 
iubentur. Hi paulatim et pingere literas discunt et memoriae 
mandant paradigmata Donati, maxime vero quintani et sextani, 
et praeterea rhythmos Latinogermanicos,. ante omnia vero cate- » 
chesin et quae ad pietatem pertinent ediscere coguntur. 

Quod si vero a Iehova principium in omnibus aliis rebus 
sumendum est, in studiis certe humanitatis, quorum unicus finis 
esse debet, ut Deum laudemus et super omnia, ut psalmus dicit, 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 22 157 


exaltemus, maxime cognitione eorum quae ad religionem et pie- 
tatis cultum spectant ac precibus continuis opus esse nos arbi- 
trari aequum est. Initium enim sapientise timor domini, cui sit 
laus, honor et gloria, Deo vivo, patri domini nostri Iesu Christi, 
s qui studia docentium et discentium ita regat, ut iisdem tum di- 
vini nominis gloria celebretur, tum in rem publicam utilitas re- 


dundet uberrima. Amen. 


23 


Lehrplan des Katharineums. 
1598. 


u 


ELENCHUS LECTIONUM SCHOLAE CATHARINIANAER. 


Lectiones primae classis. 


Diebus ) et J &wSıwai. 
Hora 7. Grammatica Latina Phi- 
10 lippi. Conrector. 
Hora 8. Dialectica eiusdem in lib. 
4. de elenchis sophisticis. 
Rector. 
Hora 9. Epistolae Ciceronis ad 
15 fam. Conrector. 
Die 8 
Hora 7. Linacer. Conrector. 
Hora 8. Absolvit rector et Philippi 
et Thalei rhetoricam. Istis 
20 absolutis praeceptiunculis 
substituet rector selectio- 
res quasdam Horatii odas, 
cum studium poeticum 
peraliquotannos in schola 
35 turpiter sit neglectum. 
Hora 9. Sceripta solutae et ligatae 
orationis corriguntur in 
utraque lingua a rectore 
et conrectore. 


Ası$lwai. ) et J' 
Hora 12. Musica Iohannis Ma- 
giri. Cantor. 
Hora 1. Terentius. Conrector. 


Hora 2. ÖOratio Ciceronis pro 
M. Marcello. Rector. 


Die 8 
More antiquitus recepto schola 
a laboribus vacat. 


In matutinis vero lectionibus 
aliquid immutandum vide- 
tur, ut Linacer praelegatur 
die J'\, ut tempore sat 
longo receptum fuit in 
hac schola, die vero 8 
h. 7. officia Ciceronis. 


158 


Diebus 94 et © 
Hora 7. Praecepta Graeca Cle- 
nardi. Conrector. 
Hora 8. Iteratur lectio Hors- 
tiana. Bector. 
Hora 9. Novum testamentum 
Graecum. Conrector. 
Die vero © h. 8. rector tradit 
syntaxin figuratam. Deduxit 
hactenus per omnes grammaticae 
partes, iam in ipsis figuris syn- 
tacticis occupatur ostendens rem 
exemplis in utroque dicendi 
genere. 
Die d 
Hora 7. Chytraei catechesis. 
Conrector. 
Hora 8. Explicatur evangelium. 
Bector. 
Hora 9. Corriguntur exereitia. 


Monumentsa Germanise paedagogica I 


Diebus 9 et © 
Hora 12. Exercetur musica. Can- 
tor. 
Hora 1. Virgilius. Conrector. 
Hora 2. Homerus. Rector. 


Die H 
Precibus vespertinis discipulos 
interesse oportet. 


Lectiones secundae classis. 


Diebus ) et 
Hora 7. Grammatica Latina Phi- 
lippi. Cantor. 
8. Grammatica Graeca Cle- 
nardi. Subconrector. 
9. Epistolae Ciceronis. Can- 
tor. 


Die 8. 
Secundaniintersuntcon- 
cioni. Cantor. 

Civilitas morum Erasmi. 
Exercitia corriguntur. 


Hora 7. 


Hora 8. 
Hora 9. 


Diebus 7 et Q' 
Hora 12. MusicaMagiri cum pri- 
manis et secundanis 
exercetur. Cantor. 
Terentius. Subconrec- 
tor. 
Hora 2. Prosodia. Cantor. 


Hors 1. 


In hac vero prosodica lectione 


5 


10 


15 


25 


addendus erit Ovidius vel in» 


libro tristium vel in epistolis 
Heroidum, ut usus prosodicorum 
melius pueris ostendatur. In se- 
cunda enim classi oportet fieri 
initium studii poetici. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 28 159 


Diebus 4 et O 


Hora 7. 
Hora 8. 


Hora 9. 


» Hora 7. 


Hora 8. 


Hora 9. 


35 


Hora 7. 


Hora 8. 
30 


Hora 9. 


Hora 7. 
35 


Hora 8. 


Gram. Philippi. Cantor. 
Iussu Carolico praelec- 
tus est Theognis. Iste 
pergnomologus poeta 
propter crebras dialec- 
tos et idiotismos lin- 
guae Graecae in secunda 
classe minus idoneus est, 
qui ne you quidem sciunt 
de dialectis sive Ionica 
sive Dorica !ete. Plu- 
tarchus videtur in libro 
reol maidwy Aywyislonge 
commodior. Lectio haec 
est subconrectoris. 
Dialogi sacri Castalionis. 
Cantor. 

Die Bd 
Catechesis Chytraei. 
Cantor. 
Corriguntur versus. Can- 
tor. 
Graecum evangelium ex- 
plicatur. Subconrector. 


Die 4 et © 


Hora 12. Exercetur musica. Can- 


tor. 


Hora 1. Syntaxis. 
Hora 2. Ovidius. Subconrector. 


Lectiones tertiae classis. 
'Ew$wai. Diebus ) et J! 


Grammatica Philippi. 
Subconrector. 
Aesopicae fabulae. Cui- 
selius. 
Epistolae a Sturmio col- 
lectae. Subconrector. 
Die 8 
Corriguntur exercitia. 
Subconrector. 
Catechismus Lutheri. 
Subconrector. 


Hora 9. Nomenclatura Siberi. 


Cuiselius. 


Asılıvai. ) et g 
Hora 12. Musica Fabri. Subcon- 


rector. 


Hora 1. Loci communes Mur- 


melii. Cuiselius. 


Hora 2. Civılitas morum. Sub- 


conrector. 


160 


Hora 8. 


Hora 9. 


Hora 7. 
Hora 8. 


Hora 9. 


Hora 7. 


Hora 8. 
Hora 9. 


Monumenta Germanise paedagogica I 


Diebus 4 et © 
Hora 7. Intersunt tertiani con- 


7. 


8. 


9. 


cioni. Subconrector. 
Dialogi Castilionis. Hen- 
ningus. 
SyntaxisnominumGolij, 
die vero Q hora 7. 
Die Bd 
Catechesis Lutheri. Sub- 
conrector. 
Exercitium extempora- 
neum. Subconrector. 
Evangelium Latinum. 
Cuiselius. 


Diebus 9 et Q 


Hora 12. Musica choralis. Sub- 
conrector. 

Hora 1. Epistolae Ciceronis. 
Cuiselius. 5 

Hora 2. Loci communes. Cui- 
selius. 


Lectiones quartae classis. 
Diebus J et Q 


Compendium Strophü. 

Cuiselius. 

Aelius Donatus. Marcus. 

Syntaxis. Cuiselius. 
Die 8 

Catechesis Lutheri. Cui- 

selius. 

Emendantur scripta. 

Cuiselius. | 

Nomenclatio Siberi. 
Marcus. 


Diebus 4 et Q 


7. 


8. 


9. 


Compendium Strophii. 
Cuiselius. 


Dialogi Sebaldi Heyden. 
Marcus. 
Syntaxis. Cuiselius. 


Die 5 


. Catechesis Lutheri. Cui- 


selius. 


. Perlustrantur scripta. 


Cuiselius. 


. Evangelium Latine ex- 


ponitur. Marcus. 


Hora 12. Musica. Subconrector. ı; 
Hora 1. Dialogi Sebaldi Hey- 
den. Marcus. 
Hora 2. Disticha Catonis. Cui- 
selius. 
Die vero Martis hac hora pueris » 
inculcatur catechesis Morlini. 


25 


Diebus Jet Q 
Hora 12. Canitur. Subconrector. 
Hora 1. Disticha Catonis. Cui- 
selius. au 
Hora 2. Donatus et comparatio 
nominum adiectivorum. 
Marcus. 


35 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 28 161 


In inferioribus classibus, quinta, sexta et septima, pueri 
discunt colligere literas, paradigmata declinationum, coniugatio- 
num, Lutheri catechismum et vocabularium rhytmicum superin- 
tendentis, quod tenellis puerorum nostrorum ingeniis tantum 

s prodest, quantum falcatis prodest rota quinta covinis, ut ipsa 
docet pueros experientia. 


24 
Lehr- und Diseiplinarordnung des Katharineums. 
1599. 


VERZEICHNISS WIE ES HINFORT IN DER SCHULEN 
BEY S. CATHARINA MIT DER INSTITUTION 
UND DISCIPLIN SOLL GEHALTEN WERDEN. 


1 
Sollen wöchentlich zwo stunden genommen werden zur ety- 
mologia, desgleichen auch zwo stunden zu der syntaxi, und also 
ı4 stunden zur Latina grammatica. 


2 
Graeca grammatica soll erstlich hinauß gebracht und darauff 
Graeca syntaxis angefangen werden. 


3 


16 In logicis soll liber dialectices Philippi disen sommer hinauß 
gelesen werden. 


4 
In rhetorieis doctrina de figuris absolvirt und darauff liber 
rhetorices Philippi vor die hand genommen werden. 


2 5 
In musicis soll fürnemblich dahin gesehen werden, das gutte 
discantisten und basisten mögen erzogen, und nicht allein suavitas, 
sondern auch gravitas in der kirchen so wol aufm chor als auf 
der gaßen und in den brautheußern in acht genommen werden. 
Schulordnungen der Stadt Braunschweig 11 


162 Monumenta Germaniae paedagogica I 


6 
Arithmetica mag privatim gelesen werden, weil in der schulen 
nötigere lectiones zutreiben. 


In Terentio soll alle halbe jar ein comedia alsolvirt werden. : 


8 
In epistolis fam. Ciceronis diß halbe jar ein buch zum ende 


gebracht werden. 
9 


Gleicher gestalt soll diß halbe jar die oratio pro Archia » 


geendet werden. 
10 


In Virgilio ein buch alle halbe jar absolvirt werden, da nicht 
viel funera mit einfallen möchten. 
11 | 1 
In officiis Ciceronis soll pergirt werden. 
12 
Hesiodi poömata, da mans anders an der zeit hat, sollen 
nicht dahinden bleiben, wie dann auch oratio Isocratisad Demo- 
nicum mit embsigem vleiß soll gelesen und usus praeceptorum » 
Graecae grammatices darinnen gezeiget und gewiesen werden. 


13 
In secunda classe sollen an stadt civilitatis morum Erasmi 
colloquia Vivis zulesen angeordnet werden. 


14 35 
An stadt des Ovidii loci communes Murmelii. 


15 
In tertia classe an stadt locorum communium Murmelii no- 
menclatio Siberi mit allem vleiß getrieben werden. 


16 » 
In capitibus pietatis soll wöchentlich catechesis Chytraei 
nur ein einzele stund gelesen, und one weittleufftig dictirn die 
definitiones den knaben fleißig eingebildet werden. 


17 
In secunda classe soll catechesis Chytraei abgeschafft und s 
an stadt deßelben gleichwie in tertia und quartae Mörlini und 
Lutheri catechismus geubet werden. 





Schuloränungen der Stadt Braunschweig 24 163 


18 
Es sollen auch alle wochen zwey scripta gegeben und der 
tag daran sie proponirt und corrigirt worden mit hinzugesetzet 


werden. 
5 19 


Die fürnembsten lectiones in artibus und Latinis authoribus, 
sonderlich aber solutae orationis, memoriter recitirt werden sub 
paena ferulae, und domit es desto leichter geschehen möge, ein 
decanus nach altem brauch diser schulen aufgestellet werden, 

ı der neben dem praeceptore die knaben in verhör neme, doch soll 
der rector et conrector zusehen, das sie auch bona fide dem de- 
cano mögen recitiret werden, und nicht betrug mit unterlauff. 


20 
Den inferioribus collegis soll ernstlich eingebunden werden, 
ıs das sie forthin beßer construirn mit den knaben und emendatius 
‚die scripta corrigirn als in superiori examine sich ausgewißen hat. 


21 

Auch sollen die regulae syntacticae gantz recitirt werden 

von den knaben und nicht geradbrechet werden, wie in superiori 

30 examine sich befunden. 

22 

In pronunciando sermonis praecipitantia, syllabarım sup- 

pressio und novorovia gäntzlich abgeschafft und in allen classibus 
so viel müglich verhütet werden. 


25 In disciplina. 


1 
Will vonnötten sein in prima classe so wol als in inferioribus, 
das der rector und conrector nicht das buch allein, sondern auch 
ferulam bey sich habe auf dem pulpito liegen und dieselbe auch 
0 bederbe, soll es anderst nicht das ansehen gewinnen, als woll man 
alle disciplin, vor alters in disen schulen gebreuchlich, schwinden 
und fallen laßen. 
2 
Auf der gaßen in deductione funerum sollen die inferiores 
»» collegae nicht allein pro forma neben hergehen, sondern auch 
die disciplin beßer in acht nemen als bißhero geschehen, damit 
man einen unterscheid sehen mög zwischen der schulzucht und 


viehezucht. 
i11* 


164 Monümenta Germanise paedagogica I 


Summatim davon zu reden, so soll ob allen und jeden sta- 
tutis scholasticis mit gantzem ernst gehalten werden, soll anderst 
literaria res publica nostra bestand haben, sicuti Solon, prudentissi- 
mus Atheniensium legislator, rem publicam duabus rebus contineri 
dicebat, praemio et paena. s 

Ein jeder lerne sein lection, 
So wird es in der schulen wol zugahn. 


Decretum in sacrario Catheriniano 12. Aprilis 
80. 99 a deputatis Dn. rev. ministerii 
ad scholae inspectionem. 10 


25 


Lehrpläne des Aegidianums. 
c. 1600. 


Se 


4 
TYPUS PRAELECTIONUM IN SCHOLA AEGIDIANA 
USITATARUM CONTINUATIONEM ADUMBRANS PER 
TEMPUS AESTIVALE ANNI 99. 


Bector 
Die Mercu- catecheseos 4to ad quintum lo- 
ri h. 6. Chytraei cum 
Die Lunse ad heteroclite in 
et Martis, gramma- etymologia % 
item Iovis | ;, ticae ‚ | ini- [item ad construc- 
et Veneris expli Philippi | tium |tionem de coniunc-| pro 
hors 6. | gati- fa- tionibus in syntaxi (gressus 
DieLl one CIENB | praedicamentis ad er 
Sr dislecticae | ® |oppositorum et con- * 
et Martis FR ; ; 
hora 8 Philippi versionum doctri- 
Ben nam in 2do libro 
Die Veneris rhetoricae ad locos communes 


h. 8. Philippi in primo libro 





10 


15 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 25 165 





Die Lunae et}orationis Ciceronianse pro M. Marcello habitae 











Martis h. 2. partem primam ad finem perduxit. 
Pre © &(ox Homero | dimidiam) libri primi Iliad. | conti- 
et Ven. ha. \* Vergilio | partem | libri septimi Aen. | nuarit. 


Conrector 
6.\in 2. classe grammaticae Philippi praecepta ab initio 
ad 3. declinstionem perduxit. 
7. lin 1. classe in 13. lib. epistolarum ad famil. Cicer. 
ad epistolam 9. pervenit. 
Diebus | 8. lin 2. classe dialogos sacros Seb. Castalionis ab Angeli 
Yetdg et Balaami colloquio ad Iaölis et Sisarae 
horis explicavit. 
1. |in 1. olasse Terentii eunuchum ad act. 3. scen. 2. ex- 
plicando persecutus est. 
2. |in 2. classe selectas a Sturmio ex Cicerone epistolas 
interpretatus est. | 


6.)in 2. verborum praecepta ad 3. coniugationem de- 


duxit. 
7.jin 1. tertium officiorum librum ad 4tum caput 
perduxit. 
Die 4) 8.lin 2. exereitia styli correxzit. 
horis }|1. [in 1. canones quosdam in carminibus scribendis 
observandos tradidit et primarisa carminum 
genera praefiguravit cum practica exegesi 
odarum Horatianarum. 
2. Jin 2. inflexiones Graecas inculcavit. 
6.\in 2. in syntaxi ad gerundiorum constructionum 
transcendit. 
7.Jin 1. Graeca Clenardi praecepta ad contractorum 
Die © declinationes perduxit. 


horis )8.{ in 2. locos communes Murmelii exegit. 
1. in 1. orationem Isocratis spi Bacıleias inchoatam 
post festum Pentecostes continuare non potuit. 
2./in 2. ut pridie. 


166 


Monumenta Germaniae paedagogica I 


Cantor 


6. compendium D. Morlini absolvit. 
7. Syracidem a 7. ad 10. caput explicavit. . 
Diebus |8. praecepta grammatices Philippi Melanchthonis supe- 
Lunae et rioribus tertianis inculcavit usque ad formationem ;s 
Martis genitivi singularis 3ae declinationis. 
horis |1. exereitium musices suscepit. 
2. sententias Salomonis a 4. ad 9. caput perduxit. 
3. scriptorum rationem habuit. 
6. audivit catechismum Lutheri Latinum et Germanicum. ı, 
Die 17. 
Mercurii)et \argumenta et analyses correxit. 
8. 
6. syntaxin nominum ad finem perduxit. 
7. disciplinam puerorum absolvit. 15 
Diebus 18. vocabula Hadriani Iunii inculcavit. 
A. et © ‚1. musicum exercitium suscepit. 
2. fabulas Aesopi 8 explicavit. 
3. scripta emendavit. 
Die Saturni ut supra die Mercurii. 2u 


Diebus 
Mercurii\ 6- 
et 7. 
Saturni Jg, 
hora 
Die 
Lunse, 6. 
Martis, 7. 
Iovis et 
Veneris 
hora 
1 
Horıs 
pomeri- e 
dianis ) 
a 


Collega quartae classis | 


catechismum Lutheri, cum quartanis superioribus 
et semitertianis tum Latinum tum Germanicum, 
cum inferioribus Germanicum tantum. 


docuit pueros literas et syllabar. 

compendium grammatices Medleri cum quartanis re- 
petivit ab initio usque ad verbum perducendo, cum 
semitertianis ad finem perducendo. 30 


. docuit pueros legere. 
2. formulam declinandi, comparandi, coniugandi pueris 


monstravit. 

vocabula usitata et consueta ex Hadriano, et quidem x 
ex capite de re herbaria et de arboribus et fructi- 
bus, pueris ascripsit. 











30 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 25 167 


B 
SYLLABUS PRAELECTIONUM IN SCHOLA EGIDIANA 
BRUNSVIGENSI HOC SEMESTRI HIBERNO 
CONTINUATARUM. 


Rector 


7. declinationum grammaticarum ävakoyıav et 
avwpalıav explicavit. 
9. quoad per diligentiam domini coadiutoris li- 

YJ)etg cuit, posteriora 5 logices Melanchthonia- 

horis nae capita lib. 1. ad finem perduxit. 

2. logicam Melanchthonianam cum principali 
confirmationis in oratione Archiana parte 
elaboravit. 

7. in catechesis Chytreanae loco primo doctri- 
nam de Deo uno et trino diversorum in- 
geniorum captui instillavit. 

8. et 9. progymnasmata Aphtonii in quatuor cap. 
prioribus Jswoyrırws zal mparTınWs eXer- 
euit. 

Diebus 7. syntaxeos Latinae et: Graecae harmonice 
coniunctae partem primam, quae est de 
nomine et pronomine cum ötaaxeıyeı doc- 
trinae de pronominibus relativis et reci- 
procis praelegit. 

9. 4 in Hesiodi lib. 1. quinque diversas diver- 

sarum aetatum species continuavit. 
Q traditus est mpoAsyokevwv loco oxykarı- 
oXoS Avaxspalanuöys universae philoso- 
phiae cum 5 prioribus cap. rhetorices Me- 
lanchthonianae. 

2. Virgilii, poötarum aquilae, lib. primus per 
tres pagellas explicatus est. 

D coincidit cum 8 praeter evangelii Graeci re- 

petitionem. 


4etQ 


Conrector 
subiectas, primanis quidem in clariorem linguam transfusas gram- 
matica (quoad etymologiam, syntaxin a0 YpadsoÄoyiav), rhetorica 
(in tropis et figuris tam dıavoias quam Asdews), logica (tam romıny 





168 


Monumenta Germanise paedagogica I 


quam xoırıny) ad textum applicata), ävalucscı, pro modicula do- 
cendi temporisque per theologicas domini coadiutoris praelectio- 
nes facultatula illustravit, repoposeit: 


Diebus Horis 
yetg 8. 
1. 

A 8. 
1. 

O 8. 
1. 

d 7. 


4 quarti decimi Cic. ad famil. epistolas priores. : 
4 itidem Phormionis Terent. actus primi scenas. 
officiorum eloquentiae parentis pauculis praemissis 
rpoAsyonsvoss libri 1. exord. cum propositione. 
elegiam Ovidii libri trist. 5. duodecimam itemque 
primi primam. 10 
etymologiam articuli et nominis ex Clenardi dia- 
lectis nec non prosodiam accentuum et quan- 
titatis. 
Isocratis Aoyov ad Demonicum mapaıverixou exord. 
materiam exercendi styli in Lat., in Graec. 15 


)») 9’ 2 9 hor. 12. exercitium musicum. 


Diebus Horis 


»KiZe, 


a er En 


on 


Secundanis 


etymologiam nominis. 

dialogos Castellionis lib. 3. 

epistolas primi lib. Sturmii 6. 7. 8. 9. 20 

ascriptionem exercitii Germ. ad imitationem dia- 

logi vel epistolae cum subnexa repetitione. 

etymologiam verbi. 

correctionem scripti. 

educationis linguae Graecae puerilis etymologiam, 35 
superioribus verbi, inferioribus articuli ac 
nominis, appositis ad imitandum exemplis. 


Sic et d. ©. 


syntaxin verbi et seqg. orationis partt. 

prosodiam Murmelii de quantitate primae sylla- so 
bae, monstrato in primo locorum Murmelii 
eiusdem communium usu. 

adiunctis | catechismum D. Lutheri. 

tertianis evangelium Graecum et Latin- 








d 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 25 169 





Diebus Horis Cantor 
» et og! 6. | partes orationis declinare 


7. | sapient. Siracid. cap. 17. 
8. | formulas declinandi et coniugandi })docebit. 
e 12. | artem canendi 
1. | proverb. Salomonis regis caput 18. 
2. | discipuli exercent manum eamque exhibent. 
8 6. | catechismum B. Lutheri docebit. 
7.et8.| corrigit scripta. 
0A et OO 6. | syntaxin nominum. 
7. | colloquiorum Corderii lib. 1. incipiens a coll. 42. 
8. | vocabula ex nomenclatore. 
12. | musicam exercebit figuralem. 
1. } Aesopi fabulas. 
15 2. | coineidit cum hora 2da dierum ) et J'. 
L 8. | exercitium musicum. 
| 26 
Schulgesetze und Lehrplan des Aegidianums. 
c. 1600. 
u 
SYNOPSIS LEGUM SCHOLASTICARUM IN PAEDEUTERIO 
AEGIDIANO. 


Longe vehementius penetrare et fortius ferire corda hominum 
solent leges divinae quam humanae. Ergo nostras leges scholasti- 
cas sub divinge maiestatis praeconio promulgare visum fuit. Tu 

» autem quicunque es nostrae scholae membrum et alumnus, 
fecito, ut Deum optimum maximum tibi praecipientem, nos vero, 
tuos praeceptores, mandati divini tantum interpretes esse oredas. 





170 Monumenta Germanise paedagogica I 


Primum praeceptum. 
Non habebis deos alienos. 
Hic tibi mandatur, ut Apxyv xal relos, ut Nazianzenus 
recte dixit, Deum ipsum facias, ut hunc timeas, ames, venereris 


et in ipsum omnem tuam fiduciam ponas. Deus est enim simul : 


zelotes contumacibus et misericors obedientihus. Non autem 
Deum recte timere aut amare potes, nisi eum, quid et qualis sit, 
primum cognoveris. Ergo in sacras literas, unde eius cognitio 
depromitur, potissimum incumbito et harum summam, guae cate- 
chesis vocatur, Latine et Germanice exacte teneto et ad eam 
omnia quae in sacris literis tibi legenti occurrunt referto vitam- 
que tuam instituito. 


Secundum praeceptum. 


Non assumes nomen domini Dei tui in vanum. 

Hic cogita, quod non debeas 1. magiae operam dare, 2. cui- 
quam maledicere, 3. temere vel per animam vel aliis modis iurare. 
Si enim hoc facies, quod magicos libellos habebis et leges, Christi 
vulnera, sacramenta, martyrium, passionem, elementa etc. ad tui 
proximi damnum et interitum si usurpabis, senties aliquando 
verissime Dei &xöıxzov oyua, nec nos tibi parcemus; ac si monitus 
et castigatus non resipiscis et eiusmodi flagitia summo studio 
vitas ac execraris aut aliquoties ab aliis audita non ad nos defers, 
tanquam putridum membrum a reliquo corpore scholastico abscin- 
deris et ignominiose excluderis. 


Tertium praeceptum. 


Memento ut diem Sabbathi sanctifices. 

Hic tibi praecipitur, ut primum ad preces vespertinas mature 
in scholam venias. Sine strepitu ingressus non confabulator cum di- 
scipulis, non nugator, non discurrito, sedin precando, canendo et con- 
cionibus audiendis diligens etattentusesto. Deinde de mandato divi- 
no et pluteos signo a cantore dato sine strepitu accedito, et quo sta- 
tura es minor, eo propior pluteo esto. Inter orandum religiose in 
genua procumbito et preces tuas cum ecclesia coniungito. 3. Sub 
concione recipito te in ea loca ubi ministrum verbi audire possis, 
et concionis dominicalis capita describito et rectori exigenti in- 
spicienda monstrato. 4. Psalmos Latinos et Germanicos tecum 
semper afferto. Eos si non habes nec emere potes, condiscipulorum 
libellos inspicito et cantorem praecinentem strenue iuvato. Quod 


25 


30 





Schnlorduungen der Stadt Braunschweig 26 171 


si in figuralibus, ut vocant, decantandis in templo error fuerit 
commissus, symphoniaci apud eam vocem ubi erratum est sua 
parte in proxima distributione pecuniae collectae carebunt. 


Quartum praeceptum. 


5 Honora patrem tuum et matrem tuam, 
ut sis longaevus in terra. 


In quarto praecepto appellatione parentum comprehenduntur 
non tantum naturales nostri, sed omnes reliqui qui parentum 
loco nobis praesunt vel alendo, defendendo, vel ad pietatem, 

ı virtutem artemve aliquam instituendo. Hos omnes addita pro- 
missione iucundissima nobis honorandos commendavit Deus, ut 
sunt ministri verbi, praeceptores tui, collegae aliarum scholarum, 
hospites etc. Primum igitur accedens hospitium sibi nemo ipse 
neque per alium inscio rectore comparet, sed si tibi de hospitio 

ıs constat, rectori id indices, nt eius consensu introducaris. Hospi- 
tium ingressus pietatem, modestiam, probitatem gratitudinemque 
tuam probes. Nactus hospitem hospitamve morosiores vel duriores 
modeste tolerato, benigniores iuste amato. Abiturus aliquo ad 
negotia tua perficienda ipsis abitum absentiamgue tuam exponito 

» ac noctu nungquam domi abesto. III. In instituendis liberis heri- 
libus praecipuam diligentiam adhibeto. Quo pariter illos catechi- 
smum Latine et Germanice doceas, vesperi partem aliquam clare 
et distincte et dilucide recitare flagitato. \Mane pueros tempestive 
excitato, lotos et comptos precibus factis ad ludum adducito. 

3; Placidus cum eis loquitor. Methodo utere qua praeceptores in 
tradendo et repetendo. Explora, an a praeceptore audits recte 
intellexerint, cum iisque simplicissime repetito. ÜOperam quoque 
dato, ut elegantes characteres pingere, psalmos decantare discant, 
ac preculas psalmosque Latine et Germanice memoriter ad 

3 mensam recitare possint, assuefacito. Deductiones vocum musi- 
calium, antiphonas, responsoria, introitus et hymnos suaviter 
et recte pro ingenio, voce et aetate decantare discant. Ea 
ratione pueros amore literarum inflammabis et praeterea bene- 
volentiam ab hospite inibis. Sexto, mature mane et meridie ad 

3; signum constitutae horae cum pueris accedito, modeste in locum 
tuum te recipito, preces matutinas cum aliis religiose concinito, 
lectioni capitis ex bibliis attente auscultato.. Schola non egre- 
ditor nisi gravi de causa praeceptorisque permissu nec antequam 
universus coeius dimittatur; clam ne te subducito. Septimo, 


172 Monumenta Germanise paedagogica I 


vernaculo sermone primae et secundae classis in schola et templo 
nunguam utitor nisi ad eos qui sunt Latini sermonis ignari. 
Octavo, sub lectione attentus esto, praesentia ageto, non con- 
fabulator, non murmurato nec rideto, sed opus tuum urgeto et; 
ediscenda memoriae mandato. Nono, ludo nunguam sine venias 
abesto. Decimo, in processionibus funebribus aut cum in tem- 
plum eundum est bini incedunto, cantiones aequaliter accinunto 
nec ordinem turbanto. Undecimo, magistratui, ministris ecclesiae, 
reliquarum scholarum collegis, senibus honestis, matronis veneran- 
dis et omnibus autoritate et virtute praeditis debitum honorem 10 
exhibeto cedendo de via, assurgendo, caput aperiendo et aliis 
modestiae officiis. Denique praeceptores tuos, a quibus recte ac 
pie vivendi rationem edoceris, honore, benevolentia, gratitudine, 
reverentia et omnis generis officiis prosequitor. 


Quintum praeceptum. ıs 
Non occides. 


Hic mandatur, ne te ipsum vel alium laedas. Te ipsum 
laedis, quando in aqua profluente te aestivo tempore lavas et 
hyeme coniunctis pedibus glaciem transcurris. Aliis autem noces, 
quando vel vultum habes morosum, iracundum, simultatibus ple- » 
num, vel cum ab alio laesus ad privatam vindictam properas et 
vel gladio vel pugione vel consimilibus alterius sanitatem cor- 
rumpis. Sed haec omnia hie prohibentur. Ergo ne quid tale 
eveniat, omnino cave ne profluentem aquam ingrediaris negque 
glaciem contumaciter transess; praeterea vitato gladiorum et 2s 
pugionum usum. Rixis et pugnis te abstineto. Denique esto 
patiens in accepta iniuria et vindietam tuo praeceptori committito, 
cui significato, si quid iniurise aut damni ab alio est illatum. 

Sextum praeceptum. 
Non moechaberis. 30 

Hic disces, quod Deus non tantum adulterium, sed et flam- 
mas libidinum, pravas inclinationes, obscaena verba, deambula- 
tiones diuturnas et nocturnas, compotationes, commessationes, vesti- 
tum minus decentem et si quid aliud eius generis est, summo- 
pere aversetur. Ergo haec omnia fugito. Et si templum aut ss 
scholam petiturus domumve reversurus es, moram in plateis aut 
caemiteriis non trahito, non rixator, non vociferator, non dis 
currito, non ludito nec quicquam scholastico indignum admittito. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 26 173 


Septimum praeceptum. 
Non furtum facies. 


Habes hic, ut quisque sua bona retineat et, cuicunque de- 
beatur, accipiat. Ergo res in schola inventas praeceptori tradito. 
s Aleam, tesseras, chartas lusorias vitato. Permutationibus non 
delectator. Esto gratus erga praeceptores et iusto tempore illis 
didactrum persolvito. Rectori, quando primum in caetum discipu- 
lorum adoptaris, precium inscriptionis, si inopia non laboras, 
largitor. Suppellectilem tuam scholasticam diligenter asservato 
ı0 et denique ne deformato, ne frangito scamnum, fornaces, fenestras, 
tabulas, leges et: quicquid praeteres in schola continetur. Nam 
praeter illud quod Deum graviter offenderis et nostram poenam 
incurreris, damnum datum praestabis. 


Octavum praeceptum. 


15 Non loqueris contra proximum tuum falsım 
testimonium. 


Hoc praeceptum famam uniuscuiusgue tuetur et veritatem 
postulat. Ergo praeceptores tuos domi falso ne accusato neo 
quicquam in hos dictum aut factum apud alios effutito, convitia, 

20 probra, irrisiones et condiscipulorum contemtum vitato. Breviter 
esto verus, simplex, candidus, constans, docilis, taciturnus et ur- 
banus. 


Nonum et decimum praeceptum. 


Non ooncupisces domum proximi tui. Nec desiderabis 
2 uxorem proximi tui etc. 


Haec duo praecepta interpretantur praecedentia et testantur 
in decalogo non solum externa delicta prohiberi, sed etiam inte- 
riora vitia accusari et damnari, ut immundiciem cordis, affectus 
vitiosos, concupiscentiam etc. Estque haec sententia: Non tantum 

so manus tuse, os, oculi, vultus abstineant a violatione proximi, sed 
etiam in tota natura sit congruentia et conformitas ad omnia 
haec praecepta. Verum cum haec labes originalis in hac vita 
tolli non possit, iudices hoc loco non erimus. Tantum te mone- 
mus, ut frequenter sacra synaxi in vers poenitentia utaris, novum 

ss hominem induas et sic vetus fermentum expurges et in novitate 
vitae ambules. 

Hae sunt leges nostrae scholasticae ad normam decalogi 
breviter conformatae, iuxta quas volumus ut omnes nostri disci- 





174 Monumenta Germaniae paedagogica 1] 


puli suam vitam instituant, nisi velint suam inobedientiam et 
contumaciam a Deo per nos et alios mediate puniri. Oramıs 
autem aeternum patrem domini nostri Iesu Christi, ut nos spiritu 
suo sanctificante gubernet et regat, quo salutaria docere et perci- 
pere, discere et imitari possimus. | 5 


ORDO LECTIONUM IN SCHOLA AEGIDIANA. 


Classis prima. 
Die Lunae et Martis. 


Hora 6. Grammaticam Philippi cum Linacri praeceptis coniunc- 
tam. Rector. 10 

Hora 7. Epistolas familiares Ciceronis. Conrector. 

Hora 8. Dialecticam Philippi. Rector. 


A meridie. 


[1 


Hora 1. Terentium. ÜConrector. 
Hora 2. Orationem Cic. pro M. Marcello. Rector. 15 


Die Mercnrii. 
Hora 6. Catechesin Chytraei. Rector. 
Religuum tempus tribuitur corrigendis scriptis, deinde 
visitatur templum. 
Die Iovis. 20 


Hora 6. Syntaxin Philippi cum Linacri coniunctam nec non syn- 
taxin Graecam Posselii. RBector. 

Hora 7. Officia Ciceronis. Conrector. 

Hora 8. Rhetoricam Philippi et Talaei. Rector. 


A prandio. 25 


Hora 1. Ovidium. Conrector. 
Hora 2. Virgilium. Rector. 





Die Veneris tempore matutino. 


Hora 6. Syntaxin Posselii Graecam nec non Latinam D. Philippi 
cum Linacri coniunctam. Rector. 30 
Hora 7. Grammaticam Graecam Clenardi. Conrector. 
Hora 8. Rhetoricam Philippi et Talaei. Rector. s 


Tempore pomeridiano. 
Hora. 1. Isocratem. Conrector. 
Hora 2. Homerum. ZRector. 35 





Hora 6. 
Hora 7. 
Hora 8. 


10 


Hora 1. 
Hora 2. 


Hora 6. 
ıs Hora 7. 


Hora 6. 
Hora 7. 
» Hora 8. 


Hora 1. 
Hora 2. 


:s Hora 6. 
Hora 7. 
Hora 8. 


Hora 1. 
3o Hora 2. 


Hora 6. 


Hora 7. 
ss Hora 8. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 26 175 


Die Sabbathi. 


Recitatur catechesisLutheri, postea dietantur exercitia styli. 
Evangelia Graeca Posselii. Rector. 
Exercetur musica. 


Classis secunda. 

Die Lunae et Martis. 
Grammaticam Philippi. Conrector. 
Syracidem. Cantor. 

Dialogos sacros Castellionis. Conrector., 
A. meridie. 
Proverbia Salomonis. Cantor. 
Epistolas minores Ciceronis. Conrector. 
Die Mercurii. 
Recitatur catechesis. 
Dictatur scriptum a Conrectore. 
Postea visitatur templum. 
Die lovis. 
Syntaxin Philippi. Conrector. 
Disciplinam. Cantor. 
Exhibentur scripta pro conrectore. 
A prandio. 
Fabulas Aesopi. Cantor. 
Compendium Graecae grammatices. Conrector. 
Die Veneris. 


Syntaxin Philippi. Conrector. 
Prosodiam Murmelü. Cantor. 
Locos communes a Murmelio collectos. Conrector. 


A meridie. 


Fabulas Aesopi. Cantor. 
Recitantur vocabula Hadriani Iunii et simul vertendi tra- 
duntur versiculi pro conrectore. 


Die Sabbathı. 


Recitatur catechesis pro cantore. 
Explicatur evangelium Graecum et Latinum a conrectore. 
Exercetur musica a cantore. 





176 Monumenta Germaniae paedagogica I 


27 
Verordnung des Konsistoriums über Unterricht 


und Disciplin in den Lateinschulen. 
1621. 
I 


MONITA SCHOLASTICALIA. 


Anno 1621 den 14. Julü hat ein ehrwürdig consistorium dero 
stadt Braunschweig die sämptlichen praeceptores und schuel-diener 
in allen dreyen schuelen alhie vorbeschieden und auß etlichen 
sowol in institione alß auch in disciplina scholastica bey etlichen 
praeceptoribus befundenen mängeln mit ihnen nottürfftig reden s 
laßen, auch daneben vor guth angesehen, daß die beschehene 
erinnerungen kürtzlich punctiret und den rectoribus scholarum 
zu vleißiger observation bey ihren anvertrawten schuelen schrifft- 
lich zugestellet: werden solten. 

Anfänglich aber und ins gemein hat ein ehrwürdig consisto- ı0 
rium die rectores scholarum neben ihren collegen sampt und sonderß 
gewiesen auff eines ehrbarn rathß sub dato den 4. Februarii 1596 
verfaste und damalß außgeantwortete schul-ordtnung, dieselbe, so 
weit sie bishero per expressum aut tacitum consensum amplissimi 
senatus nicht geändert, noch fürters, und zwart so lang biß man ı5 
sich in einem oder dem andern einer beßern ordinantz verglichen 
haben wirdet, in gepüerliche fleißige auffacht zu haben und dero- 
selben nachzuleben. 


DE INSTITUTIONE SCHOLASTICA. 


Insonderheit aber seindt vor erst bey der institutione scho- » 
lastica nach vorgehender anzeig dero berichteten und befundenen 
mängel und unrichtigkeiten nachfolgende erinnerungen geschehen, 
und sich darnach gepüerlich zu achten den praeceptoribus anbe- 


fohlen worden. 
1 3 


In den lectionibus, sowoll artium instrumentalium, gramme- 
ticae, dialecticae, rhetoricae, alB auch bonorum et classicorum 
autorum, sol von den praeceptoribus beßer alßB bißweilen von 
etlichen geschehen pergiret und fortgeschritten, die ohnnötigen 
und ohnnützlichen dictata, glossae und wapspya außgelaßen und 30 
in den artibus nicht allein auff die praecepta, sondern vornemb- 
lich und vor allen dingen auff den usum deroselben gesehen werden. 


y 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 27 177 


2 

In specie aber in grammaticis sollen in den superioribus 
classibus nicht allein die faciliora et communia, sondern nach 
dem profectu und unterschiedt der discipulorum auch die dif- 
s fieiliora sowoll auß dem Philippo Melanthone alß Linacro und 
andern grammaticis tractiret und denen so es faßen konnen be- 
kandt gemacht, und also auch die philologia und critica nicht 
negligiret, sondern bey den superioribus insonderheit, wie auch 
bey den inferioribus zufürderst die orthographia et xaAAıypagyia 

ı oder zierligkeit im schreiben, mit in acht genommen werden. 


3 

In logicis und rhetoricis sollen sowoll die praecepta alß auch 

der usus praeceptorum tam Aristotelicorum quam Rameorum con- 
jungiret und mit vleiß dociret und gewiesen, und die rhetorica 
ı: sowoll alß dialectica in einem oder je zum hochsten innerhalb andert- 
halb jahren jedesmalß absolviret und durchgebracht werden, und der- 
selben ususin dertäglichen praelection classicorum autorum, wie auch 
in den wochentlichen exereitiis mit allem fleiß gezeiget werden. 


4 
20 Catechesis Chytraei soll in prima classe wochentlich nurt 
einmal gelesen, und der textus Chytraei nurt oraliter, damit die 
knaben mit vielen dictatis nicht aufgehalten werden, sonsten aber 
waß nützliches bey dem textu zu erinnern pro captu et diligentia 
sua zu annotiren haben mügen, expliciret und neben den in textu 
9; vorhandenen und andern insignioribus dictis scripturae außwendigk 
gelernet, in dem ubrigen aber die superioresdiscipulizueden wochent- 
lichen praelectionibus theologicis des herrn superintendenten und 
coadjutoris remittiret und sie hernacher darauß examiniret werden. 


5 
30 Ehe aber in den praelectionibus sowoll artium als cateche- 
seos et bonorum autorum fortgefahren wirdet, sollen jedesmalß 
nottürfftige und offtmalige, ja tägliche repetitiones der vorigen 
leetionum und traditorum, alß daran zum allerhöchsten gelegen, 
mit fleiß angestellet, die knaben auch angehalten werden, daß 
ss sie nebst den praeceptis artium auch den explicirten textum 
bonorum autorum oder je das vornembste und nützlichste darauß 
außwendig lernen, denselben auch und waß etwan von den 
praeceptoribus nützliches dabey tractiret quoad phrases und 


Schulordnungen der Stadt Braungchweig. P2 12 











178 Monumenta Germaniae paedagogica I 


sonsten ad usum zu transferiren wıßen und in ediscendis neces- 
sariis et utilibus memoriam fleißig excoliren mügen. 


6 

Auch sollen so woll die praeceptores alß auch die discipuli 
in allen classibus sich einer klaren, reinen, langsamen, verständ- s 
lichen und zierlichen pronunciation befleißigen und die knaben 
dazu von jugendt auf gewehnet und in den repetitionibus oder 
sonsten mit alzu schleuniger exaction recitandorum daran nicht 
behindert, sonsten aber in reminiscendo et pronunciando es quae 
didicerunt alacres und fertigk gemacht werden. 10 


7 

Weil auch der exercitiorum und deren correction halber, 
darinnen die praxis institutionis scholasticae fast mehrern theilß 
bestehet, bißhero nicht geringer mangel vorgefallen, sollen hin- 
füro in prima classe sowoll von dem rectore alß conrectore, jedoch ıs 
alternis vicibus, wochentlich auff einen gewißen tagk so woll 
Latina alß Graeca, tam soluta quam ligata, doch gar kurtze 
exercitia zu machen den discipulis aufgegeben, dieselbe auch auff 
einen gewißen tagk — der, wieauch vorgedachter tagk, ad mar- 
ginem zu annotiren — den praeceptoribus gepüerlich exhibiret und » 
von denselben mit allem fleiß recht corrigiret und die befundene 
vitia und oyaluara, potiora inprimis, so woll den errantibus alß 
auch den andern discipulis angezeiget und sie allerseitß sich 
‘"hinfüro dafur zue hüeten ermahnet, den superioribus aber etwan 
alle vier wochen materia einer kurtzen lateinischen — doch sollen 3s 
auch die griechischen nicht verbotten sein — oration und decla- 
mation, die nicht uber drey oder vier blätter lang gemacht wer- 
den darff, suppeditiret und post correctionem die discipuli per 
vices dieselbe publice und memoriter zu recitiren gewehnet werden. 


8 » 
Damit auch auß unrechter location der knaben so woll den 
praeceptoribus keine verdrießliche mühe alß auch den discipulis 
selbst hinderungk und nachtheil in der institution begegnen und 
wiederfahren müge, sollen die rectores scholarum, ehe sie die 
new-ankommende knaben lociren oder auch die andern auß einem »; 
classe in die andere transferiren, der knaben profectum mit ge- 
püerendem fleiß expisciren und notturfftig erkundigen und darauf 
nach befindung und der knaben selbst eigenem nutzen die loca- 
tion gepüerlich anstellen. 


Schuloränungen der Stadt Braunschweig 27 179 


DE DISCIPLINA SCHOLASTICA. 


Ferner die disciplinam scholasticam betreffendt, weil dieselbe 
fast laxa und allerhandt unrichtigkeit dabey befunden, seindt 
dabey vornemblich nachfolgende erinnerungen geschehen. 


N 1 
Die knaben sollen zu rechter zeit in die schuelen und kirchen 
zu kommen angehalten und die sero-venientes gepüerlich ge- 
straffet, des winters auch und wans nicht kalt ist die knaben 
in templis bey anfangk der predigten nicht dimittiret werden. 


10 2 
Die absentes sollen jedesmalßB angezeichnet und hermacher 
von den praeceptoribus einer jeden classis gepüerlich examiniret, 
auch keinem sine venia und ohne genugsame ursach außenzu- 
bleiben verstattet, und die dawieder handlen gepüerlich deßwegen 
ı angesehen werden. 
| 3 
Die knaben sollen zu gewöhnlicher zeit auß den schuelen 
ordentlich in die kirchen geführet werden, die praeceptores auch 
alda bey den knaben auf dem chor zugegen sein und gepüerlich 
so achtung auff sie haben, auch sowoll vor sich selbst die predigten 
mit fleiß anhören, alB auch bey ihren discipulis die versehung 
thun, daß von denselben, und insonderheit den adultioribus, 
dergleichen geschehe und die andern sich immittelst still verhalten. 


4 
s . So sollen auch die praeceptores selbst zu rechter, bestimpter 
zeit in die schuele, und ein jeglicher in seine classem kommen 
und daselbsten seines ampts getrewlich pflegen und nicht eine 
guete zeit vorhero, wie bißhero zum offtern geschehen, extra classes 
mit spatzieren und colloquiren zupringen. 


N) b 
Die rectores et conrectores sollen auch insonderheit ihre 
autoritatem, die sie bey den andern ihren collegis, wie auch die 
sämptlichen praeceptores ihr ansehen, daß sie bey den discipulis 
pillig haben sollen, gepüerlich conserviren und in acht haben, und 
nicht etwan durch nicht-gebrauchung ihrer gewöhnlichen kleider 

s; oder sonsten dieselbe prostituiren. 

12* 





180 Monumenta Germaniae paedagogica T- 


6 

So sollen auch zu gleichem endt, und damit es die knaben 
desto baß vernehmen konnen, die praeceptores in den superioribus 
classibus, wan sie ihre lectiones halten und den discipulis etwaß 
proponiren, expliciren oder dictiren, auf der cathedra stehen; wan » 
sie aber die repetitiones auß solchen lectionibus und waß sie pro- 
poniret mit den knaben anstellen, mogen sie solches auch woll 
obambulando umb beßerer aufsicht willen verrichten. 


7 
Auch sollen die rectores und conrectores alle halbe jahr ıo 
dem hern superintendenten einen catalogum ihrer lectionum, so 
sie solch halb jahr uber zu halten vorhabens sein, Bee zu an- 
fang desselben ohnfeilberlich zuschieken. 


8 
'Sie sollen auch neben den andern ihren collegis auf ihre ıs 
lectiones, und waß sie ihren discipulis nütz- und dienliches pro- 
poniren und auffgeben wollen, mit allem getrewem fleiß praeme- 
ditiren, und die superiores praeceptores insonderheit fleißig darauff 
studiren und mit bestem fleiß dahin sehen, damit die güldene 
zeit nicht unnützlich verspildet und die jugendt versäumet, auch » 
nicht per ambages, sondern recta und compendiose zu dem vor- 
gesetzten zweck geführet werden und daßelbe ehistmüglich er- 
reichen müge. 
9 
Auch sollen sie ihren discipulis mit gueten exempeln in 
vita et moribus, wie auch mit einem gottseligen, unsträf- und 
unärgerlichem leben gepüerlich vorgehen und alßo proprio lau- 
dabili exemplo und sonsten' die knaben zur gottesfurcht und 
gueten sitten mit fleiß gewehnen, weil ihr ampt darin gueten 
theilß mit bestehet und sie sich und ihre discipulos hierbey und » 
jederzeit billig erinnern sollen: quod pietas ad omnia utilis sit etc., 
et quod qui proficit in literis et deficit in moribus, plus deficiat 
quam proficiat. 
10 
So werden auch die jenigen so diesem zuwieder sich etlicher ss 
maßen bißhero auf daß gesöff begeben, derer haußfrawen auch 
sich uber ihren standt gekleidet, den beschehenen erinnerungen 
zu geleben und sich hierin zu beßern, auch ihre haußhaltug und 
gantzes leben neben den ihrigen also anzustellen wißen, damit 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 27 181 


daruber keine fernere pillige clage vorkommen, auch von ihnen 
selbst ihre fernere promotio nicht gehindert, noch ihre vermachte 
salaria bey diesen ohn. daß thewren und. beschwerlichen leufften 
ohnnützlich und ohnnötigk angewendet werden mügen. 


5 11 
EB sollen auch die rectores und praeceptores scholarum nicht 
pro libitu und umb geringer ursach willen, alß wann irgendt 
nurt etliche collegen zur hochzeit gehen, ferias machen und die 
sämptlichen knaben beurlauben, auch soll ein solches in den 
ıo hundtstagen, sonderlich wan es nicht sehr heiß ist, nicht ge- 
schehen, sondern ein solches allemahl von dem herrn superinten- 

denten specialiter erlaubt werden. 


12 

Wenn auch funera den nachmittag zu bestellen, sollen die 
ıs cantores nurt eine halbe stunde daß exercitium musicum treiben, 
und die ubrigen anderthalb stunden in prima classe inter rectorem 
et conrectorem und also auch in den folgenden classibus die 
lectiones et labores getheilet und deßwegen keine lectio oder re- 
petitio, so sonsten in die letzte stunde gehöret hette, versäumet. 
» Auch sollen die praeceptores sanft und sonders den generalibus 

funeribus beywohnen. 

Lecta et iterum approbata sunt haec monits in consistorio 
lussuque arnıplissimi senatus sigillo civitatis subsignata 1. Septem- 
bris anno 1621. 

' (L. S.) 


182 Monumenta Germaniae paedagogica I 


28 


Begräbnisordnung des Martineums. 
1623. 1627. 


nz 


LEGES EXEQUIALES SCHOLAE MARTINIANAE. 
ANNO 1623. 


Cum in deductionibus funerum dominorum oollegarum saepe 
magna raritas fuerit, quae inde forsan extitit, quod quisque levi 
data mulcta pro lubitu abesse putaverit aut suae absentiae ali- s 
qualem causam afferre potuerit. Proinde quid mulctae absens 
posthac dare debeat et quae absentia excusari queat vel minus, 
hisce sequentibus legibus comprehendere placuit, quas domini 
collegae omnes et singuli sancte servare receperunt. 


I 10 
Si quis lecto aflixus fuerit, excusatus et a mulcta liber esto: 
secus fiat, si morbus fuerit fictus aut ex crapula ortus. 


oa 
Si quis medicamentis eo die uteretur quo funus curandum 
usque fuisset, et propterea non posset adesse, mulctam dabit. 15 
Abrogate fuit propridie Kal. 
Mart. MDCXXVIO unanimi 
collegarum consensu: Non dabit. 


II 
Si quis consensu reverendi domini superintendentis aut do- » 
minorum scholarcharum et domini rectoris profectus fuerit, ex- 
cusatus et a mulcta liber esto, si iter fuerit bidui, tridui aut ad 
summum quatridui. Si vero ultra dietum tempus profectus ab- 
fuerit, tota ipsius portio fisco cedat. 


IV ‚” 
Si quis funus quod curatur sequutus fuerit, excusatus et & 
mulcta immunis esto. 
V 
Si nonnulli ex collegis funus cum aliis portarent, unde illos 
maneret praemium maius parte quae ex funere nobis tum curando » 


illis esset cessura, tota sus parte privantor fisco danda. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 28 183 





no vI 
Si quis nuptiis interfuerit, excusatus esto, sed mulctator. 
vo 


Si quis alibi funus sequeretur aut infantem ex babtismo 
s susciperet, excusatus et a mulcta liber esto. 


vn 
Si quis alias abfuerit aut propter conficienda negotia aut 
aliam ob causam, inexcusatus totam partem fisco dabit. 


IX 
10 Si quis sub concione funebri in choro non fuerit, mulctam 
dabit una cum parte superadditi, si quod accesserit. 


x 
Si quis in pompa exequiali suis pueris non adiunctus iverit 
— unde ordo saepe turbatur et aequalitas cantus non attendi- 
ıs tur — sed sui collegae comes iverit, mulctator. 


XI 
Si quis a suis pueris, quos omnes pro veteri more in tem- 
plum duci volumus — nisi dies festus diversum quid statuat — 
ante collectam, ut vocant, abierit decantatam, mulctator. 


20 ZU | 
Cum partitio funeralis pecuniae sit geometrica, aequum est, 
ut illi muleta respondeat. Pro absentia itaque excusabili ex tri- 
bus superioribus quisque duos marianos, ex tribus mediis quisque 
grossum Misnicum, ex inferioribus tribus quisgque unum maria- 


s num fisco solvat. 
XII 


Si quis alteri collegae se adiunxerit aut ante collectam ex 
templo abierit, superiorum quisque marianum, mediorum quisque 
sex nummos et inferiorum quisque quatuor dabit. 

30 XIV 

Has leges huic peculiari libro inscriptas dominorum colle- 
garum quilibet per menstruam diem asservet, cuius officium esto: 
funus eiusque curandi horam caeteris dominis collegis significare, 
pecuniam distribuere, muletandos notare datamque mulctam hic 

» assignare. Si quis in hoc officio negligens fuerit, de consensu 
omnium collegarum mulctator. 








184 Monumenta Germanise paedagogica I 





XV 
Si quis hunc librum ipsis Kalendis cuiuslibet mensis suc- 
cessori, si in schola laborandum, non tradiderit aut, si ille absens 
aut feriae fuerint, in süam domum non miserit, sine ulla excu- 
satione quadrantem thaleri dabit. 5 


— 


Propridie Kal. Mart. 
MDCXXVIN. 
Communi omnium dominorum collegarum sententia duae 
reliquis sunt leges additae. 
I 1 
Si quis honesta causa impeditus abfuerit a funere, dimidio 
mulctator. 
H 
Si quis a gratuito funere abfuerit nec causam reddiderit 
sufficientem, toto stipendio mulctator, quod alias fuisset acceptu- ıs 
rus. Et ne sine nomine lex videatur lata, religuorum dominorum 
sententia pecunia determinata sesquiioachimicus; quae hinc pars 
cuiusque fuerit, fisco cedat. 


Sed animadversione omnium modus VII et IX legis des- 
criptus: w 


vo 
Concio sub honesta causa merito continetur; si quis eam ad 
populum habuerit, eo quo dietum modo mulctator. 


IX 
Quando publice ad populum laudantur defuncti, tres, ex» 
primo, medio, infimo ordine singuli, in mores discipulorum in- 
quirent. 


Atque prima haec esto suffragiis omnium legum recognitio. 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 29 185 


29 


Verbot von Schülerumzügen am Weihnachtsfeste. 
1643. 1652. 1660. 


u 


Ein wolehrwürdiges consistorium der stadt Braunschweig 
hat geschlossen, daß sich die schüler in allen dreyen schulen 
alhie vermöge deß den 9. Decembris anno 1643 ertheilten und 
den 11. Xbris anno 1652 renovirten decereti deß außkleidenß, 

s vermummens und eingehenß in die häuser, alda comoedien und 
vom heyligen Christ zu agiren, auch hinfüro genzlich enthalten, 
die rectores auch den schülern solcheß ernstlich verbieten und 
vor beschimpffung und anderer ungelegenheit, auch nach befin- 
dung ernstlicher bestraffung verwarnen sollen. Decretum in 

ıo consistorio den 15. Xbris anno 1660. 

Herm. Mahner 
con8. secr. M. pp. 


Dem h. rectori scholae Martinianae hie- 
selbsten zu überreichen, welcher dieses de- 
15 cretum zu perpetuirlicher observantz wird 
beyzulegen haben. 
B. D. sup. 
17. Dec. 1660. 


186 Monumenta Germaniae paedagogica I 


30 


Verordnung 
über das Umsingen der Kantoreischüler 


zu Weihnachten und Neujahr. 
1655. 


u 


Ein wohlehrwürdiges consistorium hat geschlossen, ob zwart 
bißanhero den cantorey schülern in allen dreyen schulen alhie 
jährlichs nach den christ-ferien umb die neuen jahrszeit auf der 
riege vor der bürger und einwohner häysern dieser stadt so wohl 
alßB in der Burgk zu ein oder zwey mahlen ein weihenacht oder > 
neu jahrsgesang zu musiciren und ihnen dadurch zu behueff ihrer 
studiorum eine freygebige zustewer zu samlen zugelaßen und 
vergönnet, daß solches hinführo auß gewißen erheblichen ur- 
sachen jährlichs nicht mehr alß einmahl, und zwart bey tage 
und nicht zu abends- oder nachtszeit, geschehen, auch nicht ıo 
eher alß in der Burgk nach geendigten weinacht-feyertagen, 
jedoch noch vor dem neuen jahre, in der stadt aber allererst: des 
tages nach dem neuen jahrstage damit angefangen und so bald 
immermüglich geendiget, auch anderer gestalt es ihnen nicht 
mehr gestattet werden solle, welches ihnen die rectores scholarum ı; 
jedes orts anzeigen, sie sich auch hiernach gehorsamblich achten 
und richten sollen. 

Decretum in consistorio 8. Decembris anno 1655. 

Herm. Mahner 
consist. secr. m. ppr. 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 31 187 


31 


Ordnung des Martineums. 
1660. 


ne 
SCHUEL-MEMORIAL. 


Weiln bey neulicher introduction des h. rectoris albereit 
erinnerung geschehen wegen etzlicher mängel und unordnungen, 
so eine zeithero bey hiesiger Martens-schuel verspüret worden, 
wird daßelbe nochmals in diesem memorial widerholet, mit hin- 

szuthuung was damals wegen der zeit vorbey gangen etc., von 
welchem der h. rector mit seinen h. collegen bey gelegenheit wird 
zu conferiren haben, damit was bishero irre gangen corrigiret 
und alles nach müglichkeit in gute ordnung wider gebracht 
werden möge. 

10 1 

Dem h. rectori stehet zu die anweisung der hospitiorum 
und darauf folgende inspectio und nachfrage, wie sich die von 
ihm befoderte paedagogi verhalten, worinnen dann so weinig 
alß in anderen dingen dem h. rectori von anderen seinen collegen 

ıs kein vorgriff geschehen soll. 
2 

Daß die collegen allemahl zu rechter zeit, ein jeder in seiner 
clesse, sich einstellen, und bey abwechselung der stunden das 
unzeitige spatziren und gespräch für den classen in kunfftig ver- 

» bleibe und abgeschaffet werde. 


3 

Weil man gern vernommen, daß an vergangenem sonntag 
mit procession des gantzen coetus scholastici in begleitung der 
h. collegen nach der kirchen wiederumb der anfang gemacht, so 
»s muß damit auch hinfüro also an sonn- und festtagen continuiret 
werden. Das aber auch die symphoniaci, welche alsdan auff den 
gaßen singen, eodem tempore, eßB werde in der kirchen figuriret 

oder nicht, sich mit auf dem chor. anfinden. 


188 Monumenta Germanise paedagogica I 


4 

Daß ein jeder sich an seinem ort zur vesper zeitig einstelle, 
und die jenigen so in S. Martini kirche gehören sonnabendts, 
oder wann feste einfallen, vor 2. uhr in die schule kommen und 
also sambt den 5 collegen zur kirchen gehen. 5 

An sontagen früh in. puncto halb 7,..da der anfang des 
gottesdienstes gemachet wirdt, sollen die scholares ingesambt 
dasein, sie seyn symphoniaci oder nicht. 


5 
Wan des morgens der h. conrector das Veni maxime zusingen ıw 
anfehet und die secundani in prima classe mit da sein, gebühret 
sich, das der subconrector auch mit hinein gehe, achtung auff 
die secundanos zu geben, daß sie sich modest bezeygen. 


6 

Waß das öiöaxrpov betrifft, wollen die herrn praeceptores ı5 
gebührende moderation und guten unterscheid halten unter den 
vermügenden und unvermügenden, auch sonsten der newen accı- 
dentien, welche nachgerade von etzlichen aufgebracht und fast 
importune gefodert worden, sich enthalten. Solte solches ferner 
geschehen, durffte leicht uhrsach gegeben werden zu einer ge- » 
wißeren vorschrift und verordnung, wie für etzlichen jahren also 
die begrabnüß-verordnung dem magistratui abgenötiget worden. 


7 

Bey der bürgerschafft ist vielfaltige klage, das die paedagogi 
auß den hospitiis sich so offt absentiren, dem gesöffe nachgehen 35 
und sonsten unartich sich erweisen .etc., wozu etliche hospites 
aber helffen sollen, welche zugeben, das die .scholares in ihren 
heusern zusammen kommen und zechen, wan sie bier offen. haben: 
deswegen ernstliche zurede und aufsicht wol vonnöthen. 


8 30 
Bey denen leichbegängnüssen bezeigen sich die primani, 
und mehrentheils die superiores, sehr unbescheiden, bettelen umbs 
gelt und wollen sich mit dem was ausgetheilet wirdt nicht be- 
gnügen laßen, fragen auch nach deß h. cantoris zureden weinig 
oder nichtes: wann dan zuweilen der h.rector und h. conrector ss 
ein weinig möchten herfür treten, wurde derselben einrede mehr 
nachtruck haben. 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 31 180 


9 
Mit der anzahl der privat discipulen muß auch nicht mehr 
also excediret werden; denn dadurch die hospitia merklich ver- 
ringert werden und in abgang kommen. 

s Was sonsten nebenst diesen specificirten puncten die tägliche 
inspectio und erfahrung geben und lehren wirdt, stellet man in 
guter hoffnung alles und jedes zu verbeßeren des h. rectoris dex- 
:teritati anheim. 

Mit beliebung der hern scholarchen 

10 also verzeichnet und dem h. rectori 

übergeben den 23. Febr. 1660. 


32 


Ordnung der Waisenhausschule. 
1677. 


— 


A 


VOM AMPT DER PRAECEPTORN UND DER WEYSEN 
MUTTER. 


Die praeceptores im Weisen-, Zucht- und Werkhause, wie 
auch der weysen mutter, sollen sich aller gottesfurcht und reiner 
evangelischer lehre, wie auch eines ehrbahren wandels befleißigen, 

ıs keusch und züchtig, nüchtern und mäßig, friedtlich und in ihrem 
ampt treu und unverdroßen, auch nicht eigennützig und unver- 
gnügsam sein, sondern jederman in worten und werken ein gut 
exempel zur nachfolge geben, keine handthierung treiben, kein 
eigen gesinde noch eigen vieh halten, niemandt herbergen noch 
» speisen, ohne noth nicht außgehen, über die gebühr außen bleiben 
und die ihrigen ohne aufsicht laßen, viel weniger ohne urlaub 
der vorsteher verreisen noch frembde kinder zur information zu 
sich nehmen, die kinder und andere untergebene als väter und 


190 Monumenta Germanise paedagogica 1 


mütter lieben, unterrichten und straffen, insonderheit in der 
kirchen und schule stets fleißige acht haben, daß sie stille sein, 
nicht schlaffen noch schwatzen, sondern andächtig zuhören, beten 
und singen, ihre lectiones auß dem catechismo und sonsten 
nach anweisung der ordtnung fleißig lernen, im lesen, schreiben > 
und rechnen sich üben, daß sie fertig darinn werden, keine bet- 
stunde versäumen, in und auß der kirchen und zur leiche ordent- 
lich bey paaren gehen, ohne plaudern und schreyen, bey dem eßen 
und trinken siteam und bey der arbeit und auff denen schlaff- 
kammern und spielplätzen sich nicht muhtwillig bezeigen, die » 
kleider und bette nicht verderben noch dem gebeude und fenstern 
schaden zufügen, sondern in gebührender furcht unter guter dis- 
ciplin sich gottseelig, züchtig und gehorsam verhalten, kein geldt 
noch meßer bey sich tragen, ohne uhrlaub nicht außgehen noch 
auf den gaßen herumb lauffen, viel weniger des nachtes auß dem ı; 
hauße oder von der schlaffkammer bleiben. Sie sollen auch 
fleißig dahin sehen, daß die kinder zu rechter zeit gereiniget, mit 
aller nohtdurfft versorget, und was an kleidern und sonsten 
schadthafft ist gebeßert werde. Wann auch die kinder des abendts 
zu bette gangen, sollen sie in der schule und allenthalben umbher » 
gehen und wohl zusehen, daß feuer und licht wohl außgelöschet 
und in acht genommen werde, damit dem Armenhause kein 
schade daher entstehen möge. 


B 
SPEISE-ROLLE. 


In dem Weysenhauße soll gespeiset werden: 3 
Mittags. Reiß oder hirße grütze und fleisch. 
Abends. Meel gemüße von weitzen meel und 
butter brodt. 
Sonntage | Mittags. Kohl oder mohren und fleisch. 
" Abendts. Warm bier und ein butter brodt. » 
Morgens. Grün oder ander käse und brodt, oder 
ein schmaltz stücke. 
Montags. Mittags. Erbsen oder bohnen und heering. 
Abendts. Buchweitzen grütze und ein schmaltz 
stücke. » 


Festtages. 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 88 191 


Frühstück. Wie am montag und andern werk- 
tagen. 
Dienstags. Mittags. Stokfisch mit einer meel oder haber brüe. 
Abendts. Haber grütze, im sommer kalte schaale 
und ein schmaltz stücke. 


5 
Mittags. Schweine oder hamel fleisch mit mohren, 
Mittwochs. rüben oder: bratbirn. 
Abendts. Warm bier und butter brodt. 
Mittags. Gärsten graupen und käse. 
Abendts. Haber grütze, im sommer kalte schaale 
und ein schmaltz stück. 
Mittags. Kohl und speck. 
EIER | Abendts. Warm bier und heering. 


\ Mittags. Buchweitzen grütze oder rüben und ein 
13 g ug schnit von der wurst. 
ee Abendts. Was von vorigen tagen über blieben, 


ıo Donnerstags. 





oder kalte schaale und ein schmaltz stücke, 


c 
WIE DIE KINDER IM WEYSENHAUSZE ABSONDERLICH 
ERZOGEN UND VERPFLEGET WERDEN SOLLEN. 


20 1 
Des morgens umb halb sechs uhr sollen die kinder alle tage 
aufstehen, sich waschen und zusammen in der schule erscheinen, 
ihre nahmen verlesen und achtung gegeben werden, ob auch 
jemandt zurücke geblieben, und nach gehaltenen betstunden des 
»;s werktages ihre schuel und andere arbeit antreten und mit allem 

fleiß verrichten. 

2 
Die kinder sollen nach beschaffenheit ihres alters und ver- 
standes im lesen, schreiben und rechnen treulich unterrichtet und 
sn geübet, wie auch ihren catechismum, psalmen, sprüche und gebeter, 
so des nachmittags bey gemeiner versamblung in der kirchen 
repetiret werden sollen, und wie es die zeiten mitbringen, aus- 
wendig zulernen angehalten, und die fleißigen denen nachläßigen 
zum exempel und aufmunterung vorgestellet, und diese zu guter 
» nachfolge dadurch angereitzet oder auch nach befindung durch 
straffe dazu angetrieben, denen kleinesten aber vorgebetet werden 





192 Monumenta Germaniae paedagogiea I 


3 

Es sollen auch die kinder zu einer angenehmen, langsamen, 
hell und deutlichen außrede gewehnet und sonderlich die letzten 
syllaben rein außzusprechen, wie auch die gesänge langsam, 
gleichstimmig und recht zu singen angewiesen, darneben in guten > 
sitten erzogen, die besten ingenia vor andern wohl in acht ge- 
nommen, und wozu ein jedes incliniret und lust hat, fleißig er- 
kundiget werden, damit einem jeden desto leichter geholffen, die 
knaben so zum studiren lust haben, wenn sie lateinisch lesen 
und schreiben gelernet, zur lateinischen schule und hernach weiter ıo 
befördert, andere zur kauffmanschafft oder freyen künsten ver- 
holffen, die gemeinen ingenia aber zur händtarbeit mit gewehnet 
und hernach bey ein ehrlich handtwerk, wozu sie lust, haben, 
gebracht und zum anfange nohtwendige mittel verschaffet werden 
mögen. 15 

} 3 

Die mägdtlein, wenn sie lesen, theils auch etwas schreiben 
können, sollen zum nehen, spinnen und anderer, dem geschlecht 
anständiger arbeit angewiesen werden, bis sie nach abgelauffenen 
jahren zu bequemen leuten in dienste gebracht und zur haushaltung » 
gebraucht werden können. 

19) 

Damit auch die kinder so wohl als der praeceptor und 
weysenmutter zu gebührendem fleiß desto mehr excitiret werden 
mögen, so soll zu denen zeiten, wann man in andern schulen »:; 
öffentliche examina pfleget zu halten, auch in dieser weysen schule 
ein examen angestellet werden. Darneben sollen die kinder mit 
eßen und trinken, betten und laken, kleidern, schuhen, hembden 
und aller nohtdurfft versorget und fleißig in acht genommen 
werden. 30 

6 

Des morgens umb acht uhr soll ihnen ein frühstück gegeben, 
des mittags aber umb eilff und des abends umb fünff uhr sollen 
sie nach innhalt der speise rolle ordentlich gespeiset und ge- 
tränket werden. Wobey der praeceptor allemahl gute aufsicht :; 
haben soll, daß sie nebst verrichtung des gebeths stille und zuch- 
tig sich verhalten, kein brodt noch andere speise bey sich in 
die kleider stecken oder unter den tisch werffen, noch einer dem 
andern etwas davon gebe, vertausche oder wegnehme, sondern die 
übrigen brocken in den korb geworffen und die meßer von ihnen « 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 82 193 


abgefordert und verwahrlich beygeleget werden. Wann auch 
die kinder bey dem frühstück oder des nachmittages außer der 
mahlzeit einen trunk begehren, soll ihnen derselbe, jedoch mäßig, 
gereichet werden. 


5 7 
Die bette und kleider sollen stets sauber und rein gehalten 
und öffters besehen werden, daß kein schade daran geschehe und 
was nöhtig bey zeiten gebeßert werde, wie dann auch alle acht 
wochen die betten mit reinen laken versehen und den kindern 
ıo alle sonnabendt reine strümpffe, hembde, halß und schnuptücher 
gegeben werden sollen. 


8 

Ein jeder knabe soll jährlich zum: heiligen christ ein neu 
kleidt bekommen, von rohtem tuch, mit einem grünen löwen 
ıs gezeichnet, nebst einem paar strümpfen und schuhen, wie auch 
zwey hembden und einem halstuch. Dann soll er das beste kleidt, 
so er vorhin gehabt, täglich gebrauchen, und das alte auf die 
kleider kammer gebracht werden, umb die andern, wenn sie zer- 
reißen, damit außzubeßern. Die übrigen kleider, weil sie nicht 
ao eben alle jahr abgenutzet, sollen ihnen neu gegeben werden, wenn 
es die nohtdurfft erfordert, und soll man der knaben hüte mit 

eines jeden nahmen bezeichnen. 


9 
Denen mägdtlein soll jährlich zum heiligen christ gegeben 
ss werden: zwey ober und zwey nieder hembde, eine weiße haube, 
zwey halßtücher von rohter oder grüner baum wolle, eine blaue 
und eine weiße schürtze, ein paar strümpffe, ein paar schuhe und 
ein roht schnür leibichen. Im übrigen sollen sie grüne röcke 
und rohte leibstücke tragen und solche bekommen, wenn es 
so nöhtig. 
10 
Damit auch die kinder nicht verdroßen oder auch aus 
mangel der bewegung ungesundt werden, so soll man ihnen ge- 
wiße erquickstunden gönnen, nemblich des mittags nach dem 
ss eBen, wie auch des sonntages, mitwochs und sonnabendts nach- 
mittages nach verrichtetem gottesdienst, da sie auf der dehle, 
oder auch bey gutem wetter auff dem hoffe, mit einander spielen, 
jedoch ohne geschrey, muhtwillen, schlägerey und beschädigung 
des gebeudes sich ergötzen, auch des sommers am sonntage ein 
Schulordnungen der Stadt Braunschweig 18 





194 Monumenta Germaniae paedagogica I 


und andermahl in guter ordtnung, unter des praeceptoris und der 
weysenmutter fleißigen aufsicht, mit vorbewust und uhrlaub 
der vorsteher, aus dem thore gehen mögen. 


11 | 

Sie sollen sich auch der sauberkeit befleißigen, sonderlich s 
am gesicht und händen, zu dem ende auch im frühling, sommer 
und herbst nach nohtdurfft bisweilen gebadet werden. Alle sonn- 
abendt sollen sie reine hembder bekommen und des mitwochens 
und sonnabendts nachmittages, wenn sie uhrlaub haben, durch 
dazu bestelte mägde von würmen und aller unsauberkeit des ıo 
leibes so wohl als der kleider gereiniget, und die haare alle 
quartal kurtz und verlohren abgeschnitten werden. Nach gehal- 
tenem abend gebeth, des winters früher als im sommer, sollen die 
kinder ohne tumult und unruhe nach ihren schlaffkammern sich 
begeben, ihre kleider fein züchtig abe- und sich zu bette legen, ıs 
kein unnütz geschwätz, geschrey, unfläterey noch buberey treiben, 
sondern mit dem kurtzen gesange: Befiehl dem engel, daß er 
komme etc. also fort stille einschlaffen. 


12 

Wann die kinder zu jahren kommen und hinaus bey leute » 
gebracht werden können, sollen die vorsteher ihnen uhrlaub geben 
und solches umbstendtlich zu buche schreiben laßen, daß man 
allezeit nachricht davon finden möge, und nach dem es die ge- 
legenheit erfordert, sollen sie dem kinde nohtdürfftige kleider 
mit geben, hernach aber, wenn es zu ehren kommen und sich » 
häußlich alhier niederlaßen würde, soll ihm sein eingebrachtes 
guth, jedoch ohne interesse, wieder außgeandtwortet, und sonsten, 
nach dem es sich vor andern wohl gehalten und etwas sonder- 
liches gelernet, über das noch einige discretion nach dem ver- 
mögen des armenhauses zum anfange bürgerlicher nahrung mit » 
gegeben werden: außer solchem fall aber soll das eingebrachte 
guth bey dem armenhause verbleiben. 


13 
Hingegen soll auch ein jedes kindt bey dem abzuge fleißig 
ermahnet werden, dem lieben Gott nicht allein vor alle empfangene ss 
wohlthaten lebenslang hertzlich zu danken, sondern auch, wen 
ihm durch Gottes seegen und fleißige haußhaltung zeitliche güter 
reichlich zufallen würden, daß es dem armenhauße zu schüldi- 





Schnlordnungen der Stadt Braunschweig 32 195 


ger dankbarkeit hinwiederumb nach vermögen etwas zuzuwenden 
unvergeßen sein wolle. 


VON ZUÜCHTIGUNG UND STRAFFEN. 


1 
5 Die disciplin bey denen kindern soll also geführet werden, 
daß sie durch unzeitige gelindigkeit und conniventz nicht zärt- 
lich, sicher oder ungehorsam, durch allzugroße härtigkeit und 
schärffe aber auch nicht gar zu furchtsam, schüchtern oder ver- 
stockt und verdroßen gemacht werden. 


10 2 
Die praeceptores und weysenmutter sollen die kinder zu 
allem guten zuvor fein unterrichten und vermahnen, vor dem 
bösen aber warnen, Gottes zorn und straffen ernstlich ihnen vor- 
halten, sie auch anfänglich mit worten straffen und dreuen, kei- 
ıs ner dem andern zum ärgernüß der kinder in deren gegenwart 
einreden, sondern einer dem andern in der disciplin zu erhaltung 
guter autoritet zu hülfe kommen, und soll niemandt unter dem 
schein der freundtligkeit die kinder mit gaben oder sonst an sich 
ziehen, ihnen schmeicheln, noch sie in ihren untugenden verthä- 
»o digen oder in ihrer boßheit stärken. 


3 
Wann jemandt auß versehen sündigen und seinen fehler er- 
kennen, bereuen und beßerung versprechen würde, kan ihm die 
straffe vor das mahl erlaßen, das verbrechen hart verwiesen oder 
ss nach befindung mit handtstreichen, entziehung des frühstückes, 
lernung einer lection, wann andere uhrlaub haben, oder derglei- 
chen gelinder straffe angesehen werden. 


4 
Wer aber auß frevel und boßheit muhtwillig sündiget oder 
3» des überschreitens gar zu viel machet, der soll mit der ruhten 
castigiret oder mit anschließung des halßeisens oder schuelklotzes 


gestraffet werden. 
5 


Die gröbesten und halssterrigen verbrecher sullen denen 
ss vorstehern angemeldet und nach befindung auß dem Weysenhause 
18* 





196 Monumenta Germanise paedagogica I 


verstoßen und in das zuchthauß gebracht werden, wehn sie sich 
anders nicht straffen noch zum guten erziehen laßen wollen. 


6 
Würde auch jemandt auß dem Weysenhauße ohne uhrlaub 
muhtwillig entlauffen, der soll mit nichten wieder aufgenommen, 5 
sondern ernstlich bestraffet und an das zuchthauß verwiesen wer- 
den, und sich aller gutthaten dadurch verlustig gemacht haben. 


33 


Lehrplan des Katharineums. 
1741. 


‚ 


RATIO PRAELECTIONUM SCHOLAE PRINCIPALIS 
BRUNOVICANAE AD AEDEM DIVAE CATHARINAE IN 
LUSTRATIONE BRUMALI MDCCXXXXI IPSIS NONIS 
MARTUS 
P. P. 


Ratio nobis reddenda est nostrarum praelectionum, et quidem 
I 
PRIMAE CLASSIS 15 
RECTORIS hae sunt PUBLICAE: 


I. Diebus Lunae et Martis hora VIH—IX theologiam 
triennio bis absolvendam secundum nucleum B. Gebhardi, 
huius de scholastica iuventute quondam meritissimi viri 
vestigiis ınsistens, tradit rector, quam hora VII—-VIII » 
singulis diebus Saturni probe repetere consuevit. 

OD. Diebus Mercuriüij hora IX—X et Satumi hora VIH—-IX 
logicam, prout illam semel iterumve publici iuris fecit, 
annuo spatio finiendam. 

II. Diebuis Iovis et Veneris hora VII-—-VIOI historiam uni-» 
versalem ad ductum vel Zopfii vel Freyeri triennio bis 
scouratius evolvendam. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 33 197 


IV. Diebus Iovis, hora III geographiam methodo Huebne- 
s riana triennio itidem bis pertractandam. 
V. Diebus Lunae et Martis hora II—-ITMI Horatium, 1yrico- 
rum principem, triennio bis perlegendum ex antiquitati- 
s bus, Latinitate et poösi Romanorum interpretatur. 
VI. Diebus singulis Veneris horam I—DO exörcitium stili 
curatius conscribendum occupat. 


CONRECTORIS: 


I. Diebus Lunge et Martis hora VH—VIII in Iulium Cae- 
10 sarem, gravissimum rerum Romanarum scriptorem, probe 
commentatur conrector, biennio istas commentationes 
semel absolvens. i 
. Diebus iisdem hora I—II grammaticam Graecam annuo 
spatio explicat integram. 
ıs III. Diebus Mercurii hora VII—VIH, Iovis et Veneris hora 
VII—IX novum testamentum triennio, si fieri 
potest, integrum legendo percurrit. 
IV. Diebus Iovis et Veneris hora II—II epistolas Cicero- 
nis ad diversos quadriennio omnes semel inlustrat. 
» V. Diebus Saturni hora IX—X is qui ad altiora in Grae- 
cis tendunt viam commonstrat in Hesiodo aliisque 
Graecis scriptoribus. 
VI. Diebus Mercurii horam VIU—IX exercitio stili cu- 
ratius elaborando impendit. 


35 PRIVATIM RECTOR 


Diebus Lunae et Martis hora IX—X in orationibus Cice- 
ronis selectis eloquentiae Latinae ostendit nervos. 
Diebus iisdem hora HI—IV regulas eiusdem ut et Teuto- 
nicae demonstrat uberius. 
3 Diebus Mercuri hora X—XI ad orationes ex promta me- 
moria habendas et instituendas in proposita quaedam 
disputationes auditores electos manuducit. 


CONRECTOR 


Diebus Iovis et Veneris hora IX—X in Livium, historicorum 
» principem, 
Diebus iisdem hora IIH—IV in Virgilium, poötarum principem, 
commentatur. 


198 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Diebus Saturni hora X—XI de antiquitatibus Graecis et 
Romanis singulatim curiosius praecipit. & 
PRIVATISSIME RECTOR 
Diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris hora XI—XU Wolfii 


inlustris principia matheseos universae harum re-,; 


rum cupidis, 
Diebus iisdem hora IV—V integrae rudimenta philoso- 
phiae longius paullo aetate litterisque provectis, ; 
Diebus Iovis et Veneris hora V—VI Hebraicae linguse ele- 


menta sacrarum litterarum studiosis post festum Pascha- ı 


tos explicare auspicabitur. 


CONRECTOR ' 


De iis quaecungue e re sua et optimorum iuvenum desiderio com- 
moda putabit, exponet diligentius. 


II 
SECUNDAE CLASSIS 
GOTHOFREDI LANGII SUBCONRECTORIS. 
I. Diebus Lunae et Iovis 
a. ante meridiem hor. 7. Cellar. lib. memorial. et Langii 


grammatic. 0 
hor. 8. Cornel. Nep. 
hor. 9. Prosod. 
hor. 10. Iul. Caes. 
b. post meridiem hor. 1. Delii vocab. Graec. 
hor. 2. Cic. epist. ad famil. 3 
hor. 3. Geograph. 
DO. Diebus Martis et Veneris 
a. ante meridiem hor. 7. Cell. lib. memorial. et Lang. 
grammat. 
hor. 8. Cornel. Nep. w 
hor. 9. Zopf. hist. universal. 
hor. 10. Iul. Caes. 
b. post meridiem hor. 1. Delii vocab. Graec. 
hor. 2. Ovid. libr. trist. 
hor. 3. exhibetur exercitium stili emen- » 


dandum. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 33 199 


III. Diebus Mercuriı ac Saturmi 
hor. 7. Gebhard. nucl. sacr. script. 
hor. 8. Grammat. Graec. 
hor. 9. et 10. Novum testament. 


5 1081 
TERTIAE CLASSIS 


GEORGI DITERICI BRAESS, 
cantoris et tertiae classis praeceptoris. 


Cantu finito precibusque ad Deum fusis caput e bibliis le- 
ı0 gitur, id quod per continuos dies observatur. Primordiis itaque 
studiorum & Deo captis vocabula quaedam ex libro memoriali 
diebus ordinariis recitant discipuli memoriter, et quo firmius in- 
haereant, nunc Germanica nunc Latina propono, et quae occur- 
runt notatu digniora per casus duco, per tempora, per modos. 
ıs Hora secunda aut Phaedri fabulae aut historiae sacrae veteris 
testamenti ab Huebnero, rectore quondam Hamburgensi, idiomate 
Germanico collectae, nunc Latine editae, explanantur, quarum 
(ductu grammaticam discentes doceo regulisgque perceptis hora 
tertia vocabula et phrases extraho. 

30 Hora prima pomeridiana quas ediscendas iniunxi phrases et 
vocabula remittunt. Ut autem minus foret consultum inculcando 
discipulis regulas Latinas memoriae mandandas solum in earum 
recitatione quotidiana acquiescere, sic hora secunda ad regulas 
syntacticas exercitia compono syntactica, quorum beneficio illas re- 

ss petere earumque notitiam eo facilius acquirere possunt, fingoque 
ad imitandum auctorem exempla. Hora tertia Cornelium Nepotem 
Germanice verto, et regulis quas tenere operae pretium est per- 
lustratis difficultatem per formulas enucleo. 

Diebus Mercurii et Saturni prima hora examen catecheticum 
so haud susque deque habendum instituo, ex quo quaerendo et re- 
spondendo cognitionem voluntatis divinae perspicio in discipulis. 
Hora secunda prima linguae Graecae rudimenta et leges, quae 
declinationibus insunt et coniugationibus, trado.. Hora tertia 
Langii colloquia exponunt discipuli haud neglecta resolutione. In- 
ss posterum mappis geographicis admovebo manum nec non disci- 
pulis res gestas imperatorum familiares faciam. Deus porro adstet 
conatibus meis, quo annuente et docentis cura et studio discen- 
tium optimum quemgue olim esse laetaturum minus diffido. 


200 Monumenta Germaniae paedagogica I 


IV 
QUARTAE CLASSIS 
HENRICI GEORGIH BOSSE, 
praeceptoris quartae classis. 
Finitis precibus caput quoddam ex sacris legitur literis, deinde s 
 primitiva vocabula ex libro memoriali Cellarii quae ediscenda 
curavit memoriter recitantur. 

Colloguiorum Langii grammaticae annexorum demonstrare 
analysin cum exercitio paradigmatum ad hanc vel illam decli- 
nationem aut coniugationem spectantium hora secunda rationem ı0 
sibi habendam ducit. | 

Hora tertia excipit formulas a Speccio praescriptas, quae a 
discipulis ex vernacula lingus in Latinam transferuntur linguam, 
et secundum syntaxeos regulas cardinales imitationes iniunguntur. 

Sic dies excipit diem, et concatenatus labor sequitur docentem, ı5 
ut et crebra exercitatio discentem. 

Mercurii die et Saturni peractis precibus et lectione bibliorum 
catechismi quaestiones a B. Gesenio editae recitantur, quibus 
brevis et pro discipulorum captu accedit explicatio’. Hora secunda 
Graecae linguae elementa tum declinationum tum coniugationum » 
inculcantur ediscenda, et hora tertia geographica principia demon- 
strantur. 

Y 
QUINTAE CLASSIS, 


SAMUEL ALBERTUS MUELLER, 35 


quintae classis praeceptor, 


Villicationis suse rationem redditurus, per elapsum quadra- 
ginta duorum annorum et quod excurrit spatium in quinta Lycei 
nostri Cathariniani classe demandati sibi muneris scholastici partes 
non sine praesentissimo divini auxilii sensu sequentem in modum zo 
explere studuit. Eum scilicet qui a superiorum olim auctoritate 
curiae huic praescriptus est semper observavit ordinem. 

Inprimis eam in curam maxime incubuit, ut, quod rerum 
caput est, fundamenta religionis Christianae doctrinamque piete- 
tis erga Deum et homines eorum qui in disciplinam suam traditi ss 
fuerunt animis imprimeret. Hinc laborum suorum huc usque 
initium semper et finem fecit a sacris, nempe precibus et reci- 
tatione capitum ex minore B. Lutheri catechismo. Quse deinde 


exoeperunt sequentia: 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 88 201 


I. De primitivis Latinis ex libro memoriali Christophori Cellarıi 
descriptis diebus Lunae, Martis, Iovis atque Veneris et ante et post 
meridiem certum numerum edisci non neglecta repetitione curavit. 

II. Grammatices compendium, quod Donatum insceribimus 

s quodque Brunsvigae exemtum est prelo, quotidie praeter dies 
Mercurii et Sabbati tironibus suis ita inculcavit, ut voces decli- 
nabiles in primitivis occurrentes, et quidem horis matutinis nomina 
et pronomina, tam substantiva quam adiectiva, itemque numeralia 
per casus adiectis de genere nominum casuumque regulis, horis 

ıo autem pomeridianis verba cum personalia tum impersonalia, ano- 
mala etiam ac defectiva, per numeros, personas, tempora, modos 
et quicquid huc spectat flectere consuescerent. 

III. Ex aureo isto puerisque utilissimo, historiarum puta 
biblicarum a Cel. quondam Huebnero idiomate patrio conscrip- 

ıs tarum libello quavis hebdomate unam et per biennium omnes 
tam veteris tam novi testamenti sectiones non sine fructu absolvit. 

IV. Quaestiones Gesenii catecheticas una cum dictis bibli- 
cis ut discipuli fidei suae concrediti recte intelligerent vitamque 
bonis pueris dignam exinde ducere discerent, Meran et Saturni 

20 diebus apprime operam dedit. 

V. Isdem diebus non selectos tantum psalmos Davidicos, 
quos supra dieto Donato annexos vides, aeque ac Sacras ex eVan- 
geliis aliisque scripturae locis depromtas et domi memoriae man- 
datas sententias a discentibus repoposcit, sed pericoparum etiam 

3 cum evangelicarım tum epistolicarum utriusque linguae lectioni 
reliquum tempus impendit. 

VI. Iis qui in pingendis literis tam Latinis quam vernaculis 
se exercere satagunt operam et studium nunquam denegavit, ubi- 
que autem monitis gravissimis ac indefessis praesto semper fuit. 

u In his omnibus posthac, quamdiu vitam et sanitatem Deus, 
summus vitae et studiorum arbiter, celementer largietur, eadem 
qua hactenus factum est fide ac dexteritate continuabit, quid 
quod unice eo adnitetur, ut in illis quae officii sui ratio postulat 
nemo quicquam desiderare possit. 


35 vI 
SEXTAE CLASSIS 


COLLEGA ET PRAECEPTORE LUDOLPHO KOELBELIO. 
Cantus precesque ınatutinas excipit singulis quibusque diebus 
lectio minoris catechismi B. Lutheri, cuius aliquod caput, prout 


202 Monumenta Germanise paedagogica I 


sese ordine offert, a tirunculis recitatur, ut crebra hac repetitione 
eo firmius memoriae eorum infigatur. Dein unus vel alter discı- 
pulorum me iubente pensum aliquod ex historia biblica a Hueb- 
nero edita commilitonibus clara et distincta voce praelegit, quae 
historia dein per quaestiones et responsiones iteratur, ut, num ad 
omnia discipuli satis attenti fuerint singulaque satis comprehen- 
derint memoria, mihi liqueat. Tum unus vel alter discipulorum, pröut 
mihi ex utilitate eorum esse videtur, praelegit condiscipulis vel evan- 
gelium vel epistolam, quae sequenti die sabbatho e suggestu sacro 
a praecone verbi divini recitatur et auditoribus explanatur. Dum 
haec docentur, recitantur, audiuntur, plerumque hora prima praeter- 
labitur. Hora secunda carendarii superioris ordinis ad pensum 
e catechismo maiori edisceendum se accingunt, tum illi accedunt 
quibus prima litterarum elementa instillantur, dein qui litteras 
et syllabas colligunt et componunt, denique qui quandam in 
legendo promtitudinem sunt adepti. Quibus ad finem perductis 
hora secunda auditur. Hora tertia a carendariis primi ordinis 
lectio est reddenda, et quae explicatu digna veniunt brevibus 
verbis ob angustum temporis spatium clariorem lucem affundo, 
quo facto plerumque hors tertia ruit. 


Lectiones post meridiem. 


Primo fit rursus initium & lectione biblicae historiae N.T., 
quae postea per quaestiones repetitur, porro evangelium vel epi- 
stola legitur, quo finito hora prima fugit. Hora secunda iterum 
ad catechismum maiorem accedimus perdiscendum, tum abecedarios, 
ut vocant, et alios tangit ordo. Hora tertia scribitur. Hae sunt 
lectiones diei Lunae, Martis, Iovis et Veneris. Diebus Mercurü 
et Saturnı supra memoratae lectiones eaedem sunt, nisi quod 
hora tertia catechismum minorem illustrandum susceperim et ex- 
plicandum initiumque a cap. I, quod agit de decem praeceptis, 
fecerim et ad finem praecepti sexti filum hoc perduxerim. Die 
Veneris praeter ordinarias lectiones hora ultima antemeridiana 
superiores evangelium et epistolam memoriter recitare sueverunt. 
Quibusdam etiam discipulorum prima Latinae linguae rudimenta 
instillantur. 


15 


FT 


235 


3 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 203 


34 


Die ältesten Ordnungen des Collegium Carolinum. 
1745—1746. 


u 


A 
VORLÄUFFIGE NACHRICHT 
VON DEM COLLEGIO CAROLINO ZU BRAUNSCHWEIG. 
1745. 


5 Vernünftige haben schon längst die anmerckung gemacht, 
daß das gemeine wesen von der grossen anzahl der gelehrten, 
die es ernehret, den nutzen nicht empfinde, den es mit recht 
davon erwarten könte. Denn was ist unter allen natürlichen 
mitteln geschickter den verstand und die sitten der menschen 

ı zu verbessern und die erkäntniß der wahrheit und des guten 
allgemein zu machen als die wissenschaften? Wo solte man 
also unter den gelehrten einen bessern geschmack und in allen 
ständen einen grössern flor verinuhten als zu unsern zeiten, da 
alle theile der menschlichen erkäntniß mit so vielem eifer unter- 

ı sucht werden, da alle länder mit hohen und niedrigen schulen 
versehen und angefüllet und die schulen wiederum mit so vielen 
geschickten männern besetzt sind, die alle jahr eine neue menge 
junger leute zu den schönsten und nützlichsten wissenschaften 
anführen. Und dennoch muß man bekennen, daß die welt ein 

» sehr gegründetes recht habe, weit reiffere und vollkommenere 
früchte sich davon zu versprechen als sie bis jetzo noch geniesset. 

Die öffentlichen schulen haben das unglück gehabt am 
meisten darüber in verdacht zu kommen, und viele sind der 
meinung, daß die lehrart, die in denselben üblich ist, für den 

3 vornemsten grund des gantzen übels zu halten sey. Nun ist 
zwar nicht zu leugnen, daß die lehrart, wornach die jugend in 
den öffentlichen schulen pflegt unterrichtet zu werden, noch in 
vielen stücken einer verbesserung bedürfe, und die mittel, die 
einige gelehrte dazu vorgeschlagen, werden allezeit der rühm- 
» lichste beweis von ihrer grossen einsicht seyn und einen unaus- 











204 Monumenta Germanise paedagogica I 


bleiblichen nutzen schaffen. Aber man würde vergeblich auf die 
erfüllung hoffen, wenn man glaubte mit einer verbesserten lehr- 
art das gantze übel gehoben zu haben. 

Unter denen verschiedenen ursachen, die man davon an- 
führen könte, befinden sich fürnemlich zwey, die als die vor-s 
nemsten davon anzusehen, die aber mit der eigentlichen einrich- 
tung der schulen selbst so genau verknüpft sind, daß alle ge- 
schicklichkeit der lehrer nicht vermögend ist sie völlig zu heben, 
so lange der landesherr nicht selbst den bemühungen sie zu 
verbessern den nöhtigen nachdruck gibt. 10 

Die erste ursache ist unsers bedünckens (liese, daß die niedern 
schulen mit den höheren oder universitäten nicht genau und 
nahe genug verbunden sind. Die andere aber scheinet uns diese 
zu seyn, daß alle schulen nur zur unterweisung dererjenigen ein- 
gerichtet sind, die von der gelehrsamkeit besonders ihr geschäfte ıs 
machen wollen. 

Die mehresten der niedern schulen scheinen fürnemlich nur 
die erlernung der griechischen und lateinischen sprache zum vor- 
wurf zu haben. Diese einrichtung ist an sich nicht zu tadeln. 
Man würde die jugend zu den höhern wissenschaften nicht besser » 
vorbereiten können, als wenn man ihr die schriften der alten 
Griechen und Römer aufs bekanteste machte. Aber man erreicht 
diesen endzweck selten. Diese vortrefliche überbleibsel des guten 
geschmacks der alten zeiten haben in den neuern bey dem grossen 
hauffen durch den davon gemachten schlechten gebrauch sehr 
vieles von ihrem wehrte verloren. Man siehet sie als bücher an, 
die zu nichts dieneten als die beiden sprachen daraus zu erlernen. 
Und so bald man es höchstens zu einer mittelmässigen erkäntniß 
darin gebracht hat, so vereinigt sich der unverstand der eltern mit 
der unvernünftigen eitelkeit ihrer kinder, daß sie glauben, alle so 
stunden wären verloren, die sie in der schule noch länger zu- 
bringen würden. 

Mit diesem armseligen vorrahte von lateinischen und noch 
wenigern griechischen worten eilet man also nach den höhern 
schulen, sich alle schätze der gelehrsamkeit damit zu erwerben. 35 
Der verstand ist indessen in keine ordnung gebracht; man hat 
keinen geschmack von dem was wahr, schön oder nützlich heist; 
man kennet den umfang und die geschichte der wissenschaften 
nicht, denen man sich widmen will; man weis ihre hülfs-mittel 
nicht; man hat gar keinen begrif von dem was man herge- so 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 205 


kommen ist zu hören: und dennoch will man so unbereitet die 
höchsten wissenschaften, die gottesgelahrheit, die rechte und alle 
geheimnisse der natur auf einmal erlernen. Man hat zwar auf 
den höhern schulen alle nur zu wünschende anleitung, die dazu 
s vorbereiten könte. Aber welche lehrer lesen daselbst mit weni- 
germ beifall als diejenigen, deren amt es fürmemlich ist die 
schönen wissenschaften der jugend vorzutragen? Und sind es nicht 
in den augen der mehresten nur die nebenstunden, die man zu 
einer flüchtigen anhörung der vernunft-lehre, der erklärung des 
ıo wesens überhaupt, der natur, des guten und bösen, der mensch- 
lichen handlungen, der erkäntniß der grössen und deren nutzan- 
wendung widmet, ohngeachtet alle vorstellungen des verstandes 
ihren lezten grund in einem von diesen lehr-fächern finden? Die 
eingerissene eitelkeit, vor der zeit nach der einmal eingeführten 
ıs art gelehrt werden zu wollen, macht die besten bemühungen der 
lehrer unfruchtbar, und die kürtze der zeit und die kostbare 
lebens-art hält wiederum viele von den lernenden zurück, daß sie 
die gelegenheit so wie sie solten sich nicht zu nutze machen 
können. Man muß und will in zwei, höchstens drey jahren 
30 wenigstens alles ins gedächniß gebracht haben, wodurch man 
seine und des gemeinen wesens glückseeligkeit zu befördern ge- 
dencket. Man kömt also mit einem schatze von rohen edelge- 
steinen wieder zurück, die weder geschliffen noch gefasset sind 
und die mit denen unedlern steinen, womit man sie aufgeraft, 
3 beständig vermischt bleiben. Kan aber für das gemeine wesen 
von einer so flüchtigen und unvollkommenen erlernung der wissen- 
schaften auch ein warer nutzen erfolgen? Die wissenschaften 
behalten ihren unschätzbaren wehrt. Sie sind das geschickteste 
mittel den verstand und das hertz der menschen zu verbessern 
» und ihre wolfart zu befördern. Aber wird man diesen endzweck 
auch erreichen, so lange man sie mit einer solchen nachlässigkeit 
treibet, und mit so weniger vorbereitung auf die hohen schulen 
gehet als man fürnemlich in den letztern zeiten angefangen hat? 
Man würde die gröste unbilligkeit begehen, wenn man hieraus 
ss zum nachtheil der lehrer, diein den öffentlichen schulen die jugend 
unterrichten, einen schluß machen wolte. Die grössten verdienste 
derer männer, die zum theil noch dergleichen ämter bekleiden, 
zum theil aber zu höhern bedienungen jetzo beruffen sind, würden 
dergleichen beschuldigungen am deutlichsten wiederlegen. Diese 
«sind es selbst, die über dieses verderben am meisten klagen und 


206 Monumenta Germaniae paedagogies I 


— ——. — 





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denen ihre bedienungen durch nichts beschwerlicher werden als 
daß sie ihre einsicht und gelehrsamkeit der jugend und der welt 
nicht nützlicher machen können. Denn was kan männern, die 
sich den schönen wissenschaften gewidmet haben, unerträglicher 
seyn als daß sie selbst in dem stande, der zur aufnahme derselben 
eigentlich verordnet ist, so selten gelegenheit finden ihre ge- 
schicklichkeit anzuwenden, sondern ohne aufhören mit der eckel- 
haftesten erklärung leerer worte sich beschäftigen müssen? Aber 
was sollen sie thun? Sie sehen den schaden, sie empfinden ihn; 
aber es ist nicht in ihrem vermögen ihn mit aller ihrer geschick- ı 
lichkeit zu heilen. Das vorurtheil, man könne in den öffent- 
lichen schulen kaum etwas als blosse sprachen, eine trockene 
nachricht von der erdbeschreibung und den geschichten, und 
höchstens einen geringen vorschmack von einigen andern 
sachen lernen, ist einmal da, und womit wollen sie es wieder- ı: 
legen?’ Die ungeduld der jungen leute die universitäten zu 
besuchen wartet so lange nicht, daß sie ihnen von den 
nützlichern wissenschaften einen genugsamen unterricht geben 
könten. So bald haben sie nicht eine magere erkäntniß in der la- 
tinität gefasset, so eckelt ihnen für die schule. Und wenn ja» 
etliche wenige einer weitern unterweisung fähig wären, so er- 
fordert es die klugheit der lehrer, daß sie sich nach der fähigkeit 
des grösten hauffens richten. Jene aber besonders zu unterweisen» 
fehlet es ihnen an hinlänglicher zeit; und wenn sie auch die 
nach mühsamer arbeit ihnen übergebliebene stunden ihrer ruhe ss 
entziehen wolten, wer kan es bey den geringen einkünften, die 
der ordentliche lohn der schulen sind, verlangen, daß sie alle 
ihre nebenstunden mit der unterweisung einzelner schüler zu- 
bringen? Was soll man aber gegen einen so allgemeinen verfall 
ausrichten? Die klagen sind hier unnütz und vergebens. Man s 
kan die welt nicht zwingen, man muß sie nehmen wie sie ist; 
und man würde umsonst warten, wenn man so lange warten 
wolte, bis diese von sich selbst von ihren vorurtheilen zurück- 
käme. Man muß deswegen, wenn man des nutzens von den 
wissenschaften nicht länger entbehren will, auf andere mittel s 
sinnen, wodurch die niedrigen schulen mit den höhern wieder 
genauer verbunden werden. Man ist auch schon seit geraumer 
zeit hierauf bedacht gewesen. Die academien, gymnasia, semi- 
naria und paedagogia haben daher ihren ursprung. Sie haben 
auch alle ihren besonderen wehrt; der nutzen würde aber noch « 


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Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 207 


weit grösser und allgemeiner seyn, wenn bey einigen von diesen 
anstalten die freiheit nicht allzugroß, und bey andern die ein- 
schränckung nicht gar zu gezwungen wäre. 
Gesetzt aber auch daß ihre einrichtungen die allervernünf- 
s tigsten wären, so scheint dennoch für das gemeine wesen noch 
nicht genug damit gesorget zu seyn. Das gemeine wesen hat einmal 
gewissen wissenschaften besondere vorzüge eingeräumet, und wir 
gelehrte, die wir diesen wichtigen ehren-titul uns dadurch erworben, 
sind seit undencklichen jahren in dem besitz uns einbilden zu 
ı dürfen, als wenn wir allein die stützen der menschlichen gesell- 
schaft wären, und daß ausser unsern vier facultäten weder heil 
noch vernunft zu suchen sey. Wir behalten aber ehre genug, 
wenn wir gleich unsern nechsten, die in andern ständen leben, 
einen theil, und wenn es auch die helfte wäre, davon überlassen. 
ıs Diejenigen, welche in den grössesten welthändeln der welt nutzen, 
die mit einrichtung gemeinnütziger anstalten, der handlung, der 
verbesserung der naturalien, vermehrung des gewerbes und der 
landhaushaltung umgehen, die sich auf mechanische künste legen, 
die zu wasser und zu lande, über und unter der erden das ge- 
s meine beste suchen, machen eben einen so wichtigen theil des 
gemeinen wesens als die gelehrten aus. Und dennoch hat man 
bey allen unkosten, die man auf die errichtung der schulen und 
academien verwand hat, für diese bisher so wenig, und oft gar 
nicht gesorget. Für einen grossen theil dieser erwehnten beschäf- 
ss tigungen findet man auf den schulen gar keine anweisung, und 
in betracht der übrigen sind die schreib- und rechen-schulen, die 
noch beynahe unter keiner aufsicht stehen, die eintzigen örter, 
wo diese der republic so nützliche und unentbehrliche mitglieder 
können unterrichtet werden. Das übrige, ja fast alles, sind sie 
so gezwungen durch eine mühsame und langwierige erfahrung zu 
lernen, die nohtwendig ihre grosse unvollkommenheiten behalten 
muß. Denn woher komt es sonst, daß so viele wichtige theile 
des gemeinen besten, alle unsere künste, unsere landwirtschaft, 
und selbst die edle handlung, in vergleichung was sie in andern 
35 ländern sind, noch so mangelhaft und unvollkommen aussehen, 
als daher, daß wir in Teutschland beynahe gar keine anstalten 
haben, die denenjenigen, welche sich den wichtigsten geschäften 
ausser den vier facultäten widmen, zu einer vernünftigen anwei- 
sung dienen könten. Wir haben erstlich in unserer sprache we- 
“nige oder gar keine bücher, die sie mit nutzen lesen könten; die 


208 Monumenta Germanise paedagogica I 


wissenschaften, die den verstand überhaupt zu schärfen vermögend 
sind, bleiben ihnen mehrentheils verschlossen; an die allgemeinen 
regeln, die sie bey ihrem besondern beruf zum grunde legen könten, 
gedencket gar niemand; sie können also von dem gemeinen fuß- 
stege, den ihre vorgänger gegangen, sich kaum entfernen, sondern s 
sie sind gezwungen bey dieser ihrer unvollkommenen erfahrung 
zu bleiben, bis sie endlich nach vielen jahren, mit grossem ver- 
lust ihrer selbst und des vaterlandes, und nach unzehligen ver- 
geblich angestellten versuchen, sich einzelne neue anmerckungen 
machen, die sie weit sicherer, leichter und vollkommener beym n 
antritt ihrer geschäfte schon hätten zum grunde legen können, 
wenn ihnen die nöhtigen hülfsmittel in der jugend angewiesen 
und die allgemeinen lehrsätze davon wären bekant gewesen. 
Weder unsere schulen noch academien sind aber hiezu eingerich- 
tet. Diese haben diejenigen wissenschaften nur zum vorwaurf, ıs 
die eigentlich zur gelehrsamkeit gehören. Und wenn denenjenigen, 
die keine eigentlich so genante gelehrte werden wollen, gleich 
ein theil davon nützlich werden könte, so müsten sie dennoch 
vieles vergeblich lernen und dabey alle zeit verlieren, die ihnen 
zur anschickung zu ihrem besondern beruf unentbehrlich ist. So lange % 
man also diesen beiden mängeln, die hier angeführet sind, nicht zu- 
gleich abhilft, so lange wird das gemeine wesen von dem grossen 
hauffen seiner bürger, die sich den wissenschafften widmen, und 
von denen grossen kosten, die auf die unterhaltung der schulen 
und academien verwendet werden, nie den nutzen ziehen, den es » 
mit fug davon erwarten könte. 

Wie viel ursache haben wir deswegen nicht uns glücklich 
zu schätzen, daB unsers gnädigsten Hertzogs Durchl. nach dero 
unermüdeten landes-väterlichen vorsorge und weisesten einsicht 
auch in diesem wichtigen stücke auf eine verbesserung gedencken » 
und aus eigener höchster bewegniß dazu den grund haben legen 
wollen, von dessen entwurf wir in diesen blättern mit vergnügen 
nachricht geben. 

Höchstgedachte Se. Durchl. haben nemlich in Braun- 
schweig ein neues Collegium gestiftet, worin nicht allein diejeni- 
gen, die mit ihrer gelehrsamkeit demnächst dem vaterlande dienen 
wollen, alle mögliche anleitung finden werden, sondern wo auch die, 
so den nahmen der gelehrten nicht führen wollen, die beste gelegen- 
heit haben, ihre vernunft und sitten zu bessern und zu denen 
besondern ständen, welchen sie sich gewidmet haben, sich vorzu- « 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 84 209 


bereiten. Es kan also mit Gottes hülfe dieses Collegium von 
denen nützlichen wissenschaften, die bisher gar nicht oder nicht 
auf gehörige art vorgetragen, nicht nur eine neue pflantz-schule, 
sondern auch ein mittel zwischen den schulen und universitäten 

s seyn, das dieselben aufs glücklichste miteinander verbinden und 
bey der aufnahme, wenn Gott segen gibt, aufs vollkommenste 
befördern wird. 

Denn was kan die aufnahme der hohen schulen mehr be- 
fördern, als wenn diese hinführo solche junge leute zu erwarten 
ıo haben, die nicht allein mit einer geübten vernunft und mit einer 
schon etwas vollständigern als historischen erkäntniß von denen 
wissenschaften, die sie erlernen wollen, hinkommen, sondern die 
auch durch die regeln des wolstandes und der tugend schon so 
gesittet geworden, daß sie auch nicht so sehr mehr in gefahr sind, 

» zu allen unanständigen und schädlichen ausschweiffungen ver- 
führet zu werden, wozu die ungewohnte freiheit oft so vielen 
anlaß gibt. 

Für die aufname der schulen und fürnemlich der beiden 
gymnasiorum in Braunschweig ist aber auch zu gleicher zeit 

»» dadurch so wohl gesorget, daß man mühe haben würde ein ge- 
schickter und beständiger mittel dazu auszudencken. Denn erst- 
lich werden ohne bewegende ursachen keine junge leute aus den 
beiden gymnasiis zur besuchung dieses Collegii zugelassen werden, 
die nicht wenigstens das dreyzehnte oder vierzehnte jahr erreicht 

as haben und in der lateinischen sprache eine solche fertigkeit be- 
sitzen, daß sie die bücher, die darin geschrieben, ohne anstos 
lesen und ihre eigene gedancken darin ausdrücken können. Und 
wenn sie den vorlesungen des Collegii auch nur über solche 
sachen, wovon der grund in den schulen pflegt gelegt zu werden, 

» beywohnen wolten, so würden sie dennoch dieselben nicht eher 
als nach der fleissigsten besuchung der schul-lectionen mit nutzen 
hören können, weil die abhandlungen des Collegü so eingerichtet 
sind, daß diese da erst anfangen werden, wo man in den schulen 
ordentlich aufzuhören pfleget. 

35 Die classes selectae, die auf gnädigsten befehl den beiden 
gymnasiis beygefüget, haben ebenfals nichts als dieser ihre 
bessere aufnahme zum endzweck. Denn sie sind allein in der Ab- 
sicht angeordnet worden, damit die jugend darin zur nützlichen 
besuchung der lectionen des Collegii so viel besser möge vor- 

#0 bereitet werden, und werden diejenigen, welche aus obgedachten 

Schulordnungen der Stadt Braunschweig. 14 








210 Monumenta Germanise paedagogica I 


gymnasiis dasselbe besuchen wollen, die wolthat, den vorlesungen 
in diesem collegio ohne entgeld beywohnen zu können, nur mit 
dieser bedingung zu geniessen haben, wenn sie von ihren lehrern 
die beglaubten zeugnisse ihres fleisses und ihrer erforderten ge- 
schicklichkeit aufweisen können: von welchen man um so genauere s 
nachricht einzuziehen im stande ist, da die beiden ersten pro- 
fessores eines jeden gymnasii noch diesen vorzug haben, daß sie 
such in dem Carolino über diejenigen theile der gelehrsamkeit, 
worauf sie sich besonders gelegt, für eine ansehnliche vermehrung 
ihres bisherigen gehalts Öffentlich lesen werden. Solten hin- ıo 
wiederum unter denen, die eigentlich um dieses Collegii willen 
herkommen und welchen man so genaue gesetze nicht vorschreiben 
kan, einige seyn, denen noch eine genauere unterweisung in der 
lateinischen sprache oder sonst in einem stücke, welches in den 
hiesigen gymnasiis gelehret wird, die vorbereitung nöhtig wäre: ıs 
so werden diese in der classi selecta des hart an dem Carolino 
belegenen gymnasii Cathariniani oder des Martiniani, wenn dieses 
ihnen gefälliger, die beste gelegenheit haben, sich in ihren neben- 
stunden darin noch zu üben, ohne daß sie nöhtig hätten die 
öffentlichen schulen deswegen sonst gewöhnlicher massen zu be- » 
suchen und die andern wissenschaften, die im Collegio vorge- 
tragen werden, darüber zu versäumen. 

Um aber auf das Institutum Carolinum wieder zurück zu 
kommen, so wird man überhaupt in diesem Oollegio nicht allein 
zu allen schönen und nützlichen wissenschaften, sondern auch zu ss 
allem, was zu einen wolanständigen und gesitteten leben erfordert 
wird, die besten anweisungen finden; und es sind solche lehrer 
dazu ernennet, von deren geschicklichkeit und fleisse man alles, 
was ihnen besonders aufgetragen, mit grunde wird erwarten können. 

Die erklärung der natürlichen und geoffenbarten theologie 30 
ist einigen sehr geschickten und verdienten gottesgelehrten an- 
vertrauet, die zugleich die vorlesungen über die alterthümer, die 
kirchen-geschichte und morgenländischen sprachen unter sich 
theilen werden. Eine ihrer allervormemsten bemühungen wird 
aber diese seyn, daß die wichtige lehre von der warheit und vor- :s 
treflichkeit der christlichen religion überhaupt darinn aufs deut- 
lichste und überzeugendste vorgetragen werde. 

Zur vorlesung der weltlichen geschichte, und ins beson- 
dere des Teutschen Reichs und dieses landes, sind wiederum andere 
männer ermennet, die hievon die gründlichste erkäntniß besitzen 4 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 211 


und welche dieses den hauptzweck ihrer arbeit werden seyn 
lassen, daß die jugend zu einer fruchtbaren anwendung der ge- 
schichte sogleich angeführet werde. 

Dabey wird es auch denen, die die rechtsgelahrheit nach 

s diesem zu ihrer haupt-wissenschaft machen wollen, nicht an ge- 
schickten anweisungen fehlen. Sie werden alle gelegenheit haben 
in dem rechte der natur, in der historie des bürgerlichen und 
geistlichen rechts und in den übrigen damit verbundenen vor- 
bereitungs-wissenschaften sich unterrichten zu lassen. 

10 Ferner werden jährlich alle theile der weltweisheit, be- 
sonders aber die natur- und sittenlehre, öffentlich gelesen 
werden; wobey man die historie der philosophie und der 
gelahrtheit überhaupt als zwey der vornehmsten lehrstücke in 
diesem Collegio allezeit ansehen wird. 

15 Dem professori der mathematischen wissenschaften wird es 
an keinem auch der kostbarsten instrumente fehlen, die nöhtigen 
‚versuche in allen theilen, die er zu lesen hat, anzustellen. Hier wird 
wiederum die mechanic einer der wichtigsten vorwürffe seyn; 
daneben werden aber auch diejenigen, die sich in der höhern 

»rechenkunst und den übrigen practischen theilen der matheseos, 
im feldmessen und in den beiden arten der bau-kunst für- 
nemlieh üben wollen, alle gelegenheit dazu finden. Wogegen die 
wiederum, die keine gelegenheit bisher gehabt haben sich eine 
gründliche theorie darin zu erwerben, ihren endzweck hier auch 

9; erreichen und ihre erkäntniß, die sie durch die erfahrung gelernet, 
durch die allgemeinen regeln so viel gewisser und vollkommener 
machen können. 

Es ist aber so wenig die absicht die sogenanten humaniora 

in diesem Collegio zu versäumen, daß diese vielmehr eines der 
so allerwichtigsten stücke darin bleiben werden. Man wird zwar 
mit der blossen wort-erklärung der alten autoren sich nicht mehr 
aufhalten; denn so viele erkäntniß in der lateinischen sprache 
wird vorausgesetzet. Dagegen wird man beständig die besten 
schriften der alten in gebundener und ungebundener rede nach 
ss einander vornehmen, um die unverbesserlichen schönheiten und 
die vernünftige und natürliche art zu dencken, die darin herrschen, 
den zuhörern bekant und angenehm zu machen und ihnen die 
rechten begriffe von dem, was man wahr und schön nennen soll, 
daraus zu lehren und ihren geschmack nach und nach daran zu 

“gewehnen. Dabey wird man aber nicht vergessen auch die 

14* 








212 Monumenta Germanise paedagogica I 


fehler, welche in den ausdrückungen und gedancken der alten 

schriftsteller anzutreffen, gründlich anzuzeigen, sondern man wird 

alle mittel zu hülffe nehmen, die einem jungen menschen in der 

dicht- und rede-kunst und überhaupt in der kunst, sich leicht 

und natürlich in der lateinischen so wol als auch in der teutschen ; 
und andern sprachen auszudrücken, nützlich werden können. 

Es sind auch hiezu schon besondere lehrer ernennet, die 
alle geschicklichkeit besitzen, die zum nützlichen vortrag dieser 
schönen wissenschaften erfodert wird. Die namen aller derer 
männer aber, die überhaupt zu lehrern in diesem Collegio bestellet » 
sind, wird man in dem catalogo lectionum finden, der mit ehe- 
sten auch soll bekant gemacht werden. 

Zur erlernung der fremden sprachen wird man ebenfals 
die besten anstalten antreffen. Zur französischen ist würcklich 
schon ein geschickter lehrmeister angenommen, und es werden auch ıs 
noch eher die lehrer der englischen und italiänischen sprachen 
vorhanden seyn, als sich nur eine geringe anzahl junger leute 
finden wird, die zeit und begierde haben werden sie zu erlernen. 

Zur übung im zeichnen und der mahlerey, in der mu- 
sic, im tantzen und fechten sind zum theil die tüchtigsten » 
meister auch schon ernennet; die übrigen werden aber alsobald 
angenommen, und auch zugleich zum glasschleiffen, drechseln 
und andern nützlichen künsten die nöhtigen anweisungen ge- 
schaffet werden. 

Es hat dieses die absicht nicht, daß alle junge leute ohne »s 
unterschied mit allen diesen lectionen sollen überhäuffet werden. 
Hiedurch würde man mehr gutes bey ihnen hindern als beför- 
dern. Man wird sich vielmehr mit aller klugheit nach ihren 
verschiedenen absichten, fähigkeiten und ständen zu richten 
suchen und'denen eltern, die ihre söhne herschicken, nach ihren » 
verschiedenen absichten einen entwurf von der anzustellenden 
anführung vorlegen, welchen sie nach ihrem eigenen gefallen ver- 
ändern können. Wollen sie es aber auch der klugheit der hoff- 
meister und der vorgesetzten überlassen, so können sie dennoch 
versichert seyn, daß man mit aller treue und sorgfalt einen jeden » 
so anführen wird, wie es sein künftiger stand, welchem er sich 
gewidmet, erfodert. 

Zur erlernung aller dieser wissenschaften aber haben der 
durchlauchtigste Hertzog ein grosses und ansehnliches ge- 
bäude in Braunschweig einrichten lassen, welches alle bequemlich- « 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 213 


keiten hat, die zu einem so grossen endzweck nur erfodert werden. 
Es ist in so viele grössere und kleinere hörsääle vertheilet, daß 
sechs und noch mehrere lehrer zu gleicher zeit darin, ohne sich zu 
stören, lesen können. Es wird mit einer auserlesenen bibliothec 
s der nützlichsten neuesten und besten bücher, die zu einer jeden 
wissenschaft gehörig, versehen; dabey wird noch ein besonders 
zimmer zur aufbehaltung der mathematischen instrumente be- 
stimmet, ein anders zu einem kunst- und naturalien-cabinette ein- 
gerichtet, und über diese ein geraumer saal, worauf alle zur 
ıo mechanic und andern wissenschaften erforderliche maschinen in 
modellen sich befinden sollen, angelegt werden. Diese zimmer . 
werden den jungen leuten unter der aufsicht der hoffmeister und 
professorum, die in dem hause wohnen, allezeit zu ihrem nutzen 
und vergnügen offen stehen. Und die wohl ausgesuchte biblio- 
ıs thec wird fürnemlich diesen nutzen haben, daß sie durch deren 
fleissige besuchung gleich zur erkäntniß der nöhtigsten und besten 
bücher in ihren besondern wissenschaften gelangen und fast nie- 
mals fehlen können, daß nicht die käntniß des buchs, welches 
ihnen ihre neubegierde oder der zufall zuerst in die hände schaft, 
» ihnen solte nützlich seyn. 

Der vortrag in diesem Collegio wird durchgehends in teut- 
scher sprache gehalten werden. Keinem, der diese einrichtung 
lieset, wird hiebey die furcht noch einfallen können, daß dieses 
den humanioribus nachtheilig werden mögte, fürnemlich wenn 

» man bedenckt, daß das latein, dessen man sich in dergleichen 
öffentlichen vorlesungen zu bedienen pfleget, selten dasjenige sey, 
welches die reinigkeit dieser sprache sonderlich betördern könte. 
Es kommt hier fürnemlich auf die wahrheit und auf richtige 
gedancken an. Es ist deswegen nichts vernünftiger als daß man 

»eine solche sprache zum vortrag erwehle, die dem lehrer und 
zuhörer die natürlichste, und bey welcher man von jenem die 
leichtesten ausdrückungen und von diesem die deutlichsten be- 
griffe hoffen darf. Die wissenschaften selbst leiden dadurch nichts, 
daß sie in der muttersprache vorgetragen werden, und sie sind 

s; deswegen in Franckreich, Engelland und Italien nicht gefallen. 
Es ist vielmehr das geschickteste mittel, den nutzen derselben 
so viel allgemeiner zu machen und auch denen den Weg dazu 
zu öfnen, welchen eine weitläuftige erlernung der lateinischen 
sprache wegen der besondern umstände, worin sie sich befinden, 

“unnütz seyn würde. Die anstalten unsers Carolini sollen für- 


214 Monumenta Germanise paedagogica I 


nemlich auch denen nützlich werden, die sich dem militair-stande, 
dem hofe, der policey, der kaufmanschaft, dem landleben, den 
forsten, bergwercken und andern ständen, auch künsten gewid- 
met haben, und an deren vernünftigen unterweisung dem ge- 
meinen wesen eben so viel als an dem unterricht derer, die ins 
den vier facultäten gelehrte werden wollen, gelegen ist. Wie 
will man aber diese absicht vollkommener erreichen, als wenn 
man auch diesen leuten die gelegenheit verschaft, daß sie zu einer 
gründlichen erkäntniß in der religion, der sittenlehre, der ge- 
schichte, der mathematischen wissenschaften und verschiedener ı0 
künste gelangen können, ohne daß sie nöhtig haben ihre zeit mit 
erlernung vieler neben-dinge zu verlieren, die sie niemals gelegen- 
heit haben würden wieder anzuwenden. 

Dieses aber ist noch nicht alles, wodurch unser Carolinum 
von allen andern stiftungen dieser art sich unterscheidet. Die ıs 
bisher davon erzehlte einrichtung würde vieles wieder von ihrem 
nutzen verlieren, wenn dabey die jugend ohne alle aufsicht sich 
selbst überlassen würde. Man kan von jungen leuten, die noch 
unter zwantzig jahren sind, nicht erwarten, daß dieselben schon 
solche meister von ihren begierden seyn und von dem was ihnen » 
zuträglich ist so vernünftig solten urtheilen können, daß sie sich 
selbst regieren und die gelegenheiten, die zu ihrem besten verord- 
net worden, auch zu ihrem besten solten anwenden können. Des 
Hertzogs Durchl. haben deswegen, um ihre weise und gnädige 
absichten so viel gewisser zu erreichen, in eben diesem Collegio » 
und in den flügeln dieses grossen gebäudes eine menge der be- 
quemsten und wohl eingerichtetsten zimmer anlegen lassen, wo 
eine anzahl junger lente von dem besten stande unter der beständi- 
gen aufsicht verschiedener geschickter hoffmeister wohnen 
kan, dabey zugleich für alles, was nur zu ihrer geschickten er- » 
ziehung und zu ihrem unterhalt kan erfodert werden, gesorget 
worden. Die zimmer sind alle neu, reinlich, gesund, mit tapeten, 
spiegeln, verschiedenen tischen und allen übrigen meubeln ver- 
sehen, die zu einem wohl eingerichteten zimmer nur können ver- 
langt werden. Neben einer jeden stube ist eine kammer mit » 
einem neu behangenen bette, bücherschranck und andern noht- 
wendigkeiten, die ineine schlaf-kammer gehören; und einem jeden 
jüngling ist eine solche stube und kammer bestimmt. Alle 
diese zimmer auch, selbst die in den flügeln, hangen durch wohl 
angebrachte gänge und eine bedeckts gallerie aneinander, daß « 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 215 


man daraus in das Collegium gehen kan, ohne sich dem übeln 
wefter auszusetzen und die kleider und gesundheit zu, verderben. 
In der mitte dieses gebäudes ist ein grosser hoff und an der 
seite desselben ein angenehmer garten, die beyde zur gesundheit 

sund dem vergnügen der einwohner dieses Collegii sehr vieles 
beytragen. 

Eine jede anzahl von sechs oder acht jungen leuten aber 
hat ihre besondere hoffmeister, die der Hertzog besoldet und 
wozu anders keine als solche männer genommen werden, die 

ıw dergleichen stellen vordem schon bekleidet und von ihrer ge- 
schicklichkeit junge leute zu erziehen schon genugsame proben 
abgeleget haben. Ein jeder dieser hoffmeister hat für die er- 
ziehung, für die ordnung, für die gesundheit und für die sittsam- 
keit seiner untergebenen zu sorgen. Er trinkt z.e. zur ordent- 

ıs lichen zeit mit ihnen thee oder coffee, er führet sie in die stunden 
wo sie unterrichtet werden, er wiederholet mit ihnen was sie 
daselbst gehöret, er führet sie zur tafel, er ist gegenwärtig bey 
ihren leibesübungen und ergötzungen, er begleitet sie bey ihrem 
spatzieren, er siehet dahin, daß sie zu einer ehrbaren freiheit bey 

20 zeiten sich gewöhnen und dadurch geschickt werden mit andern 
umzugehen, ohne in ausschweiffungen und laster zu verfallen, er 
wird diejenigen, deren stand und umstände es nützlich machen, 
nach hofe und in die ersten gesellschaften bringen, er achtet auf 
ihre sachen und kleider, er berechnet, falls nicht ein anders ver- 

ss langt wird, ihre gelder und ausgaben, und er führet mit ihren 
eltern, vormündern und angehörigen die ordentliche correspon- 
dentz, damit diese von der aufführung und dem befinden ihrer 
kinder und pflegebefohlnen allezeit sichere nachricht haben mö- 
gen. Dabey sind so viele besondere aufwärter und bediente an- 

» genommen, als zur bequemen und anständigen aufwartung von- 
nöhten sind. 

Eine ordentliche haushaltung will man aus gewissen ursachen 
noch nicht im Collegio anlegen; dagegen aber hat man einem 
traiteur in der nähe eine wohnung eingeräumet und mit dem- 

ss selben wegen des tisches solche bedingungen gemacht und ihm 
so viele besondere vortheile zugestanden, daß auch diejenigen, 
die mit aller zärtlichkeit für ihre kinder oder pflegebefohlene 
sorgen, dieselben ohne bedencken werden dahin schicken können, 
fürnemlich da die hoffmeister mit gegenwärtig sind, die an der 
«pflege ihrer untergebenen. nichts versäumen werden. Es stehet 


216 “ Monuments Germaniae paedagogica I 


auch den eltern und angehörigen jederzeit frey, bey ihrer an- 
wesenheit in Braunschweig sich derselben tafel, so oft sie wollen, 
zu bedienen und selbst zu sehen, wie die ihrigen verpfleget werden. 

Diejenigen also, welche verlangen, daß ihre söhne oder an- 
gehörigen in dem Collegio selber wohnen und der aufsicht der s 
hoffmeister geniessen sollen, bezahlen für die wohnung, für feu- 
rung und licht, für aufwart'ung, für den tisch, für die ordent- 
liche unterweisung und für die aufsicht der hoffmeister jähr- 
lich hundert thaler. Man überläßt dieses aber eines jeden freiheit. 
Denn wenn eltern, vormünder und angehörige ihrem sohne, pupillen ıo 
oder verwandten im Carolino einen eigenen hoffmeister, auch einen 
eigenen laquaien halten wollen, so stehet auch dieses ihnen gegen 
billige bezahlung frey. Hätten sie auch zu freunden, anver- 
wandten oder andern personen in der stadt mehr vertrauen, und 
wolten derer aufsicht die ihrigen lieber übergeben und diese mit ıs 
oder ohne besondern hoffmeister ausser dem Carolino sich auf- 
halten oder in dem Carolino wohnen und ausser demselben 
speisen lassen, so behalten dieselben ihre freie wahl, darin völlig 
nach ihrer bequemlichkeit zu verfahren, und die jungen leute 
können nichts destoweniger alle lectionen im Collegio, die ihnen » 
anständig sind, besuchen und sich so lange aufhalten, als es ihre 
umstände und besondere absichten erfodern. Man wird so dann 
die bezahlung aufs billigste ermässigen, sich aber dagegen auch 
diese billigkeit versprechen, daß man von den vorstehern und 
lehrern des Collegii die verantwortung von der aufführung der » 
jungen leute nicht weiter verlangen wird, als die aufsicht und 
gegenwart der vorgesetzten bey den beliebten umständen gehen 
kan. Indessen haben alle fremde, sie mögen die ihrigen in oder 
ausser dem Collegio erziehen lassen, dadurch, daß dasselbe in 
Braunschweig angelegt ist, diese bequemlichkeit, daß sie zweymal » 
im jahre, bey gelegenheit der messen, entweder selber oder durch 
gute freunde von ihrem verhalten und befinden allezeit sichere 
nachricht erhalten können. 

Dieses ist ungefehr der plan dieses neuen Collegii, den man 
hiemit vorläufig hat bekant machen wollen. Diese eröffnung s 
wird gleich nach Ostern geschehen; und wenn auswärtige wären, 
denen es an genugsamer bekantschaft in Braunschweig fehlen 
mögte und die eine genauere anweisung verlangten, die werden 
dieselbe von dem hrn. abt Mosheim in Helmstädt, von dem hrn. 
hofrath Erath und dem hrn. D. Köcher in Braunschweig und von « 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 84 217 


dem hrn. probst Jerusalem in Wolffenbüttel, die zu curatoren 
dieses Collegii gnädigst bestellet sind, erhalten können. 
Uebrigens darf man dieses noch zuverlässig versichern, daß, 
wie des Hertzogs Durchl. die erste einrichtung dieses Collegii 
s dero huldreichsten gantz besondern attention gewürdiget, höchstge- 
dachte Se. Durch]. mit eben so vieler gnade auch unmittelbar 
für die erhaltung und fernere verbesserung und vergrösserung 
desselben sorgen werden. Braunschweig, den 17. April 1745. 


B 
ı GESETZE FÜR DIEJENIGEN WELCHE INS COLLEGIUM 
CAROLINUM AUFGENOMMEN WERDEN. 
MDCCXLV. 


Diejenigen, welche ins Collegium Carolinum aufgenommen 
werden, befinden sich in einem alter, welches die erste besse- 
ısrung ihres verstandes und willens der vorhergehenden 
erziehung wegen voraussetzt. Gleichwie sie also die ver- 
muthung für sich haben sollen, es liege die aufrichtige neigung 
in allem guten zuzunehmen bereits in ihnen, sie auch in den 
grossen vortheilen, welche ihnen allhier bevorstehen, noch mehr 
» reizungen dazu antreffen: so hoffet man bey ihrer aufnahme, daß 
sie sich nicht selber durch unarten und wiederspenstigkeit der 
erwünschten anstalten unwürdig und unfähig machen, sondern 
vielmehr nachstehenden gesetzen aus eigenem triebe mit lust 
und beständigkeit sich unterwerfen und denselben allenthalben 
35 gerne nachkommen werden. 
81 
Ueberhaupt müssen die einwohner des Collegii Carolini sich 
so betragen, wie es die religion und vernunft von einem 
christen und guten bürger der menschlichen gesellschaft erfordern, 
» sodann auch dem besondern endzweck nachfolgen, warum sie auf- 
genommen worden, und welcher in der erlernung nützlicher 
wissenschaften und guter sitten bestehet, also in allen ihren 
handlungen dasjenige beobachten, was sie Gott, sich selber 
und andern menschen schuldig sind. 
35 82 
Ihr erstes und vornemstes augenmerk muß die gottes- 
furcht seyn. Diesemnach sollen sie sich bey dem morgen- und 





218 Monuments Germanise paedagogica I 


abendgebet gehörig einfinden, solches nach der ordnung laut und 
andächtig verrichten, den sabbath gebührend heiligen und den 
gottesdienst ordentlich, sittsam und mit fleissiger anhörung, auch 
wol schriftlicher anmerkung der predigten, abwarten, den beson- 
dern übungen der gottseligkeit des sonntags unausgesetzt bey- > 
wohnen, in denselben die von den hofmeistern zur wiederholung 
der predigten an sie geschehende fragen willig beantworten, die 
angeführten sprüche zum geläufigen gebrauche der heiligen schrift 
nachschlagen, überall aber die muthwillige versäumniß und ver- 
achtung des worts Gottes meiden und die beleidigung des höch- ı0 
sten wesens durch sündliches fluchen, zotenreissen, unnützes 
gewäsche, narrentheidungen und thorheiten fliehen. 


83 

In ihrem studieren sollen sie der von ihren vorgesetzten 
gemachten einrichtung nachgehen, die collegia fleissig und als ıs 
aufmerksame lehrlinge besuchen, das gehörte mit bedacht wieder- 
holen und sich dadurch so wol, als auch durch die vorbereitung 
vorher, die sachen genugsam bekannt machen, mit gleichem eifer 
die nach eines jeden stand und absichten erforderlichen leibes- und 
andere übungen, als reiten, fechten, tanzen, music etc. treiben, 20 
und also sich der von unseres Herzogs Durchl. so gnädigst 
erleichterten mittel, in den wissenschaften und künsten fortzueilen, 
und der edlen zeit gehörig bedienen. 


54 
Und wenn sie ja wichtiger abhaltung wegen eine oder » 
etliche lehrstunden versäumen müsten, davon ihren hofmeistern 
schuldige anzeige thun und ohne deren vorwissen niemals zurück- 
bleiben, damit sie davon ihren vorgesetzten und lehrern allezeit 
rechenschaft geben können. 


Gleichwie sie zu ihrem studieren einige bücher anschaffen, » 
dabey aber dem rath und vorschlage der lehrer und vorgesetzten 
folgen müssen: also sollen sie solche nicht ohne vorbewust ihrer 
hofmeister einkaufen und sich dabey für unnütze, schädliche oder 
gar sündliche bücher hüten, oder gewärtigen, daß selbige ihnen 
abgenommen und fortgeschaffet werden. 3 

3 .) 6 

Ihre aufführung darf niemals von der tugend entfernet, 

und in ihren sitten nie etwas bäurisches, grobes und unanständiges 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 219 


eingemischet seyn. Vormemlich sollen sie gegen die herren cura- 
tores des Collegii Carolini gehorsam und ehrerbietung, den lehrern 
gehörige hochachtung und den hofmeistern samt und sonders alle 
schuldige folge und achtung beweisen, niemals von dieser ihrer 
s vorgesetzten leben, reden, handlungen nachtheilig urtheilen, viel- 
weniger davon spöttisch und schimpflich reden, in abwesenheit 
der eigenen hofmeister die erinnerungen eines der andern, welchem 
bey solchen fällen die aufsicht entweder aufgetragen ist oder 
ipso facto zuwächset, hindansetzen, den strafen, deren sie von 
ı ihren obern ihrer vergehung wegen schuldig erkannt werden, sich 
willig unterwerfen und daher die bewegungsgründe der besserung 
nehmen, andern aber, wenn sie bestraft sind, keine vorwürfe machen, 
oder gewärtigen, daß eben die strafe, deswegen sie andere ver- 
höhnen, auch an ihnen selbst vollstrecket werde, wie denn keiner 
ıs seiner commilitonen fehler, vergehungen, bestraffung, noch sonst 
etwas, was denselben nachtheilig sein könnte, unter die leute 
bringen darf. 
87 
Gegen alle und jede andere sollen sie höflich seyn, ab- 
» sonderlich mit ihren commilitonen freundlich, doch nicht kindisch 
umgehen, keinen vorzug, unterscheid des standes und vermögens 
oder sonst ein abzeichen in kleidung und andern dingen, das zur 
geringschätzung der übrigen abzielet, unter sich einführen, sich 
für alles zanken, plaudereyen, nachtheiliges gewäsche, neid, haß, 
3: beleidigung, feindschaft und der daher entstehenden üblen folgen 
sorgfältig hüten und, so ja dergleichen vorfiele, keine eigene 
rache mit schimpfworten, schlägereyen und dergleichen ausüben, 
sondern die sache, sie betreffe sie selber oder andere, an ihre 
hofmeister und vorgesetzten gelangen lassen und, ehe sie zum 
» besorglichen ausbruch kömmt, anzeigen, absonderlich da die ver- 
gehungen in solchen fällen vermöge des dem Collegio Carolino 
gnädigst beygelogten burgfriedens um so mehr geahndet werden 
müssen. 
. 8 8 
3 Gegen die aufwärter sollen sie sich bescheiden, nicht aber 
vertraut und familiär bezeigen, sie nicht dutzen noch sich gelüsten 
lassen dieselben zu vexiren, hart anzufahren, zu schelten oder zu 
schlagen, auch weder hiebey noch in ansehung der armen, 
gegen die sie mitleidig und nach vermögen gutthätig seyn werden, 
“ der liebe des nechsten vergessen. 


220 Monumenta Germaniae paedagogica I 


89 

Ihre gesundheit sollen sie zu unterhalten suchen, weder 
solche durch unmässigkeit in essen und trinken schwächen, noch 
ihren körper durch unvorsichtigkeit und kühnheit in gefahr 
bringen oder sich sonst durch balgen, ringen und dergleichen s 
thörichten, aber oft gefährlichen zeitvertreib schaden zufügen, 
im übrigen ihren leib reinlich halten und, wenn sie mit krank- 
heiten befallen werden, davon den hofmeistern, damit diese die 
nöthigen anstalten vorkehren können, zeitige eröfnung thun und 
nicht warten, bis das übel alzuweit eingerissen, noch auch nach ı0 
eigenem gutdünken oder anrathen ihrer commilitonen oder an- 
derer unverständigen leute dieser oder jener hülfsmittel sich be- 
dienen. 

8 10 

Mit ihren geldern sollen sie, wenn ihnen selbige von ıs 
den ihrigen anvertrauet sind, sparsam und fürsichtig umgehen, 
bey ihren ausgaben dem rath und erinnerung der hofmeister 
folgen und sie absonderlich beym einkauf kostbarer nothwendig- 
keiten zu hülfe nehmen, alle verschwendung und überfluß in 
kleidungen und andern dingen vermeiden, von ihren ausgaben » 
ordentliche rechnung führen und dazu, wenn sie solche nicht zu 
machen wissen, der hofmeister anweisung einziehen, auch diesen 
alle monath, oder so oft sie es verlangen, die rechnungen vor- 
zeigen, nicht weniger, so ihre angehörigen den hofmeistern die 
gelder übergeben, in die einrichtung, die diese mit genehmigung >; 
der ihrigen machen werden, sich bequemen. 


$ 11 

Ihre sachen und geräthschaften sollen sie wohl in 
acht nehmen, nichts von ihren büchern, kleidung und anderm 
geräthe verleihen, verspielen, versetzen und sonst von handen „ 
kommen lassen, deswegen die schränke und coffres, auch die 
stube, wann sie solche verlassen, verschliessen, damit nichts ver- 
lohren gehe und man bey erfolgung einiges verlustes nicht ge- 
nöthiget werde ihre klagen aus mangel des beweises und der 
fürsicht sogleich abzuweisen. Zu vermehrung ihrer sorgfalt sollen s 
sie bey dem eintritt ins Collegium ein verzeichniß ihrer bücher 
und übrigen sachen den hofmeistern einliefern, daß solches von 
diesen alle vierteljahr, oder so oft sie es nöthig finden, nach- 
gesehen und mit dem was hinzugekommen vermehret werde. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 84 221 


812 

Mit den ins Collegium gehörigen meublen sollen 
sie nicht weniger behutsam umgehen, sie nach dem verzeichnisse, 
das ihnen beym einzuge gegeben wird, beym abzuge wieder 
s liefern, an tischen, stühlen, bänken, fenstern, schränken, tapeten, 
gardinen und andern geräthschaften nicht hacken, schaben, schnei- 
den, weder die teller bey tisch zerkritzeln und durchbohren noch 
die servietten und tischtücher durchstechen, oder gewärtigen, daß 
sie allen schaden an dergleichen dingen, welcher nicht von dem 
ıo ordentlichen gebrauche derselben, sondern von muthwillen oder 
unvorsichtigkeit herrühret, ersetzen müssen. Besonders sollen sie 
feuer und licht in acht nehmen, letzteres nicht auf der stube 
brennen lassen, wenn sie solche, es mag auf eine kurze oder 
lange zeit seyn, verlassen, und dasselbe beym bettgehen sorg- 
ıs fältig auslöschen, beides auch sparsam gebrauchen und, wenn 
zur winterzeit die stuben erwärmet sind, nicht thüren und fenster 
aufsperren und offen stehen lassen, im übrigen keine werkzeuge, 
damit man feuer und licht anschlägt und anzündet, als stahl, 
feuersteine, schwefelfaden und andere künstliche feuerzeuge halten 

so und haben. 

813 

Der erlaubten musse und ergetzlichkeiten sollen sie 
sich ordentlich, mässig und zur aufmunterung zu mehrerm fleiß 
bedienen, zu ihren zusammenkünften unter einander im Collegio 
ss die erlaubniß der hofmeister nachsuchen, in denselben sittsam 
und ruhig seyn, keiner aber ohne*vorwissen des hofmeisters 
länger als etwa wenige augenblicke auf des andern stube gehen, 
vielweniger in den stunden, wenn die an- und auskleidung ge- 
schiehet, zu den andern kommen. Ihre angehörigen, gute freunde 
so und bekannten sollen sie nach erhaltener erlaubniß der hofmeister 
mit gehöriger maasse besuchen, wenn sie darüber von tisch, arıs 
‚den lehrstunden und über die gesetzte zeit zurückbleiben müssen, 
dieses von ihren freunden unmittelbar an die hofmeister anzeigen 
lassen, niemals aber, es sey um der einladung ihrer verwandten, 
„ um nothwendiger geschäfte oder um der veränderung willen, 
ohne vorbewust der hofmeister aus dem Collegio sich begeben, 
noch, wenn sie, wie man doch nicht hoffen will, unter falschem 
vorwand die vergünstigung auszugehen erschlichen, wein-, coffee- 
und bierhäuser oder gar verdächtige örter besuchen, insonderheit 
4 allen gefährlichen umgang mit liederlichen weibsbildern in und 


222 Monumente germanise paedagogica I 


ausser dem Collegio unter bedrohung, daß sie gänzlich aus der 
zahl der mitbürger desselben ausgestossen werden, fliehen und 
meiden. 


Ss 14 

Wenn sie in gesellschaft der hofmeister spatziren gehen, s 
sollen sie sich ehrbar, ordentlich und sittsam aufführen, bey ihren 
gemeinschaftlichen und im Collegio erlaubten spielen, wohin das 
kegelschieben, billard, das schach- und damenspiel gerechnet 
wird, friedlich, bescheiden, nicht tobend, pollernd und unartig 
sich betragen, kein lermen und trampeln auf den stuben, kein ı0 
rufen, überlautes reden und lachen auf dem hofe, im garten, vor 
den hausthüren, wovor sie sich weder allein oder in ganzen 
haufen zu stellen noch daselbst lange aufzuhalten, vornehmen, 
auch der ihnen nachgelassenen übung auf musikalischen instru- 
menten auf ihren zimmern niemals zur beschwerde der nachbarn ıs 
und störung der lernenden gebrauchen, vielmehr den vorschriften 
genau nachkommen, die ihnen die hofmeister befindenden um- 
ständen nach hierüber zu ertheilen gut finden. 


S 15 

Hunde, katzen, eichhörngen, raben, wie auch vögel, es sey » 

denn dieses letztere ihnen besonders vergönnet, sollen sie nicht 

halten, anbey alles tobackrauchen, als jungen leuten undienlich, 

unterlassen, wenn es ihnen nicht aus bewegenden ursachen, um 

ihrer gesundheit willen und unter gewissen bedingungen er- 
laubet worden. 


5 16 
Zum verreisen sollen sie mit vorweisung des schriftlichen 
verlangens ihrer angehörigen die erlaubniß der herren curatorum 
erbitten, welche ihnen solche nebst der erinnerung, nichts darüber 
zu versäumen und zu rechter zeit wieder zurückzukehren, er- » 
theilen werden. 


8 17 
In allen übrigen dingen sollen sie auf anständigkeit 
und gute ordnung sehen, in den hörsäälen und exercitienzimmern, 
ehe die professores und exercitienmeister kommen, weder lermen ss 
noch unruhe und unordnung machen, sondern sittsam, friedlich 
und bescheiden sich betragen, ohne noth und genugsame raison 
nicht gestiefelt seyn, weder auf dem hofe, im garten und fremden 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 223 


stuben in nachtkleidern erscheinen, noch anders auf das conver- 
sations- und versammlungszimmer oder in die collegia als in 
vollen kleidern kommen, in welchen sie sich bis nach verrichtetem 
abendgebeth befinden müssen. Und gleichwie sie sich selber der 

‚ reinlichkeit zu befleissigen haben, also sollen sie dieselbe so wol 
im ganzen hause als auch vornemlich in ihren zimmern beobachten, 
die stuben allezeit aufgeräumt halten und darinn nichts hin und 
her werfen und herum liegen lassen. 


8 18 
10 Des morgens sollen sie zwischen 5 und 6 uhr, nachdem sie 
gewecket worden, aufstehen und um 6 uhr angekleidet zum 
theetrinken und morgengebet erscheinen, des abends wiederum 
sich um 7 uhr zum abendbrodessen und nachher zum abendgebet 
versammlen, nechstdem aber um 10 uhr zu bette gehen, als 
ıs nach welcher zeit sich niemand ausser dem Collegio, seiner stube 
und dem bette antreffen lassen noch licht brennen, vielweniger 
dergleichen wieder anzünden, mit andern zusammen kommen und 
unerlaubte spiele oder zeitvertreib vornehmen darf. Des mittags 
sollen sie genau um 12 uhr bereit seyn mit den hofmeistern zum 
»o tisch zu gehen, bey welchem sie weder unfug durch überlautes 
reden, unartiges scharren mit den füssen und unanständiges 
lachen anfangen noch sonst einige beschwerung machen dürfen, 
und die abhelfung etwaniger klagen über die speisung, dergleichen 
man doch nicht vermuthet, der obliegenheit der hofmeister über- 
ss lassen müssen. 


8 19 

Bey der aufwartung sollen sie zur vermeidung des öftern 
hin- und wiederlaufens die stunden beobachten, in welchen die 
aufwartsburschen angewiesen werden die nöthigsten bestellungen 
s abzuwarten, also den bedienten des morgens beym theetrinken, 
des mittags nach geendigter mahlzeit und, wenn es nicht zu 
vermeiden, des abends beym abendbrodessen ihr verlangen zu 
besorgen auftragen, im übrigen aber die aufwärter des sonntags 
so viel möglich mit ausgehen verschonen, alles überflüssige ver- 
»; hüten und nicht um jeder kleinigkeit willen, wenn solche in- 
sonderheit bis zur bequemern zeit aufzuschieben, viele aufwartung 

fordern und diese dadurch mühsam machen. 





224 Monuments Germanise paedagogica I 


8 20 
Die stubenthüren sollen sie, wenn sie sich in den stuben 
aufhalten, nicht verschliessen, auch nie für die hofmeister ver- 
riegeln und sich einsperren; beym bettgehen aber und des nachts 
mögen sie die cammerthüren abgeschlossen halten. s 


8 21 
Ihren abzug endlich, der um Michaelis oder Ostern ge- 
schehen kan, sollen sie ein vierteljahr vorher anzeigen, dazu die 
schriftliche oder mündliche einwilligung ihrer angehörigen bey- 
bringen, und alsdann mit bezeugung ihres schuldigen dankes ı0 
gegen die herren curatores, professores und hofmeister gebühren- 
den abschied nehmen. 


$ 22 

Den gedruckten aufsatz, dieser gesetze, welcher einem 
jeden bey seinem einzuge wird übergeben werden, soll niemand ıs 
muthwillig zerreissen, schänden, verletzen oder von der stube 
kommen lassen. 

Durch die genaue beobachtung obiger gesetze werden die 
folgsamen sich selber unbeschreiblich nützen, den segen Gottes 
zu ihrem studieren erwerben und bey andern lob und liebe davon » 
tragen; die wiederspenstigen aber, welche weder diesen ordnungen 
nachgehen noch durch nachdrückliche vorstellungen sich zur 
besserung bewegen lassen wollen, werden nebst andern unersetz- 
lichen schaden gefahr laufen, mit öffentlichen verweisen, gefängniß 
und endlich mit der gänzlichen ausschliessung aus der zahl der s 
einwohner des Collegii bestrafet zu werden, weil die meinung 
festgesetzet ist, daß alle diejenigen, welche ein ärgerniß 
geben oder durch ihre böse und unordentliche aufführ- 
ung andere in gefahr der nachahmung setzen, ohne an- 
sehen einiger umstände als räudige schaafe gleich fort- » 
geschaffet werden sollen. 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 84 226 


© 
SERENISSIMI GNÄDIGSTE DECLARATION 
DEN DEM COLLEGIO CAROLINO IN BRAUNSCHWEIG 
VERLIEHENEN BURGFRIEDEN BETREFFEND. 
5 1745. 


Von Gottes gnaden wir, Carl, herzog zu Braunschweig 
und Lüneburg :c. für uns, unsere erben und nachfolgere an der 
landes-regierung, urkunden und fügen hiemit zu wissen, daß wir 
zu möglichster erhalt- und beforderung des ruhestandes in dem 

ı von uns aus landesväterlicher sorgfalt für das allgemeine beste in 
unserer stadt Braunschweig gestifteten Collegio Carolino und zu 
abkehrung alles dessen, was dem zuwider darin entstehen oder 
vorgenommen werden mögte, gnädigst resolviret haben, besagtes 
Collegium gleich andern privilegürten örtern des fürstl. haus- 

ıs und burg-friedens geniessen zu lassen. 

Wir declariren, setzen und ordnen also mittelst dieses offe- 
nen patents, daß gedachtes Collegium Carolinum samt allen gegen- 
wärtig dazu gezogenen oder künftig dazu zu ziehenden häusern 
und gebäuden von nun an für einen von uns mit dem haus- und 

» burg-frieden specialiter privilegiirten ort geachtet werden, mithin 
niemanden, er sey weß standes er wolle, fremd oder einheimisch, 
gestattet seyn solle einige vergewaltigung noch sonst etwas, das 
dem haus- und burgfrieden entgegen steht, es mag namen haben 
wie es immer wolle, darinn vor- noch daran theil zu nehmen. Es 

; soll daher ein jedweder, der sich gelüsten lassen würde im Carolino 
jemanden zu drohen, zu schelten, zu schlagen oder gar tödtliche 
waffen zur hand zu nehmen und zu gebrauchen, die zimmer, das 
carcer oder andere behältnisse mit gewalt zu öffnen, die mauren 
und verwahrungen des Collegii zu übersteigen, unzucht zu begehen, 

so den befehlen der von uns verordneten curatorum oder anderer 
befehlshaber sich zu widersetzen, oder daß solches von anderen 
geschehe zu veranlassen und rotten zu machen, oder sonst icht- 
was gegen die hiebevorigen, von unseren gottseligen vorfahren an 
der landes-regierung des haus- und burg-friedens halber erlassene 

ss verordnungen vorzunehmen: derselbe soll als ein störer der ge- 
meinen ruhe und als ein frevelhafter übertreter dieses unsers 
und nurgedachter landes-gesetze geachtet, mithin nach inhalt der- 
selben den umständen nach an ehre, gut, leib und leben be- 
strafet werden. 


Sohulordnungen der Stadt Braunschweig 15 


226 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Wir gebieten demnach unseren curatoribus, auch übrigen 
aufsehern des Carolini hiemit gnädigst und ernstlichst, auf solches 
alles ein wachsames auge zu haben und über die aufrechthaltung 
des haus- und burg-friedens auf das genaueste und strengste zu 
halten. Die alumnos desselben aber ermahnen wir samt und s 
sonders landesväterlich, des vorberürten keines sich zu schulden 
kommen, vielmehr, wie wir hoffen, durch befolgung der ihnen 
besonders gegebenen gesetze in schuldigem gehorsam, ruhigem, 
fried-, sitt- und tugendsamem, auch wohlanständigem betragen 
sich jederzeit erfinden zu lassen; wogegen sie, bevorab diejenigen, ı0 
die sich dessen vor anderen befleißigen, unserer beständigen für- 
sorge, huld und gnade gewiß versichert seyn können. 


Und wie wir unser collegium curatorum hiemit zugleich 
autorisiren, über alle in dem Carolino etwa vorkommende ge- 
brechen und delicta die erste cognition zu nehmen und so dann, ı5 
der ihnen ertheilten instruction gemäß, wegen übergabe und aus- 
lieferung der delinquenten an die criminal-gerichte das weitere zu 
verfügen: also ist ferner unser gnädigster, auch ernstlichster wille 
und befehl, daß kein inquisitions- noch ander civil- und militar- 
gericht. oder befehlshaber in unserer stadt Braunschweig sich » 
anmassen solle,in dem mehrbesagten Collegio Carolino delinguenten 
oder andere verdächtige leute, am wenigsten aber jemanden, der 
zum Carolino gehöret, durch ihre gerichts-bedienten oder die miliz 
aufsuchen, noch sonst etwas, wodurch die demselben beygelegte 
freiheit und jurisdiction violiret werden kan, unternehmen zu s 
lassen, sondern es sollen dieselben gehalten seyn die curatores 
bey vorkommenden tällen jedesmal gebührend zu requiriren, mit- 
hin mehrbesagtes Collegium Carolinum des demselben verliehenen 
privilegii dergestalt geruhiglich geniessen zu lassen und dasselbe 
darinn auf keine weise beeinträchtigen. 30 


Jedoch bleibet hievon ausbeschieden, daß, wenn periculum 
in mora und die sache von grosser wichtigkeit, ingleichen wenn 
delinyuenten und arrestaten der wache oder gerichts-bedienten, 
welche sie führen oder verfolgen, entwischen und in das Carolinum 
sich begeben, insonderheit wenn diejenigen, welche wider unsern » 
befehl des gassenbettelns sich unterfangen, in dem Carolino ihre 
zuflucht suchen würden, so dann solche von der wache oder ge- 
richts-bedienten daselbst festgehalten und weiter geführet werden 
mögen. 


Schulordnungen der Stadt Brannschweig 84 227 


Zu urkund dessen und damit dieser unserer gnädigsten ver- 
ordnung von männiglich gehorsamst nachgelebet werde, haben wir 
solche drucken zu lassen gnädigst befohlen, dieselbe eigenhändig 
unterschrieben und unser fürstlichesinsiegel darunter drucken lassen. 

s Gegeben Salzthalen, den 10. Julii 1745. 
Carl, 


H. z. Br. u. L. (L. S.) 
A. A. v. Cramm. 


D 
10 SERENISSIMI GNÄDIGSTE VERORDNUNG 
DAS LEIHEN AN DIE STUDIOSOS CAROLINI 
BETREFFEND. 
1745. 


Von Gottes gnaden Carl, herzog zu Braunschweig und 
ıs Lüneburg 2c. Wir finden zu erhaltung guter ordnung in dem 
Collegio Carolino unter andern nöthig.zu verhüten, daß die ın 
solchem studirende junge leute schulden machen. Es werden 
demnach alle obrigkeiten in unserer stadt Braunschweig durch 
diese unsere offene verordnung gnädigst und ernstlichst befehliget, 
in einer jeden gerichtsbarkeit kund zu machen und strenge dar- 
über zu halten, daß niemand der dortigen einwohner einem der 
alumnorum des besagten Collegii Carolini ohne erlaubniß und 
schriftlichen schein der ihnen zugeordneten hofmeistere geld leihe 
oder waaren creditire noch pfänder von denenselben annehme, 
2» oder zu gewärtigen habe, daß er nicht nur seiner foderung ver- 
lustig erkläret werden und die pfänder unentgeltlich heraus geben, 
sondern über das mit einer den umständen nach zu bestimmenden 
geldstrafe beleget werden solle. Urkundlich unserer eigenhän- 
digen unterschrift und unsers beygedruckten fürstlichen insiegels. 
30 Gegeben Salzthalen, den 10. Julii 1746. 
Carl, 


H.v. Br.u.L. (L. S.) 
A. A. v. Cramm. 


16* 


228 Monumenta Germaniae paedagogica I 


E 
ANWEISUNG AN DIE CURATORES DES CAROLINI 
DIE BESONDEREN FÄHIGKEITEN EINES ODER DES 
ANDERN STUDIOSI BETREFFEND. 
1745. 5 


Carl, herzog :c. Wir haben euch annoch eine verrichtung, 
welche wir vor eine derer vornehmsten bei dem Carolino ansehen, 
in gnaden eröfnen wollen, daß ihr nemlich, so viel es eure ge- 
schäffte leiden, selbst beobachten, auch durch die professores und 
hofmeister beobachten laßen möget, ob und was vor junge leute ı0 
sich unter denen Carolinern finden, die eine besondere f ähigkeit 
in einem und andern stück besizen: und gehet unsere 
willens meinung dahin, daß ihr davon alle halbe jahr nachricht 
gebet. Salzthalum, den 19. Julii 1745. 

Carl, H. z. B. u. L. 15 


F 
DAS GEBET FÜRS CAROLINUM. 
1745. 


Walte auch, allmächtiger, gütiger Gott und Vater, mit 
grossen gnaden über dieses unser Collegium, über dessen grossen » 
stifter, über die aufseher, lehrer, hofmeister und sämtliche ein- 
wohner desselben. Erhalte, beschütze und bewahre unsern gnä- 
digsten Herzog, unsern theuren pfleger und versorger, und setze 
dieselben nebst dero hochfürstl. familie und allen hohen ange- 
hörigen zum segen immer und ewiglich. Sey dero schild und ss 
sehr grosser lohn für die unzähligen milden wohlthaten, welche 
dieselben zu einer glücklichen erziehung an uns wenden wollen. 

Erfülle die aufseher unseres Collegii mit weisheit und ver- 
stand, die lehrer mit erkenntniß, treue und redlichkeit, unsere 
vorgesetzte mit klugheit, eifer, geduld und eintracht, damit gie » 
insgesamt zur erreichung des endzwecks dieser heilsamen an- 
stalten das ihrige nach vermögen beytragen, auf die ausbreitung 
deiner ehre und deines reichs sehen und die wahre wohlfarth, 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 84 229 


zeitliche und ewige glückseligkeit der allhier studirenden zu be- 
fördern sich angelegen seyn lassen. Vergilt ihnen die mühsame 
sorgfalt und mannigfaltige arbeit, so sie zu unserm besten über- 
nehmen, nach dem reichthume deiner gnade in zeit und ewigkeit. 

5 Uns alle aber, die wir in diesem Collegio studiren und uns 
aufhalten, regiere mit deinem heiligen und guten geiste, damit 
wir allezeit in deiner furcht wandeln, unsern obern und vorge- 
setzten mit kindlichem und dir wohlgefälligem gehorsam uns 
unterwerfen, ihre bemühung, unterweisung und lehre mit dank- 

ıo barem gemüthe erkennen und annehmen, in allerley wissen- 
schaften und guten künsten zunehmen und in der tugend und 
gottseligkeit mehr und mehr wachsen mögen. Nim auch in deine 
göttliche fürsorge alle diejenigen, welche uns an diesem orte 
dienen und zu unserm wohl auf mancherley weise behülflich 

ıs seyn. Gedenke endlich dieser ganzen stadt, in welcher uns von 
deiner väterlichen hand so viel gutes wiederfähret, im besten 
und thue wohl allen ihren einwohnern, um Jesu Christi, deines 
lieben sohnes und unseres heilands willen. Amen. 


G 
» VORLESUNGEN UND ÜBUNGEN IN DEM COLLEGIO 
CAROLINO. 
Michaelis 1745 bis Ostern 1746. 


Da es nunmehro unter göttlicher beyhülfe durch die fort- 
dauernde höchste fürsorge unsers gnädigsten Herzogs mit dem 
as von Ihro Durchlauchten hier in Braunschweig neuerrichteten 
Oollegio Carolino so weit gekommen ist, daß den 5. Julii des 
itztlaufenden jahres wirklich der anfang mit einigen lectionen hat 
gemacht werden und also die eröffnung dieses Collegii geschehen 
können: so hat man nicht länger anstand nehmen wollen die 
» erwartung des publici zu befriedigen und den in der vorläufigen 
nachricht versprochenen ersten lectionscatalogum heraus zu geben. 
Wie überhaupt der durchlauchtigste stifter dieses Collegii 

nach dero unabläßigem eifer für die aufnahme nützlicher wissen- 
schaften und für das wahre beste dero lande und unterthanen 
ses an nichts ermangeln lassen, dero gute und preiswürdige ab- 


230 Monumenta Germaniae paedagogica I 


sichten bey diesem heilsamen werke durch die bequemsten mittel 
zu erreichen und die davon bekannt gemachte einrichtung aufs 
vollkommenste zu stande zu bringen: so haben Höchstdieselben 
insonderheit gleich anfangs gnädigst beschlossen das Collegium 
Carolinum mit einer genugsamen anzahl tüchtiger und geschickter s 
lehrer, als auf welche es bei solchen anstalten vornehmlich an- 
kömmt, zu besetzen, und auch wirklich zur unterweisung der 
sich schon häufig meldenden studiosorum nicht nur in allen in 
der vorläufigen nachricht namentlich berührten, sondern auch 
in noch mehrern sprachen, wissenschaften und künsten bereits 10 
unter höchstannehmlichen bedingungen solche männer berufen 
und ernannt, von deren fähigkeit, treue und fleiße man alles 
dasjenige, was man sich von jedem besonders verspricht, zuver- 
läßig wird erwarten können. 

Es muß, wie unserm durchlauchtigsten Herzog zu gnädigstem ıs 
gefallen, so dem Collegio Carolino nothwendig zu besonderem 
vortheil gereichen, daß ausser den ordentlichen, hernach zu be- 
nennenden professoribus auf Ihro Durchlauchten gnädigstes ge- 
sinnen einige von dero übrigen bedienten sich in unterthänigstem 
gehorsam willig erkläret haben, bey ihren anderweitigen ver- » 
schiedenen amtsgeschäften dennoch den im Carolino studirenden 
einige zeit zu wiedmen und die erkenntniß derselben durch 
ihren unterricht zu befördern. Denn gleichwie die beyden hie- 
selbst wohnhaften herren curatores, der herr hofrath Erath und 
der herr superintendent D. Köcher, um ihre begierde dem Collegio 3; 
Carolino nützlich zu seyn desto werkthätiger darzulegen, sich 
unterthänigst hierzu bereit finden lassen: so haben auch der von 
Gandersheim hieher berufene herr probst und generalschulinspector 
Harenberg, der herr land-commissarius Morgenstern und der 
herr magisterRitmeyer, pastor an der hiesigen Andreaskirche und » 
superintendent der inspection Campen, gleichfals ihre bemühungen 
mit den übrigen vereiniget und etliche ausserordentliche stunden 
zu gedachtem zweck unterthänigst übernommen. Wie weit aber 
und worauf eigentlich die beschäftigungen derselben sich erstrecken 
werden, solches wird aus der nähern bestimmung der lectionen 3 
deutlicher abzunehmen seyn. 

Wir werden hierbey die natürlichste ordnung beobachten 
und von den sprachen zu den wissenschaften hinauf steigen, 
auch bey jedem collegio den endzweck und dieart und weise, 
wozu und wie es gelesen werden soll, umständlich anführen. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 84 231 


Hiernächst werden wir der künste und leibesübungen, in 
welchen es hier die jugend zu einer fertigkeit bringen kann, nach 
ihrem umfange gedenken, und endlich mit einigen allgemeinen 
erinnerungen den schluß machen. 

5 Ob es gleich bedürfenden falls an der anleitung zu den vornehm- 
sten morgenländischen sprachen hier nicht fehlen möchte: 
so wird man doch nach maßgebung unserer allgemeinen ver- 
fassung den fleiß in den öffentlichen lehrstunden nur auf die 
hebräische einschränken. Es müssen aber diejenigen, welche diese 

ıo stunden besuchen wollen, des lesens, der paradigmatum, der 
nöthigsten theile der sprachlehre und insonderheit des analysirens 
bereits kundig seyn. Denn man wird mit ihnen erstlich einige 
kürzere und leichtere schriften, als das erste buch Mosis, das 
buch Ruth etc., nachmals aber auch einige längere und schwerere 

ıs bücher aus dem alten testamente nur cursorie lesen, solche aber 
doch mit den nöthigsten philologischen und grammatikalischen 
anmerkungen zu erläutern nicht ermangeln. Zu dieser übung 
sind wöchentlich zwo stunden ausgesetzt, welche man auch dazu 
hinlänglich zu seyn glaubet; und es ist diese lection dem herrn 

30 profess. extraordin. Blancken aufgetragen worden. 

In ansehung der griechischen sprache wird gleichfals er- 
fordert, daß die zuhörer die grammatik ziemlich inne haben, und 
dazu das neue testament, wie auch die leichtesten profanscriben- 
ten für sich lesen können. Die öffentlichen zu dieser sprache 

3 wöchentlich bestimmten sechs stunden sollen so angewandt werden, 
daß man mit denen, welche sich auf diese so nützliche als an- 
genehme sprache legen, in zwo stunden einige von den vitis 
parallelis des Plutarchi oder zur abwechselung des Xenophontis 
Cyropaediam oder dessen Oeconomicum, imgleichen einige dialogos 

»0 des Luciani, und in andern zwo stunden einen griechischen poeten 
dergestalt durchgehet, daß sowohl die schönheit der sprache und 
gedanken, als auch die darinn etwa vorkommende fehler, und 
überhaupt die starke und schwache seite eines jeglichen schrift- 
stellers gezeiget, und insonderheit die in dessen schriften liegende 

» oder daraus zum nutzen der jugend herzuleitende wahrheiten 
bemerkt und zum möglichen gebrauch angepriesen werden. Es 
sind auch zu dem ende die nutzbarsten und schönsten vitae 
parallelae aus dem Plutarch ausgesucht und nach einer der besten 
ausgaben zum saubern und richtigen abdrucke bestimmt, auch 

40 bereits zu Helmstedt unter die presse gegeben worden; wie denn 


292 Monumenta Germanise paedagogica 1 


mit der zeit wohl mehrere dergleichen bücher in usum Collegii 
Carolini gedruckt werden dürften. In den übrigen beyden stunden 
dieses Collegii sollen die griechischen auctores auf eben die art, 
wie hernach von den lateinischen und deutschen gesagt wird, 
recensiret werden, worzu des hrn. von Einem auszug aus F'abricii 5 
Biblioth. Graeca gebrauchet werden wird. Diese lectiones wird 
der hr. probst Harenberg besorgen. 

Was die lateinische sprache betrift, so ist schon in der 
vorläufigen nachricht erinnert worden, daß alle diejenigen, welche 
diesen stunden beywohnen wollen, gedachter sprache in soweit 10 
mächtig seyn müssen, daß sie die darinn geschriebene bücher 
ohne merklichen anstoß lesen und ihre eigene gedanken in der- 
selben ausdrücken können. Man wird sich also in den vorlesungen 
des Collegii nicht bey einer blossen worterklärung der auctorum 
allein aufhalten, ob man gleich nicht unterlassen wird, durch ıs 
nöthige untersuchung und bestimmung der bedeutungen sonder- 
lich schwerer und selten vorkommender wörter und redensarten, 
mit bemerkung des zusammenhangs und der parallelstellen, auch 
anführung aller zum aufschlusse des verstandes erforderlichen 
umstände, die eigentlichen begriffe der schriftsteller zu entwickeln; » 
sondern man wird nach einer jedesmal beygebrachten möglichst 
genauen, richtigen und zierlichen übersetzung und erklärung ein- 
zeler, sowol kleinerer als grösserer abschnitte die gedanken, deren 
verbindung und ordnung und die besondere art des vortrags und 
ausdrucks eines auctoris beurtheilen, und was in demselben voll- ss 
kommen oder fehlerfrei, wahr oder falsch, nachahmungswürdig 
oder verwerflich ist, nach den regeln einer gesunden critik und 
nach der anleitung der kenner des guten geschmacks getreulich 
anzeigen und keine mittel verabsäumen, der jugend diesen guten 
geschmack beyzubringen, ihr die lateinische sprache und die » 
schönen wissenschaften beliebter, und die edlen geister des alter- 
thums, welche sie uns in ihren schriften erhalten haben, in den 
stücken, wo sie es verdienen, immer schätzbarer und verehrungs- 
würdiger zu machen. Der verewigte Cicero hat hier vor allen 
andern den vorzug. Wir werden also unsern studiosis seine s 
schriften zu allererst in die hände geben und ihnen seine orationes 
pro Archia, pro Milone und pro lege Manilia zu gedachtem zwecke 
und auf vorbeschriebene weise erklären. Weiterhin werden wir 
uns auch an mehrere zu unsern absichten bequeme schriften 
dieses unvergleichlichen Römers und anderer bewährten lateinischen « 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 233 


auctorum machen, und könnte hiernächst das vom herrn prof. 
Gesner herausgegebene Enchiridion sive prudentia privata ac 
civilis 2c. dazu erwehlet werden. Man hat diesem collegio zweene 
tage in der woche und jedem tag eine stunde gewidmet. In 

s andern zween tagen wird der Virgil auf eben die art gelesen, und 
noch andere zween tage werden zur recension und beurtheilung 
der sämtlichen alten lateinischen schriftsteller genommen, so daß 
dieselben nach den verschiedenen arten zu schreiben in gewisse 
classen, und alsdann deren stärke und schwäche, zierde und mängel, 

ıo nebst dem besondern unterscheidungscharakter und den nöthigen 
lebensumständen eines jeglichen zu unserer zuhörer wissenschaft 
gebracht werden. Es wird dieses alles eine arbeit des hrn. prof. 
Reichards seyn, und er wird Walchii historiam criticam Latinae 
linguse oder auch, wofern eine genugsame anzahl exemplarien zu 

ıs haben sind, Borrichii conspectum autorum latinorum dabey zum 
grunde legen. 

Der vermünftigste theil unserer landesleute gesteht es uns 
ohne beweis zu, daß die deutsche sprache einer mehrern cultur 
so würdig als bedürftig sey. Man siehet es in unsern tagen bey 

» einem Deutschen, er sey von welchem stande und range er wolle, 
nicht nur für eine bloße zierde, sondern auch für eine wirkliche 
vollkommenheit an, wenn er mit seiner muttersprache etwas besser 
bekannt ist als der gemeine haufe. Es wird also wol keiner 
weitern rechtfertigung brauchen, wenn wir nach der weisesten 

3; verfügung Ihro Durchlauchten unseres gnädigsten Herzogs in dem 
Collegio Carolino auch besonders auf die verbesserung und übung 
unserer muttersprache zeit und fleiß wenden und der uns anver- 
trauten jugend mit einer solchen handleitung zu hülfe kommen, 
daß sie in derselben sich richtig, rein, ordentlich, zierlich und 

» nachdrücklich auszudrucken vermögend werde. Man vermeinet 
diesen. endzweck bey den mehresten dadurch zu erreichen, wenn 
man ihnen in den ersten beyden tagen der woche eine vernünftige 
anweisung zur deutschen sprache, die sich so gut als irgend eine 
andere in regeln fassen läßt, zu geben sich bemühet, mittwochens 

3 und sonnabends aber ihnen durch anhörung der recension, auch 
wirkliche vorlegung der neuesten und berühmtesten deutschen 
bücher gelegenheit verschafft, ihre kenntniß derselben zu ver- 
mehren, auch wie solche mit nutzen zu lesen, zu gebrauchen und 
nschzuahmen seyn, sie treulich belehret und endlich, um sie durch 

# den reichthum, durch die pracht, vortrefllichkeit und hoheit der 





234 Monumente Germanise paedagogice I 


sprache zu einer desto grössern liebe und verehrung derselben 
zu reizen, an den übrigen beyden tagen einen der besten poeten 
mit ihnen durchlißt. Und wie leicht wird es nicht seyn hiebey 
allerhand dienliche, die sprach-, rede- und dichtkunst betreffende 
anmerkungen mit einzustreuen und dadurch die übungen in ders 
beredsamkeit und poesie zu fördern! Bey erwegung der frage, 
welchen poeten man hier wol fürs erste als einen auctorem classi- 
cum gebrauchen könne, ist die wahl, jedoch ohne ausschliessung 
des Opitz, des herrn von Canitz, des herrn von Hagedorn und 
anderer berühmten dichter, auf den herrn hofrath und doctor ı0 
Haller gefallen, und in ansehung der sprachlehre hat man für 
gut befunden, auf Bödickers grundsätze der deutschen sprache, in 
so weit solche von der vernunft und dem gebrauch zu reden 
unterstützt werden, so lange zu bauen, bis eine bessere und voll- 
ständigere deutsche grammatik zum vorschein kömmt, oder bis der ı> 
herr professor Reichard, dem alle diese lectiones zugetheilet 
worden, zeit gewinnt, selbst einen entwurf einer deutschen sprach- 
kunst dem drucke zu übergeben. 

Herr Randon wird als bestellter lehrer der französischen 
sprache erstlich den geschicktern und im französischen schon » 
etwas geübtern täglich eine stunde wiedmen und zur vermehrung 
ihrer fertigkeit in den beyden ersten tagen der woche die lettres 
de Richelet, donnerstags und freytags die Henriade des herrn 
von Voltaire oder auch einige meisterstücke des Boilesu erklären, 
mittwochens und sonnabends aber die besten französischen auctores 35 
recensiren und bey dieser arbeit, eben so wie oben bey den latei- 
nischen schriftstellern erwehnet worden, verfahren; hingegen 
zweytens denjenigen, welche wegen der ihnen mangelnden kennt- 
niß der grammatik und übung im reden und schreiben dem itzt- 
gedachten collegio nicht mit vortheil würden beywohnen können, w 
täglich zwo stunden die grundsätze und regeln der französischen 
sprache vortragen und einschärfen. Ausserdem wird derselbe 
auch allezeit willig seyn, dem verlangen eines jeden, der entweder 
allein oder in gesellschaft mit andern weitere und besondere 
unterweisung fordert, eine genüge zu thun. 35 

Zur erlernung der englischen und italiänischen sprache 
ist gleichfals die schönste gelegenheit vorhanden, und wird man, so 
oft sich nur unter den jungen leuten eine anzahl lehrbegieriger 
liebhaber darzu anfindet, für deren hinlänglichen unterricht ge- 
bührend sorgen. “0 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 84 235 





Nun führet uns die ordnung auf die wissenschaften, und zwar 
zuförderst auf die beredsamkeit. Diese mag hier füglich zwi- 
schen den sprachen und den übrigen wissenschaften ihren platz 
einnehmen, weil sie sowol von dieser als jener seite vorschub, 

s stärke, schmuck und ansehn erhält. In den dazu bestimmten 
stunden erachtet man die gegebenen regeln mit einer beständigen 
übung zu verknüpfen um so viel nöthiger, je unmöglicher es ist, 
ohne sorgfältige und fleißige anwendung des wissens und ohne 
öftere versuche in diesem theile der gelehrsamkeit es zu einiger 

ıo vollkommenheit zu bringen. Dem zu folge wird der herr profes- 
sor Reichard, als welchem dieses geschäfte oblieget, des montags 
die regeln der redekunst nach anleitung der von dem berühmten 
hrn. prof. Gesner entworfenen Primarum linearum artis oratoriae, 
oder dereinst g. g. nach einem zum gebrauch des Collegii Caro- 
ıs lini herauszugebenden grundrisse der redekunst jedesmal binnen 
jahresfrist alle montage vortragen und erläutern, nach solchen 
seinen zuhörern briefe, erzehlungen, beschreibungen, gespräche, 
reden und andere übungen der beredsamkeit aufgeben, welche sie 
so wol in lateinischer als deutscher sprache, und so wol in ge- 

30 bundener als ungebundener rede ausarbeiten sollen. Er empfängt 
dieselben fertig und leserlich abgeschrieben des donnerstags von 
ihnen zurück, siehet sie sodann fleißig durch, zeichnet die fehler 
der gedanken, der schreibart, des ausdrucks und der rechtschreibung 
auf, stellet die verbesserten aufsätze den verfassern des sonnabends 

3; wieder zu und macht ihnen das verzeichniß der begangenen fehler, 
doch ohne benennung eines namens, mit anzeige der verbesserungen 
zum gemeinschaftlichen nutzen bekannt, läßt auch wohl die am 
besten gerathenen ausarbeitungen von ihren urhebern zu ihrer 
eigenen aufmunterung und zur anspornung der übrigen öffentlich 

3o herlesen und nimt dabey gelegenheit, wegen der stimme und aus- 
sprache das nöthige zu erinnern. Außer diesen und andern 
ausserordentlichen übungen der beredsamkeit müssen auch die 
studiosi zum öftern im disputiren ihre kräfte versuchen und da- 
durch ihre fähigkeit im denken und reden vermehren; wie 

»; denn das ihrige hierzu beyzutragen und zu gewissen zeiten solche 
disputationsübungen anzustellen alle und jede professores des 
Collegii Carolini vermöge ihrer besondern instruction verbunden 
sind. 

Wenn sich bey allen diesen lectionen nur irgend einige bequeme 

1 zeit für die hebräischen alterthümer besonders ausmachen läßt, 


236 Monumenta Germanise paedagogica I 


so werden solche von dem herrn probst Harenberg zweymal 
in der woche nach anleitung des compendii des herrn D. Ikens 
oder des herrn Höpfners erläutert werden, andernfalls wird man 
dieselben in dem obangeführten collegio Hebraico cursorio mit- 
nehmen und diesem alsdann etwas weitere grenzen setzen. 5 

Die antiquitates Graecas, und zwar sacras und profanas 
zusammen genommen, wird der herr professor extraord. M. Heu- 
mann jede woche zwo stunden erklären und sich dabey des com- 
pendii des herrn Höpfners als eines Handbuchs bedienen. 

Bey erklärung der römischen alterthümer wird man sein ı0 
augenmerk vornemlich auf diejenigen richten, welche in die er- 
kenntniß der rechte ihren einfluß haben. Es wird daher der herr 
Greiner aus Heineccii syntagmate antiquitt. Rom. einen brauch- 
baren auszug machen und sich mit erläuterung desselben wöchent- 
lich zwo stunden beschäftigen, auch diese arbeit alle halbe jahr ıs 
mit der historia iuris abwechseln. 

Weil man die geographie, in soweit sie nur die grösse der 
länder, deren abtheilungen, grenzen, flüsse, städte etc. betrachtet, wie 
auch selbst die genealogie und heraldik als einzele trockene wis- 
senschaften für die absichten bey diesen anstalten nicht fruchtbar » 
genug zu seyn glaubet: so wird im Collegio Carolino über alle 
diese dinge mit beyfügung dessen, was aus der mathematik, aus 
der physik und andern wissenschaften nöthig ist, ein collegium 
unter dem namen der staatsgeographie gelesen, und bey jegli- 
chem lande dessen von natur oder durch menschliches beythun er- 25 
haltener vortheil,schwäche, regierungsart, oberherr etc. bemerkt, und 
alles dasjenige, was man sonst in die collegia über die staaten 
zu bringen pfleget, dahin gezogen werden. Zur grundlegung 
hierzu dürfte mit der zeit wol ein eigenes werk gedruckt und 
eingeführet werden. Fürerst und bis dahin wird man des herrn » 
prof. Köhlers entwurf über den gegenwärtigen zustand Europens 
mit herrn Schatzens Atlante Hommanniano illustrato verbinden 
und die nöthigen sachen hinzufügen, auch gehörigen orts aus den 
zuverläßigsten reisebeschreibungen und andern nachrichten das 
dienlichste anführen, ja nach den umständen der zuhörer auch über s 
das ceremonielwesen und über die staatszeitungen nöthige 
anmerkungen machen und also den von diesem collegio gemach- 
ten begriff bestermassen befolgen. Diese arbeit hat der herr 
propst Harenberg übernommen. Er wird ein halbes jahr und 
wöchentlich vier stunden darauf wenden. “0 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 237 


—— 





— 








Die universalhistorie wird herr prof. Schrodt nach Eßigs 
compendio vortragen, in diesem vortrage sich aber vornehmlich 
bey denjenigen geschichten verweilen, welche überhaupt zu wissen 
dienen und in verschiedenen ständen nutzen schaffen. Man glaubt, 

s daß hierzu ein ganzes jahr hindurch täglich, ausser mittwochens 
und sonnabends, eine stunde hinreichend seyn dürfte. 

Eben eine so lange zeit und wöchentlich eben so viele stunden 
hat man der kirchenhistorie gewidmet. Zum lehrer derselben 
ist der herr probst Harenberg erwehlet, und dieser wird die- 

ıo selbe, weil man hoffnung hat, daß der herr abt Mosheim näch- 
stens einen nach den absichten des Collegii Carolini eingerichte- 
ten entwurf der kirchenhistorie heraus geben werde, fürerst über 
eben desselben Institutiones historiae ecclesiasticae lesen, dabey 
aber stets vor augen haben, daß er sie nicht bloß für künftige 

ıs theologos lese, folglich vieles übergehen, vieles hingegen umständ- 
licher ausführen. 

Des herrn hofrath Schmaus compendium wird das handbuch 
in dem collegio über die reichshistorie seyn, welches der herr 
hofrath Erath montags und dienstags eine stunde lesen wird, wie- 

so wol demnächst mehrere stunden darzu werden genommen werden. 
Bey solcher einschränkung wird man daher nur diejenigen materien, 
welche im staatsrechte ihren nutzen haben, hauptsächlich berüh- 
ren, aber dabey die scriptores coaevos oder aetati proximos und 
nach beschaffenheit der zeiten pragmaticos mit bekannt zu machen, 
ss auch allemal die verbindungen und verhältniße, in welchen im 
jeglichen periodo des Reichs haupt und glieder unter sich ge- 
standen, und dieses auch insonderheit in absicht auf die herzog]. 
Braunschweig-Lüneburgischen lande anzuzeigen unverges- 
sen seyn. Man gibt bey dieser gelegenheit die zuverläßige versiche- 
„rung, daß, sobald die umstände der zuhörer es erfordern, auch auf 
die historie der königlichen, chur- und fürstl. häuser und 
auf alle der historie beyräthige hülfswissenschaften, insonderheit 
auf die münzwissenschaft, alles ernstes gedacht werden soll. 
Auch die historie der gelahrtheit, welche der hr. prof. Rei- 
ss chard über des hrn. D. Heumanns conspectum reip.litterar. wöchent- 
lich zwo stunden lesen wird und worauf also wohl ein völliges 
jahr gerechnet werden muß, wird auf eine solche art vorgetragen 
werden, daß die zuhörer nebst dem vergnügen, welches die ge- 
lehrtenhistorie mit sich führet, auch einen wahren nutzen davon 
u haben. 


238 Monumenta Germaniae paedagogica 


Die philosophie wird der herr professor M. Fabricius nach 
seinem eigenen entwurfe öffentlich lehren, und zwar so, daß er 
bey einem jeden theile der weltweisheit aus der historie derselben 
dasjenige mit anführet, was zu gründlicher erkentniß der philo- 
sophischen wissenschaften einige besondere hülfe leisten kann. > 
Es soll auch dieses collegium, welches, wöchentlich vier stunden 
gerechnet, ein ganzes jahr erfordert, so eingerichtet und in zween 
hauptabsätze dergestalt abgetheilet werden, daß diejenigen, welche 
im zweyten halben jahre anfangen dasselbe zu hören, ohne ihren 
wirklichen schaden nachkommen und das versäumte annoch in w 
der ersten hälfte des folgenden jahrs einbringen können. 

Mathematik und physik sind der eigentliche vorwurf der 
bemühungen des herrn professoris Oeder. Auf die vorlesungen 
der mathematischen wissenschaften, die algebra mit einge- 
schlossen, wird derselbe wöchentlich in zwey unterschiedenen col- 
legiis acht stunden wenden und dabey sowol des herrn canzler 
Wolfs auszug aus den anfangsgründen der mathematik als auch des 
hrn. prof. Segners elementa arithmet. et geometr. zum grunde legen, 
auch dieselben alle jahr zu ende bringen. Bei der physik, deren 
nutzbarkeit einen eben so langen zeitraum zu ihrem vortrage » 
erheischet, wird er diese methode erwehlen, daß er die grundsätze 
derselben, welche er in vier stunden der woche seinen zuhörern 
nach anleitung und ordnung der Wolfischen hieher gehörigen 
lehrbücher theoretisch erkläret, in zwo andern stunden mittwochens 
und sonnabends durch angestellte versuche bestätiget und mithin »: 
begreiflicher und annehmlicher macht; wie man denn überhaupt 
hiebey noch erinnert, daß auch diejenigen, welche nicht eigentlich 
studiren, sondern sich zu andern ständen und lebensarten zube- 
reiten lassen wollen, in diesen mathematischen und physicalischen 
collegiis grossen nutzen finden und aus eben dem grunde mit » 
dazu eingeladen werden: indem durchgängig die lehrsätze mit 
practischen exempeln erläutert und die möglichkeit der anwen- 
dung derselben im gemeinen leben dargethan, insonderheit bey 
der mechanik und physik derjenigen theoretischen wahrheiten 
und practischen anwendungen, die in die verbesserung der landes- » 
anstalten, der policey, des kriegshandwerks, der handlung, der 
öconomischen stadt- und landnahrungsgeschäfte 2c. den nähesten 
und grösten einfluß haben, solchergestalt erwehnung geschehen 
soll, daß diese collegia als eine vorbereitung und grundiegung 
zu den demnächst, sobald die umstände der auditorum es ver- « 


[7 
„es 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 239 


statten, ohnfehlbar zu lehrenden cameral- und policeywissenschaften 
angesehen werden können. Zu diesen itzt gedachten vorlesungen 
über die cameral- und policeywissenschaften wird man hie- 
selbst: zum theil eigene theses aufsetzen und drucken lassen, übrigens 
s aber herrn D. Zinks entwurf gebrauchen. Hierzu kömmt noch, daß 
es unsern anvertrauten jungen leuten in der bürgerlichen so 
wol als in der kriegs-baukunst um so weniger un einer recht 
ersprießlichen anleitung fehlen wird, als die chefs der artillerie 
und des baudepartements bereits angewiesen und auch willig 
ıo sind, diejenigen unter denselben, welchen die herrn curatores 
es zuträglich finden, nicht nur zu einer lebendigen und prac- 
tischen einsicht der civil- und militairarchitectur, sondern 
auch selbst zu dieser und jener dabey vorfallenden arbeit, die 
ihnen in ihren übrigen studiis keine hinderung verursachet, im 
ı5 beyseyn eines hofmeisters liebreich und unverdrossen anzuführen. 
Eines ganz besondern und beträchtlichen vortheils werden 
sich unter denen welche unser Carolinum besuchen diejenigen zu 
erfreuen haben, welche sich der kaufmannschaft wiedmen wollen. 
Denn es wird der fürstliche buchhalter herr Bachmeyer wöchent- 
» lich zwo stunden zu dem italiänischen buchhalten anweisung 
geben. Und wenn sich, wie man hoffet und wünschet, liebhaber 
finden, so wird man die in den neuern zeiten zum besten der 
handlung und der menschlichen gesellschafft excolirten neuen 
arten zu rechnen insonderheit nach der methode des hiesigen, 
s in diesen wissenschaften erfahrnen und bekannten fürstl. com- 
missarii herrn Graumanns vortragen und die möglichste vorbe- 
reitung machen lassen, daß demnächst die grundsätze der 
kaufmannschaft selbst im zusammenhange und mit nutzen 
abgehandelt werden können. 
so Gleichwie auch zum zeichnen, malen und den damit ver- 
wandten künsten eine kenntniß der mathematik unentbehrlich 
ist: also wird hingegen der mathematik bey uns auch dadurch 
freundschaftlich die hand geboten und die erlernung derselben 
merklich befördert werden, wenn die jugend sich mit gedachten 
ss schönen nnd nützlichen künsten näher bekannt zu machen und 
sich darinn zu üben hieselbst gelegenheit findet. Und man hat 
deswegen hierzu bereits alle bestmöglichste verfügung getroffen. 
Es wird nämlich der über die fürstl. gallerie zu Salzthalum gesetzte 
intendant zum zeichnen, zur malerey, zur sculptur und den 
«0 dahin gehörigen wissenschaften die erwünschteste anleitung geben; 


240 Monumenta Germanise paedagogica I 


und da der dazu ausersehen gewesene intendant Harms jüngsthin 
gestorben ist, so ist man bey itziger vacanz im begriff einen 
tüchtigen mann wiederum zu berufen, inzwischen aber alles das- 
jenige, was zu einer academie de peinture und sculpture erforder- 
lich ist, herbeyzuschaffen und es dahin zu bringen, daß nicht s 
nur die theoretischen regeln desschönen, sondern auch von solchen 
die vorhandenen exempel in der fürstl. gallerie, wo die jungen 
leute gelegentlich werden hingeführet werden, durch den augen- 
schein gezeiget und also die urtheilskraft und der geschmack der 
lernenden auch in diesen dingen richtiger und feiner gemacht ıo 
werden können; wie denn auch, sobald die nöthige zubereitung der 
zimmer es erlaubt, nebst der bibliothek das naturalien- undma- 
thematische cabinet wird aufgestellet und ein methodischer 
modellsaal angeleget und bereichert werden, als zu welchem letz- 
tern des Herzogs Durchl. einen eigenen fond gesetzt haben, ıs 
wovon alle geräthschaften und maschinen vom hebel bis zu den 
grössesten zusammensetzungen hinaus unter direction des herrn 
landbaumeisters Peltier de Belfond in modelle gebracht werden 
sollen, so daß man in diesem stücke mit der zeit etwas voll- 
kommenes versprechen kann. Es wird von allen diesen anstalten » 
und einrichtungen zu seiner zeit eine beschreibung mitgetheilet 
werden. 

Sofern die medicin in einigen ihrer theile zur erreichung 
der guten absichten des Collegii Carolini behülflich seyn kann, 
wird dieselbe aus dem umfange und den hörsäälen desselben sich 2s 
nicht ausgeschlossen sehen. Der herr D. und professor Witt wird 
überden bau des menschlichen körpers und über diemateriam 
medicam täglich zwo stunden öffentliche vorlesungen anstellen. 
Im betracht der botanik kömmt uns der garten zu statten, der 
bey hiesiger rathsapothecke liegt und hierzu in gehörigen stand so 
gebracht werden soll. Zur erbauung eines theatri anatomici, auch 
anschaffung verschiedener praeparatorum, ist gleichfals die ge- 
wisseste hoffnung vorhanden. 

Dierechtsgelahrheit betreffend, so wird der herr landcommis- 
sarius und licentiat Morgenstern vier stunden in der woche über ss 
BHeineccii elementa iuris civilis secundum ordinem institut. lesen und 
diehauptlehrendesrömischen rechtsdergestalt vorzutragenlkuchen 
daß seine zuhörer von den eigentlichen grundsätzen und schlüssen 
der römischen rechtslehrer deutliche begriffe bekommen, auch so 
viel möglich das wahre lehrgebäude der römischen jurisprudenz « 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 241 


nach den verschiedenen veränderungen, so sich darinn ereignet, 
erkennen und von den angenommenen sätzen der ausleger unter- 
scheiden lernen. Zugleich wird er bey den materien, welche er 
in dem römischen rechte abgehandelt, aus eben des vorbelobten 
s Heineccii elementis iuris Germanici seinen zuhörern von den 
deutschenrechten und gewohnheiten einen vorschmack geben 
und also diese, in so fern es rathsam ist, mit jenen verknüpfen. 
Das recht der natur wird im cursu philosophico gelehret. 
Der geoffenbarten theologie desto besser bahn und den 
ıo vortrag derselben desto kräftiger und fruchtbarer zu machen, wird 
man derselbigen die natürliche gottesgelahrheit voran- 
schicken. Und es wird zu dem ende der herr superintendent und D. 
Köcher über die lehre von der wahrheit der christlichen religion, 
welche er in kurzen sätzen zu entwerfen und dem drucke zu über- 
ıs geben willens ist, wöchentlich zwo stunden lesen und diese wichtige 
lehre in ihr hellestes licht setzen und aufs fleißigste einschärfen. 
Auf diesen grund wird der herr superintendent Ritmeyer in 
den drey stunden, in welchen er wöchentlich nach hern. Starkens 
einleitung die theologiam theticam im zusammenhange vorzutragen 
» übernommen hat, unter Gottes segen fortbauen. Er wird sich 
aber beständig dabey erinnern, daß er nicht lauter künftige gottes- 
gelehrte vor sich hat, und sich daher bestreben bey jedem lehr- 
und glaubenspuncte auch die moral solchergestalt mitzunehmen, 
daß die wahrheiten, welche die vernunft ohne hülfe der offen- 
as barung erkennet, und diejenigen, worin die offenbarung der ver- 
nunft zu hülfe kömmt oder die der vernunft ohne offenbarung 
ganz verborgen bleiben würden, deutlich auseinander gesetzt, die 
vorzüge und der werth der letzteren vor den erstern gezeiget und 
die nöthigen lebenspflichten daraus hergeleitet, und also unsere 
30 untergebene zu einer wahren und lebendigen erkenntniß Gottes 
gebracht werden. Man wird auch auf verfertigung und heraus- 
gebung eines lehrbuchs gedenken, welches zu diesem gebrauche 
eigentlich bequem ist. 
Man darf gar nicht befürchten, daß unsere jugend durch 
3 eine solche menge so verschiedener lectionen überhäuft und da- 
durch der wahre nutzen derselben vereitelt werden möchte. Denn 
einmal dürfen solche nicht insgesamt von allen und jeden zu 
gleicher zeit besucht und abgewartet werden, ob es gleich ins- 
gesamt lectiones publicae sind, und hiernächst sind dieselben in 
+0 verschiedene hörsääle und so ordentlich vertheilt und werden 


Schulordnungen der Btadt Braunschweig 16 


242 Monumenta Germaniae paedagogica I 


einem jeden nach seinen besondern endzwecken dergestalt ange- 
wiesen, daß keine die andere behindert, verdrenget oder aufhebet, 
und dennoch die studiosi noch zeit und gelegenheit genug übrig 
behalten, beliebige und standesmäßige exercitia zu treiben und 
auch die ihnen verstattete recreationsstunden nicht ohne nutzen 5 
zuzubringen, indem nemlich alle mittwochen und sonnabend einer 
der professorum in dem theile der gelehrsamkeit, welchen er do- 
ciret, auf der bibliothek des Collegii Carolini ihnen die besten 
bücher zeigen wird, und sie gelegentlich in begleitung ihrer hof- 
meister sich in den hiesigen fabriquen und andern öffentlichen ıo 
merkwürdigen anstalten und gebäuden umsehen, auf die in der 
vorläufigen nachricht erwähnte art gesellschaften besuchen und 
andere erlaubte ergetzungen geniessen werden. 

Im reiten wird der fürstl. oberbereiter herr Meinersen 
anweisung ertheilen. 15 

Im tanzen wird der fürstl. balletmeister herr Jaime, und im 
fechten der fechtmeister herr Weymer lection geben. 

Zum drechseln ist eine der künstlichsten und vollkommen- 
sten drechselmaschinen, auch zum glasschleifen das benöthigte 
werkzeug im Carolino angeschaft worden. 20 

Sollten einige in der vocal- und instrumentalmusik an- 
leitung brauchen und verlangen, so wird es ihnen auch dazu bey den 
bereits vorgekehrten anstalten hier niemals an guter gelegenheit 
und an geschikten lehrern mangeln. Wie denn überhaupt eltern, 
angehörige und vormünder den curatoribus des Collegii Carolini s; 
nur melden dürfen, was sie wünschen daß die ihrigen vorzüglich 
lernen sollen: so soll ihrem verlangen, so viel nur immer möglich 
und ohne nachtheil unserer allgemeinen verfassung thunlich ist, 
gerne gewillfahret werden. 

Zum beschluß ersuchen wir unsere geneigte leser sich nicht » 
zu überreden, als ob dieses alles sey, was wir zu lehren und zum 
besten der jugend unseres orts beyzutragen gedenken. Wir haben 
hier vielmehr nur dasjenige benamt, was man bey ausführung 
des grossen planes unseres Carolini bey dessen anfange zum grunde 
geleget hat. So bald nur die gebäude, deren aufführung zeit er- » 
fordert, und die anzahl, fassung und umstände unserer auditorum 
es irgend zulassen, wird man alles, was in der vorläufigen nach- 
richt versprochen worden, immer weiter und weiter ausführen, wie 
die fernere nachrichten, deren nächstens eine im druck erscheinen 
wird, und unsere folgenden lectionsverzeichnisse, dergleichen wir « 


® 
Schulordnungen der Stadt Braunschweig 84 243 


alle halbe jahr herausgeben wollen, und endlich die einrichtungen 
selbst in der that zeigen werden. Alle oben beschriebene collegia 
aber werden ordentlich und eigentlich auf bevorstehende Michaelis 
ihren anfang nehmen, inzwischen und bis dahin hat man der 
s bereits anwesenden jugend alle tage in der woche sechs stunden 
ausgemacht, in welchen man sie theils wirklich in den angezeigten 
studien, sprachen und wissenschaften unterrichtet, theils dazu 
solchergestalt vorbereitet, daß sie vor den andern eines besondern 
vortheils theilhaftig, diejenigen aber, welche gegen und auf 
ıo Michaelis sich immatriculiren lassen, gar nicht gefährdet werden, 
weil man auch nöthigen fals verschiedenes privatim mit den- 
selben nachholen und überhaupt so einrichten wird, daB sie mit 
den übrigen zugleich fortkommen, alle und jede aber ihre zeit 
so anwenden können, daß sie keiner einzigen hier zugebrachten 
ıs stunde dereinst gereuen dürfe. 


H 
KURZGEFASSTE PUNCTE 
DIE AUFNAHME IN DAS COLLEGIUM CAROLINUM 
BETREFFEND. 
20 1746. 


I 


Unter 13 oder 14 jahren, und bevor jemand bereits zum ge- 
brauche des heiligen abendmals gelassen, wird niemand, ohne in 
ganz besondern fällen, ins Collegium Carolinum aufgenommen. 


35 II 


Man setzt bey den ankommenden die in den vorigen nach- 
richten erforderte fähigkeit und eigenschaften voraus. Fehlet es 
nun einigen an dem nöthigen grund in der lateinischen sprache, 
so wird es ihnen zwar an den erforderlichen anweisungen dazu 

so nicht ermangeln. Allein, da nach der einrichtung des Collegii 
dergleichen anfangsgründe darinnen nicht mehr getrieben werden, 
so müssen sie sich auch gefallen lassen diesen unterricht beson- 
ders zu bezahlen, und können es also dem Collegio nicht zur 
last legen, wenn ihr aufwand um so viel grösser ist. 
16* 


244 Monuments Germanise paedagogica I 


HI 


Die aufnahme geschiehet unter der bedingung, daß sich ein 
jeder den gemachten ordnungen unweigerlich und völlig unter- 
werfe. 

IV 5 

Für die angezeigten 100 thlr., die jährlich entrichtet werden 
und wobey es ein für allemal verbleibet, hat jeder im Collegio 
oder den damit combinirten häusern, worunter, auch deren zimmern, 
kein unterschied gemacht wird, 

1) die wohnung, als a) eine stube mit zwey tischen, ı 
vier stühlen, spiegel, fenstergardinen, waschbecken, 
leuchter, und b) eine cammer oder alcoven mit kleider- 
und bücherschrank und behangener bettstelle; 

2) feurung und licht; 

3) die nöthige aufwartung; 15 

4) den tisch, mittags vier essen und des abends ein 
butterbrod; 

5) die ordentliche unterweisung, nemlich in allen 
denen collegiis, welche nach der anzeige der vor- 
lesungen gehalten werden, und bewandten umständen » 
nach auch im englischen und italiänischen. 

6) die aufsicht der hofmeister, mit welcher die 
repetition der collegiorum verknüpft ist, und im übri- 
gen die besondere aufmerksamkeit auf die conduite 
und das studiren. 25 


Y 


Es stehet jedem frey,: ob er nur die collegia nach deın 
dieserhalb gesetzten preise allein besuchen und auswerts wohnen, 
auch essen, oder, nebst der ordentlichen unterweisung, auch ins 
Collegium Carolinum ziehen, aber auswerts speisen, oder infor- 0 
mation, wobnung und die jedesmal damit verknüpfte aufsicht 
der hofmeister und bekostigung zusammen nehmen will. 


VI 


Im ersten fall gilt ein collegium von 6 stunden wöchent- 
lich das halbe jahr 3 thlr., ein collegium von 4 stunden wöchent- 3 
lich das halbe jahr 2 thlr., ein collegium von 2 Stunden wöchent- 
lich das halbe jahr 1 thlr., welches geld an die casse gezahlt wird; 
im zweiten werden wegen abgehenden tisches nur 50 thir. ge- 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 245 


geben; vom dritten ist oben num. 4 das nöthige angeführet 
und folget das weitere hernach. 


vo 


Von den 100 thlr. werden alle quartal 25 thlr. pränumeriret, 
s und sind die Oster-, Johannis-, Michaelis- und Weihnachts-wochen 
die termine, in welchen von einem jeden so wol die gedachten 
25 thlr. als alle übrige gelder, die an die casse für collegia, exer- 
eitia 2c. zu entrichten, pränumeriret und an den hofmeister An- 
dreae, welchem die einnahme specialiter committiret ist, ausge- 
ı zahlet werden müssen. 
vmm 
Kömmt jemand binnen den gewöhnlichen quartalen, so wird 
(ausser der jedesmaligen pränumeration) für etliche tage nichts, 
für mehrere zeit aber nach proportion ein billiges gerechnet. 


15 IX 


Die zimmer werden nach der ordnung versaget, wie sie zu 
der zeit, da sich die ankommenden bey einem der curatoren 
melden, ledig sind oder werden. 


X 


0 Alle erledigungen geschehen dem Collegio, und kan kein 
studiosus sein zimmer jemand abtreten oder resigniren. 


XI 


Niemand kan die feste versicherung der verlangten auf- 
nahme zum voraus erhalten, wo er nicht zur gegen-versicherung 
3; auf erhaltene vorläufige zusage, wenn er gegenwärtig ist, so gleich, 
und wenn er abwesend, längstens in 8 tagen, ein quartal, nem- 
lich 25 thlr., pränumeriret und damit ein quitirtes stubenzettel 
auslöset. 
XH 
30 Wer an dem Collegio Carolino völligen antheil nimmt, zahlet 
bey seiner aufnahme 6 thlr., als für die immatriculirung 2 thlr., 
wegen des antritts an den tisch 2 thlr. und wegen des anzugs 
ins haus 2 thlr. 
XHI 
35 Wohnet jemand nicht in dem Collegio oder den dahin nun- 
mehro und künftig gehörigen und auf gleichem fuß stehenden 


246 Monnmenta Germaniae paedagogica I 


häusern, so gehen von den antrittsgeldern 2 thlr. ab, und es 
werden eben so viel abgerechnet, wenn der genuß des tisches 
wegfällt. 
XIV 
Bringt jemand einen eigenen hofmeister mit, wird das duplum, > 
nemlich 200 thlr. nebst 4 thlr. antrittsgeldern für den hofmeister 
insonderheit wegen des tisches und der wohnung, erleget. 


XV 


Diese hofmeister geniessen zwar gleich andern der ge- 
wöhnlichen aufwartung; da aber selbige in dergleichen fall nicht ı 
wohl gänzlich hinlangen kan, so thun diejenigen, so eigene hof- 
meister mitbringen, wohl, daß sie auch eigene diener halten, 
welche ausser dem Collegio ordentlicher weise logiren müssen. 


XVI 


Niemand bedarf beym anzuge oder andern gelegenheiten ıs 
den hofmeistern oder sonsten überall jemanden etwas zum ge- 
schenke zu geben, es geschehe denn solches aus freywilligem 
antrieb. 

XVIo 


Ein gleiches gilt auch in ansehung der aufwärter. 20 
VI 


Beym abzuge nimmt man von jedem, der in liebe abgehet, 
nach seinem vermögen und gefallen etwas zur bibliothec; doch 
darf dieser beytrag nicht unter 1 thlr. seyn. 


XIX 25 


Niemand hat die angewiesene stube so anzusehen, als wenn 
er daran ein beständiges recht erhalten, weil die curatores aus 
erheblichen ursachen nach ihrem gutfinden eine veränderung der 
wohnung vornehmen lassen und anordnen können. 


xXX Er) 


Privat-collegia und besondere unterweisung, die einer oder 
mehrere im latein, griechischen, auch andern wissenschaften und 
künsten ıc. ıc. verlangen, werden den lehrern, wie billig, beson- 
ders vergütet. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 247 


XXI 


Solcher personen, die ausser dem Collegio in dahin eigent- 
lich nicht gehörigen sachen information geben, finden sich viele 
in Braunschweig, und wird dafür gesorget, daß es daran niemals 

s ermangele. 
XXU 


Wem es an latein noch fehlet, der kann auch allenfals die 
classes selectas in den gymnasiis allhier in solchen stunden be- 
suchen, worinn diese sprache gelehret wird, wofür alle halbe 

ıw jahr 1 thlr. an die lehrer derselben zu entrichten. Solte aber 
jemand belieben haben, alle stunden in solchen classen sich zu 
nutz zu machen, so zahlet er dafür 2 thlr. 


XXIII 


Man siehet gerne, daß die angehörigen derer, die hieselbst 

ıs anzunehmen, eine instruction, wie es mit letztern so wol ratione 

studiorum als exercitiorum zu halten, mitschicken und insonder- 

heit auch von dem genie der untergebenen, und wozu sie dem- 

nechst einmal destiniret sind, nachricht ertheilen, damit man bey 

der hiesigen erziehung alles desto eigentlicher und besser nach 
30 eines jeden umständen einrichten könne. 


XXIV 


Die exercitia, als reiten, fechten und tanzen, sind, damit 
sie jeder nach eigenem gefallen treiben, auch damit anfangen und 
aufhören könne, wann und wie es seine umstände erfordern, von 

3 der ordentlichen unterweisung unterschieden und zu absonder- 
lichen preisen gesetzet. j 


XV 


Für besagte exercitia zusammen zahlen die zum Collegio 

Carolino gehören jehrlich 24 thir. Wer das reiten allein treibet, 

» giebt die helfte; wer sich im fechten oder tanzen unterrichten 
lassen will, für jedes 6 thlr. jährlich. 


XxXVI 


Die lehrmeister in der music, im zeichnen und mahlen 
werden, weil dabey keine collegialische unterweisung statt findet, 
3 von jedem absonderlich bezahlet. 


248 Monumente Germaniae paedagogica I 


XxVI 


Die anleitung zur zeichen- und mahlerkunst in den dazu 
gesetzten stunden wird mit 3 thlr. alle vierteljahr bezahlet. 


XxVIH 


Zur musicalischen casse zahlet ein jeder quartaliter, wenn s 
er von selbst will, ein beliebiges. Sämmtliche studiosi haben da- 
gegen die freye entree ins wöchentliche concert. 


XXIX 
Die anweisung zum glasschleifen kostet 2 thlr. auf 3 mo- 
nathe. 1 
XXX : 
Für das drechseln wird quartaliter 1 thlr. entrichtet. 
XXXI 


Auch kann für einen billigen preis und ohne besorgung 
einiger gefahr, wie mit gewehr und schiessen umzugehen, bey ıs 
dem fürstl. büchsenschäfter Maynz erlernet werden. 


XXX] 


Zu den kosten des theetrinkens, welches mit den hofmeistern 
des morgens gemeinschaftlich geschiehet, tregt jeder von den 
studiosis seinen antheil bey. 30 


XXXIII 


Wer einen abendtisch verlanget, kann solchen von zwo 
schüsseln für einen mässigen preis erhalten. 


AXXIV 


Für die besondere verwaltung und berechnung der gelder 
dürfen die hofmeister, wenn dergleichen von ihnen verlanget wird, 
eine billige erkenntlichkeit fordern. 


ZXXV 


Was zur reinigung der kleider und schule ıc. ıc. an geräthe 
gebraucht wird, bezahlet jeder nach gleichen theilen. 30 


XXXVl 


Jeder muß sein eigenes bett, bettlacken und handtücher ıc. ıc. 
resp. halten und mitbringen. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 249 


XXXVIo 


Das Collegium hat um mehrerer sicherheit willen seine 
eigene wäscherin. Bey selbiger müssen alle, welche ihre wäsche 
nicht von haus aus oder bey ihren verwandten haben, waschen 

slassen. Der ordinaire preis ist quartaliter 2 thlr., welche in den 
gewöhnlichen pränumerations-wochen vorher bezahlet werden. 


XXXVII 


Messer und gabel, auch löffel, zum gebrauche bey tische 

schaft sich ein jeder selber an und nimmt sie beym abzuge 

ı wieder mit, oder er erlegt dem traiteur eine kleine discretion da- 
für, wenn sie ihm dieser hält. 


XXXIX 


Wein- und biergläser, so ausser der mahlzeit gebraucht 
werden, thee- und coffeegeräthe zu eigenem gebrauche, imgleichen 
ıs was sonsten jemand zu mehrerer bequemlichkeit ausser obbenann- 
ten meublen verlangen möchte, muß sich ein jeder ebenmässig 


ankauffen. 
XL 


Die öffentlichen collegia werden ordentlicher weise allezeit 
» 14 tage nach Michaelis und Ostern angefangen. 


XLI 


Denen, die nicht im Carolino und dazu gehörigen häusern 
sind, dennoch aber einige exercitia mittreiben wollen, kan gegen 
gehörige bezahlung auf gewisse weise zwar wohl willfahret wer- 

ss den; es wird aber nach den umständen hierunter jedcama! ab- 
sönderliche verfügung gemacht. 


XLH 


Solte jemand noch mehrere nachricht verlangen, so ist sel- 

bige von den zeitigen curatoren, dem herrn abt Mosheim, herrn 

» hofrath Erath, herrn superintendenten D. Köcher, herrn probst 

Jerusalem und herrn hof- und kammerrath D. Zinke einzuholen, 

bey welchen sich auch alle, so des unterrichts im Collegio Carolino 

sich bedienen, exercitia darin treiben oder in selbiges aufge- 
nommen seyn wollen, zu melden haben. 


250 Monumenta Germaniae paedagogica I 


I 
INSTRUCTION FÜR DIE HOFMEISTER WEGEN 
DER REPETITION DERER LECTIONUM. 
1746. 


Nachdem man nunmehro, da die zahl der hofmeister ziem- s 
lich angewachsen, mehr als vorhin im stande ist gewisse repeti- 
tiones der collegiorum anzuordnen, und, um dem publico zu satis- 
faciren, selbige fordersamst ihren anfang nehmen sollen: so wer- 
den die hofmeister deswegen an folgende special-instruction zu 
deren befolgung angewiesen. 10 

1 


Gleichwie es nun hierbey zuförderst nöthig ist, daß ein jeder 
hofmeister diejenigen collegia, die er repetiren soll, zugleich mit 
denen untergebenen besuche, die untergebenen eines hofmeisters 
aber sich in sehr viele collegia vertheilen, und folglich nicht s 
möglich ist, daß einer dieselben alle repetire, vielweniger, daß er 
allen denselben mit beywohnen könne: so sollen alle halbe jahr 
theils die repetenda, weil nicht alle diese repetition nöthig haben, 
überhaupt bestimmet, theils einem jeden insbesondere gewisse 
lectiones zu repetiren aufgegeben, oder auch wohl ein collegium » 
unter zwey, damit die zeit zu ihrer anderen arbeit nicht zu sehr 
dadurch weggenommen werde, vertheilet und dabey, so viel immer 
thunlich ist, auf eines jeden wahl und vorzügliche geschicklichkeit 
in dieser oder jener sache, wie auch auf die beständige beybe- 
haltung der einmal zugetheilten lectionen in solchem halben jahre » 
gesehen, jedoch auch nachhero in folgenden halben jahren dahin 
getrachtet werden, damit man etwan nach befinden umwechsele 
und dieser oder jener auch andere lectiones zu repetiren bekomme. 


2 
sollen die zu den repetirenden collegiis gewidmete stunden x 
repartiret und vorgeschrieben, doch auch dabey die vorschläge der 
hofmeister angehöret und vernommen werden. 


3 
geschehen die repetitiones im Collegio und auch im Cava- 
lier-hause, nachdem es die umstände erfordern werden. Es dürfen » 
sich also die hofmeister im Collegio nicht entschlagen nach dem 
Cavalier-hause der repetition wegen zu gehen, gleichwie die aus 
dem Cavalier-hause ins Collegium zu dem ende kommen müssen. 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 261 


4 
sollen die hofmeister den collegiis, deren repetition ihnen 
zugetheilet wird, selber beywohnen und dabey auf die gegenwart, 
attention, den fleiß, die stille und aufführung der studiosorum 
sachtung geben, das unanständige aber nach aller möglichkeit 
verhindern. Sie müssen sich auch 


5) 
in denselben keine verachtung gegen den docenten blicken 
lassen, sondern auf dessen vortrag genau achten, damit sie 


10 6 
an des docentens vortrags meinung und lehre in ihren repe- 
titionen so viel möglich sich binden können. 


7 
haben die hofmeister am meisten auf das essentiale der 
ıs repetitionen, welches mehrentheils in einem examine bestehet, zu 
sehen und, wenn auf ihre fragen nach dem gehörten keine rechte 
antwort von den studiosis erfolget, solche kurz zu corrigiren, wenn 
es nicht ein anderer unter denen zu befragenden recht gefaßet 
haben sollte, nicht aber neue zusätze und extensiones zu machen 
30 und mit deren vortrag oder ganzen discoursen sich die zeit weg- 
zunehmen, wie sie denn auch sonderlich auf den kern und das 
wesendliche jeder lection selbst am meisten aus gleicher uhrsache 
zu sehen haben. 
8 
25 Solte ein oder anderer studiosus bey den vorgetragenen 
sätzen zweifel haben und dagegen einwendungen machen wollen, 
ist er damit nach der repetitions-stunde zu verweisen, und kan 
der hofmeister solche alsdenn entweder selber heben oder ihn 
damit an den docenten selbst weisen. 


30 9 
Ohngeachtet dieses müssen sich dennoch die hofmeister auf 
ihre repetitiones gehörig präpariren, damit sie die sätze beständig 
mit den vorhergehenden wieder verbinden und den studiosis so viel 
möglich den generalen zusammenhang der disciplin, jedoch nicht 
as anders als nach des docentens vortrag, vor augen halten können. 


10 
Vornemlich sollen sie sich hüten, daß sie nie der professorum 
vorgetragene lehren oder sätze, es sey directe oder per indirectum, 





252 Monumenta Germanise paedagogica I 


wiederlegen oder hönisch durchziehen. Und solte ja etwas un- 
richtiges vorgekommen seyn, müssen sie dasselbe entweder mit 
stillschweigen übergehen oder es auf eine gantz unvermerkte art, 
wobey die auctorität des professoris allezeit unvermindert bleibet, 
verbeßern, oder endlich lieber, wenn es von wichtigkeit ist, mit 
dem lehrer darüber bescheiden und in der stille communiciren, 
damit es dieser entweder verbeßern oder den repetenten den zweifel 
und mißverstand benehmen könne. Allenfalls aber ist in sehr 
wichtigen dingen und wo alle diese mittel nicht angehen, davon 
gehöriger bericht ad curatores zu erstatten. 10 


R 


11 
Wie viel repetitions-stunden ein jedes collegium erfordere, 
welche stunden dazu auszusetzen und an welchem orte die re- 
petition vorzunehmen, wird jedesmal vom collegio curatorum 
vorgeschrieben und deshalb alle mahl ein halbjähriges reglement ıs 
verfertiget werden. 
12 
Ein jeder hofmeister muß die ihm zugefallenen collegia mit 
dem ganzen coetu derer, so dieselben hören, repetiren, sie mögen 
aus dem Carolino, Cavalier-hause oder einigem andern hause seyn, 20 
und diejenigen, die bey der repetition nicht gegenwärtig seyn 
oder sich ungebührlich aufgeführet, ihrem hofmeister anzeigen, 
auch, falls dieser zu schwach oder zu eigensinnig wäre, seinen 
untergebenen zu dem nöthigen fleiß und der gehörigen zucht 
anzuhalten, solches dem collegio curatorum berichten, und eben ss 
deshalb wird nöthig seyn, daß ein jeder repetent sich so bald 
als möglich ein verzeichniß derjenigen studiosorum mache, welche 
in das collegium repetendum gehen. 


13 
Dem repetirenden hofmeister bleibt dennoch die freyheit » 
diejenigen, so in seiner gegenwart sich unartig aufführen oder 
andere in der aufmerksamkeit stöhren, ohne unterscheid, sie mögen 
seine oder eines andern untergebene seyn, gebührend und nach 
der auctorität, die ihm individualiter über alle gegeben ist, zu 
bestrafen. 35 
14 
Gleichwie es so wohl unnöthig als auch unmöglich ist, daß 
alle collegia repetiret werden, so haben die hofmeister bey solchen 
collegiis, von welchen keine repetition angeordnet ist, acht zu 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 258 


geben, daß ihre besonders untergebenen diese lectiones fleißig 
besuchen und dieselben für sich gehörig wiederhohlen, auch die 
etwa zu elaborirenden pensa auszuarbeiten nicht versäumen, und 
ihnen dabey die nöthige anweisung und ermunterung zu geben, 
s allenfalls aber alle monat durch einige fragen deswegen einige 
prüfung anzustellen, damit sie wißen, ob sie fleißig sind und 
zunehmen. 
15 
Uebrigens werden die privat-pflichten der hofmeister in an- 
ı sehung der beobachtung des fleißes und des studirens ihrer unter- 
gebenen durch die allgemeinen repetitiones keinesweges aufgehoben, 
und wird ein jeder hofmeister in specie so billig seyn und den 
untergebenen gerne zu hülfe kommen und dasjenige suppliren, 
was durch die öffentlichen repetitiones nicht kan erhalten werden. 


15 16 
Weil sich auch allerhand geheime und öffentliche schwach- 
heiten und leydenschafften unter denen hoffmeistern gegen und 
unter einander selbst bißhero vorgethan, nicht weniger bald dieser 
bald jener eine besondere anhängligkeit oder abgeneigtheit in 
ao ansehung derer lehrer blicken laßen, und dann die curatores das 
vertrauen haben, es werde von denen hoffmeistern dahin getrachtet 
werden, vor dergleichen passionirtem wesen sich künfftig zu hüten: 
also haben sie insonderheit als eine der wichtigsten pflichten an- 
zusehen, daß sie solches um so viel weniger auf einige weise 
3; gegen und bey denen untergebenen eines andern hoffmeisters, die 
in ihre repetition gehen, entweder durch mehr gunst und ge- 
lindigkeit oder ungunst und strenge blicken laßen. 
Urkundlich ist diese special-instruction sub sigillo Collegüi 
ausgefertiget und gewöhnlicher massen unterschrieben worden. 
so Braunschweig, den 13. Jun. 1746. 


254 Monumenta Germaniae paedagogica I 


K 
ENTWURF DES JÄHRLICHEN AUFWANDES 
IM COLLEGIO CAROLINO ZU BRAUNSCHWEIG. 
1746. 


Festgesetzte ausgaben. 5 
Für die pension, d.i. für tisch, wohnung, holz, licht, 
aufwartung, imgleichen öffentliche vorlesungen . 100 rthlr. 


Zum antritt und für inscription . . . 22 .2..6, 
Den bedienten des collegii beym antrtt . . ». 2. 2 „ 
Für bette:... .. .%: 0 ww 8:8 ea a I 
Für wäsche.. ; 2 2.28 u 5 er ea ee IV 
Für frühstück . . . . a 
Für das öffentliche wöchentliche conert u re 
Für die armen /.- u ur we ee 
Für frisiren . . Ger Er 


Dem hofmeister für dis belcfenig de kedbunngen . 16 „ 


(Eine beliebige erkenntlichkeit für treue aufsicht des hofımristers bleibt 
bey der abreise des eleven dem willen der eltern oder vormünder überlassen.) 


Für die nöthigsten bücher bey den N a OR 
Für kleine ausgaben . . . . a 
209 rthlr. 


Anmerk. Da sich täglich unerwartete kleine ausgaben finden, z. e. 
kleider und wäsche auszubessern, strümpfe zu waschen, 
bänder und viele andere nöthige kleinigkeiten anzu- 
schaffen, wozu der hofmeister ohnmöglich vorher die » 
einwilligung der eltern einholen kan, so hat man hierzu 
diese kleine summe von 25 rthl. besonders bestimmen 
müssen, mit der bedingung, daß der hofmeister die ge- 
ringste ausgabe namentlich in sein rechnungsbuch in 
gegenwart des eleven trage, und daß letzterer alle drey w 
monate, wenn der hofmeister rechnung ablegt, solches 
unterschreibe. Dabey ist der hofmeister gehalten auch 
von diesen kleinen ausgaben, so oft es verlangt wird, 
eine specificirte rechnung zu überschicken. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 34 265 


Willkürliche ausgaben. 
Erster artikel, 
wovon die preise ebenfalls festgesetzt sind und wie die 
pension an die casse bezahlet werden. 


5 Für öffentliche übungen. 
Für die reitbahn jährlich . . 12 rthlr. 
Dem stallmeister beim antritt A i A DB 
Den stallknechten ıingleichen . örthlr. 
Für zeichnen ; i = 12: ;55 

ı Für fechten ; ; . 6, 
Dem fechtmeister zum nk ne ae 
Für tanzen ; ; . = U 
Dem tanzmeister zum antritt. ; ; ; a 
Für den fiolonisten beym tanzen . . 2 u 

ıs Für drechseln . Sr 
Für glasschleifen ; i . 8 „ 


Anmerk. Die eltern können von einem halben jahre zum andern 
diejenigen übungen bestimmen, welche ihre kinder treiben 
sollen, und der hofmeister darf ohne ihre einwilligung 

20 dieserwegen nichts in rechnung bringen. 


Willkürliche ausgaben. 
Zweyter artikel. 
Für privat-vorlesungen und exercitien. 
Ein privat-collegium von vier stunden wöchentlich 


25 kostet jährlich . 60 rthlr. 
Von zwey stunden , 80 
Ein solches collegium in den racheh wenn es mO- 

natweise gehalten wird, kostet D 
Eben so viel wird auch für die ührigen Abingen: is 
30 zeichnen, reiten, tanzen, fechten, monatlich bezahlet. 
Für die unterweisung in der music monatlich ein du- 
cate, zu ; 2 m 
Für unterricht in ohreiben und Feclinen ’ u er 
Anmerk. Ob man gleich so wol in betracht der zeit als auch der 
35 fähigkeit der studirenden zuweilen genöthiget ist diese 


privatunterweisung zu hülfe zu nehmen, so kommt es 
doch lediglich dabey auf den willen der eltern an, und 
darf ohne deren einwilligung der hofmeister dieserhalb 
nichts in rechnung bringen. Letzterer ist auch zu er- 


256 Monumenta Germaniae paedagogica I 


sparung der kosten dahin zu sehen verbunden, daß zwey, 
drey oder vier zuhörer eine privatstunde zusammen neh- 
men, welche alsdann nicht mehr als ihren antheil zahlen. 


Willkürliche ausgaben. 
Dritter artikel. 

Für grosse kleidungsstücke 

Für strümpfe, schuh, stiefel, hüthe u. s. w. 

Zu erlaubten vergnügen 

Für bücher . 

Für thee, caflee, zucker . ; 1 w 

Für wein 

Für die öffentlichen houspiale in den messen . 

Für kutschen, sänften bey ausserordentlichen fällen 

Für besonderes abendessen 

Alle in diesem artikel benannte EN beruhen gleich- ıs 
falls lediglich auf dem willen der eltern, und der hofmeister muß 
von einem halben jahre zum audern über einen jeden artikel ihre 
einwilligung einholen. Die eltern werden daneben um beyder- 
seitiger sicherheit willen ersucht bey einem jeden artikel die 
summe eigenhändig zu bemerken, welche sie dazu verwilligen, » 
um hernach diesen entwurf mit ihren anmerkungen dem hof- 
meister zuzuschicken, welcher dagegen alle vierteljahre seine rech- 
nungen zu übersenden schuldig ist. Und damit diese rechnungen 
alle sicherheit haben mögen, so werden dieselben nicht allein von 
den untergebenen vorher durchgesehen und unterschrieben, son- » 
dern sie müssen auch vor dem curator öffentlich abgelegt wer- 
den, welcher jeden artikel genau monirt, die quitungen nach- 
siehet und die rechnung eigenhändig attestiret, worauf sie dann 
mit allen original-belägen den eltern zugeschicket werden. Zu 
noch mehrerer verhütung aller irrungen aber, die darüber etwan » 
entstehen mögten, werden alle diese rechnungen von einem jeden 
hofmeister in ein besonderes dazu verfertigtes buch getragen und 
gleichfalls von dem curator unterschrieben, welche bücher bestän- 
dig beym Collegio aufbehalten werden, damit sie nöthigen falls 
auch nach vielen jahren noch nachgesehen werden können. s 

Hiebey wird nur noch angemerkt, daß der anschlag von 
allen diesen ausgaben, da der werth des silbergeldes so verschie- 
den ist, nach gold gesetzt worden, ausser daß die casse die pen- 
sion in hiesiger münze bishero noch angenommen hat. 


13 


35 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 85 257 


35 


Lektionsplan der obersten Klassen im Martineum 


und Katharineum. 


c. 1745. 
u 
Q. D.B. V. 


CATALOGUS LECTIONUM CLASSIUM 
PRIMAE ET SELECTAE UTRIUSQUE GYMNASI. 


I. PUBLICARUM. 
Die Lunae 


hora VII—-VIH selectanis et primanis rector interpretatur theo- 
logiam. 
VIII—IX selectanis rector proponit exercitium stili La- 
tini, primanis idem conrector. | 
I—U selectanis et primanis eonrector tradit geogra- 
phiam. 
II—IIl selectanis et primanis conrector explicat histo- 
ricum Latinum. 
Die Martis 
hora VO—VUI selectanis et primanis rector explicat theologiam. 
VIU—IX selectanis conrector interpretatur Horatium, 
primanis rector tradit praecepta poeseos 
Latinae. 
I—IHI esedem lectiones quae die Lunae. 
Die Mercurii 
hora VII—VIII selectanis rector proponit logicam, primanis con- 
rector explicat epistolas Ciceronis. 
VOI—IX selectanis et primanis conrector praelegit Ges- 
neri chrestomathiam Graecam. 
Die Iovis 
hora VII—VIII selectanis rector tradit logicam, primanis con- 
rector exponit epistolas Ciceronis. 
Schulordnungen der Stadt Braunschweig 17 


258 


Monumenta Germaniae paedagogica I 


hora VIII—IX selectanis conrector explicat orationes Ciceronis, 


I—II 

I —II 

hora VI—VII 
vVOII—IX 
I—II 

hora VII—-VII 
vVII—-IX 

hora IX—X 
IIT—IV 


primanis rector interpretatur oflicia Cicero- 
nis cum applicatione ad doctrinam moralem. 
selectanis et primanis conrector exponit histo- 
riam universalem. | 
selectanis et primanis conrector explicat modo 
Virgilium, modo Ovidium. 


Die Veneris 
selectanis rector proponit praecepta oratoriae, 
primanis conrector interpretatur novum testa- 
mentum Graecum. 
eaedem lectiones quae die lovis. 
eaedem lectiones quae die Iovis. 


Die Saturni 
selectanis rector tradit praecepta oratoriae ad 
usum imprimis accomodata, primanis con- 
rector explicat novum testamentum Grae- 
cum. 
cum selectanis rector instituit exercitia dispu- 


tatorıa et oratoria alternis hebdomadıbus »v 


auscultantibus primanis. 


II. PRIVATARUM 


singulis hebdomadis diebus a conrectore, 

diebus Lunae, Martis, Iovis et Veneris a rec- 
tore instituendarum, in quibus modo varii 
exponuntur auctores Latini et Graeci, modo 
praecepta linguae Hebraicae, poeseos Ger- 
manicae, artis conscribendi epistolas, philo- 
sophia universa, arithmetica, geometria etc. 
traduntur. 


30 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 86 269 


m 


36 


Ordnung der deutschen Schulen. 
1751. 
Rz 


j VORLÄUFIGE NACHRICHT 
VON JETZIGER EINRICHTUNG DER KLEINEN SCHULEN 
IN DER STADT BRAUNSCHWEIG. 
Anno 1751. 


5 Daß dem gemeinen wesen an wohlbestellten schulen höchst 
gelegen sey und dessen wohlfarth auf solche grossen theils mit 
beruhe, solches bedarf keines beweises, da niemand, der nur etwas 
einsicht und begrif hat, daran zweifelt. Eben so offenbar ist es 
auch, daß nicht nur die gute verfassung Jer grossen oder so ge- 

ı nannten lateinischen, imgleichen der zur erlernung der höhern 
wissenschaften gestifteten hohen schulen erforderlich, sondern 
auch die gehörige einrichtung der kleinern schulen von gleicher 
nothwendigkeit, auch von eben so grossem und unentbehrlichen 
nutzen sey. In diesen kleinen schulen soll die jugend in den grund- 

ıs lehren des christenthums unterrichtet und dadurch zu der wahren er- 
känntniß Gottes und seines willens gebracht, auch dabey in den 
übrigen, in dem menschlichen leben nöthigen und nützlichen dingen 
unterwiesen werden. Jene, die erkänntniß Gottes, ist der grund 
aller wahren glückseligkeit des gegenwärtigen und zukünftigen 

» lebens, und diese, die anweisung, bringt die menschen erst da 
hin, daß sie sich und der menschlichen gesellschaft nützlich wer- 
den. Wenn also die kleinen schulen schlecht bestellet sind, muß 
der schade nicht nur unendlich groß, sondern auch zugleich des- 
wegen allgemeiner seyn, weil die anzahl derer, so die kleinere 

» schulen besuchen, allemal und allenthalben die grösseste ist, und 
die mehresten einwohner eines orts fast weiter keinen. unterricht 
in ihrer jugend als denjenigen haben, den sie in diesen schulen 
bekommen. Ein ort, eine stadt oder ein land wird daher desto 
schlechtere christen, bürger und einwohner haben, je schlechter 

30 die kleinen schulen darin eingerichtet sind. Die erfahrung bestä- 
tiget leider mehr als zu deutlich, daß die unter dem grossen 
haufen herrscheude grosse und entsetzliche unwissenheit, die oft 
mehr als viehischen laster, die ungeschicklichkeit zu allen nütz- 

17* 





260 Monumenta Germaniae paedagogica I 





lichen sachen und gewerbe, die daher entstehenden ausschweifun- 
gen und kränkungen der gemeinen wohlfarth, ein grosser theil 
der armuth und der unfälle dieses lebens die erschrecklichen fol- 
gen von der üblen erziehung der jugend sind und ihren ursprung 
daher haben, daß die unglückseligen, welche sich und dem ge- 
meinen wesen zur last leben, in ihren zarten jahren entweder 
gar nicht zur schule gehalten, oder doch mit keinem rechten und 
hinlänglichen unterrichte in den schulen versehen wurden. Die 
verbesserung der kleinern schulen ist also, wo nicht nothwendi- 
ger, doch gewiß eben so nöthig als die verbesserung der grös- ıo0 
sern, und man rechnet es mit recht zu den vorzügen eines lan- 
des, wenn es mit wohlbestellten und eingerichteten schulen von 
dieser art versehen ist. Des Herzogs unsers gnädigsten Herrn 
Durchl. haben daher dero landesväterliche vorsorge auch auf die 
verbesserung der kleinen schulen besonders gerichtet. In hiesiger ıs 
stadt Braunschweig hat sich nur erwehnte höchste vorsorge schon 
vorhin durch die in gnaden angeordnete besondere aufsicht über 
die kleinere schulen und desfalls geschehene bestellung eines 
schulinspectoris geäussert, und nachdem durch die bisherigen vi- 
sitationen die beschaffenheit dieser schulen hinlänglich erforschet: so 
so haben unsers gnädigsten Herrn Durchl. gnädigst und ernstlichst 
befohlen eine gründliche und solche verbesserung dieser schulen 
zu veranstalten, wodurch die bey selbigen verspürte mängel und 
unordnungen getilget, den darüber bisher geführten klagen ab- 
geholfen und diese schulen in bestmöglichsten stand gesetzet wer- » 
den mögen. Nach maaßgabe solches höchsten befehls ist das 
nöthige vergenommen und zu der nunmehro ohne weitern anstand 
in das werk zu richtenden bessern einrichtung der hiesigen klei- 
nen Schulen alles dienliche vorbereitet worden. 

Da nun das erste zu der guten verfassung der schulen er- s 
forderliche, nothwendige stück dieses ist, daß solche mit tüchtigen 
und eine hinlängliche erkänntniß habenden lehrmeistern und 
lehrmeisterinnen versehen werden: als hat man die sämmtlichen 
schulmeister und schulmeisterinnen hieselbst genau geprüfet und 
selbige nach ihrer verschiedenen fähigkeit und brauchbarkeit » 
kennen gelernet. 
| Und da der den kindern zu gebende unterricht nicht von 

einerley art ist, sondern dieselbe anfänglich im buchstabiren, 
darauf im lesen und dem kleinen catechismus, nachher in dem 
grösseren catechismus unterwiesen werden müssen, folglich darauf « 


Pi 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 86 261 


zu sehen ist, daß zu jeder art des unterrichts tüchtige und darinn 
erfahrne lehrer genommen werden: so wird solches auch in ab- 
sicht auf die hiesigen schulmeister und schulmeisterinnen veran- 
staltet, indem von denjenigen, welche unter solchen beybehalten 
s und bestätiget werden, einige zur anweisung in der erkänntniß 
der buchstaben und im buchstabiren, andere zum unterrichte im 
lesen u. s. w. bestimmet worden sind; wie man denn künftighin 
zu jeder art des unterrichts nur diejenigen, so dazu hinlänglich 
geschickt sind, gebrauchen, untüchtigen aber und die in keinem 
ıw von gedachten stücken gehörigen unterricht geben können, hie- 
selbst schule zu halten schlechterdings nicht gestatten wird. 

So nöthig aber die bestellung tüchtiger schulmeister ist, 
eben so nothwendig ist es auch, daß bey den schulen die innere 
einrichtung dem heilsamen zwecke gemäß veranstaltet werde, 

ıs welche bei den kleinen schulen ohne zweifel dahin gehet, daß 
in selbigen die kinder nicht allein an und vor sich selbst gut, 
sondern auch solchergestalt unterrichtet werden mögen, daß sie 
das ihnen zu wissen nöthige in so kurzer zeit lernen können als 
nur möglich ist. Bey der vorhabenden verbesserung der schulen 
»» muß also zugleich auch eine solche einrichtung derselben gemacht 
werden, die zur erreichung dieser absicht bequem ist und bey der die 
kinder in einer weit kürzeren zeit eben das und noch mehr lernen 
können als bey der bisherigen verfassung in vielen jahren thun- 
lich gewesen. Auch der geschickteste und getreueste schulmeister 
3»; hat: bey der bisherigen einrichtung der schulen die wünsche der 
eltern nicht erfüllen können. Unsere kleinen schulen bestehen 
bisher aus kindern von verschiedener fähigkeit und ungleicher 
erkänntniß; einige kennen die buchstaben noch nicht, andere 
buchstabiren; einige fangen an zu lesen; andere sollen darinn 
» vollkommener werden; einige machen wohl auch den anfang im 
schreiben, und noch andere sollen in der religion unterrichtet 
werden. Man wird also in jeder kleinen schule wenigstens fünf 
verschiedene arten der schüler und schülerinnen antreffen und 
eben so viel classen in derselben machen können. Der schul- 
3 meister kann sich jedesmal nur mit einer art derselben beschäf- 
tigen, und der grösseste theil wird daher nothwendig immer 
sitzen müssen. Die ganze zum unterricht bestimmte zeit muß 
also in fünf theile getheilet werden, und eine jede art der kinder 
bekommt zu ihrer unterweisung nur den fünften theil der ganzen 
«0 schulzeit. Es ist daher begreiflich, daß in den schulen bisher 





262 Monumenta Germaniae paedagogica I 


kaum ein mehrers als wirklich geschehen ausgerichtet werden 
können, und die klagen der eltern über das schlechte zunehmen 
ihrer kinder, auch in den besten schulen, sind nicht ohne grund 
gewesen. Dahingegen ist klar und ausser zweifel, daß die schul- 
kinder an einem jeden tage fünfmal so viel lernen werden als; 
bey der bisherigen einrichtung geschehen ist, wenn die ganze 
schule aus kindern von einer art bestehet und also die ganze zeit 
auf sie verwendet werden kann. Diese ungleichheit der kinder 
aber ist nicht die einzige ursache, warum in unsern schulen bis- 
her so wenig ausgerichtet und warum die kinder darinn so lange 
sind aufgehalten worden; die übrige einrichtung derselben, in- 
sonderheit die darinn gewöhnliche schlechte lehrart, hat dazu 
auch sehr viel beygetragen. In den meisten schulen ist es bis 
daher so gehalten worden, daß der schulmeister oder schul- 
meisterinn ein jedes kind besonders vorgenommen oder, nach ıs 
ihrer art zu reden, eins nach dem andern hat aufsagen und darauf 
wieder an seinen ort gehen lassen. Sind also funfzig kinder in 
einer solchen schule, so ist jedesmal nur ein einziger in wirk- 
licher beschäftigung, und neun und vierzig sitzen dagegen be- 
ständig müssig. Wenn iman nun annimmt, daß in einer schule » 
kinder von fünf verschiedenen arten sind, so kommt, wie vorhin 
gezeiget ist, auf eine jede art der fünfte theil von der ganzen 
schulzeit.. Wenn aber von einer jeden art, eins ins andere ge- 
rechnet, zehn kinder in einer solchen schule befindlich sind und 
ein jedes besonders vorgenommen wird, so kommt auf ein jedes » 
der zehende theil von dem fünften theile, oder der fünfzigste theil 
von der ganzen schulzeit. Rechnet man diese kleinen theile der 
zeit zusammen, so kommt kaum eine woche im ganzen jahr her- 
aus. Man darf sich also weiter nicht wundern, daß bei dieser ver- 
fassung der schulen und lehrart in denselben kinder zwey, drey % 
und mehrere jahre hineingegangen sind, und doch nicht einmal 
lesen gelernt haben. Man wird daher auch nicht zu viel thun, 
wenn man sagt, daß, wann eine jede schule aus kindern von 
einer art bestehet und diese in beständiger beschäftigung erhal- 
ten werden, in einem jahre so viel geschehen könne als bey der s 
andern verfassung in vielen jahren würde geschehen seyn. 

Die einrichtung der schulen auf die vorhin angezeigte art 
ist also unumgänglich nöthig, wenn sie wirklich verbessert werden 
sollen, und alle mittel, die man sonst dazu vorschlagen könnte, 
werden ohne dieselbe fruchtlos seyn und bleiben. Die gnädigst » 


E73 
— 
C2 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 36 263 


nn um | — nn — mn — -- — 


genehmigte, auch auf höchste verordnung zu machende, neue ein- 
richtung der hiesigen kleinen schulen ist also darauf gegründet 
und soll auf folgende weise veranstaltet werden. Man hat vor 
die jugend, welche in den schulen von dieser art unterrichtet 
s wird, verschiedene classen bestimmet, in welchen sie in denen ihr 
zu wissen nöthigen dingen auf die vortheilhafteste art unterrichtet 
werden soll. Die kinder männlichen geschlechts haben drey der- 
gleichen classen und die vom weiblichen zwo, in die sie nach 
ihrer verschiedenen fähigkeit und erkänntniß vertheilet werden. 
ıo In der untersten oder ersten classe sind diejenigen kinder, die 
noch nicht zusammen lesen können, und bleiben in derselben, bis 
sie zu lesen anfangen. Nebst diesem lernen sie, wie gewöhnlich, 
durch vorsagen der lehrmeister oder lehrmeisterinnen wöchentlich 
einige sich auf die jedesmaligen umstände der zeit schickende 
ıs sprüche, verse aus den geistlichen liedern und nach und nach die 
fünf hauptstücke des kleinen catechismus. Weil in diese classe 
die kleinsten kinder gehören, die oft noch nicht selbst gehen 
können, sondern getragen werden müssen, so wird man dafür 
sorgen, daß nach der verschiedenen grösse der gemeinden in einer 
2, jeden zwey, drey oder vier dergleichen schulen, und zwar derge- 
stalt angeleget werden, daß eine in die mitte und die übrigen an 
sonst bequeme örter kommen, alle aber mit tüchtigen lehrmeistern 
besetzet werden. Da nun in dieser untersten classe kinder blei- 
ben, deren fähigkeit nicht ganz gleich ist, so ist auch darauf 
ıs bereits gedacht und ein mittel gefunden worden, daß sie dennoch 
insgesamt beschäftiget werden können, wie der erfolg zeigen wird. 
Die zu dieser classe bestellte schulmeister dürfen kein kind länger 
behalten als bis es zu lesen anfängt, und sind alsdenn verbunden 
bey verlust ihres dienstes es von sich an Jiejenigen zu weisen, 
»o denen die folgende classe anvertraut ist. Der gnädigst verord- 
nete schulinspector wird bey seinen visitationen darauf genau 
merken und das erkänntniß der kinder erforschen, damit hierin 
auf keine weise einiger unterschleif gemacht werden könne. Die 
zweyte und dritte classe wird, wo es irgend möglich ist, in die 
3 mitte einer jeden gemeine geleget werden, und hiergegen werden 
um so weniger beschwerden statt finden, da die in dieselben 
tüchtige kinder bereits so erwachsen sind, daß sie allein in die 
schule gehen können, und da bisher viele eltern ihre kinder sehr 
weit aus einer gemeine in die andere geschickt haben, um sie in 
# eine gute schule und zu einem guten lehrer oder einer geschick- 








264 Monumenta Germaniae paedagogica I 


ten lehrerinn zu bringen. Wenn die anzahl der in eine von 
diesen beyden classen gehörigen jugend zu stark seyn solte, vo 
wird man sie theilen und zwo classen von einer art daraus ma- 
chen, damit der unterricht um so viel besser besorget werden 
könne, wie denn auch dazu die nöthigen verfügungen bereits ge- » 
macht sind. In der andern classe werden die kinder im lesen 
vollkommen gemacht, lernen die fragen des grossen catechismus 
nebst dem übrigen, was in einer solchen schule gelernet werden 
muß, und die sorge des lehrmeisters gehet insonderheit dahin, 
daß die kinder ordentlich und nach den unterscheidungszeichen ıo 
lesen lernen, auch die fragen des catechismus fertig beantworten 
können, ohne daß er sich in eine erklärung desselben einlässet. 
Bey denen, die es verlangen, kann auch der anfang im schreiben 
gemacht werden. 

Zu der dritten classe werden die geschicktesten und fähigsten ıs 
schulmeister genommen, und diese treiben das lesen nicht nur be- 
ständig fort und üben die kinder im aufschlagen, sondern geben 
such zum schreiben anweisung und suchen den kindern den 
catechismus so beyzubringen, daß mehr der verstand als das 
gedächtniß beschäftiget werde, als mit welchem sie denselben » 
bereits in der vorigen classe müssen gefasset haben. Was in 
einer jeden classe getrieben und wie die stunden ordentlich ein- 
getheilet werden sollen, wird den schulmeistern angezeiget und 
in der vor die kleinen schulen insonderheit zu entwerfenden schul- 
ordnung bestimmet werden. Die kinder weiblichen geschlechts a 
haben zwar eigentlich nur zwei classen; wenn aber einige ein 
verlangen bezeigen solten, weiter und eben so weit als die knaben 
der ersten classe geführet zu werden: so soll ihnen auch darinn 
gewillfahret werden, und sie sind also von der dritten classe kei- 
nesweges ausgeschlossen. In der untersten classe beyder geschlechte » 
können so wol schulmeister als schulmeisterinnen, die man dazu 
tüchtig befunden hat, unterrichten, und es werden in dieselben 
knäblein und mägdlein ohne unterscheid aufgenommen. Die kna- 
ben der 2ten und 3ten classe werden nur von schulmeistern un- 
terwiesen; zu dem unterrichte der mägdlein in der 2ten classe » 
aber wird man entweder lehrmeisterinnen nehmen, wenn man 
solche, welche die dazu nöthige fähigkeit haben, in hinlänglicher 
anzahl findet, oder man wird vor gute schulmeister sorgen. 
Schulmeisterinnen würde man deswegen bey diesem geschlechte 
vorziehen, weil die mägdlein durch dieselben zugleich zu weib- « 








Schulorduungen der Stadt Braunschweig 36 265 





licher arbeit angewiesen werden können. Wenn aber die anwei- 
sung in beyden stücken zu einer zeit und von einer person nicht 
geschehen kann, so wird man doch solche verfügungen machen, 
daß die mägdlein nur einen theil der schulstunden bey den schul- 
s meistern, gegen erlegung des halben schulgeldes, abwarten dürfen 
und die übrige zeit zur erlernung anderer dinge bei frauensper- 
sonen anwenden können. Die unterste classe der mägdlein kommt 
mit der untersten bey den knaben überein, und sie müssen in 
derselben soweit gebracht werden, daß sie lesen und die fünf 
ı hauptstücke des catechismus auswendig können. In der andern 
classe lernen sie die fragen des grossen catechismus, welche der 
lehrmeister oder die lehrmeisterinn zergliedert, und zugleich 
dahin siehet, daß die kinder die darinn enthaltene wahrheiten 
nicht bloß mit dem gedächtnisse, sondern auch mit dem ver- 
ıs stande fassen. Wenn sie bis zur dritten classe gehen wollen, so 
finden sie eben das, was vorhin von der dritten classe ist ange- 
zeiget worden. Bey dieser einrichtung, und da die schulkinder 
nach ihrer verschiedenen erkänntniß und fähigkeit in verschiedene 
classen vertheilet werden und die schulmeister und schulmeiste- 
3 rinnen nur mit einer art der kinder zu thun haben, wird also 
unter Gottes seegen der unterricht von desto grösserem nutzen 
und ein desto geschwinderes zunehmen der jugend in demjenigen, 
worinn sie unterwiesen wird, zuversichtlich zu hoffen seyn. Daß 
es aber wohl gar möglich sey, kinder von einer art und von glei- 
»s chem erkänntniß in beständiger geschäftigkeit und aufmerksam- 
keit zu erhalten, wenn die anzahl derselben auch stark ist, be- 
weiset die schule des hiesigen Grossen Waysenhauses, in der die 
versuche bereits gemacht sind und deren lehrart den beyfall 
vieler verständigen, welchen sie bekannt worden ist, gefunden 
‘und insonderheit bey denjenigen, welche den öffentlichen exami- 
nibus beygewohnet haben und die sache einsehen können, ein 
grosses vergnügen erwecket hat. Das einzige, so man dabey 
besorgen kann, mögte darinn bestehen, daß die bisherigen schul- 
meister dieser so vortheilhaften lehrart entweder nicht kundig 
3 wären oder sie in ihren schulen nicht einführen würden, weil sie 
von dem lehrer mehr arbeit fodert als die, deren man sich bisher 
zum grossen und offenbahren nachtheile der kinder bedienet hat. 
Diese besorgniß aber würde nur alsdenn von erheblichkeit seyn, 
wenn entweder diese durchgängig einzuführende lehrart so schwer 
«+ wäre, daß sie nicht von jedermann begriffen und gefasset werden 


| en 





266 Monumenta Germanise paedagogica I 


könnte, oder wenn denen sämmtlichen schulmeistern und schul- 
meisterinnen dazu nicht eine hinlängliche anweisung gegeben 
würde, oder wenn endlich niemand darauf merkte, ob dieselbe 
durchgängig angenommen wäre und würklich gebraucht würde. 
Daß diese lehrart nicht so schwer, sondern von einer allgemeinen 
brauchbarkeit sey, beweisen diejenigen schulen in Braunschweig, 
in denen sie bereits durch die schulmeister selbst aus eigner be- 
wegung und überzeugung von dem nutzen und den vorzügen 
derselben eingeführet ist, ohne daß man es damals ausdrücklich 
gefodert hat. Der gnädigst bestellte inspector der schulen wird 
überdem einem jeden schulmeister und einer jeden schulmeisterinn 
alle nur zu wünschende anweisung geben, auch einige stunden 
dazu besonders aussetzen, ihnen diese lehrart recht bekannt zu 
machen. Die sache wird dadurch sehr erleichtert und in absicht 
aufs zukünftige auf einen dauerhaften fuß gesetzet, daß unsers 
gnädigsten Herzogs Durchl. ein seminarium in dieser stadt haben 
errichten lassen, in welchem eine hinlängliche anzahl junger leute 
zu diesem geschäfte und zum unterrichte anderer zubereitet, in 
allen dazu nöthigen dingen unterwiesen und in der bequemsten 
und vortheilhaftesten lehrart geübet wird. Der gedachte schul- 
inspector wird auch seiner pflicht gemäß darüber sehr sorgfältig 
wachen und dahin sehen, daß diese methode allenthalben einge- 
führet und in allen schulen übereinstimmig und dergestalt ge- 
brauchet werde, daß es einem kinde gar nicht schaden kann, 
wenn es gleich nach befinden der umstände aus einer schule in 
die andere versetzet werden muß, welche veränderungen nur in 
dem falle schädlich und nachtheilig sind, wenn die lehrmeister 
in der art zu lehren verschieden sind und ein kind also eine 
geraume zeit braucht, um der art seines neuen lehrers gewohnt 


zu werden. Man wird zugleich dafür sorgen, daß es unserer: 


jugend an brauchbaren und zur erreichung aller dieser absichten 
bequemen büchern nicht fehlen möge. 

Was übrigens das für den unterricht zu bezehlende schul- 
geld betrift, so richtet sich solches nach den verschiedenen classen, 
in welchen die kinder unterwiesen werden. Die schüler und 
schülerinnen der untersten und ersten classe geben wöchentlich 
1 mgr., die, welche von beyden geschlechtern in der zweyten 
classe sitzen, 1 ggr., und die, welche in der dritten classe unter- 
richtet werden, 2 mgr. Dis schulgeld ist so billig, daß niemand 
urssch haben wird sich desfalls zu beschweren. Viele eltern 


Il 


10 


Zu 


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Schulordnungen der Stadt Brannschweig 386 267 


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haben bisher gerne 3 mgr. bezahlet, um ihre kinder nur in eine 
gute schule zu bringen, und es ist offenbahr, daß auch in der 
besten bey der bisherigen verfassung das nicht hat geschehen 
können, was künftig geschehen kann. Es werden also die eltern 
s die wenigen pfennige, so sie in zukunft mehr entrichten müssen, 
um so weniger ansehen, wenn sie erwegen, daß die neue ein- 
richtung zu geschwinderm fortkommen ihrer kinder, folglich zu 
ihrer, der eltern, nicht geringen erleichterung gereiche, und sie 
dabey allemal vortheil haben. Diejenigen aber, welche in so 
ıo schlechten umständen sind, daß auch diese geringe abgabe ihnen 
zu schwer wird, haben sich auf ihr geziemendes anmelden einer 
ungesäumten hülfe und des zuschusses eines theils oder des ganzen 
schulgeldes zu getrösten. 
Wie nun diese neue einrichtung der hiesigen kleinen schulen 
ıs denen einwohnern allhie in Braunschweig hiemit zu ihrer nach- 
richt, auch nachachtung, umständlich bekannt gemacht wird: als 
zweifelt man nicht, daß dieselben solches gerne vernehmen, die 
hierunter dieser stadt erwiesene huldreichste vorsorge Sr. Durchl. 
unsers gnädigsten Herrn mit dank erkennen und solches dadurch 
» in der that bezeigen werden, daß sie die veranstaltene verbesserung 
der schulen zum besten ihrer kinder gehörig brauchen und diese 
in die für ihr alter und ihre fähigkeit sich schickende schulen, 
wohin sie werden gewiesen werden, fleissig senden, auch sonst 
zu erhaltung der heilsamen anstalten und weiteren aufnahme der 
‚s schulen ihrer seits was möglich ist beytragen werden, damit die 
landesväterliche absicht unsers gnädigsten Herrn Durchl. erreichet, 
die hiesige jugend in allem guten auterzogen und die glückselig- 
keit derselben zum seegen und zur wohlfahrt dieser stadt, auch 
zu ihrer, der eltern und vormünder, eigenen freude befördert 
» werden mögen. Wie inzwischen mit dieser verfassung noch nicht 
alles erreicht, was zu dem besten der schuljugend gehöret, so wird 
man nach des Herzogs unsers gnädigsten Herrn Durchl. landes- 
väterlichen vorschrift unermüdet fortfahren die einrichtung von 
zeit zu zeit durch mehrere zusätze vollkommener und den ein- 
3 wohnern dieser werthen stadt und der lieben jugend ersprießlicher 
zu machen, wowon demnächst und so, wie man mit Gottes hülfe 
weiter kommt, die fernere nachrichten erfolgen sollen. 


268 Monumenta Germanise paedagogica I 


31 


Verordnung über die Schulpflicht der Kinder 


‘bis zur Konfirmation. 
1752. 


“y 


SERENISSIMI VERORDNUNG 
DIE VON DEN CATECHUMENIS HIESIGER STADT 
BEYZUBRINGENDEN ATTESTATE BETREFFEND. 


Von Gottes gnaden wir, Carl, herzog zu Braunschweig und 
Lüneburg ıc. urkunden hiermit: Was maßen wir mißfällig ver- 
nehmen müssen, daß viele eltern und vormünder hiesiger stadt 
und bürgerschaft ihre kinder und pflegbefohlene, wenn sie nach 
der hieselbst eingeführten neuen schul-ordnung das lesen gelernet, 
aus der schule so gleich und so lange zurück nehmen, bis sie zum 
heiligen abendmahl gehen sollen, da sie dann dieselben etwa ein 
viertel oder ein halbes jahr wieder in die schule schicken und glau- 
ben, daß ihnen in der zeit alles, was noch nöthig sey, beygebracht 
werden könne. Gleichwie aber diese kinder alsdann zur obersten 
classe, in welcher dasjenige, was zu ihrer vorbereitung zum heiligen 
abendmahl eigentlich gehöret, getrieben wird, nicht tüchtig sind, 
in der andern classe aber denselben in dieser absicht nicht ge- 
holfen werden kann: so verordnen und wollen wir gnädigst hier- 
mit, daß hinfüro keiner der hiesigen prediger ein kind zur con- 
firmation annehmen solle, das nicht von einem schulmeister der 


5 


obersten classe das Zeugniß hat, daß es wenigstens ein jahr in » 


der obersten classe zugebracht und des unterrichts darin genossen 
habe. Wornach sich dann sämtliche hiesige prediger gehorsamst 
zu achten haben, und ist diese verordnung, damit sie zu jeder- 
manns wissenschaft kommen möge, alle halbe jahre öffentlich 


von den canzeln abzulesen. Urkundlich unserer eigenhändigen ». 


unterschrift und beygedruckten fürstlichen geheimen-canzley- 
insiegels. Gegeben in unserer stadt Braunschweig, den 31%" 
August 1752. 
Carl, 
H. zu Br. u. L. (L. S.) 
A. A. v. Cramm. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 38 269 


— nn ne 


38 


Ordnung der Realschule im Waisenhause. 
1754. 


u. 


VORLÄUFFIGE NACHRICHT 
VON DER GEGENWÄRTIGEN VERFASSUNG DER 
SCHULE IM HOCHFÜRSTL. GROSSEN WAYSENHAUSE 
ZU BRAUNSCHWEIG. 


5 Cap. I 
VON DER SCHULE IM GROSSEN WAYSENHAUSE AN SICH SELBST. 


S1 
In dem Grossen Waysenhause hieselbst ist von vielen jahren 
her bereits eine schule gewesen, die aber ihrer beschaffenheit und 
ı einrichtung nach von der, die vor 3 jahren in"demselben ange- 
leget worden, sehr verschieden ist. 


s2 | 

Ehemals wurden in dem gedachten Waysenhause nur die zu 
demselben eigentlich gehörige kinder, die waysenkinder, im lesen, 
ıs dem catechismo, schreiben und rechnen unterrichtet. Ein lehrer 
besorgte anfänglich den unterricht aller dieser waysenkinder, die 
er bald zusammen, bald in verschiedenen haufen nach ihrer ver- 
schiedenen fähigkeit und erkenntniß unterwieß und ihnen das 
nötigste beyzubringen suchte. Es konnte daher in dieser schule 
nichts anders getrieben werden als was in den ordentlichen und 
gemeinen deutschen oder sogenannten kleinen schulen getrieben 
wird. Die nicht geringe anzahl der in diesem hause befindlichen 
waysenkinder war für einen lehrer zu groß, und es war unmög- 
lich, daß ein mann sie so unterrichtete, daß kein kind hätte ver- 
ss säumet werden sollen. Unsers jetzt regierenden gnädigsten Her- 
zogs und Herrn Durchl. konnte dies bey der besondern aufmerk- 
samkeit, welche höchst dieselben vom anfange höchst deroselben 
glücklichen und gesegneten regierung an auf die erziehung der 
jugend dieses landes und die schulen desselben zu richten gnä- 
so digst geruheten, nicht lange verborgen bleiben, und die waysen- 


270 Monumenta Germaniae paedagogica 1 





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kinder in dem gedachten hause musten eben daraus erkennen, 
daß dieser wahre landesvater auch in einer ganz besondern ab- 
sicht ihr vater sey, daß auf Ihro Durchl. gnädigsten befehl meh- 
rere lehrer bey dies Waysenhaus gesetzet wurden, damit die jugend 
in demselben nach ihrer verschiedenen fähigkeit und erkenntniß ; 
getheilet und besser, als es vorhin möglich gewesen war, unter- 
richtet werden mögte. Die zahl dieser lehrer wurde zuletzt bis 
auf viere erhöhet, und die schule im Waysenhause gewann’ da- 
durch ein ganz anderes ansehen. Aber noch blieb alles in den 
grenzen einer ordentlichen deutschen schule, und bis auf das jahr ı 
1750 wurde weiter nichts mit der jugend im Waysenhause ge- 
trieben als das lesen, christenthum, schreiben und rechnen. 


83 
Wie aber unsers gnädigsten Herzogs und Herrn Durchl. gnä- 
digste absichten bey der vermehrung der lehrer bey dieser schule : 
gleich anfangs weiter als auf das gegangen waren, was sogleich 
geschahe, so gewann auch diese schule bald darauf ein so ver- 
ändertes ansehen, daß wir von dem 1750. jahre an füglich einen 
ganz neuen periodum derselben anfangen können. 


8 4 zu 
Anfänglich ging das alles, was bey dieser schule verfüget 
und veranstaltet wurde, bloß auf die waysenkinder; es verbreitete 
sich aber bald weiter und erstreckte sich über die jugend dieser 
stadt und dieses landes überhaupt. Die in dem vorhin gedachten 
jahre auf höchsten befehl geschehene neue einrichtung dieser » 
schule ging insonderheit dahin, daß die jugend, die darin unterwiesen 
wird, nicht bloß, wie bis dahin geschehen war, im lesen, dem 
christenthume, schreiben und rechnen, sondern zugleich in andern 
entweder nöthigen oder doch nützlichen dingen unterrichtet wer- 
den solte, damit aus ihnen gute bürger und brauchbare und» 
nützliche glieder des gemeinen wesens gezogen werden möchten. 
Es wurde daher älles das in dieser schule eingeführet, was zur 
erreichung dieses zwecks etwas beyträgt. Die lehrer derselben 
fingen auf höchsten befehl an der ihnen anvertrauten jugend 
unsern erdboden bekannt zu machen und ihnen das beyzubringen, : 
was einem reisenden, einem kaufmanne und einem künstler in- 
sonderheit zu wissen nötig ist. Die geschichte der alten und 
neuen zeiten wurde vorgetragen, und die jugend zum gebrauch 
des circuls und anderer, im gemeinen leben und bey den meisten 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 38 271 





professionen oft vorkommenden werkzeuge angeführet. Einige 
fingen das zeichnen mit dem besten erfolge an, und die milde 
unsers gnädigsten Herzogs, nach der diese schule mit einem an- 
sehnlichen naturaliencabinette versehen wurde, setzte die lehrer 
sin den stand, ihren anvertrauten die natürlichen dinge nach ihrem 
unterscheide und ihren eigenschaften bekannt zu machen. Das 
vorhin angeführte lesen, schreiben, rechnen und christenthum 
wurde dabey keinesweges versäumet, sondern die einrichtung so 
gemacht, daß dies alles mit einander bestehen könnte und nichts 
ıo zurückgelassen werden dürfte. 


85 

Dies war der grund zu der jetzo im Waysenhause befind- 
lichen schule und der anfang derselben. Es ging aber bald 
weiter. Denn weil die jugend im Waysenhause von der zeit an 
ıs an dem ende eines jeden halben jahres, also jedesmal im frühling 
und herbste, einer öffentlichen untersuchung in der bey dem 
Weysenhause belegenen kirche muste unterworfen werden, der 
beyzuwohnen ein jeder einwohner dieser stadt die freyheit hatte: 
so wurde sie eben dadurch nach ihrer verfassung und nach ihrem 
30 unterscheide von andern schulen bekannt, und die einrichtung 
derselben sowol überhaupt als die in derselben eingeführte lehr- 
art insonderheit fand den beyfall des vernünftigsten theils der 
hiesigen einwohner, die mit vereinigtem herzen die gnädigste 
vorsorge unsers durchl. landesvaters für verlassene kinder und 
3; waysen priesen und den herrn aller herren um die reicheste ver- 
geltung und erhaltung des durchl. stifters dieser neu angerichteten 

schule anriefen. 

86 

Die einwohner dieser stadt liessen es aber bey diesen wün- 
3o schen nicht bewenden, sondern sie verbunden damit noch einen 
andern wunsch, der dahin ging, daß ihre kinder an den den 
waysenkindern durch die landesväterliche vorsorge des Herzogs 
unsers gnädigsten Herrn Durchl. verschaften vortheilen theil 
nehmen und mit ihnen gleichen unterricht geniessen möchten. 
3 Dieser wunsch der stadt war auch Ihro Durchl. kaum bekannt 
geworden, als höchst dieselben gnädigst geruheten zu erlauben, 
daß auch andere und zum Waysenhause nicht eigentlich gehörige 
kinder in die Waysenhausschule aufgenommen werden möchten. 
Bald darauf fanden sich solche kinder, anfangs in geringerer, 


272 Monumenta Germaniae paedagogica I 





— 





hernach aber in grösserer anzahl ein, und es ist in kurzer zeit 
mit dieser schule dahin gediehen, daß sie jetzo eine der stärksten 
und zahlreichsten in dieser stadt ist. 


87 

Die vermehrte anzal der schüler und schülerinnen dieser ; 
schule machte eine vermehrung der lehrer nothwendig. Diese 
fand auch, ob sie gleich kostbar ist, keine schwierigkeiten, da 
es bey dieser schule keineswegs auf grosse vortheile für das haus, 
in dem sie gehalten wird, sondern insonderheit darauf angefangen 
ist, daß die jugend besser erzogen, unterwiesen und auf ihre noch ı0 
zukünftige umstände desto besser zubereitet werde. So wie sich 
daher die anzal der in dieser schule unterrichtet werdenden 
kinder vermehret hat, so ist auch die anzal der lehrer gestiegen, 
und sie wird künftig in eben diesem verhältnisse steigen. Jetzo 
arbeiten würklich ausser dem lehrer der französischen sprache ı; 
6 ordentliche lehrer an dieser schule, denen noch einige aus dem 
hier gleichfalls angelegten schulmeister-seminario zu hülfe kommen. 
Die schule hat dadurch den grossen und erheblichen vortheil 
erlanget, daB die jugend in derselben desto besser nach ihrer ver- 
schiedenen fähigkeit und erkenntniß sowol als nach ihren beson- » 
deren bestimmungen und den absichten der ihrigen getheilet, 
desto besser übersehen und desto geschwinder gefördert werden 
kann. 

58 


Ausser dieser vermehrung der lehrer hat diese schule noch 25 
eine andere enthalten, die darinn bestehet, daß in derselben jetzo 
mehrere dinge getrieben werden als darinn anfänglich getrieben 
worden sind. Man hat von zeit zu zeit, so wie es die umstände 
der schule selbst erlaubeten und erforderten, etwas hinzugethan 
und wird damit auch künftig befundenen umständen nach fort- so 
fahren und diese schule immer gemeinnütziger zu machen suchen. 
Ausser der deutschen und lateinischen sprache wird jetzo die 
theologie, die mathematic nach allen ihren theilen, und insonder- 
heit die mechanic und baukunst, die geographie, historie, die 
oeconomie, das briefschreiben, das zeichnen, das schreiben, rech- s 
nen und die französische sprache in derselben in verschiedenen 
classen gelehret. 

89 

Nicht nur die kinder männlichen, sondern auch die kinder 

weiblichen geschlechts werden in dieser schule, wie wol ganz ab- « 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 38 273 


gesondert und in verschiedenen classen, unterrichtet. Die letz- 
tern werden ausser dem, daß ihnen das lesen, schreiben, rechnen 
und das christenthum gelehret wird, auch im nehen, sticken und 
andern weiblichen arbeiten unterrichtet, und diejenigen, welche 

s wünschen, daß ihre töchter auch französisch, die geographie und 
historie oder das zeichnen lernen möchten, werden dazu in dieser 
schule auch nächstens gelegenheit finden. 


8 10 

Damit auch auswärtige diese schule nutzen können, so sind 

ıo auf dem Waysenhause bereits einige wohnstuben, welche von 
fremden, die dem besagten hause zur gänzlichen erziehung und 
zum unterrichte anvertrauet werden sollen, bewohnet werden 
können, aptiret worden, und werden ihrer noch mehrere einge- 
richtet werden. Auf einer solchen stube können ihrer 2, 3 oder 
ı; 4 beysammen wohnen, je nachdem es die eltern oder angehörige 
verlangen, und je nachdem es ihre umstände zulassen mehr oder 
weniger für die wohnung der ihrigen zu bezahlen. Ueberhaupt 
aber ist, wie aus dem nachher gemachten anschlage erhellen wird, 
alles so eingerichtet, daß kinder in dieser schule ohne grosse kosten 
20 gehalten werden und also auch eltern von mittelmässigem ver- 
mögen ihre kinder derselben übergeben können. Die auf dem 
Waysenhause wohnen können, auch ihren tisch auf demselben 
gegen eine ganz mässige bezahlung haben. Doch ist auch hiebey 
die verfügung gemacht, daß allerley eltern und kindern gerathen 
3; werden kann, indem ein schlechterer, ein mittelmässiger und ein 
besserer tisch für das nachher zu bestimmende geld zu haben ist, 
und den eltern die freyheit gelassen wird denjenigen davon zu 
wehlen, der ihren umständen und ihren kindern am gemässesten ist. 


8 ıl 
30 Diejenigen kinder, welche auf diese art dem Waysenhause 
zur gänzlichen erziehung anvertrauet werden, stehen unter be- 
ständiger aufsicht der informatoren: daher auch ihre stuben so 
eingerichtet sind, daß die lehrer unter ihnen wohnen und also 
desto genauer auf sie merken können. Die anvertrauten dürfen 
3s ohne erlaubniß des informatoris, an den sie gewiesen sind, nicht 
ausgehen, auch sonst ohne seine genehmigung nichts vornehmen. 
Die eltern, welche auf diese art dem Waysenhause ihre kinder 
übergeben wollen, thun daher wol, wenn sie ihren kindern ein ge- 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 18 


274 Monumenta Germaniae paedagogica I 


naues verzeichniß aller denselben mitgegebenen sachen mitgeben 
oder es, wenn sie die kinder selbst bringen, dem informator, an 
den sie von dem director werden gewiesen werden, übergeben, 
damit derselbe auf die sachen der kinder merken, dieselben revi- 
diren und für die möglichste erhaltung derselben sowol sorgen 5 
als allen verlust und alle veräusserung derselben möglichst ver- 
hüten könne. Wenn es die eltern verlangen, daß ihre kinder 
etwas geld zu ihrer eigenen dispositon und zur anschaffung einiger 
kleinigkeiten, als federn, papier etc., haben sollen, und dazu 
wöchentlich etwas gewisses aussetzen, so kann ihnen auch dies ıo 
von dem informatore, wenn die eltern ihm solches jedesmal auf 
ein quartal oder auf einen monath voraus zustellen, richtig ge- 
reichet und darüber gehalten werden, daß dies geld ihren ab- 
sichten gemäß angewendet werde Für die verpflegung dieser 
kinder ist auch, wie hernach angeführet werden wird, schon der- ıs 
gestalt gesorget, daß eltern desfals ohne alle unruhe seyn können. 


8 12 

Diese dem Waysenhause gänzlich anvertrauete kinder können 
in der schule desselben in allem, was sie nur wünschen, unter- 
richtet werden. Denn ob es gleich bei dieser schule überhaupt » 
nicht sowol darauf angefangen ist, eigentliche gelehrte zu ziehen, 
als vielmehr darauf, gute bürger zu bilden und nützliche und 
brauchbare glieder des gemeinen wesens zu bereiten, so ist sie 
doch darauf keinesweges allein und schlechterdings eingeschrenkt. 
Unsers gnädigsten Herrn Durchl. gnädigste absichten gehen noch 35 
weiter. Es soll durch diese schule die erziehung und der unter- 
richt überhaupt erleichtert werden, und auswärtige sollen inson- 
derheit ihre kinder derselben mit der gewissen versicherung, daß 
alle ihre absichten mit den ihrigen an denselben, so viel es immer 
möglich ist, werden erreichet werden, anvertrauen können. Dies » 
bringet nothwendig mit sich, daß solche kinder in dieser schule 
in allem müssen unterrichtet werden können, was sie nach den 
absichten ihrer eltern oder vormünder lernen sollen und wegen 
ihrer besondern bestimmung lernen müssen. Ob man daher gleich 
den hiesigen einwohnern, die ihre kinder wollen studiren lassen, 3: 
von seiten dieser schule räth, daß sie dieselben in eine von den 
hiesigen grossen oder lateinischen schulen schicken, weil in den- 
selben ihre absicht besser als bey uns erreichet werden kann: so 
giebt man doch auch auswärtigen die zuverlässige versicherung 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 38 275 


hiedurch öffentlich, daß ihre kinder, auch die, welche studiren 
sollen, wenn sie dieselben dem Waysenhause zur gänzlichen er- 
ziehung anvertrauen wollen, in demselben zu allem sollen ange- 
führet werden, was sie ihrem zwecke nach wissen müssen und 
s worinn sie auf einer niedrigen schule unterrichtet zu werden 
pflegen. Alles das, dessen vorhin gedacht worden ist und was 
überhaupt in dieser schule gelehret wird, ist so beschaffen, daß 
es ein solcher der studiren will lernen und wissen muß. Außer 
dem aber werden fremde oder dem Waysenhause gänzlich an- 
ıo vertraute kinder in besondern stunden in den sogenannten ge- 
lehrten sprachen dergestalt unterrichtet werden, daß ihnen nichts 
von dem fehlen soll, was sie auf einer andern schule lernen können ; 
welches man auswärtigen zu ihrer nachricht zu melden sich ver- 
bunden erachtet hat. 
15 & 13 
Die milde und gnade Ihro Durchl. unsers gnädigsten Herrn 
setzet auch die lehrer dieser schule in den stand, alles das, was 
vorhin angeführet ist und hernach stückweise wird angeführet 
werden, gründlich und deutlich zu lehren, da höchst dieselben dieser 
» schule so viel zufliessen lassen, daß die bey dem lehren der ma- 
thematik und naturlehre nöthige instrumente, maschinen und 
modelle etc. zum gebrauche dieser schule und ihren schülern zum 
besten angeschaffet werden können, .da ohne dieselben die vorhin 
angeführten wissenschaften nicht deutlich gelehret werden können. 
3; Es ist auch davon bereits ein ziemlicher vorrath vorhanden, der, 
nachdem uns neue und geräumige zimmer zur schule eingeräumet 
und angewiesen worden sind, nächstens wird öffentlich aufge- 
stellet, aber auch beständig und so vermehret werden, daß es an 
nichts fehlen möge. Ausser diesen maschinen, instrumenten und. 
so modellen ist auch diese schule mit einem nicht geringen natu- 
raliencabinette versehen worden, damit die schüler derselben zur 
erkenntniß natürlicher dinge desto besser angeführet werden 
können, und sie wird nie über einen mangel in irgend rinem 
stücke zu klagen haben, da es ihr die gnade unsers Herrn an 
3; nichts fehlen lässet. 
$ 14 
Die schule im Waysenhause ist überhaupt so eingerichtet, 
daß alles, was in derselben gelehret; wird, seine gewissen classen 
hat, und also ein jeder schüler in einem jeden stücke, das er 
so lernen soll, in eine solche classe gesetzet werden kann, die ihm 
18* 





276 Monumenta Germaniae paedagogica 


seiner erkenntniß und fähigkeit nach am gemässesten ist und in 
der ihm also auch am besten geholfen werden kann. So kann 
z.e. ein schüler im lateinischen in der obersten, im französischen, 
in der mathematic aber oder in andern dingen in der untersten 
oder einer mittlern classe sitzen, je nachdem er bey der bey seiner > 
aufnahme in die schule mit ihm angestelleten prüfung befunden 
wird. Man hat aus der erfahrung gelernet, wie nachtheilig es 
einem schüler sey, wenn er in eine entweder für ihn zu hohe 
oder zu niedrige classe gesetzet wird — welches aber nicht zu 
vermeiden ist, wenn sich in einer schule alles übrige nach einer ı0 
gewissen sprache oder wissenschaft richtet und der, welcher in 
derselben so weit gekommen ist, daß er in der obersten classe 
sitzen kann, auch in allen übrigen stücken in die obersten classen 
gewiesen wird — und durch die vorhin gedachte und bereits an 
mehrern orten zum grossen nutzen der jugend gemachte einrich- » 
tung den fehler bei der hiesigen Waysenhausschule zu vermeiden 
- gesucht, der von vernünftigen an den gemeinen öffentlichen schulen 
längstens getadelt ist. Man ist dabei versichert, daß sich ver- 
nünftige eltern diese zum besten der jugend gemachte verfügung 
gerne werden gefallen lassen und es nicht übel empfinden, wenn ı5 
ihre kinder in dingen, in denen sie es ziemlich weit gebracht 
haben, zwar in eine hohe und ihrer erkenntniß gemässe classe, 
in andern aber, darinn sie entweder noch gar nichts oder wenig 
gethan haben, die sie doch aber auch lernen sollen, in eine nie- 
drige classe gesetzet werden. Es kann z.e. seyn, daß ein schüler ss 
in der lateinischen sprache es ziemlich weit gebracht hat, von 
der griechischen aber wenig oder nichts weiß. Wird dieser auch 
jemals griechisch lernen, wenn er im griechischen eben so wie 
im lateinischen in die oberste classe gesetzet wird, und wird die 
zeit, dieer darinn zubringet, nicht am ende völlig verloren seyn, so 
und er endlich diese sprache, wenn er sie anders lernen soll, von 
fornen anfangen müssen? In andern dingen verhält es sich eben 
so, und was in dem jetzt angeführten falle gilt, gilt zugleich in 
allen ähnlichen. Bey einer auf die vorhin angeführte art einge- 
richteten schule fällt zugleich die nothwendigkeit der vielen und » 
kostbaren privatstunden, in denen der jugend in den dingen, in 
denen es ihnen noch fehlet, nachgeholfen werden muß, weg, und 
sie behält allemal das ansehen und die art einer öffentlichen 
schule. Man kann daher um dieser einrichtung wegen bey 
dieser schule denen eltern kein gehör geben, welche verlangen, «0 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 88 277 


daß ihre kinder in eine gewisse, von ihnen selbst gewehlte classe 
gesetzet werden sollen, sondern wird sich bey der anweisung der 
classen schlechterdings nach der bey der angestelleten prüfung 
entdeckten fähigkeit und erkänntniß der kinder richten, weil es 
sam ende doch der schule zur last geleget wird, wenn die schüler 
derselben in einem und andern stücke nichts gelernet haben. 
Eltern werden daher wohl thun, wenn sie auch den klagen ihrer 
kinder, daß sie in eine niedrige classe gesetzet worden, kein gehör 
geben, sondern eben dies dazu brauchen, ihre kinder zu desto 
ıo mehrerem fleisse zu reitzen, da sie gewiß versichert sein können, 
daß man sie nie in eine niedrigere classe weisen werde als in 
die sie nothwendig müssen, wenn sie etwas gründliches lernen 
sollen, und sie, wenn sie zu einer höhern tüchtig worden sind, 
in der niedrigen nicht länger lassen, jedesmal aber bey der an- 
ıs weisung der classen nach bestem gewissen und bester erkänntniß 
verfahren werde. 
S 15 
Da aber bey der bey dieser schule gemachten einrichtung 
fast in allen stunden mehrere dinge zugleich, doch in verschiede- 
3 nen classen und von verschiedenen lehrern, getrieben werden, so 
lässet man den eltern gern die wahl, was ihre kinder in einer 
jeden stunde lernen sollen, und wenn sie ja glauben, daß ein 
stück, das in einer stunde gelehret wird, ihren kindern nicht 
nöthig sey, so werden sie doch allemal in eben der stunde andere 
3 dinge finden, die ihre kinder lernen können und müssen. Wenn 
also zZ. e. eltern nicht wollen, daß ihre kinder das zeichnen oder 
die mathematic lernen sollen, so können sie an deren statt etwas 
anders wehlen, das in eben der stunde, wo jene dinge getrieben 
werden, gleichfalls gelehret wird, und es wird daher, wie ver- 
»o schiedene absichten auch eltern bey ihren kindern haben mögen, 
nie eine stunde ausfallen dürfen, in der die kinder in dieser 
schule nicht auf eine den absichten der ihrigen und ihren be- 
stimmungen gemässe art unterrichtet werden könnten. 


$ 16 
35 Auch denen eltern wird man bey dieser schule gerne dienen, 
die wünschen, daß ihre kinder nur in einigen von denen dingen, 
die in derselben getrieben werden, unterrichtet werden mögen, 
wenn sie sich gefallen lassen, nach der verschiedenen beschaffen- 
heit der dinge, und je nachdem der unterricht in denselben der 


278 Monumenta Germaniae paedagogica I 


schule selbst mehr oder weniger kosten verursachet, den unter- 
richt zu bezahlen. So können z. e. eltern ihre kinder bloß in 
der mathematic, dem zeichnen, der französischen sprache in dieser 
schule unterweisen, sie werden sichs aber auch gefallen lassen, 
wenn sie für diese dinge, die der schule mehr kosten verursachen 
als andere, etwas mehr, auch mehr als die, welche alle stunden 
besuchen bezahlen müssen, weil in jenem falle eines das andere 
überträgt. Doch ist das schulgeld überhaupt, wie aus dem fol- 
genden erhellen wird, auf eine so billige art bestimmet worden, 
daß es nicht leicht in irgend einer andern schule so gering an- ı0 
gesetzt seyn wird. 


a 


8 17 Ä 

Die so verderblichen schulferien finden bey dieser schule 
gar nicht statt. Die erfahrung lehret, wie schädlich sie sind. 
Denn ausserdem daß in dieser zwischenzeit oft so viel vergessen ı; 
wird als die schüler in langer zeit nicht wieder lernen, bringen 
sie auch den schaden, daß die lehrlinge der arbeit und des stu- 
direns entwöhnen und dergestalt in unordnung und zerstreuung 
gerathen, daß sie oft lange zeit brauchen, ehe sie sich wieder 
sammeln und der arbeit aufs neue wieder gewohnet werden können, zu 
die ihnen auch nach den ferien viel saurer zu werden pfleget 
als sie ihnen sonst ist, wenn sie in derselben bleiben, und als sie 
ihnen würde geworden seyn, wenn sie gar keine ferien gehabt 
hätten. Es wird also nicht nur die zu den ferien eigentlich be- 
stimmte, sondern auch die zeit mit verlohren, welche die schüler 35 
zur sammlüng ihres gemüths und zum wiedergewöhnen der arbeit 
gebrauchen. Aus den angeführten und andern gründen haben 
wir bey dieser schule gar keine ferien angenommen. Die nach- 
mittage am mittewochen und sonnabende und vor einem jeden 
fest- und feyertage, und höchstens die 3 ersten tage in der messe so 
sind es, was wir von dieser art bey dieser schule noch haben. 
An den zuletzt angeführten tagen aber wird würklich schule ge- 
halten, und man wünschte von seiten der schule, daß sie fleissiger 
besucht werden mögte, wie denn alle eltern hiedurch zur nach- 
richt gemeldet wird, daß sie ihre kinder an den ersten meßtagen 3; 
sicher in die schule schicken können und ihnen nicht glauben 
dürfen, wenn sie vorgeben wollten, als wenn an diesen tagen gar 
keine schule gehalten würde. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 38 279 


& 18 

Aus dem aber, was zuletzt angeführet ist, erhellet zugleich, 
wie sehr eltern ihren kindern schaden, wenn sie dieselben oft 
und ohne erhebliche ursachen aus der schule zurückbehalten. 
s Dies schadet in allen classen und in allen stücken. Denn die 
übrigen kommen indessen weiter, und die forderung wäre unbillig, 
wenn solche eltern, deren kinder aus ihrer eigenen schuld zurück- 
geblieben sind, verlangen wollten, daß der übrige ganze haufe 
eine zeitlang versäumet werden sollte, damit nur ihren kindern 
ıo nachgeholfen werden könnte. Das ist gar nicht zu erwarten. 
Die fleissigen schüler verdienen den grössesten fleiß der lehrer. Sie 
sind es am meisten, die faulen und nachlässigen aber am wenig- 

sten wehrt, daß man sich ihrer besonders annehme. 


Ueberdem sind auch viele dinge, welche in dieser schule 
ıs getrieben werden, von der art, daß das nachfolgende ohne das 
vorhergehende nicht verstanden und begriffen werden kann. Soll 
aber der lehrer dies um einiger faulen willen beständig wieder- 
holen und dadurch die fleissigen an ihrem weitern fortkommen 
hindern? Wer kann dies fordern? Wenn also das, worauf sich 
2 das folgende gründet, versäumet ist, so höret der, welcher dies 
versäumet hat, auch das folgende ohne nutzen und bringet die 
zeit fruchtlos hin. Eltern aber handeln unverantwortlich, wenn 
sie das schlechte fortkommen ihrer kinder der schule zur last 
legen, wenn sie selbst schuld daran sind. Sie werden daher 
3 namens dieser schule ersuchet ihre kinder zum fleissigen besuchen 
derselben anzuhalten und ohne dringende noth nie zu verstatten, 
daß sie sich derselben entziehen. Damit aber von seiten der 
kinder auch kein unterschleif vorgehen möge, so halten wir bey 
dieser schule die kinder, welche dieselbe besuchen, dazu an, daß 
:so sie, wenn sie einen oder mehrere tage abwesend gewesen sind, 
entschuldigungs-zettel der ihrigen mitbringen, vorzeigen und sich 
dadurch rechtfertigen müssen, daß sie nicht ohne vorwissen der 
ihrigen die schule versäumet haben. 


Christliche und vernünftige eltern werden diese aufmerksam- 

3; keit erkennen und sich deswegen nicht beschweren, daß sie der- 
gleichen zettel schreiben oder ihre kinder auf eine andere art 
entschuldigen müssen, die bey dem lehrer keinen zweifel übrig 
lässet, daß die eltern um das ausbleiben ihrer kinder gewust haben. 


280 Monumenta germaniae paedagogica I 


8 19 
So ist diese schule überhaupt beschaffen. Was eltern und 
vormünder sonst noch von ihr zu erfahren und zu wissen ver- 
langen möchten, wird in dem folgenden vorkommen. 


Cap. II N 
VON DEN VORGESETZTEN DIESER SCHULE. 


8 20 
Die vorgesetzten dieser schule sind jetzo der gnädigst ver- 
ordnete director derselben, die informatores, und in gewisser ab- 
sicht auch die lehrmeisterin im nehen und andern weiblichen v 
arbeiten, der waysen-vater und die waysen-mutter. 


& 21 
Die direction dieser schule haben des Herzogs unsers gnädig- 
sten Herrn Durchl. dem pastor bey der kirchen B.M.V. und schul- 
inspector hieselbst, Johann Arnold Anton Zwicke, gnädigst an- 
vertrauet, an den auch alle sich bey dieser beschäftigende perso- 
nen in dem, was die erziehung, den unterricht und die zucht der 
ihr .anvertrauten kinder betrift, lediglich gewiesen sind. 


8 22 

Der director beschäftiget sich mit dieser schule auf mancher- » 
ley weise. Er suchet bey dem abgange eines informatoris einen 
andern an dessen stelle und schlägt ihn Serenissimo unterthänigst 
vor, weiset ihn auch nach erhaltener höchster und gnädigster 
confirmation zu seinem amte an. Er visitiret diese schule nach 
allen ihren classen fleißig und merket darauf, daß die einmals 
vorgeschriebene und eingeführte lehrart in allen classen gebraucht 
und in einer jeden classe das getrieben werde, was in derselben 
eigentlich getrieben werden soll. Er stellet bey diesen seinen 
visitationen bald in dieser, bald in jener classe ein examen an, 
um zu sehen, ob und wie die schüler derselben zugenommen « 
haben, um dadurch die fleißigen zu noch grösserem fleiße zu 
ermuntern, die nachläßigen und faulen aber zu ihrem besten zu 
beschämen. Ohne sein vorwissen darf nichts in der schule ge 
ändert, nichts neues eingeführet, und nichts, was einmal eingeführt 
ist, abgeschaffet werden, so wie auch kein schüler aus einer classe s 
in eine andere versetzet werden darf, ohne daß er vorhin darum 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 88 281 


gewust habe. Bey groben vergehungen der jugend bestimmet 
er die strafe und lässet sie auch wohl in seiner gegenwart voll- 
ziehen. Er ermahnet, erinnert und warnet die, bey welchen der- 
gleichen nöthig ist, öffentlich und insbesondere. Mit den infor- 
s matoribus hält er wöchentlich eine conferenz, theils um das, was 
er bey seinen visitationen angemerket hat, mit desto grösserem 
und allgemeinerm nutzen erinnern, theils aber auch von den in- 
formatoribus was sie angemerket vernehmen, ihre etwa zur ver- 
besserung zuthuende vorschläge hören und sonst mit den infor- 
ıo matoribus gemeinschaftlich abthun zu können, was etwa in 
dieser zeit vorgefallen ist. Die schüler, bey denen etwas zu er- 
innern ist, werden auch vor diese conferenz gefordert und befun- 
denen umständen nach entweder ermahnet oder gewarnt oder 
bestraft. Die kinder, welche entweder dem Waysenhause gänzlich 
ıs anvertrauet oder doch in die schule desselben geschicket werden 
sollen, müssen vorher bey ihm sich melden. Er examiniret die- 
selben, weiset ihnen die für sie sich schickende classen an und 
führet davon ein genaues verzeichniß. Er höret die erinnerungen 
und desideria derer, welche die ihrigen dieser schule anvertrauet . 
20 haben, gerne und suchet den letztern, wenn sie gegründet sind 
und es möglich ist, abzuhelfen; wie denn alle die, welche dieser 
schule wegen etwas vorzutragen haben, sich bey ihm jedesmal 
sicher und getrost melden und versichert sein können, daß ihnen 
nach vermögen gerne werde geholfen und gedienet werden. Er 
3; meldet die zur verbesserung der schule etwa vorkommende vor- 
schläge Serenissimo unterthänigst und siehet seiner pflicht gemäs 
dahin, daß die ganze schule in ordnung erhalten und immer ge- 
meinnütziger gemacht werde; daher er auch dafür sorget, daß es 
an den nöthigen instrumenten, maschinen, modellen etc., und 
so was die schule und das beste der darin unterrichtet werdenden 
jugend erfordert, nicht fehle, als wozu er auch gnädigst ange- 
wiesen und befehliget ist. 
5 23 
Die informatores beschäftigen sich insonderheit mit dem 
ss unterrichte und der erziehung der jugend. Der älteste unter 
ihnen, der jedesmal ordiniret ist, komt dem directori in der aus- 
richtung seines amts zu hülfe und führet die unteraufsicht über 
die ganze schule, daher er auch mit dem directore oft und fleißig 
conferiret, ihm das nöthige referiret und seine entscheidungen 
40 erwartet. 





282 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Er nimt zugleich das quartaliter zu bezahlende schulgeld 
auf, berechnet sich darüber mit dem directore nach dem verzeich- 
nisse, welches letzterer von den schülern führet, und giebt es 
darauf an den directorem ab, der es zu dem bestimten gebrauche 
verwendet. Er beschäftiget sich auch mit dem hier gleichfals ; 
angelegten schulmeister seminario, hat auch über dasselbe die 
unteraufsicht und siehet dahin, daß die glieder desselben der 
desfals gemachten einrichtung gemäß der schule zu statten kommen. 
Überdem aber arbeitet er an dem unterrichte und der erziehung 
der jugend wie die übrigen. Diese informatores informiren ins- ı0 
gesamt und ein jeder unter ihnen insonderheit täglich 5 stunden 
und halten sonst die im Waysenhause befindliche und demselben 
gänzlich anvertraute kinder in beständiger und genauer aufsicht; 
wie denn von den letztern an einen jeden von ihnen einige be- 
sonders gewiesen sind, auf deren verhalten er besonders zu merken ıs 
hat. Sie werden vom Waysenhause besoldet und wohnen auf 
demselben unter denen schülern, die sie daher von allen seiten 
leicht beobachten können. 

Ihre anzahl lässet sich nicht bestimmen, weil diese sich nach 
der anzahl der schüler richtet. Jetzo sind ihrer 6, sobald es so 
aber die umstände erfordern, wird der 7* dazu kommen. Sie 
werden mit vorsichtigkeit und sorgfalt gewehlet, weil bey der 
schule auf sie das meiste ankommt. Man nimt daher nicht gerne 
jemanden, der nicht schon anderwärts informiret und in diesem 
geschäfte übung gehabt und eine fertigkeit erlanget, sich auch 
zu einer bequemen methode gewehnet hat, weil man aus der er- 
fahrung weis, wie nachtheilig es für schüler sey, wenn ihre lehrer 
bey ihnen erst das informiren lernen sollen. Es wird uns auch 
um so viel weniger an guten, treuen und geübten informatoribus 
fehlen können, da Serenissimus den lehrern bey dieser schule, so 
wenn sie derselben einige jahre treu gedienet, weitere beförderung 
zu versprechen gnädigst geruhet haben. Alle informatores sind 
sonst einander gleich, und obgleich ein jeder seine gewisse und 
ihm angewiesene arbeit in gewissen classen hat, so ist doch keiner 
an eine gewisse classe dergestalt gebunden, daß er in gar keiner 3; 
andern informiren solte.. Diese schule ist vielmehr gewohnet 
einen jeden ihrer lehrer in der art der studien am meisten zu 
gebrauchen, darin er selbst am stärksten ist und dazu er die 
grösseste neigung hat, und sie hat schon exempel von andern 
berühmten schulen vor sich, die es eben so machen. 40 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 88 283 





Ein informator hat in einer jeden classe sein gewisses be- 
stimtes pensum, welches er zu ende bringen und wöchentlich in 
ein dazu besonders gemachtes buch anmerken muß, wie weit er 
in derselben woche damit gekommen sey. Einer unter ihnen hat 

san einem jeden tage die allgemeine aufsicht. An diesen muß 
daher alles, was an dem tage vorgehet, gemeldet werden, so wie 
er dinge von erheblichkeit dem directori meldet. 

Was sonst die informatores noch zu verrichten haben, wird 
sich in dem folgenden deutlicher als hier zeigen lassen. 


10 8 24 
Die lehrmeisterin im nehen und andern weiblichen arbeiten 
beschäftiget sich nur mit den kindern weibliches geschlechts, 
welche sie täglich 5 stunden in den vorhin angeführten stücken 
unterrichtet und dabey allen fleiß und alle treue zu beweisen hat. 


15 & 25 
Der waysenvater und die waysenmutter haben zwar eigent- 
lich nur mit den waysenkindern zu thun, sie stehen aber doch 
mit der schule in soferne in verbindung, als sie vor die reinigung 
der dem Waisenhause völlig anvertrauten kinder mit sorgen müssen, 
» wozu sie gleichfals angewiesen sind. Was sie sonst aber an diesen 
schülern bemerken, müssen sie denen informatoribus melden und 
anzeigen. 


Cap. TI | 
VON DEN SCHÜLERN. 


25 & 26 
Die schüler dieser schule sind nicht alle von einer art. Einige 
sind dem Waysenhause zur gänzlichen erziehung anvertrauet, andere 
aber besuchen nur die schule des Waysenhauses und werden in 
derselben unterrichtet, wohnen aber in denen häusern ihrer eltern 
so oder angehörigen, denen daher die erziehung dem grössesten theile 
nach überlassen werden muß. 


8 27 
Auf die letzte art der schüler kan von seiten der schule 
nicht länger gemerket werden als sie in derselben würklich sind, 
3 und also von dem, was sie ausser der schule treiben und vor- 
nehmen, keine verantwortung auf die schule und die lehrer fallen. 
Eltern gehen daher zu weit, wenn sie glauben und behaupten, 


284 Monumenta Germaniae paedagogica I 


daß ihre kinder gewisse unarten, die sich an ihnen zeigen, in der 
schule gelernt hätten, da sie, wenn sie die sache genauer unter- 
suchen wolten, finden würden, daß die meisten unarten von den 
gassen, aber nicht aus der schule mitgebracht würden. Sie könnten 
diesem übel also vorbeugen, wenn sie solche verfügungen machten, 
daß ihre kinder unter einer guten aufsicht nach der schule und 
aus derselben wieder nach ihrer wohnung gebracht würden, und 
sie ausser denen schulstunden selbst unter einer genauen und 
beständigen aufsicht hielten und vor allem umgange mit solchen, 
deren verderbte sitten entweder bekannt sind oder die sie gar 
nicht kennen, zu bewahren suchten. 


8 28 

Diese schüler kommen im sommer frühe um 7, im winter 
aber frühe um 8 uhr in die schule, und aus derselben entweder 
um 11 oder um 12 uhr nach hause. Nachmittage gehet die schule 
um 1 oder 2 uhr an und wird um 5 oder 6 uhr geschlossen. 
Eltern und vormünder thun daher wohl, wenn sie ihre kinder 
weder zu frühe noch zu späte hingehen lassen. Das erste giebt 
gelegenheit zu einem gar zu langen aufenthalte und zu allerley 
ausschweifungen auf der gasse, das andere aber hat sonst seinen 
offenbaren schaden. Uns aber werden es die eltern nicht ver- 
üblen, wenn wir die ohne entschuldigung zu späte kommende 
kinder dafür ansehen und sie zum ordentlichen besuche der 
schule anhalten. Auch ersuchet man die eltern und angehörigen 


20 


der anvertrauten dieser schule, es ihren kindern an dem nöthigen as 


papier, büchern und dergleichen dingen nicht fehlen zu lassen, 
damit sie durch diese mängel nicht aufgehalten und an ihrem 
fortkommen gehindert werden. 


8 29 
Die andere art der schüler machen diejenigen aus, welche 
dem Waysenhause zur gänzlichen erziehung übergeben sind. Diese 
stehen unter beständiger aufsicht der informatorum, ohne deren 
vorwissen und genehmigung sie weder ausgehen noch sonst etwas 
vornehmen dürfen. Morgens und abends wird von dem infor- 


30 


matore mit ihnen gebetet, und sie fangen darauf ihre arbeit nach ss 


der ihnen gegebenen anweysung an. Es ist ihnen erlaubet in 
denen freystunden auf dem hofe zu spatziren, und die informa- 
tores thun eben dies zür erhaltung ihrer gesundheit und nöthigen 
bewegung an den mittewochen und sonnabenden mit ihnen vor 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 38 285 


dem thore. Hingegen dürfen sie nie vor sich und ohne vorher 
dem informatori, an den sie gewiesen sind, es angezeigt und dessen 
genehmigung erhalten zu haben, ausgehen, welche ihnen aber 
nie versaget wird, wenn sie ohne versäumniß ausgehen können 
s und man wegen des orts, wohin sie gehen wollen, völlig gesichert 
ist und keine gefahr für sie zu besorgen hat. In bedenklichen 
fällen werden sie von den informatoribus an den directorem ge- 
wiesen, um bey ihm die verlangte erlaubniß nachzusuchen. Von 
ihren büchern etc. etc. müssen sie richtige verzeichnisse halten, 
ıo welche auch der informator über die sachen seiner anvertrauten 
führet und nach denselben diese fleißig revidiret, um alle ver- 
nachlässigung und veräussernng derselben zu verhüten. Grosse 
zusammenkünfte, schmausereyen, tobackrauchen und spielen wird 
in diesem hause nicht verstattet. Die schüler von der art, davon 
ıs jetzo die rede ist, dürfen weder die schule noch den gottesdienst 
versäumen, noch auch vom tische bleiben, ohne sich desfalls ent- 
schuldigt und erlaubniß erhalten zu haben. Auf ihren stuben 
müssen sie ruhig seyn und sowol zu rechter zeit aufstehen als 
zu bette gehen. Wenn die eltern etwas geld zu ihrer eigenen 
0 disposition geben wollen, so lässet man dies zwar geschehen, 
siehet aber doch darauf, daß es wol und auf eine den absichten 
der eltern gemässe art verwendet werde Was sonst von den 
schülern von dieser art gefordert wird, kann man aus den be- 
sonders gedruckten gesetzen ersehen, über welche genau und 
3 ernstlich gehalten wird. 
8 30 
Alle schüler dieser schule werden gleich gehalten. Man 
macht unter ihnen keinen andern unterscheid als den, welchen 
sie durch ihre aufführung selbst machen. Die fleissigen und 
» wolgesitteten werden von den faulen und übelgesitteten zu bey- 
der theile besten billig unterschieden. Auf den unterscheid des 
standes aber kann bey einer solchen schule nicht so genau ge- 
sehen werden als manche eltern, die schulen nicht genugsam 
kennen, meinen und auch zuweilen fordern. 


36 Cap. IV 
VON DEN LECTIONEN. 
8 al 
Was in der schule des Hochfürstlichen Waysenhauses hıe- 
selbst getrieben werde, ist bereits überhaupt oben angezeiget. 





286 Monumenta Germanise paedagogica I 


Das lesen, schreiben, rechnen, christenthum, zeichnen, die geo- 
graphie, historie, die lateinische und französische sprache, die 
mathematic, öconomie und das briefschreiben wird in verschiedenen 
classen gelehret. 
& 32 s 

Da bey dieser schule die leotiones so geleget und geordnet 
sind, daß einem jeden nach seinen besondern absichten und be 
stimmungen gedienet und geholfen werden könne, so haben auch 
auf die meisten stunden mehrere dinge geleget werden müssen, 
weil sonst diese absicht nicht erreichet werden könnte. n 

Von 7— 8 wird im sommer die historie gelehret; 

. von 8— 9 wird das christenthum und das lesen nach dem 
verschiedenen zustande der schüler auf eine ihrer 
verschiedenen erkenntniß gemässe art in ver- 
schiedenen classen getrieben ; B 

von 9-10 beschäftigen sich die schüler und schülerinnen 
mit der mathematio, dem zeichnen, schreiben, 
rechnen und der lateinischen sprache in ver- 
schiedenen classen ; 

von 10—11 wird das rechnen und schreiben gleichfalls ge- » 
trieben, und einige lernen den catechismum oder 
sonst etwas auswendig; 

von 11—12 wird die französische sprache von einem sprach- 
meister im beyseyn eines informatoris gelehret. 

von 1-— 2 nachmittage wird die geographie und Öconomie » 
gelehret;; 

von 2— 3 wird in verschiedenen classen das briefschreiben, 
die lateinische sprache und das schreiben und 
rechnen getrieben; 

von 3— 4 wird eben dieses tractiret; ” 

von 4— 5 mit der französischen sprache eben so wie vor- 
mittage der beschluß gemacht. 


8 33 
Ob aber gleich dieses alles im winter sowol als sommer ge- 
trieben wird, so muß man sich doch nach der beschaffenheit der s 
zeit richten. Die historie wird dahero im winter von 4 bis 5, 
und das französische von 5 bis 6 tractiret. Die kinder weiblichen 
geschlechts, welche im nehen und andern weiblichen arbeiten im 
sommer nachmittage von 3 uhr an unterwiesen werden, machen 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 88 287 


im winter damit um 1 uhr den anfang, und ihre übrigen lectio- 
nen werden so geordnet, daß die wichtigsten davon auf den vor- 
mittag fallen. Die von den neuen meistern und künstlern nach 
Serenissimi gnädigstem befehle in dieser schule vorzuzeigende 

s meisterstücke werden in der stunde, auf welche die öconomie 
fällt, vorgewiesen und erkläret, damit die jugend wenigstens 
einige erkenntniß der verschiedenen professionen und künste er- 
lange und daher in der wahl einer lebensart desto richtiger ver- 
fahren könne. 

10 8 34 

Wöchentlich wird zweymal alles, was in den vorigen stun- 

den vorgetragen ist, kürzlich wiederholet, um dadurch theils zu 
erfahren, ob und wie dies gefasset worden sey, theils aber auch 
die schüler zur aufmerksamkeit zu ermuntern und die vorgetragene 

ıs sachen desto mehr einzuschärfen. 


$ 35 
Die lectiones werden jedesmal mit einigen versen aus einem 
liede und der verlesung eines psalms angefangen und beschlossen, 
und überhaupt dahin sorgfältig gesehen, daß die schüler das er- 
0 lernte recht nutzen lernen. Daher werden sowol in sprachen als 
andern dingen, da dies statt findet, öfters übungen angestellet und 
die dabey mögliche vortheile der jugend treulich bekannt gemacht. 


8 36 
Bey dem schlusse eines jeden halben jahres wird die ge- 

3; sammte schuljugend einer öffentlichen untersuchung unterworfen. 
Diese wird in der bey dem Waysenhause belegenen kirche ange- 
stellet. Es stehet nicht nur einem jeden frey derselben beyzu- 
wohnen, sondern man wünschet auch von seiten der schule, daß 
diejenigen, welche kinder .in derselben haben, dabey erscheinen 

so möchten. Sie währet jetzo noch 2 tage, und die erwachsensten 
halten bey dieser gelegenheit kurze reden und gespräche in ver- 
schiedenen sprachen, damit sie in zeiten von der der jugend sonst 
anhangenden furchtsamkeit befreyet und zu einer anständigen 
freymüthigkeit angewehnet werden. 

35 Ausser diesen Öffentlichen untersuchungen aber stellet auch 
der director bald in dieser, bald in jener classe eine besondere 
untersuchung an, und es stehet: auch ausser den öffentlichen exa- 
minibus denen, welchen daran gelegen ist diese schule nach ihrer 
innern und äussern verfassung näher kennen zu lernen, frey 


288 Monumenta Germanise paedagogica I 


dieselbe nach allen ihren classen durchzugehen, wenn sie sich 
desfals vorher bey dem directore derselben geziemend gemeldet 
und ihr verlangen geäussert; haben. 


8 37 

Nach einem jeden öffentlichen examine fängt ein neuer cur- 
sus in dieser schule an. Diejenigen, welche die ihrigen derselben 
anvertrauen wollen, thun daher wol, wenn sie dieselben gleich 
nach dem examine schicken, weil sonst, wenn sie später kommen, 
ihnen nicht so gut gerathen und um einiger weniger willen nicht 
das bereits vorgetragene zum schaden der übrigen weitläuftig ıo 
wiederhohlet werden kann. | 


Cap. V 
VON DER ZUCHT. 
& 38 

So unmöglich eine schule ohne zucht überhaupt bestehen ı; 
kann, so unmöglich würde auch diese schule bestehen können, 
wenn in derselben gar keine zucht statt fände. Eltern, die nur 
einige kinder beysammen haben, erkennen die nothwendigkeit der 
zucht gar wol, und wer sie ganz verbannen wolte, der würde 
dem geiste Gottes wiedersprechen, der die eltern lehret die kinder » 
in der zucht und ermahnung zum herrn zu erziehen. 


5 39 

So schädlich aber eine gar zu grosse gelindigkeit ist, und 
so gefährlich die verbannung aller zucht aus einer schule über- 
haupt seyn würde, eben so schädlich ist auch eine übertriebene 3»; 
strenge und härte, und so gefährlich ist es, wenn bey der zucht 
die grenzen überschritten werden. Es sind daher bey der schule 
des hiesigen Grossen Waysenhauses solche verfügungen gemacht, 
die uns vor beyden abwegen ziemlich bewahren und in sicherheit 
setzen. Denn außer dem daß die lehrer angewiesen werden » 
leichtsinn und bosheit sorgfältig von einander zu unterscheiden 
und von einem kinde das gesetzte wesen eines mannes nicht zu 
fordern, welches sie auch selbst wissen, so ist auch den bey der 
zucht sonst leicht möglichen übereilungen und vergehungen in 
der ersten hitze des aflects dadurch vorgebeuget worden, daß 
grobe und eine scharfe schulzucht erfordernde vergehungen der 
jugend nicht sogleich und nicht ohne vorwissen des directoris 
geahndet und gestrafet werden dürfen. Dieser untersuchet dahero 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 38 289 


das verbrechen des angeklagten mit den informatoribus gemein- 
schaftlich, entweder bey der ordentlichen wöchentlichen conferenz 
oder auch ausserordentlich, und bestimmet nachher die strafe, 
welche auch meistentheils in seiner gegenwart, nachdem an dem 

s zu bestrafenden vorher alles geschehen ist, was die strafe heilsam 
machen kann, vollzogen wird. Kleine vergehungen werden zwar 
von denen informatoribus alleine, aber auf eine den vergehungen 
gemässe art und nachdem ermahnungen, warnungen oder drohun- 
gen nichts mehr helfen wollen, bestraft. 


10 8 40 
Es werden also bey der zucht gewisse stuffen beobachtet. 
Die ermahnungen, warnungen und drohungen eines informatoris, 
mehrerer zugleich, des directoris und der sämtlichen informatorum 
vor der conferenz gehen vor den würklichen bestrafungen her, 
ı und man hat das vertrauen zu den eltern unserer anvertraueten, 
daß sie nicht verlangen werden, daß, wenn dies alles geschehen 
und fruchtlos abgelaufen ist, man alsdenn der boßheit der kinder 
nachgeben und sie unbestraft lassen solte. Bey den würklichen 
bestrafungen aber werden die gehörigen stuffen sorgfältig be- 
20 obachtet, und man ist froh, wenn eine leichte und mehr in 
einer beschämung als übeln empfindung bestehende strafe die 
heilsame wirkung hat, daß man zu geschärftern fortzugehen nicht 
nöthig findet. Eltern aber können sich hiebey desto leichter 
beruhigen, da sie wissen, daß hier nichts einseitig, sondern alles 
3 gemeinschaftlich, nichts aus übereilung und im affecte, sondern 
alles nach vorhergegangener untersuchung und angestelleter über- 
legung geschicht. Unanständige und pöbelhafte schelt- und 
schimpfwörter, schläge an den kopf, vor die schienbeine und 
dergleichen finden bey dieser schule gar nicht statt und sind und 
so bleiben allezeit verboten. 


: Cap. VI. 
VON DER VERPFLEGUNG. 


8 41 
Der verpflegung geniessen eigentlich nur die dem Waysen- 
3 hause völlig übergebene kinder, und für diese ist in allen ab- 
sichten hinlänglich gesorget. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 19 


290 Monumenta Germanise paedagogica I 





8 42 

Die stuben, darauf diese dem Waysenhause anvertraueten 
kinder wohnen, sind gesund und werden reinlich und ordentlich 
gehalten. Sie sind mit tischen, stühlen, büchertächern und was 
sonst nöthig ist versehen und werden im winter ordentlich und s 
gebührend geheitzet. Es können ihrer 4, 3 oder 2 auf einer 
stube beysammen wohnen, es kan aber auch einer alleine seyn, 
je nachdem die eltern und angehörigen der kinder es verlangen 
und für die wohnungen viel oder wenig bezahlen können oder 
wollen. Die stuben weiset der director an und siehet bey dieser ı 
anweisung, so viel als immer möglich ist, dahin, daß solche zu- 
sammenkommen, die sich zusammen schicken, wie er denn auch 
die freyheit behält in dieser absicht eine umsetzung vorzunehmen, 
wenn er siehet, daß sie nothwendig sey. 


S 43 15 
Die tische sind verschieden, und kann ein kind wöchentlich 
für 18 mgr., für 24 mgr. und für 1 thlr. gespeiset werden. Bey 
einem jeden tische aber bekommt es sowol das abendessen als 
morgenbrodt, obgleich nothwendig alles nach der beschaffenheit 
der bezahlung eingerichtet seyn muß. Doch wird dahin gesehen, 20 
daß allemal gesundes und ordentlich rein zubereitetes essen ge- 
geben werde. Kindern, die gewohnet sind des morgens etwas 
warmes zu trinken, wird das gekochte wasser dazu geschaffet, für 
das übrige aber, für geräthe sowol als den thee oder caffee, müssen 
sie selbst sorgen, weil das Waysenhaus sich damit unmöglich » 
abgeben kann. 
5 4 
Das Waysenhaus ist noch nicht mit so vielen betten ver- 
sehen, daß es alle kinder, welche demselben anvertrauet werden, 
damit versorgen könnte. Die eltern, die ihre kinder dahin schicken » 
wollen, thun daher wol, wenn sie denselben ein bette mitgeben, 
weil sie dadurch jährlich wenigstens 4 thlr. ersparen. Wenn aber 
dis nicht geschiehet, müssen sie es sich gefallen lassen, daß ihnen 
hier ein bette gemietet werde, und die miethe dafür besonders 
bezahlen. 35 
8 45 
Die wäsche kann das Waysenhaus gleichtals nicht besorgen. 
Es wird dieselbe vielmehr, wenn die eltern und angehörigen der 
kinder nicht selbst dafür sorgen wollen oder können, einigen 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 38 291 


wäscherinnen gegeben, und mit denselben aufs genaueste accor- 
diret. Die eltern entrichten daher dies waschgeld quartaliter 
besonders, entweder an das Waysenhaus, welches dann die wäsche- 
rinnen befriedigt, oder an die wäscherinnen selbst. 


5 8 46 
Für die kranken ist nicht nur eine besondere krankenstube 
angelegt, sondern auch eine besondere wärterinn angenommen, 
die ihrer aufs beste pflege. Das Waysenhaus hat auch seinen 
besondern medicum und chirurgum, die sich der kranken mög- 
ıo lichst annehmen. Ihre mühe aber muß so wie die verbrauchte 

arzney besonders bezahlet werden. 


8 47 
Für die gesundheit der anvertrauten wird überhaupt mög- 
lichst gesorget und dahin gesehen, daß es ihnen an der nöthigen 
ıs recreation und leibesbewegung nicht fehle. Man wird auch noch 
mehr dafür sorgen, und da es im winter nicht immer möglich 
ist spatzieren zu gehen, dies durchs drechseln und andere arten 
der bewegung zu ersetzen suchen. 


8 48 
20 Kinder, welche der reinigung noch bedürfen, werden wöchent- 
lich, so oft es nöthig ist, durch dazu bestellete frauen gereiniget, 
und Jarauf genau gemerket, daß dies nicht unterbleibe. 


Cap.‘ VII. 
VON DEM SCHULGELDE UND ANDERN KOSTEN BEY DER.SCHULE 
us DES WAYSENHAUSES. 


5 49 
Da die schule des Waysenhauses für alle arten der kinder 
seyn soll, so ist alles so eingerichtet, daß sie alle eltern nutzen 
können und die kosten, die dabey erfordert werden, keinem zu 
30 schwer fallen; wie denn nicht leicht eine schule sein wird, bey 
der alles so billig und wohlfeil angesetzet wäre, als es bey dieser 
angesetzet ist. 
$ 50 
Diejenigen, welche blos die schule besuchen, ohne im Waysen- 
3; hause zu wohnen und zu speisen, zalen blos das schulgeld, welches 
folgendergestalt bestimmet ist. 
19* 


292 Monumenta Germanise paedagogica I 


Ein schüler, der blos lesen, schreiben und 
rechnen lernet und im christenthum unterwiesen 
wird, zahlet dafür quartaliter. . . . . . . 24 mgr. 


Wer nebst den obenangeführten stücken 
auch in der mathematic, geographie, ökonomie, 5 
historie, der lateinischen sprache und dem zeich- 
nen unterwiesen wird, zahlet quartaliter. . . 1 rthir. 


Wer aber nebst denen übrigen auch die 
französische sprache lernen soll, giebt quarta- 
liter den Dr .1 rthlr. 12 mgr. ıe 


Ein kind weiblichen geschlechts, welches 
im christenthum, schreiben und rechnen unter- 
richtet wird, giebt quartaliterr . . . . . . 24 mgr. 


Wenn ein solches kind aber zugleich zum 
nehen und andern weiblichen arbeiten soll an- 15 
geführet werden, so bezahlet es dafür quarta- 
hier. 4. ou. se 00. ae ta Re eek Mhlr 


S 51 

Ausser diesen ausgaben aber finden bey diesen kindern 
keine andere statt. Wie daher die eltern dies so geringe und » 
billige schulgeld von selbst quartaliter gerne und richtig abtragen 
werden, so giebt man ihnen hiedurch zugleich die versicherung, 
daß weiter nichts, weder holz-, noch licht-, noch martinsgeld, oder 
wie es sonst namen haben mag, werde gefordert werden. Wenn 
also ihre kinder dergleichen von ihnen fordern sollten, so können s 
sie dieselben sicher abweisen und glauben, daß die kinder dies 
entweder aus gewohnheit thyn oder das geld für sich behalten 
wollen. Wenn aber eltern ihre erkenntlichkeit für den ihren 
kindern ertheilten unterricht gegen das Waysenhaus beweisen 
wollen, so wird man dies jedesmal mit dank erkennen. » 


8 52 
Wie viel dazu erfordert werde, wenn ein kind dem Waysen- 
hause völlig übergeben und anvertrauet werden soll, kann zwar 
ein jeder leicht selbst aus dem bereits angeführten herleiten; 
wir wollen es aber, damit es desto geschwinder und leichter 
übersehen werden könne, hier noch nach einigen verschiedenen 
fällen überhaupt bestimmen. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 88 293 


Wer nebst noch drey andern auf einer stube wohnet, zahlet 


für stube, holz und licht quartaliter . . . . 1 thlr. — mer. 
Wann er dabey den schlechtesten tisch 
wöchentlich & 18 mgr. hat, trägt dies quartaliterr 6 ,„ 18 „ 
5 Wenn er alles mitlernet, giebt er quartaliter 1 ,„ 12 „ 
Dazu kömmt für bette und wäsche quarta- 
liter ohngefähr. . . . . 2 2 2 2 ee dd yon 


summa 10 thlr. 30 mgr. 

Wenn er besser gehalten werden und nur mit noch einem 

ıo auf der stube wohnen und für 24 mgr. wöchentlich speisen soll, 
so zahlet er: 


für die wohnung quartaliter . . . . . 2 thlr. — mgr. 

für den tisch quartaliter . . . 2.2.98 „ 24 „ 

für schulgeld quartaliter . . . »...1 „12 „ 
15 für wäsche und bette ohngefähr . . . 2 „ — 


summa 14 thlr. — mgr. 


Wer allein wohnen und an dem besten tische speisen soll, 
hat quartaliter zu entrichten: 


für wohnung, holz und licht. . . . . 4 thlr. — mgr. 
» für den tisch . . » 2 2 2 2.2 ..13 „ — 5 
für die information . . erie r e, 


für wäsche und bette ohngefähr . . . 2 „ — „ 
summa 20 thir. 12 mgr. 
$ 53 
35 Nach dieser anzeige wird sich die ausrechnung auf alle 
übrige fälle leicht machen und finden lassen, wie viel es koste, 
wenn ein kind zwar allein oder mit 2 oder 3 auf einer stube 
wohnen, aber an dem mittlern tische speisen soll, u. s. w. 


Ss 54 
» Wenn eltern oder vormünder wollen, daß die ihrigen frühe 
etwas warmes trinken sollen, so müssen sie das dazu erforderliche 
ihnen entweder von zeit zu zeit in natura zustellen lassen, oder 
sie können auch dem informator, an den ihre kinder gewiesen 
sind, es an gelde überreichen und nur bestimmen, wie viel in 
ss dieser absicht und zu diesem zweck den ihrigen wöchentlich oder 
monathlich gereichet werden solle. Sie werden den ihrigen auch 
am besten rathen, wenn sie in dem falle, daß dieselben etwas geld 
vor sich und zur bestreitung von allerley kleinen ausgaben haben 


294 Monumenta Germaniae paedagogica I 


sollen, es damit eben so halten, damit die kinder nicht zu viel 
auf einmal in die hände bekommen, weil dies selten gut zu 
gehen pflegt. 
8 55 

Da die speisung der dem Waysenhause völlig übergebenen ; 
kinder von einem besondern speisemeister besorget wird, von 
diesem aber, da alles auf das geringste angesetzet ist, nicht ge- 
fordert werden kann, daß er einem vorschuß thue, die schule 
selbst sich auch damit nicht abgeben kann, überdem aber holz 
und dergleichen zu rechter zeit angeschaffet und wegen der stuben w 
eine richtige abrechnung gehalten werden muß: so ist nöthig, 
daß die eltern und vormünder der dem Waysenhause anvertrauten 
kinder das zu ihrem unterhalte erforderliche jedesmal auf ein 
quartal voraus bezahlen und das geld auf das folgende wenigstens 
8 tage vor dem völligen ablaufe des letzten richtig, in gangbarer ı; 
und unverrufener münze frey einschicken. 


$ 56 
Diese gelder werden an den vorhin benandten gnädigst ver- 
ordneten directorem dieser schule geschickt, welcher davon das 
abzugebende sogleich gehörigen orts abgiebt und die vertheilung » 
nach der einmal mit den eltern und vormündern genommenen 
abrede ohne anstand macht, auch über den empfang dieser gelder 
quitiret. 
8 57 
Soviel hat man jetzo von der verfassung und einrichtung : 
der schule im hiesigen Hochfürstl. Waysenhause zuverlässig melden 
können, und man wird diese nachrichten, so oft es eine mit dieser 
schule vorgegangene veränderung nothwendig macht, fortzusetzen 
nicht ermangeln. 
| Der Herr segne alles pflanzen und begiessen in derselben » 
zur verherrlichung seines namens, zur beförderung der glück- 
seligkeit derer, die in derselben unterrichtet und erzogen werden, 
und zum gemeinen besten! 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 38 295 


GESETZE FÜR DIE 
WELCHE IN DEM HOCHFÜRSTLICHEN GROSSEN WAYSENHAUSE 
ZU BRAUNSCHWEIG ERZOGEN WERDEN. 

1 
5 Ein jeder schüler des Hochfürstl. Grossen Waysenhauses soll 
sich eines stillen, ehrbaren und christlichen wandels befleissigen, 
sich der allgegenwart Gottes beständig erinnern und sich vor 
allen dem sorgfältig hüten, wodurch seine mitschüler und andere 

geärgert werden könnten. 

10 2 
Dem öffentlichen gottesdienst sowol als den täglichen bet- 
stunden soll sich niemand, ohne vorher von seinen vorgesetzten 
dazu erlaubniß erhalten zu haben, entziehen, sich dabey ruhig 
und stille verhalten, auch die dabey nöthigen bücher mitbringen. 


15 3 
Wer zum heil. abendmahle gehen will, soll solches wenig- 
stens 8 tage vorher dem informator, an den er gewiesen ist, melden. 


4 
Leichtfertige und wider christliche zucht laufende bücher 
ae werden bey keinem geduldet, sondern ernstlich verboten. 


3) 

Die einem jeden angewiesene lectiones soll niemand, ohne 
vorher von dem informator, an den er gewiesen ist, schriftliche 
erlaubniß erhalten und sich durch vorzeigung derselben bey dem, 

3; der ihn unterrichtet, legitimiret zu haben, versäumen. 


6 
Von dem ordentlichen tische, bey dem unter aufsicht eines 
oder mehrerer informatoren gespeiset wird, soll niemand ohne er- 
hebliche ursache, und ohne erlaubniß dazu erhalten zu haben, 
3o wegbleiben, sich auch dazu zu der fest gesetzten zeit ordentlich 
und ohne verzug einfinden. 
7 
Der bescheidenheit und höflichkeit gegen jedermann soll 
sich ein jeder befleißigen und diese insonderheit gegen die, unter 
ss denen er wohnet und mit denen er in verbindung sitzet, beweisen. 





296 Monumenta Germaniae paedagogica I 


8 
Denen informatoren insgesamt soll ein jeder gehorsam seyn 
und sie als seine eltern lieben und ehren. 


9 
Mit seinen mitschülern soll ein jeder friedlich leben und; 
weder zu zänkereyen und streitigkeiten gelegenheit geben noch 
sich auch in dieselben einlassen. 


10 
Alle zusammenkünfte zum schmausen und das tobackrauchen 
bleiben im Waysenhause auf beständig verbothen. 10 


11 
Wein, branntewein und anderes starkes getränke ohne vor- 
wissen seines informatoris holen zu lassen ist keinem schüler 
erlaubet. 
12 15 
Alles werfen mit steinen und andern dingen auf dem waysen- 
hofe ist verbothen. 


13 
Das springen, lauffen und stossen auf den treppen ist gleich- 
falls untersagt. n 
14 


Auf dem hofe zu spatzieren ist zwar in den freystunden 
einem jedem schüler erlaubet, von dem hofe aber zu gehen oder 
vor demselben auf der gasse oder unter den thorwegen zu stehen, 
verbothen. » 

15 

So bald es dunkel wird, müssen die schüler auf ihren eige- 
nen stuben seyn und sich ohne vorwissen ihres informatoris 
weder auf einer andern stube noch auch auf dem hofe, in den 
classen oder sonst irgend wo finden lassen. N 


16 
Nach eigenem gefallen und allein auszugehen ist keinem 
erlaubt. Wenn aber ein schüler ausgehen will, so muß er die 
erlaubniß dazu bey dem informatore, an den er er gewiesen ist, 
auch wol bey dem directore suchen, welche ihm auch, wenn ers 
gegründete ursachen hat und man wegen des orts, wohin er 
gehen will, sicher ist, nicht wird versaget werden. 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 38 297 


17 
So wol das leihen als das verleihen ohne vorwissen der vor- 
gesetzten ist verbothen. 
18 
5 Ein jeder soll seine bücher, leinengeräthe, kleider und andere 
sachen genau aufzeichnen, auch so oft dieselben eine vermehrung 
erhalten, es seinem vorgesetzten anzeigen, damit derselbe es auch 
in sein verzeichniß eintragen und die revision darnach vornehmen 
könne. 
10 19 
Ohne verwilligung der vorgesetzten soll kein schüler das 
geringste von seinen sachen verkaufen, vertauschen, verschenken 
oder sonst veräusern. 
20 
15 Für seine stube und die nach dem inventario darauf ange- 
schafte sachen soll ein jeder gebührend sorge tragen und dahin 
sehen, daß alles in gutem stande erhalten und so wieder ausge- 
liefert werde. Wer aber muthwilliger weise oder durch nach- 
läßigkeit etwas verdirbet, muß den verursachten schaden ersetzen. 


20 21 
Zu der vestgesetzten zeit muß ein jeder aufstehen und zu 
bette gehen. 
22 
Mit feuer und licht muß ein jeder aufs behutsamste umgehen. 


25 23 
Besondere freyheiten werden niemanden verstattet, sondern 
ein jeder schüler muß sich der ordnung dieser anstalten unter- 
werfen, und daß er dies thun wolle, bey seiner aufnahme zusagen. 


298 Monumenta Germaniae paedagogica I: 


39 


Entwurf einer Ordnung 


für die grossen Schulen der Stadt Braunschweig. 
1755. 
U 
PUNCTATION 
BEHUEF EINER BESZERN EINRICHTUNG DER GROSZEN 
INSONDERHEIT DER LATEINISCHEN SCHULEN 


IN BRAUNSHWEIG UND DER DEMNÄCHST 
FÜR DIESELBEN ABZUFASZENDEN SCHULORDNUNG. ; 


Erster abschnitt. 
VON DEN AUFSEHERN DIESER SCHULEN. 


Cap. 1. 
Von den oberaufsehern dieser schulen. 


1 Y 
Die oberaufsicht hat das scholarchat oder der senatus scho- 
lasticus. 
2 
Das scholarchat oder der senatus scholasticus bestehet be- 
ständig aus 5 gliedern, dem directore und 4 beysitzern. 15 


3 
Der director ist nach der ehemaligen braunschweigischen 
schulordnung der jedesmalige braunschweigische superintendens, 
und nimmt er, sobald er als superintendens eingeführt ist, krafft 
seines amtes ohne fernere anweisung von dieser stelle besitz. zo 


4 
Die assessores bestehen aus zwey geistlichen und zwey welt- 
lichen gliedern, die des schulwesens kundig sind und die wichtig- 
keit deßelben gebührend zu hertzen nehmen. Die beiden welt- 
lichen glieder werden aus dem braunschweigischen magistrate ss 
und die beyden geistlichen aus dem braunschweigischen stadt- 
ministerio genommen. Jene werden nach geschehener wahl am- 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 299 


plissimi senatus zum schulsenat subdelegiret, diese aber nach 
Serenissimi gnädigster bestimmung dazu gezogen. 
5 
Das scholarchat oder der senatus scholasticus hat die auf- 
s sicht über die beyden gymnasia, über die in dem Waysenhause 
einzurichtende trivialschule und der damit verbundenen real- 
schule, über die schreibschulen und über alle deutschen schulen. 


6 
Das scholarchat oder der senatus scholasticus hat nur die 
ıw custodia legis et ordinis. Er soll nur über die publicirte schul- 
ordnung halten, und wenn die von ihm an die nachgesezten er- 
laßene verordnungen den gehörigen effect nicht haben, desfalls 
mit dem geistlichen gerichte und magistrate communieiren, damit 
beyde collegia durch ihre auctoritaet den effect verschaffen können. 


15 7 
Das scholarchat oder der senatus scholasticus komt in den 
ersten jahren, bis daß alles in ordnung gebracht ist, wöchentlich 
einmal und zwar des montags nachmittages in einem der be- 
stimmten räumlichen zimmer des fürstlichen gymnasii zusammen, 
20 hernach aber an dem ersten montage eines jeden monats, und 
daferne einer von diesen montagen ein festtag wäre, des nächst- 
folgenden montages. Kein membrum ist befugt von diesen zu- 
sammenkünften ohne noth zurücke zu bleiben. Wenn es der 
sachen nothdurft erfordert, ist es dem directori unbenommen 
35 eine außerordentliche zusammenkunfft ansagen zu lassen. 


8 
Das scholarchat oder der senatus scholasticus höret bey 
seinen zusammenkünften die relationes von den mitgliedern und 
die sonst eingelaufen an, fordert die contravenienten vor und gibt 
30 denselben die nöthigen und gehörigen weisungen, stellet die ten- 
tamina praesentandorum an, nimmt rechnungen ab und besorget 
überhaupt, daß die publicirte schulordnung in gang gebracht und 
im gange erhalten werde. 
9 
35 Die sachen, die vorkommen, werden durch die mehrheit der 
stimmen entschieden. Der director hat ein votum deliberativum 
und decisivum. 
Anm. Bey den zusammenkünften hat ein jedes glied den 
rang, der ihm sonst zukommt. | 





300 Monumenta Germaniae paedagogica I 


10 
Das protocollum führet der unterste des collegii. 


11 

Dem scholarchat oder schulsenat ist erlaubt behuef der 
expediendorum ein besonderes siegel zu führen, welches bey dem 5 
director verwahret wird, und könte solches ohnzielsetzlich etwa 
von folgender beschaffenheit seyn: 

Man ließe die Pallas stechen, die auf dem schilde den namen 
‚CARL‘ zeigete, mit der einen hand ein füllhorn über ein auf 
einem tische liegendes und mit den worten ‚Neue Schulord- » 
nung‘ bezeichnetes buch ausschüttete, und in dem abschnitte die 
worte ‚Aurea secula condet‘ stechen; 

oder man ließe einen aufrecht stehenden löwen stechen, 
der in den beyden vordertatzen ein offenes buch hält, auf wel- 
chem stehet ‚Neue Schulordnung‘, und in den abschnitt setzen ıs 
‚Deo et Duci‘; 

oder einen citronenbaum, der blüthe, unreife und reife früchte 
trüge und aus einem geöfneten und mit den worten ‚Neue 
Schulordnung‘ bezeichneten buche hervor wüchse, mit der un- 
terschrifft ‚Fructum tulit ille feretque‘; 20 

oder ein gärtner, der unter der aufsicht der Pallas einen baum 
pfropfete, mit der unterschrifft ‚Haud frustra, si fata favent‘; 

oder auf der rechten seite ein tisch, auf dem ein buch, be- 
zeichnet ‚Neue Schulordnung‘, lieget. Diesen tisch bestralet 
der morgen von der andern seite mit der unterschrift ‚Tandem »s 
luce clara refulget‘. 

Die umschrifft bey allen diesen bildern würde seyn: ‚Si- 
gillum Scholarchatus Brunsvicensis‘ oder ‚Sigillum 
Senatus scholastici Brunsvicensis‘. 

12 » 

Bey den versammlungen des scholarchats oder des senatus 
vertritt wechselsweise einer von den custodibus oder schulvoigten 
die stelle eines citatoris, und hat ein jeglicher derselben sich auch 
wöchentlich 2mal bey dem directore einzufinden. 


13 ss 
Alle membra des scholarchats oder des schulsenats sind 
verpflichtet den öffentlichen examinibus, actibus oratoriis und 
andern feyerlichkeiten der schulen ohne ausnahme fleißig beyzu- 
wohnen. 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 89 301 


14 
Außer den öffentlichen examinibus steht es einem jeglichen 
gliede obbemeldeten scholarchats oder senatus frey die schulen 
so oft zu visitiren als es ihm gefällig, bey dem aber, was es ihm 
s angemercket hat, darf es niemals einseitig etwas ändern, sondern 
muß davon in pleno referiren. 


Cap. LI. 
Von den mitaufsehern. 


1 Ä 
10 Die mitaufsicht bleibet in ihrem bisherigen maße bey dem 
magistrate, dem geistlichen gerichte und dem ministerio. 


2 
Der magistrat so wol als das ministerium soll, wie es bisher 
gewöhnlich gewesen, von dem superintendenten zu allen öffent- 
ıs lichen examinibus zeitig genug eingeladen werden. 


3 
Aus beyden genannten collegiis sind die meisten glieder ver- 
pflichtet dem examini beyzuwohnen, und damit solches ohnfehlbar 
geschehe, sollen sie unter sich die deshalb nöthige abrede nehmen. 


20 4 
Ist von einem jeden oder dem andern aus beyder collegiis bey 
dem examine etwas bemercket worden, das einer verbeßerung be- 
darf, so wird solches von einem jeden in der nach der bisherigen 
observanz nach dem examine anzustellenden consultation ohne 
a; rückhalt vorgetragen. Auch ist einem jeden erlaubt vorschläge 
zu thun, wie die verbeßerung der schulanstalten könne bewürckt 
werden. 
5 
Das scholarchat oder der schulsenat, dem die umstände des 
so schulwesens am besten bekandt sind, ziehet bey nächster session 
das vorgeschlagene in erwegung, verwirft oder billiget daßelbige, 
holet, wenn es von wichtigkeit ist, Serenissimi gnädigste ver- 
haltungsbetehle darüber ein, bringet es, so weit es oder er kommen 
kan, zurexecution, und wenn die von demselben geschehene an- 
3 ordnungen den gehörigen effect nicht haben, so communiciret er 
deshalb nach beschaffenheit der sachen resp. mit dem magistrate 
oder dem geistlichen gerichte. 











302 Monumenta Germaniae paedagogica I 


6 

Da die prediger durch die ergangenen verordnungen bereits 
verpflichtet sind die kleinen schulen in ihren gemeinen wenig- 
stens alle monathe einmal zu visitiren, so werden sie in betracht 
dieser arbeit, und damit sie ihre übrigen amtsverrichtungen desto ; 
sorgfältiger beobachten können, zwar mit der außerordentlichen 
besuchung der großen schulen billig verschonet, den öffentlichen 
examinibus aber haben sie, wenn sie keine legale entschuldigungen 
haben, unausbleiblich beyzuwohnen. Da sie auch nach der bis- 
herigen observanz den superintendenten bey den Öffentlichen exa- ı. 
minibus in den gymnasiis aus der obersten claße in die niedrigern 
begleitet und ihm bey der visitation derselben auf deßen vor- 
gängige anweisung hülfe geleistet haben, so hat es damit auch 


künftig sein bewenden. 
7 15 


Wenn ein prediger mit dem superintendenten in einer von 
den niedrigern claßen zur fortsetzung der visitation gelaßen wird, 
so ändert er eigenmächtiger weise nicht in derselben, sondern 
referiret von dem, wovon er meinet, daß es einer änderung be- 
dürfe, bey der vorhin erwehnten consultation. 30 


Cap. II. 


Von dem rectore, in so ferne er ein aufseher 
der schule ist. 


1 

Die rectores sind nicht nur die obersten lehrer in den» 
lateinischen schulen, sondern auch die ersten aufseher derselben 
oder inspectores primi: daher wird von ihnen erfordert, daß sie 
nicht nur ein hinlängliches erkenntniß in schulwißenschaften und 
einen rechtschaffenen eifer für die beforderung des guten haben, 
sondern sie müßen auch so viele weisheit und klugheit besitzen 30 
als nötig ist, eine schule zu regieren. 


2 
Ihr ansehen erstrecket sich über alle nachfolgende schul- 
collegen, als welche ihm billig subordiniret sind, und über alle 
und jede schüler ihrer schule. 35 
3 
Da den rectoribus das ganze schulwesen als inspectoribus 
primis anvertrauet ist, so wird kein college eingeführet, der ihnen 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 303 


nicht mit einem handschlage entweder amicitiam et obsequium, 
wenn er einer von den 3 nächstfolgenden, und reverentiam et 
obedientiam, wenn er einer von den 3 untersten ist, angelobe. 
Auch darf kein schüler ohne ihr vorwißen von einem collegen 
sin seine claße aufgenommen werden, sondern diejenigen, so einen 
oder mehrere kinder in die schule bringen wollen, melden sich 
bey dem rectore derselben, und dieser setzet sie nach vorher- 
gegangener prüfung in diejenige claße, und in der claße in die- 
jenige reihe, wohin sie gehören. Die rectores laßen sich bey 
ıo solcher gelegenheit von dem schüler durch einen handschlag ver- 
sprechen, daß er fromm, fleißig und gehorsam seyn wolle. Der 
schüler aber schreibt seinen vornamen und zunamen, sein alter 
und vaterland und den tag seiner aufnahme in eine besondere 
matricul mit einer solchen entfernung von dem namen des zulezt 
ıs aufgenommenen, daß man platz habe seine aufführung, seinen 
abzug und andere denckwürdige umstände zu bemercken. Er be- 
zahlet dabey dem rectori das gewöhnliche introductionsgeld und 
löset ein exemplar der schulordnung, um sich desto beßer nach 
den legibus achten zu können. 
20 & 

Die rectores haben dahin zu sehen, daß die schularbeit mit 
dem bestimmten glockenschlage in allen claßen angefangen und 
auch nicht früher als zur gesezten zeit geendiget werde. Sie 
sind daher verpflichtet bey dem anfange der arbeit Beat so 

3; gleich gegenwärtig zu seyn. 


- 


Sie haben auch darüber zu halten, daß die schularbeit in 
den vorgeschriebenen stunden von keinem lehrer durch weggehen, 
durch angestellte unterredung oder sonst unterbrochen werde, 

so sondern daß ein jeder die lection gebührend treibe, die ihm in 
dem lectionscatalogo angewiesen ist. 


6 

Sie sollen die öffentlichen und besondern stunden ihrer col- 
legen fleißig besuchen, insonderheit derjenigen, die erst ein schul- 
s amt übernommen haben und die sich vor andern nicht ordnungs- 
mäßig und fleißig genug in ihrem amte bezeigen. Da ihnen auch 
schon von alters her in absicht auf diese visitation weniger 
schulstunden als den übrigen collegen zugetheilet sind, so werden 
sie dieselben dahin anwenden, daß sie alle claßen wenigstens alle 

«4 wochen einmal visitiren. 


304 Monumenta Germanise paedagogica I 


7 

So oft sie eine claße besuchen, müßen sie sich nicht nur 
eine zeitlang darin aufhalten und zuhören, sondern sich auch 
durch examiniren oder lehren würcksam darin beweisen. Das zu- 
hören gibt ihnen gelegenheit sich einen begriff von .der lehrart s 
des collegen zu machen; das examiniren der schüler, zu erfahren, 
was die arbeit des lehrers für frucht und nutzen schaffe; das 
lehren aber, die methode des mitarbeiters zu verbeßern. 


8 
Sie sollen sich bey ihren visitationen jedesmal die exercitien- ı0 
bücher vorzeigen laßen und nachsehen, ob auch die schüler alle 
aufgegebene exercitia elaboriren, und ob die lehrer sie mit ge- 
bührendem fleiße corrigiren. 


9 
Auch sollen sie von zeit zu zeit nachfragen, wie viel von ıs 
den vorgeschriebenen lectionen in einer woche oder einem monate 
absolviret worden, damit sie sehen mögen, ob die lehrer sich 
etwa bey einem theile zu lange und bey dem andern theile 
wiederum zu kurz aufhalten. 


10 20 
Nicht weniger sollen sie sich nach den sitten und der auf- 
führung der schüler erkundigen, insonderheit wie sie sich bey 
dem öffentlichen gottesdienste und öffentlichen leichen betragen, 
damit sie solcher gestalt ein erkenntniß von den vorzüglich 
guten und vorzüglich bösen schülern bekommen mögen. Das ss 
erkenntniß wird ihnen dazu dienen, daß sie nach demselben ihre 
collegen, wenn sie darum ersuchet werden, in der schulzucht 
durch ihr ansehen desto gewißenhafter und beßer unterstützen 
und das verzeichniß, welchen vor andern praemia zu ertheilen, 
mit rücksicht nicht nur auf den fleiß, sondern auf die sitten desto » 
richtiger verfertigen können. 


11 
Sie sollen ein beständiges diarium führen und in demselben 
von wochen zu wochen verzeichnen, welche claßen sie visitiret, 
wie sie dieselben befunden, imgleichen was sie für mängel und s 
fehler nicht nur bei den schülern, sondern auch in der amts- 
führung ihrer collegen entdecket haben. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 305 


12 
Finden sie bey ihren visitationen etwas in ansehung der 
schüler zu erinnern, solches geschiehet sogleich in continenti. Sie 
strafen die ungehorsamen, faulen und ungezogenen vor allen, 
s damit auch die andern sich fürchten lernen. Sie loben die frommen, 
fleißigen und sittsahmen, damit auch die übrigen dadurch ermun- 
tert werden. 
13 
Haben sie in ansehung der praeceptorum etwas zu erinnern, 
ı0 SO geschiehet solches keinesweges in continenti, am wenigsten in 
gegenwart der schüler, sondern insbesondere und gelegentlich, 
damit die ehrfurcht und das vertrauen der schüler gegen ihren 
lehrer nicht gemindert werde. 


14 
15 Bey allen erinnerungen und bestrafungen müßen sie weis- 
heit, klugheit und liebe, sanftmuth und bescheidenheit beweisen, 
damit auf keiner seite, noch irgend wo eine verbitterung entstehe, 
wie sie dann auch bey dem besuche der claßen dem darin be- 
findlichen lehrer die schuldige ehre geben müßen, damit selbst 
» an ihrem verhalten die jugend ein exempel nehme. 


15 
Wofern die collegen den erinnerungen der rectorum kein 
gehör geben, so sollen diese ihnen erst ihr unrecht in gegenwart 
der übrigen collegen auf eine freundliche und liebreiche art vor- 
3; halten. Wenn aber auch dies, wie man doch nicht hoffen will, 
vergeblich sein solte, so haben sich die rectores bey dem super- 
intendenten zu melden, der, wenn es nötig ist, dem senatu davon 
referiren wird, da sie sich denn alle mögliche hülfe zu verspre- 
chen haben. 
30 16 
Die rectores werden sich des ansehens und der gewalt, welche 
ihnen über ihre schule und mitarbeiter verliehen ist, keinesweges 
mißbrauchen, vielweniger ohne des schulsenats vorwißen und ein- 
willigung in schulsachen das geringste ändern, noch auch andern 
35 solches: gestatten. 
17 
Indeßen wird den rectoribus nachgegeben, so oft sie es für 
gut finden, mit ihren sämtlichen collegen von sachen, die das 
schulwesen, deßen beßerung und aufnahme betreffen, eine gemein- 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 20 


306 Monumenta Germaniae paedagogica I 


schafftliche unterredung anzustellen und dem schulsenate vor- 
schläge zu thun. 
18 

Ordentlicher weise ist der rector gehalten alle halbe jahr, 
und zwar 8 tage vor dem öffentlichen examine, von dem zu- 
stande seiner schule dem schulsenate eine mündliche relation ab- 
zustatten, außerordentlicher weise aber, so oft es der schulsenat 
für gut und nötig findet. Seine relationes nimt er aus dem vor- 
erwehnten diario. 

19 

Die translocation der kinder aus einer niedrigen claße in 
eine höhere haben bisher die rectores privatim zu besorgen ge- 
habt. Da ihnen aber dadurch theils von den eltern, theils von 
ihren collegen vieltältiger verdruß zugewachsen, da es weiter 
möglich ist, daß, wenn man die besorgung derselben einer person 
überläßet, sich dieselbe durch eigennutz oder menschengefällig- 
keit gar leicht verleiten laßen kan, und da man endlich bey einem 
geschäffte, wovon der vortheil, wenn es recht verwaltet wird, 
auf seiten der studirenden jugend unendlich groß, der schade 
aber, wenn es nicht recht verwaltet wird, unwiederbringlich ist, 
nicht vorsichtig und behutsam genug verfahren kan, viele augen 
aber mehr sehen als wenige: so ist für gut gefunden worden 
dieses geschäfte zwar von dem rectore, aber nicht anders als mit 
zuziehung desjenigen lehrers, aus deßen claße die fortsetzung ge- 


schehen soll, und unter der aufsicht des schulsenats, in deßen »: 


gegenwart der rector das examen translocandorum an dem dazu 
bestimmten tage anzustellen und von welchem er die genehmigung 
seiner vorschläge, was er für subiecta zu translociren gedencket, 
zu erwarten hat, verwalten zu laßen. Die aufnahme eines knabens 


in die schule aber geschiehet von dem rectore dergestalt, daß er: 


den knaben prüfet, ihn nach geschehener prüfung in einem ver- 
schloßenen zettel zu dieser oder jener stelle in der schule für 
tächtig erkläret, darauf ihn an denjenigen, welchem es von dem 
schulsenate aufgetragen worden die genehmigung der vorgeschla- 
genen aufnahme eines schülers zu ertheilen, verweiset und endlich 
nach erhaltener genehmigung in die gebilligte claße einführet. 


20 
Damit der rector bey der aufnalıme der schüler in die schule 
und bey der translocation derselben einen gewißen fuß haben 


2 


u 


3 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 89 307 


möge, so werden zu seiner und aller deren, die die aufsicht darüber 
haben, genauen und unverbrüchlichen nachachtung hiemit einmal 
vor allemal folgende vorschriften veste gesetzet. 

1) Wer noch nicht richtig deutsch und lateinisch lesen 

N kan, die richtige aussprache im lateinischen ausgenom- 
men, kan so wenig in eine von den schreibschulen als 
in die unterste claße der lateinischen schulen oder in 
V' aufgenommen werden. 

2) Wer im lateinischen fertig decliniren und conjugiren, 

wu auch eine kleine lateinische formul machen kan, wird 
in IV" versezt, 

3) In die 3' claße wird niemand aufgenommen, der nicht 
ziemlicher maaßen in dem syntaxi geübt ist und grie- 
chisch fertig decliniren, auch ein kleines lateinisches 

15 exercitium machen kan. 

4) Wer ad Id" kommen will, muß die lateinische gram- 
matik, das ist außer dem syntaxi auch die regeln der 
prosodie inne haben, ein exercitium in dieser sprache 
ohne grobe grammaticalische fehler elaboriren, einen vers 

20 scandiren und fertig im griechischen conjugiren können. 

5) In Il! muß einer so lange bleiben, bis er ein stück 
aus einem der leichtern lateinischen auctorum ins deut- 
sche und ein deutsches exercitium ins lateinische ohne 
fehler übersetzen, auch einen versezten vers in ordnung 

25 bringen kan und daneben die griechische grammatic 
nach den hauptreguln absolviret hat. Alsdann wird er 

6) ad primam befodert und nach befinden der superiorum 
endlich ad selectam, auf gleiche weise auch zulezt mit 
einem testimonio scholastico, von dem und den damit 

30 verbundenen vortheilen unten ein mehreres vorkommen 
wird, 

7) nach universitaeten dimmittiret. 


21 

Keinem rectori im ganzen lande stehet es frey, schüler aus 
3, einer andern stadtschule ohne vorzeigung eines glaubwürdigen 
zeugnißes ihres bisherigen verhaltens und der ursachen, warum 
sie die schulen verändern, anzunehmen. Am wenigsten ist es 
also einem rectori hieselbst erlaubt, dergleichen bey den hiesigen 

verschiedenen stadtschulen zu thun. 

20* 


308 Monumenta Germaniae paedagogica I 


22 
Da auch die eltern und vormünder, insonderheit diejenigen, 
die nicht selbst studiret haben, sich ihrer kinder und pflegebe- 
fohlnen wegen gern bey jemanden guten raths erholen und denn die- 
selben dem rectori bey der aufnahme der kinder, so sie zur schule 5 
gebracht, bekannt worden sind: so werden sie auch in solchem 
falle vorzüglich an ihn als den aufseher der schule gewiesen, 
und in dafern er bemerckt hat, daß die eltern und vormünder bey 
der erziehung ihrer eigenen oder 'anbefohlnen kinder es hie und 
da versehen, so muß er sich dieser guten gelegenheit, da sie im ıo 
vertrauen zu ihm kommen, bedienen, um ihnen eine glimpfliche 
vorstellung darüber zu thun. 
23 
Was den rectoren hier vorgeschrieben und anbefohlen ist, 
das haben auch die ersten lehrer bey der in dem Waysenhause ı 
neu angelegten trivial- und realschule in acht zu nehmen, wie 
auch nicht weniger diejenigen, welche bey etwa sich eräugnenden 
menschlichen zufällen der rectorum amt und stelle eine zeitlang 
verwalten. 


Sect. II. 20 
VON DEN SCHULLEHRERN. 


Cap. I. 
Von ihrer aufnahme und bestellung. 


1 

Nachdem bey dem Catharineo aus bewegenden ursachen die 35 
beyden untersten claßen bereits eingegangen sind und aus eben 
solchen ursachen die egalisirung des Martinei mit diesem gymnasio 
zu bewürcken ist, von welchem unten gehandelt wird: sollen bey 
denenselben jedesmal 6 lehrer seyn, als der rector und der con- 
rector für die erste, der subconrector für die zwote, und 3 can- »o 
didati theologiae unter dem namen der collegarum III, IV, V für 
die übrigen 3 claßen. Zur besetzung der 3 claßen der im Way- 
senhause zu errichtenden trivialschule werden gleichfals 3 candi- 
dati genommen. Für eine jede schreibschule, so wol für die in 
der Alt-, als die in der Neustadt, ıst ein schreib- und rechen- s; 
meister bestellet. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 309 


2 
Zur besetzung eines vacant gewordenen schuldienstes sollen 
keine andere männer genommen werden als solche, die eine ge- 
hörige fähigkeit haben den dienst, den sie antreten sollen, gebührend 
szu verwalten. Es wird von ihnen eine wahre und ungeheuchelte 
gottesfurcht, ein genugsames erkenntniß in denen wißenschaften 
und künsten, darin sie unterricht ertheilen sollen, einewolanstendig- 
keit in sitten und geberden, eine lust zu arbeiten und ein red- 
licher eifer, die untergebenen weise, klug, gesittet und geschickt 
ıo zu machen, erfordert. 
3 
Diejenigen, welche das ius patronatus haben, beschäftigen 
sich gleich im ersten vierteljahre nach dem absterben eines schul- 
lehrers mit der wahl eines neuen subiecti, wodurch die vacant 
ıs gewordene stelle wiederum besetzet werden soll, und praesentiren 
es demnächst gehörigen orts zur confirmation. 


4 

Will der magistrat bey entstehung einer vacanz bey dem 
Martinsgymnasio gerne zuvor, ehe er zur würcklichen wahl eines 
3 zu praesentirenden subiecti schreitet, gewißer persohnen fähigkeit 
erforschen, so stehet ihm frey privatim intra privatos parietes ein 
tentamen mit denenselben anzustellen. Das öffentliche examen 
aber und die aufgebung der probelectionen bleibet, wie es in der 
braunschweigischen schulordnung von 1596 stipuliret worden, bey 
3; dem amte des superintendenten, und derselbe soll das examen 
eines anzunehmenden schulcollegen in gegenwart des schulsenats 
verrichten. Würde er aber durch reisen oder kranckheiten ver- 
hindert sein amt zu verrichten, so tritt entweder wie bisher der 
senior des ministerii oder auch der oberste von den beyden geist- 

30 lichen beysitzern des schulsenats in seine stelle. 


5 
Da die schreib- und rechenmeister bey den beyden großen 
schreibschulen außer dem rechnen und schreiben auch im christen- 
thume gegründet seyn müßen, so sind sie gleich den schulcol- 
3; legen bey den gymnasiis auf die vorbeschriebene weise zu exa- 
miniren. 
6 
Die öffentliche einführung eines schulcollegen geschiehet 
nach der bisherigen observanz und erwehnter schulordnung von 


310 Monumenta Germaniae paedagogica I 








1596 von dem superintendenten. Ist das commissorium zur in- 
troduction von dem consistorio eingegangen, so verabreden sich 
der concommissarius und er wegen des dazu zu bestimmenden tages. 
Außer dem schulsenate werden auch diejenigen dazu eingeladen, 
in deren beyseyn die einführung sonst geschehen ist. Der super- 
intendent eröfnet den introductionsactum mit einer rede, läßet 
den candidatum die probelectiones lesen und beschließet den 
ganzen actunı mit einer anrede an die zuhörer, an die andern 
collegen, an die schüler derjenigen claße, welcher der neue schul- 
college vorgesetzet wird, und an den candidatum selbst. Insonder- 
heit hält der superintendent dem introducendo die schulordnung 
vor, verweiset ihn nochmals auf seinen schon geleisteten amts- 
eid und läßet ihn, daß er demselben gebührend nachkommen, 
auch seinen ihm vorgesezten obern schuldigen respect und ge- 
horsam erweisen wolle, mit einem handschlage öffentlich ange- 
loben. 


Cap. 11. 
Von den pflichten der schulcollegen. 


1 
Ein jeder schulcollege ist 


&) seinen sämmtlichen vorgesezten ehrfurcht und gehorsam 
zu beweisen schuldig. Er ist insonderheit verpflichtet, 
so oft der senatus scholasticus oder auch der super- 
intendent als ephorus primarius der schule ihn fordern 
laßen, zu erscheinen und von dem, warum er befragt 
wird, rechenschaft zu geben. Nicht weniger wie er alle 
gebührende hochachtung einem jeden einzelnen mit- 
gliede des schulsenats beweisen muß, so oft daßelbe 
‘kommt, um seine claße zu visitiren. 


b) Wenn ein schulcollege verreisen will, hat er solches 
dem geistlichen gerichte, und da solches zu der zeit 
nicht gehalten würde, dem directori des geistlichen 
gerichts und dem superintendenten anzuzeigen, auch, 
wenn er dem rectori subordiniret ist, diesem nachricht 
davon zu geben. 


ur 


15 


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25 


30 


35 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 36 311 


2 

Insonderheit müßen die collegen den rectorem als das haupt 
der schule und inspectorem primum ansehen. Sie sind verbunden 
in zweifelhaften fällen sich raths bey ihm zu erholen, keinem 
s schüler einen zutritt in ihre claße zu verstatten, welcher ihnen 
nicht von demselben angewiesen worden. Sie sind beständig 
dessen eingedenck, daß sie ihm resp. amicitiam et obsequium und 
reverentiam et obedientiam angelobet haben, und bemühen sich 
solches gelübde in der that unverbrüchlich zu halten. Fordert 
ı also der rector krafft seines amts etwas von ihnen, so thun sie 
solches mit aller willigkeit. Gibt er ihnen hie und da eine er- 
innerunge, so nehmen sie dieselbe mit aller sanftmuth und freund- 
lichkeit an. Will ihnen die schulzucht bey ihren untergebenen 
nicht gelingen, so nehmen sie den rector zu hülfe. Die unter 
ıs ihnen entstandene zwistigkeiten laßen sie gerne von dem rector 

freundschaftlich entscheiden. 

3 

Solte der rector sich vergehen und die schrancken seines 
amtes überschreiten, so sollen die collegen sich gleichwol dadurch 
goim geringsten nicht zu einer ungeziemenden aufführung gegen 
ihn, es sey in worten oder wercken, verleiten laßen, sondern die 
sache dem schulsenate hinterbringen und deßen entscheidung 


erwarten. 
4 


35 Denen schulcollegen bey einer schule, sowol insgesamt als 
einem jeden insonderheit, stehet es frey, nicht nur ihre beschwerden 
gegen jemand, sondern auch ihre vorschläge zur heilsamen ver- 
beßerung des schulwesens öffentlich und insgeheim, mündlich 
oder schrifftlich dem schulsenate vorzutragen. 


30 5 
Die schulcollegen bey einer schule werden die mühseelig- 
keiten und verdrüßlichkeiten bey ihrem amte nicht wenig dadurch 
erleichtern, wenn sie sich bemühen werden in liebe und freund- 
schafft und einem beständigen guten vertrauen mit einander zu 
ss leben, sich mit aller höflichkeit zu begegnen, nichts übles von 
einander zu reden, noch den andern geringschätzig oder verächt- 
lich zu machen. 


6 
Wenn ein schulcollege kranck wird oder verreiset oder sonst 
0 wichtige und nöthige abhaltung hat, daß er die stunden seines 


312 Monumenta Germaniae paedagogica I 


unterrichts nicht abwarten kan, so soll er dieses ohne zeitverlust 
dem rectori anzeigen, damit derselbe in solchem falle die nöthige 
anordnung wegen besorgung seiner claße machen könne. Im 
nothfalle wird gestattet, daß zwo claßen mit einander combiniret 
und einem lehrer zur besorgung übergeben werden. Der lehrer, ; 
der eines andern stelle vertritt, thut solches mit eben dem an- 
sehen, welches dem zukommt, welchem eine claße anvertrauet 
ist, und theilet bey seinem unterrichte die stunden so, daß die lec- 
tiones, welche in beyden claßen vorgenommen werden müßen, auch 
bey der vacanz so viel möglich würcklich vorgenommen werden. ı0 ° 


7 

Der studirenden jugend sollen die collegen auf keinerley 
weise, weder mit worten noch mit wercken, ein ärgerniß geben, 
sondern ihr in ihrem ganzen betragen mit einem guten exempel 
vorgehen. Bey dem unterrichte und der erziehung derselben ıs 
haben sie die äußerste amts-, ja vatertreue zu beweisen. Sie sollen 
sich, wenn sie mit ihren untergebenen allein sind, nicht anders 
als wenn ihre aufseher zugegen sind betragen. Überhaupt aber 
müßen sie sich bestreben mit vereinigtem eifer und zusammen- 
gesezten kräften der studirenden jugend bestes zu befördern. x» 


8 
Wenn die eltern sich nach ihrer kinder fleiße, aufführung, 
und wachsthum in der erkenntniß erkundigen, so sollen die lehrer, 
in deren claßen sie sitzen, denenselben nach der wahrheit und 
mit aller friedlichkeit und sanftmuth antwort geben, auch so oft » 
sie fehler bey den kindern bemercken, zu deren verbeßerung die 
eltern die beste hülfe leisten können, denselben nachricht davon 


ertheilen. 
9 


Wie viel stunden ein jeglicher schulcollege des tages zu » 
informiren habe, solches erhellet aus dem pag. 348 dieser schul- 
ordnung befindlichen lections-catalogo. Die darin vorgeschrie- 
benen stunden aber müßen dergestalt von ihnen abgewartet 
werden, daß sie solche so wol des morgens als nachmittages mit 
dem bestimmten glockenschlage anfangen und endigen und nach ss 
der ihnen gegebenen vorschrift zubringen. 


10 
Bey den öffentlichen examinibus und übrigen feierlichkeiten 
der schule, wie auch so oft sie in die kirche gehen oder vor das 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 389 313 





geistliche gericht, den schulsenat und superintendenten gefodert 

werden oder daselbst in amtssachen etwas zu verrichten haben, 

sind die sämtlichen schulcollegen gehalten in schwarzen kleidern 

und mänteln zu erscheinen. Außer dem aber ist es genug, wenn 
ssie ohne mänteln in schwarzen kleidern gehen. 


Cap. IH. 


Von dem foro competenti der schulcollegen, 
ihrer exemtion und immunitaet. 


1 
10 Wegen des fori competentis der schulcollegen überhaupt 
bleibt es bey dem, was desfalls in dem geistlichen gerichts-regle- 
mente d. d. Braunschweig den 10. Dec. 1696. $ 1 und in der de- 
claration deßBelben d.d. Braunschweig den 21. Aug. 1704.8 4 gnä- 
digst geordnet worden. Nun sollen von dato der publication 
ıs dieser schulordnung an auch noch die aus candidatis bestehende 
schulcollegen, wie auch die beyden schreib- und rechenmeister 
bey den hiesigen großen beyden schreib- und rechenschulen in 
ansehung ihres fori den obersten beyden schulcollegen völlig 
parificiret seyn. 
30 2 
Was aber ihr gesinde und ihre hausgenoßen anbetrifft, so 
bleiben selbige zwar dem magistrate unterworfen, jedoch sollen 
die schulcollegen, wenn der magistrat ihr gesinde und ihre haus- 
genoßen zu citiren für nötig findet, sich dabey der vorrechte, die 
ss den predigern dabey zustehen, zu erfreuen haben. 


3 

Die schulcollegen und ihre wittwen bleiben für ihre person 
von allen öffentlichen landesauflagen, kopfsteuern u. s. w. frey. 
Nicht weniger sollen sie nach wie vor in ansehung des biers auf 
» die ihnen bewilligte tonnenzahl, und in betracht des weines auf 
dasjenige, was sie würcklich consumiren, die freyheit von der 
trancksteuer genießen. Auch sollen die häuser, die den schul- 
collegen zur freyen wohnung angewiesen sind, mit keinen oneribus 
publicis beschweret werden. Wenn aber ein schulcollege ein 
ss eigenthümliches haus oder andere liegende gründe hat, so muß 
derselbe solcher güter wegen billig bey allen in nach 

proportion concurriren. 








314 Monumenta Germaniae paedagogica I 


4 
Die schulcollegen. die bisher mit den opferleuten gewiße 
leichen getragen haben, sollen von nun an von dem leichtragen 
gänzlich eximiret seyn. 


Ad sect. II, cap. OI, n. 4. 5 


Nota. Wird dieser punckt gnädigst genehmiget, so würde 
unserm unzielsezlichen unterthänigsten ermeßen nach auch wol 
eine gnädigste verordnung ergehen müßen, darin vestgesetzet 
würde: 

1) was für persohnen künftighin statt der schulcollegen mit ıo 
den opferleuten diejenigen leichen tragen sollen, welche bisher 
die schulcollegen und opferleute coniunctim getragen haben; 


2) daß diese ernannten persohnen gehalten seyn sollen, die 
leichen des superintendenten, der stadtprediger, der schulcollegen, 
der opferleute und ihrer allerseitigen frauen auf dem fuße, auf ıs 
dem es bisher geschehen ist, gratis zu tragen. 


Wir bemercken dabey überhaupt, daß es manchem gelehrten 
manne zur ermunterung dienen werde, wenn er von der last des 
leichenstragens und den dabey vorfallenden umständen befreyet 
bleiben kan. Wir bemercken weiter, und zwar insbesondere ad » 
no. 1, daB 


a) die 9 opferleute bey den stadtkirchen und der citator 
des geistlichen gerichts bisher zur a ge- 
höret haben; 


b) daß, wenn 12 träger sollten erfordert werden, zu diesen »5 
10 der opfermann von der garnison und der opfer- 
mann zum heiligen creutze, oder auch, wenn es diesem 
letztern zu beschwerlich, weil er außer der stadt, der 
garnison-cantor genommen werden könne; 


c) daß, wenn jemand 14 oder gar 16 träger verlanget, so 
2 praefecti und die beyden custodes bey den gymnasiis 
mit tragen können. 


Wir bemercken endlich ad no.2, daß 


a) diese leichen bisher durch die schulcollegen und opfer- 
leute, wenn nur 5 paar träger erforderlich gewesen, 
ohne entgeld zu grabe getragen worden, daß aber wer 
mehrere träger begehret hat, die übrigen hat bezalen 





25 


30 


35 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 9 . 315 


müßen, und dann dieses geld unter alle träger gleich 
vertheilet worden; 

b) daß es zwar wahr, daß den opferleuten und übrigen 
neuen trägern, die nunmehr statt der schulcollegen 
tragen sollen, dadurch ein onus zuwachse, daß diese 
aber auch gegenwärtig nicht nur das tragegebühr, 
welches sonst mit den schulcollegen ist getheilet worden, 
nicht nur von den leichen, die für das tragen bezalen 
müßen, sondern auch nechstdem das lucrum von den 
freyleichen, dabey mehr als 10 träger gebraucht werden, 
bey dieser veränderung ganz allein bekommen. | 

c) Da sonst die zahl der träger von unten auf gerechnet 
worden und also die ältesten verschonet geblieben 
sind, wenn nur einige paare bey einer freyleiche er- 
fordert worden: so würde zur indemnisation der alten 
opferleute wol erforderlich seyn, daß nur die 12 ersten 
als perpetuirliche träger angesehen werden und die 4 
letztern als supernumerarli zu rechnen wären, da denn 
bey den freyleichen, wo weniger als 6 paare erforder- 
lich sind, die träger aus diesen 12 von unten auf ge- 
nommen werden könten; die supernumerarii aber, die 
insgemein nur bey leichen zugezogen werden, von 
welchen für die träger das meiste geld eingehet, und 
dagegen an dem onere der übrigen keinen sonderlichen 
antheil nehmen, müsten, im falle sie zum tragen auf- 
gefordert werden, mit der helffte der tragegebühren 
vorlieb nehmen. Die andere helfte des gesammten 
geldes würde in diesem falle den übrigen trägern zu- 
zubilligen seyn. 

D 

Da auch bisher die 4 obersten collegen und die beyden 
schreib- und rechenmeister, wie auch deren frauen, in einem er- 
hobenen sarge oder sogenannten rustkiste begraben sind, ohne 
daß nach der hiesigen observanz für das hohe sarg hat bezalet 
werden müßen: so hat es auch fernerhin dabey sein bewenden. 
Doch sollen auch in diesem stücke die 3 untersten collegen bey 
den beyden gymnasiis samt den 3 collegen bey der neuen trivial- 
schule ihnen hierin parificiret sein und ohne entgeld in einer 
rustkiste begraben werden. 


316 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Cap. IV. 
Von dem range der schulcollegen. 


1 
Die rectores und conrectores bey beyden gymnasiis haben 
den rang gleich nach den stadtpredigern und über den land- 
predigern. 
2 
Der cantor und die subconrectores roulliren mit den land- 
predigern. 
3 
Die untersten schulcollegen bey beyden gymnasiis, wie auch 
die drey bey der neuen trivialschule, gehen gleich nach den 
landpredigern, und ihnen folgen die schreib- und rechenmeister 
bey den großen schreib- und rechenschulen. 


| 4 
Die collegen aber unter sich gehen, ohne darauf zu sehen, 
bey welchem gymnasio oder welcher schule sie arbeiten, nach 
der ordnung, wie sie selbst nach ihrer station ins amt gekom- 
men sind. | 


Cap. V. 
Von der besoldung der schulcollegen. 


Die schulcollegen bey den lateinischen schulen haben bis- 
her ihren unterhalt von einer mannigfaltigen gewißen und un- 
gewißen einnahme gehabt. Da aber bey der bisherigen art solcher 
einnahmen einige inconvenientien und verschiedene unbequem- 
lichkeiten bemerckt und demnächst auf die verbeßerung der schul- 
collegen zugleich gedacht worden: so ist für nötig gefunden eine 
andere einrichtung desfalls zu machen und folgendes vest zu setzen. 


1 

Erstlich sollen zwar alle gewiße und ungewiße einnahmen, 
wie viel derselben und woher auch die zeitigen schulcollegen 
solche bis daher zu erheben gehabt haben, beybehalten, aber nicht 
mehr von ihnen selbst als eine ihnen zustehende einnahme ein- 
gehoben, sondern von dem registratore des errichteten schulaerarii 
eincaßiret und berechnet werden. Nur verbleiben den schulcol- 
legen nach wie vor die gewöhnlichen martins- und meßgeschencke, 
wie auch dasjenige, was sie von den lectionibus privatissimis, 


R) 


10 


15 


20 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 317 





welche sie außer denen im lectionscatalogo geordneten stunden 
halten werden, verdienen werden. 


2 
Was no. 1 von der gewißen einnahme der praeceptorum 
s bey den beybehaltenen claßen vest gestellet: ist, das soll auch 
von den eingezogenen claßen bey beyden gymnasiis, wie auch 
von der eingegangenen Egidienschule gelten, und es soll nicht 
nur das zur besoldung der darin befindlich gewesenen lehrer ehe- 
dem bestimmte geld, sondern auch die andern gewißen aufkünfte, 
ı so sie genoßen haben, in so fern darüber noch nicht disponiret 
worden ist, künftighin an das schulaerarium gezalet werden. 
3 
Damit der registrator bey dem schulaerario auf eine leichte 
und bequeme weise auch ohne wiederspruch zur receptur besagter, 
ı» nunmehro dem schulaerario zugetheilter einnahme gelangen möge, 
so werden zuvorderst alle caßenvorsteher, die bisher an die 
schulcollegen wegen ihres amts und ihrer bemühungen etwas zu 
zahlen gehabt haben, gnädigst zu befehligen seyn, solches an den 
registratorem gegen quitung abzuliefern und auszuzahlen. Weiter 
2» sammlen die rectores so wol das öffentliche als das besondere 
schulgeld aus allen claßen durch die praeceptores derselben ein. 
Sie berechnen dabey die übrigen gelder, die noch sonst aufge- 
kommen sind und zur caße des schulaerarii gehören, und schicken 
endlich diese gelder alle vierteljahre an den registrator. Nicht 
2; weniger werden an denselben von den sämtlichen opferleuten 
bey den stadtkirchen die von den leichen aufkommende gelder 
samt einem specifiquen verzeichniß derselben, von was für leichen 
sie gegeben sind, alle monathe abgeliefert. 


4 
30 Dahingegen haben von nun an die obersten schulcollegen, 
als die rectores, die conrectores, der cantor und die subconrectores, 
außer der freyen wohnung und denen ihnen. gelaßenen meß- 
und martinsgeschencken, wie auch dem honorario wegen der 
lectionum privatissimarum, ein gewißes deputat an korn und ein 
3; beträchtlich erhöhetes salarıum zugemeßen. Die untersten drey 
schulcollegen aber, wie auch die, welche bey der trivialschule 
arbeiten, haben außer den martins- und meßgeschencken ein hin- 
längliches salarıum und freye wohnung bey der schule. Und 
damit diese leztern mehr zum fleiß und zur treue bey ihrer 








318 Monumenta Germaniae paedagogica I 


arbeit an der jugend ermuntert werden mögen, so wird ihnen 
die gnädigste versicherung zu geben seyn, daß sie, wenn sie sich 
wol verhalten und in ihrem amte gebührende treue beweisen, nach 
verlauf von 5 bis 6 jahren weiter befordert werden sollen. 


5 5 
Damit auch das publicum wißen möge, was wegen der 
aufnahme, unterweisung und fortsetzung eines schülers behuef 
des ordentlichen gehalts eines lehrers gegeben werden solle: so 
wird, um allen nachfragen und zweifeln auf einmal vorzubeugen, 
nach alter gewohnheit und nach gelegenheit jetziger zeiten hie- ı0 
mit folgendes vest gestellet. 







An den gymnasiis bezalet 






an öffentl. ı für die 
schulgelde | a 
quartaliter quartaliter 


für die ver-| zur ver- 
setzuug in | beszerung 
die folgende) der schul- 

clasze bibliothee 


für die auf- 
nahme in 
die schule 








für die lectiones 













privatissimas 15 









ierin ist 
3 mgr. | 9 mgr. nichts gewis- 

ises zubestim- 
men, sondern 


der quintaner| 9 mgr. | 12 mer. 








quartaner | 12 mgr. | 18 mer. 3 mer. | 9 mer. |es wird den 
ö | scholaren, 
= eo | "welche lectio- 20 
tertianer | 18 mgr. : 3 . | 12 mer. |ues privatissi- 
En Er ve e masbegehren, 








-— —_ A ol 


und den leh- 














| | 1 thlr. 4 mgr. reru, welche 

secundaner Ä 80 mgr. ‚12 mgr 6% 18 mgr. ne hniten.ol- 
GE a a AR 
. “ f . em rector - 

BEINSNER 19 mgr. ' 12 mgr. | 12 mgr. | 6 mgr. |} nr. dom fals miteinan- 

ren el no Verne. 2 a] EEE en zuverglei- 

selenfenen ar | | 18 mer. _ 
| 12 mgr | 


Nota. Die kinder solcher eltern, welche bisher bey ihrer 
aufnahme und versetzung, wie auch an schulgelde so » 
wol für die öffentlichen als für die privatstunden, nichts 
bezalet haben, sind auch für das zukünftige von der 
bezahlung des vorbestimmten geldes frey. Für die 
bibliothee aber und für die lectiones privatissimas muß 
ein jeder ohne ausnahme das bestimmte geld erlegen. » 
Bey der trivialschule wird es wie bey den untersten 
claßen bey beyden gymnasiis gehalten. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 319 


6 
Das meß- und martinsgeld, wie auch andere freywillige 
gaben, beruhet wie bisher in der wilkühr der eltern, und wird 
deswegen keine regel vorgeschrieben. Doch werden die eltern, 
» insonderheit diejenigen, welche Gott mit zeitlichen gütern gesegnet 
hat, beständig daran gedencken, daß diese bisher gewöhnlich ge- 
wesenen geschencke den schulcollegen bey ihrer sauren arbeit als 
eine besondere ergötzlichkeit gelaßen worden, und sich daher 
nicht undanckbar und unerkenntlich finden laßen. Gleichwie 
ı auch wiederum die schulcollegen auf ihrer seite sich entsehen 
werden von bekannten und würcklich armen dergleichen ge- 
schencke anzunehmen. 
7 
Da man noch nicht zum voraus wißen kan, wie fleißig die 
ı, realschule werde besuchet werden, so hat man bedencken getragen 
von: dem didactro etwas gewißes zu bestimmen. Vielleicht wäre 
es wohl am besten, wenn dem publico die versicherung gegeben 
würde, daß unter der aufsicht des schulsenats nach der anzal 
derer, die eine stunde besuchen wollen, das didactrum für jede 
2» stunde so solte bestimmet werden, daß niemand ursache finden 
solte mit fug und recht sich beschweren zu können. 


8 
Die schreibmeister bey den beyden großen schreib- und 
rechenschulen in der Alten Stadt und im Hagen behalten außer 
25 der ihnen angewiesenen freyen wohnung und der ihnen gestatteten 
freyen accise resp. ihre fixa an gelde und legatis, wie auch den 
ihnen bestimmten deputat-rocken, auf eben die weise wie sie 
beydes bisher erhoben. An schulgelde wird ihnen vierteljährlich 
bezalet: 
30 1) für die ordentlichen schulstunden, welche von 7—10 vor- 
mittages und von 1—3 nachmittages währen, 
a) von denen, welche blos das christenthum und schrei- 
ben lernen 

b) von denen, welche noch. daen. das rechnen 

35 lernen . 


18 mgr. 


\ 27 mgr. 
2) für die ordentlichen ach: and Srivetstniden, welche 
des vormittages von 7—11 und des nachmittages von 
1—4 währen, 
a) von denen, welche noch überdem das rech- 
w nen lernen 


27 ıngr. 





320 Monumenta Germanise paedagogica I 





b) von denen, welche noch über das das rech- 
nen lernen . . . 2. 2 2 2 2 2 2° 1 thlr. 
3) für 2 oder 4 privatstunden wöchentlich, sie mögen des vor- 
oder des nachmittages am montage, dienstage, donners- 
tage und freytage, oder auch nur am mittwochen und; 
sonnabend des nachmittages genommen werden . . 27 mgr. 
Hiezu kommt das holtzgeld bey dem anfange des winters, 
da ein jeder schüler für den ganzen winter 12 mgr. zu bezalen 
hat. Was aber endlich das meßgeld und martinsgeld, wie auch 
das antrittsgeld, welches man bey der aufnahme in die schule » 
nach alter gewohnheit zu bezalen hätte, anbetrifft, so wird man 
hier niemanden deswegen etwas anbefehlen, sondern es eines jeden 
wilkühr anheim gestellet seyn laßen, was er zur ermunterung des 
lehrers davon bezalen wolle. Derjenige aber wird hoffentlich den 
lehrer dabey niemals leer ausgehen laßen, der da weiß, wie leicht ı5 
ein erkenntlicher mann durch aufmercksamkeit und fleiß bey den 
untergebenen einige groschen wiederum einhringen kan. 


Cap. VI. 
Von dem bibliothecario. 


1 EV 
Nachdem die beyden schulbibliothecken zu St. Martini und 
zu St. Catharinen zusammen gebracht und in einem dazu vor- 
handenen räumlichen zimmer, dergleichen sich bey dem Catharineo 
findet, aufgestellet worden: so soll von nun an der jedesmalige 
älteste conrector bibliothecarius seyn. 25 


2 

Ihm wird alle halbe jahre das geld, welches zur vermehrung 
der bibliothec bey der aufnahme und versetzung der schüler auf- 
kommt, von dem registratore des schulaerarii geliefert. Er kaufet 
für dieses geld, soweit es reichet, mit genehmigung des schul- » 
senats die nützlichsten und brauchbarsten bücher an. Er berech- 
net die einnahme und ausgabe in einem besondern buche, damit 
man von zeit zu zeit den neuen zuwachs der bibliothec sehen 
könne. Er schreibet die erkauften bücher in den catalogum ein 
und setzet sie in das gehörige fach der bibliothec. 35 





2 
Sehulordnungen der Stadt Braunschweig 39 321 


3 
Des mittwochen nachmittages, wenn keine gegründete 
hinderniße einfallen, ist er-von 2 bis 4 uhr auf der bibliothec 
gegenwärtig und verstattet denen von beyden gymnasiis sich 
s einfindenden selectanern, primanern und secundanern den zutritt. 


4 
Er lieset, wenn er zuhörer genug findet, die ihm seine mühe 
bezalen wollen, in der ersten stunde ein collegium über des 
Heumanni conspectum historiae litterariae, und ist überhaupt be- 
ıo mühet bey vorzeigung eines buches das erkenntniß der anwesenden 
in der geschichte der gelehrten zu erweitern. 


5 
Den schullehrern so wol als den scholaren werden die bücher 
aus der bibliothec gegen einen schein zu ihrem gebrauche ver- 
ıs abfolget, jenen auf 4 wochen und diesen auf 14 tage höchstens. 
Ein jeder muß das buch, welches er empfangen hat, unverstüm- 
melt und unbesudelt wieder einliefern oder den von ihm verur- 
sachten schaden ersetzen. Dem misbrauche der bücher von jungen 
leuten, die noch nicht wißen, was und wie sie lesen sollen, wie auch 
3 dem zu befürchtenden verluste derselben kan nicht beßer als durch 
die vorsicht und gute ordnung des aufsehers der bibliothec vor- 
gebeuget werden. 
6 
Ist jemand gewillet ein überflüßiges buch oder eine doublette, 
3; so er in seiner bibliothec hat, oder auch sonst eine milde gabe 
zur verbeßerung der schulbibliothec herzugeben, es sey aus diesem 
oder einem andern grunde, z. e. weil sie entweder selbst oder die 
ihrigen, ihre kinder oder nächsten anverwandten, den hiesigen 
schulen viel zu verdancken haben: so haben sie das der bibliothec 
0 zugedachte geschenck an den bibliothecarium zu liefern, der solches 
sogleich dem catalogo und der bibliothec mit einer kleinen schrifft- 
lichen nachricht zum ehrengedächtniße des gebers einverleiben 
wird. 
Cap. VII. 
s: Von dem cantore oder nunmehrigen directore musices. 
1 
Aus bewegenden ursachen soll von nun an statt der beyden 


cantorum bey dem Martineo und Catharineo nur ein cantor unter 
21 


Schulordnungen der Stadt Brauuschweig 


322 Monumenta Germanise paedagogica I 


unter dem namen eines directoris musices bestellet werden, der 
nicht mehr, wie die bisherigen cantores dazu verpflichtet gewesen 
sind, auch in den sprachen und wißenschaften in den gymnasiis 
unterricht ertheilen, sondern sich lediglich mit as music be- 
schäftigen soll. 5 
9 

Das ius patronatus bey besetzung dieses amts bleibt wech- 
selsweise bey dem Catharineo und dem magistrate.. Die be- 
setzung selbst aber geschiehet wie droben sect. I, cap. 1 weit- 
läuftiger verordnet worden ist. 10 


3 
Da der bestellte director musices in beyden gymnasiis, wie 
auch in der trivialschule, sein amt zu verwalten hat, so stehet 
er nächst seinen andern vorgesezten in ansehung der verschie- 
denen chöre, mit welchen er sich zu beschäftigen hat, resp. auch ıs 
unter demjenigen rector, unter welchen das chor gehöret. 


4 
Unter den schulcollegen hat er seinen rang zwischen den 
conrectoribus und subconrectoribus. 


5 PN) 
Überhaupt ist er verpflichtet die music in beßere aufnahme 
zu bringen, gute kirchen- und andere stücken anzuschaffen, die - 
choristen mit guten motetten zu versehen und in ermangelung 
derselben dergleichen selbst zu componiren. 


6 25 
Insonderheit muß er in den gymnasiis und der trivialschule 
die stunden aufs genaueste beobachten, welche ihm in dem lec- 
tionscatalogo vorgeschrieben sind, auch des sonnabends nach 
mittage an dem ihm angewiesenen orte, das ist auf dem chore in der 
kirche zum Brüdern, nach landizier beichte die des sonntags » 
aufzuführende music probiren. 


7 
Bey den aufzuführenden kirchen-musicken soll diejenige 
ordnung, welche bey den kirchen bisher beobachtet ist, auch in 
zukunfft beybehalten werden. Es kommen nemlich zuerst die s; 
5 großen kirchen, als die Martini-, die Catharinen-, die Brüdern-, 
die Andreas-, die Magnikirche, und diesen folgen die 4 so ge- 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 89 323 


nandten kleinen, die Ägidien-, die Peters-, Michaelis- und Unsere 
Lieben Frauenkirchen. 
8 
In den 5 großen kirchen sollen quartaliter zwo, in den 
5 kleinen kirchen aber, wovon die Lieben Frauenkirche nicht aus- 
geeschloßen ist, obgleich in selbiger bisher keine musicken auf- 
geführet worden, quartaliter eine music aufgeführet werden, und 
diese des vormittages in dieser oder jener kirche aufgeführte music 
soll des nachmittages, wie wol mit einiger abkürzung, in der 
ıo kirche zum Brüdern vor der predigt des superintendenten wieder- 
holet werden. 


Cap. VUL 
Von den wittwen der schulcollegen. 
1 
15 Wenn einer von den schulcollegen oder auch einer von 


den schreib und rechenmeistern verstirbt, so soll das quartal 
darin er stirbt pro deservito gehalten werden. Auch genießen 
die wittwen und die kinder außer solchem quartal noch ein 
völliges gnadenquartal, in welchem alle und jede einnahme, die 

so der verstorbene in solchem vierteljahre würde gehabt haben, 
wenn er im leben geblieben wäre, ihnen anheim fällt. 


2 
Wie für die verbeßerung des wittwengehalts der schul- 
collegen-wittwen aufs möglichste gesorget werden soll: also be- 
ss halten sie unterdeßen nach wie vor alle aufkünfte, welche sie 
bisher ihres orts von den legatis genoßen, und denjenigen antheil 
an den schulgeldern, welcher ihnen unterm 11. xbr. 1753 gnädigst 
zugebilliget: worden. 


Sect. II. 
30 VON DEN SCHÜLERN. 


Cap. 1. 
Von den pflichten, 
eigenschaften und sitten der schüler überhaupt. 
| 1 
3 Wenn jemand in einer von den großen schulen als ein 
schüler aufgenommen zu werden verlanget, so muß derselbe sich 
21? 


324 Monumenta Germanise paedagogica 1 


bey dem rector der schule melden, sich von demselben exami- 
niren laßen, seinen namen selbst in die matricul schreiben, dem 
rectori der schule mit einem handschlage angeloben, daß er fromm, 
fleißig und gehorsam seyn wolle, und endlich mit derjenigen stelle 
zufrieden seyn, welche ihm angewiesen wird. s 


2 
Kommt einer von einem fremden ort hieher zur schule, 
oder will jemand hier in der stadt von einer schule zur andern 
übergehen, so muß er ein beglaubtes zeugniß von seinem bis- 
herigen verhalten beybringen, wiedrigenfalls er ganz und gar ıo 
nicht aufgenommen werden soll. 


3 
Da die schulen werckstädten des heil. geistes sind und die 
furcht des Herrn aller weisheit anfang ist, so liegt allen schülern 
am ersten und vorzüglichsten ob, Gott den allerhöchsten oft und ıs 
inbrünstig um die gnade seines geistes zu bitten und sich der 
gottesfurcht zu befleißigen, damit ihr thun und unterricht um 
desto gesegneter von statten gehe. 


4 

Derjenige, der unter die mitschüler einer schule oder claße » 
aufgenommen ist, muß vor und nach mittage zur gesezten zeit 
in die schule kommen, mit gehöriger reinlichkeit am leibe und 
in einer einem schüler anständigen kleidung erscheinen, seine 
bücher, federn, dinte’und papier, und was er sonst gebraucht, 
mitbringen, auch nicht ohne erlaubniß des lehrers, so lange die » 
schulstunden noch nicht geendiget sind, aus der claße gehen. 





5 
Den praeceptoribus ist er ehrerbietung, hochachtung, liebe 
und gehorsam zu erweisen schuldig. Er muß die strafen, die 
warnungen und ermahnungen derselben mit sanftmuth annehmen 3 
und zu seiner beßerung anwenden. 


7 
In den stunden da gelehret wird muß er alles geschwäz und 
geräusch vermeiden, hingegen still und aufmercksam seyn und 
insonderheit auf dasjenige, was er noch nicht weiß, fleißig mercken, » 
auch, da dem gedächtniße leichtlich etwas entfällt, solches schrift- 
lich aufzeichnen. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 325 





7 
Hat er eine lection herzusagen oder eine ihm vorgelegte 
frage zu beantworten, so muß er solches mit einer vernehmlichen, 
reinen und deutlichen stimme und aus dem gedächtniß thun; 
s auch muß er dabey so wenig von seinen mitschülern sich etwas 
vorsagen laßen als selbst die antwort aus dem buche vorlesen. 


8 

Die ihm aufgegebene exercitia styli, sie mögen namen haben 
wie sie wollen, muß er in ein besonder buch, welches er reine 
ı und sauber halten muß, so gut und leserlich als er kan ein- 
schreiben, die ausarbeitung derselben mit möglichstem fleiße ver- 
fertigen und sie wöchentlich zur bestimten zeit seinem lehrer 
übergeben, die darin geschehenen verbeßerungen aufmercksam 
nachsehen und dadurch aufs künftige dem von ihm vorhin be- 

ıs gangenen fehler vorzubeugen suchen. 


9 
Dem schüler stehet nicht frey sich einer einzigen öffent- 
lichen stunde, es sey aus einem vorwande aus welchem es 
wolle, und es mag darin tractiret werden was da wolle, und 
» wäre es auch selbst die theologie und das griechische, ‚zu ent- 
ziehen, sondern alle und jede müßen allen öffentlichen stunden 
unausbleiblich beywohnen. 
10. 
Gegen die mitschüler soll ein jeglicher schüler liebreich und 
3; freundlich, höflich und manierlich und bescheiden sich benehmen. 
Er soll alle anzügliche reden, heftige worte, und was sonst zum 
wiederwillen, zorn, zanck, verdruß oder wohl gar zu schlägereyen 
gelegenheit geben kan, sorgfältig vermeiden, hingegen die ihm 
angethane beleidigungen seinem vorgesezten lehrer klagen und 
» von demselben die etwa erforderliche genugthuung erwarten. 
Auch soll es als eine große verschuldung angesehen werden, wenn 
schüler ihre bücher und andere sachen ohne vorwißen ihrer eltern 
und vorgesezten versetzen, verschencken, verkaufen oder ver- 
tauschen, oder wenn sie außer den schulstunden die zeit mit 
3 charten und würfelnspielen und in liederlichen gelagen verderben, 
sich zum fluchen, schweren und saufen gewehnen und andere 
dinge begehen, welche dem guten rufe der schule, zu welcher er 
gehöret, zum nachtheile gereichen und die gemeine ruhe stöhren 
können. 





326 Monumenta Germaniae paedagogica I 


11 

Die drey obersten schüler in einer jeglichen claße sind in 
der zeit, da etwa der lehrer nicht in einer claße zugegen seyn 
mögte, wöchentlich wechselsweise die aufseher der übrigen, und 
wie sie verpflichtet sind den ausschweifungen der andern mit; 
worten und ermahnungen vorzubeugen, auch allenfalls die vor- 
gegangenen excesse dem lehrer anzuzeigen, also sind ihre mit- 
schüler verbunden ihren ermahnungen in abwesenheit des lehrers 
folge zu leisten. 


12 10 
Wenn die schulstunden geendiget sind, sollen die schüler 
ohne wildes geräusch, ohne lermen und geschrey, sittsam und 
stille auseinander und fort nach hause, oder auch in die bey 
ihnen folgende informationsstunden gehen. Auch ist ihnen nicht 
erlaubt haufenweise auf der gaßen stehen zu bleiben und daselbst ıs 
mit einander zu plaudern, noch den geringsten unfug, so wenig 
des winters als des sommers, zu treiben. 


13 

Den primanern und selectanern wird gnädigst nachzulaßen 
seyn, daß sie außer den schulstunden einen degen tragen dürfen. » 
In den gymnasiis aber, in der kirche, vor den membris des schul- 
senats, dem rectori und andern persohnen, die ihnen zu befehlen 
haben, darf keiner mit dem degen oder stocke erscheinen. Solten 
sie sich unterstehen sich daßelbe auf irgend eine weise zu miß- 
brauchen, so sollen sie unter andern scharfen ahndungen auch 35 
der ehre beraubet seyn, denselben, so lange sie noch schüler sind, 
weiter tragen zu dürfen. ' 


14 
Aus den schulstunden darf kein schüler ohne eine erheb- 
liche und dem lehrer vorher bekand zu machende ursache weg- » 
bleiben. 


15 
Wer die schule gänzlich zu verlaßen und entweder auf eine 
andere schule oder gar nach universitaeten zu ziehen gedencket, 
muß sich, wenn er anders in diesem lande auf eine beförderung 3 
hoffen will, noch vor seinem abzuge mit einem testimonio scho- 
lastico versehen; dagegen wird ihm ein abschiedsschmauß zu 
geben gänzlich untersaget. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 327 


Cap. I. 
Von den chorschülern. 


1 
Zu chorschülern sollen keine andern schüler aufgenommen 
;s werden als welche nach dem urtheile des rectoris, und was die 
geschicklichkeit eines jeden in der music betrifft, mit zuziehung 
und beyrathen des directoris musices, tüchtig dazu und wegen 
ihres fleißes, ihrer frömmigkeit und guten aufführung eines bene- 
ficii würdig erfunden werden. 
10 2 
Ein jedes chor soll zwey praefectos haben, welche daßelbe 
so wol in ansehung der music als der zucht und guten ordnung 
regieren sollen. Ein jeglicher praefectus hat wieder einen adiunc- 
tum, welcher, wenn jener sein amt etwa nicht versehen kann, 
ıs dessen stelle vertritt. | 
3 
Diese praefectos und adiunctos.zu erwehlen und zu bestellen 
soll der rector macht haben, jedoch was die geschicklichkeit eines 
jeden in der music anbetrifft, auch wiederum mit zuziehung und 
beyrathen des directoris musices. 
30 4 
Ein praefectus soll nur 2 jahr dies amt verwalten, damit er 
dies beneficium nicht mißbrauchen, und geschickte schüler dazu 
gelangen mögen. Verhält er sich wie sichs gebühret, und ver- 
langet er alsdann annoch ein jahr die verlängerung der praefectur, 
so soll ihm in solchem falle nach dem gutbefinden des schul- 
senats, bey welchem er sich schriftlich zu melden hat, und dem 
vorher eingeholten gutachten des rectoris noch das dritte und im 
außerordentlichen falle auch noch das vierte jahr gestattet werden. 


5 

30 Der praefectus muß, wo er das directorium führet, darauf 
sehen, daß das umsingen vor den thüren an den gesezten tagen 
zu der gesezten zeit und an den gehörigen orten geschehe, wie 
such, daß solche motetten und gesänge gesungen werden, die 
sich zu dem orte, der zeit und den persohnen schicken. Er muß 

ss darauf achten, daß die ihm untergebene schüler ordentlich singen 
und sich überall christlich, still und ehrbar aufführen. Auch 
lieget ihnen ob ein verzeichniß von denjenigen häusern zu haben, 
vor welchen gesungen wird, und wann häuser abgehen und zu- 
kommen, dem rectori es anzuzeigen. 





328 Monumenta Germaniae paedagogica I j 
Tr vr” 
6 


So lange der praefectus das chor dirigiret, so vertYitt er die 
stelle des rectoris und des directoris musices, Demnach \sind alle 
glieder des chors gehalten in allen billigen dingen zu der zeit 


ihm gehorsam zu seyn. 5 
7 


So wol bey den musicken in den kirchen als auch in der 
singestunde und bey dem umsingen auf den gaßen sollen alle 
glieder des chors sich zu rechter zeit und sogleich beym anfange 
finden laßen. Ein gleiches sind auch diejenigen zu thun ver- ı 
pflichtet, welche an den bustagen, bey den vierteljährlichen cate- 
chismus-predigten und examinibus die litaney in denen ihnen 
angewiesenenen kirchen vor dem altare singen müßen. 


8 

Wenn ein chorschüler verreiset, muß er desfalls bey dem ıs 
rector und cantor erlaubniß bitten und darnach seinem praefecto 
dieses anzeigen. Wer eine kirchenmusic oder eine singestunde 
zu versäumen genöthiget wird, muß sich desfalls bey dem cantor 
melden. Wer bey dem umsingen in der stadt nicht zugegen 
seyn kan oder auch nötiger verrichtung wegen weggehen muß, » 
soll dem praefecto nachricht davon geben und ohne deßen ein- 
willigung keines von beyden thun. 


9 
Will ein schüler das chor gänzlich verlaßen, so ist er ver- 
pflichtet solches 4 wochen vorher dem rectori und cantori an- » 
zuzeigen und sich die erlaubniß dazu zu erbitten. 


10 
Da die chorschüler solche sind, welche beneficia genießen, 
so sind sie auch gedoppelt verpflichtet alle denen gesetzen nach- 
zukommen, welche den schülern überhaupt vorgeschrieben sind. » 


11 
Damit bey den chorschülern desto beßere und gute zucht 
erhalten werden möge, so sollen diejenigen, welche wieder die 
gesetze handeln, wenn es primaner und selectauer sind, an gelde, 
die übrigen aber auf eine andere weise und allenfalls mit schlä- a 
gen gestrafet werden. 
12 
Dem directeri musices stehet es frey außer den primanern 
und selectanern diejenigen mit schlägen anzusehen, welche es ver- 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 329 


dienen, und den praefectis wird nachgelaßen, wenn es nicht 
anders seyn kan, die ganz kleinen dadurch in guter ordnung zu 
erhalten. Im übrigen müßen die verbrecher bey dem rectore 
angegeben werden, welcher schon für ihre bestrafung sorgen wird. 


5 13 
Die primaner und selectaner sollen ihre verbrechen im chor 
auf folgende weise mit gelde büßen. Wer bey dem singen vor 
den thüren in der stadt zu langsam kommet, zalet für jedes haus, 
da schon gesungen ist, 4 pfg., wer ein ganzes umsingen versäumet, 
ı 6 mgr., wer in der singestunde fehlet, 1 mgr., und wer bey einer 
kirchenmusic nicht zugegen ist, 6 mgr. Diese letzten strafen 
geben die concertisten, wenn sie bey den kirchenmusicken fehlen, 
gedoppelt, die praefecti aber dreyfach, weil sie für ihre bemühung 
wichtiger als die übrigen gelohnet werden. 


15 14 
Die verwürckten strafen bemercket der adiunctus in ein buch 
und gibt alle woche von dem, was er in seinem buche verzeichnet, 
dem rectori eine abschrifft, damit derselbe sich nach der wahr- 
heit der sache erkundigen könne. Der rector merckt sich auf dem 
» ihm gegebenen zettel an, wieferne er diesen und jenen würcklich 
sraffällig gefunden, und ziehet alsdann bey vertheilung der chor- 
gelder dem schuldig befundenen die verwürckte strafe an seiner 
competenz ab. 
15 
25 Diese eingekommene strafgelder, welche der rector in ein 
besonder buch verzeichnet, werden alle halbe jahr in 3 gleiche 
theile getheilett. Den einen theil bekommt der adiunctus, der 
andere wird unter die concertisten vertheilet, und der letztere 
dem bibliothecario zur verbeßerung der bibliothec zugesand. 


30 16 
Das bey dem singen vor den thüren gesammlete und in 
gewißen verschloßenen büchsen wol verwahrete geld wird in der 
behausung und gegenwart des rectoris ausgezälet. Der adiunctus 
überliefert die büchse, in welcher das geld gesammlet worden. Das 
ss auszählen verrichtet der praefectus, und eben derselbe verzeichnet 
die summe des vorgefundenen geldes in ein besonderes buch. Der 
rector schreibt gleichfalls die empfangene summe für sich in ein 
buch, quitiret den empfang des erhaltenen geldes mit einem 


330 Monumenta Germaniae paedagogica I 





accepi und der beyschrift seines namens in dem buche des prae- 
fecti. Endlich wird das geld in eine lade, welche gleichfals in 
des rectoris hause ist, verschloßen. 


17 | 

Alle vierteljahre, und zwar 3 wochen nach geendigtem quar- > 
tale, werden auf einem sonnabend nachmittage von dem rectore 
mit zuziehung des cantoris die chorschüler ausgetheilet. Nachdem 
die ganze summe des vorhandenen geldes überschlagen worden, 
so übergibt der cantor dem rectori einen entwurf, wie er meine, 
daß das geld am füglichsten könne vertheilet werden, und bey ıo 
diesem entwurfe hat er die erfahrenheit in der music, die ver- 
dienste und das übrige wolverhalten der chorschüler beständig vor 
augen. Der rector aber siehet den entwurf des cantoris durch, 
beurtheilt denselben, und wenn er nichts daran zu erinnern findet, 
so wird das geld darnach vertheilet. 15 


18 
Wenn die vertheilung geschehen, so wird eine specification, 
wie die vertheilung erfolget, wie auch eine von dem rectore und 
und cantore unterschriebene rechnung, wie viel an chorgeldern 
eingekommen und wieviel davon vertheilet worden, dem directori » 
des schulsenats eingeschickt und endlich beydes den schulacten 
beygeleget. 
19 
« Was in den lezten 3 paragraphis gesagt worden ist, ist 
auch bey der einsammlung und vertheilung des neujahrsgeldes zu 2 
beachten. 
20 
Solte es geschehen, daß ein chorschüler nach universitaeten 
zu ziehen gedächte und auf die vertheilung der chorgelder nicht 
warten könnte, so kan ihm die competenz, welche er in dem s 
lezten quartale gehabt, von dem rectore, ohne weiter rücksprache 
zu halten, sogleich, wenn er es begehret, gegen quitung ausge- 
zahlet werden. | 


Cap. II. 


Von den currendanern. 35 


1 
Die bisherigen currendaner sollen von nun an von allen 
großen schulen ausgeschloßen und gleichwie die andern arımen- 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 331 





schulkinder in denen dazu besonders eingerichteten armenschulen 
erzogen werden. 
2 
Damit durch diese absonderung der currende gewiße an- 
s stalten nicht leiden mögen, so soll die stelle der currendaner bey 
den schulen durch einen schulvoigt ersezt werden, sie aber selbst 
sollen den namen der currendaner in den armenschulen beybe- 
halten, auch unter der aufsicht des stadtsuperintendenten stehen 
bleiben. 
10 3 
Ihre gegenwärtige anzal erstrecket sich in ‘allen 3 schulen 
überhaupt auf 100 und etliche, und so viele sollen ihrer auch 
nicht nur in zukunft bleiben, sondern, wenn die currendencasse 
es vermag, auch noch mehrere derselben angenommen werden. 


15 4 
Wer ein currendaner zu werden verlangt, muß fertig lesen 
und zur noth einen bekannten gesang singen können. 


5 

Die annahme derselben und ihre vertheilung an die schul- 
»» meister geschiehet von dem armendirectorio, doch mit vorwißen 
des stadtsuperintendenten. Bey der anweisung an die schul- 
meister soll darauf gesehen werden, daß die schule, in welche 
ein currendaner gewiesen wird, dem orte seines aufenthalts und 
derjenigen kirche, in welcher er künftig singen soll, so nahe liege 

» als es immer möglich ist. 


6 
In so ferne die currendaner zu den armenschülern gehören, 
müßen sie alle pflichten beobachten, welche andern armenschülern 
obliegen. 
30 7 
Alle currendaner sind nicht nur verpflichtet zweymal in 
der. woche, als am donnerstage und am sonntage, auf den gaßen 
umzusingen, sondern sie sind auch verbunden am sonnabend bey 
der vesper, an den sonn- und fest- und bustagen vormittages 
ss vor und nach der predigt und bey denen communionen in den 
stadtkirchen, und des nachmittages zu den Brüdern den praecep- 
torem bey den gesängen zu unterstützen und die öffentlichen 
leichen mit hinzusingen. 


332 Monumenta Germaniae paedagogica I 





8 
Damit sie dazu geschickt gemacht werden mögen, so sollen 
diejenigen schulmeister, in deren schulen sich die currendaner 
finden, ihnen die melodeyen der gesänge fleißig beybringen und 
sie ordentlich singen lehren. Auch sollen die custodes der großen ; 
schulen von dem superintendenten angewiesen werden alle sonn- 
abend eine besondere singstunde mit ihnen zu halten. 


9 

Das umsingen in der stadt soll, wie es bisher gewöhnlich 
gewesen, von den currendanern in 3 vertheilungen geschehen, ı0 
deren jede ihren besondern aushalter hat. Die eine vertheilung 
verrichtet das umsingen in der Alten Stadt und im Sacke, die 
andere in dem Hagen und in der Neustadt, und die dritte in 
der Altenwick und zu St. Ägidien. Eine jede vertheilung ver- 
sammelt sich des sonntages gleich nach völlig geendigtem vor- ıs 
mittäglichen gottesdienste und am donnerstage um 9 uhr unter 
der aufsicht des schulvogts, woran sie gewiesen, an dem bestimten 
orte und gehet alsdann mit demselben auf die bisher gewöhn- 
lich gewesene weise durch die gaßen. Der aushalter muß die ge- 
sänge, die ihm aufgegeben worden, nicht zu hoch noch zu niedrig » 
anfangen und dahin sehen, daß solche von seinen mitschülern 
langsam, deutlich und ordentlich gesungen werden. Die gewöhn- 
liche sammlung in den häusern verrichtet der dazu bestelte knabe 
in einer wolverschloßenen büchse und liefert dieselbe nach ver- 
richteter sammlung dem schulvogte. Dieser bringt sie des sonn- ss 
abends nach mittage an den cassier der schulaerarii, der in seiner 
gegenwart das geld herauszählet und ihm ein verzeichniß, wieviel 
‘er darin gefunden, an den director des schulsenats mitgibt. Der 
schulvogt nimmt auch die von dem cassier verschloßene büchse 
mit zurücke und liefert sie bey jedesmaliger versammlung an » 
denjenigen knaben, der die sammlung verrichten soll. 


10 

Diejenigen currendaner, welche des sonnabends und an den 
sonn-, fest- und bustagen nach der von dem superintendenten ge- 
machten eintheilung das singen in den kirchen verrichten sollen, 35 
versammeln sich eine halbe stunde vorher, ehe sie in die kirche 
gehen müßen, bey dem schulmeister, an welchen sie gewiesen. 
Der schulmeister führet sie darauf in die kirche und begibt sich 
mit ihnen an den ihnen angewiesenen ort. Er sehreibt die namen 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 333 


derer auf, die entweder gar ausbleiben oder zu spät kommen oder 
sich auch in der kirche nicht gebührend aufführen, und bestraft 
sie des folgenden tages, wenn sie in die schule kommen, nach 
der größe ihres verbrechens. In der kirche aber ist er selbst so 

s wol als seine schüler es sind der direction des schulcollegen, der 
als praeceptor in der kirche gegenwärtig ist, unterworfen. 


11 

Was von den currendanern bey dem hinsingen der öffent- 

lichen leichen in acht zu nehmen ist, wird in dem 2. capitel des 
ıo folgenden abschnitts vorkommen. 


12 

Solten bey nächtlichen leichbegängnißen currendaner zum 
leuchten verlanget werden, so soll ihnen dies nach wie vor ver- 
stattet werden. Lieget das sterbehaus in der Altstadt oder im 
ıs Sacke, so hat der custos bey dem Martinsgymnasio, lieget es in 
dem Hagen oder in der Neustadt, so hat der custos bey dem 
Catharineo, lieget es aber in der Altenwieck, so hat der custos bey 
der lateinischen schule im Waysenhause dabey die aufsicht. Ver- 
langet nun jemand currendaner zum leuchtentragen, so läßet er 
»o dem custodi derjenigen schule, wohin er gehöret, wissen, wie viele 
leuchtenträger er verlange und um was für eine stunde sie vor 
dem sterbehause seyn sollen. Ist diese anzeige geschehen, so ist 
der custos schuldig die größesten currendenknaben, die sich in 
den armenschulen des ihm angewiesenen bezircks finden, nach der 
3; reihe des verzeichnißes, welches ihm gegeben worden, ohne daß 
er sich die geringste partheilichkeit dabey zu schulden kommen 
laße, zu bestellen und mit der verlangten anzahl auf dem be- 
stimmten glockenschlage vor dem sterbehause zu erscheinen. Die 
knaben bringen die leuchten mit einem brennenden lichte selbst 
3 mit, und der custos siehet zu, daß die currendaner bey dem leuchten 
sich überall still und ordentlich aufführen und dem trauerhause 
im geringsten nicht beschwerlich fallen. Er nimmt das geld, das 
für ihn und die schüler gegeben wird, in empfang, vertheilet es, 
begleitet die currendaner bey dem hintragen der leiche und läßet 
s sie, nachdem man ihrer nicht mehr bedarf, unter dem verbote, 

keinen lärm noch geräusch zu machen, auseinander gehen. 


13 
Damit allenthalben gute zucht und ordnung unter den cur- 
rendanern gehalten werde, so sollen sie zuerst der vernünftigen 


334 Montmenta germaniae paedagogica I 





bestrafung aller derer unterworfen seyn, welche die erste auf- 
sicht über sie haben, als derer custodum bey dem leuchten, derer 
schulmeister in der schule und bey dem singen in den kirchen, 
und der schulvögte bey dem umsingen auf der gaßen. Können 
‘aber diese den zweck ihrer bestrafung bey den currendanern nicht > 
_ erreichen, so sollen sie sie bey dem armendirectorio melden, wel- 
ches denn nicht ermangeln wird auf nachdrückliche zwangs- 
mittel bedacht zu seyn, damit dem muthwillen der jugend ge- 
bührend gesteuret werde. 
14 10 
Ein currendaner genießet die freye schule und bekommt die 
nötigen bücher, auch über dies alles noch eine gewiße nahmhafte 
competenz an gelde, welche seinen eltern oder denen, deren vor- 
sorge er anvertrauet ist, alle 14 tage ausgezalet wird. 
15 | 15 
Das schulgeld für die currendaner, wie auch das geld für 
die nötigen bücher, imgleichen die ihnen zugebilligte competenz, 
wird aus dem schulaerario gezalet. 


16 

Damit nicht mehr so viele persohnen mit führung der rech- » 
nung über die currendegelder beschweret werden mögen, auch 
das schulaerarium desto beßer im stande sey obige und andere 
zur verbeßerung der schulanstalten abzielende ausgaben zu be- 
streiten: so würden die provisores der currendecaße zu St. Martini, 

Catharinen und in der Altenwieck gnädigst zu befeligen seyn, » 
ihre in absicht auf die currendegelder in händen habende caße, 
'obligationes, handschriften, nachrichten und rechnungen und alles, 
was ihnen bey ihrer annehmung als provisoren bey denen cur- 
rendekasten überliefert worden, an den schulsenat abzugeben, 

welcher denn von nun an dafür sorgen soll, daß die sämmtlichen » 
currendecaßen von dem cassier des schulaerarii zum besten der 
schulen überhaupt und der currende ins besondere verwaltet werde. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 335 


Sect. IV. 


VON DEN PFLICHTEN DER LEHRER UND SCHÜLER 
BEY DEM ÖFFENTLICHEN GOTTESDIENSTE UND DER 
ÖFFENTLICHEN LEICHE. 


5 Cap. 1. 
Von dem öffentlichen gottesdienste. 


1 
Da die gottesfurcht die erste und vornehmste tügend ist, 
zu welcher die jugend in christlichen schulen angehalten werden 
ıo muß, zu deren mehreren erkenntniß und übung aber der fleißige 
und wol eingerichtete besuch des öffentlichen gottesdienstes viel 
beyträgt, so sollen alle lehrer bey den hiesigen schulen nicht nur 
der jugend mit einem guten exempel dabey vorgehen, sondern 
such, vornemlich aber die rectores, mit dem größesten eifer und 
ıs ernst darauf achten, daß ihre schüler den öffentlichen gottesdienst 
nicht versäumen mögen. 
2 
Da die jugend an den werckeltagen in die schule geht, so 
verstehet sich von selbsten, daß sie nur an den sonn-, fest- und 
so bustagen den Öffentlichen gottesdienst abwarten kan. Indeßen 
aber sollen doch auch die alhier gewöhnlichen vierteljährigen 
catechismus-predigten und examina von den schülern der großen 
schulen besuchet werden. 
3 
35 Die predigten, welche die schüler der lateinischen schulen 
an den sonn-, fest- und bustagen ohnfehlbar besuchen sollen, es 
wäre denn daß sie kranck oder verreiset wären, oder daß ihre 
eltern sie in der kirche selbst unter ihrer aufsicht behalten wol- 
ten und solches schriftlich erklärten, sind die sogenannte hohe- 
so meß-predigten in den nachher zu bestimmenden kirchen und die 
nachmittags-predigt zum Brüdern. Der besuch der beyden übri- 
gen, als der früh- und nachmittags-predigten, wird in ansehung 
der stadtkinder der vorsorge und anordnung der eltern und vor- 
münder, und in betracht der fremden entweder der vermittelung 
ss derer, welchen diese besonders zur aufsicht anbefolen sind, oder 
auch selbst eines jeglichen fremden schülers freyheit und triebe 
zur gottseligkeit überlaßen. 


336 Momments Germaniae paedagogica I 


4 
In den hohmeß-predigten sollen die schüler aller claßen 
zugegen seyn. Die quintaner, quartaner, tertianer und secundaner 
des Martinei besuchen dieselbe in der Martinskirche und die pri- 
maner und selectaner in der Brüdernkirche, die gymnasiasten des ; 
Catharinei aber sind in ansehung dieser predigt sämtlich an die 
Catharinen-, und die schüler der trivialschule an die Waysenhaus- 
kirche gewiesen. 
5 
Was die nachmittages-predigt zum Brüderen betrifft, so ıo 
können derselben vor der hand so wenig die schüler beyder gym- 
nasien zugleich, als aus dem Martineo alle claßen beywohnen. 
Vors erste also und bis noch eine prieche für die schüler des 
Catharinei erbauet wird, sind nur die selectani, primani und 
secundani des Martinei zur besuchung derselben’ verbunden. Die; 
schüler aus der trivialschule aber versammlen sich des nach- 
mittages an dem ihnen angewiesenen orte in der Egydienkirche. 


6 
Die andere öffentliche übung des gottesdienstes der latei- 
nischen schüler bestehet in der besuchung der alle vierteljahre in ıs 
der Brüdern- und Catharinenkirche zu haltenden catechismus- 
predigten und catechismus-lehren, und soll es mit dem besuche 
künftig also gehalten werden. Die obersten 3 claßen der gym- 
nasiorum sind verbunden den catechismus-predigten beyzuwohnen, 
und zwar die aus dem Martineo in der Brüdern-, die aus dem ss 
Catharineo in der Catharinenkirche, und es haben dabey der 
rector, conrector und subconrector wechselsweise die aufsicht. Die 
3 untersten claßen der gymnasiorum, wie auch die schüler der 
trivialschule, sind gehalten bey dem catechismus-examiniren ge- 
genwärtig zu seyn und sich examiniren zu lassen. Die aus dem » 
Martineo stellen sich dabey in der Brüdern-, und die aus dem 
Catharineo und der trivialschule in der Catharinenkirche ein, 
und es haben die lehrer der besagten claßen wechselsweise dabey 
die aufsicht. 
7 35 
In denjenigen claßen, aus welchen die schüler bei bemel- 
detem gottesdienste zugegen sind, hören die lectiones mittlerweile 
von selbst auf. Es soll aber keinesweges gestattet werden, daß 
auch zugleich in den übrigen claßen, aus welchen die schüler 
nicht in der kirche zugegen sind, die lectiones eingestellet wer- 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 337 


den. Auch eilen billig, so bald der gottesdienst bey den cate- 
chismus-predigten und catechismus-übungen geendigt ist, so wol 
lehrer als schüler nach ihren claßen, um die noch übrigen und 
zur schularbeit ausgesezten stunden wol und gehörig anzuwenden. 


5 8 
Da nach uraltem gebrauche alhier des sonnabends in der 
vesper und des sonntags vor der hauptpredigt die evangelia von 
einem schulknaben verlesen werden, so sollen dazu keine andere 
als schüler aus tertia genommen werden, und ebendergleichen 
ı sollen sie auch in den kirchen, bey welchen es noch im gebrauche 
ist, des sonntags die tüchlein bey dem heil. abendmal halten. 
Damit keine unordnungen dabey. vorgehen, so sollen die lehrer 
in tertia ein verzeichniß von den schülern in ihren claßen halten, 
in welchem ihre namen nach der ordnung, in welcher sie in die 
ıs claße gekommen sind, aufgeschrieben stehen. Sie sollen des frey- 
tags nachmittages diejenigen schüler, wie sie in ihrem verzeich- 
niße auf einander folgen, nach der reihe ernennen, welche an dem 
folgenden sonnabende und sonntags vorgenanntes geschäfte mit 
dem verlesen der evangelien und dem halten der tücher bey dem 
30 heiligen abendmahle verrichten sollen, und sie an diejenigen 
kirchen verweisen, in welchen sie solches thun sollen. Sie sollen 
endlich den collegen, welche als praeceptores bey den kirchen be- 
stellet sind, am sonnabend morgen ein schriftliches verzeichniß 
geben, was für schüler sie an diejenigen kirchen gewiesen, in 
2» welchen sie singen müßen, damit sie acht darauf geben können, 
ob auch die schüler ihrer schuldigkeit nachkommen. 


9 

Den lehrern in den beyden gymnasiis und in der verlegten 
trivialschule liegt bey dem öffentlichen gottesdienste ob resp. zu 
so singen und die aufsicht zu verwalten. Von den schulcollegen 
des Martinei führet der tertius den gesang in der Martins-, der 
quartus in der Brüdernkirche, der quintus in der Peterskirche; 
der tertius des Catharinei singt in der Catharinen-, und der quar- 
tus in der Andreaskirche. Aus der trivialschule geschiehet ein 
3 gleiches von dem obersten collegen in der Magni-, und von dem 
folgenden in der Michaeliskirche. Die beyden untsrsten schul- 
collegen aber, welche als praecentores an keine kirche gewiesen 
sind, müßen erforderlichen falls die stellen der andern vertreten. 
Derjenige schulcollege aber, welcher praecentor bey einer kirche 


Shceulordnungen der Stadt Braunschweig 22 


338 Monumenta Germaniae paedagogica I 





ist, muß in derselben allezeit und unausbleiblich gegenwärtig seyn, 
und wenn er auch gleich mit gehöriger genehmhaltung einen 
substituten zur führung des gesanges angenommen hätte. 


10 

Über die kleinen claßen, welche in der vormittags predigt 
zu St.Martini gegenwärtig sind, haben der subconrecetor und der 
praecentor, über die beyden obersten claßen aber, als über die 
primaner und selectaner, welche sich in der Brüdernkirche ein- 
finden müßen, der rector und conrector die aufsicht. Aus dem 
Catharineo gehen die sämmtlichen schüler des vormittages in die ı0 
Catharinenkirche, und da zugleich die 4 obersten schulcollegen 
zugegen sind, so kan es um so viel weniger an aufsicht fehlen. 
So bald den primanern und selectanern dieses gymnasii ein platz, 
auf welchem sie der nachmittagspredigt zum Brüdern beywohnen 
können, wird angewiesen seyn, so bald haben auch daselbst der ıs 
rector und conrector die aufsicht über diese gymnasiasten. Die 
aufsicht über die schüler der trivialschule ist den 3 collegen dieser 
schule anbefohlen. Ist einer von den obersten schulcollegen 
nicht zugegen, so hat der ihm folgende college, welcher gegen- 
wärtig ist, die allgemeine aufsicht, und die schüler einer höhern » 
claße sind in solchem falle schuldig diesem lehrer, ob er gleich 
einer niedrigern claße vorgesetzet ist, gehorsam und folge zu leisten; 
die in den claßen angestellten observatores aber beobachten auch 
in der kirche ihr amt und schreiben diejenigen, so gar nicht oder 
auch nur zu spät kommen, an und melden montags ihren namen » 
dem lehrer der claße zur gebührenden untersuchung und ahndung. 


11 

Die schüler aus der schreibschule in der Altstadt werden 
hiemit an die kirche zum Brüdern, und die aus der schreibschule 
im Hagen an die Catharinenkirche gewiesen, um darin des öffent- » 
lichen gottesdienstes zu pflegen. In diesen ihnen angewiesenen 
kirchen sollen sie unnachbleiblich des vormittages der hauptpre- 
digt mit beywohnen und ohne erhebliche und ihrem lehrer vor- 
her anzuzeigende ursache dieselbe niemals versäumen. Damit sie 
auch in denen ihnen angewiesenen kirchen einen beständigen 3 
stand haben mögen, woselbst sie sich unter der aufsicht ihrer lehrer 
oder auch der schreiber versammlen können, so soll ihnen, wo 
sichs anı füglichsten schicken will, ein besonderer platz dazu an- 
gewiesen werden. Bey dem mittags-gotiesdienste, als der epistel- 


w 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 839 339 


predigt und der mit dieser predigt abwechselnden catechismuslehre, 
ınögen sie sich zu den kirchen halten, woselbst ihre eltern ein- 
gepfarrt sind. Finden sich auch eltern, welchen man es zutrauen 
kan, daß sie ihre kinder unter dem vorwande, daß sie solche 

s gerne mit sich in die kirche nehmen wolten, nicht gar von dem 
öffentlichen gottesdienste abhalten mögten, so soll ihnen solches 
gegen ihre christliche erklärung gestattet werden. 


12 
Von den schreibschülern darf keiner ohne dringende und 
ıe zu bescheinigende ursache die beywohnung der vierteljährigen 
catechismuspredigten und der catechismuslehren sich entziehen, 
sondern sie sind sämtlich verpflichtet dieselben in denen ihnen 
angewiesenen kirchen zu besuchen. 


13 
15 So wol die sonntags- als die catechismuspredigten werden, 
wie auch nicht weniger das stück, welches in den vierteljährigen 
catechismuslehren täglich abgehandelt wird, gleich am ersten 
morgen darauf von dem candidato gleich nach dem gebete wieder- 
holet, wobey er den schülern eine anweisung zu geben hat, wie 
20 sie es anzufangen haben, wenn sie aus der predigt etwas be- 
halten wollen. 


14 

Zu dem öffentlichen gottesdienste gehöret der gebrauch des 
heiligen abendmahls. Es haben demnach die schullehrer auch 
3 darauf acht zu geben, ob ihre schüler sich zum genuß dieses sa- 
craments fleißig und ordentlich einfinden. Diejenigen, welche zu 
dem tische des Herrn gehen wollen, sollen dies ihrem lehrer einige 
tage vorher anzeigen und entweder allein oder auch durch einen 
aus ihrer gesellschaft ihrem vorgesezten entweder in der schule 
3 oder in ihrem hause einige abbitte thun. Der lehrer soll so dann 
die namen derer in ein besonder register verzeichnen, die sich 
solcher gestalt bey ihm anfinden, und dieses jährlich 2mal nach- 
sehen, damit er diejenigen entdecken möge, welche entweder gar 
selten oder nachläßig oder vielleicht gar nicht zum heiligen abend- 
3 male’ gehen, um sie nach geschehener entdeckung gebührend er- 

innern zu können. 

22* 


340 Monumenta Germaniee paedagogica 


Cap. I. 
Von den öffentlichen leichbegängnißen. 


1 
Obgleich nach der dritten sect. cap. III, 81 die currendaner 
von den gymnasiis abgesondert worden, so sollen sie doch ins 
ansehung der öffentlichen leichbegängniße dergestalt mit den- 
selben verbunden bleiben, daß sie auch, wie es bisher geschehen, 
die leichen mit hinsingen sollen. 


2 
Da auch vor alters guter ordnung halber die leichen hieselbst ı 
in funera generalia et non generalia oder particularia, und jene 
wiederum in figuralia et choralia, diese aber in dualia et quar- 
talia abgetheilet worden, so bleibt es auch hinfüro bey dieser 
alten einrichtung. 
Videatur des raths begräbniß-ordnung vom jahre 1650, 
no. 12. 13, wie auch die schulordnung vom jahre 
1696, artic. VII, leg. 2. 3. 


3 

Bey einem funere generali figurali gehen alle schulcollegen 
und schüler desjenigen gymnasii mit, wohin die leiche gehöret, » 
wie such diejenigen currendeschüler, welche mit demselben gym- 
nasio in verbindung stehen. Vor der thüre des trauerhauses 
werden bey der ankunft der praeceptorum und schüler ein paar 
motetten oder arıien, und vor der collecte in der kirche ein, oder 
nach erforderung der umstände noch ein anders lied figuraliter » 
gesungen. Es qualificiren sich dahin die standes- und amtsper- 
sohnen bis auf die rectores der gymnasiorum inclusive, die litte- 
rati, welche einen gradum haben, auch aller dieser frauen und 
erwachsene kinder, welche über 18 jahr alt sind und welchen 
sonst leichenpredigten gebühren. Bey einem funere generali » 
chorali wird es ebenso gehalten, nur daß anstatt der motetten 
und arien blos gesänge gesungen werden, und dahin qualificiren 
sich die rathsverwandten, die vorsteher bey den kirchen und 
andern piis corporibus, alle angesehene bürger und fremde von 
der art, wie auch ihre frauen und erwachsene kinder, samt allen s 
denjenigen, welche ein eigenes grab bekommen. Das singen bey 
diesen generalleichen, es mag figuraliter oder choraliter geschehen, 
geschiehet unter der aufsicht des cantoris. 


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Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 341 


4 
Wird ein funus duale bestellt, so gehen 2 von den 3 unter- 
sten schulcollegen und 24 paar knaben mit, bey einem funere 
quartali aber nur ein schulcollege und 12 paar knaben. Da von 
s alters her dergleichen leichen von den currendanern hingesungen 
sind, 8o soll es auch forthin geschehen. Der custos gymnasii 
holet zu dem ende die currendaner eine viertelstunde zuvor, 
ehe man aus der lateinischen schule nach dem trauerhause 
gehen soll, aus der ihm angewiesenen deutschen schule ab und 
ıo stellet sie dem schulcollegen dar, diese aber gehen mit ihm aus 
der lateinischen schule nach dem sterbehause. Es soll vorher 
kein gesang gesungen, sondern der anfang mit dem singen 
erst alsdann gemacht werden, wenn nur die leiche würck- 
lich aufgehoben wird. 
15 5 
So oft ein öffentliches leichbegängniß gehalten wird, so ver- 
sammlen sich so wol die lehrer als schüler in dem gymnasio 
und gehen von da mit dem ihnen bestimmten glockenschlage 
nach dem trauerhause. Die schüler treten nach ihren claßen 
a und in der ordnung, wie sie darin sitzen, paarweise hervor, und 
ein jeglicher lehrer begleitet seine schüler, doch mit dem unter- 
schiede, daß die untersten schulcollegen neben ihren schülern, 
die beyden obersten aber hinter ihnen hergehen. Wenn bey 
generalleichen die untersten collegen ihre eigene claßen führen, 
3 so werden die currendaner von ihren schulmeistern begleitet; 
solche aber stehen alsdann unter dem rector des gymnasii und 
müßen sich nach deßelben befehle richten. 


6 
Damit des sonntages der gottesdienst, und an den werckel- 
3o tagen die schulstunden nicht versäumet werden mögen, so sollen 
die leichen im sommer des nachmittages um 4, und im winter 
des nachmittags um 1 uhr zu grabe gebracht werden. 


7 
Wenn leichen des abends in der stille beygesetzet werden, 
3 so bleibet den lehrern und schülern billig alles dasjenige, was 
ihnen hätte gegeben werden müßen, wenn die leiche öffentlich 
wäre begraben worden. 


342 Monumenta Germaniae paedagogica I 


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Sect. V. 
VON DER UNTERWEISUNG DER SCHÜLER. 
Cap.l. 
Von den schulen und was in einer jeden derselben 
gelehret werden soll. 5 
1 


Damit die hiesige jugend nach allen absichten ihrer eltern 
unterwiesen werden ınöge, so sind folgende schulen theils von 
alters her vorhanden, theils aber auch neu eingerichtet worden, 
als die 3 claßen der kleinen leseschule, die beyden schreib- und ı 
rechenschulen in der Altstadt und im Hagen, die trivial- und 
realschule im Waysenhause, die beyden gymnasia zu St. Martini 


und St. Catharinen. 
| 2 


Was es für eine bewandniß mit den kleinen schulen hie- ıs 
selbst habe, solches ist dem publico im jahr 1753 in einer vor- 
läufigen nachricht vor augen geleget worden. Diejenigen kinder, 
welche keine andere schulen zu besuchen gedencken, werden darin 
so weit gebracht, daß sie fertig deutsch und lateinisch lesen, 
nothdürftig schreiben und im christenthum confirmiret werden » 
können. Die aber, welche in eine schreib- und rechenclaße oder 
auch lateinische schule zu gehen gedencken, werden nicht länger 
darin aufgehalten, bis sie deutsch und lateinisch lesen und ihren 
kleinen catechismum fertig auswendig hersagen können. 


3 » 
In den schreib- und rechenschulen wird die jugend im 
christenthum im schreiben und rechnen, im briefschreiben und 
buchhalten und andern für einen kaufmann oder künftigen rech- 
nungsführer nöthigen wißenschaften unterrichtet. 


4 .0 
Die grenze der trivialschule in wißenschaften erstrecket 
sich soweit als die drey untersten claßen in den beyden gym- 
nasiis. 
5 
In der realschule soll von den sprachen die französische, s 
englische und italienische sprache, von den künsten und wißen- 
schaften aber außer der anweisung zur erkenntniß der natur und 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 343 


der kunst die mathematic, die oeconomie, mechanic, music und 
das zeichnen getrieben werden. Auch sollen diejenigen, welche 
nicht studiren wollen, hieselbst in der geographie und historie 
die nötige anweisung finden. 


N 6 
In den übrigen sprachen und wißenschaften, als der latei- 
nischen und deutschen dichtkunst, dem hebräischen, griechischen 
und römischen alterthümern, der oratorie, der geographie, der 
chronologie, der historie, der logie, der metaphysic, der natür- 
ıo lichen theologie und philosophischen wißenschaften, wie auch in 
der gelahrtheit, soll lediglich in der trivialschule, in so ferne 
diese dinge dahin gehören, und in den beyden gymnasiis unter- 
richt ertheilet werden. 
7 
15 In allen schulen und claßen aber soll nicht nur auf die 
reinlichkeit der deutschen sprache, sondern auch darauf gesehen 
werden, daß die schüler in guten sitten und tugenden zunehmen 
mögen. Wie daher auch bey den öffentlichen schulstunden das 
gebet und, wo es die gelegenheit gibt, die anweisung zum thä- 
yo tigen christenthum niemals aus der acht zu laßen ist. 


Cap. I. 
Von den schulstunden. 


1 

Die schulstunden in allen schulen werden nach dem bis- 

35 herigen gebrauche in öffentliche und privatstunden abgetheilet. 
Die öffentlichen schulstunden in den beyden schreib- und rechen- 
schulen dauern vormittags von 7—10 und des nachmittages von 
1—3 uhr. Die stunden von 10—11 uhr vor- und von 3—4 uhr 
nachmittages sind privatstunden. Der mittwochen- und sonnabend- 
ao nachmittage sind frey, außer daß von 1—3 uhr wiederum zwo 
privatstunden gehalten werden. Undin betracht aller dieser privat- 
stunden stehet cinem jeden frey, wie viel und welche von denselben 
er besuchen wolle. Inder trivialschule und in den beyden gymna- 
siis sind die stunden vormittages von 7—9 und nachmittages 
3s von 1—3 öffentliche stunden, die stunden aber von 9—10 vor- und 
3—4 nachmittages privatstunden, und ist ein jeglicher, wenn 
er die öffentlichen stunden in diesen schulen besuchen will, die 


344 Monumenta Germanine paedagogica I 


privatstunden des morgens von 9—10 und des nachmittages von 
3—4 mitzuhalten verbunden. Da es auch beßer ist, daß man 
etwas überflüßiges lerne, als daß man in der schule müßig sitze 
oder gar daraus weggehe, so stehet niemanden frey, es sey auch 
unter was für einem vorwande es immer wolle, sich den griechi- ; 
schen lectionen zu entziehen. Der mittwochs- und sonnabends- 
nachmittag sind hier völlig frey. In der realschule aber werden 
alle stunden als privatstunden angesehen, und kan ein jeder, nach 
dem er sich zu diesem oder jenem berufe geschickt zu machen 
gesonnen ist, nach belieben und vorgängiger bezahlung diejenigen u 
stunden darin besuchen, welche er seinem entzwecke gemäß zu 
seyn befindet, daher sie auch auf eine solche zeit verlegt sind, 
da in den übrigen großen schulen wenigstens nicht mehr öffent- 
lich gelehret wird. 


2 15 
Alle öffentliche und privatstunden in den größeren schulen 
sollen mit dem glockenschlage anfangen und aufhören; nur in 
der realschule sollen die vorlesungen etwas nach dem glocken- 
schlage anfangen, damit die schüler aus den übrigen großen 
schulen die nötige zeit gewinnen mögen, um sich in diese schule » 
begeben zu können. 


3 
Denen sämtlichen lehrern bey den großen schulen bleibet 
unverwehret ihre schüler in den übrigen stunden des tages in 
solchen sprachen und wißenschaften, welche sonst in den schulen, zs 
bey welchen sie stehen, gelehret werden, privatissime und gegen 
besondere bezalung zu unterweisen, und zu dem ende ihren 
schülern entweder selbst einige lectiones anzubieten oder zu erwar- 
ten, daß sie von ihnen darinn angesprochen werden. Und damit 
in den lateinischen schulen aller streit und unordnung hierüber » 
vermieden werde, so sollen sie von solchen privatstunden und 
den darin vorzutragenden lectionen sich 4 wochen vor endigung 
eines jeden halben jahres freundschaftlich bereden, in ansehung 
der stunden und lectionen sich vereinigen und darauf ihren 
schülern bekannt machen, was sie für privatstunden halten wolten. » 
Im falle aber daß die collegen sich darüber nicht vereinigen 
könnten, so sollen sie es auf den ausspruch und die entscheidung 
des schulsenats ankommen laßen. 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 345 


4 

Die schüler, welche wegen ihrer erkenntniß in diesem oder 
jenem stücke in eine höhere claße versetzet worden sind, als in 
welcher sie wegen ihrer unwißenheit in einem andern stücke 
s sitzen könnten, werden wol thun, wenn sie sich nicht schämen 
werden in den wißenschaften, in welchen sie noch zurück sind, 
entweder allein, wenn sie es bezalen können, oder auch mit 
mehrern ihres gleichen bey einem lehrer einer niedrigern claße, 
welcher sich vorzüglich mit derjenigen lection zu beschäftigen 

ıo hat, darin sie zurücke sind, eine privatstunde zu nehmen. 


Cap. III. 


Von den lectionen und der art 
und weise, wie sie tractiret werden sollen, überhaupt. 


1 
15 Überhaupt ist bey der einrichtung der lectionen darauf 
gesehen worden, daß es so wenig der studirenden jugend als 
denenjenigen, welche eigentlich von den studiis keine profession 
machen wollen, an gelegenheit nicht fehlen möge, an einem orte 
in besondern stunden das lernen zu können, welches sonst in 
a0 derjenigen schule, in welche er eigentlich gehet, nicht gelehret 
wird. So findet z. e. die jugend, welche sich der kaufmannschaft 
. gewidmet hat und ordentlicher weise die schreib- und rechen- 
schule besuchet, in der realschule gelegenheit, in besondern stunden 
im französischen, englischen, italienischen, in der geographie und 
35 historie, in der erkenntniß der natur und kunst und andern 
nützlichen wißenschaften sich zu üben, und derjenige, welcher 
studieren will, kan auch daselbst solche sprachen und wißen- 
schaften lernen, welche gar selten in den gymnasiis pflegen gelehret 
zu werden, wie die tabelle, nach welcher so wol in den besondern 
so als Öffentlichen stunden in allen schulen und allen derselben 
besondern claßen gelehret werden soll, in mehrerem zeiget. 


2 
Der anfang aller öffentlichen lectionen wird auf folgende 
weise gemacht. Die lehrer und schüler versammlen sich morgens 
s kurz vor 7 uhr. So bald die glocke 7 geschlagen, wird ein 
morgenlied angestimmet, welches in den lateinischen schulen, so 
weit es sich thun läßet, in allen claßen mit gesungen wird. Nach 


346 Monumenta germaniae paedagogica I 


endigung deßelben wird ein gebet gesprochen, welches in den 
schreib- und in den untersten claßen der lateinischen schulen 
deutsch, in den beyden obersten claßen aber lateinisch ist. Ferner 
wird ein capitel aus der bibel gelesen, jedoch so, daß diejenigen 
bücher und capitel des A. T., welche entweder zu schwer sind; 
oder auch nur namen und zahlen in sich faßen, überschlagen 
werden. Endlich wird dies gelesene capitel nach dem begriffe 
der schüler, welche man vor sich hat, mit wenigen worten zur 
erbauung angewendet. Des nachmittages versammlen sich lehrende 
und lernende um 1 uhr. Eine viertelstunde hernach singet man ıo 
abermals ein lied, man betet und schreitet hierauf zu den ordent- 
lichen lectionen. In den beyden obersten claßen der gymnasiorum 
geschiehet beydes, so wol das singen als das beten, nach mittage 
ın lateinischer sprache. 
3 15 

Der beschluß der öffentlichen lectionen vor- und nach- 
mittages geschiehet mit einem kurtzen gebete und ein paar 
versen aus einem gesange. Die besondern lectionen aber werden 
mit einem besondern kurzen gebete geschloßen. 


4 Zu 

Damit ein jeder lehrer wißen möge, wie er die in der 
lectionstabelle verzeichnete lectiones tractiren solle, so dienen zu- 
vorderst dazu folgende allgemeine regeln. 

1) soll die fragende und zugleich zergliedernde lehrart, 
methodus socratica et analytica, gebraucht werden, und wird den » 
lehrern alles zeitverderbende dictiren in die feder alles ernstes 
untersaget. Definitiones oder kurze anmerckungen hat die jugend 
billig aufzuschreiben, damit sie solche in der schule desto rich- 
tiger faßen und nachher zu hause dem gedächtniß desto beßer 
einverleiben können. 30 

2) muß in einer jeglichen claße zwischen den fertigern und 
den noch nicht so fertigen ein unterschied gemachet und mit 
jenen das schwere, mit diesen das leichtere vorgenommen werden. 

3) Bey dem vortrage einer wißenschaft soll jederzeit eine 
summarische vorstellung derselben vor der weitläuftigeren ab- ss 
handlung hergehen und, so oft man weiter gehet, dasjenige in 
der ersten stunde kürzlich fragweise wiederholet werden, was in 
der leztvorhergehenden abgehandelt ist. Ist aber mehr ge- 
schehen, ist ein hauptstück aus einer wißenschaft oder auch ein 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 347 


ziemliches pensum aus einem auctore classico zu ende gebracht, 
so soll jenes überhaupt noch einmal wiederholet und dieses cur- 
sorie durchgelesen werden. 

4) Das auswendig lernen, wie auch die verfertigung der 
ausarbeitungen, die exercitia extemporanea ausgenommen, muß 
von den schülern zu hause geschehen. Die verbeßerung der aus- 
arbeitungen aber durch die lehrer geschiehet in gegenwart der 
schüler. Der lehrer nimmt eine der schlechtesten heraus und 
verbeßert mündlich die darin befindlichen fehler. Die übrigen 
ıw schüler aber, welche eben dergleichen fehler in ihren büchern be- 

mercken, verbeßeren dieselben nach geschehener anzeige selbst, 

oder es zeichnet auch der lehrer die fehler zuvor im hause mit 

rötel und gibt den schülern eine anweisung, wie sie solche selbst 

verbeßeren können, und nachdem dies geschehen, so stellt er 
ıs nunmehro allererst vorbesagte öffentliche correctur an. 

5) Damit den bisherigen unendlichen correcturen in der 
rechtschreibung bey zeiten gebührend vorgebeuget und kein lehrer 
in den obersten claßen der gymnasiorum fernerweit damit be- 
schweret werde, so soll in ansehung der deutschen sprache allent- 

20 halben des Gottscheds anweisung, und bey der lateinischen des 
Cellarii orthographia zum grunde geleget und die vorkommende 
fehler darnach sofort von den untersten claßen an verbeßert 
werden. 

6) Nur die editiones der auctorum classicorum, da der bloße 

25 text ohne alle noten abgedruckt ist, sollen in den hiesigen la- 
teinischen schulen geduldet werden; auch ist bereits davor ge- 
sorget, daß dergleichen editiones mit stehenden lettern in der 
hiesigenGroßen Waysenhaus-buchdruckerey gedruckt werdensollen, 
damit die seiten beständig mit einander correspondiren mögen, 

3o indem auf solche weise der lehrer sogleich wahrnehmen kan, ob 
alle kinder die rechte lection haben, einem schüler aber desto 
leichter sey dieselbe zu finden und memoriam localem in seinem 
auctore zu bekommen. 

7) Kein schüler, es wäre denn daß er sich, so lange er in 

3; der schule gewesen, sich sehr wol verhalten hätte und nunmehro 
valediciren wollte, soll die erlaubniß haben eine rede auf dem 
untersten catheder zu halten, sondern alle reden sollen auf einem 
freyen, aber dabey etwas erhabenen stande gehalten werden, 
damit man den redner völlig in augen haben und auf seine 

«0 ganze stellung acht geben könne. 


ar 


348 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Cap. IV. 


Von der methode, nach welcher die vorgeschriebenen 
lectionen tractiret werden sollen, insbesondere. 
I. In den schreib- und rechenschulen. 
1 5 

In den schreib- und rechenschulen soll künftighin die unter- 
weisung der kinder beyderley geschlechts im christenthume von 
einem candidato ministerii geschehen. Und zwar informiret er 
gegen den ihm gnädigst ausgesezten gehalt und unter der gnü- 
digsten versicherung, welche den übrigen candidatis, welche bey ı 
der schule arbeiten, gegeben ist, täglich, mittwochen und sonn- 
abend ausgenommen, 4 stunden. In der Altstädter schreibschule 
unterweiset er am montage und donnerstage von 7—9, und am 
dienstage und freytage des nachmittages von 1—3. In der 
schreibschule im Hagen aber montages und donnerstages von ıs 
1—3 nachmittages und des dienstages und freytages morgens 
von 7—9. Die erste stunde bleibet dabey beständig dem unter- 
richte der knaben und die zwote dem unterrichte der mägdlein 
gewidmet. Der unterricht selbst aber geschiehet nach anleitung 
des eingeführten catechismi, und zwar dergestalt, daß er den » 
kindern die verbindung eines glaubensarticuls mit den andern 
zeige, von den vorkommenden lehrsätzen richtige begriffe bey- 
bringe, die wahrheiten mit hauptsprüchen aus der bibel beweise, 
sie auf den nervum probandi führe und alles zur erbauung an- 
wende. Er ist auch verbunden seine unterweisung also einzu- s 
richten, daß er mit der erklärung des catechismi und den ver- 
schiedenen wiederholungen deßelben jedesmahl auf Ostern fertig 
sey und der künftigen catechumenorum wegen gleich nach Qua- 
simodogeniti wieder von vorne anfangen könne. Die letzte stunde 
in einer jeden woche wird von ihnen in beyden claßen dazu 
angewand, daß den kindern die biblische geschichte nach anlei- 
tung des hieselbst im Großen Waysenhause gedruckten lehr-büch- 
leins bekannt gemacht und erkläret werde. Mittlerweile daß der 
candidatus in der einen claße informiret, nimmt der schreibmeister 
die andere claße vor und übet dieselbe wechselsweise im lesen ss 
und buchstabiren, in der orthographie, in der lesung mancherley 
hände und im briefschreiben. 

2 

Die übung im lesen geschiehet vermittelst herlesung eines 

oder des anderen capitels aus der bibele Der kinder mögen so « 











a 


25 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 349 


viel seyn als da wollen, so muß ein jedes das capitel, das ge- 
lesen werden soll, vorher aufschlagen, und alsdann lieset eines 
oder auch ihrer mehrere einen oder zween verse laut her; die 
andern aber sehen in ihrem buche nach und lesen leise mit. Der 
lehrer hat acht, daß alle kinder die augen auf das buch gerichtet 
haben, und fordert bald dieses, bald jenes auf weiterzulesen, da- 
mit er die unachtsamen entdecken und bestrafen möge. Auch 
hat er dahin zu sehen, daß das lesen deutlich und vernehmlich 
sey und nach den vorkommenden unterscheidungszeichen geschehe. 
Er giebet nicht zu, daß die kinder die weichen buchstaben hart 
und die harten weich aussprechen, oder buchstaben oder sylben 
verschlucken, oder die wörter über die gebühr zerren und aus- 
dehnen. Zuweilen lieset er selbst mit erhabener stimme den 
kindern ein stück vor, damit diese an seinem beyspiele lernen 
mögen, wie sie lesen müßen. Kommen in dem gelesenen capitel 
schwere wörter vor, so läßet er solche buchstabieren. In er- 
mangelung derselben schreibet er andere vielsylbige wörter an 
die tafel und verfähret damit gleich also. Bey dieser gelegenheit 
machet er auch den kindern die regeln der orthographie sammt 
den gründen derselben bekannt und erläutert beydes durch die 
an die tafel geschriebene falschen und richtigen exempel. Leget 
er ihnen allerley handschriften vor, damit sie auch andere hände 
lesen lernen, so muß er sich hüten, daß er ihnen keine vorlege, 
worin unanständige, abgeschmackte und ärgerliche dinge enthalten: 
sind. Bey der anweisung zum briefschreiben beobachtet er die 
gehörigen stuffen. Zuvörderst giebt er den anfängern die nöthige 
anweisung, was bey der verfertigung eines briefes so wol seinem 
wesen als den äußeren umständen nach zu beobachten ist, und 
dictiret ihnen briefe, an welchen er ihnen alles, was dahin ge- 
höret, zeiget. Die geübtern müßen nach der von ihm gegebenen 
disposition einen brief ausarbeiten, und die fertigste schreiben 


- dergleichen ohne gegebene disposition. Zulezt aber dictiret der 


35 


lehrer beyderley gattungen seine ausarbeitung und zeiget seinen 
schülern mündlich, wo sie in ihren ausarbeitungen so wol in an- 
sehung der structur des briefes als auch der rechtschreibung ver- 
fehlet haben. 
3 
Das schreiben soll nach 3 abtheilungen geschehen. Die 
schüler der untersten claßen schreiben grundstriche und buch- 


ı staben. Die schüler der mittlern claße schreiben einzelne sylben 





350 Monumenta Germaniae paedagogica I 


und ganze wörter. Die schüler der obersten claße aber schreiben 
theils nach vorschriften, um schön, theils aus dem gedächtniße, 
um richtig schreiben zu lernen. Den anfängern werden in einem 
octavbuche, damit die zeilen nicht gar zu lang werden, mit rother 
dinte, nicht mit bleyweiß, als welches bey dunckelm wetter sich > 
nicht gut sehen läßet, die grundstriche vorgeschrieben, und diese 
müßen sie mit schwarzer dinte nachmalen, damit sie die eigentlichen 
striche lernen und sich keiner falschen züge annehmen mögen. Haben 
sie die grundzüge schreiben gelernet, so gehet man zu den leichte- 
sten buchstaben fort, so wie einer aus dem andern fließet, als: ı 


. u SE 
=) ”) y -. — ZZ DEFÄ: 2C. 


und auch diese werden anfänglich mit rother dinte vorgeschrieben, 
darüber denn das kind herschreibt und die buchstaben nach- 
malet. Hat das kind eine zeit lang nachgemalet, so schreibt 
man nicht mehr die vollen reihen mit rother dinte aus, sondern ı> 
läßet etwas raum, damit das kind mit freyer hand selbst das- 
jenige schreiben möge, was es bisher nur nachgemalet hat. Auf 
diese weise verfähret man mit der zwoten claße. Daß diese vor- 
schriften außer den schulstunden gemacht werden müßen, ver- 
steht sich von selbst. Eben deswegen aber muß auch der lehrer »v 
niemals versäumen, mit einer feder von holtz oder messing, worin 
ein zugespitztes stückchen kreide steckt, den kindern die züge 
an der tafel vorzumachen, damit sie wißen können, wo sie die 
züge oder buchstaben anfangen und wie sie die wörter und syl- 
ben zusammenfügen müßen. Die vorschrifften, so den schülern » 
dritter claße gegeben werden, können aus biblischen, den kindern 
unbekannten kernsprüchen, kurzen briefen, obligationen, quitungen, 
lateinisch und deutsch, samt einem lateinischen und deutschen 
ABC, auch den zahlen von O0 bis 9 bestehen. Sie müßen aber 
nothwendigerweise von 3 zu 3 wochen umgetauscht werden; denn 3 
wenn die kinder erst die vorschriften auswendig wißen, so 
schreiben sie aus dem gedächtniße und bekümmern sich nicht 
mehr um die züge derer buchstaben. Das umtauschen aber kan 
geschehen, daß man den kindern entweder nach 3 wochen neue 
vorschriften gibt oder auch diejenigen, welche sie bisher gebraucht » 
haben, mit denen verwechselt, so den andern kindern gegeben 
sind. Doch müßen alle vorschriften, wenn sie gar zu schmutzig 
sind, zerrißen oder weggethan werden. Währender zeit daß die 
kinder schreiben, beschäftigt sich der lehrer samt seinen schreibern 











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Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 351 





damit, daß sie genau acht haben, daß die kinder nicht so wol viel 
als gut schreiben, in der rechten stellung sitzen, das schreibbuch 
auch fein gerade vor sich legen, das gesicht nicht zu tief auf 
das papier neigen, die feder recht halten, sie nicht zu starck 
drücken, auch daran kauen, die buchstaben recht anfangen, 
die sylben und wörter gebührend zusammen fügen, die reihen 
fein gerade und in gehöriger und gleicher weite von einander 
schreiben und das papier, die hände und kleider nicht beflecken. 
Auf dem leer gelaßenen rande aber schreibt er ihnen die buch- 
staben und wörter aufs neue vor, wobey die schüler am meisten 
gefehlet haben, damit sie solche nachschreiben. Endlich zeichnet 
er das datum darunter, damit bey der visitation nachgesehen 
werden könne, was und wie viel in einem monate geschrieben 
sey. Das schreiben mit abbreviaturen aber erläutert er keinem als 


‚demjenigen, welcher im schreiben schon eine schöne und gesezte 


hand hat. 
4 

Das rechnen geschiehet gleichfalls nach 3 claßen. Die erste 
claße lernet numeriren und die 4 species, und die zwote claße 
die regel de tri; die dritte claße aber beschäftiget sich mit den 
übrigen arten der arithmetic. Alle diese claßen haben wieder 
ihre nebenabtheilungen nach den verschiedenen profectibus derer, 
so sich in derselben befinden. So lernet z. e. die erste claße 
überhaupt die 4 species, aber es finden sich in derselben wieder 


»; 4 besondere ordnungen, nemlich derer, die addiren, subtrahiren, 


multipliciren und dividiren. Das buchhalten wird in besondern 
stunden gelehret. Zum grunde des unterrichts im rechnen soll 
David Arnold Crusii anweisung zum rechnen geleget werden. 
Der lehrer fängt zwar bey dem unterrichte allemal von exempeln 
und nicht von lehrsätzen an, damit es die kinder desto leichter 
faßen; indeßen vergißet er aber auch nicht ihnen nach dem 
maße ihrer fähigkeit ein richtiges erkenntniß und den grund von 
einer jeden rechnungsart und den dahin gehörigen regeln bey- 
zubringen, damit sie diese nützliche wißenschaft mit verstande 


s begreifen lernen. Hierin liegt auch die ursache, warum er sich 


bemühen muß der jugend einen deutlichen begriff von den ver- 
schiedenen arten des gewichts, der maße und der münze zu 
machen. Zur unterweisung aber für eine jedwede claße macht 
er aus dem compendio eines oder das andere exempel an der 
tafel vor und zeigt dabey, warum man es so und nicht anders 


352 Monumente Germaniae paedagogica I 


machen müße. Die schüler aber müßen nach der gegebenen an- 
weisung die folgenden exempel ausrechnen. Und da die schüler 
in einer jeden abtheilung alle einerley exempel rechnen, so wird 
es dem lehrer gar leicht werden nachzusehen, ob sie richtig ge- 
rechnet oder nicht, und die vorkommende fehler zu verbeßern. s 
Nur muß er auch, so viel möglich ist, verhüten, daß kein kind 
von dem andern das exempel abschreibe. In einer jeden rech- 
nungsart übet er die rechenschüler so lange, bis sie durch öfteres 
wiederholen solche recht inne haben. Er höret die fragen und 
einwürfe der kinder mit gedult an und beantwortet sie mit aller ıo 
 sanftmuth und freundlichkeit. Doch läßet er niemals mehr .als 
ein kind allein reden. Die größeren werden bey denen mit ihnen 
vorzunehmenden schweren rechnungsarten schon mehr zum nach- 
dencken gewehnet und ad praxin geführet. Die rechenschüler 
aber müßen vor allen dingen das ein mal eins vor und rück- ıs 
wärts, in und außer der ordnung, ehe sie zum rechnen schreiten, 
fertig lernen. Sie müßen bey der unterweisung des lehrers auf- 
mercksam seyn und die ihnen aufgegebenen exempel aufs sorg- 
fältigste ausrechnen. Sie müßen endlich ein buch in quarto 
haben und die ausgerechneten und richtig befundenen exempel » 
ordentlich und reinlich dahin einschreiben, damit sie sich daraus, 
so oft nötig ist, raths erholen können. 


II. In der realschule. 


5 
In der so genannten realschule soll das französische, eng- = 
lische und italienische in zwo verschiedenen claßen, als einer 
für die anfänger und einer für die geübtern, auf eben diese 
weise, wie es nachher von der lateinischen und griechischen 
sprache vorgeschrieben stehet, gelernet werden. 


6 30 
In derjenigen stunde, welche dem erkenntniß der natur und 
kunst gewidmet ist, wird die jugend gleichsam auf dem großen 
schauplatze der welt herum geführet, und damit solches um 
desto leichter geschehen möge, so ist der anfang mit anlegung 

eines naturaliencabinets und kunstcabinets gemacht worden, aus s 
welchen die sachen, welche demonstriret werden sollen, entweder 
durch kupferstiche oder im gemälde oder im modelle von wachs, 
holtz oder steine, oder selbst in natura vor augen geleget werden 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 353 


sollen. Auch sind die handwercker und künstler gnädigst befeli- 
get die verfertigten meisterstücke vorzuzeigen und die von dem 
lehrer dieser claße ihnen vorgelegte fragen mit bescheidenheit 
zu beantworten, damit auf solche weise die jugend nicht nur 
ssehe, sondern auch höre und lerne. In der unterweisung aber 
fängt der lehrer billig von der bekanntmachung der natürlichen 
dinge an. Er hat hier nicht mehr mit ganz kleinen kindern 
zu thun, sondern eine reifende jugend vor sich. Er bemühet 
sich also derselben einen begriff von dem ganzen weltsystem 
ıo beyzubringen. Er betrachtet mit seinen schülern den himmel, 
die sterne, die luft und die meteora, soweit es hieher gehöret. 
Er betrachtet mit ihnen die erde und die auf derselben befind- 
lichen 3 reiche, als das regnum minerale, vegetabile und animale. 
Er vergißet nicht das waßer und das feuer und streuet bey der 
ıs demonstration dieser dinge zum nutzen der künftigen beamten, 
kaufleute und handwercker allerley practische anmerckungen ein. 
Insonderheit aber zeigt er an einem scelette und den theilen 
von geschlachteten thieren die structur des menschlichen cörpers. 
Haben die kinder die natur kennen gelernet, so führet der lehrer 
» sie auf den schauplatz der kunst. Er leget hier denselben allerley 
materialien vor, deren sich die künstler und handwercker zu be- 
dienen pflegen. Er redet dabey von den eigenschaften, von der 
güte und dem preise dieser materialien und lehret, woher sie 
kommen, für was für handwercker sie gebrauchen und was daraus 
3; verfertiget werde. Er machet ihnen weiter die werckzeuge und 
instrumente der handwercker und künstler sammt ihrem gebrauche 
und nutzen bekannt. Er demonstriret endlich die vorhandenen 
modelle von gebäuden, werkstädten, maschinen und andern 
wercken der kunst, z. e. ein haus, ein schiff, eine vestung, eine 
0 saltzkothen und ein bergwerck, ein chimisch laboratorium, eine 
glashütte, eine buchdruckerey, einen weberstuhl, eine drechsel- 
banck, eine mühle, eine waßerkunst, eine uhr, ein compaß, die 
verschiedenen arten des papiers und der wettergläser, eine 
cameram obscuram, eine laternam magicam u. s. w., und 
» auch hier richtet er alles practisch und zum gebrauche auf die 
künftigen jahre ein. Zulezt führet der lehrer seine unter- 
gebene in dieser stunde auch noch zum erkenntniß mancherley 
dinge an, die im bürgerlichen leben vorkommen, und unter- 
richtet sie von contraeten, vormundschaften, proceßen. und so 
su weiter, 


. & 
Schulordunugen der Stat Braunschweig 23 


364 Monumenta Germanise paedagogica 1 


7 

Die geographie und historie wird nur in der realschule um 
derenwillen gelehret, die nicht studiren wollen, damit auch sie 
gelegenheit haben mögen, diese im gemeinen leben so nöthige 
und nützliche wißenschaften zu erlernen. Was die lehrart, nach » 
welcher sie allhier gelehret werden sollen, betrifft, so hat man 
sich nach der vorschrifft, welche unten vorkommt, zu richten, 
nur daß man nicht vergeße, daß man mit kindern zu thun habe, 
die kein latein verstehen. Auch wirds kein undienliches mittel 
seyn, wenn man von zeit zu zeit eine stunde der lesung der » 
zeitungen widmet, um zu erfahren, wie weit es die schüler in 
diesen beyden wißenschaften gebracht haben. 


8 

Zur mathematic sollen wöchentlich 4 stunden, und zwar 
dergestalt angewandt werden, daß, nachdem in 3 stunden die ıs 
theorie vorgetragen ist, in der 4ten stunde, vornemlich im sommer, 
die praxis folge. Aus den dahin gehörigen wißenschaften wird 
nach einer kurzen wiederholung der arithmetie vornemlich die 
geometrie und trigonometrie nach anweisung des auszugs aus 
den anfangsgründen des freyherrn von Wolffs gelehret. Der » 
lehrer reißet die figuren an der tafel vor und erkläret und de- 
monstriret dieselben. Die scholaren folgen ihm und reißen sie 
nicht nur in ihren büchern nach, sondern verfertigen sie auch, 
wo es geschehen kan, von pappen. Mit den fertigern wird zu- 
weilen die probe gemacht, ob sie die fähigkeit haben ein pro- » 
blema aufzulösen, zu erklären und zu demonstriren, und nimt 
daher der lehrer die gestalt eines schülers an, der sich belehren 
laßen will, der schüler aber die eines lehrers, der an der tafel 
die figuren aufreißet. Überhaupt siehet er dahin, daß seine 
schüler nicht bloße nachsprecher und nachahmer seiner worte und x 
handlungen seyn, sondern daß ihr verstand im nachdencken und 
urtheilen geübet werde und sie zum gründlichen erkenntniße der 
sachen kommen mögen. So bald sich einige finden, welche in 
den mathematischen wißenschaften weiter zu kommen und zu 
der mathesi applicata fortzuschreiten verlangen tragen, so soll s 
ihnen entweder eine von benannten 4 stunden gewidmet oder 
auch außer derselben noch eine andere besonders ausgesezzet 
werden. 





D 


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1 


20 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 89 355 


9 

Die öconomische stunde ist vorzüglich vor diejenigen be- 
stimmt, welche künfftig einmal beamte oder verwalter zu werden 
gedencken. Sie erhalten darin wöchentlich 2 mal, als mittwochs 
und sonnsbends, nach einem vorläufigen theoretischen unterrichte 
von der öconomie überhaupt eine anweisung, wie ein catastrum, 
ein geld-, vieh-, korn-, küchen- und dienst-register einzurichten 
sey, wie der ackerbau bestellet, wie das feld gepflüget, mit gail und 
gaare versehen und besäet werden müße, wie viel das gehörig 
besorgte feld ordentlicherweise zu tragen pflege, was für eine 
bewandniß es mit dem zehnten habe, wie die früchte am vor- 
theilhaftesten einzuscheuren und zu verkaufen, wie man mit 
lein und flachs umgehen müße, was für vortheile bey der vieh-, 
und sonderlich bey der schaafzucht und dem honig- und seidenbau 


» zu beobachten, was wegen der fischereyen, jagden, holtzungen und 


des wiesenwachses zu mercken, wie ein baum-, hopfen- und küchen- 
garten anzulegen, zu bestellen und zu nützen sey, wie das brauen 
und backen geschehen müße, wie die öconomische und andere 
gebäude bequemlich anzulegen, was die dazu erforderliche mate- 
rialien gewöhnlich zu kosten pflegen, was an deputatis und lohn 
auszugeben, überhaupt was bey einer jeden sache für unkosten 
anzuwenden und für vortheile zu gewarten stehen, und was sonst 
noch hieher gehöret. Es werden dabey den schülern im kleinen 
die dahin gehörigen werckzeuge, als der pflug, die egge, waltze 


‚u. 8. f., wie auch andere verschiedene modelle, welche den vor- 


trag erläutern können, vorgeleget, und so viel es die zeit und 
gelegenheit leiden wollen, unter der aufsicht des lehrers von den 
schülern dasjenige bey einem guten öconomo in augenschein ge- 
nommen, was mündlich und bildlich vorgestellet ist. 


10 

Die mechanische stunde ist denenjenigen gewidmet, welche 
künftig einmal handwercker oder künstler werden wollen. Es 
sollen ihnen darin die mathematischen, mechanischen principia 
beygebracht werden, in so ferne solche zur beforderung ihrer 
habenden absicht dienlich seyn können. Zuerst übt sie der lehrer 
im gebrauch des zirckels und lineals, des maßstabes, des trans- 
porteurs und insonderheit des proportional-zirckuls; er suchet. 
lauter aufgaben aus, die den handwerckern und künstlern nützlich 
sind. er fängt von den leichtern an und fähret zu den schwereren 


356 Monuments Germaniae paedagogica I 


fort, er erkläret die kunstwörter, welche dabey vorkommen, auf 
die faßlichste weise und läßt sichs nicht irren, daß sie größesten- 
theils aus einer fremden sprache entlehnet sind. Er gibt nach 
der faßlichkeit der lernenden von einer jeden sache den grund 
und die ursache an, warum sie so und nicht anders ist, und ge- > 
wöhnet sie nach und nach, daß sie selbst etwas ausmeßen und 
riße davon machen. Er unterweiset sie aber auch auf die jezt 
beschriebene art und weise weiter in den hauptstücken der be- 
wegungskunst. Er zeiget ihnen die structur der bisher erfunde- 
nen maschinen uud die handgriffe, wie sie solche geschickt ge- ıu 
brauchen und sich dadurch die last und arbeit auf das künftige 
erleichtern können. Der lehrer fängt auch hier von der praxi 
an und bringt ihnen so viel als möglich die theorie bey. Findet 
er bey den schülern solche, welche vor andern kunst und fähig- 
keit beweisen, so führet er sie in beyden stunden immer weiter ıs 
und ermangelt nicht auf seiner seite alles beyzutragen, wodurch 
ihre lust zu den mechanischen künsten unterhalten und ihre 
erkenntniß in denselben erweitert werden kan. 


11 

Der unterricht in zeichnen erstrecket sich nur so weit als » 
solches einem studirenden, einem künstler, einem handwercker, 
oder auch einem jeden andern im gemeinen leben dienlich seyn 
kan. Es sind mittwochs und sonnabends 4 stunden dazu ausge- 
setzet. An einem jeden von diesen tagen wird die erste stunde 
mit den anfängern, und die zwote mit den schon geübtern zu- »s 
gebracht. Die anweisung geschiehet nach Preislers methode. 
Man macht den anfang mit den leichtesten figuren und läßet. 
dieselben mit rötel oder einer bleyfeder nachzeichnen. Von den 
geometrischen linien und figuren schreitet man fort zu denen, 
welche die natur und kunst darlegen, und in allen diesen stücken » 
wiederum von den leichtern zu den schwereren. Man siehet 
dahin, daß der schüler sich insonderheit in der zeichnung der- 
jenigen dinge übe, welche er bey der aufs künftige erwehlten 
berufsart aufs meiste zu zeichnen hat, und setzet daher alle scho- 
Jaren zusammen, welche einerley figuren zeichnen. Haben sie ss 
eine ziemliche fertigkeit erlangt, das ihnen vorgelegte muster 
nachzureißen oder gar eine figur ohne modell nach dem leben zu 
zeichnen, so werden sie nach vorgängigem unterrichte vom lichte 
und schatten im tuschen und grau in grau zu malen angeführet. 











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10 


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25 


30 


35 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 357 


Sie lernen hierauf die grundsätze der perspective und fangen an 
verschiedene figuren zusammen zu setzen. Sie zeichnen sinnbilder, 
landschaften und historien und lernen sie mit gehörigen farben 
ausmalen. Am ende eines jeden halben jahres wird das zulezt ge- 
zeichnete stück aufbehalten, um zu sehen, wie fleißig ein jeder 
scholarıgewesen und wie ferne er in dieser zeit zugenommen habe. 
Ist es nötig, so wird dem maitre, der hier informiret, ein lehrer 
von der trivialschule zugegeben, damit unter deßen aufsicht alles 
mit desto beßerer ruhe und ordnung verrichtet werde. 


12 

Gleichwie die vocalmusic wöchentlich einige stunden in 
beyden gymnasiis tractiret wird, also sind auch hier zur in- 
strumentalmusic einige stunden, als des mittwoches und sonn- 
abends nachmittages, ausgesetzet. Damit die anfänger nicht 
nötig haben die an diesen tagen vestgesezten und ihnen vielleicht 
auch nützlichen privatstunden in den schreib- und rechenschulen 
zu versäumen, so bleibet ihnen die letztere, und den geübtern 
die erste stunde gewidmet. Das instrument, das erwehlet worden 
ist, ist die fleute traversiere, weil nicht leicht ein anderes instru- 
ment sich findet, welches so angenehm als dieses ist, und auf 
welchem doch zugleich eine ziemliche anzahl unterrichtet werden 
kan. Mit der aufsicht in dieser stunde wird es so gehalten wie 
mit dem zeichnen. 

13 

Der conduiten-maitre verbeßert die äußerlichen sitten. Er 
lehret die gehörige stellung des leibes und ein geschicktes com- 
pliment zu machen, und siehet auf alles, was sonst noch zu einer 
guten aufführung im umgange mit andern gehöret. Er hütet 
sich seine untergebene eitel, unverschämt und scherzhaft zu 
machen; er leitet vielmehr die gründe seiner erinnerungen und 
seiner zucht bald aus den grundsätzen der religion, z. e. von der 
nothwendigen menschenliebe, von der ehrerbietung, womit man 
einander zuvorkommen muß, von der christanständigen demuth 
u.8.f., bald aus den regeln der gesundheit, z.e. wie ein krum 
gebeugter rücken der grund von vielen kranckheiten sey u.s. w., 
bald aus andern vortheilen her, welche mit einer guten auffüh- 
rung insgemein verbunden zu seyn pflegen. Insonderheit suchet 
er die gemüthsart seiner untergebenen zu entdecken, nicht nur 
daraus die fehler in ihrem betragen gegen andere desto beßer 


358 Monumenta Gerinaniac paedagogica I 











beurtheilen, sondern auch diese gemüthsart, wann sie böse 
ist, durch vernünftige vorstellungen von dem schaden, der ge- 
fahr, welche ihnen, wenn sie solche nicht ablegten, dahero ein- 
mal erwachsen dürften, verbeßern zu können. 


III. In quinta und der untersten claße 
der trivialschule. 


1 

Der lehrer in dieser claße stellet die unterweisung im 
christenthum, die übung im lesen und den unterricht in der 
rechtschreibung auf eben diejenige weise an, wie es bey den 
schreib- und rechenschulen vorgeschrieben ist, nur daß er bey 
der fortgesezten übung ım lesen, womit allemal bey der vor- 
und nachmittägigen unterweisung die erste halbe stunde zuge- 
bracht wird, einen tag um den andern mit der deutschen bibel 


10 


und des Hübners historiis sacris abwechselt, und daß außer der ıs 


deutschen orthographie auch die lateinische tractiret wird. 


2. 
Die paradigmata declinationum et coniugationum werden 
von den kindern keinesweges auswendig gelernet, sondern durch 


die fleißige übung bekannt gemacht. Man macht in ansehung der » 


declinationum den anfang damit, sie von den kunstwörtern, was 
declinatio, was singularis und was pluralis sey, was nominativus, 
genitivus, dativus ıc. zu bedeuten habe, wie das masculinum, foe- 
mininum, neutrum unterschieden, wie der articul der, die, das 
sich darnach richte, zu belehren. Alsdann führet der lehrer die 
anfänger für die tafel, auf welcher mit großen, zu dem ende be- 
sonders geschnizten und hernach abgedruckten buchstaben die 
endigungen der 5 declinationum verzeichnet stehen. Er hebet von 
der ersten declination an und läßet die kinder zuerst die endun- 
gen nach der reihe hersagen. Er zeiget ihnen, welche casus im 
singulari und plurali einerley endungen haben. Er frägt darauf, 
welche die endung von diesem oder jenem casu sey, oder was 
für ein casus zu diesen oder jenen endungen gehöre. Er gibt 
verschiedene wörter auf, welche nach der ersten declination gehen. 


35 


1) 


Er läßet die tafel unbedeckt, und tirones decliniren das aufge- ss 


gebene wort nach den vor augen habenden endungen. Er be- 
decket die tafel, worauf die endungen stehen, und läßt die fol- 
genden das aufgegebene noch einmal aus dem gedächtniße und 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 359 


nach der reihe hermachen. Die übrigen fahren fort die casus des 
singularis und pluralis neben einander herzusagen, und zulezt 
stellet der lehrer eine prüfung an, in wie ferne sie die casus auch 
außer der ordnung lateinisch und deutsch wißen. Damit er die 
s zeit erspare, so stellet er diese letztere übung mit denen an, 
welche die gehörige fertigkeit im decliniren noch nicht haben, 
und überschlägt alle diejenigen, deren profectus ihm schon genug 
bekannt sind. Er läßet sich keine mühe, keine sorgfalt noch 
geduld verdrießen, um bey der bekanntmachung dieser decli- 
ıv nation einen guten grund auf die erlernung der folgenden decli- 
nstionen zu legen, indem er versichert ist, daß, je fertiger ein 
kind die erste declination gelernet hat, je leichter es auch mit 
den übrigen fort komme. Ist es zeit, daB man zur andern decli- 
nation fortgehet, so führet man die kinder wiederum dergestalt 
ı an wie bey der ersten declination. Man zeiget ihnen, welche 
casus der andern declination sich einander ähnlich sind. Man 
belehret sie von dem unterscheide und der übereinstimmung dieser 
declination und der vorhergehenden und beobachtet im übrigen 
alles so, wie sie vorher bemercket worden. Die unterweisung bey 
»» den 3 übrigen declinstionen ist eben dieselbe Man sagt den 
kindern, daß es hier auf die erkenntniß des genitivi vornemlich 
ankomme. Und damit sie denselben desto beßer ins gedächtniß 
faßen mögen, läßet man solchen in das Cellarii libro memoriali 
fleißig aufschlagen und herlesen. Überhaupt aber gebraucht man 
3 sich der vorschrifft, daß man die abweichungen, welche sich bey 
einer declination finden, im anfange überschlägt und den kindern 
allererst einen begriff davon macht, wenn sie den ordentlichen 
typum fertig wißen, aber auch alsdann sich nicht gar zu lange 
dabey aufhält, sondern wartet, bis sie ihnen mit der zeit durch 
3 fleißiges nachschlagen bekannt werden. Sind Jie paradigmata 
declinationum mit gehörigem ernste getrieben, so wird es einem 
lehrer nicht mehr schwer werden die adiectiva und pronomina 
seinen untergebenen bekannt zu machen, zumal wenn er auch 
hie die erwehnte methode beybehält. Wie aber nun mit dem 
3 conjugiren zu verfahren sey, das wird ein vernünftiger lehrer 
aus dem, was bisher wegen der declinationum vorgekommen ist, 
ohne mühe von selbst ermeßen. Man erklähret nemlich, ehe 
man zu einer conjugation selbst schreitet, die überhaupt bey den 
conjugationen vorkommende wörter, man sagt ihnen, was ein 
‚„verbum, was ein activum und passivum, was persona, tempora, 


360 Monumenta Germanise paedagogica I 





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modi et genera verborum sind; man machet, wenn sie solches 
gefaßet haben, den anfang mit dem verbo sum und gehet alsdann 
zu den coniugationibus regularibus fort. Man übet hiernächst dazu 
die jugend in der coniugatione periphrastica und schließet mit 
den verbis anomalis, defecetivis und impersonalibus. Man gibt den 
kindern auch hiebey nichts auswendig zu lernen, sondern unter- 
weiset sie nach dem mit großen, dazu besonders gedruckten buch- 
staben und verschiedenen farben abgedruckten und auf einer 
tafel festgeleimten typo.. Man übet nach demselben die kinder 
auf eben die weise, wie bey den declinationibus geschehen ist, 
durch eine menge von aufgegebenen wörtern. Man läßet die 
wörter, welche conjugiret werden sollen, im Cellario aufschlagen, 
damit die kinder das praeteritum und supinum desto beßer lernen. 
Man zeig«et ihnen die formationem temporum. Man nimmt einen 
modum nach dem andern und ein tempus nach dem andern, als 
erstlich den indicativum, dann den coniunctivum, ferner den im- 
perativum und endlich den infinitivum durch alle 4 coniugati- 
ones regulares, und zwar erst im activo und dann im passivo nach 
einander vor. Man gibt allenthalben die criteria an, woran man 


dieses und jenes stück der conjugation erkennen könne und wo- » 


durch sichs von andern unterscheide. Man läßet auch hier die an- 
fänger bey der conjugirung eines aufgegebenen worts die augen 
auf den typum richten, die fertigern solches aus dem gedächtniße, 
und die fertigsten den indicativum und coniunctivum zugleich 


hersagen, oder man frägt auch diese leztern außer der reihe, und ss 


zwar so, daß man bald das lateinische, bald das deutsche frägt 
und die schüler antworten läßet. Auf eben diese weise verfähret 
man bey den verbis anomalis. Man lehret, was sie mit denen ver- 
bis regularibus gemein haben oder nicht, und suchet durch flei- 


Biges aufschlagen insonderheit das letztere den kindern bekannt so 


zu machen. Das buch, welches hiebey gebraucht werden soll, ist 
Langens lateinische grammatic. 


3 
Sobald den kindern die paradigmata nominum et verborum 


D 





bekannt sind, so bald wird auch mit ihnen die lehre de generibus s; 


nominum substantivorum angefangen und nach der am ende der 
Langischen grammatic sich befindlichen tabelle fleißig getrieben. 
Nicht weniger müßen auch von zeit zu zeit die particulae, in- 
sonderheit diejenigen, welche etwas regieren, vorgenommen, und 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 361 


überhaupt nichts vergeßen werden, was zu einer guten grund- 
legung bey erlernung der lateinischen sprachen dienet., 


4 


Nach dem maße, nach welchem das fundament zum erkennt- 

s niß der lateinischen sprache gelegt wird, wird auch sogleich ad pra- 
xin geschritten. Es dienet dazu das tirocinium paradigmati- 
cum Langii. Der lehrer lieset, construiret und exponiret stück- 
weise das bestimte pensum den schülern vor, und diese müßen 
dasjenige, was ihnen vorexponiret ist, wiederholen, zuerst die 
ı fertigern, hernach die kleinern. Alsdann wird das pensum auch 
stückweise resolviret, und zwar dergestalt, daß der lehrer einen 
jeden solche wörter resolviren läßet, wovon ihm die paradigmata 
schon bekannt sind. Er wiederholet hierauf noch einmal die 
bedeutung der vorgenommenen wörter und redensarten und gibt 
ıs zur nachahmung deßen, was vorgekommen ist, einige kleine deutsche 
formeln auf. Er variiret dabey beständig die casus und tempora 
und läßet den einen theil von den vorgeschriebenen formeln zur 
probe in seiner gegenwart sofort ins lateinische übersetzen, die 
übrigen aber von den schülern zu hause ausarbeiten. Er erlaubet 
»» denen, welche durch das öftere wiederholen sich ein oder das 
andere gespräch des Langens bekannt gemacht haben, daß je zween 
und zween gegen einander treten und die erlernten gespräche aus 
dem gedächtniße mit einander anstellen. Er führet die obersten 
in seiner claße zum erkenntniß der sieben hauptregeln, welche 
3 in der Langischen grammatic pag. 130 stehen; er schärfet ihnen 
solche kürzlich ein, ohne sich in ihre völlige ausführung einzu- 
laßen, und erläutert sie mit den leichtesten exempeln. Er ist 
bey diesen exempeln bemühet so viel möglich die aus dem 
Cellarıo erlernten und sonst bereits bekannten wörter anzubringen, 

3 um nicht nur den kindern die arbeit zu erleichtern und angenehm 
zu machen, sondern auch die erlernten vocabuln ihnen desto beßer 
ins gedächtniß zu bringen. Er siehet mit allem fleiß darauf, daß 
seine schüler alle tage etwas ausarbeiten, und läßet sie bald eine 
übersetzung aus dem lateinischen in das deutsche, bald eine imi- 
s tatiunoulam, bald ein exercitium paradigmaticum et syntacticum 
machen. Er richtet sich dabey beständig nach der verschiedenen 
fähigkeit seiner untergebenen und überschreitet bey seinen lec- 
tionen nie die gränzen, welche ihm für seine claße bestimmet sind- 


362 Monumenta Germaniae paedagogica I 


IV. In quarta 
oder der mittelsten claße der trıvialschule. 


1 

Hier werden Starckens tabellen dergestalt tractiret, daß 
erstlich den kindern ein ganz kurzer begriff von der ordnung 
des heils nach den hauptabschnitten dieses buches beygebracht 
wird. Alsdenn wird zweitens eine lehre nach der andern vor- 
genommen und das vornehmste derselben durch beyhülfe des 
catechismi, welcher alhier der catechumenorum wegen wiederholet 
wird, erklähret, ein und der andere hauptbeweiß hinzugefüget 
und durch einige untermengte kurze warnungen und ermahnungen 
den kindern ans herze geleget. Der lehrer gibt den kindern bey 
einer jeden abzuhandelnden wahrheit eine zwar ganz kurtze, 
aber doch richtige erklährung. Er zergliedert dieselbe nach den 
beyden hauptstücken, woraus sie bestehet, und handelt erstlich 
von dem allgemeinen und alsdenn von dem besondern begriffe. 
Er führet den beweiß in ermangelung genugsahmer anderweitigen 
einsichten vornemlich aus den deutlichsten und bündigsten stellen 
heiliger schrift. Er zergliedert dieselben und zeiget den kindern 


den nervum probandi. Er hütet sich die beweisthümer zu häufen : 


und ist zufrieden, wenn die kinder den einen oder den andern etwa 
recht gründlich faßen. Die kinder aber lernen die definitiones und die 
zum beweise angeführten stellen der heiligen schrift auswendig und 
sagen beydes bey der wiederholung der vorgetragenen lehren 
aus dem gedächtniße her; der lehrer aber gestattet nicht, daß 
ein einziges unter ihnen etwas zusetzen oder auch auslaßen dürfe. 
Und wie überhaupt die wiederholung bey aller unterweisung gleich- 
sam die seele ist, also ermüdet er auch hier nicht eine sache oft 
zu wiederholen und den kindern so lange vorzusagen, und zwar 
so lange, bis sie solche recht fertig wißen. Insonderheit stellet 
er die wiederholung an, so oft eine lehre geendiget ist, und ehe 
er zu einem neuen articul fortschreitet, verbindet er damit eine 
generalrepetition aller vorhergehenden articul, damit den kindern 
die verknüpfung der glaubenslehren desto bekannter und geläu- 
figer werde. 
2 

werden die kinder hier allererst in den grundsätzen der 
deutschen sprache unterwiesen. Da sie doch schon in quinta einen 
guten anfang in erlernung der lateinischen sprache gemacht haben, 


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35 


Schnlordnungen der Stadt Braunschweig 39 363 


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so muß man bedencken, daß sie bey der erlernung der lateinischen 
paradigmatum sich auch schon mehrentheils die deutschen para- 
digmata bekannt gemacht haben, daß die deutschen grammaticken 
nach art der lateinischen grammaticken eingerichtet sind und die 
s erklärung dieser bey der erklärung jener sehr große hülfe leiste, 
daß man ursach habe kinder, welche die deutsche sprache be- 
reits reden, noch ehe sie einmal zur lateinischen schule kommen, 
ohne zeitverlust so fort zu einer ihnen ganz unbekannten sprache 
anzuführen, daß die fehler, welche sie in der deutschen sprache 
wim reden und schreiben begehen, auch daselbst schon von dem 
lehrer corrigiret werden, und daß es mithin hier frühzeitig genug 
sey, wann ihnen nunmehro auch die gründe und regeln bekannt 
gemacht werden, wonach sie ihre sprachfehler verbeßern müßen. 
Dasjenige buch, welches hiebey gebrauchet wird, ist Joh. Christoph 
ı» Gottschedens grundlegung einer deutschen sprachkunst, und der 
lehrer vertähret mit diesem buche gerade also, wie bereits von der 
Langischen grammatic gesagt worden ist und noch gesagt wer- 
den soll. 
3 
2U In ansehung der lateinischen sprache werden in dieser claße 
die paradigmata nominum et verborum fleißig wiederholet, des- 
gleichen auch die primitiva des Cellarii. Damit aber die kinder 
eine größere copiam vocabulorum bekommen mögen, so lernen 
sie nunmehro auch die dirivativa. Bey dem aufsagen derselben 
3 wird nicht so viel zeit wie sonst versplittert werden, wenn alle 
kinder zugleich aufstehen und der lehrer bald dieses, bald jenes, 
und auf diese weise das ganze pensum durch die ganze claße 
etliche male durchfräget. Weis der eine ein vocabulum nicht 
und der andere auch nicht, so fräget er weiter fort, bis er einen 
ao trifft, der es weiß. Merket er, daß viele ein wort nicht wißen, 
so läßet er solches respective decliniren oder conjugiren oder 
bringet es in einer phrasi an, welche er oft verändert, damit das 
wort den kindern auf diese weise durch öfteres wiederholen be- 
kannt werde. Aus der grammatic wird die syntaxis ordinaria 
3 in dieser claße angefangen und absolviret. Der lehrer gibt da- 
bey den kindern nichts auswendig zu lernen vor, sondern er- 
kläret eine regel nach der andern und erläutert sie durch ver- 
schiedene exempel, welche er theils aus der grammatic nimmt, 
theils selbst wechselsweise bald deutsch, bald lateinisch hinzu- 
u setzet. Damit er erkennen möge, ob die kinder den verstand 


364 Monumenta Germaniae paedagogica I 


nn 


der regeln recht gefaßet haben, so dictiret er ihnen hierüber ein 

exereitium syntacticum, welches sie zu hause elaboriren und auf 

die bestimte zeit ihm zur correctur übergeben müßen. Die 

auctores, welche in dieser claße tractiret werden sollen, sind die 

kleinen und leichten briefe Ciceronis, der Eutropius und Iustinus. ; 
Der lehrer verfährt wie droben [p.361] von Langens colloguiis 

gesaget worden, und läßet zuweilen die kinder das explicirte pensum 

übersetzen, meistentheils aber gibt er ihnen eine imitation vor, 

womit es wie mit dem exercitio syntactico gehalten wird. 


4 10 
Mit der griechischen sprache wird alhier der anfang gemacht 
und wird dabey Wochners griechische grammatic zum grunde ge- 
leget. Der lehrer bringt den kindern zuvoderst das lesen auf 
diejenige leichte manier bey, welche bey der unterweisung zum 
deutschen und lateinischen lesen in den kleinen schulen einge- ı; 
führet ist. Er gebrauchet sich dabey insonderheit des kunst- 
griffes, die übereinstimmung der griechischen buchstaben mit den 
lateinischen zu zeigen, und wieferne sie unter sich selbst mit 
einander übereinkommen oder auch von einander unterschieden 
sind. Wenn die kinder lesen können, so machet er ihnen die » 
lehre von den accenten, die paradigmata der articulorum, der 
nominum und verborum, die verba anomala ausgenommen, be- 
kannt und führet sie auch dabey allenthalben auf die ähnlichkeit 
hin, welche auch in diesen stücken die griechische sprache mit 
der lateinischen als einer ihnen schon bekanntern sprache hat. ss 
Überhaupt richtet er sich in seiner unterweisung nach derjenigen 
methode, welche in ähnlichen fällen bey dem unterrichte in der 
lateinischen sprache beobachtet wird. Insonderheit bedient er 
sich dreyer tabellen, wovon die erste den typum deolinationum, 
die andere den typum coniugationum und die dritte die genea- » 
logische herleitung der temporum enthalten, und auf welchen alle 
die litterae characteristicae mit einer andern farbe abgedruckt sind. 
Und damit er alles, was gelehret wird, so fort zur übung bringe, 
so bedienet er sich dazu des evangelii Ioannis. Haben die kinder 
diein dem vorzunehmenden penso vorkommenden wörter entweder, 35 
nachdem sie solche von der tafel, worauf sie der lehrer ihnen 
vorgeschrieben, abcopiret oder auch aus dem Knollio auswendig 
gelernet, so verfähret er mit der exposition und resolution deßel- 
ben eben also, als wie es nach dem tirocinio paradigmatico et 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 365 


dialogico des Langens in V" geschiehet. Saget er daneben von 
zeit zu zeit den kindern einen kernspruch vor stückweise, welchen 
sie ihm nachsprechen müßen, so lernen sie auf diese weise nicht 
nur verschiedene hauptsprüche der heiligen schrifft im grund- 
s texte, sondern sie bekommen auch in absicht der aussprache eine 
fertige zunge. Im übrigen laßen die lehrer dieser so wol als 
aller folgenden claßen es niemals aus der acht, daß diese sprache 
nicht darum erlernet werde, daß man sie reden oder schreiben, 
sondern daß man sie nur verstehen wolle, und vermeiden also 
ıo alles, was diesem entzwecke zuwieder ist. 


5 
Bey der unterweisung in der geographie werden ihnen Jacob 
Schatzens erste anfangsgründe der geographie zum grundegeleget;, 
und wird in dieser claße nur dasjenige, daraus abgehandelt, was in 
ıs der vorbereitung und dem capitel vom planiglobio vorkommt. Der 
lehrer ist zufrieden, wenn er nur dasjenige, was im buche stehet, 
ohne die geringsten zusätze dazu zu machen, als wäre denn daß 
es nötig wäre durch erzählungen einer anmuthigen begebenheit 
oder eines merckwürdigen umstands die schüler zu ermuntern, 
» den kindern bekannt macht. Er wiederholet daher dasjenige, was 
bereits abgehandelt ist, zum öftern und gehet nie von einer haupt- 
sache zur andern, ohne daß er vorher eine generalrepetition an- 
gestellet hätte. Bey der vorbereitung kan man sich mit nutzen 
derjenigen charte bedienen, welche Leuter unter dem titelmappa 
3 geographica naturalis herausgegeben, und bey dem planiglobio 
wird man die meisten vorstellungen desto deutlicher machen 
können, wenn man bey der erklärung deßelben eine sphaeram 
armillarem und einen globum terrestrem bey der hand hat. Den 
armen schülern zum besten, welche sich keine landcharten anschaffen 
» können, hängen erwehnte beyde charten an der wand, oder sie 
werden ihnen auch, damit sie sie desto näher haben mögen, auf 
einer stafeley vorgestellet. Bemittelte eltern aber werden wohl- 
thun, wenn sie ihren kindern in zeiten des Homans atlanten von 
20 charten kauffen. 
35 6 
Aus der historie werden den schülern dieser claße nur einige 
algemeine abtheilungen und epochae nach Johann Heinrich 
Zopfens grundlegung der universalhistorie bekannt gemacht und 
damit der erste grund zu dem in den folgenden claßen immer mehr 





366 Monumenta Germaniae paedagogica I 


und mehr zu erweiternden historischen erkenntniß gelegt. Es 
wird zu dieser arbeit nicht so gar viele zeit erfordert; daher kan 
sie je zuweilen mit einer andern abgewechselt und in den stunden, 
in welchen den kindern das sceleton historicum vorgeleget wird, 
auch des Cellarii universalhistorie, so wol um des lateinischen 
stili willen, als auch zu einer guten vorbereitung auf die künftige 
unterweisung in der historie, in das deutsche übersetzet werden. 


V. In tertıa 
und der obersten claße der trıvialschule. 


1 
Der unterricht im christenthume wird hier auf eben die weise, 
wie in IV" fortgesetzet. Nur wird nicht mehr der catechismus 
nebst Starckens tabellen zugleich tractiret, sondern statt deßelben 
alles übrige aus den tabellen mitgenommen, was in IV" zurück- 
gelaßen ist. 
2 
Damit die schüler dieser claße eine gründliche fertigkeit in 
ihrer muttersprache erlangen mögen, so wird alles dasjenige fleißig 
wiederholet, was auf den grundsätzen der deutschen sprache in 


der vorhergehenden claße vorgetragen ist. Der lehrer schreitet : 


hierauf fort zur periodologie und gibt ihnen eine anweisung zu 
erzählungen, complimenten und gesprächen. Er bedienet sich 
dabey auf eine geschickte weise deßen, was in der exposition der 
lateinischen auctorum bereits vorgekommen ist, und zeiget wie 
eine sprache der andern die hand biete und was eine jede für 
sich besonders habe. Er erläutert die gegebene regeln mit exem- 
peln, und wenn er dergleichen seinen schülern vorgemacht, so 
müßen diese ihm nicht weniger dergleichen nachmachen, und er 
verbeßert dabey mündlich die fehlerhafte ordnung ihrer gedancken 
und ihre falschen und wnrichtigen ausdrücke. 


3 

Bey der unterweisung in der lateinischen sprache wird erst- 
lich aus der grammatic syntaxis ordinaria mit allen observationi- 
bus aufs genaueste wiederholet. Man schreitet hierauf zu der 
syntaxi figurata et ornata und zu den anmerckungen von den 
latinismis und germanismis, wie auch zur poetica fort und absol- 
viret also hier die grammatic nach allen ihren theilen. Die 
auctores, welche hier gelesen werden, sind der Cornelius Nepos 


10 


14 
2 


E17) 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 367 


und der Terentius. Die schüler übersetzen sie zuerst von wort 
zu wort und alsdann in reines deutsch. Der lehrer enthält sich 
dabey aller critischen anmerckungen und bringt nur dasjenige 
bey, was zum wortverstande des auctoris gehöret. Zuweilen 
s lieset er ein kurzes pensum seinen zuhörern mit erhabener und 
deutlicher stimme vor und tritt in die stelle der ehemaligen pho- 
nascorum der alten, damit die kinder nicht nur die wörter und 
sylben richtig aussprechen, sondern auch einen ganzen periodum 
nach seiner interpunctation und nach dem darin befindlichen 
ıo affect mit gehöriger modulation lesen und hersagen lernen, und 
dann läßet er eben dies pensum von einigen schülern nach oder 
auch außer der reihe herlesen, damit er sehe, in wie ferne sie 
ihm folgen können. Er zeiget die ursache von seiner lehrart 
an, und in so ferne jemand von seinen untergebenen bey dem 
ıs herlesen des pensi in der ausrede fehlet, corrigiret er ıhn und 
'bemercket abermals dabey die ursache. Ist ein pensum exponiret, 
so resolviret er es synctatice und läßet die regeln der grammatic 
„von allen fleißig aufschlagen und von einem herlesen. Er ziehet 
die besten phrases und redensarten heraus und läßet solche per 
so formulas subitaneas sogleich imitiren. Bey der lesung der fabeln 
des Phaedri oder der comödien des Terentii übet er seine 
schüler in der scansion und appliciret dabey, so weit es angeht, 
die erklährten prosodischen regeln, die abermals fleißig aufge- 
schlagen und hergelesen werden. Er führet daneben seine unter- 
»; gebene an verworfene verse in ordnung zu bringen, indem er 
sie an die tafel schreibt, das genus, darnach sie eingerichtet wer- 
den sollen, daruntersezt und eine anleitung gibt, wie man sich 
die arbeit erleichtern könne. Damit es auch im übrigen nicht 
an genugsahmer übung fehle, so werden auch hier fleißig über- 
3» setzungen aus dem lateinischen ins deutsche, exercitia syntactia 
und imitationes gemacht; bey den beyden letzten stücken aber 
wird, damit die zeit, welche insgemein mit dictiren zugebracht, 
wird, erspart werde, ein buch zum grunde geleget, z. e. Caspari 
tyrocinia syntactica und des Mickelii oder Reinhardi imita- 
s tiones über den Cornelium und Caesarem. 


4. 
In absicht auf die griechische sprache werden hier die 
paradigmata nominum et verborum fleißig wiederholet und dem- 
nächst der anfang mit den verbis anomalis et particulis gemacht. 





368 Monumenta Germanise paedagogica I 


Zur application aber braucht man das evangelium Joannis. Im 
übrigen aber läßet der lehrer auch hier ihm dasjenige gesaget 
seyn, was in dem unmittelbar vorhergehenden abschnitte no. 4 
gesagt ist. 
5 | 5 

In den geographischen stunden werden die beyden ersten 
capitel aus dem Schatzen wiederholet, und hierauf schreitet man 
zur. abhandlung der beyden capitel von Europa und Deutschland. 
Man gehet ein jedes dieser capitel zu verschiedenen malen durch 
und mercket bey einer jeden charte erstlich die hauptabtheilungen ı0 
und dann immer mehrere nebenabtheilungen, bis alles endlich 
hinlänglich ins gedächtniß gebracht wird. 


6 

In der historie werden nicht nur die wichtigsten abschnitte 
und epochae, welche den schülern bereits bekannt sind, wiederholet, ı; 
sondern sie werden auch bei der wiederholung mit verschiedenen 
zusätzen erweitert und mithin das bisherige sceleton historicum 
gleichsam mit adern und nerven versehen. Die lesung und ver- 
deutschung der historiae universalis Cellarii wird auch hier noch 
immer fortgesetzet. 20 


VI. In secunda. 


1 

Damit die jugend in zeiten gewöhnet werden möge sich 
über theologische lehrsätze in der sprache der gelehrten auszu- 
drücken, so sollen des Starcken tabellen, so bisher gebraucht s 
worden sind, in dieser claßemit Johann Lüdeckens tabulissynop- 
ticis in theses theologicas Sigm. Jac. Baumgarten abgewechselt, 
und von nun an in der theologischen stunde lateinisch gefraget 
und geantwortet werden. Die dieta probantia aus dem no. 2 
werden griechisch und deutsch angeführet und überhaupt die » 
schüler alhier mit beybehaltung der methode, welche bey Star- 
ckens tabellen adhibiret worden, so zubereitet, daß er mit nutzen 
und frucht die vorlesungen über die theses des Baumgarten in 
der folgenden claße beywohnen kan. Geziemet es sich auch vor 
einen jeglichen christen, daß er sich um ein gründliches erkennt- 3 
niß seiner religion bewerbe, so wird dies noch ungleich mehr 
von einem studirenden und künftig gelehrten erfordert. Es darf 
also kein schüler unter dem vorwande, daß er kein theologe 


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Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 369 





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werden wolle, die theologischen lehrstunden so wenig hier als in 
der folgenden claße versäumen. 


2 

Die cultur der deutschen sprache wird in dieser claße mit 

s allem ernste getrieben. Man wiederholet dasjenige, was in III!“ 
deshalb vorgekommen ist, man gehet zur epistolographie fort 
und machet den anfang zu ganzen reden. Die bey einer jeden 
sache gegebenen kurzen regeln werden gleich ad praxin ge- 
bracht. Soll ein brief verfertiget werden, so gibt der lehrer das 
ıw thema dazu auf, und die schüler arbeiten es nicht nur aus, son- 
dern mundiren auch zuweilen die ausarbeitung und exhibiren sie 
dem lehrer in torm eines ordentlichen briefes, grade als ob sie 
ihn verschicken wolten, damit der lehrer die fehler, welche etwa 
in der ausarbeitung selbst oder auch bey den übrigen umständen 
ı» begangen werden, desto beßer anzeigen und verbeßern könne. 
Mit den anfängen zu ganzen reden wird es fast gleich also ge- 
halten. Der lehrer gibt den schülern ein thema von einer be- 
kannten materie auf, worüber sie schon etwas gedencken können. 
Dies arbeiten die schüler aus, und der lehrer verbeßert die aus- 
„w arbeitungen. Derjenige, der die beste elaboration gemacht hat, 
erhält die erlaubniß, daß er seine rede öffentlich entweder her- 
lesen oder auch aus dem gedächtniße hersagen dürfe, und hierbey 
hat der lehrer die gelegenheit, die gestus, die aussprache und 
Jen ganzen anstand des angehenden redners zu bilden. Findet 
»; sich ein munterer kopf, der lust zur deutschen dichtkunst hat, 
so wird auch hier der anfang gemacht, ihnen mit einer kurzen 
anweisung und insonderheit mit guten rathe an die hand zu gehen. 


3 

Da (lie lateinische grammatic den schülern nunmehr bekannt 

wist und nur noch dann und wann nachgeschlagen werden darf, 
so kan man bey der lesung der lateinischen auctorum schon größere 
pensa absolviren. Die auctores, welche hier gelesen werden sollen, 
sind der Iulius Caesar, Ciceronis epistolae ad familiares, Cella- 
rii orationes civiles, Ovidii libri tristium et ex Ponto et Virgilii 

3; georgicon. Bey der lesung und exponirung dieser auctorum bin- 
det man sich nicht mehr so genau an die constructions-ordnung, 
sondern men bedienet sich dieses hilfsmittels nur alsdann, wenn 
man nicht so gleich fortkommen kan. Man übersetzet das 
lateinische auch nicht mehr von worte zu worte, sondern so gleich 


Schulordnungen der Stadt Brauuschweig 341 





370 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


in gut deutsch. Bey der resolution hat man vornemlich syntaxin 
figuratam et ornatam sammt den latinismis et germanismis vor 
augen und aus der syntaxi ordinaria läßet man nur diejenigen 
regeln nachschlagen, welche entweder vor andern selten vorkommen 


oder an sich schwer oder auch wiederum in vergeßenheit gerathen | 


sind. Der lehrer bemercket mit kurzen die richtigkeit, ordnung und 
schönheit. der gedancken des auctoris. das erhabene und das vortreff- 
liche seiner ausdrücke und läßet die besten stellen entweder per for- 
mnulas subitaneas imitiren oder auch den inhalt und den nervum der- 
selben in deutscher, und von den fähigern in lateinischer sprache 
sich erzählen. Die fundamenta stili cultioris Heineccii werden 
dergestalt tractiret, (laß zuvorderst die regeln fleißig und deutlich 
vorgetragen und «(demnächst jedesmals mit hinlänglichen exempeln 
erläutert werden. Nicht. weniger werden die scholaren, die zur 
lateinischen poesie lust und geschick haben, zur ausübung lateini- 
scher verse nach den lateinischen generibus angeführet. Der lehrer 
dietiret ihnen in prosa etwas. welches sie durch die bloße ver- 
setzung der worte in verse bringen können, oder läßet auch ein 
genus in «das andere übersetzen. In ansehung der übrigen aber, 


die keine lust, auch kein geschiek zur poesie haben, wird bey : 


der lesung der lateinischen poeten dahin gesehen, daß sie wenig- 
stens quantitatem syllabarım und den unterscheid des poetischen 
und prosaischen stils kennen lernen. Die imitationes und 
exercitia syntactica werden so viel möglich auch hier nicht 
dietiret, sondern aus einem buche gemacht und, nachdem sie elabo- 
riret sind, dem lehrer zur bestimmten zeit ins haus gebracht. 
Dieser siehet sie zu hanse nach und hält es mit der correctur wie 
vorgeschrieben ist. Der öffentlichen correetur sind die ersten 
stunden des mittwoches und sonnabends gewidmet. 


4 

In ansehung der griechischen sprache werden die verba 
vontracta mitsammt den anomalis, auch dabey die capita von 
den particulis, tleißig wiederholet und von nenem (der andere theil 
der grammatic, welcher syntaxin enthält, hinzugethan. Man be- 
schweret auch hier die scholaren nicht mit auswendiglernen, 
sondern nachdem die nötigsten und brauchbarsten regeln vor- 
läufig kürzlich erkläret sind, so läßet man solche bey lesung und 
analysirung derapostolischen briefe fleißig aufschlagen und ap- 
pliciret sie auf den vorhabenden fall. Ordentlicher weise geschiehet 


10 


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25 


30 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 371 


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die übersetzung aus dem griechischen ins deutsche nur von den 
scholaren. Gleichwie aber alle abwechselungen gar angenehm 
sind, also wechselt auch der lehrer zuweilen mit den scholaren 
ab und heißet, nachdem er selbst einige verse übersetzet hat, 
seinen schüler mitten im verse fortfahren. Auf gleiche weise 
wird das griechishe bald ins lateinische, bald ins deutsche über- 
setzet. Damit aber ein exponirtes und analysirtes capitel auch 
noch zum dritten male geschwind wiederholet werden möge, so 
kan ein schüler das capitel entweder aus Lutheri deutscher oder 
ı Castellionis lateinischer version vorlesen; die übrigen aber müßen 
solches im griechischen nachlesen. Und damit der lehrer erfah- 
ren möge, ob es auch in der that geschehe, so frägt er bald die- 
sen, bald jenen, wie die deutsche oder lateinische redensart im 
griechischen gegeben sey. Ueberhaupt aber präpariren sich die 
ıs scholaren auf das zu exponirende pensum, indem sie sich zu hause 
mit denjenigen vocablen bekannt machen, welche sie noch nicht 
wißen, und die schweren wörter nachschlagen, deren flexion sie 
noch nicht kennen. 
5 
zu Wie in den vorhergehenden claßen bereits einige landcharten 
absolviret sind, also werden diese hieselbst zuvorderst kürzlich 
wiederholet. Darauf schreitet man zur abhandlung der übrigen 
charten, so daß die ganze neue geographie in dieser claße zu ende 
gebracht wird. Haben die scholaren die lage der länder, der 
2» städte etc. wol gefaßet, so wird ihnen nunmehro auch dasjenige 
bekannt gemacht, was im compendio folgt und zur historie, policey 
und natürlichen beschaffenheit eines landes gehöret. Damit man 
erfahren möge, ob die scholaren die lage der länder und städte 
und den lauf der flüße sich recht imprimiret haben, so kan 
man die illumirten charten mit einem weißen bogen bedecken, 
und die scholaren müßen auf dem weißen bogen zeigen, wo ein jedes 
land, eine stadt, ein fluß ıc. auf der unter demselben befindlichen 
charte liegen. Irren sie, so finden sie gelegenheit durch auf- 
deckung des leeren bogens aus der charte selbst ihren irrthum 
3 zu verbeßern. Auch ist es nicht undienlich, wenn man sie in 
gedancken reisen anstellen läßet und z. e. frägt, wenn jemand von 
Braunschweig nach Batavia, nach Rom, nach Philadelphia zu 
wasser oder zu lande reisen wolte, was er für gewäßer und 
länder zu paßiren habe. Insgemein aber wird ihnen, wenn etwas 
«. historisches vorkommt, es sey denn bey der lesung eines auctoris 


24* 


372 Monnmenta Germaniae paedagogica I 





oder wenn die historie selbst gelehret wird, derjenige ort oder 
das land auf der charte gezeiget, wo dieses oder jenes sich zu- 
getragen hat. 
6 

In dem cursu historico, der in dieser claße von neuen 
angefangen und abermals erweitert wird, wird alles dasjenige 
erkläret, was sich in dem vorgeschriebenen compendio befindet, 
nur dasjenige ausgenommen, was zur kirchen- und gelehrten 
historie gehöret, und mithin in dieser claße die eigentliche ganze 
universal-historie, so wie sie indem compendio enthalten, absolviret. 


VIM. In prima und selecta. 


1 
Bey dem vortrage der theologiae sollen des Siegmund Ja- 
ceob Baumgarten theses theologicae zum grunde geleget, aber 


nicht weitläuftiger erkläret werden als es in anderthalb jahren ge- ı: 


schehen kan. Die dicta probantia so wol aus dem A. als N. 
testamente werden erstlich aus Lutheri übersetzung und dann in 
der grundsprache angeführet, und die scholaren machen sich die- 
selben so viel möglich ganz oder doch wenigstens den nervum 
probandi daraus bekannt. Der lehrer führet bey der erklärung 
eines jeden articuls aus der polemick so viel an, daß seine zuhörer 
die vornehmsten gegner deßelben sammt ihren haupt-einwürten 
kennen und diese letztern noch dazu beantworten lernen. 


2 


Die lateinischen auctores, welche in diesen claßen mit gehöriger :: 


abwechselung gelesen werden sollen, sind aus der zahl der histo- 
ricorum der Suetonius, Salustius, Curtius, Tacıitus, Livius, 
aus den oratoribus und philosophis Cicero und Seneca, aus den 
poeten Ovidius, Virgilius und Horatius, mit übergehung der- 


Jenigen bücher und stellen, welche insonderheit aus dem letztern : 


jungen leuten anstößig seyn könten. !Die vorkommenden schweren 
stellen werden aus der philologie, der geographie, der historie und 
den alterthümern in gehöriges licht: gesetzet. Bey den poeten aber 
wird überdies nicht nur die mıythologie mitgenommen, sondern der 


[4 
. 


lehrer zeiget auch, nachdem es mit dem wortverstande bey der » 


übersetzung seine völlige richtigkeit hat, noch an, welche wörter 
und redensarten, welche empfindungen und gedancken den tichtern 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 373 


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eigen sind und in gebundener rede nicht zu gebrauchen stehen. 
Das exercitium stili wird entweder aus einem guten teutschen 
buche aufgegeben, oder der lehrer verfertiget eine übersetzung 
aus einem auctore, wobey er. die stelle anfänglich verschweiget, 
s sie aber den scholaren bekannt macht, wenn sie sämmtlich das 
exercitium elaboriret und exhibiret haben, damit sie solche nach- 
sehen und ihre fehler daraus verbeßern können, oder er dictiret 
ein exercitium, welches er selbst verfertiget und worin er allerley 
constructiones und redensarten, die im lateinischen schwer aus- 
ıw zudrücken sind, gesammlet hat. Kömmit eine besonders schöne stelle 
in einem auctore vor, so wird das gewöhnliche exereitiun stili auch 
wol damit abgewechselt, daß die scholaren diese stelle gramma- 
tice und rhetorice imitiren müßen. Diejenigen, welche bereits 
einen guten anfang in der lateinischen poesie gemacht haben, 
ı» werden alhier darin weiter fortgesetzet und zur verfertigung 
lateinischer verse aus allen generibus nach den besten und vor- 
treflichsten mustern der alten angeführet, ihre arbeiten aber jedes- 
mal von dem lehrer censiret und verbeßert. Damit auch endlich 
die fertigkeit im latein-reden immer mehr und mehr gefordert: 
20 werden möge, so soll in den stunden, in welchen ein lateinisches 
ecompendium oder ein lateinischer auctor tractiret wird, nichts 
anders als latein gesprochen werden. 


3 
Von griechischen auctoribus sollen außer dem N. testamente 
2» (resners chrestomathia Graeca und der Homerus oder Hesiodus 
erklähret werden. Die schwersten stellen werden auch hier durch 
kurze anmerkungen aus der philologie und den alterthümern, aus 
der geographie und geschichte deutlich gemacht, und wo es nötig 
ist, ein wort oder eine redensart etymologice et syntactice resolviret. 


30 4 
Da die ebräische sprache eine solche ist, welche von den 
wenigsten erlernet zu werden pfleget, es aber gleichwol nötig ist, 
daß man auch schon auf schulen einiges erkenntniß dieser sprache 
erlange, so soll dieselbe zwar nicht öffentlich, aber doch so oft 
3 sich eine anzal findet, die dem lehrer sein honorarium für eine 
privatstunde bezalen will, des mittwoches und sonnabends in einer 
besondern stunde nach des Hardts kurzer methode gelehret werden. 








374 Monumenta Germaniae paedagogica I 


5 
Die unterweisung in den alterthümern soll nach des Georgii 
Henrici Nieuporti succincta rituum antiquorum explicatione ge- 
schehen, doch so, daß nur das vornehmste daraus angeführet und 
erkläret und der gebrauch deßelben gezeiget werden. Den scho- s 
laren wird dabey eine anleitung gegeben, wie sie sich bey diesem 
oder jenem capitel die stellen aus den auctoribus selbst sammlen 
können, auch ihnen angerathen das ganze buch zu hause fleißig 
durchzulesen. 
6 wu 
In den geographischen stunden wird die neue geographie 
wiederholet, doch dergestalt, daß zugleich die alte geographie nach 
dem PomponioMela de situ orbis oder des Cellarii geographia 
antiqua oder auch nach des Schatzens großem geographischem 
wercke mitgenommen werde. Bey den ländern, provinzen und ıs 
städten ıc. wird gelehret, wie dieselben in den alten zeiten ge- 
heißen, was für völcker daselbst gewohnet ıc. Und wann dann 
auf seiten des lehrers als zuhörers fleiß angewand wird, so stehet 
zu erwarten, daß die scholaren mit der zeit die länder, städte 
und flüße so bald mit den alten als mit den jetzigen namen 3 
werden nennen und die eigentlichen grenzen der alten völcker 
angeben können. 
7 
Da die universal-historie in secunda absolviret ist, so wird 
sie nunmehro, wiewol mit einer abermaligen erweiterung, wieder- 
holet und auch dasjenige, was zur kirchen- und gelehrten ge- 
schichte gehöret, bey allem aber zugleich vorzüglich mit auf die 
chronologie gesehen. Ist der cursus geendiget, so wird er auf 
eben dieselbe weise repetiret, damit durch fleißiges wiederholen 
die in der geschichte vorkommende viele namen und zahlen den w 
scholaren desto bekannter und geläufiger werden. Wer von der 
gelehrten historie ein mehreres wißen will, der findet in einem 
besondern collegio gelegenheit, welches einer von denen beyden 
conrectoribus als bibliothecarius des mittwochs und sonnabends 
über des Heumanns conspectum :c. auf der bibliothec oder in dem 3; 
zunächst dabey befindlichen auditorio so oft halten wird, als sich 
eine gehörige anzahl dazu bey ihm meldet. 


8 
In dem collegio genealogico-heraldico werden in ansehung der 
wapenkunst nur diejenigen stücken, welche aus des Schatzens « 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 89 375 


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atlante Homanniano illustrato dahin gehören. erläutert. und in 

absicht auf die genealogie verbreitet man sich nicht weiter als 

bis auf den ursprung der jezt regierenden hohen häupter, ihre descen- 

denten und nächsten agnaten und die verbindung, in der sie 
s gegenwärtig mit andern regierenden häusern stehen. 


9 
Die oratorie und poesie werden dergestalt getrieben, (daß 
man nach gegebenen kurzen regeln sich so fort mit ausarbeitungen 
beschäftiget. welche der lehrer beurtleilet und verbeßert. Man 
ıw weiset dabey die schüler auf die meisterstücke der griechen. la- 
teiner und (leutschen, damit sie daraus die starcken vorstellungen 
ihrer gedancken. ihre künstlichen wendungen und angenehmen 
ausdrücke zum muster der nachfolge in zeiten faßen und sich 
eine zwar männliche, aber doch zierliche und angenehme schreib- 
ıs art angewöhnen mögen. 
| 10 
Aus den philosophischen wißenschaften, welche überhaupt 
nach des Ioannis Augusti Ernesti inititiis solidioris doctrinae 
tractiret werden sollen, wird in priina nur die logie vorgenommen; 
3» die übrigen stücke aber werden in besondern stunden den selec- 
tanern erkläret. 
11 
Die exereitia disputatoria und oratoria werden des sonn- 
abends wechselsweise mit den selectanern in prima angestellet, 
», und die primaner geben dabey bloße zuhörer ab. Bey dem dis- 
putiren gibt der rector pro captu discipulorum einen oder zween 
sätze auf, und denen füget der in deren ordnung folgende re- 
spondens noch einen oder andern zu. Die opponenten werden 
auch nach der reihe genommen. damit niemand übergangen werde. 
”» Bey den actibus oratoriis privatis wird eine besondere ordnung 
gehalten, und derjenige, welcher eine rede halten will. arbeitet 
solche nach einer ihm gegebenen disposition oder proprio Marte 
aus und hält sie, nachdem sie corrigiret worden, an einer er- 
habenen und freyen stelle aus dem gedächtniß. 


376 Monumente Germaniae paedagogica 1 


Sect. VI. 


VON DEN VERRICHTUNGEN DER STUDIRENDEN 
JUGEND IN ABSICHT AUF DIE VERBESZERUNG IHRER 
WISZENSCHAFTEN ZU HAUSE ODER AUSZER 
DEN SCHULSTUNDEN. 5 


1 
Auch hier muß die studirende jugend ihre zeit wol an- 
wenden, weil im zeitlichen leben kein größerer verlust gefunden 
wird als der zeitverlust und im gegentheil der segen von der in 
den jungen jahren wol angewandten zeit sich auf die ganze fol- ıv 
gende lebenszeit ausbreitet. Es sind aber die geschäfte, welche 
die jugend zu hause vorzunehmen hat, entweder nothwendig oder 
willkührlich. 
2 
Die nothwendigen geschäfte bestehen außer den pflichten ı5 
des christenthums, welche sie nirgend wo und zu keiner zeit aus 
der acht laßen dürfen, entweder in einer vorbereitung auf die in 
der schule vorkommenden oder in einer wiederholung der bereits 
gehabten lectionen. Sie müssen das aufgegebene auswendig 
lernen, die vorkommenden pensa aus den griechischen und lateini- 20 
schen auctoribus durchmachen, die ihnen aufgegebene specimina 
im decliniren, conjugiren, in übersetzungen, in mathematischen 
und andern übungen verfertigen u. s. f. 


3 
Unter den willkührlichen verrichtungen sind folgende zweifels- 35 
frey die nützlichsten und besten. Ist man allein, so kan man 
daheime zur gemüthsergötzung auf dem erlernten instrumente 
spielen cder sich in glasschleifen. drechseln oder papparbeit 
üben oder auch zum nutzen gute bücher lesen. etwas excerpiren 
und vor sich ausabreiten, oder man kan ausgehen und die wärck- 
städte der künstler, die buchläden und andere örter besuchen, 
woselbst man gelegenheit hat etwas gutes zu sehen und zu ler- 
nen. In geselschaften aber kan man sich mit seines gleichen 
entweder auf der stube oder bey einem spatziergange über die 
bereits gehabten oder noch künftigen lectiones fragen, im latein- 35 
reden üben, über allerley vorkommende umstände unterredungen 
anstellen, kräuter suchen, u. s. f. 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 377 


Sect. VO. 


VON DEN SCHULFEYERLICHKEITEN 
UND SCHULFERIEN. 


Cap. l. 
5 Von dem öffentlichen examine. 


1 

Es sollen in den großen schulen jährlich 2 examina publica 
angestellet und (as eine 3 wochen vor Ostern, «das andere 14 tage 
vor Michaelis und zwar dergestalt gehalten werden, daß man in 
ıw 5 tagen damit fertig sey. Den eigentlichen tag, an welchem sie 
angehen ‚sollen, bestimmet, wie es auch bisher geschehen ist, der 
jedesmalige superintendens. Die beyden ersten tage von den be- 
nannten fünfen sind den beyden gymnasiis, dein Martineo und 
Catharineo, ganz gewidmet, und sollen des vormittages von 9—12 
ı» uhr die primaner und selectaner und des nachmittages von 2—5 
uhr die schüler der übrigen claßen geprüfet werden. Es bleiben 
dabey diese des ınorgens und jene (les nachmittages zu hause. 
Am dritten tage wird des vormittages von 9—12 uhr das examen 
in der trivialschule im Waysenhause und des nachmittages von 
„2—5 in der realschule gehalten. Am 4!" und br" tage vor- 
mittages wird die öffentliche prüfung in den beyden schreib- und 

rechenschulen angestellet. 

2 

Ein jegliches examen wird praecise mit dem glockenschlage 
s der vorgeschriebenen stunde angefangen und so viel möglich auch 
also geendiget. In den gymnasiis eröfnet der rector daßelbe mit 
einer kurzen rede, die nicht über eine viertelstunde dauern muß, 
und nachdem er 1'/, stunden aus denen von dem superintendenten 
angezeigten lectionen examiniret hat, so tritt der conrector auf, 
3 examiniret auf gleiche weise die übrigen 1", stunden und machet 
den beschluß des exafninis mit einer kurzen dancksagungs-rede. 
Am nachmittage geschiehet die prüfung der schüler in den übri- 
gen claßen. Der schulsenat oder die scholarchen verweilen sich 
zwar in einer jeden elaße nur etwa °, stunden; da sich aber die 
ss anwesenden prediger in den claßen vertheilen, so wird gleichwol das 
examen in einer jeden claße bis um 5 uhr fortgesetzet. So bald die 
ephori in eine claße kommen, so hält der lehrer derselben eine 


378 Monumenta Germaniae paedagogica 


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ganz kurze lateinische ansprache und examiniret die schüler aus 
den in dem abgewichenen halben jahre absolvirten pensis nach 
der ordnung, nach welcher sie ihnı abgefordert werden. Wenn 
um 5 uhr das examen in den claßen zu ende gehet, so hält in 
einer jeden derselben ein schüler eine ihr von dem praeceptore 
gegebene kurze lateinische oder deutsche rede, und die ephori 
versaınmlen sich in selecta zur gewöhnlichen consultation. 


3 

Bey einem jeglichen examine werden (lie exercitien-bücher 
oder elaborationes von dem lezten halben jahre in der gestalt, 
wie die schüler sie exhibiret und die lehrer sie corrigiret haben, 
— woznin den 3 obersten claßen, selecta, prima und secunda, noch 
ein besondres. gegen das examen verfertigtes specimen kommet — 
den ephoris zur nachsicht vorgeleget. In den exercitien-büchern 
muß sich der nahme des besitzers, wie auch das datum, wann ein 
jedes exereitium aufgegeben worden, finden. Auf dem specimine 
aber muß der nahme sammt «dem alter deßen verzeichnet stehen. 
welcher es verfertiget hat. So oft die schüler in den examinibus 
aufgefordert werden, müßen sie auf Jie ihnen vorgelegte fragen 
laut und deutlich antworten. Die lehrer aber rufen billig einen 
jeglichen, welchen sie fragen wollen, mit namen auf, damit die 
auditores wißen können, was es für welche sind. die wohl oder 
schlecht bestehen, auch halten sie sich nicht zu lange bey einem 
auf, sondern sehen dahin, daß so viel es möglich alle und jede 
mögen aufgefordert und betraget werden. 


4 

Da den ordentlichen lectionen zu viel zeit entzogen wird 
und im grunde es nichts anders als ein großes blendwerck ist, 
wenn die lehrer ihre scholaren 3bis4 wochen vorher auf das examen 
praepariren oder ihnen wol gar etwas in die feder dicetiren, welches 
sie, und solches noch dazu nach einer gewißen vertheilung. aus- 
wendig lernen müßen. so findet daßelbige bey den hiesigen großen 
schulen billig keine statt. Indeßen kan es den lehrern wol ver- 
gönnet seyn, daß sie 8 tage vor dem examine die halbjährige 
lectiones cursorie durchlaufen und den etwa bey ihren schülern 
sich befindenden mangel zu ersetzen suchen. 


5 
Die einladung zu den examinibus in den gymnasiis geschiehet, 
außer der vorgängigen anzeige des superintendenten, deren pag. 


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35 


Schulördnungen der Stadt Braunschweig 39 379 


377 gedacht ist, vermittelst eines auf einem bogen gedruckten 
lections-catalogi. Der rector des gymnasii erinnert bey zeiten 
seine collegen ihm ihre lectiones publicas, privatas et privatissi- 
mas, welche sie in dem verfloßenen halben jahre abgehandelt 
haben und in dem künftigen halben jahre zu halten gedencken, 
einzuschicken. So bald er die lectiones gesammlet und der su- 
perintendens nichts dabey zu erinnern hat, läßet er den leetions- 
catalogum, auf deßen titelblate der tag und die stunde des an- 
zustellenden examinis angezeiget ist, in lateinischer sprache, mit 
einer kurzen vorrede begleitet, auf kosten des schulaerarii nicht 
nur drucken, sondern auch hernach die benötigten exemplaria 
einbinden. Er sendet hierauf ein paar tage zuvor, ehe das examen 
gehalten werden soll, diesen lections-catalogum durch seinen 
custodem yon die glieder (les raths, an das gesammte geistliche 
ministeriun und an andere gelehrte schulfreunde dieser stadt. 
Ein gleiches thut der erste college bey der trivialschule in ab- 
sicht auf diese und die realschule.. Bey den schreibschulen aber 
dürfte es etwas überflüßiges seyn, weil ein jeder von selbst weis, 
was von zeit zu zeit darin tractiret wird, und daß die darin an- 
zustellende examina unmittelbar auf die folgen, welche in den 
lateinischen schulen gehalten werden. Damit es aber bey den 
öffentlichen examinibus niemals an zuhörern und den scholarchen 
an assistenten fehlen möge. so ist außer dem hiesigen rathe das 
gesammte ministerium bereits pag. 301 angewiesen worden demı- 
selben fleißig beyzuwohnen. Auch sind die rectores und conrec- 
tores verpflichtet bey den nachmittäglichen examinibus in den 
untersten elaßen gegenwärtig zu seyn und in ermangelung hin- 
länglicher assistenten sich in die ihnen angewiesenen claßen zu 
verlheilen. 


Cap. 1. 
Von der translocation. 


1 
Boy der translocation muß dasjenige sorgfältig beobachtet 
werden, was in absicht darauf im 3"" capitel des ersten abschnitts 
no. 18. 19. bereits verordnet worden, in dem grade darinnen das 
wesen derselben bestehet. 
2 
Damit die versetzung der schüler desto feyerlicher werden 
mögte, so soll sie unter der aufsicht des schulsenats oder der 


380 Monumenta Germaniae paedagogica I 


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scholarchen und öffentlich geschehen. Die ersten 3 tage der- 
jenigen woche, welche der examens-woche folget, sind der unter- 
suchung, ob und was für welche zu translociren sind. und zwar 
in dieser ordnung; gewidmet, daß diese untersuchung am montage 


im Martineo, am dienstage im Catharineo und am mittwochen ; 


in der trivialschule geschehe. Die translocation selbst aber ge- 
schiehet am donnerstage vormittages von 9—12 im Martineo und 
des nachmittages von 2—b im Catharineo, am freytage morgen 
aber in der trivialschule. Der rector aber eröfnet den actum mit 
einer kurzen rede und rufet bey endigung derselben zuerst aus 
der untersten claße diejenigen nach einander auf, welche nach 
quartam befordert: werden sollen. Diese stellen sich in einer 
reihe vor das catheder. und der oberste unter ihnen hält eine 
ganz kleine deutsche rede. Der rector fähret! hierauf fort mit 
allen übrigen claßen ein gleiches zu thun, und ist dabey weiter 
kein unterscheid, als daß der redner meistentheils eine lateinische 
rede hält. Endlich kommt die reihe an die. welche die schule 
verlaßen und auf universitaeten gehen wollen, und einer von ihnen 
hält im nahmen der übrigen von dem untersten catheder eine 
abschiedsrede. Diejenigen. welche nicht translociret werden, sich 
aber vor andern fleißig bewiesen haben. werden nicht weniger 
claßenweise von dem rectore aufgerufen. und einen: jeden der- 
selben vor dem catheder ein praemium ertheilet. Auch hier stellen 
sich die schüler einer jeden claße zusammen, und der erste unter 
ihnen hält nach beschaftenheit der claße eine deutsche oder la- 
teinische rede. Die praemia bestehen aus guten und brauchbaren 
büchern, und ein vor dem titelblate geklebtes, gedrucktes und 
ausgefülletes blat zeigt nicht nur die gelegenheit an, bey welcher 
man das buch bekommen, sondern dienet auch in folgenden jahren 
zu einer angenehmen erinnerung und zu einem sichern denckmale 
ddes in der jugend bewiesenen fleißes. Bey endigung des actus 
aber lieset einer von den praefectis einen kurzen auszug der 
schulordnung ab. 


Cap. III. 
Von den actibus oratoriis. 
1 


Die actus oratorii sollen zwar bey den gymnasiis nicht 
aufgehoben, aber auch nicht anders als mit einem zwischenraume 


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Schnlordnnngen der Stadt Braunschweig 39 381 


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von einem halben jahre zwischen einem, welcher etwa im Mar- 
tineo, und einem, welcher im Catharineo gehalten ist, angestellet 
werden. 
2 
3 Die kosten, welche zu dieser schulübung erforderlich sind, 
sollen so viel möglich erleichtert werden. Es werden also zu- 
forderst die bey dergleichen gelegenheiten gewöhnliche schmäuse 
der studirenden jugend gänzlich untersaget. Vermögenden eltern 
stehet es frey, was für einen aufwand sie wegen eines actus 
ı oratorii mit ansehung des programmatis honorarii für den rector 
und der instrumentalmusice machen wollen. Damit aber auch 
den kindern, welche keine bemittelte eltern haben, die gelegen- 
heit zu dieser schulübung nicht benommen werde, so schreibet 
der rector alsdann, wann sie es verlangen, ein programma von 
einem halben oder höchstens einem ganzen bogen und trägt 
sorge dafür, daß der abdruck deßelben, wie auch die einbindung 
von einigen exemplarien, auf das sparsamste eingerichtet werde. 
Auch kan man in diesem falle die instrumentalmusic abwechseln. 
Geschickte subiecta aber, welche vor andern beyfall verdienen 
»» und einen actum oratorium anzustellen wünschen, haben als dann, 
wenn sie auch diese kleinen ausgaben nicht einmal bestreiten 
können, einen zuschuß aus dem schulaerario zu gewarten. 


3 

Die einladung zu den öffentlichen redeübungen geschiehet 
a tages vorher von den jungen rednern selbst. Der rector gibt 
ihnen den custodem mit, welcher ihnen gegen eine kleine er- 
kenntlichkeit mit tragung der programmatum und sonst hülfliche 
hand leistet. Sie aber gehen nicht nur in die häuser derer, 
welche nach obiger anzeige zum examine einzuladen sind, und 
so laden sie bey überreichung der programmatis zu der bevorstehenden 
solennitaet ein, sondern sie invitiren auch persönlich alle lehrer des 

gymnaei. 


Cap. IV. 
Von den schulferien. 
3 | 1 
So nothwendig und billig es ist, daß den schullehrern einige 


frist vergönnet werde, sich von ihren mühseligen arbeiten zu er- 
holen, so gewiß ist auch, daß den schulen nichts nachtheiliger 





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382 Monumenta Germaniae paedagogica I 





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und der studirenden jugend nichts schädlicher sey als die vielen 
feyertage. Es ist daher der ferien halber. welche der festtage. 
der öffentlichen examinum und der hundstage wegen bey den 
lateinischen schulen alhier bisher im gebrauche gewesen. folgen- 
des teımperament getroffen worden. \ 


2 
Auf Weynachten hören die lectiones des tages zuvor mit 
der zu haltenden praeparationsrede auf das fest auf und werden 
allererst mit dem ersten tage nach dem Neuenjahrstage wieder 
angefangen. Auf Ostern gehen die ferien am mittwochen in der u 
stillen woche nach gehaltener vorbereitungsrede, und die lectiones 
wiederum mit dem montage nach Quasimodogeniti an. Auf 
Pfingsten wird die arbeit in der schule (des sonnabends vorher 
nach geschehener rede aufgegeben, und mit dem wmontage nach 
Trinitatis nehmen die lectiones wiederum den anfang. Die bis- :: 
herigen Michaelisferien sollen sich von nun an gleich nach ge- 
schehener translocation anheben und von dieser zeit an mit 
dem 8" tage aufhören. 
3 
In den beyden meßen sollen die lectiones in der eigentlichen zu 
ersten meßwoche oder derjenigen woche, welche der sogenannten 
handels- oder großwoche folget, gänzlich eingestellet werden. 


4 
In den hundstagen soll des montages und: donnerstages 
keine schule gehalten und der anfang dieser ferien mit deın mon- » 
tage der letzten vollen woche des Julii und der beschluß mit dem 
donnerstage der dritten vollen woche des Augusts gemacht werden. 


5 
Wenn die examina publica gehalten worden, so ist der 
darauf folgende tag ein feyertag; der übrige zwischenraum zwi- » 
schen den examinibus und der öffentlichen translocation aber ist 
einigen lectionibus cursoriis gewidmet. 


6 
Die übrigen außerordentlichen ferien, wozu z. e. das scheiben- 
schießen, die kleinen jahrmärckte, die aufzüge der schuster und » 
zimmerleute u.s.f. gelegenheit geben können, werden billig ein- 
gestellet. Es wird dagegen den rectoribus viel lieber naclıge- 
geben bey einigen auch außer den hundstagen heißen sommer- 
tagen in allen claßen urlaub zu geben. 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 383 


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7 
Kranckheiten und reisen der lehrer, wie auch andere bey 
ihnen vorkommende umstände, verursachen niemals ferien in einer 
claße, sondern der vorgehende oder folgende lehrer versiehet in 
s solchen fällen jederzeit des abwesenden arbeit. 


Achter abschnitt. 
VON DER SCHULZUCHT. 


1 
Bey der schulzucht kommt es zweifelsfrey insonderheit auf 
ıo folgende drey stücke an, nemlich daß man 1) die aufmercksamkeit 
und den fleiß zu erhalten, 2) der bosheit zu steuren und zu 
wehren. und 3) die reinlichkeit und guten sitten zu befordern suche. 


2 

Um die aufmercksamkeit und den fleiß bey den schülern 

ıs zu erwecken und zu erhalten, muß der lehrer alles vermeiden, 
was unlust und wiederwillen vor dem lernen verursachen kan. 
als ein unwirrisches und unfreundliches bezeigen, zu strenge forde- 
rungen in absicht. auf das auswendiglernen und fertiges hersagen 
des auswendig erlerneten, das antreiben zu solchen dingen. wo- 
au vor das naturell der schüler selbst einen abscheun 'aat, und so 
ferner. Hingegen muß er alles anwenden, um die sache, welche 
er lehret, angenehm und leicht zu machen. Dahin gehöret, daß 
er den scholaren die vortreflichkeit und den nutzen der wißen- 
schaften, worin er unterrichtet, vorstellet und dasjenige, was er 
» vorträget, deutlich, gründlich und anmuthig vorträget. Er mache 
len scholaren einen generellen begriff von der ganzen wißen- 
schafft, er bringe sie so viel möglich in eine tabelle, er nehme 
alsdann ein stück nach dem andern vor, er zergliedere die sach- 
erklärungen und erläutere so wol das subiectum als praedica- 
» tum, versuche so wol dem gedächtniß als der beurtheilungskrafft 
des lernenden durch eine richtige und natürliche ordnung zu 
hülfe zu kommen und höre, nachdem er allen dunckelheiten so 
viel möglich vorgebeuget hat, nicht eher auf sich mit den er- 
klärungen der begriffe herunter zu laßen, bis der schüler die 
„ sache so vollkommen gefaßet. hat, daß er sich auf befragen des 


384 Monumenta Germanise paedagogica I 


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lehrers mit eigenen worten richtig darüber erklären kan. Er 
erhärte eine jede wahrheit aus richtigen gründen und beuge so 
viel möglich allen vorurtheilen und zweifeln vor. Er laße die 
scholaren selbst den beweiß einer wahrheit führen und mache 
ihnen einwürfe. Er beweise sich bey dem unterrichte liebreich. ; 
treundlich und dienstbegierig. Im vortrage kan er, ohne eine 
lustige person vorstellen zu dürfen, anmuthig seyn, wenn er alle 
unnötige weitläuftigkeit vernieidet, wenn er die schwersten sachen 
so leicht darstellet, daß auch der einfältigste sie faßen kan, 
wenn er die lehrsätze mit angenehmen gleichnißen und exempeln ı, 
erläutert, wenn er den gebrauch einer wahrheit so fort zeiget, 
wenn er so wenig selbst in einem fort discuriret als die schüler 
allein arbeiten läßet, sondern vielmehr durch fragen und ant- 
worten beständig abwechselt und den fähigern die schwereren und 
den nicht so fähigen die leichten oder auch diejenigen fragen vorleget, ı 
welche die erstenschon beantwortet haben. Sonst kan man auch, um 
den fleiß und die aufmercksamkeit zu erwecken und zu erhalten, die 
knaben in den untersten claßen mit einander um die oberstelle 
certiren laßen und einem ganz faulen und trägen einen ganz 
besondern ort anweisen. Man kan in diesen und den höhern » 
claßen einerley bücher und landcharten gebrauchen, damit der 
lehrer so fort sehen könne, ob auch der scholar dasjenige vor augen 
habe, was er vor augen haben soll, und sollen nicht nur zu die- 
sem ende, sondern auch um den eltern die ausgaben zu erleich- 
tern, die in.dem hiesigen Waysenhause für die studirende jugend »; 
gedruckten oder zu druckenden bücher in allen lateinischen 
schulen eingeführet werden. Man beobachte daneben beym fra- 
gen und bey dem auffordern der schüler keine gewiße ordnung, 
sondern frage bald diesen, bald jenen etwas aus einem auctore. 
Man trage die frage insgemein vor, ohne jemanden zu nennen, .“ 
und bestimme alsdann allererst, wann sie schon geschehen ist, 
denjenigen, welcher sie beantworten soll. Man frage, wann ge- 
antwortet ist, einen andern, ob die frage richtig beantwortet 
sey, und gebe ihnen gelegenheit sein urtheil zu fällen und seine 
einwürfe vorzutragen. Man fordere die fleißigsten zum öftersten :: 
auf und beschäme dadurch die trägen und faulen. Man bezeuge 
den unachtsamen und plauderern seinen mißfallen durch mienen 
und worte. Man wincke dem nachbarn eines unnützen schwätzers, 
daß er von ihm abrücke, und laße ihn alleine sitzen. Man be- 
zeuge gegen Jie fleißigen achtung nnd zufriedenheit und begegne « 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 385 


den trägen und faulen mit kaltsinnigkeit und geringschätzung. 
Man hüte sich aber auch dabey, daß man diejenigen schüler, 
welche langsam und unvermögend sind und aus mangel des ge- 
dächtnißes und der übrigen fähigkeiten nicht so geschwinde als 
s andere for'kommen können, als faule und träge ansehe, sondern 
verdoppele gegen dieselben vielmehr seine gedult und seinen 
fleiß und sage ihnen die wahrheiten so ofte vor, bis auch sie die- 
selben gefaßet haben. Man sehe bey der austheilung der prae- 
miorum und der translocation nicht auf die ordnung, in welcher 
ıo jemand sitzet, sondern auf die würdigkeit und kröne solcher 
gestalt den fleiß öffentlich. Bleibt jemand aus der schule, ohne 
vorher entschuldiget zu seyn, so gibt der lehrer den eltern, vor- 
mündern, oder wem sonst die aufsicht des schülers anvertrauet ist, 
so fort nachricht davon und gestattet niemals, daß ein schüler 
ıs die schule eigenmächtig versäume. 


3 

Den ausbrüchen der bosheit kan wol nicht beßer vorgebeuget 
werden als durch drohungen und strafen. Es gehören aber 
keines weges die geldstrafen hieher; denn da durch die geldbußen 
» nicht so wol die kinder, als vielmehr ihre eltern gestrafet werden, 
ja jene noch wol gar dazu zu gewißen ausschweifungen verleitet 
werden, so sollen dergleichen strafen bey den hiesigen großen 
schulen durchaus nicht statt finden außer nur bey den chor- 
schülern, als welchen bey den droben bereits bestimmten ge- 
legenheiten, um sie desto beßer in ordnung zu erhalten, etwas von 
ihrer competenz abgezogen werden soll. Die schulstrafen sind 
vielmehr folgende. Man bedienet sich anfänglich verächtlicher und 
drohender mienen und geberden. Man schreitet fort zu nach- 
drücklichen worten und vorstellungen. Man enthält sich dabey alles 
» fluchens, polterns und scheltens und nimmet vielmehr seine war- 
nungs- und ermahnungsgründe von Gottes allwißenheit und all- 
gegenwart, von dem greuel des begangenen verbrechens und dem 
schaden, so daher entstehen kan, von den exempeln ungerathener 
schüler, von den künftigen gerichten und strafen und so ferner 
s her. Helfen vorstellungen und worte nicht, so schreitet man zu 
den werckthätigen strafen. Man steiget da nach dem maße, der 
größe und der öfftern wiederholungen des verbrechens von einer 
stuffe zur anderen fort. Man fängt an den bösen buben zu be- 
schimpfen. Man sondert ihn als ein reudiges schaaf von der 


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Schulordnungen der Stadt Brauuschweig 25 


386 Monumenta Germaniae paedagogica I 





guten heerde so lange ab, bis er sich schämen lernet und beße- 
rung angelobet. Man erinnert ihn noch einmal in gegenwart des 
lehrers und der schüler einer andern claße oder auch des rectoris. 
Man kommt endlich von worten zu schlägen. Hier ist dem lehrer 
bey nachdrücklicher strafe untersaget die kinder an den kopf zu > 
schlagen, indem dies die traurigsten folgen nach sich ziehen kan. 
In den untersten claßen bedienet man sich am füglichsten eines 
ganz dünnen spanischen rohrs. Die ersten bestrafungen durch 
schläge geschehen von dem lehrer des schülers, und zwar in der 
claße selbst, worin er sitzet. Ein höherer grad der strafe ist, ıo 
wenn er öffentlich vor der ganzen schule vom schulvogte ge- 
züchtiget wird. Wichtige verbrechen, wohin insonderheit eine 
hartnäckigte boßheit und wiederspenstigkeit gehöret, werden durch 
gefängniß oder mit der gänzlichen ausstoßung aus der schule und 
einschreibung in das schwarze register geahndet. Ein jeder lehrer ı: 
nimmt bey den strafen wol in acht, daß er nicht eine jede jugend- 
liche thorheit oder kleine auslaßung der den kindern natürlichen 
lebhaftigkeit für eine würckliche bosheit ansehe. Auch muß er 
niemalen zu thätigen züchtigungen schreiten, ehe und bevor 
nicht der erste zorn völlig verraucht ist, und will er bey seinen » 
bestrafungen recht glücklich sein, so muß er seine untergebenen 
durch sein betragen dabey auf eine vernünftige und kluge art 
überzeugen können, wie er nichts ungerners thue als strafen, wie 
er solches nur aus wahrer liebe und um des gewißens willen 
verrichte, auch lediglich ihre beßerung, keines weges aber ihr ver- » 
derben dadurch zu befordern suche. Die drey leztbenannten 
höchsten stuffen der schulstrafen aber bleiben billig dem erkennt- 
niße und der verfügung des scholarchats oder des schulsenats 
ausgesegt. | 
4 EN 
Daß die jugend sich in ansehung ihres leibes und der klei- 
dung reinlich halten und in ansehung der sitten und geberden 
manierlich werde, gehöret mit zu denjenigen dingen, worauf bey 
der erziehung der jugend in einer öffentlichen schule allerdings 
mit gesehen werden muß. Wie nun der conduiten-maitre die er- » 
forderliche anweisung dazu gibt, also haben die sämmtlichen 
lehrer in allen schulen und claßen dahin zu sehen, daß ihre unter- 
gebene, so lange sie unter ihrer aufsicht sind, den wohlstand 
beobachten. Sie müßen acht darauf haben, daß ihre schüler 
reinlich und ordentlich angezogen zur schule kommen, wärend 4 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 387- 


der schule keine ungesittete stellungen und geberden annehmen 
und in ihren reden und handlungen sich jederzeit aller ehr- 
erbietigkeit und höflichkeit befleißigen. Und wie viel können 
hiebey eine beständige aufsicht und ein unverändertes wieder- 
s holen einerley erinnerungen und die öfftere vorstellung, daß ein 
reinliches kleid, ein gerader rücken, ein guter anstand und höf- 
liche manieren nicht nur einen großen einfluß in die gesundheit 
haben, sondern auch dazu dienen, daß man sich bey seines glei- 
chen, wie auch höhern persohnen, künftighin beliebt und gefällig 
ıo mache, nicht ausrichten! 


5 
Die anwendung der erwehnten mittel, um den fleiß und die 
aufmercksamkeit in den schulen zu erwecken und zu erhalten, 
der bosheit zu steuren und zu wehren und die reinlichkeit und 
ıs guten manieren der jugend zu betördern, wird billig der weisheit 
und klugheit eines jeden lehrers überlaßen. Wie viel gutes aber 
wird nicht der lehrer bei einer vernünfftigen und klugen anwen- 
dung obiger mittel stiften, welcher bey seinen untergebenen sich 
hochachtung und liebe und den ruhm zu erwerben weiß, daß er 
» ein freundlicher und leutseliger und für ihr wahres beste be- 
sorgter mann sey; daneben ist auch wol so viel gewiß, daß eine 
gute schulzucht keines weges so sauer, so mühsam und so be- 
schwerlich sey als mancher sichs wol einbildet. Wenn nur ein 
lehrer durch gelehrsamkeit und treue, durch unermüdeten fleiß 
» und guten wandel sich bey seinen scholaren in gebührendes an- 
sehen zu setzen weiß; wann er durch freundlichkeit und sanft- 
muth und übersehung leichter fehler die herzen, die liebe und 
zuneigung derselben gewinnen kan; wann er den kunstgriff, das 
herz seiner untergebenen aus den grundsätzen der christlichen 
3 religion und aus den ehemaligen erfahrungen bey der bey ihm 
selbst vorgegangenen sinnesänderung zu beßern, verstehet; wenn 
er gelernet hat die gemüther der kinder zu erforschen, das eine 
von dem andern zu unterscheiden und sich nach eines jeden kin- 
des gedenckungsart und neigung zu richten; wenn er allenthalhen 
3 vernünfftige und nachdrückliche vorstellungen thun und nicht ohne 
dergleichen, und niemahls im affecte, drohen oder strafen wird: 
so werden seine scholaren ihm nicht nur alle ehrerbietigkeit, liebe 
und folgsamkeit erweisen, sondern es wird auch ein bloßer winck 
oder eine bloße miene von ihm mehr ausrichten als bey andern 
25* 





388 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


die scheltworte und schläge derer, die solches nicht wißen und 
können. 
6 
Damit die zerfallene schulzucht desto mehr wieder aufge- 


richtet und in gang gebracht werde, so soll kein schüler anders s 


als mit einem testimonio scholastico versehen auf universitaeten 
dimittiret werden. Derrector ertheilet solches nach seinem besten 
wißen und gewißen und bestärcket es durch seines namens unter- 
schrifft und beygedrucktes siegel. Die völlige gültigkeit aber er- 
hält es von dem scholerchat oder schulsenate, der, wenn er nichts 
dabey zu erinnern findet, es aufs neue unterschreibet und unter- 
siegelt. Und damit dies zeugniß, wenn es auch gleich verlohren 
würde, dennoch wieder zu haben sey, so soll daßelbe verbotenus 
bey der registratur des schularchivs beybehalten werden. Bey 
vergebung eines landschafftlichen oder braunschweigischen sti- 
pendii und der künftigen beforderung eines in einer schule er- 
zogenen candidati soll nicht nur nach diesem schulzeugniß ge- 
fraget, sondern auch vorzüglich respectiret werden, also und der- 
gestalt, daß, wenn zween competenten zu einem stipendio oder 
zu einem dienste vorhanden sind, welche qualitaeten haben, 
derjenige gleichwol den vorzug haben soll, welcher unter andern 
guten testimoniis das beste testimonium scholasticum aufzuweisen 
hat. Derjenige candidatus aber, der in Braunschweig die schulen 
frequentiret hat und ein solches testimonium scholasticum weder 
aufweisen noch beybringen kan, soll so wenig zu einem stipendio 
als öffentlichen amte zugelaßen werden, es wäre dann daß er die 
vergehungen seiner jugend durch das nachfolgende gute betra- 
gen wiederum völlig eingebracht und ersetzet hätte. Wird nun 
den scholaren zu gemüthe geführet, sie mögten sich ja eines 
guten zeugnißes würdig machen, sintemahl ihre künftige glück- 
seeligkeit davon abhange, so wird solche vorstellung hoffentlich 
einen nicht geringen eindruck in ihr gemüth machen und ihnen 
zu einem riegel wieder allen unfleiß und alle ausschweiffungen 
dienen. Diejenigen, welche die schule eigenmächtiger weise ver- 
laßen und sich absque consensu des schulsenats vor der zeit nach 
universitaeten begeben, haben sich keines weges eines testimonii 
scholastici zu erfreuen. 


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20 


35 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 389 


Sect. IX. 
VON DEM SCHULAERARIO. 


1 
Damit die bey den schulanstalten vorfallende ausgaben desto 
s beßer bestritten werden können, so soll ein besonderes schulae- 
rarıum, doch ohne jemandes nachtheil, errichtet werden, in welches 
alles dasjenige zusammen fließen soll, was aus der fürstl. cammer 
und der clostercaße, wie auch von den hiesigen stadtkirchen und 
der currende, nicht weniger von hochzeiten und leichen, imgleichen 
ı von den privatstunden, öffentlichem schulgelde, introductionen, 
versetzungen und sonst für lehrer und schüler in den beyden 
gymnasiis, in der nächst eingehenden Aegidienschule und in den 
beyden schreib- und rechenschulen bis dahin aufgenommen oder 
bezahlet worden ist. 
15 2 
Diejenigen ausgaben, welche künfftig aus diesem aerario 
bestritten werden sollen, erstrecken sich keines weges auf das im 
winter für die schulen erforderliche brennholtz, noch auch auf 
den bau und die nöthigen reparaturen des schulgebäudes und der 
z übrigen zu der schule gehörigen häuser, sondern diese benamten 
ausgaben sollen nach wie vor auf erforderung und nach dem 
gutachten der scholarchen oder des schulsenats aus denjenigen 
caßen erfolgen, aus denen sie bis dahin erfolget sind. Aus dem 
schulaerario sollen hingegen die salaria der schullehrer, der custo- 
3 dum und des schulvogtes, die kosten zum ‘drucke der lections- 
catalogorum, die alle halbe jahre auszutheilende praemia, die compe- 
tenzen für die concertisten und für arme schüler, und was sonst 
noch hieher gerechnet werden mag und zur verbeßerung des 
schulwesens dienet, bezahlet werden. 


30 3 
Die administration dieser schulcaße wäre wol einem manne 
unter dem titel eines registratoris oder caßiers zu übertragen, 
welcher mit hof hier angeseßen wäre, damit man wegen der ihm 
anzuvertrauenden gelder sicherheit hätte. Vor dem antritte seines 
3 amts würde er über die von dem scholarchat oder schulsenat 
ihm zu ertheilende instruction vor dem geistlichen gerichte in 
eyd und pflicht zu nehmen seyn, wenn es nicht etwa convenabler 
gefunden werden sollte, daß solches vor dem schulsenate geschehe. 





390 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Sein amt würde hauptsächlich darin bestehen, daß er wie ein 
anderer rechnungsführer die einkommenden gelder aufnähme und 
die ihm auszuzahlen angewiesene gelder auszalete, nicht weniger 
über einnahme und ausgabe nach dem ihm vorzulegenden modelle 
richtige rechnung führete und solche jährlich ablegete. Da die 
arbeit wegen des schulaerarii ihn nicht genug beschältiget, auch 
für das schulaerarium es eine gar zu starcke ausgabe seyn würde, 
wenn er daraus ein salarium erhalten solte, wovon er nothdürfftig 
zu leben vermögte: so könte er zugleich auch als revisor, und 
zwar quoad calculum, bey den hiesigen stadtkirchen constituiret ıw 
und ihm nach proportion der arbeit bey einer jeden kirche etwas 
gewißes ausgesetzet, mithin ein zureichendes salarium ausgemachet 
werden, welches theils von den kirchen, theils aus dem schul- 
aerario zu bezalen wäre, Daß das amt eines kirchenrevisoris quoad 
calculum etwas neues sey, ist freylich an dem; aber es wird dieser ı> 
umstand bey gegenwärtiger sache hoffentlich von keiner erheb- 
lichkeit seyn, da die von diesem amte zu erwartende vortheile 
so augenscheinlich sind. Diejenigen, welche die rechnungen bey 
den stadtkirchen abnehmen müßen, sind schon außerdem mit 
arbeiten sattsam belästiget. Müßen sie nun bey der abnahme » 
der kirchenrechnungen den weitläufftigen calculum nachsehen, 
so nimmt ihnen dies viel zeit weg, und es wird dadurch die ab- 
nahme der kirchenrechnungen nicht selten über die gebühr auf- 
gehalten, zu geschweigen daß sie bey der eile und bey den 
vielen zerstreungen, unter welchen sie diese rechnungen nach- 3 
sehen müßen, manchen fehler übersehen. Würde aber ein revisor 
ad calculum bey den kirchen bestellet, so würde jenen mit arbeit 
schon überhäuften männern, welche die rechnungen abnehmen 
müßen, nicht nur die arbeit um ein großes erleichtert, sondern 
auch dadurch allen bisherigen mängeln auf einmal abhelfliche » 
maaße geschaffet. 


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4 

Das oberprovisorat bey dem schulaerario ist dem scholarchat 
oder schulsenat anvertrauet, und darf ohne deßelben, und in casu 
necessitatis, oder wenn daßelbe nicht zusammen kommen sollte, ss 
ohne des directoris vorwißen der administrator nicht das geringste 
aus dem schulaerario auszalen, wie er denn auch alle jahre seine 
rechnungen vor diesem schulsenate abzulegen und von demselben 
die unterschreibung und quitung zu erwarten hat. 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 391 


Sect. X. 
VON DEM CUSTODE UND DEM SCHULVOGTE. 


1 
Damit es nicht an nötiger aufwartung bey der schule fehlen 
s möge, so soll an statt des bisherigen calefactoris ein custos ange- 
nommen werden, und diejenigen dienste, welche bisher die cur- 
rendaner geleistet haben, soll künftig der schulvoigt verrichten. 


2 

Der custos wird aus den schülern genommen und von dem 

ıv rectore bestellet. Seine verrichtungen bestehen darin, daß er die 
schule auf und zuschließe, daß er bey dem zuschließen der 
claßen nachsehe, ob auch jemand von den schülern etwas habe liegen 
laßen, und im falle solches geschehen, solches in verwahrung 
nehme und an den eigenthümer wieder ausliefere, daß er mit 
ıs den currendenknaben wöchentlich eine und die andere singe- 
stunde halte, daß er für den rector ausgehe, wenn derselbe in 
schulangelegenheiten auszuschicken hat, daß er lections-catalogos 
umher trage, daß er, wenn ein actus oratorius gehalten werden 
soll, die jungen redner nach den häusern derer begleite, welche 
au sie invitiren wollen, und ihnen die programmata tragen helfe, 
daß er im nothfalle einen ordentlichen praecentorem mit dem 
choralsingen in der kirche sublevire, daß er bey den öffentlichen 
examinibus dasjenige verrichte, was bisher den calefactoribus ob- 
gelegen, und kurtz, daß er dasjenige thue, wozu er von dem schol- 
ss archat und dem rectore angewiesen wird. Dagegen bekommt er aus 
dem schulaerario nicht nur die ihm aus der currendecaße alle 14 tage 
ausgeworfene 18 mgr., sondern auch diejenige competenz, welche er 
sonst von den schülergeldern gehabt hat, wie er denn auch überdem 
von aller ausgabe in ansehung des schulgeldes befreyet seyn soll. 


N) 3 
Zum schulvogte wird ein armer, aber doch christlicher und 
ehrlicher bürger von den scholarchen bestelle. Sein amt bestehet 
in folgendem: Er muß wöchentlich 2 mal den schulhof und die 
claßen auskehren, die untersten lehrer mit stecken und ruthen 
» versehen, wärend den schulstunden je zuweilen einher gehen und 
acht geben, ob er muthwillige knaben antreffe, und solche, wenn 
sie sich über die gebühr draußen aufhalten, in die claßen treiben. 





392 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Er muß das im sommer erkaufte holtz annehmen, es sägen, 
spalten und in seinen gehörigen ort bringen. Er muß daßelbe 
im winter vor die ofen tragen und damit einheizen, er muß die 
currendenknaben bey ihrem umsingen auf den gaßen begleiten 
und genau achtung geben, daß sie keinen muthwillen treiben, s 
sondern ordentlich gehen und ordentlich singen. Er muß die- 
jenige büchse, welche zum einsammlen gebraucht wird, nach ge- 
schehenem umsingen zu sich nehmen und sie an den administra- 
tor oder cassierer des schulaerarii liefern. Er muß bey den öffent- 
lichen examinibus, actibus oratoriis und andern dergleichen schul- ıo 
feyerlichkeiten den custodibus zur hand gehen und allenthalben 
die äußerliche stille und ruhe besorgen; wie denn auch, wenn 
ein böser bube auf eine recht empfindliche art zu strafen wäre, 
durch ihn geschehen soll. Den lohn, welchen er dafür zu er- 
warten hat, erhebet er aus dem schulaerario. Mit der zeit könnte ı: 
vielleicht auch dafür gesorget werden, daß er eine kleine wohnung 
auf dem schulhofe bekäme. 


Sect. XI. 


VON DEN PFLICHTEN DER ELTERN UND DERER, 
WELCHE AN IHRER STATT GEORDNET SIND, 20 
WIE AUCH VON DEN HAUSLEHRERN. 


1 

Soll in der schule etwas fruchtbarliches so wol in ansehung 
der unterweisung als in betracht der zucht bey der jugend aus- 
gerichtet werden, so ist nichts nothwendiger, als daß durch eine 3s 
gute erziehung zu hause ein guter grund dazu geleget und als- 
dann auf diesem guten grund ferner fortgebauet werde. Mithin 
muß zwischen der erziehung der jugend in der schule und zwischen 
ihrer erziehung im hause die allergenaueste harmonie seyn und 
nicht hier niedergerißen werden, was dort gebauet ist. N) 


2 

Da das gebet des gerechten viel vermag und beyspiele und 
exempel einen starcken eindruck in die gemüther junger kinder 
haben, auch zur beßerung ihres herzens nichts vortheilhaffter ist 
als wenn man ihnen in zeiten die ersten gründe der christlichen ss 
religion aus dem worte Gottes beybringet: so bestehen die ersten 
und wichtigsten pflichten der eltern und aller derer, welche an 
ihrer statt geordnet sind, gegen ihre kinder und pflegebefohlne 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 393 





darinnen, daß sie herzlich und unabläßig für sie zu Gott beten, 
ferner, daß sie sich allenthalben eines gottseeligen wandels be- 
fleißigen und ihren kindern und pflegbefohlnen in geberden, 
worten und wercken mit einem guten exempel vorleuchten, und 
s endlich, daß sie ihnen so fort von jugend auf das wort Gottes 
bey allen gelegenheiten auf das eifrigste einschärfen, sie von 
dem daseyn, von der allwißenheit, allgegenwart, allmacht, hei- 
ligkeit und gerechtigkeit und den übrigen eigenschafften Gottes 
nach ihren begriffen zu überzeugen und sie auf die gebote* des 
ı Herren als die einige regel und richtschnur ihres thuns fleißig zu 
verweisen suchen. Je eifriger und fleißiger sich eltern und vor- 
münder in der anwendung dieser ınittel beweisen werden, je 
größer wird auch der segen Gottes seyn, der ihr bemühen krö- 
nen wird. 
15 3 
Es lieget aber den eltern und vormündern außer dem ge- 
brauch und der fleißigen anwendung benamter geistlichen mittel in 
absicht auf die gute erziehung ihrer kinder und pflegbefohlnen auch 
dieses ob, daß sie ihre kinder überdem und durch noch ander- 
au weitige natürliche und sittliche mittel vor allem ärgerniße be- 
wahren, ihre böse neigungen und die daher entstehende unarten 


in zeiten zu bekämpfen und dagegen sie zu allem guten anzu- 
führen suchen. 


nn — mn 





4 
25 Vor verführung und ärgerniß werden sie die kinder nicht 
beßer verwahren können, als wenn sie solche so viel möglich 
von aller bösen und verführerischen gesellschafft abhalten, damit 
sie solcher gestalt desto weniger böses hören und sehen; wenn 
sie den kindern keinen umgang mit andern kindern als unter 
»o ihrer aufsicht verstatten; wenn sie auf die gewöhnlichen reden 
derselben acht geben und nachfragen, wo sie solche gehöret, und 
sie nach einer liebreichen bestrafung dabey ermahnen sich ja zu 
keiner niederträchtlichen gedenckungsart verführen zu laßen; wenn 
sie je zuweilen und unvermerckt der kinder sachen nachsehen und 
3 untersuchen, ob sie auch ärgerliche bücher und gemälde darunter 
finden; wenn sie den kindern alle gelegenheiten abschneiden 
dergleichen zu sehen und in die hände zu bekommen; wenn sie die 
kinder zur fleißigen verrichtung ihrer berufsgeschäfte anstrengen 
und dadurch so viel möglich gelegenheit und zeit benehmen 

o böses zu gedencken und zu thun. 


394 Monumenta Germaniae paedagogica I 


5 

Die bösen neigungen und begierden, welche bey der jugend 
zu bekämpfen und nach und nach zu unterdrücken sind, sind das 
gar zu heftige verlangen nach einer sache, der hochmuth, die 
eitelkeit, die bosheit sammt dem eigensinne und ungehorsahme, 
die faulheit und die verstellung. Diese neigungen laßen sich 
nicht beßer als in ihrer ersten geburth ersticken, und wann die 
kinder noch zart und jung sind. Man gebe und gewähre den 
kindern nicht gleich eine sache, wonach sie so heftig verlangen ; 
man gebe und gewähre sie ihnen vielmehr zu einer andern zeit, ıw 
da sie nicht einmal darum bitten, und gewöhne sie überhaupt 
zur zufriedenheit. Man stelle ihnen die thorheit des hochmuths 
zum öftern vor. Man kleide sie zwar reinlich, aber nicht prächtig, 
und bemühe sich sie zu überzeugen, daß man durch ein köst- 
liches kleid und durch stoltze mienen und geberden so wenig an sich ıs 
selbst alsin den augen anderer vernünfftiger und angesehener leute 
groß werde, sondern daß dies lediglich durch wißenschafften und tu- 
genden, und unter diesen insonderheit durch sittsamkeit und demuth 
geschehen könne. Man breche in zeiten den eigensinn und das 
boshaffte und ungehorsame hertz durch ruthe und durch hunger. zv 
Man wiederhole diese strafen so offt, so lange und mit der größe- 
sten strenge, bis die kinder folgsam geworden sind. Man führe 
die kinder von der zartesten jugend an zur arbeit, aber dergestalt 
an, daß es spielend geschehe und die arbeit ihnen mehr zur lust 
als zur last gereiche. Man schicke sie frühzeitig zur schule und 3; 
behalte sie ohne noth niemals zu hause, damit sie des arbeitens 
gewohnet werden. Man erwecke ihren fleiß durch freundliches 
zureden, durch einige ihnen von zeit zu zeit zu ertheilende geringe 
geschencke, durch vorstellung anderer fleißiger kinder und der schänd- 
lichkeit und schädlichkeit des unfleißes, und gehe ihnen selbst mit zu 
einem guten exempel durch fleißige abwartung seiner berufsgeschäffte 
vor. Man suche dadurch der verstellung einhalt zu thun, daß man, 
wepn ein kind aus unvorsichtigkeit einen schaden verursachet 
oder einen fehltritt begangen hat, nicht so gleich auf daßelbe 
losstürme, es über die gebühr schelte oder gar schlage, und mit- » 
hin auf die künftigen fälle zum lügen gewöhne. Man suche 
‘das hertz der kinder von jugend auf in händen zu behalten. Man 
gewöhne sie, wie zur ehrerbietigkeit, also auch zur anständigen 
vertraulichkeit im täglichen umgange mit ihnen und bestrafe 
ihre fehler, so bald sie solche willig bekennen, nie anders als « 


u 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 395 


mit freundlichkeit und sanftmnth. Bey verstellten kranckheiten 
laße man sie nicht aus dem bette gehen und gebe ihnen nur 
etwas suppe, so wird sich die verstellung bald geben. Im falle 
sie aber würcklich kranck seyn solten, kan ihnen dies im anfange 

s der kranckheit so wenig schaden, daß es ihnen vielmehr zum vor- 
theile gereichet. Damit sich mit dem zunehmen der jahre nicht 
gewiße leidenschaften, welche sich bey den jünglingen gemeinig- 
lich zu äußern pflegen, bey den kindern einschleichen, so muß 
man nunmehro die aufsicht auf dieselben verdoppeln und 

ı den ausschweifungen der erwachsenen jugend überhaupt nicht 
so wol durch schläge als durch vernünftige vorstellungen 
und durch bezeugung seines äußersten haßes und unwillens 
gegen das böse vorzubeugen suchen. 


6 
15 Das gute, wozu die kinder von jugend auf unter der auf- 
sicht der eltern anzugewöhnen sind, ist zwar seinen besondern 
stücken nach auch von einem sehr großen umfange; es läßet sich 
aber ohne mühe alles das, so dahin gehöret, auf dies dreyfache, nem- 
lich auf die aufklärung des verstandes, auf die verbeßerung des 
» willens und der äußern sitten, bringen. Man muß sich bemühen 
den kindern von jugend auf einen begriff von Gott, der reli- 
gion, der tugend und den pflichten, welche man Gott, sich 
selbst und den nächsten schuldig ist, wie auch von andern 
natürlichen dingen zu machen; man muß sie gewöhnen fleißig 
3; zu fragen, und alsdann nie ermüden ihre fragen anzuhören und 
solche nach dem vermögen, so Gott dargereicht hat, deutlich und 
gründlich zu beantworten. Man muß nie anders als mit der 
größesten ehrfurcht von Gott reden und in den ausübungen des 
christenthums eifrig und fleißig sich bezeugen, um solcher gestalt 
3 der jugend mit worten und wercken eine wahre ehrfurcht vor 
Gott und,liebe zur religion einzuprägen. Man muß ihr die tugend 
unter lauter guten bildern und nach ihren herrlichen früchten 
vorstellen, um sie ihnen dadurch angenehm zu machen, hingegen 
aber die laster nach ihrer häßlichkeit und traurigen folgen schil- 
3; dern, um dadurch einen has wieder dieselben bey ihnen zu er- 
wecken. Man muß daneben die kinder zum gebet und zur thä- 
tigen ausübung des christenthums fleißig anführen. Nicht weniger 
gebe man acht darauf, daß sie sich reinlich am leibe- und in 
ı0 kleidern halten, daß sie eine gute stellung des leibes annehmen, 





396 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


daß sie ernsthafft, bescheiden, höflich, schamhafftig und demütig 
in worten und wercken sich erweisen, daß sie ordentlich und be- 
dachtsam, wie im reden, also auch in ihren übrigen handlungen, 
sich betragen, daß sie zu hause fleißig sind und sich auf die 
schulstunden vorbereiten, daß sie ihre studierstube, ihre bücher und 
andern sachen reinlich und ordentlich halten, u. s. f. 


2) 


7 

In so ferne ihre kinder die öffentlichen schulen besuchen, 
müßen sie bey dem lehrer, bey welchen sie gehen, es so offt ent- 
schuldigen laßen als es nöthig ist, daß ihre kinder zu hause bleiben, ı 
und in daferne sie ihre pflicht versäumen, es nicht übel nehmen, 
wenn der lehrer nach der ursache fragen läßet, warum ihre kinder 
die schule nicht besuchet haben. Haben sie ihre kinder lieb, so 
werden sie ihnen keine unnöthige reisen verstatten und noch viel 
weniger erlauben, daß sie um einer geringen ursache willen aus ıs 
der schule bleiben dürfen, weil alle versäumung der schulstunden 
der jugend sehr schädlich ist. Am wenigsten werden sie den 
klagen der kinder über eine scharfe schulzucht beyfall geben und 
sie um solches klagens willen so fort aus der schule behalten, 
sondern wegen des vorgegangenen vielmehr bey dem lehrer selbst, »0 
wiewol ohne alles ungestüm und mit sanfftmuth und bescheiden- 
heit, nachfrage anstellen, da denn vernünfftige eltern bald sehen 
werden, ob die kinder ihnen die wahrheit gesaget, oder ob sie 
falsche dinge angegeben, um ihre absicht zu erreichen und den 
lehrer zu verunglimpfen. Finden sie aber gegründete ursachen :; 
sich über den lehrer zu beschweren, so wißen sie aus dem vor- 
hergehenden, wohin sie sich mit ihrer anklage zu wenden haben. 
So bald sie ihre kinder in eine öffentliche schule schicken, so 
bald unterwerfen sie sich auch den schulgesetzen; mithin stehet 
es nicht in ihrer gewalt einem lehrer in betracht ihrer kinder » 
gewiße besondere gesetze vorzuschreiben oder sonst eine ausnahme 
zu machen, z.e. daß der lehrer sie so und so tractiren und diese 
oder jene lection mit ihnen vornehmen solle oder nicht. Auch 
werden sie vergeblich erwarten, daß die translocation ihrer kinder 
nach ihrer wülkühr werde vorgenommen werden, indem dieselbe a 
nicht anders als nach dem besten willen und gewißen der auf- 
seher geschehen soll. Sie werden aber wohl thun, wenn sie ihren 
kindern so viel liebe und hochachtung gegen ihre schullehrer ein- 
flößen als nur möglich ist. 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 397 








8 

Wenn wohlhabende eltern sich entschließen solten bey 

ihre kinder privat-informatores zu nehmen, oder wenn ein von 
universitaeten gekommener candidat einige kinder auf seiner 
sstube besonders informiren wollte, so soll ihnen solches ge- 
stattet seyn. Weil aber die verbeßerung des schulwesens nicht 
zu erreichen stehet, daferne ein oder andere persohnen zusammen 
treten, sich nach eigenem gefallen privat-informatores, an deren 
geschicklichkeit oft viel auszusetzen, ausmachen und auf solche 
ıo weise gleichsam besondere schulen errichten: so ist billig den- 
jenigen eltern, welchen zum unterrichte ihrer kinder zwar eigene 
privat-informatores zu halten, auch zur erleichterung der kosten 
ein und anders kind mit aufzunehmen gestattet wird, ziel und 
maaße zu setzen, die sie in ansehung der anzal der kinder nicht 
ıs überschreiten dürfen. Es wird diesem nach die anzal der zusammen 
kommenden kinder hiedurch auf 6 determiniret, und ist von den 
inspectoribus der schulen genau darauf zu sehen, daß diese anzahl 
nicht überschritten werde, gestalten sie schon durch die unterm 
12. Febr. 1754 an das geistliche gericht ergangene verordnung 
»o gnädigst befehliget sind solche privatschulen zu visitiren, auf 
die lehrart der informatorum und die anzal der kinder acht zu 
geben und genau zu bemercken, ob und wie etwa wieder die 


schulordnung gehandelt werde. 


9 
Pr Solten andere vermögende eltern, welche ihre kinder in die 
öffentliche schule schicken, zum besten derselben freywillig sich 
entschließen einen schüler aus dem einen und dem andern gymnasio 
als praeceptorem bey ihren kindern in ihre häuser auf gewiße 
bedingungen aufzunehmen oder auch um des unterrichts ihrer 
» kinder willen täglich einige stunden zu sich in das haus kommen 
zu laßen, so haben sie sich bey den rectoribus zu melden; diese 
aber sollen ihnen dazu geschickte, wohlerzogene, ehrbare, fromme 
und fleißige schüler vorschlagen, wie ihnen denn auch frey stehet 
vermögenden bürgern und vornehmen einwohnern der stadt, von 
3 welchen sie glauben, daß sie solcher bedürfen, dergleichen von 
freyen stücken anzubieten. Die vornehmsten pflichten der haus- 
praeceptorum von dieser lezten gattung aber bestehen darin: Sie 
sorgen nebst den eltern dafür, daß ihre untergebenen zu der zeit, 
wenn die schule angehet, bereits in guter ordnung sind, sie ver- 


398 Monumenta Germaniae paedagogica 1 








richten darauf mit ihnen ein kurzes gebet, führen sie so dann mit 
sich in die schule und bringen sie aus derselben wieder zu hause. 
Im hause informiren sie dieselben nach der ihnen gegebenen vor- 
schrifft so viel stunden als die eltern mit ihnen accordiret haben. 
Sie halten auch, wenn sie bey den eltern im hause wohnen, des 5 
abends eine kurtze betstunde mit den kindern. Außer diesen 
stunden sehen sie auch noch sonst auf die kinder, zumahl wenn die 
eltern nicht zu hause sind, und laßen es sich äußerst angelegen 
seyn das erkenntniß ihrer untergebenen zu vermehren und ihre 
sitten zu beßern. Gegen den rectorem, welcher ihnen ein hospi- ıo 
tium ausgemachet hat, beweisen sie sich durch die that erkennt- 
lich und geben ihm dasjenige, was von alters her in solchem 
falle gebräuchlich gewesen. Sie dürfen auch ihr hospitium nicht 
eigenmächtig verändern, sondern sind verpflichtet des rectoris 
rath und meinung darüber zuvor zu vernehmen, und wie die eltern ss 
schuldig sind diesen haus-praeceptoren ein vierteljahr vorher das 
hospitium aufzukündigen, wann sie solche nicht länger behalten 
wollen, also müßen diese, wenn sie trieftige ursachen hätten ihr 
hospitinum zu verändern, ein gleiches thun. 


Sectio XII. 20 
VON DEM ZU ERRICHTENDEN SEMINARIO PHILOLOGICO. 


Was deswegen bereits gedacht und unterm 21" März 1755 
unterthänigst vorgestellet worden, solches ergiebet das angebogene 
pro memoria mit mehrerem. 


Unterthäniges pro memoria die errichtung eines 2 
seminarii philologici betreffend. 


Wie nothwendig die errichtung eines solchen seminarii auch 
in diesen landen sey, da diejenigen leute, welche auf schulwißen- 
schafften sich legen, so selten sind, und was vor gesegnete folgen 
dergleichen seminarium ins künftige bey ersetzung der schul- » 
dienste in den lateinischen schulen haben werde, darf ich in 
betracht der erleuchteten und weitläufftigen einsichten deßen, | 
welchem ich dieses unterthänig vorlege, nicht mühsam erweisen. 
Ich mache nur den einzigen schluß: Ist es für rathsam befunden | 
seminaria zur erziehung deutscher schulmeister anzulegen, so ist s; | 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 39 399 





es ohnstreitig nötig und gut, ja noch ungleich nötiger und beßer, 
daß auch seminaria philologica angerichtet werden. 

Es kömmt nur darauf an, daß es auf eine leichte, zuläng- 
liche und nicht zu kostbare weise geschehe. Und vielleicht geben 

s meine geringen gedancken denen, welche mehrere einsichten und 
ein reiferes urtheil haben, gelegenheit zu weiteren überlegungen. 
Irre ich nun nicht, so wird zur aufrichtung eines solchen semi- 
narli erfordert, erstlich daß man seminaristen habe, und zweytens 
daß man gute seminaristen habe. Beydes aber dürffte vielleicht 

ıo durch folgende mittel und wege zu stande zu bringen seyn. 

Damit man seminaristen bekäme, so müsten diejenigen, 
welche stipendia begehrten, sich, wie es ehedem alhier durch- 
gängig der gebrauch gewesen, und wie es auch noch gegenwärtig 
bey den landschafftlichen stipendiis geschiehet, schrifftlich, unter 
ıs der caution dieses oder jenes angesehenen mannes, reversiren, 
daß sie auf erfordern nach vollendeten studiis academicis, wie 
der kirchen, also auch den hiesigen schulen vorzüglich ihre dienste 
widmen, wiedrigenfalls aber die summe des stipendii, welches sie 
empfangen, von ihren entweder bereits habenden oder auch 

» künftig noch zu hoffenden gütern wiederum erstatten wolten. 
Vielleicht dürften sich auch einige freywillig und von selbst 
angeben, wenn man ihnen zum voraus die sichere hoffnung einer 
baldigen und guten beförderung machen könte, wann sie sich 
auf gehörige weise hervor thun würden. 

25 Damit manaber gute seminaristen erhielte, so würde 
wohl ein zwiefaches dazu dienlich seyn. Es müsten nemlich einmal 
die fähigsten köpfe von den untersten claßen an von den auf- 
sehern der schule insbesondere in obacht genommen, und auf ihre 
zunehmende profectus von zeit zu zeit von einer claße zur andern 

» gemercket werden. Gesezt denn daß ein fähiger kopf die studia, 
wenn er bis in tertiam gekommen, aus mangel genugsamer hilfs- 
mittel verlaßen müste, so müste ihm unter der bedingung, daß 
er sich besonders auf schulwißenschaften legen solte, mit noth- 
dürftigem zuschuß unter die arme gegriffen werden. Dieser 

3» zuschuß dürfte in der zweiten claße nach vorkommenden um- 
ständen nur gering seyn, zumahl wenn die eltern noch lebeten, 
und könte entweder aus der reichen currendencaße, welche doch 
für arme schüler gestiftet ist, genommen werden, oder aber von 
denen alhier befindlichen stipendiis, wenn die fundationes von 

 Serenissimo dahin gnädigst suppliret würden, daß die stipendia, 








400 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


welche bisher nur auf drey jahr jemanden conferiret worden, in 
solchem falle auf sechs jahre, als drey jahre auf schulen und 
drey jahre auf universitaeten, verliehen werden solten, welches 
auch nach dem sinne verschiedener testatorum füglich geschehen 
könte. Auf der universitaet aber müste ihm vorzüglich ein frey- s 
tisch im convictorio angewiesen werden, und so würde hoffentlich 
ein armer seminariste versorget seyn. Bey einem andern aber, der 
dergleichen große beyhülfe nicht bedarf, könte der vorzügliche zu- 
gang zu dem einen oder anderen stipendio schon vieles ausrichten. 

Damit aber auch diese seminaristen nicht nur leiblich gut w 
versorget werden, sondern auch die zum lehren in der schule, 
insonderheit in den beyden obersten claßen, erforderliche geschick- 
lichkeit erlangen mögen, so ist unumgänglich nötig, daß sie erst- 
lich auf schulen und hernach auf universitaeten das dahin gehörige 
gebührend lernen. Auf schulen kan (dies geschehen, wenn sie ıs 
nach anweisung ihres schulephori sich zusammen thun und, sobald 
sie bis in selecttam gekommen, entweder vor ihr geld, oder in daferne 
dies ermangelt, durch zuschuß aus der currendencaße solche 
privat-collegia hören, welche zur beforderung dieses entzweckes 
zuträglich sind. Und auf gleiche weise muß es auch auf univer- zo 
sitaeten gehalten werden, als woselbst sie bey dem professore elo- 
quentise nach der fernern anweisung ihres bisherigen oder eines 
daselbst zu constituirenden ephori «ie ihnen nützliche collegia, 
sie mögen publice oder privatim gelesen werden, hören und da- 
neben von ihren profectibus wenigstens jährlich ein specimen »; 
beybringen müßen. Und kämen sie endlich wieder nach hause, 
so würden sie so bald als möglich, jedoch nach einer vorgängigen 
vierteljährigen anzeige, in arbeit gebracht und, nachdem sie sich 
hervor thäten, nachmals befordert. 

Hätte ich aber in dieser ganzen vorstellung mich nicht » 
deutlich genug erkläret, so wiederhole ich in unterthänigkeit und 
mit kurzen den inhalt meines ganzen aufsatzes und sage: Wenn 
die stipendia und daneben ein zuschuß aus der currendencaße 
zu praemiis für diejenigen angewandt wird, welche sich vor andern 
dem studio philologico oder dem studio humaniorum literarum ss 
widmen, so haben wir alhie ein seminarium philologicum, deßen 
einrichtung nicht viel kosten und deßen einfluß in die verbeßerung 
des schulwesens gleichwol sehr beträchtlich seyn wird. 
Braunschweig, d. 21. März 1755. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 40 -401 


4 


Ordnung für das Collegium Carolinum. 
1774. 


ı 


NACHRICHT VON EINIGEN WICHTIGEN VERBESSE- 
RUNGEN DES FÜRSTLICHEN COLLEGII CAROLINI 
NEBST DER ANZEIGE DER VORLESUNGEN UND 
ÜBUNGEN WELCHE IM GEDACHTEN COLLEGIO 
5 ZU BRAUNSCHWEIG VON DER SOMMER- 
MESSE 1774 AN BIS ZUR WINTERMESSE 
1775 GEHALTEN WERDEN. 


Da wir im begriffe sind dem publico einen abermaligen plan 
derjenigen vorlesungen und übungen zu überliefern, mit welohen 
ıo wir uns in nächst bevorstehendem halben jahre unter göttlichem 
beystande zu beschäftigen entschlossen sind, werden wir zuvorderst 
durch dasjenige, was wir den weisesten und huldreichsten an- 
ordnungen des durchlauchtigsten stifters des Collegii aufs neue 
unterthänigst zu verdanken, auch deshalb demnächst anzuzeigen 
ı am schlusse des vorigen lections-ostalogi vorläufig versprochen 
haben, aufgefodert von den, mit beybehaltung der ersten wesent- 
lichen verfassung dieses fürstlichen instituti, nunmehr zu dessen 
beträchtlichen verbesserung gemachten veranstaltungen austühr- 
liche nachricht zu ertheilen. 

20 Es haben nämlich des Herzogs Durchlauchten nach höchst- 
deroselben "unermüdeten aufmerksamkeit und sorgfalt für das 
beste des Collegii überhaupt und dessen lehrer und studiosos 
insonderheit bereits im vorigen jahre eine commission zur unter- 
suchung des bisherigen zustandes des Collegii in allen seinen 

3; theilen gnädigst anzuordnen geruhet und aus den hiervon an 
höchstdieselben abgestatteten unterthänigsten berichten wahr- 
genommen, daß diesem instituto, welches den ruhm des ausge- 
breitetsten nutzens bisher zu behanpten das glück gehabt hat, 
noch mehrere vollkommenheit und zugleich dem publico auf 

sw verschiedene art ein merklicher vortheil verschaffet werden könne. 


Schulordnuungen der Stadt Brauuschweig 26 


402 Monumenta Germanise paedagogica 1 





——— — — -.-..- — nn. u [nn — m A 


Die hauptendzwecke der deshalb geschehenen und nach 
genauester prüfung von höchstgedachter Sr. Durchlaucht gnädigst: 
genehmigten vorschläge gehen dahin: 

1. Die lehrer des Collegii durch vestsetzung eines erhöheten 
und ihrem unterhalte völlig angemessenen gehalts eines theils 
aus der bisherigen nothwendigkeit zu setzen, durch überhäufung 
mit privat-lectionen den zu ihrem auskommen noch erforderlichen 
zuschuß zu erlangen, andern theils aber auch eben hierdurch das 
beste des Collegü für dieselben desto interessanter zu machen; 

2. eine merkliche verminderung in dem bisherigen aufwande 
der studirenden zu bewirken, in dieser absicht sowol 

3. die richtigste verwaltung der für dieselben bestimmten 
gelder, als auch 

4. eine möglichst sorgfältige und beständige aufsicht über 
dieselben apzuordnen, und 

5. ihnen im betracht der speisung, der wohnung ıc. noch 
mehrere bequemlichkeiten zu verschaffen. 

In dem sorgfältigstem augenmerke auf jetzt erwehnte zwecke 
sind folgende höchste veranstaltungen gemacht worden: 

Zuvorderst haben Serenissimus in dem betracht, daß die 
menge der privat-lectionen dem öffentlichen unterrichte nur gar 
zu leicht nachtheilig werde und die kosten der unterhaltung eines 
studiosi bisher so beträchtlich vergrössert habe, daß bloß die 
ansgabe für jene bey verschiedenen studiosis über 200, 300, auch 
400 rthir. jährlich hinaus gegangen sey, die bisherige verfassung 
in den privat-collegiis und exercitiis gänzlich aufzuheben und 
zu veranstalten gnädigst geruhet, daß künftig jeder studiosus 
ohne unterscheid nicht allein an allen öffentlichen vorlesungen 
und übungen antheil nehmen, sondern auch allen nach seinem 
bedürfnisse erforderlichen privat-unterricht, ohne dafür etwas be- 


‚sonders zu bezahlen, geniessen und sicher gewärtigen kann, daß 


solcher privat-uuterricht auf die von dessen nothwendigkeit den 
herren curatoribus des Collegii geschehene anzeige von denselben 
nach geprüften umständen sofort und auf die für die studirenden 
nützlichste art werde angeordnet werden. 

Zu ersetzung des hieraus entstehenden abgangs an den 
einkünften der lehrer haben höchstgedachte Se. Durchlaucht den- 
selben eine beträchtliche, sowol jenem abgange als auch ihrem 
unterhalte angemessene vergrösserung ihrer besoldungen zu er- 
teilen und zu deren zahlung die sichersten fonds zu bestimmen 


13 


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55 


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Schniordnungen der Stadt Braunschweig 40 403 





die gnade gehabt, die sämtlichen lehrer solches mit unterthänigster 
dankverehrung angenommen, und jeder derselben sich dagegen 
verpflichtet, den ihm von den herren curatoren des Collegii zu- 
getheilten privat-unterricht ohne den mindesten genuß eines 
s honorarii dafür zu übernehmen und solchem unterrichte ausser 
den gewöhnlichen öffentlichen lehr-stunden noch zehen stunden 
wöchentlich zu widmen. 

Da diese einrichtung von der diesjährigen hiesigen sommer- 

messe an ihren anfang nimt, so ist auch in deren gemäßheit 

ıo der privat-unterricht, welchen jeder lehrer für das nächstbevor- 
stehende halbe jahr zu ertheilen gesonnen ist, in dem gegenwär- 
tigen lections-catalogo aufgeführet worden. 

Eine andere auf höchsten befehl gemachte anordnung ist 

auf die vorhin ad num. 2 und 3 erwehnten zwecke gerichtet und 
ı» gehet besonders dahin, daß das von den eltern oder vormündern 
für jeden studiosum bestimmte jährliche geld-quantum auf die 
davon zu bestreitenden ausgaben ordentlich und zweckmäßig ver- 
theilet und wirklich verwendet werden möge. Der wesentliche 
inhalt dieser huldreichsten verordnung, welche uns in den stand 
90 setzet dem publico die versicherung ertheilen zu können, daß ein 
jJährlicher aufwand von 450 bis höchstens 500 rthlr. für einen 
studiosum auf dem Collegio vollkommen hinreichend sey, (wie 
denn auch die rechnungsbücher der hofmeister von vielen jahren 
beweisen, daß diese vestgesetzte summe wohl eher hinreichend 
„» gewesen,) bestehet in folgenden puncten: 

a) daß man die bestimmung einer grössern als vorgedachten 
summe für jedes jahr dem gutfinden der eltern oder vor- 
münder zwar lediglich überlasse, 

b) jedoch wünsche, daß eltern und vormünder nicht zu weit 

au hierüber hinausgehen und selbst zu einem unnöthigen 
aufwande. veranlassung geben mögen, hiernächst 

c) allemal unumgänglich nöthig sey, daß das auf jedes jahr 
destinirte quantum in !, jährigen ratis promt und richtig 
praenumerando hieher gesandt und entweder an die casse 

35 des Collegii oder an den hofmeister des studiosi gezahlet, 

d) den herren curatoren des Collegii die auf jedes jahr für 
den studiosum bestimmte summe und wie deren zahlung 
angeordnet worden, vor oder sogleich bey des studiosi 
hieherkunft von den eltern oder vormündern angezeiget; 

40 zugleich von diesen Ä 
Ir 








404 Monumenta Germanise paedagogica 1 


.-— Do 














. — 


e) ein auf des studiosi künftige bestimmung abzielender 
plan der ihm zu ertheilenden unterweisungen eingeliefert. 
oder ausdrücklich gemeldet werde, daß man 

f) die anordnung dieserhalb den herren euratoren gänzlich 
überlasse; worauf denn | 3 

g) sowohl im erstern als auch im letztern falle den eltern 
oder vormündern eine berechnung und ein plan, wie man 
das bestimmte jährliche geld-quantum auf die zu bestrei- 
tenden ausgaben zu vertheilen und zu verwenden ge- 
sonnen, unverzüglich zugefertiget, 10 

h) hiemit alljährlich fortgefahren, und 

ı) dahin, daß nach jenem plane so, wie er von den eltern 
oder vormündern genehmiget oder abgeändert worden, 
aufs genaueste verfahren und die vestgesetzte ausgabe 
ausser einem unvorherzusehendem und unvermeidlichem ı; 
nothfalle niemals überschritten werde, mit äusserster 
sorgfalt gesehen, auch deshalb 

k) die quartalige revision und monitur der geführten rech- 
nungen und rechnungsbücher niemals verabsäumet werden 
solle. 20 

So wie durch diese maaß-regeln eine richtige verwaltung der 
gelder sicher bewirket und zugleich unerlaubten geldausgaben am 
wirksamsten gesteuret wird: so haben Serenissimus auch in fer- 
nerer gnädigsten rücksicht auf letzteres und zur erreichung einer 
möglichst sorgfältigen und beständigen aufsicht über die studiosos =: 
eine einrichtung gnädigst zu treffen geruhet, welche dem publico 
nicht anders als angenehm und vortheilhaft seyn kann. 

Es hat nämlich bey der bisherigen verfassung in der abend- 
speisung nicht gänzlich verhütet werden können, daß nicht von 
einigen studiosis abend-mahlzeiten ausserhalb des Collegii und ohne 
beyseyn ihrer hofmeister genossen, und hierdurch nicht allein der 
jährliche aufwand merklich vergrössert, sondern auch zuweilen 
unordnungen veranlasset worden. Um beyden übeln abzuhelfen 
und für die sitten sowol als für die gesundheit der studirenden 
auf alle art bestmöglichst zu sorgen, ist nunmehr auf höchsten 3; 
befehl die abend-speisung solchergestalt eingerichtet worden, daß 
den studiosis ohne die mindeste verkürzung in der bisherigen 
verfassung der mittags-mahlzeiten des abends ein paar warme, leichte 
und zum abendessen schickliche gerichte werden gegeben, solche 
abend-mahlzeiten von hofmeistern und studiosis in den gewöhn- 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 40 405 


une 


lichen speisezimmern des Collegii gemeinschaftlich genossen und 
hiermit in nächst bevorstehenden halben jahre der anfang ge- 
macht werden. 

Durch gleiche gnädigste vorsorge und milde haben die zu 

» den vorlesungen und leibes-übungen, eben so wie die zur speisung 
und wohnung gewidmeten zimmer des Collegii in absicht der 
reinlichkeit, zierde und bequemlichkeit eine merkliche verbesserung 
erhalten. 

Die mit jenen veranstaltungen verknüpfte beträchtliche ver- 

ı grösserung des bisherigen kosten-aufwandes und die den studiren- 
den daraus erwachsende wichtige vortheile werden das publicum 
von der nothwendigkeit sowol als von der billigkeit einer er- 
höhung der bisherigen pensions-gelder und deren vestsetzung auf 
ein der wirklichen ausgabe zwar nicht völlig gleich, jedoch näher 

ıs als bisher kommendes quantum vollkommen überzeugen. Nach 
den dieserhalb auf die sorgfältigste und mäßigste art gemachten 
berechnungen haben des Herzogs Durchlauchten jene pensions- 
gelder solchergestalt gnädigst zu bestimmen geruhet, daß für 
jeden studiosum von der diesjährigen hiesigen sommer-messe an 

3 Jährlich: 

a) für die mittags- und abend-mahlzeiten, jene zu 4 und 
letztere zu 2 warmen gerichten, nebst getränke, wohnung, 
meubles, feurung, licht und aufwartung 150 rthir., und 

b) für alle und jede öffentliche und privat-vorlesungen und 

25 exercitia eins für alles gleichfalls 150 rthlr., folglich 

insgesamt: 

Drey hundert reichs-thaler an pistolen, a stück 5 thaler 
gerechnet, oder an hiesiger conventions-münze in quartaligen ratis 
praenumerando bezahlet werden. 

w Diese erhöhung, die mehr das ansehen einer erhöhung hat 
als wirklich eine solche ist, wird niemanden befremdlich seyn 
können, welcher von dem grossen aufwande, den akademische 
einrichtungen dieser art erfordern, und von den besonderen vor- 
zügen, welche das hiesige fürstliche institutum von so vielen an- 

3; dern auszeichnen, nur einige kenntniß besitzet, und sowol die 
unterhaltungs-kosten eines studiosi als auch die vortheile bey 
andern ähnlichen stiftungen mit denjenigen bey dem hiesigen 
Collegio in vergleichung setzet. 

Eben so wenig bedarf es einer ausführlichen berechnung, 

“um zu bemerken, daß der baare zuschuß, welchen des Herzogs 


406 Monumenta Germaniae paedagogica I 





Durchlauchten zur unterhaltung des Collegii für jedes jahr 
höchstwilligst gewidmet haben, sehr beträchtlich seyn müsse, und 
daß, da künftig ausser obbemeldeten pensions-geldern für einen 
studiosum nichts weiter zu verwenden übrig bleibet als dasjenige. 


was für desselben bücher, kleidung, wäsche, taschengeld, thee. : 


caffee, zucker, wein und erlaubte ergetzlichkeiten erforderlich ist, 
solches aber mit einem jährlichen aufwande von 150 bis höch- 
stens 200 rthir. bestritten werden kann, ein studiosus mit un- 
gleich wenigern kosten als bisher, nämlich mit 450 bis höchstens 
500 rthlr. jährlich, auf dem Collegio füglich unterhalten werden 
könne. 

Die sämtlichen lehrer des Collegii erkennen es für ihre 
heiligste pflicht, gegen die dem Collegio und ihnen abermals 
wiederfahrne höchste gnaden-bezeigungen fleiß und eifer zu ver- 


doppeln, damit die auf das beste der studirenden allein ab- ı. 


zweckende gnädigste absicht bestmöglichst erreicht werden möge. 
und sind mit dieser gesinnung entschlossen sich im nächst bevor- 
stehenden halben jahre mit folgenden vorlesungen und übungen 
zu beschäftigen. 


Der herr professor ordinarius Gärtner wird die moral von 
neuem in vier stunden vortragen und in einem jahre endigen, 
Er wird nach seiner gewöhnlichen methode seinen zuhören die 
vornehmsten grundsätze in die feder dietiren und sich dabey 
auch der Gellertischen vorlesungen bedienen, um bey dem unter- 
richte seiner zuhörer desto mehr eindruck auf ihr herz zu machen. 


In vier andern stunden wird derselbe über die brauchbarsten 
regeln der oratorie lesen und dieß collegium in einem halben 
jahre endigen. 


Den freunden der lateinischen dichtkunst wird er in 
zwo stunden aus Horazens satiren und episteln diejenigen 
kritisch erklären, welche wegen ihres moralischen inhalts für die 
jugend am nützlichsten sind. 

Bei seinem privat-unterricht bleiben wöchentlich acht stun- 
den zu verschiedenen ausarbeitungen in der deutschen sprache 
ausgesetzt. 

In zwo andern stunden wird er die moral repetiren. 

Der herr professor ordinarius Ebert wird in zwo stunden 
die anfangsgründe der griechischen, und in zwo andern die 
anfangsgründe der englischen sprache vortragen. 


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K 1) 


45 














Schulordnungen der Stadt Braunschweig 40 407 


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Den geübtern wird derselbe wöchentlich vier stunden einen 
englischen schriftsteller erklären. 

Mittwochs und sonnabends wird wird er in zwo stunden 
die griechische litteratur vortragen und einen griechischen 

s autor erklären. 

In seinen privat-unterweisungen bleiben wöchentlich 
sechs stunden zum unterricht der hier studirenden Engländer in 
der deutschen sprache bestimmt. 

Auch wird er in zwo privat-stunden die anfangsgründe 

wder englischen sprache vortragen oder einen englischen 
autor erklären. 

Der herr professor ordinarius Zachariä wird nach des 
Batteux cours de belles lettres die theorie der schönen 
wissenschaften wöchentlich in vier stunden vortragen, sich 

ıs dabey besonders über die regeln der dichtkunst ausbreiten und 
solche mit ausgesuchten stellen aus den besten ältern und neuern 
dichtern erläutern. 

In vier andern stunden wird derselbe ein sogenanntes 
zeitungs-collegium lesen. In diesem wird er jederzeit die 

w neuesten und interessantesten staatsbegebenheiten aus den öffent- 
lichen nachrichten anzeigen und zu noch besserer einsicht 
in dieselben das nöthige aus der geographie und staat» 
geschichte mit beybringen. 

Mittwochs und sonnabends trägt er die mythologie vor, 

» die er mit stellen aus Ovids metamorphosen und ausandern 
diehtern noch mehr zu erläutern suchen wird. 

Zu allen diesen vorlesungen bleiben bey gedachtem herrn 
protessor wöchentlich auch zehen privat-stunden ausgesetzt, die 
er auf verlangen nach den absichten und wünschen seiner zuhörer 

„einrichten wird. Er erbietet sich vornämlich bey denen zur an- 
leitung, die etwan durch eigne ausarbeitungen in dieser oder jener 
dichtungsart sich zu versuchen denken. 

Der herr professor ordinarius Schmid wird wöchentlich in 
vier stunden die wichtigsten religionswahrheiten vor- 

ss tragen. Er wird dabey das Glaubensbekenntniß des durch- 
lauchtigsten prinzen Leopold zum grunde legen und. wie 
bisher diese theologischen betrachtungen mit dem ablaufe des 
halben jahres beschliessen. 

In vier andern stunden wird derselbe seine zuhörer mit 

w einigen schwerern römischen schriftstellern beschäftigen. 





408 Monumenta Germaniae paedagogice I 


Er denkt in diesem halben jahre das sechste buch des Lucrez, 
den Octavius des Minucius Felix, die ersten bücher des 
Lukanvombürgerkriege, den Hippolyt und Oedipusdes Se- 
neka und den Lukullus des Cicero durchzugehen und, wenn es 
die zeit verstattet, einige stücke aus dem Gellius und das dritte; 
buch der gespräche des Makrobius damit zu verbinden. 

Mittwochs und sonnabends wird derselbe in zwo stunden, 
seine vorlesungen über den römischen styl nach dem Heinec- 
eischen lehrbuche von neuem anfangen und durch practische 
übungen den guten geschmack seiner zuhörer in der ächten lati- ı0 
nität befestigen. 

In seinen privat-lectionen wird gedachter herr professor wö- 
chentlich in vier stunden die leichtern lateinischen schrift- 
steller erklären. Er wählt für dieß halbe jahr die römische 
geschichte des Velleius Peterculus, verschiedene briefe des ıs 
Cicero, die allgemeine geschichte des Iustinus vom sechs und 
dreißigsten buche an bis zum schlusse, einige poetische send- 
schreiben des Ovid und die kurze abhandlung des Cicero 
von der besten art der redner. 

Dem unterrichte in der lateinischen sprache, so wohl » 
in ansehung der regeln als auch der ausarbeitungen, werden von 
demselben alle wochen sechs stunden gewidmet. 

Der herr professor ordinarius Schmidt Phiseldek wird 
wöchentlich vier stunden über die universalhistorie nach 
herrn Remers handbuche lesen und dieß collegium in einem 2 
jahre endigen. 

In vier andern stunden wird derselbe die europäische 
staaten-geschichte nach der neuesten, vom herrn professor 
Murray besorgten ausgabe des Achenwallischen handbuchs 
vortragen und gleichfalls in einem jahre endigen. » 

Überdie8 wird gedachter herr professor ein collegium von 
zwo stunden wöchentlich über allgemeinere europäische 
stastshändel nach dem Achenwallischen handbuche, oder 
über die geschichte des achtzehnten jahrhunderts nach 
eignen heften lesen. 3 

In seinen privat-lectionen wird derselbe seine zuhörer wöchent- 
lich vier stunden mit der staats-geographie über den Bü- 
schingischen auszug beschäftigen. 

Vier andre stunden wird er die europäische statistik 
über eigne hefte vortragen und in einem jahre endigen. w 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 40 409 


eh a  ereee  —ne 


Zwo stunden wöchentlich bestimmt derselbe der repetition 
der universalhistorie. 

Der herr professor ordinarius Zimmermann wird wöchent- 
lich in vier tagen über die mechanik nach Büschens mathe- 

smatik zum nutzen und vergnügen ıc. lesen. 

Mittwochs und sonnabends wird derselbe in zwo stunden 
die allgemeine oder physikalische geographie vortragen. 

An eben diesen tagen wird gedachter herr professor in vier 
andern stunden die erste hälfte von Bonnets betrachtung der 

sonatur, welche vorzüglich Jdie autronomie oder die betrach- 
tung des weltsystems enthält, erklären. 

In seinem privat-unterrichte lehret er in vier stunden die 
mathesin puram nach dem Kästnerischen handbuche. 

Für die Engländer liest derselbe die naturlehre nach 

ıs Martins philosophia britannica oder auch Fergusons lec- 
tures on select subjects in mechanics pneumatics etc. 
englisch, auch in vier stunden. 

In zwo stunden hält er ein repetitorium über Kästners 
mathematik. 

20 Der herr professor ordinarius Tünzel wird wöchentlich vier 
stunden über das ius naturae et gentium nach dem Achen- 
wallischen lehrbuche lesen. 

In vier andern stunden wird derselbe die institutiones 
iuris civilis nach des Heineccius anleitung vortragen. 

PN) In zwo stunden aber Pütters encyclopaediam erklären. 

In seinen privat-vorlesungen wird der herr professor in 
vier stunden die griechischen und römischen alterthümer 
nach denn Moldenhauer vortragen. 

Vier stunden werden der genealogie und heraldik nach 

»Gatterers handbuche gewidmet seyn. 

In zwo stunden wird der herr professor ausgesuchte stellen 
aus dem Julius Cäsar und aus dem Tacitus, die in die deut- 
schen alterthümer und rechte einschlagen, und Taciti buch de 
moribus Germanorum ganz erklären. 

3 Der herr professor ordinarius Eschenburg wird mittwochs 
und sonnabends zwo stunden die archäologie des Dr. Ernesti 
erklären, als eine einleitung zur kenntniß der materie und form 
der schätzbarsten alterthümer und kunstwerke. 

An eben diesen tagen wird derselbe in zwo stunden ency- 

#clopädische vorlesungen nach Sulzers kurzem begrif 


410 Monumenta Germaniae paedagogica I 


mm 


aller wissenschaften. und andrer theile der gelehrsam- 
keit halten, dabey die geschichte einer jeden wissenschaft und 
disciplin summarisch berühren und bey den schönen wissen- 
schaften am ausführlichsten seyn. 

Der herr professor ordinarius Mauvillon wird wöchentlich ; 
in vier stunden die application seiner im vorigen halben jahre 
vorgetragenen regeln über die französische sprache machen. 
Zu dieser absicht wird er kleine deutsche gespräche dictiren und 
solche von seinen zuhörern ins französische übersetzen lassen. 

In vier anderen stunden wird derselbe in der erklärung des 
Telemaqgue fortfahren. I 

In seinem privat-unterrichte wird derselbe die anfangs- 
gründe der französischen sprache wöchentlich vier stunden 
vortragen. 

Und auch mittwochs und sonnabends täglich zwo stunden ı". 
mit den geübtern ein colloguium gallicum halten. 

Herr von Gattinara. lehrer der italiänischen sprache, 
wird in den ersten vier stunden die anfangsgründe dieser 
sprache nach anleitung seiner eigenen grammatik zweyter aut- 
lage vortragen und hernach einige comödien des Goldoni» 
erklären, um seine zuhörer mit der gewöhnlichsten art sich in 
dieser sprache auszudrücken bekannt machen. 

Mit den geübtern wird er in vier andern stunden einige 
stücke des Metastasio und einige poesien des Petrarca lesen. 
Auch wird derselbe in einer von diesen stunden die ihm gebrach- :: 
ten ausarbeitungen corrigiren. 

In den zwo stunden mittwochs und sonnabends läßt er von 
seinen zuhörern den Telemaque ins italiänische übersetzen. 

Die von demselben zuın privat-unterrichte gewidmeten zehn 
stunden wird er immer nach den absichten seiner zuhörer ein- 
richten, so daß er entweder die anfangsgründe des italiänischen 
lehrt oder über einen schriftsteller liest oder verfertigte aufsätze 
in dieser sprache ausbessert. 

Der herr artillerie-lieutenant Moll wird wöchentlich in sechr 
stunden die ingenieur- und urtillerie-wissenschaften, vor- : 
züglich aber die practische geometrie vortragen. 

Im zeichnen wird herr Oeding in diesem halben jahre 
die theorie mit der praxi, sowohl im nachzeichnen als in der 
kenntniß der antiken, in den vier öffentlichen stunden zu ver- 
binden suchen und die perspective dabey mitnehmen. wu 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 40 411 


In seinen vier privat-stunden wird derselbe die anfänger 
nach dem Preislerischen lehrbuche unterweisen. 
Im reiten giebt der herr stallmeister Pichelieu unterricht. 
Im fechten der herr hof-fechtmeister Parsow, und wird 
s dieser ausser den bisherigen vier öffentlichen stunden auch wöchent- 
lich noch vier stunden privat-unterricht geben. 
Im tanzen unterweiset der herr ballet-meister Dupree. 
Im drechseln giebt der herr hofdrechsler Heise anweisung. 
Auch werden diejenigen, welche in kaufmanns-rechnun- 
ıwgen und buchhalten unterricht verlangen, denselben allhier 
aufs vollständigste erhalten können. 
Die bibliothek wird herr professor Tünzel als bibliothekar 
mittwochs und sonnabends von 1 bis 3 uhr offen halten, damit 
sich die studiosi eine nöthige büchererkenntniß erwerben können. 


41 


Ordnung 


des Conciliums am Collegium Carolinum. 
1777. 
ag 
15 Von Gottes gnaden, Carl, herzog zu Braunschweig und Lüne- 
burg c.ıe. Demnach wir gnädigst beschloßen haben, daß statt der 
bisherigen direction des fürstl. Collegii Carolini von nun an die 
professores ordinarii und hofmeister ein concilium mit einander 
ausmachen sollen, worin alles vorgenommen und ausgemacht wird, 
»» was zur guten ordnung, zur ehre und aufnahme des Collegii ge-: 
höret und wovon der gute erfolg so viel sicherer erwartet wird, 
als sämmtlichen lehrern die innere verfaßung des Collegii seit 
so vielen jahren aufs genaueste bekannt und ihr eyfer für die 
ehre deßelben eben so lange rühmlichst bestätiget ist: so hat daßelbe 
3 sich dabey, wie nachstehet, pünktlich gehorsamst zu verhalten. 





412 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Dieses concilium besteht aus sämmtlichen professoribus or- 
dinariis und den hofmeistern. 
1 
Die zusammenkunft wird alle sonnabend nach geendigten 
öffentlichen vorlesungen in einem besonders dazu eingerichteten 
zimmer gehalten. 
2 
Sämmtliche glieder halten untereinander aufs genaueste da- 
rauf, daß sie alle unausgesetzt dabey gegenwärtig, und davon 
nichts als höchste noth und krankheit dispensire. 


Ä 3 

Das praesidium gehet monathlich oder vierteljährig, wie dies 
verabredet wird, unter den lehrern u, ohne daß die sitze des- 
wegen verändert werden, und der, an welchen es kommt, hat 
jedesmal den ersten vortrag; hiernächst trägt ein jeder vor nach 
der ordnung der sitze. 

4 

Alle anwesende haben gleiche stimmen, und alle conclusa 
werden durch die meisten stimmen ausgemacht, und der syndicus 
führet über alles das protocoll. 


5 

Die drey haupt-objecta, die jederzeit zuerst vorgenommen 
werden, sind: ob 1) die lectionen in gehöriger ordnung gehalten. 
ob 2) die jungen leute die ihnen angewiesenen stunden mit ge- 
hörigem fleiß besucht, und was 3) die genaueste und ernstlichste 
untersuchung jedesmal erfordert, ist überhaupt der fleiß, das sitt- 
liche betragen und die ganze aufführung der jungen leute, und 
ob die hofmeister dabey ihre schuldige pflicht erfüllen. 


6 
Ein jeder lehrer ist in der beobachtung seines amts und 
seiner vorlesungen unabhängig, ohne einiger beurtheilung seiner 
collegen darinn im geringsten unterworfen zu seyn. 


7 
Nach ihren bekannten rühmlichen eyfer verpflichten sie sich 


nur vertraulich unter einander darüber gemeinschaftlich zu halten, : 


daß ein jeder seine vorlesungen zu gehöriger zeit anfange und 
endige; während des cursus dieselben ununterbrochen fortseetze; 
sie in der im catalogo bestimmten zeit gehörig absolvire, auch, 


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Schulordnungen der Stadt Braunschweig 41 418 


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um den jungen leuten zu keiner unordnung gelegenheit zu geben, 
jede stunde zu gehöriger zeit anfange und endige. 
Und in so weit wäre dies nur ein object der: conferenz. 


8 
5 Der hofmeister ihre pflicht ist ihre untergebene dahin an- 
zuhalten, daß sie die ihnen angewiesenen stunden mit gehörigem 
fleiß besuchen; daß sie zu rechter zeit und mit der gehörigen 
aufmerksamkeit und anständigkeit gegenwärtig; ferner, daß sie 
darnach sehen, daß sie sich gehörig darauf praepariren, auch sie 
ıw nachher ordentlich repetiren, und ihnen bey beyden zugleich be- 

hülflich sind. 

9 
Da aber die hofmeistere in allen stunden selbst, nicht mit 
zugegen seyn können, so hat nicht allein ein jeder lehrer die 
ıs volle autoritaet alle in seiner stunde bemerkte nachläßigkeiten und 
unordnungen, wenn der junge mensch etwa zu spät komnit, sich 
unanständig beträgt, nicht aufmerksam ist, das buch, worüber 
gelesen wird, nicht mitgebracht, sich auf seine lection nicht prae- 
pariret oder bey den repetitionen nicht gehörig zu antworten 
so weiß, mit allem nachdruck zu bestrafen, sondern es ist auch des 
lehrers pflicht (und dies sehen alle lehrer beständig als eine ge- 
meinschaftliche sache an) dem hofmeister bey der nächsten zu- 
sammenkunft davon die anzeige zu thun und von ihm darüber 
die verantwortung zu fordern. Kann er nun darthun, daß er an 
»s seiner seite nichts versäumt, daß er den fehler auch schon be- 
straft, so ist für das mal die sache abgethan; käme aber die ge- 
legenheit zu eben den beschwerden wieder, welches alsdann schon 
ein beweis der nachläßigkeit oder des mangels der autoritaet des 
hofmeisters wäre, oder der hofmeister müste selbst über die un- 
„0 folgsamkeit des eleven klagen: so wird dieser selbst vorgefodert. 
bekommt in gegenwart des hofmeisters den nötigen verweis, mit 
bedrohung, auf nicht erfolgte beßerung anderer strafe, und wenn 
auch diese nicht truchtete, mit der bedrohung, nomine concilii 

es denen eltern wissen zu lassen. 


35 10 
Käme hergegen die nachläßigkeit der jungen leute in an- 
sehung ihrer angewiesenen lehrstunden daher, daß der lehrer zu 
irregulair käme, über die ordentliche zeit zu lange auf sich warten 
ließe, oder auch. wenn schwachheit oder andere wichtige abhal- 





414 - Monumenta Germaniae paedagogica 1 


a 








tungen ihn die vorlesungen zu halten gehindert, selbiges nicht 
anzeigen lassen: so hätte der hofmeister das recht dieses zu seiner 
und des eleven entschuldigung für dasmal anzuführen. 


11 

Wie ehemals, da die anzahl der jungen leute noch groß war, 
es pflicht der hofmeister war auf verlangen des lehrers, oder wo 
die menge einige unordnung befürchten ließ, einem solchen collegio 
mit beyzuwohnen, so ‚fällt dieses zwar bey der gegenwärtigen 
geringen anzahl weg; indeßen bleibt solches doch noch immer 
pflicht des hofmeisters, wenn der professor ursach findet «leßen 
gegenwart in seiner stunde zu verlangen. 


12 
Das dritte haupt-object wäre demnächst bey jeder zusammen- 
kunft das ganze sittliche betragen der jungen leute. Zunächst 


ist dies die eigentliche pflicht der hofmeister; da aber hierauf 


besonders der ganze credit des Collegii und die wolfarth der 
jungen leute ankomnit, so ist dies zu wichtig. als daß es den 
hofmeistern allein überlassen werden könnte, sondern es wird von 
lem gewißenhaften, treuen eyter sämmtlicher lehrer für die ehre 
und den guten ruf des Collegii erwartet, daß sie in so weit es 
sich mit zur pflicht machen, daß, wo sie irgendwo selbst wahr- 
nehmen oder auch nur durch andere hören und vernehmen (denn 
heweis ist dabey gar nicht nötig, weil es nur dazu dienet die 
hofmeister so viel aufmerksamer zu machen und ihnen in der 
beobachtung ihrer pflicht zu hülfe zu kommen), daß einer ihrer 
untergebenen sich auf einige art unordentlich beträgt. herum- 
läuft, öffentliche häuser besucht oder sonst seiner sittlichkeit 
oder dem wolstande nachtheilige niedrige gesellschaften hat, un- 
anständige verbindungen mit weibespersonen unterhält, spielet 
(auch auf dem billard des Collegii um geld spielet), das mittag- 
und abend-eßen nicht gehörig besucht, nach dem abend-eßen noch 
auf der gaße sich finden läßt oder sonst nur irgend in seinen 
sitten oder in dem änßerlichen wolstande nachläßiger wird ıc., 
daß sämmtliche lehrer sich «dies zur pflicht und gewißen machen, 
bey jeder zusammenkunft davon dem hofmeister anzeige zu thun, 
darüber seine erklärung und strengste rechenschaft zu fodern; 
wenn ihn: darunter was zu schulden kommt, ihm die nötige 
ernstliche anweisung zu geben. auch, wo er zu feig und zu nach- 
sichtig ist oder über mangel nötiger autoritaet klagt, den jungen 


„ 


so 


25 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 41 415 
menschen selbst vorzufordern und ihm in gegenwart des hof- 
meisters die ermahnungen zu geben oder die strafe zu dietiren. 
die sie nach ihrer klugheit für gemäß halten. 


13 
5 Zugleich machen sämmtliche lehrer sich auch dies zur pflicht, 
daB sie darauf achten, daß die hofmeister ihre untergebenen so 
wenig als möglich allein laßen, daß sie auch für deren vergnügen 
sorgen, sie zur promenade führen, in gute gesellschaften begleiten. 
dann und wann mit ihnen den lehrern, oder wo sie sonst al- 
ı mission haben, besuche abstatten, auch, wo sie dieselben nicht 
selbst immer in die spectacul begleiten, sie wenigstens nicht ohne 
sichere gesellschaft dahin gehen lassen, in die masqueraden sie 
allezeit selbst begleiten und wieder zu haus führen, auch, wenn 
sie des abends bey hofe oder sonst irgendwo in gesellschaft zum 
ıs abendeßen geblieben, sie wenigstens durch einen sichern dome- 
stiqnen abholen und nach haus bringen lassen. 
Welche verhandlungen dann sämmtlich ad protocollum ge- 
nommen werden. 
14 
» - Auch wird es zur erhaltung der guten ordnung nicht. wenig 
beytragen. wenn die lehrer von zeit zu zeit es sich gefallen 
laßen, die wohnungen der jungen leute selber zu besuchen, und 
was sie dabey wahrgenommen, entweder dem hotmeister vertrau- 
lich allein anzeigen oder in der nächsten vonferenz vortragen. 


un 15 
Ferner legen die hofmeister vor diesem coneilio öftentlich 
ihre rechnungen ab, bringen ihre instructionen und mit .denen 
eltern geführte correspondenz (darüber bey, beantworten die ihnen 
darüber gemachten monita und bescheinigen alles mit den original- 
» quitungen; es gereicht dies zur sicherheit (ler hofmeister und zu 
ihrer rechtfertigung gegen allen ungerechten verdacht; und sig- 
niren von nun an sowol die original-rechnungen. die den eltern 
mit den quitungen zugeschickt werden, als auch die copeyen 
der jedesmalige praeses und der syndicus nomine collegii, so wie 
3. der vice-consistorial-praesident abt Jerusalem sich bishero damit 
bemühet hat. | 
16 
Alle von dem hofmeister nicht bewilligte und durch seine 
hand legitimirte achnuld-foderungen von kanfleuten. handwerkern etc. 


416 Monumenta Germanise paedagogica 1 





werden wie bisher als völlig ungültig abgewiesen. Für aus- 
gaben aber, die der hofmeister bewilligt und der instruction der 
eltern nicht gemäß sind, haftet der hofmeister; fände das conailium 
auch, daß die ausgaben, obgleich von den eltern zugestanden, 
unnötig groß wären (obgleich. hierinn auf stand, vermögen, hie-: 
sige verhältniße, auch auf die absicht, warum ein junger mensch 
hier ist, immer rücksicht zu nehmen), so könnte auch nomine 
concilii mit den eltern darüber correspondiret werden. 


Ä 17 
Unter der autoritaet dieses concilii stehen aber nicht allein » 
die würklichen einwobner des Collegii, sondern auch die soge- 
nannten Semi-Carolini, sie mögen bey ihren eltern ader vor sich 
in der stadt wohnen; und dieses nicht allein in ansehung der 
fleißigen besuchung ihrer lehrstunden oder ihres betragens im 
Collegio, sondern auch in ansehung ihrer aufführung überhaupt. ı: 
Ein jeder lehrer, der über eines solchen studiosi nachläßigkeit in 
beobachtung seiner lehrstunden sich zu beklagen ursach hat, 
oder wenn ihm oder einem hofmeister auch sonst einiges unsitt- 
liches und der ehre des Collegii nachtheiliges betragen davon 
bekannt wird, so haben lehrer und hofmeister das recht selbigen » 
vorfodern zu lassen und ihm sein vergehen zu verweisen, und 
erfolgte hierauf keine beßerung, so würde im nahmen des coneilü 
es denen eltern gemeldet und bei fortdauernder incorrigibilitaet 
die remotion beschloßen. | 
18 » 
Was den aufwand dieser Semi-Caroliner betrift, so wird 
dieser, sie mögen landes-kinder oder extranei seyn, den eltern 
lediglich überlassen, und die gemachten schulden der landes-kinder 
werden nach maaßgabe der gesetze als schulden der eltern an- 
gesehen; sind sie aber extranei, und der creditor hat anforderun- » 
gen an sie, so werden sie nicht eher weggelassen, eher jener 


befriediget ist. 
19 


Sind”es aber solche erwachsene fremde, sie seyen von wel- 
chem stande sie ‚wollen, die mit dem Collegio in keiner verbin- » 
dung stehen, sondern sich hier nur eine zeitlang aufhalten und 
von dem einen oder dem andern lehrer privat-unterricht nehmen 
wollen, so stehen diese unter dem foro, worunter alle fremde 
stehen, und nimmt das Collegium von deren betragen gar keine 
notız. w 











Schnlordnungen der Stadt Braunschweig 41 417 


20 

Die jungen leute, welche ihre eigene hofmeister haben, sind 

zwar, was ihren privat-fleiß und ihre aufführung außer dem 
Collegio, auch ihren aufwand betrift, der aufsicht des concilii 
s nicht unterworfen; betrüge sich aber ein solcher junger mensch 
in den lehrstunden unanständig oder machte im Collegio sonst 
einige unordnung oder führte sich überhaupt so schlecht auf, 
daß es der ehre und dem guten credit des Collegii nachtheilig 
würde: so würde nomine concilii dem hofmeister davon nachricht 
ı gegeben, und derselbe ersucht dem Collegio für dergleichen un- 
ordnungen künftighin sicherheit zu geben. Hätte der junge mensch 
aber einen andern seiner commilitonum beleidigt, so fodert das 
concilium zugleich für den beleidigten die schuldige genugthuung. 


21 

15 Hätten auch die übrigen lehrer und exercitien-meister, die 
in diesem concilio keinen sitz haben, über den unfleiß oder ein 
anderes unanständiges betragen eines ihrer schüler sich zu be- 
klagen ursache, und dieser stünde unter einem öffentlichen hof- 
meister, so haben sie selbigem solches zuerst zu klagen, welcher 

se dann den begangenen fehler nach seiner einsicht bestraft und 
nach dem erfolg der beßerung sich erkundigt; erfolgte aber diese 
nicht, so nähme der lehrer oder auch der hofmeister die auto- 
ritaet des concilii zu hülfe; wäre es aber ein Semi-Caroliner, so 
kann es jedem membro des concilii von dem lehrer angezeigt 

9 werden. 


22 

Alle junge leute, die hergekommen, um als ordentliche stu- 

diosi des Collegii oder als extranei aufgenommen zu werden, 
werden von dem, bey dem sie sich melden oder gemeldet werden, 
z, an den zeitigen praesidem des concilii und an den syndicum mit 
der nötigen anzeige verwiesen, die sie dann für die nächste session 
des concilii bescheiden, wo sie recipiret und wo ihnen die nötigen 
erinnerungen ihres künftigen verhaltens wegen gegeben werden. 


23 
35 Die vertheilung derselben unter die hofmeister gehet nach 
der ordnung; doch kann auch den eltern, wenn diese etwa schon 
ein besonderes vertrauen zu einem hofmeister haben, darum ge- 
willfahret werden. Der hofmeister produciret alsdann alle von 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 27 


418 Monumenta Germaniae paedagogica I 





denen eltern oder in deren nahmen ihm gegebene instructionen, 
sowol in ansehung des aufwandes als der ganzen erziehung. 


24 
Mit dem plan der studiorum und exereicen nach eines jeden 


jungen menschen bestimmung und fähigkeit und der jedesmaligen ; 


halbjährigen abänderung wird, wie bisher, auch bey jedem neu- 
ankommenden, außer wenn sie etwan der besonderen aufsicht 
eines lehrers anvertrauet werden, der vice-consistorial-praesident 
abt Jerusalem sich fernerhin bemühen. 


25 
Der intendant Croßmann und die oeconomie steht unmittel- 
bar unter fürstl. ministerio, auch alle übrige lehrer und exer- 
citien-meister, die keinen sitz im concilio haben; außer wenn sie 
in ihrer pflicht oder in ansehung der jungen leute sich etwas 
dem Collegio nachtheiliges zu schulden kommen ließen, so ist es 
des concilii recht und pflicht, solches dem fürstl. ministerio an- 
zuzeigen. Ihre annehmung und bestallung wird vom fürstl. 
ministerio dem concilio angezeigt. 


26 


10 


15 


Die personen, die bloß zur oeconomie gehören, stehen ledig- » 


lich unter dem intendanten. Die hauswärter und aufwärter stehen 
zwar auch in ansehung der oeconomie unter der autoritaet des 
intendanten, so wie sie in ansehung ihrer dienstpflichten und 
ihres betragens im Collegiv unter der aufsicht der hofmeister 
stehen, und der intendant selbige auf der hofmeister verlangen 
nach maaßgabe ihrer schuld abstrafen muß; wären sie aber außer- 
dem unordentlich und nachläßig, hielten das Collegium und 
auditoria nicht reinlich, wären liederlich, spielten, besuchten 
öffentliche häuser, liefen sonst herum außer dem hause, machten 


35 


schulden, entwendeten etwas, stächen mit den jungen leuten aufs 


einige art durch, sorgten nicht für die gehörige schließung des 
Collegii oder heitzung der stuben und auditoriorum, und die hof- 
meister hätten darinn einige nachsicht: so stehen sie auch wieder 
ganz unter der autoritaet des concilii, daß es sie vorfodern, auch 
ihre bestrafung vom intendanten fodern kann. 


27 
Der marqueur beym billard stehet auf eben die maaße wie 
die übrigen aufwärter unter dem intendanten. 





Sehulordnungen der Stadt Braunschweig 41 419 


28 

Aber die ordnung und das betragen der jungen leute bey 
demselben gehöret zur aufsicht der hofmeister, und sind diese 
schuldig ab- und zuzugehen, auch dafür zu sorgen, daß es des 
morgens gar nicht und nur des nachmittags von 1 biß 2 und 
von 5 uhr biß 7 geöfnet, hernach aber wieder geschloßen wird; 
außer sonnabends und sonntags kann es auch im winter zur 
recreation der jungen leute, da dergleichen gelegenheiten übrigens 
jezt ganz fehlen, auch nach der abendmahlzeit biß um 9 uhr 
ıo wieder geöfnet werden, doch nicht anders als in der gegenwart 
des hofmeisters, damit dieser sie nachher sicher mit sich nach haus 
nehmen kann. Niemand darf zu diesem billard zugelaßen werden, 
der nicht zum Collegio gehöret, außer wenn der hofmeister selbst 
jemand mitbringt. Das concilium hat also hierüber nur die 
ıs generale aufsicht, wie in allen andern dingen, wo es auf die gute 

ordnung des Collegii ankommt. 


29 | 
Die Semi-Carolini haben an dem vergnügen dieses spiels 
mit den würklichen studiosis des Collegii einerley recht, stehen 
„0 aber daselbst ganz unter der autoritaet der hofmeister. 


30 
Übrigens sind auch noch alle schuld- und klage-sachen an 
dieses concilium lediglich verwiesen, und alles, was per plurima 
darinn beschloßen wird, hat seine volle autoritaet. An fürstl. mi- 
 nisterium wird nur in besondern fällen gegangen. 


31 
Der syndicus des Collegii führet über alle vorkommende 
verhandlungen in der session in gewöhnlicher form das protocoll, 
welches quartaliter an fürstliches ministerium gebracht wird. 


30 32 
Der syndicus ist der jedesmalige professor iuris. Alle andere, 
zur guten ordnung und zur aufnahme des Uollegii dienende vor- 
schläge wird das fürstl. ministerium gern an-, und darauf allen 
erforderlichen bedacht nehmen. 
35 Zu urkund deßen haben wir dieses reglement eigenhändig 
unterschrieben und mit unserm fürstl. geheimen canzley-insiegel 
bedrucken laßen. So geschehen Braunschweig, den 26. August 1777. 


CARL h.z. B.u.L. (L. S.) 


un 


von Flögen. 


a  , 


277 


420 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


42 


Verordnung wegen der Semikaroliner. 
1777. 


U 


SERENISSIMI GNÄDIGSTE DECLARATION DIE VERMIN- 
DERUNG DER VON DEN SOGENANNTEN SEMI-CAROLI- 
NERN FÜR DEN UNTERRICHT IM FÜRSTL. COLLEGIO 
CAROLINO KÜNFTIG ZU BEZAHLENDEN LECTIONS- 
UND EXERCITIEN-GELDER BETREFFEND. 5 


Von Gottes gnaden, Carl, herzog zu Braunschweig und 
Lüneburg ıc.ıc. Es ist uns unterthänigst vorgetragen worden, 
daß der bey der im jahre 1774 bey dem fürstlichen Collegio Ca- 
rolino getroffenen neuen einrichtung für die sämmtlichen lehr- 
stunden und exercitia festgesetzte preis für die sogenannten Semi- ı0 
Caroliner, die im Collegio weder wohnen noch speisen, vielen 
hiesigen stadt- und landeseinwohnern zu hoch geschienen, und sie 
dadurch veranlasset worden ihre kinder gar nicht auf das Collegium 
zu schicken, sondern selbige ohne hinlängliche vorbereitung, und 
ohne sich zuvor weder in den alten und neuern humanioribus noch ı;> 
in andern nöthigen und nützlichen wissenschaften festgesetzt, 
auch ohne in den modernen sprachen eine brauchbare fertigkeit 
erlangt zu haben, nach universitäten gehen lassen. Da hiedurch 
die absicht des zum wahren besten des landes und unserer ge- 
treuen unterthanen errichteten instituti verfehlet wird, indem » 
dasselbe zu den so nöthigen vorbereitungs-wissenschaften ganz 
eingerichtet ist, und wir gnädigst wollen, daß die wohlthätigkeit 
dieses instituti so gemeinnützig als möglich für unsere getreue 
unterthanen gemacht werde: so declariren wir hiemit gnädigst, 
daß von denjenigen Semi-Carolinern, welche landeskinder sind, 2 
für alle zu hörende collegia und den unterricht in den übrigen 
exercitiis, die reitbahn allein ausgenommen, künftig mehr nicht 
als 25 thaler bezahlet werden solle. Dahingegen wollen und ver- 
ordnen wir auch hiemit gnädigst, daß bey diesem nunmehro so sehr 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 42 421 


herunter gesetztem leidlichen preise alle hiesige stadteinwohner, 
welche ihre söhne studiren lassen wollen, selbige künftig nicht 
mehr unmittelbar von der schule nach universitäten. schicken, 
sondern dieselben das fürstl. Collegium Carolinum vorhero und 

s so lange frequentiren lassen sollen, bis sie sich die erforderliche 
geschicklichkeit in allen nöthigen vorbereitungswissenschaften 
erworben und darüber von allen ihren lehrern ein schriftliches, 
beglaubtes zeugniß erhalten haben werden, welches zeugniß 
dem an unser fürstliches ministerium alle viertel jahr von dem 

ıo concilio des fürstl. Collegii Carolini einzusendenden protocollo 
alsdann förmlich mit beygefüget werden muß. 

Damit aber auch die jungen leute nicht aus eitelkeit, um 
nur so viel früher Caroliner zu werden, den schulen zum nach- 
theil dieselben zu frühe verlassen mögen, so soll künftig ein jeder, 

ıs der als ein studiosus des Collegii Carolini aufgenommen zu werden 
wünscht, vor dem concilio vorhero in einem examine geprüfet 
werden, ob er in der lateinischen und griechischen sprache wenig- 
stens so weit sey, daß er das Collegium mit vollem nutzen be- 
suchen könne. 

2U Uebrigens sollen zwar diejenigen eltern, welche nicht in hie- 
siger stadt wohnen, nicht verbunden seyn ihre söhne vorhero, 
ehe sie auf universitäten gehen, so, wie wegen der hiesigen stadt- 
kinder geordnet worden, auf das Collegium Carolinum zu schicken; 
wenn solche aber hieher kommen, um als Semi-Caroliner dieses 

35 beneficium zu geniessen, so sollen sie auch eben so wie die hie- 
sigen stadtkinder dazu geschickt erfunden werden und die gehörige 
zeit darauf verwenden. 

Damit nun diese unsere zum besten unserer landeskinder 
und in der folge für des vaterlandes dienst selbst gemachte lan- 

3o desväterliche verordnung zu jedermanns wissenschaft gelangen 
möge, so haben wir solche durch den druck Öffentlich bekannt 
machen lassen. Urkundlich unserer eigenhändigen unterschrift 
und beygedruckten fürstl. geheimen-canzley-siegels.. Gegeben in 
unserer stadt Braunschweig, den 29. September 1777. 

35 Carl, herz. z. Br. u.L. Ä 


(L. S.) 
J. v. Flögen. 


422 Monumenta Germaniae paedagogica I 


45 


Gesetze für das Collegium Carolinum. 
1784. 


Ur 


ERNEUERTE UND VERMEHRTE GESETZE 
DES COLLEGII CAROLINI. 
1784. 


Da die veränderungen der zeiten und verschiedener umstände 
auch in den Gesetzen eines instituts veränderungen anrathen, so ; 
hat das concilium Collegii Carolini mit zuziehung der schon vor- 
handenen gesetze gegenwärtige neue abgefasset, welche von 
Serenissimo bestätiget worden. 


I. Aligemeine gesetze, 
welchen alle studirende des Collegii Carolini 10 
unterworfen sind. 


1 
Ueberhaupt sollen sich die studirende des Collegii Carolini 
so betragen, wie es religion und vernunft von einem christen und 
guten bürger der menschlichen gesellschaft erfodern. 15 


2 
Diejenigen, welche die deutsche oder die französische sprache 
verstehen, sollen den Öffentlichen gottesdienst niemals ohne die wich- 
tigsten ursachen versäumen und sich während desselben anständig 
und andächtig bezeigen. 90 
3 
Jeder soll ohne unterschied der geburt oder des standes 
sich den gesetzen und einrichtungen des Collegii unterwerfen, 
das concilium für seine von Serenissimo ihm gnädigst gesetzte, 
rechtmäßige obrigkeit und für seinen competenten richter er- » 
kennen und dessen conclusis und aussprüchen willigst gehorsame | 
folge leisten. 


Schulordunngen der Stadt Braunschweig 43 432 


———_aeV n— —n gip 


4. 

Jeder bezeige den professoren und Öffentlichen hofmeistern, 
so wie auch andern öffentlichen und privat-lehrern die schuldige 
ehrerbietung, wogegen diese nichts anders als was billig und 

s gerecht ist mit bescheidenheit verlangen werden. 


5 
Jeder soll die von seinen vorgesetzten ihm angewiesenen, 
sowohl öffentlichen als privat-lectionen fleißig besuchen, keine 
derselben ohne hinlängliche abhaltungen versäumen, während der- 
ıo selben sich aufmerksam und anständig aufführen und in dem so 
nothwendigen privat-fleiße niemals nachlassen. 


6 
Jeder soll die zu seinem studiren nöthigen und von seinen 
lehrern oder von seinem hofmeister vorgeschlagenen bücher so 
ıs bald als möglich anschaffen und solche in die stunden, worinn 
sie gebraucht werden, jedesmal mitbringen. 


7 
Jeder soll sich vor ankunft der lehrer in dem Collegio, oder auch 
wenn diese weggegangen sind, alles lärmens in und ausser den 
90 auditorlis enthalten. 
8 
Keiner stöhre die ruhe des Collegii durch zänkereyen oder 
neckereyen mit seinen commilitonen. Jeder enthalte sich aller 
ungesitteten spielerey, alles lärmens auf der straße vor dem 
3 Collegio oder in demselben und aller beleidigungen der vorbey- 
gehenden. 
9 
Kein studirender soll sich der sache eines andern annehmen, 
der sich des ungehorsams oder irgend eines vergehens schuldig 
» gemacht hat, sonst zieht er sich eine dem vergehen verhältniB- 
mäßige strafe zu. 
10 
So wie man voraus setzet, daß jeder studirende sich den 
gesetzen gemäß betragen wird, die allen gesitteten ländern zur 
s erhaltung der sicherheit und der öffentlichen ruhe gemein sind 
und daher hier keiner wiederholung bedürfen: so wird insbeson- 
dere einem jeden auf das ernstlichste untersagt sich selbst 
recht zu verschaffen. 


424 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Ausfoderungen und duelle sind bey strafe der relegation 
oder nach befinden der umstände bey einer noch schärfern ahn- 
dung verboten. 

Jeder, welcher davon einige kenntniß hat, und der heraus- 
gefoderte theil selbst, soll es sogleich einem der hofmeister oder : 
dem syndico des concilii anzeigen. 


II. Besondere gesetze, 
zu deren befolgung alle studirende verbunden sind, 
welche im Collegio unter der aufsicht öffentlicher 
hofmeister stehen oder unter privat-hofmeistern in » 
zum Collegio gehörigen gebäuden wohnen. 


1 
Alle studirende, welche im Collegio Carolino wohnen und 
unter der aufsicht eines hofmeisters stehen, sind verbunden die- 
sem für alle seine anweisungen, welche er ihnen nach der absicht : 
und den vorschriften des instituts geben muß, hochachtung und 
dankbare folgsamkeit zu zeigen, und in abwesenheit ihres hof- 
meisters den andern öffentlichen hofmeistern mit gleicher willig- 
keit zu gehorchen. 
2 2 
Jeder besuche mit ununterbrochenem fleiße die lehrstunden, 
die ihm von seinem hofmeister vorgeschrieben und von dem 
curator des Collegii, dem dis geschäffte aufgetragen ist, genehmiget 
sind. Er folge willig und mit dankbarkeit dem rathe seines hof- 
meisters über alle seine beschäfftigungen, über seinen privatfleiß, = 
über seine lectüre und über den ankauf seiner bücher und anderer 
zum studiren nöthigen materialien. 


3 
Er vermeide alle arten von vergehungen und wende seine 
ganze aufmerksamkeit auf die erinnerungen, die ihm sein hof- » 
meister über sein betragen machen wird. Er folge dessen vor- 
stellungen über den wohlstand in seiner aufführung und über 
die wahl seiner gesellschaften. 


4 
Keiner besuche öffentliche häuser ohne ausdrückliche ein- » 
willigung des hofmeisters. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 43 425 


5 
Jedes haus von üblem rufe, oder wo gesetzwidriges spielen 
getrieben wird, ist verboten, so wie auch der umgang in und 
ausser dem Collegio mit jeder person, deren charakter ver- 
s dächtig ist. 
6 
Jeder studirende stehe nach der vorschrift seines hofmeisters 
zur rechten zeit auf und kleide sich frühzeitig an; er halte sich 
ruhig auf seinem zimmer; er mache keinen lärm auf den zimmern 
ı der andern und gehe nicht dahin zur zeit ihrer lehrstunden. 


7 
Jeder komme zur bestimmten zeit zum mittags- und zum 
abend-essen, betrage sich dabey anständig und bleibe davon nicht 
weg ohne vorwissen des hofmeisters, gehe nach dem abendessen 
ıs nicht aus und beobachte überhaupt die ordnung, die in einem 
wohleingerichteten hause herrschen muß. 


8 
Er schone sein zimmer und die darauf befindlichen möbeln, 
bey strafe, jeden ausser dem rechtmäßigen gebrauche entstandenen 
»» schaden von seinem taschengelde zu ersetzen. 


9 

Er sey vor allen dingen vorsichtig mit dem feuer, beson- 

ders habe er keine entzündbare materien und noch weniger 
flinten, pistolen oder terzerole in seinem zimmer, da der hof- 
3; meister alles feuer-gewehr ausser dem rechtmäßigen gebrauche in 
verwahrung nimmt; er rauche daselbst nicht taback; lese nicht 
im bette bey lichte und lasse nach -dem abendessen seine stube 
ohne vorwissen des hofmeisters, welcher dieses bey krankheiten 
und andern rechtmäßigen ursachen erlauben darf, nicht heitzen. 


30 10 
Er begegne den bedienten des Collegii niemals mit unhöflich- 
keit noch härte und wende sich, wenn er ursache zu haben 
glaubt über sie zu klagen, an den hofmeister, hüte sich aber 
auch mit ihnen in eine unanständige oder gar stratbare ver- 
ss traulichkeit zu gerathen. 
11 
Jeder studirende suche seine gesundheit durch reinlichkeit 
und durch mäßigkeit bey dem genusse seiner nahrung und bey 


426 Monumenta Germaniae paedagogica I 


seinen ergötzlichkeiten zu erhalten; er bringe seinen körper nie- 
mals durch unvorsichtigkeit und unzeitige kühnheit, durch balgen, 
ringen und andere schädliche leibesübungen in gefahr; auch ent- 
halte er sich langer nachtwachen und alles dessen, was ihm nach- 
theilig seyn kann. s 
12 

So bald er merket, daß seine gesundheit in gefahr ist, zeige 
er es sogleich seinem hofmeister an und richte sich genau nach 
den vorschriften des arztes, dessen wahl zwar dem hofmeister 
überlassen bleibt, welcher jedoch vernünftigen vorstellungen des « 
eleven dabey allemal gehör geben wird. 


j 13 
. Die erlaubten ergötzlichkeiten und erholungen hängen von 
dem willen der eltern oder vormünder, von der zum aufwande 
der jungen leute bestimmten geldsumme und von der einwillı- ı: 
gung des hofmeisters ab, der sich dabey lediglich nach ihrer 
aufführung richten, und was ihnen hierbey nützlich oder schäd- 
lich, anständig oder unanständig seyn kann, gewissenhaft beur- 
theilen wird. 
14 2 
Sollten die eltern oder vormünder den jungen leuten lust- 
reisen erlauben oder nützlich finden, so muß der hofmeister die 
specielle bewilligung der eltern oder vormünder hierzu dem syndico 
vorlegen. dabey genau anzeigen, ob besondere gelder dazu be- 
williget worden, oder ob diese kosten anderweitig zu ersparen, und » 
mit ihm überlegen, welche zeit zu dieser reise dem studiren des 
eleven am mindesten nachtheilig sey. 


Ä 15 
Jedes hazardspiel ist durchaus verboten, und bey commerz- 
spielen bestimmen die hofmeister nach den eingeführten gesetzen » 
den einsatz. 
16 
So ist es auch unter keinem vorwande erlaubt hunde zu 
halten. 
17 > 
Der aufwand eines studirenden richtet sich nach der zu 
seinem hiesigen unterhalte bestimmten summe. Er folge, bey dem 
vorsatze diese nie zu überschreiten, bey mehr oder weniger noth- 
wendigen ausgaben, besonders bey der wahl seiner kleidung, die. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 43 427 


wenn er auch den hof besucht, nicht kostbar und prächtig, son- 
dern nur reinlich und anständig zu sein braucht, dem rathe sei- 
nes hofmeisters. Er vergesse niemals, daß dieser für seinen auf- 
wand stehen und quartaliter rechnung davon ablegen muß. Daher 

s vermeide er jede unnütze und unüberlegte ausgabe, besonders 
aber hüte er sich schulden zu machen. 


18 
Hingegen zeige sich jeder bey den wöchentlichen samm- 
lungen für die armen nach seinem vermögen mitleidig und 
10 gutthätig. 
19 
Jeder studirende mache sich ein inventarium aller seiner 
effekten, sowohl derer, die er mitgebracht, als auch derer, die 
man ihm hier gekauft hat. Er versetze, vertausche, verkaufe 
ıs nichts; er verleihe oder verschenke auch nichts ohne die ein- 
willigung seines hofmeisters und zeige auch bey dem gebrauche 
und bey verschliessung seiner möbeln, daß er reinlichkeit und 
ordnung liebt. 


Da diese gesetze alle billig und deutlich sind und auf das 
20 beste der uns anvertrauten jugend und auf den flor des Collegii 
abzielen: so erwartet man mit recht, daß die von den eltern und 
vormündern uns zugeschickte jünglinge so viel grundsätze der 
religion und gesunden vernunft mitbringen, daß sie diese gesetze 
nicht als lasten, die ihnen von einer herrschsüchtigen obrigkeit 
3; auferlegt sind, noch als eigensinnige einschränkungen ihres ver- 
gnügens, sondern als wohlthätige mittel zu ihrer wohlfahrt an- 
sehen, ohne deren anwendung sie die absichten ihres hiesigen 
aufentbalts nicht erreichen können. 


428 Monumenta Germaniae paedagogica I 


44 


Instruktion 


für die Hofmeister am Collegium Carolinum. 
1786. 


u 


Carl Wilhelm Ferdinand, herzog ıc. ıc. Obgleich wir zu 
dem pflichtmäßigen betragen der hofmeister bei dem Collegio 
Carolino das beste vertrauen hegen, in ansehung ihrer obliegen- 
heiten auch schon vorhin verschiedene einzelne verordnungen 
gemacht sind: so haben wir dennoch gut befunden für dieselben 
die hiebei kommende instruktion, damit ihnen ihre pflichten 
desto besser und in eins vor augen liegen mögen, ausfertigen 
zu lassen und solche zu vollziehen. Ihr habt daher die hof- 
meister auf dieselbe zu verpflichten und auf deren befolgung in 
zukunft genau zu achten. 

Braunschweig, den 13'° März 1786. 

Carl W.F. herz. 
Hardenberg Reventlow. 


Instruktion für die hofmeister des Collegii Carolini. 


Bei führung eines jeden amts kommt alles auf den gesichts- 
punkt an, aus welchem man dasselbe nebst den damit verbun- 
denen pflichten betrachte. Um also auch hier den rechten ge- 
sichtspunkt nicht zu verfehlen, ist ein deutlicher und passender 
begriff vom Collegio Carolino überhaupt und dem amte der hof- 
meister bey demselben insbesondere festzusetzen. 

Das Carolinum ist eine auf kosten des regenten errichtete 
anstalt, wo unter desselben oberaufsicht und schutz eine anzahl 
jünglinge von mittlerem alter für eine festgesetzte pension unter- 
halten, ihr charakter und ihr sittliches betragen ausgebildet, sie 


10 


30 


in allen ihrer künftigen bestimmung angemessenen kenntnissen ss 


gemeinschaftlich unterrichtet und zu brauchbaren und glücklichen 
weltbürgern vorbereitet werden sollen. 

Um diese so wichtige und große zwecke, deren keiner ohne 
den andern bestehen kann, zu erreichen, ist lehre und aufsicht 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 44 429 


nöthig. Jene besorgen die professoren, diese ist den unter öffent- 
licher autorität am Collegio angestellten hofmeistern anvertraut. 

Da die mehresten eleven von ihren eltern und ihrem vater- 
lande entfernt und noch nicht in dem alter sind, daß sie sich 

s selbst ganz überlassen werden könnten, so müssen die hofmeister 
bei ihnen die stelle öffentlicher vormünder vertreten, das ist: sie 
müssen für ihre gesundheit, ihre sitten, ihren fleiß und die ver- 
waltung ihres vermögens sorge tragen, damit dieselben den end- 
zweck ihres hierseyns vollkommen erreichen und an leib und 

ı seele besser, als sie zu uns kamen, wieder in ihr vaterland zurück- 
kehren mögen. 

Zu desto gewisserer erreichung dieses endzwecks wird den 
hofmeistern hiemit die genaueste befolgung gegenwärtiger instruk- 
tion auf das angelegentlichste empfohlen, als welche sie zugleich 

ıs bei ablegung des erbhuldigungs- und dienst-eides zu beschwören 
haben und über deren sträkliche befolgung das concilium Collegii 
Carolini strenge wachen soll. 


Allgemeine pflichten und eigenschaften 
eines hofmeisters. 


20 81 

Derjenige, welchem die aufsicht über die jungen bürger 
unsers Carolini anvertraut wird, muß nicht nur mit der voll- 
kommensten kenntniß seiner pflichten den besten willen sie zu 
erfüllen verbinden, sondern sich auch durch stetes nachdenken 

» und studiren dazu immer geschickter zu machen suchen. 

Er sey ein unbescholtener, ordentlicher, durchgehends ge- 
liebter und geschätzter mann, von einem sanften und aufrichtigen, 
aber dabei festen und vorsichtigen charakter und ungeschwächter 
gesundheit. Da er mehrentheils ausländer und junge leute vom 

» stande unter seine aufsicht bekommt, so sey erin der weltkennt- 
niß, auch in der großen welt kein neuling und wenigstens der 
französischen, auch wo möglich der englischen sprache voll- 
kommen mächtig. 


Verhältniß und subordination. 


35 S 2 
Die hofmeister sind einander, so wie in ihren beschäftigungen 
und pflichten, so auch in ihren rechten und befugnissen, völlig 





430 Monnmenta Germaniae paedagogica I 





—,—, 


gleich. Sie stehen zunächst unter dem concilio, sodann aber 
unter dem jedesmaligen chef des Carolini. 


Besondere pflichten gegen die eleven. 


83 

Vor allen dingen suche sich der hofmeister bei den sämmt- 
lichen eleven, besonders bei denen seiner vormundschaft anver- 
trauten, hochachtung und liebevolles zutrauen zu erwerben. Um 
dies zu erhalten, hüte er sich den jungen leuten auf irgend eine 
weise eine blöße bemerken zu lassen; zeige sich als theilnehmen- 
der freund in ihren fröhlichen und traurigen begebenheiten; als 
treuer rathgeber in ihrem studiren; als uneigennütziger verwalter 
ihres vermögens; als froher gesellschafter bei ihren vergnügungen ; 
als muster eines gesitteten wandels, ohne sich jedoch von seinem 
ansehen etwas zu vergeben. Nur der tugendhafteste, der ordent- 
lichste, der sittsamste, nicht der reichste, der vornehmste, der 
schmeichler sey ihm der liebste. 


Kenntniß der charaktere. 


84 
Da bei der großen verschiedenheit des menschlichen charak- 


ters nichts zweckwidriger und nachtheiliger ist als eine anzahl 
junger, an alter, stand, erziehung, vaterland verschiedener menschen 
nach einer einzigen form bilden und behandeln zu wollen, wovon 
die normal- und andere schulen so manchen traurigen beweis 
geben: so haben die hofmeister vor allen dingen den charakter 
ihrer eleven zu studiren, nicht, um ihn gewaltsam umzuschaffen, 
sondern ihn zum vortheile derselben und zu glücklicher been- 
digung ihres erziehungsgeschäfts zu benutzen. Zu dem ende 
muß jeder hofmeister sich auch dahin vorbereiten, daß er von 
dem betragen seiner untergebenen allenfals dem concilio die er- 
forderliche rechenschaft geben könne, damit die gehörigen maaß- 
regeln, jenen zweck zu erreichen, desto wirksamer ergriffen werden 
mögen. Ist einmal der charakter der zöglinge gehörig bestimmt, 
so wird auch die lenkung und aufsicht derselben weniger schwierig- 
keiten unterworten seyn; nur muß diese mehr das ansehen freund- 
schaftlicher bekümmerniß und treuer fürsorge als despotischen 
und leidenschaftlichen schulzwanges haben. 


2) 


10 


15 


30 


35 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 44 431 


Beobachtung der gesetze, gottesfurcht. 


$5 
Hauptsächlich haben die hofmeister für die genaueste be- 
folgung der im jahre 1784 erneuerten und vermehrten gesetze des 
s Collegii, deren erfüllung jedes junge mitglied desselben bei seiner 
aufnahme angeloben muß, auf das strengste zu wachen und die 
eleven besonders zur gottesfurcht und fleißigen besuchung des 
gottesdienstes anzuhalten. 


Erhaltung der ordnung und ruhe im Carolino. 


10 86 
Da ohne ruhe, einigkeit und ordnung auch die besten an- 
stalten und absichten vereitelt werden würden, so müssen die 
hofmeister unabläßig für die erhaltung derselben sorge tragen 
und dahin sehen, daß, wiehtige entschuldigungsgründe ausge- 
ıs nommen, spätestens abends um 11 uhr die eleven sich schlafen 
legen, und im. sommer nach 6 uhr, im winter nach 7 uhr, ohne 
erhebliche ursach keiner sich mehr im bette antreffen lasse, weshalb 
dieselben um diese zeit die zimmer durchzugehen haben. So 
wohl während der vorlesungen als auch in den zwischenstunden 
» müssen sie auf stilles und sittsames betragen halten und des 
nachmittags und abends die wohnzimmer der eleven unvermuthet 
besuchen, auch sich fleißig erkundigen, ob die lehrstunden in und 
außer dem Collegio von den jungen leuten ordentlich gehalten 
und besucht werden, desgleichen darauf sehen, daß in der zwischen- 
25 zeit zwischen den vorlesungen im Collegio kein unfug getrieben 
werde. Der pedell soll zu diesem ende besonders hierauf achten 
und jede unordnung den hofmeistern sofort anzeigen, diese aber 
werden von zeit zu zeit unerwartet selbst nachsehen, ob die ge- 
hörige ordnung und ruhe beobachtet werde. 


30 Betragen und umgang der eleven. 


87 
Die jungen bürger des Carolini sind sämmtlich von solchem 
stande, daß man bei ihnen mit allem recht auf ein gesittetes und 
feines betragen unter einander und gegen fremde rechnen kann. 
3 Nichts desto weniger haben die hofmeister alle aufmerksamkeit 
auf dasselbe zu verwenden und besonders den umgang der jungen 


433 Monumenta Germaniae paedagogica 


leute unvermerkt zu beobachten, damit sie nicht etwa durch 
gefährliche und gewinnsüchtige menschen oder in schlechten 
häusern an ihren sitten, ihrer gesundheit oder ihrem vermögen 
schaden nehmen. 

Die hofmeister müssen daher nicht nur fleißig nachforschen, ; 
wo und wie dieselben ihre nachmittage und abende zubringen, 
sondern zuweilen öffentliche häuser und vergnügungs-örter be- 
suchen und, ohne ihre absicht zu verrathen, auf das betragen der 
eleven acht haben. Auf dem zum vergnügen der eleven be- 
stimmten billard des Collegii ist ferner vorzüglich auf ruhe und w 
ordnung zu achten, und weder zu hohes spiel noch ein anderer 
mißbrauch zu dulden. 


Esprit de corps. 
8 8 
Hazard-spiele, zänkereien, grobheiten, oder wol gar schläge- ı; 
reien und andere, die öffentliche ruhe und den dem Carolino vom 
regenten ertheilten burgfrieden störenden unternehmungen sind 
mit dem äußersten ernst zu verhüten und, wenn sie doch vor- 
fallen, auf das nachdrücklichste zu bestrafen. Ueberhaupt aber 
würden die hofmeister sich die erfüllung ihrer pflichten sehr er- » 
leichtern, wenn sie unter den jungen leuten einen gewissen esprit 
de corps, eine zweckmäßige ehrbegierde anzufachen suchten, 
welche ein edles, ungezwungenes und sittsames betragen zum 
charakteristischen vorzug eines Caroliners machte, so daß einer, 
der diesen grundsätzen entgegen handelte, die gerechte verachtung ss 
aller andern zu befürchten haben müßte. 


Theilung der aufsicht. 
89 

Jeder hofmeister hat zu gleicher zeit eine gleich große ob- 
liegenheit und befugniß das betragen der eleven zu beobachten » 
und gesetzwidrige handlungen überall zu ahnden, wo er solche 
bemerkt, so wie sich denn diese aufsicht auch auf die sogenannten 
Semicaroliner erstrecket. Um ihnen aber dies geschäft zu er- 
leichtern, haben sie sich dergestalt darin zu theilen, daß eine woche 
um die andere der eine die aufsicht im Carolino, der andere : 
außerhalb desselben übernimmt. Ersterer besorgt solche auch mit 
auf dem billard, wo sie sich durch kurzes ab- und zugehen leicht 
bewirken lassen wird. Einer der hofmeister soll aber durchaus 
jederzeit im Collegio gegenwärtig seyn. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 44 433 


Fleiß und vergnügen. 


8 10 

Nächst dem gesitteten und christlichen betragen der eleven 
haben die hofmeister auf ihren fleiß und den guten fortgang im 

s studiren genau zu achten. Sie müssen daher 

a) dahin sehen, daß jeder von einem halben jahre zum 
andern solche lehrstunden wähle, wie sie seinen umständen, seiner 
künftigen bestimmung und den vorschriften seiner eltern und 
vormünder gemäß sind; weshalb die vorschläge zur rechten zeit 

ıo dem vice-präsidenten abt Jerusalem vorzulegen, welcher, wie bis- 
her, das nöthige dieserhalb reguliren wird. 

b) Mit den lehrern und maitres müssen die hofmeister über 
das fleißige besuchen der vorlesungen und die aufmerksamkeit in 
denselben öftere rücksprache halten und darüber monatlich an 

ı» das concilium berichten. 

c) Ferner sollen sie darauf sehen, daß jeder die nöthigen 
compendia und instrumente sofort anschaffe, sich gehörig vor- 
bereite, wiederhole und die aufgegebenen ausarbeitungen mit dem 
gehörigen fleiße verfertige. 

30 d) Das lesen schädlicher und unnützer bücher so viel 
wie möglich verhüten, dagegen sich freundschaftlich mit ihren 
zöglingen über die art und weise ihres studirens unterreden und 
ihnen dasselbe möglichst erleichtern und angenehm machen, auch 
ihrem privat-fleiße und ihrer lectüre dadurch eine gute richtung 

as zu geben suchen, daß sie die zu lesenden bücher sorgfältig wäh- 
len und von dem gelesenen zuweilen kurze auszüge verfertigen 
und sich vorlegen lassen. 

e) Das spatzieren, reiten oder fahren auf ganze und halbe 
tage mit möglichster behutsamkeit erlauben, größere reisen auf 

3 zwei und mehrere tage aber nicht ohne vorwissen und genehmi- 
gung des concilii, oder wenigstens des syndici, welcher darüber 
mit dem präside jedesmal rücksprache halten soll, gestatten. In 
den schauspielen oder auf redouten und bei anderen öffentlichen 
lustbarkeiten soll wenigstens einer der hofmeister bei den jungen 

ss leuten seyn. 

f) Die hofmeister sollen ihren eleven selbst keinen privat- 
unterricht geben und nicht nur keine honoraria dafür in rech- 
nung bringen sondern auch den eltern nicht vorschlagen dürfen 
dergleichen stunden für erkenntlichkeit zu ertheilen. In jedem 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 28 








434 Monumenta Germanise paedagopica I 


falle, da der eleve der beihülfe eines privatissimi bedarf, sollen 

sie sich zunächst an denjenigen ordentlichen professor wenden, 

in dessen fach der verlangte unterricht schlägt, und wenn dieser 

dazu keine zeit erübrigen kann, an die andern bestellten lehrer 

und maitres. Sollten aber besondere umstände eintreten, welche ; 
eine abweichung hievon erforderlich machten, so haben die hof- 

meister solches jedesmal der curatel anzuzeigen und dieserhalb 

verfügung. zu gewärtigen. 


Sorge für die gesundheit. 


8 11 w 

Die gesundheit der eleven, als eins der wesentlichsten 
stücke menschlicher glückseligkeit, ohne welches nie die erziehung 
junger leute den gewünschten zweck erreichen kann, wird hiemit 
der fürsorge der hofmeister auf das angelegentlichste empfohlen. 
Die besten mittel dieses so schätzbare gut zu bewahren sind: « 

a) die reinlichkeit. Sie müssen also mit der äußersten 
sorgfalt dahin sehen, daß 

aa) das ganze haus, 

bb) die zimmer und meubeln möglichst reinlich und luftig 
erhalten werden. Besonders sind in den schlaf-kammern die x 
fenster jeden morgen zu Öffnen, auch allenfalls ventilatoren an- 
zubringen, und vorzüglich im winter die zimmer mit wachholdern 
oder anderem räucherwerk zu durchräuchern. 

cc) Hiernächst muß auf die reinlichkeit in wäsche und 
kleidung, und 2 

dd) des körpers genaue aufsicht gehalten werden. 

b) Ordnung im schlafengehen, aufstehen und arbeiten. 

c) Mäßigkeit im essen und trinken. 

Beide hofmeister, oder doch, falls nur an einem tische ge- 
speiset werden sollte, einer derselben, sollen daher mittags und » 
abends in dem gewöhnlichen speisehause sich einfinden und ohne 
krankheit oder eine gleich wichtige entschuldigung sich davon 
durch nichts abhalten lassen. Sie sollen darauf sehen, daß die 
speisen und getränke gesund und wohlschmeckend zuberzitet 
seyen, und überhaupt alles ordentlich, anständig und reinlich zu- s 
gehe, obgleich heitre und gesittete scherze dabei wohl erlaubt und 
unterhalten werden können. 

Sollte ein versehen des kochs bemerkt werden, so zeige der 
hofmeister solches den umständen nach entweder dem intendanten 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 44 435 


en 


oder dem speisewirth, und wenn dies nicht helfen sollte, dem 
concilio an. Ueberhaupt aber ist aber auf alle mögliche weise 
zu verhüten, daß die jungen leute sich außer den mahlzeiten an 
hitzige getränke gewöhnen oder sich wol gar darinn berauschen. 

5 d) Bewegung des körpers. Hauptsächlich suche man die 
eleven vom kartenspielen ‚zu entfernen und ihnen dagegen be- 
wegungen und übungen in freier luft angenehm zu machen, hie- 
bei aber, und besonders beim baden, welches überhaupt nicht 
ohne die strengste behutsamkeit zu gestatten, vorsicht und sitt- 

wsamkeit zu empfehlen und zu erhalten. 

e) Besonders sollen die hofmeister die genaueste aufsicht auf 
den lebenswandelihrer untergebenen haben, daß sie nicht durch 
ausschweifungen oder unregelmäßige begierden und laster ihre 
gesundheit auf das spiel setzen. 

15 f) Sollten aber bei einem oder dem anderen eleven sich 
krankheiten äußern, so muß der hofmeister schleunigst einen ge- 
schickten arzt zu hülfe rufen und für die gehörige wartung des 
patienten und den regelmäßigen gebrauch der arzeneyen die ge- 
naneste sorge tragen. 


yu Strafen. 


s 12 

Da bei mehrern jungen leuten zwang und strafen nicht 
ganz zu vermeiden stehen, so muB der hofmeister vorzüglich auf 
nachstehendes dabei aufmerksam seyn. 

as a) Man betäube und verhärte nicht durch stetes poltern die 
jungen gemüther; man verlange nicht, daß jünglinge wie gesetzte 
männer handeln und denken sollen, und ereifere sich nicht gleich 
oder moralisire bei jeder jugendlichen schwachheit oder unbe- 
sonnenheit, bemerke sie aber im stillen und führe sie gelegent- 

w lich dem jüngling zu gemüthe. 

b) So nützlich es manchmal seyn kann ein versehen auf 
frischer that zu bestrafen, so schädlich kann es oft werden; ein 
erfahrner hofmeister wird also hierin jedesmal den schicklichsten 
weg wählen. 

35 c) Oft helfen lange moralische predigten nicht so viel als 
ein einziges, im rechten augenblick und mit dem gehörigen tone 
angebrachtes wort, ein einziger wink. Den einen schreckt satyre 
eben so sehr als den andern wahrhafte züchtigungen; dieser 

28* 


436 Monumenta Germanise paedagogica 1 


u nn .— On ——— 





wird durch furcht vor schande und verachtung, jener durch ab- 
scheu vor krankheiten :c. :c. vom bösen zurückgehalten. 

d) Nie strafe und verweise man im affect. Bedächtlichkeit 
und unpartheilichkeit giebt der strafe, dem verweise nachdruck. 

e) Hauptsächlich wisse man bosheit von jugendlichem ;s 
leichtsinn, muthwillige streiche von verbrechen zu unterscheiden. 

f) Zuerst versuche man freundschaftliche vermahnungen und 
vorstellungen; dann brauche man drohungen ıc. :c. und, wenn 
diese nichts helfen, wirkliche strafen. 

Es wird zwar hiemit dem hofmeister die gewalt ertheilt w 
solche, welche höchstens in stuben-arrest bis auf weitere ver- 
fügung bestehen dürfen, auf der stelle zu verfügen; man ver- 
spricht sich aber, daß dieselben nie ohne die höchste noth und 
niemals im affect dazu greifen werden, indem sie erforderlichen 
falls dem concilio dieserhalb red und antwort geben müssen, wie ıs 
sie denn den verhängten arrest: dem curatori des Collegii und dem 
concilio so fort anzuzeigen haben. 

g) Sollte wider vermuthen ein eleve so halsstarrig und bos- 
haft seyn, daß keine warnung oder strafe bei ihm mehr fruchten 
wollte, so haben die hofmeister davon ungesäumt an das con- » 
cilium zu berichten, welches alsdann das weitere den umständen 
gemäß verfügen wird. 


Oekonomie der eleven. 


8 13 
Endlich hat auch jeder hofmeister die oekonomie der seiner % 
aufsicht untergebenen eleven treu und gewissenhaft zu verwalten. 
Gleich nach der aufnahme eines jeden sorgt er, daß ein inven- 
“ tarium seiner bücher, seiner kleider und wäsche verfertiget werde, 
welches nachher alle quartale wieder nachzusehen und davon an 
das concilium zu berichten ist. ” 





Einnahme und wechsel. 


$ 14 
Die einnahme des den eleven ausgesetzten geldes besorgt 
der hofmeister, welcher auch die kasse für jeden eleven in ver- 
wahrung hat und besonders verhüten muß, daß derselbe ohne s 
sein wissen, es sey auf welche art es wolle, geld erhalte. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 44 437 


Hauptsächlich muß er dahin sehen, daß die wechsel so hoch 
als möglich ausgebracht und in guten und vollwichtigen münz- 
sorten bezahlet werden. Zu dem ende sollen die hofmeister ge- 
halten seyn jedesmal von mehreren banquiers den dermaligen 

s cours schriftlich zu fordern und den vortheilhaftesten zu wäh- 
len, ihre rechnungen aber mit diesen schriftlichen anzeigen zu 
belegen. 

Etat und ausgaben. 
| Ss 15 

10 Gleich nach ankunft eines eleven formirt der hofmeister nach 
maaßgabe der zur unterhaltung desselben ausgesetzten geldsumme 
einen etat, legt solchen dem concilio zur genehmigung vor und 
befolgt ihn nachher so, daß er bei ablegung seiner rechnung auf 
einem besonderen bogen die rationes pluris und minoris anführt. 

ıs Vebrigens besorgt der hofmeister alle ausgaben für den eleven 
und berechnet solche quartaliter dem concilio. Die rechnungen 
sind folgendergestalt. 


Rechnungen. 


$ 16 
20 Der hofmeister halte: 
1. Wechselbuch. 

1. Ein wechselbuch, worin für jeden eleven besondre folia 
bestimmt sind. Hierin wird der jedesmalige empfang der wechsel 
nebst ihren haupt-contentis eingetragen und bestimmt angeführt: 

3 wenn, von wem, wie viel und in welchen münz-sorten darauf 
gezogen worden, welches der jedesmalige acceptant unterschreibt. 


2. Diarium. 
2. Ein diarium, worinn ohne unterschied der eleven, blos 
nach der zeitfolge, die jedesmalige einnahme ganz kurz, mit be- 
» ziehung auf das folium des wechselbuchs, eingetragen wird. In 
dasselbe buch und auf dieselbe weise, nur auf besondern foliis, 
werden auch die täglichen ausgaben, so wie sie vorfallen, mit 
bemerkung des dati und nahmens des eleven bestimmt eingezeichnet, 
damit man den jedesmaligen bestand der haupt-kasse so fort daraus 
3 ersehen könne. 
3. Manual. 
3. Für jeden eleven ein besonderes manual, worinn nach 
maaßgabe des anliegenden rechnungs-formulars mit bezug auf das 


438 Monumenta Germaniae paedagogica I 


ne u m m nn 


wechselbuch, das diarium und die der rechnung künftig beizu- 
fügenden quittungen und belege, die einnahme und ausgabe unter 
den gehörigen rubriquen eingetragen und mit ende jedes viertel- 
jahrs von dem eleven unterschrieben wird. 


4. Rechnungen. 

4. Mit ende jedes vierteljahrs wird endlich aus diesen büchern 
für jeden eleven nach dem dieser instruktion angehängten for- 
mular eine besondere rechnung verfertiget, die rationes pluris et 
mincris mit bezug auf den etat auf einem besondern bogen bei- 
gefügt und nebst den numerirten belegen und den büchern 
sub no. 1 und 3 dem concilio vorgelegt, welches dieselben dem 
jedesmaligen syndico zur monitur übergiebt. Die von diesem 
bald möglichst entworfenen monita werden nebst ihrer beant- 
wortung dem concilio übergeben und von diesem dem curatori 
zur entscheidung zugestellt, nach deren erledigung die rechnungen 
vom syndico, hofmeister und eleven unterschrieben, an die eltern 
oder vormünder der letztern abgesendet, dem hofmeister aber die 
gehörigen dechargen darüber ertheilt werden. 


Formular 


zur rechnung, welche die hofmeister des Collegii Carolini für zu 


ihre eleven zu führen haben. 
A. Einnahne. 


Wird auf die in der instruktion vorgeschriebene weise 
berechnet. 
B. Ausgabe. 

1) Pension für unterhalt und öffentlichen unterricht. 

2) Für privatissima und maitres. 

3) , bücher, landcharten, schreibmaterialien, zeitungen, 
Instrumente ıc. ıc. 

4) „ frühstück. 

5) „ taschengeld. 

6) ,„ kleidung. Unter dieser rubrik sind die ausgaben 
an den kaufmann, schneider, schuster, friseur, die 
wäscherinn ıc. ıc. begriffen. 

7) ,„ bedienten. 

8) ,, arzeneyen und medicur. 

9) ,, außerordentliche ausgaben. 

10) , wiederholung aller ausgaben. 


C. Schluß-balance. 


so 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 44 439 


Verwahrung des geldes. 


8 17 
Jeder hofmeister hat die für seine eleven gehobenen gelder 
so wol als die zeitungen und zu führenden bücher auf das ge- 
s wissenhafteste und sorgfältigste zu verwahren, so daß er stets 
vermögend ist solche erforderlichen falls sogleich vorzuzeigen 
und den inhalt der letztern zu beschwören. 


S 18 
Die bestimmung des taschengeldes hängt von den eltern 
ıw oder vormündern ab; wo solches aber unbestimmt gelassen ist, 
soll der hofmeister dem concilio desfalls vorschläge thun und 
dessen bestimmung befolgen. 


Belege. 


5 19 
15 Der regel nach werden ohne belege keine ausgaben, sie 
seyen, welche sie wollen, passirt. Der monitor wird daher ange- 
wiesen auf Jdiesen punkt strenge zu achten. 


Rechnungsführen der eleven. 


8 20 
20 Nur in dem falle soll es den eleven gestattet seyn ihre 
rechnungen selbst zu führen und ihre kasse selbst zu behalten, 
wenn die eltern oder vormünder solches ausdrücklich verlangen. 


Briefwechsel. 


& 21 

25 Der hofmeister besorgt den mit den eltern zu führenden 
briefwechsel dergestalt, daß dadurch der flor des Collegii keinen 
schaden leide. In bedenklichen oder wichtigen fällen sucht er 
beim concilio um verhaltungs-vorschriften nach, so wie er auch 
die sämmtlichen erhaltenen briefe, nebst den abschriften seiner 

»» antworten, sorgfältig aufheben muß, um solche erforderlichen 
falls dem curatori oder dem concilio vorlegen oder ad acta über- 
liefern zu können. 


440 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


8 22 
Niemals aber soll derselbe, unter welchem vorwande es auch 
sey, gelder heben, ohne sie unter dem gehörigen dato in seinem 
wechselbuche aufzuführen. 


8 23 5 
Außerdem haben die hofmeister auch dafür zu sorgen, daß 
die beim Collegio Carolino angestellten hauswärter und bedienten 
ihre pflichten und geschäfte treu und redlich erfüllen, sie nach 
befinden dazu anzumahnen und in wichtigen vorfällen an das 
concilium zu berichten. 10 


Besoldung. 


S 24 

Zur belohnung für ihre bemühung genießen die hofmeister, 
welche, wie schon oben $ 2 bemerkt worden, in allen stücken 
gleiche vorzüge, rechte und pflichten haben, folgende emolu- ı; 
mente: 

.1. Eine jährliche besoldung von dreihundert thaler. 

2. Freie wohnung, licht, feuerung, wäsche, mittags- und 
abendtisch, aufwartung. 

3. Sie folgen im range gleich nach den professoren. 20 

4. Sie haben die erlaubniß mit ihren eleven bei hofe zu 
erscheinen und die spectacles zu besuchen. 

5. Sie sind mitglieder des concilii, worin jeder von ihnen 
ein votum hat. 


Verschwiegenheit. F)) 


8 25 
Es versteht sich von selbst, daß die hofmeister alles, 
was im concilio verhandelt und beschloßen wird, vor jedem da- 
zu nicht gehörigen, besonders aber vor den eleven, geheim halten 


werden. FW 
Schluß. 


8 26 
Schließlich hat man das gute vertrauen zu der edlen, recht- 
schaffenen und aufgeklärten denkungsart der hofmeister, daß sie 
nicht nur unter sich selbst, sondern auch mit den professoren, » 
als welche mit ihnen zu einem zweck arbeiten, eintracht und 
wechselseitiges vertrauen unterhalten, nicht aber durch ver- 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 44 441 





kleinerung und herabwürdigung ihrer mitarbeiter sich einen an- 
hang und nahmen zu verschaffen suchen, und überhaupt alles 
vermeiden werden, was dem flor und guten rufe des Collegii 
Carolini nur irgend nachtheilig seyn kann. 

N Da man auch bei entwerfung dieser instruction unmöglich 
alle besondere fälle hat voraussehen können, so überläßt man 
diese ihren einsichten und giebt ihnen nur noch folgendes zu 
bedenken. 

Je gesitteter, gesünder, geschickter unsre eleven wieder in 
ıwihr veterland zurückkehren, desto höher wird der ruhm und flor 
des Collegii Carolini steigen, desto größere vortheile, desto aus- 
gebreitetere hochachtung werden sich die hofmeister desselben zu 
versprechen haben. 
Braunschweig, den 13. März 1786. 
15 Carl F.W. 
h. zu Br. u. L. Hardenberg Reventlow. 


45 


Ordnung des Katharineums. 
1800. 


u 
EINRICHTUNG DER KATHARINENSCHULE 
SEIT 1790. 


Sie hat fünf klassen und eine nebenklasse. In dieser ver- 
„ einigen sich diejenigen primaner und sekundaner, die das grie- 
chische und hebräische nicht lernen, währenddess in prima und 
sekunda diese sprachen gelehrt werden, und bekommen dort un- 
terricht im deutschen, lateinischen und französischen. Die neben- 
klasse wird also als zwischen prima und sekunda eingeschoben 
3: angesehen und heißt nebenprima. 
Die schule ist eine lateinische schule; also wird bei der 
eintheilung in klassen auf das latein vorzüglich rücksicht ge- 
nommen. Um 


442 Monuments Germaniae paedagogica I 


es 





in quinta aufgenommen zu werden, muss ein kind fertig 
deutsch lesen können. Um 

in quarta— fertig lateinisch decliniren, ziemlich conjugiren 
und schreiben. Um 


in tertia — leichte formeln aus dem deutschen ıns latein > 
übersetzen können. Um 
in sekunda — muss der schüler in einem leichten lateı- 


nischen klassiker ein pensum, worauf er sich nicht präparirt hatte, 
ziemlich exponiren und in einer übersetzung aus dem deutschen 
ins latein nicht über einige wenige grammatikalische fehler ıo 
machen. Um 

in prima — muss er schon einen nicht zu schweren latei- 
nischen dichter verstehen können und seine ausarbeitung von 
den sogenannten groben grammatikalischen fehlern rein sein. 

Doch entscheidet bei der aufnahme oder versetzung nicht ı; 
durchaus bloss das latein, sondern auch übrige kenntnisse und 
die zeugnisse der lehrer in andern sprachen und wissenschaften. 
Die versetzungen geschehen halbjährig. Der professor dirigens 
muss vor dem Öffentlichen examen mit jeder der vier untern 
klassen entweder selbst eine prüfung anstellen, oder sie in seiner » 
gegenwart durch den lehrer der klasse halten lassen. In einzelnen 
fällen geschieht auch beides. 

Nur ein sekundaner kanu in einer oder ein paar lectionen 
zugleich in prima sein und umgekehrt, z. b. im lateine oder 
griechischen in sekunda sitzen, in der mathematik oder dem fran- :; 
zösischen in prima. In den drei untern .klassen findet dies nicht 
statt, ausser dass diejenigen quartaner, die kein griechisch lernen, 
mit den quintanern zugleich die schreibstunde besuchen. 

In den drei obern klassen werden täglich 6 stunden gegeben. 
in den beiden untern täglich fünf. Die letztern haben im sommer so 
vormittags von 8—11, im winter von 9—12 unterricht, die er- 
wachsenern schüler der drei oberen kommen eine stunde früher 
zusammen. Nachmittags wird in allen klassen von 2—4 unter- 
richtet. Die als lehr- und lernstunde der gesundheit nachtheilige 
stunde von 1—2 ist auf den vormittag verlegt. Mittwochs und » 
sonnabends fällt der nachmittag aus. 

Von diesen 148 stunden, zu denen noch 7 in nebenprima 
gerechnet werden müssen — die zeichnen- und singstunden sind 
hier, weil sie nicht von allen besucht werden, nicht in anschlag 
gebracht — hat also quinta und quarta wöchentlich jede 26, « 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 45 443 





tertia, sekunda und prima wöchentlich jede 32. Ich gebe hier 
nicht an, wie viele von diesen stunden jeder wissenschaft ader 
sprache in jeder klasse gewidmet sind, weil sich dies oft nach 
den bedürfnissen der klassen abändern muss. Die übersicht dieser 
s vertheilung, wie sie jetzt bestehet, giebt die beigefügte tabelle. 

In quinta wird gelehrt: vorbereitung zur christlichen 
religion (begriffe von Gott, erzählungen aus Jesus leben, verhält- 
nisse zwischen ältern und kindern, lehrern und schülern, betragen 
gegen geschwister. gesinde, mitschüler, gegen thiere u. s. w. nach 

ıw Welands sittenlehren I. band), lesen mit ausdruck, latein, recht- 
schreibung, geographie, geschichte, rechnen (addiren, subtraliren), 
schreiben und zeichnen; und durch Sulzers vorübungen oder 
ähnliche schriften aufmerksamkeit und nachdenken geweckt. 

In quarta: dasselbe, nur so, wie es für quartaner sein muss; 

»» religion in beispielen (WelandlI. band), im rechnen multipliciren 
und dividiren; im deutschen und lateinischen werden kleine aus- 
arbeitungen gemacht; auch wird mitdemgriechischenangefangen. 

In tertia: die christliche religions- und tugendlehre nach 
den fähigkeiten und bedürfnissen dieses alters mit biblischer ge- 

2» schichte, anthropologie u. s. w. Uebrigens dieselben wissenschaften 
und sprachen, nur auf einer höheren stufe; im lateine Justin; im 
griechischen Hörstels lesebuch; übung im lateinischen und deut- 
schen stile; rechtschreibung; im rechnen regel de tri; anfang im 
französischen. | 

25 In sekunda: die christliche religions- und tugendlehre in 
ihrem ganzen umfange, wie sie für konfirmanden gehört, 
mit anthropologie; im lateine Curtius, Cäsar, Ovid mit mythologie 
und prosodie; im griechischen Gedike’s lesebuch;; im französischen 
allgemeine schulencyklopädie von Trapp, übersetzungen aus dem 

# deutschen ins französische und umgekehrt; geometrie ; allgemeine 
arithmetik; zuweilen allgemeine naturgeschichte; geographie nach 
landkarten; geschichte, jährlich geendet; deutsche aufsätze ; übung 
ım lateinischen stile; anfang im hebräischen. 

In nebenprima: Terenz oder Cicero; erklärung vaterlän- 

3 discher dichter; Moliere. 

In prima: religions- und tugendlehre mit steter rücksicht 
auf die lage und bedürfnisse junger leute, die im begriffe sind 
zur akademie zu gehen, mit exegetischen, historischen und lite- 
rarischen bemerkungen und notizen; arithmetik und algebra; 

4 geometrie und trigonometrie; naturgeschichte; logik; allgemeine 


444 Monumenta Germaniae paedagogica I 


weltgeschichte anderthalbjährlich; Homer, Pluterch, Theophrast. 
Xenophon; Horaz, Virgil, Cicero, Livius, Sallust; mit erklärung 
der griechischen und lateinischen alterthümer; alte und neue 
geographie; zuweilen klassische literatur; übung im französisch- 
sprechen und schreiben (handbuch der franz. sprache); über-: 
setzungen aus dem französischen, lateinischen, deutschen; eigne 
aufsätze in diesen sprachen; hebräisch und (wie in allen klassen. 
nebenprima ausgenommen) übungen im deklamiren und zeichnen. 

Auf die kultur desmoralischen und religiösen gefühls 
wird in jeder klasse auch durch zweckmässige lieder und stellen aus ı 
klassischen deutschen dichtern rücksicht genommen, und jede 
unsrer lectionen arbeitet näher oder entfernter auf den haupt- 
zweck, richtige und heilsame erkenntniss Gottes zu erwecken und 
zu erweitern. | 

Auch ist jeder sprachunterricht zugleich wissenschaftlich. ; 
und fast jeder wissenschaftliche zugleich sprachunterricht. 

In den morgenlectionen setzen sich bey dem stundenwechsel 
nicht die schüler in andre klassen um (ausser nach nebenprima 
und einzelne aus sekunda nach prima oder umgekehrt), sondern 
die lehrer gehen aus klasse in klasse. Sie dociren in meh-» 
reren klassen, jeder in dem fache oder den fächern, die er sich ge- 
wünscht hat. Nur einige ausserordentliche lehrer ausgenommen, 
die vermöge ihrer anderweitigen ämter uns nicht ganz gehören 
und sich nur auf gewisse stunden für gewisse klassen verbindlich 
gemacht haben, sind die übrigen lehrer unter der bedingung. » 
daß sie in ihrem fache angestellt werden, verpflichtet in jeder 
klasse zu lehren, wo es das beste der schule erfordert. Ich habe 
prima zu meiner bestimmten klasse, habe auch über zwei jahre 
in sekunda, beinahe ein jahr in quinta und auf kürzere zeiten 
in allen klassen unterrichtet. In den morgenstunden wechseln » 
die ordentlichen lehrer zwar mit den ausserordentlichen ab, des 
nachmittags aber hat jeder ordentliche lehrer seine klasse für 
sich, ohne von einem andern abgelöset zu werden. 

Dadurch, dass die schüler sich nicht mit jeder stunde in 
andre klassen umsetzen, wird der sonst eher möglichen verwir- » 
rung vorgebeugt. 

Dadurch, dass die lehrer wechseln und nicht einer alle 
stunden in einer klasse giebt, der ermüdung sowohl bei lehrern 
als lernenden und dem auf manchen schulen beinahe nothwen- 
digen übel, dass der lehrer, wenn er morgens drei und nach- « 








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Schulordnungen der Stadt Braunschweig 45 445 








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mittags wieder drei stunden in einer klasse zu halten hat, aus 
überdruss bald die letzte vormittags-, bald die letzte nachmittags- 
stunde frei giebt. Wir hören allemal mit dem schlage auf, und 
keine stunde fällt aus; es müste denn sein, dass bei einer vakanz 

, mehrere lehrer zugleich krank würden. Es läst sich schon er- 
warten, daß der lehrer, wenn er einmal da ist, um die letzte 
stunde zu halten, diese nun nicht so leicht aussetzt, als wenn 
er schon zwei oder mehr stunden da gewesen ist. 

Dadnrch, dass jeder in seinem fache lehrt, bleibt er von der 

ıo versuchung frei das, was er nicht so gern docirt, zu versäumen. 

Dadurch, dass der ordentliche lehrer, des wechsels unge- 
achtet, dennoch seiner klasse des nachmittags ganz allein vor- 
steht, bleibt ihm ein süsses eigenthum an dieser klasse und die 
nöthige anhänglichkeit der schüler an ihn. Beides geht bei be- 

ıs ständigem wechsel, und wenn dem lehrer nicht eine eigne klasse 
bestimmt ist, leichter verlohren. Auch wird dem ordentlichen 
lehrer die bekanntschaft mit dem charakter und betragen des 
schülers dadurch erleichtert. Dieser umstand, ob der lehrer eine 
eigne klasse hat oder nicht, bestimmt den unterschied zwischen 

wordentlichen und ausserordentlichen lehrern. 

Kein lehrer verlässet beim stundenwechsel seine klasse eher, 
als bis er durch den, der hier auf ihn folgt, abgelöset wird. In 
der zwischenzeit wird den schülern eine erholung von etwa 
10 minuten gegeben, die auch deswegen nöthig ist, damit nicht 

3; leetionen von heterogener art sich unmittelbar an einander 
schliessen. 

Die lehrer, die morgens oder nachmittags die erste stunde 
zu halten haben, sind angewiesen eine viertelstunde vor dem 
schlage (vorzüglich in den untern klassen) sich einzufinden, damit 

a» auch keine unordnungen, währenddess sich die schüler sammeln, 
vorfallen können. Da die ordentlichen lehrer jeden nachmittag 
die erste stunde haben, so ist dies ihre pflicht vorzüglich. 

Kein lehrer darf eine stunde aussetzen oder einem andern 
übertragen ohne vorwissen des dirigens. 

Bei vikarieen übernehmen die lehrer zwar die stunden des 
abwesenden, nicht aber seine lection, sondern fahren in ihrer 
eignen fort. 

Für jede der drei oberen klassen wird eine gedruckte lini- 
irte wochentabelle gehalten, auf der die namen der lehrer, die 
4« Jectionen, stunden und die namen der schüler angegeben werden. 


35 


446 Monumenta Germaniae paedagogica I 


Jeder lehrer bemerkt mit einem zeichen, ob der schüler die stunde 
besucht habe oder nicht, auch ob er zu spät kam, und vorge 
fallene excesse. Wir sind dadurch im stande den erkundigungen 
der ältern und vormünder genüge zu thun. Abhaltungen durch 
krankheiten, reisen u.s. w. muss der schüler wenigstens dem; 
ordentlichen lehrer anzeigen. 

Die öffentlichen schülerprüfungen sind halbjährlich und 
festgesetzt: das frühlingsexamen auf den donnerstag vor der char- 
woche, das herbstexamen auf den montag in der michaeliswoche. 
Ostern wird prima allein, vormittags und nachmittags jedesmal » 
3 stunden examinirt; Michaelis die übrigen klassen, des morgens 
quinta und quarta, nachmittags tertia und sekunda. 

Zu der prüfung der kandidaten auf lehrerstellen werden 
nach der eingeführten observanz höchsten orts zwei kommissarien 
ernannt, in deren und des jedesmaligen generalsuperintendenten ı 
und des ersten professors gegenwart der kandidat über die von 
dem letztern ihm vorgelegten pensa vor der klasse, in der er 
angestellt werden soll, eine probelection hält. Den bericht über 
seine tüchtigkeit erstatten nach genommener rücksprache mit dem 
professor die drei ersteren. „ 

Die schulgelder betragen, wenn die sogenannten märtens- 
gelder mit eingerechnet werden, jährlich in prima ungefähr 
11 rthlr., in sekunda beinahe 10, in tertia 9, in quarta etwas 
über 7, in quinta 6 rthlr. Sie werden in eine kasse gesammelt, 
deren berechnung die beiden ordentlichen lehrer in prima und x 
sekunda führen, und von dem ersten vierteljährlich unter die 
vier ordentlichen lehrer gleich vertheilt. Dass hiedurch alle mis- 
gunst unter kollegen, alle bemühungen, die schüler länger als es 
ihr bestes fordert in der klasse zu behalten, wegfallen, darf ich 
nur für solche leser anführen, denen es unbekannt ist, dass diese » 
nützliche einrichtung schon auf mehreren schulen bestehet. Derein- 
wurf dagegen, den ich zuweilen gehört habe, daß der lehrer nunnicht 
mit so vieler anstrengung arbeiten werde, weil er sich auf den 
fleiss seiner gehülfen verlassen könne, verliert, wie mich dünkt, 
seine stärke durch die erwägung, dass der lehrer, wenn er denn: 
nun einmal bloss seines nutzens wegen arbeiten soll, selbst Ja- 
durch, dass er auch an dem höheren schulgelde der oberen klassen sei- 
nen gleichen antheil hat, bewogen werden wird, seine schüler bald 
möglichst für die höhere klasse tüchtig zu machen, wodurch beide 
theile gewinnen. Aus jenem grunde aber muss Jer dirigens in « 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 45 447 


m nn 


der obersten klasse von aller theilnahme an diesen accidenzien 
ausgeschlossen sein, aber auch die versetzung der schüler von 
ihm allein abhängen. Auch wird er so viel weniger um seines 
vortheils willen sich davon ablıalten lassen, unheilbar böse und 

s für die sittlichkeit der übrigen gefährliche schüler von der schule 
auszuschliessen. 

Den choristen erlassen die lehrer die hälfte der schul- 
gelder; auch entrichten sie kein honorar bei der einführung 
versetzung oder aufnahme ins chor. Der kantor giebt auf dem 

ıo Katharineum dem chore wöchentlich zwei stunden unterricht im 
singen (ausser ihm auch der präfektus) und hat eine von der 
unsrigen abgesonderte schule, die durch die zusammensetzung 
dreier kurrenden entstanden ist, welche ehemals zum Martineum, 
Katharineum und der mit dem Waisenhause verbundenen 

ı;s Aegidienschule gehörten. Leute, die bloss des chors wegen die 
schule besuchen, werden nicht geduldet. Auch der präfektus er- 
hält nicht eher dispensation von dem regelmässigen besuche der 
schulstunden, bis er sich so weit gebildet hat, dass sie ihm ge- 
geben werden kann. In die immer lauter werdende verdammung 

zo der schulchöre kann ich nicht einstimmen, wenigstens bin ich 
für die beibehaltung des unsrigen. Ich kenne brauchbare män- 
ner in ämtern, welche chorschüler gewesen sind, und habe das 
glück hier so, wie ehemals in Wolfenbüttel, im chore viele gute 
und fleissige schüler zu haben. Zweimal war der präfektus der 
zs beste schüler der ganzen klasse. Was unsere chorschüler ein- 
sammeln, sammeln sie bloss für sich, und wir haben nicht ursache 
um unsers nutzens willen mit ihnen zu nachsichtig zu sein. Wo 
dies aber nicht der fall ist, ferner in zu grossen oder zu kleinen 
städten, sind die chöre der gefahr der verschlimmerung eher 

„ ausgesetzt. Ich ergreife diese gelegenheit, den hiesigen einwoh- 
nern für die bereitwilligkeit zu danken, womit sie so manchen 
guten jüngling unterstützen und ihm gelegenheit geben dereinst 
brauchbar zu werden. Mögen sie nie durch undankbare oder 
misrathende bewogen werden ihre menschenfreundlichen beiträge 

3, auch den bessergesinnten und fleissigen zu entziehen. 


448 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


46 


Lehrplan und Schulgesetze des Martineums. 
1801. 


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LEHRPLAN DES MARTINEUMS. 


Die Martinsschule besteht aus fünf klassen. Zur auf- 
nahme in die unterste wird bloß fertigkeit im deutschen lesen 
erfordert. Bei der versetzung aus einer untern in eine höhere 
klasse entscheidet zwar vorzüglich, aber doch picht einzig, die: 
erworbene kenntnißB im lateinischen. Die versetzungen geschehen 
halbjährlich nach Ostern und Michaelis durch den rektor nach 
einer vor dem Öffentlichen examen in den vier untern klassen 
von ihm angestellten prüfung. 

In ansehung der lehrstunden dauert der unterricht in ı 
den beiden obern klassen im sommer des vormittags von 7—11 
und im winter von 8—12 uhr, in den drei untern des sommers 
von 7—10 und des winters von 8—11 uhr, wozu noch des 
montags in tertia und quarta eine wiederhohlungsstunde, des 
sommers von 10—11 und des winters von 11—12 uhr, kommt, ı5 
so wie für prima zwei französische stunden. Des nachmittags wird 
in allen klassen von 2—4 uhr unterrichtet. Die sonst gewöhn- 
liche nachmittags-stunde von 1—2 uhr ist der gesundheit wegen 
auf den vormittag verlegt. Ausserdem werden in tertia für die 
drei untern klassen gemeinschaftlich wöchentlich drei schreib- s: 
stunden gehalten, im sommer nachmittags von 4—5 uhr, im 
winter vorınittags von 11—12 uhr. Mittwochs und sonnabends 
fällt der öffentliche unterricht des nachmittags wie bisher weg. 
Uebrigens wird der unterricht pünktlich mit dem schlage ange- 
fangen und geschlossen, auch in jeder stunde die bestimmte lek- » 
tion genau gehalten. Bei dem stunden-wechsel verläßt kein lehrer 
die klasse eher, als bis er durch den auf ihn folgenden abgelöset 
ist. Ohne vorwissen des rektors darf kein lehrer eine stunde 
aussetzen oder einem andern übertragen. Auch hat der rektor 
die verbindlichkeit, in allen klassen, prima ausgenommen, von s 
zeit zu zeit bei dem unterrichte gegenwärtig zu seyn. 


= 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 46 449 


Was die bestimmung der lehrgegenstände betrifft, so 
findet kein unveränderlich festgesetzter lektions-plan statt, sondern 
dieser wird nach maaßgabe der umstände und jedesmaligen be- 
dürfnisse der klassen abgeändert. Dies ist besonders bei den 

sobern ordnungen der fall, wo wegen der menge der lehrgegen- 
stände der eine mit dem andern abwechselnd vertauscht werden muß. 
Indeß darf jede abänderung, vornämlich in den autoren und lehr- 
büchern, nicht ohne grund geschehen, und sie hängt bloß von dem 
rektor nach vorhergegangener bewilligung der ephoren ab. Der phi- 
ıo lologische unterricht wird mit dem wissenschaftlichen möglichst 
so verbunden, daß die lernenden zugleich in beiden gewinnen. 

‚Die gewöhnlichen gegenstände des unterrichts, deren nächste 

vertheilung die beigefügte tabelle zeigt, sind folgende: 


I. Fünfte klasse. 


15 1) Sprachunterricht. Deutsch. Uebung im richtigen 
und ausdruckvollen lesen, in der orthographie und im mündlichen 
erzählen; in mehreren stunden. — Latein. Uebung im lesen 
nnd dekliniren und übersetzen kurzer und leichter formeln in 
das deutsche. Nach Gedikens lateinischem lesebuche mit 

»o Bröders kleinern lateinischen grammatik und Esmarchs um- 
arbeitung des Speccius. Wöchentlich 6 stunden. 

2) Wissenschaftliche kenntnisse. Religions-unter- 
richt, nach Junkers biblischem katechismus. Er enthält 
vornehmlich faßliche begriffe von Gott, betrachtungen über die 

3 natur und den menschen, moralische beispiele, erzählungen aus 
Jesus leben, anleitung zu den pflichten der kinder in ihren ver- 
schiedenen verhältnissen gegen ältern, lehrer:c. Auch werden ausge- 
wählte biblische sprüche und lieder-verse auswendig gelernt und her- 
gesagt. W.4 st. — Biblische geschichten, nach Henkens aus- 

3o wahl biblischer erzählungen. W.2 st. — Geographie, nach 
Fabri’s abrisse der geographie. Vorzüglich von Deutschland; von 
den anderen, besonders europäischen ländern nur die allgemeinsten 
begriff. W.2 st. — Geschichte. Erzählung ausgewählter ge- 
schichten, aus Schröckhs geschichte für kinder. W.2st. — 

3; Rechnen, zahlenkenntniß und die vier spezies, besonders auch 
leichtes kopfrechnen. W.2 st. — Naturgeschichte und andere 
gemeinnützige kenntnisse, nach Junkers handbuche der 
gemeinnützigsten kenntnisse, 1sterth. W.4st.— Sulzers vor- 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 29 


450 Monnmenta Germaniae paedagogica 1 


übungen, Isterth., zur beförderung der aufmerksamkeit und des 
nachdenkens, zu lesen und darüber zu reden. Wöchentlich 2 st. 


— Schreiben. W.3 st. 
II. Vierte klasse. 


1) Sprachunterricht. Deutsch, wie in quinta, nur etwas; 


vollkommener. Zugleich kleine ausarbeitungen über gegenstände 
des gemeinen lebens, dem ideen-kreise der kinder angemessen, auch 
deklamir-übungen. W.2 st. — Latein. Gedikens lesebuch 
und Eutrop, fortgesetzte übung im dekliniren und konjngiren 


und übersetzung leichter formeln aus dem deutschen ins lateini- » 


sche. Dabei Bröders kleinere grammatik. W. 8 st. — Grie 
chisch, lesenlernen und dekliniren, dabei Trendelenburgs 
grammatik. W.2 st. 

2) Wissenschaftlicher unterricht. Religion, nach 


Junkers katechismus, etwas vollständiger als in quinta, beson- ı: 


ders auch erläuterungen durch biblische geschichten und andere 
beispiele, nach Henke oder Weland. W.4 st. — Geographie. 
nach Fabri. W.2 st. — Geschichte, nach Schlözers vor- 
bereitung zur weltgeschichte für kinder. W.2 st. — Rechnen. 


W.2 st. — Naturgeschichte mit einigen anthropologischen. : 


diätetischen, technologischen und a. gemeinnützigen kenntnissen. 
nach Junker. W. 2 st. — Sulzers vorübungen, 2ter th. W. 
2st. — Wiederhohlungsstunde von den lektionen der ver- 
flossenen woche. — Schreiben. W.3 st. 


III. Dritte klasse. 


1)Sprachunterricht. Deutsch. Stylübungen mit gramma- 
tik verbunden, richtiges und ausdruckvolles lesen, deklamiren. 
W.2 St. — Latein. Justin und Kornelius Nepos abwec- 
selnd, 4 st. Phädrus, 2 st., stylübungen mit Bröders kle- 


neren grammatik. 2 st. — Griechisch. Gedikens lesebuch mit > 


Trendelenburgs grammatik zur übung im dekliniren unl 
konjugiren. W. 2 st. — Französisch. Gedikens lesebnch mit 
grammatik. 1 st. 

2) Wissenschaftlicher unterricht. Religion, nach 
Dieterichs auszuge zur unterweisung zur glückseligkeit nach: 
der lehre Jesu. 4 st. —- Geographie, nach Fabri. 2 st. — 
Geschichte, nach Schröckhs lehrbuche. 2 st. — Rechnen. 
nebst den ersten anfangsgründen der mathematik überhanpt. 





'Schulordnungen der Stadt Braunschweig 46 451 


3 st. — Naturgeschichte mit diätetik und andern verwandten 
kenntnissen, nach Funkens leitfaden der naturgeschichte für 
erwachsenere. 2 st. — Eine wiederhohlungsstunde wie ın 
quarta. — Schreiben, wobei besonders Junkers handb. der 

s gemeinnütz. kenntn. gebraucht wird. W.3st., welche die schüler 
der untern ordnungen gemeinschaftlich besuchen. 


IV. Zweite klasse. 


1)Sprachunterricht. Deutsch. Stylübungen mit gramma- 
tik, nach Adelungs auszuge aus seiner sprachlehre, und deklamir- 
ı übungen. W.2st. — Latein. Julius Cäsar, 2 st., Kornelius 
oder Kurtius, 2 st, Gedikens latein. chrestomathie für die 
mittlern klassen, 1 st., Ovids metamorphosen nach schicklicher 
auswahl mit mythologie, 2 st., Prosodie, 1 st., stylübungen 
mit Bröders größern grammatik, 2 st. — Griechisch. Hein- 
ıs zelmanns lesebuch, auch wohl Lucians todtengespräche oder 
Cabes sitienschilderung, mit Trendelenburgs grammatik. 
4 st. — Französisch. Gedikens französisches lesebuch mit 
Pierrards grammatik, stylübungen. 2 st. 
2) Wissenschaftlicher unterricht. Religion. Christ- 
»» liche religions- und tugendlehre in ihrem ganzen umfange mit 
besonderer rücksicht auf die konfirmanden, nebst kurzer religions- 
geschichte und einleitung in die bibel, nach Dieterichs unter- 
weis. z. glückseligkeit nach der lehre Jesu. Jährlich geendet. 
4 st. — Geographie, nach Fabri, anderthalbjähriger kursus. 
»2 st. — Geschichte, nach Schröckh, in anderthalb jahr ge- 
endigt, dann braunschweigische geschichte, ein halbes jahr. 2st. — 
Mathematik. Arithmetik, und danngeometrie, nach Vieths 
erstem unterrichte in der mathematik. 2 st. — Naturge- 
schichte mit den verwandten technologischen, anthropologischen 
so und diätetischen kenntnissen, nach Funkens leitfaden für er- 
wachsenere. 2 st. 


1. Erste klasse. 


1) Sprachunterricht. Deutsch. Rhetorik und deutscher 

styl, theoretisch und praktisch, mit eigenen ausarbeitungen, über- 

3; setzungen und deklamir-übungen, kenntniß der deutschen literatur 

und erklärung deutscher klassiker, 2 st. — Latein. Horaz und 

Virgil, abwechselnd, 2 st. Cicero’s philosophische schriften oder 
29* 


452 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


reden, 2 st. Livius, 2 st. Plinius briefe oder Sallust oder 
Tacitus oder Sueton, 1 st., stylübungen, 2 st. — Griechisch. 
Homer, 2st. Xenophon, Plato, Theophrastoder Plutarchs 
biographien abwechselnd, 2 st.; zuweilen auch einzelne stücke der 
tragiker, Theokrit oder Harles poetische anthologie. — 
Hebräisch, nach Vaters sprachlehre, 1 st. — Französisch. 
Gedikens französ. chrestomathie für die obern klassen, oder: 
Handbuch der französ. sprache (Berlin 1800), zuweilen Voltaire’s 
. Henriade, oder Moliere oder Racine; übungen im schreiben 
und sprechen mit Pierrards grammatik. 2 st. 10 

2) Wissenschaftlicher unterricht. Religion. Christ- 
liche religions- und tugendlehre mit den nöthigen exegetischen, 
historischen und literarischen notizen, nach Schulzens lehr- 
buche. 2 st. — Geographie mit statistik, nach Fabri, ın 
2 jahren geendigt. 2 st. — Geschichte. Allgemeine weltge- 
schichte, nach Hüblers oder Bredows tabellen, ein zweijähriger 
kursus, 2 st.; bei der alten geschichte zugleich alte geographie. — 
Mathematik. Arithmetik und algebra, abwechselnd mit 
geometrie und trigonometrie, erstere nach Leiste, letztere 
nach Lorenzens Euklid, beides zusammen in einem zweijäh- » 
rigen kursus. 3 st. — Naturgeschichte mit technologie, 
nach Funkens leitfaden der naturgeschichte für studirende, 
anderthalbjährlich, abwechselnd mit anthropologie und diä- 
tetik, oder kosmologie nach Klügels gemeinnützigen ver- 
nunftkenntnissen (Berlin 1791), jedes halbjährlich. 2 st. — Logik, » 
nach Kiesewetters logik für schulen, einjähriger kursus. 2 st. — 
Mythologie oder griechische und römische alterthümer 
oder archäologie oder notiz der klassiker, nach Eschen- 
burgs handbuch der klassischen literatur. 1 st. 

In der englischen sprache ertheilt der rektor privat- » 
unterricht, sowie der subkonrektor inderphysik und im zeichnen. 

Der unterricht im schreiben ist bisher einigen schülern der 
untern klassen von einem der ordentlichen lehrer dieser schule 
gegen eine besondere vergütung privatim ertheilt; es ist aber 
nunmehr die einrichtung getroffen, daß ein außerordentlicher ss 
lehrer sämmtliche schüler der drei untern klassen gemeinschaft- 
lich im schreiben unterrichtet, wofür ein jeder von ihnen außer 
dem dem lehrer seiner klasse zu bezahlenden, bisher gewöhn- 
lichen und sehr geringen schulgelde nicht mehr als vierteljährlich 
8 ggr. demselben entrichtet. Die lehrer der drei untern klassen « 


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Schulorduungen der Stadt Brauuschweig 46 453 


haben abwechselnd die verbindlichkeit bei dem unterrichte im 

schreiben gegenwärtig zu seyn. — Den schülern der beiden obern 

klassen ist der erwähnte außerordentliche lehrer auf ihr verlangen 

erbötig in besondern stunden privat-unterricht in der kalligraphie 
>s zu ertheilen. 


Nicht minder wichtig als die bildung des verstandes ist auch 
für jeden lehrer die bildung des herzens seiner zöglinge, und 
er sucht daher auf jede art das moralische und religiöse gefühl 
in ihnen zu wecken, zu beleben und zu stärken. In dieser rück- 

ıw sicht wird auch der unterricht täglich mit einem von dem lehrer 
selbst zu sprechenden kurzen gebete angefangen und beschlossen. 

Zur genauern aufsicht auf den fleiß sowohl als auf das 
sittliche betragen der schüler wird in jeder klasse eine gedruckte 
wochen-tabelle geführt, in welcher von jedem schüler sein 

ıs regelmäßiges und unregelmäßiges besuchen der schule, seine auf- 
merksamkeit und sein fleiß, so wie auch seine aufführung be- 
merket wird. Nach diesen tabellen wird alle vierteljahr an einem 
unbestimmten tage in jeder klasse von dem rektor eine censur 
angestellt. Auch wird eben so oft von der ephorie mit den 

„? sämmtlichen lehrern der schule über den zustand ihrer klassen, 
die fortschritte der schüler in den kenntnissen und dem sittlichen 
betragen und überhaupt über die angelegenheiten der schule eine 
konferenz gehalten werden. 

Die öffentlichen schülerprüfungen werden halbjährlich an- 

ss gestellt, Michaelis in prima, Ostern in den übrigen klassen. 

Vor der jedesmaligen translokation werden die schulgesetze 
von dem rektor feierlich vorgelesen und nöthigen falls erklärt. 
Alle kollegen und die sämmtlichen schüler aus allen klassen ver- 
sammeln sich dazu in prima. Diese gesetze sind folgende: 


» GESETZE FÜR DIE SCHÜLER DES MARTINEUMS. 


1 s 
Wer das Martineum besuchen will, muß sich bei dem rektor 
desselben melden, der ihn nach vorhergegangener prüfung in die 
schickliche klasse einführt. Der einzuführende gelobt durch einen 


454 Monumenta Germaniae paedagogica I 





En nn nn nn m m m m nn 


handschlag als inbegriff seiner schüler-pflichten gottesfurcht und 
tugend, gehorsam gegen seinen lehrer und den rektor, fleiß und 
ein gutes sittliches betragen. Ohne genaue erfüllung dieser be- 
dingungen kann niemand schüler sein. 
2 s 
Jeder schüler ist verbunden allen lehrern ohne unterschied, 
auch der untern klassen, gebührende achtung zu beweisen, und 
keiner darf sich unterstehen vor den thüren der klassen den 
unterricht der lehrer durch geräusch und ungezogenheiten zu 
stören. | iv 
3 
Insbesondere ist jeder schüler dem lehrer seiner klasse den 
strengsten gehorsam schuldig, und er muß alle ermunterungen 
und ermahnungen desselben genau und willig befolgen, da sie 
alle zu seinem besten dienen. Murren und trotz, widerspenstig- ı5 
keit und widersetzlichkeit bei erhaltenen verweisen und bestra- 
fungen, so wie lügen und unwahrheit können nicht ungeahndet 
bleiben, weil sonst alle erziehung nur vergeblich seyn würde. 


4 
Gegen seine mitschüler soll jeder sich gesittet, bescheiden, zo 
gefällig und freundschaftlich betragen. Alles zanken, schimpfen, 
balgen und schlagen ist bei strafe untersagt. — Kein schüler 
darf auch dem anderen bücher oder sachen zu unerlaubten geld- 
verwendungen abkaufen, und wer dies thut, soll nicht nur das 
gekaufte unentgeldlich zurückgeben, sondern auch noch dafür 
gestraft werden. Sollte sich aber wider verhoflen jemand so weit 
vergehen, daß er einem seiner mitschüler bücher oder andere 
sachen nähme und entwendete, so wird er nach beschaffenheit 
der umstände mit öffentlicher beschämung und beschimpfung ın 
der schule belegt werden. 30 
5 | 
Jeder schüler muß täglich zur bestimmten zeit und mit dem 
schlage, nicht früher nicht später, zur schule kommen und sich 
dann gleich in seine klasse begeben, ohne vor der schulthür an 
der gasse oder auf dem schulhofe und in den zwischengängen :; 
sich aufzuhalten, damit er gleich bei dem gebete und dem an- | 
fange des unterrichts gegenwärtig sei. Wer zu spät in die lehr- | 
stunden kommt, wird in den wochentabellen als ein träger 
mensch bemerket. 


Schulorduungen der Stadt Braunschweig 46 455 


6 

Jeder schüler muß alle tage allen lektionen seiner klasse, 
außer denen, wovon ihn der rektor aus bewegenden ursachen 
dispensirt, von anfang bis zu ende ohne alle ausnahme und aus- 
s wahl der stunden beiwohnen und keine einzige lehrstunde bei 
irgend einem lehrer vorsätzlich versäumen. Sollte aber jemand 
krankheits- oder dringender umstände halber von dem besuche 
der schule abgehalten werden, so muß er dies vorher oder, wenn 
er unvermuthet gehindert wird, sofort nachher seinem lehrer 
ıo mit angabe der ursache seiner versäumung anzeigen und um 

erlaubniß oder entschuldigung bitten. 


7 
Zu diesem unausgesetzten besuche aller lehrstunden sind 
auch alle chorschüler verbunden, indem die vortheile des chors 
ıs nicht den müssiggang begünstigen, sondern ein mittel seyn sollen, 
unvermögende fleißige schüler bei ihren schulstudien zu unter- 
stützen. Welcher chorschüler folglich die stunden nicht regel- 
mäßig besucht, muß auch auf die vortheile des chors ver- 
zicht thun und kann, wenn er bloß dieser vortheile wegen 
2» den namen eines schülers führen will, nicht geduldet werden. 
Nur bei dringenden Ursachen kann der rektor diejenigen cho- 
risten, welche nicht studiren wollen oder können, aber dabei eine 
gute aufführung beweisen, von dieser oder jener lektion in prima 
dispensiren. 
35 8 
In den lehrstunden muß jeder aufmerksam, ruhig, still und 
sittsam seyn, weil man nur durch aufmerksamkeit und nach- 
denken sich kenntnisse erwerben kann. Wer auf irgend eine 
art seine und seiner mitschüler aufmerksamkeit und dadurch 
» auch den vortrag des lehrers stört, sündigt gegen diesen, sich selbst 
und seine mitschüler und raubt ihnen und sich das edelste, die zeit. 
Fern sei daher alles plaudern, fußscharren, necken der mitschüler, 
beschäftigung mit fremden, unnützen dingen, spielerei und jeder 
unfug, wodurch nicht nur der nutzen des schulunterrichts ver- 
seitelt, sondern auch die den lehrern gebührende ehrerbietung 
verletzt wird. 
9 
Auch darf niemand während der lehrstunden ohne noth 
und erlaubniß aus der klasse gehen oder einen seiner mitschüler 
„aus einer andern klasse herausrufen. 





456 Monumenta Germaniae paedagogica I 


10 

Während der lektionen darf niemand früchte und andere 
eßbare sachen verzehren und die überbleibsel ins schulzimmer 
werfen. Wer sich in diesem und andern punkten einer unge- 
sitteten aufführung schuldig macht und dieselbe auf erinnerung 
des lehrers nicht unterläßt, oder sich wohl gar gegen dessen er- 
mahnungen, verweise und bestrafung ungebührlich betrüge und 
auflehnte, wird befundenen umständen nach scharf, wohl gar mit 
verweisung aus der schule, bestraft werden, weil ohne den pünkt- 
lichsten gehorsam keine schule bestehen kann. 


11 
Jeder schüler muß mit den nöthigen büchern, papier, federn, 
dinte 2c. immer versehen seyn, da er sonst den zweck der be- 
suchuug der schule nicht ganz erreichen kann und seinen mit- 
schülern leicht anlaß zu störungen und unruhe giebt. 


12 
Ein guter schüler muß nicht nur in den lehrstunden, son- 
dern auch zu hause fleißig sein, wenn er was ordentliches lernen 
und ein geschickter, brauchbarer mann werden will. Er muß 
sich folglich auf die lektionen vorbereiten, sie genau wiederhohlen, 
das behaltene aufzeichnen und, so viel er kann, selbst darüber 
nachdenken. 
13 
Daher muß er alle aufgegebenen arbeiten, die übungen des 
styls, des gedächtnisses und der deklamation, pünktlich und 
ordentlich besorgen und produciren; auch, wenn er von dem 
lehrer in irgend einer lektion gefragt wird, deutlich und fertig, 
ohne sich von andern einhelfen zu lassen, antworten. 


14 


un 


» 


25 


Nach geendigten lehrstunden darf niemand in dem lehr- » 


zimmer bleiben, sondern jeder muß sogleich gesittet nach hause 
gehen. Und wie man den primanern von selbst beobachtung 
der wohlanständigkeit zutraut, so wird besonders allen schülern 
der untern klassen nachdrücklich untersagt auf der gasse zu 


schreien und zu lärmen, sich mit einander zu balgen und zus 


raufen, vder wohl gar andere leute zu necken und dadurch nach- 
theilige gerüchte über die schule zu veranlassen. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 46 457 


m m m —— on nn - — — on _ — - ne 


| 15 

Eben so hat jeder schüler außerhalb der schule sich eines 
untadelhaften verhaltens zu befleissigen. Wer sich einer un- 
ordentlichen lebensart, dem spiele oder trunke ergiebt, schlechten 
s umgang wählt, unanständige, sittenverderbliche oder verdächtige 
örter besucht, der wird, wofern erinnerungen und warnungen 
nichts fruchten, mit ausschließung aus der schule oder sonst 

hart bestraft werden. 


16 
10 Schwören, fluchen, lügen und andere dergleichen pöbelhafte 
unarten können, als züge gemeiner sitten, bei keinem jünglinge 
von einer edelern bildung geduldet werden. Dagegen muß der- 
selbe nach anständigkeit, bescheidenheit, wahrhaftigkeit, ordnungs- 
liebe, reinlichkeit und andern ihn empfehlenden tugenden eifrigst 
ıs streben und dadurch sowohl sich selbst vervollkommnen als 
seinen mitschülern und freunden ein gutes beispiel geben. 


17 
Wer in den schulgebäuden an den bänken, fenstern ıc. 
muthwillig etwas beschädigt oder verderbt, muß den schaden wie- 
» der ersetzen und hat noch überdies nach befinden der umstände 
harte bestrafung zu erwarten. 


18 
Den öffentlichen schulprüfungen darf niemand sich ent- 
ziehen oder vor denselben die schule verlassen, wenn er sich 
3a; nicht unausbleiblich dem mangel der achtung und des vertrauens, 
so wie auch der gefahr einer scharfen ahndung aussetzen will. 


19 

Die chorschüler müssen in den singestunden und bei kirchen- 
musiken zur rechten zeit pünktlich erscheinen und bei dem um- 
» singen in der stadt ehrbar und gesittet über die straßen gehen, 
gehörig zusammen bleiben, sich, ehe zu singen angefangen wird, 
vor den häusern ordentlich stellen, unter dem singen sich aber 
alles plauderns, lachens und leichtsinnigen betragens enthalten 
und sich überhaupt so bezeigen, daß das chor und die chorschüler 
sıin achtung bleiben und die einwohner der stadt die theilnahme, 
vor ihren häusern singen zu lassen und zum fortkommen der 
chorschüler beizutragen, behalten können. Der präfektus des 
chors, der während des umsingens die aufsicht über die chori- 





458 Monumenta Germaniae paedagogica I 


sten hat und dafür verantwortlich ist, muß daher theils selbst 
in seinem ganzen betragen ein gutes beispiel geben, theils allem 
ungesitteten wesen vorzubeugen suchen und, wenn seine er- 
innerungen nicht helfen, die schuldigen dem rektor zur bestra- 
fung nach den chorgesetzen anzeigen. ; 


20 

Uebrigens hofft man von allen schülern des Martineums, 
daß sie sich nicht erst durch furcht vor der strafe, sondern durch 
edelere beweggründe, durch das zartgefühl für pflicht sowohl als 
durch eine lobenswerthe ehrliebe, vom bösen abhalten lassen und » 
überall, in und außer der schule, fleiß im studiren und eine ver- 
nünftige und tugendhafte aufführung zeigen werden, da hierauf 
besonders ihre achtung beim publikum und ihre künftige wohl- 
fahrt beruhet, wie man denn auch künftig auf diejenigen unter 
ihnen, die durch geschicklichkeit und gutes sittliches betragen ı; 
sich vor andern auszeichnen, bei austheilung der stipendien, in- 
sofern sie der stiftung gemäß dazu gelangen können, vorzüglich 
rücksicht nehmen, unfleißige und ungesittete aber ganz davon 
ausschließen wird. 


41 


Gesetze für das Collegium Carolinum. 
1802. 


I 


GESETZE FÜR DIE STUDIRENDEN DES COLLEGI x» 
CAROLINI ZU BRAUNSCHWEIG DURCH HÖCHSTE 
GENEHMIGUNG BESTÄTIGT. 


I 
Alle pflichten, welche den auf dem Collegio Carolino stu- 
direnden obliegen, beziehen sich auf den zwiefachen, aber unzer- » 
trennlich vereinten hauptzweck dieser lehranstalt, auf verstandes- 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 47 459 


bildung und sittenbesserung. Es ist daher die vornehmeste 
pflicht der studirenden diesen zweck auch zu dem ihrigen zu 
machen, beständig desselben eingedenck zu seyn und zu seiner 
erreichung nach allen kräften mitzuwirken. Bei ihrer aufnahme 
s werden sie hiezu feierlich anheischig gemacht. 


II 

Das vornehmste mittel diese verbindlichkeit zu erfüllen ist 
eine unablässige aufmerksamkeit auf ihr ganzes verhalten, sowohl 
in hinsicht des fleisses, den sie auf die ihnen hier dargebotene 
ı wissenschaftliche kultur zu wenden haben, als in ansehung ihres 
ganzen sittlichen betragens, um sich durch beides das zu- 
trauen und die achtung der lehrer sowohl als der mitstudirenden 

immer mehr zu erwerben und ununterbrochen zu erhalten. 


II 

15 Die kenntniß der besondern mittel, welche religion und 
vernunft zur erreichung jenes zwecks und zur bildung eines 
künftigen, nicht nur geschickten, sondern auch rechtschaffnen 
und wahrhaft nützlichen mitgliedes der bürgerlichen gesellschaft 
an die hand geben, wird bei ihnen theils vorausgesetzt, theils 

» durch täglichen unterricht und rath der lehrer möglichst erweitert 
und befördert; und die letztern erwarten daher von ihrer seite 
willige lehrbegierde und folgsamkeit. 


IV 

Um ihnen die verschiedenen gegenstände des unter- 
srichts in der religion, in der sprachkunde, in historischen, philo- 
sophischen, physischen und andern kenntnissen desto nützlicher 
zu machen, und um die wahl, verbindung und folge derselben 
nach ihren besondern absichten und bedürfnissen näher zu be- 
stimmen, wird jeder der studirenden bei seiner aufnahme an einen 
» der ordentlichen professoren gewiesen, welcher ihm vor dem an- 
fange jedes halbjährigen kursus die zu besuchenden lehrstunden 
zutheilt, sich von zeit zu zeit über die fortschritte seines fleisses 
mit ihm unterhält und diesen fleiß sowohl als sein ganzes be- 

tragen zweckmäßig zu leiten sucht. 


35 V 
Nicht nur in den lehrstunden selbst wird von ihnen un- 
ausgesetzte besuchung und sorgfältige benutzung derselben durch 
vorbereitung, aufmerksamkeit, wiederholung und häuslichen 





460 Monumenta Germaniae paedagogica I 


privatfleiß gefodert, sondern man erwartet von ihnen auch 
sowohl in dem Collegio als ausser demselben ein ruhiges und 
gesittetes betragen und die strengste enthaltung von allem, was 
die ruhe und ordnung nur irgend stören würde, oder wodurch 
der äussere anstand und der gute ruf des Collegii nur irgend; 
könnte beeinträchtigt werden. 


vI 

Zur verwaltung aller diese lehranstalt betreffenden ange- 
legenheiten und besonders zur aufrechthaltung einer guten und 
regelmäßigen disciplin haben des Herzogs Durchlaucht ein con- w 
cilium der professoren gnädigst angeordnet, welches ein jeder, 
so bald er unter die studirenden aufgenommen und mit einer 
matrikel versehen ist, als seine rechtmäßige obrigkeit anzusehen 
und für seinen competenten richter zu erkennen hat. 


vuI 15 
Jede klage oder beschwerde, jede bemerkte unordnung oder 
gesetzwidrige handlung ist dem syndikus oder dem zeitigen 
präses dieses concilii sofort anzuzeigen, und es ist keinem er- 
laubt wegen irgend einer vermeinten oder wircklich erfahrnen 
kränkung oder beleidigung sich selbst recht zu schaffen oder » 
sich der sache eines andern thätlich anzunehmen, indem er da- 
durch selbst ein schuldiger werden und sich eine dem vergehen 
verhältnißmäßige ahndung zuziehen würde. 


vi 

Ausfoderungen und duelle sind bei strafe der öffentlichen » 
relegation oder, nach befinden der umstände, bei noch schärferer 
strafe verboten. Und ausserdem wird man junge leute, welche 
durch vorstellungen, warnungen und gelindere besserungsmittel 
nicht dahin zu bringen seyn sollten sich zum fleiß und gutem 
betragen zu bequemen, lieber ganz vom genuß der vortheile dieser » 
anstalt und aller gemeinschaft mit derselben völlig ausschließen 
als sie zum nachtheile des ganzen und ihrer mitstudirenden länger 
dulden. Der nachtheil, den ihnen diese entfernung für die zu- 
kunft bringen wird, ist dann allein von ihnen selbst verschuldet. 


IX s 
Anschaffung und mitbringung der nöthigen bücher, pünckt- 
liche ankunft in den lehrstunden, enthaltung von allen zänkereien 
und neckereien, von aller störung der lehrer und der übrigen 














Schulordnungen der Stadt Braunschweig 47 461 





zuhörer durch irgend eine äusserung des mangels an aufmerk- 
samkeit, vermeidung öfterer und rauschender zerstreuungen, der 
besuchung öffentlicher oder gar in übelm rufe stehender häuser, 
des schuldenmachens und vornehmlich der äusserst verderblichen 
sspielsucht, kurz die enthaltung von allem, was irgend dem 
geistigen oder sittlichen charackter nachtheilig werden kann, sind 
unerläßliche pflichten, deren vernachlässigung nicht unbemerkt 
noch ungeahndet bleiben würde. 


X Ä 

1m Von dem grade der befolgung aller dieser vorschriften wird 
nicht nur der grad der guten meinung, der zufriedenheit und des 
zutrauens abhängen, welchen die studirenden von ihren lehrern 
und vorgesetzten zu erwarten haben, sondern auch die beschaffen- 
heit des zeugnisses, womit sie dereinst von dieser anstalt ent- 

ıs lassen werden oder welches erforderlichen falls vom concilium 
ihren künftigen beförderern über sie gegeben wird, und vornehm- 
lich die grundlage zur größern oder geringern wahren glück- 
seligkeit ihres ganzen künftigen lebens. 


Das concilium des Collegii Carolini. 


48 


Gesetze für das Collegium Carolinum. 
1823. 
> 


20 e GESETZE 
FÜR DIE STUDIRENDEN DES COLLEGII CAROLINI. 


Vorbericht. 


Das fürstl. directorium Collegii Carolini sieht sich bewogen 
die erneuerten und vervollständigten gesetze, welche die studiren- 


462 Monumenta Germanise paedagogica I 


den zu befolgen haben und zu deren beobachtung sie bei ihrer 

aufnahme auf diese lehranstalt verpflichtet werden, hiedurch 

öffentlich bekannt zu machen. Diese vorschriften sind keine an- 

deren als die der gesunden vernunft und moral; nur erhalten sie 

durch die eigenthümlichen verhältnisse des instituts eine beson- ; 
dere anwendung. Sie sind in ihrer gegenwärtigen form von der 

hohen regierung genehmigt und verlangen als ausdruck des höch- 

sten willens eine genaue befolgung. 

Das lehrinstitut des Collegii Carolini besteht seit 1745 und 
erwarb sich eine lange reihe von jahren hindurch das zutrauen u 
des einheimischen und auswärtigen publicums. Die westphälische 
regierung hob zugleich mit der landes-universität das Carolinum 
auf, welches vom hochsel. herzog Friedrich Wilhelm im jahr 
1814 wiederhergestellt und erweitert ward und seitdem die oberste 
bildungs-anstalt im braunschweigischen lande gewesen ist. Sie ı; 
gewährt nicht nur den nächsten vorbereitungs-unterricht auf 
die universität, sondern theilt auch die kenntnisse mit, die den- 
jenigen höchst wünschenswerth und nützlich sind, welche zwar 
die universität nicht besuchen, aber dennoch durch ihre vorzüg- 
liche geistige und sittliche bildung dem stande, dem sie sich » 
widmen, ehre machen wollen. 

Die vielseitigkeit und der weite umfang des unterrichts auf 
dem Collegio giebt den studirenden gelegenheit vieles zu prüfen 
und das zu wählen, was den fähigkeiten, neigungen und ver- 
hältnissen eines jeden am angemessensten ist. Sie weckt bei s 
manchen die fähigkeiten, die bei einem beschränkten studienplane 
unentwickelt geblieben sein würden, und eröffnet umfassende und 
fruchtbare ansichten des lebens und der wissenschaft. 

Die wohlthätige fürsorge der hohen regierung für Jie aus- 
bildung der jugend zeigt sich nicht nur in der verschaffung der » 
besten gelegenheit zu ihrer belehrung, sondern auch in der 
liberalität, mit welcher sie den unbegüterten landeskindern die 
freie theilnahme an dem unterrichte sehr schätzbarer lehrer ver- 
leiht, und in der einsetzung einer besondern behörde, deren be- 
stimmung es ist sich für die bedürfnisse der anstalt zu verwen- s 
den, ihr eine zunehmende wirksamkeit zu verschaffen, auf die 
fortschritte und das betragen ihrer zöglinge mit eifer und mit 
wohlwollen zu achten, ihre künftigen aussichten zu begünstigen 
und die studirenden zur erfüllung ihrer pflichten mit güte und 
mit ernst aufzufordern. un 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 48 463 


Die studirenden des Collegii Carolini bestehen der größern 
zahl nach aus einheimischen jünglingen, die früher eine gute 
häusliche und öffentliche erziehung genossen haben, die an die 
denkart und sitten der gebildeten klassen gewöhnt sind und in 
seiner stadt leben, wo sie leicht beispiele von hoher geistescultur 
und von einem edlen benehmen finden können. Welche ver- 
bindlichkeiten haben diese jünglinge sich ihres vaterlandes, ihrer 
erzieher und der lehranstalt, die sie aufgenommen hat, würdig 
zu betragen! 

10 Es wird von jedem studirenden nichts anders verlangt, als 
daß er die ihm dargebotenen vortheile und gelegenheiten benutze; 
daß er sein eigenes glück begründe; daß er gesetzen folge 
leiste, welche die beförderung seines besten zum einzigen zwecke 
haben; daß er die ihm verstattete freiheit gebrauche, aber nicht 

s mißbrauche: daß er sich von richtig erkannter ehre und pflicht 
leiten lasse und nicht vergesse, daß die aufmerksamkeit seiner 
mitstudirenden, seiner lehrer und vorgesetzten, der hohen landes- 
regierung und des publicums auf ihn gerichtet ist, und daß weder 
eine seiner verdienstlichen handlungen noch seiner vergehungen 

» leicht unbemerkt bleibt. 

Der character unsers lehrinstituts bringt es mit sich, daß 
es seinen zöglingen so viele freiheit und selbstständigkeit ge- 
stattet, als solche mit ihren verhältnissen verträglich sind, und 
bei allen ihren handlungen am meisten auf ihre eigene vernunft 

» rechnet. In jungen, bisher noch von schweren vergehungen und 
vorwürfen frei gebliebenen gemüthern kann die vernunft, von 
dem lebhaften gefühl des rechten und des schönen unterstützt, am 
leichtesten die herrschaft behaupten, das schlechte verabscheuen 
und sich an das beispiel der guten und edlen halten. Fleiß und 

»ein sittlich gutes betragen haben nur dann recht hohen werth, 
wenn beide nicht erzwungen werden, sondern aus eigenem an- 
triebe entspringen und durch eigenen eifer sich thätig beweisen. 
Das Collegium traute dem ehr- und pflichtgefühl und der freien 
wahl der studirenden eine weit größere wirkung als einer knech- 

s tischen furcht vor strafen zu. Eine lange erfahrung hat dies zu- 
trauen bewährt und wird es künftig bewähren. 

Indessen, ist die freiheit unserer studirenden nicht völlig 
mit derjenigen der studenten auf den universitäten auf gleichen 
fuß zu setzen. Diese letztern sind älter und erfahrener; sie kön- 

«nen sich daher eher genügen, sind sich auch ihrer verschiedenen 


464 Monumenta Germaniae paedagogica I 


lage nach mehr überlassen. Die Caroliner sind aber in so fern 
glücklicher, daß sie bei aller wünschenswerthen freiheit noch 
wohlwollende rathgeber und beschützer in der nähe haben und 
außerdem an ihren eltern, familien und vorgesetzten zeugen 
ihres wohlverhaltens und‘ aufmunterer zu allem löblichen finden. : 

Mit mißfallen und bedauern hat bei einigen vorfällen be- 
merkt werden müßen, daß zwar selten, aber doch zuweilen die 
vorurtheile, die sich in rücksicht auf die ideen von ehre, freiheit 
nnd muth bei manchen studenten auf den universitäten erhalten 
haben, bei einigen Carolinern eine unbesonnene nachahmung her- »o 
vorgebracht und einen nachtheiligen einfluß auf ihre handlungen 
gehabt. Diesen kann uud darf das directorium aus aufrichtigem 
wohlwollen für die studirenden keineswegs zugeben und dulden. 
Es wendet daher belehrungen, verweise und strafen gegen solche 
die gute ordnung störende und dem ruhm und der wirksamkeit ı; 
des instituts selbst höchst nachtheilige irrthümer an. Es schützt 
die rechte aller studirenden gegen die, welche sie verletzen 
wollen, ehrt die betolger der gesetze und bestraft deren über- 
treter. 


GESETZLICHE VORSCHRIFTEN. 20 
I. Pflicht der religiosität. 


S1 

Die zu einem lebendigen gefühle gewordene überzeugung 
von dem dasein eines höchst weisen und gütigen weltregierers, 
von der hohen bestimmung des menschen in diesem und einem s 
künftigen leben und von der nothwendigkeit, bei allen unsern 
handlungen auf den göttlichen willen rücksicht zu nehmen, ist 
das wirksamste mittel zu unserer sittlichen veredlung. Eine 
solche religjosität unterstützt jeden guten vorsatz, jedes streben 
nach würdigen zwecken, jeden kampf gegen das böse und be-» 
lohnt jedes der liebe zum guten gebrachte opfer. 


52 
Es ist daher pflicht eines jeden studirenden, der nach bessern 
einsichten und reinerer sittlichkeit strebt, sich mit den wahrheiten 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 48 465 


der religion immer bekannter zu machen, theils durch die be- 
nutzung des auf dem Collegio ertheilten religions-unterrichtes, 
theils durch die fleißige theilnahme an dem. öffentlichen gottes- 
dienste. 
5 83 
Die verschiedenen formen der gottesverehrung sind kein 
gegenstand der beurtheilung eines angehenden gelehrten und 
dürfen in dem pflichtmäßigen benehmen gegen andere keinen 
unterschied veranlassen. Es ist also pflicht der studirenden gegen 
ıo die mitglieder anderer confessionen eben so billig und nachsichtig 
als gegen ihre glaubensgenossen zu sein und sich nie anzumaßen 
die besondern ansichten und gebräuche, woran jene gewöhnt sind, 
zu tadeln oder gar zu verspotten. 


H. Pflichten gegen vorgetzte. 


15 84 
Das fürstl. directorium ist der natürliche rathgeber der stu- 
direnden des Collegii in fällen, wo sie in rücksicht auf ihr be- 
tragen in zweifel sind, und ihr richter, wenn sie sich gegen die 
ordnung des instituts und dessen vorschriften vergangen haben. 
»» Es verlangt daher als ein recht, von den studirenden mit achtung 
und mit zutrauen behandelt zu werden. 


85 
Die studirenden haben sich den bekannt gemachten ver- 
tügungen des directorii willig und unverzüglich zu unterwerfen, 
»s besonders aber den entscheidungen desselben jederzeit genaue 

folge zu leisten. 

8 6 
Wenn das directorium untersuchungen anstellt, so muß der 
vorgeforderte studirende unverzüglich erscheinen, die vorgelegten 
‚0 fragen vollständig und der strengsten wahrheit gemäß beant- 
worten und sich nicht aus parteilichkeit für oder gegen jemand 
unrichtige angaben erlauben. Jede entdeckte vorsetzliche ab- 
weichung von der wahrheit würde sogleich alles vertrauen zu 
dem, der sich ihrer schuldig gemacht, zerstören und einen schwer 
s zu tilgenden fleck auf seinem moralischen character zurücklassen. 


87 
Das directorium verlangt keine angebereien und keine ver- 
letzung freundschaftlicher treue, aber in jedem falle, wo schaden 


Schulordnungen der Stadt Brauuschweig 30 





466 Monumenta Germaniae paedagogica I 





zu verhüten und unruhen beizulegen sind, wird es die höhere 
pflicht eines jeden studirenden das, was er von schädlichen und 
strafbaren vorhaben erfahren hat, dem directorio so zeitig anzu- 
zeigen, daß es die ausführung desselben noch hindern könne. 


88 | 5 
Mit anzeigen, gesuchen oder beschwerden haben sich die 
studirenden zuvörderst an den zeitigen syndicus collegii zu wenden, 
welcher beauftragt ist meldungen dieser art niederzuschreiben, 
sie zur kunde der behörde zu bringen und zwistigkeiten entweder 
gleich selbst auszugleichen oder sie der nähern untersuchung des w 
directorii vorzubehalten. 


Ill. Betragen gegen die lehrer. 
59 

Es ist kaum nöthig zu erinnern, daß die studirenden ihren 
lehrern, welche sich eifrig bemühen ihnen nützlich zu werden, ı; 
jeden beweis von achtung und wohlwollen schuldig sind. An 
diesem achtungsvollen betragen gegen lehrer hat es bisher noch 
nicht leicht ein Caroliner ermangeln lassen. Klagen der lehrer 
über studirende und (sollten dergleichen je statt finden) be- 
schwerden der studirenden über einen lehrer wird das directorium » 
sorgfältig untersuchen. 





$ 10 
Damit die verschiedenen gegenstände des unterrichts und 
der zu erwerbenden kenntnisse für die studirenden um so nütz- 
licher und die wahl, verbindung und folge derselben nach ihren » 
besondern absichten und bedürfnissen um so zweckmäßiger be- 
stimmt werden mögen, wird jeder derselben an einen der lehrer 
des Collegii gewiesen, welcher vor dem anfange eines jeden halb- 
jährigen curses die zu besuchenden lehrstunden mit ihm verab- 
reden, sich mit demselben über die betreibung seiner studien » 
berathen und solche und sein betragen überhaupt gehörig zu 
leiten suchen wird. 
Ss ıl 
Jeder studirende thut bei anfang eines neuen semesters der 
vorlesungen dem lehrer, dessen vortrag er nach anleitung des ss 
vorigen $ zu benutzen gesonnen ist, mündlich davon anzeige. 
Er macht sich anheischig den angefangenen cursus bis zu dessen 
beendigung fortzusetzen: es müßte denn sein, daB wichtige ur- 


Schnlordnungen der Stadt Braunschweig 48 467 








sachen, Z. e. eine eingetretene krankheit, eine veränderte bestimmung 
oder die wahl eines andern studienfachs, zu welchem er andere 
kenntnisse nothwendiger bedarf, ihn bewegen sollten die ange- 
fangenen lehrstunden aufzugeben. In diesem falle hat er den 
s lehrer von der ursach seines wegbleibens vorher zu benach- 
richtigen. 
8 12 
Auch müssen die lehrstunden nicht ohne vollgültige ur- 
sachen ausgesetzt werden; finden indessen unvermeidliche abhal- 
ıo tungen auf mehrere tage statt, z. b. bei reisen oder krankheiten, 
so ist davon eine schriftliche nachricht an den lehrer einzu- 
senden. 
8 13 
Die lehrer halten ihre vorträge in dem Collegiengebäude, 
ıs außer wenn kränklichkeit und andere wichtige gründe sie nöthigen 
in ihren eigenen wohnungen zu lesen. Die entfernung einiger 
dieser wohnungen vom Collegio macht einen etwas längern 
zwischenraum zwischen den vorlesungen unvermeidlich; doch 
können in der regel die studirenden 10 bis 12 minuten nach dem 
»» schlage versammlet sein. Ein späteres kommen muß, um keine 
störenden unterbrechungen zu verursachen, sorgfältig vermieden 
werden. 
8 14 
Das betragen der studirenden während der lehrstunden muß 
» ruhig, aufmerksam und bescheiden sein. Alle störungen des 
vortrags der lehrer durch das sprechen der zuhörer unter einander, 
durch das scharren mit den füßen, wenn einer der studirenden 
zu spät in das auditorium eintritt, und alle andere handlungen, 
die der guten ordnung und der anständigkeit entgegen sind, 
3o dürfen nicht statt finden. 


IV. Benehmen gegen die unterbeamten des Collegii. 


$ 15 5 

Es ist diesen unterbeamten zur pflicht gemacht worden 

neben ihren anderen geschäften auch auf ordnung und ruhe im 
sinnern des Collegiengebäudes und in Jessen nächsten umgebun- 
gen zu sehen. Sie müssen daher auch auf das betragen der stu- 
direnden in abwesenheit der lehrer, in der zwischenzeit der vor- 
lesungen und vor dem anfange und nach der beendigung der- 

30* 


468 Monumenta Germaniae paedagogica I 


selben acht geben. Sie sind beauftragt, wenn sie etwas unrechtes 
wahrnehmen, die studirenden dagegen auf eine ihren verhält 
nissen angemessene weise zu warnen, wenn aber ihre gutgemeinte 
erinnerung nicht gehörige wirkung thut, sogleich von jedem 
vergehen gegen die gesetze und die guten sitten nachricht an; 
die behörde zu geben. 
8 16 

Es wird den studirenden auferlegt die nnterbeamten keines- 
wegs in ihren functionen zu stören, auch sie wegen der erfüllung 
ihrer pflicht nicht mit unfreundlichkeit oder geringschätzung zu ıo 
behandeln, sowie sie ihrerseits angewiesen sind die gebührende 
achtung und höflichkeit gegen die studirenden nie aus den augen 
zu setzen. Vergehungen von der einen oder der andern seite 
würden von der behörde sogleich zur sprache gebracht werden. 


V. Von dem fleiße der studirenden. ıs 


8 17 

Da den studirenden die vernünftige überzeugung von der 
aus ihrer bestimmung sich ergebenden nothwendigkeit eines fort- 
gesetzten fleißes zugetraut werden darf, und dieser fleiß um so 
viel mehreren werth hat, als er aus eigenem freien antriebe ent- x 
springt, so glaubt das Collegium sich in rücksicht desselben auf 
seine studirenden selbst am meisten verlassen zu können, und 
daß es keiner zwangsgesetze für den fleiß und keiner besondern 
strafen für den unfleiß, der sich ohnehin schon selbst schwer genug 
bestraft, bedürfen werde. Seine zöglinge haben einsicht und » 
selbstständigkeit genug, um den werth, den nutzen und das 
ehrenvolle des fleißes, so wie das verderbliche, unsittliche und 
schimpfliche des unfleißes zu erkennen. Sie werden es sich selbst 
am besten sagen können, daß der erste das einzige mittel ist, 
auf der laufbahn der wissenschaft zum ziel zu gelangen, und » 
daß er zu gleicher zeit das erste beförderungsmittel der sittlich- 
keit ist. Der fleißige eben, weil er gewohnt ist seine zeit gut 
anzuwenden, entgeht der zerstreuungssucht und der langeweile, 
welche beide nur gar zu oft zu thörichten und strafbaren hand- 
lungen verleiten. 3 

$ 18 

Die fleißigen Caroliner werden nicht nur die öffentlichen 

lehrstunden regelmäßig besuchen, sondern sie auch durch vorbe- 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 48 469 


reitung und wiederholung recht vollständig benutzen. Sie wer- 
den durch häusliche arbeitsamkeit der in den lehrstunden be- 
wiesenen thätigkeit zu hülfe kommen. 


VI. Anständiges betragen. 
5 S 19. 


Die vorschriften darüber werden nur um derjenigen willen 
erwähnt, deren erziehung in diesem punkte vernachlässigt ist. 
Der mangel an einem sittsamen, feinen und gesetzten betragen, 
und statt dessen ein niedriges und gemeines benehmen, fällt oft 

ıo mehr als andere schlimme fehler in die augen, besonders an 
öffentlichen örtern, wo es leicht bemerkt und sehr nachtheilig 
beurtheilt wird. 
8 20 
Wo sich auch ein Caroliner befindet, muß er eingedenk sein, 
ıs daß sein betragen ihm selbst und dem Collegio zur ehre ge- 
reichen soll. 
g 21 

Am auffallendsten würde ein kindisches und unanständiges 

betragen auf der öffentlichen straße vor dem Collegiengebäude 
» sein. Die sich daselbst versammelnden studirenden dürfen keinen 

lärm machen, nicht durch lautes rufen, gelächter, neckereien und 

ähnliche unartige handlungen die aufmerksamkeit der nachbaren 

und des publicums auf sich ziehen. Noch weniger dürfen sie die 

vorübergehenden aufhalten, stören, verspotten und sie in ver- 
35 legenheit setzen. 

8 22 

Wortwechsel und zänkereien auf den straßen, thätlichkeiten 
an öffentlichen örtern, lautes singen in gesellschaften auf den 
wohnzimmern der studirenden ıc. eignen sich, als störungen der 

» öffentlichen ruhe, zu polizeilichen untersuchungen und bestrafun- 
gen, vor welchen die studirenden des Collegii sich ganz besonders 
zu hüten haben. 


VI Besuchen öffentlicher örter und genuß von 
vergnügungen. 


35 8 23 
Die theilnahme an erlaubten unterhaltungen, z.e. das be- 
suchen der öffentlichen gärten, landgegenden, des schauspiels ıc., 


470 Monumenta Germaniae paedagogica I 


steht jedem studirenden des Collegii mit der einschränkung frei, 

daß diese vergnügungen und erholungen mit mäßigung und an- 

stand und ohne tadelnswerthe verschwendung von zeit und geld 

genossen werden. Ein jeder muß dabei die wünsche und das 

vermögen seiner eltern oder wohlthäter berücksichtigen, um ihnen ; 
nicht durch seine vergnügungssucht zur last zu fallen; er muß 

sich besonders nicht verleiten lassen schulden zu machen, wo- 

durch er sich verlegenheiten, demüthigende abhängigkeit und 

gerechte vorwürfe zuziehen würde. 


S 24 10 
Ehrenvoll handeln dagegen die, welche mit rücksicht aut 
ihre studien und ihre glücksumstände manchen zerstreuungen 
und vergnügungen entsagen, wozu sie in der folge noch immer 
gelegenheit genug finden, und statt dessen ihre studien eifrig 
betreiben, so lange sie, wie jetzt, dazu zeit und gelegenbheit ı; 
haben. 


$ 25 

Das besuchen von wirthshäusern in und vor der stadt ist 
den studirenden des Carolini untersagt, wenn sie die absicht 
haben daselbst gastereien unter einander zu veranstalten. Eben » 
so wenig ziemt sich für sie das besuchen der häuser, wo back- 
werk, näschereien und hitzige getränke verkauft werden, wo- 
durch unpassende versammlungen der studirenden veranlaßt und 
leicht üble gewohnheiten angenommen werden können, vor wel- 
chen sich die zöglinge der wissenschaft und sittlichkeit sehr zu » 
hüten haben. 


$ 26 
Alle hazardspiele, sowohl in öffentlichen als in privathäusern, 
sind durch die landesgesetze verboten und folglich auch den 
studirenden des Collegii aufs strengste untersagt. Auch wird » 
das besuchen der billarde in öffentlichen häusern den Carolinern 
nicht gestattet. 
& 27 
Sollte einer der studirenden des Collegii so unglücklich oder 
so ausgeartet sein, sich in häuser der erklärten unsittlichkeit s 
locken zu lassen, so hat er dadurch verdient vom Collegio aus- 
geschlossen zu werden. 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 48 471 


VII. Umgang der studirenden unter einander. 


8 28 

Als mitglieder desselben instituts uud als vereinigt durch 

"das streben nach kenntnissen und sittlichen vorzügen, müssen 
s die studirenden unter einander wohlwollende gesinnungen und 
einen feinen ton des umgangs zu erhalten suchen, aber bei der 

wahl genauerer freunde unter den mitstudirenden vorsichtig sein 

und dabei hauptsächlich auf bewährte vorzüge des geistes und 

des herzens und auf einen unbescholtenen ruf rücksicht nehmen. 


1v S 29 
Der umgang unter nähern bekannten muß nicht zerstreuend 
und zeitraubend, sondern vielmehr durch wetteifern im guten 
und durch gegenseitige mittheilung der bessern ideen und ge- 
fühle veredelnd und belehrend sein. 


15 8 30 
Verträglichkeit und gegenseitige duldung ist eine haupt- 
bedingung des wohlwollenden zusammenlebens.. Man hüte sich 
vor raschem übelnehmen, vor nachtheiliger deutung der worte 
anderer; man vermeide neckereien oder spott, so wie auch eine zu 
» große familiarität, welche der gegenseitigen achtung leicht ab- 
bruch thut. Man höre die meinungen anderer mit geduld und 
guter laune, man beobachte mäßigung und höflichkeit im dispu- 
tiren, und in muntern gesprächen vermeide man alle unsittlichen 
und unanständigen scherze und witzeleien. 


95 8 31 
Vorzüglich aber hüte sich der studirende des Collegii vor 
jeder äußerung des dünkels und der überhebung gegen mit 
studirende, selbst wenn es ausgemacht seyn sollte, daß sie ihm 
an persönlichen vorzügen weit nachstehen. Am wenigsten lasse 
»der durch geburt und größere glücksgüter ausgezeichnete die 
weniger begünstigten mitstudirenden diesen durch zufall, aber nicht 
durch eigenes verdienst bewirkten unterschied empfinden und 
maße sich nicht an auf jeden andern herabzusehen, wenn dieser 
sonst achtung verdient. 
35 8 32 
Man befleißige sich der vorsichtigkeit im reden und beson- 
ders im urtheilen über andere. Freilich werden bei der natür- 
lichen offenherzigkeit der früheren jahre und bei der gelegenheit 


472 Monumenta Germaniae paedagogica I 


einander genau kennen zu lernen oft freimüthige urtheile gefällt 
werden. Doch können solche urtheile, wenn sonst keine absicht 
der beleidigung dabei statt findet, selbst zu einem bildungsmittel 
dienen, indem ein jeder sich zunächst bemühen muß die günstige 
meinung seiner mitstudirenden zu verdienen. 5 


8 33 

Derjenige, welcher etwa ein übereilt ausgesprochenes, nicht 
gehörig begründetes urtheil über die fehler eines dritten angehört 
hat, muß seine eigene vorsichtigkeit dadurch beweisen, daß er 
das gehörte nicht weiter ausplaudert oder es wohl gar, mit zu- oo 
sätzen verschlimmert, in umlauf bringt, sondern vielmehr alle 
klatschereien verabscheut, welche uneinigkeiten und feindschaften 
zur folge haben können. 


IX. Gemeingeist und geschlossene gesellschaften. 


Ss 34 15 
Der gemeingeist der auf dem Collegio studirenden muß 
darin bestehen, daß sie mit einander wetteifern alles zu thun, 
was dem Collegio zur ehre gereicht. Keineswegs aber darf er 
sich in associationen zur widersetzlichkeit zeigen oder zur ein- 
mischung in fremde händel, oder überall in sachen, welche den » 
studirenden nicht angehen. 
5 35 
Auch vaterlandsliebe ist eine heilige pflicht; aber der beste 
beweis, den unsere studirenden von der ihrigen geben können, 
ist, daß sie recht viele kenntnisse und recht edle grundsätze er- » 
werben, um dereinst die ihnen angewiesene stelle in der bürger- 
lichen gesellschaft rühmlichst und wohlthätig ausfüllen zu können. 


8 36 

Da es in Braunschweig keineswegs an interessanten und 
belehrenden, auch für gesittete Caroliner zugänglichen gesell- » 
schaften, so wenig wie an mancherlei unterhaltungen mangelt, 
so sind die verbindungen der Caroliner zu geschlossenen clubs, 
deren zwecke selten bestimmt und beständig genug sind, die 
leicht ausarten und durch zu große zerstreuungen und einfluß 
auf die freiheit der mitglieder nachtheilige folgen hervorbringen, s 
untersagt. 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 48 473 


8 37 
Die vereinigung einiger studirenden zu gemeinschaftlichen 
lectüren und anderen literarischen zwecken sind angelegenheiten 
der privat-freundschaft. 


s X. Zwistigkeiten unter studirenden. 
& 38 
Wenn das gute verständniß unter den studirenden durch 
wirkliche oder vermeinte beleidigungen gestört sein sollte, so muß 
es unverzüglich wiederhergestellt werden; und zu diesem zwecke 
ı müssen sich die gutdenkenden studirenden mit ihren vorgesetzten 
vereinigen. 
8 39 
Bei ausgebrochenen streitigkeiten sind die gegenwärtigen 
bekannten verbunden sich in’s mittel zu legen, zum frieden zu 
ıs sprechen, die vorgefallene beleidigung unparteiisch zu prüfen und, 
wenn es ihnen nicht gelingt die streitenden wieder zu vereini- 
gen, sogleich dem directorium davon anzeige zu thun. 


5 40 
Gewöhnlich sind die veranlassungen zu verunwilligungen 
20 sehr geringfügig und würden oft sogleich wieder vergessen wer- 
den, wenn sich nicht unruhige und händelsüchtige zuschauer 
einmischten und den streit dadurch erweiterten. Solche aufhetzer 
sind an den üblen folgen hauptsächlich schuld, welche mit zänke- 
reien verbunden zu sein pflegen, und verdienen daher die schwerste 
»s strafe. Aechte freunde werden dagegen versöhnung befördern, 
rasche worte gelinder deuten, zur zurücknahme derselben auffor- 
dern und, wenn ihre lobenswerthen bemühungen vergeblich 
sind, zur ergreifung der gesetzlichen mittel der entscheidung 

zureden. 

30 8 41 
Sind schimpfwörter vorgefallen, so ist es in die augen 
fallend, daß der, welcher sich ihrer bedient, seinen eigenen man- 
gel an erziehung und seinen unverstand dadurch verräth. Die 
niedern klassen nehmen nur deswegen zu grobheiten und 
» schimpfwörtern ihre zuflucht, weil es ihnen an geistesgegenwart 
und einsicht fehlt den streitigen punct richtig zu beurtheilen. 





474 Monumenta Germaniae paedagogica I 


& 42 
Die meisten schimpfwörter bestehen in dem vorwurf des 
mangels an verstande oder des mangels an muth. Der, welcher 
sich den ersten vorwurf erlaubt, hält sich in dem augenblicke 
für weiser als der, welchem er den verstand abspricht. Kann; 
aber eine solche äußerung im munde dessen etwas bedeuten, der 
durch den gebrauch von schimpfwörtern zu erkennen giebt, daß 
es ihm selbst an verstand gebricht? Solche ausdrücke müssen 
verachtet und keiner erwiederung würdig geachtet werden, am 
wenigsten aber eine antwort in demselben niedrigen style her- w 
vorlocken. 
8 43 
Auch der vorwurf des mangels an muth ist in vielen fällen 
nicht schimpflich. Denn nur der muth ist rühmlich, der ın 
einer guten sache bewiesen wird; aber der muth an unbesonne- ı; 
nen und gesetzwidrigen unternehmungen theil zu nehmen ist es 
keineswegs. Wird also demjenigen, welcher sich weigert lär- 
mende trinkpartieen oder verbotene lustbarkeiten mit zu machen, 
sich in händel zu mischen, hazardspiele mit zu spielen :c., der 
ımangel an muth vorgerückt, so ist dieser vorwurf eher ein ruhm » 
als ein tadel. 
8 44 
Wenn indessen ein studirender sich eine beschuldigung gegen 
einen andern erlaubt, die dem guten ruf des letztern wirklich 
nachtheilig sein könnte, wenn er dem andern unredlichkeit, un- 3 
wahrheit, treulosigkeit, niederträchtigkeit und ausschweifungen 
vorwerfen sollte, so hat der beschuldigte allerdings grund und 
recht entweder den beweis oder den widerruf einer solchen äuße- 
rung vor dem gesetzlichen richter zu fordern, der nicht ermangeln 
wird dem gekränkten genugthuung zu verschaffen. zu 


XI. Von den duellen unter den studirenden. 
$ 45 
Nur die genugthuung, welche die richterliche anerkennung 
der unschuld des beleidigten gewährt und die mit einer zu 
leistenden ehrenerklärung und mit der wirklichen bestrafung des : 
beleidigers begleitet ist, kann für befriedigend gelten. 
$ 46 
Doch das vorurtheil und eine alte, von rohen völkern ab- 
geleitete, von den vernünftigern Griechen und Römern aber ver- 





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Schulordnungen der Stadt Braunschweig 48 475 


schmähte sitte bewegt einzelne unerfahrne, verleitete oder weniger 
selbstständige personen zum suchen einer genugthuung durch einen 
zweikampf. Dies heißt eingestehen, daß man den zwist auf eine 
verständigere weise oder durch benutzung des richterlichen aus- 
spruchs beizulegen nicht für gut finde Man nimmt nun, wie 
es kinder und wilde im falle einer zwistigkeit thun, zuflucht zur 
entscheidung durch vernunftlose körperliche gewalt; aber stärke 
des arms und werkzeuge der beschädigung können unmöglich 
befriedigende urtheile über zwistigkeiten abgeben, die nur durch 
einsicht von recht und billigkeit ausgemacht werden können. 


S 47 

Ueberdem ist der zweikampf ein höchst unsicheres mittel 
dem beleidigten eine genugthuung oder selbst eine befriedigung 
seiner rachbegierde zu verschaffen. Der beleidiger kann durch 
körperkraft, geschicklichkeit oder zufall dem beleidigten eben so 
leicht schaden zufügen als ihn selbst erleiden, und wo bleibt 
dann die gesuchte genugthuung? Wird selbst die verwundung 
oder der tod des beleidigers den ungrund der von ihm ausge- 
sprochenen und nicht zurückgenommenen beschuldigung darthun 
und den fleck der gekränkten ehre abwaschen? 


5 48 
Aber nicht nur widersinnig, sondern auch sehr stratbar ist 
das suchen einer vermeinten genugthuung durch gewaltsame 
mittel. Jeder civilisirte staat, der hinlänglich dafür gesorgt hat 
die rechte seiner bürger zu schützen und jede klage über die ver- 
letzung dieser rechte durch richterliche weisheit entscheiden zu 
lassen, hat die sogenannte selbsthülfe mit recht auf das strengste 
verboten. Er kann keinen kampf zugeben, der das dem dienste 
der mitbürger gebührende leben der streitenden leichtsinniger 
weise aufs spiel setzt und den öffentlichen frieden, so wie das 
privatglück der familien gewaltsam stört. 
8 49 
Im höchsten grade vernunftwidrig, unmoralisch und straf- 
bar erscheinen die duelle unter studirenden, welche bei sorg- 
tältigerm unterricht moralische verbindlichkeiten richtiger einsehen 
und die gesetze des landes am meisten respectiren sollten. Den 
studirenden des Collegii sind duelle, schlägereien und andere 
thätlichkeiten, mit oder ohne waffen, auf das bestimmteste und 
strengste verboten. 


476 Monumenta Germanise paedagogica I 


5 50 

Findet bei einem so schweren vergehen ein mildernder um- 
stand statt, wird es dargethan, daß überraschung oder verführung 
einfluß darauf gehabt hat: so kann die strafe um etwas gemil- 
dert werden. Ist aber die strafbare unternehmung vorher über-; 
legt, verheimlicht und durch zuziehung von secundanten und 
zeugen weiter verbreitet und also von desto verderblicherm bei- 
spiele, so muß das directoriun die schuldigen vom Collegio ver- 
stoßen. Die mitwisser und gehülfen werden nach dem grade 
ihrer schuld gestraft. Ein nach einer früheren gelindern be- ı 
strafung dennoch wiederholtes vergehen dieser art zieht unaus- 
bleiblich die relegation nach sich. Uebrigens versteht es sich, 
daß der disciplinarischen bestrafung ungeachtet es den betreffen- 
den gerichten vorbehalten bleibe in den dazu geeigneten fällen 
die schuldigen zur fernern untersuchung und strafe zu ziehen. ı: 


5 51 

Im fall des duells eines Caroliners mit einem Nicht-Caro- 
liner, über welchen das Cellegium keine disciplinarische autorität 
hat, kann das directorium auch die angefangene untersuchung 
für sich nicht beendigen, sondern muß es den polizei-, stadt- und » 
militärgerichten überlassen davon kenntniß zu nehmen und nach 
den bestehenden gesetzen recht zu sprechen. Studirende des 
Collegii, die in ein solches duell verwickelt gewesen sind, werden 
auch noch vom Collegio, dessen gesetze sie dadurch verletzt 
haben, mit der verweisung bestraft. 25 


XI. Strafen des Collegii. 


5 52 
Die von dem directorium zuerkannten strafen der ver- 
gehungen der studirenden bestehen in verweisen, verweigerungen 
der testimonien, einsperrung auf dem carcer, entfernung vom » 
Collegio und in förmlicher relegation. Weitere und härtere be- 
strafungen bei verübten policeilichen oder criminellen vergehen 
gehören vor die competenten richterlichen behörden. 


8 53 
Die zu einer temporären beraubung ihrer freiheit verur- 
theilten studirenden müssen die bestimmte zeit ihres arrests in 
völliger abgeschiedenheit von aller gesellschaft auf dem carcer 


Schnlordnungen der Stadt Braunschweig 48 477 


verbleiben, und es darf unter keinem vorwand ein studirender 
oder andrer bekannter, außer eltern, lehrern oder im fall einer 
krankheit dem arzte, zugelassen werden. Die arrestanten be- 
zahlen auch noch an die unterbeamten des Collegii, deren auf- 
s sicht sie anvertraut sind, für jede 24 stunden ihres arrests einen 
gulden. 


XIll. Verfügungen über die aufnahme und 
das abgehen der studirenden. 


5 54 
10 Es wird niemand zum studiosus Collegii Carolini aufge- 
nommen, der nicht gültige zeugnisse seiner bisherigen lehrer über 
seinen fleiß und sein wohlverhalten mitbringt. 


8 55 
Die im braunschweigischen lande erzogenen, die sich um 
ıs die aufnahme auf’s Collegium bewerben, besonders aber die, 
welche um die freie theilnahme an dem öffentlichen unterrichte 
nachsuchen, unterwerfen sich einem examen, welches bei der 
entscheidung über ihre ansprüche hauptsächlich berücksichtigt 
werden wird. 
20 $ 56 
Jeder aufgenommene schreibt seinen namen in das register 
der studirenden und zahlt bei der ertheilung der matrikel an den 
unterbeamten einen gulden. Er erhält zugleich ein exemplar der 
zu beobachtenden gesetze. 
2 S 57 
General-zeugnisse des directoriums über den bewiesenen 
fleiß und wohlverhalten werden nur auf einreichung der erlangten 
einzelnen zeugnisse der lehrer, deren unterricht der studirende 
benutzt hat, ertheilt und keinem verweigert, der gegründete an- 
3 sprüche darauf besitzt. 
S 58 
Jeder studirender, welcher das Collegium verlassen will, ist 
verbunden diese absicht dem syndicus Collegii Carolini schrift- 
lich anzuzeigen. 








478 Monumente Germanise paedagogica I 


Voranstehenden neuen gesetzen, welche als bloßer entwurf 
unterm 26" August v.j. der hohen regierung zur prüfung und 
genehmigung überreicht wurden, hat dieselbe nach einigen für 
nöthig befundenen und mit ihnen vorgenommenen abänderungen 
mittelst eines rescripts vom 31" März d. j. die höchste bestätigung s 
ertheilt und deren durch gegenwärtigen abdruck geschehene be- 
kanntmachung dem unterzeichneten directorio des Collegii Carolini 
aufgegeben. 


Das fürstl. directorium des Collegii Carolini. 
Mahn. Kunz. Schefller. 10 


Braunschweig, den 11! April 1823. 
Dedekind, 
syndicus des Coll. Carol. 


49 


Motive und Plan der Schulreform des Jahres 
1828, 


ur 


NACHRICHT VON DER UMGESTALTUNG DER SCHULEN 
IN DER STADT BRAUNSCHWEIG. 15 


Da die seit längerer zeit berathene und höchsten orts bereits 
genehmigte umgestaltung des hiesigen schulwesens in kurzem zur 
ausführung gebracht werden wird, so wird, im vertrauen auf den 
unter unsern mitbürgern herrschenden sinn für zweckmäßige und 
erfolgreiche bildung des heranwachsenden geschlechts, dem pu- » 
blikum, von dessen günstigem vorurtheile für das ganze das 
äußere gedeihen der neuen einrichtungen vornehmlich abhängen 
wird, eine vorläufige darlegung des gesammten planes und dessen, 
was dadurch geleistet werden soll, hier mitgetheilt. 

Es sind vorzüglich drei hauptpunkte, von deren sich » 
immer näher anfdringender und immer reiflicher erwogener 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 49 479 


berücksichtigung der erste gedanke zur neuen urganisation 
der hiesigen unterrichtsanstalten ausgegangen ist und welche 
dem ganzen als leitende ideen vorgeschwebt haben. Einmal 
hat die erfahrung gelehrt, daß, je größere ansprüche die immer 
> höher fortschreitende geistesbildung und kraftentwickelung des 
zeitalters an die einzelnen stände und fächer der societät 
macht, desto mehr die absonderung verschiedener, auf die eigen- 
thümliche befähigung der zöglinge für ihren künftigen beruf 
berechneter lehrinstitute bedürfniß ist. So unleugbar es sein mag, 
ıo daß der nächste zweck aller wissenschaftlichen schulbildung die 
gründlichste entwicklung und kräftigste steigerung aller geistigen 
anlagen des menschen als solcher und tüchtigste zurichtung der- 
selben für irgend einen bestimmten zweig der bürgerlichen thätig- 
keit nur der entferntere ist, weil letzteres nur in ersterem seine 
ıs wahre begründung findet, und das praktische leben ohnehin in 
vielfältiger rücksicht seine eigene lehranstalt ist: so ist es doch 
von seiten der bereits für eine der hauptabsonderungen der künf- 
tigen berufsthätigkeit entschiedenen jugend eine höchst billige 
forderung, daß schon bei der wahl der lehrstoffe und unterrichts- 
2 weisen der formellen geistesbildung auf die materielle nutzbarkeit 
derselben rücksicht genommen werde. Der künftige gelehrte so 
gut wie der dereinstige kaufmann, landwirth und künstler soll 
sich tüchtige kenntniß in sprachen und wissenschaften zur mannich- 
faltigen belebung und selbstständigen stärkung seiner seelenkräfte 
ss erwerben, ohne welche er auf keiner stelle des lebens seine würde 
behzupten und seinen platz ausfüllen kann; aber des gelehrten 
art und kunst wurzelt im fernen alterthume, und er schöpft sein 
wissen, wie die ideale seines wirkens, aus den musterwerken einer 
großen, weit hinter uns liegenden vorzeit; darum treibt der zum 
»o gelehrten bestimmte knabe und jüngling vorzugsweise die alten 
sprachen, wie die alte geschichte. Anders, wer aus der schule in 
bürgerliche geschäftsthätigkeit übergehen soll; er will von der 
gegenwart selbst lernen, wie er am zweckmäßigsten für die be- 
dürfnisse der ihn zunächst umgebenden mitwelt wirken könne; 
ss sein vorbild ist und bleibt die moderne zeit und ihre sich von 
immer neuen seiten und mit immer neuen kräften enthüllende er- 
scheinung. Für ihn haben die todten zungen der früheren jahr- 
hunderte keinen werth, und die tiefere alterthumskunde bleibt 
ihm ohne bedeutung; die lebenden sprachen aber muß er lernen, 
«0 damit er schon in beziehung auf sein erwähltes tagewerk nicht 


480 Monumenta Germaniae paedagogicn I 


auf den engen ideenkreis seines volks beschränkt bleibe und das 
leben der nachbarstaaten sein eigenes erleuchte und bereichere. 
Selbst in einem dem gelehrten sowohl als dem nichtgelehr- 
ten gleich unentbehrlichen lehrzweige, in den mathematischen 
wissenschaften, findet in beziehung auf den künftigen beruf der : 
zöglinge eine sehr bedeutende verschiedenheit statt, indem dem 
erstern die reine theorie an sich und die scharfsinnigste und geist- 
reichste, wenn auch zeit raubende beweisentwickelung, letzterem 
dagegen die praktische anwendung derselben und die kürzeste, 
wenn nur gründliche und klare bewerkstelligung der zu ver-w 
arbeitenden einsicht in die wissenschaft die hauptsache ist. Nimmt 
man dazu, wie wünschenswerth dem künftigen lehrlinge dieser 
oder jener bürgerlichen thätigkeit eine vorläufige bekanntschaft 
mit dem sinne und zwecke der seiner wartenden leistungen, den 
gesetzen und regeln der ihm aufzugebenden arbeiten und den 
gegenständen selbst, die er behandeln soll, sein muß, so ist wohl 
die trennung der bisher allgemeinen schulanstalten für die ge- 
bildeten stände in eine gelehrtenschule und eine dem unterrichte 
der zu bürgerlichen geschäften bestimmten jugend ausschließlich 
gewidmete anstalt hinlänglich gerechtfertigt. Das große ver- » 
trauen, welches das hiesige sowohl als zum theil das auswärtige 
publikum dem hier vor einigen jahren errichteten realinstitute 
geschenkt hat, und der bedeutende zustand sehr erfreulicher 
blüthe, in welchem sich dieses bisher einzig aus privatmitteln 
bestrittene unternehmen befindet, ist ein sicherer beweis, daß » 
eine solche anstalt für unsere jugend bedürfniß ist, und wir 
können die weise fürsorge unserer erhabenen landesregierung nur 
mit dankbarer anerkennung darin verehren, daß sie dieselbe unter 
ihre eigne obhut zu nehmen und mit dem ganzen unsers unter- 
richtswesens in nähere verbindung zu setzen beschlossen hat. » 
Eben die jenem institute einmal zu theil gewordene höhere be- 
stätigung und der immer fort steigende zuwachs der in demselben 
unterricht suchenden jugend brachte für beide bisher hieselbst 
getrennt bestehenden gymnasien eine beschränkung ihres schüler- 
bestandes und mithin ihrer hülfsquellen hervor, welche schon an » 
sich eine verschmelzung und umgestaltung derselben in ein ganzes 
nothwendig gemacht haben würde, wenn auch nicht von eben 
dieser vereinigung, wie sogleich weiter auseinander gesetzt werden 
soll, selbst sehr große vortheile für die resultate der ganzen 
gymnasialbildung zu erwarten gewesen wären. {") 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 49 481 





Und hier zeigt sich eben eine zweite hauptrücksicht, die 
bei der beurtheilung unserer neuen schulorganisation ganz vor- 
züglich beherzigt zu werden verdient. So viel auch in früherer 
und späterer zeit für die verbesserung der hiesigen unterrichts- 

‚anstalten geschehen ist, wie preiswürdig und dankenswerth die 
freigebigkeit der jedesmaligen höchsten staatsbehörde die hülfs- 
quellen der institute vermehrt und die innern kräfte derselben 
zu eifrigerer thätigkeit und einsichtsvollerer gestaltung ihrer 
lehrplane aufgemuntert, hat, wie verdienstlich auch die vorsteher 

ıo der größern gemeindeschulen anf ihre bessere einrichtung und 
erweiterte vollständigkeit eingewirkt haben: so konnte doch dem 
sachkundigen ein bedeutender mangel in dem ganzen thun und 
treiben unsers schulwesens nicht entgehen, der uns zwar mit 
vielen, ja wohl den meisten städten ähnlichen oder höhern ranges 
ıs gemein, darum aber nicht minder eine das ganze hemmende und 
die erfolge auch der gewissenhaftesten und angestrengtesten 
lehrerthätigkeit vermindernde unvollkommenheit war. Diese unvoll- 
kommenheit liegt in dem mangel an gehöriger abstufung der 
einzelnen schülermassen, die sich bisher noch immer in zu ungleich- 

» artiger mischung um ihre lehrer versammelten und letzteren die 

aufgabe, ihnen allen zweckmäßige beschäftigung zu geben und 
sie insgesammt in planmäßigem fortrücken der erkenntniß und 
fertigkeit weiter zu führen, im höchsten grade schwierig machen 
mußten. Alles in der welt und in der natur geht seinen stufen- 
gang und bewegt sich durch eine reihe engverschlungener glieder 
einer langgewundenen kette; wo eine lücke hineingerissen wird 
oder eine unvermittelte kluft gähnt, steht auch das leben selbst 
still, und kein sprung schwingt sich zum ziele. Das gilt vor 
allem von erziehung und unterricht. Nur an das zuvor gegebene 
> kann sich die neuere einsicht anknüpfen, und diese nur deutlich 

erkannt wiederum das höher stehende wissen begründen. Wie 

ist aber diese unentbehrlichste hauptbedingung alles wirksamen 

unterrichts zu erreichen, wenn sich in einer und derselben ab- 

theilung einer lehranstalt schüler von halbjährigem, ein- und 

3; mehrjährigem classenalter mit eben neu aufgenommenen ver- 
einigen und den lehrer mit der eröffnung eines jeden halbjahrs 
immer wieder da anzufangen nöthigen, wo er so eben stehen 
geblieben ist? Wollte er sich nicht in einem ganz engen und 
die geistesentwickelung seiner: zöglinge auf wenige grundzüge 

ı0 beschränkenden lehrkreise bewegen, so mußte er sich und seine 


2 


2) 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 3l 


i82 Monumenta Germaniae paedagogica 1 





mn — 71 nn — — 





lehrkraft in wenigstens zwei hälften spalten und, was er für alle 
ganz thun sollte, für seine verschiedenen an einem orte ver- 
einigten auditorien nur halb, also nur ungründlich, zerstückelt 
und lückenhaft leisten. Die allergrößte schwierigkeit, die ein 
buntes gewirre ungleichartiger schüler dem lehrer zu wege bringt, s 
besteht in der unmöglichkeit die schriftlichen arbeiten jeder art, 
deren zweckmäßige wahl und sorgfältige berichtigung gerade 
eine der wesentlichsten verpflichtungen des lehrers ist, den wirk- 
lichen fähigkeiten der zöglinge einigermaßen entsprechend ein- 
zurichten, woraus dann entweder eine übergroße belästigung des ı 
in seinem wissenschaftlichen streben gehemmten und erdrückten 
lehrers, oder bei dem einen theile der schüler fahrlässige leicht- 
fertigkeit und bei dem andern eine ihre ganze kraft erstickende 
verzweiflung an dem gelingen entstehen muß. Wie diesem großen 
übelstande durch vervielfältigung der classenabstufungen in sämmt- ı; 
lichen theilen der gesammten anstalt abgeholfen ist, wird sich 
unten aus der darlegung des planes ergeben. 

Endlich war es bisher unverkennbar, daß die mit einzelnen 
lehrstellen an unsern schulen verbundenen einkünfte theils an 
sich für das, wenn auch noch so billig angeschlagene bedürfniß » 
unzureichend, theils von der schwankenden zufälligkeit der in 
steter rivalität und unter unverschuldeter einwirkung äußerer 
umstände ab- und zunehmenden frequenz der verschiedenen in- 
stitute abhängig waren. Wer aber einem der mühevollsten ge- 
schäfte des thätigen lebens seine zeit und kraft widmet und dabei »: 
die aus der natur seines amtes sich von selbst ergebende obliegen- 
heit, für die literatur seines faches fortwährende kostspielige 
opfer zu bringen, mehr wie irgend ein anderer beruf und stand 
auf sich hat, darf wohl die gegründetsten ansprüche darauf 
machen, daß er vor drückenden nahrungssorgen gesichert und s 
ihm muth und lust zur unverdrossenen angestrengten arbeit un- 
geschwächt bleibe. Nichts that daher dringender noth, als daß 
die gehalte der ältern lehrer, je nachdem es ihre bisherigen ver- 
hältnisse mehr oder weniger heischten, theils erhöhet, theils fest- 
gestellt wurden. Dieser zweck schien durch nichts besser er- x 
reichbar, als durch ein völliges zusammenziehen aller kräfte der 
bisher neben und wider einander dastehenden institute, verbunden 
mit einer angemessenen erhöhung des sonst in Jen öffentlichen 
lehranstalten hergebrachten schulgeldes, deren thunlichkeit theils 
aus vergleichung mit dem in andern städten (wo das jährliche « 


u 
w 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 49 483 


Te ee ee Te Bm m mn ann gan ng mn nn 


schulgeld auf gymnasien 20, 24, 30, ja 40 thaler beträgt, oft 
ohne alle abstufung für niedere und höhere classen) ohne schwierig- 
keit eingeführten, theils aus der seit einigen jahren an dem be- 
reits erwähnten großen privatinstitute hiesigen orts gemachten 
» erfahrung hervorging. Ueberdieß werden die bisher bedeutenden 
kosten für privatstunden neben dem öffentlichen unterrichte sehr 
sich vermindern oder ganz aufhören, indem außer der angeführ- 
ten genauen stufenfolge des unterrichts auch die zahl der wöchent- 
lichen lehrstunden in den höchsten wie in den niedrigsten classen 
ı vermehrt worden ist, und immer streng darauf gesehen werden 
soll, daß, sobald die schülermasse wächst, neue classen angelegt 
werden, um jede überfüllung zu verhindern. Wenn es auffallend 
scheinen möchte, daß, wie sich nachher ergeben wird, von den 
zöglingen der gelehrtenschule weniger als von denen, die sich zu 
ıs den bestimmungen der übrigen gebildeten stände vorbereiten, an 
unterrichtsgebühren gefordert wird: so muß dabei wohl erwogen 
werden, daß diejenigen eltern, die ihre söhne zu mitgliedern einer 
der gewerbe treibenden classen der gebildeten societät bestimmen, 
eben weil sie dieselben ohnehin nicht füglich ohne ein bedeuten- 
„0 des capital in das thätige leben einführen können, in der regel 
bemittelter und besser im stande sind für die bildung der ihrigen 
eine ansehnliche summe aufzuwenden als die classe der literaten, 
aus deren familien gewöhnlich wieder gelehrte und staatsbeamte 
hervorzugehen pflegen, und daß (diese in der regel, z. b. juristen 
» und mediciner, noch lange nach beendigter studienzeit ohne ge- 
halt von eigenen mitteln leben müssen. Da bei der ebenfalls 
vorbereiteten und in einiger zeit auszutführenden verbesserung 
der bürgerlichen gemeindeschulen eine erweiterung und steigerung 
der unterrichtsgegenstände zu völliger befriedigung aller ansprüche, 
» welche man an die bildungsstufe des handwerkers oder geringern 
handelsmannes machen kann, beabsichtigt wird, der kostenauf- 
wand aber in diesen instituten verhältnißmäßig nur unbedeutend 
bleibt: so wird es künftig den eltern und den erwähnten ständen 
nicht ferner wünschenswerth bleiben ihre zu gleicher bestimmung 
szu erziehenden kinder in die gymnasien, als die bisher einzigen 
eigentlich wissenschaftlichen anstalten, zu schicken, und der un- 
bemittelte gelangt mit noch geringerm aufwande als zuvor zum 
zwecke. 
Nach dem bisher bemerkten wird sich nun der plan des 
w ganzen richtiger aufiassen und beurtheilen lassen. 


81” 


484 Monumenta Germaniae paedagogica I 


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Unsere vaterstadt wird ihre unterrichtsanstalten, ın so fern 
sie öffentliche und vom staate selbst unmittelbar berücksichtigte 
sind, abgesehen eines theils von dem für sich bestehenden. in 
vielseitiger ausdehnung seiner wissenschaftlichen bestimmung den 
universitäten nahe stehenden, aber außer den gelehrten auf dies 
letzte vorbildung auch der übrigen gebildeten jugend, sowohl der 
auswärtigen als der unsrigen, berechneten Collegio Carolino, und 
andern theils von den schulen des Waisenhauses und der armen- 
anstalt, in zukunft in zwei große hälften getheilt besitzen. Die 
erste derselben wird das gesammtgymnasium, die letzte die w 
bürgerschule bilden. 

I. Das gesammtgymnasium besteht aus drei theilen, dem 
progymnasium oder der vorschule, dem realgymnasium 
oder der unterrichtsanstalt für die gebildeten stände außer den 
gelehrten, und aus dem ohergymnasium oder der gelehrten- ıs 
schule. 

a) Das progymnasium. Es ist einer gründlich wissen- 
schaftlichen vorbildung des knabenalters bestimmt, ohne daß im 
allgemeinen eine eigenthümliche richtung auf den gelehrtenberuf 
oder das bürgerliche geschäftsleben hervortritt, und kann seine » 
zöglinge eben so gut an das obergymnasium wie an das real- 
gymnasium abgeben. Die elemente aller den gebildeten ständen 
überhaupt theils nothwendigen, theils wünschenswerthen kennt- 
nisse und fertigkeiten sollen in dieser anstalt tüchtig verarbeitet 
und erweckung und übung der geisteskraft bis zu dem zeitpunkte 2 
durch allgemein einflußreiche bildungsmittel fortgeführt: werden, 
wo eine selbstständige entscheidung über die wahl des künftigen 
berufs und standes erwartet werden kann. Diese vorschule em- 
pfängt ihre zöglinge aus den ersten oder mittlern classen der 
bürgerschulen oder der lehranstalt des Waisenhauses und führt sie » 
durch fünf classen bis zum obergymnasium oder zum realgym- 
nasiuum fort. Seine fünf classen, von denen die beiden ersten den 
schülerbestand der bisherigen tertia auf beiden gymnasien, die 
beiden folgenden aber den von quarta, und die letzte die bis- 
herigen quintaner begreifen wird, finden ihr local auf dem Mar- » 
tineum; jedoch wird, um für die weiter entlegenen gegenden 
der stadt dem zarteren alter zu weite schulwege zu ersparen, 
eine mit der fünften und letzten gleichlaufende abtheilung des 
progymnasiums auch auf dem Catharineum angelegt werden. 
Das personal der lehrer wird für jetzt aus sechs ordinarien « 


























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486 Monumenta Germaniae paelagogica I 





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tretenden schüler betrifft, ist es freilich vorzüglich wünschens- 
werth, daß diese zuvor die elassenreihe des progymnasiums durch- 
gegangen sind; denn es ist ziemlich allgemein anerkannt, daß es 
keine bessere grundlage eines durchdachten und systematischen 
sprachstudiums überhaupt giebt als eben die elementarstudien : 
der lateinischen grammatik. Wer es indessen vorzieht mit um- 
gehung der letzten unmittelbar an die neuere linguistik und 
die realien zu gehen, dem bleibt auclı aus den bürgerschulen oder 
bloßer privatbildung der eintritt in das realgymnasium unverwehrt, 
und aus eben diesem grunde ist auch das einrücken in letztere ı« 
anstalt aus den mittleren classen des progymmasiums gestattet. 
c) Das obergymnasium oder die gelehrtenschule. Gründ- 
licher und vollständiger, selbst die höchste, den übergang zur 
academie unmittelbar bedingende vollendung gewährender unter- 
richt in allen wesentlichen bestandtheilen der dem künftigen be- 
rufsgelehrten nothwendigen vorerkenntniß und kräftige übung in 
aller damit zusammenhängender fertigkeit ist der zweck der an- 
stalt, welche ihre schüler nur aus der obersten classe des pro- 
gymnasiums aufnehmen, oder doch nur dieanderswoher kommenden, 
welche sich in genauer übereinstinmung mit ihrem feststehenden ». 
plane durch angemessene prüfung für eine ihrer abtheilungen 
reif erweisen, zuın unterrichte zulassen kann. Schon hieraus er- 
giebt sich, daß alle für andere zwecke hestiminte oder sich von 
irgend einem zweige der eigentlichen gelehrtenbildung aus- 
schließende schüler in dem obergymnasium durchaus keinen platz » 
finden können; denn eben in der aussonderung aller sonst in ähn- 
lichen instituten wohl geduldeter, aber der gesammtheit des 
ganzen auf das innigste in sich verschmolzenen und sich unter 
einander stützenden und ergänzenden lehrstoffs nur halbe theil- 
nahme widmender und den eifer und die begeisterung, welche » 
alle gleichförmig beseelen soll, nur störender und lähmender sub- 
Jecte liegt ein hauptgewinn von dieser neuen. ganz reinen gestal- 
tung der gelehrtenschule. Der classen werden fünf sein, von 
welchen die drei ersten die bisherigen ober- und unterprimaner, 
die beiden letzten aber die secundaner beider gymnasien enthalten » 
werden. Für den unterricht in den drei ersten werden viertel- 
jährig vier thaler und zwölf gutegroschen, in den beiden letzten 
vier thaler entrichtet. Der director dieser anstalt ist der bis- 
herige vorsteher des Catharineums Dr. Friedemann; auch das 
local liefert das eben erwähnte gymnasium. Die anzahl sämmt- « 





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Schulordnungen der Stadt Braunschweig 49 487 


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licher lehrer besteht aus fünf ordinarien und sieben extraordina- 
rien, unter welchen auch ein zeichnenlehrer, aber kein lehrer mehr 
für die gemeine rechnenkunst und das schönschreiben befindlich 
ist, indem die dem künftigen gelehrten nöthige fertigkeit in 

s beiden letztern fächern in dem progymnasium zur genüge erwor- 
ben sein muß. | 

Eine reihe von zehn nach einander zu durchlaufenden classen, 
wie sie das obergymnasium und progymnasium, einander ergän- 
zend, bilden, kann auf den ersten blick zu weit ausgedehnt und 

ıw auf zu viele schuljahre berechnet erscheinen. Allein es kömmt 
dadurch alles in das gewohnte gleis, daß für das progymnasium 
und die beiden untersten classen des obergymnasiums die mög- 
lichkeit nach einem einzigen halben jahre von einer stufe zur 
andern fortzurücken festgestellt, und nur für die drei obersten 

ı» abtheilungen der gelehrtenschule ein einjähriger aufenthalt ın 
einer jeden derselben zur regel gemacht ist. Die translocationen 
geschehen daher im progymnasium und den letzten classen des 
obergymnasiums halbjährig, in den drei ersten obergymnasial- 
classen aber nur in jahresfrist. 

20 II. Von der zweiten hälfte unsers gesammten unterrichts- 
wesens, der bürgerschule, kann für jetzt nur erst ein ganz 
allgemeiner abriß gegeben werden, da doch nicht alles, was zur 
ausführung unumgänglich erforderlich ist, in diesem augenblicke 
in’s werk gerichtet werden kann. 

25 Wirft man einen blick auf die bisherige verfassung der 

volksschulen in unserer stadt, so finden sich zwar eine ziemlich 

große menge von anstalten dieser art durch das ganze zerstreut 
und viele wackere kräfte mit dem volksunterrichte beschäftigt, 
aber es ist in dem allen kein plan und keine einheit. Bald 
haben die einzelnen gemeinden zwei, bald drei, bald gar keine 
abstufungen in ihren schulanstalten, und wo getrennte classen 
statt finden, hängen diese doch nicht genau genug in ihren lehr- 
planen zusammen, und keine sorgfältige obhut wacht über das 
regelmäßige fortschreiten von einer stufe zur andern. Dabei sind 
großentheils die geschlechter nicht geschieden, die locale hin und 
wieder zu eng und von ungebührlichen massen überfüllt; die 
vereinigung der verschiedensten alterstufen macht einen einiger- 
maßen zusammenhängenden unterricht, ja selbst die nothwendigste 
bedingung aller lehrerwirksamkeit, stille, ordnung und ununter- 
#0 brochene aufmerksamkeit aller lernenden, unmöglich. So großen 


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488 Monumenta Germaniae paedagogica I 


übelständen gründlich abzuhelfen ist man ermstlich bedacht ge- 
wesen und bis jetzt über folgende einrichtungen, als wirklich 
ausführbare und ohne zweifel dem ganzen erwünschte und nutz- 
bare, übereingekommen. 

Die gesammte stadt wird in beziehung auf ihr volksschul- 
wesen in zwei hälften getheilt, von welchen der erste bezirk die 
Martini-, Andreas-, Brüdern-, Petri- und Michaelis-, der zweite 
die Katharinen-, Magni- und Burg-gemeinde in sich schließen 
wird. In jedem dieser hauptbezirke werden sich fünf gleich- 
laufende unterste classen oder elementarschulen im eigentlichsten 
sinne zur allerersten begründung der verstandesentwickelung und 
des frühesten leseunterrichts in getrennten und, dem bedürfnisse 
des zartesten alters gemäß, den verschiedenen gegenden der stadt 
möglichst nahe gelegenen orten befinden. In diesen der ersten 
für belehrung empfänglichen kindheit bestimmten schulen wird 
die scheidung der knaben und mädchen nicht nöthig, auch die 
besorgung des unterrichts durch frauenzimmer ferner nicht aus- 
geschlossen sein. Ueber diesen elementarclassen wird nun in 
jedem bezirke eine größere volksschule stehen, zu welcher drei 
sich in ordentlicher stufenfolge an einander anschließende knaben- 
und mädchenclassen gehören. Die bezirksschulen können ihre 
sechs classen in einem gebäude vereinigt oder auch für knaben 
und mädchen abgesonderte schulhäuser angewiesen erhalten; im 
erstern falle wird sorge getragen werden, daß, wenn auch in 


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demselben gebäude, für die verschiedenen geschlechter besondere » 


aus- und eingänge statt finden. Der unterricht in diesen anstal- 
ten wird außer lesen, schreiben und rechnen auch religion, all- 
gemeine geschichts-, völker- und länderkunde, besonders kenntniß 
des vaterlandes, naturkunde, deutsche sprache, verstandes- und 
gedächtnißübungen und gesang umfassen. Mit diesen unterrichts- 
gegenständen wird sich in den obersten knabenclassen, entweder 
regelmäßig oder in nebenlectionen, nicht allein unterricht in der 
französischen sprache und anweisung zum handzeichnen und 
reißen, sondern auch ein populärer lehrcursus der elementar- 
mathematik, wie sie häufig der handwerksmann, z. b. der zimmer- 
mann, tischler, maurer und andere, gebrauchen, verbinden lassen. 
Auch darf es den mädchenclassen nicht an einem zweckmäßigen 
öffentlichen unterrichte in den nöthigsten weiblichen arbeiten 
fehlen. Der religionsunterricht soll großentheils von hiesigen 


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stadtpredigern, sofern sie dafür zu gewinnen sind, besorgt, jeder # 


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Schulordunngen der Stadt Braunschweig 49 489 


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bezirksschule aber in der person des ersten knaben- oder mädchen- 
lehrers ein das ganze leitender und beaufsichtigender oberlehrer 
vorgesetzt werden. Das schulgeld wird bei der neuen einrichtung 
ın den elementarclassen vierteljährig einundzwanzig gute groschen, 
ın der 2ten und 3ten classe der bezirksschulen einen thaler und sechs 
gute groschen, in der ersten classe anderthalb thaler betragen. 

So glaubt man für jetzt eine so weit umfassende und tief 
eingreifende verbesserung zu stande bringen und durch um- 
sichtige verwendung und zweckmäßige benutzung bereits vor- 
handener, ursprünglich eben der jugendbildung bestimmter hülfs- 
quellen den eltern die für die öffentliche erziehung ihrer kinder 
zu bringenden opfer erleichtern zu können. Einer glücklichen 
realisirung auch dieses das volksschulwesen betreffenden entwurfs 
darf binnen kurzem mit bestimmtheit entgegengesehen werden. 

Soviel zur vorläufigen einsicht in das wesen der neuen 
schuleinrichtungen. Unmittelbar mit dem anbeginn des nächst- 
bevorstehenden jahres wird das gesammtgymnasium die beabsich- 
tigte stellung einnehmen und den neuen lehrkreis eröffnen. Zur 
näheren kenntniß des ganzen wird vorher noch ein allgemeiner 
umriß der verfassung mit dem lehrplane im einzelnen gedruckt 
erscheinen. Alles menschenwerk ist seiner natur nach unvoll- 
kommen und muß hinter dem ihm vorschwebenden ideale zurück- 
bleiben; es ist nur in dem maaße achtbar und des vertrauens der 
zeitgenossen werth, als es dem vollkommnern urbilde in steter 
verbesserung entgegenringt. Zu dem unsrigen ist alles, was an 
kraft und mitteln für den augenblick vorhanden war, redlich 
aufgeboten worden. Zeit und erfahrung wird die mängel tilgen, 
und das der anstalt einwohnende leben imıner gesundere blüthen 
zu tage fördern. In diesem bewußtsein stellen wir das unter- 
nehmen unter den segen der vorsehung und hegen im vertrauen 
auf die ferner über demselben waltende weisheit der höchsten 
staatsobern und eine aus vorurtheilsfreier prüfung hervorgehende, 
wohlwollende und mitwirkende theilnahme unserer mitbürger 
die getroste hoffnung, daß die neue gestaltung unsers unterrichts- 
wesens dem vaterlande gute und reiche früchte bringen werde. 

Braunschweig, am 6%" December 1827. 

Die zur verbesserung 
der unterrichtsanstalten in der stadt Braunschweig 
gnädigst ernannte commission. 
Bode. Henke. Petri. Friedemann. 


490 Monumenta Germanise paedagogica I 


90 


Ordnung des Gesammtgymnasiums. 
1828. 


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ALLGEMEINE UMRISSE DER VERFASSUNG DES 
GESAMMTGYMNASIUMS. 


81 
Zweck der anstalt. 

Der zweck der anstalt geht dahin, im höchsten grade selhst-: 
ständig und unmittelbar theils auf die gelehrten facultätsstudien 
der universität, theils auf die höheren stufen des bürgerlichen 
geschäftslebens vorzubereiten. Den ersten zweck hat zunächst 
das obergymnasium, den zweiten das realgymnasium; mitten 
inne und für beide vorbereitend steht das progymnasium. Jede u 
dieser abtheilungen hat einen besonderen vorsteher, der verpflichtet 
ist deu eigenthümlichen zweck seiner abtheilung, zwar mit der 
größten vollständigkeit, aber immer im sorgfältigsten zusammen- 
hange mit dem ganzen zu erreichen. 


82 5 
Obergymnasium. 

Das obergymnasium beschäftiget sich ausschließend mit der 
nächsten vorbereitung zur universität und ist als eine reine und 
alles dahin gehörige umfassende gelehrtenschule zu betrachten, 
worin das studium der alten sprachen vorherrscht. Seine classen » 
laufen mit denen anderer wohleingerichteter gymnasien von selecta 
bis secunda parallel, und es empfängt seine hiesigen schüler dazu 
vorbereitet aus der ersten classe des progymnasiums. 


83 
Progymnasium. % 
Das progymnasium bereitet theils auf das obergymnasium. 
theils auf das realgymnasium vor und empfängt seine hiesigen 
schüler aus den waisenhaus- und bürgerschulen. Seine tendenz 
ist, besonders durch das studium der deutschen und lateinischen 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 50 491 


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und die anfangsgründe der französischen und griechischen sprache, 
sowohl zu den tieferen studien der alten sprachen auf dem ober- 
gymnasium als der neueren auf dem realgymnasium einzuleiten, 
und daneben alle die vorkenntnisse zu geben und die übungen 
s zu treiben, welche in die unteren classen einer gelehrtenschule 
und die höheren einer bürgerschule gehören. Wegen des beson- 
leren zweckes findet aber durchaus keine dispensation von dem 
erlernen der lateinischen sprache statt. Für die künftigen schüler 
des obergymnasiums bestehen zwei griechische classen, an denen 
w auch andere theil nehmen können, doch ohne alle verpflichtung. 


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Realgymnasium. 

Das realgymnasium gibt die unmittelbarste und selbststän- 
digste vorbildung zu den höheren stufen des bürgerlichen ge- 
ıs schäftslebens, namentlich des kaufmännischen und ökonomischen, 
und es bleibt seinen schülern freigestellt die vorbereitung zur 
aufnahme in demselben entweder, was aus vielen gründen am 
rathsamsten sein dürfte, mit den grammatischen studien der 
lateinischen sprache in dem progymnasium, oder ohne dieselben 
»» In der obersten classe der bürgerschulen zu suchen. Aus beider- 

lei anstalten erhält das realgymnasium seine hiesigen schüler. 


85 
Lehrcurse. 

Die lehrcurse des obergymnasiums sind einjährig und auf 

255 jahre berechnet, wie auf allen anderen wohleingerichteten gym- 
nasien der aufenthalt in prima auf 3, in secunda auf 2 jahre 
festgesetzt wird; die des progymnasiums sind halbjährig und auf 
3 bis 4 jahre berechnet; die des realgymnasiums sind halbjährig 
in der untersten classe, in den oberen einjährig und im ganzen 
s, auf 3 jahre berechnet. Von den talenten, dem fleiße und den 
vorkenntnissen der schüler hängt es ab, ob diese curse rasch und 
nur ein mal, oder langsam und mehrere male durchlaufen werden 
müssen. Als regel darf man annehmen, daß ein schüler mit 
mäßigen talenten und mäßigem fleiße, wenn er studirt, vom &ten 
3 oder 9" bis zum anfange des 18°" oder 19'°" jahres, wenn er 
nicht studirt, vom anfange des 8'°" oder 9" bis zum anfange des 
16‘ oder 17!" jahres, sämmtliche lehrcurse der anstalt nach maaß- 
gabe seines künftigen berufes durchlaufen kann. Eine nähere 
darlegung des zusammenhanges und der aufeinanderfolge dieser 


492 Monumenta Germaniae paedagogica I 





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curse in allen sprachen und wissenschaften wird künftig erschei- 
nen. Einstweilen werden die gegebenen übersichten genügen. 


86 
Classenversetzungen. | 
Die versetzungen der schüler aus einer classe in die andere 
geschehen nicht nach den fortschritten in den einzelnen fächern, 
sondern in allen lehrzweigen. Der hauptlehrer fertiget ein ver- 
zeichniß der.zu versetzenden nach den leistungen in den haupt- 
fächern an, und alle andere lehrer fügen ihr urtheil bei über ihre 
besonderen unterrichtsgegenstände. Darnach ruft der director die ıw 
als versetzungsfähig erklärten zu einer prüfung auf, welche theils 
schriftlich, theils mündlich ist und sich möglichst über alle lehr- 
zweige verbreitet. Aber diese probearbeiten geben nicht allein 
den ausschlag, sondern es werden auch die schriftlichen arbeiten 
des zunächst verflossenen halben oder ganzen jahres berücksich- ı: 
tiget. Je höher die classe, um so strenger die prüfung; und wie- 
wohl dabei weniger das betragen als die kenntnisse in anschlag 
kommen dürfen, so kann doch eine tiefe nummer der halbjährigen 
censur im betragen von der versetzung ausschließen, besonders 
für obere classen, wohin nur gesittete schüler gelassen werden » 
können. Bei den höheren classen kommt auch die allgemeine 
reife des verstandes und characters und vorzüglich die geistige 
productionskraft in betracht. Die versetzung aus dem progyın- 
nasium ins obergymnasium, welche in der regel kurz vor oder 
nach der kirchlichen confirmation geschehen wird, berücksichtiget » 
zugleich die studirfähigkeit der schüler, um eltern und pfleger, 
wo es nöthig sein sollte, zuredend oder abrathend, zeitig genug 
davon unterrichten zu können. Sollten, wie es bei auswärtigen 
häufig geschieht, in einzelnen fächern lücken geblieben sein, so 
kann die aufnahme und versetzung nur unter der bedingung ge- » 
schehen, daß sie durch privatunterricht ausgefüllt werden. Eine 
specielle nachweisung dessen, was jeder schüler wissen muß, um 
ın diese oder jene classe versetzt werden zu können, wird dem- 
nächst bekannt gemacht werden. 
57 » 
Zahl der classen. 
Die zahl der classen beträgt im ganzen 14: auf dem ober- 
gymnasium 5, auf dem progymnasium 6, auf dem realgymnasium 
3, darf aber keinesweges als abgeschlossen betrachtet werden; 





Schulördnungen der Stadt Braunschweig 50 493 


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vielmehr ist bereits darauf ernstlich bedacht genommen, daß die- 
selbe, wo und wann immer das bedürfniß sich zeigt, augenblick- 
lich vermehrt und entweder abstnfungen oder parallelclassen an- 
gelegt werden sollen, indem es grundsatz ist, die schülerzahl 

» überall nicht bis zum übermaaße wachsen zu lassen, sondern 
vielmehr folgende ungefähre normalzahlen für die zukunft zu 
bestimmen: für die höheren classen des obergymnasiums und des 
realgymnasiums höchsens 30, für die unteren classen des ober- 
gymnasiums und des realgymnasiums und die oberen des pro- 

ıo gymnasiums höchstens 40, für die unteren classen des progym- 
nasiums höchstens 50. Nur im ersten augenblick der verschmelzung 
des ganzen ließ sich diese rücksicht nicht mit der erforderlichen 
genauigkeit durchführen. 


5 8 
15 Local. 

Die nene anstalt hat in dem bestehenden locale hinläng- 
lichen raum gefunden, und zwar das obergymnasium in dem bis- 
herigen Katharineum, das progymnasium in dem bisherigen Mar- 
tineum, das realgymnasium gleichfalls in einem neu ausgebaueten 

20 stockwerke des Martineums. 


89 
Unterricht. 

Jede classe hat in der regel wöchentlich 32 allgemeine lehr- 
stunden; nur die hebräischen, die zeichnen- und gesangsstunden 
9, sind außerordentlich. Die ersten classen des obergymnasiums 
und des realgymnasiums haben wegen des vermehrten umfangs 
der zu erlangenden kenntnisse nach beschaffenheit der umstände 
noch einige besondere lehrstunden, welche der jedesmalige lehr- 
plan angibt. Die zeit der allgemeinen lehrstunden ist täglich im 
sommer von 7—11 uhr (im winter 8—12 uhr) vormittags und 
2—4 uhr nachmittags. Die nachmittage des mittwochs und sonn- 
abends sind überall frei bis auf die ersten classen des real- 
gymnasiums und die hebräischen stunden des obergymnasiums. 
Privatstunden, eine lästige nebenausgabe der eltern, immer mehr 
» unnöthig zu machen, nicht blos in den oberen, sondern auch in 
den unteren classen, ist eine hauptaufgabe für die anstalt, und es 
soll dafür künftig noch mehr geschen als in dem ersten augen- 
blicke möglich war, indem jede wohleingerichtete öffentliche 
lehranstalt die pflicht hat ihre schüler so zu beschäftigen und 





494 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


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einzeln zu berücksichtigen, daß, ohne sie zu überspannen, doch 

alle ihre zeit und thätigkeit hinreichend in anspruch genommen 

wird. Wiewohl dieß überall durch die stets geforderte sorgfältige 

vorbereitung und wiederholung geschieht, so wird doch noch 

besondere aufmerksamkeit auf alle schriftliche und häusliche : 
arbeiten verwendet werden. 

8 10 
Disciplin. 

Die disciplin, ohne welche durchaus kein öffentlicher unter- 
richt gedeihen kann und welche daher eine grundbedingung zur ı 
erreichung des zweckes der anstalt ist, oder vielmehr noch über 
dem unterrichte stehen und demselben vorhergehen muß, hat zur 
absicht mit liebevollem ernste und umsichtigem vertrauen den 
schüler von der bewußtlosesten gewöhnung des knabenalters zur 
reifsten selbstständigkeit des jünglings emporzuleiten. Dieses vor- ı 
bilden für das ganze künftige leben hat bei allem scheine des 
zwanges, der allerdings auch zuweilen, aber nur als mittel, wirk- 
lich gebraucht werden muß, doch zum einzigen zwecke nur die 
innere, freie, sittlich-religiöse gesinnung, die sich künftig durch 
allseitige fleckenlosigkeit Jes characters, strenge rechtlichkeit und = 
aufopfernde pflichterfüllung in allen verhältnissen des bürgers 
und staatsdieners dem vaterlande bewähren soll. Durch mög- 
lichste beaufsichtigung, leitung, verhütung, warnung und er- 
munterung sucht die anstalt sich gern straten aller art zu 
ersparen. Denn das verhältniß der lehrer zu den schülern ist =. 
eine fortsetzung zugleich väterlicher gewalt und väterlicher liebe; 
aber sobald dieses verhältniß verletzt wird, hat die schule als 
öffentliche staatsanstalt, um ihr bestehen zu sichern und die 
mehrzahl der ihr anvertrauten nicht leiden zu lassen, gegen ein- 
zelne zuweilen härtere maßregeln nöthig. zu 

Die einzelnen einrichtungen zur aufrechthaltung der innern 
und äußeren ordnung können hier nur im allgemeinen nach- 
gewiesen werden: 

1) Um jeden schüler von dem zu unterrichten, was er thun 
und lassen soll, sind in 19 $$ enthaltene und höchsten orts ge- » 
nehmigte gesetze für die schüler des gesammtgymnasiums 
abgefaßt, welche bei der eröffnung der anstalt gedruckt zur nach- 
achtung vertheilt und dann bei der aufnahme jedem schüler so- 
wohl zur verpflichtung als den eltern zur kenntnißnahme ein- 
gehändiget werden. Sie sind blos gegen mögliche störungen des « 











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Schulordnungen der Stadt Braunschweig 50 495 


ganzen vereines gegeben und sollen lehrern und schülern gleich- 
mäßig zu einer festen richtschnur dienen. 


2) Zur selbstkenntniß des schülers und zur wahrnehmung 
der eltern werden halbjährliche censuren über die fortschritte 
in den lehrzweigen, so wie über fleiß und betragen, von jedem 
lehrer des fachs eigenhändig ausgefertiget, durch alle classen der 
anstalt zu Ostern und Michaelis ertheilt mit fünf prädicaten, die 
bedingt oder unbedingt lob und tadel aussprechen und den grund 
aller zeugnisse, auch der abgangs- und akademischen maturitäts- 
zeugnisse, enthalten und in abschriften bei jeder abtheilung auf 
immerwährende zeiten verwahrt werden. Diese censuren ver- 
treten zugleich die stelle aller bisher hin und wieder geforderten 
außerordentlichen zeugnisse, die ferner unnöthig werden, so wie 
auch kein besonderes privatzeugniß irgend eines einzelnen lehrers 
ohne unterschrift des directors und ohne das amtliche siegel jeder 
abtheilung des gesammtgymnasiunis gültigkeit hat. In dem pro- 
gymnasium, dem realgymnasium und den beiden unteren classen 
des obergymnasiums bestehen fortdauernd die monatlichen 
sittenbücher, in die der hauptelassenlehrer nach maaßgabe des 
classenbuches Jas urtheil einträgt. 


3) für jede classe jeder abtheilung soll eine immer mehr 
auszubildende elassenordnung, die gleichsam den civil- und 
criminal-codex des kleinen staates enthält, auf den grund bisheriger 
gewohnheiten und mit billiger rücksicht auf das alter, aber auch 


‚in bezug auf einzelne oder allgemeine erscheinungen in dem geiste 


der ganzen classe, bestimmt werden, die sich jedoch kaum zur 
ötfentlichen mittheilung eignen dürfte. Zur übersicht aller wissen- 
schaftlichen leistungen, schriftlichen arbeiten, mündlichen übun- 
gen, disciplinarvergehen u. dergl. wird für jede classe ein classen- 
buch angelegt, in welches jeder classenlehrer seine bemerkungen 
einträgt, dessen führung aber der hauptclassenlehrer besorgt, um 
theils sich selbst, theils den director in fortlaufender kenntniß 
zu erhalten. 


4) Vor die wöchentliche lehrerconferenz werden alle 


3; schüler gezogen, welche während der woche eines größeren ver- 


gehens sich schuldig gemacht haben, um rechenschaft zu geben 
und nach befinden bestraft zu werden, was jedes mal in ein be- 
sonderes protokoll eingetragen wird und bei der halbjährlichen 
censur und sonst berücksichtigung findet. Den grad des ver- 


496 Monnmenta Germaniae paedagogica 1 


ET a nn m 





gehens, welches vor die conferenz gehört, bestimmt die classen- 
ordnung in bezug auf die schülergesetze. 


Ss 11 
Schulgeld. | 
Das jährliche schulgeld ist in den verschiedenen theilen ; 
und classen der anstalt zu folgenden sätzen in conv.-münze 
bestimmt: 





Obergymnasium. Progymnasium. Realgymnasium. 
C.1. CI | 14 rthlr C.1I 36 rthlr. 
« Il. 18 rthlr. =» 1. |  - DD. 30rthlr. „ 
- I. s II. are III. 24 rthlr. 
= IV. = IV. 

r | 16 rthlr. 
u 10 rthir 
= VI. 


Die schulgelder des realgymnasiums sollen noch im laufe ss 
dieses jahres ermäßiget werden. Bei der aufnahme und bei jeder 
versetzung aus einer classe in die andere wird im obergymnasium 
und realgymnasium 1 rthlr., im progymnasium 16 ggr. bezahlt. 
Sonst findet nirgends eine abgabe statt, selbst für außerordent- 
liche untersichtszweige nicht. Alle diese gelder fließen ohne s 
unterschied in die allgemeine casse der anstalt, deren führung 
fiir jetzt dem hrn. kreis-einnehmer Rudolphi übertragen ist. 
Die ganze letzte woche des zweiten monates in jedem vierteljahre 
ist zur abgabe dieser gelder an den hauptlehrer jeder classe be- 
stimmt und wird jedesmal vorher noch besonders von ihm an-» 
gezeigt; wer aber während dieser woche nicht zahlt, wird als 
restant an den magistrat zu außerordentlicher einziehung abge- 
geben. Ueber den empfang wird eine gedruckte quittung aus- 
gestellt. Gesuche um erlaß des schulgeldes, zur hälfte, zum 
drittheile, zum viertheile oder auch des ganzen, müssen schrift- » 
lich von den eltern an die schulcommission gerichtet und bei 
dem director jeder abtheilung im laufe des monats januar jedes 
jahres abgegeben werden. Die bewilligungen werden aber immer 
nur auf ein jahr gegeben und fordern, daß der schüler wenig- 
stens ein halbes jahr in der anstalt ist. Je höher in den halb- » 
jährlichen censuren über kenntnisse, fleiß und betragen die 
nummer steht, um so sicherer ist auf berücksichtigung zu rechnen; 
eine erniedrigung derselben kann, selbst im laufe des freijahres, 
verlust der bewilligung bringen. 


Sehnlordnungen der Stadt Braunschweig 50 497 





8 12 
Lehrerconferenzen. 
Am schlusse jeder woche, und wo es nöthig ist öfter, ver- 
sammeln sich sämmtliche lehrer jeder abtheilung zu einer amt- 
» lichen conferenz, um in derselben den lehrplan, neue lehrbücher 
und methoden, amtserfahrungen. litterarische erscheinungen 
u. dergl., auch alles, was die woche über erfreuliches und uner- 
freuliches von ihnen in der anstalt wahrgenommen wurde, ein- 
ander mitzutheilen, zu berathen und darüber beschlüsse zu fassen. 
ın Diese versammlungen sind besonders dazu bestimmt einheit der 
gesinnungen und gleichmäßigkeit des verfahrens in den forde- 
rungen und aufgaben, in lob und tadel der schüler hervorzubringen, 
den eifer für die erfüllung des berufes zu beleben, die theilnahme 
für die anstalt zu erhöhen, ächtwissenschaftlichen geist zu nähren 
ıs und den schülern ein muster einmüthigen zusammenlebens zu 
geben. 
8 13 
Hauptclassenlehrer. 
Um den wissenschaftlichen und sittlichen ton jeder classe 
» gehörig zu leiten, sind hauptlehrer ernannt, welche die haupt- 
unterrichtszweige haben und die meisten lehrstunden in derselben 
ertheilen. Die nähere bekanntschaft, in welche sie sich mit den 
persönlichen verhältnissen jedes ihrer schüler zu setzen haben, 
die amtliche verantwortlichkeit, womit sie ihre classen vertreten, 
2: die handhabung der wissenschaftlichen und disciplinarischen ein- 
richtungen, die ihnen obliegt: alles macht sie recht eigentlich zu 
väterlichen berathern, welchen die schüler vertrauensvolle liebe 
und anschließung schuldig sind und an welche eltern und pfleger 
sich wenden müssen, um sichere kenntniß von dem fleiße und 
betragen der ihrigen zu erhalten. Je mühsamer dieses geschäft 
ist und je sorgfältiger es betrieben wird, um so größer wird der 
dank sein, den schüler und eltern theils der anstalt für diese 
einrichtung, theils den männern, die sich damit beauftragen ließen, 
abzustatten haben. ; 
ss 5 14 
Aufnahme. 

Die aufnahme geschieht: am besten zu Ostern, wegen anfanges 
der hauptcurse in allen classen, oder wenigstens zu Michaelis in 
den unteren classen des progymnasinms und realgymnasiums; 

«. bei besonderen umständen aber erfolgt die aufnahme zu jeder 


3 


© 


Schulordnuugen der Stadt Braunschweig d2 


498 Monumenta Germaniae paedagogica 1 


zeit, nur mit natürlich daraus entspringender rücksicht für die 
nächste classenversetzung. Die meldung und vorstellung der auf- 
zunehmenden schüler geschieht durch ihre eltern oder beauftragte 
oder durch briefe bei dem director jeder abtheilung, der nach 
einer prüfung den aufgenommenen durch einhändigung der gesetze ; 
verpflichtet, in das album einträgt, den platz bestimmt und in 
die classe einführt, um ıhn dem hauptlehrer zu übergeben. Ohne 
zeugniß früherer lehrer kann niemand aufgenommen werden als 
kleine knaben, die bloßen elementarunterricht erhalten haben; 
wer eine öffentliche lehranstalt besucht hat, gleichviel ob im in- » 
oder auslande, muß sich besonders über fleißB und betragen aus- 
weisen; die classe, in welcher er sich dort befand, kann bei der 
eigenthümlichen einrichtung unserer anstalt keine berücksich- 
tigung finden, sondern die bestimmung des platzes hängt ledig- 
lich von dem ergebnisse der prüfung ab. Antrittsgelder (vgl. ıs 
$ 11) werden an den hauptlehrer abgegeben. 


8 15 
Abgang. 

Alle abgehende schüler müssen ihren austritt zeitig beim 
hauptlehrer durch ihre eltern und pfleger melden lassen oder deren x 
bescheinigte einwilligung beibringen, ohne welche keine zeugnisse 
ausgestellt werden. Alle abgangszeugnisse enthalten die wissen- 
schaftlichen fortschritte aus der letzten censur, übrigens aber das 
resultat aller früheren censuren über fleiß und betragen, sowie 
der versäumten lectionen während des ganzen aufenthaltes auf» 
der anstalt. Jeder der abgehenden wird von dem director in 
ein album eingetragen mit genauer bemerkung der näheren um- 
stände seines abganges. Wer ohne förmliche meldung und ohne 
abschied von seinen lehrern abgeht, erhält kein zeugniß, wird 
in der liste als zahlungspflichtig fortgeführt und öffentlich in » 
den programmen als ein undankbarer genannt. — Die akade- 
mischen abiturienten des obergymnasiums melden sich in der 
regel zu Weihnachten zur maturitätsprüfung, die nach der vom 
herzogl. consistorium i. j. 1826 für das Katharineum genehmigten 
weise abgehalten wird, theils schriftlich, theils mündlich ist und 
über alle öffentlichen lehrzweige der anstalt sich erstreckt. Die 
schriftliche prüfung fordert 1) einen deutschen eigenen aufsatz, 
2) einen lateinischen, 3) ein französischen, 4) einen griechischen, 
5) eine deutsche metrische übersetzung nebst lateinischem com- 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 50 499 


mentare zu der stelle eines griechischen tragikers, 6) eine kurze 
metrische lateinische und griechische composition, 7) die lösung 
einer geometrischen und arithmetischen aufgabe, 8) für theologen 
die hebräische übersetzung eines deutschen aufgabestückes. Die 
s mündliche prüfung in gegenwart der ephoren erforscht das ver- 
ständniß vor längerer zeit oder gar nicht erklärter stellen latei- 
nischer, griechischer, französischer und hebräischer autoren, be- 
rücksichtiget den mündlichen gebrauch der deutschen, lateinischen 
und französischen sprache und die historischen und geographi- 
ıo schen kenntnisse. Die prädicate über das ergebniß der prüfung sind 
dreifach, no. I. vorzüglich, no. Il. gut, no. III. genügend, jede 
mit zwei abstufungen, welche durch a und b bezeichnet werden, 
um alle grade hinreichend auszudrücken. Allen abgehenden, in- 
und ausländern, wird in dem zeugnisse ausdrücklich bemerkt, 
ıs ob sie unserer maturitätsprüfung sich unterzogen und den cursus der 

ersten classe absolvirt haben. 

8 16 
Lehrapparate. 

Die bisherige bibliothek des Katharineums gehet auf 
» das obergymnasium über und erhält auch, was das Martineum 
an büchern besaß. Es steht zu hoffen, daß der jährliche fonds 
bis auf 100 rthlr. gebracht werden kann, um die ganze sammlung 
immer mehr in die reihe der vorzüglicheren schulbibliotheken 
zu stellen, wiewohl sie schon jetzt auf diesen namen anspruch 
3 macht; denn das gesammte griechische und römische alterthum 
ist vorzugsweise berücksichtiget worden, ohne die übrigen schul- 
wissenschaften zu vernachlässigen. Die verwaltung bleibt wie 
bisher in den händen des directors, jedoch wegen vermehrten 
gebrauches unter assistenz des collaborators Dr. Cuntz. Eine 
so längst nöthige umstellung und bequemere anordnung ist bereits 
begonnen und wird im laufe des Januar vollendet, so wie das 
i.j. 1824 angefertigte alphabetische verzeichniß vervollständiget 
ist. Der gebrauch steht allen lehrern und schülern des gesammt- 
gymnasiums offen, und die bisherige zeit des mittwochs nach 
ss mittag von 2—3 uhr bleibt unverändert zum abholen und wieder- 

bringen der bücher bestimmt. 

8 17 
Hülfsquellen. 
Wiewohl die anstalt im ganzen auf ihre bisherigen ein- 
«ı künfte gewiesen ist, die zum drittheil aus herzogl. cassen, zum 
82* 


600 Monumenta Germanise paedagogica I 


drittheil aus milden stiftungen, zum drittheil aus dem schulgelde 
fließen; so hat sie doch die landesherrliche gnade des durch- 
lauchtigsten regierenden herzogs mit unterthänigstem danke zu 
preisen und die thätige und wohlwollende vermittelung des hohen 
staatsministeriums schuldigst anzuerkennen, wodurch allein dies 
ihrer errichtung entgegenstehenden hindernisse entfernt und zu 
ihrem bestehen die noch fehlenden summen mit gewohnter libe- 
ralität verliehen wurden. So erst war sie im stande, theils über- 
haupt ins leben zu treten, theils gleich bei ihrer ersten erschei- 
nung nichts wesentliches vermissen zu lassen, theils mit der zeit wo 
mögliche bedürfnisse schon jetzt im voraus einigermaßen zu be- 
rücksichtigen; und darum gibt sie sich gern dem ermuthigenden 
vertrauen hin, wenn sie ihre thätigkeit hinlänglich bewährt haben 
wird, fernerer landesherrlicher hulderweisungen gewürdiget zu 
werden. N) 
$ 18 
Ferien. 

Die verschiedenen bedürfnisse der anstalt erfordern vielleicht 
hier und da eine andere stellung der ferien als bisher; das lau- 
fende jahr wird darüber die nöthigen bestimmungen des herzogl. » 
consistoriums bringen. 

819 
Öffentliche prüfungen. 

Auch hierin dürften die neuen verhältnisse einige abände- 
rungen hervorbringen, die demnächst von den betreffenden be- :: 
hörden erwartet werden. Im ganzen fordert der lehrgang des 
obergymnasius und des realgymnasiums diese prüfungen zu Ostern; 
im progymnasium werden sie zu Michaelis angestellt. Das nähere 
wird zu seiner zeit bekannt gemacht werden. 


$ 20 ” 
Programme. 

Jährlich erscheint zu Ostern eine ausführliche gedruckte 
nachricht über alle in den verschiedenen verwaltungszweigen der 
ganzen anstalt sichtbar gewesene thätigkeit, mit besonderer rück- 
sicht auf unterricht und disciplin und die etwaigen veränderungen : 
im inneren und äußeren, Diese öffentliche rechenschaft erfordert 
eben so sehr unsere eigenthümliche stellung als das vertrauen 
des publicums, dessen das gesammtgymnasium zu seinem gedeihen 
bedarf. Die direetoren werden dabei gelegenheit finden ihre an- 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 50 501 


sichten und wünsche für die besonderen abtheilungen nach den 
jedesmaligen bedürfnissen kürzer oder ausführlicher darzulegen. 
Ferner sollen dabei zugleich die namen aller schüler der anstalt 
nach ihren classen und plätzen kurz aufgeführt werden, theils 
s um eine fortlaufende chronik zu bilden und durch diesen mittel- 
punct ihre anhänglichkeit an lehrer und mitschüler für alle zu- 
kunft zu fesseln, theils um fleiß und sittlichkeit unter ihnen zu 
beleben. Die namen aller ankommenden und abgehenden, gleich- 
viel ob in- oder ausländer, ob studirender oder nichtstudirender, 
wob akademischer abiturienten oder nicht, werden mit ausdrück- 
licher bemerkung der classe, aus welcher sie kommen oder ab- 
gehen, des zeugnisses, das sie erhalten, und der anstalt, wozu sie 
übergehen, oder des faches, dem sie sich widmen, genannt werden. 
Um aber die würde der anstalt auch nach außen hin zu behaupten, 
ıs wird jedes mal eine abhandlung aus dem kreise der theoretischen 
oder practischen schulwissenschaften, in lateinischer oder deut- 
scher sprache, zunächst von den lehrern des obergymnasiums 
beigegeben. 
Ss 21 
20 Singchor. 

Diese anstalt, der zunächst der gesang in den kirchen und 
dem gesammtgymnasium obliegt, wird künftig nur diesem haupt- 
zwecke gewidmet sein und den nebenzweck einer unterstützung 
für unbemittelte junge leute, die größtentheils nicht wirkliche 

» schüler sind, allmälig ganz aufgeben. Die musikalische leitung 
ist dem musikdirector Hasenbalg übertragen, und für die übun- 
gen eine besondere classe im gebäude des obergymnasiums ein- 
gerichtet worden. Die vereinigung der chöre beider bisheriger 
gymnasien wird die innere kraft derselben vielfach heben, aber 

„zugleich auch bewirken, daß das chorsingen nur in 14 tagen 
durch die ganze stadt beendiget werden kann. Der wohlwollende 
sinn unserer verehrten mitbürger, von dem allein das bestehen dieser 
anstalt abhangt, wird durch diese scheinbare verminderung des chor- 
gesanges, der dadurch nur voller und umfangsreicher werden soll, 

s hoffentlich zu keiner verminderung seiner bisherigen gütigen heiträge 
sich veranlaßt finden. 

8 22 " 
Behörden. 

Wie jeder hauptlehrer das organ und der verantwortliche 

« vertreter seiner classe ist, so ist jeder director das organ und der 





602 Monumenta Germanise paedagogica I 


verantwortliche vertreter seiner abtheilung, und der director des 
obergymnasiums vertritt die anstalt im allgemeinen. Die nächste 

. behörde ist das ephorat, das der magistrat und der superintendent 
der stadt Braunschweig (jetzt in der person des herrn magistrats- 
directors Bode und des herrn generalsuperintendenten Henke); 
führt, Die ephoren mit den directoren bilden die durch höchstes 
rescript vom 10. October 1827 verordnete schulcommission für 
die ganze anstalt. Das patronat, welches früher am Katharineum 
landesherrlich, am Martineum städtisch war, übt jetzt das herzogl. 
consistorium und der hochlöbl. stadtmagistrat abwechselnd. Die ı 
beeidigungen der lehrer geschehen vor herzogl. consistorio, welches 
auch die amtsprüfungen vornehmen läßt, indem ihm die aufsicht 
über alle gymnasien des landes zusteht. Die landesherrlichen be- 
stätigungen erfolgen durch das herzogl. staateministerium. 


51 


Gesetze des Gesammtgymnasiums. 
1828. 


u 


A 15 
GESETZE FÜR DIE SCHÜLER 
DES GESAMMT-GYMNASIUMS ZU BRAUNSCHWEIG. 


81 

Die wissenschaftliche, sittliche und religiöse bil- 
dung ist das ziel der anstalt, und alle innere und äußere ein- » 
richtungen sollen nur die erreichung desselben befördern. Jeder 
schüler wird zwar mit dem vertrauen aufgenommen, daß er, sei- 
nes zweckes eingedenk, diesen einrichtungen unbedingt und still- 
schweigend nachkommen will, und für den erwachsenen und 
nachdenkenden jüngling bedarf es in diesem falle gar keiner » 
äußeren vorschriften, da er das gesetz in sich trägt; aber um 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 51 503 


minder erwachsene und minder nachdenkende auf das aufmerksam 
zu machen, was zu thun und zu lassen ist, besonders um die 
gesetzmäßige ruhe und freiheit der rechtlichen gegen gesetzwidrige 
störungen zu schützen, sind einzelne bestimmungen nöthig, um 
s so mehr, da selbst der kleinste verein ohne dieselbe nicht be- 
stehen kann. Und wie die anstalt mit strengster gerechtigkeit 
keinem schüler irgend einen andern vorzug geben wird als den 
jeder selbst durch betragen, fleiß und kenntnisse sich erwirbt: so 
wird es ihre angenehmste pflicht seyn gesittete, fleißige und 
ı Kenntnißreiche schüler in ihren bestrebungen auf alle mögliche 
weise entgegenkommend zu fördern und unbemittelte zu jeder 
art von benefizien behörden oder privatpersonen, auch nach voll- 
endeter schulzeit, zu empfehlen; aber eben so ist sie verpflichtet 
ungesittete, unfleißige und unwissende schüler durch erinnerungen, 
ıs mahnungen und strafen zu bessern oder unverbesserliche ganz 
von sich zu entfernen. 
8 2 
Zu den eltern und deren stellvertretern hegt die anstalt 
dlas vertrauen, daß sie in den nachstehenden bestimmungen nur 
»» das bestreben finden ihre wünsche zu erfüllen und ihren kindern 
und zöglingen zur erreichung des angedeuteten zwecks nach 
möglichkeit behülflich zu seyn, und daß sie um so mehr ihre guten 
absichten unterstützen werden, da ihr interesse mit dem der 
anstalt so innig verbunden ist. Insbesondere ist es von ihnen 
3 zu erwarten, daß sie diese gesetze, welche bei der aufnahme in 
doppelten exemplaren sowohl jedem schüler als seinen eltern und 
pflegern eingehändigt und von zeit zu zeit in den classen er- 
läutert werden sollen, ihren kindern und pfleglingen selbst gehörig 
erklären und einschärfen, und bei eigener beurtheilung gesetz- 
30 widriger handlungen der ihrigen oder bei vermeintlichen beschwer- 
den gegen irgend einen lehrer darnach sich richten werden. 


83 

Das hauptgesetz des schülers, das alle andere in sich faßt, 

ist unweigerlicher und pünctlicher gehorsam gegen seine lehrer, 
3 in denen er zugleich vorgesetzte und verantwortliche staatsbeamte 
erblicken muß, so wie alle ihre einrichtungen nicht als willkühr- 
liche ansichten derselben zu betrachten sind, sondern als gehörig 
erwogene anordnungen und befehle der höchsten landesherrlichen 
behörden, unter deren aufsicht und in deren schutze die anstalt 





504 Monumenta Germaniae paedagogica I 


1 


steht. In dieser allgemeinen verpflichtung macht der rang und 
besondere wirkungskreis der lehrer durchaus keinen unterschied. 
Wer ihren anweisungen nicht ohne verzug nachkommt oder gar 
murren und trotz in worten und gebehrden entgegensetzt, zieht 
sich harte strafe zu; so wie jedes vergehen, das in gegenwart des ; 
lehrers geschieht, weil es einen hohen grad von sittenlosigkeit 
und unehrerbietigkeit voraussetzt, mit schärferer strafe belegt 
wird. Jede absichtliche kränkung der ehre oder der person 
irgend eines lehrers zieht unausbleiblich die härteste strafe nach 
sich. Dagegen ziemt es sich und fordert die pflicht der dank- w 
barkeit und bescheidenheit, daß der schüler jedem lehrer der 
anstalt ohne unterschied seine achtung innerhalb und außerhalb 
der schule beweiset, auch durch äußere zeichen. 


84 

Die erfahrung bestätiget es, daß wahre lernbegierde und ächt ı: 
wissenschaftlicher sinn, wenn sie den schüler ganz und lebendig 
durchdringen, in der regel die besten verwahrungsmittel gegen 
jede gesetzwidrigkeit bleiben. Um so mehr ist es nöthig, daß 
die anstalt alles aufbietet, um den fleiß anzuregen und zu be- 
aufsichtigen. Daher muß sie fordern, daß jeder schüler pünct- w 
lich zum unterrichte sich einstellt, die nöthigen bücher und 
hülfsmittel besitzt und mitbringt, pflichtmäßig vorbereitet ist, ın 
jeder stunde federn und papier zum nachschreiben bei sich hat, 
alle aufgaben, besonders die schriftlichen, zur rechten zeit, voll- 
ständig, reinlich und leserlich liefert; daß er die vorträge gehörig :: 
wiederholt und außer den öffentlichen arbeiten, besonders in den 
oberen classen, geregelte privatstudien treibt, die der hauptlehrer 
mit seinem rathe leitet und zu bestimmten zeiten einsieht. Wäh- 
rend des unterrichts muß überall stille aufmerksamkeit herrschen, 
und jede störung durch zuspätkommen, plaudern, spielen, essen, » 
hinausgehen, herausrufen und andere dinge ist streng untersagt. 
Wer bei prüfenden fragen der lehrer zuflüstert oder bei seinen 
arbeiten unerlaubte hülfe der mitschüler oder anderer braucht 
und so das urtheil über sich geflissentlich irre leitet, oder wer 
diese hülfe giebt und verhehlt, gehört zu den besonders straf- 
baren. Wer zu antworten aufgerufen wird, soll laut und ver- 
nehmlich sprechen. 

Um den mißbrauch der leihbibliotheken zu verhüten, wird 
die schulbibliothek hinreichende lectüre von musterschriften aus 


Schulorduungen der Stadt Braunschweig 51 505 





allen in den kreis der lehranstalt gehörenden sprachen und wissen- 
schaften liefern. Auch die lehrer werden jedem schüler, der 
sich ihnen vertrauensvoll nähert und durch fleiß und betragen 
sich dessen würdig macht, ihre privatbibliotheken zur benutzung 
> gern überlassen. 
85 
Im allgemeinen ist jeder schüler zur theilnahme an allen 
lectionen des theiles der anstalt verpflichtet, in welchem er sich 
befindet; jedoch sind auf dem obergyınnasium die hebräischen 
iv nur für künftige theologen und philologen, auf dem progymna- 
sium die griechischen nur für künftige studirende bestimnit. 
Macht irgend ein umstand eine abweichung von der regel noth- 
wendig, so bleibt es den eltern und pflegern überlassen bei 
dem director die etwa zulässigen abänderungen zu bewirken. 


15 6 
Keine lehrstunde oder sonstige öffentliche schulhand- 
lung darf ohne ausdrückliche und überall, nothfälle ausgenonimen, 
vorher einzuholende erlaubniß des hauptlehrers und ohne zu- 
reichende, von den eltern oder pflegern zu bescheinigende ursache 
:» versäumt werden. Reisen außer den ferien dürfen nur mit ge- 
nehmigung des directors und gegen gewissenhafte angabe und 
bescheinigung der gründe unternommen werden. Die nicht aus- 
(rücklich gestattete abreise vor dem schlusse der lehrcurse ist in 
Jedem falle strafbar und, wenn damit die öffentliche prüfung 
»; umgangen wird, als ein bösliches verlassen der anstalt zu be- 
trachten. Ebenso muß der schüler vor dem anfange der lectionen 
zurückgekehrt seyn. Ueberhaupt wird jedes unbevorwortete aus- 
bleiben von den lectionen als ein freiwilliger abgang betrachtet, 
und die wiederaufnalıme kann nur nach gültig befundener recht- 
sv fertigung erfolgen. 
8 7 
Da die schule nicht allein bildungsanstalt für geist und herz, 
sondern auch für äußere sitte und wohlanständigkeit ist, so muß 
alles, was derselben in dem betragen der schüler zuwiderläuft, 
> von ihr theils sorgfältig verhütet, theils streng gerügt werden. 
Dahin gehört das unnütze und mancherlei unordnungen her- 
vorbringende zusammenstehen der schüler vor dem eingange 
der schulgebäude und der classen beim anfange und schlusse der 
lectionen, das entfernen aus dem bezirke der anstalt während 





506 Monumenta Germaniae paedagogica I 














des lehrerwechsels (nur im dringendsten nothfalle mit genehmi- 
gung des lehrers gestattet), das lärmende spielen, laufen, schreien 
und balgen auf dem hofraume vor anfang der lehrstunden oder 
ın den zwischenzeiten. Wie sehr übrigens reinliche und anstän- 
dige kleidung gefordert wird, eben so tadelnswerth bleibt gecken- 
mäßige überladung mit modischem tande, und ausdrücklich ver- 
boten bleibt das mitbringen von stöcken, ruthen, sporen und 
dergleichen. Alle solche spielereien und ungehörigkeiten, beson- 
ders auch verbotene bücher, werden ohne weiteres weggenommen. 
Bei schulfeierlichkeiten wird jede unordnung doppelt stratbar; 
so wie, wenn mehrere an einer gesetzwidrigen handlung theil 
genommen haben, die obersten davon, weil ihre pflicht das ab- 
mahnen war, vorzugsweise in anspruch genommen werden. 
8 8 

Das begegnen der schüler unter einander muß, ohne 
allen unterschied der classen, anständig, freundlich und zuvor- 
kommend seyn, und aus den gesprächen muß alle rohheit und 
gemeinheit, gefallen an schmutzigen ausdrücken, flüchen und 
dergleichen verbannt bleiben. Verboten ist ferner alles necken, 
schimpfen, belegen mit ekelnamen und andere unarten, ferner 
jedes kränkende vorwerfen erlittener strafen, so wie alles unge- 
hörige und lieblose ausplaudern des in der schule vorgefallenen. 
Jede thätlichkeit gegen mitschüler wird mit den härtesten strafen 
belegt, wozu die schulzucht ermächtiget, und zuvor erfahrene 
beleidigung kann nie zur rechtfertigung von irgend einer selbst- 
rache dienen, da das strafrecht allein den lehrern zukommt. Ganz 
vorzüglich strafbar aber wäre es, wenn jemand wagen wollte 
den barbarischen pennalismus gegen neue mitschüler durch worte 
oder handlungen in irgend einer classe fortzusetzen oder einzu- 
führen, was nach befinden mit carcerstrafe oder gar mit ver- 
weisung von der anstalt geahndet werden wird. 

8 9 

Das ganze local, die lehrzimmer, geräthe und alles eigen- 
thum der anstalt darf weder durch hinwerfen der überbleibsel 
von papier, obst, federn und dergleichen verunreinigt noch durch 
anschreiben und einschneiden der namen und dergl. verletzt oder 
beschmutzt werden. Wer dawider handelt, hat nicht nur den 
vollständigsten schadenersatz in gelde zu entrichten, sondern er- 
hält auch eine angemessene strafe. 


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30 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 51 507 


8 10 

Wiewohl in der regel jede classe vom ersten versammeln 
der schüler bis zu ihrem weggange nicht ohne die gegenwart 
eines lehrers bleiben wird, so ist doch noch außerdem einer der 
sersten schüler der classe nebst seineın stellvertreter, welche 
das allgemeine vertrauen der lehrer ernennt, mit der besonderen 
aufsicht beauftragt, und ihren erinnerungen muß ungesäumte 
folge geleistet werden, wie jede auch ihnen entgegengestellte 
widersetzlichkeit strafbar ist. Namentlich führt der erste die 
ıw wöchentlichen absenzlisten und ist für ihre richtigkeit und sichere 
verwahrung verantwortlich. Sollten bei besonderen veranlassungen 
die ersten der classe den thäter eines unfugs nicht anzeigen 
wollen, so fällt auch auf sie strafe. Wenn sie dagegen durch 
beispiel und mahnung der erhaltenen auszeichnung sich würdig 
ıs machen, so werden sie das vertrauen und die liebe der lehrer 
in besonderem grade erhalten und außer ehrenvollen censuren 
auf vorzügliche empfehlung und verwendung von seiten der 
anstalt rechnen können. Auch die schulpedelle sind beauf- 
tragt über reinlichkeit und ordnung überall zu wachen, wohin 
» das auge der lehrer nicht reicht. Darum darf kein schüler sie 
in ihren amtlichen verrichtungen stören oder geringschätzig be- 
handeln, sondern jeder muß ihren erinnerungen ungesäumte folge 
leisten, wenn er nicht auf deshalb geschehene anzeige bestraft 
seyn will. Ganz besonders strafbar würde es seyn, wenn jemand 
35 bei vorladungen und dergl., die im namen der lehrer geschehen, 
sich ihnen widersetzen oder das bestimmte geld für einschließung 
in den carcer oder für aufbewahrung vergessener und verlorener 

sachen vorenthalten wollte. 

sul 

30 Bei disciplinarischen untersuchungen ist jeder schüler 
jedem lehrer die höchste willfährigkeit und wahrhaftigkeit schuldig. 
Wie gehässig angeberei bleibt, so strafbar ist das bösliche ver- 
heimlichen, vorsätzliche verschweigen und umgehen der wahrheit 
für jeden, der irgendwie aufgefordert wird sie zu sagen. Hart- 
ss näckiges leugnen der schuld erhöhet, aufrichtiges geständniß 
mildert die strafe oder hebt sie ganz auf. Sollte bei auffallenden 
gesetzwidrigen handlungen, wobei die person eines lehrers oder 
die ehre einer classe oder der ganzen anstalt betheiligt ist, über 
dem thäter ein undurchdringliches dunkel walten, so wird jedem 
so rechtlichen schüler, der aus liebe zur wahrheit und zu der anstalt 


508 Monumenta Germaniae paedagogica I 


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eine vertrauensvolle und gegründete mittheilung macht, nicht 
nur verschweigung seines namens, sondern auch besonderer dank 
seiner lehrer zugesichert. Jeder schüler ohne unterschied ist 
verpflichtet nach erhaltener aufforderung unweigerlich vor der 
wöchentlichen lehrerconferenz zu erscheinen; nur ein ärztlicher 
krankheitsschein kann ihn davon bis zur nächsten conferenz ent- 
binden. Alle in der conferenz ertheilten verweise und strafen 
werden in ein besonderes protocoll eingetragen, um sie bei den 
halbjährlichen censuren und andern zeugnissen zu berücksichtigen. 
Jede hier ertheilte strafe wird vom director durch die schul- 
pedelle den eltern und pflegern sogleich schriftlich zugefertigt, 
und deren unterschrift dient als bescheinigung der genommenen 
einsicht. 
8 12 

Vergehungen außer der schule liegen zwar außer dem 
bereiche derselben, indessen wird von ihr nicht blos jede auf den 
schulwegen begangene unart bestraft, sondern auch sonst, so weit 
es möglich ist, die aufsicht ausgedehnt werden. So darf kein 
schüler bücher oder überhaupt etwas ohne zuziehung der eltern 
und lehrer von seinen effecten vertauschen oder verkaufen. Tadellos 
sind zwar die zusammenkünfte einzelner weniger schüler zu ge- 
genseitigen privatstudien; aber srafbar alle, besonders abendliche 
versammlungen zum trinken, spielen und andern dergl. unrecht- 
fertigkeiten, die mit dem ernste und anstande eines wissenschaft- 


lichen jünglings unverträglich bleiben. Wie jede vorsicht schon » 


in der wahl des umganges dringend empfohlen wird, so ist es 
völlig unerlaubt schenkwirthschaften, billards und dergl. ohne 
beiseyn der eltern und pfleger zu besuchen. Die ortsobrigkeit 
wird alle ınittel ergreifen, um solchen verletzungen der schul- 
gesetze, welche im offenbarsten widerspruche mit dem zwecke 
der anstalt stehen und größere übel im gefolge haben, zu begegnen 
und diejenigen auszumitteln, die so verderblichen gewohnheiten 
nachhängen, so wie sie jede gegen irgend einen schüler nöthige 
polizeiliche untersuchung oder bestrafung der anstalt ungesäumt 
mittheilen wird. Bewegung in freier natur bleibt für jeden schüler 
zu jeder jahreszeit die nothwendigste, heilsamste, unschuldigste 
und wohlfeilste erholung. 
$ 13 

Auswärtige schüler können nur unter der bedingung 

aufgenommen werden, daß sie entweder bei lehrern in pension 


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Schulordnungen der Stadt Braunschweig 51 509 


sind oder sonst bei rechtlichen leuten wohnen, welche über fleiß 
und betragen außer der schulzeit aufsicht führen und der anstalt 
bürgschaft leisten. Ein aufsichtsloser aufenthalt kann von jetzt 
an nicht mehr gestattet werden, so wie jeder wohnungswechsel 
auswärtiger nur mit vorwissen des hauptelassenlehrers und des 
directors geschehen darf. Ein privatisiren junger leute, ohne 
irgend einer hiesigen öffentlichen anstalt namentlich anzugehören, 
läuft gegen die gesetze der fremdenpolizei und bewirkt verweisung 
aus der stadt. Wer, besonders von auswärtigen, freitische bei 
hiesigen einwohnern genießt, hat ihnen alle achtung und dank- 
barkeit zu beweisen, auch nach zurückgelegter schulzeit, theils 
um sich selbst und die schule zu ehren, theils um durclı nicht- 
achtung den wohlthätigen sinn der geber nicht zu mindern und 
dieselben zur übertragung desselben auf andere schüler nicht 


‚ ungeneigt zu machen. 


$ 14 

Der besuch des sonn- und festtäglichen öffentlichen 
gottesdienstes ist eine hauptpflicht jedes erwachsenen schülers 
sowohl vor als nach der confirmationszeit, um zu wissenschaft- 
licher tüchtigkeit und äußerer wohlanständigkeit noch die innere, 
sittlich-religiöse gesinnung zu fügen, welche die höchste zierde 
des menschen bleibt. Die mehrzahl der schüler ist zwar, wie 
die anstalt selbst, evangelisch-lutherisch; aber es würde sehr 
strafbar seyn mitschüler anderer glanbensweisen zu verachten 


; oder etwa ihre religiösen gebräuche zu verspotten. 


$ 15 
Wer ohne vorhergegangene anzeige und entlassung 
die anstalt verläßt, wird als zahlungspflichtig in der liste fort- 
geführt und in den programmen als ein undankbarer und böslich 
entwichener öffentlich genannt. Wer der schulordnung oder wohl- 
verdienter strafe durch plötzlichen abgang sich zu entziehen sucht, 
geht nicht nur aller zeugnisse verlustig, sondern wird auch der 
schul-commission angezeigt und veranlaßt das in $ 17 bezeichnete 
verfahren. 
$ 16 
Die auslegung und anwendung der gesetze auf einzelne 
fälle steht den lehrern zu, und auf den grad der strafbarkeit jeder 
handlung haben die umstände, unter .denen sie begangen ist, 
wesentlichen einfluß. Die stufenfolge der strafen ist folgende, 


510 Monumenta Germaniae paedagogica I 


1) mündliche verweise von einzelnen lehrern, privatim 
oder öffentlich, von der leisesten andeutung bis zur nach- 
drücklichsten warnung; 

2) anrechnung von fehlern für die monatlichen ver- 
setzungen, die jedoch in den höheren classen des ober- > 
gymnasiums nicht mehr statt finden; 

3) augenblickliche und widerrufliche herabsetzung durch 
einzelne lehrer oder längere und unwiderrufliche durch 
die conferenz; 

4) verweisung aus der classe, auf eine stunde von ein- ıo 
zelnen lehrern, besonders bei hartnäckigkeit und wider- 
setzlichkeit, oder auf mehrere tage durch den classenlehrer 
oder director bis zum conferenztage am schlusse der 
woche; 

5) nachsitzen und nacharbeiten im verschlossenen ı5 
classenzimmer, besonders gegen trägheit gerichtet, worüber 
auch einzelne lehrer verfügen; 

6) körperliche züchtigungen bleiben in der regel von 
der .anstalt ganz ausgeschlossen; aber wenn in unteren 
classen alle mündlichen erinnerungen und strafen erfolglos » 
erschöpft worden sind, oder wenn der schüler durch 
schamlose lügen oder unbändige widersetzlichkeit sich 
selbst für außer dem gesetze erklärt, bleibt dem lehrer 
nichts übrig als seine augenblickliche zuflucht zu körper- 
licher züchtigung zu nehmen, um das aufgehobene rechts- 3 
verhältniß wieder herzustellen, wobei es sich von selbst 
versteht, daß jede übereilung und übertreibung wegfällt, 
und daß jeder schüler, der körperliche züchtigung erhielt, 
der conferenz nachträglich angezeigt wird; 

7) herabsetzung in tiefere classen auf tage, wochen und » 
monate durch die conferenz; 

8) carcerstrafe, bis zu vier tagen durch die conferenz, 
über vier tage durch die schul-commission ; 

9) verweisung (relegation) von der anstalt, im stillen 
oder öffentlich, durch die schul-commission. 35 


8 17 
Bei schwereren vergehen, die vor die schul-com- 
mission gebracht werden, welche aus den schul-ephoren unter 
zuziehung der direetoren besteht und auf dem Neustadtrathhause 








Schulordnungen der Stadt Braunschweig 51 511 


ihre sitzungen hält, wird besonders erwogen werden, ob des thäters 
name in ein daselbst zu verwahrendes strafbuch einzutragen ist, 
ob das geschehene in den abgangszeugnissen und programmen 
ausdrücklich erwähnt werden soll, ob dem gymnasium oder der 

s universität, wohin sich der etwa ausgetretene schüler gewendet 
hat, nachricht zu geben ist, ob den inländischen landes-collegien, 
bei welchen er einst zur prüfung für ämter sich melden könnte, 
anzeige zu machen, ob wegen versagung von freitischen und 
stipendien vorkehrung zu treffen, ob endlich der schuldige unter 

ıo vorlegung aller thatsachen höchsten ortes als ein solcher namhaft 
zu machen ist, der durch sein bisheriges betragen genügend be- 
wiesen hat, daß ihm das vaterland kein öffentliches amt mit zu- 
versicht anvertrauen kann. Wofern aber der schuldige durch 
die strafe gebessert würde oder der entwichene sich stellte und 

ıs durch sein ferneres betragen unverdächtige reue bezeugte, sollen 
auf das einstimmige gute urtheil aller seiner lehrer frühere be- 
schlüsse gemildert oder aufgehoben werden können. 


$ 18 

Kein schüler darf weder selbst noch durch seine eltern oder 
2» pfleger wegen des von irgend einem lehrer gegen ihn beobach- 
teten verfahrens persönlich bei demselben, weder in der schule 
noch in dessen hause, beschwerden erheben; nur schriftliche, 
aber bescheidene gegenvorstellungen sind ihm erlaubt. Sollte 
er dadurch seine wünsche nicht erreichen und er oder seine eltern 
»»s dennoch glauben, daß ihm unrecht geschehen sey, so kann er 
die sache dem hauptelassenlehrer oder dem director vortragen 
oder vortragen lassen, durch welchen sie nach befinden vor die 
conferenz gebracht wird. In tällen, wo der schüler sich auch 
bei den verfügungen des directors oder der conferenz nicht be- 
so ruhigen zu können glaubt, kann er, jedoch nur schriftlich, an 
die schul-commission sich wenden und sein gesuch bei dem magi- 
strats-director, dem vorsitzer derselben, abgeben. Jede auf andere 
weise geäußerte unzufriedenheit mit dem verfahren der lehrer 

wird als grobe widersetzlichkeit betrachtet und bestraft. 


35 S 19 
Wenn besondere fälle zu vorstehenden gesetzen erweite- 
rungen fordern, so sollen sie durch den director oder die haupt- 
lehrer in den classen bekannt gemacht werden und eben dadurch 
gesetzeskraft erhalten. Um jedoch alle mißverständnisse zu ver- 


512 Monumenta Germaniae paedagogica I 


hüten, soll jeder classe einzeln mitgetheilt werden, welche ver- 
gehen mit gewissen strafen zu belegen sind, und unter den lehrern 
darüber die strengste gleichmäßigkeit herrschen. 


Vorstehende, durch höchstes landesherrliches rescript vom 
2.Decemb. 1827 genehmigte gesetze werden hierdurch zur nach- : 
achtung bekannt gemacht. 

Braunschweig, den 15. Jan. 1828. 

Die schulephoren. 
Bode. Henke. 


B 10 


. BESTIMMUNG DER AMTLICHEN VERPFLICHTUNGEN 
UND VERHÄLTNISSE DER LEHRER 
AM GESAMMTGYMNASIUM ZU BRAUNSCHWEIG. . 


Obgleich zu erwarten steht, daß wissenschaftlich gebildete 
männer, denen der staat den hohen beruf der jugendbildung an- ı: 
vertraut, für alle ihre dienstpflichten in sich selbst die rechte 
richtung und den wahren eifer haben werden, und obgleich die 
vorauszusetzende tüchtigkeit und gewissenhaftigkeit der lehrenden 
alle genauere anweisungen zur führung ihres amts als lehrer 
im allgemeinen überflüssig macht, so sichern doch einige andeu- » 
tungen jener pflichten und dessen, was einem jeden lehrer ın 
seinem bestimmten verhältnisse obliegt, um den zweck der anstalt, 
welcher er angehört, fördern zu helfen, nicht nur eine vielfach 
gegliederte anstalt vor allerlei störungen, sondern auch jeden ein- 
zelnen lehrer vor möglichen unangenehmen mißverständnissen, » 
und werden daher gerade dem pflichttreuen nie unwillkommen 
sein, selbst wenn sie ihrer natur nach nichts erschöpfendes liefern. 

Indem mithin vorausgesetzt wird, daß jeder lehrer, um so- 
wohl den schülern ein muster der sittlichkeit. des fleißes und der 
ordnung zu werden als auch sich selbst die liebe und dankbar- » 
keit derselben anf rechtmäßige weise zu erwerben, als haupt- 
pflichten seines berufs anerkenne: 











Schulordnungen der Stadt Braunschweig 51 513 





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1. das streben in seinem lehrfache nach den fortschritten der 
wissenschaft und der zeit nicht bloß für den inhalt, sondern auch 
für die form des unterrichts, sowie in allem, was zur handhabung 
dder disciplin gehört, sich immer mehr zu vervollkommnen; 

5 2. bewahrung sittlich-religiöser grundsätze und des äußern 
anstandes in allen verhältnissen des lebens innerhalb und außer- 
halb der schule; 

3. sorgfältige beachtung alles dessen, was die innere und 
äußere ordnung der anstalt in irgend einer hinsicht vorschreibt: 

10 so wird es zu dem erwähnten zwecke nur in letzterer hin- 
sicht einiger bestimmungen bedürfen, welche im folgenden ent- 
halten sind. 


1 
Pflichten sämmtlicher lehrer in beziehung auf die 
15 erhaltung der äußern ordnung der anstalt. 


Um die so nöthige ordnung und einheit im innern zu ge- 
winnen, ist ordnung und einheit im äußern unerlasslich. Daher 
ist die anstalt, indem sie es den lehrern zur pflicht macht alle 
ihre kräfte zum besten derselben anzustrengen und keinen augen- 

„» blick für den unterricht verloren gehen zu lassen, um den er- 
höheten und gerechten ansprüchen des staats, der ältern und der 
schüler genüge zu leisten, genöthigt und berechtigt mit der 
größesten bestimmtheit zu fordern: 

1. Daß ein jeder lehrer, welcher nicht bloß zu den neben- 

»s lehrern gehört, die ihrem verhältnisse zu dem gesammtgymnasium 
zufolge ihr schulamt nicht als hauptamt zu betrachten haben, 
sondern nur auf einige bestimmte stunden der anstalt ihre thätig- 
keit widmen und mit denen ein besonderer vertrag abgeschlossen 
wird, sich zwar beim antritte seines amts auf eine schriftliche 

" üibersicht seiner einnahme und seiner stundenzahl und anderer 
arbeiten im allgemeinen verpflichten lasse, allein, sobald es das 
wohl der anstalt erheischt, sich nicht weigere hier oder da eine 
kleine vermehrung seiner stunden oder arbeiten zu übernehmen, 
auch ohne besondere remuneration. Die directoren werden dafür 

sorgen, daß in solchen fällen alle grundsätze der billigkeit und 
gleichmäßigkeit beobachtet werden. 

2. Daß kein Ichrer fortan ohne ausdrücklich nachgesuchte 
‚und erhaltene genehmigung der schulcommission besondere neben- 
ämter oder bestimmte leistungen an andern öffentlichen oder 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 33 





514 


Monumenta Germaniae paedagogica I 


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privat-lehr- und andern anstalten irgend einer art übernehme 
oder die übernommenen vermehre; vielmehr, daß er alle seine 
kraft seinem hauptamte widme. 

Bei unvorhergesehenen fällen, z. b. bei augenblicklicher 


vertretung kranker lehrer oder bei außerordentlichen conferenzen, : 


können selbst privatstunden und dergleichen nicht entschuldigen. 
Ausgenommen sind zwar hiervon die vorhin bezeichneten neben- 
lehrer; jedoch sind anch diese zur theilnahme an den wöchent- 
lichen conferenzen nach ınöglichkeit und zur befolgung der ganzen 
schulordnung im übrigen ohne ausnahme verpflichtet. 

3. Daß jeder lehrer nicht bloß zu dem anfange seiner lehr- 
stunden aufs pünktlichste erscheine, sondern alsdann, auch vor 
dem wirklichen beginne seiner lectionen. sofort die erforderliche 
aufsicht über seine elasse selbst übernehme. Zur erleichterung 
werden die direetoren dafür sorgen, daß für jeden mehrere lec- 
tionen möglichst. auf einander folgen. 

4. Daß keiner vor «(em vollen stundenschlage aufhöre oder 
(lie classe verlasse, bevor sein nachtolger wirklich erschienen ist. 

5. Daß der unterricht selbst so wenig als möglich durch 
disciplinarische untersuchungen oder hestrafungen verkürzt werde. 
sondern daß dergleichen, falls sie nicht überhaupt nach beschaffen- 
heit der umstände «der conferenz vorbehalten bleiben müssen, so 
wie auch (die in manchen stunden nöthigen vorbereitungen zum 
unterrichte, wie z. b. in den mathematischen oder in den schreib- 


und rechenstunden n. s. w., möglichst in die zwischenzeiten ver- : 


legt werden. 

6. Daß die leetionen nur zu anfange des vor- und nach- 
mittages und in «er mitte des morgens mit denı schlage des 
viertels, die übrigen aber alle ohne unterschied mit 10 minuten 
nach (dem schlage beginnen. 

7. Daß keiner ohne vorwissen und genehmigung des direc- 
tors durch versetzung der unterrichtsfächer ın andere stunden 
oder auf andere weise von dem lehrplane abweiche. 

8. Daß kein lehrer ohne anzeige bei dem director sich durch 


einen andern lehrer, auch nur in einer stunde, vertreten lasse. : 


9. Daß jeder lehrer bei behinderungsfällen, krankheiten aus- 
genommen, seinen vertreter selbst ausmittele und dem director 
anzeige. Sollte die abwesenheit über drei tage dauern, so muß 
auf ordnungsmäßigem wege die ephorie vorher davon in kenntniß 
gesetzt werden. 


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10. Daß bei krankheitsfällen kein lehrer erst im augenblicke 
seines erwarteten erscheinens, sondern möglichst lange, wenig- 
stens einige stunden, vorher dem director der betreffenden abthei- 
lung anzeige machen lasse. 

11. Daß bei vertretungen in krankheitsfällen kein lehrer, 
außer den sub 1 bezeichneten, irgendwie sich ausschließe, sondern 
daß ein jeder dem betreffenden director, der bei bestimmung der- 
selben nach äußerster gleichmäßigkeit verfahren und über solclıe 
abwesenheiten und ihre vertretungen jahr aus jahr ein ein schrift- 
liches verzeichniß führen wird, sich willig zeige. 


$ 2 
Pflichten sämmtlicher lehrer in beziehung auf den 
unterricht. 


So wenig auch über den stoff und die form des unterrichts 
bei dem großen umfange dieser gegenstände, bei der voraus- 
zusetzenden kenntnißB und übung der lehrer selbst, welche siclı 
überdies sowohl unter einander als mit den directoren häufig dar- 
über berathen werden, etwas näheres zu bestimmen ist: so dürften 
doch folgende bemerkungen zur erhaltung des innern zusammen- 
hanges der ganzen anstalt und zur erreichung des zweckes der- 
selben nicht überflüssig sein: 

1. Jeder lehrer ist verpflichtet zuvörderst dazu beizutragen, 
daß für inhalt und form aller lehrzweige durch alle classen und 
abtheilungen der anstalt eine feste norm schriftlich verfasst werde, 
und demnächst bei seinem unterrichte sich derselben zu unter- 
werfen. Alljährlich wird indeß dieselbe aufs neue durchzusehen 
sein, um (ie etwaigen bedürfnissen der zeit und der anstalt ent- 
sprechenden veränderungen mit derselben vorzunehmen. 

2. Zu diesem endzwecke ist es nothwendig, daß jeder lehrer, 
um den rechten standpunct für seinen lehrzweig in einer ge- 
gebenen classe zu fassen, damit weder die grenzen derselben bei 
dem unterrichte überschritten noch die schüler auf einer zu 
niedrigen stufe des wissens erhalten werden, auf den zusammen- 
hang seiner classe und seines lehrfaches mit dem hauptplane (des 
ganzen sorgfältig achte und bei aller freiheit des wirkens doch 
den anerkannten zwecken der anstalt sich unterwerfe. 

3. Ein erleichterungsmittel ist ferner die einführung fester 
lehrbücher, wo möglich für alle lehrzweige in den verschiedenen 

33* 








516 Montimenta Germaniae paedagogica I 


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classen, um darnach jedem lehrer für die einzelnen classen und 
curse sein lehrpensum zu bestimmen, auch ein unnützes dictiren 
zu vermeiden, ohne (das nützliche anmerken damit überflüssig zu 
machen. 


4. Der vorherrschende character des unterrichts in allens 
classen des gesammtgymnasiums, der auf keine weise durch seine 
form zweckwidrig in das gebiet der universität überstreifen darf, 
ist katechetisch oder erotematisch; selbst in solchen lectionen, wo 
ein akroamatischer oder zusammenhängender vortrag nothwendig 
ist, muß, bald eine prüfende wiederholung folgen, welche jeden w 
schüler, und zwar mit sorgfältiger vernieidung einer bestimmten 
reihenfolge, berührt. 


5. Ebenso wird ein jeder lehrer darauf bedacht nehmen die 
fortschritte seiner classe im ganzen weder durch ausschließliche 
berücksichtigung der bessern köpfe noch durch bloße beschäfti- ı; 
gung mit den zurückbleibenden zu stören, und die aufmerksamkeit 
nicht durch einmischung fremdartiger gegenstände von der haupt- 
sache abzulenken. 


6. Kein lehrer darf sich weigern, sobald das interesse der 
anstalt es erfordert, mit seinem lehrzweige «eine modification » 
vorzunehmen oder auf kürzere oder längere zeit in eine andere 
classe zu gehen. 


$3 
Pflichten sämmtlicher lehrer in beziehung auf die 
schriftlichen arbeiten der schüler. 25 


Die correctur der schriftlichen arbeiten der schüler, auf 
welche eine ganz besondere wichtigkeit gelegt werden muß. 
verdient eine vorzügliche berücksichtigung. Indem das innere 
der correcturen dem gewissen jedes lehrers überlassen bleiben 
muß, wird über das äußere verfahren hinsichtlich derselben folgen- 
des bemerkt: 

1. Mit der jährlich neu zu prüfenden norm der curse für 
alle classen sind zugleich die regelmäßigen schriftlichen arbeiten 
der schüler und die von den einzelnen lehrern zu übernehmenden 
correcturen derselben nach Jen jedesmaligen bedürfnissen der s 
anstalt zu ordnen, und wenn eine schwierigkeit in ansehung der 
übernabme bei den betreffenden lehrern entstehen sollte, so haben 
die directoren, die für eine verhältnißmäßige vertheilung der- 





Schulordnungen der Stadt Braunschweig 51 517 





selben sorge tragen werden, an die schul-commission bericht 
zu erstatten. 

2. Nothwendig ist es, daß über diese schriftlichen arbeiten 
nach inhalt und form unter den lehrern einer classe oder benach- 
s barter classen in den wöchentlichen conferenzen stete berathung 
gehalten wird, um jede collision in den aufgaben oder überladung 
der schüler, namentlich bei den eigenen aufsätzen in den höhern 
classen, zu verhüten. | 

3. In allen classen der anstalt, auch in den untersten, muß 

w jeder lehrer diese schriftlichen arbeiten eigenhändig corrigiren, 
da es darauf ankommt, daß er seine schüler mit eigenen augen 
kennen lerne. 

4. Zum beweise, daß alle arbeiten gehörig und zu rechter 
zeit, so wie die schulordnung vorschreibt, geliefert und von den 

ıs lehrern corrigirt worden, trägt jeder lehrer über diese leistungen 
bemerkungen, theils in kurzen urtheilen, theils in fehlerzahlen 
bestehend, eigenhändig in das sitten- und arbeitsbuch jeder classe 
ein, das am schlusse jedes monats der betreffende director zur 
(durchsicht erhält. 

EN 5. Es ist gleichfalls nothwendig, daß alle lehrer, um für 
den unterricht keine zeit zu verlieren, die correcturen zu hause 
vornehmen, daß sie über die grundsätze der beurtheilung und 
fehlerbezeichnung sich vereinigen und auch auf die äußere be- 
schaffenheit dieser arbeiten, welche gewöhnlich den ganzen men- 

»» schen charakterisirt, genaue rücksicht nehmen. 

6. Ebenfalls, um für den übrigen unterricht keine zeit zu 
verlieren, wird dahin zu streben sein, daß die zur zurückgabe 
und mündlichen beurtheilung dieser arbeiten bestimmte zeit nicht 
überschritten werde. Für die unteren classen möchte es daher 

»räthlich sein besonders die unvollkommensten arbeiten öffentlich 
durchzugehen, bei deren beurtheilung gelegenheit zur berichtigung 
aller oder doch der meisten fehler gegeben wird. Ueberall wird 
aber dahin zu sehen sein, daß durch öffentliche unparteiische 
würdigung dieser arbeiten der eifer für dieselben erregt und 

belebt werde. 

5 4 
Pflichten der hauptlehrer in den einzelnen classen. 

Um den wissenschaftlichen und sittlichen ton einer classe 
zu beobachten und zu leiten, ist in jeder classe ein haupt- oder 

‘„classenlehrer ernannt, der zugleich die meisten lehrstunden 





518 Monumenta Germaniae paedagogica 





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oder doch die hauptzweige des unterrichts in derselben hat. Seine 
pflichten sind folgende: 

1. Er sucht sich in nähere bekanntschaft mit der persön- 
lichkeit aller schüler seiner classe zu setzen und hält sich ein 
genaues verzeichniß derselben mit bemerkung des standes und 
wohnortes des vaters, der wohnung des schülers u. dergl., um in 
vorkommenden fällen, namentlich bei conferenzen, den übrigen 
lehrern die nöthige auskunft darüber zu geben und den vertreter 
der classe im einzelnen wie im ganzen zu machen. 

2. Er ist der immerwährende mandatarius und stellvertreter 
(des directors für seine classe und bleibt demselben nicht bloß 
für die wirkliche ausführung aller wissenschaftlichen und disci- 
plinarischen maaßregeln, sondern auch für das locale (fenster, 
tische, bänke und dergl.) und das ganze eigenthum _(lehr- 


apparate ıc.) der classe ausschließlich und ohne ausnahme ver- ı: 


antwortlich. 

3. Er sorgt auch für die anlegung und genaue führung (der 
wöchentlichen absentenlisten und des classenbuches, macht danach 
(lie zu bestimmten zeiten für nöthig gehaltenen versetzungen. 


wobei er indessen auch die urtheile der übrigen lehrer in seiner : 


lasse berücksichtigen wird, fordert zuweilen, wenigstens ein mal 
im vierteljahre, die vorbereitungs-, arbeits- und nachschreibebücher 
und dergl. seiner elassenschüler aus allen lectionen in sein haus, 
sucht ihre privatstudien zu leiten und was sonst dienlich ist, um 
den charakter jedes schülers kennen zu lernen und mit väter- 
licher liebe zu bilden. 

4. Er entwirft die halbjährigen censuren nach dem inhalte 
des classenbuches und nach besprechung mit den übrigen lehrern 
seiner classe, desgleichen die listen der zur versetzung aus einer 
classe in die andere vorzuschlagenden, führt auch die monatlichen 
sittenbücher, wo sie üblich sind, und sammelt die schulgelder 
gegen auszustellende quittung ein, um sie an den director seiner 
abtheilung zur weitern besorgung an den rechnungsführer ab- 
zuliefern. 


ıc 


5. Da in allen fällen, besonders nach der aufnahme, der » 


schüler sich zunächst an diesen seinen hauptclassenlehrer zu wen- 
den und seinen rath sich zu erbitten hat, so wird dieser nicht 
bloß sich besonders angelegen sein lassen müssen das vertrauen 
der schüler sich zu erwerben, sondern auch nach befinden mit 


ihren angehörigen sich in besondere berührung zu setzen suchen. « 














Schulordnungen der Stadt Braunschweig 5l 519 


6. Aus diesem verhältnisse des classenlehrers gehet hervor, 

(laß derselbe mit den übrigen lehrern seiner classe sich öfters zu 

besprechen und ihre urtheile und bemerkungen oder auch ihre 

klagen zu beachten hat. Von seiten der schüler wird er zwar 

„klagen gegen sie Jurchaus nicht annehmen, sondern an den 

director verweisen; aber er wird doch verständigungen aller art 

zu bewirken suchen. Desgleichen wird er die lehrer auf etwaige 

abweichungen von der classenordnung aufinerksam machen und 

überhaupt die einheit des ganzen nach allen seiten zu erhalten 
ıw streben. 

$5 
Verhältniß und verpflichtung des directors 
im allgemeinen. 


Der director jeder abtheilung des gesammtgymnasiunıs 
ı hat, in so fern er zugleich lehrer, und zwar in der regel haupt- 
lehrer der ersten classe ist, die hauptpflichten mit allen übrigen 
lehrern vollkommen gemein. Als vorsteher wird für ihn wissen- 
schaftliche tüchtigkeit. unermüdlicher pflichteifer, aufınerksame 
beobachtung alles dessen, was zur verbesserung des ganzen oder 
»‚, einzelner theile geschehen kann, im höchsten grade erforderlich. 
Sein standpunct legt ihm bei der mit seinem amte verbundenen 
verantwortlichkeit die pflicht auf den zustand der ganzen anstalt 
in allen theilen, hinsichtlich der lehrenden wie der lernenden. zu 
jeder zeit klar vor augen zu haben. von der ausführung aller 
> besprochenen oder schriftlich verhandelten maaßregeln, aller be- 
stehenden oder höheren ortes gemachten anordnungen durch jedes 
angemessene mittel sich zu überzeugen und dieselbe mit festigkeit 
zu bewirken. Die gegenstände, auf welche sich der amtliche 
wirkungskreis des directors erstreckt, sind so vielfältig, daß sie 
» Sich nur unvollkonımen bestimmen lassen, und von seiner einsicht, 
seiner thätigkeit und seinem gewissen muß viel mehr erwartet 
werden als gesetzliche vorschriften zu bestimmen vermögen. Zu- 
nächst beziehen sich seine amtspflichten auf den unterricht, die 
disciplin, die lehrer und die schüler und das eigenthum der 
;s anstalt. 
56 
1. Pflichten des directors in beziehung 
auf den unterricht. 


1. Die einrichtung der anstalt und ihrer einzelnen abthei- 
wlungen ist zwar gegeben, jedoch weder an sich abgeschlossen 





520 Monumenta Germaniae paedagogica I 


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noch für die dauer unabänderlich; vielmehr haben die direstoren 
nach den bedürfnissen des ortes, der zeit und aller unvorher- 
gesehenen umstände den zweck der anstalt genau ins auge zu 
fassen, darnach den lehrplan zu bestimmen und den eifer unter 
lehrenden und lernenden zweckdienlichst zu beleben. | s 

2. Der entwurf der classencurse geht zwar der erhaltung 
der einheit wegen zunächst von dem director der gesammtanstalt, 
unter zuziehung der directoren der abtheilungen, aus; aber er 
wird in jedem falle eine berathung aller betreffenden lehrer vor- 
angehen lassen, um eines jeden ansichten und erfahrungen aus ı 
seinem fache und aus seiner classe zu hören und billige wünsche, 
wenn sie mit dem ganzen vereinbar sind, möglichst zu erledigen. 

- Dabei sind die lehrstunden und fächer jedes lehrers theils nach der 
ihnen angewiesenen stellung, theilsnach dem oben$ 1und2 gesagten 
zu ordnen und die schriftlichen correcturen genau zu bestimmen. ıs 
Einmal eingeführte lehrbücher dürfen nicht ohne dringende noth- 
wendigkeit verändert werden, vielmehr ist auf ihre prüfung bei der 
ersten einführung alle sorgfalt zu verwenden. Doch dürfen die fort- _ 
schritte der wissenschaft dabei nicht unbeachtet bleiben. 

3. Da es nicht sowohl auf die schriftliche abfassung des zu 
lehrplans und die wörtliche angabe des in jedem fache und in 
jeder classe zu leistenden, als vielmehr und vorzüglich auf die 
ausführung desselben ankommt, so folgt, Jdaß die directoren bei 
der ihnen obliegenden verantwortlichkeit, um sich davon zu über- 
zeugen, die lehrstunden aller classen und aller unterrichtsfächer 3; 
ohne unterschied, so oft es ihnen möglich ist, persönlich besuchen 
müssen, sowohl um die leistungen der schüler, als um den zu- 
sammenhang des unterrichts in den verschiedenen classen zu 
beobachten. Diese pflicht ist so wichtig, daß sie im falle von 
collisionen ihre eigenen unterrichtsstunden lieber einmal durch 
andere lehrer decken lassen oder aussetzen werden, als daß irgend 
ein unterrichtsgegenstand von ihnen unbeachtet bleibt. Außerdem 
ist es unerlaßlich, daß sie öfters, wenigstens alle halbe jahr ein 
mal, die schriftlichen arbeiten der schüler aller classen aus allen 
unterrichtsfächern sich in ihrem hause vorlegen lassen, um sowohl :; 
von der innern als von der äußern beschaffenheit derselben im 
einzelnen wie im ganzen genaue notiz nehmen und darauf lobende 
oder tadelnde bemerkungen den schülern mitzutheilen. Das 
sitten- und arbeitsbuch jeder classe werden sie sich am schlusse 
Jedes monats zur durchsicht mittheilen lassen. (S.$ 3. 4.) w 


_ umge main BER Ai“ 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 51 521 


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4. Die Jdirectoren haben die aufnahme, versetzung und ent- 
lassung der schüler zu besorgen und darüber besonders aufzube- 
wahrende register zu führen. Eben so liegt ihnen ob alle dahin 
gehörige prüfungen vorzunehmen. Wegen der öffentlichen prüfun- 

° gen und der maturitätsprüfungen bleibt es bei der bisherigen obser- 
vanz, wenn höhern orts keine abänderungen erfolgen. Die wich- 
tigkeit des zwecks dieser prüfungen macht den directoren die 
höchste gewissenhaftigkeit bei denselben zur pflicht. 


87 
io Il. Pflichten des directorsin beziehung auf die disciplin. 
Die disciplin, zu deren erhaltung ein jeder lehrer nach allen 
kräften.. beizutragen hat, verdient von seiten des directors eine 
ganz besondere aufmerksamkeit, um alle unarten, verkehrtheiten 
und unziemlichkeiten bei den schülern zu unterdrücken, um den 
ıs unverdorbenen sinn der jugend zu erhalten und sie an ge- 
setzmäßigen gehorsam und sittlich religiöse gesinnung zu ge- 
wöhnen. | 
1. Der entwurf aller hierher gehörigen punkte für lehrer 
und schüler geht, wie der lehrplan, von den directoren aus, welche 
20 dafür sorge zu tragen haben, daß die einzelnen lehrer sich zu 
einer für die ganze anstalt feststehenden und dem bedürfniß 
der einzelnen abtheilungen derselben entsprechenden norm ver- 
einigen. 
2. Als grundlage zu jener vereinigung unter den lehrern 
25 dienen sowohl die regelmäßigen wöchentlichen conferenzen als 
auch außerordentliche für .bestinnmte zwecke, zu denen der direc- 
tor die hauptelassenlehrer oder andere nach befinden der umstände 
beruft. Alle conferenzen werden wo möglich in einem dazu be- 
stimmten amtlichen versammlungszimmer gehalten, und das 
s„ resultat der berathungen muß in einem schriftlichen protocolle 
niedergelegt werden. Jeder lehrer kann hier seine wünsche, an- 
liegen und ansichten zur collegialischen discussion bringen, und 
die directoren sind gehalten, sobald dieselben in gehöriger form 
vorgetragen werden, sie bereitwillig anzuhören und unbefangen 
3»; zu prüfen. Wiewohl zuweilen ein abschluß durch stimmen- 
mehrheit wünschenswerth sein kann, so muß doch die anwendung 
dieses verfahrens von dem ermessen des directors abhängen, der 
in jedem falle auf seine verantwortlichkeit die entscheidung 
hat oder bei wichtigen dingen an die schul-commission berich- 











522 = Monumenta Germaniae paedagogica I 














tet, um diese zur entscheidung der streitigen punkte zu ver- 
anlassen. 

3. Um fleiß und betragen der schüler in die rechte oblut 
zu nehmen, ist es erforderlich, daß die directoren bei ihren classen- 


besuchen und auch sonst vorzugsweise darauf achten, daß sie : 


häufig, auch wenn sie keine lectionen zu ertheilen haben. im 
gebäude der anstalt erscheinen und öfters nit den hauptelassen- 
lehrern darüber conferiren, welche iu diesem stücke für ihre 
classen die ausgedehntesten wahrnehmungen haben können unıd 
durch welche der einfluß der directoren auf die disciplin haupt- 
sächlich geäußert werden kann und muß. Darum kann auch 
kein lehrer, außer den sittenbüchern in den classen, wo solche 
üblich sind, ein besonderes zeugniß privatim ausstellen, ohne daß 
der betreffende director seine eigenhändige unterschrift und das 


insiegel der anstalt darunter setzt. Eben so sind die halbjähri- ı: 


gen censuren mit der unterschrift des betreffenden directors zu 
versehen. 


8 8 


III. Pflichten des directors in beziehung auf die lehrer. 


Da man voraus setzen darf, daß den directoren eine ebenso : 


eifrige pflichttreue als thätige liebe zu der anstalt beiwohnt, so 
läßt sich auch erwarten, daß ihr beispiel und ihre überall sich 
beurkundende gesinnung stillschweigend auf alle lehrer zur nach- 
ahmung wirken werde; und wenn sie mit (diesen eigenschaften 
umsicht und humanität verbinden, wenn sie jeden lehrer freund- 
lich als wesentlichen theil des ganzen betrachten, eines jeden 
lehrfach und verdienst nach wahrheit ehren und geltend zu machen 
suchen, so wird ihr verhältniß, das allerdings ein vorgeordnetes und 
beaufsichtigendes ist, gewiß durch entgegenkommende willfährigkeit 


und achtung in dem maaße anerkannt werden, daß sie nicht leicht nö- : 


thig haben werden zu ihrer amtlichen auctorität ihre zuflucht zu neh- 
men. Uebrigens haben sie sowohl durch mündliche andeutungen 
in den conferenzen als durch schriftliche bemerkungen in allge- 
meinen rundschreiben und dergl. gelegenheit ihre wünsche aus- 


EI 
_ 


[24 
„+ 


[3 


zusprechen oder die bestehende ordnung zur nachachtung zus 


empfehlen. Zufolge der den directoren obliegenden verantwort- 
lichkeit für ihre anstalt haben sie indessen bei den dieselbe be- 
treffenden anordnungen von den einzelnen lehrern die größte 
willfährigkeit zu erwarten; diesen bleibt es dagegen unbenommen., 


— 








SCHBlOFdninDgeN der Stadt Braunschweig 51 523 


falls sie irgendwie sich beeintstchtigt fühlen, zu jeder zeit die 
vermittelung des directors der ensnnitanstalt; wenn dieser nicht 
selbst dabei betheiligt ist, in anspruch zu nehmen oder eine 
schriftliche beschwerde an die schulcommission gelangen zu lassen. 


5 59 
IV. Pflichten des directors in beziehung 
auf die schüler. 
Was jeder hauptlehrer seiner classe ist, das sucht jeder der 
directoren seiner abtheilung und der director der gesammtanstalt 
ı dem ganzen zu sein;. und wenn dies auch nicht im einzelnen 
möglich ist, so werden die directoren doch überall einzuwirken 
suchen und die ganze anstalt in gehörige obhut nehmen, um 
jeden mißton, der zwischen lehrern und schülern etwa sich zeigt, 
auszugleichen und das rechte verhältniß herzustellen, ohne dem 
ı» ausehen der lehrer etwas zu vergeben oder gegründete beschwer- 
den der schüler unbeachtet zu lassen. So wie sie für solche 
fälle alle klugheit anwenden werden, so werden sie andererseits 
nie dulden, daß irgend ein schüler durch rohheit und widersetz- 
lichkeit den unmuth eines lehrers hervorrufe oder die ruhe und 
a», ordnung des ganzen störe. Da hierüber sowohl die classenord- 
nungen als die allgemeinen gesetze für die schüler das einzelne 
enthalten, so bedarf es keiner besonderen anordnungen oder be- 
stimmungen. 
$ 10 i 
» V. Pflichten des directors in beziehung auf Jas 
eigenthum der anstalt. 


Da das innere der anstalt nicht gedeihen kann ohne zweck- 
mäßige einrichtung des äußern, so sind die direetoren auch zur 
wahrnehmung alles dessen verpflichtet, was hierzu gehört. betreffe 

„es die baulichkeiten des ganzen gebüuder oder einzelner theile 
desselben u. s. w. (fleiche sorgtalt gebührt dem ganzen lehrappa- 
rate und allen utensilien der einzelnen classen und den ver- 
schiedenen sammlungen, über welche zum theil nähere bestim- 
mungen existiren oder zu erwarten sind. Desgleichen gehört zu 

» dem eigenthume der anstalt die registratur, wohin alle nachrichten 
von der innern und äußern verfassung der anstalt und ihren et- 
waigen veränderungen, die anstalt betreffende actenstücke und 
verordnungen. auch in wichtigern dingen die concepte der er- 
statteten berichte zu rechnen sind. Für die anlegung und er- 





524 Munumenta Germaniae paedagogica I 





haltung (dieser registratur bei jeder abtheilung der anstalt sınd 
die directoren verantwortlich. 


s 11 
Verhältniß des directors des obergymnasiums 
als director der gesammtanstalt. 


Es ist im vorhergehenden angedeutet, in welchem verhält- 
nisse die directoren der in den gesammtgymnasium enthaltenen 
abtheilungen zu diesen stehen. und ist damit auch das verhältniß 
des directors des obergymnasiums zu («diesem festgestellt. Der 


letztere ist zugleich director der gesammtanstalt und hat als« 


solcher noch außer den angeführten verpflichtungen gewisse rechte 
zu üben und pflichten zu erfüllen, deren beachtung um so wich- 
tiger ist, da dadurch allein einheit des ganzen erhalten werden 
kann. | 

1. Der director der gesammtanstalt hat als solcher im all- » 
gemeinen die anstalt zu vertreten. Die von höheren behörden 
zu erlassenden, sowohl auf die anstalt im ganzen als auf die ein- 
zelnen abtheilungen derselben sich beziehenden verfügungen wer- 
den daher ihm entweder zur unmittelbaren ausführung der darin 
enthaltenen bestimmungen oder zur beförderung an die übrigen » 
directoren. eingehändigt. Desgleichen müssen alle auf verände- 
rung des bestehenden oder auf verbesserung der anstalt, auch 
wenn dabei nur eine der abtheilungen in frage kommt, sich be- 
ziehenden berichte und anträge mit vorwissen des directors der 
gesammtanstalt abgefaßt und von ihm mit unterzeichnet werden. = 
Ueberhaupt hat jeder lehrer oder specialdirector die von ihm 
für die ephorie bestimmten eingaben derselben durch den director 
des gesammtgymnasiums zugehen zu lassen. Ohne sein vorwissen 
und seine zustimmung darf auch in dem lehrplane keine ver- 
änderung vorgenommen werden. w 

2. Mit den ihm nicht unmittelbar untergebenen abtheilungen 
der anstalt, dem real- und progymnasium, steht derselbe durch 
die directoren derselben in verbindung. Diese sind daher ver- 
pflichtet auf verlangen ihm über alle angelegenheiten derselben 
die nöthige auskunft zu geben, so wie er seinerseits berechtigt » 
ist, falls er dergleichen angelegenheiten mit ihnen zu verhandeln 
hat, sie zu”conferenzen über dieselben zu berufen. Wird von 
(dem einen oder dem andern specialdirector seine anwesenheit in 
den conferenzen des real- oder progymnasiums gewünscht, so hat 


a 





Schulordnungen der Atadı Br raubachweig bi 526 


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er sich der theilnahme an denselben nicht zu entsiheh: a es 
gebührt ihm alsdann in denselben der vorsitz. Ebenso wird er, 
wann die directoren es wünschen, auch dem unterrichte in dem 
real- und progymnasium beiwohnen. 
5 3. Er ist berechtigt und verpflichtet jede ihm nützlich 
scheinende veränderung und verbesserung der gesammtanstalt 
auch unaufgefordert zunächst bei der schul-eommission in antrag 
zu bringen. 

4. Entstehen differenzen zwischen den lehrern des real- oder 
progymnasiums und gelingt es den betreffenden direetoren nicht 
dieselben auszugleichen. so ist zunächst dem director der ge- 
sammtanstalt anzeige zu machen, damit vorgängig von ihm eine 
ausgleichung versucht werde. Ebenso sucht derselbe auch etwaige 
differenzen zwischen «den lehrern und specialdirectoren auszu- 
gleichen, und es kann der höhern behörde, bevor nicht dem 
director der gesammtanstalt mittheilung gemacht worden, desfalls 
nicht vortrag gemacht werden. 

5. Unter der oberaufsicht «des directors der gesammtanstalt 
steht auch der mit dieser anstalt verbundene singechor. Er achtet 
»» auf die pünktliche ausführung der auf den chor sich beziehenden 

instructionen, und der musikdirector hat zunächst an ihn sich zu 

wenden, wenn differenzen in betreff der chorschüler entstehen. so 

wie ebenfalls, wenn abweichungen von den bestehenden ein- 

richtungen gemacht oder verbesserungen vorgeschlagen werden 
3 sollen. 

6. Er hat nach vorgängiger berathung mit den directoren 
der einzelnen abtheilungen (ie unterbedienten der anstalt, wenn 
ein abgang statt findet. in vorschlag zu bringen und mit ihnen 
gemeinschaftlich dafür zu sorgen, daß sie überall ihre schuldig- 

keit thun, daß sie den leichttertigkeiten «der schüler keinen un- 
erlaubten raum geben, daß sie in der ausübung ihrer pflichten 
nicht gestört: werden und nöthigenfalls schutz und unterstützung 
erhalten. 


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$ 12 
„Verhältniß der directoren der einzelnen abtheilungen 
so wie des directors der gesammtanstalt zu den 
ephoren und der schul-commission. 
Zwischen den genannten directoren und dem mit der ober- 
aufsicht über die unterrichtsanstalten im lande beauftragten 
w herzogl. consistorium stehen die schulephoren als obere local- 





596 Monutienta Germaniae paedagogica I 


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behörde der stadt in schulsachen in der mitte. Das ephorat wird 

von dem jedesmaligen vorsitzenden mitgliede des magistrats und 

em stadtsuperintendenten verwaltet, und mit ihnen bilden der 

director der gesammtanstalt und die directoren der einzelnen ab- 

theilungen derselben die auf die angelegenheiten dieser anstalt : 
sich beziehende schulcommission. 

Diese commission vereinigt sich, so oft es nöthig erscheint, 
zu den berathungen, welche anträge auf veränderung des be- 
stehenden und neue einrichtungen zum gegenstande haben; im- 
gleichen, wenn differenzen zwischen den lehrern, die von den w 
directoren nicht gehoben werden konnten, auszugleichen, wenn 
einzelne lehrer zur verantwortung zu ziehen, oder wenn wegen 
solcher vergehungen der schüler, welche nach den schulgesetzen 
vor die schulcommission gehören, untersuchungen anzustellen und 
strafen zu verfügen sind. Regelmäßig konımt sie in jedem zweiten ı; 
monat im vierteljahre zusammen, um darüber zu entscheiden, in 
welchem maaße armen schülern erlaß an schulgeldern zu ge- 
statten ist. 

In derselben haben die directoren eine berathende stimme, 
und sie können, falls ihre ansichten von denen der ephoren ab- » 
weichen, dieselben schriftlich zu den acten geben, in welchem 
falle diese eingaben mit den von den ephoren ausgehenden be- 
richten den höheren behörden einzureichen sind. 


Vorstehende bestimmung der amtlichen verpflichtungen und 
verhältnisse der lehrer am hiesigen gesammtgymnasium werden : 
hiemit, da dieselbe nach dem rescripte des herzoglichen consi- 
storiums zu Wolfenbüttel vom 15" Nov. v. j. unter dem 6 
desselben monats allergnädigst genehmigt worden, zur nachachtung 
bekannt gemacht. 

Braunschweig, den 20°" December 1828. 3 

Die schulephoren 
Bode. Henke. 








Anmerkungen 


is 


Vorbemerkung. 


Die nachfolgenden Anmerkungen zu einzelnen Stellen der 
Schulordnungen sind meist sachlicher, nur in wenigen Fällen 
sprachlicher Art. Über Schulbücher und deren Verfasser wird 
man keine Aufklärung finden, da alle darauf bezüglichen Er- 
läuterungen einem Auhange zu dem zweiten Teile des Werkes 
vorbehalten bleiben. Die Personalnotizen, soweit nicht die Quellen 
dabei angegeben sind, verdankt der Herausgeber zum Teil dem 
zuverlässigen Sammelfleilse der Herren Pastor J. Beste in Wolfen- 
büttel, Seminarlehrer Bosse und Cammeırrevisor Bernstorff 
in Braunschweig. 


[S. 3! Otto, du de Brunswich:) der Sohn Wilhelms, des jüng- 
sten Sohnes Heinrichs des Löwen, der erste Herzog des 1235 neu 
gegründeten Herzogtums Braunschweig, gest. 1252. 

[S. 310 zu dormitorio puerorum:] in dem Schlaf- und Wohn- 
hause der jungen Kanoniker, welche ‚in custodia et obedientia’ 
(S. 5!%) des Magisters oder Scholastikus standen. Zu unterschei- 
den davon ist das ‚dormitorium dominorum’ (42°) in dem die 
Stiftsherren zu jener Zeit noch ein gemeinsames Leben führten, 
vergl. Dürre, Stadt Braunschweig S. 392. Aus den Worten 
‚magister cameram habeat in dormitorio puerorum’ folgert Sack, 
Schulen 8. 66, dafs auch das Unterrichtslokal sich im Dormito- 
rıum befunden habe. Mit Unrecht, wie bereits Dürre, Stadt 
Braunschweig S. 570 unter Bezugnahme auf den Zusatz ‚in 
qua....dormiat’” bemerkt hat. Andererseits erscheint es aber 
auch nicht berechtigt, wenn Dürre a. a. O.S. 570 (vergl. S. 408, 
Anm. 216) nach einem besondern Hause für Unterrichtszwecke 
sich umsieht und in der ‚cnria choralium’ dasselbe gefunden zu 
haben glaubt. Das Mittelalter stellte an die Unterrichtslokali- 
täten ungemein geringe Ansprüche, und möglich ist es jedenfalls, 


Schulordnuugen der Studt Brauuschweig 34 





530 on Anmerkungeli 





dafs das Lehrzimmer im ‚dormitorium puerorum’ belegen war. 
Über ein Non liquet wird man bei dieser Frage schwerlich 
hinauskommen. Unter der ‚curia choralium’ aber hat man sich 
das Haus der Chorschüler (vergl. EinleitungS. XX VIII, Anm. |. 
zu denken. 

[S. 313 Scolas suas ad pensionem ultra non locabit:) Aus der 
vorliegenden Stelle wird ersichtlich, in welcher Form der Inhaber 
der Scholasterie, wenn er nicht selbst: den Unterricht besorgen 
wollte, seinen Hülfslehrer oder Rektor in Dienst nahm. Er übergab 
demselben die Schule als eine Art von Pachtobjekt (locare) unter 
der Bedingung, dals der Rektor ihm von dem Ertrage der Schulgelder 
u. dergl. einen Teil als Pachtzins (pensio) abzugeben hatte. Vergl. 
Ruhkopf, Gesch. d. Schulw. S. 115 f., wo namentlich die Anmer- 
kung zu beachten ist. Über das ganz analoge Verhältnis der 
sogenannten Heuer- oder Mietpfaffen zu den Inhabern der Pfarren 
vergl. Rehtmeyer, Kirchenhistorie I, 231 f: Sie (die plebani 
oder rectores parochiarım, Pfarrherren) vermieteten aber die 
Pfarren denen Mercenariis oder Heur-Pfarrherrn und Miedlingen 
oder Verwaltern, welche ihnen jährlich eine pension, wie sie es 
nenneten, oder gesetzten PreißB von den Kirchen-Gütern geben 
musten; von den übrigen Kirchen-Aufkünfften, und fürnemlich 
von den accidentibus, so täglich in den Kirchen fielen, hielten 
diese mit ihren Dienern hauß.’ 

[S. 4* sit libera facultas preposito ıc.:] Über das Kollationsrecht 
des Propstes über die Scholasterie vergl. S. 61°. Wodurch der Propst 
dieses Recht erhalten habe, liegt völlig im Dunkel. 

[S. 4° pro ommi idustieia:]) Das Wort ‚iustitia’ wird in den 
Schulordnungen der Stadt Braunschweig nur von den Abgaben 
der scholares canoniei an den Scholastikus gebraucht, vergl. S.5''; 
24°. Das Schulgeld der übrigen Schüler heifst ‚precium’, vergl. 
Einl.S.XXV; XXVID. Vergl. dagegen Specht, Gesch. d. Unter- 
richtsw. S. 180, auch Du Cange, Gloss. s. v. ‚justitia”. 

[S. 410 scolarem de familia dominorun;]) Diejenigen Chor- 
herren, welche unter den scholares canonici Vettern hatten, pflegten 
dieselben ins Haus zu nehmen und verlangten dann für Er- 
ziehung und Pflege auch die Abgabe, welche sonst dem Scho- 
lastikus zukam, vergl. Specht, Gesch. d. Unterrichtsw. S. 174. 
Da der Scholastikus aber auf das ihm Gebührende (iustitia) nicht 
verzichten wollte, so entstand der hier erwähnte Konflikt, den 
Dekan und Kapitel durch eine Entschädigung (mediante iustitia) 
ausgleichen wollten. Vergl. Einleitung 8. XXI. 

[S. 417 In siynum ste obediencie:] zum Zeichen, dals er ein Recht 
dazu habe, zum Zeichen seiner Machtbefugnis, also ‚obedientia’ 
in passivem Sinne, ähnlich wie S. 18°. Vergl. das franz. ‚obeissance'. 














Anmerknngen 68i 


|| 








[S. 418 vestes religionis:] Die heiligen Gewänder, nicht blofs 
Mefsgewänder, sondern auch ‚aulaea quae sacrarım aedium muris 
appenduntur, vel panni sacri et qui altari aut circa altare aptan- 
tur’ Du Cange, Gloss. s. v. ‚vestes. Der hier gemeinte Ort 
war das ‚vestiarium’, nach Du Cange s. v. ‚locus ubi non 
modo vestes asservantur, sed etiam cimelia atque adeo thesaurus 
et pecuniae’. 

[S. 419 punes prehbendales ..... rapuit:| an denen er, weil er 
nicht zu den vollberechtigten Kapitularen gehörte, keinen recht- 
lichen Anteil hatte, vergl. Einleitung S. XXf. 

[S. 4?* in superiori parte eluustri:| Dürre, Stadt Braun- 
schweig 8. 392, vergl. S. 408, meint, dafs die Kanoniker in dem 
claustrum gewohnt hätten. Vergl. aber was v. Mülverstedtin 
der Zeitschr. d. Harzver. Jahrg. II (1869), 4. Heft, S. 9 darüber 
sagt: „Alles, was hinter den Mauern und Thoren des Stiftes lag, 
hiefs elaustrum im weitern Sinne. Im engern Sinne dagegen ist 
unter claustrum bei einer hohen Stifts- oder Collegiatstiftskirche 
dasjenige Gebäude oder Gemach zu verstehen, in welchem die 
Neocanonici ihren annus claustralis, ihr Noviziatjahr abhielten. 
während dessen sie nach Art der regula monastica und nicht nach 
den Freiheiten der wirklichen Canonici leben mulsten, d. h. vor 
allem, ohne sich aus diesem Orte entfernen zu dürfen, und unter 
strengster Beobachtung des Rituals, das ihnen den anstrengend- 
sten Gottes- und Kirchendienst bei Tag und Nacht ohne Zuhülfe- 
nahme von Vicarien auferlegte. In diesem Gebäude waren auch 
Zellen für Strafverbülsung für die mit kirchlichen Strafen be- 
legten Stiftsherren bestimmt, eine Art Arrestlocal, in welches 
verwiesen zu werden als poena claustralis bezeichnet wurde. Daher 
heifst es z.B. in einem dem Ende des 12. Jahrhunderts angehö- 
rigen Statut des Halberstädter Hochstifts über die Pflicht der 
Dombherren, sich bei den regelmälsigen Armenspenden persönlich 
einzufinden, dafs der Contravenient mit der .poena claustralis’ 
beahndet werden solle’. 

[S.42® in dormitoriodominor um .:] Das dormitorium dominorum’ 
ist das Gebäude, in dem die Stiftsherren (domini) zu jener Zeit 
noch gemeinschaftlich wohnten und schliefen. Erst gegen Ende 
des 13. Jahrhunderts scheint jeder Stiftsherr seine eigene curia 
erhalten zu haben. Vergl. Dürre, Stadt Braunschweig S. 392. 

[S. 42° infimum stallıım habebitc.:] Dürre, Stadt Braunschweig 
8. 570 f. folgert aus (liesen Worten, dafs der Scholastikus überhaupt 
und der Regel nach den untersten Platz im Chore gehabt habe, 
während doch hier nur von einem Strafplatz für 6 Monate die 
Rede ist. Vergl. 8. 42: ‚pro hiis excessibus VI mensibus tali peni- 
tencie subiacebit’, 


539 Anmerkungen 


- —- - wer a er a a 





[S. 4°* Duas marcas puri argenti ıc.:]) Es ist zu vermuten, 
dals diese Schuld des Magisters Engelbert mit den bei Dürre, 
Stadt Braunschweig S. 392 erwähnten 60 rheinischen Gulden zu- 
sammenhängt, welche jeder neu eintretende Kanoniker an die 
Baukasse (fabrica) des Stifts zu zahlen hatte. | 

[S. 5*. 5° consolaciones:) Die Konsolationen bestanden in 
extraordinären Mahlzeiten, welche in den Klöstern und Stiften 
an Heiligenfesten, bei Memorienfeiern und dergl. ‚post impensas 
orationi et lectioni horas complures’ zur Verteilung kamen. Vergl. 
Du Cange, Gloss. s. v. 

[S. 5° constitutorum:] auf die beiden Genitive ‚panis ebdome- 
dalis’ und ‚quarundam consolacionum’ zu beziehen; daher das Neu- 
trum. Vergl. die spezielle Einleitung zu No. 1. 

[S.5?° ordines superiores:) vergl. EinleitungS. XXV, Anm.4. 

[S. 6° corpus prebende:) vergl. Charta Barthol. episc. Paris. 
a. 1226 bei Du Cange s. v. .praebenda’, in der Ausgabe von 
Favre s. v. ‚corpus’: ‚Corpus praebendae dicimus illud quod per- 
cipitur praeter distributiones cotidianas, quae illis solis dantur, 
qui personaliter et praesentialiter intersunt. : 

[S. 6! dietis annis studii:) Die Zahl der für das Universitäts- 
studium üblichen Jahre wird hier nicht angegeben; zu St. Cyriaci 
waren esdrei, vergl. S.24?, inandern Stiften mehr, vergl. Kaemmel, 
Gesch. des deutsch. Schulw. S. 148. 

[S. 61? prepositus . ... habet scolastriam:] vergl. Anm. zu S. 4*. 

|S. 6°° annım gratiae:) vergl. Einleitung 8. XX. 

|S. 7* eanonicis altarium sancte Marie et sancti Petri:| vergl. 
Dürre, Stadt Braunschweig S. 385. 

|S. 7® Nos Henrieus ıc.:]| Von den im Eingange der Urkunde 
genannten Prälaten war nach Sack, Schulen 8. 160, Anm. 76 
u. 77 Heinrich, der in andern Urkunden Hinrik von Sollingen 
genannt wird, Abt zu St. Agidien von 1370 bis 1382, Lippold 
von Goddenstede Dekan zu St. Cyriaci von 1357-- 1370. Über 
Gerhard von Hydtzacker, den Scholastikus zu St. Blasien, ist 
nichts Näheres bekannt. | 

[S. 7!! prope Brunswich:) vergl. Einleitung S. XVI oben. 

[S. 7'® socios:) vergl. Einleitung 8. XXX. 

IS. 8°, 815 pueri subiugales:) vergl. Einleitung S. XXIX. 

[S. 830 ritmis inhonestis:] ritmi, d.i. rhythmi, heifsen in der 
Jaatinität des Mittelalters die Verse, bei denen die Gesetze der 
Prosodie durch Rhythmus und Reim verdrängt waren, nicht. 
blofs die versus leonini oder homoeoteleuti, wie Du Cange s. v. 
eRythmici versus’ behauptet. Hier sind kurze gereimte Spottverse 
gemeint, vergl. auch ‚ritmizare’ in der Verordnung von 1407 
S. 11°? u. 12!° und das Verbot in einer Hamburger Ordnung 








a) 


Anmerkungen 633 


vom Jahre 1304 bei Meyer, Geschichte des Hamburger Schul- 
wesens S. 197: ‚Scolares numquam .. . aliquos ritmos facient tam 
in latino quam in teutonico qui famam alicuius valeant maculare’; 
desgl. S. 20: ‚Scolares abbatem .... eligent decenter et honeste, cum 
solempnitate consueta, sine turpibus tamen ritmis et cantilenis”. 

[S. 91 Gregorius episcopus:]) Papst Gregor XII, am 30. No- 
vember 1406 von den römischen Kardinälen als Gegenpapst des 
zu Avignon residierenden Benedikt XIII gewählt und am 5. De- 
zember geweiht. Auf seine vom Konzil zu Pisa ausgesprochene 
Entsetzung antwortete er mit dem Bann, legte aber am 4. Juli 
1415 zu Konstanz freiwillig seine Würde nieder und lebte dann 
noch 2 Jahre lang als Kardinal-Bischof von Porto. Er starb am 
18. Oktober 1417. Vergl. Herzog, Theol. Encyklop. V’, 386. 

[S. 919 in profesto saneti Nicolai:) am Tage vor dem des 
h. Nikolaus (6. Dezember), also am 5. Dezember, welcher der 
h. Lucia geweiht ist. 

[S. 92? sophisticus episcopus:] .sophisticus’ bedeutet schon 
früh ‚spitzfindig’, im Latein des Mittelalters .betrügerisch, falsch, 
nachgemacht’. Vergl. Du Cange, Gloss ». v.: „Sophismaticare, 
decipere sophismate; sophisticare, decipere verborum intricatione”. 

[S. 9%* in festo beati Iohannis Evangeliste:] am 27. Dezember; 
Innocentum: am 28. Dezember. 

[S. 101% Ludolffus decanus ıc.:] Es verdient Beachtung, dafs 
unter den Kapitelherren auch hier, wo es sich doch um eine 
Schulangelegenheit handelt, der Scholastikus nicht mit genannt 
wird, vergl. Einleitung S.XX. Von den genannten Kanonikern 
verdieut keiner für die Schulgeschichte besondere Erwähnung. 

[S. 102 domus Dei domus orationis ıc.:] oIxos pou olRos F000:.UY AS 
#AyS9yasraı, Matth. 21, 18; Marc. 11, 17; Luc. 19, 46 mit Bezug 
auf Esa. 56, 7. 

[S. 10° vn rigilia beati Nicolat:] so viel wie in profesto b. N., 
vergl. Anm. zuS.91°%. Joan. delanua bei Du Cange, Gloss. s. v. 
evigiliae’: „Vigilia dicitur dies profestus, scilicet dies primus ante 
festum, quia tunc in sero vigiliae vacamus.’ Vergl. das franzö- 
sische ‚la veille’. 

[S. 1127 bursario:) Du Cange, Gloss. s.v.: „Bursarius, offi- 
cium monasticum, penes quem est bursa seu pecunia monasterit. 
.Bursa’ ist das griechische Büpoa, Thierfell, Leder, also eigentlich 
ein lederner Geldbeutel. 

IS. 112° Brunswicensis warandie:] Braunschweiger Währung. 
«Warandia’ ist latinisiert aus dem deutschen „weringe’, vergl. S.21'®. 

IS. 11°? rimizantium.. .ritmizatione:] ritmizare’, gebildet aus 
ritmi, Spottverse singen, vergl. oben. Anm. zus. 8”, 





534 Anmerkungen 














[S. 121 duo banneria de sindali vel serico:) ‚sindale’ sowohl wie 
‚sericum’ bezeichnen feine Gewebe. Sindale wird gemäß seiner 
Ableitung von dem griechischen awöwv ein baumwollener, sericum 
ein seidener oder doch mit Seide durchwebter Stoff gewesen sein. 
Uber sericunı, französisch serge, deutsch Sarsche, vergl. Diez. 
Etymolog. Wörterb. I?, 365 s. v. ‚sargia’; Weigand II®, 541 s. v. 
.Sarsche’. 

[S. 123 in die beati Odalrici:| am 4. Juli, dem Tage des h. 
Ulrich, des heilig gesprochenen Bischofs vor Augsburg (F 973). 
Über den Anlafs der Feier ist nichts bekannt. Vergl. übrigens 
Einleitung S. XXXI. 

[S. 12° Papenboem:] vergl. Einleitung S. XXXIV. 

IS. 1237 fertones:] .ferto’, latinisiert aus dem deutschen 
‚vierte‘, der vierte Teil einer Mark. Vergl. das englische ‚farthing‘. 

[S. 13, 2.5 v. u. Johannes episcopus:) Papst Johann XXIII, 
vor seiner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl Baldassare Cossa, 
wurde 1410 trotz seines übeln Rufes zum Papst gewählt und am 
29. Mai 1415 vom Konstanzer Konzil abgesetzt. Er starb 1419 
als Kardinalbischof von Tuskulum und Dekan des heiligen Kolle- 
giums. Vergl. Stück 5C auf 8. 18£. 

[S. 13, Z. 4 u. 3 v. u. proronsules, consules et universitas:] 
Bürgermeister, Ratmannen und Gemeinde. Die Zusammenstellung 
findet sich noch S. 14*, 141°, 181; ähnlich proconsules, consules 
atque cives 8. 15'’, 15°, 15°, 15°, 17°; proconsules, consules 
et communitas 8.17'*. Vergl. S.20° borghemestere, radmanne unde 
borghere. 

[S. 145 u. 18"? septem seu plures . . . parrochiales eccleste:] 
Die sieben städtischen Pfarrkirchen waren die zu St. Martini, 
St. Katharinen, St. Andreae, St. Magni, St. Ulrici, St. Petri und St. 
Michaelis, vergl. Einleitung S. XXXV, Anm. 1. Aufserdem 
waren noch 4 Klosterkirchen (im Ägidien-, Pauliner-, Brüdern- und 
Kreuzkloster) und eine nicht geringe Anzahl von Kapellen vor- 
handen. Vergl. bei Dürre, Stadt Braunschweig den Abschnitt 
.Kirchenwesen’ S. 368 ff. 

[S. 15° Nos Berenhardus:] Bernhard I, der Stifter der mitt- 
leren Lüneburger Linie, regierte in Lüneburg 1385 bis 1400, 
dann in Braunschweig und Lüneburg gemeinschaftlich mit seinem 
Bruder Heinrich bis 1409, dann in Braunschweig allein bis 1428, 
und zuletzt in Lüneburg bis zu seinem 1434 erfolgten Tode. 

[S. 16! Hinricus:) Heinrich der Milde, der Stifter der mitt- 
leren Braunschweiger Linie, regierte in Lüneburg 1388 bis 1400, 
dann in Braunschweig und Lüneburg mit seinem Bruder Bern- 
hard gemeinschaftlich bis 1409, dann in Lüneburg allein bis zu 
seinem 1416 erfolgten Tode. 








Anmerkungen 535 





[S. 172° Trelks:] in Celle. 

IS. 17°? tempore date hterarum:) data’ bezeichnet dasselbe 
wie ‚datum’. Du Cange, Gloss. s. v. 

[S. 181 Martinus eptscopus:] Martin V, 1417 nach Absetzung 
der drei schismatischen Päpste zu Konstanz gewählt, starb 1431. 

IS. 18° Baldassari episcopo ıc.:] vergl. oben Anm. zu S. 13 
2.5 vu. 

[S. 18° in sua obedientia:] vergl. Anm. zu 8. 4. 

[S. 19, 2.2 v. u. Bernd:] Bernhard I, vergl. Anm. zu S. 15*. 

[S. 20% Hinrik van Scheninghe, perner ıc.:| Heinrich von Sche- 
ningen war Pfarrer zu St. Martini und zugleich Vikarius zu St. Bla- 
sien; Johann von Ember, Pfarrer zu St. Andreas und zugleich 
Kanonikus zu St. Blasien. Beide hatten in dem Pfaffenkriege auf 
der Seite des Stifts gestanden. Vergl. Hänselmann, Chron. II, 9 f. 

[S. 20°7 schrirelschole:] vergl. Einleitung S. XL. 

[S. 21* de ruchelen hedden:] ‚ruchelen’, in der Abschrift des 
Vertrags im Schichtbuch bei Hänselmann, Chron. IH, 325 
‚rugghelen’, nicht ‚reggelen’, wie Rehtmeyer, Kirchenhist. II. Beil. 
8.225 unrichtig liest, bezeichnet ein leinenesKleidungsstück welches 
von Priestern, Chorschülern, auch Glöcknern, also überhaupt von 
den bei den kirchlichen Gottesdiensten beschäftigten Personen ge- 
tragen wurde, etwa Chorhemd. Danach sind ‚scholre, de ru- 
chelen hebben’, solche Schüler, die bei einer der Kirchen in 
der Stadt als Pfarr-, Chor- oder Opferschüler beschäftigt waren. 
Vergl. Sack, Schulen S. 168, Anm. 140; Schiller-Lübben, Mittel- 
niederdeutsches Wörterbuch III, 492 £. 

[S. 2113 de hostiatim hir pro pane gan:] hostiatim, ostiatim, von 
Thür zu Thür, vergl. in der Stuttgarter Schulordnung von 1501: 
‚von huß zu huse das almusen ruffende oder samlende’, Reyscher, 
Samınlung württemb. Gesetze B. XI, Abt. 2,8.5; Müller, Vor- 
reform. Schulordnungen I, 133. Auffällig ist, dafs von den 
fremden Bettelschülern gar nicht die Rede ist. 

[S. 2117 de boven drey dayge in de schole ginyen:) vergl. die 
analoge Bestimmung in der Ordnung von 1370, 8. 8'*. 

[S. 221° drigere borgermestere w.:] Jedes der fünf Weichbilde 
der Stadt hatte seinen besondern Rat und an der Spitze desselben 
seinen eigenen Bürgermeister. Die Altstadt und der Hagen hatten 
sogar je zwei Bürgermeister. Für gemeinsame Angelegenheiten 
traten die sämtlichen Weichbildsräte zu dem ‚gemeinen Rate’ 
der Stadt Braunschweig zusammen. Vergl. Dürre, Stadt Braun- 
schweig S. 295 ff. Vergl. auch weiter unten S. 23?!: ‚de rad in 
der Oldenstad unde in deme Hagen’, und S. 232°: ‚var deme 
ersamen rade to Brunswigk”. 

[S- 221” u. ö. baccalarit:) vergl. Einleitung S. XLIV, Anm. 1. 


"a 


536 Anmerkungen 


[S. 2217 u. ö. locaten:) vergl. Einleitung S. XLIII, Anm. 4. 

[S. 23'' böischole:) vergl. S. XLV. 

[S. 232° de rad in der Oldenstad ıc.:]) der Weichbildsrat ın der 
Altstadt hatte das Patronat über das Martineum, der im Hagen 
über das Katharineum. | 

IS. 232° Cappittelhuß in der Borch:| das Haus innerhalb der 
Burg Tankwarderode, in dem sich das Kapitel des St. Blasius- 
stifts zu versammeln pflegte. 

IS.24? duplicem tusticiam:) vergl.S.5!7und Anın. zu 4°. 

IS. 24° ordinem subdinconatus:) vergl. Einleitung S. XXV. 

|S. 242* dormitoriales:] vergl. S. 81? und Einl. S. XXVI. 

[S. 25? alse gesecht is, und am Ende des Absatzes S. 25'* 
alse gescreren is to vorn van der döpe:| Diese Worte verweisen auf 
den vorhergehenden ersten Abschnitt der Kirchenordnung, der 
von der Taufe handelt. 

[S. 25'° Sulker is dat rike Gades:] Luc. 18, 16.; Matth. 19, 14. 

IS. 26° Lue. 11: Sabch synt ıc.:]) Luc. 11, 28. 

[S. 26° Jo. 8: Wr ran Gade ıc.:| Ev. Joh. 8, 47. 

[S. 26" de eyn furste der werlt van Christo wert genömet:] 
Ev. Joh. 12, 31; 14, 30; 16, 11. 

IS. 26'° Zue. 16:]) Luc. 16, 19—31. 

[S. 263° ulse de riken Paulus leret 1 Tim. 6:]) 1 Tim.6, 17—19. 

[S. 26°? Ephe. 4:] Eph. 4, 28. 

[S. 26°° Gen. 8:] Gen. 8, 21: Das Dichten des menschlichen 
Herzens ist böse von Jugend auf. 

[S. 26*° to sunte Jacob:| Gemeint ist der bekannte Wall- 
fahrtsort Santiago de Compostella in dem spanischen Königreiche 
Gelicien mit den angeblichen (ebeinen des Apostels Jakobus des 
Jüngern. Eine Wallfahrt nach St. Jakob galt für ebenso ver- 
dienstlich wie die nach Jerusalem. 

[S. 273 in sundergen broderschoppen:] Über die zahlreichen 
Brüderschaften (fraternitates, sodalitates) der römischen Kirche, 
in denen derjenige, dem die Fesseln des Mönchtums zu drückend 
sein würden, doch reichlichen Ablafs erlangen kann, vergl. 
Herzog, Theol. Encyklop. Il?, 760 f.; Benrath in seiner Ausgabe 
von Luthers ‚An den christlichen Adel deutscher Nation’ (Schriften 
des Ref.-Ver. No. 4, Halle 1884) S. 106, Anm. 80. 

[S. 278 lopen in de kappen:| werden Mönche. Das Wort 
.Kappe’ bezeichnete nicht blofs, wie jetzt, eine Kopfbedeckung, 
sondern ein mantelartiges Gewand, insbesondere das der Mönche. 
Vergl. Grimm, Wörterbuch V, 188. 

[S. 278 monnike unde Carthüsere:| Die Konjunktion ‚unde’ fügt 
das Besondere zu dem Allgemeinen. Da der Kartäuserorden sehr 
streng war, so liegt in der Hinzufügung eine Steigerung. 





en gitn 


Anmerkungen 537 


[S. 37°* de teyn gebot . . mit der uthlegginge:| Auf den ersten 
Blick hat es den Anschein. als ob hier und S. 36° , 37! Luthers 
kleiner Katechismus gemeint sei. Aber als Bugenhagen die 
braunschweigische Kirchenordnung schrieb, war dieses Büchlein 
Luthers noch nicht erschienen, vielleicht noch nicht einmal ernst- 
lich in Angriff genommen. Vergl. den auf Luthers Katechismen 
bezüglichen Art.vonv.Zezschwitz bei Herzog, Theol. Encyklop 
IX?, 86 ff. Vielleicht hat Bugenhagen auf die in Aussicht 
stehende Publikation des Reformators bereits Bezug nehmen 
wollen, möglicherweise auch nur eine von dem Lehrer zu gebende. 
mündliche Auslegung der ja längst in der Kirche gebräuchlichen 
Hauptstücke im Sinne gehabt, wie es auch Luther in dem 1526 
erschienenen grundlegenden Büchlein ‚Deutsche Messe’ gethan 
hat (Richter, Ev. Kirchenordnungen I, 36 t.). Hätte er eine der 
bereits vorhandenen Katechismusauslegungen, z. B. die von Agri- 
cola, gemeint, so würde er dieselbe näher bezeichnet haben. 

IS. 28°” wo wol dd ringe is in sulker stadt:]) Die Zahl der Ein- 
wohner betrug im Jahre 1551, also 23 Jahre nach Erlafs der 
Kirchenordnung, 16192, vergl. Bode, Stadtverwaltung III, 37. 
Eine solche Einwohnerzahl galt damals schon für bedeutend. 
Rechnet man dazu den Wohlstand der Bürgerschaft, so wird 
mau den Ausdruck ‚in sulker stadt’ berechtigt finden. 

[S. 28°? Sulkeyn man kann ock wol nuttesyn ıc.:] vergl. die Kir- 
chenordnung Eij, bei Hänselmann, Kirchenordnung S. 71: ‚De 
heyden (Superattendent und dessen Adjutor), wen nöt anqu&me, 
Grades wort beirapende, scholen to sick t&n den magister van 
sunte Marten unde den schölmeister van sunte Catharinen neven 
den anderen predicanten, de de errige sake nicht andrept.’ 

IS. 295 eynnen gelerden helper:| nicht einen ‚gelehrten’, sun- 
dern einen .studierten’ Hülfslehrer, vergl. das Glossar ». v. .gelert’. 

|S. 29'° ruf] cuspele:|) fünf Kirchspiele, vergl. Einleitung 
S. XXXV, Ann. 1. Es werden also nur die (remeinden der 
St. Martini-, St. Katharinen-, St. Ulrichs-, St. Magni- und St. An- 
dreaskirche als Kirchspiele gerechnet. Die in der St. Petri- und 
St. Michaeliskirche eingepfarrten Einwohner waren an Zahl sehr 
gering. 

|S. 31? deme rehrden yesellen, und S. 31° deme drndden gesellen :) 
Wenn zu St. Martin der unterste Lehrer als ‚vierter’ und gleich 
darauf der zu St. Katharinen als .dritter’ (iesell bezeichnet wird, so 
wird bei beiden Anstalten der Rektor mit zu den Schulgesellen 
gerechnet, obgleich er eigentlich der Meister der übrigen ist. 
Man bezeichnete also mit .Schulgesellen’ in weitem Sinne alle, 
die an einer lateinischen Schule als Lehrer angestellt waren. 
Später nennt man sie Schulpersonen, Schulkollegen, Schuldiener. 


538 Anmerkungen 


[S. 31° marien groschen, S. 31'° mathier:| Die Mariengroschen 
und Matthier, d. i. Matthiasgroschen, waren Silbermünzen ım 
Werte von 8 und 4 Pfennigen. Auf dem Mariengroschen befand 
sich das Bildnis der Mutter Maria, auf dem des Matthiers das 
des heil. Matthias. Beide Münzen wurden zuerst in Goslar ge- 
prägt und waren in Niedersachsen noch vor vierzig Jahren viel- 
fach in Umlauf. 

[S. 31°! Weren overs so arme lüde ıc.:| Die von Bugenhagen 
angeordnete Befreiung der armen Schüler von der Zahlung des 
Schulgeldes hat ihren Grund nicht blofs in Mitleid und Barm- 
herzigkeit, sondern zu einem guten Teil in dem für die Refor- 
mation charakteristischen Streben nach Verallgemeinerung der 
Bildung, das bereits den Keim zur Einführung des Schulzwanges 
in sich trägt. 

[S. 33! inne boke, dat dissen titel hefft:] vergl. Einleitung 
S. XLIX, Anm. 5. 

[S. 33°* Velichte werden andere gesellen ıc.:) vergl. in der Ord- 
nung von 1535 S. 48°: „Eff ock junge borger :c.’, und was in der 
Einleitung S. L bemerkt ist. 

[S. 34! köken latyn:] Unter .köken latyn’ ist das schlechte 
und barbarische Latein der Mönche im Gegensatz zu dem kor- 
rekteren Latein der Humanisten zu verstehen, sonst auch 
Kloster- und Kuttenlatein genannt. Über die Entstehung der 
auffälligen Bezeichnung giebt Grimm, Wörterbuch V, 2505 f. s. v. 
keine Entscheidung. Am geratensten scheint es zu sein eine 
witzige Umdeutung aus „Kirchenlatein’ anzunehmen. Auch die 
Holländer haben das 'Wort .kokenlatijn’, und die Franzosen be- 
zeichnen gleichfalls ‚de fort mauvais latin’ als ‚du latin de cuisine’, 
vergl. Dict. de I!’ Ac. (1879) I, 455 s. v. .cuisine’. Letzteres ist doch 
wohl eine Übersetzung des deutschen Ausdrucks. Unhaltbar ist 
die Erklärung bei Littre, Dict. de la langue fr. III, 261 =. v. 
‚latin’: ‚On a dit que cette expression vient des jesuites qui etaient 
dans l’usage de faire demander par les el&ves aux valets les ob- 
jets de premiere necessit6e. C’est du latin de cuisine, iin’ ya 
que les marmitons qui l’entendent’. 

[S. 34* alse in deme genömeden boke hbescereven is:| Die Vorschrift 
Melanchthons lautet bei Vormbaum, Evang. Schulordnungen J, 8: 
.Die stunde vor mittag sol man bey der Grammatica bleiben ... 
Darnach, so sie yn der Grammatica gnugsam geübet, sol man die 
selben stunde zu der Dialectica vnd Rhetorica gebrauchen’. 

IS: 34° To rechter tidt mach ıc. 2c.:| Zu der Einführung 
der Anfangsgründe des Griechischen und des Hebräischen in den 
Bugenhagenschen Lehrplan vergl. die Bestimmung Melanch- 
thons in der kursächsischen Schulordnung bei Vormbaum, Evang. 


— mn 








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Anmerkungen 539 





— ne. lo — ——_ m _— -—— ee nn ne ne BE _—- nn an — _ 


Schulordnungen I, 5: ‚„Erstlich sollen die schulmeister vleis an- 
keren, das sie die kinder allein lateinisch leren, nicht deudsch 
oder grekisch .oder ebreisch, wie etliche bisher gethan,.die armen 
kinder mit solcher manchfeltickeit beschweren, die nicht allein 
vnfruchtbar, sondern auch schedlich ist’. An einen prinzipiellen 
Gegensatz der beiden Reformatoren ist dabei nicht zu denken, 
wie eine genaue Vergleichung der betreffenden Bestimmungen 
zu zeigen imstande ist. | 

[S. 34” In deme sulvigen boke ıc.:| vergl. Melanchthons.kur- 
sächsischen Lehrplan bei Vormbaum, Schulordnungen ], 7: 
‚Einen tag aber, als Sonnabent oder Mitwoch, sol man anlegen, 
daran die kinder Christliche vnterweisung lernen’. 

[S. 34°° alse Philippus ıc.:] vergl. die Anweisung Melanch- 
thonsimkursächsischen Lehrplan bei Vormbaum,Schulordnungen 
I, 6: „Die erste stunde nach mittag teglich sollen die Kinder ynn 
der musica geübet werden, alle, klein und gros’. Desgleichen I, 8: 
‚Die stunde nach mittag sollen sie mit den andern ynn der 
ınusica geübet werden’. 

[S. 343? nicht alleyne na gewänheit, sonder ock mit der tidt 
kunstlick:)| nicht allein praktisch, sondern auch theoretisch. — Im 
Figuralgesang wird die Melodie von der einen Stimme geführt, 
während die übrigen Stimmen dazu die Begleitung in musikali- 
schen Figuren ausfülıren. 

[S. 35* cantica:] Die Cantica sind Gesänge aus dem Alten 
und Neuen Testamente, welche in den Horen neben den Psalmen 
antiphonisch gesungen wurden. Die gebräuchlichsten Cantica 
werden im folgenden erwähnt. Auch der Ambrosianiche Lob- 
gesang, das Athanasianische und das Nicänische Symbolum ge- 
hörten dazu. Vergl. Schoeberlein, Liturg. Chorges. I, 628. 

|S. 36'' De superattendente.... mit syneme helper :| Der Helfer 
ist der Adjutor oder Koadjutor des Superintendenten, der eben so 
wenig wie der Superintendent selbst eine Pfarre zu verwalten 
hatte. Er predigte im Paulinerkloster, dem jetzigen Museum, 
während der Superintendent in der Brüdernkirche die Kanzel zu 
besteigen hatte. Nach der sogenannten Reduktion im J. 1671 
wurden keine Koadjutoren mehr ernannt. 

[S. 361% winkel scholen:| vergl. Einleitung 8. LIL t. 

|S. 36 Van den düdeschen jungen scholen :| vergl. Einleitung 
S. XL f.und S. LI. 

 -[8. 36°? de teyn yehot ıc.:]) vergl. oben Anm. zu 8. 27°%. 

IS. 362% deste riker unde mehr:) Wenn bei den deutschen 
Knabenschulen für das zu zahlende Schulgeld ein höherer Satz wie 
bei den lateinischen Schulen gefordert wird, so läfst das deutlich 
genug erkennen, wie weit der praktische Sinn der Altvordern 





540 Anmerkungen 


von einem doktrinären Schematisieren sich fern hielt. In unsern 
Zeiten würde eine derartige Mafsregel geradezu unmöglich sein. 

[S. 371! etlike düdinge up de teyn gebnde Gades ıc.:| vergl. oben 
Anm. zu 8. 27°%, 

[S. 37°? uonme Gades willen:] vergl. oben Anm. zu S. 31”. 

[S. 38! VYam singende ıc.:|) Während die K.-O. von 1528 sich 
in den Vorschriften über die Organisation des Unterrichts 
durchweg an den Melanchthonischen oder kursächsischen Lehrplan 
eng anschliefst, giebt sie hier in dem Abschnitte ‚Vam singende 
vnde lesende der scholekynderen in der kerken’ weit detaillier- 
tere Anweisungen als sie in den betreffenden Abschnitten des 
Visitationsbuchs .Von teglicher vbung ynn der kirchen’ (Corp. 
Ref. XXVI1,83 ff.) enthalten sind. Vergl. auch Luthers Vorschrift 
in .Deudsche Meße vnd ordnung Gottis dinsts vom J. 1526 
bei Richter, Evang. Kirchenordnungen I, 38. — Zum Verständ- 
nis der auf die Schülergottesdienste bezüglichen Bestimmungen 
dient besonders Schoeberlein, Liturgischer Chor- und Gemeinde- 
gesang I, 513 ff. Vergl. auch Lossius, Psalmodia und Maior, 
Psalmi s. cantica ex sacris literis. 

[S. 38° horas canonicas:] Schon Benedikt von Nursia (f 543) 
hatte für die Konvente seines Ordens regelmäfsige Gebetszeiten 
festgesetzt, und aus den Klöstern gingen dieselben auf die Dom- 
und Kollegiatstifte über als Teil der vita canonica. Sie erhielten 
daher den Namen .horae canonicae’. Es waren gewöhnlich sieben: 
matutina oder laudes (3 Uhr), prima, tertia, sexta, nona, vespera 
(6, 9, 12, 3, 6 Uhr) und das completorium vor dem Schlafen- 
gehen. Zwischen completorium und matutina traten auch wohl 
noch als achte Gebetszeit die vigiliae. Die Reformatoren be- 
hielten für diejenigen Orte, an denen lateinische Schulen waren, 
aus dem Horenkreise nach einigem Schwanken nur die Mette 
und die Vesper bei, ohne sich jedoch in Bezug auf die für die- 
selben festzusetzenden Stunden .an das Herkommen zu binden. 
Vergl. den Artikel „Brevier’ bei Herzog, Theolog. Encyklop. II”, 
623 ff.; Schoeberlein, Liturg. Chorges. I, 516 f. 595. 

[S. 38'' scholen .. . dat ock nicht vorguienen :) Das Verbum ‚vor- 
gunnen’ bedeutet sowohl mifsgönnen als gönnen, vergl. Schiller- 
Lübben, Mittelhochdeutsches Wörterb. V, 358 f. Hier ist nur die 
erste Bedeutung möglich. Die hochdeutsche Ausgabe der Kirchenord- 
nung hat „weren’, d. i. verwehren. Hänselmann streicht in seiner 
Ausgabe der Bugenhagenschen K.-O. 8. 138! die Negation. 

|S.38°" autiphen, responsorium:) ‚Antiphe’, entstanden aus dem 
griech.-lat. ‚antiphona’, bezeichnet im allgemeinen einen kirch- 
lichen Wechselgesang, .responsorium’ dagegen einen kurzen, 
sententiösen Satz, der am Schluls einer kirchlichen Lesung ge 


mm DE UL mm nn 








Anm erkungeh 541 


sungen wurde. Näheres bei Schoeberlein, Liturg. Chörges I, 
534. 554. 611. Zahlreiche Beispiele bietet Lossius’ Psalmodia. 

[S. 38” dat de predige nicht dar dorch werde vorhindert:) Es 
ist an eine der zahlreichen Wochenpredigten zu denken. 

[S. 389°? up beyden choren :) Die Schüler teilten sich bei dem 
Singen der Psalme in zwei einander gegenüber stehende Chöre, 
welche abwechselnd sangen und jeder unter Jder Leitung eines 
Lehrers standen. Schoeberlein, Liturg. Chorges. I, 555. 

[S. 3897 de metten psulme:) Als Mettenpsalme verwendete 
man Ps. 1—109, als Vesperpsalme Ps. 110—150 mit Übergehnng 
von Ps, 119. 

[S. 39! nach deme tono der antiphen:] Über die Psalmentöne, 
die dem, was wir Melodie nennen, zwar analog, aber keineswegs 
gleich zu achten sind, vergl. Schoeberlein, Liturg. Chorges. I, 
552. Es gab deren acht, und es mulste der Ton des Psalms mit 
dem der vorher gesungenen Antiphone im Einklang stehen. 

[S. 39* Gloria patri:) Das ‚Gloria patri’ lautet nach Lossius, 
Psalmodia S. 302: ‚Gloria patri et filio et spiritui sancto, sicut 
erat in principio et nunc et semper et in secula seculorum. Amen.’ 
Vergl. auch Schoeberlein, Liturg. Chorges. I, 606. 

[S. 39% eynnen oetonarium uth deme psalme Beati ıc.:) Mit 
.Beati qui sunt integri in via’ wird nach seinen Anfangsworten 
der 119. Psalm bezeichnet, der, obwohl er in der Reihe der Vesper- 
psalme (vergl. Anm. zu 8. 3837) steht, doch bei den Frühgottes- 
diensten verwendet wurde. Man hatte die 176 Verse «lieses 
Psalmes in 22 Teile zu je 8 Versen (octonarii) geteilt und ver- 
wendete je einen Oktonarius als Schlulsgesang der Psalmodieen. 
Vergl. Schoeberlein, Liturg. Chorges. I, 553. In Georg Maiors 
Psalterium Bl. 139 fl. (No. 7) sind diese 22 Teile im Druck 
abgesondert und der Reihe nach mit den Buchstaben des hebrä- 
ischen Alphabets überschrieben. 

[S. 39° ont eynnem. qudeme medio:| Mit Medium oder Media- 
tion bezeichnet: man bei dem Vortrage der Psalme, der zwischen 
Singen und Lesen die Mitte hielt, den musikalischen Abschluls 
der ersten Vershälfte. Vergl. Schoeberlein, Liturg. Chorges. 
I, 552. 594. 

[S. 39'* eynne latinische leetie:| Über die biblische Lesung 
in den Horen und ihre Verwendung in den Schülergottesdiensten 
vergl. Schoeberlein, Liturg. Chorges. I, 611 ff. 

[S. 392! yrophetia:] Die ‚prophetia’ ist ein Abschnitt des 
Alten Testaments, der zur Zeit des Mittelalters im Hauptgottes- 
dienste in, eben demselben Tone wie die darauf folgende Epistel 
in einer dem Gesange ähnlichen Weise vorgelesen wurde. Vergl. 
Schoeberlein, Liturg. Chorges. I, 192. 196. 


542 Anmerkungen 


— nn — m ERENEREN 


s. 392! sol sol sol la ıc.:] Die Silben ‚sol, si ıc.’ bezeichnen 
die Töne, in denen die Lesung endigen sollte, nach dem System 
der sogenannten Solmisation, das zur Bezeichnung der Tonleiter 
statt der jetzt üblichen Buchstaben c, d, e, f, :c. die Silben ut. 
re, mi, fa, sol, la verwendete. 

'S. 39?1 Inhe domine, edder 2c.] ‚Inbe Domine’ und ‚Tu autem 
Domine’, Anfang der Einleitungsworte zu den Lesungen, wie sie 
in den Horen gebräuchlich gewesen waren. 

[S. 393° doch nieht mit gesange:) vergl. Schoeberlein, Liturg. 
Chorges. I, 611 fl. 192. 196. 

[S. 40° Benedietus:| Das Canticum „Benedictus’ ist der Lob- 
gesang des Zacharias Luc. 1, 68—79, der nach seinen Anfangs- 
worten ‚Benedictus dominus deus Israel’ so genannt wird. Schoe- 
berlein, Liturg. Chorges. I, 656. Wegen ‚up beiden chören’ 
vergl. oben Anm. zu S. 38°°. 

|S. 40° Na der autiphen late me ze.:| Der Beschlufs der Mette, 
die sogenannte Oration, ist hier geordnet, wie sie nach dem Vor- 
gange des Mittelalters noch jetzt in der römischen Kirche ge- 
bräuchlich ist. Nach dem dreimal gesungenen ‚Kyrie eleison’ 
werden von dem darauf folgenden ‚Vater unser’ nur die Anfangs- 
worte ‚Pater noster’ gesprochen, dann betet man das übrige in 
der Stille bis auf die beiden letzten Bitten, von denen die sechste 
‚Et ne nos inducas in tentationem’ dem Prediger. die siebente 
‚Sed libera nos a malo’ dem Chor zugeteilt ist. Darauf folgt 
eine sogenannte Versikel, indem der Prediger anhebt: „Ostende 
nobis Domine misericordiam tuam’, und der Chor antwortet: ‚Et 
salutare tuum da nobis’. Sodann singt der Geistliche die Salu- 
tation: „Dominus vobiscum’, der Chor antwortet: „Et cum spiritu 
tuo’. Hierauf singt der Geistliche noch eine Kollekte, d. i. ein 
zusammenfassendes Schlulsgebet, die er mit dem Worte ‚Oremus’ 
einleitet. Zwei Knaben beschlielsen sodann die Feier mit dem 
.Benedicamus’, indem der eine singt: „Benedicamus domino’, und 
der andere antwortet: „Deo dicamus gratias’. Vergl. Schoeberlein. 
Liturg. Chorges. I, 710 ff. 

[S. 40?* andere fyne hynınos:| Die ‚hymni’ sind von den .can- 
tica’ zu: unterscheiden. Während man unter den letztern die 
antiphonisch vorgetragenen Gesänge des Alten und Neuen Testa- 
ments zu verstehen hat (vergl. oben Anm. zu 35*), bezeichnet 
man mit Hymnen die in Strophen gegliederten Gesänge christ- 
licher Dichter, die vom Chor, und zwar in der Regel mit Orgel- 
begleitung vorgetragen wurden. Die ‚hymni feriales’ sind die, 
welche für die Gottesdienste der Werkeltage (feriae) bereits im 
Mittelalter herkömmlich waren, und die man zum Teil in die 
Schülergottesdienste herübernahm, soweit sie frei von unevange- 





Anmerkungen 643 








lischen Ausdrücken und Gedanken waren. Vergl. Schoeberlein, 
Liturg. Chorges. I, 625 ff. u. die Hymnen des Ambrosius (} 397) 
und Prudentius + um 413) bei Daniel, Thesaurus I, 12 ff. und 
119 ff. und bei Wackernagel, Kirchenlied I, 13 ff. und 25 ff. 

|S. 4027 Magnificat:] Das Canticum ‚Magnificat’ ist der nach 
seinen lateinischen Anfangsworten ‚Magnificat anima mea domi- 
num’ so benannte Lobgesang der Maria Luc. I, 46—55. Vergl. 
Schoeberlein, Liturg. Chorges. I, 664 ff. 

[S. 40°° Nune dimittis:] Das Canticum ‚Nunc dimittis’ ist der 
Lobgesang Simeons Luc. 2, 29—32, so benannt nach den latei- 
nischen Anfangsworten ‚Nunc dimittis servum tuum domine’. 
Vergl. Schoeberlein, Liturg. Chorges. 1, 693. Der hier gegebenen 
musikalischen Weisung entspricht der Satz bei Schoeberlein 
a. a. 0. S.697 No. 388. Über ‚medium’ vergl. Anm. zu $. 398, 

[S. 40*° Jesu redemptor ıc.:| Der Hymnus ‚Jesu redemptor 
seculi’, oder nach einer nur wenig verschiedenen Version „Jesu 
salvator seculi’, stammt aus dem 7. Jahrhundert von einem nicht 
bekannten Verfasser. Abgedruckt bei Wackernagel, Kirchen- 
lied I, 83, vergl. Daniel, Thesaurus I, 238. 

[S. 411 wen me den eatechismon ıc.:] Die sonntägliche Kate- 
chismuspredigt fand nach der K-O. Bl. Ev (bei Hänselmann, 
Kirchenordnung S. 77 f.) in den Pfarrkirchen im Sommer teils 
um 4, teils um 5, teils um 6 Uhr. morgens, im Winter um 6 
und um 7 Uhr statt. 

[S. 41'7 unde lesen latinisch ıc.:] Das ‚Lesen’ des Katechis- 
mus war kein Lesen nach dem jetzigen Gebrauch, sondern eine 
Art von Singen. Jede Reihe wurde unter Festhaltung der einen 
Note vorgetragen, und nur am Ende derselben fand ein musika- 
lischer Abschlufs statt. Vergl. Schoeberlein, Liturg. Chorges. 
I, 519 £. 

[S. 43%° Te Deum laulamus:] Über den sogenannten Ambro- 
sianischen Lobgesang ‚Te Deum laudamus’ vergl. Schoeberlein, 
Liturg. Chorges. I, 630 ff.; Daniel, Thesaurus II, 276; Wacker- 
nagel, Kirchenlied S. 24. Wegen der übrigen hier erwähnten 
Bestandteile des Gottesdienstes vergl. die früheren Erklärungen 
und Nachweise. 

[S. 442 vor der missen:] Das Wort „Misse’, ‚Messe’ wurde in der 
lutherischen Kirche noch längere Zeit nach Beginn der Reformation 
zur Bezeichnung des Hanptgottesdienstes, mit dem die Feier des 
Abendmahls verbunden war, beibehalten. Vergl. z. B. in der Ord- 
nung von 1596 S. 125? '? ‚hohemes’. 

[S. 44°® hisschoppe ..... de Paulus bescertvet:| 1 Tim. 3; Tit. 1,7. 

[S. 4427 de singende misse:| im Gegensatz zu der stillen Messe, 
der Gottesdienst mit Gesang. Vergl. Grimm, Wörterb. VI, 2111. 


b44 Anmerkungen 


— -- - = —-—- el — — — m m U nn nn 


[S. 4516 wör de supperattendente unde syn. adyjutor prediyen 
werden.) vergl. oben Anm. zu S. 36'". 

[S. 462° Beat: sunt quiıc.:] Ps.119, vergl. oben Anm. zu 8.39. 

[S. 47?* dat men. der kinder ... vorschone:) vergl. die Vor- 
schrift der Ordnung von 1478 auf S. 22%. 

[S. 487 Ef ock junge borger ıc.:) vergl. die Bestimmung der 
Ordnung von 1528 auf S. 33?* und dazu die Anmerkung. 

[S. 48"? edder Mantuano:]) (temeint sind die Eclogae olkr 
Bucolica des Karmelitergenerals Battista Spagnuoli(}1516), dernac 
seiner Geburtsstadt Mantuanus genannt: und von seinen Zeit- 
genossen als zweiter Virgil gepriesen wurde. Der einflufsreich- 
oberrheinische Humanist Wimpheling empfahl ihn nicht ohu 
Erfolg zur Schullektüre, und Murmellius gab seine Hirtengedicht- 
mit Inhaltsangaben und Anmerkungen heraus. Gelesen wurd 
er aulser in Braunschweig z. B. noch in den Schulen zu Xünl 
lingen, Meınmingen und Emmerich. Vergl. Paulsen, Gel. Unter. 
S. 37. 108. 110.118; Reichling, Murmellius S. 91. 147. Übe 
die Werke (des Mahtnanns vergl. aufser Jöcher, Gel.-Lex. TV, 1®& 
unter ‚Spagnoli’ und Zedler, Universallex. XIX, 1124 besondr 
F.A. Ebert, Allgem. bibliogr. Lex. (Leipzig 1821) I, 134 No. 160% 
bis 1608, sowie Pökel, Philol. Schriftsteller-Lex. 8. 166 unter 
‚Mantuanus’. 

[S. 4820 yn den risitationibus:]) Über die schon in der K. 
Bugenhagens vorgeschriebenen Visitationen vergl. S. 36 den Ab 
schnitt: „Dat de scholen bestendich mogen syn“. 

IS. 49% de fibulisten:) Die ‚Fibulisten’, sonst: auch Abecedanı. 
Elementarii genannt, sind die Schüler der untersten Abteilung. 
Der Ausdruck ist gebildet wie Catonisten, Donatisten etc., vergl. 
Müller ın den Deutschen Blättern f. erz. Unterr. 1878, Ss 34. 
A.6. Vergl. auch die „Grammatisten’ in der Schulordnung de 
Herzogs Julius von 1569. 

[S. 49, 2.3 v. u. weos commmunes:) Mit Jloci communes’ ist die 
weit verbreitete Chrestomathie des Münsterschen Humanıset 
Murmellius gemeint, die anfangs betitelt war: ‚Ex elegit 
Tibulli, Propertii et: Ovidii seleceti versus’, in späteren Ausgaben‘ 
‚Tibulli, Propertii ac Ovidii-flores’, oder „Loei communes sententie 
sorum versuum ex elegiis Tibulli, Propertii et Ovidi’. Vergl. 
Reichling, Murmellius $. 135. 

IS. 50° pueris aetimologia interpretatur, vergl. S. 50° inlr- 
pretantur . . . senteneie Solomonis:!] Über den passivischen Gr 
brauch von ‚interpretari’ vergl. Georges, lat.-deutsches Wörterb. s.'. 

[S. 502% atias:] wohl so viel wie ‚alio loco’. d. i. in Coenobiv‘ 
vergl. S. 51* und Einleitung S. LV, Anm. 3. 





die Wochentage. Feria secunda ist der Montag, feria sexta also 
der Freitag. Vergl. Du Cange, Gloss. s. v. 

[S. 50?27 elementale Grecum:) ohne Zweifel dasselbe Werk 
wie die ‚elementa linguse grecae loannis Metzleri’, die gleichzei- 
tig ım Katharineum im Gebrauch waren, vergl. S. 55°. 

[S. 51* znstitutiones rhetorice:]) vergl. Einl. S.LV, Anm.3. 

[S. 51, Überschrift Z. 4 M. Philippus:] in der Handschrift 
steht .M. Phil.’ Näheres ist über denselben nicht bekannt, vergl. 
Dürre, Gelehrtenschulen 8.64. Über Gorolitius vergl.Einl.S.LV. 

[512° visitatores:] vergl. S. 36 den Abschnitt: „Dat de scholen 
bestendich mogen syn’. 

[S. 527 quemadmodum tres sumus:] vergl. S. 29". 

[S. 522° Zecto catalogo:] Das Schülerverzeichnis wurde ver- 
lesen, um die Absenten festzustellen, vergl. 8. 47?°. 

[S. 539° que iuxta scholarium morem Latina vocamus :] vergl. 
534°. ‚pro Latino (quod sic ludorum consuetudo appellat)’. 

[54° lingua nostraque:] Die Handschrift bietet eine Abkür- 
zung, die nicht anders als durch ‚nostraque’ aufzulösen ist. Viel- 
leicht ist vorher ‚Latina’ ausgefallen, vielleicht ‚utraque’ zu lesen; 
man kann aber auch so den Ausdruck erklären, wenn man ,‚que’ 
explikativ auffalst für ‚und zwar’, wozu Beläge bei Forcellini, 
Lex. s. v. ‚que’ zu finden sind. — Am Einde des Abschnittes S. 54° 
steht das barbarische .informus’ st. informis’ in der Handschrift. 

[S. 54!* ferüsque precedaneis:] Über ‚feria’ vergl. oben Anm. 
zu S.50°. Der Verfasser leitet praecedaneus von praecedere ab, 
was übrigens auch noch Forcellini, Lex. s. v.thut. Das Rich- 
tige (von prae und caedere) bei Gellius IV, 6,10 und danach bei 
Georges, Lat. Wörterb. s. v. Der Ausdruck ‚Saturni diebus fer- 
iisque itidem ıc.’ dürfte zu erklären sein: An den Sonnabenden 
und gleichfalls an den übrigen Tagen vor einem Festtage. 

[S. 54?! Quandoquidem pueri 2c.:] Der Abschnitt ‚de diebus 
feriis’ bezieht sich auf die Stellung der Schule zu den zahlreichen 
Wochenpredigten. Der Rektor wünscht seine Schüler von den- 
selben fern halten zu dürfen, da sie schon an den Sonn- und 
Festtagen so durch Kirchengehen in Anspruch genommen wür- 
den, dafs sie auch dann kaum an allen Gottesdiensten teilnehmen 
könnten. Von einer Aufhebung der täglichen Metten und Ve- 
spern, welche die Ordnung von 1528 für die Schüler anordnet 
(vergl. S. 38 ff.), ist dabei nicht die Rede. Bei diesen fanden ja 
auch gar keine contiones statt. — Die ‚arcarım praefecti’, auf 
deren Gutachten sich der Verfasser bezieht, sind die Schatzkasten- 
herren, also Vertreter der Gemeinde. 


Schulordnungen der Stadt Brauuschweig 85 


646 Anmerkungöh 


[8 56: . Binipıklas diaconorum:] Bei den diaconi) ist nicht 
an die Prediger, sondern an die Vorsteher des Schatzkastens, die 
nach dem Ausdruck der Kirchenordnung Bl. Sj, bei Hänsel- 
mann, Kirchenordnung S. 291, ‚ok tome döle diakene sint, to 
vorsorgen de dönere der kerken’, und in derselben Bl. Sij, bei 
Hänselmann, Kirchenordnung S. 293, geradezu ‚diaken’ genannt 
werden. Über den hier erwähnten ‚quartus’ ist Näheres nicht 
bekannt. 

[S. 553° commentarii copiae:] Gemeint ist die Schrift von 
Erasmus ‚de duplici copia verborum ac rerum’, die zuerst 1512 
erschienen und nachher noch oft gedruckt ist. Sie wurde 
auch im Agidianum gebraucht, vergl. 8. 571°. 

[S. 55°! modo aliquot ıc.:]| Die Worte sind zu verbinden: 
‚modo aliquot ad maiuscula talia apti maneant). 

[S. 56? ad seribas ac ludos inordinatos:] zu den Schreib- 
meistern und in die sogenannten Winkelschulen. 

[S. 56° herba:] so viel wie Gift. Vergl. .herbas dare’, in- 
herbare’ bei Du Cange, Gloss. s. v. .herba. 

[S. 56 Überschrift Bernardus ıc.:) Über den Rektor Ber- 
nardus, nach der Unterschrift Bernardus Vogelman, ist sonst 
nichts bekannt. Vergl. Dürre, Gelehrtenschulen 8. 70. Zu dem 
folgenden .M. Martino’ ist ‚Gorolitio’ zu ergänzen, vergl. Einlei- 
tung S. LV und oben S. 51 die Überschrift. 

[S. 56°° nostros secuti preceptores :] darunter sind die Witten- 
berger Professoren zu verstehen. 

[S. 56° Veni creator spiritus:] Der Pfingsthymnus ‚Veni 
creator spiritus’ gehört zu den Gesängen, welche am meisten in 
der christlichen Kirche gesungen sind. Der Verfasser ist nicht 
mit Sicherheit festzustellen. Daniel, Thesaurus I, 213; V, 124 
nennt noch Karl den Grofsen, was von Mone, Lat. Hymnen des 
Mittelalters I, 241 ff. mit Recht zurückgewiesen wird. Letzterer 
hält Gregor d. Gr. für den Verfasser, was von Wackernagel, 
Kirchenlied I, 75 gebilligt wird. Bekannt ist Luthers Umdich- 
tung ‚Komm Gott Schöpfer, heiliger Geist’, bei Wackernagel, 
Kirchenlied III, 14 ff. 

[S. 57!! Tertiae classis:] erg. .discipuli’. Der Verfasser, der 
ein barbarisches Latein schreibt (vergl. die spezielle Einleitung 
und insbesondere 8. 57?® per cantorem. . . prescribens) wird ge- 
dacht haben: die der dritten Klasse. 

[S. 571? Veni sancte spiritus:] Mit ‚Veni sancte spiritus’ be- 
ginnen zwei viel gesungene Lieder, die Pfingstantiphone eines 
unbekannten Dichters, Wackernagel, Kirchenlied I, 177, und die 
Sequenz des Königs Robert von Frankreich (} 1031), bei Wacker- 
nagel, Kirchenlied I, 105. Das erste hat Luther in die erste 








Anmerkungen 547 


u nn nn nn m lu. — — m __ — 
— m ln 


Strophe seines Liedes ‚Komm, heiliger Geist, Herre Gott’ umge- 
dichtet, und dieses wird hier auch gemeint sein. 

|S. 59! @n den dömen, vergl. 569?,.69°®:] in den beiden Stiften 
zu St. Blasien und St. Cyriaci. Über die Vereitelung des hier 
dargelegten Plans vergl. Einleitung S. LVIL, 

[S. 59% mehr försten:] vergl. Einleitung 8. LVII. 

|S. 59* en prediker, deme nicht anders ıc.:| Das Amt eines 
Predigers und Lektors an dem ‚obersten Dome’, d. i. zu St. Bla- 
sien, übernahm 1543 Martin Görlitz oder Gorolitius, der seit 
1528 Superintendent der Stadt Braunschweig gewesen war und 
wegen der ihm vom Rat und einigen Predigern bereiteten Schwie- 
rigkeiten gern auf sein bisheriges Amt verzichtete. Vergl. Ein- 
leitung S.LV. 

[S. 59?” Male quesyt, male perdit, sprekt de Wale:] de Wale, 
der Wälsche. Zu dem sprüchwörtlichen ‚male quaesit, male perdit’, 
vergl. Naevius (Cic. Phil. II, 26, 65): ‚male parta male dilabuntur’, 
und Plautus, Poen. IV, 2, 22: ‚male partum male disperit’. 

IS. 59? Alle plantinge 2C. ], Matth. 15, 13: Iläoa Quresia, yv 
oUN Eypursvoev 6 Maryp MOL 6 OUp«vavıos, Inpıewgjasran. Die vor- 
liegende niederdeutsche Übersetzung ist ganz genau, während 
Luther exg1ılwIyaosraı durch das Präsens wiedergiebt: Alle Pflanzen, 
die mein himmlischer Vater nicht gepflanzet, die werden aus- 
gereutet. 

[S. 60%° Darvan heten se canoniki ıc.:] Dals die hier gegebene 
Ableitung des Wortes ‚canonici’ von canonica scriptura unrichtig 
ist, bedarf keines Beweises. Die Domherren führten vielmehr diesen 
Namen, weil ihr Leben nach einem bestimmten ‚canon’ geordnet 
war. Vergl. Herzog, Theol. Encyklop. VII?, 507. Über die 
‚horae-canonicae’ vergl. oben Anm. zu 8. 38°. 

[S. 6115 na Christus regel Maith. 18:| Matth. 18, 15 ff. 

[S. 62! eine sunderlike ordinatio:] Dieselbe ist nie erlassen. 

[S. 62° hern Antonium Nigrum:]| vergl. die Einleitung 
S. LVIH. 

[S. 63°! pfarrher und predicanten:| vergl. S. 49* de fibu- 
listen und klenen knapen, S. 64° schulgeld und precium. 

[S. 64°! Ioannes Pereltus ıc.:] Über die drei Lehrer vergl. 
Einleitung S.LVIII. 

IS. 66° Streiperger:] vergl. Einleitung S. LX. 

IS. 66'7 (Handorpius:] vergl. Einleitung S. LXI. 

[S. 65?! superintendens:] Nicolaus Medler, vergl. Ein- 
leitung 8. LIX. 

[S. 65° coadiutor:| M.Heinrich Winkel. Derselbe wurde 
1493 zu Halberstadt geboren und war in seiner Jugend Mönch im 
Johanniskloster seiner Vaterstadt. Wegen seiner evangelischen 


35* 


POSEREERE, —o. 





548 Anmerkungen 
Gesinnung wurde er aus dem Kloster ausgeschlossen, studierte 
dann in Wittenberg und ward in Jena Prediger. Im Anfang des 
Jahres 1528 rief ıhn der Rat nach Braunschweig, um die Refor- 
mation vorzunehmen; aber er erwies sich trotz seiner sonst treff- 
lichen Eigenschaften als ungeeignet zu dieser Aufgabe, und 
Bugenhagen trat an, seine Stellee Nach der ÖOrganisstion der 
evangelischen Kirche erhielt er das Amt eines Koadjutors und 
verwaltete dasselbe zuerst unter Görlitz, dann unter Medler, bis 
zu seinem Tode 1551. Von Braunschweig aus ist er bei der Re- 
formation Göttingens und Hildesheims thätig gewesen. Vergl. 
Rehtmeyer, Kirchenhist. III,42. 44f. 60—53.167; Hänselmann, 
Kirchenordnung, Einleitung S. XH. 

[S. 66'° Anthontius Niger:] vergl. Einleitung S. LVII. 

[S. 67 legitur lupus:] vergl. S.68°; 8127; 8212; 83?®; 901; 91"; 
9215; 9418; 95°; 95?!. Bei ‚lupus’ ist an einen Schriftsteller, der 
etwa den Gegenstand der Lektüre gebildet hätte, nicht zu denken. 
Der Ausdruck ‚legitur lupus’ wiederholt sich weiter unten bei 
der Tertia und kehrt auch in dem Lehrplan des Pädagogiums 
von 1547 und in dem des Martineums von 1548 für Prima bis 
Tertia in der ähnlichen Form ‚audit’ oder ‚examinat lupum’ wieder. 
Vergl. die oben angeführten Stellen. Welche Rolle der ‚lupus’ im 
Schulleben des ausgehenden Mittelalters spielte, zeigen Äufserungen 
Luthers in den Tischreden (ed. Förstemann-Bindseil) IV, 130: “Die 
Lupi-Zeddel, item die Examina legor, legeris, legere, legitur, cuius 
partis orationis, das sind der Kinder carnificinae gewesen’; IV, 
542: „Vor Zeiten ward die Jugend allzu hart gezogen, dafs man 
sie mit dem Lupo und Casualibus und Temporalibus wol geplaget.’ 
Bindseil vermutet, dafs hier mit lupus die motio substantivorum 
bezeichnet werde, indem lupus, lupa das erste Beispiel in den 
damals üblichen Grammatiken gewesen sei. Das ist aber ein 
Irrtum. Die richtige Erklärung ergiebt sich daraus, dafs in den 
mittelalterlichen Schulen der lupus ebenso wie der asinus den 
Faulen und Unwissenden angehängt wurde. Wer ihn öfter, als 
zulässig war, bekam, erhielt die Rute. Vergl. Kriegk, Bürgerthum 
im Mittelalter 8. 105; Paulsen, Gel. Unterr. S. 107 nach Heer- 
wagens Geschichte des Nürnberger Schulwesen. Wenn nun 
in den Lehrplänen der braunschweigischen Schulen von einem 
Lesen oder Abhören des lupus die Rede ist und diese Beschäftigung 
auf eine Sonnabendstunde verlegt wird, so wird damit eine Art 
von pädagogischer Abrechnung bezeichnet sein, die am Ende der 
Woche mit den Schülern wegen der vorgekommenen Delikte 
wie Faulheit, Schulversäumnis und dergl. vorgenommen wurde. 
Vielleicht dals diese Sünden bis dahin auf einer Tafel verzeichnet 
wurden, ähnlich wie jetzt die Schulpraxis die sogenannten Fehler 








Anmerkungen 549 











in das Diarium eintragen läßt. Diese Erklärung findet dadurch ihre 
Bestätigung, dafs für die oberen Klassen des Katharineums 1548 
gleichfalls auf den Sonnabend die Verlesung des .‚catalogus ne- 
gligentiae, morum et latinitatis’, oder des ‚catalogus absentiae, 
morum et latinitatis’ angesetzt ist, vergl. S. 100° ; 101°!; 102. 
Dadurch ist das Wesen der Lupus-Lektion deutlich genug bezeichnet. 

[S. 69? Die Lune cantabunt ıc.:| Über die hier erwähnten 
lateinischen Lieder sei folgendes bemerkt: ‚Somno refectis artu- 
bus’, gedichtet von Ambrosius, abgedr. bei Maior, Psalmi ıc. 
Bl. 33°; Daniel, Thesaurus I, 26. — 2. ‚lam lucis orto sidere’, 
abgedr. bei Maior, Psalmi Bl. 34; Daniel, Thesaurus I, 56; 
Wackernagel, Kirchenlied I, 56. — 3. .Lucis creator optime’, 
abgedr. bei Maior, Psalmi Bl. 45; Daniel, Thesaurus ], 57; 
Wackernagel, Kirchenlied 52. No. 2 und 3 stammen aus dem 
5. Jahrhundert. — 4. „Ecce iam noctis tenuatur umbra’, abgedr- 
bei Daniel, Thesaurus I, 177; Wackernagel, Kirchenlied I, 75. 
— 5. ‚Nocte surgentes vigilemus omnes’, abgedr. bei Daniel, 
Thesaurus I, 176; Wackernagel, Kirchenlied I, 71. — 6. ‚Primo 
dierum omnium’, abgedr. bei Daniel, Thesaurus I, 175; Wacker- 
nagel, Kirchenlied I, 69. No. 4—6 stammen von Gregor dem 
Großen. — 7. ‚Veni creator spiritus’, abgedr. bei Maior, Psalmi 
Bl. 31; Daniel, Thesaurus I, 213; Wackernagel, Kirchenlied I, 
75. Über den Verfasser vergl. oben zu 8. 56?*. — 8. Die Sequenz 
‚.Veni sancte spiritus’, abgedr. bei Maior, Psalmi 32%; Daniel, 
Thesaurus II, 35; Wackernagel, Kirchenlied I, 105, stammt 
von König Robert von Frankreich (f 1031) und ist nicht zu ver- 
wechseln mit der gleichfalls viel gesungenen und von Luther zu 
dem Gesange ‚Komm, heiliger Geist, Herre Gott? umgedichteten 
Pfingstantiphone ‚Veni 'sancte spiritus, Reple tuorum corda fide- 
lium ıc.’ bei Daniel, Thesaurus II, 315; Wackernagel, Kir- 
chenlied I, 177. — 9.u.10. Mit ‚Nunc sancte et Rerum potens’ 
sind zwei kleinere Hymnen bezeichnet, von denen der erste ‚Nunc 
sancte nobis spiritus’ bei Maior, Psalmi Bl. 43"; Daniel, The- 
saurus I, 50; Wackernagel, Kirchenlied I, 15, der zweite „Rector 
potens, verax deus’ bei Maior, Psalmi 43°; Daniel, Thesaurus 
I, 51 abgedruckt ist. Sie dienten in der römischen Kirche für 
die tertie und nona und stammen beide von Ambrosius. — 10. u. 12. 
.Rerum deus tenax vigor’ und ‚Te lucis ante terminum’, von denen 
jenes in der römischen Kirche bei der nona, dieses bei dem 
completorium gesungen wurde, stammen gleichfalls von Ambro- 
sius. Sie sind abgedruckt bei Maior, Psalmi Bl. 44; Daniel, 
Thesaurus I, 52 f.; Wackernagel, Kirchenlied I, 15. 

[S. 69% officium puerorum:] ein Abschnitt aus der dem klei- 
nen Katechismus Luthers angehängten tabula oeconomica, über- 








550 Anmerkungen 


-— — —.-.1- 20 oo {oo oo... EEE u ne rät ne m— m DL mm nn nn 





iiberschrieben ‚Liberis’: ‚Filii, obedite parentibus vestris in Domino, 
nam id est iustum. Honora patrem tuum et matrem tuam, quod 
est praeceptum primum in prommissione, ut bene tibi sit, et sis 
longaevus in terra’. Eph. 6, 1—3. Dazu vielleicht auch noch 
der Abschnitt ‚Communi iuventuti’: „Similiter iuniores subditi 
estote senioribus, sic, ut omnes alius alii vicissim subiiciamini. 
Humilitatem animi vobis infixam habete. Propterea quia Deus 
superbis resistit, humilibus autem dat gratiam: humiliamını 
igitur sub potenti manu Dei, ut vos exaltet tempore opportuno.' 
1 Petri 5, B. 6. 

[S. 69°1 benedichionem ıc.:| Mit der ‚benedictio et gratiarum 
actio’, die ‚circa mensam’, d. i. vor und nach Tisch, gesprochen 
werden sollen, sind die bezüglichen Abschnitte in dem Anhange 
des kleinen Katechismus Luthers gemeint. 

[S. 70! dominis suis :] den Eltern der jüngeren Schüler, beı 
denen sie als Pädagogen beschäftigt waren. Vergl. Einleitung 
S. LXXVIILf. 

[S. 721° feriatis diebus:] an den Wochentagen, vergl. oben 
Anm. zu 50°. Der Gegensatz ist im folgenden Abschnitt .festis 
et sabbatis diebus’ Die Rede ist von den Metten und Vespern, 
welche nach der Vorschrift der Ordnung von 1528 (vergl. S. 38 ff.) 
an jedem Tage der Woche von den Schülern abgehalten wurden. 

[S. 73® ader, vergl. 73°, 73°!:] so viel wie ‚aber’, vergl. das 
Glossar und die spezielle Einleitung zu No. 14A. 

[S. 74! zun Brudern:] zu den Brüdern, d.i. in der Brüdern- 
kirche. Vergl. Kirchenordnung von 1528 Fiiij, bei Hänsel- 
mann, Kirchenordnung S. 92: .De superattendens prediget ton 
grawen brudern vmme seyers iij des dynxdages vnde dunredages’. 
Noch heute heifst die Kirche des ehemaligen Franziskanerklosters 
die Brüdernkirche. Die Form ‚zun’ ist entstanden aus ‚zu den’, 
niederdeutsch .ton’, .thon’. | 

[S. 77?° magister Streiperger:] vergl. Einleitung 8. LX. 

[S. 782 superintendens:] Nikolaus Medler, vergl. Einleitung 
S. LIX. 

[S. 785 canonicam Joannis:| den ersten Brief des Apostels 
Johannes; der zweite und dritte sind Antilegomena. 

[S. 785 coadiutor:) Heinrich Winkel, vergl. Anm. zu S. 66°. 

[S. 781° Glandorpius:] vergl. Einleitung 8. LXI. 

[S. 781? computum ecclesiasticum :| ein Lehrbuch der kirch- 
lichen Zeitrechnung. Über die Wichtigkeit dieses Unterrichts- 
zweiges, der im Mittelalter dem Quadrivium angehörte, vergl. 
Specht, Gesch. des Unterrichtsw. 128 ff. 

[S. 7890 ceteris diebus sub hac hora audiunt pueri conciones 
sacras:] Die Predigten des Superintendenten in der Brüdernkirche, 








Anmerkungen 551 


die am Dienstag und Donnerstag nachmittags 3 Uhr gehalten 
wurden. Vergl. oben Anm. zu S. 74%. 

[S. 78°? magister Heinricus Fabri:] Derselbe wurde Osten 
1548 Rektor des Martineums. Vergl. S. 90 Überschrift und Dürre, 
Gelehrtenschulen S. 54. 

[S. 79?° Musica] Über die Musik als Teil der mathema- 
tischen Wissenschaften vergl. Specht, Gesch. d. Unterrichtswesens 
S.142. Vergl. auch unten Anm. zu S. 111°. 

[S. 79%! Sphera:] Astronomie Es ist auffällig, dals unter 
den als Mathematica aufgeführten Gegenständen des Quadriviums 
die Geometrie nicht erwähnt wird. Vergl. Specht 127 ff. 

[S. 801° rector schole:] Streiperger, vergl. Einleitung S. LX. 

[S. 801° nagister Ioannes Pistoris:] vielleicht der Prediger 
an der Brüdernkirche (S. Ulrici) M. Johann Becker, der nach Reht- 
meyer, Kirchenhist. III, 257 ff. 1541 nach Braunschweig kam 
und 1566 des Calvinismus beschuldigt und aus der Stadt ver- 
wiesen wurde. 

[S- 80%? Glandorffius:] vergl. Einleitung S. LXI. 

[S. 802° coadiutor :] Heinrich Winkel, vergl. oben zu S.65°*. 

[S. 80% swperintendens:|) Nik. Medler, vergl. Einleitung 
S. LIX. 

[S. 81? Ioannes apud divum Andream concionator:| Johannes 
Neukirch oder Neophanius, der nach mehrjähriger Wirksamkeit 
als Rektor am Agidianum von 1539-1566 zu S. Andreas Pre- 
diger war. Vergl. Rehtmeyer, Kirchenhist. III, 139 f.; Dürre, 
Gelehrtenschulen S. 70. 

[S. 81* Cantor apud divum Martinum:]) M. Joh. Zannger. 
Vergl. Einl. S. LVII, Anm. 4. 

[S. 81° coneionator apud divum Catharinam:) entweder Joh. 
Wissel, von dem Rehtmeyer, Kirchenbhist. III, 195 berichtet, 
dals er am Pädagogium Arithmetik und andere mathematische 
Disziplinen gelehrt habe, oder Johann Lentz, der nach Reht- 
meyer, Kirchenhist. III, 172 von 1545—1579 Prediger zu S. Ka- 
tharinen war. 

[S. 81° Niger:] Über Niger vergl. Einl. S. LVIII, Anm. 1. 

[S. 811? coneionator apud divum Udalricum:| wohl der oben 
Anm. zu S. 80% erwähnte M. Joh. Pistoris oder Becker. 

[S. 81'° concionator apud divum Martinum:|) entweder Lu- 
dolph Petersen oder Heinrich Osterodt, die beide zu jener Zeit 
Prediger zu S. Martini waren. 

[S. 8127 audit lupum:)] vergl. Anm. zu S. 67. 

[S. 82 Magister:] Gemeint ist der Rektor. Der Name des- 
selben steht nicht fest. Vielleicht war es noch Peceltus, vergl. 
Einl. S. LVOI; Dürre, Gelehrtenschulen 8.54. Von den übri- 





662 Anmerkungen 


gen Lehrern ist der Kantor bekannt; es war Joh. Zannger, vergl. 
Dürre, Gelehrtenschulen S. 59 und Einleitung S. LVIII f. Die 
übrigen Lehrer, welche erwähnt werden, waren bislang überhaupt 
nicht einmal dem Namen nach bekannt. 

[S. 85"? de... particular, 87°! particularia u. ö.:] scholae parti- 
culares, Bezeichnung der Lateinschulen gegenüber dem Päda- 
gogium. Der Ausdruck erklärt sich aus dem Gegensatz zu dem 
studium generale oder universale der Universitäten. Paulsen, 
Gel. Unterr. S. 199 falst diesen Gegensatz als einen örtlichen und 
meint, die Partikularschulen hätten diesen Namen erhalten, weil 
sie nur für die Stadt oder Diözese, in der sie belegen gewesen, Geltung 
gehabt hätten, während die Universitäten für das ganze Land 
oder die Christenheit von Bedeutung gewesen seien. Das ist 
schwerlich richtig. Die Bezeichnung bezieht sich vielmehr auf das 
Mafs der in den Schulen gelehrten Wissenschaften, von denen 
in den Partikularschulen nur ein Teil, das Trivium, gelehrt wurde, 
während die universitas litterarum, was schon ihr Name anzeigt, 
das gesamte Gebiet derselben umfafste. ‚Schola particularis’ ist 
also gleichbedeutend mit schola trivialis. Für das Herzogtum 
Braunschweig findet sich der Name ‚Partikularschule’ insbesondere 
in der Kirchenordnung des Herzogs Julius, in die er aus der 
Württemberger Ordnung herübergenommen wurde. Vergl. dar- 
über den 2. Band dieses Werkes, 

[S. 85°” de dridde Egidü . . .. dar tho gebeden:) vergl. Ein- 
leitung S. LIILf. 

[S. 86! de kinder uth den wickbelden den scholen, dar hen se 
luth der ordeninge deputert:|) Nach der Ordnung von 1528 (vergl. 
S. 29) gehörten in das Martineum die Knaben aus der Altstadt, 
dem Sack und der Altenwik, in die Katharinenschule die Knaben 
aus dem Hagen und der Neustadt. Nachdem die Agidienschule 
städtisch geworden war (vergl. Einleitung S. LIITf.), wurden ihr 


wahrscheinlich die Schüler aus der benachbarten Altenwik zu- 


gewiesen. Vergl. unten Anm. zu 96°. 

[S. 872° thon Barvoten:]) zu den Barfülsern, d.i. im Kloster 
der Barfülser, vergl. oben Anm. zu S. 74, 

[891 zuxta divi Petri doctrinam:) 1 Petr. 3, 15. 

[S. 90 Überschrift Heinricus Fabri:] vergl. Dürre, Gelehrten- 
schulen S. 54 und oben zu S. 78°. Konrektor und Kantor des 
Martineums sind aus dieser Zeit nicht einmal dem Namen nach 
bekannt, eben so wenig die übrigen Lehrer, welche weiter unten 
als Supremus, Medius, Succentor und Infimus aufgeführt werden. 
Superintendent ist Nik. Medler, vergl. Einleitung 8. LIX. 

[S. 90 7° accipiunt merendanı :] Vesperbrod, vergl. 8. 927; 92°. 

[S. 91:1? examinat lupum:) vergl. oben Anm. zu 8. 67“. 





Anmerkungen 653 








mm U m nn nn 


[S. 96° apud dm um Udalricum:]) Nach der Ordning von 
16528 [S. 29] sollten die Schüler des Martineums in den drei Kir- 
chen zu St. Martini, St. Ulrici und St. Magni den Chorgesang 
besorgen. Wenn in der vorliegenden Ordnung von den oberen 
drei Klassen des Martineums nicht gesagt wird, in welcher Kirche 
sie zu singen haben, so kann doch voraus gesetzt werden, Jdals sie zur 
Martinikirche in der Altstadt gingen. Über die Ulrichskirche 
vergl. Einleitung S. XXXV, Anm. I. Wenn von der Magni- 
kirche in dieser Ordnung des Martineums überhaupt nicht die 
Rede ist, so erklärt sich das durch die Annahme, dafs dieselbe als 
Pfarrkirche der Altenwik. der Agidienschule, nachdem diese 
städtisch geworden, zugewiesen war, vergl. oben zu S. 861. 

[S. 9719 suscipientibus nobis ... . invocamus.:] Über diesen 
und andere Schnitzer, die sich gerade in diesem Lehrplan des 
Katharineums finden, vergl. die spezielle Einleitung zu dem- 
selben. 

[S. 97177 Oum initium sapientiae ıc.) Ps. 111,10; Prov. Sal. 
9,10; Sir. 1,16. 

[9773 gratiarıım actionts precatiunculam ıc.) das Morgengebet 
aus dem Anhang zu Luthers kleinem Katechismus, das freilich 
in der lateinischen Ausgabe beginnt: ‚Gratias ago tibi, mi pater 
coelesti®’. Die hier gegebenen Anfangsworte ‚Ego tibi pater’ 
klingen, als seien sie eine vom eigentlichen lateinischen Katechis- 
mustext unabhängige Übersetzung der deutschen N deren 
Fassung lautet: „Ich danke dir, mein himmlischer Vater ıc.’ 

[S. 98? Veni sancte spiritus:] vergl. Anm. zu 8. 57:3. 

[S. 98? adiuncta collecta cum suis versiculis:] vergl. Schoeber- 
lein, Liturg. Chorges. 8. 186 ff. 183 ff. 

[S. 99° ex praescripto ordinationis Pomerani ıc.:) Bugen- 
hagens Vorschriften in der Kirchenordnung von 1528, vergl. S. 32Af. 
Über Melanchthons Visitationsbuch vergl. Einleitung 8. XLIX. 


[S. 102% a Dfomino] Joanne Lentio:] Vielleicht der Pastor 
zu Katharinen Joh. Lentz, der bei Rehtmeyer, Kirchenhist. III, 
172 erwähnt wird. Vergl. oben Anm. zu S. 81°. 

[S. 104! dominorum:] Gemeint sind die Bürger, bei deren 
Kindern die Schüler Pädagogen waren. Vergl. die Schulordnung 
von 1596 Art. V, leg. 3—5, S. 132f. 

[S. 105° cum preculis matutini et vespertini temporis:] Gemeint 
sind die Morgen- und Abendgebete im Anhang zu Luthers klei- 
nem Katechismus. 

[S. 105%? penetrant:|] Ergänze als Subjekt aus dem vorher- 
gehenden ‚prima catecheseos capita‘, oder auch ‚verba partium 
catechismi, ut sunt decalogus etc.’ 





954 Anmerkungen. 

[S. 107% quaeris:] näml. vox, was dem Verfasser aus dem 
kurz vorhergehenden Worte ‚vocabulorum’ vorschweben mochte; 
desgleichen im folgenden bei flectendae cuiusque’. 

[S. 1075 quogue usurpata aceidente:) ‚quo accidente’ ist abso- 
luter Ablativ. Die accidentia’ sind bei dem Sustantiv numeraus, 
genus, casus, bei dem Verbum tempus, persona, modus. 

[S. 107!9 suo lectori:] i. e. praeceptori. 

[S. 107% flores poeticos:] wahrscheinlich die poetische Antholo- 
gie des Murmellius ‚Tibulli, Propertii et Ovidii flores’, über die 
Näheres im Schulbücherverzeichnis am Ende des 2. Bandes mit- 
geteilt wird. Vergl. oben Anm. zu S. 49, 2.3 v.u. 

[S. 10815 notis quibusdam praeeipitur . . . observandi ıc.:) 
Die unlateinische Ausdrucksweise wird. so zu erklären sein, daß 
der Verfasser die Genetive des Gerund. ‚observandi’ und ‚confe- 
rendi’ nach Art des griechischen Genitivs des Infin. gebraucht, 
Vergl. auch, was in der speziellen Einleitung zu 18 über die 
Barbarismen ‚examinandi’ ıc. bemerkt ist. Vor ‚quos deprehen- 
derint, ist .eis’ oder ‚in eos’ zu ergänzen. 

[S. 10812 corycaeos:] vergl. Einleitung S.LXVI, Anm. 2. 

[S. 109! albae gallinae filius:] ein Wunderkind, nach Iuven. 
13, 141. 

[S. 109"? lud Theognidis ıc.:] Nach Bergk lautet die Stelle 
bei Theognis V, 24—26: 

AgToIs TOIOO OU rw many Kösiv Öbvanaı 
ovdev Saupaaröv, TloAuraiöy” oVde yap 6 Zeus 
009 Umv mAvTEoe’ Avöavsı NUT Avexwv. 

[S. 110?® absque tali cortice:] nach Hor. Sat. I, 4, 119: simul 
ac duraverit aetas Membra animumque tuum, nabis sine cortice. 

[S. 1115 ob numerorum cognationem ıc.:] Über die nahen Be- 
ziehungen der Musik und Arithmetik schon im mittelalterlichen 
Unterricht, vergl. Specht, Gesch. des Unterrichtsw. S. 142. Im 
Lehrplan des Pädagogiums S. 79% wird die Musik zu den mathe- 
matischen Wissenschaften gerechnet. 

[S. 111” primae celassis:] sonst in dieser Ordnung sextea classis 
genannt. 

[S. 112? auctuarii loco:] i. q. auctarii loco, als Zugabe, Plaut. 
merc. II, 4, 23 (490). 

[11213 Melanthonis vergl. 177° Melanthone:] Der Reformator 
wandelte seinen Familiennamen Schwarzerd (Schwarzert) auf 
Reuchlins Vorschlag in „Melanchthon’, schrieb aber seit 1531 .Me- 
lanthon’, vergl. Corp. Ref. I, p. CXXXI. 

[S. 1132? ne aqua haereat:| sprüchwörtlich schon zur Zeit 
Ciceros, vergl. Off. IH, 3, 117. 





Anmerkungen 555 


[S. 113% de primo mobili:| Das .primum _ mobile’ bildet 
im ptolemäischen Weltsystem die äufserste von den konzentri- 
schen Sphären, welche die Erde als feststehenden Mittelpunkt 
umgeben, und hat die Bestimmung die sämtlichen inneren 
Sphären, in denen die einzelnen Himmelskörper vermöge der 
ihnen eigentümlichen Bewegung jährlich von West nach Ost 
gehen, gemeinschaftlich an jedem Tage von Ost nach West um 
die Erde zu führen. Durch die Erwähnung des ‚primum mobile’ 
zeigt sich der Verfasser der vorliegenden Schulordnung als An- 
hänger des ptolemäischen Weltsystems, das insbesondere unter 
den protestantischen Theologen und Schulmännern dem koperni- 
kanischen System gegenüber noch lange Zeit sein Ansehen 
behauptete, nachdem Melanchthon dasselbe in dem zuerst 1549 
erschienenen Werke ‚Initia doctrinae physicae’ dargestellt hatte. 
Hier heifst es von dem ‚primum mobile’ (Corp. Ref. XIII, 
224): .Decima sphaera est, quae movetur unico motu ab 
oriente in occidentem super polos mundi et aequinoctialem, 
et spacio horarum 24 ab eodem puncto in idem revolvitur, et 
secum omnes inferiores sphaeras coelestes rapit eadem gyratione, 
ut oculi testantur quotidie octavam sphaeram, in qua conspici- 
untur stellae fixae, deinde et Solis, Lunae ac aliarum errantium 
stellarum orbes circumagi’. Vergl. über das ‚primum mobile’ auch 
Littrow, Wunder des Himmels (2. A., Stuttg. 1837.) S. 139, 
und über das ptolemäische System überhaupt Heller, Geschichte 
der Physik I (Stuttg. 1882) S. 128 ff. 

[S. 115° in sparta sua exornanda:) Das Wort ‚sparta’ er- 
klärt sich aus dem griechischen Sprüchwort: oraprav Elaxss; 
ravrav »öcusı bei Cic. Att. IV, 6, 1, vergl. I, 20, 4, bezeichnet 
aber nicht die Stadt Sparta, sondern die aus Pfriemgras 
(oraprov, spartum) geflochtene Richtschnur der Zimmerleute und 


Maurer, sodann das, was jem. zugemessen wird, also so viel wie 
Loos, Aufgabe, Beruf. 


[S. 116% nemo sibi hospicium procuret:) Die Vorschrift be- 
zieht sich nur auf die fremden Schüler, welche bei Bürgern für die 
ihnen gewährte Unterkunft und Beköstigung als Pädagogen über 
die Kinder des Hauses (civium liberi) die Aufsicht führten. Vergl. 
Einleitung S. LXXVIII £. 


[S. 1173 spreli ministerüi:] Verachtung der Geistlichkeit. 
Noch heute wird in Braunschweig die lutherische Geistlichkeit 
das geistliche Ministerium genannt. 

[S. 117°’ que periculo se committit :c.:] nach Sır. 3, 27. 


[S. 118” :n coemiteriis:] Die Kirchhöfe lagen zu jener Zeit 
noch inmitten der Stadt, dicht bei den Kirchen. 


656 Anmerkungen 


m et nl m Un m m m un 





[S. 119° in processionibus funebribus tam partialibus quam 
totalibus:] vergl. in der Schulordnung von 1596 S. 138'* und ın der 
Punktation von 1755 S.340 No.2, sowie Einleitung $S.LXXIV£. 

[S. 119° levitas Thrasonica:] so benannt nach dem prahleri- 
schen Bramarbas Thraso im Eunuchen des Terenz. 

[S. 121° bei geschwornem eide ... vorschossen:|) Der Schoß’ 
war eine Vermögenssteuer, zu der jeder Bürger unter eidlicher 
Erhärtung seiner Aussage sich selbst einzuschätzen hatte. Der 
Schofseid wurde im Mittelalter in der dritten Woche nach Michaelis 
abgelegt. Vergl. Dürre, Stadt Braunschweig S. 325 ff. 

[S. 121°? vormuye und inhalt unser christlichen kirchenorde- 
nunge:] S. 36. 

[S. 1212? met unserm stadt signete:] ‚Signet’, mittellat. .si- 
gnetum’ bezeichnete das kleinere Siegel der Stadt, das sigillum 
secretum, vergl. Du Cange, Gloss. s. v. 

[S. 121° petzier ] Petschier, Pitschier, let durch Petschaft 
verdrängt, ist aus einem böhmischen Worte pecet entstanden, 
vergl. Weigand, Wörterb. II, 361 s. v. 

[S. 123* offieenae spiritus sancti:] vergl. 324"? „werckstädten 
des heil. geistes’. 

[8.123 * unsern normis doctrinae:) Die.normae doctrinae’ sind: 
1. Das Corpus doctrinae der Stadt Braunschweig, d. i. die symbo- 
lischen Bücher, welche der Rat 1564 mit einer Vorrede d.d. 30. 
Oktober 1563 in 4° veröffentlichte, nämlich: a. die Kirchenord- 
nung von 1528 in hochdeutscher Übersetzung, b. die Augsbur- 
gische Konfession in der deutschen Fassuzrg von 1530, c. die 
Apologie in der Übersetzung von Justus Jonas, d. die Schmal- 
kaldischen Artikel, e. die durch den Hardenbergischen Sakraments- 
streit veranlalste und vom Braunschweiger Superintendenten Mör- 
lin verfalste Lüneburger Erklärung der Theologen der sächsichen 
Städte vom 27. August 1561. 2. Die Konkordienformel. Sowohl 
das Corpus doctrinae als die Konkordienformel mulsten bis zu 
der 1671 erfolgten sogenannten Reduktion der Stadt von den 
Lehrern sowohl wie von den Kirchendienern unterschrieben werden. 
Nach der Unterwerfung erhielt für die Stadt Braunschweig das 
Corpus doctrinae Iulium, über welches im 2. Bande des weitern 
berichtet werden wird, symbolische Geltung. Vergl. Rehtmeyer, 
Kirchenhistorie III, 67; 245 f.; 253, Stübner, Kirchenverfassung 
S.29 ff; 77 f. Es verdient Beachtung, dafs das Corpus doctrinae 
der Stadt Braunschweig das älteste spezifisch lutherische Be- 
kenntnisbuch ist, das diesen Namen geführt hat, vergl. Herzog, 
Theol. Encyklop. III?, 359. 

[S. 123'° hartzkappen:] Mit ‚Kappe’ wurde noch im Refor- 
mationszeitalter nicht blols, wie jetzt, eine Kopfbedeckung be- 











Anmerkungen | 667 


-— oe —_— — _ paul BEE a m en we — net _— m = 


zeichnet, sondern ein Oberkleid, das von Männern und Frauen, 
insbesondere aber von Mönchen und Nonnen getragen wurde und 
an dem in der Regel zugleich die Koptbedeckung befestigt war. 
Vergl. Grimm, Wörterb. V, 188 und oben Anm. zu 8. 27°. „Harz- 
kappe’ bezeichnete zunächst einen kurzen, bis zum Nabel reichen- 
den Leinwandkittel, wie ihn die Harzscharrer (Sammler des Harzes 
behufs der Gewinnung von Pech) zu tragen pflegten, und wurde 
dann auf das geistliche Gewand übertragen. Vergl. Grimm, Wör- 
terb. IV, 2, 522 s. v. „‚Harzkappe’. 

[S. 128°? lange dicke rantzen:] Statt ‚rantzen’ haben die Ab- 
schriften das unverständliche ‚stantzen. Es wird ein ähnlicher 
Ausputz wie die unmittelbar vorher erwähnten ‚ausgefülleten 
Bäuche’ gemeint sein. 

[S. 123%? nachtgassieren:| nächtlich auf den Straßen und 
Gassen umherschwärmen, vergl. Weigand, Wörterb. I, 391 s. v. 
‚gassatum gehen’; Grimm, Wörterb. IV, 1a. 1454 s. v. ‚gassieren”. 

[S. 124? auff den dritten tagk in den hohen festen: Die drei 
hohen Feste waren in Braunschweig wie überall, wo das Luther- 
tum herrschte,auf drei Tage ausgedehnt. Die erneuerte Kirchenord- 
nung von 1709 beschränkte sie auf zwei Tage und den Vormittag des 
dritten, und 1773 wurde der dritte Festtag ganz aufgehoben. 
Vergl. Stübner, Kirchenverfassung 8.370. 

[S. 124% kirchen ordnung vom 88 uf zum 97 blatt:| Gemeint 
ist der 9. 38ff. abgedruckte Abschnitt ‚Vam singende unde lesende 
der scholekynderen in der kerken’, der hier nach der hoch- 
deutschen Ausgabe der Kirchenordnung im Corpus doctrinae der 
Stadt Braunschweig (vergl. Anm. zu S. 123) citiert wird, wo 
derselbe auf Bl. 88 bis Bl. 97 (9%) 4 bis a 4) sich findet. 

[S. 124% ausbracht:] erwirkt. 

[S. 125? u. 125'? Rokemes:]. dia hohe Messe, der Hauptgottes- 
dienst, missa sollemnis, vergl. oben Anm. zu 9. 4? und Grimm,. 
Wörterb. IV, 2, 1603; VI, 2111. 

[S. 125"? St. Iigen:] volkstümlich für St. Ägidien; zun Bru- 
dern: zu den Brüdern, in der Brüdernkirche, vergl. Anm.zu 8.74, 

[S. 1267 wen man auff alle quartal den catechismunm .. . predigt :] 
Aufser den Katechismuspredigten, welche sonntäglich in der Frühe 
in allen Kirchen stattfanden, widmeten der Superintendent und 
sein Adjutor noch alle Vierteljahr der Katechismuserklärung 
mehrere Wochen hindurch wöchentlich }e vier au/serordentliche 
Predigten. Vergl. die Kirchenordnung von 1528 Bl. E 6’, bei 
Hänselmann, Kirchenordnung S. 81. 

IS. 126'* brauimesse:] kirchliche Trauung. 

[S. 1281! theologieue lectiones in publico auditorio:]) Nach der 
Vorschrift der Kirchenordnung von 1528 Eij (Hänselmann, 


568 Anmerkungeöti 


— mm En an nn mm nn nn — mm bu m m U m nn m 


Kirchenordnung S. 71) wurden von dem Superintendenten und 
dem Koadjutor im Brüdernkloster zur Weiterbildung der jungen 
Prädikanten und Schulgesellen theologische Vorlesungen gehalten, 
vergl. Einleitung 8. LV; LXXXV. 

[S. 133? collegae scholae denen man freye kost gibt:| verg). 
Einleitung S. LXXX. | 

[S. 134°° die leges welche ihre person .... beireffen:) Ge- 
meint sind nicht besondere Schülergesetze, sondern die auf die 
Schüler bezüglichen Abschnitte der Schulordnung selbst. In dem 
Original sind diese Abschnitte in margine mit dem Buchstaben 
‚’ d. i. ‚discipulis’ bezeichnet. 

[S. 135° durch eustodes und corycaeos:( vergl. Einl. S. LX VII, 
Anm, 2. 

[S. 1371 wie unßere kirchen ordnung vermayk:] vergl. S. 35. 

18. 137” en distributione:) bei der Verteilung der Gebühren: 
welche die Knaben für de Begleitung der Leiche erhielten. 
Dieselbe wird in oder vor dem Trauerhause stattgefunden haben. 

[S. 13724 auff dem kirchhoff:]) der dicht bei der Kirche lag, 
vergl. oben Anm. zu 8. 118. 

[138% das Jam maesta:| Der Begräbnishymnus des Aure- 
lius Prudentins ‚Jam moesta quiesce querela’ ist gedruckt bei 
Daniel, Thesaurus I, 137; Wackernagel, Kirchenlied I, 40. 
Verdeutschungen desselben bei Wackernagel, Kirchenlied IV, 
191—194; 810 und namentlich V, 143f. Die letztere stammt von 
Cyriacus Schneegals und war neben dem lateinischen Original 
lange das gewöhnliche Begräbnislied der Protestanten. Eine la- 
teinische Bearbeitung von Selnecker bei Wackernagel I, 329. 

[S. 138 generaka oder specialia funera:| vergl. oben Anm. 
zu 8. 119° und Einleitung S. LXXIV £. 

[S. 13913 mit wissen ihrer ... herrn:] der Bürger, die sie 
als Pädagogen in Dienst genommen, vergl. Einl. S. LXXVLIf. 

[S. 1401° symphoniaei und eurrendarii:) vergl. die Einleitung 
S. LXXIX f. 

[S. 143% neben den hospitüs die stipendia:| vergl. die Ein- 
leitung 9. LXXXf. 

[S.144? 1 orts thaler ıc.:]) 4 Thaler; mareigr. Mariengroschen, 
8 Pfennig an Wert, vergl.: Anm. zu S.31°; gr.: dasselbe wie mgr., 
Mariengroschen; gutegr.: Gutegroschen, 12 Pfennig an Wert. 

[S. 144% die kirchen ordnung fol. 36:) citiert nach der hoch- 
deutschen Ausgabe im Corpus doctrinae, wo die betreffende 
Vorschrift sich Bl. J 4% findet. In unserm Abdruck 8. 32. 

[S. 145° nach der vorheisung Danielis:) Dan. 12, 3. 

[8. 146% (2.5 v.u.) Rhetoricae lb. 2. de actione:| Nach der 
Schulordnung von 1596 8.127" sollte für die Rhetorik zu 





Anmerkungen 669 


m —_— m  m———n  _- — _ 





Grunde gelegt werden: ‚Rhetorica Talsei libri 1 cum libro primo 
Philippi. Hier kann aber nur die Rhetorik des Ramisten 
Talaeus gemeint sein. Melanchthon schlofs die .actio’ von seiner 
Rhetorik aus, vergl. Corp. Ref. XIII, 417ff. und insbesondere 
die Bemerkung daselbst auf 8.419, während Talaeus die actio mit 
behandelt hat. 

[S. 147° Offieia Oic. lib. 2. cap. 5 ıc.:] Nach der jetzt üblichen 
Weise der Einteilung findet sich die Stelle „Prima igitur est ıc.’ 
Off. D, 13, 46. 

[S. 1471° (2.16 v. u.) dial. Gabaonitae:] Der angezogene Dialog 
behandelt den Jos. 9 erzählten Vorgang. In der vorliegenden Aus- 
gabe des Dialogi Castalionis (Lips. 1729) findet sich dieser Dialog 
S. 61f. 

[S. 147, Z. 3 v. u. Catech.:] Gemeint ist die Catechesis 
des Chytraeus, tiber die Näheres im Anh, zum 2. Bande. 

[S. 148?” Hermannus Nicephurus:] vergl. Ein]. S. LXXXIV. 

[S. 149! Dialectica Philippi ıc.:] ıÜber die befremdliche Zu- 
sammenstellung der dialektischen Lehrbücher von Melanchthon 
und Ramus, die auch S. 152°? 177! sich findet, vergl. Einlei- 
tung 8. LXXVIH; die Dialektik des Lossius ist nichts weiter 
als ein Auszug aus Melanchthons Werke. Näheres im Verzeichnis 
der Schulbücher am Ende des 2. Bandes. | 

[S. 150"? epistolam 167. lb. 9:] nach der jetzt üblichen Be- 
zeichnungsweise Cic. fam. IX, 17. 

[S. 152°? Dialogi sacri:| Gemeint sind die Dialogi sacri Ca- 
stalionis. Vergl. das Verzeichnis der Schulbücher am Ende des 
2. Bandes. 

[S. 1522 flores Tibulli:| Gemeint wird sein die poetische 
Anthologie des Murmellius. Vergl. das Verzeichnis der Schul- 
bücher am Ende des 2. Bandes, auch oben Anm. zu 8. 107. 

[S. 1530 Diebus )) et glıc.:] Die S.153—160 und 8. 165 —169 
zur Bezeichnung der Wochentage verwendeten Zeichen bedeuten: 
dies == dies Lunae, Montag; dies Z'= dies Martis, Dienstag; 
dies 3 = dies Mercurü, Mittwoch; dies 9, = dies Iovis, Donners- 
tag; dies Q = dies Veneris, Freitag; dies d = dies Saturni, Sonn- 
abend. 

[S. 157° Initium supientiae timor domini:) vergl. Anm. zu 
3.971, 

[S. 158!° Precibus vespertinis ıc.:] dem in der Kirche abgehal- 
tenen Vespergottesdienste der Schüler. 

[S. 159? Zussu Carolico:|) scheint zu bedeuten: auf Befehl 
des Vorgängers M. Carolus Bumann, vergl. die spezielle Ein- 
leitungzuNo.23. Über Bumann vergl. Einl. S. LXXXIH. 





560 _Anmerkungeh 





[S. 15910 ne you quidem:] in der Handschrift ‚ne ypo quidem’, 
das griechische ouöe yeü, nicht einmal das geringste, vergl. die 
griechischen Wörterbücher. 

[S.159% Criselius:) Er hiefs eigentlich Hennig Kiesel. Vergl. 
über ihn Dürre, Gelehrtenschulen 8. 70. Dürre giebt als La- 
tinisierung des Namens Kiesel die Form Ciuselius’. 

[S. 160% Henningus:| Nur Hennig Cuiselius kann gemeint 
sein. Vergl. die vorige Anmerkung. 

[S. 160'7 Marcus:] Marcus Menten, vergl. Dürre, Gelehrten- 
schulen S. 70. 

[S. 161? vocabularium rhytmieum superintendentis:] dasselbe 
Werk wie 8. 151'!!. Wegen der wegwerienden Bemerkung vergl. 
die spezielle Einleitung zu No. 23. 

[S. 162"° da nicht viel funera ıc.:] Vergl. Ein]. S. LXXIVf. 

[S. 163° decanus:] eig. ein Vorgesetzter über zehn, hier ein 
älterer Schüler, der dem Lehrer helfend zur Seite steht, ähnlich 
wie im Mittelalter die socii (vergl. Einl. S. XXX), vergl. die 
S. 118? erwähnten ‚decuriones’. In der Württemberger Schulord- 
nung, die Herzog Julius entlehnte (vergl. den 2. Band}, werden 
diese Gehülfen gleichfalls decuriones genannt. 

[S. 163% In pronunciando sermonis:]) Der grobe Germanis- 
mus ist schwerlich auf einen Schreibfehler zurückzuführen. 

[S. 163?" Will vonnötten sein in prima celasse ıc.:| Man be- 
achte den Gebrauch des Stockes in Prima. Zeile 30 ist .be- 
derbe’ — gebrauche, vergl. Lexer, Mittelhochdeutsches Wörterb. 
I, 265. v. .biderben’; Grimm, Wörterb. I, 1224 s. v. ‚bederben’ a. E. 

[S. 1648 sicuti Solon ıc.:] Cic. ad Brut. 1, 15: ‚ut Solonis 
dietum usurpem, qui et sapientissimus ex septem et legum scriptor 
solus ex septem. Is rem publicam duabus rebus contineri dixit, 
praemio et poena’. 

- [8..164° Ein jeder lerne ıc.:| Variation des bekannten Aus 
spruches Luthers am Schlufs der dem kleinen Katechismus bei- 
gefügten tabula oeconomica. 

[S. 1651! Diebus ) et g' ıc.:] vergl. oben Anm. zu S. 153". 

[S. 166'° disciplinam puerorum ahsolwit:| Gemeint ist ein 
Lehrbuch, vergl. in der Schulordnung von 1596 S. 127!! und das 
Bücherverzeichnis am Ende des 2. Bandes. An eine Handhabung 
der Schulzucht, wie bei dem ‚lupus’ (vergl. oben Anm. zu S.67'*), 
ist nicht zu denken. 

[S. 1667 pueris ascripsit:| an die Wandtafel, von der die 
Schüler sich die Vokabeln abschreiben mufsten. Ein gedrucktes 
Lernbuch war also nicht in den Händen der Schüler. 

[S. 168? domini coadiutoris praelectiones:] die Vorlesungen des 
Koadjutors Kaufmann im Brüdernkloster, vergl. Ein]. S.LXXXV. 








Anmerkungen 661 


[S. 170? Naxianzenus:| Der Kirchenvater Gregorius von 
Nazianz, gest. 389 oder 390, einer der drei grolsen Kappadocier. 

[S. 170° Deus est enim zelotes:| Citat nach dem Schlufs des 
Dekalogs in Luthers kleinem Katechismus, vergl. Exod. 20, bf. 

[S. 170? non ronfabulator ... non nugator:| Imperative 
wie discurrito, nicht aber Substantiva. 

[S. 170°? pluteo:| der Brustwehr (pluteus) auf der Prieche, 
auf der die Schüler während des Gottesdienstes ihren Platz 
hatten. 

[S. 171? symphoniaci:] vergl. Einleitung 8. LXXIX. 

[S. 171? apud eanı rorem:] in der Stimme, bei der falsch 
gesungen ist, also im Bals, Tenor u. s. w. 

|S. 17217 hospitem hospitamre:| die Hauswirte, bei deren 
Kindern der Schüler Pädagoge ist, vergl. Einl. S. LXXVIILf. 

[S. 173"! leges:] Die im Schulgebäude auf einer Tafel auf- 
gehängten Schulgesetze. 

IS. 173° saera synazris:] das heil. Abendmahl. 

[S. 175!° Diseiplinam:]) ein Lehrbuch, vergl. oben Anm. zu 

S. 166'°. 
: [S. 176! ein ehrwürdiy consistorium:| Das Konsistorium, sonst 
auch das geistliche Gericht der Stadt Braunschweig genannt 
(Rehtmeyer, Kirchenhistorie IV, 474), bildete die oberste kirch- 
liche Behörde und war aus Mitgliedern des Rats, dem Super- 
intendenten und dessen Adjutor zusammengesetzt. 

[S. 1763 in allen dreyen schuelen:| Die drei Lateinschulen 
zu St. Martini, St. Katharinen und St. Agidien sind gemeint. 

[S. 176'? eines ehrbarn rathß ... schulordtnung:] vergl. Ein- 
leitung S. LXXIIf., abgedr. unter 21 8. 122 ft. 

[S. 17713 praereptorum. tam. Aristotelieorumn quam Rameorum :] 
vergl. oben Anm. zu S. 149! und Einleitung S. LXXVII. 

[S. 177?7 praeleetionibus theologieis des herrn superintenden- 
ten ıc.:] vergl. Anm. zu 8.128’. | 

[S. 180°! pietas ad ommia utilis:| 1 Tim. 4, 8: 4 svosßsıa 
mOO5 mavra mpelımög Eorıv. 

[S. 18214 funus ewrandum:] hier wie nachher wiederholt von 
der Begleitung der Leiche seitens der Lehrer und Schüler und 
dem dabei üblichen Gesange gebraucht. 

[S. 182?* fisco cedat:] soll in die gemeinsame Kasse der Schul- 
kollegen fallen. 

[S. 182% Si gqwis funus ... sequutus fwerit:] nämlich als 
Leidtragender, vergl. auch S. 183*. Inu ihrer amtlichen Eigen- 
schaft gingen die Lehrer mit den Schülern vor der Leiche her. 
Wenn im folgenden Gesetze davon die Rede ist, dafs Lehrer 
des Martineums sich auch für Geld am Tragen der Leichen be- 


Schulordnungen der Stadt Braunschweig 36 


562 Anmerkungen 


teiligten, so ist das ein beachtenswerter Zug zu der Beurteilung 
der sozialen Stellung des Lehrerstandes. Vergl. in der Punktation 
von 1755 S. 314 und Einleitung S. CXVL. 

[S. 183"! cum parte superadditi:| wenn die Hinterbliebenen 
mehr zahlten als die Taxe erforderte. Über diese vergl. Einlei- 
tung S. LXXXI. 

[S. 183?! partitio geometriea:) vergl. Einleitung LXXXII, 
Anm. 1. 

[S. 183°° duos marianos :] zwei Mariengroschen. Im folgen- 
den bezeichnet grossus Misnicus’ (183?) so viel wie Guter- 
groschen, nummus’ (183?) so viel wie Pfennig, sesquiio- 
achimicus’ (184!’) so viel wie 14 Joachimsthaler. 

[S. 184° Quando publice .. laudantur defunct:]) Wenn eine 
öffentliche Leichenpredigt gehalten wird. 

[S. 1842 ex primo, medio, infimo ordine:| sc. praeceptorum, 
vergl. 8. 183, 

[S. 186° @» der Burgk:] Der Gegensatz zu den vorhergehen- 
den Worten (vor der bürger und einwohner häysern dieser stadt) 
erklärt sich daraus, dafs der Bezirk der ehemaligen Burg Tank- 
warderode unmittelbar dem Herzoge zugehörte und infolgedessen 
von den städtischen Behörden unabhängig war. 

[S. 187! des h. rertoris:| Der hier erwähnte Rektor war M. 
Martin Teipel aus Ermsleben, der von 1660 bis zu seinem 1669 
erfolgten Tode an der Spitze der Schule stand. Vergl. Dürre, 
Gelehrtenschulen 57. 

[S. 188!% Veni maxime:) Vielleicht die bei Wackernagel, 
Kirchenlied I, 263 abgedruckte Bearbeitung der Sequenz „Veni 
sancte spiritus’ von Helius Eobanus Hessus. 

[S. 1881? das der subconrector auch mit ıc.:]) weil er Klassen- 
lehrer der Sekunda war, wie z, B. aus den u. S. 146fl. 
und $8. 198 hervorgeht. 

[S. 188° didactrum:) Schulgeld. 

[S. 1882? begrabnüß-verordnung:]) Mit der hier erwähnten 
Begräbnisverordnung können die S. 182 ff. unter 28 abgedruckten 
Leges exequiales nicht gemeint sein, da dieselben sich als ein 
von den Lehrern untereinander getroffenes Abkommen darstellen. 
Es wird von einer nicht mehr erhaltenen Verordnung des Rats 
über die Höhe der Begräbnisgebühren die Rede sein. Über die 
Höhe der Gebühren vergl. Einleitung S. LXXXII, Anm. 1. 

[S. 1882 paedagogi:] vergl. Einleitung 8. LXX VII. 

[S. 1883 wan sie bier offen haben:| wenn sie ihr selbstge- 
brautes Bier zum Verkauf stellen. 

[S. 189? privat discipulen:) vergl. auch in der Schulordnung 
von 1596 8. 144, leg. 6. 





Anmerkungen 663 


[S. 1902? mohren.:] Möhren, Mohrrüben, daucus carota, vergl. 
Weigand, Wörterb. II, 184 f. 

[S. 190°! grün] frisch, vergl. Weigand, Wörterb. I, 461. 

[S. 19314 mit einem grünen Löwen gezeichnet:] Der Löwe ist 
das Abzeichen der Stadt Braunschweig. Für die Wahl der grü- 
nen Farbe ist ein besonderer Grund nicht nachzuweisen. 

[S. 19417 Befiehl dem engel, daß er komme:] Der hier ange- 
deutete Abendgesang findet sich in dem 1780 abgeschatften braun- 
schweigischen Gesangbuche als V.6 in Gesang No. 822: ‚Christ, 
der du bist der helle Tag’, der dort Michael Weiße zugeschrieben 
wird. Er lautet in einer Ausgabe des Gesangbuches aus dem . 
J. 1760: .Befiehl dein'm engel, daß er komm, Und uns bewach, 
dein eigenthum; Gib uns die lieben wächter zu, daß wir fürm 
Satan haben ruh.’ 

[1942 sein eingebrachtes gut:] S. 13 der Ordnung des Armen-, 
Weaisen-, Zucht- und Werkhauses wird unter anderem über die 
Aufnahme eines Waisenkindes folgendes bestimmt: ‚Es soll sein 
Vermögen kürtzlich zu Buche geschrieben, die Güter also fort durch 
den Verwalter in Gegenwart eines Vorstehers und Weysenknabens 
inventiret und so lauge verwahret werden, bis der selben so viel 
bey einander, daß sie öffentlich im Armenhauße durch eine Auc- 
tion verkaufft: werden können, und soll das gelösete Geldt dem 
Armenhause zum besten angewendet werden, bis das Kindt zu 
Ehren kommen und sich häußlich alhier niederlaßen wirdt’. 

[S. 196'!? P. P.:] wohl Abkürzung für ‚publice promulgata’. 

[S. 1961 Rertoris:| Rektor des Katharineums war 1741 
M. Johann Andreas Fabricius, vergl. Einleitung 8. CV, 
Ann. 1. 

[S. 196'° serundum nucleum B. Gebhardi:] Über den .beatus 
Gebhardi’, ehemaligen Rektor des Martineums, und den .nucleus’ 
desselben, vergl. Einleitung 8. XCIV; CVI. 

[S. 197° conrectoris:] Der Name wird nicht genannt; wahr- 
scheinlich war es Joh. David Heumann, dem 1745 neben dem 
Konrektorat eine Professur an dem neu begründeten Collegium 
Carolinum übertragen wurde, und der 1761 starb, vergl. S. 236” 
und Eschenburg, Coll. Carol. S. 73. Verfasser des S. 237°, 
321° erwähnten ‚conspectus rei publicae litterariae’ ist nicht er, 
sondern der Göttinger Professor Christoph August Heumann 
(F 1764), vergl. Pökel, Philolog. Schriftsteller-Lex. S. 120. Bei 
der Lückenhaftigkeit der Akten des Katharineums (vergl. Heu- 
singer, Kurze Nachrichten S. 5) ist über die übrigen Lehrer 
dieser Anstalt im Jahre 1741 nichts näheres bekannt. 

[S. 20995 classes selectae:] vergl. Einleitung 9. CXXIIf. 

36* 





564 Anmerkungen 


[S. 21239 ein grosses ansehnliches gebäude:] Dasselbe ist am 
Bohlwege belegen und blieb der Sitz des Collegium Carolinum, 
bis dasselbe im Oktober 1877 in den grofsartigen Neubau an der 
Schleinitzstrafse verlegt wurde. Ursprünglich bildete es die 
Wohnung für den Guardian des gleichfalls am Bohlwege be- 
legenen Paulinerklosters (des jetzigen Museums) und hatte von 
1671 bis 1745 zum Stadtkommandantenhause gedient, vergl. 
F. Knoll, Braunschweig und Umgebung. Hist.-topographisches 
Handbuch (Braunschweig 1877) S. 68. 

[S. 216°! bei gelegenheit der messen:] Die beiden Braun- 
schweiger Messen, welche in früheren Zeiten für den Handels- 
verkehr der Stadt von grofser Wichtigkeit waren und sehr viele 
fremde Kaufleute herbeizogen, jetzt aber ihre ehemalige Bedeutung 
völlig eingebülst haben, wurden von Herzog Rudolf August 
(1666—1704) nach der sogenannten Reduktion (1671), um den 
gesunkenen Nahrungsstand der Einwohner zu heben, einge- 
richtet. Die Wintermesse begann am Montag nach Maria Reini- 
gung (2. Februar), die Sommermesse am Montag nach Laurentii 
(10. August). Vergl. Ribbentrop, Stadt Braunschweig II, 162 fi. 

[S. 216°? Mosheim:] vergl. Einleitung S. OCXXIV, Anm. |. 

[S. 216*° Erath:] vergl. Einleitung S. CXXIV, Anm. 2. 

[S. 216*° Köcher:] vergl. Einleitung 8. OXXII, Anm. 4. 

[S. 217! Jerusalem:] vergl. Einleitung $. CXX. 

[S. 217?7 bei dem morgen- und abendgebet:] vergl. S. 228 f. 
unter 34 F das von Köcher verfalste „Gebet fürs Carolinum’ und 

dazu die Einleitung S. CXXV. 
[S. 219°? vermöge des .. .. burgfriedens:] vergl. die unter 34 C 
mitgeteilte Verordnung, S. 225 fl. 

[S. 2217 weder die teller.... zerkritzeln und durchbohren:) 
Man als zu jener Zeit von zinnernem Tafelgeschirr. 

[S. 227° Salzthalen:] auch Salzthalum, jetzt Salzdahlum ge- 
nannt. Das dortige prachtvolle Lustschlofs, von dem kunstlieben- 
den Herzog Anton Ulrich (T 1714) nach dem Muster des Schlosses 
Marly in der Nähe von Versailles erbaut, wurde in der west- 
fälischen Zeit abgebrochen. Vergl.K. Brandes, das ehemalige 
fürstliche Lustschlofs Salzdahlum und seine Überreste. Wolfenb. 
1880. 

[S. 227®, vergl. 227°° und 268°1, A. A. v. Cramm:] August 
Adolf von Cramm, geb. 1685, war seit 1744 erster Minister 
und blieb in dieser Stellung bis zu seinem am 2. März 1763 er- 
folgten Tode. 

[S. 22729 in einer jeden Gerichtsbarkeit :) In der Stadt Braun- 
schweig bestanden neben einander eine ganze Anzahl von (ie- 
richten, welche in ihrem Bezirke die untere Gerichtsbarkeit übten: 





Anmerkungen 565 








1. das (sericht des Magistrats; 2. das Gericht des St. Blasiusstifts; 
3. das Gericht des St. Cyriacusstifts; 4. das Gericht des Agidien- 
klosters; 5. das Gericht des Kreuzklosters. Vergl. Ribbentrop, 
Stadt Braunschweig II, 92— 115. 

[S. 229°° den in der vorläufigen nachricht versprochenen ersten 
lertionscatalogum:] vergl. was S. 212°! von dem ‚entwurf zu der 
anzustellenden anführung’ gesagt ist. 

[S. 230?* Erath:] vergl. oben Anm. zu S. 216*° und Ein- 
leitung S. CXXIV, Anm. 2. 

S. 230?° Köcher:]) vergl. oben Anm. zu 216° und Ein- 
leitung: S. CXXII, Anm. 4. 

[S. 2302® Harenberg:] Johann Christoph Harenberg, geb. 
1696, war schon seit 1735 Generalschulinspector des Fürstentum 
Wolffenbüttel gewesen, wurde 1745 Propst des Klosters St. Lorenz 
bei Schöningen und Professor ordin. am Collegium Carolinum, 
las an demselben bis 1773 und starb zu Braunschweig am 13. No- 
vember 1774. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 71. Seine Vor- 
lesungen weiter unten S. 231f.; 235 f.; 237. 

[S. 230°? Morgenstern:]) Bodo Heinrich Morgenstern, geb. 
1702, Licentiat der Rechte und Landkommissär, hielt am Colle- 
gium Carolinum juristische Vorlesungen (vergl. S. 240) bis 1747 
und starb 1754. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 79. 

[S. 23030 Ritmeyer :| Theodor Wilhelm Ritmeyer, geb. 1713, 
Pastor an der Andreaskirche und Superintendent der Inspection 
Campen, ging bereits um 1747 als Abt von Amelungsborn und 
Generalsuperintendent des Weserdistrikts nach Holzminden, wo 
er 1774 starb. Über seine Vorlesungen vergl. S. 241; im übrigen 
Eschenburg, Coll. Carol. S. 84. 

[S. 230°! inspection Campen:] Die Inspektion oder Super- 
intendentur Campen umfalst einige Dörfer im Nordosten der Stadt 
und wird jetzt von Lehre aus verwaltet. Das Amt Campen war 
erst 1706 als Entschädigung für die Ansprüche auf Lauenburg an 
das Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel gekommen. Vergl. 
Havemann, Gesch. der Lande Braunschweig und Hannover 
III, 193. | 

[S. 231? Blancken:] Johann Heinrich Blanke, geb. 1703, 
wurde 1727 Konrektor am Martineum, 1745 Professor der orien- 
talischen Sprachen am Carolinum, 1746 Rektor am Katharineum, 
trat 1780 in den Ruhestand und starb 1782. Vergl. Eschen- 
burg, Coll. Carol. S. 60; Heusinger, Kurze Nachrichten S, 5. 

[S. 2327 Harenberg:] vergl. oben Anm. zu S. 230?®. 

[S. 233'3 Reichard:) Elias Kaspar Reichard, geb. 1714, 
wirkte am Collegium Carolinum von 1745-1754, wurde dann 
Rektor an der Schule der Altstadt zu Magdeburg und starb 1791. 





566 Anmerkungen 


Über seine Vorlesungen vergl.aulser $. 233 noch S. 234 und 235, im 
übrigen Eschenburg, Coll. Carol. S.82f. Er ist nach Ribben- 
trop, Stadt Braunschweig II, 183 der Verfasser des unter 34. G 
mitgeteilten ersten Vorlesungsverzeichnisses des Collegium Caro- 
linum (S. 224 ff.\ | 

[S. 234'1? Randon:) Jean Randon lehrte das Französische 
am Collegium Carolinum von 1745 bis zu seinem Tode im J. 1758. 
Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 82. 

[S. 236° M. Heumann:] vergl. Anm. zu S. 197°. 

[S. 236"? Greiner :] Johann Heinrich Greiner, damals noch 
öffentlicher Hofmeister am Collegium Carolinum, wurde bald 
aufserordentlicher, 1765 ordentlicher Professor der Rechte und 
starb 1771. Vergl.Eschenburg, Coll. Carol. S. 70f. 

[S. 237! Schrodt:] Johann Heinrich Schrodt, geb. 1694, 
wurde 1726 Konrektor am Katharineum, 1733 Rektor am Marti- 
neum, 1745 daneben Professor am Collegium Carolinum, las über 
Universalgeschichte bis zu seinem 1770 erfolgten Tode. 

[S. 238! Fabririus:] vergl. oben Anm. zu S. 196“. 

[S. 238'3 Oeder:] Johann Ludwig Oeder, geb. 1722, wirkte 
am Collegium Carolinum von 1745—1765 als Professor der Mathe- 
matik und Physik, las auch über Philosophie, Polizei- und Came- 
ralwissenschaft. Er starb 1776 als Kammerrat. Vergl. Eschen- 
burg, Coll. Carol. S. 81 f. 

[S. 239!° Bachmeyer :] Derselbe war fürstlicher Buchhalter am 
Packhofe, vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 58. 

[S. 23938 fürstl. gallerie zu Salzthalum:]) vergl. oben Anm. 
zu 227°. 

[S. 240! Harms:] Anton Friedrich Harms, früher Aufseher 
der Salzdahlumer Gallerie, starb bereits, ehe das Carolinum recht 
in Gang kam. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 71. 

[S. 240!° Peltier de Belfond:]| Näheres über denselben ist nicht 
bekannt. 

[S. 240?° Witt:] Johann Michael Witt war Doktor der Me- 
dizin, blieb am Carolinum bis 1750 thätig, ging aber bereits 
1747 an das neu begründete Theatrum anatomicum und Colle- 
gium medicum über. Er starb 1758. Vergl. Eschenburg, Coll. 
Carol. S. 91. 

[S. 241"? Köcher:) vergl. Einleitung S. CXXI, Anm. 4. 

[S. 241'7 Ritineyer:) vergl. oben Anm. zu S. 230°. 

[S. 2421 Meinersen:] nach Eschenburg, Coll. Carol. S. 79 
Joachim Dieterich Meinders, geb. 1701, gest. 1762. 

[S. 242° Jauime:] Just Daniel Jaime, gest. 1754. Vergl. 
Eschenburg, Coll. Carol. S. 74. 








Anmerkungen 567 


[S. 24217 Weymer::] Johann Friedrich Weymer, erteilte den 
Fechtunterricht bis 1752 und starb 1753. Vergl. Eschenburg, 
Coll. Carol. S. 9. 

[S. 243° auf bevorstehende Michaelis:) Über die bald erfolgte 
Verlegung der Anfangstermine der Semester auf die beiden Messen, 
vergl. Einleitung S. CXXV, Anm. 3 und Eschenburg, Coll. 
Carol. S. 20. 

[S. 245° hofmeister Andreae:] Johann Tobias Andreae, von 
den öffentlichen Hofmeistern der erste, gab schon 1746 das Hof- 
meisteramt auf, blieb aber Aktuar und Kassenführer des Colle- 
gium Carolinum. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 57. 

[S. 248° ins wöchentliche concert:| vergl. Eschenburg, Coll. 
Carol. S.28. Wegen der Kosten für den Zutritt zum Konzert 
vergl. S. 254"?, 

[S. 248!° Mayntz: Über denselben ist Näheres nicht bekannt. 

[S. 2481? allezeit 14 Tage nach Michaelis und Ostern:] Über 
die bald erfolgte Verlegung des Semesteranfangs auf die beiden 
Braunschweiger Messen vergl. Einleitung S. CXXV, Anm.3 und 
Eschenburg, Coll. Carol. S. 20. ’ 

[S. 24929 von den zeitigen curatoren 2c.:] Über Mosheim vergl. 
Einleitung S. OXXIV, Anm. 1; Erath vergl. Einleitung 
S. CXXIV, Anm. 2; über Köcher vergl. Einleitung S. CXXIIJ, 
Anm. 4; über Jerusalem vergl. Einleitung 8. CXX. Kammer- 
rat Georg Heinrich Zinke oder Zincke, geb. 1696, war erst 
1746 Mitglied des Kuratoriums geworden, behielt diesen Posten aber 
nichtlange. Er starb 1768. Vergl.Eschenburg, Coll. Carol. S. 93. 

[S. 250% im Cavalier-hause:] Dasselbe ist das Eckhaus am 
Bohlwege No. 38, dem Museum gegenüber, heute der Herzogl. 
Hofhaltung zugehörig. 

[S. 25413 das öffentliche wöchentliche rconcert:] vergl. oben 
Anm. zu S. 248”. 

[S. 254?* bänder:]) die bei der damaligen Tracht auch für 
Männer erforderlich waren. 

[S. 256!? für die öffentlichen schauspiele in den messen:] Eine 
stehende Bühne mit einer eigenen Schauspielertruppe erhielt 
Braunschweig erst 1818 durch die Begründung des National- 
theaters, das 1826 zum Hoftheater erhoben wurde. Vorher wurde 
die Stadt nur von wandernden Truppen, die namentlich zur Zeit 
der Messen tägliche Vorstellungen gaben. So wurde in den 
dreifsiger Jahren des 18. Jahrhunderts Braunschweig von der Ge- 
sellschaft der Neuberin besucht, und 1746, als das hier in Rede 
stehende. Dokument veröffentlicht wurde, befriedigte die 1740 
begründete Schönemannsche Truppe die Schaulust der Braun- 
schweiger. Vergl. Schröder-Assmann, Stadt Braunschweig II, 





568 Anmerkungen 








106 ff.; A. Glaser, Gesch. des Theaters zu Braunschweig. Eine 
kunstgeschichtliche Skizze (Braunschweig 1861) S. 51. 

[S. 263°° Der ynädiyst verordnete schulinspector:] vergl. Ein- 
leitung S. CVIII. 

[S. 265?° die schule des hiesigen Grossen Waysenhauses :] 
vergl. Einleitung S. XC fi.; CXL ff. 

[S. 2661° seminarium:) vergl. Einleitung S. CIX. 

[S. 268° nach der neuen schulordnung:] Gemeint ist die unter 
36 (S. 259 ff.) mitgeteilte „Vorläufige Nachricht’. 

[S. 269° In dem Grossen Waysenhause hieselbst ist ıc.:] 
vergl. Einleitung .S. CXII £. 

[S. 271! in der bei dem Waysenhause beleyenen kirche: vergl]. 
auch S. 2801; 287?°; 336°: die Liebfrauenkirche. Sie stand auf dem 
westlichen Teile des Waisenhausgrundstücks, nahe an der Langen 
Brücke. Sie wurde 1785 abgebrochen, und an der Stelle wurden 
die Gebäude aufgeführt, welche noch jetzt den Hauptteil des 
Waisenhauses bilden. Vergl. Braunschw. Mag. 1845, St. 45, 
S. 366; Dürre, Stadt Braunschweig S. 585. 

[S. 2711 Denn weil die jugend ... . muste unterworfen 
werden:]) nach der ältesten Ordnung von 1671, vergl. S.192 No. 5. 

[S. 27217 aus dem . . . schulmeister-seminario:] vergl. Ein- 
leitung S. CIX. 

[S. 273!11 Damit auch auswärtige ıc.:] vergl. Kap. III S. 283 ff., 
und Kap. VI S. 289 ff. Das Pensionat des Waisenhauses scheint 
trotz seiner Zweckmälsigkeit und Billigkeit einen nennenswerten 
Erfolg nicht gehabt zu haben. In den Programmen der Anstalt 
findet dasselbe niemals Erwähnung. 

[S. 275 £. $ 14 Die schule im Waysenhause ıc.:] Über das 
hier besprochene Fachlehrsystem vergl. Einleitung S. CXIV. 

[S. 278 $ 17 Die so verderblichen schulferien:| vergl. Ein- 
leitung S. CIV. 

[S. 278°° in der messe:] vergl. oben Anm. zu S. 216°. 

[S. 280!° Zwwicke:] vergl. Einleitung S. CVIII, Anm. 3. 

[S. 287 8 36 Bey dem schlusse eines jeden halben jahres x.:] 
Die Programme für die Prüfungen der Waisenhausschule sind in 
der Braunschweiger Stadtbibliothek vorhanden, dasfür die Österprü- 
fung 1751 handschriftlich, die folgenden gedruckt. Dem Verzeichnis 
der Prüfungsgegenstände sind darin häufig Mitteilungen über die 
Ziele und Einrichtungen der Shcule verbunden. In dem Öster- 
examen von 1754 unterredeten sich 4 Schüler in deutscher 
Sprache ‚von dem Ursprunge und der Beschaffenheit der Ge- 
wässer’, 3 Schüler in französischer Sprache ‚von dem Weltgebäude 
überhaupt’, 5 Schüler in deutscher Sprache ‚von der Bedeutung 
der Kometen’, aulserdem wurde eine deutsche Rede ‚von dem 

















Anmerkungen 569 


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Vergnügen andern zu nützen?’ und eine lateinische ‚von einigen 
Schulgesetzen des Pythagoras’ gehalten. 

[S. 2922° weder holz-, noch licht-, noch martinsgeld:] wie es 
hiernach in anderen Schulen der Stadt üblich war. Vergl. Ein- 
leitung S. LXXXIIH und 8. 316°°; 317?2; 3192. 

[S. 29817 nach der ehemaligen braunschweigischen schulord- 
nung:) vergl. S. 122 leg. 1 ‚bey denen dazu deputirten herren’ 
zusammen mit S. 36, Absch. „Dat de scholen bestendich mogen 
syn”. 

[S. 299 trivialschule:| Man beabsichtigte das damals schon 
so gut wie eingegangene ÄAgidianum in das Waisenhaus zu ver- 
legen und dort weiterzuführen, vergl. Einleitung’ S. CXIV f. und 
unten 8. 317 No.2. Der Name ‚Trivialschule’ hat mit dem Ad- 
jektiv ‚trivial’ in seiner jetzigen Bedeutung nichts zu thun, 
sondern bezeichnete ursprünglich eine Anstalt, in der die Gegen- 
stände des Triviums gelehrt wurden, also etwa so viel wie ‚schola 
particularis’, vergl. oben Anm. zu S. 85'?. Hier ist es der Name 
für eine Lateinschule niederer Art im Gegensatz gegen die 
Gymnasien. 

[S. 2991® des fürstlichen gyımnasil:] des Katharineums, vergl. 
Einleitung S. XCIV. 

[S. 300! in dem alschnitte:) auf dem Siegel in- dem Kreis- 
abschnitte unterhalb des Sinnbildes. 

[S. 30823 Nachdem bey dem Catharineo ıc.:| vergl. Einleitung 
S. CH. | 

[S. 308%* Für eine jede schreibschule ıc.:] Über die beiden 
Schreibschulen vergl. Einleitung S. XL.; LI£f.; XCVII; CXI. 

[S. 3091? welche das ins patronatus haben: bei dem Katha- 
rineum und der Waisenhausschule der Landesherr, bei dem 
Martineum und den beiden Schreibschulen der Rat, vergl. Ein- 
leitung S. XCIV. 

[S. 309°? wie es in der bı aunschweigischen schulordnung von 
1596 stipuliret worden:| vergl. S. 122 leg. 2. 

[S. 313 No. 1 Weyen des fori competentis ıc.:] Die erwähnten 
Verordnungen waren dem Herausgeber nicht zugänglich. 

‚[S. 31427 zum heiligen ereutze:] bei der Kirche des Kreuz- 
klosters vor dem Petrithore. Über die Geschichte dieses in ein 
protestantisches Damenstift verwandelten Klosters hat bis auf die 
neueste Zeit sorgsam Nachrichten zusammengetragen Pastor Wil- 
helm Tunica in dem Aufsatze ‚Zur Geschichte des Klosters 
St. Crucis zu Braunschweig’, abgedr. in der Zeitschr. des Harz- 
vereins Jahrg. 1883, S. 129-164; 271—318; Jahrg. 1884, S. 74 
— 145. 


570 Anmerkungen 


[S. 316?° vergl. 317°?, 319! martins- und meßgeschenke:) 
vergl. oben zu 8. 292??. 

|S. 3201 welche noch über das das rechnen lernen:] also noch 
mehr als die, von welchen bereits S. 319°? die Rede war. 

[S. 320?! die beyden schulbibliothecken:] vergl. Einleitung 
S. CXVII. 

[S. 3223° zum Brüdern:] in der Brüdernkirche Die Form 
‚zum’ Brüdern ist unrichrig. Niedersächsisch heilst es ‚ton’ oder 
“thon’ Brodern S. 762°, vergl. thon Barvoten 871?; 87?3; 882, 
im ältern Hochdeutsch ‚zun’ Brudern 8. 74%, d. i. ‚to den’, 
‚zu den’. 5 

[S. 322 No. 7 bey den küörchen:]) Über die 5 grolsen und 2 
kleinen Pfarrkirchen der Stadt vergl. Einleitung S. XXXV. 
Anm. 1; die Kirche des ehemaligen St. Agidienklosters ist seit 
der westfälischen Zeit dem gottesdienstlichen Gebrauch entzogen; 
über die Liebfrauenkirche oben Anm. zu 271'*. 

[S. 323?” unterm 11. zbr. 1753:] Die angezogene Verfügung 
war dem Herausgeber nicht zugänglich. 

[S. 3241? werckstädien des heil. geistes:] vergl. S. 123*. 

[S. 3262 daß sie... einen degen tragen dürfen: vergl. 
Einleitung S. CXVIH. 

“ [8. 327 Cap. II. Von den chorschülern:) vergl. in der 
Schulordnung von 1596 Art. X, leg. 5—8, S. 142 f. und Ein- 
leitung S. LXXIX. 

[S. 330 Cap. III. Von den currendanern:] vergl. in der 
Schulordnung von 1596 Art. X, leg. 2—4 u. 8, S. 140 ff. und 
Einleitung 8. LXIX. 

[S. 3321? in der Alten Stadt ıc.:] Über die fünf Weichbilde 
der Stadt vergl. Einleitung S. XXXV. 

[S. 335?2° hohemeß-predigten:] die Predigten in den Haupt- 
gottesdiensten. Vergl. das Glossar unter ‚misse’ und Anm. zu 
44°, auch S. 125? '?. 

[S. 3367 Waysenhauskirche:) vergl. oben Anm. zu 8. 271'*. 

[S. 340°” begräbniß-ordnung vom jahre 1650:) nicht näher 
bekannt. 

[S. 340'* schulordnung vom jahre 1696, art. VTI, leg. 2. 3 ıc.:] 
Das Citat ist unrichtig. Es ist Art. VIII gemeint. Vergl. 
S. 137 £. 

[S. 342'° im jahr 1753 in einer vorläufigen nachricht:] un- 
genau. Es mulßs heiflsen ‚1751’. Vergl. S. 259. 

[S. 350°° samt seinen schreibern:] Gemeint sind die Hülfs- 
‚lehrer der Schreib- und Rechenmeister, welche später als Beamte 
in den städtischen Dienst zu treten pflegten. Vergl. Einleitung 
S. XCVIO; Ribbentrop, Stadt Braunschweig II, 208. 


Amerkungenn b7i 


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IS. 357'* fleute traversiere:) flüte traversiere, Querflöte. 

[S. 397° privat-informatores:) vergl. Einleitung S. XCVILH. 
Über die weiter unten erwähnte Verordnung des geistlichen Ge- 
richts vom 12. Febr. 1754 vergl. Einleitung 8. CXI. 

[S. 403?!, vergl. auch S. 406, ein jährlicher aufwand von 450 
bis höchstens 500 rthlr.:| Die Summe ist bedeutend genug, wenn 
man bedenkt, dafs das Leben vor 100 Jahren doch erheblich 
billiger war, als es jetzt ist. Vier Jahre später wurde nach 
Eschenburg, Coll. Carol. S. 36 seitens der Leitung des Colle- 
gium Carolinum der Wunsch ansgesprochen, dals die Eltern 
ihren Söhnen, die auf der Anstalt studierten, doch nicht mehr 
als 200 Louisd’or oder 1000 Thlr. geben möchten. Vergl. dazu 
Einleitung S. CXXVIIL 

[S. 406?° Gärtner:) vergl. Einleitung S. OXXVL 

[S. 406?” Ebert:] vergl. Einleitung 8. CXXVI, 

IS. 407'” Zachariä:] vergl. Einleitung S. CXXVI. 

[S. 407 ” Schmid:]) Konrad Arnold Schmid, der Freund 
Lessings, geb. 1716, war am Carolinum Prof. der Theologie und 
lateinischen Litteratur von 1760 bis zu seinem am 16. Nov. 1789 
erfolgten Tode. Vergl. Eschenburg, Coll. Carolinum S. 86 f.; 
Schiller, Braunschweig’s schöne Literatur S. 75 ff. 

IS. 407°” Glaubensbekenntniß des... prinzen Leopold:| eine 
Schrift Jerusalems, über die im zweiten Bande im Verzeichnis - 
der Schulbücher die Rede sein wird. 

[S. 408” Schmidt- Phiseldeck:] Christoph Schmidt, genannt 
Phiseldeck, geb. 1740, Professor des Staatsrechts und der Ge- 
schichte am Carolinum seit 1765, wurde 1779 Archivar in Wol- 
fenbüttel, 1784 Hofrat, wurde 1789 geadelt und starb am 9. Sep- 
tember 1801. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 86. 

[S. 409° Zuimmermann:] vergl. Eini. S. CXXXVI, Anm. 2. 

[S. 409?° Tünzel:]| Johann Friedrich Tünzel, geb. 1730, 
Professor der Rechte am Carolinum von 1770 bis zu seinem 1782 
erfolgten Tode. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 88 f. 

[S. 409°” Eschenburg:] vergl. Einl. S. CXXXVI, Anm. 3. 

[S. 410° Mauvillon:] Eleazar Mauvillon, geb. 1743, Pro- 
fessor der französischen Sprache am Coll. Carolinum von 1758 
bis zu seinem 1779 erfolgten Tode. Vergl. Eschenburg, Coll. 
Carol. S. 78. Bekannter ist sein Sohn, der Oberstlieutenant Mau- 
villon, der von 1785 bis 1794 am Carolinum Kriegswissenschaft 
lehrte, vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 78f. und Schiller, 
Braunschweig’s schöne Literatur S. 132ff. 

[S. 410°’ Gattinara:]| Domenico von Gattinara, geb. 1727, 
Lehrer der italienischen Sprache am Carolinum seit 1761. Vergl. 
Eschenburg, Coll. Carol. S. 69. 





572 Anmerkungen 


[S. 410° Moll:]| Johann Karl Moll, geb. 1748, Artillerie- 
lieutenant seit 1767, später Hauptmann und Major, erteilte von 
1772 bis zur Aufhebung des Carolinums an demselben Unter- 
richt in der Mathematik, im Feldmessen und in Kriegswissen- 
schaften. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 79. 

[S. 410°” Oeding:] Philipp Wilhelm Oeding, geb. 1697, wirkte 
am Carolinum als Zeichenlehrer von 1746—1781. Vergl. Eschen- 
burg, Coll. Carol. S. 81. 

[S. 411? Pichelieu:] erteilte am Carolinum Reitunterricht von 
1772 bis 1779, starb 1809. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 82. 

[S. 411* Parsow:] Fechtmeister am Carolinum seit 1757, 
starb 1808. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 81f. 

[S. 4117 Dupre:) Jean Frangois Dupre, geb. 1729, gab Tanz- 
unterricht seit 1767, starb 1802. Vergl. Eschenburg, Coll. 
Carol.S.63. 

[S. 411° Heise:] Johann Georg Heise, erteilte Unterricht 
im Drechseln von 1746 bis 1784, starb 1785. Vergl. Eschen- 
burg, Coll. Carol. S. 72. 

[S. 411"? Tünzel:] vergl. oben Anm. zu 409°. 

IS. 415° abt Jerusalem:] vergl. Einleitung 8. CXX. 

[S. 4161? Semi-Carolint:] vergl. Einleitung 8. CXXVL. 

[S. 418'! Oroßmann:] Johann Konrad Simon Crofsmann, 
geb. 1706, Intendant des Collegium Carolinum seit 1748, starb 
1789. Vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. 62f. 

[S. 419% v. Flögen:]|] Julius Justus Flögen, geb. 1709, 
wurde, nachdem er schon vorher Rat und Kabinetssekretär des 
Herzog von Sachsen-Eisenach gewesen war, 1744 zum Hofrat 
und Geh. Sekretär ernannt, 1746 geadelt, 1765 Geh. Legations- 
rat, bald darauf Mitglied des Geh. Rats-Kollegiums, starb am 
am 12. Oktober 1785. | 

[S. 4203 bey der im jahre 1774... getroffenen neuen einrich- 
tungy:] vergl. die unter 40 mitgeteilte Ordnung auf S. 401ff. 

[S. 421°” J. v. Flögen:]| vergl. oben Anm. zu S. 419°. 

[S. 428 Carl Wühelm Ferdinand:]) Sohn und Nachfolger des 
Herzogs Karl I, Jerusalems Zögling, regierte von 1780—1806, 
fiel bei Jena und starb am 10. November 1806. 

[S.428°” Hardenberg Reventlow:] der spätere preulsische Staats- 
kanzler Fürst Karl August von Hardenberg, geb. 31. Mai 1750, 
gest. 26. November 1822. Den zweiten Namen „Reventlow’ führte 
derselbe nach seiner ersten, später von ihm geschiedenen Ge- 
mahlin, einer Gräfin von Reventlow. Im braunschweigischen 
Dienste stand er von 1782—1790 als Grofsvoigt, Präsident der 
Kloster-Rats-Stube und Mitglied des Geh. Rats-Kollegiums. Die 
Begründung des Schuldirektoriums (1786— 1790), dessen Präsident 








Anmerkungen 573 


er wurde, war hauptsächlich seinem Einflusse zuzuschreiben. Vergl. 
v.Ranke, Hardenberg I, 58—92. 

[S. 431% der im jahre 1784 erneuerten und vermehrten gesetxe: ] 
mitgeteilt unter 43 auf S. 422 ff. 

[S. 441" Carl F. W.:] Über die Reihenfolge der Namen 
vergl. die spezielle Einleitung zu No. 44. 

[S. 441'* Hardenberg Reventlow:] vergl. Anm. zu S. 4281?. 

[S. 442'" der professor dirigens:) Titeleines Gymnasialdirektors, 
wenn derselbe zugleich Professor am Carolinum war. Hier ist 
Konrad Heusinger gemeint, vergl. Ein]. S. CXXXIJ, A. 6. 

[S. 446° smärtensgelder:) vergl. oben Anm. zu S. 292°. 

[S. 447° choristen:] vergl. Einleitung S. LXXIX. 

[S. 4487 durch den rektor:) Rektor war damals Georg Anton 
Christoph Scheffler, vergl. Einleitung S. CXXXII, A.1. 

[S. 457?® chorschüler:] vergl. Einleitung 8. LXXIX. 

[S. 4611? Das coneikium:] vergl. die unter 41 auf S. 411 fi. 
mitgeteilte Ordnung desselben. 

[S. 462!! Die westfälische regierung hob . . . das Carolinum 
auf:) vergl. die Einleitung CXXIX. 

[S. 462''"vom hochsel. herzog Friedrich Wilhelm im jahr 1814 
wiederhergestellt 2c.:) vergl. Einleitung 8. CXXXV. Herzog Fried- 
rich Wilhelm fiel bei Quatrebras am 16. Juni 1815, zwei Tage 
vor der Schlacht bei Waterloo. 

IS. 465° Das fürstl. directorium:] vergl. Einl. S. OXXXVL 

[S. 472°? verbindungen der Caroliner zu geschlossenen elubs:) 
Das Verbot der Verbindungen ist als eine Folge der Karlsbader 
Beschlüsse vom 20. September 1819 anzusehen. 

[S. 478" Mahn:) vergl. Einleitung 9. CXXXVIf. 

IS. 478!° Kunx:| Ferdinand Kunz, geb. 1755, war seit 1804 
schon am alten Carolinum ordentlicher Professor der Handels- 
wissenschaften gewesen, vergl. Eschenburg, Coll. Carol. S. ce 
Er starb am 13. Februar 1826. 

[S. 478'” Dedekind:] Julius Levin Ulrich Dedekind, eh: 
11. Juli 1797, 1820—22 Privatdozent in Göttingen, seit April 1822 
Prof. exträord,, seit 30. Dez. 1823 Prof. ordin. am Collegium Caroli- 
num. Als Syndicus hatte er auf die Verwaltung des Carolinums 
grolsen Einflufs. Er hielt Vorlesungen über Rechtswissenschaft, 
Geographie und Statistik. Sein Tod erfolgte am 2. August 1872. 

[S. 480%? dem ... realinstitute:] dem Institute des Dr. August 
Brandes, vergl. Einleitung S. CL. 

[S. 485° Hartwig:] vergl. Einleitung S. CLVIL, Anm. 2. 

[S. 485°* Brandes:] vergl. Einleitung S. CL, Anm. 2. 

[S. 486°? Friedemann] vergl. Einleitung 8. CLI, Anm,l. 


674 Anmerkungen 


[S. 4894° Bode ıc.:| Über Bode vergl. Einleitung 8. CLIV. 
Anm.3, über Henke Einleitung S. CLV, Anm. 1, über Petri 
Einleitung S. CL, Anm. 1, über Friedemann Einleitung 
S. CLI, Anm. 1. 

[S. 494°" gesetze für die schüler:] abgedr. unter 51 A S. W2f. 

[S. 498” maturitätsprüfung:) Über die Maturitätsprüfung an 
den Braunschweiger Schulen wird erst der 2. Band ausführlicher 
Mitteilung bringen, da die Einführung derselben mit der Schulge- 
schichte des ganzen Landes zusammenhängt. 

[S. 4991° bibliothek des Katharineums ıc.:| Über die Geschichte 
der Bibliotheken der Braunschweiger Gymnasien giebt Auskunft 
G.T. A. Krüger in der Vorrede zu dem 1837 herausgegebenen 
Verzeichnis der Bibliothek des Obergymnasiums zu Braunschwaig; 
vergl. Dürre, Gelehrtenschulen S. 42f.; Einleitung 8. CXVI. 

[S. 499?° collaborator Ountz:) Dr. Cornelius Cuntz, geb. 
1804 zu Dillenburg, wurde bei der Begründung des Gesamt- 
gymnasiums als Kollaborator am Obergymnasium angestellt, folgte 
bereits Ostern 1830 dem Direktor Friedemann ins Nassauische 
und wurde später Professor am Gymnasium zu Wiesbaden. 

[S. 501? musikdirector Hasenbalg:| Joh. Friedr. Hasenbajg. 
geb. 1773, seit 1807 am Martineum, pensioniert 1842, gest. 185). 

[S. 5023, desgl. 512° u. 626° Bode und... Henke: vergl. oben 
Anm. zu S. 489*°., 

[Zu dem Lehrplan der Katharinenschule von 1800 im An- 
hang:] Über die in diesem Lehrplan genannten Lehrer sei fol- 
gendes bemerkt: Heusinger, vergl. Einl. 8. CXXXII, Anm. 6: 
Pastor Ziegenbein, der Verfasser der im 2. Bande zu erwäh- 
nenden ‚Kleinen Bibel’, starb 1824 als Konsistorialrat und Abt 
von Michaelstein; Professor und Pagenhofmeister Dr. Hellwig 
starb 1831 als Hofrat; Drude, der den Titel Direktor hatte (der 
eigentliche Direktor Heusinger hiels professor dirigens, vergl. 
Einleitung 8. CXXXIX), wurde später Pastor in Beddingen: 
Schaller war Konrektor; Dr. Hörstel wurde später Professor 
am Carolinum und starb 1828 als Pastor zu Greene; Dr. Römer 
wurde später Konsistorialrat und starb 1855; Köchy starb 138 
als Professor am Carolinuın und Geh. Hofrat; Steger starb 18% 
als Professor am Carolinum; von dem Kantor Bürger und den 
Zeichenlehrer Reichard ist das Todesjahr nicht bekannt; der 
Schreib- und Rechenlehrer Hirschnitz starb 1834. 


Glossar 


2 


Vorbemerkung. Die gröfseren Zahlen bezeichnen die Seite, die kleineren die Zeile. 


A. 


abbet, Abt. 

ahberst, aber. 

acht me van noden 86 ?°, achtet man 
für nötig. 

achtent 77°, achten es, 

ader, oder. 

ader, 73°. 73. 7327, aber (vergl. 
die Einleitung II zu No. 14. A). 

afbrok, Abbruch, Schädigung. 

affgan, weggehen, sterben; na affgande 
59%, nach dem Tode. | 

affthosettende, abzusetzen. 

afhowen, abhauen. 

aflates breve, Ablalsbriefe. 

al hyr,. allhier. 

alrede, bereits. 

alse, alße, alze, als, wie. 

alßo forder, insofern. 

alz, als, nämlich. 

alzo, also, 50. 

amme, am, an dem. 

An, ane an, dar ane, daran. 

anbringent, das Vorbringen, die Vor- 
stellung. 

andechtich, pius, devotus, Titulatur 
geistlicher Personen. 


andehl des jarlones, Teil des jährlichen. 


Schulgeldes, eine Rate. 

andrapende, Plur. des Part. von an« 
drapen, betreffen. 

ane, ohne, ausgenommen, aufser; ane de 
seholemeystere, mit Ausnahme der 
Schulmeister 32 #, 

anffihren, anleiten. 

anführumg,. Anleitung. 

angeliaven, Part. von anheven, an- 
fangen. A 


angsthafftiich, Angst, Besorgnis be- 
reitend. 

anheven, anfangen. 

annameden, Imperf. von annamen, an- 
nehmen. 

annemen, annehmen, übernehmen, auf- 
nehmen als Schüler, in Dienst nehmen 
als Lehrer, anstellen ; Part. angenamen. 

annemer, der welcher jem. annimmt, an- 
stellt, Dienstherr. 

anrichten, errichten, einrichten. 

anseggen, melden, Nachricht geben, von 
Obrigkeits wegen ansagen, befehlen. 

anslan, Part. von anslan, anschlagen. 

anstan laten, anstehen lassen, unter- 
lassen. 

antiphen, Antiphone, ein kirchlicher 
Wechselgesang. 

antogen, anzeigen, aufgeben. 

an unde over wesen 20°, bei einer 
Sache als Zeuge zugegen sein. 

anvellich, was einen anfällt und daher 
überrascht, unvorhergesehen eintre- 
tend; anvellige not 303. 

appele, Plur. von appel, Apfel. 

arbeyt, Arbeit, Mühe, Not, Beschwerde. 

ärgerniß, Ärgernis, Anstofs, Verleitung 
zum Bösen. 

armot, Armut. 

arsten, Ärzte. 

aufnahme, Förderung, Zunahme, Ge- 
deihen. 

avent, Gen. avendes, Abend. 

aver, averst, aber. 


B. 
baccalarius, Plur. bacealarli, bacea- 
laries, baccalarien, Bakkalaureus. 
balde, sogleich, alsbald. 


37 


578 Glossar 


ban, Bann; to banne syn oder wesen 
20°, im Banne sein; to banne kun- 
deghen 20'7, mit dem Banne belegen. 

bannen, gebannt; de bannenen per- 
ners 20°%. 

banre, Banner. 

bare, Bahre. 

Barvote, Barfülser, Franziskanermönch; 
thon Barvoten, im Barfülser- oder 
Brüdernkloster, vergl. broder. 

baven, über. 

bearbeyden, danach streben. 

bedanken, Imperf. bedankeden, danken. 

bedarven, bederven, bedorven, be- 
dürfen. 

beddinge, Bettzeug. 

bede, Dat. von böt, Gebet. 

bedeboke, Gebetbücher. 

bedelere, Plur. von bedeler, Bettler. 

bedelye, Bettelei. 

beden, beten, bitten. 

bedenkent, Bedenken, Erwägung. 

bederben, gebrauchen. 

bedregerye, Betrügerei, Betrug. 

beduchte, bedünkte,. 

bedutlick, deutlich. 

befehlen, anbefehlen; befoln ampt 86 ®; 
de befoln knaben 87°, 

bevelen, Part. bevalen, anbefehlen, über- 
geben, anvertrauen, vertrauensvoll über- 
lassen. 

befestigung 75°, soviel wie vor 
vestigung, Friedloserklärung, Ächtung. 

begeren, begehren. 

beghinge, Imperf. von began, begen, 
begehen, feiern, zu jem. Ehren ein 
Totenamt halten. 

behende, was eine grölsere Geschick- 
lichkeit erfordert; wat bohendes sin- 
gen, etwas Künstliches singen, Gegen- 
satz: wat ringes unde graves 40". 

behertigen, beherzigen, erwägen. 

beholden, erlangen, erwirken. 

beide — unde, sowohl — als auch ; beide 
van der nyen angefangen ock an- 
deren scholen 85'°, sowohl zunächst 
bei der neuen Schule als auch bei 
den andern. 


beneven, neben. 

benogen, begnügen; sick hbenöogen 
laten 31', sich begnügen lassen, zu- 
frieden sein. 

ber, Bier; to bere gän, ins Wirtshaus 
gehen. 

berade, Dat. von berat, Überlegung. 

berch, Berg; uppe deme Berge, auf 
dem Berge, zu St. Cyriaci. 

bermhertich, barmherzig. 

beschedelick, bescheydelick, bestimmt, 
genau, deutlich, mit Verständnis; Adv. 
beschedeliken. 

besereven, Part. von besceriven, be- 
schreiben. 

beseggen, entscheiden. 

besloten, Part. von besluten, be- 
schliefsen. 

besonder, sondern. 

besondergen, besondern, besonders. 

best, am besten, am meisten. 

bestalt, Part. von bestellen, verrichten. 

bestantnisse, Bestand, Fortbestand. 

hestemmen, bestimmen, anordnen. 

bestemmet, bestimmt, festgesetzt. 

bestendich, von Bestand, dauerhaft. 

bestettigen 63°’, stetig machen, be- 
festigen. 

besundergen, besonders. 

besweren, belasten, beschweren, be- 
lästigen. 

beswerlick, beschwerlich. 

bet, bette, bitte, bis; bet her, bisher. 

beter, better, besser. 

beteren, beteren, bessern, besser schaf- 
fen, ändern. 

beteringe, beteringe, Besserung. 

bewerde universitet, bewährte Univer- 
sität. 

bewisen, refl., sich zeigen, erscheinen. 

by, bil, bei. 

hidden, bitten. 

blischole, Nebenschule, sonst auch 
Winkelschule oder Klippschule genannt. 

billick, billig, mit Recht. 

bylovisch, falschgläubig, abergläubig. 

bynnen, binnen, innerhalb. 

bysitter, Beisitzer. 








Glossar 


bisschop, Bischof. 

bystender, Plur. bystendere, Beisteher, 
Helfer. 

bytit, die nicht gesetzliche, die aufser- 
gewöhnliche Zeit; to bytiden, biltiden, 
aufser der Zeit 22*, in Nebenstunden 
48%, 

bliven, bleiben. 

block 47°, Block, wie es scheint ein 
Holzklotz, über den die Schüler wäh- 
rend der Züchtigung gelegt wurden. 

bock stave, Buchstaben. 

boke, boke, bouke, Plur. von bok, 
buk, Buch. 

bokesschen, Büchlein. 

borch, Burg; in der Borg, in der Burg 
Tankwarderode, zu St. Blasien. 

bord, Geburt; na Cristi bord, nach 
Christi Geburt. 

borgermester, borghemester, Bürger- 
meister. 

borgher, Plur. borghere, Bürger. 

böse schlecht; böse ey, bose kuken 
264, 

hoven, aufser, über, oben; wy boven 
gesecht 87'?, wie oben gesagt. 

boverye, Büberei. 

bref, Plur. breve, Brief, Schrift, Ur- 
kunde, Breve des Papstes. 

breth, Brett. 

broder, Bruder; brodere, Brüder; ton 
Brodern, zu den Brüdern (Franzis- 
kanern), im Brüdernkloster. 

broderlik, brüderlich. 

brucken, gebrauchen, anwenden. 

bruderschoppen 27°, Brüderschaften, 
fraternitates, sodalitates, geistliche 
Vereinigungen, aber freier als die 
Mönchsorden. 

hrugge, Brücke. 

bruken, brauchen,verwenden ;brukende, 
Infin. 26". 

buwen, buwen, bauen. 


C. 
capittel, Domkapitel; eappittelhuß,Haus, 
in dem die Sitzungen des Kapitels 
stattfinden. 


979 


Carthusere, Kartäuser, 1086 von Bruno 
zu Chartreuse bei Grenoble gestiftet. 

caspel, Kirchspiel, Kirchengemeinde. 

castenheren, Vorsteher der Kirchenkasse. 

chor, Chor in der Kirche, to ohore 
gan, zum Gottesdienst gehen; Schüler- 
chor, up beyden choren, in jedem 
der beiden Halbchöre, in die der 
Schülerchor sich teilte. 

christen, christlich; imme christenen 
geloven unde levende 3423, im christ- 
lichen Glauben und Leben. 

christene, Christen, Dat. ehristenen. 

christlik, christlich. 

eiteren, citieren, vorfordern. 

claves, die verschiedenen Notenschlüssel, 
34H, 

closter godere, Klostergüter. 

collecta, Kollekte, das zusammenfassende 
Schlufsgebet des Gottesdienstes. 

eontinueren, fortführen. 

coster, Küster. 

crütze, Kreuz; gedult edder erutze. 


D. 

dach, Gen. dages, Dat. dage, daghe, 
Plur. dage, Tag, Gedächtnistag. 

dagelik, täglich. 

dan, dann, nach Komp. als. 

dar, där, da, dort, dann. 

dar baven, darüber hinaus, aufserdem. 

darff, Präs. von darven, dorven, 
derven, brauchen; de ringeste ge- 
selie darf wol so geleret nieht syn 
31°®, braucht so gelehrt nicht zu sein. 

dar heyme, daheim; so is nemand dar 
heyme 25°, so will niemand etwas 
davon wissen, ist niemand bereit dazu. 

darhen, dabin. 

darinne, darin. 

dar mede, damit. 

dar sulves, daselbst. 

daruht, daraus. 

dar umme, darum. 

dat, das, dafs. 

de, der oder die, Artikel und Pronomen 
relativum und demonstrativum. 

dede, Imperf. von don, thun. 


37° 


580 


Glossar 





deff, Dieb. 

dehlen, teilen. 

dehlhaftich, teilhaftig. 

deinsth, Dienst. 

dekem, Dekan, Dechant. 

deme, dem. 

den, den, denen. 

denen, denen, tauglich sein. 

dener, Diener; scholen dener, Lehrer. 

denne, dann, denn, sondern, aber, nach 
Komp. als. 

denst, Dienst; 6toddes denst, Gottes- 
dienst. 

denstliek, dienstlich, nützlich. 

deputert, Part. von deputeren, zu- 
weisen, hinschicken. 

derven, brauchen. 

desse, Dat. dessem, Dat. plur. dessen, 
dieser. 

desulven, de sulven, dieselben. 

de wile, de wyle, dewile, dieweil, der- 
weilen, unterdessen. 

diit, dit, dyt, dith, dyth, dieses. 

disch, Tisch, Kost. 

do, da. 

do, thue, von dohn, thun. 

dogede,Plur. von doget,dogent, Tugend. 

dohn, don, doin, thun. 

dom, döme, Stift. 

dompapen, Dompfaffen, Domherren. 

döpe, Taufe. 

doran, daran. 

dorin, darin. 

dorch, durch. 

dorven, brauchen, wagen. 

dornoch, danach. 

dorntze, heizbares Zimmer, Stube. 

dorumb, dorumme, darum. 

dragen, tragen; drecht, trägt. 

dre, drie, drige, drei; Gen. drigere, 
drier, Dat. dren. 

drudde, dritte. 

drunken, betrunken. 

düchtich, duchtich, tüchtig, tauglich. 

düdesch, dudessch, deutsch. 

dudinge, Deutung, Auslegung. 

durffen, wagen. 

dusse, dieser, Dat. dusseme. 


duth, dieses, i. Gegens. zu dat. 
duvel, Teufel. 
dwank, Dat. dwange, Zwang. 


‘ dwingen, zwingen. 


E. 


E. E. W. 621! u. ö., Abkürzung für Eure 
Erbare Weisheiten, Titulatur des Rats. 

eff, efft, ob, wenn, falls, als ob, als wenn. 

ofte, effte, oder. 

egenkoppisch, eigensinnig. 

ehebrekerye, Ehebruch. 

ehelick, ehelich; ehelick werden, sich 
verheiraten. 

ehrlik, erlik, angesehen, ehrenwert, an- 
ständig, hochansehnlich. 

ey, Ei. 

einen, eynen, einigen, versöhnen. 

eyns, einmal. 

eyr, eher, früher. 

elderen, Eltern. 

em, ihm. 

en, Negation als Zusatz zu andern Ne- 
gationen, unmittelbar vor dem Verbum 
stehend und oft mit diesem zu einem 
Worte verbunden, z. B. 20°! en- 
schullen, 20°° en scholden etc. 

en, ihnen. 

enander, einander. 

enslan, zusammengesetzt aus der Nega- 
tion en und slan, schlagen. 

entginge, Imperf. von entgan, weg- 
gehen, entlaufen. 

entholden, aufnehmen, beherbergen, je- 
mandem Aufenthalt gewähren. 

entighen, entgegen. 

entogen, entzogen, Part. von enten 
oder entten, entziehen. 

entraden, entbehren. 

entwerder 49?, entweder, wohl Misch- 
form aus dem niederdeutschen »ent- 
wer« und dem hochdeutschen »ent- 
weder«e. 

er, ere, Pron. poss. ihr, ihre; in erem 
horis 60%. 

erbar,. ehrbar, ehrwürdig; ein erbkar 
radt. 

erbarcheyt, Ehrbarkeit, Ehre. 


Glossar 


erheit, Arbeit. 

ereugen, älter-nhd., ereignen. 

orgerliek, Anstofs erregend. 

ergern, ärgern, zum Unrecht verleiten. 

ergornisse, Anstofs. 

ergeste, Superl. zu areh, böse, so viel 
wie Schaden, Nachteil; taom ergesten 
uthleggen 89, übel deuten. 

erkant, Part. von erkennen, obrigkeit- 
lich entscheiden und festsetzen. 

erkantnisse, Erkenntnis; te erkannt- 
nisse stan 225, dem Urteil unter- 
liegen. 

erloven, erlauben, von einer Schul- 
stunde dispensieren. 

erregung, Erregung, Anregung, Antrag. 

errige 3eren, Irrlehren. 

ersam, ehrenwert. 

orstattang, Vergütung; meynes dinstes 
erstattung und sold 64?. 

ersten, eben erst, kürzlich, zuerst, zuvor. 

ertogen, erzogen. 

ertzney, Arznei. 

erve, Erbe. 

erwelede, Plur. des Part. von erwelen, 
erwählte, ausgewählte. 

esschede, heischte, forderte, Imperf. von 
eschen, esschen, heischen, fordern. 

etent unde drinkent, Essen und 
Trinken. 

etlike, etliche. 


F.V. 


valsch, falsch, unrichtig. 

van, von; vAm, vAmme, vom. 

vaste, fest, stark, rasch; vaste singen 
3425, in der hochdeutschen Übersetzung 
»bald singen«, d. i. rasch, gleich vom 
Blatte singen; den sanck vaste hol- 
den 35°, den Gesang mit starker Stimme 
halten. 

vaten, fassen. 

veer, vehr, ver, vier; tom verden, 
viertens. 

veftig, fünfzig. 

vegen, reinigen, plagen. 

vege vüres missen, Fegefeuermessen, 
Seelenmessen. 


581 


vehrtich, vierzig. 

feil, Fehl, Fehler. 

feylen, fehlen, mifslingen. 

veirteynhundert, vierzehnhundert. 

vele, viel, viele. 

velichte, vielleicht. 

velle, Konj. des Imperf. von vallen; 
offt sek dat alzo velle 20'°, wenn es 
sich ereignete. 

veranderinge, Veränderang; verande- 
ringe der preceptoren 87’, Wechsel 
der Lehrer. 

veringern, verschlechtern. 

verlichtinge, Erleichterung. 

verlohren, verloren, nur hier und da 
noch stehend, von den Haaren gesagt: 
kurtz und verlohren abgeschnitten 
194 3, 

vermaninge, Ermahnung. 

verndel, Viertel ; alle verndel jares 31°, 
alle Vierteljahr. 

verordente schole, errichtete Schule. 

verorsaken, veranlassen. 

versch, Vers eines Psalmes, versch 
umme versch; versche, Verse, Zei- 
len eines Gesanges. 

verspilden, vergeuden. 

versumelick, Vernachlässigung und da- 
durch Nachteil bringend. 

versumen, verabsäumen, vernachlässigen. 

verthädigen, verteidigen. 

verwisen, verweisen, entlassen. 

vesper, Vesper, Abendgottesdienst, 

vesper psalme, Psalme, die man in 
den Vespern zu singen pflegte, näm- 
lich Ps. 110—150 mit Ausschlufs des 
119. Psalmes. 

festlik, festlich, feierlich. 

vestliken, Adv., fest, strenge. 

fibulisten, Fibelschüler. 

flerdach, Feiertag, Sonn- und Festtag 
des flerdages und avendes 86°. 

viv, vive, viff, fünf; Dat. viven. 

fyn, fein, zart, schön. 

finieren 22, (viersilbig zu lesen), zu 
Ende führen. 

vint, vynt, Präs. von vinden, finden. 

virdage, Feiertage, Sonn- und Festtage. 


582 


fit, fiyt, viyth, viyt, Fleifs, Dat. Nite. 

vlitigen, Adv., mit Fleils, dringend. 

flitliken, Adv., mit Fleils. 

flux, flugs, sofort. 

voceren, berufen. 

voces, die verschiedenen Stimmen, wie 
Bafs, Alt etc. 

fodderung, Förderung. 

vohr villen, vorfielen, eintraten, Imperf. 
von vorvallen. 

vohr rede, Vorrede, Einleitungsworte. 

“ vohrwenden, verwenden, anwenden. 

foiren, führen. 

volck, Volk; Volk als Einwohnerschaft ; 
Gemeinde; Hausgesinde. 

volgaftich, Folge gebend, folgsam. 

volt, Praes. von vallen, fallen. 

vorachten, verachten. 

vorantwerden, verantworten. 

vorbeden, verbieten. 

vorbenömet, vorbenomet, vorgenannt; 
3931 nach der hochdeutschen Über- 
setzung der Kirchenordnung »furnehm«. 
Über »benomet« in diesem Sinne 
vergl. Schiller-Lübben I, 234b. 

vorbermen, refl., sich erbarmen. 

vorbigeghan, Part. von vorbigan, 
übergehen, unberücksichtigt lassen. 

vorboden, verboten. 

vorbund, Bündnis. 

vordedingen, schützen, verteidigen, auf- 
recht halten. 

vordel, Vorteil. 

forderen, vorderen 37°°, fördern 61*, 
vor Gericht fordern 32'9, auffordern, 
dazu antreiben. 

vordragen, vertragen; sick vordragen, 
sich einigen. 

vordraten, verdrossen. 

fordrechlich, was sich mit andern Sachen 
gut verträgt, passend. 

vordretlick, verdrielslich, zum Über- 
drufs. 

vordrot, Imperf. von vordreten, ver- 
driefsen. 

vordroten, überdrüssig. 

vordrucker, Unterdrücker. 

foren, voren, führen; gude sede voren, 


vorvank, 


Glossar 


gute Sitten üben, sich sittsam beneh- 
men; den baculum foren. 

vorerren, erzürnen, in Zorn versetzen, 
zum Zorn reizen. 

Vorgrif, Benachteiligung; 
to vohr vange 33 '%, zum Nachteil, 
zum Schaden. 

vorvestigung 77'”, Ächtung, Friedlos- 
erklärung. 

vorfortheilung, Übervorteilung. 

vorgeschreven, vorher geschrieben, vor- 
her bemerkt. 

vorgetten, der etwas vergilst, unein- 
gedenk. 

vorghenomet, Plur. vorghenomede, 
vorbenannt. 

vorgunnen 38'!, in der hochdeutschen 
Übersetzung »weren«, mifsgönnen. 

vorhegen, hegen, schützen, in acht neh- 
men, besorgen, versehen. 

vorhömoden, hochmütig behandeln. 

vorhoren, verhören, anhören, befragen; 
den defeotus scholae vorhoren 47, 
durch Vorlesung des Schülerverzeich- 
nisses die Absenten feststellen. 

vorhumpelen, zum Krüppel machen, 
mifshandeln. 

vorlaren, verloren. 

vorliken, vergleichen. 

vorlöff geven, Urlaub geben, entlassen. 

vorludde, Imperf. von vorluden, zu 
Grabe läuten. 

vorlust, Verlust. 

vormaels, vormals, ehedem. 

vormyden, vermeiden. 

vormochten, Konj. Imperf. von vor- 
mogen, Vermögen haben; de nichts 
vormochten 31°?, die kein Vermögen 
hätten. 

vormögen, vermögend, begütert. 

vornemen,wahrnehmen ; dehe vornympt 
nicht so geardet 35'%, die er nicht 
so geartet sieht. 

vornementh, Unternehmen. 

vornufft, Vernunft. 

vornuftig, vornunfftich 
nünftig. 

vorplichtet, verpflichtet; dusses lomes 


251 ver 


Glossar 


vorplichtet 21”, zu diesem Schul- 
gelde verpflichtet. 


vorramen, ins Auge fassen, festsetzen. 


vorschaffen, anschaffen. 

vorsereven, vorher geschrieben, vorge- 
nannt, supra scriptus. 

vorsöken, versuchen. 

vorstahn, verstehen. 

vorstandt, Verständnis, Wissen und 
Können. 

vorstender, Vorsteher. 

vorstendich, verständig, der eine Sache 
versteht, Einsicht darin hat; de kna- 
pen so des vorstendich syn 48°, 
die es verstehen. 

vorstendlick, verständlich. 

vorstocken, verstocken; up dat gelt 
vorstockede herten 26”, auf das 
Geld versessene Herzen. 

vorsumen, versäumen. 

vorsumelick, nachlässig. 

vortan,. alsbald, weiter, künftig, so- 
dann. 

vortgan, fortgehen, einen guten Fort- 
gang haben. 

vorimer, ferner, item. 

vortrag, Fortgang. 

vortrüwen, anvertrauen. 

vorweldigen, Gewalt an jem. üben. 

vorwenden, anwenden; vorgewant 
883, angewendet. 

vorwerven, erwerben. 

fram, frame, fromm, tüchtig. 

framen, Nutzen. 

fredesam, friedfertig. 

frevelde, Imperf. von frevelen, trotzig 
sein. 

fri, frige, frei; de frigen kunste, artes 
liberales. 

frylick, frei, ungehindert. 

fro, früh; so fro alse, sobald als, so- 
fern als. 

frombd, fremd. 

frome 22°, tüchtig, rüstig, der etwas 
schafft und vor sich bringt, zuw. auch 
fromm in unserem Sinne. 

frucht, Frucht; mit frucht, mit Nutzen. 

fruchte, Furcht. 


583 


fruchten, früuchten, fürchten; 6ades 
fruchtende, gottesfürchtige. 

frunde, Freunde, Verwandte. 

fruntlik, freundlich; up dat frunt- 
ligesthe, aufs freundlichste. 

fruntliken, Adv., freundschaftlich, im 
Wege des Vergleichs. 

fruntscup 22°, Freundschaft, gütliche 
Übereinkunft. 

fuglich, füglich, was sich leicht fügt; 
62'? fuglicher und bequemer. 

vulborden, genehmigen, bewilligen. 

vule buke, faule Bäuche. 

vulkamen, vollkommen. 

vur, Feuer. 

fürder, weiter. 

furste der werlt, Fürst dieser Welt. 


&. 

8. 8. Abkürzung für: gegebener Gele- 
genbheit. 

Gade, Dat., dades, Gen. von Got, Gott. 

Giades denste, Gottesdienste. 

@ades fruchte, Gottesfurcht. 

@ades wort, Gottes Wort. 

gadesfrüchtende, gottesfürchtige. 

gan, gehen. 

gantze stadt, soviel wie gemeyne stadt, 
vergl. wickbelde. 

gebade, Gebote. 

gehaden, geboten. 

gebeden, Part. von beden, bitten. 

geborlich, gebührend; up gehorlige 
und bestemmede tidt, zu der ge- 
bührenden und bestimmten Zeit. 

gedan, Part. von dohn, don, thun; he 
hefft sermones gedan 44%, gehalten. 

gedyen, gedyen, gedeihen. 

gedoft, Part. von döpen, taufen. 

gehilget dorch den hilgen geist 27", 
geheiligt durch den heiligen Geist. 

geholden, Part. von holden, halten. 

geholpen, Part. von helpen, helfen. 

geyt, Präs. von gan, gehen. 

gelard, gelehrt; wolgelarde, hoch- 
gelarde heren 851.3. 

gelegenhelt, Beschaffenheit, Lage. 

gelert, gelehrt, aber nicht ganz in dem 


584 


x 


Sinne, wie jetzt das Wort gebraucht 
wird; gelerde hulpere, 22°!, sind 
Hülfslehrer, die studiert haben, im 
Unterschiede von denen, die aus der 
Zahl der älteren Schüler genommen 
sind, vergl. eynnen gelerden helper 
29°, eynen gelerden reotor 29°, 

gelick, gleich, gleichmäfsig. 

gelickmatich, gleichmälsig, mit etwas 
übereinstimmend. 

gelt saken, Geldsachen. 

gomeyno caste, Kasse der »gemeinen 
Stadt«, im Gegensatz zu der Kasse 
des einzelnen Kirchspiels. 

gemeyne sanck, gewöhnlicher Gesang. 

gemeyne lohn, gewöhnliches Schulgeld. 

gemene, Gemeinde, Bürgerschaft. 

gemene und fry, allen zugänglich. 

geneget, geneigt. 

genoch, genoch, genug, hinlänglich. 

genomen, Part. von nemen, nehmen; 
angenomen, angenommen. 

genomet, Part. von nOmeR, nennen; 
Plur. genomede. 

gentzlichen, Adv. ganz, vollständig. 

geraden, geraten. 

gerede, geriete. 

geseheyn, geschehen ; Imperf. geschach. 

geschickede kyndere, Kinder, die Ge- 


schick haben, geschickte, wohlbe- 
anlagte Kinder. 
gesecht, Part. von seggen, sagen- 
gesell, Schulgesell, Hülfslehrer; de 


ringeste geselle, der unterste, nie- 
drigste Lehrer; magistris, cantoren und 
gesellen 85”, preceptores und schol- 
gesellen 86°, cantorn unde schol- 
gesellen 86°, preceptores edder ge- 
sellen 87*. 

gesenge, chor gesenge, Chorgesänge. 

gesette, Gesetze, Bestimmungen. 

gesocht, Part. von soken, suchen, um 
etwas ersuchen, bitten. 

gestalt, Part. von stellen, stellen. 

getruwe, getreu, fidelis. 

geven, geben. 

gewanen, gewöhnen. 

gewanheit, Gewohnheit; na gewanheit 


Glossar 


343, praktisch, durch Einübung und 
Gewöhnung, Gegens. kunstliek, nach 
den Gesetzen der Kunst und Wissen- 
schaft, theoretisch. 

gowarden, abwarten. 

gewennet, gewöhnt. 

gewonlick, gewönlich. 

ghebeden, Part. von beden, bitten. 

ghebrek, Gebrechen, Mangel. 

ghoekomen, Part. von komen, kommen. 

ghelegenheilt, passende Gelegenheit; 
umme ghelegenheit der stede 87®, 
wegen der passend gelegenen Stätte. 

ghesein, Part. von sein, sehen. 

gheven, geben. 

87; ihr. 

gift, soviel wie Gabe und mit diesem 
Worte allitterierend verbunden; nicht 
auf gift und gabe sehen, sich nicht 
bestechen lassen. 

gnade, Vergünstigung, Privilegium. 

gnugsam, genugsam, hinlänglich. 

godere, güdere, Güter; van kereken 
guderen beselden 60°, aus den Ein- 
nahmen der Kirchengüter bezahlen. 

Got, Gen. Gades, Geddes, Gott; 19°! 
van 6toddes gnaden. 

godtlik, göttlich. 

gotlike neringe 35 2, nach der hoch- 
deutschen Übersetzung » göttliche na- 
rung«, d.i. gottgefällige Nahrung, aber 
richtiger wohl so viel wie gadelike 
neringe, passendes Geschäft. 

gotlos, gottlos. 

gracien, Privilegien. 

grekiseh, griechisch. 

grof, grob, schlicht; wat ringes unde 
graves singen 40°, etwas Geringes 
und Gewöhnliches, das keine grofse Ge- 
schicklichkeit erfordert, singen, Gegens. 
wat behendes. 

grofflich, gröblich. 

grot, grofs. 

grottesten, gröfsesten. 

gudes dohn 29?®, gutthun; to gude, 
zum Heile. 

gunnen, gönnen. 

gunstich, günstig, freundlich, geneigt. 


Glossar 585 





zutlick, freundlich, wohlwollend. 

gutliken 22°, Adv., im Wege der Güte, 
im Gegensatz zu dem Rechtsweg, vergl. 
8°f. in iure, in amieitia. 


hadersaken, Streitigkeiten, Prozesse. 

Hagen, der Hagen, eins der 5 Weich- 
bilde, vergl. unter wiekbelde. 

half, halb; in deme ersten halren 
jare, im ersten Halbjahre. 

halven, halben, willen. 

halt, Präs. von halen, holen. 

handel, Handel; 35% Berufsthätigkeit; 
gerichtlicher Handel, Prozefs, Plur. 
hendele 61. 

har, Haar; by den harn 47°. 

he, er. 

hebben, hebbende, haben. 

hedde, hätte; hedden, hätten. 

hefft, heft, hat. 

heilde, heylde, 
holden, halten. 

helle, Hölle. 

helpen, helfen. 

helper, hulper, Hülfslehrer; 36!! der 
Adjutor des Superintendenten. 

helsch, höllisch. 

hen, hin. 

hendele, Plur. von handel. 

her, here, Herr. Plur. heren, Herren. 

herbergen, beherbergen. 

herte, Herz. 

hertogh, Herzog. 

heten, heifsen. 

Hierusalem, Jerusalem. 

hillich, heilig; des hilghen apostels; 
hilge scrifft; hilge avent, Abend 
vor einem Festtage; 
avendes unde des hilgen dages. 

hillicheit, Heiligkeit. 

hinderen, hindern. 

hir, hyr, hier. 

hochlich, höchlich, sehr. 

hof, hov, Dat. hove, Hof; Gerichtshof; 
Landgut. 

hohemes, Hauptgottesdienst, missa sol- 
lemnis. 


Imperf. Konj. von 


des hilgen: 


hoiden, hüten. 

holden, halten; Präs. holt, hält. 

holten, hölzern. 

holtgelt, Holzgeld, eine von den Schülern 
an den Lehrer zu entrichtende Abgabe; 
86 17 tho holtgelde. 

horen, hören, hören, gehören. 

horerye, Hurerei. 

hulpe, Hülfe; tohulpe, zu Hülfe. 

hus, huß, Haus, Plur. hüsere. 

husholden, im Haushalt sich beschäfti- 
gen, wirtschaften. 

hus moder, Hausmutter; Plur. hus 
moderen 37?®, 


J.I.Y. 

jagen, übermäßsig eilen. 

jar 74%, gar. 

jar, Jahr. 

d. A. W. 85° Abkürzung für juwe 
achtbar wishelden, eure achtbare 
Weisheiten, oder nach 88% juwe acht- 
bar werden, Titulatur der Ratsherren ; 
so auch J. W. 85%, 85%, 

id, it, es. 

ider, yder, jeder. 

idoch, ydoch, jedoch. 

jegen, gegen. 

jegenbericht, Gegenbericht, Einwen- 
dung. 

jegenwordich, gegenwärtig, anwesend. 

jenne, yenne, jener; mit Artikel der- 
jenige. 

jennich, irgend ein. 

jennigherleye, irgend welcher Art. 

jewelik, jeglicher. 

ift, ob, wenn. 

imants, jemand. 

imme, im. 

inbylden, einprägen. 

ingesettet, eingesetzt. 

inkament, Einkommen. 

inne hebben, enthalten. 

in rechte 22°, im Rechtswege, vergl. 
8! in iure. 

inseriven, einschreiben. 

instaden, zulassen. 

int, ins, in das; int erste, zuerst. 


586 


Glossar 





intituleret, eingeschrieben, aufgenom- 
men. 

jo, ja, sicherlich, jedenfalls. 

Joden, Juden. 

joget, joget, Jugend. 

irrung, Streit. 

itlige, etliche, einige. 

itsund, jetzund, jetzt. 

itzunder, jetzt. 

jungker, junger Herr vom Adel, Junker; 
alse jungkern 86°". 


K. 


kamen, kommen; 59'° wor anders hen 
kamen, zu einem andern Zwecke ver- 
wendet werden. 

kan, kann, Präs. von kunnen, konnen, 
können. 

kappe, mantelartiges Mönchsgewand, 
nicht blofs Kopfbedeckung. 

keke 32, koke 32°°, Feuerherd, Feuer- 
kieke, vergl. Grimm, Wörterb. V, 673; 
Weigand, Deutsches Wörterb. 1,581. 
Die hochdeutsche Übersetzung der 
Kirchenordnung giebt beidemal das 
Wort durch »herdt« wieder. Vergl. 
auch Hänselmann, Bugenhagens 
Kirchenordnung S. 366. 

kemet, käme es. 

kercke, kerke, Kirche. 

kerckhof, Kirchhof; up deme kerck- 
have 41°, auf dem Kirchhofe. 

kerchwyunge, Kirchweih. 

kynderken, Kindlein. 

kynt, kinth, Plur. kyndere, Kind. 

klarliken, Adv., deutlich, 

kleden, kleiden, bekleiden; sine stede 
kleden, an seinem Platze sein. 

klockenslach, Glockenschlag. 

köken latyn 34!, Küchenlatein, schlech- 
tes Mönchslatein, sonst auch wohl 
Kloster- und Kuttenlatein genannt. 

kokene, kokene, Küche. 

komen, kommen. 

koönen, können. 

kop, Kauf; de anderen hebben noch 
beteren kop 31'2, die andern stehen 
sich noch besser, haben es noch billiger. 


kost, Beköstigung, Kosten, Aufwand, 
Unkosten. 


‚kostel, köstlich, trefflich. 


kranken, krank sein. 

kregen, Konj. des Imperf. von krigen, 
bekommen. 

kret, Hader, Zank, Streit. 

kreten, streiten, zanken; Imperf. kre- 
teden. 

krigen, kriegen, bekommen. 

kuken, Küchlein. 

kume, kaum. 

kumpt, Präs. von komen, kommen; 
kumpt uth 4621.2., kommt aus, 
kommt zu Ende. 

kundeghen, verkündigen, ansagen; to 
banne kundeghen 20'', in den Bann 
thun, mit dem Banne belegen. 

kunnen, können. 

kunst, Wissenschaft, Geschicklichkeit. 

kunstlick 34°, nach den Gesetzen der 
Kunst und Wissenschaft, theoretisch, 
Gegens. na gewanheit, praktisch. 


L. 

lank, lange, lange; so lange dat, so 
lange bis. 

laten, latende, lassen. 

latinisch, lateinisch. 

laven, loben; &ot sy gelavet, Gott sei 
gelobt, gottlob. 

lectien, Lektionen, Lehrstunden, Vor- 
lesungen, Lesungen biblischer Ab- 
schnitte im Gottesdienst- 

lecht, Präs. von leggen, legen. 

lede, Imperf. von leggen, legen; Part. 
gelecht, gelacht, geleit. 

lede, Plur. von l6t, Lied. 

lef, leve, lieb, wert. 

legenheit, Gelegenheit, Beschaffenheit; 
na legenheit, nach Lage der Sache. 

legen unde bedregen 26%, Lügen und 
Betrügen, Lug und Trug. 

lengk, alter Komp., länger. 

leyden, leiten, führen, geleiten; wen de 
brut in de kerken geleydet is 
323, 

leidenlich, was sich leiden, ertragen 


Glossar 


läfst; so leidenlich 64%, falls es 
möglich ist. 

leyen, Laien. 

leyten, Imperf. von laten, lassen. 

lere, Lehre, Unterricht. 

lerede, Imperf. von leren. 

leren, lehren, lernen. 

lernen, dasselbe wie leren. 

lesen, lesen; Vorlesungen halten; die 
Bibelabschnitte beim Gottesdienste vor- 
lesen und rezitieren; singen unde 
lesen 29°, #4. yam singende unde 
lesende der scholekynderen in der 
kerken 38 Überschrift. 

lest, letzt; thom lesten, zuletzt. 

lesteren, lästern, schmähen. 

let, Lied. 

leten, Imperf. von laten, lassen. 

letst, letzt, na deme letsten avent- 
male 46%. 

leve, Liebe. 

leven, leben. 

levent, Leben; Gen. levendes; in dis- 
seme levende 2814, 

lever, lever, Komp. von l6f, lieb. 

lichtverdigen, Adv., leichtfertig, ohne 
Überlegung. 

licken, lecken. 

liden, Iyden, leiden; not liden 37?, 
Not leiden. 

lif, Leib; dat sacramente des lives 
unde bludes Christi 372, 

locate, Unterlehrer, Lokat. 

lögener, Lügner. 

lon, lohn, Lohn, Schulgeld. 

lopen, lopen, laufen. 

los, los, locker, leichtfertig. 

love, Glaube, in gudeme loven 35!°, 
bona fide, ehrlich; das apostolische 
Glaubensbekenntnis. 

Iude, laut. 

lIude, lade, Leute. 

Iuden, läuten. 

Luneborch, Lüneburg. 

lust, m., Lust; wenigen lusten hebben 
8731, geringe Neigung haben. 

Iuth, laut; Iuth der ordeninge 86°. 


587 


M. 

mael, mal; 58°! up dit mael, für dieses 
Mal. 

maget, denstimaget, Magd, Dienstmagd. 

mahl, mal, vele mahl, vielmals. 

maken, machen, anfertigen. 

malk, männiglich, jeder. 

man, Plur. manne, Mann, Lehnsmann. 

manck, mancken, zwischen, dazwischen. 

mandach, Gen. mandages, Montag. 

mannichfoldicheit, Mannigfaltigkeit, das 
Zuvielerlei. 

man, mant, Monat. A 

marien groschen, mareigroschen, 
Mariengroschen, 8 Pfennig an Wert. 

mate, Mals; uth der maten sere, 33%, 
über die Malsen. 

mathier, Matthier, Matthiasgroschen, 
4 Pfennig an Wert. 

me, man. 

mechtich, fähig, imstande. 

mede, Adv. mit; dar mede, damit. 

meyniuge, Meinung, Sinn. 

men, man; nur. 

menen, meinen, beabsichtigen, den Plan 
zu etwas entwerfen. 

menigerleie, mennigerleye, mancher- 
lei, mannigfach. 

meninge und vorstandt, 85'!, Meinung 
und Auffassung. 

menuichlich, jeder. 

mer, mere, mehr. 

messe, s. misse. 

mester, Meister, Schulmeister; de 
mestere myt den oren, die Meister 
mit ihren Gehülfen 22°. 

metich, mäfsig, nicht zu laut. 

meticheit, Mäfsigkeit, Mafshaltung. 

metigen, Mals und Ziel setzen, fest- 
setzen, ordnen. 

mette, Mette, Frühgottesdienst, matutina; 
metten psalme 39, Psalme, die in 
der Mette gesungen wurden, nämlich 
Ps. 1—109, während man Ps. 110 bis 
150 mit Übergehung von Ps. 119 als 
Vesperpsalme verwendete. 

middach, Mittag; vormiddages, vormit- 
tags; namiddages, nachmittags. 


588 


middelmatesch, mittelmälsig; mit mid- 
delmatescheme stemmen, nicht zu 
hoch und nicht zu niedrig. 

my, mir. 

myn, minder, weniger. 

mynschen, Menschen. 

misbruck, Milsbrauch. 

misse, Messe, auch in der lutherischen 
Kirche Bezeichnung des Hauptgottes- 
dienstes, mit dem die Feier des Abend- 
mahles verbunden war; hohmisse, 
missa sollemnis; singende misse, 
Gegensatz zu der stillen Messe. 

mitradt, Beirat. 

möde, müde. 

mogen, moghen, dürfen. 

moye, Mühe. 

monnik, Mönch; monnike kappen, 
Mönchskappe, Mönchsgewand ; monue- 
keslöpent 39 '%, schleppender Gesang, 
wie er bei den Mönchen üblich war. 

moste, Imperf. von moöten, müssen, 
dürfen. 

mot, Präs. von moten, müssen. 

motig staen, mülsig stehen; dusser 
scholen motig staen 76°?°, dieser 
Schule fern bleiben. 


? N. 

na, nach. 

nabescreven, hiernach beschrieben. 

nabliven, unterbleiben, unterlassen wer- 
den. 

nagelaten, nachgelassen. 

nagesohreven, hiernach geschrieben, im 
folgenden verzeichnet. 

namals, nachmals, später. 

namhafftich, benannt, bestimmt; 48° 
eyn namhafftiger dach. 

nascreven, hiernach geschrieben, hier- 
nach verzeichnet, folgend. 

negede, neunte. 

neghen, neun. 

neyn, nen, keiner; Plur. neyne, keine. 

nemen, nehmen, empfangen; 10 ne- 
mende, zu nehmen. 

nemende, nement, niemand. 

nergende, nirgends. 


Glossar 


neringe, Nahrung, Erwerb, Geschäft, Be- 
ruf; redelike unde gotlike neringe, 
anständiges und passendes Geschäft, 
vergl. unter gotlike. 

neven, neben. 

Nye Stadt, die Neustadt, eins der 5 
Weichbilde, vergl. unter wickbelde. 

nige, nye, neu; uppe dat nye, aufs 
neue. 

noch, nach; dennoch, trotzdem. 

noch — edder 87°, weder — noch. 

nochhafftigh, genügend. 

nodich, nötig. 

nömen, nennen; genömet, genannt. 

not, not, Plur. node, Not; von noden, 
von nöten, nötig. 

notrofft,Notdurft ;32°!to redeliker unde 
vorbenomeder notrofft lautet in 
der hochdeutschen Übersetzung der 
Kirchenordnung: »zu redlicher und 
fürnehmer nottrofft«, was wohl so viel 
heilst wie: »so dafs dem Bedürfnis in 
anständiger und vorzüglicher Weise 
entsprochen wird«. Vergl. »vor- 
benomet«. 

nottrofftich, notdürftig; de nottroff- 
tigen, die Dürftigen. 

nu, nun, da. 

nutlik, nützlich. 

nutt und fromen, Nutz und Frommen. 

nutte, nutte, nütte, nützlich, brauch- 
bar, tüchtig. 

nutticheit, Nutzen, Vorteil. 

nutzbarkeit, Nutzen. 


©. 
oberst, oberste, aber. 


obligt, aufliegt; 88°’ deme . . vele 
obligt, auf dem viel lastet. 

offeren, opfern. 

offenderen, beleidigen. 

offt, wenn. 

offte, oder. 

ohr, ihr, ohre, ihre, umme ohrer 


kinder willen, ihrer Kinder wegen. 
ok, ock, auch. 
Oldenstadt, Altstadt, das angesehenste 
der 5 Weichbilde (vergl. unter wick- 


Glossar 


belde), dessen Rate die Aufsicht und 
Verwaltung des Martineums zustand. 

Oldenwyck, die Altewik, eins der 5 
Weichbilde der Stadt, vergl. unter 
wickbelde. 

oldern, olderen, Eltern. 

olt, alt; von oldes, von alters ber 

ome, ihm. 

on, On, one, ohne, ihnen. 

openbare, opinbar, Adv. 
öffentlich. 

ordel, Urteil. 

vrdeninge, ordinantie, Ordnung. 

ordineren, zum Amte einweihen ; leetio- 
nes ordineren, die Schulstunden ord- 
nungsmälsig halten 86 ®, 

ore, Ore, ihre. 

oreme, Oreme, ihrem. 

orer aller, ihrer aller. 

orloff geben, Urlaub geben, aus dem 
Dienste entlassen. 

orsake, orsake, Ursache, Veranlassung, 
Grund, Grundlage. 

öven, üben; Ovinge, Übung. 

over, über. 

uvericheit, Obrigkeit. 

overlesen, überlesen, das in der Schule 
gelernte zu Hause repetieren. 


offenbar, 


overnehmen, zu viel von jem. nehmen. 


overrumpelen, übereilt und nachlässig 
absingen. 

overs, overst, overst, överste, aber. 

overtreden, über etwas hinausgehen. 

overtreder, Übertreter. 


P. 

pape, Pfafl, Weltgeistlicher, ohne üble 
Nebenbedeutung. 

par, Paar; by paren, paarweise, 

pare, Pfarre; Parochie, Kirchspiel ; Pfarr- 
kirche; 40% in allen vyff groten 
paren. 

parlude, Pfarrkinder, Mitglieder der 
Kirchengemeinde. 

part, Teil, Abschnitt, Abteilung. 

particular, neutr. gen., weil studium zu 
ergänzen, die Partikularschule, Latein- 
schule. 


589 


partiren, Hehlerei treiben, betrügen. 

Paschen, Passahfest, Ostern. 

paves, pawes, Gen. paveses, Papst; 
paveses breve, paves breve, päpst- 
liche Erlasse. 

peene, Plur., lat. poenae, Strafen. 

perner, pernere, Pfarrherr, Pfarrer. 

plach, Imperf. von plegen, pflegen. 

plegen, pflegen; me plecht, man pflegt. 

prebende, Präbende, Pfründe. 

position, Satz, These. 

predickstol, Predigtstuhl, Kanzel. 

predike, Predigt. 

prediken, predigen. 

prelat, Prälat. 

prophetia, ein Abschnitt des Alten 
Testaments. 

pulmet, Lesepult, die sogenannte kleine 
Kanzel oder Ambon, in den römischen 
Kirchen an der linken Seite des Altars 
befindlich, lat. pulpitum. 


quad, böse. 

quam, Imperf. von komen, kommen. 

queme, Konj. Imperf. von komen, 
kommen; 30° to queme, zukäme. 


BR. 

rad, rat, radt, Gen. rades, Dat. rade, 
Plur. rede, Rat, Ratsversammlung; 
Rat (consiliarius). 

radman, Plur. radmanne, Ratsmann, 
Mitglied des Rats. 

rädtlich und dinstlich sein 64°, mit 
Rat und That zur Seite stehen. 

rechtvorstandige, Rechtsgelehrte. 

rechticheyt, Gerechtsame, Berechtigung. 

rede, bereits; rede, Plur. von rad. 

redelik, vernünftig, wohlbegründet, recht- 
mälsig, gebührend, gehörig. 

röge, Reihe, Zeile, Vers. 

regeren, verwalten, regieren, leiten. 

regeres man 29°, Regierer, Leiter, 
Aufseher. 

reytsen, reytsende, anreizen, locken. 

resumeren, durchnehmen. 

richten, vergleichen, versöhnen; be- 
urtheilen. 


590 


riege, Reihe; auf der riege 186%, auf 
der Reihe, Haus bei Haus. 

rik, rike, reich; rike dage, Reichtum, 
eig. reiche Tage. 

rike, Reich; dat rike Gades, das Reich 
Gottes. 

rymen refl, sich reimen, 
stimmen, passen. 

ringe, gering, wenig; de ringesten 
jungen 29°, die kleinsten Knaben, 
ringer wen mit etc. 291, mit we- 
niger als. 

rode, Rute. 

ruchelen, eine Art Chorhemd; 21* 
scholre de ruchelen hedden. 

ruchte, Gerücht, Ruf; 26° schand 
ruchte. 

ruhm, Raum, Zeit; 44° rumes genoch, 
Raum, Gelegenheit genug. 


sachtmodicheit, Sanftmut. 

Sack, der Sack, eins der 5 Weichbilde, 
vergl. unter »wickbeldes. 

sake, Sache, Rechtshandel. 

salich, selig. 

salicheit, Seligkeit, Heil, Glück, salus. 

sangk, Dat. sange, Plur. senge, Gesang. 

sanckböke, Gesangbücher. 

scatten, schatzen, mit Abgaben belegen. 

schand ruchte, Schandgerücht, böser 
Ruf. 

schal, soll. 

schat, Schatz; schat caste, Kasse, 
Kirchenkasse; schat casten heren, 
Vorsteher der Kirchenkasse. 

schendich 59", Schande bringend, 
schimpflich; schendige 30%, die ein 
schandbares Leben führen. 

schendlick leven, ein schandbares Leben 
führen. 

scherf, Scherf, !/a Pfennig. 

scherren, scharren, to samende 
scherren, zusammen scharren. 

schicken, refl., sich richten, sich ein- 
richten. 

schickelick, schickerlick, schicklich, 
der Ordnung gemäls. 


uberein- 


Glossar 


schilling, Schilling, 12 Pfennig an Wert. 

schyn, Schein; alse id eynnen schyn 
hefft 28?®, wie es den Anschein hat. 

schyr, fast; glatt; unde schyr vortan 
46°, und so weiter. 

scholden, sollten. 

schole, Schule. 

schole geselle, Lehrer, Hülfslehrer. 


‚seholekunst, Schulwissenschaft. 


scholer, Plur. scholere, scholer, 
scholre, Schüler. 

schol lon, Schulgeld. 

schol regiment, Schul-Verwaltung. 

scholtucht, Schulzucht, Schulordnung. 

schriven, seriven, seryven, schreiben: 
Part. sereven, geschrieben. 

schrivelschole, scrivelschole, Schreib- 
schule. 

schrifflik, schriftlich. 

sehullen, sollten. 

schwermerye, Schwärmerei, Benennung 
für die revolutionäre Bekämpfung der 
kirchlichen Lehren und Einrichtungen, 
wie sie z. B. bei Karlstadt und den 
Wiedertäufern hervortraten. 

serift, scrifft, schrifft, das Schreiben, 
das Geschriebene, die Schrift; hilge 
scrifft. 

scrivelmester, Schreiblehrer. 

Be, sie. 

secht, Präs. von seggen, sagte. 

sede, Sitte; Plur. sede;s gude sede 
voren 47%, gute Sitten üben. 

seggen, seghen, sagen. 

sek, sich. 

selemissen, Seelenmessen, Memorien. 

sen, sein, seyn, sehen, tho sehnde 87 °?. 

senge, Plur. zu sanck, Gesänge. 

senteneien, Urteilspruch, gerichtliches 
Erkenntnis. 

sere, sehr. 

sermon, Predigt. 

seß, sechs. 

seten, Imperf. von sitten, sitzen. 

seven, sieben. 

sy, sei. 

sick, silk, sich. 

slid, Seite. 





Glossar 


sin, Syn, Syn, sein, esse. 

sin, sein, suus; de sine, die seinigen, 
21?! seine Lehrer, 223 seine Schüler. 

singende misse 44°”, die gesungene 
Messe, im Gegensatz zu der stillen 
Messe. 

slecht, Geschlecht, Patrizierfamilie; ein 
junge van den slechten 31°, ein 
Knabe aus den Geschlechtern. 

slege, Schläge; tho dren slegen 76°”, 
um 3 Uhr. 

slicht, schlicht, einfach. 

80, So, wie, wenn. 

sodan, soden, eig. so gethan, so be- 
schaffen, solch; sodans, solches. 

so forder, insofern. 

söken, suchen. 

so lange dat, so lange bis. 

solarien, Besoldungen. - 


solt, Besoldung; gewisse jarlich 
solde, bestimmte jährliche Besol- 
dungen. 


sonderge vlit, besonderer Fleils. 

sondergen, sundergen, Adv. besonders. 

30386, sechs. 

soste, sechste. 

speldach, Spieltag. 

spel, Spiel; mit spele gande, mit 
spielen gehen, mit spielen. 

spreken, sprechen. 

sproke, Spruch; sproke, Sprüche. 

staden, eig. eine Stätte geben, zulassen. 

stalt, Gestalt; geliker stalt 88°, 
gleicherweise. 

stameren, stammeln, stottern. 

slan, schlagen. 

stan, stän, stehen, dastehen. 

slange, Schlange. 

stede, stedes, beständig, stets. 

stemme, Stimme. 

sthan, stehen. . 

sticht, stichte, stifft, Stift, vorwiegend 
nur zur Bezeichnung eines Kollegiat- 
stiftes gebraucht, z. B. unses stichtes 
to sunte Blaesiese 20% aber auch 
zur Bezeichnung eines Klosters, z. B. 
to erkantnisse der prelaten der 
vorscrevenen drigere stichte 22'5, 


91 


nämlich des Agidienklosters und der 
Stifte zu St. Blasien und St. Cyriaci. 

stichten, stiften. 

stidde, Stelle. 

stol, stoel, Stuhl; van dem stole to 
Rome 20, von dem päpstlichen Stuhle 
zu Rom; sinen stoel forder setten 
76°, nach einem andern Orte ziehen. 

stoten, stofsen. 

stunt, Imperf. von stan, stehen. 

stupe, eig. der Pfahl, an den der, welcher 
gezüchtigt werden sollte, gebunden 
wurde, dann überhaupt Geifselung, 
Geilsel; mit roden unde stupen han- 
deln 8728, 

strecken, erstrecken. 

sulf, sulve, sulvest, selbst; dar sulves, 
darsulvest, daselbst; de sulve, der- 
selbe. 

sulck, sulk, sulk, solch; sulke, sulke, 
solche; Gen. Plur. sulker. 

sunde, Sünde. 

sunder, sonder, ohne; sondern. 

sunderk, besonder; mit sundergeme 
arbeyde 28°; up einen sundergen 
dach 60". 

sunderlige viyth und moye 85?, be- 
sonderer Fleifs und Mühe; sunderlige 
preceptoren 85°, besonders gute 
Lehrer; sunderlige scholtucht 85‘, 
besonders gute Schuleinrichtung. 

sunderlike schole, höhere Schule. 

sunderliken, Adv., besonders. 

sundlik, sündhaft. 

sunte, sanct; to sunte Blasiese, zu 
St. Blasien; sunte Jacob, sunte 
Martene. 

sunte Blasii dagh 21°, 3. Februar. 

sunte Johannis dach 48°?, 24. Juni. 

sunte Mathias dach 21'!°, 22. Februar, 

sus, sonst, auf andere Weise, im übrigen. 

S. W. 85°, Abkürzung für sine werde, 
seine Würde, Titulatur eines höheren 
Geistlichen. 

swar, schwer. 

T, 
tal, Zahl, Anzahl. 
tehen, ziehen. 





592 


Glossar 





teyn, zehn. 

teyndusent, zehntausend. 

temelick, geziemend, gebührend, an- 
gemessen. 

teringe, Zehrung, Essen und Trinken. 

theyn, ziehen, darin theyn 207.9, 
heranziehen. 

thon, zu den, z. B. thon Brodern, 
thon Barvoten, im Brüdern-, im 
Barfüfserkloster. 

tho vallen, stattfinden. 

thovorordenen, zuordnen, beiordnen, 
zuteilen. 

thovorne, zuvor, vorhin. 

thokamende, zu kommen. 

tidt, tyd, tydt, Zeit; to tyden, zu Zeiten. 

tigen, gegen. 

to blitiden, aufser der Zeit; s. biitit. 

to, zu; tom, tome, zum; ton, zu den. 

to, tho, zu; bei Infinitiven bald ge- 
trennt, bald mit dem Verbum zu einem 
Worte verbunden. 

to vorn, to vorne, zuvor, vorhin. 

to gan 44%, zugehen. 

togeneget, zugeneigt; dar he best to- 
geneget is 21?°, wozu er am meisten 
Lust hat. 

togerichtet, Perf. von toriehten, zu- 
richten, vorbereiten; fyn thogerichtet 
60'2, gut vorbereitet. 

tohulpe, zu Hülfe. 

ton, Ton, Tonart oder Sangweise, in der 
die Psalme vorgetragen wurden. 

tor, zur, zu der. 

toringe, zu wenig; vergl. ringe. 

torn, Zorn. 

tosage, Zusage, Versprechen. 

to samende, zusammen. 

toseggen, ansagen, befehlen. 

tosehn, zusehen. 

tracteren, behandeln, erklären, durch- 
nehmen. 

treden, treten. 

truweliken, Adv. getreu. 

truwen, trauen, sich zutrauen, glauben. 

tüchnisse, Zeugnisse, 

taucht, Zucht, Sittsamkeit, Erziehung, 
Bildung. 


tüchten, Plur. von tucht ; Zucht; in 
tüchten 37”, in Zucht und Ehren, 
in Ehrbarkeit. 

tuchtich, tuchtig, züchtig, sittsam. 

tungen, Zungen, Sprachen. 

turstiglich, kühn, frech. 

twe, Dat. twen, zwei. 

twedracht,. twidracht, Zwietracht. 

twey, zwei. 

twige, zweimal. 

twyntich, zwanzig. 

twintigeste, zwanzigste. 

twischen, zwischen. 


U. 


umbehorsam 22", so viel wie um- 
behorsam, ungehorsam. 

umliggede particalarn 88°, benach- 
barte Partikularschulen. 

umme, um, 

ummevorden, Imperf. von ummevoren, 
umherführen. 

ummegän, umgehen; recht mit der 
sake ummegan, sich auf die Sache 
verstehen. 

ummeloper, Herumläufer, Vagant. 

umme schicht, abwechselnd, eins ums 
andere. 

unbedechtig, unbedachtsam. 

unbestendich, ohne Bestand, nur für 
kurze Zeitdauer. 

unbeschedelik, ungebührlich. 

unde, und. 

under, unter. 

underholden, unterhalten, beherbergen, 
beköstigen. 

underlanges, unter einander. 

undoget, Untugend, Laster. 

unvergeßen sein, nicht vergessen, das 
Partizip im aktiven Sinne gebraucht. 

unvorbroken, unverbrüchlich. 

unvorhinderlick, ohne Hinderung. 

unvorsonlik 61°, vom Ehebruch, bei 
dem keine Versöhnung der Eheleute 
stattgefunden hat. 

unvorstendich, unverständig; unVol- 
ständige gesellen 29%, Lehrer, die 


Glossar 


ihre Sache nicht verstehen, Gegensatz: 
gelerde; unverständlich 399, 

ungeluck, Unglück. 

unlidelick, unleidbar, was nicht gelitten 
werden kann. 

unnutligen, Adv., auf nutzlose Weise. 

unrechter, Verunrechter, der andern 
Unrecht thut. 

unredelik, ungeziemend. 

unredeliken, Adv., ungeziemend, un- 
gehörig. 

UNS®, unser, unsere. 

unschedelick, ohne Schädigung. 

unschicket 35°, was keinen Schick hat, 
Ungebühr. 

unstrefflich, straflos. 

untuchtich, unzüchtig; untuchtige ge- 
sellen 29°, Lehrer ohne Anstand und 
gute Sitten; Gegensatz: redelike, 
ehrbare, anständige. 

unwedderkamelik 613, im unwedder- 
kamelikem wechlopen, bei bös- 
williger Verlassung. 

unvorweislich, unverweislich, keinen 
Anlafs zu Verweisen und zu Tadel 
bietend. 

unwertliken 22°, unwillig, indignanter. 

unwetene joget 27%, unwissende, 
unerfahrene Jugend. 

unwetenheit, Unwissenheit. 

unwisse, ungewils. 

up, uppe, auf; uppe eyne siid, uppe 
andere siid 207.10, auf der einen, 
auf der andern Seite; uppe deme 
Berge, auf dem Berge, zu St. Cyriaci. 

upleggen, auflegen, zur Pflicht machen. 

‚uprichten, aufrichten, einrichten, stiften. 

uprichtich, aufrecht, zuverlässig. 

upseggen, hersagen. 

upsehnt, Aufsicht. 

upsehr, Aufseher. 

uptehen, uptehn, uptheen, aufziehen, 
erziehen. 

uptekenen, aufzeichnen. 

upwassen, aufwachsen. 

upwerpen, näml. de brugge 38%, in 
der hochdeutschen Übersetzung »ab- 
werffen«, aufziehen, IMnaufziehen. 


593 





uth, aus. 

uthdelen, austeilen. 

uthdrucken, ausdrücklich angeben. 

uthgan, weggehen. 

uthgelecht, Part. von uthleggen, aus- 
legen, erklären. 

uthlegginge, Auslegung, Erklärung. 

uthraden 59%, ausroden, ausrotten. 

uthrichten, ausrichten; sin ampt ut- 
richten, sein Amt verrichten. 

utsage, Ausspruch. 

uth und yngan 479, aus- und eingehen, 
gehen und kommen; ut unde ingaent 
88 22, 

uth und in voren, hinaus- und hinein- 
führen; de befoln knaben stedes 
uth und in voren 87°. 


VW 3. unter F. 


ww. 


W.,in Titulaturen Abkürzung für werde, 
Würde und wisheiden, Weisheiten, 
vergl. unter E. E. W., I. A. W. und 
Ss. W. 

wan, nach Kompar. als. 

wandages, früher, ehemals, vorzeiten. 

wanner, wanneher, wann, sobald als. 

wapen, Wappen. 

warden, warten, achten. 

waren, währen, dauern. 

waren, hüten, besorgen, überwachen. 

warpen, werfen. 

wat, irgend etwas; wat redlikes, etwas 
Rechtschaffenes, Ordentliches, eine der 
Arbeit angemessene Bezahlung. 

watere, Plur. von water, Gewässer. 

watte stunde 887”, zu welcher Stunde. 
we, wir; wer, irgend wer. 

wedder, wieder. ; 

wedderfoire, Konj. Imperf. von wedder- 
varen, widerfahren. 

wedderumme, wiederum. 

wedewen, Witwen. 

wegen, wägen; geringe wegen, parvi 
pendere, facere, gering achten. 

weghen, wegen; van orer weghene 
30°°, ihrerseits. 


38 


594 Glossar 





weke, weke, weken, wekene, Woche; 
to weken, wöchentlich. 

welk, irgend ein; irgend welche; der 
welk, einige von ihnen. 

wen, nach Komp. denn, als. 

wen, Wenne, wann, wenn. 

wene, wen, jemanden. 

wens, wenn es, eig. went; wens ohne 
ghelegen 88°, wenn es ihnen palste. 

wente, wenn; denn. 

werd, von werden, wird. 

werde, Würde. 

werdich, Plur. werdige, würdig. 

werdt, wert, dignus. 

were, Waffe. 

weren, wären, Konj. Imperf. zu syn, 
wesen; weret, wäre es. 

werven, werben, erwerben; dat brot 
werwen 26°!, ums Brot arbeiten. 

weringe, Währung. 

werld, werlt, Welt. 

werlik, werltlik, weltlich. 

wernen, warnen. 

werpen, werfen; over de blocke wer- 
pen, vergl. unter blook. 

wert, werde, Wert, Würde; na werde 
60°, nach Verdienst. 

wert, wird. 

wos, etwas. 

wesen, sein, esse. 

weten, weten, wissen, gedenken, im 
Sinne haben. 

wy, wir. 

wickbelde, Weichbilde,ursprünglich selb- 
ständige, je unter einem eigenen Rate 
stehende Gemeinwesen. Es waren ihrer 


5: die Altstadt, der Hagen, die Neu- 
stadt, die Altewik und der Sack. 

wyder tho studerende, weiter zu stu- 
dieren. 

wiken, weichen, nachstehen. 

wylde, unbändig, zügellos. 

wille, Wille; to willen der gantzen 
stadt 27°, der ganzenStadt zur Freude. 

willen, wollen. 

wyse, wise, wiis, Art und Weise. 

wysen, weisen, zeigen. 

witlik, wissentlich, kund gegeben. 

wo, wie; wo dan, wie denn; wo wel, 
wiewohl. 

woker, Wucher. 

wolde, wollte; wolden, wollten, Imperf. 
von willen, wollen. 

woldem 88? %, so viel wie wolde me, 
wollte man. 

woninge, Wohnung. 

wontlik, gewöhnlich; na wontlikere 
wise 22°, nach gewohnter Weise. 

worde, würde. 

wormadich, wurmstichig. 

wannen, Part. von winnen, gewinnen, 


erlangen. 
wur, wo. 


Y. s. unter 


2. 
E. ©, Abkürzung für »zum Exempel«. 
zede 75°, Sitten. 
zun, zu den, z. B. zum Bruder», im 
Brüdernkloster. 
zveigen 64°, mhd. zwigen, zwidigen, 
zwiden, bewilligen, gewähren. 


BER 





Verzeichnis der mehrfach erwähnten Schriften. 


De 


Allgemeine Deutsche Biographie. Auf Veranlassung Seiner Majestät des 
Königs von Bayern herausgegeben durch die historische Kommission 
bei der Königl. Akademie der Wissenschaften. Bd. I—-XXII (bis 
Münchhausen). Leipzig 18751885. 

[Bode, Stadtdirektor,] Die Stadtverwaltung zu Braunschweig. Drittes Heft. 
Verwaltung der Kirchen und Schulen der Stadt Braunschweig. 1836. 
Als Manuscript gedruckt. 

Braunschweigische Anzeigen. 11745—1886. 

Braunschweigisshes Magazin. Bestehend aus wöchentlichen gemeinnützigen 
Beilagen zu den Braunschweigischen Anzeigen. 1787—1868. 

Corpus Reformatorum. Ed. Bretschneider et Bindseil. 28 Bde. Halle 
1834— 1860. 

Daniel, H. A., Thesaurus hymnologicus sive hymnorum canticorum sequen- 
tiarım circa annum MD usitatorum collectio amplissima. 5 tomi. 1. 
Halis 1841. II—V. Lips. 1844—1856. 

Diefenbach, Laur., Glossarium Latino-Germanicum mediae et infimae 
aetatis. Francofurti ad M. 1857. 4°. — Novum Glossarium. Frank- 
furt a. M. 1867. 8°. 

Diez, Fr., Etymologisches Wörterbuch der romanischen Sprachen. 2 Bde. 
8. Aufl. Bonn 1869—1870. 

Dufresne du Cange, Glossarium ad scriptores mediae et infimae Latinitatis. 
(In verschiedenen Ausgaben benutzt.) 

Dürre, @., Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalten Braun- 
schweig 1861. 

— Geschichte der Gelehrtenschulen zu Braunschweig. Erste (einzige) 
Abt. Vom 11. Jahrhundert bis zum Jahre 1671. Ein Beitrag zur 
Geschichte der Stadt Braunschweig für das Jubeljahr 1861. Programm 
des Obergymnasiums zu Braunschweig 1861. 4°, 

— Hermann Nicephorus, Rector des Martineums zu Braunschweig, 1595 
bis 1604. Mit acht urkundlichen Beilagen. Programm des Gymna- 
siums Martino-Catharineum zu Braunschweig, Mich. 1869. 4°. 

Eschenburg, J. J., Entwurf einer Geschichte des Collegii Carolini in Braun- 
schweig. Berlin und Stettin 1812. 

Grimm, Jac. u. Wilh., Deutsches Wörterbuch. Leipzig 1854 ff. 





596 Verzeichnis der mehrfach erwähnten Schriften 


Hänselmann, L., Die Chroniken der Stadt Braunschweig. I. (Chroniken 
der deutschen Städte vom 14.—16. Jahrhundert VI.) Leipzig 1868; 
II. (Chroniken der deutschen Städte XVL) Leipzig 1880. 

— Urkundenbuch der Stadt Braunschweig. I. (Statuten und Rechtebriefe.) 

“ Braunschweig 1873. 4°. | 

— DBugenhagens Kirchenordnung für die Stadt Braunschweig nach dem 
niederdeutschen Drucke von 1528, mit historischer Einleitung, den 
Lesarten der hochdeutschen Bearbeitungen und einem Glossar. Im 

_ Auftrage der Stadtbehörden herausgegeben. Wolfenbüttel 1885. 

Havemann, W., Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg. 3 Bde. 
Göttingen 1853— 1857. 

Henke, E. L. Th., Georg Calixt und seine Zeit. 2 Bde. Halle 1853—1860. 

Heppe, H., Geschichte des deutschen Volksschulwesens. Band 3. Gotha 1858. 

Herzog, J. J., Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und 
Kirche. 2. Aufl. I-XV. Leipzig, 1877—1885; 1. Aufl. XVI-XXI. 
Gotha 1862—1866. 

Heusinger, Konrad, Kurze Nachrichten von der Herzoglichen Katharinen- 
schule zu Braunschweig und ihrer Einrichtung seit 1790. Programm. 
Braunschweig 1800. 40. 

Jöcher, Chr. G., Allgemeines Gelehrten-Lexicon. 4 Bde. Leipzig 1750 
— 1751. 4°. 

Kaemmel, H. J., Geschichte des Deutschen Schulwesens im Uebergange 
vom Mittelalter zur Neuzeit. Aus seinem Nachlasse herausgegeben 
von OÖ. Kaemmel. Leipzig 1882. 

Kawerau, G., Johann Agricola von Eisleben. Ein Beitrag zur Reformations- 
geschichte. Berlin 1881. 

Koldewey, Fr., Album des Herzogl. Gymnasiums (Herzogliche Grofse 
Schule) zu Wolfenbüttel. 1801—1877. Wolfenbüttel 1877. 

— Geschichte des Realgymnasiums zu Braunschweig. Erste Abtheilung. 
Nach gedruckten und ungedruckten Quellen zusammengestellt. Pro- 
gramm. Braunschweig 1885. 4°. 

Knoch, W., Geschichte des Schulwesens, bes. der lateinischen Stadt- 
schule zu Helmstedt. 3 Helmstedter Programme. 1860 bis 1862. 4°. 

Kramer, G., August Hermann Francke. Ein Lebensbild. 2 Bde. Halle 
1880— 1882. 

Kriegk, G. L., Deutsches Bürgerthum im Mittelalter. Neue Folge. Frank- 
furt a. M. 1871. Darin auf Seite 64—127 eine Abhandlung über das 
Schulwesen des Mittelalters. 

Lentz, C. @. H., Braunschweigs Kirchenreformation im 16. Jahrhundert. 
Wolfenbüttel und Leipzig 1828. 

Lexer, Matth., Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 
1872— 1878. 

Maior, Georg., Psalterium Davidis iuxta translationem veterem iterum re- 




















Verzeichnis der mehrfach erwähnten Schriften 597 


purgatum etc. Witebergae 1562. 12°. Darin Bogen R—Z, die 
Blätter besonders numeriert: Psalmi seu cantica ex sacris literis, in 
ecclesia cantari solita, cum hymnis et collectis, seu orationibus eccle- 
siasticis, in usum Pastorum, Diaconorum et iuuentutis scholasticae. 
Recogniti et aucti per D. Georgium Maiorem. 

Matthias, C., Zur Geschichte des Herzogl. Lehrerseminars zu Wolfenbüttel. 
Wolfenbüttel :1879. 

Meister, Die deutschen Stadtschulen und der Schulstreit des Mittelalters. 
Ein Beitrag zur Schulgeschichte des Mittelalters. Programm des 
Gymnasiums zu Hadamar, 1868. 4°. 

Meyer, E., Geschichte des Hamburgischen Schul- und Unterrichtswesens 
im Mittelalter. Hamburg 1843. 

Mone, F. J., Lateinische Hymnen des Mittelalters. I—IIl. Freiburg i. Br. 
1853— 1855. 

— Schulwesen vom 13. bis 16.Jahrhundert, abgedruckt in der Zeitschrift 
für die Geschichte des Oberrheins. I. Karlsruhe 1850. 

Müller, Joh., Quellenschriften und Geschichte des deutschsprachlichen 
Unterrichts bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Gotha 1882. 

Müller, Joh., Vor- und frühreformatorische Schulordnungen und Schul- 
verträge in deutscher und niederländischer Sprache. 1. Abt. Schul- 
ordnungen etc. aus den Jahren 1296-1505. Zschopau 1885. 

Mülverstedt, G. A. v., Beiträge zur Kunde des Schulwesens im Mittelalter 
und über den Begriff scolaris. Magdeburg 1875. 


Paulsen, Friedr., Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen 
Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur 
Gegenwart. Leipzig 1885. 

Petri, V. F.L., Über Wesen und Zweck des Collegii Carolini in Braun- 
schweig. Braunschweig 1831. 

Pökel, W., Philologisches Schriftsteller-Lexikon. Leipzig 1832. 


Ranke, Leopold von, Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten von. 
Hardenberg. Erster Band. Leipzig 1877. 

Raumer, K.v., Geschichte der Pädagogik vom Wiederaufblühen klassischer 
Studien bis auf unsere Zeit. 3 Teile. 5. Aufl. Gütersloh 1877—1880. 

Rehtmeyer, Phil. Jac., Antiquitates ecclesiasticae inclytae urbis Brunsvigae, 
oder Der berühmten Stadt Braunschweig Kirchen-Historie. 5 Teile 
in 40%. Braunschweig 1707—1720. | 

Reichling, D., Johannes Murmellius. Sein Leben und seine Werke. Nebst 
einem ausführlichen Verzeichnifs sämmtlicher Schriften und einer 
Auswahl von Gedichten. Freiburg im Breisgau 1880. 

Ribbentrop, Phil, Christian, Beschreibung der Stadt Braunschweig. 2 Bde. 

“ Braunschweig 1789-1791. 

Richter, Aem. Ludw., Die evangelischen Kirchenordnungen des sechszehnten 
Jahrhunderts. Urkunden und Regesten zur Geschichte des Rechts 


598 Verzeichnis der mehrfach erwähnten Schriften 


und der Verfassung der evangelischen Kirche in Deutschland. I. II. 
Weimar 1846. 4°. 

Ruhkopf, Fr. E., Geschichte des Schul- und Erziehungswesens in Deutsch- 
land von der Einführung des Christenthums bis auf die neuesten 
Zeiten. Erster (einziger) Theil. Bremen 1794. | 

Sack, C. W., Geschichte der Schulen zu Braunschweig von ihrer Ent- 
stehung an und die Verhältnisse der Stadt in verschiedenen Jahr- 
hunderten. Erste (einzige) Abt.: Die Schulen zu Braunschweig von 
ihrer Entstehung an bis zur Reformation. Braunschweig 1861. 

Scheffler, &. A. C., Einige Nachrichten von dem Martineum zu Braun- 
schweig. Programm. Braunschweig 1817. 4°. 

Schiller, K., und Lübben, A., Mittelniederdeutsches Wörterbuch. Bd. I—VI. 
Bremen 1875—1881. 

Schiller, C. @. W., Braunschweig’s schöne Literatur in den Jahren 1745 
bis 1800, die Epoche des Morgenrothes der deutschen schönen Lite- 
ratur. Wolfenbüttel 1745. 

Schmid, K. A., Encyklopädie des gesammten Erziehungs- und Unterrichts- 
wesens. 11 Bde. Gotha 1858—1878. Die vier ersten Bände in 
Zweite Auflage. 1876—1881. 

/Schmidt,] Kurze quellenmässige Darstellung der Entwickelung des Volks- 
schulwesens im Herzogthum Braunschweig. Braunschweig 1868. 
Schoeberlein, L., Schatz des liturgischen Chor- und Gemeindesanges nebst 
den Altarweisen in der deutschen evangelischen Kirche aus den 
Quellen vornehmlich des 16. und 17. Jahrhunderts geschöpft mit den 
nötbigen geschichtlichen und praktischen Erläuterungen versehen etc. 

Erster Teil. Die allgemeinen Gesangstücke. Göttingen 1865. 

Schröder, H., und Assmann, W., Die Stadt Braunschweig. Ein historisch- 
topographisches Handbuch für Einheimische und Fremde. (Zwei Ab- 
teilungen mit besonderer Paginierung in 1 Bde.) Braunschweig 1841. 

Specht, F. A., Geschichte des Unterrichtswesens in Deutschland, von den 
ältesten Zeiten bis zurMitte desdreizehnten Jahrhunderts. Stuttgart 1885. 

Stübner, Joh. Christoph, Historische Beschreibung der Kirchenverfassung 
in den Herzoglich Braunschweig-Lüneburgischen Landen seit der Re- 
formation. Erster und zweiter Theil. (In demselben Bande mit fort- 
laufender Paginierung.) Goslar 1800. 

Wackernagel, Phil., Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu 
Anfang des 17. Jahrhunderts. 5 Bde. Leipzig 1864—1877. 

Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis zur 
Mitte des 13. Jahrhunderts. 2. Aufl. Berlin 1866. 

Weigand, F. L. K., Deutsches Wörterbuch. Dritte völlig umgearbeitete 
Auflage von Friedrich Schmitthenners kurzem deutschen Wörterbuche. 
2 Bde. Giefsen 1857—1871. 




















INHALTS - VERZEICHNIS. 


en 


Vorwort 
Einleitung I. "Überblick aber ars Entwickelung des: Schul- 
wesens in der Stadt Braunschweig 
l. Die Zeit des Mittelalters . i 
2. Von der Reformation bis zur Unterwerfung der Stadt Enter 
das landesherrliche Regiment (1671) . 
3. Von der Unterwerfung der Stadt ns 1) bis zur westfälischen 
Fremdherrschaft . Bra 
4. Von der westfälischen Zeit bis zur "Schulreform der‘ Jahre 
1828— 1830 ar a En ar Dal SE ie 
Einleitung II. Texkgestaltang:. sowie textkritische und 
bibliographische Erläuterungen zu den einzelnen 
Stücken 
l. Textgestaltung 
2. Textkritische und biblisgranhische Erlkoteruingen zu denke ein- 
zelnen Stücken ee An 
Schulordnungen der Stadt Braunschweig : 
1. Bestimmungen über die Rechte und Pflichten des Scholastieus 
zu St. Blasien. 1251 
2. Schulordnung aus den Statuten des Kapitels zu st Blasien. 
1308. 1442 
3. Verordnung der Prälaten” über die FERN TE Rechte und 
Pflichten der Rektoren. 1370 . . . ee 
4. Verbot zügelloser Schulfeste zu St. Blasien, 1407 > 
5. Gründungsurkunden der städtischen Schulen zu St. Martini und 
St. Katharinen. 1415— 1420. ; Ne ver 
A. Privilegium des Papstes Johann XXI. 1415 
B. Annullation des Verbots neue Schulen zu errichten. 1418 . 
C. Privilegium des Papstes Martin V. 1419 . i 
D. Vergleich zwischen dem Kapitel zu St. Blasien und dem 
Rat wegen der städtischen Schulen. 1420. . 
6. Schulordnung der Prälaten und des Rats. 1478 . 
. Schulordnung aus den Statuten des Cyriacusstiftes. 1483 
8. Schulordnung aus der ee der Stadt Braunschweig. 
1023. u en ee 


=] 


Seite 
IX 


xV 
XV 


XLVI 


LXXXIX 


CXXXIV 


CLXIV 


CLXIV 


CLXVI 
1 


3 


600 


—13. 
„14. 


23. 
24. 
25. 


- 26. 
. = 37: 


28. 
29. 
30. 


31. 


Inhalts-Verzeichnis 


. Schulordnung der städtischen Lateinschulen. 1535 . 
. Lehrpläne der städtischen Lateinschulen. 1535 


A. Labores scholae Martinianae 
B. Labores scholae Catharinianae . 
C. Labores scholae Aegidianae . 


. Ordnung des Schmalkaldischen Bundes für eine in Braunschweig zu 


errichtende höhere Lehranstalt. 1543. 


. Stipulationsvertrag des Rektors M. Peceltus und seiner Gesellen bei 


ihrer Anstellung am Martineum. 1545 . . . ; 

Lebrplan und Schulgesetze der städtischen Tateinschulen, 1546 

Gesetze und Lehrpläne des Pädagogiums im Brüdernkloster. 1547. 

A. Leges pro scholaribus schole maioris Brunswigcensis publicate 
in visitatione facta 18. Ianuarii anno etc. 47. 

B. Leges pro scholaribus in schola maiori . u: a 

C. Institutio primae classis scholae Brunsvicensis per area anno 
1547 i 2 

D. Lectiones in schola maiore . 


. Lehrplan des Martineums. 1547 

. Gutachten der Kastenherren über das Sahulwessn der Stadt. 1547 
. Lehrplan des Martineums. 1548 . . . . ; 

. Lehrplan und Schulgesetze des Kakhartnoums: 1548 

. Schulordnung des Martineums. 1562. 


Dienstvertrag des Rats mit dem deutschen Schreib- RR Rechsnmeister 
Christoph Wiltvogel. 1570... 2 2 2 2 2 00. 


. Schulordnung des Rats. 1596 
. Lehrpläne des Martineums c. 1600 


A. Scholae Martinianae lectiones hybernae anni 1599 . 

B. Elenchus lectionum et exercitiorum huius semestris in schola 
Martiniana. Zöv ro Bew. Ao. 1603 

C. Lectiones Martinianse . . u it: et 

D. Elenchus autorum lectionum et exeritiorein classis primae in 
schola Martiniana Brunsvicensium 

Lehrplan des Katharineums. 1598 

Lehr- und Disciplinarordnung des Katharineimel 1599 

Lehrpläne des Aegidianums. c. 1600 ; 

A. Typus praelectionum in schola Asgidiana üsitaterım Sohtläue: 
tionem adumbrans per tempus aestivale anni 1599. 

B. Syllabus praelectionum in schola Bee ee hoc 
semestri hiberno continuatarum 

Schulgesetze und Lehrplan des Aogidianme: C. 1600 . 

Verordnung des Konsistoriums über Unterricht und Disciplin in 

den Lateinschulen. 1621 . 2 

Begräbnisordnung des Martineums. 1623. 1627 s 3 

Verbot von Schülerumzügen am Weihnachtsfeste. 1643. 1652. 1660 

Verordnung über das Umsingen der Kantoreischüler zu Weih- 

nachten und Neujahr. 1655. 

Ordnung des Martineums. 1660 j 


105 


120 
122 
146 
146 


149 
152 


153- 
157 
161 
164 


164 


... 167 


169 


176 
182 
165 


186 
187 


Inhalts-Verzeichnis 


601 





Seite 
32. Ordnung der Waisenhausschule. 1677 189: " 
33. Lebrplan des Katharineums. 1741 196 - 
34. Die ältesten Ordnungen des Collegium Carolinum. 1745_ 1746 203 
A. Vorläuffige Nachricht von dem Carolino zu Braun- 
schweig. 1745 203 
B. Gesetze für diejenigen weiche | ins Collegium. Caroltäun aufge 
nommen werden. MDCCXLV 217 
C. Serenissimi gnädigste Declaration den ded Collegio Carolino in 
Braunschweig verliehenen Burgfrieden betreffend. 1745 . 225 
D. Serenissimi gnädigste Verordnung das Leihen an die Studiosos 
Carolini betreffend. 1745 227 
E. Anweisung an die Curatores des Carolini die Besonderen Fähig- 
keiten eines oder des andern Studiosi betreffend. 1745 . 228 
F. Das Gebet fürs Carolinum. 1745 . 228 
G. Vorlesungen und Übungen in dem er Carolino. Mich, 1745 
bis Ostern 1746. 229 - . 
H. Kurzgefasste Puncte die Aufriahime in äui Collegium Carolinum 
betreffend. 1746 . 243 
I. Instruction für die Hofmeister waren der er Ropetition derör je 
tionum. 1746 ; 250 
K. Entwurf des jährlichen Aufwanden. im Cole Carolino” zu 
Braunschweig. 1746 . 254 
35. Lektionsplan der obersten Klassen im Wartineım NT Katharineum. 
c. 1745. i 257 —- 
96. Ordnung der deutschen Schulen. 1751 259- ? 
37. Verordnung über die Ba der Kinder bis zur 1 Konfirmakieni 
1152, 5: 2% a 268 
88. Ordnung der Realschule im Waisenhause: 1754. 269 ° 
39. Entwurf einer Ordnung für die grofsen Schulen der Stadt Biann- 
schweig. 1755 PR ARE 298 
I. Von den Aufsehern dieser Schulen ; 298 
U. Von den Schullehrern 308 
IH. Von den Schülern . 323 
IV. Von den Pflichten der Lehrer nd Schüler hör a öffentlichen 
Gottesdienste und der öffentlichen Leiche . i . 335 
V. Von der Unterweisung der Schüler . ß ‚342 
VI. Von den Verrichtungen der studirenden jugend. in "Absicht Sat 
die Verbefserung ihrer Wifsenschaften zu Hause oder aulser 
den Schulstunden 376 
VII Von den Schulfeyerlichkeiten und "Schulferien 377 
VII. Von der Schulzucht 383 
IX. Von dem Schulaerario 389 
X. Von dem Custode und dem Schulvogte . 391 
XI. Von den Pflichten der Eltern und derer, welche an Alter Statt 
geordnet sind, wie auch von den Hauslehrern . 8392 
XU. Von dem zu errichtenden Seminario philologico . 398 
40. Ordnung für das Collegium Carolinum. 1774 . 401 - 











602 


41. 
42, 
43. 
44, 
745. 
——b6. 
AN. 
48, 
-49). 
? IR 
-51. 


Inhalts-Verzeichnis 


Ordnung des Conciliums am Collegium Carolinum. 1777. ... 

Verordnung wegen der Semikaroliner. 17T . 2. 2 2 2 02.2. 

Gesetze für das Collegium Carolinum. 1784 . . . 

Instruktion für die Hofmeister am Collegium Carolinam. 1786 . 

Ordnung des Katharineums. 1800. . . . 3 et 

Lehrplan und Schulgesetze des Martineums. 1801 Re 

Gesetze für das Collegium Carolinum. 1802 . . wg 

Gesetze für das Collegium Carolinum. 18223 . . . ... 

Motive und Plan der Schulreform des Jahres 1828 . 

Ordnung des Gesammtgymnasiums. 1828 . . . 

Gesetze des Gesammtgymnasiums. 1828 ‚ 

A. Gesetze für die Schüler des Gesammigymnasiuns zu Braun- 
schweig 

B. Bestimmung der sintlichen Verpflichtungen ni Verhältnisse . 
Lehrer am Gesammtgymnasium zu Braunschweig ; 


Anmerkungen: .- 5 0.0 we we 


Glossar 


Verzeichnis der inehrfach TEEN Schriften 


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Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin W. und F. Beck in Kahla. 




















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Rector Conrector Cantor S| 





4 7I—8 Logica p. 


Donnerstag Auweisung zur 
8—9 wolredenheit im 

deutschen und 

lateinischen p. 


Horatius oder 
Virgilii eclogae 





Nieuportii 

9-10 antiquitates Ro- 
man. p. 

10—11 
Singestunde 
in der 
Catharinenschule 
Universalhbistorie 
pP» 


Die lesung e. lat. 
poet. Virg.Aen.ct 
georg.. Ov. met. 
* Iseu libri trist. p. 


Die lesung eines 




















epistolographi, 
Ciceronis, Plinii 
pP. 
Siugestunde 
in der 
Martinischule 
; Li 
Logica p. buls 
5. Freytag = Bu 
Die anweisung | Die septuaginta 
zur deutschen interpretes, Le 
u. lateinischen |Homerus, Hesio- 
poesie p. dus 
Nieuportii Yin 
antiquitates Ro- Ovi 


man. p. 


Singestunde 
in der 
Catharinenschule 








Schreibschule ! Schreibschule | 













Tertius uartus uintus Realschule e 
ubconrector Q Q der Altstadt in Hass 
“deekany | 1) Christenth. f.d.| Schreiben und 
p Starckens Starckens knab. 2)schreib.f.|reebnen in rer- 
De tabellen tabellou Eaeehiaan di. mägdlein | schiedenen 
ae ke N 3) übung im lesen claszen 
_ |Repet.syut.or ‚syut.ordin.'Derivat. ex Cel- 1) Christenth f.d. ’ 
etio cursoria figuratae et ornat.|lario et repetitio mägdl. 3) schrei- 
auctoris ut et latinismi |primitivorum et Paraüigmaln ben f.d. knaben era 
Be ___|_ et germanismi | paradigmatum | _|3) übung im lesen u 
tor classicus, "Schreiben und 
g. georg. od.| Auctor classicus, Syntaxis rechuen in ver- 
dii libri trist..Cornelius Nepos ordinaria Eormulas schiedenen En 
1. ex Ponto | 20 3 claszen == 
Die ee Privatstunde Privatztasde 
Die erkenntnisz | 
der natur und | 
kunst 







Der etymolo- |Daslesen d.grie- 
waxis Graeca gische theil derichischen und dieiDie biblische ge- 
erba anomalai griechischen |paradigmata de- schichte 

grammatic elin. et coniugat. 
Die application |Vocabula Graeca 
esselben auf d.lex Cnollio et ap- Primitiva 
evang. u. d. |plicatio ex evang.| ex Cellario 
briefe Ioannis Ioannis. 


Schreiben und | 1) Christeathau 

rechnen in ver- | mit den kauen 

schiedenen 2) Schreiben mi 
claszen den mägdkin 

1y) D) Christeohen 

mit den märdieis 

2) Schreiben mit 
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Schreiben und 




















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schen briefe 





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poesie, elabo- 








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Auctor classicus, 


Deutsche perio- |. tw. die kleinen 




































on der versedologien.anweis.| . i Langens rechnen is ter- 
en leichtestenjin complimenten, priels Cie, oner colloquia schiedenen 
eneribus erzähl, u. gespr Butropius claszen 
B re ae he _oder Tustinus 5 en 2 
s Da ' Die mathemat. 
wiszenschaften, 
geographie wech- 
an ae Hi h, selsweise 
Schreiben und ||) Se 
ideckens ta- Starckeus | Starckens rechnen in ver- | mit den 802°“ 
we syhopticae tabellen tabellen Catechiemus schiedenen 3) Schreiben B! 
claszen den mägdlein 
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ctio cursoria |figuratae etorpat.lario et repetitio ; mis den 
auctoris ut et Jatinismi | primitiv. et | Faradigmata eben 20 1y) Schreiben mi 
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stor clagsicus rg u 
. gsorg. od.jAuctor classicus Exercitium rechnen 
dii libri trist. Phaedrus synutacticum Formulas eben 30 re 
’ 6 


1. ex Ponto 


Das frauzösischel Privatstunde | Privatatandt 


Die erkenntnisz 
der natur und 
kunst 








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I) Christenchum| Schreiben © 


Der etymolo- |Das lesen d. grie- 
mit den knahen | rechnen iR je 


viunha thail Aarirhiarhen und AielNMia hihlieche ge- 














1) Christenthu 


Der etymolo- |Das lesen d. grie- 
mit den knaher 


na lvianha thail darichierhan nni dielNia hihlinaha ee- 











m| Schreiben und 


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PIE REEEREE; ’ = 
> Der etymolo- |Das lesen d. grie- 
ne lnienha thoeil darishlerhan nnd die 


Die hihlirshe ve 





1) Christenthum| Schreiben) und 
mit den knaben | rechnen in ver- 











Classen 
Religion 





Dentsch 
Lateinisch 
Griechisch : 
Französisch 
Hebräisch . 
Geschichte — 
Geographie 
Mathematik 
Naturgeschie. 
Rechnen 
Schönschreibt 
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Wöchentl. 
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.tymolo- |Das lesen d. grie- 
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I) Christenthumw! Schreiben “and. 
mit den knaben | rechnen in ver- 


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