Skip to main content

Full text of "Moralisch praktisches Lehrbuch der schönen Wissenschaften für Jünglinge"

See other formats




\ » 
* 
— — N & 
* — 
= =; A == — | 


Aron Libre 
1913 


330.8 | BR 
Rr62m 





* Rurs Book & Specisl 
Y Si Collections Librarw 


* 











4J — 
— ji 
N A 





Moraliſch 
Praktiſches Lehrbuch 


der ſchoͤnen | | 


Biffenfouften. 


für Juͤnglinge. 
Mit einer Vorrede 
vom. 


Herrn Geheimen Kirchenrath Seiler. 


Herausgegeben 
von 


M. Johann — Martin Grnef 


@, —* N 
| dr — 





* 





here, — 
In der Felßeckeriſchen Buchhandlung, 1779, 


) bs u 4 4* 24 3* * A 1 RM) 
——— J * — ur 


u 





Se D us DR 9— 
+ Va ta 6 A 
® €) 


2 St. 
Heßwoßigehhtn Excellenz 


Dem. 
Herrn Seren 


Carl Willhelm 
von Hllirette 


von Deblefed, Herrn zu Will⸗ 
| helmsdorf ıc. 
Hochfuͤrſtlich Brandenburg Onolzbach 
Culmbachiſchen Geheimen Rath, Rittern des 
neu reſtaurirten Brandenburgiſchen rothen 
Adler-Ordens Großkreuz 


meinem gnaͤdigen und ewig zu 
verehrenden | 
Herren, Gönner und groffen 
Wohlthater, 


Fr 


Na: .; 
E Aa eET ; 


* 





Hochwohlgebohrner Herr, 
Gunaͤdiger Herr, 


& 


E Hochwohlgebohrnen Excellenz 
werden gnaͤdigſt verzeihen, daß ich 
es wage, Zochdenenfelben dieß ges 
ringe Buch im Unterthaͤnigkeit zu 
weihen. Unmoͤglich kann ich Diefe 
Gelegenheit vorbey laſſen, Ew. Bir 
| DIeE: cellenz | 


cellenz für die vielen thatigen Be— 
meife Hochdero gnädigen Wohlwol- 
lens vor den Augen der Welt meine 
unterthanige Dankbarkeit an den 
Zag zu legen. — Doc will ich der 
Beſcheidenheit meines erbabenen Bön- 
ners, der in der Gtille und ohne 
Geraͤuſch fo vielen Menfchen wohl 
thut ‚ nicht zu nahe tretten ; fo. ger: 
ne ich auch bier meinen dankharen 

‚Empfindungen freyen Lauf laſſen, 
und, wenn ich Fähigkeit dazu hätte, 
Denfelben als Chriften und thätigen 
ABER ſchildern möchte. 

Dod, 


— 


Doch, da ſelbſt einer der fuͤrtrefflichſten 
Fuͤrſten Teutſchlands, Onolzbachs 
Alexander, das Verdienſt der edlen 
chriſtlichen Wohlthaͤtigkeit mit hoͤchſt⸗ 
ſchaͤtzbaren oͤffentlichen Zeichen der 
Huld und Gnade an Ew. Excellenz | 
großmuͤthig belohnet hat: fo wäre 
es von mir eine defto größre Kuͤn⸗ 
heit, mit fchwachen Worten davon 
zu veden. Der allgütige Gott vergel- 
te die Werke der chrifklichen Mildthä— 
tigkeit mit dauerhafter Gefundbeit, 
mit langem Leben und mit einem 
reichen Maaß unendliche Freuden 

De 5 


\ 


R | 
Ew. Ereellenz und Sochderofelben 
in edlen wohlthätigen Gefinnungen 
gleishgroffen Frau Gemahlin. Sch 
aber empfehle mich Ew. Excellenz 
fernerem Schutz und hoher Gnade 
unterthaͤnigſt, und verharre mit ehr⸗ 
furchtsvoller Hochachtung 
Euer Hochwohlgebornen 
Excellenz 
Koburg 


den 24. November 
1778 


unterthäniger Knecht, 
Johann Heinrich) Martin 
| Erneſti. 


* 


Vorrede. 


Hier Sammlung von wohlgefchriebes. 
nen und lehrreichen Muſtern faſt von 
allen Arten des Stils iſt mit ſo guter 
Wahl gemacht, daß fie wohl Feiner Ems 
pfehlung beduͤrfte. Indeſſen habe ich 
dem wiederholten Verlangen des Herrn 
Verfaſſers ſowohl, als des Verlegers um 
verſchiedener Urſachen willen nicht wider⸗ 
ſtehen, ſondern y fo viel ich etwa durch 
mein geringes Anfehen vermag, etwas dazu 
| 5. bey 


——— —⸗ 


beytragen wollen, daß es unter der groß 
fen Menge von Schriften für die ur 
gend defto weniger unbemerft bleibe. Ich 
glaubte dieß der guten Sache eines im⸗ 
mer weiter auszubreifenden vernünftigen 
Unterrichts’ in Gymnaſien und in der 
Privaterziehung ſchuldig zu ſeyn. Auch 
war ich einigermaſſen dazu verbun⸗ 
den; weil dieß Buch nach dem von mir 
zum Theil angegebenen, zum Theil ges 
billigten Plane vom Herrn Verfaſſer aus» 
gearbeitet worden iſt; mit welcher Klug 
heit, mit wie viel Geſchmack und Fleiß, 
davon ift diefe Sammlung felbft der befte 
Zeuge. Es ift in derfelben faft für alle 
Gattungen des profaifchen und poetifchen 
Stils geforgt. Mur eigentlihe Komoͤ⸗ 
dien und Tragsdien blieben , wie bilig, 

| | weg. 


4 
—ñ m — —— 


weg. Doch erſetzt dieß einigermaſſen das 
fuͤrtrefliche lyriſche Drama vom Herrn 
Wieland: Die Wahl des Herkules. 
In ieder Klaſſe wurden immer die beſten 
und fuͤr das Juͤnglingsalter ſchicklichſten 
Stuͤcke aus unfern guten Original⸗Schrift⸗ 
ftellern gewählt, 3. E. in der Ode aus 
Ramler, Klopftof, U, Maftalier ꝛc. 
Doch wurde bey der Wahl mit darauf | 
gefehen A daß die allzubefannten weggelaſ⸗ 
ſen, die unbekannteren aber ausgehoben 
wurden; ſo ſind z. E. bey den Briefen 
die Gellertiſchen Briefe, welche er bey 
ſeinen Lebzeiten herausgab uͤbergangen 
worden, weil fie faſt in aller Haͤnden find. 
Aus denen aber, die nach feinem Tode 
erſchienen, wurden einige ausgewählt, 
und mit denfelben drey andre ſehr ſchoͤne 


noch 





noch ungedruckte Briefe verbunden. Da 
die Römer und Griechen doch immer die 
vorzüglichften Lehrer einer guten Schreib: 
art bleiben, und ihre unvergleichlichen 
Meifterftücke von den Juͤnglingen nicht oft 
genug gelefen werden Fönnen: fo find meh⸗ 
rere Stuͤcke davon in einer getreuen Webers 
ſetzung in die Semmlung aufgenommen. 
Und da iene unſterblichen Maͤnner die 
Vorgaͤnger der Teutſchen und anderer 
Voͤlker find: fo wurden auch ihre Arbeis 
ten faft immer voran gefegt. Horazens 
Dichtkunſt von Ramlern uͤberſetzt ift zwar 
an gewiſſen Orten Teutſchlands der ſtu—⸗ 
dierenden Jugend ſehr bekannt; aber man 
irre fich, wenn man glaubt, daß es uͤber⸗ 
all ſo ſey, und es ſchien dahero ſo noͤthig, 
als nuͤtzlich, dieß vortreffliche Muſter bei⸗ 

| des 


— — — — — — 


des einer meiſterhaften Ueberſetzung und 
eines guten Lehrgedichts einzuruͤcken; die 
proſaiſchen und poetiſchen Stuͤcke einerley 
Innhalts wurden aus gutem Bedacht ne⸗ 
ben einander geſtellt. So wird der Uns 
terfcheid der profaifchen und poctifchen 
Schreibart recht deutlich erkannt und. 
fuͤhlbar gemacht werden. So viel es 
ſeyn konnte, wurde auch darauf geſehen, 
daß der Innhalt zur Bildung des Herzens 
und guter Sitten dienen moͤchte. Kluge 
Lehrer werden wenigſtens die meiſten 
Stuͤcke zu dieſer, bey dem Unterricht ſo 
hoͤchſtwichtigen, Abſicht gebrauchen Eöns 
nen. Eben dahin zielen die Anekdoten 
| und die Benfpiele im profaifchen Abſchnitt. 
Wenn hier und da ſolche Aufſaͤtze vor 
fommen, an denen dag Fritifche Auge des 
Ken: 


Re 
—r — — — 


Kenners noch Flecken ſieht: ſo kann er 
ſie zur Warnung fuͤr aͤhnlichen Fehlern 
der Jugend anzeigen. Die meiſten aber 
werden als Muſter richtig zu denken, und 
ſchoͤn zu ſchreiben vorgelegt werden koͤnnen. 
Dieß aber bleibt denn der erſte Ends 
zweck des gegenwärtigen Buchs. Auf 
ferdem dient es denn gewiß auch dazu, 
daß Juͤnglinge von 14. bis 17. Sahren 
ſich felbft daraus unterrichten, und ihre 
- Mebenftunden mit $efung eines nüglichen 

Duches ausfüllen fönnen. Wenn, wie 
ich in der DVorrede zur erfin Samm⸗ 
fung, *) davon dieß gleichfam der ander 
re Theil ift, gezeigt habe, diefe Mufter 
der Schreibart von einem geſchickten Leh⸗ | 


re 


*) Praktiſche Untermeifung in den ſchoͤnen 
Wiſſenſchaften für die Eleine Jugend. 


—— — — — — 


rer zuweilen genauer betrachtet, zerglie— 
dert und was gut und nachahmungs⸗ 
wuͤrdig iſt, der Jugend vor Augen ge⸗ 
ſtellt, dabey zugleich die Regeln ieder Art 
des Stils aus dieſen Beyſpielen gleichſam 
abſtrahirt, den Schuͤlern gelegenheitlich 
beygebracht werden: ſo bin ich verſichert, 
daß ſie ohne groſſe Muͤhe und mit Luſt 
ähnliche Arbeiten zu verfertigen, ges | 
fhieft werden. Beyſpiele find mehr als 
Megeln. Eben dadurdy wird aber eine 
der erfien Abfihten y welche nach meiner 
Meynung, dur diefe Sammlung er 
reicht werden follte, Fünftige Prediger 
ſchon in der Jugend zu natürlichen, 
von allem Chrienmäffigen Zwange und 
affektirten Schmuf und Schwulſt 
entfernten guten Nednern zu bilden, mit 

Got⸗ 


EEE — 


Gottes Hulfe deſto eher erreicht werden. 
Dazu vornehmlich wie zur weitern Bih 
dung aller iungen Seelen, die dieß Buch) 
leſen werden, wolle Gott es ſeegnen 
Geſchrieben auf der Friedrich Alexanders 
Univerſitaͤt. Erlang den 24 Novemb. 
1778: | 


D. Georg Friedrich 
Seiler. 


Sn DT rn 


Der: 





Verzeichniß 


der zu dieſem Werke — 
Schriften. 


>, DO Fabeln. 

Beytraͤge zur Ehre und zu den Epheme— 
riden der Menſchheit. 

Blums Gedichte. 


| Reden ‚ oder Reden von dem Ver; 
faſſer der Spaziergänge 





Caͤſar. 
Cicero. 


Cramers poetiſche Ueberſehung der Pſal⸗ 
men. 


SCH IR | Cronegks, 


er 





— 





Cronegks, von, Schriften. 
Chreſtomathie fuͤr Juͤnglinge. 

— Münfterifche, 

Denis Gedichte. | 
Ewalds Sinngedichte. 


re Benfpiele der Weisheit und 
Tugend aus der Geſchichte. 


Freund der Jugend. 

Gellerts Briefe nach ſeinem Tode. 
—— Fabeln und Erzählungen, 
u geiftliche Oden. 
Gerftenbergs, von, Taͤndeleyen. 





Gegners Idyllen. 
Gellius (A) Attiſche Nichte 
Gieſeke poetifche Werke, 
Hagedorns Werke | 
Hallers, von, Gedichte, 


Horaj. | | | 
Jacobi 








Jatobi ſämtliche Were, 
Jugendgeſchichte beruͤhmter Maͤnner. 
Karſchin neue Gedichte. | 

Käftners vermifchte Schriften, 
Kleifts fämtliche Werke, 

Klopſiocks Oden. 

Meſſias. 
Krauſenecks Gedichte. 
La⸗Fontaine Aeſopiſche Fabeln. 
Leſſings Fabeln. 

vermiſchte Schriften. 


Leſebuch fuͤrs Frauenzimmer von Fr. 
Schmit. 


Lichtwehrs Aeſopiſche Fabeln. 


Logau Sinngedichte von Leſſing und Ram⸗ 
ler mit Anmerkungen uͤber m: 
Sprache. 


)CI 2 Maſta⸗ 








RR 


Maftaliee Gedichte nebft Oden aus dem 
Horaz. | 

Miller über Höltys Charakter, ein Bey: 
trag zur Schubarts Chronick, 

Michälis Wat, 

Müller Verſuch in Gedichten, 

Moore Fabeln, überfezt von Weifle 

Muſenalmanach Voſſiſcher. 

— Bouͤrgeriſcher. 

— Schmidiſcher. 

Neue Fabeln. 

Neuer Sammler. 

Nuͤrnberger Handbuch. | 

Perceval Unterricht für feine Kinder, in 


Betrachtungen, ———— und 
Fabeln. | 


Phaͤdrus Fabel. 
Plins ‘Briefe, | 
Plutarch, von Erziehung der Kinder. 


Rabeners Leben und Briefe nach ſeinem 
ar von Weiſſe. 


Rabe⸗ 


Rabeners Satyren. 

Ramlers Lieder der Teutſchen. 

— Lyriſche Blumenleſe. 

— Oden aus dem Horaz. 

ten nach dem Horaz 

— Cinleitung in die fehöne Wiſſen⸗ 
fchaften nach dem Batteux mit 

| Zufäßen vermehrt. 

Sulzers Voruͤbungen zue Erweckung der 


Aufmerkſamkeit und des Nach⸗ 
denkens. 


Schmids Anthologie der Teutſchen. 


—— Aaſchenbuch für Dichter und 
Dichterfreunde, 


Schulzens zo uͤberſetzte Pſalmen. 
Theophraſts Charaktere. 

Uzens poetiſche Werke. 

Weiſſe lyriſche Gedichte, 

Welt, die, Wieneriſche Wochenfchrift, 
Wernike Sinngedichte, 


Ka Mi 








Wielands Mufarion, 

— moraliſche Briefe, 
— Agathon. 
teutſcher Merkur. 
Zachariaͤ poetiſche Werke. 








Proſai⸗ 


—R 
Anthologie. 


Erfter Abſchnitt. 


» 
URL 


Aral 





-L 
Er zaͤ biungen 


und 


| Beſchreibungen. 


A2 





j 


- Der: Knabe und die Mutter, 
in Knabe hatte einft in der Schule feis 


(Aefop Sab. 48.) 
E nem Mitſchuͤler ein Buch entwendet 


und ſeiner Mutter gebracht. Sie ſtrafte ihn 
nicht, ſondern war vielmehr wohl damit zus 
frieven. Und fo nahm er denn mit dem Alter 
auch im Stehlen zu. Kinft wurde er aber 
eben über der That ergriffen, und darauf zum 
Tode hingefuͤhrt. Da nun feine Mutter bins 
ter ihm ber folgte, und dabey iämmerlid) that; 
‚fo bat er den Scharfrichter, daß er ihr nod) 
ein paar Worte in Geheim fagen dürfte. Sie 
biele ihm fogleihb ihr Dhr an den Mund; 
aber er biß es ihr ab. Seine Mutter und 
die übrigen Zuſchauer klagten ihn an, daß er 
bey feinem Diebftahl noch ein ſolches Verbrechen 
gegen feine Mutter begehen Fünnte. Allein er erz 
wiederte: Sie ift die Urſache meines Unglücks, 
Denn bätte fie mid) dazumal geftraft, als ich ein 

3 Bud 





6 ERICH 





Buch enfwendete, fo würde 28 nicht fo weit 
mit mir-gefommen ſeyn: ic) würde nicht zur 
Richterſtaͤtte geführet werden. 








- Erziehung 
(Plutarch von der Erzieh. d. Rinder. Rap.4.) 


Kokure ‚ der Lacedämonifche Gefehgeber , 
nahm zween iunge Hunde von einerlen Aeltern 
zu ſich, und zog fie ganz verfhieden auf. Den 
einen gewöhnte er genaͤſchig und lüftern; den 
andern aber richtete er zum Spuͤren und Tas 
gen ab. Nun waren einmal die Lacedämonier 
verſammelt. Da ſprach Enfurg : feht doch, 
ihr Lacedämonier, wie wichtig Gewohnheit, 
Erziehung , Unterricht und Lebensart find, um 
das Herz für Die Tugend empfänglih zu mas 
chen. Hier babt ihr offenbare Beweiſe. Er 
brachte feine zween iunge Hunde hervor : In 
Die Mitte ſetzte er eine Schuͤſſel, und einen 
Haaſen den Hunden gegen über; nun ließ er 
fie von einander. Da rennte der eine auf den 
Haafen zu, der andere mit gewaltiger Begier⸗ 
de auf die Schuͤſſel. Noch konnten die Las 
cedämonier nicht eigentlich errathen, mag die 
bedeute , und in melcher Abficht er die iungen 
Hunde gefeigt babe. Da ſprach er denn: Dies 
fe beiden Hunde haben zwar einerley nn: 
aber 


aber ihre Auferziehung war verſchieden. Das 
ber ward iener ein Lerfermaul; diefer ein Wild⸗ 


fänger. 





Der verfchwiegene Papyrius. 
(U. Gellius J. B. Kap. 23. ) 


Die Senatoren hatten ſonſt zu Rom die 
Gewohnheit, ihre Söhne, wenn fie die Präs 
texte befommen hatten, mit auf die Kurie zu 
nehmen. Nun wurde im Senat über eine wids 
tige Sache berathichlagt, die deßwegen auf 
den folgenden Tag noch verſchoben merden 
mußte. Man befand auch für gut , das, wor⸗ 
über fie fich beredeten, fo lange geheim zu hals 
ten, bis der Schluß im Senat“ gemacht waͤre. 
Die Mutter des iungen Papyrius aber, der 
mit feinem Vater der Senats: Berfammlung 
beygemohnt hatte, fragte ihren Sohn: was die 
Näter im Senat befchloffen hätten? Ich muß 
es bey mir behalten, antwortete er, und darf 
es nicht offenbaren. Um fo neunieriger ward 
Die Mutter: fie fieß ihm Feine Ruhe, das Ge 
heimniß, welches der Rabe verfehwieg , aus 
ihm beranszabringen. Sie fragte ihn daher 
nacddrücklicher , und mit mehrerem Ungeſtuͤm. 
Da feine Mutter fo fehr in ihn-drang ; fo Fam 
er endlich auf den Einfall, ihr auf eine feine 

| 44 and 


® Im 


und aefällige Art die Wahrheit vorenthalten. 
Er fagte ihr im Vertrauen: man hätte ſich dar— 
über berathſchlagt, welches wol beffer und für 
ben Staat vortheilhafter wäre, daß ein Mann 
zwo Frauen, oder eine Fran zween Männer 
* babe? Kaum batte fie dieß gehört; fo überfiel 
fie Furcht und Schrecken. Zagend geht fie vom 
Haufe weg und läuft zu den übrigen Matros 
nen. Des folgenden Tags verfammelten fi) 
die Srauen Schaarenweiſe, liefen zum Senat, 
und baten mit Thraͤnen, man möchte, doch lies 
ber einer Frau zween Männer , als einem Mans 
ne zoo. Srauen zugeftehen. Die Senatoren gienz 
gen auf die Kurie, und finunten über das unges 
fine Wefen diefer Frauen, und Fonnten ſich 
nicht in ihre Forderung finden. Da trat der 
iunge Papyrius mitten unter fie auf, und erz 
zählte ausführlid) den Verlauf der Sache: was 
nämlich feine Mutter mit Gewalt von ihm hätte 
wiffen wollen, und er ihr dann gefagt hätte. 
Dem Senat gefiel diefe Werfchwiegenheit und 
der finnreiche Einfall des inngen Papyrius übers 
aus wohl; doc) befchloß er, daß Fünftighin nicht 
mehr die Knaben mit ihren Vätern auf die Kus 
rie gehen follten , auffer Papyrius, und fie 94 
ben ihm noch zu Ehren den Zunamen Präters 
tat, weil er als Knabe fo Elug im reden und 
ſchweigen gewefen war. 


J 
— — — — — — — 


Der 


— — 9 


Der dankbare Loͤwe. 
B. V. Rap. 14. 


E⸗ wurde einſt in Rom ein groſſes Thiers 
gefechte gegeben. Unter den vielen wilden Thies 
ren befand ſich vorzüglich ein Löwe, der wegen. 
feiner ungeheuren Gröffe und Schönheit. aller 
Zuſchauer Bewunderung auf fi zog. Unter 
denen , die mit diefem Thiere Fämpfen follten , 
wurde aud) ein armer Sflav, mit Namen Ans 
drofles, aufgeführet: Als diefen der Löwe von 
fern zu Gefichte befam, fund er gleichfam vor 
Verwunderung flile, und gieng endlic) ganz 
fanft und liebreich, gleich als ob er ihn kenn⸗ 
te, auf ihn zu: fieng an, wie ein fchmeichelnder 
Hund, mit dem Schwanze zu wedeln, und dem 
ungläcflihen Menſchen, der vor Schreifen ſchon 
halb todt war, Hände und Fuͤſſe zu lecken. 
Diefe ungewöhnliche Schmeichelen eines fo wilz 
den Thieres flößte dem Androkles wieder fo viel 
Muth ein, daß er es wagte, den Löwen anzus 
fehen. Hier fbienen beide einander zu erfennen, _ 
und ſich der mnvermutheten Begegnung zu ers 
freuen. Das Volk erhub fo gleich vor Verwuns 
derung ein erftaunendes Geſchrey! der Kaifer 
ließ den Androfles holen und fragte ihn, ob er 
die Urſache wüßte, warum er der einzige wäre, 
den diefer ſchreckliche Löwe verfchont habe? Ans 

| A 5 drokles 


\ 





10 
drokles erzaͤhlte alſo ſolgende wunderbare Bege⸗ 
benheit: 


Als ich mich, ſagte er, bey meinem Herrn, 
der als Prokonſul nach Afrika geſchickt wurde, 
durch die taͤgliche, grauſame Begegnung zur 
Flucht verleiten ließ, ſuchte ich mich in den 
einſamſten Wuͤſteneyen zu verbergen, mit dem 
ſeſten Entſchluſſe, wenn es mir an Speiſe ge— 
braͤch, den Tod irgend auf eine Art aufzufus 
chen. Einſt ſand ich bey einer brennenden Son⸗ 
nenhitze eine abgelegene verborgene Hoͤhle, in 
die ich mich rettete. Bald darauf Fam dieſer 
Loͤwe, mit einem lahmen und blutigen Fuß, 
und gab feinen peinlichen Schmer; durch ein 
Flägliches Aechzen und Gemurmel zu erfennen. 
Ich war vor Schrecken auffer mir; doch, fo 
bald er mich erblickte, gieng er ganz fanft auf 
mid) zu, bob feinen Fuß nad) mir auf, gleich— 
ſam als ob er bät, daß ich ihm helfen ſollte. 

Hier ward ih einen groffen Splitter gewahr, 
den er ſich eingefloden, und wovon der Fuß 
äufferft geſchwollen war, Ich zog ihn heraus, 
drückte die Materie aid der Wunde , und reis 
nigte fie. Da er feine Schmerzen durd) meine 
Huͤlfe gelindert fühlte, legte er mir den Zuß 
in die Hand, und fchliei ein: und von der Zeit 
an lebte ic) mit ihm drey Jahre lang in derfels 
ben Höhle, und von einerley Koſt. Denn, von 

Be n . dem 





— — 11 


dem Wildpret, das er iagte, brachte er mir 
die beſten Stuͤckchen, die ich an der Mittags— 
ſonne briet, oder vielmehr dörrte, meil ich Fein 
Teuer hatte Da ic des thierifchen Lebens 
endlich) überdrüfig ward, verließ ich den Loͤwen 
in feiner Abwefenheit, lief drey ganzer Tage 
fort, und wurde zum Ungluͤck von den Roͤmi— 
ſchen Soldaten gefangen genommen und wieder 
zu meinem Herrn gebracht, der mid) fogleic) 
zum: Zode verdammen ließ, und zwar, daß ic 
den wilden Thieren moͤchte vorgeworfen werden. 
Vermuthlich ift diefer Löwe, der fid) meiner 
‚Heinen Wohlthat fo danfbar erinnert, binnen 
der Zeit, feit ich mich von ihm getrennt habe, 
ebenfalls gefangen genoinmen worden. Dieß alles 
wurde fogleich auf ein Täfelchen aufgezeichnet, und 
dem Volke befannt gemacht. “jedermann bat, 
daß dem Androkles die Strafe erlaffen, er in 
Freyheit gefeßt, und ihm der Löwe zum Ge: 
ſchenke möchte gegeben werden. Er gieng hier; 
auf in der Stadt umher, und führte denfelben 
an einem Stricken. Die Leute gaben ihm Geld, 
befireuten den Löwen mit Blumen , und riefen 
ibm zu: Dieß ift der Löwe, der Gaftfreund des 
Menſchen, dieß ift der Menſch, der Arzt des \ 


Löwen. 


er mn 





Aus 





12 ne EEE N 


Aus dem Schufter ein Arzt. 
(Phaͤdr. 3—— 


Ein ungeſchickter Schuſter, der gaͤnzlich 
verarmt war, gab ſich an einem Ort, wo man 
ihn nicht kannte, fuͤr einen Arzt aus, verkaufte 
haͤufig falſche Arzeney für Gegengift, und 
machte ſich durch feine betruͤgliche Auffchneides 
reyen berühmt. Einſt lag der König in der 
Stadt fehr gefährlich darnieder, und Er forder; 
te einen Becher, um diefen auf die Probe zu 
ftellen : Er goß dann Waller hinein, und fellte 
fid) , als ob Er Gift unter fein Gegengift mis 
fhe. Darauf befahl Er ihm foldyes zu trin⸗ 
fen, und verſprach ihm dafür eine Belohnung. 
Nun ward ihm um fein Leben bange, und er 
bekannte , daß er nicht dur Erfahrenheit in 
der Arzeneyfunde, fondern Durch die dumme 
Bewunderung des Poͤbels berühmt worden fey. 
Der König ließ darauf das Volk zuſammen⸗ 
rufen, und fagte: Wie albern ſeyd ihre 
nicht, überlegts nur felbft, daß ihr ohne Be; 
denfen euer Leben demienigen anvertrauet, dem 
— ſeine Fuͤſſe zu beſchuhen anvertrauet 
hat? 


Der 


Der Bruder und die Schweſter. 
(B. UI. 8.) 


Ein Vater hatte eine ſehr haͤßliche Toch— 
ter, und einen uͤberaus ſchoͤnen Sohn: Dieſe 
ſpielten mit einander, fo wie es Kinder mas 
chen, und ſahen von ohngefaͤhr in einen Spie⸗ 
gel, welcher ſich auf dem Nachttiſch der Mut—⸗ 
ter befand. Der Knabe that groß auf feine 
Schönheit; die Schwefler aber ward böfe dars 
über, und Eonnte die Neckereyen ihres prabs 
lenden Bruders nicht vertragen: Sie nahm 
alles, und wie konnt' es anders fen? als Ber 
leidigung auf, Sie lief deßwegen zum Water, 
und verflagte den Sohn, um ihm nieder eis 
nen Tort anzuthun, mit bitterem Haß, daß 
er als Mannsperfon fi mit folchen Dingen 
abgegeben habe , welche nur die Srauenzimmer 
angiengen. Er umarmte beide, Füßte fie mit 
gleicher Zärtlichkeit, und fagte: Ihr follt euch) 
täglich im Spiegel befehen, du, mein Sohn, 
daß du deine ſchoͤne Geftalt durd) böfe Auffübs 
rung nicht verunzierefi, und du, meine Toch— 
‚ter, daß du durch einen auten Wandel erſetzen 
mögefi, mas dir an Schönheit fehler. 


16 NENNT 


Der Schiffbruch des Simonides. 
2. IVi a2) | 


Gimntvie) der vortrefflibe Dichter, durchs 
zog, um ſich feine Armuth zu erleichtern, die _ 
berühmten Städte Afiens, und fang fürs Geld 
das Lob der Sieger. Durch diefe Art des 
Gewinnſtes wurde er rei, und beſchloß dars 
auf zur See in feine Heimath zu reifen; und 
diefe war, wie man faat, die Sinfel Sea. Er 
flieg ing Schiff: aber mitten im Meer erhob 
fi ein erſchrecklicher Sturm; das Schiff mar 
baufälig, und zerfheiterte. Da griffen einige 
nad) ihren Geldbörfen, andere nach ihren Kleis 
nodien, wovon fie fid) nährten. Ein gewiſſer 
aber, der ziemlich vorwigig war, ſprach zum 
Simonides: und du nimmft nichts von deinem 
Vermögen mit? Ich trage, fagt er, all das 
Meinige bep mir. Wenige erretteten ſich durch 
Schwimmen; denn viele zog ihre ſchwere Laft 
tu Boden. Sogleid kommen Straffenräuber 
dazu, rauben, mas ein ieder davon gebrad)e 
Hat, und laſſen fie entblößt zuruͤcke. Zum gus 
ten Glück war noch in der Nähe Klazomene, 
eine alte Stadt, wohin ſich die unglüclicden 
Schiffleute begaben. Hier befand fih ein 
Freund der Wiflenfchaften „ der bie Verſe des 
Simonides oft geleſen hatte, und fein groſſer 
Merehrer war, ohne ihn ie gefehen zu haben, 
ne Dieſer 





EEE 15 
Dieſer lernte ihn aus dem Geſpraͤche naͤher 
kennen, und nahm ihn mit vieler Begierde 
zu ſich in ſein Haus, und verſah ihn mit Klei— 
dern, Geld und Bedienten. Die übrigen tru⸗ 
gen ihr Schiffbruhs » Gemälde umher, und 
fammelten Almofen ein. GSimonides begegnete 
ihnen von ohngefähr; und da er fie ſahe, ſprach 
er: Hab ichs euch nicht zuvor gefagt, ich hätte 
ales das Meinige bey mir ? mas ihr in der 
Eile zuſammen gerafft habt, ift nun dahin. 








Wahre Vorzuͤge. 


As Kaifer Theodoſius ungefähre ein und 
zwanzig Jahr alt war, und fich vermählen 
‚wollte, bat er feine Schweſter Pulcheria und 
feinen Sreund Paulin, in feinem ganzen Reich 
ein Srauenzimmer von der auserlefenften Schoͤn⸗ 
beit und den erhabenften Eigenfhhaften für ihn. 
auszuſuchen. Mitten in ihren Unterfuchungen 
Fam Athenaiß , eine griechiſche Jungfrau dazu; 
und das zufälliger Weife. Ihr Vater, der ein 
berühmter Pbilofoph von Athen war, und fie 
in der Gelehrfamfeit diefes Orts erzogen hatte, 
hinterließ ihr bey feinem Tode nur ein fehr ges 
ringes Vermögen , über welches fie noch dazu 
fehr vielen Verdruß von der Ungerechtigfeit ih⸗ 
rer zween Bruͤder auszuſtehen hatte. Dieß noͤ⸗ 

thigte 


32 


16 ee 2 og re 





\ 


thigfe fie eine Reife nach Konſtantinopel zu ma; 
chen, wo fie einen Anverwandten hatte, der ihre 
Sache der Pulcheria vorftellte, um ihr einige 
Hilfe von dem Kaifer zu verfchaffen. Hie— 
durch ward dieſe tugendhafte Prinzeſſinn mit der 
Athenais befannt, die fie als das ſchoͤnſte 
Frauenzimmer ihrer Zeit, und durd eine lans 
ge Uebung in der Philoſophie zur ſtrengſten Tus 
gend und der reinften Unſchuld erzogen fand. 


Pulcheria ward durch diefe Unterhaltung mit - 


ihr entzäckt, und gab fogleich dem Kaifer, ihs 
rem Druder, davon Nadridt. Der Charaks 
ter, den fie von ihr gab, machte einen ſolchen 
Eindruck auf ihn, daß er feine Schweſter bat, 
fie fogleihh in die Wohnung feines Freundes 
Paulin zu bringen, wo er fand, Daß ibre 
Schoͤnheit und ihr Umgang die erhabenften Bes 
griffe überflieg , die er fih davon gemacht hatte. 
Sein Freund Paulin befehrte fie zum Chriftens 
thum , und gab ihr den Namen Eudoria, wor⸗ 
auf der Kaifer ſich öffentlich mit ihr vermäblte, 
und alle die Glückfeeligfeit mit ihr in der Ehe 
genoß, die er ſich von einer fo tugendhaften und 
gelehrten Braut verfproden hatte. Sie vers 
gab nicht nur ihren Brüdern ihre Peleidigung 


gen, fondern erhub fie auch zu den arößten Eh⸗ 
tenftellen, und, machte: fich fomol durch verſchie⸗ 


dene Werke der Gelehrfamkeit ; als durch ihr 
paeblariäbrted Leben bey dem ganzen Reiche fo 


— 


— 


} 


/ 


—— 17 


deliebt, daß ihrem Angedenken viele Statuen 
errichtet wurden , und die Kirchenväter fie als 
die Zierde ihres Geſchlechts rühmen. 





Moathildis. 


Marsite ı murde ſehr iung mit — neapo⸗ 
litaniſchen Edelmann vom erſten Range vers 
maͤhlt, und in ihrem funfzehnten Jahr war fie 
ſchon eine Wittwe und eine Mufter. Als fie 
eines Tages an einem offenen Fenfter eines 
Zimmers über den Fluß Volturna fand, und 


mit ihrem Kinde fpielte, feblüpfte daſſelbe mit 


einem plöslidhen Sprunge aus ihren Armen, 
und fiel in den Fluß hinab. Vor Screen 
auffer ſich fürzte fi die Mutter ihrem Kinde 
fogleih nad) , und bemühte ſich, daſſelbe zu 


retten. Aber ihre Bemuͤhung mar vergebens, 


und fie felbft Fonnte nur mit vieler Schwierigs 
keit. Faum an das gegenfeitige Ufer entrinnen. 
Yuf diefer Seite plünderten eben einige franz 


zoͤſiſche Soldaten das Sand, die fie, fobald fie 


diefe erblickten, zur Gefangenen machten. 
Schon waren fie im Begriff alles, was Mols 
Juſt und Graufamfeit ihnen eingaben, an der 


ungluͤcklichen Gefangenen aussnüben. "Ein iuns 


ger Dfficier widerfeßte ſich noch diefem ihrem 
niedrigen Entſchluß „ließ die Gefangene, obs 
ER 


ſchon 


18 bremsen. non > 
ſchon fein Rückzug die größte Eile erforderte; 
inter ſich auffigen, und brachte fie nach feiner 
Geburtsftadt in Sicherheit. Ihre Schönheit 
nahm zuerfi feine Augen, und ihr Verdienft 
bald darauf fein Herz ein. Sie verheiratheten 
fi) miteinander ; er erflieg die hoͤchſten Eh⸗ 
renftufen, fie lebten lange zufammen, und 
waren gluͤcklich. Aber nach einem Zwifchens 
raum von etliden Sjahren, wurden die Trups 
pen, die er anführte, surücgefchlagen, und er 
fah ſich genoͤthigt, in die Stadt, no er mit 
feiner Gemahlinn gelebt hatte, feine Zuflucht 
zu nehmen. Gie ftanden bier eine Belagerung 
aus, und die Stadt murde eingenommen, 
Wenige Gefhichten koͤnnen mehrere mannich⸗ 
foltigere Benfpiele der Graufamkeit aufweifen, 
als die waren, die damals die Franzofen und 
Sstaliäner gegen einander ausübten. Es wurde 
bey diefer Gelegenheit von den Siegern bes 
ſchloſſen, alle franzöfi ſche Geſangene niederzu⸗ 
machen: beſonders aber den Gemahl der un⸗ 
gluͤcklichen Mathildis, weil er die Haupturſa⸗ 
che von der Verzoͤgerung der Belagerung war. 
Ihre Entſchluͤſſe wurden gewoͤhnlicher Weiſe 
eben ſobald ausgefuͤhrt, als fie beſchloſſen was 
ven. Der Gefangene wurde hervorgeführk, 
Schon fand, der Scharfrichter mit feinem 
Schwerdte bereit, und die Zuſchauer erwars 
teten mit finfierem Stillſchweigen den toͤdtli⸗ 
4 chen 


* 


——— 19 


chen Streich, der nur noch zuruͤckgehalten wur⸗ 
de, bis der General, der bey dieſem Gerichte 
den Vorſi it hatte, das Zeichen wuͤrde gegeben 
haben. In dieſem Zwiſchenraum von Angſt 
und Erwartung kam Mathildis, Abſchied von 
ihrem Gemahl und Erretter zu nehmen, und 
weinte uͤber ihre traurige Lage, und uͤber die 
Grauſamkeit des Schickſals, das ſie von ei⸗ 


nem frühzeitigen Tode in dem Fluſſe Volturna 


errettet habe, um die Zuſchauerinn eines ſo 
viel groͤſern Elendes zu ſeyn. Der General, 
der ein iunger Mann war, erſtaunte uͤber ihre 
Schoͤnheit, und wurde von ihrem Schmerze 
gerührt; noch ſtaͤrker wurde feine Ruͤhrung, 
als er ſie ihrer vormaligen Geſahren erwaͤhnen 
hoͤrte. Er war ihr Sohn, das naͤmliche Kind, 
für welches fie fo viele Gefahren ausgeſtanden— 
Er erfannte fie auf einmal für feine Mutter, 
und warf fid) zu ihren Fuͤſſen. Der Gelans 
gene wurde ſogleich befreyet, und alle die 
Glückfeeligfeit, melde Liebe, Freundſchaft 
und Eindlihe Treue iedem — konnten, 
e fie vereint. 





Der Wilde, 


U eherall giebt es gute Menſchen — fagte 


einft ein Geiſllicher, der in Oſtindien Miſſio— 
B naͤr 


090 Bo meer 
naͤr getvefen war, zu einer Dame tinfer ans 
dern Gefprächen — Das habe ich unter meis 
nen Wilden gelernt. Einft genen Abend — 
fuhr er zu erzählen fort — gieng ich mit meis 
nen Hausgenoſſ en von einem Spaziergange zus 
rüde Da hörten wir, an der Deffnung eines 
Waldes, einen Fläglihen Tun; wir giengen 
ihm nad), und fanden unter einem Banme eis 
nen Wilden, der alt und entfräffet auf fein 
Ende zu warten fihien. Anfangs wollt?’ er 
nicht mit uns reden, „Ach! fagt’ er endlich, 
heute Morgen , als der Himmel voth murde, 
made” ih. mid) auf; und hoffte nach meiner 
Heimath zu Fommen. Yun hab’ ih mid ver 
irrt, es wird dunfel, ic) bin müde; nun muß 
ich bier liegen bleiben. Hier werden Schlan⸗ 
gen , oder wilde Thiere, oder meine Feinde 
mich umbringen. Mein armed Weib! und 
meine Rinder! ?” Uns iammerte feiner; ich 
bat ihn, mitzugeben. „Uber du kennſt mid) 
nicht!” Ich brauche dich nicht zu Feunen, 
fagt’ ih , komm! und wir führfen ihn in meis 
ne Hütte. Nachdem er die nöthige Stärfung 
zu fi) genommen hatte, bereitete ich ihm ein 
Lager dicht an meinem Bette, fo daß wir. nur 
eine dünne leinene Wand zwifchen uns haften. 
Er legte fib bin. Mitten in der Nacht weckz 
te mich ein Geraͤuſch, als ob der Wilde: von | 
feinem Lager aufkünde Ich erſchrack und 
Ba horchte. 


mn —ñ— — — 


horchte. Wie ſehr aber that mein Schrecken 
ihm Unrecht: Sch werd' es nie vergeſſen. 
Er war niedergekniet, und betete ohngefaͤhr 
mit folgenden Worten: „O Gott! id) danke 
"dir, daß auf meinem’ Wege die Sonne ge 
Iſchienen bat; ich danfe dir, daß mich Feine 
„Schlange geftochen , daß mid) Fein wildes 
Chier angefallen bat, daß meine Feinde 
"mir nicht begegnet find. Ich danfe Dir, 
„daß diefer gute Fremde gefommen if, 
„und mich in feine Hütte geführte bat. O 
„Gott! wenn. diefer Fremde, oder wenn 
„ſeine Freunde, oder feine Nachkommen reis 
„ſen; ſo gieb ihnen auch die Sonne; ſo 
bewahre fie vor Schlangen und wilden Thies 
„ten z: und vor ihren Feinden. » Und, wenn 
ſich einer verirrt, und am Wege liegt, 
„ſo Laß einen guten Mann Fommen, der 
| „ibn mit in feine Hätte nimmt. 


ESo war ſein Gebet, und das meinige 
war: Gieb mir, o Gott, neben dieſem 
Wilden ein Plaͤtchen in deinem. ——— 


B3 Noth 


‚22 





Noth Wint zuweilen zu einem 
WVerbrechen. 


€, innger Menfch wurde in einer Eleinen 
Straffe angehalten. Man: forderte von ihm 
feine Börfe, oder fein Leben. Diefer empfand, 
daß er einen Ungluͤcklichen zu retten babe. 
Was verlangit du, Klender ! was willſt du 
‚von mir? fante er mit einem gebieterifchen Tos 
ne zu feinem Angreifer. — Nichts, mein 
‚Herr , antwortete ihm eine ſchluchzende Stims 
me; ich verlange nichts von ihnen. — Wer 
bift du? Was mahft du? — „Ich bin ein 
armer Schufter, und nicht im Stande, mein 
Weib und vier Kinder zu ernähren, id) Fann 
nicht ” — Aber redet du die Wahrbeit? 
(Er wußte wohl, daß fie der Unglücfliche fags 
te) Wo mohneft du? „In der und der 


Strafe bey einem Berker.” — Laß fehen, 


wir wollen dahin gehen. Gie gehen. Der 
durch Diefe gebieterifche Gewalt niedergefchlas 
gene Schuſter führte den iungen Menfchen nad) 
feiner Wohnung. Man koͤmmt bey dem Bas 
der an... Es war nur ein Frauenzimmer in 
der Bude. — Madam, Fennt Gie dieſen 
Menichen? „Sa, mein Herr, es ift ein Schus 
fier, welcher hier im fünften Stockwerke woh⸗ 
net, und dem es ſeht Janet wird, feine zahl⸗ 
reiche 


—— 23 


reihe Familie zu ernähren.” — Warum laͤßt 
Sie e8 ihm aber an Brod fehlen? „ Mein 
Herr, wir find iunge Leute, und haben vor 
kurzem angefangen: wir Fünnen nicht viel vors 
fehieffen, und mein Mann bat mir verboten, 
dieſem Menſchen mehr, als vier und zwanzig 
Sous Kredit zu geben.” — Gieb Sie ihm 
zwey Brode. — Nimm diefe Brode, wir wols 
len hinauf gehen. — Der Schufter gehordht 
in folder Bewegung, als wenn er ein Ver⸗ 
brechen begehen wollte. Sie geben hinein. 
- Frau und Kinder ergreifen begierig das ihnen 
gebrachte Brod. Der iunge Menſch hat nun 
ſchon zu viel gefehen. Er geht weg, und läßt 
der Berkersfrau men Louis d'or, diefe Fami⸗ 
lie mit Brod ju verforgen. Einige Tage nadhs 
ber koͤmmt er wieder, die Rinder zu befuchen, 
denen. er von neuem das Leben gegeben hat‘, 
und fagt ihrem Vater, ihm zu folgen. Er 
führet feinen armen Klienten nach einer Bude, 
die mit allem Hausgeräthe und Handwerfszeus 
ge zu feiner Profeſſion aufs beſte verfehen 
war. — Woͤrdeſt du zufrieden, und ein ehrz 
licher Mann feyn , wenn dir diefe Bude zus 
" gebörte? „Ah, mein Herr! aber — was? 
— 34 bin noch nicht Meifter, und das ko⸗ 
ſtet Geb,” Fuͤhret mich zu eurem Altmei⸗ 

Em NE Tg Ä ſter. 


24 — — 


fir. — Die Meiſterſchaft wird bezahlt, und 
der Schuſter in ſeine Bude eiaseſen 








Kindliche Liebe 


Eine Witwer, welche mit ihren drey Sohnen 
in die aͤuſſerſte Duͤrftigkeit gerathen war, konn⸗ 
te ſich nicht ernaͤhren, obgleich die Soͤhne alle 
Mühe anwandten, ſich und ihre Mutter vor 
dem Hunger zu beſchuͤtzen. Sie liebten fie auf 


Das zärtlichfte, und faßten daher einen auflers | 


prdentliden Entſchluß. Man hatte feit Furs 
zem befannt gemacht, daß derienige eine ans 
ſehnliche Belohnung erbalten folte, welcher den 
Raͤuber gewiſſer Koſtbarkeiten bey der Obrig⸗ 
- Teil anzeigen würde. Die drey Brüder beres 
deten ſich untereinander , daß einer von ihnen 


den Räuber vorfiellen, und die beiden anderk 


ihn vor die Obrigkeit führen follten. Sie 1005 
ften mit einander, welber der Raͤuber ſeyn 
füllte, und das Looß traf den Sjünaften, der 
fi) fogleich binden, und vor dem Nichter- fühs 
ven lief. Der innge Menſch geſtund ſogleich 
freywillig das Verbrechen. Man führte ihn’ 
ins Gefaͤngniß, und feine Brüder erhielten die 
veriprodhene Summe. Ihr Herz wurde durd) 
die Gefahr ihres Bruders gerührt. Sie fans 
den 


N 


— 25 





den ein Mittel ing Geſaͤngniß A kommen, um⸗ 
armten ihn zaͤrtlich und vergoſſen viele Thraͤ⸗ 
nen. Der Richter, der dieſes von ungefähre 
ſahe, erfiaunte über diefen unvermutheten An; 
blick, und befahl einem von feinen Leuten, den 
beiden Anklaͤgern nachzuſchleichen, und fie nicht 
eher aus dem Geſichte zu laſſen, Did er einige 
zur Sache dienliche Nachricht eingezogen babe. 
Der Bediente that es, und brachte feinem 
Herrn die Nachricht, ‚daß er ihnen bis in ihr 
Haus nachgegangen wäre. Dort hätten fie ibs 
rer Mutter dasienige erzählt, was wir bereits 
- willen; darauf hätte die Mutter ein Elägliches 
Gefchrey angefangen , und beiden Söhnen 
befoblen, das erhaltene Geld ſogleich wieder 
zuruck zu geben, meil fie lieber Hungers fterz 
ben, als durch den Tod eines ihrer lieben 
Söhne ihr Leben erhalten wollte Der Rich— 
ter, der dieſes Wunder der Findlichen Liebe 
Faum glauben Eonnte , ließ fogleic) den Befans 
genen vor ſich bringen, befragte ihn nochmals, 
wegen des vorgegebenen Diebſtahls, und dro— 
hete ihm ſo gar mit der grauſamſten Marter. 
Der iunge Menſch aber, den nichts, als die. 
Zärtlichkeit gegen feine Mutter rübrte, blieb 
unbeweglich. „O das ift zu viel, rief der 
„tugendhafte Richter aus, indem er ibn um 
„den Hals fiel — vortrefflicher Sohn! Deine 
Tugend fert mich in Erfiaunen ” — Er 
y © B5 machte 


26 — — 





machte ſogleich einen Bericht an den Monar⸗ 
chen, welchem diefe edle That fo wohl gefiel, 
dag er diefe drey Söhne zu fehen verlangte, 
fie mit Lobſpruͤchen überhäufte, dem iüngften 
ein anfehnliches Jahrgeld, und beiden andern 
ein etwas geringeres ausfeßte, 





—— — — — ⸗ 


Die traurigen Folgen der Spiel⸗ 
ſucht. 


Eine iunge, heitre, angenehme Dame, Do— 
rinde, von einer reizenden Geſtalt, und ges 
fchaffen , iedvermann zu gefallen, hatte das Uns 
glück, fib von dem Gift einer unbedachtſamen 
Sugend, der Spielſucht beraufchen zu laſſen; 
font mar fie faſt von allen Fehlern frey. 
Aber, meld ein Unglüf, wenn fie einmal 
nicht fpielen Eonnte! da faß fie niedergeichlas. 
gen, und beynahe vol Verzweiflung, Endlich 
fand fi) ein graufamer Betruͤger, der in allen 
Geheimniffen des Spiels erfahren war, ein 
Sohn des Mars mit einer eifernen Gtirne, 
und einem Auge voller Unverfchämtheit, unter 
einer glänzenden Monteur, aber dabey fo 
ſchmeichleriſch Friediend , fo fanft, dem Schei⸗ 
ne nach), daß es ihm leicht war, die Unſchuld 
zu hintergehen: ſie ſchien ihm der Muͤhe 

werth: 





7,2 


Werth? und er griff fie mehr durch Mienis 
"rungen als dur) Gewalt an. Bald gewann 
er ihr Vertrauen : (Es Famen die Karten aufs 
Tapet) der Tiſch wurde, gelegt. Der Kapis 
tain hatte bald ihr ganzes Geld erobert. Sie 
Fonnte nicht aufhören, verlor immer, und zit 
ferte vor Begierde , es Wieder zu gewinnen. 
Endlich feßte fie ihr brilianten Halsband auf: 
es gieng fork: gern hätte fie die Uhr gerettet: 
‚aber eben fo wenig: auch ein Miniaturbild 
mit Diamanten, Dhrengehänge, Armbaͤn⸗ 
der — alles verfpielte fie. Der ganze Schatz 
lag in feinem Hute, und ihr war nichts mehr 
übrig , als ihre Ehre. Der fihrecflihe Feind 
handelt auch um die, bietet ihr den Tauſch 
um feinen Gemwinnft an, fällt vor ihr nieder, 
legt die. Hand auf feine Bruft, ſchwoͤret, daß 
er ohne fie nicht leben Fünne. Mit Schars 
lad) färbt erfi die Schaam ihr Geſicht: ihre 
Zugend empoͤret fi: aber giebt nad) — er 
fpottet ihrer Bedenklichkeiten — hält ihr den 
Hut mit ihrem Verluſte vor, und — fiegt in 
ihrem Sale. So breitete eine fhöne Blume 
ihre Reizungen im güldnen Sommerftrale aus: 
- fie war der Stel; des Gartens, mo fie 
wuchs, und unbefleckt in ihrer Bluͤthe, bis 
ſich ein ſchaͤndlicher Wurm unter der Erde 
ihrer gefunden Wurzel nahte und fie zernag— 
te. Die ſchoͤnen Tinten ihrer Farben fiengen 
\ an 


2 — nm men 


an zu erbleichen, - die Blätter welkten, ihr 
Haupt ſank, und die Pflanze ſtarb, ohne 
daß man die Urfade errieth. 


Dem Berlufte ihrer Tugend in ihrer Bluͤ⸗ 
the folgte Schaam und Neue. Die Hoffnung 
aller irdifhen. Sreuden war dahin, und Wuth 
und Verzweiflung zerrüftefen ihre Seele. Dos 
rinde , das liebe unalücklidie Mädchen, ein 
früher Raub der Leidenfchaft , wollte ſich vor 
den Stacheln des Gewiſſens und vor den Rus 
then des allgemeinen Aergerniſſes retten — 
und 4 Giſt. | 


"Die Macht der Freundfchaft, 


A; Damon vom Dionyſius zu Syrakus auf 
einen gewiffen Tag zum Tode verurtheilet 
war, bat er in der Zwiſchenzeit um die Ers 
laubniß, in feine Heimath geben zu dürfen, 
damit er die Ningelegenheiten feiner troftlofen 
Samilie in Ordnung bringen möchte, Der 
Tyrann, der e8 ihm im Herzen abſchlug, 
gewaͤhrte es ihm zum Scheine, weil er ihm 
eine Bedingung machte, deren Erfuͤllung er 
fuͤr unmoͤglich hielt; daß er naͤmlich einen 
Andern als Geiſſel ſeine Ruͤckkehr und 
mit Verluſt ſeines Lebens ſtellen ſollte — 

| de 





fie nich zu beſtimmter Zeit erfolgte. Pythias 
hörte die Bedingungen, und wartete gar 
nice, bis ihn Damon erft darum anfpradı : 
fondern erbot ſich unverzüglich felbft dazu. 
Sogleich erhielt Damon die Frenheit, Der 
König und der ganze Hof erflaunten über 
diefe Handlung ; und als der Richttag ſich 
näherte, war Dionyfins neugierig genug, dem 
Pythias in feinem Geſaͤngniſſ e zu beſuchen. 
Rach einiger Unterredung üver die Freund⸗ 
haft, behauptete der- Tyrann, daß der Eigens 
nutz die einzige Triebfeder aller menſchlichen 
Handlungen ſey: und was Tugend , Freunde 
fhaft, Wohlmolen ‚. Baterlandsliebe und ders 
gleichen anbeträf, fo. hielt er ſie blos für Wors 
te, die von. den Weifen wären erfunden wora 
den, den Schwachen in Ehrerbietung zu erbals 
ten und. su taͤuſchen. „Gnaͤdigſter Herr,” 
ſagte Pythias, mit einer. feftem Stimme und 
einer edlem Miene : „Ich wuͤnſchte, es wäre 
moͤglich, taufendmal für meinen Damon zu 
fterben, und gerne wollte ichs thun, wenn 
mein Freund nur in irgend einem Falle feiner 


Edhre zuwider handeln koͤnnte. Doc) dief Fann 


er nicht : ich bin feiner Tugend fo gewiß, als 
meines Lebens : aber ich bitte den Himmel 
um ein Mittel, wodurd meines Damong Le⸗ 
ben mit ſeiner Rechtſchaffenheit zugleich ers 
halten werden moͤge: Setzt euch ihm entgegen, 

ei" Sie 


30. —— 


ihr Winde, hindert ihn in feinem edlen Bes 
fireben, fein Wort zu halten, und laſſet ihn 
nicht eher ankommen, bis id) durd meinen 
Tod ein Leben gerettet babe, das tauſend⸗ 
mal mehr wert) , ald mein eignes ift „ mehr 
werth feiner liebenswürdigen Frau, feinen 
unfchuldigen Kindern, feinen Freunden, feinem 
Vaterlande. D laßt mid) nicht in meinem Damon 
des allerichrecklichften Todes fterben.” — Dionys 
ſius war von der Würde diefer Gefinnungen und 
der Art, mit der fie ausgefprochen wurden , 
gerührt und erflaunt : fein Herz empfand ets 
was von der eindringenden Wahrheit, ob es 
gleich) mehr diente, ihn zu verwirren, als ihm 
- feinen Irrthum zu benehmen. Der unglädlis 
de Tag Fam. Pythias ward vorgeführet, und 
gieng mitten unter der Wache mit einer ernfls 
haften, aber zufriednen Miene nad) dem Nichts 
platze. Dionyſius war ſchon bier: er ſaß auf 
einem beweglichen Throne, der von fechs weiß; 
fen Pferden gezogen wurde, nachdenkend und 
aufmerffam auf den Gefangenen. Als Pythias 
anlangte, fprang er freudig auf das Schaffot, 
und nachdem er die Zurüftungen des Todes 
einige Zeit betrachtet hatte, kehrte er ſich mit 
einer gelaſſenen Miene zu den Zuſchauern und 
fagte: „Mein Gebet iſt erhoͤrt, die Gott⸗ 
beit gnaͤdig. Ihr wiſſet, meine — 

— * da 


- 


— — 31 


daß wir bis geſtern einen widrigen Wind ges 
habt haben. Damon konnte nicht kommen, 


und Unmoͤglichkeiten moͤglich machen. Morgen 


wird er hier ſeyn, und mein itzt vergoßnes 
Blut wird das Leben meines Freundes retten. 
O koͤnnte ich doch eurem Buſen ieden Zweifel, 
ieden niedrigen Verdacht in Abſicht auf die 
Ehre des Mannes entreiſſen, für den ich ſter— 
be, fo mürde ich zu meinem Tode, wie iu 
meiner Hochzeit gehen. Itzt mag es genug 
ſeyn, daß mein Freund rechtſchaffen und feine 
Treue unverbrühlich wird erfunden merden : 
es wird fi) bald zeigen, daß er ist unterwegs 
ift, herbeyeilt, und fid) und die ungeſtuͤmen 
Elemente anflagen wird. Doch, id eile ihm 
zuvorzukommen. Nachrichter, thue dein Amt.” 
indem er die Testen Worte fagte, erhob ſich 
in der äufferfien Entfernung unter dem Wolfe, 
ein Geräufhe: man hörfe eine Stimme, die 
der Schwarm auffaßte und die Worte: „halt 
ein, halt ein! ’” wiederholte. Hierauf Fam ein 
Mann in vollem Sagen: die Zufchauer mad); 
ten Plag : fein Pferd dampfte: ſchnell war er 
herunter , aufs Schaffot und hielt den Pyhthias 
feft in feinen Armen. „Du biſt gerettet, ſchrie 
er, bu biſt gereftet, mein Freund, mein liebz 
fier Freund. Ich habe nun nichts weiter, als 
den Tod zu leiden, und bin nun von der 
Duaal 





Quaal der Vorwürfe frey , die ih mir machte, 

das geben meines Freundes in Gefahr gebracht 
zu haben, das mir faufendmal lieber als meiw 
eigenes iſt.“ Blaß, ſtarr und bald ſprachlos 
in den Armen feines Damons verſetzte Pythias 
in gebrochenen Worten: „Ungluͤckliche Eil! — 
Graufame Bebendigfeit! — Was für neidis 
ſche Maͤchte haben zu deinem Bellen Unmdgs 
lichkeiten moͤglich gemacht? —. Aber, id) will 
mic) nicht ganz in meiner Rechnung betrogen 
baden — Kann ich nicht Für dich ſterben, um 
dich zu retten, fo will ich doch mit dir fterben. ” 
Dionyſius hörte, fah, und betrachtete alles mit 

Erſtaunen; „Lebe, lebe, unvergleichliches 
Paar! » rief er: „du. haft für Die Wahrheit 
der Tugend einen unwiderleglichen Beweis. ges 
‚geben : und dieſe Tugend beweiſt zugleich das 
Dafenn eines Gottes, ber belohnen muß. Lebe 
gluͤcklich, und ſey immerdar geprieſen. D! 
bilde mid) nun durch deine Lehre, fo wie dur 
durch dein Beyſpiel gethan, damit id) an einer 
fo heiligen Freundſchaft Theil nehmen möge” 








Scheinbare Gluckeligteit 


—D einer der Hoͤflinge des aͤltern Dio⸗ 
nofind, Tyrannen von Syralus, machte beſtaͤn⸗ 
Dig 


2222 


————— 33 


dig ein groſſes Aufheben von den Schaͤtzen deſ⸗ 
ſelben, ſeiner Groͤſſe, der Anzahl ſeiner Trup⸗ 


pen, dem Umfange ſeines Reichs, der Pracht 


feiner Pallaͤſte und dem Ueberfluſſe aller Herr⸗ 
lichkeiten und Freuden, die in ſeinem Beſitze 
wären, indem er ſtets wiederholte, daß Nies 


mand glücklicher fey, als Dionyſius. — „, Haft 


du wol Luft, fagte Dionyfins, da du das 
glaubt, eine ‚Probe zu machen und meine 
Glückfeeligkeit in eigner Perſon zu genieſ— 
fen?” — Die Anerbietung wurde mit Freus 


den angenommen, und Damofleg auf ein gols 


denes Bette, mit Teppichen von unfchägbarem 
Werthe bebangen , gefeßt: ver Tiſch danez 
ben mit Gefäßen von Gold und Silber belas 


den. Die fchonften Sklaven finnden in den 


Eoftbarfien Kleidern umber, und erwarteten 
den Eleinften Wink, ihm zu dienen. Der auss 
geſuchteſte Balfam, die füfleften Wohlgerüche 


- waren verfehwendet, und die leckerhafteften 


Speifen aufgetragen. Damokles war auffer ſich 
vor Sreuden,. und hielt ſich für den glückliche 


ſten Sterblihen in der Welt, als er zum 


Ungluͤck feine Augen empor hub, und über 


feinem Haupte die Spike eines Schwerdtes ges 

wahr wurde, das an der Decke an einem eins 

zigen Pierdehaar hieng. Es brad) ihm fo 

gleih ein Falter Schweiß aus, und alles vers 

ſchwand vor ihm im mn er ſah an | 
/ A 


als das Schwerdt, und Fonnte an nichts als 
an feine Gefahr denken. Sn der Auferften 
Furcht, bat er um die Erlaubniß, ſich weg⸗ 
begeben zu duͤrfen, und erklaͤrte ſich, daß er 
nicht länger a feyn möchte. 


—— — — —— 
— — — — — — — — — 


Die ungluͤcklichen Kinder eigenfinni- 
ger Neltern bey der Wahl Ihrer 
Lebensart. 


Ein angeſehener Handwerksmann, der ſich ein 
ziemlich groſſes Vermoͤgen erworben hatte, 
ſaßte den Entſchluß, feinen Soͤhnen eine Le— 
bensart zu waͤhlen, wodurch die Dunkelheit 
ihrer Geburt in Vergeſſenheit moͤchte gebracht 
werden. Er zog aber nicht die Neigung ders 
felben zu Mathe; fondern verforate fie nad) 
feinen Einfillen, und nad Befchaffenheit ihres 
Alters: nur in Anfehung des Xelteften entfchied 
ein Zufall. Der Alte fpazierte nämlich einſt⸗ 
malen im Barf, und fabe eine Kompagnie 
Soldaten ererciren; dieß gefiel ihm fo wohl, 
daß er den Melteften ſogleich Dienfte nehmen 
ließ und ihm eine Hauptmannftelie Faufte, 
Der iunge Menſch war von einer fanften, 
ſtillen und furchtfamen Gemuͤthsart, liebte die 
Buͤcher, ein ſitzendes Leben, und war allem 

Geraͤu⸗ 


‚N ——— 35 


Geraͤuſche und Laͤrmen feind. Der zweyte 
Sohn ward der Kirche gewidmet, aus keiner 
andern Urſache, als weil es ein geehrter Stand 
iſt. Er aber war gerade das Gegentheil ſei⸗ 
nes aͤlteſten Bruders: ein Freund der Zer— 
ſtreuung und des Tumults, ein Sklav feiner 
Leidenſchaſten, der fhon in der Schule un— 
wiffend und muthwillig genug war, und einen 
unüberwindlichen Abſcheu vor den GStudiren 
und vor den Büchern hatte. Der dritte ward 
ein Geidenfrämer , weil e8 feine Mutter für 
das nettefte und reinlichſte Gewerbe hielt. 
Diefer iunge Menſch hatte mehr Faͤhigkeit, als 
alle feine Brüder , einen richtigen und gefuns 
den Verſtand, mar kuͤhn in feinen Unternehs 
men, edel in feiner Denkungsart, kurz, ex 
hatte ale Vorzüge des Geiſtes, ob er gleich 
bäplih von Perfon war. Er mar kurz, dicke 
und plunip, fehr von Pocken gezeichnet, und 
hatte das Unglück gehabt, it feiner Kindheit 
durch einen Fall ein Auge zu, verlieren. Der 
iüngfte Sohn ward zu einem‘ Kaufmanne ges 
than, der den größten Handel in der ganzen 
Stadt hatte Er war von einem flumpfen 
Verſtande und niedrigen Sefinnungen, aber ein 
gewaltiger Schwäger: fonft ganz arfig von 
Perſon und mußte ſich einzufchmeicheln. Dieß 
waren die Lebensarten, zu deren der ſchwache 
and eitle Vater ſeine ungluͤcklichen Soͤhne be⸗ 
br € 2 ſtimmte. 





36 — — 


ſtimmte. Aber, was war der Erſolg ſeiner 
Wahl, wo keine Stelle * ——— ans 
gemefjen war ? 


Der Soldat war nicht lange bey dem Res 
gimente, als die andern feine Furchtſamkeit 
merften, feiner fpotteten, und ihn zu einem 
Zwenfampf nöthigten. Der iunge, fanftmüs 
tbioe Mann, deffen Herz eben fo vor dem Tos 
de bebte, als er ſichs zum Gemifien machte, 
einen andern zu tödten, bezeigte ſich dabey 
fo ungeſchickt, daß er felbft, feinem Gegner in 
den Degen rannte, nnd von feines Vaters Uns 
verſtande ein Opfer ward. Der Geiftlihe, 
den ſeines Vaters Geld ein Amt verfchafft 
hatte, überließ fich feinen ausfdyweifenden Nei— 
gungen fo fehr, daß es vor dem Bifchoff Fam, 
Nachdem verschiedene ernitlide Verweiſe und 
Öffentliche Beſtraſungen nichts geiruchtet hats 
ten, ward er deſſen entſetzt. In der Tollheit 
lief er unter die Soldaten, und endigte, als 
Gemeiner, unter manderley Elend, fein uns 
glückliches Leben. Der Geidenfrämer hatte 
einen folchen Eifel vor der Kleinfügigfeit: feis 
nes Gefchäftes: die Öfteren Fehler, die er das 
bey begieng, die Verachtung, die ihm die Das 
men , welche Waaren von ihm erhandeln wolls 
ten, wegen feiner unangenehmen Geftalt bes 

seigten, machten es ihm ſo verhaßt, daß er 
ſeinen 


—ü—⸗— 37 
feinen Verdruß in der Weinflafche zu erfticken 
fucbte, und es bald im Zrinfen zu einer fol 
Ken Fertigkeit brachte, daß er nie mehr nüchs 
fern war. Der Kaufmann war in kurzem fer: 
tig. Er hatte für das grofle Werk, das mit 
der aͤuſſerſten Klugheit wollte‘ geführet ſeyn, 
nicht Verſtand genug, gerieth in Unordnung, 
die ſich mit feinem Untergange endigte. 


Sao war die, Unbefonnenheit des Vaters 
der Kinder Verderben. 





Allzugroſſe Betruͤbniß und uoͤbertrie— 
bene Liebe. 


Ein Arzt aus Burqund wurde von einer men⸗ 
ſchenfreundlichen, großmuͤthigen Dame in das 
Dorf Rufeh, auf eine Meile von Diion, ges 
ſchickt, wo ein fehr bösartiges Faulfieber 
berichte. — Man führte ihn zu einer Frau 
von ohngefähr dreykig Jahren, deren Ehes 
mann feit einigen Tagen an diefer anſteckenden 
Krankheit aeftorben war. Den Arzt begleitete 
der Pfarrer des Dres, und ein Wundarjf 
Ihre Ankunft ſchien die Patientinn,, die ein 
tiefes Stillſchweigen beobaditete ,. im gerinaften 
we zu interefliren, Der Arzt nähert " ch ıhr, 

€3 ‚fragt 


frant fie über ihren Zuſtand, fucht fie aufzu⸗ 
muntern , und ſtellt ihr vor, was fie von der 
Dame, die ihn geſchickt, zu erfonrten habe. 
Yon feinem ungeflümen Zudringen übermuns 
den, Febrt fie ſich endlich gegen ihn, und ſagt 
ihm in einem Tone — ruͤhrend genug das 
Herz zu zerreiffen; „Ich bin Ihnen, mein 
„Herr, und der Dame, die fie. hierher gefchickt 
„hat, für ihre Sorgfalt fehr verpflichtet ; als 
„lin, ich werde Feine Arzneyen einnchmen; 
„mein Gatte ift todt; Wir waren zwar arm, 
„aber wir liebten ung zaͤrtlich.“ Won diefem 
Augenblick an fprach fie mit Niemanden mehr, 
nahm weder Epeife noch Mittel zu ſich, und 
fiarb des Morgens darauf ven fechften am 
nad) dem Zode ihres Mannes. 








Zween Grenadiers, die Erretter ei⸗ 
ner ungluͤcklichen Mutter. 


— ſchrecklich⸗ —D verzehrte ver⸗ 
Ichiedene Haͤuſer in Nanch. Die Gefahr war 
um ſo viel groͤſſer und fuͤrchterlicher, weil das 
Feuer die Haͤuſer des gemeinen Volls angriff, 
wo die Duͤrftigkeit, beynahe allenthalben, ans 
ſtatt der Steine, Hol; ee; > 
Burn 8 Ein 





39 
Ein heitiger Wind befihlennigte noch den Zus 
wachs diefes Unglüͤcks. Die Flammen loderten 
zu den Dädern heraus — alle Balfen waren 
ſchon entzündet — verfchiedene Giebel, Die 
ſchon in die. Aſche herunterfielen, Fündigten 
einen naben und allgemeinen Einſturz an — bie 
Cprißen blieben unnuͤtz, lo fehr man fie auch 
ſpielen ließ, und weder Feuerlaͤuſer, noch Nies 
wand durfte ſich mehr unter diefe Mauern 
‚‚binwagen , wo man nichts als ein Grab zu 
hoffen hatte. Mitten unter dem Gefchrey der 
| Verzweiflung — unter dem Geheule des 
Geised — unter der Verwirrung eines ers 
Ichrockenen Poͤbels, zog eine Fran durch den 
zühtenden Ausdruck ihres Schmerzens , aller 
Augen auf fid — fie war Mutter. Diefe Uns 
gluͤckliche ſah, in Thraͤnen flieſſend, die Wirbel 
Der Flammen gegen eine Kammer des vierten 
Stockwerks hinanſſteigen, wo der Schrecken, 
der Tumult, und ein ungluͤckliches Verhaͤng⸗ 
niß, das ihre Zaͤrtlichkeit betrog, fie gezwun— 
gen hatte, zwey Kinder zuruͤckzulaſſen die ſie, 
ob ſie ihnen gleich kein Brod zu geben hatte, 
nur noch deſto heſtiger liebte. Auf den 
Knien — die Haͤnde gen Himmel hebend — 
den Tod im Herzen — die Augen gegen die 
Flammen, die immer zunahmen, und ſie, 
ohne ſie zu beruͤhren, verbrannten, gerichtet, 
deutet fie auf den Ort — ſchreit erbaͤrmlich 
C4 | um 


45 , — — 


um Huͤlfe, und erweckt nur ein unfruchtbares 
Mitleid, das der Schrecken, und die Gefahr 
fogleidy) wieder erſticken. Das Infanterie⸗ 
Meniment des Königs lag daſelbſt in Beſa⸗ 
Kung. Zween Grenadiers laufen hinzu, fie 
dringen fid) vor den Augen der Mutter in 
die Kammer ein, mo diefe Ungluͤckliche lies 
gen, und nachdem fie von allem hinlaͤnglich 
berichtet find, eilen fie auf den brennenden 
DBalfen herum, eine eben fo wahre und viels 
leicht ſuͤſere Ehre, als die fie ſchon gefannt 
‘ haben, einzuernten. — Sogleich verſchwun—⸗ 
den fie in den Wolfen von Rauch, die 
aus der Flamme emporfleigen, faum find 
fie innerhalb den Mauern, als die Hälfte 
des Haufes einſtuͤrzt. Die Mutter fälle in 
Ohnmacht, und hält alles für verloren. — — 
Die gleihen Helden erſchienen wieder — 
ihre Kleider find halb verbrannt — ihre 
Haare bis zu den Wurzeln gefengt,„ und 
ieder giebt diefer Mutter ihr Kind wieder, 
die durch das Sreudengefchrey des Volkes, 
und durch das Krachen des Gebaudes , dag 
nun ganz zuſammenſtuͤrzt, wieder zu ihren 
Sinnen kommt, und ihre Erretter vor ſich 
ſiehet. Der eine diefer Grenadiers heißt 
Hiacinthe, und ift aus dem Dorfe Bain, 
in Franche Komte, ai En — der am 

dere 


J 


— 41 


dere heißt Tranguille, und iſt aus dem 
Flecken Vandoͤvyren, in Champagne, ber. 








Der würdige Sohn. 


Hr Sabre , ein ehrmürdiger Greis und 
ein Proteftant, wagte es, in einer franzds 
fiihen Provinz Cin Languedoc) feine Relis 
gien feinen Gläubensbrüdern zu predigen — 
ein Verbrechen, das in Franfreich nur mit 
der Galeer gebüßt werden ann. — Er 
wird verrathen, zur Galeer verdamnıt, und 
in dem Augenblick, da er mit. andern 
Sklaven dahin gebracht werden follte, dringt 
ſich ein iunger Menfh durch die Menge 
der Zufchauer hindurd) , fallt vor dem Ober⸗ 
auffeher der Galeerenfflaven auf die Knie, 
und fagt zu ihm: „Sich bin der Sohn dieſes 
„Greifen — Er ift ſchwach, Fränflid und 
„am Rande des Grabes, ich hingegen bin 
„iung und flarf, und kann ſolche Arbeiten 
„verrichten: und ausſtehen, unter denen mein 
„Vater .erliegen würde. — Ich beſchwoͤre 
„euch alfo, nehmt mid an feiner Statt zum 
„Galeerenfflaven an, ihr Eünnet es, weil 
„wir ‚beide gleiben Namen fragen , ohne 
* TERN hun, und ich verfi chere euch 
C5 „eines 


2 BE -—- ._.... 4 

„eines untruͤglichen Geheimniffee.” Der 
Dberauffeher ſchlaͤgt es ihm ab. Er dringf 
ftärfer in ihn, und bedient ſich, um ihn 
zu erbitten, aller nur möglichen Mitte, — 
Endlich nimmt man fein Anerbieten an — 
er befreyt feinen: Vater, tritt an feine 
Stelle, und dieſer tugendhafte Juͤngling 
bleibe at Jahre unter den Galeerenjflaven, 
ohne daß ihm bis auf den Augenblick, wo 
der Himmel. erlaubt, daß er entdeckt und 
befreyt : werde, eine einzige Klage ent 
rinnt. 27 | 








Der redliche Greis. 


Ein rechtſchaffener Bürger von Wien war: 
ein MWittwer, und hatte eilſ Rinder’; er 
hatte für feinen und feiner ganzen zahlreichen 
Familie Unterhalt „ mehr nit, als. ein 
iaͤhrliches Einkommen von vier hundert Gul⸗ 
den, das ihm eine Stelle in einem Ges 
richtsfollegium verſchaffte. Vor einiger Zeit 
legte er bey dem -Kaifer eine Bittfchrift ein, 
in der er ihn inftändigft bat,» ihm feine 
iährlihe Befoldung zu vermehren. — Seine 


Maieſtaͤt fragten ihn, wo er wohne, und 


verſicherten ihn, fie wollten für ihn ſor⸗ 





— 43 


gen. — In der That, nachdem er über 
die Aufführung diefes: Mannes, ver ſich die 
Hochachtung aller derer „ die ihn Fannten,, 
erworben ‚die noͤthige Nachfrage gethan 
‚hatte, gieng er des andern Tags darauf in 
Desleitung eines Kammerherrn, dem. er dieſe 
Bittſchrift gewiefen hatte , perfönlich iu dem- 
redlichen Breife Hin , den er vor feiner 
Hausthuͤre figend, und über fein Schickſal 
nachdenkend, antraf. Dieſer warf ſich fps 
gleich zu den Fuͤſſen ſeines Monarchen 
‚nieder , der ihn mit vieler Leutſeeligkeit 
aufhob, „und befahl, ihm feine Kinder zu 
zeigen ;, der Kaifer zählte fie, und war ers 
ſaunt zwoͤlfe zu finden. Er zählte fie wieder, 
und da er nochmals die gleiche Anzahl fand, 
fügte er zu dem Vater: „Wie kommt es), 
„daß ihre, mir in eurer Vittſchrift nur von 
„eilſen geſagt Habt? Ich muß Euer Maies 
„faͤt berichten, ſagte der redliche Greis, 
„daß man vor acht Tagen fuͤr meine Haus— 
„thuͤre ein neugebornes eingebundenes Kind 
„gelegt; mein Her öffnete ſich dem Mitleid, 
„das ihm Jedermann verſagte, und ſeit dem 
iſt meiner Kinder Brod das feinige gewor⸗ 
„den. ?.— . Der Raifer war von dieſer edlen 
Handlung ſo gerührt, def er..ihm ein iaͤhr⸗ 
Suden vaſchere⸗ und. ihn fogleid). verlieh, 
AEEHEFN um 








— N 
= Für 
4 . re Cu “0 = 
\ 7 


am fih den Entzuͤckungen von Dankbarkeit 
Diefer Familie zu entreiffen , die für die 
Gluͤckſeeligkeit eines Monarchen, der einzig 
und allein mit dem Gluͤcke feiner: Unterthas 
nen befibäftigt iſt, unaufhoͤrlich die beifieften 
Wünfte sum. Himmel ſchickt. 





Die mitleidigen Belagerten. H 


Leobold ‚ der Morgarten berühmt gemacht 
bat, belagerte die Eradt Golorhurn. ‘Er hats 
te an der oberen Eeite derfelben eine: Brücke 
über die Aar gefchlagen, die von Wolfengüfs 
fen fo _fehr anlief, und fo ungeflüm mütete, 
daß die Brüde in groffer Gefahr fand, wegs 
geriffen zu werden... Er befahl feinen Trups 
pen, ſchwere Steine anf die Brücke zu legen, 
daß fie deflomehr miderftehen möchte. In 
diefer Arbeit wuchs der Strom beftändig, nnd 
zog Brüde, Truppen und Steine ins Waſſer. 
Die von Solothurn hatten es wohl bemerkt, 
und ſahen die Nothleidenden auf den Truͤm⸗ 
mern der Bruͤcke gegen die Stadt zu fieſſen, 
und ſich, fo gut fie konnten, an den Pfaͤh⸗ 
lern, die fie ergriffen, feft halten. Die Ihris 
gen Fonnten ihnen nicht zu Hülfe fommen, 


und die Leute von Solothurn haͤtten ihren Un⸗ 
tergang 


* 


| | — 45 
tergang befördern, oder ihm wenigſtens zuſe⸗ 
ben koͤnnen; aber fie fühlten die Gewalt des 
menſchlichen Mitleidens, giengen mit ihren bes 
fin Schiffen ins Wafler, und brachten fie an 
das Geftade; alsdann fehickten fie alle, die fie 
gerettet hatten, dem Herzog wieder in fein 
Lager. Er empfand die Schönheit ihrer Hands 
lung , und hob die Belagerung auf. 





— ———— — — — — — 


Der Vorwitz und die Unwiſſenheit iſt 
geneigt, etwas für lächerlich zu hal⸗ 
ten, was es nicht iſt. 


Ein angeſehener, ernſthafter Mann, war ſehr 
eifrig beſchaͤftiget, Seifenblaſen zu machen, 
die er dann, ſo wie ſie ſich ausbreiteten, und 
im Sonnenſcheine zerplatzten, ſorgfaͤltig bes 
merkte. Ein vorwitziger Juͤngling ſchlug bey 
einem fo wunderlichen Anblicke ein lautes Ges 
lächter auf, weil es, feinen Gedanken nad), 
ein deutlicher Beweis von des Mannes Thor 
heit und Unfinn wäre. — Sqaͤme did, iuns 
ger Menſch, fagte ein Worübergehender , dei— 
ner Grobheit und Unmiffenbeit. Du ſiehſt itzt 
den groͤßten Weltweiſen ſeiner Zeit, den Sir 
Iſaak Neuton, der der Natur des Lichts und 
‚ber Farben, durch eine Reihe von Erfahren; 
gen 


46 | em 


gen nadıfpähet, die eben fo fehr einer edlen 
Neugier würdig, als nügli find, ob du fie 
gleich für kindiſch und unbeventend haͤltſt. 








Der Tyger und der Elephant. 


Sn einer. der Afrifanifhen Wüften Be 
ein Tyger von aufferordentliber Gröffe, Thaͤ⸗ 
tigkeit und Wuth die fürdhterlidften Verhee⸗ 
rungen an. Er griff iedes Thier an, das ihm 
auffieß , und wurde des Würgens nicht fatt. 
Der Widerftand diente nur, feine Wildheit zu 
vermehren, und die leidende Furchtſamkeit, feis 
ne Opfer zu vervielfältigen. Wann ihm die 
Wälder feinen Raub anboten, fo laufıhte er 
nahe bey einer Mafferquelle , und mürgte 
ſchnell hintereinander und ohne Unterſchied alle 
Thiere, die ihren Durſt zu loͤſchen dahin ka⸗ 
men. Bon ungefähr Fam auch ein Elephant 
in diefer Abficht dahin, wo der Tyger in dem 
Gebüfche verborgen lad. Der Anblick eines 
fo ungeheuren Thieres reisfe feine Ranbſucht 
noch mehr, anſtatt fie zu bändigen. Er vers 
glich feine eigene Biegſamkeit mit der ungelüs 
gigen Laft des Elephanten , und in der ges 
wiſſen Zuverſicht, daß er ihn eben fo unges 
fickt zum Kämpfen, old zum Fliehen finden 

würde, | 





würde, fprang er auf ihn los, und ſchnappte 
mit offaem Schlunde nach feinem Ruͤſſel. Der 
Elephant zog ihn mit groffer Genenwart ‚der 
Seele ſogleich zuſammen, nahm das wuͤthen⸗ 
de Thier auf feine Zähne, und warf es eine 
anfehnlidhe Höhe in die Luſt. Bon feinem 
Falle betäubt, lag der Tpger ein Weilchen ohne 
Bewegung; und der großmüthige Elephant, 
dem die Rache zu Fein war, aieng feiner We— 
ge, und ließ ihn von feinem Falle fi) erhobs 
len. Als der Tyger wieder zu ſich ſelbſt Fam, 
war er, Wie es immer der angreiffende Theil 
bey einem Streite zu feyn pflegt, voller Wuth 
über feine Jiederlage, verfolgte feinen beleis 
diaten und friedlichen Gegner, nnd geiff ihm 
aufs neue mit verdoppelter Gewalt an. Nun 
ward der Elephant zornig, verwundete den Typs 
ger mit feinen Zähnen, und ſchlug ihn mit feis 
nem Ruͤſſel tot. 


—— — —— — — — 





Schoͤnheit und Haͤßlichkeit. 


Ein iunger Menſch, der auf dem Lande leb⸗ 
fe, und weder durch Leſen, nod durch Ums 
gang irgend einige Kenntniß von den Thieren 
erlangt hatte, Die in fremden Ländern leben, 
kam nach Mandeer, um eine Ausſtellung mwils 


der 


48 — — 





der Thiere zu ſehen. Die Groͤſſe und Figur 
des Elephanten erfuͤllte ihn mit Ehrfurcht, 
und das Rhinoceros mit Erſtaunen. Aber ſei⸗ 
ne Aufmerkſamkeit wurde von dieſen Thieren 
bald abgezogen, und auf ein anderes von der 
zierlichſten und ſchoͤnſten Geſtalt geleitet: und 
er ſtund in einer ſtillen Bewunderung, die 
glaͤnzende Glaͤtte ſeines Haars, die Schwaͤrze 
und Regelmaͤßigkeit der Flecken, mit denen es 
bezeichnet war, das Ebenmaaß feiner Glieder, 
und vorzüglich feine ſanfte, ruhige Miene zu 
betrachten. 


Wie heißt denn das liebenswuͤrdige Thier, 
ſagte er zum Waͤrter, das Sie zu ſo haͤßli— 
chen Thieren in ihrer Sammlung geſtellt ha⸗ 
ben, gleich als ob es Ihre Abſicht waͤre, die 
Schoͤnheit mit der Haͤßlichkeit recht abſtechend 
zu machen? Laſſen Sie ſich ia nicht, iunger 
Menſch, erwiederte der Waͤrter, von dem 
aͤuſſerlichen Scheine dahin reiſſen. Das Thier, 
das Sie bewundern, iſt ein Tyger, und, uns 
geachtet der Sanftmuth feiner Mienen, ift er 
unbeſchreiblich müthend und wild. Ich Fann 
ihn meder durch Strenge, noch durd Güte 
bändigen. Das andre Thier aber, das Gie 
verachten , iſt im höchften Grad gelehrig, aus 
thätig und nuͤtzlich. Zum Beſten der Menſchen, 
durchwandert es die fandigten Wuͤſten Arabiens, 

Ne 


— — 





wo Waſſer und Weide ſelten gefunden wird: 
haͤlt ſechs bis ſieben Tage ohne alle Nahrung 
ans, ohne unter der Arbeit zu ermuͤden. 
Sein Haar wird zu Kleidern verarbeitet: fein 
Sleifh für eine gefunde Koft gehalten, und 
feine Milch von den Arabern fehr hoch gez 
fbagt. Das Kameel, (denn fo beißt der 
Name diefes Thieres, ) ift Ihrer Aufmerkffams 
feit würdiger , als der Tyger, ob es glei) 
nicht fo zierlich gebaut ift, und zween Hörer 
auf feinen Ruͤcken hat. Denn blos aͤuſſerliche 
Schönheit ift wenig werth; und Haͤßlichkeit, 
wenn fic) liebenswärdige Gemätheeigenfchaften 
und Geſchicklichkeiten damit vereinigen ſchließt 
unſere Hochachtung und unſern Beyfall nicht 
aus. 





Wahre Grosmuth verlangt für Wohl⸗ 
thaten Feinen Danf. 


Fu Marfeille fund ein iunger Menfh, Nas 
mens. Robert, am Ufer, und wartete, ob ies 
mand in: feinen Nachen treten würde. Ein 
! Unbefannter. ftieg hinein, war aber im Be 
griff, ſogleich wieder herans und in einen ans, 
dern zu geben; weil — wie er zum Robert, 

D der 


\ 





50 


der fi) zeigte, und von jenem nicht für. den 
Herru des Schiffs gehalten wurde, tagte 
weil der Schiffer nicht zum Vorſchein kaͤme. — 
„Dieß Schiff if, mein! Wollen Sie zum 
Hafen hinansfahren ? mein Herr” — Nein, 
mein Herr — es iſt nur noch eine Stunde 
Tao — Ich molte nur im Hafen ein paars 
mal aufs und abfahren, um des Fühlen und 
ſchoͤnen Abends zu genieſſen. — Er fieht ia 
aber nichts weniger, .ald einem Schiffmann 
aͤhnlich, auch hat er die Mundart dieſer Reus 
te nicht. — „Es iſt wahr, und im Grunde 
bin ich auch keiner; ich treibe dieß Handwerk 
an Sonn- und Feſttagen, nur um mehr Geld 
zu verdienen.” — Bin! in feinem Alter 
schön geizig zu ſeyn! das entſtellt feine Aus 
gend, und erflickt den Antheil, welchen feine 
glückliche ale re im erften Anblicke 
einflößt. — » Wenn Sie, leider! wuͤßten, 
„warum ic fo fehr wuͤnſche, Geld zu verdies- 
„uen; wenn Gie mich kennten: gewiß würden 
„Sie meinen Gram nicht dadurch vergröffern, 
„daß Sie mir eine fo niedrige Denfungsart 
„zutrauen.“ — Ich hab' Ihm vielleicht uns 
recht gethan; Er hat ſ ch uͤbel ausge⸗ 
drückt. Wir wollen unſere Spazierſahrt ans 
treten: da foll er mir feine Geſchichte erhaͤh⸗ 
la. — — Wohlan, mein guter Freund! 
fag er mir iezt, was bat er für Sorgen ? 


« 


| GREAT 5L 
Er hat mich vorbereitet, Theil daran zu nehs 
men. — „Ich babe nur eine einzige: Meis 
nen Dater in Seffeln zu wiflen, ohne ihn noch 
Davon befreyen zu können. Er war Mäfler 
in diefer Stadt, legte das, was er felbft ers 
fpart, und meine Mutter in dem Handel mit 
Modemaaren gewonnen hatte, auf ein Schiff 
- an, weldes nah Smyrna beſtimmt war, und 
machte, um auf die Umſetzung feiner wenigen 
Waaren ein Auge haben, und felbft wählen 
zu koͤnnen, die Reiſe in Perfon mit. Das 
Schiff it von einem Seeräuber weggeſchnappt 
und nad) Tetuan geführeet worden, wo mein 





* ungluͤcklicher Vater, mit allen, die an Bord 


waren, iezt Sklave iſt. Seine Ranzion iſt 
auf zwen tauſend kleine Thaler geſetzt; da er 
fi) aber ganz erfchöpfe hatte, um feine Ins 
ternebmung defto wichtiger zu machen, fo find 
wir iezt nicht im Stande, Diefe Summe zu— 
ſammen zu bringen. Indeſſen arbeiten meine 
Matter und Schweſtern Tag und Nacht; ic) 
thue deßgleichen bey meinem Herrn, der ein 
Juwelier ift, und ſuche, wie Sie fehen, die 
Gonns und Feyerkage zu benugen. Wir Bas 
ben uns bis auf Dinge der Aufleriten Noth— 
durſt eingefchränft: in einem einzigen Eleinen 
Kaͤmmerchen führt .unfere unglücklihe Familie 
ihre ganze Haushaltung. Anfangs glaubte 
id) , ich wuͤrde dig Stelle meines Vaters eins 

D 2 neben, 


2 — — 





nehmen, ihn beſreyen, und mich ſtatt feiner 
in Feſſeln legen Eünnen ; ich war im Begriff, 
dieß Vorhaben ins Werk zu fegen, als meis 
ne Mutter — die, ich, weiß nicht wie, Nach—⸗ 
richt davon befam, mich verficherte, daß es 
eben fo unthunlich, als phantaftifch wäre, 
und allen Kapitaing , die nach der Levante fees 
geln, verbieten ließ, mich an Bord zu neh⸗ 
men. ”— Erhaͤlt Er bisweilen Nachrichten 
von Seinem Vater? meiß Er, wer deffen 
Herr zu Tetuan iſt „und wie er dort gehals 
ten wird? — „Sein Herr ift Öberauffeher 
der Eüniglichen Gärten; man behandelt ihn 
ganz menfchlid) , und die Arbeiten, die ihm 
aufgetragen werden, gehen nicht über feine 
Kräfte. Aber wir find nicht bey ihm, ihn 
tröften, ihm fein Unglück erleichtern zu Eöns 
nen; er ift von ung, einer geliebten Gattinn 
und drey Kindern, die er immer aufs zärtlich, 
fie liebte , entfernt.” — Und wie nennt ſich 
Sein Vater zu Tetuan? — „Er bat feinen: 
Namen nicht verändert: er beißt Robert, wie 
zu Marfeille.” — Ha! Ha! Robert... 
beym Dberauffeher der Gärten — » 54, 
mein Herr!” — Sein Unglüc geht mir zu 
Herzen; aber feinen Sefinnungen nach, die 
es verdienen, bin ich Fühn genug, ihm ein 
beſſres Schickſal zu prophezeihen, und wuͤnſch' 
es ihm von Grund der Seele... Ich wollte 
mic, 


— 


— — 53 


mich, indem ich der Abendkuͤhle genieſſe, auch 
der Einſamkeit uͤberlaſſen: nehm' Er mir's 
alſo nicht übel, mein Freund! wenn ic) einen 
Augenblick fill bin. Bey Anbruch der Nacht 
erhielt Robert Befehl, ans Land zu fahren , 
und nod), ehe er Zeit gehabt hatte, heraus 
‘zu fleigen, oder das Schiff anzuſchlieſſen, 
machte fi) der-Unbefannte heraus, und er⸗ 
laubte dem Robert nicht einmal, ihm für den 
Beutel, den er ihm zurückließ, zu danken: ſo 
eilfertig machte er fi) davon. In diefem 
Beutel waren acht doppelte Louis d’or und 
zehn Thaler Silbergeld. Eine ſo betraͤchtliche 
Freygebigkeit brachte dem iungen Menſchen 
einen ſehr hohen Begriff von der Empfind⸗ 
ſamkeit des Unbekannten bey ; aber vergebens 
wuͤnſchte er ſehnlichſt, ihm begegnen und Das 

fuͤr danken zu koͤnnen. Sechs Wochen nad) 
dieſem Zeitpunfte, «als diefe ehrliche Familie, 
die, um die nöthige Summe vollzumachen, 
unaufhörlich fortarbeitete, eben ein mäfiges 
Mittagsmahl, das. aus Brod und dürren Mans 
deln beftund , einnahm, überrafchte fie der alte 
Robert, fehr ſauber gekleidet, mitten in ih— 
rem Rummer und Elende. — „Ad! meine 
Stau! ach, meine lieben Kinder! _ Wie habs 
ihr mich, fo gefchwind befreyen koͤnnen, und 
auf, die Art, wie ihrs gethan habt? Geht 
Bu / mie ihr mid) Herausgepußt habt, und 
D3 | dann 


54 BEE EITETTEEE 


| 
dann die funfjig Louis d'ors noch, die man 
mir, als ich einſchiffte, darzählte, da meine 
Meife und Nahrung doch ſchon voraus, bezahle 
waren! mie fol ich für fo vielen Eifer, für 
fo viele Kiebe euch genug danken ? und biefe 
entfeglihe Deraubung aller Bequemlichkeiten , 
der ihr euch mir zu Lieb' unterzogen habt!’ — 
Vor Erſtaunen war ed anfangs der Mukker 
unmoͤglich zu antworten; fie ſchwamm in 
Thränen, ihre Töchter desgleihen, und eine 
Amarmung folgte der andern. Der iunge 
Robert blieb fteif auf feinem Stuhle, immer 
ohne Bewegung, und fiel endlid in Ohn— 
made. — Die Thränen, die fie vergoffen, 
geben endlich der Mutter die Sprache wie; 
der : fie umarmt ihren Dann nochmals, ficht 
ihren Sohn an, weißt ihn dem Vater, und — 
„das ift dein Beſreyer“ — fagt fi. Sechs 
taufend Livres waren für deine Nanzion ges 
fordert; mir haben erfi etwas über die Hälfte 
davon beyfammen, und das meifte davon hat 
dein Sohn durch feine Arbeit verdient; feiner 
Liebe zu dir find wir es ſchuldig. Diefes 
gute Kind hat vermuthlich Freunde gefunden, 
Die, gerührt von feinen Tugenden, ihm beys 
eeflanden haben; und da er gleich anfangs 
deiner Sklaverey heimlich den Dorfag fafte,. 
deine Stelle eingunehmen, fo haben wir ohne 
Zweifel ihm unfer Glüde zu danken, ſo hat 
| ; & er 


—— 55 


er gang gewiß ung auf dieſe Art uͤberraſchen 
wollen. Sieh’ nur, mie er es fühlt! aber, 
wir müffen ihm beyfpringen. Die Mutter 
‘eilt auf ihn zu, die Schweftern defgleichen. 
Mit groffer Mühe. entreißt man ihn feiner 
Ohnmacht; er wirft einen fehmachtenden 
Blick auf teinen Vater, bat aber noch nice 
‚Kräfte genug, um fprechen zu Finnen. Auf 
feiner Seite wird der Vater auf einmal ſtill 
und nachdenkend; feheint bald darauf ganz 
beſtuͤrzt, rede feinen Sohn an, und jagt: 
Ungläcklicher ! was. haft. du getdan? Wie 
kann ic) dir meine Befreyung danken, ohne 
mich darüber zu gramen? Wie Fonute fie 
‚ein Geheimniß für deine Mutter bleiben, 
wenn du fe nicht, auf, Koften deiner Tugend 
erfauft bei? — In deinem Alter „ Sohn 
„eines Verunglücten , eineg Sklaven , ver⸗ 
ſchafft man ſich nicht leicht auf ordentlichen 
Wegen ſo betraͤchtliche Huͤlfsmittel, als du 
noͤthig hatteſt. Ih ſchaudre vor dem Ge— 
danken: ob dich die kindliche Liebe vielleicht 
zu einem Verbrechen verleitet bat! Beruhige 
mich, fen aufrichtig: und wenn du haſt koͤn⸗ 
nen aufhoͤren, ein ehrlicher Mann zu ſeyn, 
fo laßt uns alle ſterben.“ — „Geben Sie 
ſich zufrieden, mein Water! ankwortete er, 
‚Hund auf, und ließ fein Entſetzen über einen 
olchen Argwohn blicken. Umarmen Sie bs 
| D4 ren 


ven Sohn! er ift diefes ſchoͤnen Titels nicht 
unwuͤrdig, aud war er nicht glücklich genug , 
Ihnen beweifen zu koͤnnen, wie werth er 
ihm iſt. Sie haben Ihre Freyheit nicht mir, 
nicht uns zu danken. Ich kenne unſern 
Wohlthaͤter: dieſer Unbekannte, meine Muts 
ter! der mir ſeinen Beutel gab, that ſehr 
viele Fragen an mich. Zeitlebens werd' ich 
ihn auſſuchen: ich werd' ihn antreffen; er 
wird mit mir fommen, feiner Wohlthaten zu 
genieffen, Theil daran nehmen, und Thränen 
der Wolluft mit uns weinen.” Hier erzählt 
der Sohn dem Water die Anekdote vom Uns 
befannten , und benimmt ihm feine Furcht. — 
Mobert fand in der Ruhe, die er iezt wieder 
genoß, Freunde und Beyſtand. Ein weit 
glücklicherer Erfolg, als er ihn erwartet hat 
‘te, übertrifft feine Hoffnung, kroͤnt feine 
neuen Unternehmungen. Nach zwey Sjahren 
ift er reich : feine Kinder, die verforgt und 
glücklich find, genieflen mit ihm und feiner 
Srau einer Glückfeeligfeit, die nichts würde 


geftört haben; wenn ed dem Sohne bey feis 


nen ununterbrodenen Nachſorſchungen ges 
gluͤckt hätte, diefen verborgenen Wohlthäter, 


den Gegenſtand ihrer Dankbarkeit und ihrer 


Sehnſucht, ausfindig zu machen. — Endlich 
‚traf er ihn an einem Sonntag Morgen am 
Hafen an, wo er rasieren gieng. „Ach, 

| ns mein 


— 


— ** 57 
mein in Shutzgott hr if alles, was er fagen kann; 
wirft ſich zu feinen Fuͤſſen, und fällt ohne 
"Sinnen dahin. Der Unbekannte giebt fich 
alle Mübe, ihm beyzufptingen ; mit etwas 
gebranntem Waſſer gelingts ihm, ihn zu fi i 
zu bringen: er ift eben fo begierig, ihn nad) 
der Urſache, die ihn in dieſen Zufland vers 
feßt hat, zu fragen. — — „Ah, mein 
Herr! Fann fie Ihnen unbekannt feyn ? haben 
Sie den Robert und feine ungluͤckliche Fa— 
‘ milie, die Sie auf den Bipfel des Gluͤcks 
festen, indem Sie ihr ihren Vater mieder 
ſchafften, vergeffen?” — Er irrt fid) mein 
Sreund ! id kenn' Ihn nicht, und auch Er 
Tann mich nicht kennen: ich bin fremd zu 
Marfeille, und erſt Jeit wenigen Tagen hier. — 
„Das ift alles moͤglich; aber erinnern Gie 
fi, daß Sie vor ſechs und zwanzig Monas 
ten aud) bier waren 5; denken Sie nicht mehr 
an iene Spasierfahrt im Hafen, an den Ans 
theil, den Sie an meinem Ungluͤcke nahmen, 
an die Sragen, die Sie an mich thaten, 
und die alle nur ſolche Umſtaͤnde betrafen , 
die Ihnen die nöthigen Erläuterungen geben 
Fonnten, um mein Wohlthaͤter werden zu 
Fönnen ? Befreyer meines Vaters ! Eünnen 
Sie veraeffen , daß fie der Retter unferer 
ganzen Familie find , die nichts anders mehr 
vaͤnſcht, als Ihre Gegenwart? Verſagen 
* D5 8 


/ 


58 —— — 


Sie und unſere Wuͤnſche nicht: Kommen 
Sie! theilen Sie unſere Freude}. vermiſchen 
‚Sie Ihre Thränen der Ruͤhrung mit unſern 
Zaͤhren der Dankbarkeit! — — Kommen 
Sie” — — Sachte, mein Zreund ! ic) 
hab's Ihm ſchon einmal gefagt „ Er irrt 
fid. — „Nein, mein Herr! id) irre mich 
nie. . Ihre Züge find zu fief in mein Herz 
‚gegraben, als daß id) Sie miffennen Fünnte: 
"Kommen Sie! id) bitte” — Hier nahm ihn 
“der iunge Robert beym Arm, fuchte ihn ges 
wiffermaffen mit Gewalt fortzuziehen ‚und um 
beide fieng nun das Volk an, ſich zu fammeln. 
Da ſprach der Unbekannte mit einem ernfihafs 
tern und feflern Tone: Mein Herr ! Ddiefe 
Scene ermüdet mic) , ohne Sie zu erleichtern: 
“eine auffallende Aehnlichkeit verurſacht Ihren 
Irrthum; rufen Sie Ihre Vernunft zuruͤcke, 
und ſuchen Sie im Schooße Ihrer Familie 
die Ruhe wieder, die Sie noͤthig zu haben 
ſcheinen. — Welche Graufamfeit! Warum 
wollen Sie, der Wohlthaͤter unſerer Familie, 
durch Ihren Widerſtand, durch Ihre Abnei— 
gung, mid) zu begleiten, die Gluͤckſeeligkeit 
vergällen, Die fie nur Ihnen zu danken hat? 
Soll id) vergebens zu ihren Füfjen liegen ? . 
and follten Sie graufam genug ſeyn, den 
ruͤhrenden Tribut von ſich abzulehnen ‚ den 
wir fon fo lange. Ihrem fühlbaren Herzen 
vorbe⸗ 


— 59 


7 gnbebalten haben ? Und ihre, meine Mit 
bürger ! ihr alle, die ihr von der Verwirrung 
und Unruhe, in der ih bin, müffet gerührt 
 jeyn ! "vereinigt euch mit mir, den Urheber 
meiner Wohlfart zu vermögen, daß er mit 
mir gebe, fein eigen Werk zu betrachten! ” 
‚Hier ſchwieg der Unbekannte; auf einmal 
nahm er, aber alle feine Kräfte zufammen , 
‚rief feine Herzhaftigkeit zurück, um der Vers 
ſuchung, in die ihn ein fo Füßlicher Genuß, 
‚den man ihm anbot, bätte führen koͤnnen, 
zu widerſtehen, und verlor ſich im Getuͤm— 
mel zum größten Schmerjen des iungen 
Mobert, der mit erlofhnen und wild 
“umher irrenden Blicken ihm nachſah. So 
ließ der Unbekannte dem erflaunten Wolfe 
Sein Benfpiel von. einem Heldenmuthe, wie 
es deren noch Feines gefehen hatte. Stille, 
‚übermäßige Betruͤbniß, erſtickter Unwille, 
treten an die Stelle der Gemuͤthsunruhe, 
von welcher der ehrliche Robert herumge— 
trieben war: man ſah ſich genoͤthiget, 
ihn nach Hauſe zu fragen, mo endlich 
‘ein beilfamer Thränenguß -ihn feinem ges 
jährlichen Zuſtande entrif, | 


P} 








Beſchrei⸗ 


60 men 


Beſchreibung des Untergangs der 
Städte Herkulanum und Pompeii 
bey einem Ausbruche des 

Veſuvs. 


Ananas wurde. es anfferordentlich ſchwuͤhl, 
und zugleich entſtand ploͤzlich ein fehreckliches 
Erdbeben, fo daß die ganze Gegend in Flam⸗ 
men zu fliehen ſchien, und die Hügel empors 
‚büpften. Unter. dee Erde war ein Geraͤuſch, 
als wenns donnerte, und auf derſelben, wie 
das Bruͤllen der Thiere. Das Meer brauſte, 
und der Himmel krachte, alles, als wenn 
Berge uͤber einander ſtuͤrzten. Nach dieſem 
warf der Vulkan Steine bis an die Spitze 


des Berges in die Hoͤhe, nach welchem das 


Feuer und ein ſo dicker Dampf hervorbrach, 
daß die ganze Luft dergeſtalt verfinſtert 
wurde, Daß man die Sonne gar nicht 
mehr fehen konnte. Der Tag verwandelte 
fid in Naht, und das Licht in Finfternif, 
‚Einige glaubten damals , die Rieſen firitten 


mit einander: dena im Danıpfe lab man viele 


dergleichen Schattenbilder, und hoͤrte auch den 
Schall der Trompeten. Andre bildeten ſich 
ein, das Feuer wuͤrde die Welt vernichten, 
und wieder in ein Chaos verwandeln. Durch 
dieſe Vorßennn auſſer ſich geſetzt, ergriffen 

manche 


= 


— 


Per erg . N Y 
re 61 


mandje die Flucht, manche liefen aus den 
Haͤuſern auf. die, Straſſen, und von den 
Straſſen wieder in die Haͤuſer; oder begaben 
fi) vom Lande aufs Meer, und vom Meer 
wieder aufs Land. Andere, die eben fo ers 
ſchrocken waren, meynten immer, der Ort, 
wo fie ſich beſaͤnden, wäre in viel groͤſſerer 
Geſahr, als alle andere. Dieſe Ausbrüche 
begleitete zugleich eine ganz unglaubliche Men— 
ge Aſche, die ſich auf dem Lande, uͤber das 
Meer und in der Luft verbreitete. Sie ver— 
derbte alles, wo ſie niederfiel: Sie toͤdtete die 
Menſchen, das Vieh, die Fiſche und Voͤgel; 
und verwuͤſtete die Felder. Sogar ganze 
Staͤdte wurden verſchuͤttert: als Herkulanum 
und Pompeii. 








Sitten der Gallier und Germa— 
nier. 


(Caſar. B. VI. Kap. 13.) 


3, aanz Gallien giebt es nur zweyerley Art 
Leute, Die einen Rang und ein gewiſſes Anz 
fehen haben. Denn der gemeine Mann wird 
beynahe wie der Sklav geachtet, darf für ſich 
RR unternehmen , und wird zu feinen Bes 

rath⸗ 


* 


[Soc 
Ei 






rathſchlagungen gezogen. Der größte Theil 
ſieht ſich, bald Schulden halber, bald der 
vielen Abgaben wegen, oder fonft um der 
Ungerechtigkeit der Groffen willen, genüthiget, 
fi) den Wornehmen zu unterwerfen und ihnen 
zu dienen; und dieſe befommen fodann alle 
die Rechte über fie, die Herren über ihre 
Sklaven haben... Es machen aber die erſte 
Klaffe die. Druiden, die andere die Ritter 
aus. Jene warten den Gottesdienft ab, bez 
forgen die Opfer, die von ganzem Volk und 
von Privatperfonen daraebracht werden, und 
geben in der Religion Unterricht. Cie haben 
daher einen groffen Zulauf von iungen Leuten, 
die fi von ihnen unterweifen laflen , und 
find überhaupt bey den Ihrigen ſehr geehrt, 
Denn fie fohlichten fat alle Staats s und 
bürgerliche Zwiftigfeiten ; und wenn eine Srevels ‘ 
that veruͤbet, oder ein Todſchlag begangen 
worden iſt; oder wenn uͤber Erbſchaft und 
Graͤnzen Streitigkeiten entſtehen: fo find fie 
eben die Richter, welche Belohnungen 
und Strafen beflimmen. Wer bey ihrem 
Ausſpruch nicht bleibt, es fey nun eine 
Privatperfon, oder ein, ganzes Volk; Der 
wird vom Botteödienft ausgeſchloſſen: und 
das ift den ihnen die aͤrgſte Strafe. Denn, 
wer auf diefe Art in Bann gethan worden 
it, der wird unter Die —— und 
Frev⸗ 


‚ten —— 8 


Frevler gerechnet; ; iedermann weicht vor 
ihm aus, fliehet völlig feine Geſellſchaſt 
und. ‚Umgang ‚ ums.nide von ihm  anges 
ſteckt zu werden: Es wird ihnen weder 
Recht verſchafft wenn ſi ie um etwas anhal⸗ 
ten, noch irgend ein Zulritt zu Ehren⸗ 
ſtellen vergoͤnnet. 


Alle diefe Druiden haben ein Hbers 
haupt , . der unter ihnen das aröfte Anfes 
ben befist. Nach feinem Tode folge ihm 
der, welcher unter den übrigen am meiften 
Berdienfte hat; wenn aber mehrere einander 
gleich fommen : ſo wird er von den Druiden 
nach Stimmen gewählt. Zuweilen fritte man 
auch mit Waffen um den Vorzug. Zu einer 

gewiffen Fahreszeit verfammeln fie fi im Kar⸗ 
nutiſchen Sande, welches man für die Mitte 
von ganz Gallien hält, an einem dazu gewid⸗ 
meten Orte, mo von allen Gegenden ber 
dieienigen ericheinen, melde Gtreitigfeiten 
auszumachen haben , und fi) ihren Entfcheis 
dungen und Ausſprüchen unterwerfen. Ihre 

Schule fol in Britannien entflanden, und 
von da nal) Gallien verpflanze worden feyn; 
Daher dieienigen , welche nähere Wiſſenſchaft 
davon haben wollen, noch iezt in der Abſicht 
dahin zu veifen pflegen. Die Druiden ziehen 

"Re 





— 


nie mit zu Felde, ſind allein von Auflagen 
jrey, thun feine Kriegsdienſte und bleiben 
ſonſt auch bey andern Gelegenheiten verfehont. 
Um diefer Vortheile willen begeben fi viele, 
nicht nur aus eigenem Antrieb, zu diefer Les 
bensart , fondern -fie werden and) von ihren 
- Verwandten und Aeltern dahin verwiefen. 
Hier lernen fie, wie man fagt, eine groffe Menge 
Merfe auswendig; daher einige wol zwanzig 
Jahre in ihrer Schule zubringen. Sie hals 
ten es auch nicht für erlaubt, ſolche ſchriſtlich 
aufzufegen, ob fie ſich gleich bey andern Anz 
gelegenheiten , die den Staat oder einzelne 
Bürger betreffen, der griechiſchen Buchſtaben 
bedienen. Dazu, duͤnkt mi, haben fie zwo 
Urſachen: vielleicht wollen fie ihre Lehren 
nicht öffentlich befannt machen, noch dadurd) 
veranlaflen, daß die, welche fludiren, für ihr 
Gedaͤchtniß weniger forgen, wenn fie fid) aufs 
Geſchriebene verlaffen Fünnten. Denn eg ges 
ſchieht gemeiniglid), daß man megen diefer 
ſchriftlichen Hülfsmittel minder emfigen Fleig 
im Kernen anwendet , und fein Gedaͤchtniß 
daben vernachläfige: Ihre vornehmften Lehr⸗ 


- fäge find die Unfterblicfeit der Seele und Die 


Seelenwanderung nah dem Tode; und fie 
bilden fi) ein, daß man dadurch befonderg 
zur Tapferkeit angeflammt werde, und ſich für 
den Tod nicht fürchte. Ueberdieß a 

e 


— — 6 
fie über die Geftirne und ihren Lauf; über 
die Gröffe der Welt und der Erde ; über dag 
Weſen der Dinge; über die Macht und Ge 
walt der unfterblihen Götter; und unters 
richten auc) die Jugend hierinnen. 


‚Die andere Klaffe beſteht ans den Kits 
tern... Diefe erſcheinen ſaͤmtlich im Felde, fo 
bald es nöthig if, uud ein Krieg vorfält. 
Und dieß gefchahe vor der Ankunft des Caͤſars 
fat. ale Jahre, indem fie entweder ſelbſt Krieg 
anfiengen ; oder ſich vertheidigen mußten. Je 
vornehmer nun, und ie wächtiger einer iſt: 
deſto gröffer ift fein Anhang. Dieß macht all 
ihr Unfehen und Macht aus. Die ganze 
Nation der Gallier iſt üderaus religios. 
Wenn alſo einige etwas gefährlich Frauf lies. 
gen, fid) im Krieg und in andern Gefährlichz 
Teiten befinden; fo. opfern fie entweder Mens 
ſchen an Statt der Opſerthiere, oder geloben 
fid) felöft zu opfern 5; und diefe Opfer muͤſſen 
jederzeit die Druiden verrichten. Denn fie 
find der Meynung , daß man, wenn nicht das 
eben - eines andern Menſchen aufgeopfert 
würde, unmöglid) die unfterblichen Gitter 
verföhnen, und das Leben eines Menſchen 
erretten Fönne; und deßwegen find bey ihnen 
dergleichen Opfer öffentlich eingeführt. la; 
dere haben ungeheuer grofle Bilder, deren 
— von 


66 ——— 
son Weiden geflochtene Glieder ſie mit leben⸗ 
digen Menſchen anfuͤllen; dann zuͤnden ſie ſie 
ringsum an, und von der Flamme werden 
die Menſchen erſtickt. Aber das glauben fie, 
fey den Göttern. noch weit angenehmer, wenn 
fie ihnen Uebelthäter aufopfern, welche ſich 
eines — oder Straſſenraubs oder an 
derer Verbrechen ſchuldig gemacht haben. 
Eind nun folche nicht vorhanden ; fo merden 
au die Unſchuldigen zur Todesfirafe ver; 
dammt. Ihr Hauptgott if Merkur, der 
ben ihnen fehr oft abgedilder if. Sie halten 
ihn für den Erfinder alter Künfte, und für 
den Beſchuͤtzer auf dem Wege und der 
Reiſe; und glanden, daß er den größten 
Einfluß in den. Gewinn und Handel habe. 
Nach ihm verehren fie auch Den Apolo , 
Mars, Supiter, und die Minerva, von 
denen fie fall eben die Begriffe haben, 
wie andere Völker: Apollo vertreibt die 
Krankheiten; Minerva ift die Erfinderinn 
der Hands und Kunſtwerker; Jupiter der 
König, ‚im Himmel, und Mars regiere 
den Srieg. Diefem geloben fie auch meis 
‚ Kentheils alle Beute an, wenn fie ing 
geld ziehen ; Die, Thiere, die am eben 
gebiteben find, und fie gefangen befommen 
haben, opfern fie ihm auf; andere Dins 
ge bingenen bringen: fie an einen Dre zu⸗ 

ſammen; 


* 


* 


nn 67 


ſammen; und bey vielen Voͤlkern ſieht man 
Huͤgel an geheiligten Plaͤtzen, die davon 
errichtet find. Es geſchieht auchſelten, 
daß ſich einer unterſtehet ſein Geluͤbde zu 
brechen, und entweder feine Beute bey 
ſich zu verbeelen, oder von dem Aufbes 
wahrten etwas zu enfwenden. Denn hiers 
auf ift die härtefte Lebensftrafe und Marter 
gefeßt. Die Gallier geben alle den Pluto 
für ihren Stammvater und Beſchuͤtzer aus, 
und berufen fib auf die Druiden, von 
denen fie diefe Nachricht hätten. Sie fehen 
defwegen in ihrer Zeitrechnung niche auf 
die Anzahl der Tage, fondern der Naͤchte; 
und bey ihren Geburtss Seften, auch bey 
Monaten und Jahren , fangen fie allezeit 
mit der Nacht zu zählen an. In andern 
- Gewohnheiten des menfchlichen Lebens unters 
ſcheiden fie ſich auch ſaſt darinnen von den 
übrigen Völkern, daß fie ihre Kinder nicht 
eher vor fib Fommen Hafen, bis fie fo 
weit heran gewachſen find, daß fie mit ing 
Feld ziehen Fünnen; und fie halten es für 
niedertraͤchtig, wenn ver Sohn in feinen 
Kinderiahren ſich oͤffentlich vor dem Vater 
ſehen läßt. Co viel Geld ver Mann von 
feiner Frau zum Heirathsgut befomme: fo 
viel legt er, nach dem angegebenen Werth, 
von feinem Vermögen darzu. Dieſe Summe 

E22 wird 





wird zum aemeinfcaftlichen Gebrauch be; 
ſtimmt, und was man dadurch gewinnt, 
wird aufbehalten. Wer nun von beiden 
den andern überlebt , der. erbet nicht nur, 
was fie beide zuſammen gebracht, fon 
dern auch das, mag fie ſich mit _ einander 
erworben “haben. Der Mann hat, wie 
bey den Kindern, eben fo aud) bey der 
Frau die Gewalt Über Leben und Tod. Wenn, 
aber ein etwas vornehmer Hausvater geftorben. - 
if: fo kommen feine Verwandte zufammen , 
und wenn fich irgend ein Verdacht. wegen feis. 
neg Todes findet: fo wird mit der Frau, wie 
mit Sklaven, eine peinliche Unterfuhung ans 
geſtellt; und ift fie fihuldig erkannt worden, 
fo wird fie aufs graufamfle gemartert und vers 
brannt. Die Leichendegängniffe der Gallier 
find, nach ihren Geſchmack, prächtig und 
Fofibar. . Alles, was. dem, Verfiorbenen in feis‘ 
nem Leben. lieb geweſen ift , fogar fein, Vieh, 
wird auf den Scheiterhaufen gebracht; und 
es ift noch nicht lange, ‚da. man auch Skla⸗ 
ven und Klienten, von melden man wußte, 
daß fie der Verſtorbene geliebt habe, nach 
aehörigen Leichenbegängnifle , mit verbrannt 
bat. Dieienigen Nationen , die wieder ihre‘ 
eigene Mepublifen ausmachen, haben dieß zu 
einem Gefrge gemacht, daß ieder, der von 
teigen Nachbarn etwas hoͤrte, das den Staat 

| inter 





69 


intereſſirte, nur der Obrigkeit anzeigen, Feis 
nem andern aber etivag davon fangen ſollte. 
Denn man wußte es aus der Erfahrung, daß 
oft Leute aus Uebereiluna und Unerfahrenheit 
durch ſalſche Gerüchte in Schreden gelegt 
und fo zu bofen Handlungen verleitet worden 
find, und auch in den widtigfien Divgen 
Entſchlieſſungen faßten. Die Obrigkeit verz 
ſchweigt fodann, was fie! für gut befindet; 
was fie hingegen für dienlich hält, macht fie 
dem Volke befanne. Sonſt darf man auſſer 
einer Bolfsverfammlung von Staatsangelegens 
heiten nichts reden, 


Die Germanier miffen von diefen Ge; 
wohnheiten gar nichts, fie haben weder Drui⸗ 
den, die den Gottesdienft beforgen,, noch find 
fie Sreunde von den Opfern. Die Sonne, 
Das Feuer und den Mond halten fie allein für 
Gottheiten, weil fie fie fehen, und ihren of— 
fenbaren Eirfluß und Hülfe genieffen; von den 
übrigen haben fie nicht einmal was gehoͤrt. 
Ihr ganzes Leben if Jagd und Krieg, und 
fie _gewöhnen fi von Jugend auf zu harten 
Strapagen. Se länger einer unverheirarhee 
bleibet; deſto mehr Ehre bringt es ihm bey 
den Seinigen; denn fie glauben , daß dieſes 
viel zur Groͤſſe, Stärfe und Feftigfeit des 
Körpers beytrage, Daher halten fies für die 
| € 3 groͤßte 


70 — TRITT 


groͤßte Schande, ſchon im zwanzigſten Jahr 
Bekanntſchaft mit einer Frauensperſon zu das 
haben; und dieß bleibt kein Geheimniß: denn 
beiderley Geſchlecht badet ſich unter einander 
in Siüffen, bedient ſich nur der Haͤute oder 
kleiner Keibläge zur Bedeckung, und laͤßt eis 
nen groſſen Theil des Leibes entblößt. Auf 
den Ackerbau legen fie fi) nicht; fie leben bins 
gegen größten Theils von Milch, Käfe und 
Fleiſch. Es hat aud Feiner fein beftimmtes 
Feldſtuͤck, oder eigenthümliches Land ; fondern 
die Dbrigfeit und die Vornehmſten eignen ies 
dem Volk und Familie iährlih fo viel Feld 
au, als und mo fie es für gut befinden, und 
auch diefes müflen fie nach Verlauf eines Jah⸗ 
res wieder mit einem. andern vertaufchen. 
Hievon geben fie verfchiedene Gründe an: das 
mit fie nicht, menn fie ſich beftändig fort dns 
mit befchäftigten, mehr zum Ackerbau, ale 
zum Krieg geneigt würden ; daß ſie nicht Luft 
befämen, ihr Land zu erweitern, und, bey Zus 
nahme ihrer Macht, die Schwaͤchern aus dem 
Beſitz ihrer Güter zu vertreiben; daß fie nicht 
bequemere Hänfer wider die Kälte und Hitze 
aufbauten; damit in ihnen Feine Geldbegierde 
entftehen möge, die fo vielen Anlaß zu Meus 
tereyen und Zwift gäbe; und daß fie endlich 
das gemeine Wolf durd ihre Zufriedenheit in 
Schranken Halten möchten, wenn ieder fehen 

| müßße, 


| 
| 


—— 71 


muͤßte, daß er eben ſo viel Vermoͤgen beſitze, 
als die Maͤchtigſten. Je weiter eine Nation 
um ſich herum unbewohnte und verheerte Ge 
genden hat: deſto vorzuͤglicher iſt ihr Ruhm. 
Denn fie halten dieß für das Kennzeichen three 
Groͤſſe, wenn fie die Nachbarı aus ihrem 
Lande treiben ,„ und es Fein Volk waget, na 
- he bey ihnen zu mohnen. kind indem fie deß— 
wegen keinen ploͤtzlichen Einſall befürchten duͤr⸗ 
fen, fo. halten fie ſich fuͤr deſto ſicherer. Wenn 
ſie ſich vertheidigen muͤſſen, oder einen Krieg 
ſelbſt anſangen: jo waͤhlen fie obrigkeitliche 
Perſonen, Die das Kommando führen; und 
die Gewalt über Leben und Tod haben. Iſt 
hingegen Friede; fo haben fie Feine gemeins 
ſchaftliche Obrigkeit, fondern in icder Gegend 
und in iedem Kanton find die Vornehmſten ihs 
ve Richter, Die. die Streitigkeiten heben. 
Rauben ifi bey ihnen Feine Schande, wenn 
es auſſerhalb ihrem Lande geſchiehet, und fie 
preifen auch Diefes ale eine Uebung der Ju— 
gend und ein Verwahrungsmittel vor den Muͤſ— 
figgana an. Wenn nun einer von den Porz 
nehmſten in der Verſammlung fi) zum Ans 
führer einer Unternehmung angiebt, und fich 
Die zu erfennen geben müflen, welde feine 
Anhänger feyn wollen: fo fichen Dieienigen auf, 
weile mit der Sache fonol, als mit dem 
RAN — find , und verſprechen ihm 

a Ihren 





72 — — 


ihren Dienſt; worauf ſie einen allgemeinen 
Beyfall erhalten. Dieienigen aber, welche 
unter: dieſen zurück treten, werden für Auss 
reiffer. und Werräther angefehen, und man 
glaubt ihnen in Feinem Falle mehr, Fremde 
darf Niemand beleidigen; fie mögen zu ihnen 
fommen, in welder Angelegenheit fie immer 
wollen: fo fehügen fie folche wider alles: Uns. 
recht, und balten fie für unverleglih. Zu ies 
dem dürfen fie in das Haus kommen, und man 
reicht ihnen ihren Unterhale 


I, Brie⸗ 


EL 


Het 5 


# 
CRM wilr 





Fr 


Anden Trebatius. 
(Cicero B. VIl. Br. 15.) 


Dyiee ein Beweis, wie nneind Leute 

> mit ſich felber find, die lieben: Ans 
fange war ich unzufrieden, daß es Ihnen 
bey dem Käfar nicht gefallen wollte; num 
fränft michs, daß es Ihnen da gefaͤllt. Ich 
konnte es nicht leiden, daß Cie über meine 
Empfehlung an den Cäfar Fein groöfferes Vers 
gnügen hätten, und nun thut mir es weh, 
daß Ihren etwas ohne mic) angenehm if, 
Doch lieber mag mid die Sehnſucht nach 
ihnen beunrubigen , als daß Sie das, mas 
ich hoffe, nicht erlangen folten. Ueber Ihre 
Freundſchaft mit dem liebenswürdigen und 
gelehrten Marius habe ich ein unbeſchreibliches 
Hergnügen Machen Sie ia, daß er Sie 
recht lieben muf. Sie fünnen nichts ſchoͤners 
aus diefer Provinz zurucfbringen , als feine 
Freundſchaft; glauben Sie mirs! Leben 
Sie wohl. ar) | 

Ei Gel. 


— — — —— 





An 


Pl 





76 


An den Marin 
1 VE Da 


— Auſtrag werde ich genau beſorgen. 
Aber Sie find mir ein lhiſtiger Kopf; iuſt 
dem haben Sie ihn getban, dem es Vortheil 
bringen muß; wenn es recht theuer verkauft 
wird. Doch war es noch klug von Ihnen, 
daß Sie mir beſtimmt haben, wie hoch ichs 
allenfalls nehmen ſollte. Hätten Sie mirs 
erlaubt , fo würde ich es, nach meiner Lies 
be gegen Sie, mit dem Miterben ausgemacht 
haben. Nun aber weiß ih, wie viel Gie 
‚anwenden wollen, und da will ich lieber ein 
nen, der mehr bietet, beftellen, ale «8 
‚mwohlfeil weggehen laſſen. Aber Scherz; bey 
Seite! Ich will Shren Auftrag fo gut bes 
ftellen, als es Pflicht iſt. Was den Burfa 
anlanget,. fo bin ich überzeugt, daß Sie 
‚Sid darüber freuen. Nur münfchen Sie 
mir gar zu ſchuͤchtern Glüf. Denn, wie 
Sie fhreiben, fo glauben Sie, daß meine 
Freude, wegen diefes niederträchtigen Mens 
ſchen, eben nicht fo groß wäre. Aber feyn 
Sie verfihert , dieß Urtheil freut mic) mehr, 
ald der Tod meines: Feinde: - Denn einmal 
iſt mirs doch lieber, ihn durch einen richter⸗ 
lichen 


—— 22. 


lichen Ausſpruch, als durch Schwerdt übers 
munden zu haben: und dann auch dieß, daß 
mein Freund mehr Ehre davon trägt, als 
Unglüd ; woben mir das belonders angenehm 
ift, daß ſich die Patrioten ſo ſehr eiſrig fuͤr 
mein Wohl wider das unbeſchreibliche Wider⸗ 
ſetzen des beruͤhmteſten und maͤchtigſten Mans 
nes bewieſen haben. Endlich (es moͤchte aber 
kaum wahrſcheinlich ſeyn) war mir dieſer weit 
mehr verhaßt, als ſogar iener Klodius: denn 
der erſtere hatte mich Vertheidiger 
gehabt, und der leztere zu ſeinen Gegenpart; 
und als die ganze Republik durch mein Un— 
gluͤck in Gefahr gerathen ſollte, Hatte dieſer 
wichtige Abſichten vor ſich, und zwar nicht 
einmal aus ſreyem Willen, ſondern durch 
Huͤlſe derer, um die es, fo lange ich im gus 
ten Stande war, wuͤrde gefchehen geweſen 
ſeyn. Jener Aff aber bat, zum Zeitvertreib, 
mich zum Beften zu haben, auserfehen, und 
einige meiner Feinde verfichert, daß er mich 
ohne Aufhören quälen würde Freuen Sie 
Sich alfa immer rede fehr:: es it was Wich—⸗ 


tiges geſchehen. Nie fochten Bürger irgend - 


tapferer, als die, welche es wagten, ihn wis 
der die fehr groſſe Macht desienigen, welcher 
eben fie zu Richtern erwählt hatte, zu verur— 
theilen; und das fie nie würden gethan haben, 
wo fie nicht an meinem Schmerz gleichen Ans 

— | theil 


78 Genese 


theil genommen hätten. Wir hatten hier mit 
den vielen und volfreichen Gerichts; Tagen 
und mit den neuen Gefegen fo viel zu ſchaf⸗— 
fen, daß ich täglich Gelübde thue, daß fie 
nicht weiter verlängert werden, um fie tur ie 
eher ie lieber fprechen zu fönnen. Leben Sie 
wohl. | | 


— —— 





An N; Ligarius. 
(B. VI X. 14.) 
Unsere Sreundfchaft macht es mir freilid) sur 


Pflicht, daß ich Ihnen in Ihrer iezigen Si⸗ 
tuation etwas ſchreiben ſollte, um Sie zu troͤ⸗ 


ſten, oder aufzurichten. Ib babe es aber 


bisher unterlaffen , weil ich glaubte, Ihren 
Kummer durch Vorſtellungen weder ‚lindern , 
noch erleichtern: zu Fünnen. Nun aber, da 
ich mir grofle Hoffnung made, Sie bald wies 
der hergeſtellt zu ſehen, muß ich Ihnen nur 
ineine Gedanken und Wuͤnſche offenbaren. So 
iſſen Sie denn vor das erſte, daß Caͤſar, 
wie ich merke und deutlich ſehe, nicht mehr 


ſo gar boͤſe gegen Sie verſahren werde. Denn 


fowol die Sache felbit und Die Zeit, ale auch 
die Achtung vor der Welt, und wie mirs 
duͤnkt, ſogar fein eigenes Naturell, macht 

ihnu 





ibn von Tag zu Tag guͤtiger: und das glau⸗ 
x ich nicht ‚nur, ‚in Anfehung der übrigen, 

ndern auch vornehmlich, in Anſehung Ih⸗ 
rer, wird mirs von ſeinen vertrauteſten Freun⸗ 
den geſagt. Ich habe ſie auch, ſobald die 
Naͤchricht aus Afrika Fam, zugleich mit Ib⸗ 
ren Brüdern unablaͤſſig gebeten: und ihr eds’ 
ler Charakter, pflihtmäfige Liebe, und aus— 
nehmende Zärtlichkeit gegen Sie, nicht weni 
ger ihre beftändige und immerwaͤhrende Sorg— 
fale für Shr Wohl, hat füniel genngt , daß 
ich denke, Gäfar werde alle Ihre Wünfche ges 
gen Sie erfüllen, und follte es aud) etwas 
langſamer hergeben, als wir es gerne fehen, 
Denn um feiner vielen Gefhälte willen, ins 
dem fih Feder an ihn halt, Fonnte man nice 
leicht wor ihm kommen. Ueberdieß iſt er auch 
wegen der Afrifanifhen Umftände etwas auf— 
gehracht, daß es ſcheint, als wollte er denen 
etwas länger zu ſchaffen machen, die ihn, nad) feiz 
mer Meynung, mit mehreren Verdrießlichkei⸗— 

ten geplagt hätten. Aber, fo viel wir ein; 
ſehen, (fon beträgt er ſich von Taa zu Tag ges 
laffener und fanftmütbiger. Glauben Sie mir, 
amd denken Sie daran, daß id) Sie deflen 
verſichert habe Sie follen bald-von Ihren 
Verdrießlichkeiten befreyet werden. Hier habe 
ich Ihnen meine Meynung gefagt, und nun 
will id) sonen meine Wuͤnſche für Gie, mehr 


* in 
— 





in der That, als mit Worten, zu 
geben. Und waͤre ich ſo maͤchtig im Staat, 
als ich es billig, nach Ihren eigenen Gedanz 

ken, ſeyn ſollte, weil ich ſo viel Verdienſte 
um ihn habe; ſo ſollten Sie auch dieſer Un— 
annehmlichkeiten uͤberhoben ſeyn. Denn eben 
der Umſtand, welcher Ihre Wohlfahrt in Ge⸗ 
fahr ſetzte, hat auch meine Macht geſchwaͤcht. 


Indeſſen will ich doch, ſo viel nur der Schat⸗ 


ten meines vorigen Anſehens, und der Reſt 
meines Kredits vermag, bey aller Gelegen⸗ 
heit/ mit Eifer, Rath, Fleiß, und Gunft 
Ihre vortrefliche Bruͤder treulich unterſtuͤtzen. 
Seyn Sie nur ſo großmuͤthig, wie Sie es 
immer geweſen find, einmal um der ſchon 
angeführten Gründe millen, und jodann y 
weil Sie allezeit gegen den Staat fo ‚geneigt 
und gefinnt waren, daß Sie nidt nur Gutes 
hoffen dürfen, fondern auch alle Ungtücksfälle, 
die Ihnen nur immer begegnen mögen‘, dems 
ohngeachtet ben dem Bewuſtſeyn Ihrer guten 
Handlungen und Abfichten , mit dem. größten 
und fiandhaftefien Muthe ertragen muͤſſen. 









An 


—— gr 


ni den Cicern 
8. W. Sr. 5.) | 


D; Nachricht von dem Hintritt Ihrer lie⸗ 
ben Tochter Tullia hat mich in der That — 
und wie konnt' es anders ſeyn? ſehr geruͤhrt 
und betruͤbt. Ich nahm Antheil an Ihrem 
Verluſte — ia, wäre ih da zugegen geweſen, 
ich würde Ihnen beygeſtanden, Ihnen pers 
ſoͤnlich mein Leid bezeugt haben. Freilich iſt 
das eine elende, eine bittere Art zu troͤſten, 
wenn Anvermwandte und Freunde, die ung 
Troſt zufprechen follen,, eben fo betrubt find; 
wenn fie e8 ohne vielen Thränen nicht verfus 
hen Fönnen, daß Sie fogar eher des Troſtes 
Auderer bedürfen, als daß fie ihn Andern, 
nach ihrer Pflicht, zu geben fähig wären. 
Indeſſen will ich Ihnen doc) ganz kurz ſchrei⸗ 
ben, mas mir eben itzt einfaͤllt; nicht, als 
ob ich glaubte, Sie wuͤßten dieſes nicht, 
fondern weil Sie es vielleicht vor Schmerz 
nicht ſo deutlich einfehen können. Warum 
ſchlaͤgt Cie denn der über Ihre Familie vers 
haͤngte Trauerfall fo gar fehr darnieder ? Bedens 
fen Sie doch, mie das Schickſal bisher 
mit und verfahren iſt, und uns das ent 
riſſen bat, mas guten Männern nicht 
minder werth ſeyn muß, als Kinder, ib 

| 3 mepne 





menne das Waterland , die Rechte, Der; 
dienfie und allerley Belohnungen. Der eins 
ige Verluſt kommt nod Hinzu! ift wol 
dadurd) das Elend gröffer geworden? Der 
muß nicht die Seele, durch ſolche Ungluͤcks— 
fälle fo oft geprüft, ganz unempfindlich wer⸗ 
den, und alles andere um fo weniger achten ? 
Sie bedauren etwa Shren Tod, als ein Uns 
gluͤck? Aber wie oft müfflen Sie nicht auf 
den Gedanken gerathen feyn , der auch mie 
oft eingefallen if, Daß Dieienigen zu der 
Ihlimmen Zeit recht wohl daran find, 
denen es vergönnet wird, fo unbefümmert 
ihr ‚geben mit dem Tode zu vertaufden 2 
und mas Fonnte ihr denn ist dag Leben fo 
ſehr reizbar machen? welcher Lmftand 2 
welche Hoffnung? und melde beruhigende 
Ausſicht? etwa die, in der Verbindung 
mit einem der vornehmſten . iungen Herren 
ihre Sabre zu durchleben? Da müßten 
Sie Sid) erſt aus unfern iungen Herren 
einen Schwiegerſohn nad) Ihrer Würde 
wählen Fünnen, dem Gie fiber, als eis 
nem vechtfchaffenen Manne, ihre Kinder 
anvertrauen dürften. Oder etwa Kinder zu 
gebähren, deren Glückfeeligfeit Ihre Freude 
wäre? welche den väterlichen Ruhm durd) 
eigene WBerdienfte behaupteten, ſtuſenweis 


Ehrenfiellen im Staate erlangten, Freuns 
| den 


Bf 83 


den dienten, und ihre Freyheit genoͤſſen? 


Allein, if nicht alles das ſchon genums 


men, ehe es Ihnen verliehen worden war? — 


Menſch biſt? Ich kann nicht ſagen, mie 
F 4 


Je nun, der Verluſt ſeiner Kinder iſt 


doch gleichwol ein Unglüf! — Es iſt wahr, 


man iſt ungluͤcklich; aber noch weit un⸗ 
gluͤcklicher, wenn man iene Zufälle leiden 
und ausſtehen muß. Hören Sie doch dag, 
mas mic) ungemein getröftet bat: Vielleicht 
Tann dieß auch Ihren Schmerz mindern. 
Ich Fam neulich aus Afien zuruͤck, und 
fhiffte von Wegina nah Megara zu. Ich 
fahbe mid) in der ganzen Gegend  allenthals 
ben um. Hinter mir hatte ich Aegina; 
vor mir Megara ; zur rechten Ppräus ; 
sur linfen Korintd — fonft lauter Derter 
in ihrem fchönften Slor! — Und die nun 
in ihren Trümmern und Gteinhaufen vor 
meinen Augen da lagen. Hier dachte ic 


bey mir ſelbſt: Wie! wir ſchwache nichtss 


bedeutende Menſchen merden unmillig, fo 


etwa der Unfrigen einer eines natürlichen 


oder gewaltſamen Todes hinſtirbt, da mir 
doc auf Fein langes Leben Anſpruch machen 
dürfen — und bier liegen fo viele Städte 
im Staube beyfammen , wie bingeworfene 
Leihname ? Servius! willſt du dich nicht 
mäfigen, und erinnern, daß du nur ein 


ſehr 





fehr mid diefe Betrachtung aufgerichter Hat! 
Auch diefes fielen Sie Sich recht vor Aus 
gen, wenn es Ihnen getällia iſt: Seit 
kurzem find auf einmal fo viele berühmte 
Männer umgefommen ; dazu ift der, Staat 
fo fehr im Verfall geratben, und alle Pros 
yinzen haben einen fo harten Sturz erlit 
ten — und der Derluft des Lebens eines 
einzigen zarten Weibchens beunruhigt Sie fo 
aufjerordentlih ? Wäre fie ist nicht geſtor— 
ben , fo bätte fie doc nach) wenigen Jah⸗ 
ren sterben müfen:e Dem fi — ein 
Menſch — mar dası geboren. Und dann 
wenden Sie Sinn und Gedanfen von folchen 
Gegenfiänden weg: Denken Sie vielmehr an 
das, mas fi) für Ihren Charakter ſchickt. 
Ihre Tochter war fo lange bienieden, als 
es gut für fie war. Sie bat den Gtaat in 
feinem guten Zufland, Sie als ihren Ba; 
ter, als Prätor , Konful und Augur erlebe: 
fie war mit fehr vornehmen inngen Herren 
vermählt, hat fat alle Güter der Erde. zur 
Gnüge genoffen — und nur beym Unter 
gang des Staats gieng fie aus der Welt. 
Wie Fünnen fie nun, oder Ihre Tochter 
fib da über das Schickſal befchweren 2 
Dergeffen Sie doch ia nit, daß ſie Eis 
cero find, der Mann, ver immer nr 
Andern UN und Rathſchlaͤge — 
Lu * 





85 


‚geben pflegt... Machen Sie’s nicht, wie die 
ſchlechten Aerzte, die zwar vorgeben ,,. 08 
sfihiekt genug zu fenn, Andere zu heilen; 
‘aber fi felber nicht helfen können. Lie⸗ 
ber halten Sie fih felbfi vor, was Sie 
ſonſt Audern vorflellen, und überlegen Sie 
es ben fih. Wo if ein Schmerz. der nicht 
durch die Länge der Zeit abnehmen, und 
‚erträgliber werden folte 2? Nur wär es 
Ihnen Schande „ dieſe Zeit erſt abzuwarten, 
‚und dem Uebel nicht durch Ihre : Weisheit 
‚norzufommen. Ja, wenn die Todten noch 
‚irgend, Empfindung. behalten ; fo verlangt fie 
dieß gewiß nieht von Ihnen: Sie liebte Sie 
ia ſo zaͤrtlich, und mit Ehrfurcht alle die 
Shrigen. Thun Sie's alfo aus Liebe zur 
Verſtorbenen, aus Liebe zu Ihren uͤbrigen 
Verwandten und Vertrauten, die an Ihrem 
Schmerz Antheil nehmen, aus Liebe zum 
Vaterland. Sonſt koͤnnen Sie ihm nicht 
mit Rath und That beyſtehen, wenn es 

noͤthig if. Endlich, weil nun einmal das 
5— uͤber uns gekommen iſt, darein 
wir uns ergeben muͤſſen; fo dürfen. Sie 
„nicht die. Leute auf die Gedanken bringen, 
daß Sie nicht ſowol Ihre Tochter, als 
vielmehr das Ungluͤck des Staats und die 
Siege Anderer beweinten. Ich ſchaͤme mich 
RD davon zu ſchreiben; ich moͤchte ſonſt 


53 | das 


86 | — mn 


das Anſehen haben, Sie nit für den eins 
fihtsnolen Mann zu balten, der Sie wirk⸗ 
li find. Doch, noch eins! Dann ſchlieſſe 
ich meinen Brief. Mehr als einmal haben 
wir geſehen, wie Sie Sich im Gluͤck ſo 
ſchoͤn verhielten, und es macht Ihnen viel 
Ehre. Nun zeigen Sie uns auch, daß Sie 
im Ungluͤck gelaſſen ſeyn koͤnnen, daß Sie es 
nicht fuͤr eine ſchwerere Buͤrde halten, als es 
eigentlich iſt, damit es nicht etwa heiſſen 
moͤge, es habe Ihnen unter fo vielen andern 
Zugenden noch Die Gelaffenheit gefehlt. 
Uebrigens will ich Ihnen, fobald ich erfahren 
werde, daß Sie ruhiger find , von allen 
Vorſallenheiten hier, und von dem Zuftand 


meiner Provinz Nachricht geben. Leben Sie 
wohl. 





An den Lukceius. 
(3. V. 88.123), 


Ihr Brief war mir ſchon deßwegen ſehr ans 
genehm, weil er mich tröftete : denn er ift ein 
Beweis von Ihrer ſehr zaͤrtlichen Liebe, und 
ſehr groſſen Einſichten. Aber er gewaͤhrte mir 
noch ein anderes, ia weit groͤſſeres Vergnuͤ⸗ 
gen: ich ſehe, mie Sie fo edelmuͤthig das 

ER | Irdi⸗ 


BES ’ 87 
Irdiſche verachten, und fo wacker wider das 
Schickſal gerüftet und bewaffnet find. Und 
dieß dunkt mid), macht eben den Weifen fo 
verehrungswerth , daß er unabhängig ift, und 
nichts auſſer ſich hat, das ihn gluͤcklich oder 

ungluͤcklich machen koͤnne. Diele Betrachtung 
iſt tief in meine Seele eingeprägt, zu tief, 
als daß fie mir entkommen Fünnte: Aber freis 
lid) Hatten mid die gemaltigen Stürme und 
Ungewitter, die über mich hereinbrachen , eis 
nigermafen wankend und mürbe gemacht; doc) 
ſah ich ſchon im Geiſte, daß Sie mir zu Huͤl⸗ 
ſe kaͤmen, und nun habe ichs wirklich im vo⸗ 
rigen Brief erfahren , und Sie haben viel das 
mit ausgerichtet. | Ich muß es Ihnen alſo 
mehr als einmal verfi chern , und nicht alein 
zu verftehen geben, ſondern auch mit deutlis 
chen Worten fagen, daß mir nichts angeneh⸗ 
mers hätte ſeyn Fünnen, als ihr Brief, Zu 
meinem Trofte dienen mir die Gründe, die 
Sie ſo ſchoͤn und ſo beredt vorbrachten, und 
vornehmlich dieß, daß Sie mich ſehen laſſen, 
wie großmuͤthig und edeldenkend Sie ſind — 
und ich ſollte es nicht auch ſeyn? Welche 
Schande für mih! Nein, ich denke, id) 
bin da noch) flandhafter, denn Sie, ob Sie 
ſchon von Großmuth predigen. Sie haben, 
wie mirs deucht, noch einige Hoffnung, daß 
es einmal beſſer werden wird. Denn die Zu— 


54 fälle 





fälle. bey den Fechtern, und andere ähnliche 
Dinge mehr, auch die übrigen Gründe ‚bie 
Sie in Ihrem Troſtſchreiben anführen, fagen 
mir nichts. anders, als dieß: ich fol wegen des 
Staats nicht alle Hoffnung aufgeben. Ihre 

Standhaftigfeit it darum fo bewundernswerth 
eben nicht, fo lange Sie nody einige Ausſi icht 
haben; nur das iſt zu bewundern, daß Sie 
noch einige Hoffnung haben koͤnnen. Denn, 
fagen Sie Selbft , ift. nicht alles fo zerrüttet, 
wie vertilgt und vernichfet ? Beſehen Sie 
iedes Glied des Staats — — Sie kennen 
ſie ia alle ſehr gut — finden Sie wol: ein 
einziges, das nicht. ſchwach und Fraftlos waͤ⸗ 
ve? Ich wuͤrde mehreres hievon ſagen, wenn 
ich mehr Einſicht hierinnen, haͤtte, als Sie, 
oder wenn ichs ohne. ſchmerzhafte Empfindung 
koͤnnte; iedoch, ich muß ieden Schmerz, 
wenn ich Ihren Erinnerungen und Vorſchriſ—⸗ 
ten folgen will, vergeſſen. So will ich denn, 
nach Ihrem Rath, mein häuslidies ‚Leid ers 
fragen, und das Unglücf des Staats wol 
noch etwas ftandbaffer, als Ihre Perſon bey 
alle den Ermahnungen.. Denn, wie Gie 
fehreiben, fo tröftet Sie nod) einige Ho 
nung: id aber will immer auch dan, wo 
nirgends mehr Hoffnung iſt, gelaflen feyn, 
fo wie Sie mid) eben dazu ermunfern und 
anweiſen. Denn Sie erinnern mich auf eine 

| ange⸗ 





angenehme Art an mein gutes Bewußtſeyn, 
und an das‘, was ich ‘vornehmlich auf hr 
Zureden gethan habe. ‚Denn, mas id) meis 
nem Baterland su Teiften ſchuldig war, dieſes 
alles habe ich gethan, und gewiß mehr, als 
man von dem vernünftigften und unterneh⸗ 
mendſten Manne billig erwarten kann. Ich 
ruͤhme ‚mich ein bischen ſelbſt, verzeihen Sie 
mirs. Denn, ſo wie Sie mid durch iene 
Borfellung von dem Kummer befreyen wol 
"ten; eben fo werde ih auch bier durch die 
‚Erzählung berubiget. Daher will ich mich, 
ſo viel mir nur möglich it, Ihren Vorſchlaͤ⸗ 
gen gemäß, aller Unruhe und ängftlidien Sor⸗ 
gens entfihlagen , und meine Gedanfen auf 
daslenige richten, was im Ungluͤck unfer Troft, 
‚und im Gluͤck unfere Ehre iſt. Ich will mic) 
"mit Ihnen ſo viel unterhalten, als es nur 
unſer Alter und fehwächlicher Körper erlaubet; 
und Fünnen wir nicht ſo oft beyſammen feyn, 
als wir gerne wünfchten , fo follen doch gleis 
che Gefinnungen fo unter uns das Band der 
Freundſchaſt kauͤpſen, Daß es eben fo gut-ifl, 
als waͤren wir immer u einander. - Reben 
‚Sie Rohe: 3 





85 An 


Anden Ti r Bi 
6XvIl. Bean) 


A. Tage Dar ich ſchmerzlich 4J Vothen 
geharrt. Endlich, kamen fie, einmal nach 46 
taͤgiger Abreiſe an, und ihre Ankunft war 
‚mie ſehr willklommen. Denn einmal hatte id) 
über den Brief meines liebreichſten und. theus 
erſten Vaters ein ſehr groffes Vergnügen; und 
dann machte mir Ihre allerliebſte Zufchrift die 
Sreude erfi recht vollkommen. Nunmehr 
veuet es mid nicht, daß ich eine Lüdfe im 
‚Schreiben gemacht babe ;  fondern es freuet 
mid vielmehr. ». Denn durch mein Gtilles 
fchweigen ward mir. Ihre Gütigkeit ſehr 
sortheilbaft. Und fo iſt mir es ungemein - 
lieb , daß Sie meine Entſchuldigung * | 
Bedenken re —— laſſen. 


* 


Das "Serhht; welches ſich von wir 
verbreitet, wird Ihnen unſehlbar, mein 
liebſter Tiro, angenehm und erwuͤnſcht 
ſeyn; und ich will es mit allen meinen 
Kräften dahin zu bringen ſuchen, daß dies 
fe gute Meynung die von mir entfieht, 
von Tag zu Tag immer zunehmen möge. 
Und nun immerhin, wie Sie's verfprocden 

tn 4 haben, 


J——— —X 


haben, meinen Ruhm auspoſaunt! und das 
beftändig, und mit entſchloſſenem Muthe. 
Denn: die Fehler meiner jugend fehmerzen 
und kraͤnken mich fo , daß id nichts von 
der That mehr mwiffen , und eben fo menia 
nur hören mag — fo grauet mir's dafür! 
Sch weiß es zuverläfig, daß Sie an der 
Unruhe und dem Schmerz; Theil genommen 
haben. Und mas Wunder? Denn Gie 
wuͤnſchten, fo wol um meinet, als auch 
am Ihrentwillen, daß mir alles wohl ges 
ben folte; und aud mein Wunſch war 
immer »der, mit Ihnen meine Vortheile 
zu theilen. Aber igt folen Gie Sich auch, 
da, Sie ‚fonft meinetwegen allerley Unan⸗ 
nehmlichkeiten gehabt haben — ih mill 
mir e8 ſchon angelegen ſeyn laſſen — über 
mid) ; 5 * 


Wae — ‚Mit dem Kratipp ſtehe 
ich in ſehr guter Verbindung, nicht ſowol 
als Schuͤler, ſondern als Sohn. Denn— 
ſeine Vorleſungen beſuche ih. mit Vergnuͤ—⸗ 
gen, und die! ihm daben eigene Annehm— 
lichfeit. nimmt mich ungemein ein. Ganze Tage 
bin ih um ihn, und oft auch einen Theil 
der Nacht. Denn ich erfuche ihn fehr oft 
bey mir zu fpeifen,, und er gemähre * 
meine Bitte. | 


Diele 


92 ei 





Diefe Gewohnheit ift eingeführt, und, 
ohne daß wir es wiſſen, beſchleicht er uns 
oft, wenn wir zu Tiſche figen, ſetzt allen phis 
loſophiſchen Ernſt beyſeite, und ſcherzt mit 
uns, wie mit Freunden. Sorgen Sie nur 
doch dafuͤr, daß Sie dieſen ſo vortrefflichen, 
‘fo liebenswuͤrdigen und fo gelebrten — 
ar eheite ſprechen. 


| Und was foll ih vom Brutius ai, 
‘der wegen feiner Mäßigkeit, Sparfamfeit und 
fo gefälligen Umgangs mein beſtaͤndiger Ges 
ſellſchaffter iR? Denn auch beym Studiren 
and taͤglichen Diſ kurſen wird ver Scherz 
nicht bey Seite geſetzt. Ganz nahe bey mir, 
habe ich ihm eine Wohnung gemiethet, und 
fuche ihn, bey ſeiner Dürſtigkeit, fo viel ich 
fann, mit meinem Wenigen zu unferftügen. 
Ueberdieß habe ich mich auch beym Kaſſius 
in griechiſchen Reden haͤufig zu uͤben angefan⸗ 
gen; im Lateiniſchen aber will ich es mit dem 
Brutius thun. Meine beſten Freunde und 

taͤgliche Tiſchgenoſſen ſind die, welche Kratipp 
von Mytilene mitgebracht hat — gelehrte 
Leute, die ſeinen ganzen Beyfall haben! Sonſt 
ißt auch Epikrates oſt bey mir, ein vorneh—⸗ 
mer Athenienſer, und Leonidas nebſt andern 
mehr von der Art. So viel von dieſen, Die 
mich betreffen. Was fi ie mir aber von Gor⸗ 
\ | gias 


* 





9 


gias fehreiben ; fo ift er zwar bey feiner täglichen 
Redeuͤbung fehr nuͤtzlich; aber ich habe alles 
hintangeſetzt, um nur. den. Befehlen - meines 
Vaters nachzukommen. Denn er ſchreibet 
ausdruͤcklich, ich ſollte von der Stunde an 
nichts mehr bey ihm hoͤren. Ausfluͤchte moch⸗ 
fe ich weiter nicht machen, um ihm nicht eb 
wa durch meine allaugroffe Anhänglichkeit- eis 
nigen Argwohn zu verurſachen. Sodann fiel 
mir aud) bey, vaß es Feine Kleinigfeit ſey, 
über den Geſchmack feines Vaters zu urtheis 
len. Doch find mir. Ihre gütige Gefinnuns 
gen, und Ihr Nath lieb und angenehm, Mit 
der Entſchuldigung wegen der Kürze der Zeit 
bin ich fbon zufrieden: denn ich weiß, wie 
fehr Sie immer. befchäftiget find. 


Sie haben ein Landguk gekauft? Das 
ſreuet mid) ungemein, und ich wünfche, daß 
Sie daben gluͤcklich ſeyn mögen Wundern 
Sie Sid) aber nicht, daß ich Ihnen erfi das 
zu Gluͤck wünihe. Haben Sie ia beynahe an 
eben dem Orte in Ihrem Brief erit des 
Kaufe gedaht. Neun mwiffen Sie doch, wo 
Sie Ihre Komplimente hinbringen mäffen. 


Sie find ein römifcher Landmann worden, 
Si ftelle ich mir Ss reizendes Portrait vor 
Auıgen;. 


94 — 


Augen, und es iſt mir eben, als ſaͤhe ic 
Sie, mie Sie das Landgut kaufen, mit dem 
Pachter reden, und allerhand Saamen von 
dem Obſte im Aufferften Ihres Rocks halten. 
Mas aber die Sache felbit anlangt, fo if 
mir nicht weniger als Ihnen leid, daß ic 
Ihnen nicht habe benftehen Eönnen. Indeſſen 
zweifeln Sie ia nicht , mein lieber Tiro, daß 
ic) Ihnen, wenn mir das Gluͤck will, zu 
Hülfe fommen werde, befonders da ich weiß, 
daß das Gut für uns gemeinfchaftlich gefauft 
ſey. Daß Sie Sid) meine Aufträge haben 
angelegen feyn lafjen, dafür bin ich Ihnen 
verbunden. Noch erfuche ih Sie, mir aufs 
ehefte einen Abfchreiber zu ſchicken und vorzjügs 
lich einen Griechen: denn es geht mir viel 
Zeit beym Abſchreiben der Worlefungen vers 
ioren. Vor alen andern forgen Sie für hs 
ve Gefundbeit, daß wir miteinander allerley 
Unterſuchungen anftellen Eönnen Ich ems 
pieble Ihnen den Anther, und leben Gie 
wohl. | | 


| 
| 


An 


An Fabius Juſtus. 
(Plin. B. J. Br. ıı.) 


ie haben mir ſchon ſehr lange keinen Brief 
gefchrieben. Ich meiß nichts zu fihreiben, 
- fagen Sie. Gut, fo fhreiben Sie mir eben 
dieß, daß Sie nichts zu fihreiben haben , oder 
nur die gewöhnlibe Briefformel unferer Vor⸗ 
fahren : Wenn Sie Sid) nod) wohl befinden, 
fo iſt mir's lieb; ich bin noch gefund. 
Diefes ift für mich genua: denn das ift doch 
das Wichtigfie. Sie meynen etwa, ich frherze ? 
Nein! Ich bitte im Ernf. Schreiben Sie 
mir ia, was Sie machen; denn das muß 
ich wiſſen, wenn ich nicht änfferft beſorgt 
ſeyn ſoll. Indeſſen leben Sie wohl. 


— — —— 





An den Paulin. 
(B. II. Sr. 2.) 


Ge; bin böfe , ohne rechte zu wiſſen ‚od 
ichs ſeyn fol; aber genug , ich bin böfe. 


Sie wiſſen, daß die Liebe zuweilen urbillig, 


oft ausſchweiſend, und allegeit bey Kleinig⸗ 
feiten empfindlich if. Doch meine Urſache ifl 
groß genug; nur weiß ich mie, ob fie 

| billig 





bifig iſt. Indeſſen thue ich, als ob fie niche 
weniger billig, als groß wäre, und bin fehr 
böfe auf Sie, daß Sie mir fo lange nicht 
geichrieben haben. Sie Fönnen mich: durch 
ein Mittel wieder gut machen, nämlich wenn 
Sie mir wenigſtens nunmehr oft und. recht viel 
fihreiben. Diefed will ih allein: für eine 
wahre Entfehuldigung gelten laffen, die uͤbri⸗ 
gen nehme ich nicht an. Sch war nit in 
Nom, id hatte viel zu thun, das: werde ich 
gar nicht anhören; und ich war Frauf, das 
wolle der Himmel nicht! Ich, mein lieber 
Paulin, lebe auf. dem Lande, und ergoͤtze 
mich zumeilen durch) Studiren, zuweilen auch 
durch Müfliggang. Beides habe ich der Rus 
be von oͤffentlichen Gefdäften zu danken. 
Leben Sie wohl. 
Gell. 








An Septitius — 
(81 Sr. 15.) | 


&. | find mir ein Schöner! BER 
Sich zu Tiſche, und bleiben dann ang ? Sie 
befommen einen Proceß, wo Gie alle Unko— 


fen dep einem Pfennig besablen follen; * 
| ie 


die nicht gering. Für ieden war Salat ber 
ſtellt, auf iede Portion drey Schnecken, ein 
Paar Eyer , nebft einem Trank von Meth und 
Schnee (denn auch dieſen müfen fie mit ans 
rechnen , zumal da der im Gerichte zers 
ſchmilzt. Es. waren Dliven aus Andalnfien 

da, Kürbiffe , Yulben und taufend andere Des 
likateſſen. Sie Hätten einen Komddianten ges 
hört , oder Vorleſer, oder Birtuofen auf 
der Lyra , oder wol. alle: Sie kennen meine: 
Freygebigkeit. Da find ſie aber, der Himmel 
weiß wo gemefen , und Auftern , andere Les 
eferbiffe, fremde Fifhe, und gaaditanifche 
Mädchen waren Ihnen lieber. Sie follen mir- 
das. nie. umfonft gethan baden. Warten - 
Sie nur! Es mar gar nicht huͤbſch von. 

Ahnen! Sie haben vielleicht Sich, zum. 
wenigfien mir — aber doch auch Sid) felbft 
feinen geringen Tore gethan. Wie hätten wir. 
da ſcherzen, lachen, und uns unterhalten 
wollen! Bey Andern Fünnen Sie zwar viel, 
praͤchtiger ſchmauſen; aber nirgends froͤhlicher, 
ungezwungener und ſreyer. Kurz, verſuchen 
Sie's einmal, Und, wenn Cie dann nicht 
andere, Einladunaen ausſchlagen, ſo entſchul⸗ 
digen Sie Sich bey mir ia immer, Leben 

Sie — | DR 











a An 





98: 
An Kaninius Rufus 
(B. 1. Br. 3.) 


PILZE mache wol Komum, Ihr und mein 
Lieblingsort, Was das anmuths volle Lands 


gut bey der Stadt? Was das Berfo (die: 
Galerie), wo es -immer, wie im Frühling‘ 


it? Was der ſchattenreiche Ahornwald ? 
Was der Kanal mit feinem grünen und bunt 


geſchmuͤckten Ufer, und das für ihn daran’ 


fioffende Bafin ? Was iener weihe, und 
doch fefte Promenaden » Gang ? Was ieneg 


Dad, das die Sonne ummwandelt und mohls 
thätig durdfiralt ? Was iene öffentlichen 
und iene nur für Freunde beftimmte GSpeifes 


ſaͤle? Und iene Wohn; und Schlafjimmer ? 
Genieffen Sie denn auch dieſelben, und mas 
den Sie Sich da abwecfelnde Wergnüguns 


gen? Oder find Sie, nah Ihrer Ges 


wohnheit, nod immer mit Ihrem Hausweſen 


zu fehr befchäftige, und laffen Sich dadurch 


von den öftern Spaziergehen abhalten ? 
Genieffen Sie diefelben; fo find Sie ein 


fehr glücklicher Mann: wo nicht; fo haben 


Sie gar nichts vor Andern voraus, So 
überlaffen Sie doch Ces-ift einmal Zeit) 
* unedlen und ennteigen Sorgen Anz 
bern, 


— 99 


dern, und widmen Sie Sich an dieſem 
ſtillen und herrlichen Aufenthalt dem Stu— 
diren. Dieſes ſey Ihre Beſchaͤftigung, 
Ihre Muſſe, Ihre Arbeit, Ihre Erhoh— 
lung. Mit dieſem bringen Sie Ihre Tage, 
mit dieſem Ihre Naͤchte zu. Denken Sie 
auf etwas, und arbeiten Sie's aus, das 
von Sie ewig Befiger feyn werden. Denn 
ihre übrigen Güter werden nah Ihnen 
einen Herrn nad) dem andern bekommen; 
aber, was Sie einmal ſelbſt werden aus— 
gearbeitet haben, das mird beftändie Ihr 
bleiben. Sch weiß, men id) ermuntere. 
Ihr Eifer, Ahr Genie, ift mir bekannt. 
Suchen Sie Sid) nur erfi Selbſt fo viel 
zuzutrauen, als Ihnen Undere zutrauen 
werden, wenn Sie es thun. | 








An Kornelius Tacitus. 
[or 0) 


Sie werden laden, und ih gebe Ihnen 
meine Erlaubniß dazu. Stellen Sie fid) vor, 
dab id, ich felbi — Sie Fennen doch den 
Mann ? — drey Schweine, und, wenn Sie 
es nicht übel nehmen wollen, drey recht greife 
Schweine gelangen babe? Sie ſelbſt? — 
Br Ga br 





200 


hör ich Sie fragen. Ich felbft s--aber freis 
lich, — damit meine Indolenz und Ruhe fo 
wenig als möglich dabey verlöre, faß ich nicht 
am Garn; und neben mir lagen, ſtatt der 
Lanze und Des Sagdipiefes, Griffel und 
Söreibtafel. So ſaß ib, überließ mich meis - 
nen Gedanken, und fdrieb von Zeit. zu Seit 
etwas nieder, um, wenn ich mit leeren Hans 
den heim kaͤme, wenigſtens mein Taſchenbuch 
voll zurückzubringen. Sie ‚hätten Unrecht, 
wenn Sie diefe Art zu fludiren verachteten. 
| Es ift erſtaunlich, wie fehr. der Geiſt durch 
die Leibesuͤbungen, und eine mehr als ge⸗ 
woͤhnliche Bewegung aufgeweckt wird. Und 
dann noch das angenehme Grauen der Waͤl⸗ 
der, und die Einſamkeit, und ſelbſt das all— 
gemeine Schweigen, das beym Jagen beob⸗ 
achtet wird, — welche Reizungen zum Den⸗ 
fen! Folgen Sie alſo immer meinem Bey⸗ 
ſpiel „und nehmen Sie, wenn Sie auf die 
Jagd gehen, Ihre Screibtaſel eben ſo rich—⸗ 
tig mit, wie Ihren Brodkorb und Ihre Kür 
bisfafihe: Sie werden finden, daß Minerva 
ſo gern auf den Bergen herumirrt als Diana.) 





— 





101 


An die Hiſpulla. 
( B. IV. Br. 19.) 


©: r fi nd ein Muſter, wie man die Seinigen 
lieben müffe, und haben mit Ihrem vortreffs 
lichen Bruder bewiefen, wie zärtlich Sie beide 
einander geliebt haben: Sie lieben feine 


Tochter, wie Ihre eigene, nice nur als Tanz 


fe, und erfegen ihr dadurd) die Liebe ihres 
verlornen Vaters. Sollte es Ihnen nun nit 
das arößte Vergnügen gewähren, wenn ic) 
Ihnen ſage, wie wärdig fie ihres Vaters fen, 
Ihrer, und ihres Großvaters? Groß ift ihr 
Verftand, und eben fo groß ihre Sparfamfeit. 


Sie liebt mih, Kein Deweis ihrer Keuſch⸗ 


heit) und aus Liebe zu mir auch die Wiſſen⸗ 
ſchaſten. Sie lieſt meine Schriftchen, ſtudirt 
ſie, und lernt ſie ſogar auswendig. Wenu 
Sie wuͤßten, wie beſorgt fie iſt, wenn ich eis 
ne gerichtliche Rede halten ſoll, und wie vers 
gnuͤgt, wenn ſie geendigt iſt. Sie ſtellt 
Leute auf, die ihr erzaͤhlen muͤſſen, wie 
meine Rede vor Gericht abgelaufen ſey, 
welchen Berfall und melde Lobeserhebuns 
gen ich erhalten habe. Leſe ich etwas üf 
ſentlich ab, fo fißet fie in der Nähe, 


‚abgefondert und verborgen , und hört gierigft 
auf mein Lob, Gie finge meine Verſe, und 


&3 ſpielt 


10% 





ſpielt ſie auf der Cyther, ohne irgend eine 
Anweiſung; nur die Liebe iſt ihre beſte 
Lehrmeiſterinn. Dieſe Urſachen geben mir 
die zuverläffigfte Hoffnung, daß unſere ver— 
einigte Liebe von Tag zu Tag immer zu 
nehmen, und ununterbrochen ſeyn werde. 
Denn-fie liebt mid), nicht , weil ich ſchoͤn 
und iung bin, (Dinge, die ohnedem vers 
gaͤnglich find, und mit der Zeit verwelfen) 
fondern um meiner Verdienſte willen. Und 
jo mußte fie auch werden, da fie unter Ih⸗ 
ver Aufficht erzogen, und nad) Ihren Grunds 
fügen unterwiefen ift, in Ihrer Geſellſchaft, 
nichts, als was tugendhaft und ſchoͤn heißt, 
sejehen, und durch Ihre Empfehlung mid) 
zu lieben gelernt hat. Denn da Sie meine 
Mutter als Ihre Mutter verehrten; fo has 
ben Sie mid auch glei) von jugend auf 
angebildet, autes von mir geſagt, und pros 
phezeyet, daß ich einft fo werden würde, wie 
mid) nun meine liebe Gaftinn finde. Go 
nehmen Sie denn bin unfern vereinigten 
Dank: ich danke es ihnen, daß Sie mir fie, 
und fie — daß Sie ihr mich gefchenft und 
gleihjam uns beide für einander. auserlefen 
haben. Leben Sie wohl. 





— — ——— —— 





An 





103 


An den Maxrimus. 
(%. VII. Sr. 26. ) 


En vor wenigen Tagen veranlaßte mir die 
Unpäßlichkeit eines guten Freundes die Ges 
‚danken, daß wir die beften Leute ſeyn, wenn 
wir Frank find. Denn, mo läßt ſich ein 
Kranker von Habſucht oder Wolluſt beunrus 
higen? Er froͤhnt nicht mehr... der Liebe, 
ſtrebt weiter nicht nad) Ehre, bekuͤmmert ſich 
nicht um Schaͤtze, und laͤßt ſich mit den ge⸗ 
ringſten Beduͤrfniſſen begnuͤgen, die er ohne⸗ 
hin hinter ſich laſſen muß. Dann erinnert er 
ſich erſt, daß ein Gott, und er ein Menſch 
ſey. Er beneidet niemand, bewundert nie—⸗ 
mand, findet Fein Vergnügen an Verlaͤum— 
dungen „ giebt auch nicht Acht darauf Nur 
mit Bädern und Duellen befchäftigt ſich feine 
Phautaſie. Das ift das Ziel feiner Sorge, 
das Ziel feinee Wuͤnſche. Ein flilles und 
ruhiges, d. i. ein unfchuldiges , gluͤckliches Le⸗ 
ben will er führen, wenn er wieder geneſen 
ſollte. Daraus folge eine Lehre für mid), 
und für Sie, die kurz das enthält, was ung 
Philoſophen fo weitläuftig in fo gar vielen und 
Diefen Bänden haben lehren wolen, daß wir 
bey gefunden Tagen beftändig fo leben, ale 
wir zu werden, in der Krankheit verfprechen. 








MR 








204 


An d en" Priſkus. 
cCB. AI. Br. 21.) 


84 hoͤre, Martial iſt geſtorben. Sein Tod 
geht mir nahe. Er war ein vortrefflider 
Kopf, fein Wig fein und fdarf, fein Herz 
ehrlich und gut, wiewol Salz und Galle ges 
nug in feinen Schriften if. Ich hatte ihm, 
da er Rom verließ , ein Geſchenk auf die 
Reiſe gemacht. Ich glaubte es unfrer Freund⸗ 


\ 


Schaft, und auch den Eleinen Werfen, die er - 


mir zu Ehren gemacht hat, fhuldig zu ſeyn. 


Vor alten Zeiten war es Sitte, mit Ehrens - 


"zeichen, oder mit Geld dieienigen zu belohnen, 
welche zum Lob einzelner Perfonen, oder gans 
zer Republiken gefchrieben hatten. In unfern 
Tagen ift mit andern loͤblichen Gebraͤuchen 
ac) diefer abgefommen. Ceitdem wir aufges 
hoͤrt haben lobenswärdige zu thun, machen 
wir uns auch nichts mehr daraus gelobt zu 
werden. Sie fragen mich vielleidit , was das 
für Verſe fenen, die mic fo dankbar gegen 
den guten Martial machten? Sch mürde Sie 
an fein aanzes Buch verweifen, wenn ich nicht 
einige auswendig wüßte. Gefallen Ihnen 


diefe, fo Fönnen Sie die übrigen ſelbſt nach⸗ 
ſchlagen. — Er redet feine Mufe an, und 
"pefiehlt ihr, nad) meinem Haufe auf den Er 


quilien zu gehen. al — fo fährt er fort — 
Aber 


* Pe 105 N 


Aber nimm dich in Acht, in trunknem 
Muthe 
Nicht zur Unzeit an der beredten Thuͤre 
Anzupochen. Kr pflegt den ganzen 
langen 
Tag mit der ernften Pallas rg 
Die die Reden ihm machen hilft, 
mitten" 
— Richter (wie Orpheus einſt den 
ſtrengen 
nihen Hoͤllenhof) bezaubert; 
Reden, die wir, mit Stolz, und von 
der Nachwelt 
Unbeſcholten, den ew'gen Meiſterſtuͤcken 
Des Arpinifchen Demoſthen entgegen: 
Stellen — Sicherer weoft du, 
| Diufe, 
Dich des Abends zu ihm, wann ſpaͤte 
‚Lampen 
Zum gefelligen. Schmaus den Saal er⸗ 
leuchten. 
Deine Stunden find dieß, wenn Bar 
chus fehwärmet, - 
Wenn die Roſe, die nicht mehr — 
| Stirne 
Branm und Salben vom Haare Pe 
fen; dann ift 
Dich zu eier)... au Kato nicht zu weife. 


85 : ,.Zinden‘ 


> ea _ 


- Sinden Sie nun, daß id Recht hatte, 
den Dann, der dieß von mir fehrieb, damals 
‚mit Beweifen der wärmften Sreundfhaft von 
mir zu laſſen, und nun da er nit mehr if, 
als einen verlornen Freund zu betrauren? Er 
gab mir das Größte, was er mir geben Fonns 
fe, und würde gerne mehr : gegeben haben, 
wenn er gekonnt hätte Wiewol, was fann 
‚ein GSterblidier dem andern Groͤſſers geben, 
als Ruhm und Unfterblidfeit 2? — Doch viels 
leicht werden feine Schriften ſelbſt nicht un; 
ſterblich ſeyn? Vielleicht; aber wenigfiens war 
ed, da er fie ſchrieb, fein Wunſch, daß fie es 
ſeyn möchten. 

Wiel. 


— — — — — 





Mein Herr, 


Sie haben mich durch Ihre angenehme Zus 
ſchrift zu einem Briefwechſel gütig aufgeboten. 
Hier haben Sie meinen erſten Brief. Sie 
ſehen, daß Sie Feine Bitte an mid) verges 
bens thun koͤnnen; allein. id) werde Ihnen 
nicht finnreich ſchreiben. Ich ſchaͤtze die Art 
der Freundſchaft hoch, mo man nur das Herz 
reden läßt, und id fuche niemals Ihnen 
durch) meinen Witz zu gefallen. Die .. 

RN | en 


\ —— — 107 
chen Schönheiten, die artigen Züge, in den 
DBriefen des Rabutin und der Sevigne, ba: 

ben allein Reis für mid, und mein Herz 
bleibt Falt bey dem gezwungenen Witze des 
Balzak und des le Pays. Wie fehr wuͤnſchte 
ich eben fo hergrührend zu ſchreiben, als die 
portugiefifhe Nonne in ihren affeftvollen Brie— 
jen, um Sie, mein Werther, in der zärt: 
lihften Sprache zu verfibern, daß id Sie 
liebe; daß ich niemals mehr Zufriedenheit, 
als in ihrem Umgange empfunden habe, 
und daß ich Ihren Kuß ſehnlich wuͤnſche! 
Ihr Hirtenlied hat mich geruͤhrt. Dieſer 
Ausdruck vertritt die Stelle eines ausgefuchten 
Lobſpruchs; denn ich darf Sie doch nicht los 
ben. Ich ſchicke Ihnen dagegen einige Schaͤ— 
ſergedanken von mir, moran Ihnen nichts, 
als die Kürze gefallen wird, ingleichen eis. 
nen Verſuch einer Ueberfegung des Trauers 
ſpiels Mahomet. Wie glüclidy ift man, 
wenn man einen Freund hat, mie Gie 
find ' Sie werden meinem Verſuche Feinen 
ungegründeten Benfall geben; denn ein 
Freund Fann nicht ſchmeicheln; und Ihr aes 
gründeter Tadel wird mid) abhalten, eine 
ſchlechte Ueberfegung zu liefern. Um Ihnen 
einige Nachrichten, die ich für nen halte, 
mitzutheilen, ſo melde ih Ihnen, daß neus 

Aid) des Herrn von ss Luſtſpiel: die Des 

a | | ſchwer⸗ 


108 — nun. 


fchwerlichEeiten des Hoflebens mit vielem Bey⸗ 
fall vorgeftellt worden find. Meine Ueberfes 
Kung des Schmeichlers dürfte auch nächftens 
aufgeführeet werden. Ich habe die Werteuts‘ 
ſchung dieſes Luſtſpiels übernommen, weil ich 
es für das beſte Stück des Rouſſeau halte, 
und weil ich den Tadel des Gacon in feiner far 
tyriſchen Lebensbeſchreibung dieſes Poeten nicht 
billige. Den Gelehrten, ein Gedicht, ſo in 
Hamburg herausgekommen iſt, werden Sie 
ſchon geleſen haben, und ich darf Ihnen nicht 
ſagen, daß es ſchoͤn ſey. Man verkennet den 
beruͤhmten Verfaſſer nicht! Sch entdecke den 
Spoͤtter unter dem geiſtreichen Dichter, und 
es ſcheint eine Satyre zu ſeyn, davon ich die 
Umſtaͤnde zu wiſſen wuͤnſchte. Erklaͤren Sie 
mir doch was Sie durch die Faunen unter 
den Berliniſchen Muſen verſtehen? Sch habe 
Ihren Sinn nicht eingeſehen. Doch ich muß 
nur aufhoͤren Sie mit Neuigkeiten und Fragen 
zu beſchweren. Vielleicht beantworten Sie dieſe 
Fragen, und dann werden Sie an mich ſchrei— 
ben muͤſſen. Sie koͤnnen dieſes niemals zu oft 
thun; aber machen Sie ſich geſaßt, meine 
öfteren Antworten zu leſen. 

Gleim, 





——— u‘ 0), 


Den 


— — 109 


Den Augenblick, mein liebſter Freund, gab 
ich, unter fremden -Pettfhaft, an Sie ein 
Naͤckchen auf die Pot, worinn Sie eine 
hornene Schnupftabacksdoſe finden werden , 
mit der Junſchrift, auswendig auf dem Des 
el: Peter Lorenzo, und innwendig 
Norick. Erſt itzt ſchreib ich den Brief dazu; 
und dieſen follen ie in einem öffentlichen 
Dlatte lefen : den Sinn des Gefchenfs wers 
den Sie gleich errathen; allein , id) 
wuͤnſchte, daß Sie eben fo bald den 
Geber dDeffelben errietben, und es dem 
Herzen Ihres Jacobi zutrauten; and diefer 
Urſache hielt id) den Brief nod) zurück. 
Warum ich ihn aber drucen lafe? Weil 
er in die Hände vieler kommen fell, die 
unfere Freunde find, oder es ſeyn koͤnn— 
ten. Hoͤren Sie alſo, mein Liebſter, die 
Geſchichte der Doſe. Meinem Bruder, der 
mit mir gleiches Gefuͤhl hat, und einem 
Cirkel von empfindſamen Frauenzimmern, las 
ich, vor einigen Tagen, Poricks Reifen 
vor Wir Famen an die Gefchichte des 
armen Franciffaners Lorenzo, welcher Yoric 
um ein Almofen bat, von ihm abaewiefen 
wurde, dur fein fanftmüthiges Betragen 
dem Engländer Neue daruͤber einflößte,. 
nachher zum Zeichen der DBerfühnung von 
| —— — ihm 


110 ET SEE 





ihm eine ſchildplattene Dofe befam, 1004 
gegen er ihm die feinige von Horn gab, u. 
ſ. w. Mir lafen, mie Poric diefe Dofe 
dazu gebraudye habe, um den lanften , ges 
lafienen Geift ihres vorigen Beſitzers hervor⸗ 
zurufen, und den ſeinigen, bey den in der 
Welt zu kaͤmpfenden Kämpfen , in Faſſ ſung 
zu erhalten. „Der gute Moͤnch mar geſtor—⸗ 
„benz; NYorick faß bey feinem Grabe, zog die 
„kleine Dofe berfür, riß einige, Neffeln zum 
„Kopfe des DBegrabenen aus, und meinte, » 
Wir faben einander ftillfchweigend an, ein 
ieder freuete fih, in den Augen des andern 
Thränen zu finden; mir fenerten den Tod des 
würdigen Greifes Lorenzo, und des gutherzi— 
gen Engländere. Unfer Herz fagte uns, 
Horick hätte, Mären wir ihm befannt gewes 
fen, ung geliebet; und der Franziffaner , 
glaubten wir , verdiene mehr, als alle Heilis 
gen der Legende Fanonifirt zu werden. Sa ſt⸗ 
muth , Zufriedenheit mit der Welt, unübers 
windliche Geduld, Verzeihung für die Fehler 
der Menſchen, Diele erfien Zunenden lehrt 
er feine Schüler : wie viel befier find fie, 
als der Fromme Stolz der mehreflen gefliftes 
ten Drden! Wie ſuͤß war uns dag Andenfen 
‘an den erhabenen Moͤnch, und an den, der 
fo willig von ihm lernte! Viel zu füß, um 
nicht durch etwas ſinnliches autechaluen zu wer⸗ 
den! 


den ' Mir alle Fauften uns eine Schupftabacks⸗ 
dofe von Horn, morauf mir mit goldenen 
Buchſtaben die Schrift fegen Tiefen, die auf 
der Ihrigen ſteht. Wir alle thaten das Ges 
Jübde, des heiligen Lorenzo wegen, iedem 
Sranciffaner etwas su geben, der um eine 
Gabe uns anfprechen würde. Sollte in unfree 
Geſellſchaſt fi) einer durch Hitze überwältigen 
laffen; fo hält ihm fein Freund die Dofe vor, 
und wir haben zu viel Gefühl, um Diefer 
Erinnerung, aud in der groͤßten Heftigfeit, 
zu miderftehen. Wäre einer fo ungluͤcklich, 
daß diefes nicht eleich den verlangten Eindruck 
auf ihn machte; fo muß er zur Strafe, bie 
hornene Dofe mit einer andern vermwechfeln ,- 
. bis er fie Durch eine befonders guthersige oder 
fanfemütbige That fi) wieder eriverben kann. 
Unfre Damen ,. die feinen Taback brauchen, 
muͤſſen wenigftens auf ihrem Nachttiſch eine 
ſolche Dofe fiehen haben; denn ihnen gehoͤ⸗ 
ren, in einem hoͤhern Grade, die ſanften 
Empfindungen, die wir aus ihren Blicken, 
aus ihrem Ton, aus ihren Urtheilen ſchoͤpfen 
ſollen. Nicht genug war es ung, dieſe Ver— 
abredung in einem kleinen Cirkel genommen zu 
haben; Wir wuͤnſchten auch, daß auswaͤrtige 
Freunde ſich uns darinnen gleich ſtelten. An 
einige ſchickten wir das Geſchenk, das Sie be— 
kommen ‚ ald ein ung heiliges Ordenszeichen; 

Andern 








3112 


Andern ſoll dieſer Brief unfre Gedanken mits 
theilen. Diele £efer werden gar nichts dabey 
fühlen, Andere nie Much genug haben, fi) 
in eine Berpflichtung zum Kampf über fi 
ſelbſt einzulaffen ; : Andere wol gar Flein genug 
ſeyn, fi an den Wohlſtand zu kehren, ver 
ihnen durch eine Dofe von Horn beleidigee 
ſcheint. Die erfien. bedauren wir: von den 
zweyten hoffen wir einige Befferung , und die 
dritten leben nicht für ung. Vielleicht hab ich 
in Zufunft das Vergnügen , an fremden Drs 
ten, bie und da, einen Unbefannten anzutrefs 
fen , der mir feine Dofe von Horn, mit den 
goldnen Buchſtaben, reicht. Ihn werd ich fo 
vertraut, ald, nad) aegebenem Zeichen, ein 
Freymaͤurer den andern, umarmen. Cr kennt 
menſchliche Tugend, und wuͤnſcht beffer zu werz 
den. D mie wollte ich mich freuen, wenn id) 
unter meinen hiefigen Mitbürgern einen mir 
fo theuren Gebraudy einführen Fünnte! Dann 
würde die Religion fie nit mehr entsweyen ; 
einen gemeinfchaftlihen Heiligen hätten fie; 
der proteftantifhe Geiſtliche würde den Fathos 
liſchen Ordensbruder feinen Freund nennen, 
ihm verzeihen , daß er ein langes, graues Ges 
wand trägt; und der Drdensbruder lernte, 
bey feinen Walfahrten zu der im Hain geleges 
nen Kapelle, alle Menſchen lieben, megen der 
Gottheit, die für ale Menſchen, aus Liebe, 
| den 


man 113 


den Hain erfchuf. Wir, mein Liebfter ,: went 
die. Ungerechten, denen unfer Herz und unfre 
Muſe nichts gethan haben, die ung haflen, 
meil mir nit von ihren Feinden gehaßt mers 
den; wenn diefe an unfern Liedern ſich räz 
chen wollen, dann ziehen wir unfre Dofe 
hervor „ und werden nıdıt boͤſe, und fingen 
fore, ob wir fie vieleicht leicht beiänftigen 
Eönnen? Wer weiß, ob fie nicht felbft mit der 
Zeit bewogen werden, ein Fleines Geſchenk 
von Horn von und anzunehmen? 


Jacobi. 


— — — —— — — —— — 


— 


Mein allerliebſter Freund, 


Veoh ift Fein Tag hingegangen, wo ich nicht 
hundertmal an Sie, und an alle unfre Sreuns 
de gedacht, und mic bundertmai beflagt härs 
te. Wenn alle meine Klagen Briefe geworden 
mären; wie viel würden Sie nicht zu beant 
worten haben ? Aber id) babe Sie fo lieb, 
daß ih Sie mit meinen Klagen fo wenig bes 
anrubigen will, als nur möalich ſeyn wird, 
Ich Elage mein Leid mir, und den Buͤſchen, 
in: die ich. mich alle Abende verliere, fobald es 
ſechs gefhlagen hat. Noch habe ich hier zwar 

keinen fo ——— Garten geſunden ‚als uns 
H jere 


| 


114 EEE 





£ 


fere Eleine wilde "Snfel war, wo der Geift 
der Mufen unter der alten Linde, unter den 
Weiden am Waffer, und überall fo gern her⸗ 
bergte; wo Sie, mein liebſter Freund, mid) 
zuweilen flörfen,, wenn ich allein ſeyn wollte, 
weil Sie mußten, daß ich nicht deßwegen als 
lein war, um nicht bey Ihnen zw ſeyn; wo 
die Narren nur felten binfommen, wo wir die 
ganze Gegend durch, Geſpraͤthe der Freunds 
ſchaft und der Liebe Beiligten. Alles dieſes iſt 
für mich aus. Die einſamen Gegenden, die ich 
hier durchſtreiche, weil ich noch kein bequemes 
Linſiedleriſches Gartenhaus habe finden koͤnnen, 
ſcheinen ſolcher Klagen, ale ich zu fuͤhren Luſt 
habe, noch gar nicht gewohnt zu ſeyn. Allein, 
ich will ſie noch dazu gewoͤhnren, und wenn 
ein Poet oder Freund nach mir dieſe Gegen⸗ 
den mit ſeinen Klagen beſucht; ſo ſoll ihm 
das Echo ſchon viel zaͤrtlicher antworten, als 
ed mir antwortet. Vor dem einen Thore habe 
ich es fon verſucht. Ich finde dort einen 
fehr fehönen poetifhen Garten, mit Snfeln, 
ziemlich natürlichen Einſiedeleyen, kleinen Ges 
hoͤlzen, Nachtigallen und Lauben. Allein ich 
Bin immer in Gefahr, vom einer Gefelfchaft 
gefroͤrt zu werden, die nicht poetiſch if. Ich 
‘Habe es alſo auch vor einem andern Thore 
veriucht,, und hier ein ſehr ſchoͤnes, wohlein⸗ 
gerichtetes Caffeehaus gefunden, das ziemlich 
ae a hau a 


x 





ATI 


; Keil ig. befucht wird, aber dabey einen Garten 
hat, in welchem man zuweilen fo olücklich iſt, 
allein zu ſeyn. Hart hinter demſelben liegt 
ein kleines Holz voll Nachtigallen, das aber 
mandmal durch das Jauchzen betrunfner Sol— 
daten auf wine ſchaͤndliche Weiſe entweiht 
wird. Doch neben diefem Gehoͤlze if, auf 
der andern Seite des Waflers, ein angenehs 
mer Spaziergang hinter lauter Bauer ; Gärten 
and Häufern, den wegen des nahen Wälds 
Mens niemand. befuht, und den ic) eben des⸗ 
wegen beſuche! Heute hoffe ich dort an einem 
abgelegenen Orte eine Bauerhuͤtte und viels 
leicht eine. Laube anzutreffen, „wo. ich meine 
einfiedlerifhe Reſiden; aufſchlagen kann. Ich 
habe die Einſamkeit niemals mehr geliebt, als 
iezt, und dieß if das erſtemal in meinem Le— 
ben, daß ich einen Spaziergang, oder einen 
Garten ſuche, um dafelbjt ungehindert ſchwer⸗ 
muͤthig zu ſeyn. Ah, mein liebfler Freund, 
das habe ih niemals gedacht, daß ih Sie 
und unſre andern Freunde, fo fehr lieb bätte, 

ungeachtet: ib immer gewußt babe, daß Sie 
 Asaefame" dasieniae find, was ich “auf Dee 
Welt am meiften liebe. Gruͤſſen Sie fie alle, 
„wenn. ih, nicht. an fie ſchreibe, und eringern 
"Ei auch unter unſerer ehrwuͤrdigen Linde auf 
‚der Salel, Die Nachtigal und den. ganzen 


Da Trölie 


— — 


ris — — 


froͤlichen Himmel zuweilen an Ihren alten 
Freund. Wie ſehr bin ich | 


der Ihrige 


Giefete. 





f en er.» 
— — — — ⸗ 
7 Pr 


— 


An Herrn von IRRE: 


RR etr, 
| Gnädiger Herr General, 


N 


Ds ich fo glüdlic) gemefen bin zum Bes ' 
fien Dero Herrn Sohns , wie, Er. ‚rühmet ,. etz 
was. gethan zu babenn; jo muß. ic) ingleich Ew. 

40 Excellenʒ 


Dieſer und die zween folgende Briefe 
ſind aͤchte Abſchriften einiger noch 
ungedruckten Originalbriefe von 
Gellert. 





Excellenz aufrichtig befennen , daß Er mir 
diefe Pflicht fehr leicht, ia daß Er mir fie 
zum Vergnuͤgen gemacht hat. Sch mag auf 
feinen. Verftand oder fein gutes Herz, auf 
feine groffe Fähigkeit und Kenntniß der Wiffens 
ſchaften, oder auf feine Wißbegierde und feis 
‚nen täglich wachfenden Fleiß ſehen; fo ift Er 
einer der beften iungen Cavaliere, die fich ie⸗ 
mals meines Unterrichts bedienet haben; und 
ich verfpredde mir und der Welt aufferordents 
lich viel Gutes und Groffes von ihm. Gott 
laffe durch die glückliche Erziehung, die Ew. 
Excellenz diefem hoffnungsvollen Sohne ges 
geben haben , nnd noch geben, alle Dero väs 
terliche Abſichten und Wuͤnſche erfüllt werden, 
und ihn aus einem guten Sünglinge zu einem 
der beftien und tugendhafteftien Männer aufs 
wahfen' Er felbft, diefer theure Sohn, den 
id) wegen feines frommen und edlen Herzeng 
väterlich liebe, ift geftern gluͤcklich wieder ben 
ung angefommen, und hat mir durch die Ueber— 
bringung Dero gnädigen Zuſchriſt an mid, 
feine Ankunft noch erfreulicher gemacht. Für 
dieſes fhriftliche und unverdiente Zeichen Dero 
Gnade danke ich heute Ew. Excellenz ehrer⸗ 
bietigft, und erſuche Diefelben zugleich gehors 
ſamſt, Dero Herrn Sohn, wenn es möglich 
iſt, unſerer Akademie und mir, noch Eünftigen 

23 Som⸗ 


318 — — 


Sommer zu uͤberlaſſen; der ich mit vollkommen⸗ 
tier BereBum zeitlebens verharre, 


Ruer 2 Hochwolgebornen Erelenz 


unteethäniger Diener, 
Gellert. 


— — 


An Frau von R***®, 


Hochwohlgeborne 
und gnaͤdige Frau, | 


©, viel ich fehe und von andern höre, fo 
lebt der Herr Sohn nach) feiner Zuruͤckkunft 
eingezogner, als vorher; und es ſey nun, weil 
ichs wuͤnſche, oder weil ich ihm gewogen bin, 
oder weil er es verfpricht: fo’ hoffe ic doch 
mit vieler Zuverfiht, daß er auf die aute 
Bahn, die er in Halle fo rühmlich betreten 
bat, wieder zurückfehren, und fi und Leipzig 
Ehre machen wird. Ich beareife fehr leicht, 
wie er hier auf Abwege hat gerathen Fonnen. 
In Ha lle war er in guter Geſellſchaſt, an der 

Seite 


gem REDE mE 119 

Seite der Grafen von der & * * die man mir 
fehr lobt, an der Hand eines wackern Hof 
meiſters. Er durfte den Umgang nicht ſuchen; 
er hatte ihn. Er durfte die Beyſpiele nicht 
wählen, er ſahe fi. Seine Stunden waren 
eingerichtet, und fein Fleis war auf gewiſſe 
MWeife natürlih , und fein guter Charakter 
aufler Gefahr. Er Fam Bieher, er follte Ges 
ſellſchaften waͤhlen, Freunde ſuchen, feine 
Studien ſelbſt einrichten, ſich ſelbſt fuͤh⸗ 
ven; und vo wie viel gehoͤret auch bey dem 
beften Willen dazu! : Der Langenweile auf 
der Stube zu entfliehen, wagt mean fi uns 
vorfihtig in Gefelfchaften, und Feine find 
vielleicht gefährlicher , als die auf Akademien, 
wo die wenigften denken, weil fie nicht mögen, 
and die meiſten ſchlecht denken, weil fie ih— 
ren Neigungen gemäß denken. Man ergreift 
lieber die Laft des Spiels , als daß man die 
Arbeit, muͤſſig zu gehn, unbeſchaͤftigt zu feyn, 
ertragen folte, Mit einem Worte, anädige 
Frau, ich babe die befien iungen Herzen, die 
forgfältig erzogen waren, oft in kurzer Zeit vers 
derben fehen, fo bald fie Feinen Fuͤhrer, als 
ſich ſelbſt hatten. Sie ſind es gewohnt, ge⸗ 
leitet zu werden, ſie denken alſo zu wenig an 
ſich. Sie haben Vertrauen zu ſich ſelbſt, weil ſie 
noch wenig Gelegenheit zu Vergehungen gehabt. 
Sie wollen gefallen, und fie wagen ſich in uns 
tg glücklis 


329 re | 
glückliche Geſellſchaften, welche die Miene der 
böfen Sitten nıcht haben, und doch boͤſe find. 
Die Mühe zu fludiren wird ihnen ohne Ges 
führten, ohne Huͤlſe, ohne Ermunterung , obs 
ne Nadeifrrung zu ſchwer. Sie hängen den 
Mergnügungen nad), um nicht verdrießlich zu 
ſeyn, und verirren fib an einem Drt, den 
fie nicht Fennen „ fo ficher: fie an dem giengen, 
‚der ihnen befannt war, Ich alaube, es würde 
für den Herrn. Sohn fehr vortheilhaft gewefen 
ſeyn, wenn er in den guten Händen in Halle 
geblieben, oder doc nicht ohne Auffeher nad) 
Leipzig gefommen wäre. So gut Leipzig iſt: 
ſo iſt es doch für einen iungen Capvalier aus 
hundert Urſachen ſehr gefaͤhrlich. Ich würde 
doctren, wenn ich mehr ſagen wollte, und id) 
denfe, ich habe ſchon docirt, Dergeben Sie 
mir einen Fehler, anädige Frau, der unfrer 
Lebensart fo eigen ift , den ich aus Liebe für 
den Herrn Sohn, um ihn nad) meinem Ges 
wiffen wenigſtens von einer Geite ber zu ent 
fhuldigen , begangen habe. Sch hoffe, er wird 
ſich wieder zuredie finden (um eg noch einmal . 
zu fagen) nnd das Verdienſt wird fein, oder 
doch die Frucht der ‚Borftellung feiner mit 
Ruhm firengen und forgfältigen Mutter fenn. 
Denn, anädige Kran, was fann id) anders 
thun , ale daß ich ihn woͤchentlich beſuche, ibn. 
Akte mich wöchentlich auch einmal zu befus 
en 


Gm nn 121 





chen, daß ich ihn frage, mit ihm rede, ihm 

glaube, wenn er ia, oder nein ſagt, ihm Ver— 

trauen zu mir zu erwecken ſuche, Herrn St** 

frage, wie der iunge Herr ſtudiret, lebet, Herrn 

St * glaube, wenn er ia, oder nein fagt ? — 

dieß ift es alles, was ich thun kann; und dieß, 

wenn der Herr Sohn nicht das bifte thut, 

wird wenig ausgerichtet heiſſen. Es ini ſchwer, 

ſich von einem falfchen Wege gleich) auf den gu— 

ten zu finden , fehmwer fib von gewiſſen Geſell⸗ 

falten auf einmal los zu reiſſen. Dod bin; 

nen bier und Ditern muf fi alles entwickeln. 

Wird er nämlıch binnen dieſer Zeit nicht fo, 

wie Sie wuͤnſchen und befehlen : fo ift er nichts 

laͤnger in Leipzig nöß. Und der einzige Vers 
ſuch, den Sie noch mit ihm anftellen können, 

wann er ia fiudiren fol, ift , ibn auf eine an; 

dere Akademie zu thun und ihm einen Mann 
‚an die Seite zu geben, der nicht alleın fein 
Freund, fondern aud) mit dem Anfehn eines 

Führers bekleidet if. Geſaͤllt Ihnen dieſer 

Weg nicht; ſo iſt es tauſendmal beſſer, daß 

Sie ihn einen Soldaten werden, als einen 

unordentlichen Studenten bleiben laſſen. Ge 

nug, ich werde Ihnen alles, mas ich erfahre, 

freulich melden, und ib made dem iungen 

Herrn aus diefer Pflicht Fein Geheimnif. Aber 
wie froh, wie alücklich werde ih feyn, wenn 
id) einer fo würdigen Mutter ſtets vie befte 
25 Nach⸗ 


122 EEE 





Nachricht von Ihrem Sohne geben Fantı. Ahr 
lezter Brief, anädige Frau, ift voll von herois 
ſchen Entfchlieffungen , die felten in das Herz 
der Mutter Fommen. — Achthundert Thaler 
find genug für einen ordentlichen inngen Herrn. 
MWird- er recht fleifig , recht lobenswürdig ; fo 
werde ich für ihn bitten, wenn ich glaube, daß 
er das neunte hundert, daß Sie im Nothfalle 
bewilligen werden, nöthig ha. — Welcher 
lange, und dod) nicht viel fagender Brief! Wie 


wahr ift eg, was id) im Voltaͤre, oder wo, ges. 


lefen habe. Wann ich mehr Zeit gehabt hätte: 

fo würde mein Brief Eürzer geworden feyn. 

Vergeben Sie es meiner guten Abfiht, und 

würdigen Sie mid) Ihres Vertrauens, und 
Ihrer Gnade ferner. 


Ich verharre mit der MONROE Hoch⸗ 


achtung, 
Ew. Sochwoblgebornen Gnaden 


gehorſamſter Diener 
Ben 








m . ea I 


— 


An eben dieſe. 
Zochwohlgeborne Stau, 


Gnadige Frau, 


Einen iungen Herrn, mit dem der Herr Sohn 
einen Hofmeifter gemeinfchaftlich haben Eünnte, 
weiß ich zur Zeit nicht, und die Sache bat 
auch ihre groffen Schwierigfeiten. Der Herr 
Sohn ift es ſchon gewohnt, fi ſelbſt zu ſuͤh— 
ren, und wird er ſich alſo fo leicht durch einen 
Hofmeifter einſchraͤnken laſſen, wenn dieſer nicht 
viel Klugheit, Erfahrung und Anſehen befiget? 
Solche Hofmeifter find ſchwer zu haben. Leute, 
die etwas gelernet , viel gelernet haben, dieſe 
kenne ich wohl ; aber ſolche, die bey der Ge 
Ichrfamfeit auch Lebensart, Verſtand und ein 
gutes Herz befigen, folder Fenne ich nicht viele, 
und die id) Fenne, find verſorgt. Indeſſen ha⸗ 
be ich mit dem Herrn Sohne gefprochen und 
er ferne geneigt, an Herrn St** feine Stelle 
einen andern Gefährten auf Oſtern anzunehmen. 
Der einzige, den ich mit Gewiffen vorfhlagen 
Fann, weil ich ihn feit acht Fahren kenne, heißt 
H** Ich will Ihnen, gnädige Frau, ein 
Feines Bild von ihm machen. Sein Herz iſt 
gut. Er hat Verſtand. Er weiß fehr viel, 

| a namlich 


—⸗ 


124 | RETTET 


— 





nämlich die Rechte, Mathematik, Sprachen, 
infonderheit Franzoͤſiſch. Er iſt ein guter Mus 
fifus , fein ſchlechter Poet. Seine Miene ift 
etwas hypochondriſch und fein Körper nicht fo 
gut formiret, als ichs bey. einem Hofmeiſter 
wünfche. Er hat etwas ſchuͤchternes an fid), 
und in der That ift ers nicht. Er bat fiers 
ordentlich und mit wenigem gelebt, iungen 
Herren zeither Leftion im Franzoͤſiſchen, in 
der Mufif und dergleichen geaeben , und ſich 
dadurch feinen Unterhalt erworben, Wenn er 
alfo.zu dem Herrn Sohne, als Kompagnion 
oder Hofmeifter ziehen follte, wozu er nicht un: 
geneigt zu ſeyn ſcheint: jo Fann er es nicht ans 
ders thun , als gegen die DVergüfung Deffen, 
was er verlieret, wenn er feine Stunden auf; 


giebt , welches ungefähr nach feiner Rechnung 


zweyhundert Thaler beträgt. Mit einem Wor— 
te, gnädige Frau, fuͤr zweyhundert Reichstha— 
ler wird er alles tbun, mas einem Hofmeifter 
zufömmt , wenn er auch nicht Hofmeifter beif 
fen fol, Wenn er diefes Salarium befümmt: 
fo verlanget er feinen Tiſch. Um einen leid): 
tern Preiß weiß ich Feine Seele. Herr H** 
iR ungefähr drenfig Fahre, aber noch nie Hof 
meifter in Form gewefen. Herr St*” fcheint 
aud) geneigt , fi) su verändern. Der Herr 
Sohn, fo viel id weiß, lebt ordentlich ; denn 
fo lange ich feine Einrichtung , feine Geſell— 


ſchaft 


— 125 


fchaft, feinen Kompagnion, nicht genauer ken— 
ne, muß ich allezeit ſagen, ſo viel ich weiß. 
Wie gluͤcklich wollte ich mich ſchaͤtzen, wenn 
ich durch meine Sorgfalt etwas zu feinem Bes 
fen beytragen Eönnte ! Ich wünfhe es und 
verharre mit der vollfommenften Hochadytung 


Ew. Sochwohlgebornen Gnsden 


gehorfanifter Diener 
G DE; 





An den Stafen Mon B*. 
| Kiebfter Graf, Ei | | 


Der erfie ‚Brief, den id Ihnen nad Paris 
ſchreibe, fol Eur; , fol nichts, als der Wunſch 
ſeyn, daß es Ihnen woh! gehen mag. Doch 
wohl gehen, das iſt für mein Herz zu wenig 
gewuͤnſchet. Nein, es muͤſſe Ihnen fo wohl 
geben, als es dem beiten Herzen auf Erden 
gehen kann. Es müfle Ihnen Feine von den 
Freuden fehlen, die der Hof nicht Fennt, Die 
ET der 





126 


‚der Meile, in ſich ſucht, und: in. der firengen 
Herrſchaft über ſich felb allein findet. a, 
mein liebſter Graf, ein folcher Wunſch if der 
wuͤrdigſte und größte, deu ich für Sie weiß; 
und wenn Ihr Herz Sreude für Sie hat, ſo 
werden tauſend Dinge für Sie Anmuth wers 
Den, die Andern gleichgültig find, und hun— 
dert Beſchwerlichkeiten Ihnen klein werden, 
die Andern unertränliche Laſten find, Gott ges 
be Ihnen, unter den Reizungen und DVerfus 
ungen des’ Hof, Muth und Stärke, die 
wahre Hoheit der Seele zu behaupten! Und 


Feine Stimme der Frengeifteren, Fein anges 


‚fehner Wiß , feine falſche Ruhmbegierde made 
Sie einen Augenblick in der Weisheit der Res 
ligion ungewiß! Beſter Graf, wer uns diefe 
nimmt, der nimme und Wahrheit und Gott, 
und mit beiden alles. Ich weiß, wie geſaͤhr⸗ 
lic) der Ort iſt, in dem Sie leben, und ich 
muͤßte Sie nicht lieben, ich müßte Fein ge⸗ 
wiſſenhafter Mann fepn, wenn id) Sie nicht 
‚sur, Behutiamkeit ermuntern mollte ; fo ſehr 
id Auch weiß, daß Sie ohne mich ales und 
‚mehr thun werden, ale ‘ic irgend“ "einem 
uͤnglinge von Ihren Jahren zutrauen kann; 
denn in meinen Augen find Sie kein Juͤng⸗ 
ling, oder doch nur das Beyſpiel der befien 
endend, 


Und 


 ROETECTEZERRER | | 327 


Und nun, thenerfier Graf, will id Sie 
fragen, wie es Ihnen in Paris gefällt, womit 
Sie fi) vergnügen, womit Sie fih beſchaͤf⸗ 
tigen? Sie lefen doch über Ihre gewöhnlis 
‚ben Gefchäfte fleifie? Fa wohl — — — 


Auſ dieſen kleinen Brief fol Eünftige Wode 


‚ein deſto gröfferer folgen. Diefes verfpreche 
id) ihnen, oder: vielmehr mir — und bin 
der ac ) 


_ 


Di 











Chenerfter Serr Doktor, 


Wonit verdiene ich doch alle die Liebe, die 
Sie fuͤr mich eben ; die brüderliche Liebe, die 
Eie mir in: Ihrem lezten Briefe mit einer 
Beredfamfeit erklären yu.deren nur. wenig Her⸗ 
jen fähig find; eine Liebe, die ich nicht aufs 
richtiger, edler und frömmer denken und wüns 
chen kann ? Doch muß man denn ein Ge 
ſchenk verdienen, um es annehmen und ſich 
ſeiner erfſreuen zu koͤnnen? Genug, daß ich 
den ganzen Werth Ihrer Freundſchaſt und 
Liebe empfinde, ſchaͤtze und durch Gegenliebe 
und — uͤber Ihre Guͤte, zu verdie⸗ 
nen > 


128 nnd 


nen berzlih wuͤnſche. Dieſes, thenerfter 
Freund, kann ich mit Wahrheit von mir fas 
gen, und möchte ichs Ahnen doch in diefem 
Augenblide durd Umarmungen und Thränen 
der —** perſoͤnlich ſagen koͤnnen! Sch 
habe Sie alſo, nach Ihrem gürigen Geſtaͤnd⸗ 
niſſe, durch meinen lezten Prief nicht wenig 
beruhiget und. getröftet? D dafür ſey Gott 
gedanfet, der mir diefen Sinn gegeben, und 
meine Worte gefeegnet hat! Er erhalte Sie 
ferner bey Ihrem getroften Muthe, und gebe 
Ihnen die Ruhe und Zufriedenheit einer Sees 
le, vie ihm vertraut, in allen Faͤllen Ihres 
Lebens. Er bealüde Sie mit allen den hs 
rigen in einem langen Leben, und feegne bs 
re eifrigen Bemühungen für die Erhaltung 
und Wohlfareh der Menden! — Die 
Cremplare Ihrer gelehreen Schriſt habe ich 
einem geichickten Medifo gegeben „ und fie 
durd ihn ven Männern überreichen laſſen, 
für) die fie beftimme waren. Billigen fie Ihr 
neues Syſtem nicht ganz (uud welche neue 

dethode findet ſogleich einen allgemeinen Bey 
fall?) fo ſchaͤtzen ſie doch die Verdienſte des 
Erfinders. Leben Sie wohl, beſter Mann; 
denn id) habe Ihnen nun fo viel geſagt, 
als ein kranker Sreund, dem bey dem bi 
fien Willen doch das Schreiben fauer wird, 
feinen Freunde auf einmal fagen - Fann. 
— Gruͤſſen 


EEE 129 





Gruͤſſen Sie. Ihre thenerfte Frau und lieben 

Kinder herzlichſt von mir, und fdenfen Sie 
mir. ferner. Ihre Liebe und Ihr Gebet, den 

| Segen chriftlicher. greunbfal Ich ‚bin ſo 
lange ich lebe Un nn 





An den Herrn Profeſſor Gellert, 
—— —— Sreumd 4 


J⸗ habe keipzig berlaffen. len ob 
Eie zu fehen ; ohne von. Ihnen Abſchied neh⸗ 
men zu koͤnnen; ohne Ihnen dep unſenn 
leisten Umarmungen wenigſtens durch Thraͤnen 
ſagen zu koͤnnen, wie ſehr ich Sie liehe. Ich 
bin von Ihnen getrennt, und ſoll die groſ⸗ 
ſen Vorzuͤge Ihres Geiſtes, und die noch 
groͤſſern Vorzuͤge Ihres Herzens kuͤnftig nur 
aus der Ferne verehren. O wenn ich Ihnen 
ſchreiben koͤnnkewie empfindlich mir dieſes 


* rin: wie br ich Sie hochchate · 


td 33 ir 





130 


Ich bin anf dem ande bey meinen Nels 
tern, und wenn ich an den Plan vom Landle⸗ 
ben denke, den mir einmal zuſammen machten, 
fo ſeuſze ich ſo ſehr, daß man mir Schuld 
giebt, ich hätte eine Geliebte in Leipzig zus 
rüctgelaffen. Aber aisdann fange id) an von 
Ihnen zu reden, und da bin ich fo uners 
ſchoͤpflich, daß fogar die Bedienten , die bey 
der Zafel aufwarten, untereinander fprechen, 
fie möchten dody den Mann gern Fennen, von 
dem der iunge Herr ſoviel fage, und bey deſ— 
fen Erinnerung, ihm immer ii Eh in die 
Augen kaͤmen. 


Ich bin zeither durch Reifen nad) Anſpach 
ſo zerſtrenet worden, daß ich kaum Zeit zum 
Denken gehabt; ſonſt haͤtte ich Ihnen ſchon 
eher gefchrieden. Keine ‚gereimte Zeile, ſeit 
ich Leipzig verlaſſen habe. 3 Y 


Es haͤngt die früh" betwiffne —* it 
An ſchwachen Aeſten Blaffer Cypreſſen 
Benetzt von ſtillen zaͤrtlichen Thraͤnen 

Ertoͤnen die ſchlummernden Saiten | 
ori — — — udn 


RER fhiche ghnen meinen. Seinio, sub; eis 
nige-andere‘ Kleinigkeiten. Vertreten Sie auch 
noch entfernt das Amt meines Lehrers, und 
| Ipgen Sie mir die po“ diefer Stuͤcke, —* 4 

es: 





fie nicht zu viel Fehler Haben , als daß fie fi) 
verbeſſern lieffen. Auf dieſen Fall aber ſchicken 


Sie mir ſie wieder, und ich verſpreche Ihnen, 


ſie augenblicklich zu verbrennen. Ich ſetze noch 
immer „mein Vertrauen auf Sie, und hoffe, 
Sie ſollen mich nicht ganz vergeſſen. Viele 
leicht verdiene ich Ihre Freundſchaft ſonſt durch 
Feine gute Eigenſchaft; aber mein Herz iſt fo 
vol von Zaͤrtlichkeit und Dankbarkeit gegen 
Sie, ‚daß id) doc) dadurch einen Platz in Ih⸗ 
rem Andenken verdier 


 Empfehl Sie mich dem Herrn Grafen 
von Bruͤhl, Ihrem Herrn Bruder, und dem 
ſchalkhaſteſten und liebenswuͤrdigſten aller Steuer⸗ 
reviſor. Ich weiß, daß Sie nicht gern Briefe 
febreiben, und ich mill nicht fo unbeſcheiden eyn, 
/ auf leiffige Antworten zu dringen. Erlauben 
Eie mir nur "bisweilen, Ahnen zu ſchreiben. 
erben Se Rn Ich bin jeitlebens 


m | 


‘ 
wi, 


- aufrichtigfter Freund 
und Verehrer 


pon Eronegt, 





J 2 Mein 


Mein mh, r "Heft Buben, w de 


DO ih bleich an Inge ——— einen SEHR 
pefchrieben habe, worinnen ib Sie um Ver⸗ 
zeihung meines "langen ' Stillſchweigens bat: 
fo muß ich doch meine Abbitte tiederholen. 

Ich mag mid) nicht rechtfertigen Ihr Tester 
Brief: war fo zärtlich), ſo vol Freundfchaft, 
daß ich ganz aufferorventlich "davon bin ges 
rührt worden ; aber, od Sie mich, gleich mie 
bittern. Vorwuͤrfen verſchonen wollten, ſo war 
er doch) fo zornig, fo. zoͤrnig, daß Sie mich 
recht erſchreckt haben. Nein, mein liebſter 
Rabener, wir wollen ung nicht einander. fremd 
werden. . Das ift weit von mir entſernt, daß 
ich einem einzigen meiner ‚Sreunde, ‚fremd, wer⸗ 


den ſollte. Viele von meinen Freuuden wer⸗ 


den ed gegen mich; denn es giebt einige , 
von denen id, weil ich bier bin, auch 
nicht eine einzige Sylbe gefehen babe. Aber. 
ich, vergeſſe gewiß keinen einzigen, und ich 
erinnere. mich meiner ehemaligen glücklichen 
Zeiten um fo viel empfindlicher, ie weniger 
mir es noch möglich geweſen ift, bier einen 
Freund, mit dem ich vertraulich umgeben 
Fönne , ausfindig zu machen. Denn Klopſto⸗ 
| | den - 

PR — 


— 





133 


cken kann ich wenig genieſſen, weil ihn bis⸗ 


her ſeine Umſtaͤnde verhindert haben, in der 
Stadt zu wohnen; zwiſchen denen, die hoͤ—⸗ 
ber find, als ich bin, und mir bleibe, fo 
lieb fie mid) auch haben, doch allezeit cine 
gewiſſe Entfernung, die mich hindert, fo 
vergnuͤgt dur ihre Sreundfchaft zu werden, 
als man ſeyn würde, wenn fie uns dem 
Stande nad) näher wären. And ich follte 
meinen Rabener vergeffen Fünnen , und ihm 
fremd werden? Wie zärtlich und wie goruig 
it Ihre Bitte, Daß wir es fo lange vermeis 
den wollen, als wir fünnen! Alſo wird es 
wol auf ewig vermieden werden; denn id) 
will gerne fleifig (reiben. Und Sie werden 
mir kuͤnſtig, und zwar bald, gewiß etwag 
von Ihren Umſtaͤnden melden; denn ich neh⸗ 
me den groͤßten Antheil an dem, was Sie 
angeht. Alſo ſeyn Sie ferner mein lieber 
Rabener, und ſchreiben Sie mir bald, daß 
Sie mir mein langes Stillſchweigen ganz vers 
geben haben, ſo vergeben, als wenn ich ſehr 
oft an Sie geſchrieben hätte, weil ich mic) 
gewiß beſſern werde. Aber ich ſetze dieſes 
ganz furchtſam hinzu, Sie muͤſſen auch nicht 
do. kurz ſchreiben, als Sie immer gethan 
DONE a a ah anni 
Erhalten Sie Ihrem Sramer ihre Freund 

J3 ſchaft 


334 — 





ſchaft und Liebe. Ich werde Sie ewig 


Ihr 


Cramer. 


An Herren Cramer. 
D enten Cie etwa, mein Herr, daß ich iezt 
auf Ihren Brief vom raten Jänner antwors 
ten wolle? Denken Sie das nur nice. 
Mir find beyde nicht gewohnt, uns ſo zu 
uͤbereilen. Auf den ı2ten Jänner 1755. iſt 
es immer noc Zeit genug; da bleiben wir 
fein bey unferer alten Ordnung. Nicht wahr, 
lieber Freund, alſo antworte ih Ihnen 
nicht: Aber zaufen will ich mich mit Ihnen. 
En? Ya, ia, im ganzen Ernfte! Nehmen 
Ste nur Ihre Müge ab ; denn ih will Gie 
erbärmlich ausſchelten Ein ſo wichtiges Amt 
zu befommen, und mir nicht ein Wort davon 
zu melden ! Ganz von ungefähr habe ich es 
| in 





235 


in Leipzig erfahren. Iſt das erlaubt 2; 8 
Air die Nachlaͤſſ ist | a 


Den Augenblick ſehen Sie Sid bin 
und ſchreiben mir alles, wie es mit Ihrer 
Veraͤnderung zugegangen iſt? Wie Sie Eich 
befinden? wie Sie Sich befinden wollen? 
Alles ſchreiben Sie mir, und alsdenn will ich 
Ihnen auf zween Briefe recht weitlaͤuftig 
antworten. ⸗Was machen Sie mir fuͤr 
eine trotzige Miene? Im Ernſte? wollen 
Sie nicht ſchreiben? et⸗ EN ‚Sie mir 
niche ! i 


Rabener. 





Wie heſcheiden find Sie, mein liebſter Gel⸗ 
lert, daß Sie meinen Beyfall als einen Theil 
der Belohnung für Ihre frommen Gedichte 
anſehen wollen. Sie haben ihn ganz, dieſen 
Beyfall, den Ihnen Feiner von Ihren Leſern 
verſagen wird, welcher nicht ſo ungluͤcklich 
iſt, ein Feind von Religion und Witze zu 
5 Bisher babe ich Sie, als meinen bes 
J 4 ſten 


136 





ſten Freund, aufrichtig und zaͤrtlich geliebt; 
ich babe nicht geglaubt, daß meine Achtung 
für Sie noch höher fleigen Fönnte, als fie 
war: aber ſie iſt in der That noch um einen - 
NERVEN amd: hoͤher aa 


Liebenowůrdig f nd Sie mir ya 003 
weſen, aber nun Mind Sie mir auch ehrwuͤr⸗ 
dig. Ich nehme diefes' Wort in feinem: weis 
ten und prächtigen Umfange, den es hatte, 
ehe man ed noch an viele Thoren verſchwen⸗ 
dete , die keine Vorzuge vor dem m. ha⸗ 
ben, als die Kleidung. 


Sie duͤrſen keinen Augenblick zweifeln, 
daß Sie mit dieſen Ihren frommen Gedichten 
erbauen werden. Die Erbauung wird doppelt 
ſeyn, da die Welt Eie bereits auf einer fo 
vortheilhafften Seite kennt. Durch Ihren 
Witz haben Sie die gerechten Vorurtheile des 
Publikums gewonnen , welches nichts anders, 
ale etwas lehrreiches, tugendhaftes und. volls 
fommenes erwarten, fobald es Ihren Namen 
erblickt. Wie vortbeilhaft wird nunmehro dies 
ſes Zutrauen der Welt für unfere heilige Res 
ligion ſeyn! Ihre Fabeln und Lehraedichte has 
ben die Leſer zu den erhabenen Gedanken vor— 
bereitet, die ſie nunmehr in Ihren geiſtlichen 
Liedern ſinden. Verehrer der Religion werden 

mit 


mit diefen Gedichten: den: Leichtſinn dererienis 
gen beſchaͤmen, melde glaubten, daß der Wig 
nur zu einer. eitlen Belnfligung gut fey. Und 
dieſe Leichtſinnigen muͤſſen die Keligion lieb 
gewinnen ,; da fie ihnen in einer ſo angeneh— 
men und reizenden Kleidung vorgeflellt wird, 


Sp. glüdlidy find. die Folgen , mein reds 
licher Gellert, bey denen, die Ihre Schriften 
leſen, ohne Sie genauer zu Fennen ; mas wer— 
den fie nicht erfi ben Denenienigen würfen , Die 
Ihr gutes Herz Fennen? Diefen find Shre 
Mahrbeiten doppelt überzeugend, da fie wiffen, 
aus was für einer reinen Duelle, aus was für 
einem guten. Herzen alle diefe Wahrheiten herz 
flieffen. Ich habe es Ihnen fo oft geftanden, 
daf mir Ihr rechtſchaffenes Herz noch ſchaͤtzba⸗ 
rer iſt, als Ihr Witz: und haͤtte ich es Ihuen 
noch niemals geſtanden, ſo wuͤrden Sie mir 
durch Ihre Lieder dieſes Bekenntniß nunmehr 
gewiß entreiſſen. Unmoͤglich haͤtten Sie ſo 
gut und kehrreich ſchreiben koͤnnen, wenn Sie 
nicht diefe heiligen Wahrheiten aus einer ins 
nern Ueberzeugung gefhrieben hätten. Ich 
glaube, ſcharſſichtige Augen entdeden den feins 
fin Heuchler allemal unter der frommen Mas— 
- Fe, hinter welcher er verborgen zu ſeyn wuͤnſcht. 
Voltäre kann ung goldne Sittenfprüdhe pres 
digen, Tugend und Menſchenliebe in feinen 
| J 5 RAN Ders 


138 RENTEN 

Derfen vergoͤttern, und die Religion in tragis 
fhem Pompe aufführen. Er wird gefallen, 
aber niemals wird der DVoltäre erbauen , def 
fen ungöttlicher Leichtſinn, deſſen ſchmutziger 
Witz, deſſen liebloſer Eigennutz uns ſeine Sit⸗ 
tenſpruͤche, feine Reime von Tugend und Mens 
ſchenliebe, und feine Religion verdächtig mas 
chen. Man muß ihn haſſen, fo bald man lief, 
‚wie edel er ſchreibt, und dennoch —* wie nie⸗ 
drig er denkt. 


Wie ernſthaſt haben Sie mich gemacht, 
mein lieber Gellert, und doch empfinde ich 
bey aller dieſer Ernſthaftigkeit eine Art des 
Vergnuͤgens, das ich kaum empfunden habe, 
wenn ich ‚(herzhaft und ſpottend an Sie ſchrieb. 
Weld ein vortrefflicher Freund find Sie! 
Ich fühle iezt den ganzen Werth Ihrer Freunds 
ſchafft. Ihnen darf ih Sachen vorfagen, die 
ih feinem andern. vorfagen würde, da fie zu 
viel Aehnliches von einer Schmeichelen haben. 
Über Sie, guter Gellert, Sie fennen Ihren 
Rabener, der nicht gerne beleidigt, aber noch 
weniger ſchmeichelt. Und wenn ich Ihnen ſa— 
ge, daß Sie meinen Beyſall haben, daß Sie 
die Welt gewiß erbauen werden, und daß 
Sie alle Leſer von Ihrem guten Herzen übers, 
zeugen ; fo fage ich ihnen eine Wahrheit, 
die 36 meine Freundſchaft und mein Ge⸗ 
ſchmack ſchuldig find. 2* 


— 239 


Odb ich Ihre Entfehlieffung, nichts mehr 
zu ſchreiben, billige 2 darüber mil ich mid) 
ietzt noch) nicht erklaͤren: aber, das mıll id) 
ihnen. geftehen, daß ich hoffe, es fey nur ein 
fluͤchtiger Einfall gewefen, wenn Sıe mir mels 
den, daß Sie nunmehr wuͤnſchen, den Reſt 
ihres Lebens auf dem Lande: in einer guten 
Familie zubringen zu koͤnnen. Verlaſſen Sie 
Ihr Amt nie, fo lange Sie noch Kräfte bas 
ben , den Geſchmack und das Her; der us 
gend zu bilden. An Ihrem norhoäritigen Uns 
terbalte< wırd- e8 ihnen niemals fehlen; und 
ſchenkt Sort unferm Vaterlande die Ruhe wies 
der , ſo werden ſich bey der Univerfität' gewiß 
ſolche Umſtaͤnde aͤuſſern, die Ihnen eın bes 
quemer Auskommen verſchaffen. 


Tauſendmal habe ih Schlegeln in Gedans 
- Sen umarmt, daß er Sie bey Ausarbeitung Ih⸗ 
ver Lieder mit feiner Kritif fo freundſchaftlich 
geferfert hat. Wie großmüthig urtheilen Sie 
von dieſen Gefälligfeiten ; aber Sie haben 
aud) gewiß Dabey gewonnen! 


Damit ich meinen Brief mit eben dem 
Veranuͤgen, und der Gemuͤthsruhe frhlieffe, 
mit welder ic ihn angefangen habe; fo will 
ich von unfern biefiaen Umfländen nichts mels 
den. Wann werden wir ung wieder fehen ? 
‚Mann werden wir ung in Ruhe fprechen Eönnen 2 


Leben 


\ 





149 N RE 


Leben Gie wohl, mein witziger, mein 
menſchenfreundlicher, mein. frommer Gellert! 
Ich umarme Sie, und danke Gott, daß er 
mir } Sie zum: Bee. gegeben hat. | 


— — 





Ars find mir, mein lieber Freund, auf 
ewig find wir getrennt ?_ Der geflrige Tag 
wird mir unvergeßlich ſeyn. "Binnen | einer 
Zeit von vier Wochen, verliere ich zween fo _ 
liebe Sreunde. Dieſer Verluſt muß mir dop> 
peit empfindlich ‚fallen, da ich in der Wahl 
meiner Freunde fo ſurchtſam bin, und weit 
mehr Zeit als vier. Wochen brauche, ehe ich 
mich entſchlieſſen kann, nur den erſten Schritt 
zu einer neuen Freundſchaft zu thun. Der Ges 
danke, daß Sie noch leben, daß Sie auch ab; 
weſend mein Freund bleiben, daß diefe Vers 
änderung ders Grund Ihres Fünftigen Glücks 
ſeyn kann; dieſer Gedanfe wird mir vielleicht 
zu einer andern Zeit troͤſtend genug ſeyn; itzo 
iſt er es noch nicht, unſere Trennung iſt noch 
zu neu. Ich hatte mir vorgeſezt, mich dieſen 
ganzen Sommer uͤber unempfindlich zu gewoͤh⸗ 
nen, 


⸗ 





sat 


nen , damit ich im Stande feyn möchte, Ih⸗ 
ren Abfchied auf Michael etwas gleichgultiger 
anzufehen. "Uber, Sie haben meine — 
keit uͤberraſcht, und ich bin die ganze Ruckreiſe 
über fuͤr die Standhaftigkeit, ſo ich bey dem 
lezten Abſchieds-Kuſſe heuchelte, graufam Des 
ſtraft worden. Leben Sie wohl, bleiben Sie 
mein Freund, und lieben Sie mich ſo zaͤrtlich, 
als ih; Sie lieben werde. Owie zufrieden 
hin ich mit mir ſelbſt, daß ich auf den Ei 
fa gekommen bin, Sie am Sonnabende mit 
meinem ungehoften Beſuche in Leipzig gu übers 
ſchleichen. "Werde ich wol in der Belt icmals 
fo gluͤcklich ſeyn, nod) eine dergleichen freunde 
fchaftlihe "Wallfahrt zu Ihnen zu thun ? Ich 
glaube es nicht. Künftig werde id mir ein 
Geſetz darans machen ,. Eeinen Ausländer mehr 
zu meinem Freunde zu waͤhlen. Es iſt ein 
Vergnuͤgen, das und dag Gluͤck nur auf eine 
kurze Zeit leiht. 


Ich wuͤnſche, daß Ihre Reiſe gluͤcklich 
ſeyn möge. Auf die Mittwoche werde ich nicht 
von Ihrem Wagen wegkommen, und Abends 
will ich mid) einſchlieſſen, keinen Menſchen zu 
mir laffen, alle meine Akten wegraͤumen, und 
Ihre Gefunddeit aufs fenerlichfie ganz allein 
trinken; denn hier in diefem elenden Städtchen 

iſt fein Menſch, welcher wüßte, warum ec 
eben Ihre Geſundheit mittrinken ſollte. — 
uarte IE 2 





Bey Ihrer Ankunft in Hamburg vergeffen 
Sie 1a nicht, dem. Herrn von Hagedorn meine 
Ergebenheit aufs: uͤberzeugendſte zu verſichern. 
Es ift mir daran um ſoviel mehr gelegen, da 
ich ;diefes auf gewiffe Maße auch als einen 
Abſchied auf ewig anfehen muß, den ich von- 
diefem Manne, deſſen Verdienſte und Wohls 
thaten ich ſo hoch ſchaͤtze, nunmehr nehme, da 
ich mit Ihnen, —* lieber Freund, zugleich 
alle Gelegenheit verliere, mich in dem Anden⸗ 
ken deſſelben zu erhalten. 


Noch einmal, leben Sie recht wohl! 
Ich ſchreibe dieſen Brief mit vieler Bewegung. 
Warum mußte ich Sie denn ſo ſehr. lieben ? 
Ich herbe als 


Ihr 


redlichſter Freund | 


| IH, | Bey: 


- IIL 


Beyſpiele. 


d 
Ä % 





1 


EREETETRIERT, m 
a ae 345 


— 


Maͤßigung des Zorns. 


Arcytas ‚ein vornehmer Tarentiner, wel⸗ 

cher die Philoſophie in. der Pyothagoriſchen 
Schule gelernet hatte, wurde von einigen feis 
ner Sklaven durd ein grobes Vergehen auf 
gebracht. Um fi durd den Zorn zu: nichte 
 Unanftändiges verleiten zu laffen, gieng Archy— 
tas weg, und fagte feinen Eflaven: ihr feyd 
gluͤcklich, daß ich im Zorn bin, fonft ſolltet 
ihr übel wegfommen. 


— — — —— — —— — 





| Vergebung der Beleidigung. 


Perikles, der maͤchtiaſte und angeſehenſte 
Mann in Athen, der viele Jahre lang den gans 
zen Staat allein regieret hat, wurde einft von 
einem liederliben und aroben Menichen einen 
ganzen Tag durch geſchimpft. Er aber ertrug 
dieſe Beleidigung mit Stillſchweigen, und führs 
te feine Geſchaͤfte vor Gericht aus. Als er 
‚gegen Abend nad) Haufe aieng, verfolgte ihn 
dieſer Menſch und ſtieß allerhand Räfterunnen 
gegen ihn aus: Perikles zen immer ſtille, 
| bis 


146 ——— 





bis er an fein Haus kam, und da befahl er 
einem ſeiner Bedienten, weil es finſter war, 
daß er ein Licht nehmen, und dieſen Menſchen 
nach 2 Sa ſollte. 


—— — — rn — — — — — 


Ehre fuͤr das Alter. > | 


Ar. geſi ttete Voͤlker haben das Gefühl, he⸗— 
habt, daß das Alter Ehrfurcht verdiene; aber 
die Spartaner haben, .. fo wie in manchen ans 
dern Tugenden, alfo auch in diefer, alle Wols 
fer übertroffen. Es trug ſich einft in Athen 
zu, daß ein fehr alter, aber ganz gemeiner 
Mann in die Komödie Fam, da ſchon alle Pläs 
ge befegt waren. Er ſah fi) überall nad) eis 
nem Platz um, ohne daß iemand fo viel Ach⸗ 
tung für ihn bezeugte, ihm Platz zu machen. 
Es befanden fi aber einige Spartaner bey 
dem Schaufpiel, die fi damals als Gefandte 
in Athen. aufhielten. Als der Alte dahin kam, 
wo fie ſaſſen, ſtunden fie, nad) den Sitten ih⸗ 
rer Stadf , ehrerbietig vor ihm auf, und ga— 
ben ihm die befte und oberfie von den Gtellen, 
die ihnen angewiefen waren. Das Volk fah 
dieſes, und gab dur ein allgemeines Haͤnde⸗ 
klatſchen dieſer ſchoͤnen That Beyſall, welches 


einem der Geſandten veranlaſſete zu ſagen: 
| Die 


2 


bie Athenienſer wiſſen, was — iſt, wir 
aber thun es. 


Thorheit der Neider. 


Man fante dem Agis, König in Eparfas 
die von dem andern koͤniglichen Haufe beneis 
deten ibn. So tragen fie, antwortete er, eis 
ne doppelte Laſt. Ihr eigenes Unglücf würde 
ihnen ſchon Sorge genug machen, ist quaͤlet 
ſie auch mein und der Meinigen Gluͤck. Der 
Gutherzige genießt das groͤßte Wergnünen, da 
ihm nicht nur das, was ihm ſelbſt, ſondern 





auch, mas andern Gutes wiederfaͤhrt, Freude 


macht. Auf eine aͤhnliche Art vermehrt des 
Neider feinen Verdruß, 








Großmuth. 


D König Antigonus hörte in feinem Zelte, 
daß zwey Soldaten die drauffen ſtunden, ſedr 
ſchimpflich und boshaft von ihm redeten. Nach⸗ 
dem er ihnen eine Weile zugehoͤrt harte, mach⸗ 
te er das Zelt auf und fagte zu ihnen: Wenn 
ihr fo von mir reden mollt, fo geht wenigs 
ftens auf die Seite, daß ich es nicht höre, 











147. 


/ 


8: Wahr 





248 
Wahrer Ruhm des Reichen. 


Es fägte iemand, zu einem fehr reichen und 
‚angefehenen Manne Man wundere ſich in 
der Stadt, daß er bey feinem groſſen Reich⸗ 
thum als ein gemeiner Mann lebe. Ich thue 
diefes , ſprach er: weil es ruͤhmlich ift, bey 
Ueberfluß mäßig und eingesogen zu ſeyn, und 
alsdenn feinen Lüften nicht nachzuhaͤngen, 
wenn man es am leichteften thun koͤnnte. 








Jugend nöthigt felbft Boͤſewichtern 
Hochachtung ab. 


Die Anführer einer Raͤuberbande wollten den 
groffen Scipio gerne fehen, ver auf feinem 
Landqute war. Seipio rief alle feine Leute 
zufammen, da er diefen Schwarm anfommen 
fahe. Aber iene ſchickten, um den Scipio zu 
berubigen., ihre Begleiter weg, warfen ihre 
Waffen von fi, und: fagten an der Thüre, 
daß fie Feine andere Abfihten hätten, als den 
groſſen Seipio zu feben. Sie murden, hiers 
auf vorgelaſſen, einer gieng nach dem andern 
mit. der Ehrerbietung, Die man beym Eins 
tritt in einen Tempel bezeigt, binein, füßten 


ihm die Hände, je ihm Gefdyenfe, und 
FREIEN | 


[— 149 
kehrten ganz vergnuͤgt wieder nach ihren Haus 
* zuruͤck. | 


ü 


Segen den, der uns belehrt, dankbar 
fen, iſt ſchoͤn. 


Der Ruſſiſche Fürft Menzifoff machte in eis 
nem Feldzuge fehr groffe Fehler. Ein Teutz _ 
fer Dfficier fah fie ein, und gab dem Cat 
Meter dem Erfien Nachricht davon, der dann 
mit feinem Liebling fehr hart verfuhr. Mens 
zifoff erfuhr endlich, nach vieler Mühe, die 
er ſich deßwegen gegeben hatte, feinen Ans 
Fläger , sieng zu ihm und fagte: Sie müffen 
ein rechefchaffener Mann feyn, weil fie lieber 
meinem Zorne fi) ausfegen, als dem Czar 
Nachrichten, an denen ihm viel liegt, vers 
hehlen wollten. Seyen Sie mein Freund, 
unterſtuͤtzen Sie mich mit Ihrer Einfiht, und 
nehmen. ‚Sie bier zweytauſend Dufaten, als 

ein Zeichen meiner Hochachtung an. 


— — — — — 





Uebereinſtimmung der Erkenntniß mit 
dem Wandel. 


| Der redliche Gellert handelte in ſeinen mo— 


raliſchen Vorleſungen einmal von der Pflicht, 
K3 BERN, dem 


356 | 


denn Bedraͤngten in feinen PYebürfniffen zu 
Hülfe zu eilen. Jeder Zuhörer wurde zu 
Fhränen gerührt. Denn wem war es leichter, 
das Herze zu rühren, als einem Gellert, der 
fo unmittelbar mit dem Herzen zu reden wußs 
fe? Einer von feinen Zuhörern gerierhb auf 
den Gedanken, Gellerten auf die. Probe zu 
fielen , ob wirklich fein Herz mit feinem Bors 
trag übereinfomme ? Er gieng in einem elens 
den und zerriflenen Kleide zu ihm. Was vers 
langen Eie, heber Freund? Mein Kieid, fagte 
der Juͤngling, entdeckt Ahnen ſchon, daß ich 
arm bin; und beynahe möchte ich fagen , daß 
Diefer armfeelige Anzug für meine Lage noch 
zu gut if. Dem ohngeachtet bin ich niemals 
einem Menſchen zur Laſt gefallen. Einige we 
nige Zuflüffe nebft dem , mas id) mit Abfchreis 
ben verdiene, ernähren mich Fümmerlid. Aber 
isst — Herr Profeflor !- Sie fehen mic in 
der dringendfien North. Ich bin gezwungen, 
heute noch eine Summe zu bezahlen , die mir, 
fo mäßıg fie auch iſt, doch unmöglich wird zus 
fanmen zu bringen. Ich habe feinen Freund, 
feinen Menſchen, deffen Hülfe ich anflehen 
kann — Ich wage ed, mid) an Gie zu wens 
den — Wie viel gebrauden Sie denn, mein 
lieber Freund ? — zehn Thaler, Herr Pros 
ſeſſor! und in vier Wochen bin ich gewiß im 
Stande , fie wieder zu bezahlen — zehen ua 

4% 


ler, Gott weiß es, find ohngefähr mein ganz 
zes Vermoͤgen, erwiederte ihm Sellert. Allein 
ich will Ihnen Helfen. Er fuchte wirklid) das 
Geld zufammen , und gab es dem Juͤngling. 
Leben Sie wohl, lieber Freund, fagte er, in 
vier Wohlen erwarte id Sie. Der Monat 
war Faum verfloffen , als der iunge Menfch 
Gellerten das Geld wieder brachte. „So find 
Sie doch der redliche Mann , den Ihr Ges 
ſicht anfündiat ! Behalten Sie das Geld! Gott 
made Sie ſo gluͤcklich, ald Sie es verdienen! 
Geyn Sie mein Freund , und wenden Gie 
fi) bey iedem DBedürfniffe zuerfi an mid.” 
Der Juͤngling mochte fi) weigern , wie er 
wollte, er mußte das Geld behalten. Er aieng 
befhämt weg, daß er eine folde Tugend in 
- Zweifel gesogen hatte, 


| Weisheit Gottes. 


Si, ein Derfifcher Weifer, gieng mit einem 
Freunde an einem fehr heiffen Tage unter ho⸗ 
hen Bäumen fpazieren, welche mit ihren Zwei⸗ 
gen einen Fühlen Schatten machten. Es 
ſchlaͤngelte ſich ein Bach durch die Baͤume und 
befruchtete den grünen Raſen. Sadi fah eis 
nen Ungerechten auf dieſem Raſen im Schlaſfe 

liegen. „Guter Gott, ſagte er, dieſer Mann, 
| | 5 der 





1 52 FE EEE 





der fo viele Ungluͤckliche gemacht hat, Fann 
noch fo rubig ſchlafen?“ — Sein Freund 
hörte es , und jagte: Gore läßt die Bottiofen 
Schlafen , damit die Frommen Friede haben. 


— Ed 


Die Gluͤckſeeligkeit. 


Da Herzog von Montmorenci gieng einft mit 
einem feiner Freunde auf dem Lande fpazies 
ren, und unterredete fi) mit ihm von ver 
Blücffeeligfeit des Lebende. Einer von denen, 
die ihn begleiteten „ behauptete mit autem 
Grunde, daß oft ein Menſch von den mittels 
mäfigflen Umſtaͤnden gläcklicher wäre, als die 
Groffen der Welt. Hier find Leute, melde 
die Trage entfheiden follen , fagte der Hers 
309, indem er vier Ackersleute erblifte, die 
an einer Hecke ihre Mittagsmablzeit hielten. 
Er aieng auf fie zu und redete fie an: Meine 
Freunde, ſagte er, ferd ihr alücflih ? — drey 
von diefen Bauern antworteten ihm, ihr gans 
zes Gluͤck beſtuͤnde in etlichen Morgen Lands, 
die fie von ihren Vätern ererbet hätten, und 
mehr wuͤnſchten fie fih auch nicht. Der vierte 
geitand , e8 fehlte ihın , alle feine Wuͤnſche zu 
erfüllen , weiter nichts , ale der Befig eines 
Feldes, das feiner Familie ehemals gehört 
hätte , und das in fremde Hände gekommen 
ware, 





— 353 


wäre. Aber , wenn du das Feld haͤtteſt, fuhr 
der Herzon fort , würdeft du glücklich feyn? — 
‚So glüdlid) , als man in der Welt feyn kann — 
„Was fofter es denn!” — Zwey taulend Franz 
fen. Man gebe fie ihm, rief der Herzog auf, 
fo Fann man doch fagen, daß ich heute einen 
Meuſchen glücklich) gemacht habe. 





Zweykampf. 


Guſtao Adolph, der ſiegreiche Koͤnig der Schwe— 
den, war ein abgefagter Feind der ſo nenaunten 
Duelle, und fprad) das Todesurtheil gegen alle, 
die einander zum Zweykampfe herausfordern 
würden. Kurz darauf, als dieſes Geſetz geges 
ben war, Famen cin Paar der vornehmften Offis 
eiere, die miteinander Händel hatten, und ba> 
ten um Erlaubniß, ihre Sache durch einen 
Zweykampf ausmachen zu dürfen. Guſtav war 
über diefes Begehren unwillig; er ließ es fid) 
inder gefellen, verlangte aber felbft dabey zu 
fenn, und beftimmte die Stunde und den Ort. 
Er begab ſich mit einem Korps Sinfanterie das 
bin, welches die beiden Duellanten einfchlieffen 
mußte. Sodann rief er den Scharfrichter her⸗ 
bey, und faate zu ihm : „ſobald eixer von beiden 
„todt iſt, fo baue dem andern in meiner Gegen— 
„wart dem Kopf ab» — die beiven Generale 


85 fahen 


N 





154 


ſahen einander beſtuͤrzt an, fielen Dem König zu 
Zug, baten ihn um Pardon, und ſchwuren 
einander eine ewige Freundſchaft. Won viefer 
Zeit an wurde bey der Schwedifchen Armee an 
Fein Duell mehr gedacht. 











| Reichthum macht nicht gluͤckſeelig. 


Der Lydiſche König Kroͤſus, der unermeß⸗ 
liche Mei. thuͤmer beſaß, ließ den Solon zu 
ſich kommen, und fragte ihn bey Gelegenheit: 
ob iemand glücklicher, als er wäre? Solon 
antwortete: er bielte einen feiner Mitbürger, 
den Tellus, für glückfeeliger, weil er reheihafs 
fene Kinder gehabt, und fih für das Baterz 
land aufgeopfert hätte. Der König, der die 
Schönheit und Nichtigkeit feiner Antwort nicht 
einſah, ward über ihn unwillig; doch frante er 
ihn noch zum andernmal: ob er nach dem Tels 
lus nod einen gluͤckſeeligern Mann wüßte? — 
Sa, antwortete Solon, id) Ferne den Kleobis 
und Vito, zwey Argiver, die ſich aufferordentz 
lich liebten und ihre Mutter ungemein hod) 
ſchaͤtzten. Der König wurde durch diefe Antz 
wort noch mehr aufgebrakt und fragte ihn im 
Zorn: Wie? und du zähleft mid) nicht unter 

die 





—— J— 


die Gluͤckſeeligen? — Solon antwortete: „vor 
when Tod ift niemand glücklich zu preifen. » 








Särtlichtet gegen die eltern. 


Kleobis und Biton von Argos waren zween 
Bruͤder, die ſich ſelbſt unter einander und ihre 
Mutter auf das zaͤrtlichſte liebten. Einſt als 
ihre Mutter, eine Prieſterinn, an einem hohen 
Feſte, fib in den Tempel der Juno begeben folls 
te, und die Ochſen zn lange ausblieben, fpanns 
ten fie fih felbit vor den Waaen, und zogen 
ihn bis an den Tempel zwo Meilen weit. Alle 
Rente wünschten ihr Glück zu ſolchen geborfas 
men guten Kindern Sie felbfi war voll Freu— 
de, und betete für fie. daß fie das beſte Gluͤck 
der Menfben zum Lohn für ihre Eindliche 
Treue erleben möchten. Cie ftarben bald dar 
auf fanft und frolih , und na ihrem Tode, 
blieb ihr Andenfen zu Argos in aroffen Ehren, 
Man ſprach beitgndig von ihnen mit Hochach— 
tung, als von hebenswürdigen,, frommen 
Söhnen. — 


ERIETT TEEN ERSTEN TED 
us u 


Ein beruͤhmter Feldherr war in ſeiner Jugend 
Page an dem Hofe eines berühmten Koͤniges. 
Aufier den Nachtwachen, die er im Vorzim⸗ 

mer 





136 — 


mer des Koͤnigs fuͤr ſich ſelbſt thun mußte, that 

er deren noch manche fuͤr andre Pagen, und 
das Geld, welches er von ihnen daſuͤr bekam, 
ſchickte er ſeiner armen Mutter. 


Einſt, da der Koͤnig nicht ſchlaſen konnte, 
und ein Buch aus einem andern Zimmer haben 
wollte, klingelte er nach dem Pagen, der die 
Wache hatte Er klingelte verſchiedenemal, 
aber dieſer Fam nicht. Endlich ſteht der Koͤ⸗ 
nig auf, geht ins Vorzimmer, um zu ſehen, 
ob hier kein Page iſt. Hier findet er denſelben, 
aber fchlafend am Tiſche ſitzen, und einen 
Brief, bey dem er eingefchlafen,, vor ihm lies 
nen. Der Koͤnig nimmt den Brief, und liefl 
darinn den vortreffliden Anfang : 


„Meine befte, geliebtefte Mutter! 


„Ast ift nun ſchon die dritte Nacht, da 
„ich für Geld die Wache babe. Beynahe Fann 
„ichs nicht mehr anshalten. Indeſſen freue ich 
„mich, daß ich nun wieder zehn Thaler fuͤr ſie 
„geſpart und verdient habe, und dieſe ſchicke ich 
„Ihnen hie.— | 


Der König gerührt durch dag gute Herz 
dieſes edeldenfenden Juͤnglings, ließ ihn ſchla⸗ 
fen, legte ihm feinen Brief wieder hin, gieng in 
‚feine — holte zwo Rollen mit Dukaten, 

NR — 
u { 


— 57 
ſteckte dem lieben Juͤngling davon in iede Taſche 
eine, und legte ſich wieder zu Bette. 


Wie erſchrack der Page beym Aufwachen , 
als er in feine Taſche fühlte, und aus dem Gel 
de, welches er darinn fand, merkte, der König 
babe ihn fehlafend gefunden. So bald er ihn 
am Morgen ſahe, bat er denfelben demuͤthigſt, 
ihm den Fehler, daß er geſchlafen hahe, zu ver⸗ 
zeihen, und dankte ihm für das gnaͤdigſte Ges 
ſchenk. “Der weife und wohlthätige König lobte 
feine Findliche Liebe und Dankbarkeit. Er ers 
nannte ihn gleich. nachher zum Dfficier, und 
ſchenkte ihm noch eine Summe Geld, um.fid) 

dafür alles, mas er zu feiner neuen Stelle 
brauchte, anzufcbaffen. 
BE : } 


Wohlthaͤtigkeit. 


Ein gewiſſer Prin; wurde, nach ſeines Vaters 
Tode, Koͤnig, und fieng die Regierung mit 
lauter Wohlthaten an. Einer ſeiner geheimen 
Raͤthe that ihm die Vorſtellung, daß er. vie 
Schaͤtze, daran feine Vorfahren fo lange gefams 
melt hätten, durch eine allzu groffe Freygebigkeit 
nicht zerſtreuen moͤchte. 





Allein der iunge König gab ihm zur Antz 


wort: Gott hat mir diefe Reichthuͤmer nidıt 
| deß⸗ 


158 — 


deßwegen anverkrauet, daß ich ſie bewahren, 
ſondern, daß ich fie zum Guten gebrauchen, 
und. meinen „Unterthanen damit helfen ſoll. 








Dankbarkeit, 


En iunger Prenflifher Dfficier Fam einſt zum 
ſeeligen Gellert , und drückte ihm unfer den 
Ss Morten :-ich bin ihr Schuldner , ihr groffer 
Schuldner, id bitte Sie inftändig, nehmen 
‚Sie eine Erfenntlichfeit von mir an! ein Pas 
pier init hundert Thalern in die Hand.‘ Als 
Gellert e8 nicht annehmen wollte, ſagte er zu 
ihm : Ich ruhe nit, „fie müffen es annehmen. 
Sie haben mein Herz. dur. ihre Schriften ges 
beffert, und gegen dieſes Glück vertauſchte id 
‚die ganze Welt: nicht, | . 20 


— — — — — — 


— 





Standhafte Erduldung koͤrperlicher 
Schmerzen. 
Dir Baron von Kleift firitt in der blutigen 
Schlacht bey Kunnersdorf, wie ein tapfrer 
Mann für das Vaterland. Er batte [won 
zwoͤlf Kontufionen von Musfeten und Kartets 
fchenfugeln empfangen. Die beiden erfien Fins 


ger der rechten Hand waren verwundet; ver 
ie 


——0 159 


bielt er den Degen mit der linken "Hand , und 
firitt immer tapfer in der Schlacht fort. Er 
ward wieder durch eine Kugel in dem linken 
Arm verwundet „fo daß er den Degen nicht 
mehr mit der linken Hand halten konnte; er 
faßte ihn alſo wieder in die vermundete rechte 
: Hand mit: den beiden lezten Fingern und dem 
Daumen ; er drang immer weiter auf die Seins 
de, ohne an feine Schmerzen und, Wunden su 
denken. Ein Kaͤrtetſchenſchuß zerſchmetterte 
fein rechtes Bein, er fiel vom Pferde, vergaß 
immer feine Schmerzen und Runden, und 
rief feinen Leuten zu: Kinder, verlaßt euern 
König nicht! 


. Er farb: in Frankfurt an feinen Wunden, 
Aber bey der heitiaften Pein, die ihm diefels 
ben verurfachten , blieb er ruhig. Er laß, 
und ſprach und farb mit Heiterkeit. 


Sparfamkeit. 


D. Johann Georg Knapp , ein fehr meiler 
und frommer Mantı , der befonders als Auffes 
her. der Erziehungsanftalten im Halliſchen Wai— 
fenhaufe, der Jugend groffe und treue Dienfte 
geleifiet hat, gab in feinen Juͤnglingsiahren 
ein ſolches Beyſpiel, das zugleich ein ſchoͤnes 
Beyſpiel der Maͤßigkeit if, Er findirte in Je— 

Nlr 


d 


— SELTENE, 
160 — — 


na, war uͤberaus fleiſig, lebte ſtill und einge⸗ 
zogen. Weder ſeine Zeit, noch ſein Geld ver⸗ 
ſchwendete er zu allerhand Exrgoͤtzlichkeiten. 
Sein Geld blieb einmal aus. Nun machte er 
noch wenigere Ausgaben, ſo wenige, als ihm 
nur moͤglich waren. Er that dieſes um der 
Urſache willen, damit er ſich durch geborgtes 
Geld nicht in Schulden ſetzte, und andern das 
durch nicht beſchwerlich würde, daß er von ihr 
nen etwas liehe. Sa, er war in der Zeit, da 
ihm das Beld fehlte, fo Iparfam und mäfig, 
daß er nun den guten Tiſch, den er bieher 
gehabt, abichaffte,. und ſtatt deffen eine Mahls 
zeit von Brod und Wafler that: Um deßwe⸗ 
gen von unvernünftigen iungen Leuten, die 
über Arme gern. fpotten, nicht ausgelacht zu 
werden: fo gieng er täglih um die Mittags« 
fiunde aus der Stadt, fente fi) in dag Gras 


an einen Bach, und genoß mit vergnügtem 


Herzen fein Mittagsmahl, zu. weldem er 
Brod mit fi nahm, und Wafler aus dem 


vorbepflieffenden Bache ſchoͤpſte. Und nicht eher 
‚fehrte er zu feiner vorher gewohnten Lebens, 
art zurück, als bis er durch die erhaltenen 


Gelder in den Stand gefeßt worden mar, dies 
felbe wieder anzufangen. 








Liebe 


— 


' \ STREET FR 


Liebe und Hocachtung gegen 
| Aeltern. 


—— ob er Er der Sohn eines Freyges 
laſſenen, ohne Vermögen und ohne Kredit war, 
erhielt dennoch , dur die Sorgfalt feines Va— 
‚ters, die Erziehung ,„ die man damals den 
Kindern aus den beſten Häujern gab. Die 
Erkenntlichkeit, Die er fein ganzes Leben bins 
durch gegen feinen Vater zeigte, gereicht beiz 
den zu gleich grofler Ehre, „Nie werde ih 
„es bedauern, Sagt er, einen folden Bater 
„gehabt zu haben; und. nie werde ich fagen, 
„wie die, die ſich wegen ihrer geringen Her— 
„kunſt damit entichuldigen, daß die Schuld an 
„ihnen nicht liege. Ich werde ſtets ganz anders 
„denken und reden. Wenn die Natur wollte, 
„daß man in einem gewiſſen Alter das Leben 
„wieder von neuem anfienge, und ein ieder 
„ſich nach ſeinem Gefallen, Aeltern wählen 
„koͤnnte, ſo wuͤrde ich keine andern, als die 
„nmeinigen waͤhlen. 


— 


mitleiden gegen Armuth. 


En zwölfiähriger teutſcher Knabe, noch mehr, 
ein Sürftenfohn , reiſet mit feinem Vater im 
Rande. Er bekoͤmmt beftiges Zahnweh, und 
im Nachtquartier, das bep einem Oberamt⸗ 

£ mann 


162 — — 


Dan 


"mann genommen. wird, urtheilt der Arzt, dab 
der Zahn ausgeriffen werden müßte, Der klei— 
ne Prinz erfehricht vor den Inſtrumenten; der 
Dater aber tröftet ihn: und die Operation 
wird vollbracht, nach welcer ihm der Vater 
einen groſſen Thaler ſchenkt. Des andern 
Morgens geht der. Fleine Patient im Garten 
herum. Ein Handwerfspurfche nähert ſich ihm, 
Elagt ihm fein Elend bey der firengen Jahres⸗ 
zeit, und erhält gleich von ihm den groſſen 
Shaler. Nach ihm: koͤmmt eine arme Wittwe, 
fie weint bitterlih, da fie ihr Unglück erzähle; 
der Prinz weint mit, beißt die Frau warten, 
und fpringt in vollem Feuer zu feinem Brus 
der, dem Erbpringen: „O Bruder, gieb mir 
doc) geſchwind einen groffen Thaler” — Wie? 
du haft ia erft geflern einen befommen? — 
„Ich will dir ſchon fagen, mo der hin if; 
aber gieb mir ietzt nur einen einzigen. ” — 
Wie willſt du mir ihn aber wieder bezahlen? 
fügte ver Erbprinz laͤchelnd. — „Nun, e 
fon niche für mich; da drunten iſt eine Frau, 
die ift fo arm, und hat feinen Mann, und 
viele Kinder; der wollt? ichs geben; heufe 
Abend laß ich mir wieder einen Zahn audreiffen, 
und dann giebt mir der Papa wieder einen 
Thaler, fo will ich dir ihn dann bezahlen, ?— 
"Der Erbprinz nimmt den edlen Bruder. bey 


* vn: — ihn zum Vater; der kann 
ihn 


—— 163 


Ab nicht genug kuͤſſen; und die Are, bekoͤmmt 
nal Thaler. 
II 


Verachtung der Aeltern. 


ſchaͤnte ſich feiner niedrigen Her—⸗ 
kunft, und wollte nicht einmal den Namen feis 
nes Daters führen. Bey der Vorftellung des 
erfieu Luftfpielg, von welchem er Verfafler war, 
ward fein Water, der für fein Geld in die Kos 
moͤdie gegangen war, von dem Beyfall, den 
fein Sobn erhielt, fo gerührt, als man fi) 
sur vorftelen kann. Er Eonnte feine Freude 
nicht bergen, und gab ſich gegen die, melde 
ben ihm faffen, als den Water des Autors zu 
- erkennen. Als das Stuͤck geendigt war, gieng 
der gute Mann, gang auſſer fi, feinen Sohn 
zu umarmen, Er traf ihn am Ausgange deg 
Theaters an, vedete vol Zärtlichfeit zu ihm; 
und ſchloß endlidy mit den Worten: „Nun, 
ich bin dein Vater.” hr mein Vater? vief 
Koufleau, und ließ ihn den Augenblick betrübe 
und mit Thraͤnen ftehen. 


— —ñ— ç ç — — 


Gerechtigkeit. 

ER einen Mifferbäter zum Tode vers 
urtheilen ſollte, jo weinte er’über das Schick; 
fal dieſes Menſchen. Warum thuft du dieſes, 
fragte man ihn, da e8 dod auf deinem Wils 
len beruhet, ob diefer Menſch in Freyheit ges 
ſetzt, oder getöbtet werden fol? Es ift meis 

8.2 | ner 








164 Er Zr - — 


ner Ratur gemaͤß, Adtwortete der Meltweife, 5 
daß ich mit dem Schickſal dieſes Menſchen 
Mitleiden trage: allein es ift nachtheilig, wenn 
ich, um des Mitleidens willen, von der Ge⸗ 
rechtigkeit abweichen ſoll. | 


= + 








Sanftmuth. 

ln , der Gefeßaeber der Spartaner, muß 
te, wegen Der Strenge feiner Geſetze, ſehr 
viele Mißhandlungen von ſeinen Mitbuͤrgern 
erfahren. Unter allen aber war dieſe die 
empfindlichſte, daß er bey ſeinem patriotiſchen 
Eifer fein’ Auge verlor. Dieſes Ungluͤck bat 
te ihm ein iunger Spartaner zugezogen. Denn 
ald Lykurg bey einem Auflaufe zu entfliehen 
fuchte, fo fprang diefer Boͤſewicht ihm auf den 
Ruͤcken und fihlug ihm, als der Philofoph 
fi) ummenden wollte, das Auge aus dem 
Kopf. Der Süngling wurde dem Lykurg 
übergeben , um ihn wegen dieſer Srevelthat 
abzuftrafen. Er that es anf eine fehr ruhm⸗ 
wuͤrdige Art. Er nahm ihn zu fi in das 
Haus. Und da er täglich von ihm bedient 
wurde, und diefem iungen Menfchen ein fo 
ſchoͤnes Bepfpiel von feiner Sanftmuth, Mäfs 
figfeit und Tugend gab, fo legte er zu der 
Beſſerung diefes. STünglinges den Grund, und 
bildete un zu dem — — re 





| IV. 
Anefdoten 


t 3 





— — 167 


Cl.) 


8 beflagte fi b iemand gegen den Sokra⸗ 

tes, daß es in Athen ſo theuer zu leben 
ſey, und rechnete ihm die Theuerung des 
Weins aus Chio, des Purpurs und derglei— 
hen Koſtbarkeiten vor. Sokrates gieng mit 
ihm in verſchiedene Laͤden, wo Lebensmittel 
verkauſt wurden. Das Mehl fand er ganz 
wohlfeil, auch die Oliven. Hernach gieng er 
in Läden, wo gemeines Zeug zur Kleidung 
um einen geringen Preis zu haben war. Nun 
fagte der Weltweife: Ich finde es ganz wohls 
ſeil in Athen. | 





(11) 


E⸗ begehrte ein Menſch vor dem Koͤnig Ales 
xander gelaffen zu werden, um ihm ein feltenes 
Kunfiftück zu zeigen. Es beftund darinn: daß 
er von einer ziemlichen Entfernung, eine Linfe 
durch ein Nadelöhr werfen Fonnte Dafür 
verſprach er fi) eine grofle Belohnung. Aber 
als Alexander die Kunft gefehen hatte, ließ 
er dem Künftler eine Mege Linfen ſchenken, 
4 | damif 


268 ———2 


damit er ſich fleifig in einer fo aitlichen Runf 
üben. koͤnnte. 


— — —— — — 
— — — — — 


(III.) 


Aqeß laus wurde gefragt: wodurch ein iunger 
Menſch ſich Hochachtung erwerben und empor 
kommen koͤnne? Dadurch, antwortete er, 


daß er lernt gut reden, und noch beſſer hans 
deln. 








av.) 


— Philoſoph Antifihenes wurde einſt von 
feinen Schuͤlern über verſchiedene Dinge ges 
fragt. Laßt uns, antwortete er, allerfeits zum 
Sokrates gehen, er verfieht diefe Materie am 
befien, und da werde ich fo gut, alsihr, ein 
Schuͤler unter ihm feyn. 


⸗ 








36 

Ein Athenienfer wolte feinen Cohn dem Phis 
Iofophen Arıftippus übergeben. Diefer foderte 
für ferne Unterweifung eine gewiffe Summe 
Geldes , die ienem zu groß ſchien. Dafür, 


fagte er, koͤnnte ic) ia einen Sklaven Faufen ! 
Du 


an 169 
Du haft recht! antwortete Ariſtippus; nimm 
dein Geld, und Faufe einen, alsdenn haft du 
| zwey · 


Iσσæασ Tan meer 
.. (M1.) 

Dem Griechiſchen Dichter Anafreon ſchenkte 
der Beherrſcher von Samos, Polikrates, eine 
groſſe Summe Geldes. Anakreon nahm fie 
zwar an, konnte aber ein paar Naͤchte nicht 
ruhig ſchlafen. Er ſchickte daher das Geld feinem 
Wohlthaͤter wieder zuruͤck, und ließ ibm fa 
gen: „ So anfehnlid) aud) die Summe wäre, 


„ſo fey fie doch der Sorge nicht werth, die 
„ſie ihm Eofiete. ” 





TEE 
— 


C(VII.) 


A; fi & der Kaiſer Karl der fünfte zu Brif 
fel aufbielt, firıtten ein paar vornchme Damen 
am den DVortritt an der Kirchenthuͤre. Diefer 
lͤcherliche Streit hätte eine wichtige Sache 
werden fünnen, weil die Männer diefer Damen 
mit vieler Hige daran Antheil nahmen. Aber 
der Raifer endigte den Streit ſehr bald, da er 
den Ausſpruch that, daß die größte Närrin 
den Vortritt haben follte. 











a DR (VIIL.) 


— 


170 m ” 


(virey Mr 
Eben dieſer Kaiſer ließ ſich von dem beruͤhm⸗ 


ten Venetianiſchen Maler Titian malen. Der 


Künftler ließ feinen Pinfel fallen. Der Kaiſer 
hob denfelben fogleich auf, und fagte, ein Tis 
fian verdiene von einem a bedient zu 
werden. 


— — —— — —— — — —— — — 


CIE: 
SS orrates lernte noch in feinem hoben Alter 
auf der Either ſpielen. Wie, fagte einer zu 
ihm, noch als Greiß willft du diefe Runft lers 
nen? — „Sa, antwortete er, es ift beſſer, 
„eine Sache fpät, als niemalg zu lernen. » 








(2%) 


Ein Edelmann beſuchte ſeinen guten Freund 
au; dem Lande mitten im Winter. Da er in 
den Zimmern Feine Tapeten fand, fragte er ihn, 
warum er die Wände nicht mit Tapeten be 
ſchlagen ließ, da fie doch im Winter beffer hiels 
ten, und den Simmern ein befferes Anſehen ads 
ben. Der redlihe Mann zeigte ihm ein paar 
Arme, und fagte: Ich befleide lieber diefe Arz 
men, ald meine Wände, 





AL) 


— gr 


(x1.) 


Br Konrina machte im öferjehenbeh 
‚Sabre feines Alters eine Satyre auf die gekroͤn⸗ 
ten Dichter. Diele fiel dem Proſeſſor Martin 
zu Helmftädt in die Hande; und er fahte fo 
viel Hochachtung gegen den jungen Konring, 
daß er deſſen Vater bat, ihm die Aufficht über 
feinen Sohn auf der Akademie anzuvertrauen, 


(XII.) 


— zwey und zwanzig Jahre 

alt, als er noch unentſchloſſen war, welcher Les 
bensart er ſich widmen ſollte. Von ohngeſaͤhr 
hoͤrte er einige Verſe des Malherbe leſen, die 
fo ſtarken Eindruck auf ihn machten, daß er 
von der Zeit an ganze Naͤchte anwandte, dieſen 
Dichter auswendig zu lernen. Bald hernach 
ſuchte er ihn nachzuahmen, und ſeine erſten 
Parthiſchen Verſuche waren ganz im ee. 
des Malherbe. * 


02 sense — 
(XIHL) 


Man fragte den Alexander, ob er feinen Va⸗ 
ter oder den Ariſtoteles mehr liebte ? „den Ari⸗ 
Be in 


— 


172 — — 





fioteled , » antwortete der junge Koͤnig: „denn 
ihm hab ich meine Tugend, an Vater mein 
Leben zu danken. » 


? y 
I ERTRAGEN EHEN EEE 
a Te ee ee — 


(XIV) 


Ein Knabe, dem verboten war, uͤber Tiſche 
was zu ſordern, nahm, da man ihn vergeſſen 
hatte, etwas Salz auf den Teller. Als man 
ihn fragte, was er damit machen wolle, ant⸗ 
wortete er: Ich will das Fleiſch damit ſalzen, 
das man mir geben wird. 


— —— — —— 





XV.) 


— 5 bat den Thales, ihm zu ſagen, was 
das ſchwerſte und das leichteſte in der Welt waͤre. 
Das ſchwerſte, antwortete er, iſt, ſich ſelbſt 
kennen zu lernen; und das leichteſte, an den 
Handlungen anderer etwas auszuſetzen zu finden. 


— — — 1 





(XVI.) 


E— bezeugte iemand gegen den aͤltern Hato 
feine Verwunderung, daß ihm Feine Ehrenſaͤule 
gefet worden, da diefe Ehre vielen andern. von 

gerins 


——— 173 


geringern Verdienſten widerfahren war. Kato 
antwortete: Es iſt mir lieber, daß man fragt: 
warum mir dieſe Ehre nicht widerfahren ſey, 
als wenn man früge, warum es geſchehen? 








(XVII) 


Ein junger Mohr ließ ſich, ungeachtet er ein 
Feind von Gemaͤlden war, in London durch ei— 
nen beruͤhmten Maler malen. Der Kuͤnſtler 
fragte ihn⸗ in welchem Kleide er ihn malen 
ſollte? In meiner Landestracht, war Die Ant⸗ 
wort; als nun der Maler verſicherte, daß er 
die nicht kenne, ſagte der Mohr mit laͤchelnder 
Miene: Wie koͤnnen ſich denn die Maler eins 
jallen laſſen, Gott zu ſchildern, den doch Fein 
Menſch iemals geſehen? 





(XVIIL), 


Kaiſer Karl der fünfte kam durch eine Stadt, 
wo man ihn nicht erwartete; man zeigte ihm 
an, daß einer, der Satyren auf ihn gemacht 
hatte, in einem nahe gelegenen Landhauſe waͤ⸗ 
re. Es waͤre beſſer geweſen, antwortete er, 
wenn man ihm geſagt haͤtte, daß ich hier 
bin, als daß man mir ſagt, daß er dort iſt. 


BEE SIERT BEREICHE 
en 





* 


(XIX.) 


Per — 
(XIX.) 


Philipp, Koͤnig in Macedonien, ließ ſich nie⸗ 
mals durch ſein Gluͤck zu Ausſchweifungen 
verleiten. Um ſich deſto beſſer vor den ges 
woͤhnlichen Laſtern der Koͤnige, dem Hochmuth 
und der Grauſamkeit, zu huͤten, mußte ihm 
taͤglich einer von ſeinen Pagen zurufen: Phi⸗ 
lipp du biſt ein Menſch! Er gieng niemals 
eher aus ſeinem Pallaſte, und ließ niemand 
eher vor ſich kommen, bis ihm der beſteute 
Page dieſe Worte zugeruſen Ba, 


(XX.) 


gY. Epiftet noch ein Sklav des Eraphrodit 
war, fiel es dieſem barbariſchen Manne ein⸗ 
ſtens ein, ihm zum Spaß um die Beine zu 
ſchlagen. Epiktet litt' es geduldig. Da es 
aber ſein Herr immer aͤrger machte, ſagte er 
endlich: Du wirft, wenn du fo fortfähreft, 
mir gewiß ein Bein entzwey ſchlagen. Es ges - 
ſchah auch wirklich : aber Epiftet fagfe meis 
fer nichts, ale: Habe ich dir's nicht gelagt, 
daß du mir ein Dein entstvep ſchlagen wuͤr⸗ 
deſt? 


(XXT.) 


175 
(XXL) 


Diogenes gi gieng suweilen nad) einem Ort Bin, 
wo viele Statuen fanden, und ſprach fie um 
Geld an, Man fragte ihn, warum er ſolches 
thäte? Darum, antwortete er: um mich zu ges 
toöhnen „ nicht empfindlich zu fepn, wenn Mens 
fen mir etwas Aridlugevr , 





sans 


MEXX, 


Aliſtoteles wurde von einem Laſterhaſten um 
ein Almoſen angeſprochen, welches er ihm auch 
ſogleich gab. Als er bemerkte, daß ſich ſeine 
Freunde hieruͤber verwunderten, fo ſagte er ihs 
nen: Ich gab diefes Opfer nicht dem Menz 
ſchen/ Ki der Rn. | 


(XXI) 


Die Milefie er. machten helet wegen 
ſeiner Armuth Vorwuͤrſe und behaupteten, daß 
die Weltweisheit demienigen, der ſich berei— 
chern wollte, nichts nuͤtzen koͤnnte. Um nun 
ſeine Landsleute zu uͤberzeugen, daß ein Welt⸗ 
wenn es noͤthig waͤre, ſich auch ps 
ams 


* — F 


ſammeln koͤnnte, ſo bediente er ſich ſolgender 
Liſt. Er hatte, wie man ſagt, durch die Altos 
logie vorbergefehen, daß e8 in diefem Jahr ſehr 
viele Dliven geben würde. Kaum war alfo der 
Winter vorben, fo Faufte er um einen fehr ges 
ringen Preis ale Delmühlen und Delpreflen an 
fi, Als nun die Zeit, das Del iu feltern, 
herbeyfam, und viele diefe Mafchinen noͤthig 
hatten, fo vermiethete er fie fo theuer, als 
er nur wollte. Hiedurch erwarb er fi) nun 
eine groffe Geldfumme, und bewies, daß ein 
Meltweifer leicht reich werden —— wenn 
er nur wollte. 


Eur menu ver more «je 





(XXIV.) 


Man warf dem Traian oͤfter vor, da: er 
feine Würde veraäße und ſich zu feinen Unters 
thanen zu fehr herabließe. Er pflegte alsdann 
allemal diefes zu antworten: ich will mich ges 
gen die Nrivatperfonen ſo bezeisen, wie ih 
wänfchte, daß ſich der Kaifer gegen mid vers 

halten möchte, wenn ich eine ‚Privarperfon 
wäre 47 


RR N * 





) 


one. Spartanifche Dame begrub ihren Soßn. 
Dieler Anblick machte das. Herz bey ihrer 
Freundinn rege, daß fie ausrıef : Unalürkfeelige 
Frau! Sage vielmehr: Glücffeelige Srau ! 
verfeßte die heldenmürhige Dame. Denn id 
habe meinen Sohn deßwegen geboren, daß er 
für Sparta fierben fol. Und nun habe ic) 
meine Abſicht erreicht. 


— — — nee 





— 


(XXVI.) 


Dir Graf von Lauzun mußte eine lange Zeit 
im Gefängniffe zu Pignerol ſo machten. Fern 
von der Stimme eines Freundes oder Vers 
wandten; ohne einen menichliden Raut ale 
feine eigenen Seufzer ; ohne dag aeringfte Tas 
geslicht, ausgenommen den ſchwachen Schim— 
mer durch die Ritzen des Daches; ohne Buch; 
‚ohne einiges Mittel ſich zu beſchaͤftigen, oder 
zu üben, lag er neun lange jahre da, der 
Raub einer immer verfihobenen Hoffnung , eis 
ner nagenden Langenweile, und eines unnnters 
brochenen Sraufen. Aus Verzweiflung an als 
len andern Beichäftiaungen fiel er endlich drauf, 
eine Spinne zahm zu machen. — Der Verſuch 
— Die Spinne holte ieden Morgen ihre 
| M Flie⸗ 


— 


⸗ 


u — 


Fliegen dankbar aus ſeiner Hand, ſetzte den 
Tag über ihr Geſpinſte fort, und be ſchaͤftigte 
nun ihres Wohlthaͤters ganze Aufmerkſamkeit, 
bis endlich der Stockmeiſter, mit Scenen der 
Grauſamkeit ſchon bekannt, und folglich: ‚genen 
iedes Gefühl der Menſchheit geftählt , ' diefen 
Zeitvertreib feines Gefangenen — 
entdeckte, und mit der Freude eines Teuſels 
den unſchuldigen Gegenſtand Davon tüdtete. 
Herr von Lauzun hat nad: diefem oft geſagt, 
fein Schmerz ſey bey Diefer Gelegenheit uns 
endlich aröffer geweſen, als der einer Liebenden 
Mutter bey dem Verluſte * einzigen Saͤug⸗ 
lings. 








a SEE TEE 


(XXVII) 


Me aranis du Pezayh, ein iunger dramatifcher 
Dichter, verfertigte eine Fomifche Oper, beti⸗ 
telt : die Meyerin, oder der neue Wein; die, 
ob ſie gleich fehr niedlich) gefchrieben war, und 
viel reigende Scenen hatte, in Sontaineblean, 
wo fie zum erſtenmal aufgeführee wurde, wer 
nig Beyfall fand. Einer feiner Freunde bracht' 
ihm ſogleich die traurige Nachricht, daß ſeine 
Oper mit ſchlechtem Erfolg aufgeführt worden 
wäre; daß fie aber das ganze Publikum eins 
müchig dem Herrn Dorat zuſchriebe, weil man 
. Styl darinn in eu geglaubt häts 

i f fe. 


——r 179 


ke. — „In dieſem Sal, verſetzte der innge 
„Dichter, iſt es Zeit, daß ich mich als den 
„Verfaſſer dieſes ungluͤcklichen Drama angebe, 
„es waͤre ungerecht, wenn ich dieſem ehrlichen 
„Mann einen fo ſchlimmen Streich ſpielte:“ 
und foglei gab er ſich oͤffentlich und freywils 
lig für den Water des verworfenen Kindes an. 





(XXVIII.) 


Mohere gieng einſt nad Auteuil ſpazieren. 
Ein Bettler begegnet ihm, und bitfet um ein 
Almofen. — Nachläfig und zerſtrent greife 
der Dichter in den Beutel, und wirft ihm 
etwas hin. — Einige Augenblide nachher, 
lauft ihm der Bettler nad) , und ſagt zu ihm: 
Mein Herr? fie haben ſich vergriffen — fonder 
Zweifel haben fie mir nicht eine Guinee geben 
wollen — hier baden fie dieſelbe wieder zus 
rück, — Du haft recht mein Freund, fante 
Moliere, ſieh', bier haft du noch eine. — Er 
dachte einen Augenblick über dielen feltfamen 
Zufall nad , und faate nachher zu feinem 
Sreunde, dem berühmten Tonkuͤnſtler Charpens 
tier , der mit ihm fpazierte: Himmel! wohin 
verſteckt fir bisweilen die Tugend 2 











— — 


Ma (XXIX.) 








EEE 
180 


(XXIX.) 


Mo lierens Feinde wollten den beruͤhmten 
Herzog von Montaufier bereden, daß Moliere 
in feinem Meiſterſtuͤcke betitelt: der Mens 
ſchenſeind, ihn und feine allzu raube Tugend, 
unter Alceſtens Larve habe lächerlich machen 
wollen. — Er wohnte der Aufführung diefes 
Luſtſpiels bey, und erkannte ſich wirklich in 
einigen Zuͤgen, woruͤber das Parterre lachte — 
er erinnerte ſich einiger Worte, die er bey 
Hofe geſagt, und die Alceſten in den Mund 
gelegt worden. — Nach dem Luſtſpiel fragten 
ihn ſeine Freunde, wie es ihm gefallen hätte, 
Ich wuͤnſchte fehr, fagte er, daß ih Alceften, 
diefem redlichen Manne ähnlich wäre! 





ERTEEEEHEETETTEER, 


XXX.) — — 


Als der Herr von Chatelet für den Herzog 
von Montmorencn bey dem Könige aufs eifrigs 
fie um Gnade flehete, fprad der Monard: 
Ich glaube, ihr würdet wol einen Arm. drum 
geben, wenn ihr den Herzog beym Leben ers 
halten koͤnntet. Der arofmütbige Freund ants 
wortete: Ja, allergnädigfter König, ich gabe 
Bat meine ‚beiden Aunr bin, wenn ich nur den 
einen 


; 7 u 7 
nn 181 


einen damit retten könnte, der fuͤr Ew. AR | 
iefät m viele — Be hat. 


—— —— — — 





(XXXI.) 

En. ſpielte der Herzog, Heinrich der zweyte 
von Montmorench, und gewann in einem eins 
zigen Spiele drey taufend Louis d'or. Einer 
von den Zufchauern ſagte zu feinem Nachbarn: 
»» Wahrbaftig eine Summe, die das Gluͤck 
„eines ehrlichen Mannes machen koͤnnte.“ 
Der Herzog hoͤrt es, und ſogleich bietet er 
die ganze Summe dem Edelmann an, und 
ſagte zu ihm: Ich wuͤnſchte, mein Herr! daß 
jhr Gluͤck etwas betraͤchtlicher wäre. 


— ———— 


— — 


ie Officiers fuhren su Mannheim auf 
bem bein. Einer derfelben flürzte ins Wafs- 
fer , und würde unfehlbar ertrunfen feyn. 
Aber ein anderer, der weder ſchwimmen konn⸗ 
te, nod) ein fonderlicher Bekannter und Freund 
vom Werunglücten war, fprang ihm nad), 
and rettete ihn mit eigener Gefahr. Der 
Mann hatte feinen Schild, der diefes that; 
abe fein: Herz adelte ihn, Es freut mi, 

M3 daß 


Trafka 





daß es mir gelang, ſagte er beſcheiden, als 


man ihn mit Bewunderung darum ſragte. 
(XXX. ihr 
© aivio Naſika befuchte einft ben Dichter En⸗ 


nius: und als er vor der Thuͤre nach ihm. frag⸗ 


te, ſagte die Magd, er ſey nicht zu Hauſe. 
Naſika aber merkte wol, daß ihr dieß der Herr 
anbefoblen babe und er daheim fey. Kurze 
Zeit darauf Fam Ennius zum Nafifa und frags 
te auch nad ihm an der Thüre, Da rufte er 
laut: er ift niche zu Haufe Wie? antwortete 
Ennias — ich follte deine Sprache nicht ken⸗ 
nen? Und Ennius fagte Unverfchämter ! da 
ich nad) dir fragte, glaubte ich deiner Magd, 
daß du nicht zu Hauſe wärefl-und meinen eigenen 
Torten willſt du nicht glauben 2 





(XXXIV. ) 
Dar berühmte Hugo Grotius wurde zu einer 


ewigen Sefangenfnalt verdammt, und in. dem 


Schloſſe Löwenftein verwahret, Nachdem ihm 
daſelbſt über anderthalb Jahre fehr hart begeg⸗ 
net worden, fo bemerkte feine Frau, daß feis 
ne Hüter müde waren , eine groffe Kifte voll 
Bücher und Leingeraͤhts, welches a 

| en 


* 


f / 
BET RT SEN ER 





ſchen ausſchickte, zu: öffnen und durchzuſuchen. 
Sie rieth ihren Gatten fih in diefe Kifte zu. 
— legen, nachdem fie vorher an dem Orte, 10 
er, das. Geficht binwenden ſollte, vermittelft 
eines Bohrers Loͤcher gemacht hatte, damit er 
Athen fdhöpfen Fönnte. Cr folgte ihrem Nas. 
the, und wurde auf diefe Weife nach Gorkum 
zu einem feiner Freunde gebracht, von wannen 
er, ‚als. ein Tiſcher verkleidet, nad) Antwerpen 
entwich. Dieſe verfehmiste Kran ſtellte ſich 
an, als ob ihr Mann ſehr Franf waͤre ‚um 
ihm Seit zu gönnen, fi zu retten, und um. 
die Mittel zu. vereiteln, ihn wieder einzuholen. 
As fie ihn aber in einem Lande der Sicher; 
beit vermnthete, fo ſagte fie ſpottend zu’ den 
Waͤchtern: die Voͤgel wären davon. geflogen, 
ı Anfangs mwolte man peinlich gegen fie: verſah⸗ 
ren und es gab Richter, welche urtheilten, 
man ſollte fie an der Stelle ihres Mannes in 
‚ der’ Gefangenfhaft behalten. Allein durch 
Mehrheit der Stimmen wurde fie los gelaffen, 
und von jedermann gelobet, daß fie durch ihs 
ren Verſtand ihrem Gatten die Srenheit wies 
der Lau babe, _ 





MA  .@XXV) 


184 — — 


(xxxv.) 


Die Gemahlinn des Herrn Fager, Rebe 
nungsrath , und die Gemahlinn des Schatz⸗ 
meifters von Frankreich, begeaneten ſich zu 
Paris in der Strafe des Goquilles. Beide harten. 
die Abſicht durchzuſahren ; aber weil die 
Strafe fehr enge iſt, und die eine Kutſche 
zu einem , und die andere zu dem andern Ende 
derfelben bereingefahren waren , fo mußte eine 
Kutiche nothwendig umkehren, wenn die ans 
dere durchfommen follte. Keine von beeden 
Fonnte zu fo einem entehrenden Schritt übers 
vedet werden, und auf diefe Art blieben fie 
von 6 Uhr des Morgens bis Mittag ſtehen, 
um welche Zeit fie ihre Bedienten nad Heu 
uund Haber für die Pferde ſchickten, und bes 
Tahlen , daß man ihnen ihr Mittagseſſen in ihre 
Kutſche bringen ſollte. Eine folhe Neuigfeit 
309 eine Menge von Zuſchauern um fie her⸗ 
ben ; und Jeder war begierig, zu feben, was 
diefer feltfame Rangſtreit für ein Ende neh⸗ 
men würde. Endlich gieng ein Buͤrger von 
Paris, aus dieſer Straffe, der mit einem 

J Karn 


—“J 
Y — — r 


— — 185 


Karn mit Wein nach Hauſe fahren wollte, 
und kein Mittel ſah, vor den beiden Kutſchen 
durchzukommen, um 4. Uhr Nachmittags zu 
dem: Kommiſſaͤr dieſes Viertels, und bat ihn, 
der Unorönung abzuhelfen. - Da dir Roms 
miſſaͤr ſahe daß die beeden Damen bartnds 
ckig darauf beflanden,, Feine der andern ande 
| zuweichen, und er fie nicht gerne, aus Hoch⸗ 
achtung fuͤr ihre Maͤnner, beſchimpfen wollte, 
ſo verfiel er auf das Mittel, beede Kutſchen 
zu gleicher Zeit zuruͤck kehren zu laſſen, ſo 
daß keine von ihnen wieder in dieſe Straſſe 
umkehren ſollte. Diefer Vertrag ward anges 
nommen und mit der äufferfien Genauigkeit 
ausgeführt. Die Damen fuhren alfo, der Uns 
ruhe, in bie fie fi) ſelbſt dur ihre hartnaͤ⸗ 
. dige Beobachtung ihres Range begeben hats 
fen, müde, ganz ruhig zuruͤcke, iede mit dem 
Vergnügen, ihre Ehre behaupter zu haben. 


186: ——— 


J— 


S strates w wurde gefragt: ob: er m Perfiſchen 
Koͤnig, der damals an Macht, Hoheit und 
Reichthum alle Regenten übertraf „nicht für 
glücklich bielte. Dieſes kann ich nicht» fagen , 
antwortete er: denn ich weiß. ia nicht, wie 
weiſe und tugendhaft er. ifk hr 





NV 


Charaftere 


— 
—5 





| jr en ne \ I 89 


Bon der Schmeiheley. 
(Theoph. Char. 2. Rep.) 


Nie Schmeicheley ift beylauͤfig ein nieders 
Re trächtiges, für den Schmeidjler aber vor; 
theilhaftes Detragen im Umgang. Und die 
- Kennzeichen eines Schmeichlers find etwa die: 
SGeht Er mit einem, fo ſpricht Er: Sieh nur, 
wie man auf dich die Augen richtet! Dieß wiz 
derfährt fonft Niemand in der Stadt, als dir. 
Geftern wurdeſt du auf der Galerie freilich ſehr 
gelobt. Es waren unfer mehr, als drenfig 
Perſonen beyfammen. Dan fiel auf die Sras 
ge, wer dem Staat am meiften nügte? Da 
fiengen alle bey deinem Namen an, und hörten 
bey ihm auf. Und dergleichen Dinge fagt Er 
mehr. Er nimmt das Faͤſerchen von feinem 
Kleide hinweg ; und hat ihm der Wind in fein 
Haupthaar einen Splitter gewehet, fo liefet Er 
ihn heraus, und ſagt lädelnd : ſchau nur, wie 
grau dein Bart in den paar Tagen geworden 
iſt, feitdem ich dich nicht gefehen habe , und 


du baft doch, deinem Alter nad) trotz einem 


Schwarzes Haar. Wenn derfelbe etwas redet, 
fo gebietet er Andern ein Stillſchweigen, und 
lobt 





lobt fie, wenn fie aufmerffam find. Hört er 
auf zu reden — ruft Er ihm unter lauter 
Haͤndeklatſchen ein Bravo zu. Spricht er fros 
ſtige Sathren — lacht Er, und ſtopft fein 
Kleid in den Mund, als koͤnnte Er ſich des 
Lachens nicht enthalten. Er heißt denen, die 
vorbey gehen, ſtille zu ſtehen, bis der ſelbſt 
vorübergegangen wäre. Er kauft feinen Kin⸗ 
dern Pirne und Aepfel, bringe und theilet fie 
in feiner Gegenwart aus: Er kuͤßt fie und 
ſpricht: ihr Kinderchen eines fo guten Vaters! 
Kauft er mit Ihm Schuhe ein, fo fagt Er, 
fein $uß fen für diefen Schuh viel zu niedlich. 
Beſucht er einen Freund, fo läuft Er voraus, 
und meldet feine Ankunft, Fommt alsdenn zus 
rück und ſpricht: ich habe dich gemeldet. Ja, 
Er Fauft fogar auf dem Weibermarkt Sachen 
fürs Hans ein , und läuft ſich dabey auffer 
Arhem. Unter den Gälten iſt Er der erfie, wels 
cher den Wein lobt; und wenn fie zu Tiſche 
fißen, ruft Er: wie herrlich weißt du doch 
deine Gäfte zu bewirthen! — nimmt, etwas 
vom Tifche und ſagt: o wie delifat! Er fragt, | 
eb es ihm friere ? und ob er. einen Mantel ums 
thun wolle? ia, Er legt ihm den Mantel felbit 
um. Er neigt fib fogar zum Ohr bin, wenn 
er fo redet, und lifpelt ed ihm zu 5; und wenn 
Er mit Andern fpricht, fiebt er ihn immer 


dabey an. Auf dem Lheater nimmt Er dem 
Skla—⸗ 


i ’ 2 ‚ # . # 
Bun 191 


Sklaven die Kuͤſſen ab, und legt fie ſelbſt uns 
ter ihm. Er fagt : das Haus ift ſchoͤn ges 
"baut: das Feld gut beftelle: das Bild wohl 
"getroffen. ° Kurz, alle Reden .und Handlungen - 
zielen bey einem Schmeichler dahin ab, um 
f ch gefällig. zu machen. 





— —ñ— — — — 


der Schwatzhaftigkeit. 
(3. Zap.) | 


Di Schwatzhaftigkeit beftehe darinn , wenn 
man meitlänftiee und unüberlegte Worte führt. 
Der Schwaͤtzer hat den Charakter: Er ſetzt 
ſich nahe zu einem Unbekannten, macht erſt⸗ 
li) viel Ruͤhmens von feiner Gattinn; dar⸗ 
auf erzählt Er, mas Ihm des Nachts getraͤu⸗ 
met, und hernach redinet Er alle Gerichte, 
die Er bey Tiſche gehabt hat, auf den Fins 
gern her. Iſts Ihm nun fo recht nad) Wunſch 
gegangen; dann beſchwert Er ſich über die 
ießige Welt, die weit fehlimmer märe , als 
vordem. Das Getraide — fagt Er weiter — 
iſt anf dem Markt wohlfeil gewefen: es hal⸗ 
ten fi) viele Fremde in der Stadt auf: nad) 
dem Felle des Bacchus ift das Meer wieder 
fehiffbar : die Saat wird gut qerathen, wenn 
der Himmel regnen läßt: kuͤnftigs Jahr will 
"m mein Feld bauen: it ie ein Eümmerliches 

| Leben. 


| 192 — 





Leben. So erzaͤhlt Er auch, daß Damiph 
am Feſte der Ceres die größte Fackel aufges 
ſteckt habe — und auf wie vielen Eäulen der 
Koncertſaal rube. Ferner ſagt Er: Geflern 
habe ich mich übergeben müfen — mas iſt 
heute für ein Tag? Höre man Ihm nun fo 
geduldig zu, fo wird man feiner nicht los: 
Er erzählt alsdenn , daß das Feſt der Ceres 
in den September, die Apaturien in den Ok⸗ 
tober , und das Landfeft des Bacchus in den 
December falle. ; Dergleiben Menſchen muß 
man mit Händen und Fuͤſſen von fi fioffen 
und fie fliehen, wenn man nit das Fieber 
haben will. Denn es ift ſchwer, foldhe Leute 
aussuftehen,, die weder Muffe noch Geſchaͤfte 
fennen. 


— u an —⏑————— 


Archytas von Tarent. 


Eine der gluͤckſeeligſten Stunden Agathons 
(wie er in der Folge oͤfters zu verſichern pfleg⸗ 
te) war dieienige, worinn er die perſoͤnliche 
Bekanntſchaſt des Archhtas machte. Dieſer 
ehrwuͤrdige Greis hatte der Natur, und eis 
ner Mäßigung, die von feiner Jugend an ein 
unterfibeidender Zug feines Charakters gewe—⸗ 
jen war, den Vortheil einer Rebhaftigkeit aller 
Kräfte zu danken, welche in feinem Alter et 

| was 


umge 193 


was feltnes iſt, aber es doc bey den alten 
Griechen lange nicht fo fehr war, ale bey 
den meiften Europaifhen Voͤlkern unferer Zeit, 
So abaefühlt die Einbildungsfraft unfers Hels 
den war, fo Fonnte er doch nichts anders, als 
etwas Ssdealifches in dem Gemiſche von Maies 
ftät und Anmuth, welches ſich über die ganze 
Perſon diefes liebenswürdigen Alten ausbreites 
te, empfinden ; und es defto flärfer empfinden, 
ie ftärfer der Abfag war, den diefer Anblick 
mit allem demienigen machte, woran ſich feine 
Augen feit geraumer Zeit hatten gewöhnen 
mülen. — „Und warum konnte er nit ans 
ders? —“ Die Urfache ift ganz einfach : weil 
diefes Idealiſche nicht in feinem Gehirn, fons 
dern in dem Gegenftande felbft lag. Stellet 
end) einen groffen flattlıden Mann vor, deſſen 
Anfehen heym erften Blick anfündiget, daß er 
Dazu gemacht it, Andre zu regieren, und der 
ungeachtet feiner filbernen Haare, die Miene 
bat, vor funfzig Jahren ein fehr fhoner Mann 
geroejen zu ſeyn. — hr erinnert euch ohne 
Zweifel dergleichen gefehen zu haben: aber dieß 
iſt es noch nicht. — Stellet euch vor, Daß 
dieſer Mann in dem ganzen Laufe feines Le—⸗ 
bens ein tugendhafter Mann geweſen iſt; daß 
eine lange Reihe von Jahren feine Tuaend zu 
Weisheit gereift hat; daß die unbewoͤlkte Heis 
terkeit feines Geiſtes ‚ die Ruhe feines Herzens, 

N die 


194 — 


die allgemeine Guͤte, wovon es beſeelt iſt, das 
ſtille Bewußtſeyn eines unſchuldigen und mit 
guten Thaten erfüllten Lebens, ſich in feinen 
Augen und in feiner ganzen Gefichtsbildung 
mit einer Wahrheit, mit einem Ausdruck von 
ſtiller Gröffe und Würdigfeit abmalt , deſſen 
Macht man fühlen muß, man wolle oder 
nicht. — Dieß iſt es, was ihr vielleicht noch 
nicht geſehen habt; dieß iſt das Idealiſche, 
das ich meynte; und wovon Agathon ſo ſtark 
geruͤhrt wurde. Er hatte nichts weiter noͤthig, 
als dieſen alten Mann anzuſehen, um übers 
zeugt zu fenn, daß er endlich gefunden habe, 
was er jo off gewünfcht, aber noch nie es ges 
funden zu haben vermeynt hatte, ohne-daß er 
in der Folge auf eine oder die andre Art feis 
nes Irrthums überführt worden wäre, — eis 
nen wahrhaftig weifen Mann; einen Mann, 
der nichts zu ſeyn fcheinen wollte, ald was er 
wirklich war, und an welchem das fharffichtigs 
fie Auge nichts entdecken Fonnte,. daß man ans 
ders hätte wünschen mögen. Die Natur fhien 
fi) vorgefegt zu haben, in ihm zu bemeifen, 
daß die Weisheit nicht weniger ein Geſchenk 
von ihr fen , ald das Genie; und daß, wofern 
es gleich der Kunft nicht unmöglich ift , ein 
ſchlimmes Naturell zu verbeſſern, ia wol gar 
aus einem Silen, (ſo der Himmel will) einen 
Sokrates zu machen, es dennoch der Natur 

allein 


— 


—— 195 


alein zukomme, dieſe gluͤckiiche Temperatur 
der Elemente der Menſchheit hervorzubringen, 
welche, unter einem Zuſammenfluß eben fo gluͤck⸗ 
licher Umſtaͤnde, endlich zu dieſer vollkommnen 
Harmonie aller Kraͤſte und Bewegungen des 
Menſchen, worinn Weisheit und Tugend zu— 
ſammenflieſſen, erhöht werden kann. Archyhtas 
hatte niemals weder eine alübende Einbils 
Dunasfraft , noch heftige Reidenicbaft gehabt. 
Eine gewiffe Stärfe, die den Mechaniſmus 
feines Kopfs und feines Herzens charaktes 
riſirte, hatte von feiner jugend an die 
Wirkung der Gegenftände auf feine Seele ges 
mäßiget. Die. Eindrücke, die er von ihnen bes 
fam, waren deutlich und ſtark genug, um ſei— 
nen DBerftand mit wahren Bildern zu erfüllen, 
und die Verwirrung zu verhindern, welche in 
dem: Gehirne verienigen zu bereichen pflege, 
deren alzulichlaffe Fibern nur ſchwache und 
matte Eindrücke von den Gegenftänden empfans 
gen. Aber fie waren niche fo lebhaft, und von 
Feiner fo flarfen Erſchuͤtterung begleitet, wie 
ben denen, meiche durch zaͤrtlichere Werkzeu⸗ 
‚ge und reisbarere Sinnen , zu den. entbufiaflis: 
fhen Künften der Muſen befiimmet , den zweps 
deutigen Vorzug einer zauberifehen Einbildungss 
kraſft und eines unendlich empfindlichen Herzens, 
fheuer genug bezahlen muͤſſen. Archytas hatte. 
es dem Mangel diefes eben fo ſchimmernden, 

Na als 


196 nn | 

ald wenig Geneidenmerthen Vorzugs zu dans 
fen, daß er Wenig Mühe hatte, Ruhe und 
Drdnung in feiner innerlichen Verfaſſung zu ers 
balten; daß er, an ftatt von feinen Ideen und 
Empfindungen beherrſcht zu werden, allezeit 
Meiſter von ihnen blieb; und die Verirrungen 
Des Geiſtes und des Herzens, von denen das 
ſchwaͤrmeriſche Volk der Helden, Dichter und 
Virtuofen , aus eigner Erfahrung fpreden 
fann, nur aus fremder Erfahrung Fannte, 

Daher Fam es auch, daß die Pythagoraͤiſche 
Philofophie, in deren Grundjägen er erzogen 
worden war, — eben diefe Philofophie, wel— 
de in dem Gehirne ſo vieler Andrer zu einem 
abentheuerlichen Gemiſche von Wahrheit und 
Traͤumerey wurde, — ſich durch Nachdenken 
und Erfahrung in dem ſeinigen zu einem Syr 
fiem von eben fo fimplen, als fruchtbaren und 

und praftifchen Begriffen ausbildete; zu einem 

Syſtem, welches der, Wahrheit naͤher zu kom⸗ 

men ſcheint, als irgend ein anders, welches 

die menſchliche Natur veredelt, ohne fie aufs 

zublähen , und ihre Ausfichten in befjere Wels 

ten eröffnet, ohne fie fremd und unbrauchbar" . 
in der gegenwärtigen zu maden. Ein Spy 

fiem , das durdy das Erhabenfte und Belle, 

was unfre Seele von Gott, von der Welt, 

und von ihrer eignen Natur und Beſtimmung 

zu denken faͤhig iſt, ihre Leidenſchaſten reini⸗ 
get, 


> 


— — 197 


get, ihre Geſinnungen verſchoͤnert, und (was 


das wichtigſte iſt) ſie von der tyranniſchen 
Herrſchaft dieſer pöbelbaften Begriffe bes 
freyer, welche die Seele verunftalten,, fie klein, 
niederträchtig,, ſurchtſam, falſch und fFlavens 


. mäßig maden ; iede edle Neigung , ieden 


grofien Gedanken abſchrecken und erfticken. 








Der Juͤngling von der guten und 
boͤſen Seite. 


ey. Juͤngling bat alle Eigenfchaften, wie 
fie fein anwachſendes Gluͤck und die auf ihn 
toartende Welt verlange. Alles in ihm und 
auffer ibm ift zur Verbefferung und Reife feiz 
ner Kräfte, zum kuͤnftigen glücklihen Manne, 
und zu einem nüglichen Bürger der Welt ans 
geleget „ der, wie er, in gemwiffer Maße der 
Wohlthaͤter derfelben wird, zugleich bey ihr 
wieder ein Recht auf ihre Dankbarfeit und 
auf Gegenmohlrhaten fi) erwirbt. Wir mwols 


len den ganzen Gehalt feines Charafters bes 


traten; fein Gutes, wie es fib von feinen 
Schlafen abfondern läßt, und die Febler des 
Naturells, wie fie durd Unterricht und Vils 
dung zu guten Eigenfchaften und der Tugend 


befoͤrderlich werden Fünnen. 


N 3 Der 


x08 ——y 


Der Juͤngling iſt meiſtens von Natur in feinen 
Wuͤnſchen und Unternehmungen kuͤhn, heftig und 
unbeftändig. Der Leichtſinn, eine unſtaͤte Ruhmbe⸗ 
gierde, eine natuüͤrliche Neigung alles haſtig nachzu⸗ 
ahmen, ein gewaltiger Trieb zu finnlichen Vergnüs 
gungen, leiten und führen ihn, bemächtigen fid) 
feingß Herzens und leicht auch feines Verfians 
des zum Dienfte der Thorheit. Er ift leichte 
Hläubig , bald gewonnen, aber eben fo bald 
beleidiget , und fehnell zur Ahndung. Er naͤ— 
bert fichb gerne der Verſwendung', und vers 
achtet die Sparfamfeit. Er füblet den täalis 
eben frifchen Anwachs feiner Kräfte, und wage 
fie Eühnlich daran, unbeſorgt für feine Ge⸗ 
ſundheit und oft für fein Leben Er ſcheut 
gemeiniglid den Aufſeher, wid ſich felbft Ges 
feg und Klucheit feyn, und ſtuͤrzet ſich im 
Fehler. Er ſcheint bald feinen Fehler zu bes 
reuen, aber in ver That Fränft ihn mehr der 
Vorwurf und der Schimpf, den er fid) dadurd) 
zuzieht, als der Fehltritt ſelbſt. — Dieß ift 
das Bild des Juͤnglings, wenn man ihn auf 
der ſchlechten Seite betrachtet; und dennoch 
enthält er bey allen den Fehlern, wodurch fie 
ihn verunſtaltet, die Grundanlage zum guten . 
und nüglichen Menſchen. 
4— 


Der Fühne und heftige Jaͤnaling iſt der 
erſte Stoff zu dem — und arbeitſamen, 
der 


— —— 199 


der unbefändige und leichtfinnige zu dem folgs 
famen und gefegten Menſchen. Wie langfam 
würde fein Gedaͤchtniß, feine Einbildungsfraft 
und fein Verſtand mit den nothwendigen Ges 
‚genfländen und Kenniniffen des Lebens erfüllt 
werden, wenn er nicht unſtaͤt und flüchtig im 
feinen Neigungen und Wünfchen wäre? Ein 
ieder Schritt zur Thorheit würde ihm ein 
Schritt zum Lafter ſeyn, wenn er der einzel 
nen Thorheiten weniger geſchwind und übers 
drüffig würde. So Fühn und heftig der Juͤng— 
ling in feinen Unternehmungen ift: fo hat ihn 
doch die Natur, um dem Mangel feiner Ers 
fahrung und feiner Einfihe zuvorzufommen, ' 
mit einer edlen Schamhaftigkeit ausgerüfter. 
Diefe marner, und leitet ihn, wenn er fie niche 
frevelhaft unterdrückt. Eben der Süngling , 
der gern ungebunden ſeyn will, ift doch zugleich 
der Süngling, der durch geheime Bande an 
die Heine Welt feiner Familie und Verwand— 
ten fo meife gefefjele it, daß er ſich, gern 
oder ungern, dennod) ihren Leitungen ergiebt, 
Liebe und Danfbarkeit gegen feine eltern und 
Wohlthaͤter vertreten öfters bey ihm die Stels 
le des Verſtandes. Er ift hitzig, feinen Ge 
genſtand zu verfolgen; aber ift er nicht auch 
empfindlid) gegen die Bitte einer liebreichen 
Mutter 2 Ihn erſchreckt der meife Tadel eines 
güfigen Vaters; und die fanfte Erinnerung 
4 eines 


209 ——— 


eines Freundes wird oft für ihn eine eindrim 
gende Gittenlehre. Der Juͤngling ift leicht 
gläubig, und diefe Eigenfehaft ſtuͤrzt ihn in 
viele Fehler ; aber er glaubt auch das Gute 
leicht , und am leichteſten glaubt er es denen, 
die feine Hochachtung und Liebe zu verdienen 
wiſſen. Auf ſolche Weife wird, an der Seite 
vernünftiger Menſchen, feine Reichtgläubigfeit 
Glück für ihn; und durch ihren Unterricht, 
durch ihre Erfahrung, zu der nod) feine eigene 
Erfahrung hinzukoͤmmt, wie oft ihn feine Leicht⸗ 
gläubigkeit betrogen, wird fie mit der Vorſich— 
tigfeit verwandt. — Der Jüngling, der iezt 
feine Fehler gern verbirgt „ iſt doch zu anderer 
Zeit offenberzig genug, fie ſelbſt zu verratben, 
und geſchwaͤtzig genug, ſich ſelbſt zu beſchaͤmen. 
Er giebt Andern dadurch Gelegenheit, ſie zu 
verbeſſern; und ſo werden Andere immer das 
fuͤr ihn, was er ſich ſelbſt noch nicht iſt. — 


Der Juͤngling iſt begierig nad) Beyfalle 
und Bewunderung, und geht mir groſſen Ges 
danken von fid) und feinen Fünftigen Unters 
nehmungen einber ; eine Leidenſchaft, die von 
der Hand der Weisheit umgebildet und. regies 
vet, zum feurigen Antriebe des Fleiſes und der 
Beſtrebung ım Guten für ibn wird. Uber 
Int Der Süngly — aus —— 





| nur 


(sans ana nun 201 


aur feine Verachtung oder feinen Haß verdie 
nen follten ? Sa, aber meiftentbeils aus Man: 
gel der Einfiht und guter Beyſpiele. Seine 
Erziehung fen noch fo mangelhaft ; fo ift doch 
Dit ein einziges ruͤhmliches Beyſpiel genug, feis 
ne Begierde nab Ehre auf gute Sitten und 
edle Neigungen und Unternehmungen zu rich; 
ten. Ein ungluͤcklich gewantes Unternehmen 
giebt ihm Erfahrung , und diefe wird ihm, fo 
oje fie ihn an feinen Fehler erinnert, aud) das 
Geſetz einfbärfen , daß er weifer, und bey der 
Mahl feiner Ehrbegierde vorfichtiger ſeyn fol. 
Fält feine falle Ruhmſucht gar auf das 8a 
fer : fo firaft ihn das Gewiſſen, und ruft ihn 


wieder auf den. rechten Weg; das Gewiſſen, 


das in feinem empfindfamen Herzen eben fo 
lauf fpricht , als feine unerlaubte Begierde, — 
Ohne die hohen Gedanken von fi) und feinem 
fünftigen Untbeil an den Weltbegebenheiten, 
würde der Juͤngling in feiner Ehrbegierde und 
in feinem Fleiſe bald ermüden. Er beträgt fi 
freilich, aber doch zu feinem Bünftigen Vor— 
tbeile, wenn er nur will. Selbſt aus feinem 
Stolze wird einft die ihm und der Weit fo 
nothwendige Tugend der Beſcheidenheit und 
Demuth erwachſen, wenn er nur will, Seine 
wagende Ehrbegierde verficht ihn mit nüglıden 
und angenehmen Eigenſchaften. Er erlernt viel 
Lobenswürdiges, ſchmeichelt fi, wie viel er 

R 5 wiſſe, 


202 om — 

wiffe, wie gut er ſey, iſt muthig, acht immer 
weiter , fieht inmmer mehr, das er faflen und 
wagen muß; immer mehr Fehler, die er ables 
gen, immer mehr Ruͤhmliches, dem er nach⸗ 
fireben muß. Endlich, nachdem feine Einficht 
auf diefem Wege flufenweife geftiegen, und Ers 
fahrung, Zeit und Tadel ihn gelehret haben , 
wie Flein fein Verdienſt, und wie unvollfoms 
men feine Tugend ſey, verwandelt ſich fein 
Stolz fiufenweife in Demuth. So verliert die 


Raupe ihre berfiende Hülle, und nimmt die 


Geſtalt eines gefälligen Sommervogels an. — 


Der Juͤngling iſt verwegen, und dieſe nas 
tuͤrliche Verwegenheit wird durch die Ausbil, 
dung zu einer weiſen Herzhaftigkeit und Ent 
ſchloſſenheit in Gefahren; eine Tugend, die 
kuͤnſtig ſeine Familie und ſein Vaterland von 


ihm erwarten. — Sein Blut wallt in ſeinen 


Adern, und macht ihn ſtuͤrmiſch und heſtig; 
aber auch begierig nach Leibesuͤbungen, die 
ſeine Nerven anſtrengen und beſeſtigen, und 
ſeinen Koͤrper zur Erduldung der Arbeit und 
der mannigſaltigen kuͤnſtigen Beſchwerden des 
Lebens abhaͤrten ſollen. Ohne ſeine Haſtigkeit 


und Fluͤchtigkeit wuͤrde der Ueberfluß ſeiner 
Saͤfte entweder der Geſundheit ſchaden, oder 


die Gliedmaßen des Koͤrpers fuͤr die Befehle 
der Seele ungelenkig werden lafſfen. — 


Die | 


> 


\ 


— — 203 


Die Leidenſchaften, die ihren Sik zugleich 
in feinem. branfenden Blute haben, Zorn und 
Wolluſt, ſcheinen die ſchlimſten und verderbs 
lichſten Züge in feinem Charakter zu fern. - 
Wie tobt der. Zorn eines aufgebrachten Juͤng⸗ 
ling ! Aber, Dank fey es feiner natürlichen 
Unbeftändigkeit! Er währet nicht lange, Und 
wie verföhnlich ift fein innges Herz, genen 
das Herz eines beleidiaten Alten betrachtet! 
Er vergiebt ſchnell ein erlittenes Unrecht 
und bereut ein angethanes eben fo ſchnell, 
nachdem er bald fanft, bald ernfilich erinnert 
wird. Sein Zorn,, wenn er verſchwunden ifl 
lehrt ihn ‘die DVorfichtigfeit, ſich vor Beleidis 
gungen zu büten, und wird , wenn er 
durch die. Vernunft angehalten worden , zu 
einem plösliben ruͤhmlichen Widerwillen ges 
gen das, mas fein oder BE, Gluͤcke uns 
bilig flöret. — 


Seine geringe Liebe zum Gelde, die leicht 
in- Verſchwendung ausarten kann, bewahret 
ihn vor einem groffen Feinde der Tugend in 
feiner Seele , vor dem Friedyenden Eigennuße, 
der ihn aufferdem in feinem männlichen Als 
ter zu gebieterifch regieren würde, Eben 
der Sjüngling , der iest das Geld nicht ad)s 
tet, fol früh die Neigung der Gusthätigs 

keit 


204 I1 — 


keit und Freygebigkeit, aus der ſo viele ge⸗ 
ſellſchaftliche Tugenden entſprieſſen, in ſich 
wurzeln laſſen. — 


Seine heftige Begierde, Andern nach⸗ 
zuahmen, iſt eine Quelle vieler Thorheiten 
und gefaͤhrlicher Verſuche, aber dieſe Be⸗ 
gierde, durch Klugheit eingeſchraͤnket, macht 
ihn zum nuͤtzlichen Buͤrger der Welt. Sein 
den Sorgen verſchloſſenes Gemuͤth erhält “ihn 
in der Heiterkeit, dem Geſchaͤfte, das er 
erwählet,, ganz zu leben; und feine Wifbes 
gierde , ob fie gleich anfangs mehr mit den 
Gegenfländen der Sinne und des Geédaͤcht⸗ 
niffes beichäftiget, fammelt doch eben dadurd) 
Meichthümer zum Gebrauche des Verſtandes ein. 
Sein Charakter ift der fruchtbare Baum im Fruͤh⸗ 
ling ; er treibt ftarfe Zweige , treibt Blätter, 
Knoſpen und Bluͤten. Ohne die erſten Fünnen 
die lezten nicht hervorkommen; aber wenn alle 
Bluͤten Fruͤchte wuͤrden, wuͤrde ſie der Baum 
nicht fragen koͤnnen. Die heftige Neube— 
gierde des Juͤnglings wehrt dem frägen 
Müfiggange ; und endlih, fo finnlih er 
iſt, fo ift er doch zugleich das Gefchöpf , 
das feinen Hunger am leichteften und mit 
den einfältigften Speifen ſtillen kann, ohne 
fi) zu Deflagen. unbekannt mit den Ges 

| maͤch⸗ 


— 


—— 205 


maͤchlichkeiten, die das Alter fordert und 
liebet, übernimmt. er eine harte Lebensart ges 


5 duldig, menn fie mit dem Wunſche feiner 
Neigung übereinfommt, und von der Pfliche 


ihm empfohlen wird, 


Das ingendlihe Herz; hat alfo freilid 
nefährlihe Leidenſchaſten; aber fie fliimmen 
doc) untereinander , wenn fie gut gebildee 
und regieret werden, dienſtfertig zu feinem 
Gluͤcke überein. Selten if Geiz, Neid, 
Betrug, Troß und Granfamfeit der Antbeil 
ingendliher Neigungen , ein groffes Gluͤck 
für den Charakter des Juͤnglings.  Gefelligs 
feit, DBegierderzu gefallen ‚ nachzuahmen und 
Sreunde- zu haben, Kühnbeit, Ehrliebe, 
Mitleiden, Dienfifertiofeit find meiſtens die 


Heinen Bäche, die das Herz des Juͤnglings 
durchwaͤſſern, damit es die Fruͤchte feiner 


Privartglückfeeligkeit und des allgemeinen Des 
ften tragen Fann, Seiner Febler find viel, 
und doch koͤmmt es auf die Erziehung , die 
er genießt, und auf ihn felber an, fie immer 
mehr zu unterdrücken, immer weifer, vorfid)s 
tiger, mäßiger und brffer zu werden, und. 


wenn er früh fein Herz der Religion übers 


giebt ,„ fi vor wiſſentlichen Laſtern zu bes 
wahren. 


% f ‘ So 


206 RITTER 


So bild, 9 Tüngling, denn 
Dein Herz fihon in der Tugend; 
Sieh auf die Weisheit ftets , 
Doch mehr noch auf die Tugend! 
Denf, daß nichts glücklich macht, 
Als die Gewiſſensruh, 
Und daß zu deinem Glüd, 
Die niemand fehlt, als 9. 


VI. Ueber 


J 
ueber 


Hoͤlth's Charakter, 





— — — — — 


209 


| Ha 1. September 1776 ſtarb zu Hans 

nover ©. & H. Hölty ın feinem acht 
und zwanzigſten jahr, an der Auszehrung. 
Ich mill die alte Klage, die man ſchon fo 
oft mit Recht anftimmte, nit von neuem ang 
ſtimmen: daß fo viele unfrer beſten Köpfe in 
der Bluͤthe ihres Lebens unferem Waterland 
entriffen werden, fo gerecht auch bier die Klas 
ge wäre. 


Aber denen, die meined Freundes Lieder 
mit fo vielem Antbeil lefen — und dieß find 
gewiß nicht wenige, und gewiß aus den Edlen 
Des Volks — will ich einen Eurzen Entwurf 
feines Charakters geben, welches ich nach einem 
mehr als dreyiährigen fehr vertrauten Umgang, 
treu genug thun zu Fünnen, glaube. Aus dem 
Zon, den er in feinen meiften Liedern angab, 
kennt man Hoͤlty als eine fanftfchwärmerifche, 
fromme, gelaſſene, balbmelancholifihe , aber 
doc) rubigtraurige ,„ im Anfıhaun der Natur 
und ihrer Schönheiten verfunfne Seele. In 
feinen Liedern fürmt fat niemals eine laute, 
oder ſtarke Leidenschaft; Nührung und Bewe⸗ 
gung Ströme fanft darinnen hin. Die Wirs 

| O kung, 


210 — — 
kung, die er ſeinem Leſer mittheilt, iſt die 
Wirkung, die die Abenddaͤmmerung hervor— 
bringt: ſchwermuͤthige Ruhe, die an Thraͤnen 
graͤnzt. 

Wie Hoͤlty iezt noch in ſeinen Liedern 
lebt, und hoffentlich noch bey der Nachwelt 
leben wird, fo lebte er vor kurzem noch auf 
der Welt, und unter feinen Sreunden. Wer 
ihn zum erftenmal, oder blos aufs Aeuſſerliche 
ſah; bekam eben Feine. vortheilbafte Meynung 
von ihm. Er gieng niedergebücft, hatte einen 
trägen Gang, fah einem trenherzig, aber eins 
fältig fcheinend ins Geſicht; feine Geſichtsfarbe 
war beftändig blaß, und verfündete den Tod, 
der ihm feit vielen Sahren ſchon am Leben 
nagte. Und von dieſer Kränflichkeit kams 
auch, daß er träg und phlegmatiſch ſchien. 
Unter unbekannten Menſchen ſprach er wenig, 
oder nichts; Denn er war furchtſam und ein 
wenig mißtrauiſch; auch wieder eine Folge 
ſeiner Kraͤnklichkeit. 


Nur im vertrauten Kreiſe ſeiner Freunde 
ſchloß ſich feine Seele, auf, ließ in ſich hinein⸗ 
blicken, und theilte ſich andern mit. 


Eh” ich aber feinen geſellſchaftlichen Cha— 
rafrer angebe, muß ich ihn zeigen, wie er in 
der Einiamfeit war, mworinnen ic) 1 oft bes 
lauft habe. e: 


———— 211 


Er hatte eine brennende Wißbegierde, die 
beynah an Neugier graͤnzte. Daher kam ſein 
Fleis, und die Frucht davon, feine ausgebrei— 
tete Gelehrſamkeit. Seine Beſtimmung war, 
ein Prediger zu werden. (ob er fie gleich im 
lesten Jahr feines Lebens, wegen mehrmaligen 
Blutauswerfens, nicht verfolgen konnte) Alſo 
findirte er ſehr fleiſig die Theologie, und alle 
Huͤlfswiſſenſchaſten. Aber neben dieſer Haupts 
wiſſenſchaft Audirte er unaufhoͤrlich die ältere 
und neuere Philofophie und ihre Geſchichte, 
die Hiltorie, und die fhonen Wiffenfchaften 
in all ihrem Umfang. jeden Schrifefteller las 


er in feiner eignen Sprache. Er verfland, und » 


zwar fehr gründlied , hebräifdy , griechiſch, las 
teinifch , engliſch, ſpaniſch, italiaͤniſch, franzoͤ⸗ 
ſiſch: die griechiſche, engliſche und italiaͤniſche 
Sprache liebte er am meiſten; in der engliſchen 
gab er viel Unterricht; fein herrliches Gedaͤcht⸗ 
niß machte, daß er nit nur alle diefe Spras 
chen aut verſtand, fondern auch feinen Ver⸗ 


fand mit allen Schägen ihrer Schriftfteler bes 


reicherte; er überjegte auch fehr gut den Kens 
ner; Hurds Dialogen; den erften Theil von 
Schaftesburys Charakteriſtik, wovon leider 
nur der erite Theil gedruckt werden Fann. 


Ihm konnte man alſo gewiß nicht den 
Vorwurf machen, den man haͤufig den Dich⸗ 
| | | D a2 


! 


fern 


* * 


212 — 


tern und den fogenannten fehönen Geiſtern — 
oft mit Recht, gewiß aber auch oft mit lin; 
recht — macht, daß fie nichts als Verſe maz 
Ken und Gedichte lefen Fünnen. Er opferte 
vielmehr dem Fleis und feiner Wißbegierde 
faft zu viele Zeit und Kräfte. Haͤtt er wenis 
ger fiudirt, fo glaub ich faft gewiß, er lebteunter 
uns nod) lange Zeit. Ganze Tage und gemöhnlich 
mehr als halbe Nächte faß er, über dicke Fo⸗ 
lianten und Duartanten hingebuͤckt, mit folcher 
anhaltenden Geduld, daß er fie in wenig Abos 
hen ganz durchlas. Wenn er fib einmal 
zum Leſen hingefeßt hatte, fo vergaß er alles, 
Welt, Geſellſchaſt, Effen und Schlaf. Diefe 
aelehrte Sorgloſigkeit mag eine Miturſache feis 
ner befländigen Kränflichfeit geweſen ſeyn. 
So fehr er auch den Umgang mit Perfonen, 
die er einmal lieb gewonnen hatte, und das 
freye Feld, den Tempel der Natur, liebte; 
fo verließ er doch ſehr felten auf einen Ans 
trieb fein Zimmer, und die Bücher: immer 
hatte er einen Auffern Anſtoß noͤthig. Die 
zwey erften Jahre, als er in Göttingen ſtu⸗ 
dirte, ſah man ihn faft nie, als in den Kol 
legien , die er fehr gemiffenbaft befuchte. In 


den legten drey Jahren Fam er in die engfle 


Verbindung mit den edlen Sünglingen , die 
gewiß. durch aanz Defondere WVorfehung, aus 
fo verfhiedenen Gegenden , in Göttingen zuſam⸗ 

| men 


— 213 


men kamen, und den Bund der Freundfchaft, 
der Religion , des DWaterlandes und der Tus 
gend flifteten. Shre Namen Fennt man größs 
tentheils fun aus den Mufenalmanaken : 
Stolberg, Bürger, Boje, Hahn, Voß, Leis 
—* u. a. 


Hoͤlth lebte unter dieſen neu 4 Wir 
Re ihn fleifig auf unſere Spaziergänge 
mit. In: Gefellfhaft folher Freunde, die ein 
ſo gemeinſchaftliches Intereſſe mit ihm hatten, 
büllte feine Seele ſich aus ihren Wolfen, fie 
ward offener und heiterer, faugte mehr Ders 
gnuͤgen ein, und theilte fid) und ihre Empfinz 
‚dungen mehr mit. Diefes, und die häufige 
Bewegung in der freyen Luft hatte auf feine 
Gefundheit einen fehr heilfamen Einfluß, fo, 
daß er von der Zeit an weit gefünder ausfah, 
und fogar etwas Roͤthe im Gefiht befam , big 
‚endlich das verfchloffene Uebel ausbrab. Vor 
Anderthalb Jahren warf er Blut aus, hatte 
bis ans Ende einen fehr hartnäckigen Hufen, 
immterwährende Beflemmungen, in der lezten 
zeit faſt Feinen Schlaf : und fo farb der jrons 
nie Dulder. 9 am 4. Auguſt 1776. ſchrieb 
er mir: 


Ich AAN mid) ‚Diefen Sommer fehr 
ſchlecht. Saft drey Monate hindurch habe 
* eine Nacht geſchlaſen, immer ein ſchlei⸗ 

D3 chen⸗ 


214 — | 
chendes Fieber, Kopfweh, und bie heftigften 
Bruftbeflemmungen gehabt: Du Fannft leicht 
denfen, wie mich das abmatten mußte. Sch 
trinke iezt fehon über vier Wochen den Bruns 
nen, und fpüre gegenwärtig einige’ Befles 
rung. Der golöne Schlaf kommt wieder: 


nur geben ſich die leidigen Bruftbeflemmuns 
gen noch nicht. ” 


MWie die meiften Schwindfüchtigen , hoffte 
er auf Leben bis an feinen Tod ; am Ende dies 
fes Briefs fehrieb er. mir: © 


„Schreib mir bald einen recht langen’ 
Brief! Ich werde Fünftig gewiß fehr oft an 
dich Schreiben. ” — Hier muß ich inne hals 
ten ; Thränen hindern mid. Gott! was find: 
menfchlibe Hoffnungen und Entwürfe! Er 
fab. feine Zeile mehr von mir: ich werde Feis 
ne mehr von ihm ſehen! Du bift hingegangen,. 
Kieber! Wer aus unfrem Kreife wird zuerft 
dir folgen ? Wann werd ich dich wieder fes 
ben, du Geltebter, und ang Herz dich drüs 
en, und dann ewig dein fun? — — 


Behaglichkeit , Keidfamfeit, Hang zur Rus 
be, Empfänglichfeit „ befondere für alles -Traus 
rige und Stillrührende — waren die Hanpts 
beſtandtheile im Charafter meines feeligen 
Freundes. Aber fen Hang zur Ruhe war 

nicht 


| m 215 ) 


nicht Trägheit, fo bald es darauf anfam, eis 
nem Menſchen, und befonders einem Freunds 
zu dienen. Er war aufferordentlich gefällig. 
Reine Bitte, that man fie auch auf Koften 
feiner Ruhe, ſchlug er ab. Er hätte Folianz 
ten für einen excerpirt, wenn man feine Ges 
faͤlligkeit hätte mißbrauchen mollen. — Sin eis 
ne heftige Bewegung oder Feidenfchaft konnte 
ihn nicht leicht etwas bringen, Faum eine Be 
leidigung feiner febft: aber allemal erhub fid) 
feine Seele, und rüftete fib mit ediem Uns 
willen, wenn nian ihm von einer ſchlechten 
That, von DWerführung oder Unte drücfung 
Der Unfchuld , von gefränfter Menſchheit, vom 
Triumph. der Bosheit und des Laſters fagte. 
Alsdann ſprach er heftiger , gefbwinder, mit 
erhöhter Stimme; und Seh! für Menſchheit 
und Tugend roͤthete ſeine, ſonſt immer blaſſe, 
Wange. Er war wie umgeſchaffen; feine 
Worte wurden Kraft; edler: Unwille bliste 
aus dem, ſonſt fo ruhigen und flilen Auge, 
So ſah ich meinen Lieben vft, beſonders, 
wenn ic) allein bey ihm faß, und mit ibm ing - 
Gewühl der, Welt, in den Wirrwarr von 
Trug und &ft, in den Kampf der Unſchuld 
mit dem Lafer, der Unterdruͤckung mit der 
Ohnmacht, der vornehmen Schurken mit dem 
chen Armen blickte. 


D4 i Er 





Er’ Fannte die Seele und die Kraft: des 
Menſchen. Aber, meil er: wenig unter Mens 
chen kam, fo alanbte er nicht, daß fie diefe 
Kraft fo oft zu Trug und Bosheit, und zu 
Unterdrückung und Mifhandlung ihrer Brüder 
anwenden. Er beurtheilte fie groͤßtentheils 
nach ſich; und da waren es freilidh edle frieds 
liche Gefhöpfe voll Adels und Wohlwollens. 
Er war immer am beredfeften, wenn man von 
guten Menſchen fprad. Er flimmte iedem 
gobe freudig bey, das man einem Edlen gab. 
Er fiannte oft, oder zweifelte, wenn er wies 
der eine ſchlechte Menſcheuthat hörte; er ents 
fyuldigte, fo lange er Fonnte. Dann aber, 
wann dieß niche mehr moͤglich war, dann 
wandte fi fein ganzer verachtender Unwill auf 
diefe feblechte Seele, und fein ganzes Mitleid, feine 
ganze Liebe, feine ganze Seele neigte fich zum edlen: 
Unterdrückten; eine fromme Thraͤne flof ihm. 


Wie richtig fein Gefühl war, wie er alles 


Ruͤhrende, ins Herz fi fehleihende, allg 


Seelenfihmelzende auffafte, wiſſen ‚alle vie, 
die feine Lieder lafen. Inter feinen Lefern has 
be ich Feinen noch gefunden, der ihn nicht liebs 
te ; nicht mit Antheil fidy nad) ihm erkundigte. 
Immer der ficberfle Lohn der Empfindung die 
Die Seele der Dichtkunſt if Je mehr ein 
Schriftſteller, und befonders ein Dichter, Ems 
pfindung hat; deſto mehr bat er Stunde, die 

ihm 


ihm aus Grund der Seele aut find. Bewun— 
derung. iſt immer erſt das zweyte, was ſich ein 
| ne zu erwerben fudt. 


Hoͤlth hatte gewiß viel Empfindung. Geis 
ne Einbildungskrafe ftellfe immer das zufams 
men, was zunaͤchſt ans Herz greiſt. Daher 
das Daͤmmernde in ſeinen Liedern, die Abend⸗ 
und Nachtſcenen, das viele Mondenliht, dag 
naͤchtliche Zirpen der Grillen, die ländliche 
Einfalt, der. elegifhe Ton, das öftere Sehnen. 
nad) Tod und Grab; endlich Die vielen froms 
men, aus der Religion gehobenen Empfindung 
gen. Noch). überzeugender wird man diefes eins 
fehen , wenn man. feine Gedichte benfammen 
ſehen wird, welches bald geſchehen ſoll. 


Seine Religion war: Glaube, Liebe, 
Hoffnung. Sie floß aus der Bibel in ſein 
Herz. Das ewige Raͤſoniren, Rektificiren, 
Diſtilliren, Sichten und Sieben der Religion, 
das iezt manche Theologen bis zum Webermaß 
und Eckel treiben, war ihm für den Tod zus 
wider. Sein Stab und Aufer war Chriſtus; 
darauf lehnte und flüßte er fih, nicht achtend 
des zerbrechlichen Rohrſtabs, den mit fſuͤſſem 
Geſchwaͤtz und ewiger Anpreifung ihrer Waare 
die Berliner Bibliothekare und ihre Vor⸗ und 
Nachbeter dem Waller durchs Leben anbieten. 
Oft ward er ganz boͤs ‚ wenn wir wieder einen 

D5 felbfts 





218. - 


febftgefälligen theolodifchen ſuͤſſen Herrn auftres 
ten ſahn, der mir vlelem Anftand und Reben 
art fo ganz 'cavalierement dem armen Reiz 
‚ denden Shriftum feinen ‚Heiland , Bruder nnd 
Gott, Jeſus Chriſtus, den Gefrenzigten , den 
Gindentilger , der ihm bisher alleg war, 
Schild and Troſt im Elend, megplappern, 
wegphiloſophiren und fophiftiren wollte. — Er 
blickte von dem ſchwachen Männlein weg, und 
auf feiren Sreund und Bruder, den Gefreus 
jigten , der ihm nicht, wie den Weiſen diefer 
Zeit, Aergerniß und Thorheit war, Er hatte 
ihm zu oft in feinen vielen Leiden, in den 
ſchlafleſen, unter Krankheit und Schmerz durch— 
feufzten Naͤchten als feinen Freund und nähern 
Gott erfahren. Darum befannte er ihn auch 
vor Menſchen frey und oͤffentlich, auch in 
verſchiedenen ſeiner Lieder, als ſeinen Herrn 
und Gott; war nicht, wie Die Dichter, aus 
deren Werken man nicht ſehen mag, ob ſie 
chriſtliche, griechiſche, roͤmiſche oder hottentot⸗ 
tiſche Religion bekennen? 


—————— war er nicht Bigott, oder Ei⸗ 
ferer. Er, der in allen andern Gtüdfen, ges 
gen alle Menden, fo verträglich war, fie mit. 
allen ihren Gigenheiten, Laͤcherlichkeiten, Abs 
gefchne: Etheiten ‚ aud) wol gröbern Fehlern, 
immer noch mit Liebe und Geduld trug, im⸗ 

mer 


a 216 


mer alles sum Velten Fehrte, war auch gegen 
Sekten und Religionsmeynungen vertraͤglich; 
- mwünfchte allen, zu gelangen zur Erfenntnif 
und Erbarmung Gottes, und zum Heiland 
unfrer Seren. | 1: 


Seine Seele Eat keine Art von. niedrer 
Wolluft, ſah immer ihre beſſere Beſtimmung, 
dachte immer ſich den Tod mit Freuden, und 
als Uebergang zum nähern Anſchaun Gottes. 
Er verachtete jede Ungezogenheit und Schluͤpfrig⸗ 
keit in Schriften und in Reden; aber nicht 
den froben Scherz, der Seel und Leib gefund 
und friſch erhält: Er hatte ziemlich viel, und 
eine befondere Art von Wiß Man Fann es 
eher drolligtes Welen , als Laune nennen, 
Seine Einfälle thaten deſto gröffere Wirkung, 
weil er fie. mit, trockner Stimm und Miene, 
obne felbft zu lachen, vorbrachte. Er hätte, 
wie man aus einigen feiner Rieder und Romans 
zen fiebt, fih eine ganz eigne Art von Laune . 
oder Lufliafeit erwerben Fünnen. Aber er hielt 
felbft die Gabe, lachen zu machen, für ein 
weit geringeres Verdienſt, als die würdigere 
Kunſt, zu ruͤhren und ans Herz zu reden. 


| eine ſtete Kraͤnklichkeit, und feine dko— 
nomiſche Umſtaͤnde, melde nicht die beſten 
waren, die ihm aber, fo lang er in Goͤtkin— 
gen fudirte, der vechefchaffene Heyne auf eis 
| ne 


— ERS N 21.202020..27.07 
x % 
{ 





220 


ne edle Art erleichterte , hätten: ihn Teicht 
muthlos, muͤrriſch und verdräßlih machen 
koͤnnen. Aber er war ein fliller, frommer und 
» gelaffener Dulder; fah dem Ende feiner eis 
den ruhig und mit Heiterfeit entgegen. Nur 
einmal weiß ich , daß ihm Thränen floffen , 
als der Arzt ihm die Gefahr, in der fein Les 
ben ſtand, anfündigte, und er auf einmal 
vom Gedanken: überwältigt wurde , daß er 
nun diefe Welt, mit der er fo zufrieden war, 
in:der er, durch feine Lieder, immer mehr 
Treunde fand, und befonders ung, feine Lies 
ben , verlaſſen ſollte. Oft hatte ih Mühe , 
ihm meinen Summer zu verbergen, wenn er 
blag und abwelkend vor mir fand, wie Die 
Blume, der ein Wurm im Innern nagt, und 
ih date: Ah! du mirft und mol zuerſt 
entriſſen werden! Er aber war ruhig und 
vergnögt. In dem Testen Jahr feiner Leiden 

ſah ich ihn nicht mehr: aber serih Pt er 
auch da ſich gleiche 


— Abuomiſchen umfiände s waren, mie 
En fon: gefagt habe, nicht die beiten; er 
hatte zwar nicht völligen Mangel, aber audy 
nicht Ueberfluß, und doch war er ſo zufrieden, 
und genägfam, wie der Reiche. Er ſprach 
niemals ‚Hagend „ ‚wol. aber. feherzend. dar⸗ 


uͤber. Co ſchrieb er mir. in. feinem, lesten 
He Drieje 


| BB 
Briefe: „Ich leide gewaltigen Geldmangel. 
Das beftändine Mediciniren Foftet mir fo viel. 
Skuͤrb id iezt, ich müßte, wie Ariſtides, 
. publico fumtu begraben werden.” Ein Gut 
denfender, der dieß erfuhr, fuchfe dieſem 
Mangel abzuhelfen. Das Geld Fam zu fpat, 
und Eonnte gerade noch auf die Leichenfoften 
verwendet werden. Ich wünfhe Feinem feis 
nen Mangel, aber iedem fein zufriedeneg, 98 
nuͤgſames Gemuͤth. 


Noch muß ich, ſo viel ich kann, und das 
iſt wenig , von feinem poetiſchen Charakter, 
deſſen Bildung , und den Deranlafungen dazu, 
fagen. So wie fein Charakter iezt in feinen 
Liedern dafteht, und bleibt, Davon fag ic 
nichts. Seine Lefer und. ihr Herz moͤgen ihn 
beſtimmen! 


Man ſagt, der Dichter wird geboren. 
Das iſt wahr, fo wie iede Faͤhigkeit mit dem 
Menſchen geboren wird. Nur die Auswicke— 
lung haͤngt von aͤuſſern und Nebenumſtaͤn⸗ 
— ab. 


Der Dichter lebte ſchon im Knaben Hoͤl— 
ty; auch ſchon zum Theil die Hinneigung zu 
einer beſondern Art der Dichtkunſt, naͤmlich 
zur ſtillen, ruhigen, laͤndlichen — zur ſeyerli— 
chen und ſchauderlichen. Er gieng ſchon als 

4 Knabe 


222 —— — 


Knabe viel allein, ſonderte ſich won feinen Ges 
fpielen ab, in einfame und flille Gegenden, 
in den fhtweigenden Bald, an. die fanitweinens 
de Duelle „ auf den Gottesacker. Er liebte 
das Gefpenftermäflige , wuͤnſchte fi Erſchei— 
nungen: und weil feine Famen, ſchlich er ſich 
felbit einmal bey Nacht als Gefpenit auf den 
Kirchhof, und erihredte die Bauern — In 
Hildesheim wollte er als Knabe feine erften 
Verſe machen; er wußte nicht, worüber? und 
brachte dag A. B. C. in Verfe, fo, daß ieder 
Ders ſich mit einem Buchfiaben nach der Drdnung 
des Alphaberbs anfing. In der Schule fihrieb 
er Verſe auf die Bänke, in der Kirche an die 
weiffen Wände 


Er ward ein Dichfer der Natur und des 
Pandlebens. Diefe Anlage ward durd feine 
ugend ; Umftände entwickelt. Er lebte auf 
dem Lande, mo fein Water Prediger war, 
namlich zu Marienfee im hannöprifchen. Hier 
lernte er alle Auftritte, auc die Fleiniten 
Abmechielungen ver Natur kennen, die dem 
Staͤdter, der nur zumeilen ins freye Feld 
blickt, unbemerkt bleiben. Hier lernte feine 
Seele die Einfalt und fromme Sitte und die 


Denkungsart des Kandmanns Fennen, und fog 


fie mit den frifden Lüften ein. 


| Auf 


Auf der Schule zu Zelle ‚las er zuerſt die 
Engländer. Daher in feinen erfen Odenver⸗ 
fuchen feine Bilderfprahe, die zuvielen und 
überhäuften Gemälde aus der Natur , feine 
Liebe zur Allegorie, die er nachher auf den 
Kath feiner Freunde in Göttingen wieder ver, 
lief, und mit der weit edlern Simplicitär vers 
tauſchte. 


Seine Anlage zum Drolligten trieb ihn an, 
verſchiedene komiſche Romanzen zu machen, 
die nicht ohne Verdienſt ſind. Als er aus den 
Reliques of ancient englifch Poetry die hoͤ— 
bere Romanze, oder die Ballade Fennen lern; 
fe, da machte er fehr gute Balladen. 3. €. 
Adelſtan und Roͤschen, die Nonne u. a. 


Als einige von uns in Goͤttingen Lieder 
machten, fo verfiel er auf dieſe Gattung ver 
Dichtkunſt, und machte fehr gute Lieder voll 
natürlichen Geſangs, uud ruhiger elegifcher 
Empfindung. 


Man hätte aber auch) groͤſſere Gedichte 
von ihm hoffen koͤnnen. Vielleicht Jahrszei— 
ten in Thomfons oder Kleiſts, oder vielmehr 
in feiner eignen Manier. Oſt waͤlzte fib in 
feiner Seele- der Gevanfe, ein groſſes, ro; 


mantifches Gedicht ans den Zeiten der Kreuss. 


zuüge zu maden. Die Natur und den Men; 
ſchen 


2 





fen, mit dem er umgieng, beobachtete ex 
fehr genau ; zwar langfam , ruhig, und fo, 
daß man e8 ihm kaum anfah , aber vefto richs 
figer und tier. Hätte er ſelbſt Rärfere Leis 
denſchaften gehabt, fo hätte er auch vie flarfe 
Affektens Sprache noc) tiefer beobachtet. 


Als Dichter hätte er nicht fo vieles und 

ſo vielerley leſen folen. Oft hafteten ihm 
fremde Gedanfen und Speen an. Man fah 
oft aus feinen Gedichten, was er zulezt geles 
fen hatte. Er beftimte ſich zu fehr nach ans 
dern , and) nach feinen Freunden, wenn diefe 
eine neue Gattung verfuhten Dod hatte 
er immer noch fo viel eigenes, daß man feine 
Gedichte gleich Fannte, wann auch nicht en | 
Name abenfiand. 


Und fo bift du denn dahin, du frommer 
Sänger! Du, mit dem id) fo manchen Abend, 
manche Nacht in vertraulichen Geſpraͤchen, die 
nur wir ganz verſtanden, hinbrachte! Du haſt 
mich zuruͤckgelaſſen, und ich weine. Oft haſt 
du mir deinen frühen Tod voraus geſagt, und 
ich wollte ihn nicht glauben. Als du uͤber 
meine Trennung von dir klagteſt, *) haſt du 
ihn verkuͤndigt, da du ſangeſt: 


Mein 


) S. den Göttinger muſenalmanach 
vom Jahr 1775. S. 119. ſgg. 





225 


—— Blaseseſans Naee der vergan⸗ 
genheit, 

Bis mich huͤllet die Raſengruft 

“und die huͤllet mich bad! 


Ach nur zu bald, mein Geliebter! — 
Wenn es traurig um. mich ſeh, ſagſt du, und 
das Laub um mich liſple, und der Nachtigall 
ich horche, und eine traurige Geſtalt vor mir 
ſchwebe, und mir laͤchle und winke, und mir 
Ahndungsgefühl durd die Bruſt Elopfe, das 
fep mein Freund, ſeyeſt du. — 


O Geliebter, wenn ich einfam in der 
Dämmerung einhergeh , in der Wehmuth des 
ſchweigenden Abends, und mirs bang um Die 
Seele wird, daß ich weinen moͤchte: dann bift 
du, Gelebter, meiner Seele gegenwärtig, 
dann gedenk ich deiner, feegne dic), fhau zum 
Himmel auf, und wuͤnſche, da zu feyn, mo 
du biſt. — Und ic) werde zu dir kommen, 
Freund; denn id) wıll leben, fo, wie du gelebe 
haft ; will für Zugend ſprechen, fingen , hans 
dein , fo wie du gethan ball. Sa, id will, 
mit allen unſren Freunden, zu dir kommen! 


Etwas — von dem, was du mir und 
unſren Freunden wareſt, was du fuͤr die Welt 
warft, und ihr haͤtteſt werden koͤnnen, und 
Ber . bab ich) denen, die dich lies 
P ben, 





+ 


ben, und noch Fünftig Tieben werden ‚hier ge⸗ 
fagt. Uber es if wenig. Ein Freund Fann 
der Welt nit Jagen , was fein Freund ihm 
war — Sch“ wollte dir ein Lied "fingen. 
Wenn. einft Wehmuth mid) mit ihrem. Flügel 
überfchattet , daß, ich nicht mehr in die Welt 
and ihr Getuͤmmel blicke, und Begeiſterung 
mich waͤrmt und hebt/ ‚dann thue ichs. 


3 
» 
On 


aaa p F 
wii 122, 14 FRA r 4 b i h F . + oO 
J 5 r u u.“ —* 


mad Ä NE | | ‚VII Aufs 


VII. 


aufabre 





ran. een eu 220 


Pflichten gegen Gott. 


— Feten, die ſchon in ihren Einſchraͤn— 
kungen ſo ſchoͤn ſind; Welten, die in 


ihren veraͤnderlichen Theilen, und in ihrer zus 
fälligen Verbindung fo viel Nichtigkeit haben ; 
ein Ganzes vol Drönung , von dem Fleinften 
Staube an, bis zu der unermäßlichftien Auss 
Dehnung, vol Regelmaͤßigkeit in allen feinen 
Gefesen , der Körper ſowol als der Geiſter; 
ein Ganzes, das fo mannigfaltig, und dod) 
durch den genaueften Zufammenhang Eins ift; 
dieß giebt mir die Vorftellung von einem Ur⸗ 
bilde der Vollkommenheiten, von einer urs 
ſpruͤnglichen Schönheit, von einer erften und 
allgemeinen Duelle der Ordnung. Welch ein 
Gedanke! — So ift denn etwas, von dem 
alles, was ich bisher bewundert habe , abhäns 
get! Go ift denn etwas, von dem alle Theile 
der Natur ihre Uebereinftimmungen, ihre Vers 
hältniffe und ihren Reis haben! Ein Ders 
. fand, der für das. Ganze denft, der das Gans 
ze einrichtet, und lenket! Ein Geift, ver 
durch feine unbegreiflichen Ausflüffe allen Din; 
gen AR Dauer, ‚Kräfte und Schönheit 

P 3 | mit⸗ 


} 
J 


r ge R 
230 — nn 


mittheilet! Hier erweitert ſich meine erſtaunte 


Seele bis zum Unendlichen. Mich duͤnkt, ich 
empfinde, und mit einem eutzuͤckenden Schau⸗ 
der, die Wirklichkeit dieſes höchften Geiſtes. 
Fuͤrwahr er belebet mich, er wirket in mir! 
Was wuͤrde ich ſeyn, ohne ihn? Was wuͤrde 
ich koͤnnen, ich, der ich aufs Flärfte weiß, 
daß ich einmal nicht gewefen bin, und daß id) 
meine Tchätigfeit mir nicht gegeben habe? — 


Und was follten fib daher wol: bey mir 
für Empfindungen gegen diefes Wefen ſchicken, 


in welches alie meine Begriffe von Vortreflich⸗ 


feiten zufammenfieffen ?  Ehrerbietung, Bes. 


mwunderung und die tiefe Anbetung ift noch 
wenig genug , das Berhältuif auszudruͤcken, 


worinn ich gegen einen unendlichen Geift ſtehe, 


der zugleich mein. Urheber iſt. Weil ich ihm 
aber nur fo wenig leiften kann, fo will ich es 
ihm do) auch deſto aufrichtiger Teifien. Ich 
will mich einer ſo ungeheuren und abſcheuli⸗ 


chen Verruͤckung nicht ſchuldig machen, daß 


ich mit Gleichguͤltigkeit und Geringſchaͤtzung 
an den Urſprung der Weſen und der Ba 
menheiten denken folte, 


Allenthalben, two ic) Din, da bin ih mit 
den Wirkungen feiner weiſen und allmaͤchtigen 
Guoͤte umgeben. Auſſer mir Geſchoͤpſe, Die 
die angenehmſten Eindruͤcke in mich machen, 

und 


— 


 EIEERSENEIRCKEFOFSEEGERAEGEN 231 


und in mir. Sähigfeiten, die iene mannigfals 
tige Annehmlichfeit fo lebhaft empfinden koͤn⸗ 
nen. Gelbft die ganze ſinnliche Natur liege 
noch vor mir ausgebreitet, mich zu erfreuen 5 
‚und meine Erhebung zu ienem ewigen lrbilde 
des ‚Schönen hindert mid nicht, aud das 
‚niedrige, Schöne | der Körperwelt, gleichſam 
‚den. Schatten von ihm, in dem Mafe zu ge 
nieſſen, als es mich an den beſſeren Befrie— 
digungen nicht hindert. Ich werde freilich nicht 
‚mit angeſtrengter Begierde an den hinreiſſenden 
Dewegungen der Ginnlichkeit haften, und 
„daran arbeiten müllen, die Empfindung von 
dieſer, vermittelt einer vorfeglichen. Verdunke— 
‚lung des vernünftis gen nachdenfenden Urtheils, 
ſo klar und durchdringend zu machen, als fie 
‚immer werden kann. Dieß würde mir die uns 
‚inermeidliche Gefahr zusiehen, in die völlige 
Knechtſchaft des ſinnlichen Eindruͤcke zu geraz 
then, und alles, Geſchmacks an edlern Gegen⸗ 
ſtaͤnden beraubt zu werden. Allein, was ich 
„hierin Vergleichung mit dem zügellefen Wolluͤſt⸗ 
‚‚linge an der Febhaftigkeit und Staͤrke des finns 
6 lichen Ergoͤtzens zn verlieren (deine, das wird 
mir dadurd überfläfig erfeget, daß ic) dann 
dieſes Ergoͤtzen, durch die Verbindung deffels 
ben mit ‚den moralifhen Empfindungen, fo 
* vielmehr erhöhen und verfeinern kann. Zu dem 
Gefühl meiner gröbern Sinne kommt denn dag 
P4 ungleich 


\ sie — 
232 — — 


ungleich wuͤrdigere Gefuͤhl der Seele von Zaͤrt⸗ 
lichkeit und Menſchenliebe, und inſonderheit 
das unendlich erhabene und erfreuliche Gefühl 
von dem Wohlgefallen der Gottheit hinzu. 
Von ieder angenehmen Bewegung, die mich 
einnimmt , laſſe ich bald meine Vorftellung zu 
demienigen binauffteigen, der fie mir goͤnnet 
und giebt, der die Ströme der Luft in uns 
zählbaren Kanälen von fill durd das Game 
fliefjen laͤßt, und der felbft ohne Zweifel in 
der Höhe feiner Selbftgenugfamkeit eine göttlis 
che Luft daran findet, wenn alles, was lebet, 
in reger, ihm angemeffener Freude, feiner 
befeelenden Güte lobfinget. Ich bin mir alfo 
beſtaͤndig bewußt, daß ic) unter den feegnens 
den Augen dieſes allgemeinen Water, und in 
der Gefellfhaft einer unendlichen Menge lebens 
diger Weſen, die eben daflelbe Meer der Wols 
luft tränfet, ein iedes Glück, eine iede vers 
gnügte Stunde genieße, die mir zu Theil 
wird: und es gehoͤret mit zu der groſſen 
Kunſt, mid) recht zu vergnügen, daß id) ie⸗ 
derzeit mit allen meinen Gedanken und Em⸗ 
pfiudungen ihm, der Quelle des Guten, ſo 
nahe als moͤglich, zu bleiben ſuche. 


Dadurch wird. dann auch der ſonſt fo 
furchtbare Eindruck von der maieſtaͤtiſchen Ges 
genwart des hoͤchſten Geiſtes zu der —— Be⸗ 
ruhi⸗ 


man wermesnm 238 


ruhiaung gemilderf , oder vielmehr in freudige 
‚Entzickung verwandelt. Sch erſchrecke fonft 
allerdings. über meine Kleinheit in der uner⸗ 
maͤßlichen Natur, und gegen die noch uner⸗ 
maͤßlichere Gottheit. Diefer Sonnenwirbel iſt 
ein Sandforn ; diefe Erde ift ein Staub, ein 
Punkt; und ich auf diefer Erde; — mas bin 
ih ? Nur das macht mic) noch zu etwas, daß 
ich die Ordnung empfinden, und in derfelben 
bis zu dem Anfange aller Ordnung binauffieis 
‚gen Fann. Zu einer foldyen Hoheit bin ich bes 
ſtimmt, und der will id) immer näher zu 
kommen ſuchen. Ich will nicht eher ſtehen 
bleiben, als bis ich der Schoͤnheit bis zu ih— 
rer erſten Quelle gefolget bin. Da ſoll denn 
meine Seele ruhen. Da ſoll fie, in allen ih—⸗ 
ven Faͤhigkeiten befchäftiger, in allen ihren 
- Trieben vergnüget , fatt von göttlihem Lichte, 
‚und entzückt in den Werehrungen und Anbetuns 
‚gen der oberfien unbefchränften Vollkommen— 
beit, alles Niedere, und fi) felbft vergeffen. 








Beftimmung des Menfchen hies 
| nieden. 


Die vernünftigen Naturen und Geiſter neh; 
men in dem groffen Weltal, fo wie befonvers 
| P5 der 


234 EEE 





der Menſch auf diefem Erdboden , "die vor 
nehmfte Stelle ein. Diefem Unterheren der 
Schöpfung ſchmuͤckt fi) die Natur in ihrer 
iungfräulichen Schönheit. Ihm dienet das Leb⸗ 
Iofe, nicht nur zum Nugen und zur Bequem⸗ 
lichkeit; niche nur zur Nahrung, Kleidung, 
Wohnung, und zum fihern Aufenthalt; ſon—⸗ 
dern vornehmlich zur Ergoͤtzung und zum Uns 
ferrichte, und die erhabenfien Sphaͤren, Die 
‚entfernteften Geftirne, die Faum mit dem Aus 
ge entderft werden koͤnnen, muͤſſen ihm in Dies 
fer Abſicht nüglich feyn. Will man feine Bes 
ſtimmung bienieden willen? fo fehe man nur, 
was er da verrichtet! Er bringet auf diefen 
Schauplatz weder Fertigkeit, noch Naturtried, 
noch) angeburnes Geſchick, weder Wehr noch 
Schutz mit, und erſcheinet bey feinem erſten 
Auftritte dürftiger und hülflofer, als das uns 
vernünftige Thier. Aber die Deflrebung und 
vie Fähigkeit ſich vollfommener zu machen, 
diefe erhabenſten Gefchenfe, deren eine erfchaffes 
ne Natur fäbig ift, erfegen vielfältig den Ads 
gang iener viehifchen Triebe und Fertigkeiten, 
die Feiner Verbeſſerung, keines hoͤhern Grades 
der Vollkommenheit, ie fähig werden Fönnen, 
Kaum genießt er das Licht der Sonnen, fo 
arbeitet fehon die gefamte Natur, ihn vollfoms 
mener zu machen : diefes feharfee feine Sinne, 
Einbildungsfraft und Erinnerungsvermögen ; ies 

— | nes 


— 


— — 235 


nes uͤbet feine edlern Erkenntnißkraͤfte, bearbeis 
‚tet feinen Verſtand, feine Vernunſt, feinen 
Witz, feine Scharffinnigfeit; das Schöne in 
der Natur bildet feinen Geſchmack und ver 
jeinert feine Empfindung; das Erhabene ers 
vegt feine Bewunderung, und erhebt feine Bez 
griffe gleichſam über die Sphäre diefer Ver⸗ 
nänglichfeit hinweg. Ordnung, Uebereinftims 
mung und Ebenmaß dienen ihm nicht nur zum 
‚vernünftigen Ergögen , ſondern befchäftigen feis 
ne Gemüthöfräfte alle. in geböriger und in ihs 
ver Vollkommenheit zuträgliher Harmonie 
Bald tritt er mit feines Gleichen in Geſell⸗ 
Schaft, um fid) werbfelsweife die Mittel zur 
Gluͤckſeeligkeit zu erleichtern : und ſiehe, es 
zeugen und bilden fi an ihm in dieſer Ge; 
fellfchaft höhere Vollkommenheiten, die bisher, 
wie in einer Knoſpe, eingewirfelt geweſen find. 
Er erlanget Pflichten, Rechte, Befngniffe und 
Dbliegendeiten, die ihn in die Klaſſe moralis 
ſcher Natuven erheben; es entitchen Begriffe 
von Gerechtigkeit, Billigkeit, Anfländigfeit, 
Ehre, Anfehen, Nachruhm. Der eingefhränfte 
Trieb der Familienliebe wird in Liebe zum 
Vaterland, zum ganzen menſchlichen Geſchlecht 
erweitert, und aus dem angebornen Keime 
des Mitleideng entfprieffen Wohlwollen, Mild— 
thätigkeit und Großmuth. 


Nach 


Y 
236 


Nach und nad) bringet der Umgang die 
Geſelligkeit, das Gefpräd, die Aufmunterung, 
alle fittlichen Tugenden zur Neife, fie entzüns 
‚den das Herz zur Freundfchaft , die Bruft zur 

- Zapferfeit, und den Geift zur Wahrbeitsliebe; 
breiten einen Wetteifer von Dienft und Ges 
gendienft, Liebe und Gegenliebe, eine Abmechfes 

‚x Jung von Ernft und Scherz , Tieffinn und - 
Munterkeit, über das menfchliche Leben aus, 
die alle einfamen und ungefelligen Wollüfte an 
Suͤſſigkeit übertreffen. Daher auch der Befig 
‚aller Güter diefer Erde, uns nicht behagt, 
wenn mir fie in der Einſamkeit befigen und 
geniefjen follen ; und die erhabenften und praͤch— 
tioften Gegenftände der Natur ergögen dag 

geſellige hier, den Menfchen nicht fo fehr, 

als ein Anblick von feinem Mitmenfchen. 


TE —ñ— — — 


Erlanget nun dieſes vernuͤnſtige Geſchoͤpf 

erſt wahre Begriffe vun Gott und feinen Ei; 
genſchaften, o welch ein Fühner Schritt zu eiz 
ner höhern Volfommenheit! Aus, der Gemein; 
ſchaft mit dem Nebengeſchoͤpfe tritt er in eine 
Gemeinfchaft mit dem Schöpfer, erfennet das 
Berhältniß , in welchem er das ganze menſchli⸗ 
de Geſchlecht, alles Lebendige und Leblofe 
mit diefem Urheber und Erhalter des Ganzen, 
ſtehen; ‚die groſſe Ordnung von Urſachen und 


Wirkungen in der Natur wird ihm nunmehr 
J auch 





237 


auch su einer Ordnung von Mitteln und Ab; 
ſichten; was er bisher auf. Erden genoffen, 
wird ihm, wie aus den Wolfen , zugeworſen: 
nunmehr zertheilen ſich dieſe Wolken, und er 
fiehet den freundlihen Geber, der ihm alle 
diefe Wohlthaten hat zufliefien-laffen. Was er 
an Leib und an Gemuͤthe für Eigenſchaſten, 
Gaben und Gefhicklichkeiten befißet, erfennet 
er als Geſchenke diefes gütigen Vaters, alle 
Schönheit, alle’ Harmonie, alles Gute, alle 
Meisheit, Vorſicht, Mittel, und Endzwecke, 
die er bisher in der fidhtbaren und unfichtbaren 
Welt erkannt‘, betrachtet er. als Gedanfen des 
Allweiſeſten, die er ihm indem Buche der 
Schöpfung zu lefen gegeben „.um. ibn zur bös 
bern Vollkommenheit zu erziehen. Dieſem lieb; 
reichen Bater und Erzieher-, diefem gnädigen 
Regenten der Welt, heiliget er zugleich alle 
Tugenden ſeines Herzens, und ſie gewinnen 
in ſeinen Augen einen goͤttlichen Glanz, da 
er weiß, daß er durch ſie und durch ſie allein 
dem Allaͤtigen wohlgefallen kann. Die Tu— 
gend allein führet zur Gluͤckſeeligkeit, und wir 
. fönnen dem Schöpfer nicht anders mohlgefals 
len, als wenn wir nad) unfrer wahren Glücks 
— ſtreben. 





Vom 





238 





Vom Mitleiden und Mildthätigkeit. 


Es giebt keine groͤſſere Probe einer menſchli⸗ 
chen und edlen Seele, als das Leiden und Uns 
glück unferer Mitgeſchoͤpſe innigſt zu empfins 
den. Zwar wird eine foldie Zärtlichkeit der 
Gemuͤthsart von vielen für eine Schwachheit 
der Seele angefehbens aber , wenn es eine 
Shwahheit it, To wollte ich nicht um alle 
erbabene Verfeinerungen verfelben, deren fich 
Andere rühmen mögen , ohne dieſelbe ſeyn. 
Ich will nicht fagen, daß die Menfihen: alle 
gleich zärtlich und wohlwollend ſind; aber dag 
Mitleiden ift doch der menfhlidien Natur eis 
gen, fo eigen, daß aud) die haͤrteſten Gemuͤ⸗ 
ther bey gewiſſen Zeiten und Gelegenheiten fi) 
davon bewegt finden. Ich ſahe einſt eine 
Probe davon, wo ic fie am wenigſten erwars 
tet haͤtte. Ich ward iuͤngſt durch einen Freund 
bewogen, die verurtheilten Verbrecher zu Cha⸗ 
pel zu ſehen. So ungern ich auch in ſeinen 
Vorſchlag willigte, weil ich wußte, daß der 
Anblick ſo vieler elender Verbrecher meine See⸗ 
le mit zu vielen melancholiſchen Betrachtungen 
erfuͤllen wuͤrde; ſo ließ ich mich doch endlich 
von ihm uͤberreden. Ich kann nicht beſchrei⸗ 
ben, wie ſehr ich erſchuͤttert wurde, als ich 
eine ſolche Aniahl elender Geſchoͤpſe ua von 
enen 





— — 239 


denen die meiſten anter allen Quaalen des 


Hungers, der Bloͤſſe und der Ketten ſchmach⸗ 


. teten: aber noch mehr ward ic) gerührt, da 
ich bemerkte, wie die meiſten fo’ fehr durd) die 
Gewohnheit im Laſter verhärtet: waren, Daß. 
fie um ihren annahenden Tod und den Schmerz 
den ihre Freunde über ihr traurige Schickſal 
ansfhütteten, nicht im geringften befümmert 
ſchienen. Die Kerkermeifter und Wächter was 
ven, wie man fid) ‚leicht vorſtellen kann, 
nicht gerührt, ſondern fieffen. ‚fie mit uns 
geftümer Strenge in ihre verfchiedenen Zellen. 
Indem ich: fo über diefe Scene meine Betrach—⸗ 
tungen anftellte, börte-ich ein Gefumfe unter 
dem Volk — das iſt fie! das iſt fie! — Ich 
kehrte mi) um, und fahe eine bübfche Weibss 
perfon , reinlich angekleidet, gegen ung zu 
fommen. Ich erfundigte mich, wer fie wäre, 
und erfuhr, daß fie wegen Beutelſchneiderey 
verurtheilt wäre. Als: fie näher kam, fonnte 
ich in ihrer Miene und Betragen bemerfen, 
daß fie unendlich mehr, als alle die übrigen 
litte. Ihre Augen zeigten die toͤdtliche Angft 
ihres Herzens, und mit nllen Bewegungen deg 
Schmerzens und der Verzweiflung fah fie rund 


am fi. her. Endlich rief, fie aus: Wo, wo 


ift mein Kind? — Sogleich kam ein Weib 
it einem, ſehr artigen SKınde, von ohngejähr 
zwey Jahren, zu ihr, Kaum hatte die Muts 
sin fer 


Aa N 
> x * wi h 
* R We = 
: ; 
a " ; 
— — 


Si 


240 VRISENERETEEEER 
I) \ 
ter ihr Kind erblickt, als fie auf daffelbe zus 
rennte, es aus den Armen des Meibes riß, 
und es mit alle der Reivenfchaft Führe, die die 
zärtlichfte Mutter für den Liebling ıhrer Seele 
zeigen Fann. Auf diefe heitige Beweaung, die 


ſie auffer fih ſelbſt riß, folgte eine andere, 


die eben fo heftig und rührend war. Ihre Leis 
denſchaft Forinte nicht länger fchweigen, und fie 
brady) in den bitferfien Schmerz von Thraͤ— 
nen und Ausrufungen aus, indem fie dabey 
zärtlich auf ihr Kind fah: Iſt dieß das Tertes 
mal! — Muß ich dich nimmer — nimmer 
wieder ſehen! — Muß ich dieſe Lippen nies 
mals wieder füffen' — D Gott DBSott! 
Mas hab ih gethan! — : Was hab ih ge⸗ 
tban! — D id Ungluͤckliche, Elende! — 
D mein Kind! mein Kind! — Sie konnte 


ihren Schmerz nicht länger ertragen , fondern 


fanf , mit ihrem Kinde in den Armen, in eine 
Ohnmacht nieder. Ich brauche wol nicht zu 
ſagen, wie ſehr ich gerührt war." "Ale Zus 
Ichauer verloren die Verbrecherinn in der Muts 
ter, und ihre Verbrechen in der Zärtlichfeit ges 
gen ihr Kind. Die Kerkerſchlieſſer zeigten eine 
ungewöhnliche Zaͤrtlichkeit, und, was Faum zu 
glauben ift, einer der Hüter Eonnte die Chraͤ⸗ 
nen nicht verbergen, die in feinen Augen ſtan⸗ 
den, als er fie von ihrem Kinde trennen, und 


| fe in ihre Zelle führen mußte. Wenn Mitleid 


an 


| |— 24R 
an dem ſchaͤndlichſten Orte, und unter der 
verbärteftien Gattung von Leuten Fann gefuns 
den werden, fo wundere ich mich fehr, Daß 
Perſonen von Vermögen eine Eigenſchaft nicht 
‚mehr ausüben, die nicht nur wohlthaͤtig für 
das menfchliche Geſchlecht feyn, ſondern audy 
die wahre hoͤchſte Ehre und das erhabenfte 
Vergnügen auf fie zurucfiralen würde, Ich 
meyne hier nicht ein blos mitleidiges Herz, 
‚fondern ein. ſolches, das alles in feinem Ders 
‚mögen beträgt, Anderer Leiden zu erleichtern. 
Ein zärtliches Herz und ein mildthätiges Herz 
find zwo fehr verfrhiedene Eigenfchaften. Kann 
‚Semand ein zärtliher Herz haben, als Mas 
Dame Hundefreund ? Wenn Chloe oder Mars 
quis — x nur das geringfie fehlt, wie beforge 
iſt ſie nicht! Wie bedauert fie nicht das arme 
ſtumme Gefhöpf! Sollte‘ es gar verfeheiden, 
dann Fann die zärtlidhe Frau die Thränen niche 
zurnuckhalten, und Ei mit der Dame in der 
Faree aus: | 

Wie hart iſts nicht, daß Hunde ſterben 

mauͤſſen! 

‚Aber Madam ſchraͤnkt die ganze Zaͤrtlich⸗ 
keit ihrer Seele blos auf ihre Hunde ein. 
Bey dem Tode ihres Mannes und ihres Soh, 
nes vergoß ſie keine Thraͤne. Sie kann von 
den ſqrecklichſten Scenen der Dürftigfeit hören, 

Q ohne 


—E 


u a 


24 — — 


ohne die geringſte Bewegung zu fühlen, und 
giebt das Fahr über mehr für ihre Thiere aus, 
als zwo vder drey arme Familien brauchten, 
fi) davon zu erhalten. — Olivia kann kei⸗ 
ne Ecene der Zärtlichkeit auf der Bühne fehen, 
ohne daß fogleih ihr Schnupſtuch vor. ihren 
"Augen if. Niemand kann mehr Mitleid mit 
Antonius und Kleopatra's unglücklicher Liebe, 
dem Ungluͤck der Belvidra, dem Unrecht der 
Moninia, oder dem Tode des Varanes haben, 
als fi. Sie giebt viele Pfunde, bey ſolchen 
tragiſchen Erzaͤhlungen des Ungluͤcks zu weinen; 
aber niemals in ihrem Leben gab ſie eine Kro⸗ 
ne aus chriſtlicher Liebe aus. — Aber, ob es 
gleich viele von ſolchem Charakter giebt, ſo 
giebt es doch auch einige Perſonen von Vers 
mögen, die alle die ſchrecklichen Scenen des 
Mangels, der Armuth und des Elends zu Hera 
zen nehmen, und fie, fo fehr es in ihrem Ver—⸗ 
mögen iſt, zu erleichtern fuchen ; die einige 
Vergnuͤgungen nad) der Mode für andere, von 
edlerer Beſchaffenheit, vertauſchen. r 


— — RESET 
P — —— 


J 
Ei 4 «3% * 





oa Micra 
Fir; . '# 


VII, Rede 


VIII. 
mM tedec 
von den 


Bortheilen 


einer 
frübzeitigen Frömmigkeit. 








Ma koͤnnte, meine iungen Freunde! 
wenn man die Sache nach gewiſſen, 

nicht ganz ungewoͤhnlichen Begriffen, beurthei— 
len wollte, eine fruͤhzeitige Froͤmmigkeit fuͤr 
unzeitig und gewiſſermaſſen auch fuͤr unnatuͤr⸗ 
lich halten. Man koͤnnte glauben, daß damit 
ein Sprung in ein ſpaͤteres Alter gethan, der 
Genuß aller ingendlichen Freude verbittert, 
und die Runzel der maͤnnlichen Jahre der hei⸗ 
tern Stirn des Juͤnglings eingegraben würde. 
Das menſchliche Leben , Fünnte man denfen, 
iſt mie fo vielen und mannichfaltigen Muͤh— 
feeligkeiten umringe, der Mann fihleppt an 
feiner Kette von Gefchäften, die er für Prod 
nnd Ehre übernehmen muß; der rechtſchaffne 
Hausvater, ‚wenn e8 ihm dem Anſehen nad) 
wohl geht, erliege dennoch unfer einer Bürde 
von Sorgen und Kraͤnkungen, und der Greis, 
‚mit dem verdunfelten Auge und dem gebogez 
nen Ruͤcken, bat den Geſchmack ſelbſt an der 
Freude verloren. Alfo: die Zeit des Vergnüs 
gens ift auf den Frühling des Lebens einges 
ſchraͤnkt; Frohſeyn ift des Juͤnglings Loos; 
Froͤmmigkeit iſt eine zu ernſthafte Beſchaͤfti 
23 gunge 





2 46 — J——— 


gung, als daß ſie nicht dem reiferen Nachden⸗ 
ken, nicht dem ſeſteren Sinne des Mannes 
aufbehalten bleiben ſollte. — Nach angenoms 
menen Begriffen, wohl geſprochen, meine 
Freunde! Allein ſo man, wenn man auf 
‚Sand baut. — 


Edle Sünglinge, Lieblinge zaͤrtlicher Vaͤ⸗ 
ter und Mütter, aufblühende Hoffnungen des 
Landes , Fünftige Bürger, Lehrer , Nichter, 
und was Sie zu werden gedenken! gleichgültig _ 
Tann es ihnen immer nicht feyn, ob Sie ſich 
eine anftändige feſte Wohnung bereitet, oder 
eine lüftige Hütte gebaut haben, die einem 
Windſtoſſe nachgeben, und an einem Ihrer 
frölihen Tage über Sie zufammenfallen kann. 
Trauen Sie es der längern Erfahrung eines 
uneigennügigen Führers, daf fie Sie erleuchte, 
das fie Ihnen Stoff anbiete, daß fie Ihnen 
‚Grund anweife, und dann mögen Sie vergleis 
den, und ich will meine wenige Wiſſenſchaft 
aufgeben, wenn Sie nicht in ihre vormaligen 
Entſchlieſſungen ein Mißtrauen zu fegen anfans 
gen, nicht eine beffere Wahl treffen, wenn 
Sie, zum Theil wenigftens ‚ das Werk nicht 
mit Eifer und anhaltender Wärme beginnen 
follen.. Welche Belohnung für mich! welche 
reizende Ausfihe ! welche erquickende Freude 
für mein Herz! 


Wer, 


een 247 


4. Wer, was er thut, in Ruͤckſicht auf Gott 
thut, wer fi nad feiner Erkenntnis des Al 
lervollkommenſten in feinen Handlungen bes 
ſtimmt, er maa ſich diefes Bewegungsgrundes 
bewußt ſeyn, oder ihn ein fuͤr allemal ſeinen 
ſreyen Entſchlieſſungen untergelegt haben, der 
iſt fromm, und ſeine Froͤmmigkeit iſt fruͤhzei⸗ 
tig, wenn ſie mit der Entwickelung ſeiner Ver— 
ſtandes- und Gemuͤthskraͤſfte ſchon ihren Ans 
fang genommen hat. Fromm ſeyn erſor % 
dag man. Gott Fenne,. nicht obenhin 
daß man in ihm die. lezte Urfach alles def, 
was da ift, den Vater der Geiſter, den Mes 
gierer dieſes ganzen unermäßlichen Weltallg 
verehre. Ale Kraft. if #, ihm vereinigt, er 
ſieht alles, er kennt alles, er weiß alles, Ihm 
iſt alles Heute. Jede Ha — ‚ iede Bewe— 
gung iſt ein Ton, von ihm vorhergefehen, 
von. ihm angewandt, die hoͤchſte und zufams 
mengefegtefte Uebereinflimmung. für immer und 
ewig hervorzubringen. Das alles ift feinem 
Verſtande gegentoärfig, das ordnet feine Weiss 
heit, das richtet feine Kraft aus. Gott iſt 
das allerbefte der Weſen, im ausnehmenpften 
Verſtande das hoͤchſte Gut. Er hat fih im 
Reiche der Geifter am meiſten verherrlichen 
wollen. Diefe fihtbare Welt ifi ein Spiegel, 
der die Gtralen des Unendlichen für die uns 


fi — auflängt. Gefchöpfe, einer fortdayerns 
IA | den 










X 


248 —— 


den Gluͤckſeeligkeit fähig, mit Trieben und 
Kräften dazu ausgeruͤſtet, hat er auch zu bes 
ſeeligen befchloffen. Sein Wefen ift Wohb 
thun. Das anſcheinende Böfe ſelbſt if Gele⸗ 
genheit und Mittel zu groͤſſerem Guten. Geis 
ne Strafen zwecken auf Befferung , nicht auf 
Wehethun ab. Auch in ihnen ift Güte. Wer 
Diefeg weiß, wer es mit Deutlichfeit, Wahrs 
heit, und Anwendung auf fi weiß, der wird 
Dann ‚Ion Feines weiteren Antriebs zur Vers 
ebrung des hoͤchſten Negigrers bedürfen, der 
wird dann ſchon ſich nicht enthalten Fünnen, 
in Preis und Bewunderung auszubrechen. Iſt 
Gott Herr und Meifter; mo ift der Empfins 
dungslofe, der ihm nicht mit gutem Willen 
gehorchen 5 Dee mweifen Gefeße nicht zur ı 
Hauptregel feines" Lebens machen wollte ? IR 
Gott Vater und Freund; fo ift er meines uns 
eingefchränften Vertrauens mürdig, fo kann 
id) mich überal auf ihn verlaffen, fo Fann 
ich mich des Beſten zu ihm ‚verfeben, ſo bin 
ic) feiner Liebe und feines Wohlwollens gewiß. 
Was ich bedarf, erbitt? ich von ihm , und id) 
bin gewiß, daß ich es erhalte, es wäre denn, 
daß ich meinen Schaden verlangt hätte. Er 
meynt es überall gut, ihm darf ic) alles Elas 
gen Ewig und zuverläflig ift feine Freund⸗ 
ſchaft, in ihm bin ich ruhig und zufrieden. 
Das entflammt meine innige Liebe, mein - 
wa 


Bor ie | ; 
Ben |; 249 


wait von Dank und Erfenntlichfeit anf, mein 
Mund ift feines Lobes vol. In den Schat⸗ 
ten der Wälder, in den tiefen Thälern, übers 
al unter der weiten Decke des Himmels z 
fleig’ ih mit heiſſer Begierde zu ihm du" , 
meinem Wohlthaͤter ‚und wo Menſchen ſich zu 
feinem Lobe verſammlen, da bin ich mit Freu— 
den unter ihnen, da frag ich zu ihrem heil 
gem Chore bey. Mannigfaltig find die Ge 
fbäfte des gewöhnlichen Lebens, ich mag fie 
nun für mich ſelbſt, oder für irgend eine Eleis 
ne und aröffere menſchliche Geſellſchaſt unters 
nehmen. Der verfländige Mann bat bier 
überall feine beflimmte Handlunasweife, feinen 
überlegten Plan, feine angenommenen Maris 
men und Richtſchnuren. Und woher diefe ? — 
Yus fi) felbft, oder von Anvdern ; zulezt im⸗ 
mer von Bott. Alle Obliegenheiten des Mens 
ſchen, was er fich felbft ſchuldig ift, was er 
Andern zu ermweilen bat, ale Pflichten der 
haͤuslichen und bürgerlichen Geſellſchaft, find 
Geſetze eines oberfien Megenten , eines allges 
meinen Königs. Sagt man: Dernunft bat 
fie begriffen, Erfahrung ihre Güte beftättigt; 
fo ift Gott Urheber diefer Vernunft, und oh— 
ne fein Zuthun wird nichts erfahren. Sagt 
man : fie find Ueberlieferung; fo zahl? ich die 
Glieder der Keite bis zu einem erften Erfinder 
zuruͤck, und dieſer — — was ihm Gott 


Q5 gab. 


/ 


N 


gab. Nach diefer Vorſtellungsart thut der 
Fromme, was er thut, zur Ehre Gottes, 
und kennt keinen ſtaͤrkern Antrieb zum Guten, 
als den Willen des Hoͤchſten. — Er iſt ein 
Werk Gottes, ein Theil des vollkommenſten 
Ganzen. Ohne dieſen Gedanken wuͤrde feine 
Selbſterkenntnis immer nur angefangen, und 
nicht zur Hälfte vollendet feyn. Dadurch wird 
er angemwiefen, Ehrfurcht und Achtung für fi) 
felbt_ zu haben, feines Werths ſich zu freuen, 
gewiß aber auch ermuntert, nad) aller. feiner 
Einfiht mit feinem Pfunde, zu wuchern. — 
Er ift Gottes Gefhöpf. Das. berichtigt. feine 
Selbſtpruͤfung. Was er ie Gutes gedacht und 
gethan hat, bat er vonihm. Alſo nicht der 
erweißlichfie Vorzug, nicht das einleuchtendfle 
Derdienfi, Fann ihn berechtigen, ſich über fid) 
felbft zu erheben, Andere neben fidy zu verach— 
ten; gefchmweige denn die unbedeutenden Kleis 
nigfeiten, Vorzüge der Geburt , des Vermoͤ—⸗ 
gens, der ‚Förperlichen Schönheit, und wie 
fie fonft heißen mögen , darauf die meiften 
Sterblichen fo feltfamer Weife ſtolz ſind. — 
Er iſt Gottes Geſchoͤpf. Seine ſo kuͤnſtliche, 
fo wunderbare Zuſammenſetzung, dieſe unbe— 
greifliche Verbindung ſeiner edelſten Theile, iſt 
er ihm ſchuldig. Wenn er alſo ſeinen Geiſt 
in feiner Würde, feinen Leib in feiner Schoͤn⸗ 
heit und Stärke, und beide in ihren — 

am⸗ 


— u 


fammenhange zu erhalten bemüht iſt; fo thut 
er es in diefer höheren Ruͤckſicht, und er thut 
68 darum um fo viel glücklicher und beffer. 
Herr feiner Reidenfchaften, und doch nicht uns 
empfindlich , mäßia in Befriedigung feiner Bes 
gierden, Feiner Freude Feind, aber auch g& 
gen viele mißtrauiſch, nüchtern und keuſch oBs 
ne Tyranney gegen fich felbit, genießt er die 
anziehendſten Vortheile des Lebens, lebt er den 
Abſichten feines Urhebers gemäß , eben um deßs 
willen feines Beyfalls newiß , im Befiß aller 
Güter und alles Ruhms. — ber die ganze 
Welt it Gottes, Jene Sonnen und Erden 
mit ihren Bewohnern, machen zufammen feis 
nen unermäßlichen Staat aus. jede Geifters 
ordnung ift eine groffe Voͤlkerſchaft, die an der 
allgemeinen Glückieeligfeit Theil nimmt. es 
der einzelne Geift ift ein Bürger feiner Ords 
nung, zum Wohl des Ganzen verpflichtet. 
Gott ift infonderheit der Menfchen Vater und 
Herr. Wir, feine Kinder , find eben um deßs 
willen untereinander verbrüderf, einer gemeinz 
famen Natur , eines gemeinfchaftlihen Urs 
fprungs, und einer endlichen gemeinfamen Bes 
ſtimmung. Jeder Menſch iſt mein Naͤchſter, 
dem ich, ohne meine goͤttliche Abkunſt zu ver⸗ 
leugnen, ohne mich meines hohen Ranges un⸗ 
werth zu machen, meine Liebe nicht verſagen 
Ba dem ich vathen und helfen muß , wenn 

es 


2 52 s — 





es in meinem Vermoͤgen iſt. Der Fromme iſt 
überhaupt. gerecht gegen einen ieden, voll 
Wohlwollen felbft gegen feinen Beleidiger, in 
Abtreibung feindlicher Angriffe maͤßig, um 
des Friedens willen von ſeinen klaren Rechten 
ſelbſt nachzulaſſen bereit, bereit. feinem Gegs 
ner die Hand zu bieten, alles zu vergefjen, und 
zu vergeben, und felbft Gutes für Böfes zu 
erweifen bereit. Sein Ausdruck, feine Stims 
me, fein ganzes aͤuſſerliches Betragen, ath⸗ 
men Wahrheit, reden die einfältige Sprache 
feines unverfälfchten Herzens. Seine Funftlos 
fen Hoͤflichkeitsbezeigungen felbf find der Ab; 
druck feiner menfchenfreundlihen Gemüthsart. 


Han Fann nicht. ungeswungner verfprechen „ 


man kann verſprochnes nicht unverbruͤchlicher 
halten. Nicht zufrieden, daß er ſelbſt genug 
hat, daß er alle Vortheile der Erkenntnis 
und der wirkſamen Rechtſchaffenheit für fi) 
einerntet, ſucht er überall Gluͤckſeeligkeit aus⸗ 
zubreiten, Unmiffende zu belehren, Irrende 
zu recht zu weifen; überall einen, wo nicht 
unbekannten, doch nicht recht begriffuen Goft 
zu verfündigen; Wohlwollen zu empfehlen , 
und was über alle Empfehlung ift, felbft in 
Ausuͤbung zu bringen; fo das Elend, fo weit 
feine Kraͤfte reihen, wo nicht aufzuheben, 
doch zu vermindern, doch minder auffallend zu 
machen. Wo ihn die Natur felbfi, wo ihn 

dag 


BZ 


une 253 


das gemeinfame nähere Bedürfnis, wo ihn 
feine eigne vernünftige Wahl in diefe und 
iene Fleinere menschliche Geſellſchaft eingeführt 
bat; dahin glaubt er ſich von. Gott gerufen, 
von einer höhern Weisheit zur Aeuſſerung feis 
ner edelften Kräfte angeſtelt zu ſeyn. Daher 
feine warme Waterlandsliebe, ‚feine großmüs 
thige Selbſtverleugnung für das Beſte des 
Ganzen, fein Pindlicher Gehorfam, feine Brus 
dertrene, feine eheliche Zärtlichkeit ; fein vaͤter⸗ 
liches Wohlwollen, feine uneigennügige innige 
Freundſchaft, und mie die fehönen Tugenden 
fonft heiffen mögen, die fid) überall durch ih⸗ 
ven inneren Gebalt fo fehr empfehlen, daß 
ihnen der kluge Lafterhalte wol noch feine lau— 
ten Lobſpruͤche, aber gewiß nicht feine ftille 
Bewunderung, gewiß nicht feine Achtung , 
nichf den geheimen Beyfall ſeines Herzens ver⸗ 
ſagen kann. 


Hiermit ruͤhm' ich mid) nun bey weitem 
nicht meinen Gegenſtand erſchoͤpft, nicht das 
Bild des gottſeeligen Mannes in feiner gans 

zen Liebenswuͤrdigkeit dargeſtellt zu haben. Aber 
welchem Juͤnglinge ſchlug nicht bey ſo manchen 
glänzenden Zügen don fein empfindfameg 
Herz? In wen flieg nicht der Wunſch auf: 
‚Si ch bie Hoheit des Geiſtes ie eher ie lieber 
nähern, ſich dieſer Güter und dieſes Ranges 
| mit 


254 — 


mit iugendlicher Entſchlieſſung und Hitze bes 
maͤchtigen zu koͤnnen? In der That wuͤrd' 
ich Sie hier auch, meine iungen Freunde! 
allen Wirkungen eines gewonnenen Verſtandes 
und Herzen uͤberlaſſen haben, wenn nicht dieſe 
groſſe Angelegenheit in der Ausführung: ihre 
unvermeidlichen Schwierigkeiten hätte». und 
nicht Ihre feurige Lebhaftigkeit „die ſonſt ih⸗ 
ver Natur nach nur allzuleicht verrauchen würs 
de, durch wiederholte Fraftige Mittel unterhbaß 
ten werden müßte. Wenn ib ihnen alfo , 
mit einem grofjen Schriftfieller aus feiner eigs 
nen , ibm vielleicht fehr unangenehmen. Erfabs 
tung zuruſe: Gedenken Sie an Ihren Schoͤp⸗ 
fer in Ihrer Jugend! fo glaub’ ich das nicht 
nachdruͤcklicher thun zu koͤnnen, als wenn ich 
Ihnen mit dieſem Zuruſe ‚zugleich die ‚ganze 
reizende Ausſicht in. ein, gottſeeliges Leben ers 
Öffne, als wenn ich Ihnen die groffen Porz 
theile näher bringe, die auf Sie davon Ju 
ruckſallen, und Sie zunaͤchſt und unmittelbar 
für Sie ſelbſt thaͤtig machen muͤſſen. 


Die hoͤhere Vollkommenheit eines endlichen 
Geiſtes, wuͤrde wol in dem vernuͤnſtigen Ge⸗ 
brauche ſeiner ihm anerſchaffnen Kraͤſte, und 
dieſer in der beſten Anwendung der zulaͤnglich⸗ 
ſten Mittel zu den größten und beſten Zwecken 
zu ſetzen ſeyn. Zu dem volllommenſten Gan⸗ 

je, 





' 255 
zen, zu der beiten Welt Gotkes uͤbereinzu⸗ 
ſtimmen: Sehen Sie’ da den eriten der Zwe—⸗ 
cke! Gottes Ehre befürdern :: Sehen Sie dA 
zu diefem Zwecke: das Mittel! Die Erkenntnis 
des hoͤchſten Weſens iſt ſelbſt fhon ein Vor⸗ 
zug, und von ihrer groͤſſern Ausdehnung, von 
ihrem hoͤheren und aͤlteren Adel, von allen ih— 
ren andern Vollkommenheiten zuſammengenom⸗ 
men, haͤngt ſchon ein betraͤchtlicher Werth des 
Geiſtes in dem ſie ſi ch befindet, ab. Wie 


viel wuͤrdiger alſo iſt der nicht, wie viel—⸗ 


mehr micht ein edler Buͤrger des Reichs 
Gottes, der dieſe beſte Erkenntnis in ſeinen 
Wandel einflieffen, der die Liebe zu Gott jur 
herrſchenden Geſinnung in fh, zum lezten Be⸗ 
fimniungsgrunde aller feiner Handlungen mwers 
‚den läflet. Aber Erfenntnig wil ‚erworben, 
und Liebe gepflegt fen. Jene Fan nicht zu 
früh erhalten und viefe mit zu lange geübe 
werden, Das. [pätere Alter ift ohnehin wenig 
geſchickt, neuen Eindruck anzunehmen, iſt uns 
‚gelebrig, eben fo ungeneigt alg unfähig, ſich 
‚zu einer veränderten Handlungsiweife gewöhnen 
zu laſſen. Ihr Fall iſt der entgegengeſetzte. 
Itzt beginnet das Werk, wenn Sie anders 
die Reiter der. Volfommenpeit bis zu einiger 
Hoͤhe beſteigen, wenn Sie ſich Arbeit, und 
‚eine, fpäte A mehrentheils fruchtloſe Reue erſpaͤ⸗ 
‚ven wollen. Wenn nun entfhieden iſt, Froͤm⸗ 

migkeit 


256 — 

migkeit mache überhaupt vollkommen; ſo iſt 
auch entſchieden, daß ſie es um ſo mehr thun 
muͤſſe, ie zeitiger fie angeſangen, ie eifriger, 
ie ununterbrochner, ie länger fie. ſortgeſetzt wor— 
den if, Das bedarf Feiner meitern Erläutes 
zung. Srömmigfeit erleichtert alle Obliegens 
heiten des Menſchen, die ſchwerſten, die vera 


worrenſten nide ausgenommen. Wo alle ans. 


dre Gründe nicht zureichen wollen, einen ruͤhm⸗ 
lichen Entſchluß zur Wirklichkeit zu bringen, 
ba ‚giebt die Srömmigfeit. ımmer... den Aus⸗ 
flag. Ohne ihren Beyſtand würde man den 
Aufruhr der Leidenfchaften wol beſchwoͤren, eis 
ne durch, die andre mäßigen, und dadurch ein 
gemiffes Gleichgewicht unter allen zu Stande 
Bringen; niemals aber dem Herzen des Mens 
chen vie fichere Nude gewaͤhren koͤnnen, 
die zu einem gluͤckſeeligen Leben ſo unent⸗ 
behrlich if. Kein Menſch if über den 
Wechſil des Glücks, über beſchaͤmende 
Fehlſchlagungen, über Fränfende Verluſte, 


koͤrperliche Schmerzen, und faufend andre 


Uebel hinweg. Wenn er mun faft unter 
der Hand feines Schickſals erliegt, wenn er 
der eindringenden Norh nicht wehren , wenn 


er für feine Wunden Feinen lindernden Vals 


fam erfinden Fann, womit fol er dann der 
twüthenden Werzwerflung begeanen, die fi) 
ihm wider feinen Willen aufdringen, die ihn 

zu 





257 


zu den ſchwaͤrzeſten Thaten fortreiffen wird 2 
Kann er aber denken: Das ſchickt mir Gott 
30, dadurd) will er mid) zu höherer Glückfees 
ligkeit vorbereiten, mid in Tugenden üben, 
zu denen fonft die Gelegenheit fehlen würde; 
wieviel anders wird er dann die Uebel aufnehs 
men , die ihren beflinmten Grad immer nicht 
überfchreiten und aufs aͤuſſerſte nur feinen flerbs 
lichen Leib zerfiören Fönnen! Co erinnert die 
Srömmigfeit den Gluͤcklichen und Reichen: 
er habe nichts von fi), alles von Gotf, er 
fen Gottes Haushalter. ‘Das muß ihn Des 
muth und Wohlthätigkeit lehren, wenn auch 
fein Herz widerfpredben folte. Der Weife 
felbft kann feine Kenntniſſe nicht fo fehr für 
fein Eigenthum halten, daß er fid) ihrer übers 
heben dürfte. Gott zündete den Funken in feis 
ner Seele an, er veranflaltete Gelegenheiten 
und Umftände, vermittelt deren er fid) augs 
breiten und zu einer belleuchtenden Flamme 
werden Fonnte. Die Furcht Gottes iſt der 
Meisheit Anfang und Grund. Der überles 
ende Juͤngling denke: Diefer Leib ift ein 
Merfzeug meiner Seele. Beide hat Gott zu 
gemeinfamer Abficht verbunden. Wehe mir, 
wenn id) diefe in Unwiffenheit und Irrthum vers 
ſinken lieffe! Wehe mir, wenn ich jenen dur 
Uebermaß, Ausfihweifung und [handliche Wols 
luͤſte zerſtoͤrte — will ich mich alſo 

R zum 


sum Guten unterweifen, und über meine höhes 
ren Bedürfniffe belehren laſſen; frühzeitig will 
id den Lüften enfgegen ſtreben, denen ic) mich. 
nicht überlaffen Tann, ohne mich meinem. 
Verderben zu überlaffen. - Damit werd’ ic) 
Leib und Seele gefund erhalten, damit werd”, 
ich mich auf mein Fünftiges Leben vorbereiten, 
damit allen Stürmen des Schickſals begegnen. 
fünnen. Uebung im Guten made ſtark, läns 
gere Uebung macht noch flärfer. Oft wieders. 
hohlte Tugend wird Gewohnheit) und Ges 
wohnheit Natur, Wer das ehrenvolle Ziel erz 
reihen will, faat der philoſophiſche Dichter; 
muß als Knabe fon gethan und gelitten, 
Soft und Hiße ertragen, alles Uebermaßes ſi ich 
enthalten haben. 


Sogern ih nun auch geſtehe, daß die höͤ⸗ 
hern Grade der Tugend immer nicht ohne 
Selbſtverleugnung, immer nicht ohne Aufopfes 
rung einer und der andern finnlichen Freude 
erhalten werden koͤnnen; fo gewiß bin ich doch 

auch, daß Froͤmmigkeit nie aanz ohne Freude 
ſehy, daß diefe Freude alle andre Dauerhaftigs 
keit übertreffe, und oft auch) zu einer ungemeis 
nen Rehhaftigfeit, zu einem gufferordentlicdhen 
Entzuͤcken ſich erheben koͤnne. Diefen Nektar 
des Lebens, meine zärtlich Geliebten! mie 
gern wollt' ih, daß Sie ihn ſich unvermiſcht 
erhiels 


erhielten ! Das Finnen Sie nicht, wenn Sie 

nicht zeitig auf Gott fehen, wenn Sie nicht 
von dem Frühlinge Ihres Lebens fchon den 
vernünftigen Gebrauch machen, ohne weichen 
das Größte und Beſte ſchlechterdings nicht zu 
erreichen if. Hang nach Vergnügen ift in dem 
Charakter Ihres Alters. Den hab’ ih), mie 
Sie, gefühlt, und id) habe noch nicht zu lan⸗ 
ge gelebt, daß ich ihn nicht ist nod empfinden: 
follte. Das ift Natur, Suche dein Vergnuͤ— 
gen: iſt ihre Geſetz. Ih Fann es Ihnen allen 
. zutrauen, daß Sie unter den mannichfaltigen 
Pergnügungen, die fi Ihnen anbieten, die 
untadlichſte Wahl treffen würden, menn Sie: 
eine iede derfelben vecht Fenneten, und damit 
auch auf ihren eigentlihen Werth zu fehen 
müßten. Sie würden dann einfehen, daß das 
finnlihe Vergnügen nur nicht ausfchlieffunggz 
weiſe geſucht werden muͤſſe, daß es hinfällig 
fen, daß es, in einigem Uebermaße, nie ohne 
Schaden genoſſen werden koͤnne. Wenn nun 
dagegen die eifvigfte Gottſeeligkeit felbii, wenn 
nun die zaͤrtlichſte Tugend mit der ſinnlichen Freus 
de beſtehen Fann, menn fie den mäßigen Gebrauch 
der ivdifden Guter verftattet, zu einem glück; 
ſeeligen Leben empfiehlt; bey dem allen aber 
ſich ſelbſt genug ift, ſich von ihren unerfchöpflis 
den Mitteln allein erhalten, über ein ganzes 
langes geben lortdauern und dem ſchwachen 
Ra eempfind⸗ 





empfindungslofen Alter noch von ihren An— 
nehmlichFeiten mittheilen Fann ; fo kann man: 
ia wol den ftreitigen Fall_einer ganz gewöhnlis 
hen Einficht zu entſcheiden überlaffen , ohne‘ 
davon etwas für die gute Sache befürdten 
zu dürfen. Bey der Srömmigfeit geht nichts 
verloren, fie fihere, mas da ift, und fert 
noch von dem Ihrigen hinzu. — Wo ift ein 
Anblick fo feſtlich, als der der wieder belebs 
ten Natur, mann nun die Nürfen der Berge 
mit neuem Grüne ſich Fleiven, mit wirbelnden 
Blüten die Winde fpielen, und Kräuter und 
Blumen die Auen bedecken? Was ift dem 
Wohllaute gleich, wann alledie Sänger des Wals ' 
des den fommenden Tag mit ihrem Piede begruͤſ— 
fen, wann alles ſchimmert und tönt und Wohl⸗ 
gerud) athmet? Wo iſt der Verwahrlofete, der 
dann nicht in irgend einen Ton der Freude 
ausbrechen, nicht wenigſtens in ſeinen Nerven 
ein ihm unklaͤrbares frohes Zittern empfinden 
ſollte? Wer nun dazu noch in allen dieſen Er⸗ 


ſcheinungen eine lezte wirkende Urfac) entdes 


dh, wer fih von einer wohltbätigen, alaegens 
märtigen Gottheit umgeben fühlt, der ſchwingt 
fih zu den höhern Graden des Entzuͤckens hin— 
auf, Thränen rollen über feine Wangen herz 
ab, und feine bebende Stimme wird Gefang. 
Wohl dem Juͤnglinge, der in früheren Tagen 
fi bin diefen Gefüplen gewoͤhnt hat! — Angenehm 

| iſt 


I 


— "26x 


iſt ed, einem geprüften Freunde fein Herz ent 
decken, feine Noth ihm Elagen, und dann Rath 
und Hülfe von ihm erwarten; aber mit Goft 
reden, ale feine Bedürfniffe ohne Zurückhals 
tung ihm vorlegen, dem Allgütigen trauen, 
ihm in feinen Verfügungen fid) ganz überlafien; 
das leitet unftreitig zu einer höhern Beruhi— 
gung , zu einem Grade: der Zufriedenheit, ver 
von Feiner andern Verbindung zu erwarten 
iſt. — Angenehm ift es, auf die Schickfale 
des menschlichen Gefchlechts überhaupt einen 
betrachtenden Blick werfen, nod) angenehmer, 
auf feine eignen guten und bofen Begegniſſe 
zurückfehen; aber in dem allen eine alleslenfens 
de Vorſehung bemerken ; gleichfam mit Häns 
den greifen, daß ein höberer DVerfand im 
Spiele fey, daß unendliche Weisheit und Guͤ— 
fe überalt ihren Plan im Stillen verfolge : 
das find Gedanken von ungemeiner Würde und 
Kraft, denen man in fo vielen Fällen nicht 
nachhaͤngen Fann, ohne fid) auf das frohefte 
betroffen zu fühlen. — Es ift in der Natur 
der Seele, fih ihrer Werke zu freuen. Jede 
gute That, iede Aenfferung der Menſchenliebe 
und des gemeinen Wohlwollens, iſt für den 
Handelnden , wo nicht immer mit einem bes 
gleitenden, doch mit einem nad)folgenden Vers 
gnügen verbunden. Und nun ermäffe man 

Rz ſelbſt, 


N 
2.62 — men nn ch 


ſelbſt, was es auf fih haben müffe, denken 
zu Fönnen: man habe das um Gotteswillen ae; 
tban, das aus: Achtung für ihn und feine Ge⸗ 
-feße unternommen , dieß und das ang zärtlis 
cher Liebe zu ihm aufgeopfert, und er wife 
das alles. — Nichts weiter von den mans 
nichſaltigen Vergnuͤgungen, die der Gottfeelige 
ſich zu verfchaffen im Stande it! Das Ders 
zeichnis derſelben wäre leicht zu vergröffern 5 
ich will aber lieber, daß Sie bier felbft er; 
jahren als von mir hören follen. Berechnen 
Sie nur noch, was für ein Unterfchied es in 
der Summe make: dieſe Freuden, von dem 
heitern Morgen feines Lebens an, aufgeſam⸗ 
melt; oder erſt gegen den Abend deſſelben zu 
ſchmecken angefangen haben. Nicht zu geden— 
fen, daß man fi ihre Neise zu empfinden _ 
durd) die beharrliche Ungewohnheit zulezt ſelbſt 
unfähia macht. 


Eine groſſe Begebenheit beſchließt endlich 

das Schauſpiel des Lebens. Der allgemeine 
Weg wird immer zuruͤckgelegt; am Grabe fins 
den wir ung alle zufammen. Steben! ... 
Ein Wurm Frümme fi) vor diefer Erfahrung. 
Wieviel mehr nicht der Menſch, der feine 
Verluſte berechnen kann, und deren in der 
That ſo viele zu fuͤrchten hat! Auſſerdem in 
dieſe 


vun 263 


diefe ſchreckliche Kataſtrophe gemeinhin erfl 


die Folge eines noch ſchrecklicheren Vorſpiels. 


Es giebt Krankheiten, die Monathe und Jah— 
re lang anhalten, es giebt Schmerzen, vie 
kein Ausdruck ermißt. Oſt wird der Kranke 
noch lebend ein Gegenſtand des Abſcheus und 
des Edkels, fi) felbft und den GSeinigen uns 
ertraͤglich. So ſchrecklich die Wahl ift, fo 
wuͤnſcht er feine Auflöfung Aber er wünfdt 
‚fie no) lange vergebens ; fie beginnt endlich : 


——— Dem Sterbenden brehen die 
| Augen und fterren, 
Sehen nicht mehr. Ihm febwindet das 
Untlig der Erd’ und des Himmels 
Tief in die Tracht. Kr hörst nicht mehr 
| die Stimme des Menſchen, 
Noch die zärtlihe Klage der Sreund: 
ſchaft. Er felbft Fann nicht reden; 
Kaum mit bebender Zunge den bangen 
. Abschied noch ftammeln; 
Athmet tiefer herauf; und Falter änaft: 
licher Schweis Iauft 
Ueber fein Antlitz, das Herz ſchlaͤgt lang: 
ſam, dann ftehts, dann flirbt er. 


- Wenn diefe ſchauervollen Umflände durch Uns 
ruhe des Gemuͤths, durd Schmerzen der Seele 
a A nun 


264 — 


nun noch ſchauervoller werden, wenn nun der 
elende Gequaͤlte eine zweifelhafte Ewigkeit vor 
fi, und ein übelvollbradjtes Leben hinter ſich 
zuruͤck ſieht; fo ift nichts in der Natur, das 
diefem Jammer an die Seite aeflellt werden 
fönnte. Zittern Sie, liebenswürdige Juͤng⸗ 
linge ! vor diefem Bilde, dem ich Feine faliche 
Sarbe geliehen habe, zurück; fo wiffen Sie, 
daß eine frühe, lebenslang fortgefeste, red⸗ 
liche Frömmigkeit in einem ſiechen, gefolterz 
ten Körper immer nod) eine gefunde Seele erz 
halte. Ueberhaupt Fann man annehmen: der 
überwiegend Lafterhafte trage felbft mehr zur 
Zerrüttung feines Körpers bey, als der gleich— 
müthigere Zugendhafte, ver ſich Fein freyes 
Uebermaß zu Schulden Fommen läßt. Bey 
dem alien aber flieht es nicht in der Make 
des lestern, den gemeinen Kauf der Natur zu 
unterbrechen , feine Nerven empfindungslos, 
feinen Leib unzerflörlich zu machen. Aud ihm 
wird ber berbefte Kelch Förperlicher Leiden 
geboten. Er empfängt ihn von der Hand 
Gottes, nice ſtoiſch fuͤhllos, und duch ohne 
durren, mit gänslicher,, freyer Ergebung in 
den Willen feines himmliſchen Vaters. Herz 
erhebend und anmuthig für ihn ift die Ruͤck⸗ 
fibt in fein vergangenes Leben. Iſt er ſich 
u einer und der andern Vergebung bes 
wußt, 


—— ernen 265 


u. 


mußt, fo erinnere ex ſich doch auch fehr wohl; 
daß er ed von Jugend auf mit Gott gut meyn⸗ 
te, daß es ihm mit feinem Beſtreben von 
Zeit zu Zeit befler au werden, ein Ernft war, 
und daß er doch auch fo manches unterlich, 
und fo manches that mit dem eigentlichen 
Bornehmen , fi feinem oberſten Wohlthaͤter 
gefällig zu machen. Dabey fieht er eine ganz 
heitre Ewigkeit vor ih. Sein ferneres Schick— 
fal in der grofien Stadt Gottes kann nur gut 
ausfallen; feine immermehr berichtigte Kennts 
nis, feine angewöhnte Rechtſchaffenheit, if 
ihm Buͤrge dafür, Iſt es Wunder, wenn er 
bey diefer Bekanntſchaft mit einer zufünftigen 
Welt, ver gegenwärtigen vergift, wenn er 
unter allen fchmerzlichen Empfindungen feines 
hinfinfenden Leibes, die Hand feegnet, die ihn 
gebeugt hat, um ihn zu einer ununterbrod) 
nen Gluͤckſeeligkeit aufrichten zu Fünnen ? 


Sünglinge, die Sie lernen, die Sie fh 
auf alle Schickfale bis zu dem lezten Ihrer 
Tage vorbereiten wollen, treten Gie an das 

SEE Ster⸗ 


266 eurmmurne 


‚Sterbebette eines Addiſon oder eines Baum⸗ 
garten; fehen Sie da die feeligen Wirkungen 
‚der. befien Religion, ven gefesten, heitern 
Sinn, fehen Sie da den Frieden, in weh 
chem ein Chriſt ſtirbt. 


Ende des erften Abſchnitts. 


inhalt 


a eng 267 


een at 
der profaifchen Anthologie, 
| Seife, 
1.) Erzählungen und Bes 
fehreibungen, 
Der Knabe und die Mutter — = 
Die Erziehung ; an 6 
Der verfchwiegene- Papyrius “ 7 
Der dankbare CLoͤwe erg 
Aus dem Schufter ein Arzt ? 12 
Der Bruder und die Schwefter 33 
Der Schiffbruch des Simonides BA, 
Wahre Vorzüge h u 
Mathildis * 17 
Der Wilde ; ; 19 
Noth zwingt zu weilen zu ER 
| — 22 


Kind⸗ 


268 1 — 


Kindliche Ciebe ⸗ 
Die traurigen Folgen der — 
Die Macht der Freundſchaft 
Scheinbare Gluͤckſeeligkeit ⸗ 
Die ungluͤcklichen Kinder eigenfin: 
niger Aeltern bey der Wahl * 
Lebensart ⸗ 


Allzugroſſe Betruͤbniß und über; 
triebene Liebe ; 


Zween Grenadiere, die Erretter ei⸗ 


ner unglücklichen Mutter 
Der wirdige Sohn : 
Mer redliche Greis 
Die mitleidigen Belagerten ⸗ 
Der Vorwitz und die Unwilfle enbeit 


IN 


ift geneigt etwas für Tächerlich zu ; 


halten, was es nicht iſt ©: 
Der Tieger und der Elephant 
Schoͤnheit und Haͤßlichkeit 
Wahre Großmuth verlangt fuͤr 

Wohlthun keinen Dank 
Beſchreibung des Untergangs der 
Staͤdte Herkulan und Pompeii 
beym Ausbruche des Veſuvs 


} Sitten der Gallier und Germanier 


* Seite. 


24 
26 


28 
32 


34 


37 


49 


60 


61 


2.) Brie⸗ 


mE - 269 


BI: ‚Seite. 
2.) Briefe, ei 
An den. Trebatius J— 75 
: 2: Marius 76 
⸗Cigarius 78 
ce: dio : 81 
vs Cukceius ⸗ 86 
Tiro a. 90 
«2 Sabius Zuftus NE 95 
⸗⸗Paulin Pb DR ib. 
2.  Septicius Klarus wer 06 
s:: Beninius Rufus ⸗ 98 
⸗⸗Bornelius Tacitus 99 
An die Siſpulla ⸗ 10L 
An den Maximus aa tllr 103 
| Deiftus : 005 104. 
An einen Sreund ⸗ 106 
An einen Send 8 109 
An einen Freund 4 113 
An Geren von 5**" : 116 
An eine Frau von GT" 118 
An Diefelbe ae nz 123 


An einen Grafen NI** von B* 125 


An 


| Seite. 
An einen Doktor Ra 127 
An Gellert me ag," 
An Rabener Br F * 132 
An Cramer — ——— 134 
An Gellert RE Ras 
An einen Sreund a — 

3.39) Beyſpiele. 
Maͤſſigung des Zorns ee 7° 
Vergebung der Beleidigung ibid, 
Ehre für das Alter - — 146 
Thorheit der Neider wohl "zar 
Großmuth 6 > ic Ib 
Wahrer Beichthum 148 
Tugend noͤthigt ſelbſt Vöfewicrern 

Hochachtung ab ⸗ ib. 


Gegen den, der uns belohnt, dank; 
bar zu ſeyn, iſt ſchoͤn ⸗ 149 
Uebereinſtimmung der Erkenntniß 


mit dem Wandel | Ri ib» 
Weisheit Gottes $ Ist 


Die Glüctfeeligfeit 152 


— ‚153 
| Reichthum — nicht lei 154 
ZartlichFeit gegen Aeltern, 2 Stüde 155 


Wohlthaͤtigkeit — 157 
Dankbarkeit ⸗ | 158 
Standhafte Erduldung koͤrperlicher 
Schmerzen ⸗ ib, 
Sparfomtit 159 
Siebe und - Bohachtung gegen die 
Aeltern”  ,' ı6X 
Mitleiden gegen — 
Verachtung gegen die Aeltern 163 
Gerechtigkeit ⸗ ib. 
mu VER ER 164 


4.) Anekdoten XXXVI. 167 


5.) Charaktere. 


von der Schmeicheley a Wi 189 
Von der Schwarbeftigkeit Page 
Archytas von Tarent ⸗ 192 
Der Juͤngling von einer guten und 
* Seite ⸗ 197 


6.) Weber 


072 ——— 


Seite. 
6.) Ueber Höltys Charakter 209 


7.) Aufſaͤtze. 


Pflichten gegen Gott J 229 
Beſtimmung des Menſchen hienieden 233 
Vom Mitleiden und Mildthaͤtigkeit 238 


8.) Rede von den Vortheilen 
einer fruͤhzeitigen Froͤm⸗ 
migkeit. 245 





Poeti⸗ 


Poetiſche 
Anthologie. 


Zweyter Abſchnitt. 





Die 


Dihrtunf 
de Horag 
von Ramler überfest. 





N 


| 277 


Woein ein Maler. einem Menſchenkopfe den 

“ Hals von einem Pferde gäbe, überall 
zufammengerafte Glieder mit bunten Federn 
überzöge, und mit einem haͤßlichen Fiſchſchwanz 
endigte, mas mit einem ſchoͤnen Weibe ans 
fing: würdet ihr euch beym Anblick einer fols 
chen Arbeit des Lachens enthalten ? 


Diefem Gemälde, meine Pifonen , gleicht 


ein Gedicht, welches unmefentlihe Geftalten 


uns fhildert, den Träumen eines. Kranken 


gleich, Geſtalten, wozu nicht Kopf nicht Fuß 


ſich ſchickt. 


Kann ein Maler und ein Poet nicht ers ; 
ſchaffen, was ihm beliebt? 


Er kann es: dieß Recht nimmt er ſich, 
dieß Recht erlaubt er andern; aber ſo, daß 


man nicht Wildes und Zahmes zufammenbrins 
‚ge, dag man nicht Schlangen mit den Voͤgeln 
paare, oder kaͤmmer mit den Tiegern. 


Oft wird einem ernſthaften Eingange, der 


wichtige Dinge verſprach, bie und da ein 
Sbimmernder Parpurlappen angeheftet; man 
malt ———— Hain und Altar, einen Vach, 


S3 der 


278 — ———— 


der ſich durch lachende Wieſen ſchlaͤngelt, die 
Silberwellen des Rheins, den Farbenbogen 
der Iris. Allein bier war nicht der Ort das 
zu. Vielleicht kannſt du fehr matürlid) eine 
Cypreſſe fehildern : was nüßt fie aber da, wo 
der arme Mann für. fein Geld gemalt feyn 
will, wie er aus dem zerfcheiterten Schiffe 
bälflos in den Wellen ſchwamm! Eine Urne 
ward angelegt ‚ man dreht die Scheibe, und 
bringt ein Toͤpfchen hervor. 


Kurz, alle, was du behandelf — 
Gleichſoͤrmigkeit und Einheit, 


Wir Dichter, Piſo, du weißt es, ihr 
wißt es, wuͤrdige Soͤhne des Piſo! wir laſſen 
uns mehrentheils durch den Schein des Schoͤ⸗ 
nen betriegen. Ich ſtrebe nach Kuͤrze, und 
werde dunkel; nach Lieblichkeit und verliere 
Geiſt und Staͤrke. Wer mit der Erhabenheit 
prangt, wird ſchwuͤlſtig; wer allzuſurchtſam 
ſich vor den Stuͤrmen ſichert, kriecht auf dem 
Boden fort, Wer den einförmigflen Stoff 
recht wunderbar mannichfaltig machen will, 
malt einen Delphin in den Wald, und einen 
Eber in die Wellen. Wir vermeiden den einen 
Sebler, und fallen in den andern, fobald wir 
unfrer Kunſt nicht gewiß find. Dort bey der 
Schule des Aemilius wird irgend ein Künftler 
die Nägel. vortrefflich auszudrücken, und dag 

weiche 


/ ER ——— re 
| 7) RER 279 


weiche Haar im Erz nachzubilden willen; aber 
er ift unglürflid) in der Hauptfache, weil er 
fein Ganzes zu liefern taugt. Gin folcher 
Arbeiter möchte ich eben fo wenig ſeyn, als 
id) die Schönheit ſchwarzer Augen und Haars 
lofen mit einer garfligen Naſe erfaufen möchte. 


Ihr, die ihr etwas zu fehreiben unters 
nehmt, wählt einen Stoff, dem eure Kräfte 
gewachfen find, und verfucht lange Zeit, was. 
eure Schultern zu fragen und nicht zu fragen 
taugen. Wer eine Materie gefunden bat, die 
feinen Talenten angemeffen ift, dem wird es 
nicht an dem ſchoͤnen Ausdruck, nicht an der 
deutlichen Drdnung fehlen. 


Sol die Ordnung Wirkung thun und Ans 
muth haben, fo muß man, dünft mic), in dem 
erfien Augenblick fagen, was fi) für dieſen 
Augenblick ſchickt, aber dag meifte unterdräs 
cken und auf eine bequemere Zeit verfihieben. 


Was den Ausdruck anbetrifft, fo muß ein 
Verſaſſer, der ung nichts geringeres als ein 
Gedicht zu liefern verfpricht,, im Gebrauche der 
Woͤrter zaͤrtlich und behutſam feyn, dieſes 
waͤhlen, jenes verſtoſſen. Man erhebt ſich über 
den gemeinen Ausdruck, wenn man einem be— 
kannten Worte durch die Stelle, wohin man 
es ſezt, einen Schein der Neuheit giebt, SIE 

S4 es 


299 EEITEETTZ EEE 





es aber nöthig, durch nanz neue Zeichen Dins 
ge vorzuſtellen, die ehemals unbekannt maren, 
fo mag ein Poet Woͤrter erfinden, die unfre 
alten bärtigen Cetheger noch nicht gehört has 
ben : man wird es ihm gern erlauben, woofern 
er fich dieſer Erlaubniß nur mit Beſcheiden— 
heit bedient; und man wird feinen neugeſchaf— 
jenen Mörtern das Buͤrgerrecht nit verſa⸗ 
gen, wenn fie urfprünglich griechifch und durch 
eine Feine Veränderung zu lateinifchen umges 
bildet find, Warum fell Cäcil und Plautus 
mehr Rede haben, als Virgil und Varius? 
Warum macht man mir ein Verbredden dar 
aus, meine Spradde, wenn id) Fann, mit eis 
nigen Woͤrtern zu bereichern, da es die Ras 
fonen und die Ennie vor mir getban haben ?- 
Es iſt erlaubt geweſen, und wird erlaubt bleis 
ben, ein neues Wort zu fehaffen, mofern es 
nur das Gepräge des nn |, Gebraus 
ches trägt. | 


Sp wie die Wälder ihre Blätter verlies 
ren, jo bald das Jahr fich neigt, und wie die 
erfien, welche hervorkeimten, die erften find, 
die wieder abfallen: eben fo fterben die alten 
Wörter dahin, indeffen Die neugebornen in iu— 
gendlicher Schönheit: bluͤhn. Wir alle find 
dem Tode unterworfen mit allem was und ans 
gehört. Jener in das Land tief ausgeſchweiſte 


Dale, 


/ 


es ER | 281 


Hafen, ber ganze Flotten vor den Sturmwin— 
den ſichert, ein Föniglihes Werk; iener uns 
fruditbare See, den man ehemals mit Rudern 
peitfhete, und der ist den fchweren Pflug ers 
duldet, und die benadibarten Städte naͤhrt; 
iener Strom, der lange den Ernten ſchaͤdlich 
war, „und nun einen andern Kauf zu nehmen 
gezwungen ift: alle Werfe der Eterblichen vers 
gehn ; und die Woͤrter allein follten ihren 
Glan; und ihr altes Anfehn unverfehrt behals 
ten? Diele find gefallen und werden wieder 
entſtehn; andere, die noch izt in Ehren find, 
werden in Verfall gerathen, fo bald es der 
Gebrauch befehlen wird, er, der Dichter und 
Die Regel und das Gefeg der Epraden. 


Welchen Ders man zu den Thafen der 
Könige und der. Feldherren, und zu den 
ſchrecklichen Schlachten wählen fell, bat uns 
Homer gezeigt. In ungleiche Zeilenpaare ward 
zuerſt die Klage, bald darauf auch die Freude 
über erhaltene Wünfche gekleidet. Wer aber 
den abgefürzten elegifehen Ders erfunden bat, 
daruͤber fireiten die Kunſtlehrer, und der Streit 
iſt noch nicht entſchieden. Den Archilochus 
waffnete die Race mit feinem Jambus. Die 
Socken und der Kothurn nahmen diefen Syl⸗ 
benfuß auf, den bequemfien zu den Gefpräs 
dien, und Der das Geraͤuſch der Zuſchauer am 
befien überfiimmt, und der zur Handlung ges 

565°... mabt 


% 





252 


macht zu fenn ſcheint. Die Mufe befahl der 
Leyer, die Götter. zu befingen , und ‚die Hel; 
den, der Götter Geſchlecht, und den fiegen: 
den Athleten, und die Roſſe, die den Preis 


eriagen, und den verliebten Kummer der Ju— 


gend, und die taumelnden Freuden des Weins. 
Henn ic) den beftimmten Ton, wenn ich die 
Farbe diefer Gedichte nicht verfiche und nicht 
zu treffen fauge: warum laſſe ich mich einen 
Dichter nennen? Warum will id), unzeitig 
ſchamhaft, lieber unwiſſend bleiben, als mid) 
unterrichten 2 | 


Ein komiſcher Stoff muß nicht in tragi— 
ſchen Verſen erzählt werden; und eben fo vers’ 
ſchmaͤht das Gaftmahl des Thyefls den ver; 
trauten Ausdruck, der den Sorfen anfländiger 
ift. Sede Gattung behalte ihren geziemenden 


Platz. 


Doch erhebt auch die Komoͤdie bisweilen 
ihre Stimme: ein erzuͤrnter Chremes, ſchilt 
mit aufgeblaſenen Backen; und die Tragoͤdie 
klagt mehrentheils im bürgerlichen Ton. Wenn 
Zelephus und Peleus beide verbannt find, arm 
und dürftig beide, und uns dur die Erzaͤh— 
lung ihres Unglücks rühren wollen, laſſen fie 
allen Pomp, ale hoch aufgefcehwollene Worte 
‚Jahren. | 

Es 


— — — — — — en 


Es iſt nicht genug, daß die pontiſche 
Farbe ſchoͤn iſt, die Gedichte muͤſſen auch eins 
nehmend ſeyn, und das Herz der Zuhoͤrer ih; 
ren Abfihten gemäß zu lenken wiffen, das 
Angefiht des Menſchen traurt oder erheitert 
ſich, beym Anblick derer, die meinen oder 
lachen. Willft du alfo, daß ich weinen foll, 
fo zeige zuerfi dich felber betruͤbt: alsdann, 
0 Telephus, alsdann, o Peleus, werde ich 
von deinem Leiden gerührt toerden. Wenn du 
deine Rolle nicht richtig ausdruckſt, fo werde 
ic) bey deinem Ungluͤcke gähnen over lachen. 


Zu betrübten Geberden ſchicken fich trans 
tige Meden, zn ehrbaren erufihafte, drohende 
zu zornigen, zu frölichen luſtige. Denn zuerſt 
läßt die Natur von ieder Aendrang des Glücks 
ung innerlich den Eindruck fühlen: fie erhei- 
tert ung, erregt unfern Zorn, beklemmt die 
Bruſt durch Angſt, beugt uns dur ſchweren 
Gram zur Erde nieder; und hierauf bedient ſie 
ſich allererſt der Sprache, als einer Dollmet⸗ 
ſcherinn, dieſe Gemuͤthsbewegungen auszudruͤ⸗ 
cken. Stimmen die Worte nicht mit dem Zu— 
ſtande des Redners zuſammen, ſo werden alle 
Roͤmer, der Ritter und der Fußknecht ein laus 
tes Gelaͤchter erheben. 


Es iſt ein groſſer Unterſchied unter. deb 
Rede eines Knechts und eines Helden; eines 
weiſen 


254 ann men 
mweifen Alten, und eines blühenden erhizten 
Juͤnglings; einer gebietenden Frau und ihrer 

getreuen Wärterinn ; eines Handeldmannes, 
der die Melt dur&flreift, und eines Lands 
manng, der im Frieden feinen Acker pflügt ; 
derer, die in Kolchos geboren find, oder in 
Aſſyrien, zu Theben erzogen find, oder zu 
Argos. 


Shildere nah dem Gerücht; oder er— 
dichte zufammenfiimmende Dinge. Nenn du den 
geraͤcheten Achill aufführen willſt: fo laß ihn 
thätig, iachzornig, hitzig, unerbittlich ſeyn; 
er ſetze ſich uͤber die Geſetze hinweg; er maſſe 
ſich alles durch das Recht der Waffen an. 
Medea trotze der Gefahr und bleibe unerſchuͤt— 
- tert im Ungluͤck: Ino iammere; Srion ſey 
treulos, Jo flüchtig und unflät, Oreſt voll 
firfierer Melancholey. Wenn du eg wagſt, 
etwas nie gefehenes auf die Bühne zu bins 
en, und einen neuen Charafter zu. erſchaffen: 
fo fey er am Ende fo, wie du ihn am Ans 
fange zeigteſt; er verleugne ſich nie, Sreilich 
ift es ſchwer, bloß möglide Weſen Fennbar 
und_ eigentbiimlich abzufchildern : bringe alſo 
lieber eine Handlung aus der Iliade auf das - 
Sheater, ehe du unbefannte und nie gefagte 
Sachen zuerſt aufführefl. Diefer weltfundige 

Stoff wird dein eigener, wenn du dich weder 
an den Umriß der fremden Erzählung bindeſt, 
2 


N 





285 


noch auch, als ein getreuer Dolmetfcher, Wort 
für Mort ausdrückt ; damit du nicht mie dei— 
ner Nachahmung in eine Enge gerathefl, wors 
- aus du dich nicht ohne Schande heraus zies 
ben Fannft, und worinn du dich nicht, obne 
Verlegung der Regeln, weiter wagen darſſt. 


Auch mußt du nicht anfangen , fie iener 
eykliſche Poet: Ich finge die Schickfale Priams 
und ienen glorreidyen Krieg, Welche Wunvderz 
dinge wird der Dichter bervorbringen,, der 
feinen Mund fo weit aufthut 2 Der Freiffende 
Berg wird eine, läherlibe Maus gebaͤren. 
Weit kluͤglicher hebt dieſer an, der nichts 
unbeſonnen unternimmt: Erzaͤhle mir, o Mus 
ſe, von dem Manne, der, nach Trojens Un⸗ 
tergange, die Sitten und die Staͤdte ſo man⸗ 
ber Menſchen ſah. Hier folat der Rauch 
nicht auf die Flamme, die Flamme folgt auf 
den Rauch. Hieraus wird er Wunder her— 
vorbringen : den Antiphates und die Scyhlla, 
die Charpbdig und den ungeheuren Cyklopen. 


Er hebt den Ruͤckzug Diomeds nicht vom 


Tode Meleagers an, noch den Troianiſchen. 


Krieg vom Zmilingeeye der Leda. Er eilt als 
legeit zum Ausgange, und reife den Pefer 
mitten in die Gefcichte hinein, als ob ihm 
alles übrige bekannt wäre ; er läßt fahren, 
was ihm Feiner glänzenden Ausführung fähig 

zu 


Ps 


286 — 


zu ſeyn duͤnkt; und dichtet ſo, miſcht ſo das 
Wahre mit dem Falſchen, daß Anfang, Mit⸗ 
tel und Ende gleichartig und von Einer Na⸗ 
tur zu ſeyn ſcheinet. 


Hoͤre mir zu, was ich von dir begehre, 
und das Volk mit mir. Soll dein Zuhoͤrer 
mit Vergnuͤgen alle Scenen ausdauren, und 
ruhig ſitzen bleiben, bis der Spieler ruft: 
Ihr Sreunde klatſcht! fo zeichne die Eitten eis 
nes ieden Alters, fo gieb den wandelbaren 
Jahren und Sinnesarten ihre wahre Farbe. 


Ein Kind , melches bereit? alle Worte 
nachzuſprechen weiß, und die Erde nit mehr 
mit wanfendem Fuſſe betritt, fpielt gern mie 
feines Gleichen, erzörnt fih um nichts, und 
verjöhnt fib eben fo leicht; es Ändert mit ice 
dem Augenblic, 


{ 


» 

Der Süngling, der fi) endlich von feinem 
Aufſeher befrenet fieht, bat feine Luft an Pſer⸗ 
den, an Hunden, am grünen Kampfplag des 
Mars; nimmt, gleih einem Wachſe den Eins 
druck des Boͤſen an; ſtraͤubt ſich gegen gute 

Lehren; forget für die nüglichiten Dinge zulezt; 
verſchwendet fein Gut, iſt eitel, begehrt beitig, 
verläßt fehnell wieder, was er am eifrigſten 
liebte. 


Das 


I 287 


Das maͤnnliche Alter aͤndert die Sitten; 
der Mann ſucht Güter zu erwerben, ſich Sreuns 
de zu machen, fich höher empor zu ſchwingen; 
er huͤtet fi), etwas zu unternehmen, was ihn 
gereuen Fönnte, 


‚Der Greis ift einer Menge von Unfällen auss 
geſezt. Er haͤuft Schäße und der Armfelige ges 
nieße fie nie. Er if furchtſam und Falt ir 
allen feinen Verrichtungen ; zoͤgert immer, 
hoffe immer ; ift unfähig zur Ausführung, für 
die Zufanft beſorgt; mürrifh), voll Klagen ; 


lobt die verfioßne Zeit, als er noch ein Knabe 


war, ſchilt und tadelt was jünger iſt, als er. 
Das herauffteigende Alter bringt dem 
Menſchen viele Vortheile mit ; das herabfteis 
gende nimmt ihm viele hinweg. Gieb einen 
Sünalinge nit die Rolle eines Alten, noch 
einem Raben die Role eines Mannes. Halte 
dich) an die Züge, die einer ieden Stufe deg 
menfchlichen Lebens natürlich find. 


Die Handlung wird anf der Bühne theilg 

verrichtet, theilg erzähle. Was man den Oh— 
ren anvertraut, wirkt ſchwaͤcher auf die Seele, 
ald mas man dem Zeugniß der Augen unters 


wirft, und movon ſich der Zuſchauer felber 


beiehre, doch was hinter den Scenen anfläns 
diger geſchehen Tann, bringe nicht auf Die 
Bühne 


x 


288 | una 
Bühne; entferne manches aus dem Geſicht, 
und laß es bald darauf durch einen 1ebpafe ge⸗ 
ruͤhrten Augenzeugen erzaͤhlen. 


Medea muß ihre Kinder nicht vor dem 
Volk erwuͤrgen, der abſcheuliche Atreus nicht 
Öffentlich Menſchenfleiſch kochen, oder Progne 
ſich in einen Vogel, und Kadmus in eine 
Schlange verwandeln. Was du mir ſo vor— 
zeigeſt, kann mic weder ergoͤtzen noch taͤu⸗ 


ſchen. | 


Nicht kleiner, nicht aröffer als fünf Afte, 
fen ein Stuͤck, Das man oft wiederzufehen 
wuͤnſchen und im Gedaͤchtniß bewahren foll. 
Keine Gottheit löfe den Knoten auf, wenn fie 
zur Auflöfung nicht unentbehrlich if. Auch) 
rede felten eine vierte Perſon. 


Der Chor hat die Mole eines Mitfpies 
lers: er finge in den Zwiſchenakten nichts, 
was nicht zur Handlung etwas beytränt und 
fi; darauf bezieht. Er fen der Tugendbaften 
Freund d und Rathgeber; er flille den Hader, 
 befänftige den Zorn; er lobe die Mäffigkeit , 
die ſich an fparfamer Tafel vergnügt, und die 
Früchte der Gerechtigfeit, und die heilfamen 
Geſetze, und den Frieden, der bey offenen 
Thoren wohnt; er bewahre heilig ein anders 
trauted Geheimniß; und rufe die Götter an, 

daß 


—— 289 


daß fie den Unterdrückten erheben und ven 
Hochmuͤthigen zu Boden flürzen, 

Eine Slöte, die noch nicht mit Erze vers 
bunden war und der Tuba nahe Fam, fondern 
eine dünne , einfache Floͤte, die nur wenige 
Löcher hatte, und bloß den Chor zu unterflüs 
Ken und im Tone zu erhalten diente, war bins 
reichend, einen ſparſam befegten Schauplatz ans 
zufüllen, wo ein Wolf sufammen Fam, das das 
mals noch klein, und überdieß beſcheiden, 
fromm und zuͤchtig war. 

Allein als dieſes ſiegreiche Volk fein Ges 
biet erweitert hatte und den Umkreis ſeiner 
Mauer groͤſſer gemacht; als es anfieng, an 
ſeinen Feſten ungeſtraft den ganzen Tag mit 
Weine zu begehn: da wurden Verſe und Mu— 
ſik verwegener. Denn was hätte ſonſt der ung 
wiſſende Landmann gefühlt, der zur Erholung 
von feiner. Seldarbeit ſich unter den Stadts 
mann miſchte. Daher gab ver Flötenfpieler. 
der alten Kunft mehr Lebhaftigfeit und Zies 
ratben , und die Perfonen durdirrten mit dem 
fiolzen Schweif ihrer Kleider die ganze Bühne, 
Daher erhob auch die ernſte Laute den Ton, 
und der verwegene Geſang führte eine unge— 
woͤhnliche Sprache: Neben, die ehemals vol 
gemeinnügiger Lehren, vol weitausſehender 
Staatsklugheit waren, glichen int ben Delphi⸗ 
ſchen Oralelſpruͤchen. 

Bald 


v 


29% EEE TER 





Bald ſtellten iene Meifter , die mit tragi⸗ 
(hen Sefängen um einen Bock geftritten hats 
ten, bockfuͤſſige Satyrn zur Schau, und ſuch⸗ 
ten mit Stachelſcherzen, dem Ernft unbeſcha⸗ 
det, ein Gelächter zu erregen. Wie Fonnte 
man anders ‚, ald dur) den Reiz der Neuheit, 
einen Zuſchauer bis ans Ende ruhig erhalten, 
der von den Opfern herkam, noch halb bes 
— * — und nicht zu bindigen wand. air 


% 


Ä exabefen wenn man fhatfhafte wenn man 
beiffende Satyrn mit auf die: Bühne bringen, 
wenn man Ernft mit Gelaͤchter abändern will; 
jo Hüte man ſi ch, daß der tragifdhe Gott oder 
Held, den man mit dem’ Saryı zufammenftellt, 
und der ſich Furz zuvor in koͤniglichem Purpur 
und Golde fehen ließ, itzo nicht mit pöbelhafs 
ten Reden in die Schenken wandere,, ' oder 
auch, indem er die Erde vermeiden will, nad) 
Wind und Wolfen ſchnappe. Die Tragödie), 
zu ſtolz gemeine Verſe zu ſchnattern, muß un⸗ 
ter dem muthwilligen Satyrvolfe fo’ ſchamhaſt 
ſeyn, wie eine edle Roͤmerinn, die an den 
Seiten. der Götter öffentlich tanzen fol. Ich, 
meine Wifonen, würde mich in dergleichen Sas 
torfpielen nicht blos des ungeſchmuͤkten Aus⸗ 
drucks, ‚nicht bloß der gemeinen Worte Dedies 
nen, noch mich dergeflalt von dem tragiſchen 
Ton entfernen , daß man gar Feinen Unter⸗ 

ſchied 





——— 291 


ſchied merken koͤnnte, ob ein Davus rede 
und eine freche Pythias, die dem Simo ein 
Talent ablockt; oder ein Silen, ein Diener 
und Auffeher eines iungen Gottes. Ich würs 
de aus der gewöhnlichen Rede mir eine neue 
poetiſche Sprache erſchaffen, wovon ein ieder 
glauben folte, er Fünne dergleichen ſtehendes 
Fuſſes machen , der dennoch, falls er es uns 
ternehmen follte, lange und vielleicht vergebs 
lich ſchwitzen würde ; einen fo fchönen Ans 
ſtrich befommen gemeine Woͤrter durch ihre 
Stelle und Verbindung. 


Die Faunen kommen aus den Waͤldern 
her: ich rathe alſo, daß fie nicht. allzuſeine 
Verſe herſagen, als ob ſie mitten in der 
Stadt geboren waͤren, oder gar auf der Red— 
nerbühne ftänden ; doch müffen fie eben fo wes 
nig. Grobheiten und Unflätereyen ausſtoſſen. 
Wenn gleich der. Poͤbel, ver Nüffe Eauft und 
Erben Elaubt, dergleichen billigt; fo. wird 
fi) doch der Rathsherr ‚ver Ritter, der 
wohlhabende Buͤrger dadurch beleidigt finden, 
und einem ſolchen Stuͤcke den Preis nicht sus 
erkennen. | 


Eine Eure Sobe von einer langen uns 
terſtüzt, wird ein Jambus genannt, ein Fuß, 
deſſen Hurtigfeit den Jambiſchen Verſen den 
ri der drepfüfligen erwarb , ungeachtet fie 

N ——————— ſechs 


J 
* 





292 


ſechs Fuͤſſe meſſen. Ebemals war dieſer Vers 
aus lauter Jamben zufammengefest : ‚allein 
nachher, um ihm mehr Gewicht und einen 
ernfthaftern Gang zu geben, bat der Jambus 
etwas: von feinen. Mechten ven langfamen 
Spondäen abgetreten; doch mit der Bedins 
gung, Daß er felbfi niemals weder von dem 
zweyten noch von dem vierten Plage weichen 
dürfte. Zwar erſcheint er auch an dieſen Stels 
len nur ſelten in den beruͤhmten trimetriſchen 
Verſen des Ennius und Accius. Allein ein 
Vers, der mit ſo ſchwerfaͤligen Fuͤſſen auf die 
Bühne tritt, verraͤth ein Werk, das allzueil⸗ 
fertig und mit weniger Sorgfalt gemacht iſt, 
oder einen Verſaſſer, der feine Kunſt nicht 
verſtanden hat. 


Ich weiß wohl, nicht ein ieder Stier 
wird den Uebelklang in ven Gedichten gewahrz 
und wir Roͤmer befonders haben bierinn alls 
zuviele Nachſicht gegen unſre Dichter gehabt. 
Soll ich aber deßwegen in meiner Schreibart 
nachläfig und ungebunden ſehn ? oder foll ich 
nicht vielmehr mic) felbft Kberreden , die ganze 
Welt werde meine Fehler fehn, und fo fehreis 
ben, daß ich des Beyſalls ſicher nicht nöthig 
babe, auf Vergebung zu warten ? Und: wenn: 
ich auch endlich Vergebung erbielte, fo babe: 
ich noch Fein Lob verdient, Leſet die Mufler, 

| Die 


—— 293 


die uns die Griechen hinterlaſſen haben, und 
leſet ſie bey Tag und leſet ſie bey Nacht! 


„Aber unſere Vorfahren. haben das Vers— 
maß des Plautus eben ſo ſehr erhoben, wie 
ſeinen Witz.“ Sie haben beides aus Nach⸗ 
ſicht bewundert, ich will nicht ſagen aus Un— 
verſtand. Genug, wenn nur ich und ihr den 
ungeſitteten Scherz von dem artigen zu unters 
ſcheiden wiſſen, und Zaft im Finger und 
Wohllaut in den Ohren haben, 


| Man fagt, dab Thespis der erfie Erfin⸗ 

der der, fragifhen Dichkungsart gewefen if, 
er, der feine Mufe auf Karren fuhr, und den 
Sängern und Spielern feiner Stuͤcke die Ge 
fichter mit Weinhefen bemalte. Nach ihm er; 
fand Aeſchylus anfländigere Masken und Tala— 
re, legte feine Bretter auf Balken, gab feinen 
Perfonen eine erhabene Sprache, und zog ibs 
nen den Kothurn an. 


Hierauf erſchien die alte Komoͤdie, die fid) 
einen groffen Namen erwarb. Allein ihr frever 
Scherz artete gar bald in Schmaͤhſucht aus, 
und in eine Gemwaltthätigkeit, der die Gefege 
Einhalt hun mußten. Kaum war dag Gefep 
gegeben, fo verfiummete der Ehor, weil ihm 
die Freyheit zu ſchaden genommen war, 


ar! Unſre 


294 BUMEEEREOTESRENIEZTER 


Unfre Poeten haben nichts unverfucht ge⸗ 
laſſen, auch ſich Fein geringes Lob erworben, 
als fie es gewagt, die Fußtapfen der Griechen 
zu verlaffen, und einheimifche Geſchichten auf 
die tragifche Bühne fo wol, als auf die Fomis 
fehe zu dringen. Ja, man kann fagen, daß 
Latien in der Sprache eben fo groß ſeyn wärs 
de, als es durch Tapferfeit und durch die 
Waffen groß geworden if: wenn nur nicht 
einen ieden unſerer Dichter die hy und die 
Zeit der Ansfeilung verdröfe. O ihr, vom 
Dlute Pompils! tadelt nur dreift ein Gedicht, 
das nicht alt geworden, nicht zehnmal überz 
arbeitet, nicht, bis Fein a0 mehr haltet, 
gefchliffen iſt. 


Meil Demofrifus den Naturgeift für heil⸗ 
ſamer haͤlt, als die armſeelige Kunſt, und die 
Poeten von geſunder Vernunft vom Helikon 
ausſchließt: fo ſieht man Leute, die ſich mit 
groſſer Sorgſalt die Nägel und den Bart 
wacfen laſſen, einfame Derter aufſuchen, und 
in Fein Bad gehn. Denn man erlangt die 
Ehre ein Dichter zu heiffen, wenn’ man dem 
Balbier niemals einen Kopf anvertraut, den 
drey Anticyraͤerinſeln zu heilen nicht Nieſe— 
wurz genug haͤtten. O! wie bin ich doch ſo 
unbeſonnen, daß ich mir iedes Fruͤhiahr die 
ſchwarze Galle abfuͤhre: Fein Menſch wuͤrde 
| gen⸗ Verſe machen, he ih. Doch was liegt 
daran ? 


daran? Sch will die Stele eines Webfteins 
vertretten, der ſelbſt nicht fehneiden Fann , aber 
das Eifen in den Stand fest, zu fihneiden. 
Ohne felbft zu fehreiben, will ich andern fas 
gen, mie fie fehreiben muͤſſen. Sch will ih⸗ 
nen die reichten Duellen entdecken; ihnen zeis 
gen, was den Dichter naͤhrt und bildet, was 
fid) wol für ihn und mas ſich übel ſchickt, wos 
hin die Kunſtwiſſenſchaft, wohin die Regellos 
figfeit ihn führe. 


But zu fehreiben muß man zuerſt denken 
koͤnnen. Sachen findet man in den Werfen 
Eofratifher Weifen; und wer mit Saden 
wohl verſehen it, dem bieten fi) Die Aus⸗ 
druͤcke von ſelbſt dar. 


Wer gelernet hat, mas er feinem Vater⸗ 
lande, was er feinen Freunden fehuldig iſt; 


‚mit weicher Liebe man einen Vater, einen 


- Bender, einen Gafifreund lieben foll ; wels 
ches die Pflichten eines Rathsherrn, eines 
Richters, eines klugen Heerführers find : der 
wird einer ieden Perſon beylegen, was ſich 


fuͤr ſie ſchickt. 
Hiernaͤchſt werfe — wohlunterrichtete 
Nachahmer die Augen auf die lebenden Mus 
fier der Gefellfehaft, und nehme daher die 
wahre Sprache der Natur. 


T4 Oſt 


206 F 

Dit macht ein Stuͤck, das ſiark gezeich—⸗ 
nete Gemaͤlde, wohl ausgedruͤckte Sitten hat, 
ob es gleich im uͤbrigen ohne Anmuth, ohne 
Staͤrke, ohne Kunſt geſchrieben iſt, der Welt 
mehr Vergnuͤgen, und zieht mehr Zuhoͤrer 
an ſich, als alles wohlklingende Nichts, als 
alle ſchoͤn geſchriebenen Verſe, die leer an 
Sachen ſind. | 


Den Griechen verlied die Mufe Geifl, 
den Griechen harmoniſchen Ausdruck, ihnen, 
Die nach nichts als Ehre dürfteten. Roms 
Jugend lernt rechnen , lernt ein Pfund in 
hundert Theile theilen: Soͤhnchen des Albis 
aus, fage, wenn man von fünf Unzen eine 
wegnimmt, wie viel bleibt? — Nun? du 
haft es ia fonft gewußt. — Ein Drittel 
Mund — Schön! du wirft dein Vermögen 
zufammen halten. Thut man aber eine Unze 
Dinzu, mie viel maht das? — Ein halb 
Pfund. — Hat diefer Roſt, diefe Habſucht 
die Gemüther Einmal angeftedft , wie Fann 
man da noch auf Gedichte hoffen , die wert 
wären, mit Zedernoͤl getraͤnkt und in Cypreſ— 
ſenholz aufbewahrer zu werden? | 


Die Poeten wollen eutweder nüken, oder 
ergößen ; oder gemeinnügig und anmuthig zus 
gleich ſeyn. 


4, 


Was | 


— 297 

"Was du lehreſt, das lehre kurz: damit 
der wiſſensbegierige Geiſt die Lehre bald fals 
fe, und getreu bewahre. Ales Ueberfluͤſſige 
läuft herab , fo bald die Seele voll if. 


Erdichtungen zum Vergnügen müflen der 
Wahrheit nahe kommen. Deine Fabel bat Fein 
Recht, uns einzubilden, was ihr beliebt; fie 
läßt Feiner Unholdinn das aufgefrefne Kind les 
bendig aus dem Leibe ziehn. | 


Unſre Nelteften verachten die Stüce, die 
nicht lehrreich find ; unfre iunge Ritterſchaft 
hält fid) bey denen nicht fange auf, die allzu⸗ 
ernfihaft find: derienige tränt alle Stimmen 
davon, der das nüßliche mit dem Angenehmen 
verbindet, der den Lefer ergögt und ihn zugleich 
belehrt. - Ein ſolches Buch maht die Soſier 
reich ; ein folches fchifft über das Meer, und 
macht feinen berühmten Urheber unſterblich. 


Doch giebt es Fehler, die man verzeihen 
muß. Die Saite läßt nicht allegeit den Ton 
hören, den Ohr und Finger heiſcht; man vers 
langt einen tiefern , und greilt einen hböhern. 
Der Bogen trift nicht immer, worauf er zielt, 
Glänzt ein Gedicht an den meiſten Etellen, 
fo follen mich einige Flecken der Unachtfamfeig 
und menſchlichen Schwachheit nicht fehr beleis 
digen. Aber, gleiihwie ein Abſchreiber Feine 

| 2:5 7 Dorn 


J 


208 EEE 





Vergebung verdient , wenn er, oft gewarnt, 
nod) immer denfelben Fehler begeht; und wie 
man den Lautenfpieler verlacht, der immer bey 
gleicher Saite fid) irrt: fo ift mir auch, wer 
allzuſahrlaͤſſig ſchreibt, ein andrer Shörilus, 
den ich an zwey oder drey Stellen mit Lächeln 
. eben fo fehr bewundere, ald es mir wehe thuf, 
fo ojt der gute Homer einmal einfhläft. Doch 
langen Werfen ift ein Eleinee Schlummer vers 
gönnt. | 

Es iſt mit der Poeſie, fast man, wie mit 
der Malerey beſchaffen. Es giebt Gedidte, 
die manin der Nähe, und andre, die man in der 
Kerne betrachten'muß ; einige wollen verfteckt 
feyn, andre ertragen das helleſte Licht, und 
fuͤrchten nicht die fharffichtigften Augen ihres 
Richters. — Gut! iene gefallen aber auch 
nur einmal, dieſe Fünnen zehnmal wiederholt 
werden, und gefallen immer wieder. — O du 
ältefter unter deinen Brüdern, ob du gleich 
durch die Kehren deines Vaters gebildet wirft 
und felber richtig denkſt: fo höre doch dieſes 
ort und vergiß es nie: Gewiſſen Dingen 
ift es vergoͤnnt, von mittler Art und bloß 
erträglich zu fenn. Ein mittelmäffiger Rechtes 
Helehrter und Fuͤrſprecher im Gericht hat Die 
Gaben des beredten Meffala nit, noch die 
gründliche Wiſſenſchaſt des Kafcellius; doch 
% | —53 hat 


hat er einigen Werth. Daß aber ein Poet 
mittelmaͤſſig iſt, verzeiht ihm Tein Menſch, 
kein Gott, und Fein Pfeiler, der feine Werz 
fe trägt. So wie bey einem angenehmen Gafts 
mahle eine mißhelliae Muſik, alte Salben und 
Mohn mit Sardiſchem Honigfeim den Saft 
beleidigt, weil: die Mahlzeit dieſer Dinge ents 
rathen Fonnte : fo aud) die Poeſie, erfunden 
zur Belufligung unfers Geiſtes, entfernt fe 
fih vom Gipfel ; fo neigt fie ih zur Tiefe 
Wer die Fechtkunſt nicht verficht, ver geht 
mit feinen Waffen auf den Kampfplatz. Wer 
nicht weiß, wie er den Ball fihlagen, die 
Scheibe werfen, den Spielreif herumtreiben 
fon, der bleibt ruhig fißen, damit er dem 
Volke nicht zum Gelächter diene: und ohne 
ein Poet zu ſeyn, will man Berfe machen koͤn⸗ 
nen! — Warum das nit? ein freygebors 
ner Juͤngling! von ritterlichen Einkünften , von 
untadelhaften Sitten: 


Du, mein Piſo, mirft niemals etwas 
wider Pallas Danf und Willen reden oder 
fchreiben : fo denkſt du, fo bift du aefinnt. 
Indeſſen wenn du einmal ein Werk verfuchen 
wilft : fo laß es vor die Ohren des richtens 
den Metius, und deines Waters, und auch 
vor die meinigen fommen, nnd behalte es neun 
Jahre lang unter deinem Schloffe. Was du 

nicht 


800 | ET 





nicht heraus giebſt, das Fannft du werbeffern: 
ein ante ptodignes Wort seo nimmermehr 
ri: | | 


Die an Bewohner der Walder hat 
Orpheus, ein heiliger Bote der Goͤtter, von 
der abſcheulichen Speiſe, vom Opfer der Er⸗ 
ſchlagenen, abgeſchreckt. Daher ſagt man, er 
habe die Tieger gebaͤndigt, und die grimmigen 
Loͤwen gezaͤhmt. Auch ſagt man, Amphion, 
der Erbauer der Thebaniſchen Burg, habe die 
Steine durch den Ton ſeiner Leyer bewegt, 
und durch feinen ſuͤſſen Geſang hingefuͤhret, 
wohin er gewollt. Dieſe erſte Weltweisheit, 
die allgemeine Wohlfarth von dem eigenen Nur 
gen, das Heilige von dem Unheiligen zu uns 
terſcheiden, die. viehifchen Begierden einzus 
ſchraͤnken, eheliche Bündniffe zu ſtiften, Städs 
te zu erbauen, und Gefege in die Tafeln zu 
graben: Diefe erwarb der Dichtfunft ein ehrs 
wuͤrdiges Anfehen und einen göttlichen Namen 
ihren Dichtern. Nach ihnen erfchienen Homer 
und Tyrtaͤus, und erbigten durd) ihre Gefäns 
ge die männlichen Seelen zum muthigen Streit. 
Dichteriſch redeten die Orakel, dichteriſch die 
Lehrer der Weisheit; durch Gedichte gewann 
man die Gunſt der Monarchen; und feierliche 
Spiele erfand man, die langen Arbeiten des 


Jahres su kroͤnen. Wer wollte ſich forthin der 
Pieris 


mas 307 


Dierifchen Laute fbämen, und des liederreichen 
Aplot; 

Man Hat die Frage dutch ‚ob ein 
vollfommenes Gedicht ein Werk der Natur 
oder der Kunſt ſey. Ich ſehe nicht, was 
die Kunſtwiſſenſchaft ohne eine reiche poetiſche 
Ader, noch was das rohe Naturell ohne die 
Kunſt vermag. Beide muͤſſen ſich wechſelſei— 
tige Huͤlfe leiſten, beide — ver⸗ 
un ſeyn. un W 

De Athlet , ‚, der den Preis zu erhalten 
5 iſt, erlitt viel, als ein Knabe, ar⸗ 
beitete viel; ertrug Hitze und Froſt, entſagte 
dem Wein und der Wolluſt. Der Floͤten⸗ 
ſpieler, der an den Feſten des Pythiſchen 
Apollo ſpielt „lernte zuvor, und duldete ſei— 
nes Lehrmeiſters harte Verweiſe. Itzt iſt eg 
genug, wenn man ſagt: Mir flieffen die Verſe 
unvergleichlich; die Kranke treffe den Testen! 
Ich würde mich ſchaͤmen, wenn ich nicht: eis 
ner. von den erſten wäre, und bekennen folls 
se, id: wüßte das nicht, was ih — freid 
mein Lebetage nicht gelernet habe. 


Iſt ein Poet reich an Grundſtuͤrken, reich 
an ausſtehender Baarſchaſt, ſo verſammelt er 
gewiß einen Schwarm eigennuͤtziger Schmeich⸗ 
ler um fih herum ungefähr wie ein Ausrus 
fer Röufer um. feine Waaren. Iſt er übers 
dieß ein. Mann „ der eine. gute. Tafel hält, 

; der 


302 — 





der für einen? armen Schuldner? Bürafchaft 
ftellen ; ihm aus einem fehlimmen Rechtshan— 
del heraus helfen kann: fo waͤre es ‚ein groffes 
Wunder , wenn er fo glücklich ſeyn ſollte, den 
‚ beuchlerifchen. Freund von. dem wahrheitlie⸗ 
benden zu unterſcheiden. * 

Wenn du iemand ein Geſchent gemacht 
oder verſprochen haft: fo huͤte dich, ihm deine 
Verſe vorzuleſen, ſo lange er noch mitten in 
feiner Freude iſt. Er wird ausruſen: Schoͤn! 
vortrefflich !; unvergleichlid) ! Bey der einen 
Stelle wird er erſchrecken, bey der. andern 
wird er eine zartlihe Thraͤne fallen: lafjen ; er 
wird den Boden flampfen ‚er wird in. die Höhe 
ſpringen. So wie die, deren Thränen man 
zu den Leichenbegängniffen verkauft „mehr weis 
nen und Flagen, als die wirklich betruͤbten; 
jo wird aud) ein Schmeichler, der: unfrer im 
Herzen ſpottet, weit heftiger bewegt, als ein 
aufrichtiger Bewunderer, Wenn die Könige 
einen Menſchen ausforfihen , und erfahren wol; 
len, ob er ihrer Vertraulichkeit wuͤrdig iſt, fo 
feßen fie ihm mit vielen Pofalen zu , fie fol 
fern ihn mie Wein: willſt du Gedichte mas 
chen , fo nimm did), wie fie , vor Shälten 
im Fuchsbalg’ in Acht. 

Wenn man dem Duintilius etwas vorlas, | 
fo fagte er: Freund beſſere dieſes, beſſere ienes. 
Warf man ein, es wäre nicht möglich, man haͤtte 

es 


* ———— 303 
es ſchon zwey, dreymal vergeblich verſucht: ſo 
hieß er die mißgerathenen Verſe einſchmelzen, 
und wieder auf den Amboß legen. Wenn man, 
anſtatt den Fehler zu andern, ihn zu vertheidis 
gen unternahm : fo gab er. fich weiter Feine vers 
gebliche Mühe, er verlor Fein Wort mehr. Jun 
Fonnteft du dic) felbit und dein Werk allein und 
ohne Nebenbuhler bewundern. 

Ein Kunſtrichter, der aufrichtig und von 
Einſicht ift, tadelt einen leeren Vers, mifbilligt 
den harten , ſtreicht den gemeinen quer durch, 
ſchneidet die uͤppigen Zierathen weg, heißt den 
dunkeln Stellen mehr Licht geben, zeigt dir eine 
Zweydeutigkeit, merkt alles an, was einer Ver⸗ 
änderung bedarf: kurz, er wird ein Ariſtarch, 
und. Iagt nicht: Uber. warum ſoll id meinen | 
machen? Diefe Kleinigkeiten Finnen serdrieplie 
Folgen haben, wenn dein Freund lächerlich wird, 
und den Bepfall der Welt verliert. 

‚Sp wie man einen Menſchen anzurühren 
fi) fuͤrchtet, der die Gelbſucht, oder den 
Ausſatz batı, oder dem ein fanatifcher Geift 
und der Zorn der Luna die Sinne verwirrt; 
eben fo fürchtet fi) ein kluger Mann, einen 
Poeten anzutaften, der in fich felbft närrifch 
verliebt iſt. Nur Kinder nahen ſich ihm, und 
lauſen unvorſichtig ihm nad. Wenn dieſer 
Verſe donnert und ſich in den Wolken verliert, 
und dorũher in einen Brunnen oder rg 
N fällt, 


204 —— 


faͤllt, wie iener Vogelfaͤnger, der nach Amſeln 
ſtellte, und mit klaͤglicher Stimme ſchreit: 
Heljt mir, ihr lieben Bürger! fo ziehe ihn iq 
niemand heraus. Falls ihm einer beyfpringen, 
und aus Mitleid einen Strick hinabwerfen woll⸗ 
te: Was weißt du, mürde ich fagen, ob er 
fi) nicht freymwillig bineingeworfen hat, und 
ob er gerettet feyn will? und würde ihm bies 
bey das Abentheuer des Poeten Empedokles er⸗ 
zählen, der, um für einen Gott gehalten zu wers 
den, kaltes Bluts in den flammenden Aetna 
iprang. Man laffe dod) einen Poeten das Recht 
ſich umzubringen. Wer ihn zu leben zwingt, der 
iſt ſein wahrer Mörder Es iſt ia auch nicht ſein 
erſter Verſuch; und zoͤge man ihn. gleich heute 
heraus, er wuͤrde darum nicht vernuͤnftiger wer⸗ 
den, noch die Luſt nach einem ſo beruͤhmten Tode 
fahren laſſen. Auch weiß man noch nicht, wo⸗ 
her er ein Versmacher werden mußte: ob er nicht 
etwa die Aſche ſeines Vaters beſudelt, oder einen 
andern heiligen Ort entweiht hat. Denn von ei— 
ner Furie iſt er gewiß beſeſſen. Er wuͤthet wie 
ein Baͤr, der ſein Gefaͤngniß durchbrochen hat, 
und iagt den Gelehrten und Ungelehrken mit feis 
nen Verſen indie Flucht. Ungluͤcklich wen er ers 
haſcht! er haͤlt ihn ſeſt, er beiſt ihn todt. Er 
iſt ein Blutigel, "der nicht a — er 


ſich ganz vol mh bat. 


I. 1. Endß 


\ 





= 


Erzsäablungen 








Der Greis. 


Don einem Greife will ich fingen, 

— Der neunzig Jahr die Welt gefehn; 
Und wird mir ist Eein Lied gelingen: 

Sp wird es ewig nicht geſchehn. 

Von einem Greife wil ich dichten, 
Und melden, mas durch ihn geſchah, 

Und fingen, was ih in Geſchichten, 
Bon ihm, von diefem Greife fah. 

Singt , Dichter, mit entbranntem Triebe, 
Singt eu) berühmt an Lieb' und Wein ! 
Ich laß' euch allen Wein und Liebe; 

Der Greis nur foll mein Loblied feyn. 
Singt von Befbügern ganzer Staaten, 

Verewigt euch und ihre Müh ! 

Ich finge nicht von Heldenthaten; 

Der Greis fey meine Poefie, 5 

O Ruhm, dring inder Nachwelt Ohren, 
Du Ruhm, den fid) mein Greis erwarb: 
Hört Zeiten, hörts! er ward geboren, 
Er lebte, nahm ein Weib, und ftarb. 

| | Öellert, 








2 Der 


\ 


305 





Der arme Greis. 


Un dad Rhinoceros zu febn, ‚ 

(Erzaͤhlte mir mein Freund) beſchloß ich auszugehn. 

Ich gieng vors Thor mit meinem halben Gulden, 

Und vor mir gieng ein reicher, reicher Mann, 

Der ſeiner Miene nach, die eingelauf’nen 
Schulden, | 

Nebſt dem, was er damit die Meſſe durch gewann, 

Und was er, wenns ihm glücken follte, 

Durch den Gewinnfi nun nod) gewinnen wollte, ' 

In fehweren Ziffern überfann. 

Herr Drgon gieng vor mir. Ich geb ihm Bife 
Namen, 

Weil ich den feinen. noch nicht weiß. 


Er gieng; doch eh’ wir noch zum Thiere kamen Er» 


Begegnet ung ein alter , ſchwacher Greis, 

Für den, auch wenn er uns um nichts ges 
beten hätte, 

Sein ziffernd Haupt, das nur halb feine war, 

Sein ehrlich fromm Gefibt, fein heilig graues 

. Haar, 

Mit mehr, als Rednerkuͤnſten redte. 

Ach, ſprach er, ach erbarmt euch mein! 

Ich habe nichts, um meinen Durſt zu ſtillen, 

Ich will euch Fünftig gern nicht mehr beſchwerlich 

ſeyn; 
Denn Gott wird wol bald meinen Wunſch 


| ‚erfüllen, 
| Und 


— 309 


And mich durch meinen Tod erfreun. 
O lieber Gott! laß ihn nicht ferne ſeyn! 
So ſprach der Greis: allein was ſprach der 
| Ä Reiche? 
Ihr ſeyd ein ſo beiahrter Mann! 
Muͤßt ihr denn erſt noch Brandwein trinken, 
Am taumelnd in das Grab zu ſinken? 
Wer in der jugend fpart, der darbt im Alter 


nicht. 
BA, sieng der Geizhals fort. Ein Strom 
ſchamhafter Zähren 


Floß von des Alten Angeſicht. 
O Gott! du weißts. Mehr ſprach er nicht. 
Ich konnte mid) der Wehmuth kaum erwehren,. 
Weil ich etwas mitleidig bin, 
Sch gab ihm in der Angſt den halben Gulden 
bin, 
Für welchen id) die Neugier ſtillen wollte, 
Und gieng, damit er mich nicht weinen fehen 
follte. 
Allein er ruſte mich zuruͤck. 
Ach! ſprach er mit noch naſſem Blick, 
Ihr werdet euch vergriffen haben, 
Es iſt ein gar zu groſſes Stuͤck. 
Sc bring euch nicht darum, gebt mir ſo viel 
| zuruͤck, 
Als ich da um mich durch etwas Bier zu 
laben. | 
Ihr, ſprach id ‚ folk es alles .. 
| 1 3 Ich 


gIo onen nemmen nun. 


Ich feh , daß ihrs verdient, ‚trinke etwas ein 
DAR = 

Doch, arıner Greis, wo wohnet ihr? 

Er fagte mir das Haus. Ich gieng am andern 
Tage, 

Nach hiefent Greis, der mir fo redlich ſchien, 

Und that im Gehn ſchon manche Frag' an ihr, 

Allein, indem ich nad ihm frage, 

War er feit einer Stunde todt, 

Die Mien’ auf feinem Sterbebette 

Bar nod) die redliche, mit der er geftern redte. 

"Ein Pſalmbuch und ein wenig Brod 

Lag neben ihm auf feinem harten Bette. 

DD wenn der Geizhals doch den Greis gefehen 
hätte, . 

Mit dem er fo unchriſtlich redte, 

Und der vielleicht ihn iezt bey Gott —— 

Daß er vor ſeinem Tod ihm einen Trunk 
verſagt! 

So ſprach mein Freund, und bat, die Muͤh' 
auf mich zu nehmen, 

Und oͤffentlich den Geizhals zu beſchaͤmen. 

Wiewol ein Mann, der ſich zu keiner Pflicht, 

Als für das Geld, verſteht, der ſchaͤmt ſich 
ewig nicht. 


—— a nn U U} 


Die 


———— 3x 


Die Eichel und der Kuͤrbis. 


Sopn! Mit Weisheit und Verſtand 
Ordnete des Schoͤpſers Hand 

Alle Dinge. Sieh umher, 

Keines ſteht von ungefähr, 

Wo es ſteht! Das Firmament, 
Wo die groſſe Sonne brennt, 

Und der kleinſte Sonnenſtaub, 
Deines Athems leichter Raub, 
Trat auf Gottes maͤchtig's Wort 
Jegliches an ſeinen Ort. 

Alles iſt in ſeiner Welt 

Ganz vollkemmen. Dennoch haͤlt 
Mancher Thor es nicht dafür, 

Und kunſtrichtet Gott in ihr. 

So ein Thor war iener Mann, 
Den ich dir nicht nennen kann, 
Der, als er an ſchwachen Ranken, 
Einen Kuͤrbis haͤngen ſah, 

Groß und ſchwer, wie deiner da, 
Den du ſelbſt gezogen haſt, 

Den verwegenen Gedanken 
Hegete: „Nein! ſolche Laſt | 
„Hält ich an fo ſchwaches Reiß, 
⸗Wahrlich, doch nicht aufgehangen ! 
„Manchen Kürbig, gelb und weiß, 
„Reih' an Neih’ in gleichem Raum, 
„Haͤtt id) wollen laſſen prangen 


oh am ſtarken Eichenbaum. 
| 44 Alſo 





Alſo denfend geht er fort, 
And gelanget an den Ort 
Einer Eiche, lanert fi) Ä 
Fänge lang in ihren Schatten, 
Und ſchlaͤſt ein — Die Winde hatten 
. Manche Woche nicht geweht; 
Aber, als er ſchlaͤft, entſteht 
In der Eiche hohem Wipfel 

Ein Geliſpel. Starke Weſte 
Schuͤtteln ihre vollen Aeſte, 

Und es ſtuͤrzt von dem Bewegen 
Praſſelnd ein geſchwinder Regen 
Reiſer Eicheln von dem Gipfel, 
Diele liegen auf dem Grafe, 
ber eine fällt gerade | 
Dem Kunſtrichter auf die Naſe. 
Ploͤtzlich ſpringt er auf und ſieht, 
Daß fie blutet. Diefer Schade 
Gebt noch an, denkt er und flieht, 
Und bereuet auf der Flucht 

Den Gedanfen, welder wollte, 

Daf die Eiche eine Frucht, 

Gleich dem Kürbis, tragen follte, 

Traf ein Kürbis mein Gefiht, 

Spricht er: Nein! fo lebe’ ich nicht: 
O mie dumm hab ich gedacht : | 
Gott hat alles wohl gemacht : 


Gleim, 


Bias. 








— — 313 

Bias 

Nidt iedes Herz iſt sum Gebete täaͤchtig. 

Gott will ein Herz, das ihn getreu verehrt, 

| And das nicht erft Die Noth gezwungne Seuſzer 

| lehrt. 

Sonſt iſt Fein Menſch dem Herrn fo wichtig, 

Daß er, ſo bald er ruft, gleich hoͤrt. 

Der ſalſche Frevler ſollte ſchweigen, 

Der ſonſt nicht nach dem Hoͤchſten fragt, 

Und nur, wenn ihn die Noth von allen Seiten 
plagt, | 

Sich Mühe giebt, fein Knie gefchickt zu beugen, 

Und fehnel zu ihm: Herr, hilf mir fagt. 

Ich meiß nit, ob mir dieß viel Chriften 
zugeſtehen, 

Die mit ſo ſtolzer Zuverſicht 

Vom Laſter zum Gebete gehen, 

Und, wenn ſie wollen, kuͤhn zum Gott der 
Goͤtter flehen, 

Er mag fi fie hören, oder nicht. 

Doch, wollten fie Erempel bören, 

So koͤnnte fie der fromme Bias lehren. 

Er war ein Menfchenfreund , und rei), doch 
nicht für ſich, 


J Wie unſre chriſtlichen, doch unbarmherz'gen 


Reichen. 
Er ließ ſich noch durch Andrer Noth erweichen, 
Die oft, beſiegt, vor feiner Half entwich. 
25 Kur 


314 — — 

Kurz er war unter ſeinen Heiden, 

Als ein großmuͤth'ger Mann bekannt. 

Doch, ob er den Beruf zum Beten auch verſtand, 

Mag die Geſchicht entſcheiden. 

Er ſchifft einmal mit Andern übers Meer, 

Die eben nicht die frömmiten waren. 

Gie waren fchon fehr weit gefahren, 

Als ſchnell ein Sturm entftand. Der — 
Wogen Heer 

Empoͤrte ſich, und ſchien das Schiff ſaſt zu 
bedecken. 


Es zitterte das Volk, und lief, vom wilden 


Schrecken 
Geaͤngſtigt und geiagt, unruhig hin und her. 
Die Frevler, die zuvor der Zukunft ſicher lachten, 


Und, als der Sturm noch ſchwieg, an die 


Gefahr nicht dachten, 
Erblaſ en iezt und ſchreyn: Es iſt um uns eg 
Und flehn die Götter weinend an, 


Daß fie durch ihe Gebot die Fluthen sißmen | 


follens 
Und fragen ungeflüm, ob fie nicht helfen wollen. 


Faſt laͤcherlich klagt fies der Kaufmann um 


fein Gut, 


Und wirft ein Theil davon mit Heulen in die Ä 


Fluth, 


Und feufst nicht einmal um fein Leben.‘ 


Inſonderheit fheint fi) ein Freygeiſt zu beftreben, 


Die Götter gleichſam taub zu fehrein ; 
x ‚Er, 


WEL 


ers. „cm samen | 315 


Er, der fonft nur an fie, fie zu vergeffen, dachte, 

Und ftets, bey einem Peder Wein, 

Dur) langes Schweigen kuͤhn, mas goͤttlich 
hieß, verlachte, 

Kurz, alle fhrien in der Gefahr, 

Und der am eifrigften, der der verrucht'ſte war. 

Der Weife ließ fi) niche in feiner Ruhe flören, 

Und ehrte mit Gelafjenheit 

Die Macht, durch die allein die Winde fich 
emporen. 

Schweigt! fieng er endlich an, iſt nun erſt 
Betens Zeit? 

Laßt ia die Goͤtter nur nicht hoͤren, 

Daß ihr auf aeg Schiffe fen». 

Gieſeke. 








ne. 
An eine Freundinn. 


Eraß, den ſtiller Mangel druͤckte, 

Saß einſt beym blaſſen Mondenſchein, 
Vom Gram entnervt, im Lindenhain, 
Der ſeines Fuͤrſten Garten ſchmuͤckte, 
Und fuͤhlte ſchlummernd noch die Pein 
Der ſchwarzen Zukunſt, die ihn ſchreckte; 
Als ihn im naͤchſten Bogengang 

Das Aechzen eines Mädchens weckte,‘ 
Acht. rief fie leife, Gott: wie lang 


4 


Pers 





‚316 


Verbirgſt du dih! Du haft gehoͤret, 
Was vdiefer Neiche für das Prod, 
Wodurch er meines Vaters Noth 
Erleichtern will, von mir begehret! 
Eraften ſchwoll fein Herz, er zog‘ 
Sein leztes Geld heraus , und flog 
Damit zur goͤttlichen Theone. 
Hein, ſprach er weinend, ich bin arm, 
Und fordre nichts, als deinen Harm 
Zu theilen. „Ah! mein Dater ! lohne, 
Gott, feiner Tugend Y”., Wie? mein Kind! — 
* Sie wars! Er kuͤſſet iede Thräne, 
Die von der ſchoͤnen Wange rinnt, 
Entzückt hinweg. O feirt die Scene, 
Ihr Engel, fie ift euer werth ! 
Doch, ploͤzlich wurden fie geſtoͤrt. 

Der edelſte der Erdenſoͤhne, 
Philint, der alles angehoͤrt, 
Sprang aus dem Vuſch: Erhabne Seele, 
Rief er ihr zu, die treufte Hand! - % 
Wo nicht; mein halbes Gut zum Pfand. 
Der ehrfurchtsvolften Freundſchaft! Wähle! 

Du, die Theonens Geift befeelt, 
Und dir nur fhreib ich die Geſchichte; 
Iſts nöthig, daß ich dir berichte, 
Was fie gefühlee und gewählt ? | 

Pfeffel. 

EEE 


Der 


' 
\ 
0 BRENNT 


— 


— — — — — — 


Der Hirte und fein Laͤmmchen. 


So Hate ein liebes Laͤmmchen, 
Das sog ich felbft mir groß, 
Das trank aus nieinem Becher 
Und af auf meinem Schoß. 


Weiß wars, wie Schnee und Lilien, 
Mar iedes Makels frey, | 
So freundli, ad, fo freundlid) ! 
Und mir allein getreu. 

Statt aller Schäß’ und Sreuden, 
Und flatt des größten Gluͤcks 
Mar mir mein Lamm. Wie freut’ ic) 
Mic) feines frommen Blicks! 


Mit meinem trauten Laͤmmchen 
War ich bealücft und reich, 
Schien ich vielleicht, ihr Götter, 
Ach! allzugluͤcklich euch? — 


Die Goͤtter ſandten Duͤrre 
Hernieder auf das Land: 
Vertrocknet war die Quelle, 
Die Aue war verbrannt. 


Ertragen hätt’ ich gerne, 
Das größte Ungemach, 
Hätt’ ich mein trautes Laͤmmchen 
Nur retten können, ach! 


Wie 


318 Er 
Wie gieng mir's durch die Seele, 

Wenn ich es leiden ſah, * 
Wenn es verſchmachtend, lechzend 
Stillſchweigend auf mich ſah. 

Ihr Götter, nehmt mein Leben! 
So ſeufzt' ib armer Mann; 
Nehmt es doch für mein Laͤmmchen 
Zum Opfer gnaͤdig an. 


So flehn vnd iammern hoͤrte 
Ein reicher Fremdling mich. 
Gieb mir, ſprach er, dein Laͤmmchen, 
Verſorgen will es id). — 
Verſorgen? — Aber nehmen 
Willſt du mein Laͤmmchen mir? 
Ach kann es nichts mir retten ? — 
Da nimm es, Fremdling, hier! 


Mein Leben gaͤb' id) lieber 
Dir als mein Laͤmmchen hin; 
Doch nimm's! flieh Troft und Freude 
Mir gleich mit ihm dahin. 

Doch ſchwoͤre bey den Göttern 
Mir erft, daß du ee liebft, 
Sorafältig es befchügeft , 
Ihm iede Freude giebt! — 


Der Reiche ſchwur mir’ heilig, 1 


Und nahm mein Laͤmmchen ſor > 
Auf 


% RESET — ‚ 319 


Auf feine fetten Triften ; 
In Blumen ſcherzt es dort, 


Iſt nun des Reichen Freude, 
Huͤpft froͤlich um ihn her, 
Hat ſeines Leids vergeſſen, 
Und denkt au mich nicht mehr. 
Rt Schmit. 








Sa lom o. 
A, einem grofien Jubelfeſt, 
Da Salomo des Armen Thränen 
Zu trocknen, das Verdienſt zu Frönen 
Gehör gab, und vom Nord und Weſt 
Eid, alles Volk zum König nahte, 
Trat auch der frömmfe Mann im Staate, 
Ein edler Greis, vor feinem Thron, 
Und ſprach: Darf ic) mid) unterſtehn 
Um eine Gnade dich zu flehn, 
So' bite ib di für einen Sohn 
Von deinem Bruder Ablalon, 
Der Fran? , verlaflen und verachtet 
In einem tiefen Kerker ſchmachtet: 
Du weißt, ich bin fein Freund ' — Dein Flehn 
Las ich in deiner ſchoͤnen Seele, 
Kaum fah ich did) im Vorſaal flehn, 
So gab ic) ahnend die Beſehle, 


N 


. „Son 





220 a —* 


Ihn zu befreyn, ſprach Davids Sohn; 

Und ſprach es noch, fo ſtuͤrzte ſchon 

Des Sottgefalbten Hand zu Füffen, 

Der Füngling fih zu feinen Fuͤſſen. 

Ihr Kiügler, die ihr das Gebet 

Als ungereimt und eitel ſchmaͤht, 

Weil Menfhen Gottes Schluß nicht wenden: — 

Wie, wenn der Geber Jehovah | 

Bon Ewigkeit die Menfchen fah, 

Mit freyen ausgeftrecften Händen, 

Zu feiner Güte Thron ſich nahn; 

Wie, wenn er dann fchon feinen Plan 

Darnach entwarf, und das gewährte, 

Was feiner Weisheit Zweck nicht fiörte: 

So bleibt fein Schluß ia ewig ſtehn, 

And wäre doc nicht der gemefen, 

Hätt’ er des Tugendhaften Flehn 

Nicht in der Zukunft Buch) gelefen. 
Dfeffel. 


\ 








Der Donner 


as doch der Donner wirken kann! 
Er zähmt den graufamften Tyrann. 
Und treibt den Freygeiſt felbit zum Beten. 
Der fire Sünder , der ſonſt lacht, 
Wenn ibm fein Pfarrer noch fo heiß die Hölle 
made, iu 
Geraͤth 


Sui, bey Etral und Sdlag, in taufend. 
Angſt und Noͤthen. 
F Die eitle Dame flieht den Putz, 
Und ſuchet beym Gebetbuh Schutz, 
Der Saͤufer laͤßt die vollen Glaͤſer ſtehen; 
Und auf den Straſſen ſich Fein kuͤhner Stutzer 
| Bereichen, 
Der frechen Dirne pocht das Herz, 
Sie flucht der Liebe und dem Scherz, 
Und fingt ein Fied mit banger Stimme, 
- Der Böfewicht erſchrickt und zagt, 
Sucht bey dem Himmel Half, und ſagt: 
- Herr! firaf mich nicht in deinem Grimme! 
Kurz: alles fürdtet Gottes Stimme; 
Doch nur, wenn er im Donner ſpricht: 
Denn, wenn er liebreich ruft, fo Hört die Welt 
Ä Re DH 
Fin Mann, an Sünden nicht zu leichte, 
Gieng übers Feld mit feiner Fran zur Beichte, 
Zwar war der Weg ein wenig weit, 
Allein die ſchoͤne Jahreszeit, | 
Der Wiefen Flor, der Felder Sruchtbarkeit, 
Und was wir mehr für Herrlichkeit 
Hier malen fünnten, doch nicht wollen, 
Mertrieb dem andachtövollen Paar 
Die Zeit, fo gut es möglich war, 


| Dod) eine Molke dränf Gefahr, 
Man fi eht den Blitz, man hört den Donner rollen; 
& DR 


\ 








322 


8 


Der Sturmwind wirbelt wild RE | 
Und raufcht durch Thal und Wald , und Flächen. 
Die Bäume flürgen und zerbrechen, u 
Aus ieder Wolke ftürzt ein Meer: 
Die ſeſte Erde wird erſchuͤttert; 
Und alles Blitz und Schlag! 


O Gott! dieß iſt der iuͤngſte Tag, 
Ruft Veit, indem Brigitte zittert. 
Der Herr iſt uͤber uns erbittert! 
Was gilts! der Donner ſchlaͤgt uns todt, 
Wo find ich Troſt in dieſer Noth, 
Wo Gnade, für die vielen Sünden? 
Wer fie nicht beichtet, heißts, Fann nicht 
N Vergebung finden! 
Soun komm, Brigitte, laß uns frey 
Einander unſre Schuld bekennen; 
Gnug, was vorbeyh iſt, iſt — * 
Viel beſſer, friſch bekannt, als in der Hölle 
| brennen. 


Ach! fiene Brigitte ſchluchzend an, 
Eo wife denn, mein lieber Mann: 
Dit wuͤnſcht' ich dich ing andre Reben, u 
Um Görgen meine Hand zu geben. 


Das, fiel der arme Sünder ein, _ 
Mas auch der Himmel mir verzeihn! 
Ich Fonnte freilih Greten leiden, 
Und die verdammeten dunfeln Weiden! 


x 


nn 923 


Indeß erheitert fich die Luft; 

Die Sonne zeiget ſich mit ihrem Glanze wieder, 

Die Lerche lockt, und ſchwingt ihr eräufelndes 

| Gefieder, 

Die ſcheue Taube fleucht zum Gatten aus der 

—Rluſt 

Der Zephyr gaufelt auf und’ nieder: 

Ein aromatifchlauer Duft y 

Erfüllt den Hain, den ſchwuͤhle Dämpfe füllten, 

Und lacht aus Au’n, darauf Verderben brüllten, 

Brigitte ſtuzt, und Veit krazt fich den Kopf, 

Und denft: was mar ich für ein Tropf, 

Daß ich dem Weib das Ding erzählte! 
Doc, weit gefehlt, daß fie darüber fchmählte, 

Ram fie ihm felbft im Wiederruf zuvor. 

Mann! fprach fie ſchamroth, fen Fein Thor! 

Was id) von Görgen dir entderfet, 

Hat mir allein der Donner abgefchreifet. 


Auch das hab ich aus Angft erdacht, 
Verſezte Veit, was ich geſaget. 
Nie hab id) fo was mich gewaget, 
Ja nicht einmal die, Öreten angelacht. 
Schweig, rief Brigitte: ſchweig du ſauberet 
Geſelle! 
Huy, daß ich efwan fie und did) 
Nicht neulich felber überfchlich ? 


Was, mid mit Greten? — Himmel! Hölle! 
Dich meynſt du wol, bey Görgen ich? 


24⸗ 14} 
44 Di 


224 ——— — 
Saͤß ich dir nicht an Gottes Stele — 
DEAN 

neikeihbe 1. gehe Sankt euch nicht! 
Ein neuer Sturm ſcheint zu erwachen : 
Geht heim und denkt an eure Pflicht, 
SIR wird der. Donner öriede machen! 


Michaelis, ? 





m a DE nn — — 


Die Wanderer. 


Zoen Wanderer kamen in ein enges Thal, 
welches von hohen Felſen zu beiden Seiten 
begraͤnzt wurde, die aber izt keinen Schatten 
warfen : denn es war um die Mittagsſtunde 
eines ſchwuͤhlen Sommertaas, 


Ungeſaͤhr erblickten fie ein überhangendes 


Felſenſtück, welches eine Grotte bildete, in 


welcher es kuͤhl zu fißen war. Hier wollen 
wir Mittag. halten ; fagte der eine zu dem 
andern. Diefer aber antwortete: Freund, dag 
Thal währt nicht lange, und am Ende deſſel⸗ 
ben liegt ein wirthſchaftliches Dorf, wo mir 
ruben. fürnen. Laſſet uns vollends die liebe 
Sonne erfragen, und unfern Weg fortfegen, 


Der andere wollte nicht, fondern feßte 
9— in die Grotte, und laut ſeines Ge⸗ 
fährten, 





3%5 


»fährten , welcher in der Mitte des Thals bins 
wanderte, und oft, ſich den Syadh ang 
* genoͤthigt wurde. | 


+ Bald hatte diefer den Ausgang des Thals 
erreicht, als er zuruͤck ſah, ob der andere 
nicht nachkaͤme. Und ſiehe, der Ueberhang des 
Felſen war nicht mehr zu finden. Er war 
eingeſtuͤrzt, und hatte den ſich keines Ungluͤcks 
beſorgenden Wanderer unter ſeinen Truͤmmern 
eſgmettert und begraben. 


Ei 
% 


Es ift ſehr bequem, unter. dem Schatten 
groſſer Gönner und Anverwandfen die Lauf⸗ 
bahn dieſes Lebens zu wallen; und die Sonne 
brennt demienigen hart auf den NMacken, dem 
fie mangeln. Aber oft flürzen dieſe erhabene 
Felſen, und erdruͤcken ale, die ſich unter ih— 
tem Abhang befinden. Der gufe Himmel bins 
gegen füllt niemals ein. 








— 


Der Moͤrder und fein Water. 


Feige (don hatte ein Boͤſewicht in Höhlen und 
Waͤldern fihere Wanderer belauſcht, beraubt 
und ermordet, als ihn die Gerechtigkeit ers 

griff und zum Tod verurtheſlte. 
23 Noch 


Noch lebte.fein grauer Pater. Er drang 
fi durch den Kreis den Richtplatz umringen? 
der Zuſchauer, feinem Sohn den legten Ruß zu 
geben , und fieb ihm um den Hals. Wie von 
einer Schlange ummunden, fchauerte der Mörs 
der aus den Armen feines Waters zurück, und 
ſprach: Hebe dich hinweg, Unglücklicher ! und 
wiffe, daß dieſe Minute die Zochter iener 
verfluchten Minute ift, da du mir als Kind 
Das erſte Blas-Rohr gabft, und mir Beyfall 
zulaͤchelteſt, als ich den unſchuldigen Saͤnger 
todt von dem Baum ſtuͤrzte, der mich nies 
mals beleidigt hatte! Ohnnmaͤchtig fanf der 
Alte zur Erde. Der Sohn aieng hin, ems 
pfieng feine Strafe, und fein Blur fprügte 
warm über den Scheitel: feines Waters. 


— — — —— 


> 








Der. Greis und die drei Juͤng⸗ 
linge. 


Ein achtzigiähriger Greis pflanzete Bäume, 
Häufer zu bauen gienge no an, fagten drey - 
Juͤnglinge aus der Nachbbarfchaft;. aber in fols 
chem Alter Bäume zu pflanzen? Wahrhaftig 
der Alte muß nicht. bey Sinnen feyn. Denn 
um des Himmels willen! welche Früchte boffft 
Du von diefer Arbeit einzuernten 2 Du müßteft 
ia fo alt werden, als ein Patriarch. — 
ela⸗ 





327 


beladet du dein Leben mit Sorgen für eine 

Sufunft, die doc) für dich nidye it ? Denke 
ſorthin an nichts , als an deine vergangenen 
Suͤnden, laß die hoͤhern Gedanken, laß die 
langen. Hoffnungen fahren! das alles ſchickt 
fi) nur für uns. — Auch nide für euch, 
erwiederte der Alte. Das gufe Gluͤck kommt 
fpät ins Haus und bleibt nicht lange. Die 
Hand der blaffen Parce fpielt auf gleiche Weile 
mif euren und mit: meinen Rebenstagen. — — 
Kein Augenblick ſagt für. den andern gut. Dielen 
Schatten wird mir noch mein Urenfel verdans 
fen. Coll ein Weifer nicht auch für Anderer 
Vergnügen arbeiten? Gebt, dieß iſt eine 
Frucht, die ich ſchon heute ſchmecke; id 
kann ſie noch morgen, ich kann ſie noch etliche 
Tage genieſſen. Ja, ich ſehe vielleicht die 
Sonne mehr als einmal noch auf eure Graͤber 
ſcheinen! Der Alte hatte wahr geredet. Der 
eine von dieſen drey Juͤnglingen, im Begriff 
nach Amerika zu ſegeln, ertrank im Hafen. 
Der andere, der ſich einen Weg zu den hoͤch— 
ſten Ehrenſtellen zu bahnen, dem Staat im 
Kriege dienete; verlor ſein Leben durch einen 
tödlichen Schuß; der dritte fiel von einem 
Baume, den er einimpfen wollte: und wei— 
nend arub der Alte diefe Geſchichte auf ihren 


| Marmorflein. 
Ä La: Sontaine, 
a EN 


4 | Die 








328 —— 


Die Milchfrau und der Milchtopf. 


Perronete, ein Küffen auf dem Kopfe, und 
einen Topf mit Milch oben drauf ‚ gedachte 
biemit jonder Anſtoß nad) der Stadt zu foms 
men. Leicht und kurz angefleidet frabte fie mit 
groſſen Schritten forf. Gie hatte diefen Tag 
einen bloßen Unterrock und platte Schuhe an; 
gezogen , um deſto hurtiger zu feyn. Unfer 
wohlaufgeſchuͤrztes Milchweib aͤberrechnet in 
Gedanken den ganzen Preis ihrer Milch, legt 
das Geld an, kauft zwey Schock Eyer, zieht 
dreymal Brut. Die Sache geht vortrefflich, 
jo feifig iſt die Frau. Es iſt mir ia leicht, 
ſagt ſie, bey meinem Hauſe herum Huͤhner 
aufzuziehen. Der Fuchs müßte es liſtig ans 
fangen , wenn er mir nicht ſoviel übrig lieſſe, 
daß ich ein Schweinchen dafuͤr kaufen Fünnte. 
Das Schwein wird nur ein wenig Kleie Foften, 
ſo iſt eö fett, es war ia ſchon fo siemlich groß, 
als ich es Faufte. Dann verkaufe ich es wies 
der, und bekomme mein rein und. [hun Geld; 
und wer wird mird dann wehren ‚dafür eine 
Kuh mit lamt ihrem Kalbe in unſern Stall zu 

niehen? 


Die Milchfrau und der Milchtopf. 


| Be auſgeſchuͤrzt, io Gürtel umden Leib, 

Auf feiöten Fuͤſſen gieng ein artig Bauerweib 

Fruͤh morgens nach der Stadt, und trug auf 

| ihrem Kopfe 

Bier Stuͤbchen fühle Mitch in einem groffen Topfe. 

Sie lief und wollte 'geru » kauft Milch!“ am 

Aerſten ſchrein. 

Denn, baibte fie bey ſich die erfie Milch ift 
theuer, 

Ich nehme heut, wills Gott, zwoͤlſ baare Gro⸗ 
ſchen ein, 

Und Fa \ mir dafür ein halbes hundert Eyer; 

Die b. [art mein einzig Huhn mir dann auf eins 
mal aus, 

Gras ſtehet rund herum um unfer Fleines Haus, 

Da werden fie ſich ſchon im Grünen felbfi ernähren 

Die Fleine Kuͤchelchen, die meine Stimme hören, 

Und ganz gewiß ! Der Suche muß nur ſehr liſtig 
ſeyn, | 

Laͤßt er mir niche ſoviel, daß ich ein Eleines 
Schwein, 

Pur eins zum wenigſten dafür vertauſchen kann. 

- Wenn id) mich) etwa fon darauf im Seife freue, 

So den? ic) nur dabey an meinen lieben Dann? 

Zu mäften Foftet es ia nur ein wenig Kleie, 

Sit e8 denn fett gemacht, dann Fauf ich eine Kuh 

Sn unfern Fleinen Stall, auch wol ein Kalb dazu: 
&5 Das 





330 ‚ —— 

siehen ? Ha! wie wird das auf der. Weide 
fpringen ! Hier fpringt Petronellchen vor Freude 
mit; die Mildy fälle : gute Nacht Ruh, Kalb, 
Schwein und iunge Hühner! Mit grämlis 
dem Gefichte verläßt die Eigenthuͤmerinn ihr 
verſchuͤttetes Gluͤck, geht und entſchuldigt ſich 
bey ihrem Manne, nicht ohne groſſe Gefahr 
‚Schläge zu befommen. Man machte gar bald 
ein Poffenfpiel aus der Gedichte, und nannte 
e3 den Milchtopf. | | 


er 


——— 831 
Das will ich allemal felbit zu dem Hirten bringen. 
Die froͤlich wird es dann um ſeine Mutter 
| ipringen ! 
gm! fagt f je, und fpringt au! — und von 
. dem Ropfe fälle 
Der Topf mit Milch herab, und ach! ihr baas 
res Geld, 
Ihr Kalb und * Kuh, Gluͤck, Reichthum und 
‚As Vergnügen, 
Sieht fie nun vor ſich da in kleinen Scherben 
! liegen. 
Betrübt ſteht ſie dabey, ſchielt ſie barmherzig an, 
„Die ſchoͤne weiſſe Milch, ſagt ſie, auf ſchwarzer 
Erde a 
Weint laut, und geht nach Haus, erzählt es 
| ihrem Mann, 
Der ihr entgegen Fonmt , mit trauriger Geberde. 
Was fagte der dazu? Erſt fah er ernfibaft aus, 
Als wär er boͤ auf ſie, gieng ſchweigend in das 
W Haug, 
wehrt aber um, und ſprach: Schaf, bau ein 
andermal 
Nicht Schlöffer in die Luft, man bauet feine Quaal. 
Am Wagen, welcher lauft, drehe ſich fo ſchnell 
| fein Rad, 
| Als fie verſchwinden in den Wind. 
Wir haben alles Gluͤck, das unſer Junker hat, 
Wenn wir zufrieden find. 


FREE EEE TEE 
LIE u — 





Die 





342 
Die Wahl des Herkules. 


| Mair, in der" Jugend ſchoͤnſten Flor ſtand nun 
Der Sohn des Jupiters, wo Jugend fol, 
Hinaus ins Leben tritt, und ſeſſelfrey | 
Dem ſchmeichelhaften Nuf- der Leidenſchaften 
Folgt, oder Weisheit ſich zum Fuͤhrer PA; 
In ienen zweifelhaften jahren, AR, 
Wo in des Juͤnglings unbeflecfter Seele 
Des Laſters Saam' eutweder giſtge Wurzel 
Schlaͤgt, oder ſich der hoͤhern Tugend Reim 
Gemach entwirkelt, ſchoͤne — traͤt. F 


Als eines Tags die —239 die vor ihm Id, 
Aleides uͤberſah, floh er Geraͤuſh, 
Und ſuchte Einſamkeit, des 2 Denkens Mutter, | 
Schritt folgt, auf Schritt,» und, „ein Gedank 
| Dei, andern. ns 
Ein files Thal nahm unſern Denker auf, 
Der, todt fuͤr die Natur, mit ſich nur ad 
Mit ſeiner Seele geiſt' gem Blick ſah er 
Enthuͤllt des Lebens Doppelweg vor ſi ch; 
Hier lag der Tugend rauher, ſteiler Piady,; 
Dort des Vergnuͤgens Schattengang. * —* 


O, welch ein Kampf zerriß bey dieſer Ausſicht 
Des Juͤnglings ſchwankend Herz! Bald glühet.er 
Bon edlem Durſt nah Ruhm, bald ſchmelzet 

Hang / 
ee Ar Hang zur Luſt, bie Seele ihm; 
h Als 


— 


Und hob nur mehr die Weiſſe ihrer Haut. 


FETTE | 233 


Als er von fern zwey weibliche Geſtalten, 
Von Götterform und Wuchſe Fommen Sieht. 
Schön waren beide, mehr ald menſchlich ſchoͤn, 
Doch auf verf@iedne Art geftelen beide, 

Der einen Blick goß heilge Furcht ing Herz, 
Der andern Laͤcheln ganberte ihm Liebe. 


Der erften Reiz war angeborne Wuͤrde; 
—— ungeſchmuͤckt gefiel ſie mehr. 
Geſundheit gab den reinen Blicken Glanz. 
Weiß, wie der hellſte Schnee, "war ihr Gewand, 
Erhaben war ihr Gang, befcheiden ſtolz, 

Ahr Auge himmliſch heiter, doc ihr Blick 
Warf Goͤtterſtralen von fih. — Näher fam 


‚Sie nun, und wurde näher immer fihöner 


Die hohe Grazie : in ihren Zuͤgen 
War ſuͤſſer Ernſt und fanfte Maiefät. 


Zwar ſchien von fern die andre Dame ſchoͤner, 

Doch freyer ihre Stirn, ihr Auge frech; 

Und bald verrieth die höher blühnde Wange 
Dem nähern Auge ihr geborgtes Roth. 

Mit kuͤnſtlich ſuͤſen Wendungen ſchwamm fie, 
Mehr als ſie gieng, im leichten Tanz einher. 
Ihr Flohrgewand, der duͤnnſte ſeidne Nebel, 
Der um ſie floß, ſchattirte Reize kaum, 

Zu deren Decke es geſchaffen ſchien, 

Stahl keins der zarten Glieder dem Geſicht, 


Oft 


234 — — 

Dft ſchielte fie gefällig auf ſich ſelbſt, 

Und lächelte auf ihren eignen Schatten. 
Kaum waren beide näher, als fie ſich 

Mit ſchnellem Schritt von der Gefäprtin riß, 
Mit wilder Frenheit und mit offnen Armen 
Dem iungen Götterfohn entgegen eilte, 
Den weiſſen Arm um feinen Nacken warf, 
Ins Aug’ ihm fah und zaubriſch laͤchelnd ſprach: 


„O Herkules! woher die finftre Stirne, 
„Der trübe Blick in deinem ſchoͤnen Auge? 
„Wie ? Nagt in deiner Fahre Nofenblüthe 
„Dich ſwon ein Kummer, theurer Juͤngling? 

Komm, 
ne tolg mir fiber, meine Hand foll dich 
„Durch blühnde Fluren des Vergnuͤgens leiten. 
„Entflieh mit mir der Arbeit, Anaft und Plage 
„Des Lebens, in dem Arm der füffen Ruh. 
„Rauh ift der Pfad des Ruhms, durch Blut 

und Schlachten, 
„Durd Wunden und Gefahr führt er dich nur. 
„Laß Ehre ienen Thoren, die fich ſelbſt 
„Fur einen leeren Schall ihr Glück entziehn. 
„Did, Süngling, ſchuſen die Unfierblichen 
„Zu Freuden und zu ewig neuer Luſt. 
„Genieſſe fie; flibt Rofen in dein Haar; a 
„Gieß Salben auf dein Haupt, umkräng die, 
| Stirne 

„Mit inngem Epheu; fühle Götterglüd ! 

„Bey 


.: —— 335 
„Bey mir, geliebter Juͤngling, findeſt du 
„Fuͤr ieden deiner Sinne Saͤttigung; 
„Ja, was der kuͤhnſte deiner heiſſen Wuͤnſche 
„Begehren kann, — fen dir durch mic) gewaͤhrt. 
„Ich führe dich an volle Tafeln, wo 
„Ambrofia dich fpeift, Muſik dein Ohr 
„Entzuͤckt, und Liebe deine Seele ſchmelzt; 
„au Landen, wo dir Balfam duftet, wo 
„Die iuͤngſten Nymphen dir ein Blumenbette 
„Nach einem Bad, das dich erfrifcht, bereiten, 
„Entzjücen dich in feine Arme nimmt. 
„Und ewig follen diefe Freuden währen! 
„Komm, folge mir, Aleides; fie find dein 
„So bald du willſt; und du bift Göttern gleich!” 
Mit langen Zügen trank der Sötterfohn 
Den Zauberton der lächelnden Sirene; 
Er horchte ſtaunend, fah’ fie lüftern an, 
Und feufsend fragt er fie nad) ihrem Namen. 
„Ich heiſſe Gluͤck, ſprach fi. O Herkules, 
„Frag meine Freunde nur, ſie koͤnnen dir 
„Mein Lob am beſten ſchildern, da ſie mich 
„Und meine Seeligkeiten kennen. 
„Zwar nennt mich die Verleumdung Traͤgheit; 

doch 

„Gieb boͤſen Laͤſterzungen kein Gehoͤr. 
„Wo find Verdienſte, die Verleumdung ſchont? 
„Ein groſſer Name, den ihr Zahn nicht nagt!” 


A Indeſ⸗ 


336 — 


Indeſſen hatte ſich die andre Frau | 
Mit fanfter Würde und beſcheidnem Schritte 
Dem Fünglinge genaht: „O Herkules, 
„Sprad) fie, dein Goͤtterblut, dein: zartes 

| Alter, 

„Das gern des Unterrichtes Stimme hörte, 
„DBerfprad in dir den edlen mweifen Mann. 
„Soll deine Mannheit nun die Wahl-beflät’gen, 

„So ſchwinge did; empor, beweis der Welt, 
„Daß du ein Götterfohn,, ein Sohn des Zeus, 
„und deiner hohen Abkunſt würdig ſeyſt. 
„Groß ift der Preis, rein finddie Seeligfeiten, _ 
„Die du zum Lohn aus meiner Hand empfiengft. 
Do hör’ der Wahrheit Stimme, die dir 
| ſagt, 
„Wodurch du dir den hohen Preis erwirbſt. 


„Fuͤr Tapfere und Kühne hat die Ehre 
„Nur Kronen; träge Feigheit haſſet fie. 
„Muͤh', Arbeit, Sorgen und Gefahr bewachen, 
Auf Jupiters Befehl, ſtets ihrem Thron. | 
„er fie begehrt, muß diefe überwinden. 
„Willſt du der Götter Gunſt verdienen, Füngling, 
„So bete fie aus reinem Herzen an; 

„Weih' ihnen Opfer, bitte fie um Huͤlfe. 
„Reizt deines Waterlandes Benyfal dich; 
„Willſt du als Vater ein von ihm geliebt, 
„Als Gott verehret ſeyn; ſey fein Befchüger; 
„Im Rath fein Spredier , in der Schlacht 
| fein Schwerd ! 
— GS:Sein 


„Sein beſtes Schild ſey deine Fühne Bruſt, 

„Dein edles Blut der Buͤrge ſeiner Freyheit! — 

„Doch dieß zu ſeyn, beſiege erſt dich ſelbſt; 

„Entfage weicher Ruh und Luſt der Sinnen; 

„Durchwache Naͤchte, ſchenk den Tag der Arbeit; 

„Und hat dich Winter: Schnee und Sommers 
Sonne 

„Fuͤr iedes Ungemach des Kriegs gehaͤrtet, 

„Dann wird in Schlachten Muth den Arm die 
ftählen, 

„Und Sieg dein treueſter Gefährte feyn. ” 


„Hörft du, mit weldyen Ungeheuern fie 
„Dir droht, was für Gefahren fie dir bringk, 
„O ſchoͤner Juͤngling ?’” Fiel die Träabeit ein. 
„Schlecht ſchickt dein zartes Alter fi für 

Schlachten; | 
„Die Götter, glaube mir, find nicht fo hart, 
„Daß fie zu ewgen Plagen dich erjchufen ; 
„Du bift ihr Günftling , Lieb’ und füffe Freuden, 
„Und fanfte Ruhe find daher dein Loos. 
„Zu dieſen führ’ ich dich den nähern Weg. 
„Kein Ungeheuer fol dir ibn veriperren, 
„Nicht Sorgen deinen Schlummer ſtoͤren, den 
„Du ſanſt aufRofen fchläfft ; Fein innrer Kampf 
„Mit deinen Trieben fol dein Herz zerreiffen, 
„Wenn du, wie Götter wollen, glücklich biſt. 
„Komm, füfler Juͤngling, folge meinem Pſade, 
„Und lach’ der Thdrinn, die durch Martern did 
„zum Gluͤcke führt, für das Fein Weifer danft.? 


* 18 


„Elende!“ Ziel die Tugend ihr ins Work. . 
»Betrügerinn! Wo haft du wahre Freuden ? 
„Iſt nicht dein Zaubertranf mıt Gift gemiſcht? 
„Du ſchlaͤfſt entnervt auf weichen Polſtern; fliehſt 
Aus Weichlichkeit geſunde Arbeit, die 
„Uns den Genuß des Lebens doppelt wuͤrzt:; 
„Du reichft den vollen Becher eh’ der Durft 
„Ihn fordert; ſchmauſeſt eh’ es Hunger will; 
Zwingſt die Natur durch felbit gemachten Neip ’ 
„Genuß zu fordern, den fie nicht begehrt. _ . 
„Doc fie erliegt zulest, und deine Kuaft 
„Hebt nicht den Eckel, den du ihr gebarft. 
„Dein Neftars Tranf gefühlt mit Sommer: Eife,. 
„Dein Tiſch mit auserlefner Koſt beſezt, 

„Iſt dir geichmacklos. Wahre Ruhe flieht _ 
„zur harten Streu von deinem Dimnen; Bette, 
„Und fauler Schlummer ſtiehlt dir nur die 
Stunden RT 
„Des müß’gen Tags, der dir zu lange währt. 
„zwar an UnfterblichFeie bift du mir gleich; 
„Doch warf did) Fupiter im Zorn vom Giße 
„Der Götter auf die ſchon verdorbne Erde, 
„Hier herrſcheſt du im weiten Reich der Thoren. 
„Doch Weile kennen dich, Verführerinn ! 
„Was iſt das Gluͤck, das du den Deinen 
adanf ? | 
„Ein Sugendraufb, ein forgenvolles Alter. 
„Als Fünglinge entnervf; alt, nimmer weife, 
5 ſie in Laſtern Zeit und Muth, 
„Durch—⸗ 


Pd 





„Dourchtaumeln ihren Fruͤhling, ſammlen ſich 
Weh' auf ein Alter, das ſich kuͤmmerlich 
„Schon in des Lebens Hälfte neigt, und ſinkt. 
„Verachtet leben fie, und fterben trofilos, 
„Der Nachwelt ungenannt. — Ich aber wohne 
„den Göttern und bey Helden. Jupiter 
„Liebt als des Himmel? ſchoͤnſte Tochter mich. 
„Der Seele bauch’ ich edle Thaten ein, 
„Dem Herzen Muth, und menſchliches Gefühl. 
„Bey mir wohnt Sreundfcbaft, die nur edle 
| Seelen, 

„Die ich zuvor belebt, auf ewig knuͤpſt. 

„Nie ſuchen meine Freunde deine Taſeln; 
„DerHunger würzt, ſtatt Kunſt, ihr leichtes Mahl. 
„Die Arbeit iſt der Balſam ihrer Rab; _ 
„Süß ift ihr Schlaf; leicht, frölich ſtehn fie ahf. 
„Befund, vergnuͤgt durchwandern fie die Dahn, 
„Die ich fie führe; fleigen fanft hinab 
„Un meiner Hand ing Alter‘, fehn entzuͤckt 
„Zuruͤck in ein fo ſchoͤn gebrauchtes Keben, 
„Das feinen Vorwurf Fennt, mo ieden Tag 
„zum mindften eine edle That bezeichnet. 

„And naht ſich endlich ihrer Laufbahn Ziel, 

„So ruht in heilgen Srieden ihre Aſche; 
ZGerechter Ruhm verfündigt, wer fie waren, 
„Der Nachwelt noch, und ewig lebt ihr Name. 

„Dieß, Götterfohn, ift Gluͤckund Seeligfeit ! 
„Folg mir umd lebe, Sieh den Weg zum 

Ruͤhm 
P 2 — WVor 


— 


340 ——— 





„Vor dir; fleig ihn hinauf ‚, und ſchwinge did, 
sUnfterblicher, an meiner Hand zum Himmel!” 


Ein himmliſch Feuer goß der Tugend Rede 
In unſers Juͤnglings Seele, die ſogleich 
Die edle Flamme fieng. Das Herz ſchwoll ihm 
Hoch in der Bruſt; des Irrthums Nebel ſank 
Vor ſeinen Augen hin; beſchaͤmt ſtand nun 
Die Buhlerinn vor ſeinem Blicke da. 

Ihr frech geborgter Reiz verſchwand; die 


Schminke 
Ward bleich und fiel von * Wangen ab, 
Indeß der Tugend himmliſche Geſtalt 
Mit iedem Augenblicke ſchoͤner bluͤhte. 


Göttin ich bin dein!” Nief Herkules; 
„Beſitze mic), du biſt es, Die ich liebe. | 
„Sey meiner Seele Leben; führe mich 
„Wohin du willſt, ic folge muthig nad). ”” 


Indeß Alcid fein fenriges Gelübde 
Der Tugend brachte, glühte feine Bruſt 
Bon ihren bimmlifchen Geſchenken voll. 
Durch fie that er, mas nie ein Sterblider | 
Vermocht, und gieng die groſſe Heldenbahnz. 
Durch fie flieg er am Ende feiner Tage Ä 
Belohnt zum Himmel auf, und ward ein Gott. 


—— 
— 


11. Fa⸗ 


N 


Q) 








A JRR 
Die Nachtigall und der Habicht, 
Aeſop. Fab. 3. 


Ein Nachtigall faß einft auf einem Baum, 
und fang nad) ihrer Gewohnheit ihr Lied. 
Ein Habicht fahe diefe, flog vor Hunger hinzu 
und ergriff fie. Nun follte fie getoͤdtet wers 
den; aber fie bat den Habicht, er möchte fie 
doc) verfchonen : fie Fünne ihn ohnehin niche 
genug fättigen: wenn er ia Nahrung bedürfe, - 
jo ſollte er fi lieber an gröflere Voͤgel mas 
ben. Allein der Habicht erwiederte: da müßte 
ich doch -ein Thor feyn, wenn ih Speiſe, die 
in meiner Gewalt da if, fahren laffen, und 
erit nad) dem iagen follte, was noch nicht ge 
genwaͤrtig iſt. 


So ſind auch unbedachtſame Leute. In 
der Hoffnung mehr zu erlangen, das aber uns 
gewiß ift, laſſen fie dasienige — was ſie 
ſchon in Haͤnden haben. 











4 Der- 





344 —, 
Der Fuchs und der Hoc. 
SFab. 4. 

Ein Fuchs und ein Bock ſtiegen mit einander 
in einen Brunnen, ihren Durſt zu ſtillen. Als 
ſie ihn geloͤſcht hatten; ſo ſann der Bock hin 
und her, wieder herauszukommen. Aber der 
Fuchs ſprach: Nur getroſt! Ich habe ein gu— 
tes Mittel ausgedacht, dadurch wir uns beide 
heraushelfen koͤnnen. Du darſſt did nur aufs 
recht ſtellen, die Vorderbeine gegen die Mauer 
anſtemmen, und dann deine Hörner zugleich. 
vorwärts ſtrecken; fo Fann ich leicht über dei⸗ 
nen Ruͤcken und Hörner aus dem Brunnen 
fpringen , und did; alsdann von da nachſiehen. 
Der Bock war glei bereitwillig, und fielte, 
ſich zurecht. Der Fuchs fprang auf die Art 
ans dem Brunnen, und büpfte frolich um den 
Nand herum. Der Bor machte ihm Vor⸗ 
würfe, daß er fein Verfprechen nicht gehalten 
babe. ber der Fuchs ſprach: Wenn dein Vers 
fiand fo groß, als dein Dart wäre, fo würdeft du 
nicht eher hinabgeftiegen feya, als big du vors 
ber auf Mittel gedacht haͤtteſt, wieder her⸗ 
auszukommen. 


Der Kluge muß erfi den Ausgang der 
Sache erwaͤgen, bevor er ſie unternimmt. 


— —— — nn — 





— 345 


Der Hund und der Wolf. 
| Fab. 35: 


€. Hund fehlief vor einem Meierhof. Da 
Fam der Wolf herbey gerennet und wollte ihn 
freffen. Zerreig mid) nicht, fo bat er; ich bin 
obnedem iezt nod) mager , und ifi nichts an 
mir: warte noch ein wenig, bis mein Here 
Hochzeit macht, dann werde ib erſt recht ge⸗ 
fuͤttert und fetter und dir eine deſto herrlichere 
Speiſe. Der Wolf ließ ſich bereden und gieng 
‚davon. Nach einiger Zeit Fam er wieder und 
fand „ daß der Hund oben auf dem Dade 
fihlief : er blieb ſtehen, rufte ihn herad , und 
erinnerte ihn an fein Verſprechen. Aber der 
Hund ſprach: Du guter Wolf, wenn ich einft 
wieder vor der Hütte fihlafe , fo marte nicht 
erfi auf die Hochzeit. 

Kluge Leute nehmen ſich in ihrem ganzen 


Leben vor der Geſahr in Acht, aus der fie 
ehedem errettet worden find. 





Die Fledermaus, der Dornſtrauch 
. und die Schwalbe. 
Sub. 42 
Di⸗ Fledermaus, der Dornſtrauch und die 
Be fraten in Geſellſchaft, und beſchloſ⸗ 
95 ſen 


U 


846 | 
fen mit einander durd) Handel und Wandel 
ihren Unterhalt zu fuhren... Die Fledermaus 
borgte Silber zum gemeinſchaftlichen Gebrauch: 
der Dornſtrauch nahm Kleidungsſtuͤcke mit ich; 
und die Schwalbe, als die dritte, Geld, und 
„fo fihifften fie ab. Es Fam aber ein gemwaltis . 
ger Sturm : Das Schiff fheiterte, und alles 
gieng zu Grund ‚nur fie gelangten noch glück; 
li) ans Sand, Seit der Zeit ſchwirrt die 
Schwalbe ſtets an den Ufern umher, ob nicht 
etwa das Meer ihr Geld auswerfe. Die Fle⸗ 
dermaus laͤßt ſi ch, aus Furcht vor ihren Glaͤu— 
bigern, bey Tag nicht ſehen, und geht nur 
des Nachts auf Futter aus; und der Dorn⸗ 
firauch hängt fib an die Kleider der Vorbeyh⸗ 
gehenden, um: etwa ihr Kleid nod zu erken⸗ 
nen und ausfuͤndig zu machen. 


Ein Beweis, daß wir uns in der Folge 
der Zeit wieder Damit. abgeben, womit wir ung 
anfänglich befchäftigt haben. 


—üü⸗⸗⸗ 347 


Die Heuſhrete und die Ameiſen. 
Fab. 134. 


E trockneten einmal im Winter die Ameiſen 
ihren feuchtgewordenen Weizen. Eine hungrige 
Heuſchrecke bat fie um Speiſe. Uber die 
Ameiſen fanten zu ihr: warum haft du dir den 
Sommer über feine eingefammelt ? Ja, fprad) 
fie, id) bin nicht müflig gewefen ; ich babe Mus 
ſik gemacht. Da lachten iene darüber und er; 
wiederten : nun gut! haft du im Sommer ge⸗ 
pfiffen; ſo tanze im Winter. 


Nirgends ſoll man nachlaͤſſig ſeyn; ſonſt 
folgt Betruͤbniß und Gefahr. | 








Der Wolf und die Amme, 
Fab. 138. 
Eu bungriger Wolf lief herum, ſich Futter 
zu holen. Da fließ er an eine Hütte, wo ein 
kleines Kind fhrie, und die Amme zu vdemfels 
ben ſagte: ſchweig, ſonſt werf ich dich den 
Augen⸗ 


* 


848 — — 


Augenblick dem Wolf vor. Der Wolf bildete 
ſich ein, es waͤre der alten Frau ihr wahrer 
Ernſt, und er wartete lange darauf. Allein ges 
gen Abend hörte er, daß die Amme ihr Kind 
wieder liebfofie, und ſprach: fo, mein Rind ı 
wenn der Wolf herkommt, fo wollen wir ihn 
todt ſchlagen. Kaum hörte er dieß, fo gieng 
er weg, und faote bey ſich: da in ver Hütte 
Handeln die Leute ganz anders, als fie reden. 


Die Gabel ift für die, deren Sannlangen 
ihren Worte nicht entſprechen. | 





Der: Wolf und das Lamm. 
Phaͤdr. 8. J. Fab. rn 


Dr Wolſ und das Lamm kamen beide vor 
Durſt an einen Bach: der Wolf ſtand weit 
oben, und das Lamm tief unten. Da brachte 
der Räuber ‚ vor unerfättlicher Freßgier, Ges 
legenheit zum Zank vor: warum machſt du mir, 
fpracy er, bier das Waſſer trüb, das ich trin⸗ 
fe? Furchtſam verfeßte das Lamm : mein! | 

wie 


FERIEN 


349 


wie kann ich das, lieber Wolf, woruͤber du 
dich befchmerft ? Von dir fließt ia das Wafler 
berab zu mir, wo ich ſchoͤpſe. Abgewieſen 
Fraft der mächtigen Wahrheit, ſagte iener: 
Du haſt mir doch — es ſind gerade ſechs os 
nate — übels. nachgeredet. Ey! antwortefe 
das Lamm, war id) damals voch nicht gebos 
ren. So hat es beym Herkules! Dein Vater 
gethan. Sp ſpricht er — ergreift und zerreißt 
es ungerechter Weiſe. Wie oft wird die Uns 
ſchuld durch falſche — unters 
drückt ! | 


— 


Der 


* 





\ 


Der Hirfch ben einer Duelle, 
en B. LFab. 12. | 


Man verachtet öfters Dinge, die möglicher 
find ‚als die wir loben. 


En Hirſch blieb bey einer Hölle als er ges 
trunken hatte , ſtehen, und erblickte feine Ges 
fait im Waffer: Da flaunt er ‚über fein Ens 
denvolles Geweih, rühmt es, und tadelt feine 
—J——— Laͤufte. Aber auf einmal wird 
‘er durchs Jagdgeſchrey erſchreckt, flieht uͤber's 
Feld, und ſpottet der Hunde, mit ſchnellen 
Springen. Nun nahm der Wald das Wild 
auf, wo es mit ſeinem Geweih haͤngen blieb, 
nicht weiter Fonnte, und von den grauſamen 
Diffen der Hunde zerfleifcht wurde. O ich uns 
glücklicher ! fol es in feinen festen Zügen aus⸗ 
gerufen haben ,- Daß ich erſt iezt einſehe, wie, 
gut mir das geweſen wäre, mas ich verachtet 
habe, und wie viel Herzeleid mir das zuzieht, 
was ich ſo ſehr lobte. 


- 





Der mißvergmügte Bilde 
E ſah in einer flaren Quelle 


Ei in Bild; 
". OD, In Meld) prächtiges Geweih! 
Sprach er, wie ſchoͤn es —J— ‚recht auf derſel⸗ 
elle 
Wo Konigskronen ſtehn; ice empor! wie frey! 
Schoͤn iſt mein ganzer Leib! doch muß ich auch 


geltehn, 
Die Beine, 8 nichts weniger "als ſchoͤn. | 
Noch da er ſpricht, hoͤrt er ein Jagdgeſchrey 
erſchallen, 
Merkt auf, fi fi eht eine Jagd vom nahen Hügel 


fallen 
Erſchrickt, und flieht. Nun hilſt ihm zum 
utfliehn 
Nicht Leib und nicht Geweih; die Beine retten ihn. 
Fort ſchießt er, wie ein Pfeil ‚ und bald 
Erreichet er den fernen Wald. 
Dort aber hält in feinem fchnellen Lauf 
Das äſtige Geweih ibn auf. 
Er ſchilt und tobt, nun ifts ihm nicht mehr küsh. 
Izt ſchreckt von neuem ihn dag helle Jagdgethoͤn; 
Er reißt vor Anaft ſich log, und flieht 
Noch einmal fort,: bis er fi fiber ſieht. 
Da denkt er nach und ſpricht: das fol mich lehren, 
Ihr leichten Schenkeln, euch), ‚wie ihrs verdient, 
iu ehren ; 
Ihr halſt mir meinem Tod entgehn. I 
ee nuͤtzlich it, das ift auch fhin, 


— * * 
* Nu 2 ö 


Der 





A - unsere 


Der ale die Katze und das wilde 
Schwein. 


2. II. Fab. .. 


Aır dem Son einer Eiche hakte ein Adler 
fein Neſt gebaut. In der Mitte entdeckte 
die Katze eine Hoͤhle -wo-fie. ihre Jungen 
warf, und die Waldbewohnerinn, das Schwein 
ſerkelte unten am Stamme. Darauf zerſtoͤrte 
die Katze die ungeſaͤhre Nachbarſchaft durch 
Betrug und boshaſte Argliſt. Sie kletterte 
zum Neſt des Vogels hinauf, und ſprach: es 
wird dir ein Ungluͤck zubereitet, und wol auch 
‚mir Elenden Du ſiehſt doch, wie das. hin⸗ 
terliſſige Schwein taͤglich in der Erde wuͤhlt? 
Kann es was anders vorhaben, als die Eiche 
aus der Wurzel zu heben und unſere Jungen 
ohne Muͤhe anf der Ebene zu erwuͤrgen? Sie 
hatte Schreifen verbreitet und die Sinne des 
Adlers betaͤubt: nun ſchlich fie binab zum. Las 
ger des borfiigen Schweins: Ahr rief fie — 
deine Kinder ſchweben in groffer Gefahr! Denn, 
fobald du auf die Weide gehen wirft, mır deis 
ner zarten Heerde, will dir der Adler ‚deine 
Friſchlinge rauben. Als ſie au hier, den, Dr6 
mit Furcht erfüllt hatte, verbarg ſich die Tuͤcki⸗ 
ſche wieder in ihre ſichere Hoͤhle. Des Nachts 
ſchlich ſie da ſachte weg und ſchweifte umher; 
und wenn fie ſich und ihre Jungen gefüttere 

hatte, 


is —— 353 


hatte, ſah fie ſich den ganzen Tag um, als 
ob es ihr * bange waͤre. Der Adler blieb, 
aus Furcht vor der Gefahr , immer auf dem 
Paume boden, aud der Eber, um fid) feine 
Jungen nicht rauben zu laſſen, eieng nicht 
von dannen. Kurz! fie mußten mit den Shris 
gen Hungers fierben und dienten den iungen 
Kagen zum herrlichen Maple, 


4* Hier lerne der einſaͤltige Leichtglaubige, 
wie viel Ungluͤck ein zweyzuͤngiger Menſch ſtif⸗ 
ten koͤnne. 








Die Mauleſel und IF MAUER: 
B. 1. Fab. 


Fine Maulthiere giengen mit Dündein N 
part. Der eine trug dichtgeflochtene Körbe 
mit Geld: der andere Saͤcke, firogend von 
vieler. Gerſte. Jener, mit Neichehum beladen, 
hebt feinen Nacken hoch empor, und ſchuͤttelt 
fein helles Gloͤckchen am Halfe hin und her. 
Sein Geführte aber folate ihm ruhig Schritt 
vor Schritt. Plöglich fliegen Räuber aus ihr 
rem Hinterhalt heivor , und verwunden waͤh— 
end dem Handgemenge mit dem Stahl ienes 
Maulthier, plündern fein Geld, und. verſchmaͤ⸗ 
ben Die geringe Gerſte. Der beraudte heult 

2 iiber 


254 ——— 


über fein Ungluͤck, und der andere ſpricht: wie 
lieb ift mirs doch, Daß ich verachtet worden 
bin! So hab sich nichts verloren, ‚und Feine 
Wunde befonmen. 


Die Armuth lebe ficher, wenn groſſer 
Reichthum Gefahren ausgefegt if. 








Der Hirſch und Die Ochfen. 
%. 1. Sob, 8 


Ein Hirſch, aus den Höhlen des Walds auf 
geiagt , lied aus blinder Furcht, um den Jaͤ— 
gern, die ihm feinen. Tod drohten, zu entrins 
nen, nad) dem nächften Meierhof zu, und vers 
kroch fi) in einen ihm ganz gelegenen Ochſen⸗ 
ſtall. Hier ſprach ein Ochs zum verfleckten 
Hirſchen: wo haft du hingefonnen , du Ungluͤck⸗ 
liber ? daß du fo freywilig dem Tod entgegen. 
läuft, und dein Leben der Behauſung der Mens 
ſchen anvertraueſt? Schonet nur ihre meiner, 
bat er demuͤthig: bey der erfien Gelegenheit will 
id) wieder davon eilen. Der Tag verſtrich und 
eg ward Nacht. Der Hirt bringt grünes Fut— 
ter, und fieht nichts. Die gelamten Bauers— 
leute gehen einmal über dag anderemal aus und 
ein : niemand merft ihn. Sogar der Pachter 
geht vorüber, auch der wird nichts gewahr. Da 

u — | ward 


a — 355 


ward das Wild froh, und dankte den ruhigen 
Ochſen für ihre gute Herberge in feinem Un—⸗ 
gluͤck. Wir mwünfhen zwar , verfeßte einer, 
Daß du alücli davon Fämeft : wenn aber ies 
ner , der hundert Mugen hat, wenn der kom— 
men wird; dann wird dein Leben in groffer Ges 
jahr ſchweben. Unterdefjen Fam eben der Here 
auch von der Mahlzeit Abends zuruͤcke; und 
weil er vor wenigen Tagen die Debfen mager 
gefunden hatte, giena er zur Krippe: warum 
fo wenig Sutter? fprad er — Auch Stroh 
ſehlt! — Die Spinneweben abjufehren — 
‚was Eoftet das weiter viel Mühe? — us 
dem er fo eines nad) dem andern genau durch⸗ 
ſucht, erblickt er das hohe Geweih des Hirs 
fben, ruft feine Leute herbey, läßt ihn toͤd⸗ 
ten und Die Beute wegtragen. 


Der Herr ſieht bey feinem Eigenthum ims 
‚mer am beiten. 





— — — — — * 


Der Hund und der Wolf. 
B. IH. Fab. 7. 
Wie angenehm die Freyheit iſt, fol fols 
gende Fabel lehren. 


Einem fehr fetten. Hunde benegnete von 
‚obngefähr ein ausgemergelter Wolf, Nas 
J a na N dem 





dem fie einander bewillkomme, blieben fie fies 
. ben, und der Wolf ſpricht; wie Fommet es 
in aller Welt, daß du fo gut ausſieheſt, oder 
womit haft du dir einen fo dicken Leib zuge⸗ 
legt ? Ich bin doch weit fiärfer denn du, und 
muß ſchier verhungern Ganz aufrichtig ers 
wiederte der Hund : du Fannft es eben fo zut 
baden‘, wenn du nur dem Herrn gleichen Dienft 
zu leiſten fähig bit. „Was für einen?,, Daß 
du die Thuͤre huͤteſt, und das Haus des 
Nachts vor Diebe bewahreſt. „Ya, ia! 
„ich bin bereit: muß ich fo Meaengüffe 
„und Froſt ausfichen, und ein kuͤmmer⸗ 
„liches Leben in den Mäldern führen ; wie 
„viel lieber ift mirs unterm Dache zu leben, und - 
„in Ruhe von reihlicher Koft fatt zu werden!” 
So komm denn mit mir! Indem fie fo forte 
ſchleudern, ſieht der Wolf den Hals des Hun⸗ 
des von der Kette abgerieben : „woher dieß 
„mein Freund?“ Es hat nichts zu bedeuten. 
„Ey, fag mirs dor. Man haͤlt mich für 
beiſſend, und bindet mic des Tags über an, 
daß ich bey Tag Ruhe habe und bey Nacht 
wachſam bin. Gegen Morgen hin werde ich 
aber losgemacht, und da ſchweife ich nach Ge⸗ 
fallen herum. Man bringt mir von freyem 
‚Stüden Prod: der Herr giebt mir Beine von 
jeinem Tiſch: dad Geſinde mirft mir allerley 
Brocken vor, und ein AO TOR Zugemüß, dag 
Ah 





357 


ihm nicht ſchmeckt. Und ſo werde ich ohne zu 
arbeiten geſaͤttiget. „Nun weiter, haſt du 
„auch Erlaubniß wegzugehen, wenn du Luft 
„haſt ?“ Nicht fo recht. „So behalte denn, 
„guter Hund, dein Gutes für dich! Nicht Koͤ⸗ 
„nig mochte ich ſeyn, wenn ich meine Freyheit 
mnsthleren * 





Die aimeife * die Fliege 
8, 1V. Sab. 32. 


Die Ameiſe und die Fliege DIN einen 
heftigen Rangfireit miteinander. Die Fliege 
fante zuerſt: Kannſt du fo viel Vorzůge auſ⸗ 
weiſen, als ich beſitze? Wo geopfert wird, da 
koſt ich vorher das den Göttern gewidmete Eins 
geweide: ich hälte mic bey den Altären auf und 
durchziehe alle Plaͤtzchen in den Tempeln : ic) 
fege mich auf der Könige Häupter , wenn es 
mir beliebt , und Fredenje den Feufcheh, zarten 
Mund der ehrbaren Franenzimmer : ich arbeite 
nichts , und genieffe doch die beften Sachen, 
Kommt an dich and) fo etwas, du Landliche ‘2 
Wahr iſts, der Ruhm ift nicht Flein mit den 
Göttern zu fpeifen ; aber nur für den eingeins 
denen Gaſt, nicht für den, welchen man nicht 
gerne ſieht. Du fagft von Wale, und son 

| 33 | füffen 


fhffem Mund Adler Frauenzimmer? Aber wenn 
id mein Korn auf den Winter forafältig eins 
ſammele, fo fehe ich dich an der Mauer Uns 
flath tpeifen. Du haͤltſt did) bey Altären auf? 
a, du wirft fchön weggeiagt, wo du hinkommſt. 
Du arbeiteft nichts? Darum haft du auch nichts, 
wenn du es brauchſt. Schaͤme did) doch; du 
fiolzes Ding , damit zu prahlen, was du ver 
hehlen folltet. Im Sommer beunruhigſt du 
mic: iſts aber Winter, da ſchweigeſt du. Und 
wenn dw. vor aroffer Kaͤlte zuſammengeſchrumpft 
fterben mußt, dann nimmt mid) mein Geenens 
reiches Haus in Sicherheit auf. Gewiß genug 
zur Demüthigung deines Hochmuths! 


Diele Fabel giebt Charakter son Menfchen 
an, welche fich ungegründete Vorzüge beylegen, 
und von denen , deren wirkliche Sabine 7 
nen wahre ey bringen. | 








Der Menich. 


Jo moͤchte Menſchen ſehn; 
Was ſind das wol fuͤr Thiere? hi. 
„Fuͤr Thiere? fprah der Fuchs und plieb 
beym Hafen fiehn, 
„Sefährlicher als alle andre Thiere, | 
„ Schlau 


s Eine noch 2. —— 
Fabel. 


— 359 


BO ‚ eingebildet , groß, berechtigt zum 
„Verheren 

„Und ſich von uns zu Fleiden und zu naͤhren. 

| „Der Menſch, der Näuber der Natur, 

„Thut täglich mörderifhe Schwüre, 

„Verhetzet Thiere gegen Thiere, 

„und fielt mit zauberiſchen Waffen, 

ui: ſo wie mir, und mir, wie andern, 

h, nad. 

— Menſch verſehlt nie unſre Spur, 

Iſt liſtig, grauſam, unergruͤndlich, 

„Hält und für dumm und. unempfindlich, 

„Und glaubt, wir find für ihn geſchaffen; 

„Das iſt der Menſch; an fomm wir wollen 


„Du Fanuft noch u Menfihen fehn. 

Eie giengen, und am erfien. Bad, 

Dewegte fi ein Kind, 

Lief fpielend auf und nieder, 

Fiel taumelnd in das Gras und hob fi ch lächelnd 
wieder; 

Wie artig! fagte bier der Haſe, 

SM das ein Menld) ? Wenn dag die Menſchen 

| TER, find, | 

& haſſel du die Menſchen blind, 

Und fuͤhrſt vergebliche Beſchwerden, 

Was kann uns wohl ein ſolch Geſchoͤpfe thune 

ir das ift * Menſch, das muß erſt 
‚einer ‚werden, 


u Erwie⸗ 


360 ———n 


Erwiederte der Fuchs; Indem erſchien ein 
Greis, 

Gebeugt vom Holz, das er kaum aufgelefen , 

Gieng diefer Greis am Stabe ber 

Und keichte lang um aussuruhn, 

Her, Iprach der Hafe, iſt dann dr? . 

Ein Menſch? O arm Gebäude! 

Das ſich ſelbſt nicht zu helfen weiß! 

Mich ſchreckt Fein Menſch, wenn das die Dienz 
(hen find, 


Ich glaub es, rich der Fuchs, das ift ein. Menſch 
geweſen. 


Mit wenger Furcht, und groſſer Freude, 
Verließ der Haſe dieſen Ort | 
Und fegte mit dem Fuchs die Unterſuchung fort. 
Nun ader ftand im voller Munterfeit und Gröffe 
Vom Lauren fatt, vom’ Warten böfe | 
Der Raubbegierge Jaͤger da. 
Iſt das ein Menfh, da er den Jaͤger fah? 
Das iſt er, ſprach der Se und ruͤmpfete die 
ale 
Erlaube mir etwas beyfeits zu gehn, 
Wo aber, rief fein Camerade, | 
Wo wollen wir und wieder fehn ? = 
Beym Kirfihner: ſchrie der ‚Suche ; „und flohe 
ſeitwaͤrts ab, | 
Indem der Jaͤger Feuer gab. 
Der Haſe fiel, ſein Vorwitz war ſein Ste, 
O Menſchen mörderifhe Thiere! 
So dachte er im Fall, und ſtreckte alle Biere. 


LT TEE TEE EEE EEE 
Die 





in 361 


Die Nachtigall und der Gukuk? 


Die Nachtigall ſang einſt ihr goͤttliches Gedicht, 
Zu ſehn, ob es die Menſchen ſuͤhlten. 
Die Knaben, die im Thale ſpielten, 
Die ſpielten fort und hörten nicht. 
Indem ließ ſich der Gukuk luſtig Hören, 
Und der erhielt ein freudig Ach. 
Die Knaben lachten laut, und machten ihm Mu 
Ehren 
Das ſchoͤne uf Guk zehnmal nach, 
Hoͤrſt du? ſprach er zu Philomelen, 
Den Herren fall ich recht ins Ohr. 
Ich denk', es wird mir nicht viel fehlen, 
Sie ziehn mein Lied dem deinen vor. 
Drauf kam Damdt mit feiner Schöne, a 
Der Gukuk ſchrie fein Lied: fie giengen ftol; 
vorbey, 

Nun ſang die Meiſterinn der zauberiſchen Töne 
In einer fanften Meloden : 
Sie fühlen die Gewalt der Lieder, 
Damoͤt ſteht fill und Phyllis ſezt ſich nieder, 
Und hoͤrt ihr ehrerbietig zu; Br, 

Ihr zaͤrtlich Blut fängt an zu wallen; 

Ihr Auge laͤßt vergnuͤgte Zaͤhren fallen. 
Da, rief die Nachtigall, da, Schwaͤtzer, lerne du, 
Was man erhaͤlt, wenn man den Klugen ſingt. 
Der Ausbruch einer ſtummen Zaͤhre 

| 35 Bringt 


— — — — — 


362 

‚ Brinnf Nachtiealen⸗ weit mehr Ehre, 

Als dir der laute Beyfall bringt. 

| Gellert. | 
FR | 





Der. Tanzbar. 


Ein waͤr, der lange Zeit ſein Brod eg 
| müflen, 

hg und waͤhlte ſich den * Auffenthalt. 

Die Baͤren gruͤßten ihn mit bruͤderlichen Kuͤſſen, 

Und brummten freudig durch den Wald, 

Und wo ein Baͤr den andern ſah, 

So hieß es: Petz iſt wieder da! — * 

Der Bär erzaͤhlte drauf, was er. in fremden | 

Landen 

Für Abentheuer ausgeflanden , 

Was er geſehn, gehört, getban, 

And fieng, da er vom Tanzen redfe, 

Als gieng er noch an feiner Kerte, 

Auf pohlniſch ſchoͤn zu tanzen an. 


Die Bruͤder, die ihn tanzen ſahn, 
Bewunderten die Wendung ſeiner Glieder, 
Und gleich verſuchten es die Bruͤder; | 
Allein anftatt, wie er, zu gehn, 

So fonnten fie Faum aufrecht fiehn, 

Und mancher fiel die Länge lang darnieder. 

Um deftomehr ließ ſich der Taͤnzer ſehn; 
ir , Doch 


——— 363 


Doch fine Kunſt verdroß den ganzen Haufen. 
Sort, ſchrien ale, fort mit dir! 

Du Narr, willſt Flüger ſeyn, als wir 2 
Man zwang den Per davon zu laufen. 


* % 
* 


Sey nicht gefdich: man wird dich wenig 

baflen,. 

Weil dir dann ieder aͤhnlich iſt; 

Doch ie geſchickter du vor allen andern biſt; 

Je mehr nimm dich in Acht, dich prahlend ſehn 
zu laffen. 

Wahr iſts, man, wird auf Furge Zeit 

Bon deinen Künften ruͤhmlich ſprechen; 

Doc) traue nicht! bald folgt der, Neid, 

And macht aus der Geſchicklichkeit 

Ein unvergeblihes DBerbredhen. 








Die Grille und die Nachtigall, 


Fe verfichere dich , fagte die Brille zu der 
Nachtigall, daß es meinem Gefange gar nicht 
an Bewunderern fehlt. — Nenne mir fie dod), 
fprab die Nachtigall — Die arbeitfamen 
Schnitter, verfeßte die Grille, bören mic) mit 
‚vielem Vergnügen, und daß diefes die nüglichs 
ſten Leute in der menfchlichen Republik find, 
das wirft du doc) nicht leugnen wollen ? 


| Das 


— — 





364 — 


Das will ih nicht leugnen, ſagte die Nach⸗ 
tigall, aber deßwegen darfft du auf ihren Pens 
fall nicht ſtolz ſeyn. Ehrlichen Leuten, die alle 
‚ Ihre Gedanken bey der Arbeit haben, müllen ia 
wol die feinern Empfindungen fehlen. Bilde dir 
alfo ia nichts eher auf dein Lied ein , als bis 
ihm der forglofe Schäfer , der ſelbſt auf feiner 
Floͤte ſehr lieblich ſpielt, mit ſtillem — 


Anand, 
Eefing.. 


: 
| 


Der Khabe und die Schlange. R 


Ein Knabe ſpielte mit einer fahitien‘ Schlange. | 
Mein liebes’ Thierdien , fagte der Knabe, ih 
- würde mid mit dir fo gemein nicht machen, 
wenn dir das Gift nicht benommen wäre. Ihr 
Schlangen ſeyd die boghafteftien, undanfbarfien 
Gefchöpfe! Ich babe es wol; gelefen, wie es 
einem arınen Landmanne gieng, der eine, viel 
leicht von deinen Urältern , die er halb erſro— 
ren unter einer Hecke fand , mitleidig aufhob, 
und fie in feinen erwaͤrmenden Buſen ſteckte. 
Kaum fühlte fih die Boͤſe wieder, als fie ih— 
ren Wohlthäter biß; und der gute freundliche 
. Dann mußte flerben, 


| Sch erfiaune , fagte Die Schlange, Wie 
| vartbepil eure Geſchichtſchreiber ſeyn müffen ! 
die, 





— —— 365 
die unfrigen erzählen dieſe Hiſtorie ganz ans 
ders. Dein freundliher Mann glaubte, die 
Schlange fen wirklich erfroren, und weil es 
eine von dem bunten Schlangen war, fo ſteckte 
er fie zu ſich, ihr zu Haufe die fhöne Haut 
abzuflreifen; war-das recht? Ach, ſchweig nur; 
erwiederte Der Knabe, Welcher Undankbare 
hätte fi ch nicht zu entfchuldigen gewußt. 
Recht, mein Sohn; fiel der Vater, der 
dieſe Unterredung zugehort hatte, dem Knaben 
ins Wort. Aber gleichwol, wenn du einmal 
von einem aufferordentlichen Undanfe hören 
ſollteſt, ſo unterſuche in alle Umftände genau , 
bevor du einen Menſchen mit fo einem abfcheus 
lien Schandflecke brandmarken laͤſſeſt. Wahre 
Wohlthaͤter haben felten Undanfbare verpflich⸗ 
tet, ia, ich will zur Ehre der Menſchheit hof; 
fen, — niemals, Aber die Wohlthäter mit 
Fleinen eigennügigen Abfichten, die find es 
wertb , mein Sohn, daß fie Undank anſtatt 
———— einwuchern. 


nl So u 2.3 








nenn nun 


j —* Rehe. 


Mein Kind, du wageft dich fo kͤhnlich in den 
Wald, 
Als ob Fein Tieger um ung wohne; 
Erficht er, di, fo bift du Falk: 
So ſagt ein Reh zu ſeinem — 
Wohl! 





Wohl! ſprach der Rehbock, faget mir, 
Was ift der Tieger für ein Thier, 
So flieh’ id) ihn, als wie das Feuer s 4 5 
D Cohn !-das ift ein Ungeheuer, 
Ein Scheufalvon Geſtalt! Sein blißend Angeſt cht 
Verraͤth den Mörder ſchon. Sein Rachen 
raucht vom Blute. 
Der Baͤr iſt ſo erſchrecklich nicht, 
Und bey dem Loͤwen iſt mir nicht ſo ſchlimm zu 
Murhe. ss +4 
Gut! unterbrach der Sohn, nun Fenn’ id) diefen 
Herrn. 
Er gieng hinweg. Sein Ungluͤcksſtern 
Trieb ihn zum Tieger hin, der in dem Graſe 
ruhte. | | 
Der Rehbock ſtutzte zwar, doch er erbolte ih, 
Und fprad) : das iſt er nicht! der Zieger raucht 
. vom Blute, 
Und ſieht abſcheulich fuͤrchterlich; | 
Hingegen diefes Thier ift ſchoͤn, und glatt und 
freundlich; 
Sein Blick zwar feurig, doch nicht feindlich. 
O! ſolchen Tiegern geh ich nach! 
Hub er mit Kuͤhnheit an zu ſchreyen: 
Doch mocht' es ihn zu ſpaͤt gereuen, 
Als ihm das Tiegerthier drauf das Seide 
| brach. | 


Man 


— — 362 


ie * * Wo nen 

Man thut gar wohl, daß man der eos 

Der Lafter Scheußlichkeit entdeckt; 

Jedoch „man ieig ihr auch den falſchen Sein 
der Tugend, ‘ 

Das Icpöne — ſuͤſſe Gift, das in den Laſtern 

ul ſteckt: 
Sonſt macht der falſche Glanz von dieſen, 
fie die Laſter oft für Tugenden erkieſen. 


Lichtwehr. 








Das Pferd und der Eſel. 


Ein ſattes Pferd gieng von der Krippe, 

Und fiel vor Wolluſt auf die Streu, 

Ein dürrer Eſel ſtand dabey, 

Kein Eſel, ſondern ein Gerippe. 

Den redete der Fran mit diefen Worten an: 

Wie geht es, guter Greis! du ſcheinſt mir ziem⸗ 
lich hager, 

Biſt du nicht recht gefund ? macht did) der Sram 

| fo mager ? | 

Ad) ! ſprach das Müllerthier: der hat es nicht 

gethan, 

Der A und das viele Tragen, 

Des Treibers Fluchen, Stoffen, Schlagen, 

Gr Mit 


pr 3 


268 : PEN 





Mit einem Wort, mein Herr! die Noth ift 
2 ſchuld daran. 

O käme nur der Tod, das Ende meiner Plagen! 

Ob es dir fihon fo elend geht, 

| Erwiederte der Gaul, ſo ſollſt du doch nicht 
klagen: 

Ein Weiſer traͤgt die Noth, die nicht zu Ändern 
licht, | 

Du leideſt nicht allein , und kurz, was willſt 

| du maben? 

Das Schickſal thut, was ihm gefällt, 

Dem fehmeckt des Lebens Luft, und dem wird 
fie vergaͤllt; 

Das Weinen nuͤzt oft mehr als Laden, 

Da ſprach der se Herr: Dein Bauch ifl 
voll und ſatt, | 

Und deine Weiöheit ſtammt aus dem gefüllten 
Magen 


* * 
* 


Der hat gut predigen und von Verlaͤugnung 
ſagen, 
Der ſelber keine Sorgen hat: 








Der Löwe und die Muͤcke. 
Dar Thiere Negiment in Monomotapa 


War. dur Gewalt und Recht dem Löwen 
zugeſallen 
Re Dr. 


Der ſich, Monarchen gleich, von ſchuͤchternen 


Vaſallen 


Geſchmeichelt und gefürchtet ſah. 


Dort heißt ein ſchwarzer Fuͤrſt das Wunder 
feiner Zeit, 

Hat nur fein Heldenmuth viel Boͤſes unterlaſſen; 

Den koͤwen nannten auch noch ungelaͤhmte 
Saſſen 

Das Muſter ſeltner Guͤtigkeit. 

Das Lob naͤhrt ſeinen Stolz, ſo wie ſein 

Grimm die Noth. 


Mit beiden durfte nur die kuͤhne Mücke ſcherzen, 


* 


Die ihm aus Rom’ pn 9er mit Ieepbrifnolen 
erzen 
Des ſcharſen Stachels Spitze bot. 
Der Angriff wird gemagt : fie ſelber blaͤſt 

zur Schlacht; 

Sie fäumt nicht, an den Feind fi) peinlich 
anzufaugen, 

Und hat den Koͤnig bald um Rachen, Maul 
und Augen 


Mit tauſend Schmerzen wund gemacht. 


Er tobet, ſchnaubt und ſchaͤumt: die Thiere 


bergen ſich; | 
Die Tapferften entflichn den maiefärfdhen 
Klauen. | 
Er brüdt: der Hügel bebt. Das allgemeine 
Grauen 


Vermehrt ein ieder Muͤckenſtich. 
a Mas 





Fl 


Was will der Staͤrkre thun? die Shwaͤchte 
giebt nicht nach. 
Der — ſucht umſonſt die Muͤcke zu erreichen, 
Und wird, nad) langem Streit, nach mißgelungs 
| nen Streichen, 
Ermüdet und an Kräften ſchwach. 
Sie put ihr Panzerhemd , die Schuppen 
um den Leib, 
Und ihren Federbuſch, läßt beide Flügel Flingen, 
Zieh alle Schwerdter ein, die aus dem Rüffel 
dringen, 
Und hält ſich für Fein ſchlechtes Weib, 
Yun ſteigt fie in die Puft mit Sieg und 
MWMuhm geſchmuͤckt. 
Nun weiß ſie ſchon die Kunſt, die Loͤwen zu 
beſiegen; | 
Bald aber fieht man fie in ein Gewebe fliegen, 
Worinn die Spinne fie erſtickt. 
- % 
* * 
Aus beider Sicherheit wird deutlich wahrge⸗ 
nommen, 
Daß oft der ſchwaͤchſte Seind den Fühnften Hels 
den fehlägt. 
Wie mancher Waghals iſt im Zuſall umgekommen, 
Den weder Sturm noch Schlacht erlegt. 
v. Hagedorn. 
— 








Die 


— — 27% 


Die Stadtmaus und die Feldmaus. 


Dur Seldmaus Fam einmal die Stadtmaus in 
ven Wald, 

In ihren duͤrſtigen, gehoͤhlten Aufenthalt. 

Hier lebte ſie genau, um Vorrath aufzuſparen; 

Allein, weil Wirth und Gaft laͤngſt gute Freun⸗ 
de waren, 

Und fie, bey fümapter Koft, doch Gäften ie 

ih gab, 

So gieng auch diefesmal nichts der Bersirehung ab. 

Das lange Haberforn, als ihrer Ernte Gaben, 

Die Kichern, die ſie ſonſt, als einen Schatz, 
vergraben, 

Halb abgenagtes Speck, gedoͤrrter Beeren gnug, 

Die fie mit eignem Mund ihm ist zur Tafeltrug, 

Das bringt fie, um zu fehn, ob nichts fein Maul 
verführte , 

Das ieden Biffen nur mit Rolsem Zahn berührte; 

Da unfer Hausherr hier auf frifchen Spalzen faß, 

hm gern das Beſte ließ, ſelbſt Treſp' und Ro⸗ 
cken fraß. | 

Wie? hebt der Städter an, konnſt du auf 

diefen Höhen, | 

In diefem oͤden Wald dich fo zufrieden fehen ? 

Stehn, flatt der Wildniß, dir nicht Staͤdt' und 

Menſchen an? 
Zeuch immer mit mir, Freund! wenn ich Dir 


rathen kann. 
az GWas 


372 — 


Was iſt ung allen mehr, als Sterblichkeit, vers 
liehen ? 

Yon dem, was irdiſch if, wird nichts dem Tod 
entfliehen: 

Sogar ein göwe ſtirbt. Es fterben groß und Fleine 

Wir aber ſchmauſen noch. D laß ung frölich feyn ! 

Leb immer eingedenk, wie Jahr? und Keit ver⸗ — 
flieſſen, 7 

Freund! lebe fo wie ich, des Lebens zu genieffen. 


Die Feldmaus, die den Rath fi) fehr ges 
fallen läßt, 
Shit fi zum Neifen an, und * aus dem 
Neſt. | | 


Sie eilen beide fort, die Sudt bald zu 
erreichen, 
ii dur die Mauer ſich, ben Nacht , Hins 
einzuſchleichen. 
Der Himmel ſchwaͤrzte ſchon die ſtille Mitternacht; 
Da kommen dieſe zwey in einen Sitz der Pracht, 
In eines Reichen Haus, wo ſcharlachrothe 
Decken 
Des KAoNem, Helfendein mit ftolsem Glan; vers 
ſtecken, 
Und, zum gewuͤnſchten Fraß, vom hl 
Banfee | 
Der aufaebänfte Reſti in vollen Koͤrben ſteht. 
Der Staͤdter, der den Gaſt auf Purpur hingeſetzet, 
Und alles — und waͤhlt, was Tellerlecker Bi 
au 


\ 
f 


f 


Liuſt N ig, Wie ein Wirth, der ſich die Muͤhe 
kuͤrzt N | 


Und, hurtiger zu ſeyn, ſich lüftig aufgeſchuͤrzt. 


Er will fi) aufwartfam , ia Dienern gleich, 
erweifen, 

Und bringet und Fredenzt die aufgetragnen 
Speifen. 


Die neue Lebensart erfreut die fremde Maus, 


Wie vornehm ift ihr Sig! mie Föftlid) ift der 


Schmaus! 

Doch ein Geraͤuſch entſteht, die Thuͤr wird 
auſgeriſſen, 

So daß ſich Wirth und Gaſt urploͤzlich trollen 
muͤſſen. 


Sie liefen voller Angſt, das Zimmer aufund ab: 
Allein, was beiden nod) ein tödtlich Schrecken gab, 
War dieſes „daß zugleich die groſſen Hund’ 

erwachten, 


‚ Und durd) das ganze Haus ein ſtark Gebelle 


machten. 


Die Feldmaus zittert zwar, erhaͤlt ſich doch 


und ſpricht: 
Ich ſcheide. Fahre wohl! Dieß Leben dient mir 
nicht, 


Die Hoͤhl und iener Wald ſoll mich, bey ſchlech⸗ 


ten Wicken, 


In freyer Sicherheit „mehr als die Pracht 


begluͤcken. 





Aa3 Die 





374 — — 
Die Raupe und der Schmetterling. 


Eine Fleine Ranpe lag, 

Non fi) felber eingefponnen, 
Todt im Angefiht der Sonnen, 
Und es war der fhönfte Tag. 


Ein recht ſchoͤner Schmetterling, 
Kam aefiogen, feßte ſich 
Neben fie, und faate: Dich, 
Arme Raupe, wird nun bald 
Die allmaͤchtige Gewalt, 
Die dort oben ſtralt, erheben, 
Und in ſchoͤnerer Geſtalt, 
Als du ſtarbeſt, wirſt du leben! 
Ach! ich will doch Achtung geben, 
Wie du zu dem neuen Leben | 
Birk bervorgehn. — 

Ploͤzlich warf 
Sie die Schaal ab, ließ ſie liegen, 
Und der ſchoͤne Schmetterling 
Sah den neuen Engel fliege, 
Kenn ich ihn fo nennen darf. 
Gleim. 





— ——— — 
x 


Der Wiedehopf und die Nachtigau. 


Ein Wiedehopf pries ſich 
Und ſein gekroͤntes Haupt 
Der 


375° 


Der Nachtigall — Mein Weibchen, fprad) er, 
| glaubt, 
Du wärft recht haͤßlich gegen mich. 
Das koͤnnte ſeyn, erwiederte 
Die Nachtigall, und flog auf eine Hoͤh, 
Und fang, 
Und alle Wandrer blieben flehn, 
Und fagten, wie fingt fie fo ſchoͤn! 
Ey welch ein Klang ' 
Der Wiedehopf hört’ eg, flog bin und her, 
Doch feiner ſprach: Wie fihön iſt er! 
Denn für die Eleine Philomele, 
Mar alles Ohr. 
Man zieht gemeiniglid) doch eine fchöne Seele 
Dem fchönften Körper vor. 











Kuna ET TEEDTTEN 


Die Nachtigall und das Johannis⸗ 
wuͤrmchen. 


| Ein ſtolzes und eitles Johanniswuͤrmchen des 

trachtete einſtmals ſein ſchimmerndes Untertheil. 
„Wahrhaftig, rief es aus, die ganze Natur hat 
Fein fd artiges und feines Geſchoͤpſ, als mich. 
Alle uͤbrige Inſekten, die ich ſehe, die haushaͤl⸗ 

tige Ameiſe, die fleiſige Biene, oder den emſi⸗ 

gen Seidenwurm, mit ale dem niedrigen Poͤbel 

von Inſekten, der ein Feind der —5 ſein 

| Aa 4 ſtlavi⸗ 





ſklaviſches Leben in Gefchäften zubringt, blicke 
ih mit Verachtung an. Ein niederträchtiger 
aemeiner Schwarm !- Wie gering fdhäge ich 
euch! Ich allein war zur Hoheit geboren. Ich 
bin gewiß aus goͤttlichem Geſchlechte entiproffen, - 
und auf die Erde gefezt, zu leben und zu gläns 
sen. Diefe Lichter, die fo hoch über mir ſchim— 
mern, find nur des Himmels Johanniswuͤrmer, 
und Könige auf Erden bewundern ihre Edelfteis 
ne blog darum, weil fie mein Feuer nachah⸗ 
“men. ” 


So fprad) es. Nufrkehfam auf einem 
Aeſtchen, hielt eine Nachtigall in ihrem Ge 
fange inne. Sie fahe den ſchimmernden Biffen 
in der Nähe, und flobe durch den Glan; anz 
gewieſen zu ihm bin, betrachtete ihn ein Weils - 
Ken mit nuͤchternem Blick, und redete den er 
ternden Raub fo an: 


„Betrogene Närrin, eitlen Stolzes voll, 
wiſſe, deine Schönheit vernrfachet deinen Unterz 
gang. Wäreft du weniger ſchimmernd, fo häfs 
teft du vieleicht noch lange auf dem ſammetnen 
Gefilde verborgen gelegen. Der Stolz trauert 
früher oder fpäter, und die Schoͤnheit, die zu 
ſehr glaͤnzt, leidet * Schiffbruch. r 

— Moore. 
— — — — — 


— —— — 


Der 


— 377 


Der Rabe und der Fuchs. 


Sunfer Rabe ſaß auf einem Baum, und hielt 
in feinem Schnabel einen Kaͤſe. Meiſter Fuchs, 
den der Geruch herbey gelockt hatte, hielt ihm 
ungefähr diefe Rede: Ey! guten Morgen, mein 
Here Rabe! Wie feht ihr doch fo niedlich aus! 
Wie fend ihr doch fo wunderſchoͤn! Wahrhafs 
tig! wenn euer Gefang zu euren Federn ſtimmt: 
fo feyd ihr unter den Einwohnern diefes Wal—⸗ 
des ein Phoͤnix. Bey diefen Worten weiß fid) 
der Rabe vor Freude nicht zu faſſen, er will 
feine fchöne Stimme zeigen, macht einen weis 
ten Schnabel auf, und läßt feinen Raub fallen, 
Der Fuchs greift zu, und ſpricht: wiſſe, aus 
ter Freund, ein Schmeichler lebt auf Unkoſten 
deſſen, der ihn anhört. Eine ſolche Lehre ift 
ihren Kafe wol werth ! Der Rabe beſchaͤmt 
und verwirrt, ſchwur, aber ein wenig fpät, 
man folle ihn fo nicht wieder Friegen, 


Sa: Sonteine, 


Yas Der 


378 
Der Eihbaum und das Shilf. 


Dir Eichbaum ſprach eines Tages zum Schilfe: 
Du haft wol Urſache dich über die Natur zu 
beflagen. Ein Zaunſchluͤpferchen ift dir eine 
unerträgliche Laft.. Ein iedes Püftchen , das 
irgend einen Waſſerbach Fraufelt, zwingt dich 
den Kopf zu buͤcken: indeffen meine Stirne, 
dem Raufafus gleid) , den Stralen der Sonne 
den Weg verbeut, ia felbft der Wuth des Bos 
reas trozt. Für did iſt alles Orkan, mir 
fcheinet alles ein Zephyr zu fenn. Ihr guten 
Kinderchen! wenn ihr nur unter dem Gemölbe 
diefer Aeſte wüchfer, mit welchen ich das Land 
umber bedecfe, fo littet ihr doc) weniger Lnges 
mad, ich nähme eud) gegen Wind und Wetter 
in Schuß ; allein ihr kommt mehrentheils an 
feuchten Ufern hervor, den Zummelplägen aller 
Winde. Wahrhaftig! die Natur gieng fehr 
ungerecht mit euch um! — Dein gutes Herz 
macht dich mitleidig, erwiederte das kleine 
Schilfrohr. Allein ſey unbekuͤmmert; mir ſind 
die Winde weniger geſaͤhrlich, als dir. Ich 
biege mich, und breche nicht. Du haſt ihre 
grimmigen Anfaͤlle noch immer beſtanden, und 
deinen Rücken nie beugen dürfen. Doch man 
warte den Ausgang ab! Dieß Wort war Faum 

geſpro⸗ 


en 379 
Der Eichbaum und das Rohr. 


Du kannſt mit Recht, ſo ſprach der Eichbaum 
einſt zum Rohr, 
Dich uͤber die Natur beklagen; 
Sollſt du den kleinſten Vogel tragen, 
Er iſt dir eine Laſt. Kein Weſichen koͤmmt 
hervor, 
Das kaum den Teich bewegt, 
So wirſt du hingelegt; 
Da, wie ein Kaukaſus, mein Haupt dee Sonne 
Gluth, 
Bald muthig widerſeeht/ bald trozt der Stuͤrme 
Wuth. 
Fur dich iſt alles Nord, und alles Zephyr mir. 
a! Rande du im Schutz, mie dieſe Gegend 
bier, 
Die meine Zweige deren, 
So follte dich Fein Sturm erſchrecken, 
Und haͤtteſt minder auszuftehn , 
Sehr ungerecht ift aber die Natur, 
Wo Aeol herrſcht, an wilden Uſern nur, 
Biſt du zu ſehn! 
Mitleidig ſeyn, ſteht groſſen Seelen an, 
Erwiederte das Rohr; ſorg aber nicht fuͤr mich; 
Kein Sturm war ie dem fuͤrchterlich, 
Den er nur beugt, doch niemals brechen kann; 
Du haſt bisher fie ſaͤmtlich zwar verlacht, 
Ans Ende nur, ans Ende nie gedacht. 
| | Uns 


——— 

geſprochen, ſo brach vom aͤuſſerſten Rande des 
Himmels der ſchrecklichſte unter allen Söhnen, 
die ie die Mitternacht in ihrem Schooße trug, 
mit Ungeſtuͤm hervor. Der Baum ſteht feſt, 
das Schilſchen bieget ſich. Der Wind verdop⸗ 
pelt feine Kraft, und nimmt den Lauf fo ges 
ſchickt, daß er den entwurzelt, der an dem 
Himmel mit dem Haupte ſtieß, und mit den 
Säfen bis an die Hölle reichte. 


380 





381 


Aus Aeols Höhle brach, | 

Als noch das Rohr die lesten Worte ſprach, 

Urplöslich und geſchwinder, | 

Als Pfeil in ihrem Flug, 

Das ſchrecklichſte der Kinder, { 

Das ie der Nordin feinem Schoofe trug, 

Der Baum hielt aus. Das Rohr lag hingebeugf. 

Der Sturm ward heftiger und riß aus feinem 
Stand 

Ihn, deſſen Haupt bis an die Wolken reicht, 

Und deſſen Fuß im Reich der Schatten ſtand. 


— — 


III. Idyl⸗ 





I. 


Ey lilen 





{ R 


— Ssss 


FF 


** 


Amyntas. 


Be; frühem Diorgen Fam der arme e Ampns 


tas aus dem dichten Haine, das Beil 
in feiner Rechten. Er hatte ſich Stäbe ges 


ſchnitten zu einem Zaun, und trug ihre Laſt 
- gefrümmt auf der Schulter. Da. fah er einen 
iungen Eichbaum neben einem hinrauſchenden 


Bach: und der Bach hatte wild feine Wurz 
zeln von der Erd’ entblöffer ; und der Baum 


fund da, traurig, und drohte zu finfen. Scha— 
de, ſprach er, follteft du Baum in dieß wilde 


Waſſer ftürzen ? nein, dein Wipfel ſoll micht 


zum Spiel feiner Wellen Bingeworien ſeyn. 
Jezt nahm er die fehweren Stäbe von der 


Schulter: Ich Fann mir andere Stäbe holen, 
ſprach er, und hub an, einen ftarfen Damm 


vor den Baum hinzubauen, und arub frifche 
Erde. Test war der Damm gebaut, und die 
entblößten Wurzeln ‚mit frifcher Erde bedeckt; 
und jest nahm er fein Beil auf die Schulter, 
und lächelte noch einmal zufrieden mit feiner 
Arbeit in den Schaften des gerefferen Raumes 


Din, und wollte in den Hain zuruͤcke, um ans 
‚dere Staͤbe zu holen.‘ Aber die Dryas rief 
ihm mie: lieblicher Stimme aus der Eiche zu: 


Ih Spllt’ 


| 
- Sole’ ich unbelohnt did) weglaſſen, - gütiger 
Hirt, fage mir, was wuͤnſcheſt du zur Belohs 
nung? Ich weiß, daß du arm bift, und nur 
fünf Schafe zur Weide führefl. D! wenn du 
mir zu bitten vergoͤnneſt, Nymphe! (fo ſprach 
der arme Hirt) Mein Nachbar Palaͤmon iſt 
ſeit der Ernte ſchon kraak/ laß ihn geſund wer⸗ 
den. 


So hat der Kedliche , und Palaͤmon war 

geſund: aber Amyntas ſah den maͤchtigen See⸗ 
gen in ſeiner Heerde, und bey ſeinen Baͤumen 
und Fruͤchten und ward ein reicher Hirt; denn 
die Goͤtter laſſen den Redlichen nicht anne 
leegnet. 
Seßner. | 





— — — — a 


Damom, — 
er | Damon. 


Ein vorübergegangen,, Daphne, das ſchwar⸗ 
ze Gewitter; die fehrecfende Stimme des Dong 
nerg ſoͤweign Zittre mcht, Daphne! die Bli⸗ 
tze ſchlaͤngelu ſich nicht mehr durchs er: 
Gewoͤlk: laß uns die Höhle: verlaffen; © 

Schafe, die fi) aͤngſtlich unter dieſem ur 
dad) aefammelt, fhürteln den Regen von der 
friefelnden Wolle, und zerſtreuen ſich wieder 
auf der erfriſchten Weide, Laß uns: hervor⸗ 

5, gehn 


; — nn 387 
gehn und fehn, wie fehön die Gegend im Con; 
nenichein glaͤnzt. 


Rest traten fe ie Hand i in A aus der ſchuͤ⸗ 
Benden Grotte hervor. Wie herrlich , rief 
Daphne, dem Hirten die Hand druͤckend, mie 
herrlich glänzet die Gegend ' Wie hell ſchim— 
mert das Dlau des Himmels dur das zerrifs 
fene Gewoͤlb! Sie fliehen , die Wolfen! Wie 
fie ihren Schatten in der fonnebeglänzten Ges 
gend zerftreu'n! Sieh, Damon! dort liegt der 
Hügel mit feinen Hütten und Heerden im Schat⸗ 
ten; iezt flieht der Schatte, und laßt ihn im 
Sonnenglanz; fieb , wie er durchs Thal bin 
über die blumigten Wiefen läuft. 


Wie fhimmert dort, vief Damon , ie 
ſchimmert dort der Bogen der Iris, von eis 
nem glänzenden Hügel zum andern ausaelpannt; 
am Mücken das graue Gewoͤlk, verkündige 
die frenndliche Göttinn von ihrem Bogen der 
Gegend die Ruhe , und lächelt durchs undes 
ſchaͤdigte Thal Hin. Daphne antwortete, mit 
zarte Arm ihn umſchlingend: Sieh’ die Ses 
phyre Fommen zurück, und fpielen frober mit 
den Blumen, die veriüngt mit den hell bligenz 
den Megentropjen prangen ; und Die bunfen 
Schmetterlinge ‚und die beflügelten Wuͤrm⸗ 
chen fliegen wieder frober im Sonnenſchein; 
und ber rg Zei) — ſieh wie Die genegten 

— B —— 2 Buͤſche 


288 nr 





Buͤſche und die Wenden zitternd um ihn her 
glänzen! — er empfängt wieder ruhig das Bild 
des hellen Himmels, und der Bäume umher. 
Damon. Umarme mich, Daphne, ums 
arme mid) ! D was für Freunde durchſtömt 
mich! Wie Herrlich ift alles um ung her! Wels 
be unerſchoͤpfliche Duelle von Entzüden! Von 
der belebenden Sonne bis zur Eleineften Pflanze 
find alles Wunder! O wie reift das Entzuͤcken 
mi hin; wenn id) vom hohen Hügel die 
weit ausgebreitete Gegend‘ überfehe , oder wenn 
ich, ins Gras hingeſtreckt, die. anniafaltigen 
Blumen und Kräuter betrachte, und ihre Fleis 
nen Bewohner ; oder wenn ic) in naͤchtlichen 
Stunden den geflirnten Himmel, menn ich den 
Wechſel der Jahrszeiten, oder den Wachs⸗ 
thum der unzaͤhlbaren Gewaͤchſe — wenn ich 
die Wunder betrachte, dann ſchwellt mir die 
Bruſt, Gedanken draͤngen ſich dann auf; ich 
kann ſie nicht entwickeln; dann wein ich und 
ſinke hin; und ſtammle mein Erſtaunen dem, 
der die Erde erfhui! O Daphne nichts 
gleicht dem Entzuͤcken, 08 fey denn dag. Entzů⸗ 
cken von dir geliebt zu ſeyn! | 
Daphne. Ad Damon! Auch mich, auch 
mid) entzuͤcken die Wunder + O laß uns in 
zaͤrtlicher Umarmung den fommenden Morgen 
den Glan; des Abendroths und den fanften 
nn des Monds laß ung die Wunder 
ing 


— und an die Beben Bruſt uns drüs 
cken, und unſer Erſtaunen ſtammlen! 9 


389 


welche unansfprechliche Freude, wenn dieß 


Entzuͤcken zu dem Entzuͤcken der hͤrtlichen Lie⸗ 


be ſich — eat: X 





ach if # 


5 - 4 ’ 
I EEE HT, ERW FIRE TER 
— — — — nn — — 





1 Sr i 1. i 


Ap einem ſchoͤnen Abend fuhr 

Irin mit ſeinem Sohn im Kahn * 
Aufs Meer, um Reuſſen in das Schilf 
Zu legen, das ringsum den Strand 

Von nahen Eilanden umaab. 

Die Sonne taucbte fi bereite 

Ins Meer, und Fluth und Himmel ſchien 
Im Feu'r zu gluͤhen. 
O wie ſchoͤn 

Iſt iezt die Gegend! fagt entzuͤckt 

Der Knabe, den Irin gelehrt, 

Auf iede Schoͤnheit der Natur 

Zu merken. Sieh! ſagt er, den Schwan, 
Umringt von feiner ſrohen Brut, 

Sich in den rothen Wiederſchein 


Des Himmels. tauchen! Sieh! er ſchifft, | 


Zieht rothe Furchen in die, Flath, | 
Und ſpannt des Fittichs Seegel auf. — 
Wie lieblich fuͤſſert dort im Hain 

De, oe Eipen fürdtfam Land 


Bb 


Am 


200. — ⸗ 


Am Ufer, und wie reizend fließt 

Die Saat in grünen Wellen fort,. 

Und rauſcht, vom. Winde fanft bewegt. — 
D was für Anmuth haucht aniest | 
Geitad’ und Meer und Himmel aus! 
Wie ſchoͤn iſt alles, und wie froh 

Und gluͤcklich macht uns die-Natur! — 


Sa, fagt JIrin, fie macht ung ſroh 
Und gluͤcklich, und du wirft durd)- fie... 
Glückfeelig feyn dein Lebenlang, 
Wenn, du dabey rechtſchaffen biſt, 
Wenn wilde Reidenfchaften nicht 
Bon fanfter Schönheit das Gefühl 
Verhindern. O Geliebteſter! 

Ich werde nun in kurzem dich 
Verlaſſen und die ſchoͤne Welt 

Und noch in fchönern Gegenden 

Den Lohn der Redlichkeit empſah'n. 
D, bleib der Tugend immer treu! 
Und weine mit den Weinenden, 

Und gieb von deinem Vorrat) gern 
Den Armen. Hilf, fo viel du kannſt, 
Zum Wohl der Welt. Sen arbeitfam, 
Erheb zum Herren der Natur, 
Dem Wind und Meer gehorfam iſt, 

Der alles Tenft zum Wohl der Welt, _ * 
Den Geiſt! Waͤhl lieber Schand und sap N. 
Eh’ du in Bosheit wilirf. ei 





ee 2 


m — — — 
ns 


Ehr, Ueberfluß und Pracht ift Tand; 

Ein yvuhig Herz iſt unſer Theil. — 

| Durd) diefe Denkungsart, mein Sohn, 
Iſt unter lauter Freuden mir vn 

Das: Haar verbleihet. Und wiewohl 

Ich achtzigmal bereits den Wald 

Um unſre Hütte grünen fah’; 

En ift mein langes Leben doch 

Gleich einem heitern Fruͤhlingstag 

Vergangen ‚ unter Freud’ und Luſt. — 

Zwar hab’ ich auch manch' Ungemach 

Erlitten. Als dein Bruder farb, 

Da floſſen Thraͤnen mir vom Aug’, 

Ind Soun und Himmel ſchien mir — 

| Dit auch erariff mid) anf dem Meer 
Im leichten Kahn der Sturm und warf 

Mich mit den Wellen in die Luft; 

Am Gipfel eines Wafferberg's | 

Hieng oft mein Kahn had) in der Euff, 

Und donnernd fiel die Fluch herab, 

Und ich mit ihr. . Das Volk des Meers 

Erſchrack, wenn über feinem Haupt 

Der Wellen Donner tobt’, und fuhr 

Tief in den Abgrund, und mid) dünkt', 

Daß zwiſchen ieder Welle mir 

Ein feuchtes Grab ſich oͤffnete. 

Der Sturmwind taucht' dabey ins Men 

Die Flügel, fhüttelte danon® 

Noch eine See anf mich herab. — 

Allein bald legte ſich der Zorn 

Des Windes, und die Luft ward hell, 
Und id) erblikt' in ſtiller Fluth 

Des Himmels, Bild: Der blaue Stör 

Mit rothen Augen fahe bald 

Aus einer Hohl’, im Kraut der Ger, 

h Durch ‚feines Hauſes * Dach, 


rn 





Und vieles. Volk des ‚weiten Meere 

Zanzt’ auf der. Fluth im Sonnenſchein; 
And Kuh und Freude Fam zuruͤck 

In meine Bruft. — Jezt wartet fhon 
Das Grab auf mid. - Ich fuͤrcht' es nicht, 
Der Abend meines Lebens wird 

So (bon, ald Tag und Morgen, ſeyn. — 
D Sohn! fen fromm und tuoendhaft, 

So wirft du gluͤcklich ſeyn, wie ib; 

So bleibt dir die Natur ſtets ſchoͤn. 


‚Der Knabe ſchmiegt' ſich an den Arm 
Irins, und ſprach: Nein, Vater! nein, 
Du ſtirbſt noch nicht! Der Himmel wird 
Dich nod) erhalten, mir zum Zrofl, — 
Und viele Thraͤnen floffen ihm , * 
Vom Ang'. — Indeſſen hatten fie 
Die Reuſſen ausgelegt. Die Nacht 
Stieg aus der See, ſie ruderten 
Gemach der Heimath wieder u. — un. 00, 
Irin fiarb bald. Gein frommer Sohn. »., - 
Deweint’ ihn lang, und. niemals fam 
Ihm diefer Abend aus: dem Sinn. 
Ein heil’ger, Schauer überftel J 
Ihn, wenn ihm feines Vaters Bid... 
Vors Antlig trat. . Ersfdigete 3.5.5 3m) 4% 
Stets deſſey Lehren. Seegen Fam... 
Auf ihn. Sein langes. Leben dͤnkt 
Ihm auch ein Sruplingstag zu ſonn. 
sta‘ ne bp ileielne mini!“ 


J » ö 
Hau 
% = 


V 
a“ sy I we 7 e a. 
s 3%) y v6, > ’ J 
7 4 — J ir 
* 
on 2 GENRE !AV GESTERN 
4 F p ß e 
——i* — — — ‘ 
N -i r Er ed 4 . 
m » u 
Ks ’ —*8 


r, 


| iv. Einn- | 


IV, 


Sinngedihte 





— 395 


W ernik e. 
er bat nachdrucklicher den ſcharfen Witz 
erreicht, 


Und früher aufgehört In ortfpiel und zu 


An Sprach und Mopllant Fi ex leicht, 
An Geiſt fehr ſchwer, zu übertreffen. 
v. Hagedorn. 





An einen greund. 


er iſt nicht Elug, der vieles wagt, 
Geringen Vortheil zu erwifchen, 
Dieß heiſſet, wie Auguft gefagt, 
Mit einem güldnen Angel fiſchen. 
hi, i | | 


verserserauranen mens mere 


Wohlthaten. 


"er: übertrift den, der fi mild erzeigt ? 
Der feltue Freund, der es zugleich verſchweigt. 














Huf 


Auf Keplern .·.. 


o u. war noch — Sterblicher —— | 
Als Kepler fieg : 3 s und flarb in Hun—⸗— 
e "gern 2 
Er wußte nur die Geiſter zu vergnügen, 
Drum ließen ‚ihn die Koͤrper ohne Brod. 
) Auf einer Reife, die er thun mußte, Ar 


allergnaͤdigſte Auszahlung ruͤckſtaͤndiger 
Beſoldung alerunterthänäft anzu alten. 


Baͤſtner. 


— 1J 





* 42 
Far a — 33 & a ey 


Die Vortheile der Weisheit. 


Pracht, Reichthum, eitle Luſt kann ſie uns 
nicht gewaͤhren 

Was sieh bie Weisheit uns? Den Geiſt ME | 
I —2 zu entbehren. EN 

















au la s 
a slımnd 
ws 
| 
F 


_ Eine Stunde. 


Die Stunde, die ich ſoll verlieren, 

Die muß, mich cher zu verführen, / 

Ein Feiner Theil der Zeit nur ſeyn: — 
Doch“ welcher Zeit ? die mir — *— 
Zaͤhlt zwar mit tauſenden die Stunden, 

Wie viel ſind - in Az — 


EN mr — 
u — 








ei a 








— — Das 


— 397 


Das gelehrte Kind. 


Felbeeinn wußt ein Kind ſoviel, als mancher 
Greis, 

Fruͤhzeitig lag das Wunder auf der Baare, 
Sein Fruder-fah den moͤrderiſchen Fleiß, 
Ward Sekretaͤr, Ri und lebt an achtzig Jahre. 


—9 Keiner von der Art, wie Addiſon und 
Sattel geweſen ſind. 








——— 


Auf 6 Suftas A wdolphe Tod. R, 


| Zum Schrecken Ferdinands fuͤhrt Adolph Got⸗ 
ER SCHRER, 
Und tttinerd ͤchete den Sit der Sieg. 





ENTE TEN TEE 


Auf einen Kandidaten. 


Sen will fi) nun dem Tempel weihn; 

Wozu wird er wol taualid) ſeyn? 

Beym A Ealomons wüͤßt ich es doch zu 
| ſagen: 

Da waͤr er gut, das ehrne Meer zu fragen, 








—— e; * — Der 


Der Zweifler. 
Di beſte Weisheit Wi f * der die Zweifler 





Mir ſchenkt ſie zz * ee Gewinn. 


Iq bin nicht mehr fo fol; die Thoren zu vers 
achten, 


Seitdem Bun zweifeln muß, ob ich ein Weifer bin. 
v. Thuͤmmel. 
—— 





Der Heldentod. 


Keumnß Hardras Ar 
uͤberwand: 

Durch Laſter ſein Gefuͤhl, durch Bosheit den 

| | | Verſtand. | 











An eine würdige Privatperſon. 


Giebt einſt der Leichenſtein von dem, was du 
geweſen, 


Dem Enkel, der dich ſchaͤtzt ſoviel er braucht, 
zu leſen, 

So ſey die Sunme dieß: „Er lebte ſchlecht 
und recht, 


Ohn Amt und Gnadengeld, und Niemands 
Herr noch Knecht. 


Ceſſing. 





An 





r 399 
An einen Seisigem 
Fe dich beneiden ? — Erfpar, ererb, erwirb, 


Hab alles: * nichts, laß alles hier, und 
ſtirb! 


TE A 








Auf den Tod eines Affen. 


Hier liegt er nun, der kleine, liebe Pavian, 
Der und fo manches nadgethan! | 


re ET] 





. f 
aa Te 


Auf ver Marie. 


Dem Marius ward prophezeyet, 

Sein Ende ſey ihm nah. | 

Jun lehet er drauf los; verſchwelgt, verſpielt, 
— verjiteuet : — 

Sein End’ ift wirklich da ' 








Augemeine Grabſchrift teutſcher 
—— 


Auch Er blieb — — 
Ein kurzes Lobgedicht? 
Doch 


*& 





400 | — — | 


Doch, Nachwelt! haſt du, dieß gelefen, 
Und aweifelſt noch ob Er ein groſſer Mann 
geweſen? 
So kennſt du —9 nicht! 
Michaelis. 


Das Paradieß. 


ein Glic fuͤr einen Apfel geben, | 
O Adam, welche Rüfternheit! 
Statt deiner hätt’ ich follen leben, 
So wär das Paradieß noch heut. — 


Wie aber, wenn alsdann die Traube 
Die Probefrucht geweſen wär ? 
Wie da, mein Freund! — Ey nun, Ar 
glaube — 
Das Paradieß wär auch nicht mehr. 


Ceſſing. 














Salomo. 
Des Bücherfchreibens ift Fein Ende! - 
Seufzt Salomo, und übersäblt die Bände! 
Des ſchlechten, räumt ihm Jeder ein, 
aha aber wird des guten Anfang feyn ? - 
| Michaelis. 
Emerson nn Penner 
| Der 


i | ' 


Der vorlefende Bas 


Die Ode, die Bavp vorlieſt, iſt zwar mein. 
Jedoch, weil er ſie ſo ſchlecht vorlieſt, wird ſie 
| fein. 
Gieſecke. 








Haß gegen die Neuern und Alten. 


Er iſt ein thoͤrichter Reid, was neu if, alles 
haſſen, 

Und neid’ ſche Thorheit, allein das Neue ſchoͤn 
ſeyn laſſen. 





— —— — — — —— — —— — — nun 


Auf einen Freygeiſt. 


Di Menden Andacht ſchreibſt du ihrer Eins 
ſalt zu. 
Iſts wahr; fo ift Fein Menſch andächtiger, als du, 


— ——— — 











Auf Gellert. 
Ei. Lehrer des Geſchmaks und felbft Original, 
. Ein Denfbenfreund, ein Chriſt, wie fein 


Verſoͤhner milde, 
Eee: Starb 





402 


Starb er, und ließ in feinem Bilde 
Der Welt die reizendſte Moral, 








Der Teutſch-Franzos. 


Ein Gellert? — Gellert iſt zu matt! | 

Ein Gleim? — Gleims Scherze find zu — 

Ein Kleiſt? — Iſt ſtolpernd! Haller ? hart! 

Ein Uz? — ſehr ungleich! Weiß ? nicht zart! 

Ein Geßner? — zu unedel laͤndlich! 

Und Klopſtock? — Schwuͤlſtig! Unverſtaͤndlich! 

Nur Frankreichs Dichter, ſie allein, 

Sind naiv, erhaben, witzig, fein! 

Sonnenfels, 

PEBERINERGRRNERDL RER NEL RER 


—— 


Tugend und Laſter. 


nn aar Fein after wär, wär feine Tu⸗ 
gend nicht. Ei 
Denn tugendhaft iſt der, der wider Laſter ficht. 


Logan. 





Geſund⸗ 


— 


— 





403 
Geſundheit. 


G ſundheit kehrt bey Armen mehr als bey 
Reichen ein. 


Wie J Sie haſſet Maſ⸗ und kann nicht 
Ben ſeyn. 


— EEE) 











Von der Nachtigall. 
Von Ferne biſt du viel, und in der Naͤhe 





nichts; 
Ein Wunder des Gehoͤrs, ein Spotten des 
Geſichts: 
Du biſt die Welt; auch ſie iſt in der Naͤhe 
nichts. 
Gutes. 


Wis it Das, was die Melt nennt mit dem 
MNamen gut? 
Saft immer iſt es das, was ieder will und thut. 








are 
— — — —— — 


"Bez. Sol, 


Tadlern 
Bein Niemand nicht gehalt, wer alles tadelt 





404 


Wer tadelt dieſen — pi wen kann der 
| geſa alten ? 











Die lateiniſche Sprache. 


Latein hat keinen Sitz „och Land, wie andre 
Zungen. — " 
Ihm ift die Sürgerfchaf So, ale Welt ge⸗ 








Zorn. 
Wo Zorn nimmt aͤberhand, da ſteigt ein 
Nebel auf, 
Der den Verſtand verblendt und wehrt ihm 
ſeinen Lauf. 











Schoͤnheit ohne Verſtand. 

ichts als nur — — Schönheit 
Denn das Gepraͤg iſt ar s bei ift bad Eu 
Wernife, 


oh en Te Ten nn nn Sn 2 Zn Sn 222 


Auſ 


EEE 405 


Auf den Triumvirat des Auguſts, 
‚Antonius und Lepidus. | 


Denn theilen unter ſich , u Rom nicht ohne 
‚eu Blut, | 

Und ui ohn Unrecht konnt in langer Zeit 

| erwerben; 

Das, Ebrůchwort ſchwaͤcht ihr Gluͤck: uUnrecht 
erworben Gut 

Kommt auf den Dritten nicht; wol aber auf 
drey Erben. 











Auf den Sokrates. 

a8 hilft, daß ich den Sofrates viel preife, 
Was ſchadt es, daß fein Weib ihn ſchalt? 
Er war der Welt nad) ungeſtalt; 
Und nad) der Götter Ausfpruch weile: 
Schoͤn war fein Sinn; fein Leib verſtellt. 
Dod die Benennung ungewiß: 
Als eine Mißgeburt betrat er diefe Welt; 
And ſchien ein Gott zu ſehn, indem er — e 

verlieh. 





| E53 An 





496 


An den Stax. 


ꝰas auf der Welt geſchieht, geſchiehet ohne 
Grund! 
Sagt Star Sein Wort macht diefe Wahr⸗ 
heit kund. 


Ewald. 


En —— — — —— — —— — —— 


Auf den Alkander. 


an feh? einmal die Liſt! 
Alkander will einfältig feheinen, 
Der doch einfältig iſt! 


— 





/ EZITEERTTATATTR 409 


Horaz 8. I. Satyre n _ 


Die Genuͤgſamkeit. 


Mi: kommt es wol, Mäcen, daß Niemand 
mit feinem Zuftand zufrieden lebet, 

worein ihn entweder eine vernünftige Wahl, 
oder ein Zufall verfeßet hat? und Jeder Die 
Lebensart Anderer der feinigen vorzieft? D 
gluͤckliche Kaufleute! feufst der Soldat, vom 
Alter und Strapazen entkräftet: Und der Kauf 
mann, von Wellen des Meers hin und her g& 
worfen, preifet den Soldatenfiand für beſſer; 
denn wie? fpricht er — man ruͤckt ins Feld, 
und ein Augenblick bringt entweder plöglichen 
Tod, oder froben Sieg Der Rechtsgelehrte 
hingegen lobt den Landmann, wenn der Klient 
Thon beym Hahnengefhrey an feine Thuͤre 
Elopfe: Und jener, wegen aeftellten Bürgen 
vom Rande in die Stadt genöthigt , ruft lauf: 
Nur der hat es gut, der in der Stade lebt ! 
Dergleichen Urtheile giebt es fo viele, daß fie 
fogar den ſchwatzhaften Fabius ermüden koͤnn— 
ten. Höre nur, damit ich dich nicht aufhalte, 
wo ich hinaus will. Geſezt, Zevs fagte: Seht! 
ich will euch eure Wünfche gewähren: du, der 
&c5 du 


410 REEHEEEREEETITE. 





du bisher Soldat wareft, ſollſt ein Kaufmann 
feyn, und du Rechtsgelehrter, ein Landmann! 
So gebet nun, nad veränderten Mollen, eus 
ven Weg! En! mas fieht ihr da? Sie weis 
gern ſich — und doc) Fönnen fie gluͤcklich fenn. 
Sollte nicht Jupiter entbrennen, beide Backen 
aufblafen, und ihnen ankündigen , künftig 
nicht mehr fo bereitwillig ihren Wünfchen Ges 
hör zu geben? Doch — um nicht Die 
Sache als eine Kleinigkeit fpottend zu bebans 
deln — mollen wir Scherz .beyfeite ſetzen, 
und ernſthaft ſeyn; wiewol man auch im 
Scherze Wahrbeiten vortragen kann: fo geben 
zuweilen liebreiche Lehrer den Kindern Zucker— 
brod, damit ſie die Anfangsgruͤnde deſto lieber 
lernen. Dort, der die harte Erde mit ſchwe— 
rem Pfluge umadert: bier, der freulofe Wirth, 
der Soldat und die Schiffer, vie Fühn alle 
Seen durdfahren, diefe fagen, daß fie nur 
darum fo ſchwere Strapazen über ſich naͤh— 
men, um, nad) gefammelten Nahrungsmitteln, 
in ihrem Alter ruhig und ſicher leben zu Füns 
nen: Wie die ganz Fleine, aber arbeitsvolle 
Ameife, (denn diefe fol zum Beyſpiel dienen) 
fo viel fie nur Ffann, mit ihrem Munde forts 
ſchleppt, und fürfichtig auf die Zukunft bedacht, 
dem Haufen zuführt, welchen fie bauet. Aber, 
fobald der Waſſermann das Jahr verändert 
und traurig a ſo Friecht fie nicht irgend 

aus 


zen wann: 411 


aus ihrer Hoͤhle hervor, ſondern genieſſet nun 
zufrieden ihren eingeſammelten Vorrath. Dich 
hingegen bält weder brennende Hitze, noch 
Sturm, noch Feuer, noch Schwerdt, nod) 
das Meer von Wuchern ab; Nichts ſteht dir 
im Wege, wenn nur feiner reicher ift, als 
du. Was bilft es dir, dag du unermaßlide 
 Schäße Goldes und Silbers mit Furcht der 
aufgeſcharrten Erde heimlich anvertrauft ? 


„Sa! wenn man immer davon nehmen 
„wollte, fo bleibt endlich gar nichts übrig. ” 


- Aber , wenn nun dieß niche geſchieht; was 
bat denn dein aufgehäufter Neichthum weiter 
für Reize? Magſt du immerhin auf deiner 
Senne hundert tauſend Scheffel gedrofchen ha; 
ben: du wirft deßwegen doch nicht mehr, als 
ich davon geniefjen Fünnen; So wie du, wenn 
Du auf deinen Schultern einen ſchwer belade; 
nen Brodkorb unter deinem Sklaven trägel, 
darum nicht mehr bekommen wirft, alg wenn 
du nichts getragen häftefl. Diver fage mir, 
was nußt es dem, der die Gränzen der Nas 
tur niche überfchreitet , ob er hundert oder taus 
ſend Hufen Feldes beackern Fann ? 


„Aber es ift doc) angenehm, von einem 
„groffen Haufen zu nehmen. ” 


Wenn du nur zugiebſt, daß wir von eis 
nem Heinen Haufen eben ſo viel nehmen Fün: 
nen, 


nen. Wie Fannft du deine Korns Magazine 
höher, als unfere Kornfiffer ſchaͤtzen ? Es wäre 
eben fo, als wenn du nicht mehr „ als eine Kans 
ne, oder Becher friſches Wafler vonuöthen hät: 
tet, und ſagteſt; ich wollte doc) lieber aus 
einem groffen Fluß, als aus diefer Fleinen 
Duelle ſchoͤpfen. So Fommt ed eben, daß dir, 
welche lieber gröffern Vorrath vom Waffer har 
ben wollen , als fie brauden , vom ſchuellen 
Strom Anfidus zugleich mit dem Ufer dahin 
geriffen und mengeführt werden. Derienige bins 
gegen, welder nicht mehr verlangt, als er 
braucht, ſchoͤpſt weder von Schlamm trübes 
MWafler, noch ertrinft er darinnen. Aber von 
eitler Geldbegierde geblendet , fprechen viele 
Menſchen: wir koͤnnen uns nie genug anfchafz 
fen : denn man gilt nur fo viel, ald man hat. 
Was will man nun mit foldhen anfangen ? 
Laß fie immerhin unglücklich feyn, wenn fie es 
fo haben wollen: mie iener Geizhalz in Athen, 
der die Schmähworte des Volks nicht achtete, 
und gefagt Haben fol: Das Wolf ziſcht mich 
aus: aber dafuͤr Flatfche ich mir zu Haufe Beys 
fall zu, wenn id) mein Geld in dem Kaften 
betrachte. Tantalus ſchnappt aus Durft nad) 
Waſſer, welches vor feinen Lippen zuruck fleußt. 
Lacheſt du? dieſe Erzählung gilt von dit Er 
nur den Namen verändert! Du legeft did) 


ichlafen auf überall zuſammen getragenen Geld⸗ 
ſaͤcken 


mr 17." ara 


ſaͤcken, trachteft immer nach mehreren, und 
mußt dod) das Geld als ein Heiligthum ſchonen, 
oder esigleichfam als gemalte Stuͤckchen nur zum 
Kergnügen anfehen. Weißt du nicht, worzu dag 
Geld nüge ? Und worzu man es brauchen muͤſſe? 
Man Faufe Brod, Zugemuͤß, eine Kanne 
Wein, und was ſonſt noch für Bedürfniffe der 
menſchlichen Natur find. Oder — vor Furcht 
halb todt ſchlafloſe Nächte haben, fi Tag 
und Nacht vor leichtfertige Diebe fürchten, vor 
Feuersbrunſt und Sflaven, die dich beftehlen 
und davon lauſen möchten — ift dir das ein 
Bergnügen? Solche Güter wuͤnſchte ich Zeig 
meines Lebens nicht zu befigen. — Wenn du 
dir aber an deinem Leibe Schmerzen durch befs 
tige Kälte zugegogen haſt: oder dic, ein andes 
rer Zufall aufdas Krankenlager geſtreckt bat — 
wo iſt dann jemand, ver ſich zu dir fegt, die 
Umfchläge macht, den Arzt bittet, dag er bie 
wieder aufbelfen, dic) den Kindern und lieben 
Anverwandten wieder ſchenken wolle? Weder 
deine Gattinn wuͤnſcht deine Genefung, nod) 
Dein Kind: ale Nachbarn haſſen dih, Ber 
Fannte, Knaben und Mädchen. .Wunderfi du 
did) noch darüber — der du dag Geld vor allen 
vorziehft, wenn dir Niemand die Liebe beweiſt, 
deren du du. did nicht würdig. macht ? Sa, 
wenn du deine Anvermandten , die dir die Na— 
gur verliehen, durch Feine Dienftbefiffenheit , 
| | als 


414 } zn amn 


als trene Freunde erhalten wilft, fo wird deine 
Mühe, du Ungluͤcklicher! vergeblich. ſeyn: eben 
fo, als wenn man einen Efel lehren wollte , 
mie dem Zaum die Schule zu machen. Made 
doch einmal ein Ende nad) Geld zu trachten; 
da du mehr haft, als fonfi : fo darſſt du defto wenis 
ger befürchten, arm zu werden : fange einmal an 
dein Elend zu endigen — nachdem du dir fo viel, 
als du wänfchteft, erworben haft. Mache es niche 
fü, wie, ein gewiſſer Ummidius, (das Hifiörs 
chen ift kurz) der das Geld mit Scheffeln mäfs 
» fen Eonnte, und dabey fo geitzig, daß er fi) 
nie beffer , als feine Sklaven kleidete, und big 
an fein Ende zu verhungern beforgfe. „Aber 
ihn hat doc die Freygelaſſene, die tapferfie 
unter den Töchtern des Tyndars, mit einer 
Art mitten von einander gefpalten. Warum 
wilft du mich nun zu bereden fuchen, daß ich 
leben fol, wie Maenius , oder wie Nomens 
tan?” Du fähreft fort, Dinge zu vereinigen, 
die einander flradd zumider find. Wenn id) 
dir fage: Du follft Fein’ Geizhals ſeyn; fo will 
ich deßwegen niit, daß du ein Schlemmer und 
Taugenichts ſeyſt. Es giebt zwifchen dem Tas 
nais und dem Schwiegervater des Viſellus eine 
dritte Art von Leuten. Man muß: nämlich) 
Maaße halten: Kurz ! es giebt gewiſſe Gräns 
zen bey dem, was Recht ift, welche man nicht 
überfchreiten darf. Run komme ich wieder zu 

/ meinem 


* 1 





415 


meinem Vorhaben: Sollte wol Fein Geisiger 
mit ſich zufrieden feyn, nur immer den glück 
uich ſchaͤtzen, der in einem andern Stande lebt? 
folte er feinen Naͤchſten beneiden, daß feine 
Ziege ein gröfferes Euter bat? follte er ſich 
nicht lieber mit den Armen, deren doch mehr 
find als Reiche, vergleichen, als dag er fih 
bemüht reicher zu feyn ? Auf dieſe Weiſe ſteht 
immer ein Reicher dem Andern , wenn er fort 
eilt, in Wege. Co treibt der Spieler auf 
der Nennbahn die Roſſe an, weldhe ven Wa⸗ 
gen aus den Schranken fortgeriffen haben, 
wenn ihm Andere zuvorgefommen find : und 
erwartet den nit, melchen er unter den less 
ten zurück gelaffen hat. Daher findet man fels 
- ten einen, der da faget; er habe gluͤcklich ges 
lebt , und am Ende feines Lebens, gleich eis 
nem gefättigten Saft, zufrieden feinen Abfchied 
nimmt. Nun genug hievon! Und damit du 
nicht glauben mögeft, ich hätte die Bibliothek 
des triefaͤugigen Krifpins geplündert ; fo will 
ich Fein Wort mehr hinzufegen. 








Der Shwäser, 
nach dem Soraʒ. 


— J3 da ich mich, wie ſonſt, den Grillen 
uͤberlaſſe, 
Gerath ich ohngeſaͤhr in die Mariengaſſe. 
Ein 


416 — 

Ein Sremder, den icb nur dem Namen nad 
gekannt, | 

Laufe plözlih auf mich zu; ergreift mic bey 

= Der Hand N 

Und ſpricht: „wie gehts 2 Mon Cher!,, Noch 
siemlich,wie Sie fehen ; 

Yon Ihnen hoff ich auch erwuͤnſchtes Wohler⸗ 
gehen. 

Er folgt mir Schritt vor Schritt, und klebt mir 
lädelnd an. 

Iſt etwas, frag ich ihn, womit ic) dienen ann? 

Er danket, und verſezt: „Sie werden mich ER 
kennen, 

„Und Ihre Freundſchaft mir, als einem Dichter 
gönnen. ” ; 

Dein Her, Sie follen mir um deflo werther 
ſeyn. | 

Ich eil, ih ſtehe fill, von ihm mich zu befreyn, 

And raun, ich weiß nicht was, dem Diener in 
die Ohren; 

Doch hier iſt alle Muͤh und alle Kuͤnſt verloren. 

Mir bricht der Angſtſchweis aus. O wie 

beneidenswerth, 

Gedenk ich, iſt der Thor, der Thoren gerne höre! 

Indeſſen ſtroͤmt ſein Mund. vom rauſchenden 
Geſchwaͤtze; 

Er lobt die ſchoͤne Stadt, und nennt mir alle 

— Plaͤtze, 
Die Bruͤcken, iedes Thor , die Maͤrkte, Wall 
und Wacht, 
Und 





417 


Und lehrt mich, wie der Lenz die Gärfen Iuflig 
macht. 
Ich ſchweig, er fähret fort : „Iſt man fo ſtill? 
id) finde, 
Dal die Begleitung AR nicht fonderlich vers 
inde; 
„Alein, ich ſchleudre mit, und Sie erlauben mir 
„Fuͤr dießmal kuͤhn zu ſeyn. Doch wohin gehen 
wir ? 
Bemühen Sie ſich nicht: ich kann mic) nicht 
verweilen , 
Und muß zu einem Freund , den Sie nick 
kennen, eilen. 
Er eher weit von hier, die Alfter ganz vorben, 
Noch hinter Boͤckelmanns befannten Gärtneren. 
„0 babe nichts su thun; mas uſſen tauſend 
| Schritte? 
„Im Gehen, glauben Sies, bin ich ein rechter 
| Sritte. 
Mich kruͤmm ich, wie ein Pferd, das, bey zu 
ſchwerer Laſt, 
Kopf, Maul und Ohren Em? feinen Treis 
| ber haßt 
Er räufpert f ch, und ſpricht: „Wahr iſts, ſich 
| ſelbſt zu rühmen, 
„Sp fe man fi ch aud) kennt, das will fi ch nicht 
geziemen; 
„Doch prüfen Sie mid nur: ich wette, daß 
Ihr Sreund, 
DB ER 


* — 
418 — 


„Mit dem ein iedes Jahr Sie zärtlicher vereint, 
„Ich werte: Wilkens felbft, nnd Müler, den 
Sie lieben, 

„Und Karpfer, und Borgeeſt, die ſollen ihren 
Trieben | 

„Nie fo gefällig feyn. Mich übt der Dichtkunſt 
Flor. | 
„Neun Mufen ftel ich mir, fo wie neun Kegel, 

vor. 

„Man wirft, und trift doch Holy: es fen viel - 

oder wenig. _ 

„Die Eden febläge man um , verfehlt man 
| glei) den König. 
„Man ziele, dichte nur , und miſche f ch ing 

Spiel, 
„Werd ich nicht epiſch groß, und bin ich Fein 
| Birgil; | 
„Wohlan! fo reim ich fehnell von tauſend ans 
dern Dingen; 
| „Mit einer Muſe muß mir dod der Gtreid) 
gelingen, 
„Erreich id) Ale nicht. Sch tanze wie du Ball: 
„Das fab man auf dem Baum, Au dem Frey⸗ 
maͤurerball. 
„Finan ſinget gut: doc ich Fann beffer fi ingen. ” 
Nunmehr newann id) Zeit, ein Woͤrtchen 
anzubringen, A 
Hat Feine Mutter nicht , Fein Better, fein 
Geſchlecht, * 


— 0. 


An ihrem Wohlfeyn Theil, an Ihren Stunden 
Recht? 
Sollt ihrer Feiner nicht Ihr Daſeyn nöthig 
5 haben? 
„Wir ſprechen uns nicht mehr, denn alle ſind 
begraben. 
O die ſind wohl daran! nun trifft die Reihe 
mich, 
Betaͤubte Maͤrthrer! Verſolge! Morde! Sprich! 
Denn ach! die Stunde koͤmmt, die ich ſo lange 
ſcheute, 
Die mir das alte Weib in Borſtel prophezeyte, 
Als ich ein Knabe war, und ſie mit duͤrrer Hand 
Den Loostopf ſchuͤttelte, griff, mein Verhaͤngniß 
ſand, 
und mir den Ausſpruch gab: Es wird ihn, 
| merkt e8 eben! 
Kein Arzt, Fein Alchymiſt, Fein Fahnenſchmied 
vergeben: | 
Ihn faͤllt kein Ranferſchwerdt kein Seitens 
wehr und Gicht, 
Das träge Nodagra , die Schwindſucht thut 
eees nicht. 
Die oröfehe Gefahr wird er von Scomägern 
leiden, | 
} und wird er alt und Flug ‚fomuß er Redner 
Rn meiden. | | 


58. Wir 





Wir waren, recht um zehn, wo man die 
| Kirche ſchaut, 

Die. Magdalene, die Graf Adolph aufgebaut. 

Du ſollte nun mein Freund, mit Akten und 
Gebuͤhren, 

Selbſt vor dem Richter ſtehn, und ſonſt ſein Recht 

verlieren. 

„Weil ich auf dieſe Zeit izt vorgeladen bin, 

„So,“ ſpricht er, „gehn Sie doch mit mir 
zum Prätor hin, 

„Und hören, wie ich dort...” Iſt mir ng 
nsumuthen? 

Kann ich Ihr Benftand fenn ? Verſteh ich die 

| Statuten? ?“ 

Und bin ich nicht verfagt? „Nun werd ic) 
zweifelvoll, 

„Ob ich Sie, oder nicht mein Recht, verlaſſen 
ſoll? 2» 

Mich, mein Herr. „O nein!” Gr rennt 
mir vor ich fehleiche, 

Als im Zriumpf geführt, „ weil ich Dem OIALICER | 
weiche. 


Gedbuld! Was hab ich nun fuͤr aut 
zuftehn ? | 
„Wie finden Sie den Bros, ————— | 
Maͤcen @” ı 
Ich find und ehr in ihm den Weiſen unfrer Zeiten; 
Allein, er wird daher, kein Freund von allen 


J 
3 | 1; Er 


—— — 421 


Er waͤhlet, die er liebt, iſt ſinnreich ohne Tand, 
Leutſeelig ohne Falſch, noch edler, als ſein Stand, 
Und ihn vergnuͤgen nur die Wuͤrden, die er 
ſchmuͤcket, 
Wann er ſein Vaterland und das Verdienſt be— 
gluͤcket. 
„Empfehlen Sie ihm den!“ Hier zeigt der Thor 
auf fi. ) 
„Ihr Mitgehuͤlf, Ihr Math, Ihr Hinterhalt 
werd ich. 
„Ich ſterbe, ſalls Sie mir die zweyte Rolle geben, 
„Wenn wir nicht ieden dort bald aus dem Sats 
fel heben. ” 
Eie irren ungemein in Ihrer Klügelen. 
Vor andern if fein Haus von folchen Raͤnken frey. 
Der Liebling des Merkur, den Fleis und Glück 
erhoͤhet, 
Der Doktor, der ſogar den Lykophron verſtehet, 
Verdraͤngen keinen nicht, der einem Brocks aefällt, 
‚ Der ieden,nad) Verdienſt, den Freunden zugefellt. 
„Das ift was feltfames. Sie ſcherzen.“ Was 
ich fage, 
Beflätiget gewiß die Wahrheit alle Tage, 
„Ja, num verehr ich erfi den weitberühmten 
Mann, 
„Und, ta, ih ruhe nie, bis ich ihn ſpr echen 
Fann.” 
Ihn ſprechen ſaͤllt nicht ſchwer, wenn Sie es 
| nur verlangen; 
Dd3 Ein 


422 ———— 


Ein fo geſcheider Kopf wird immer wohl em⸗ 
pfangen. | | 

Und out er anfangs aud) nicht mehr als hoͤflich 
ſeyn, 

So raͤumen Sie ihm Zeit, Sie gnug zu kennen ein. 

Vielleicht verbirgt er ſich im Reden und im 
Schweigen, 

Sein Hulderfuͤlltes Sen nicht gar zu" früh zu 
zeigen. 

„Mir fehlt es nicht an Witz, wenn id) geſchaͤftig bin, 

„Sprech id) ihn heute nicht, fo geb ich morgen hin, 

„Und übermorgen auch. Die Sache recht zu 

lenken, 

„Will ich den Diener ſelbſt mit einem Vers 
beſchenken. 

„so gebe gar zu gern. Er merkt mir fon 
den Tag, 

„Da er mich melden darf, und auch denZeigerſchlag. 

„Begegnet mir der Herr, ſo eil ich ihm zur 

| Geiten; 

„Ich will vom Rathhaus ihn bis an fein Haus 

begleiten, 

„Dit genenärtin fenn: Fraft eines Unterrichts, 

„Den iener - Weidmann gab: Jagt; ſonſten 
fangt ihr nichts. ” 


So ſprach, doch nein! fo fehrie der unerz 
ſchoͤpfte Schwäger, 

Als nun mein Liskow Fam: (der Bruder von 

dem Ketzer, 

| Den 


Den noch Germanifus vielleicht dereinft bes 
kehrt) 

Der kannte meinen Mann, und ſeinen ganzen 
Werth. 

Wir bleiben alſo ſtehn. Indem wir uns be⸗ 
fragen: 

Woher ist, und wohin? und uns die Antwort 
ſagen, 

Zupf ich ihn bey dem Arm, durch ihn mid) 
fren zu fehn; 

Dow der verſtockte Schalf lacht, und will nichte 
verfiehn. 

Ich wink ihm, recht im Zorn, weil alle Winke 

| fehlen. 

Wie? mwolten Sie mir nicht mas insgeheim 
erzählen ? 

„Ja: etwas wichtiges; allein zur andern Zeit, 

„Denn heute wird von mir der Niſan nicht: 


entweiht. 
„Das auserwaͤhlte Wolf aus Abrahams Ges 
| ſchlechte 
„Verzehrt ſein Oſterlamm und freut ſich ſeiner 
Rente,” 
Die Skrupel folder Art, mein Herr, verfchos 
gen mid). 
„Doch mir und tauſenden ſind Skrupel fuͤrch— 
terlich. 
„Verhoͤhnen Sie ſo fehr der Juden Glaubens— 
zeichen, 


| > 4 „Die, 


424 — 


„Die, dem Gewiſſen nach, ſo vielen Chriſten 
gleichen? 
— Sie mich: ich ſprech ein ander⸗ 
mal. ” 
O ſcwarier Ungluͤckstag, was bringſt du mir 
fuͤr Quaal? 
Der Unbarmbersige, der Spötter, geht, und 
fliebet, 
Odbgleich er über mir das groſſe Meſſer fiehet, 
Mit dem der Praler fit. Allein, wer zeigt 
ſich dort? 
Sein Gegner kommt, und ſchreyt: Wohin, 
Nichtswuͤrdger? Fort! 
Und ſagt im Scherz zu mir: Dürft ich Sie zeu⸗ 
gen laffen ! 
Sa! müßt auch Ihre Hand mein Ohr, auf roͤ⸗ 
miſch, ſaſſen. 
Er ſchleppt ihn vor Gericht: man laͤrmt, man 
ruft und ſchilt: 
Und alles läuft herbey, zu ſehen, mem eg gilt, 
So hat mich dem Verdruß, den ich erdulden 
müffen, | { 
Der — den Kaͤuflin kennt, Apollo ſelbſt 
entriſſen. 


v. Hagedorn. 


7 
— — —— — — — — — — 


— 


Von 


—— 425 
Von Unterweiſung der jugend, 


| Sa babe unferen gefirigen Unterredungen weis 
ter nachgedacht, mein werther Herrmann, 
Wir bemühten uns, ausfindig zu machen: 
Warum es fo ſchwer fey, eine gründliche Ges 
lehrfamfeit zu. erlangen ? Und woher es kom—⸗ 
me, daß fo wenige unter den Gelehrten den 
anſehnlichen Zitel verdienen, mit welchem. fie 
ihre Blöffe forgfältig zu bedecken wiffen. 


Die von dir angeführten Urfachen find 
wichtig genug. Die blinde Liebe der meiften 
eltern geht dahin, ihre Rinder zu anfehnli; 
hen Mitgliedern des gemeinen Wefens zu ma; 
den. Der Sohn muß fludiren, damit ev 
Doktor werden Tann. Er hat weder die Faͤ— 
higkeit, noch den Willen, etwas rechtſchaffnes 
zu lernen. Er lebt alfo fi) zur Laſt, und dem 
Daterlande, zum Schimpfe. Wäre diefer ein 
Schneider geworden; fo würde er gewiß fein 
Brod verdienen, da er ist von der Sparfans 
Feit feiner Vorfahren, oder dem Einbringen 
feiner Fran leben muß. 


Du Haft recht, mein Freund; vielleicht 
aber giebſt du mir auch Beyfall, wenn ich eine 
Urſach anführe, welche noch allgemeiner if. 


DdD5 :, Ermi 


Erwäge nur einmal, wie die Aufführung 
unfrer Jugend zu der Gelehrſamkeit beichaffen 
it, Bis in das zebente Fahr überläßt man 
ung der Auffibt der Frauenzimmer, welde 
glauben, fie haben genug gethan, wenn fie ung 
reinlich halten, wenn fie ung lefen lehren, und 
allenfalls einige Fragen aus dem Catechismus 
ins Gedaͤchtniß bringen. Nunmehr ift es Zeit, 
daß man uns der Aufficht eines Hofmeifters 
übergiebt. Ob er von guten Sitten, ob er 
fleifig, ob er gelehrt ift; darnach fragt man 
eben nicht. Aber; wie viel verlangt der Her 
für feine Mühe? Das ift unfere erfte Sorge. 
Der Wohlſeilſte bleibt allemal der Beſte. Dies 
fer führe ung eben den Weg, melden er felbft 
unter fo vielen Seufern und Thränen gegan— 
‚gen if, Ein Gelehrter muß die lateinifhe 
Sprache verftehen. Die Sache hat ihre Rich— 
tigkeit. Man wählt alfo eine Grammatik, 
welche die erſte zu ſeyn feheint. Durch eine 
unermüdete und oftmals nachdruͤckliche Unter— 
weifung faffen wir eine Menge dunfler Kunfts 
woͤrter und weitläuftiger Negeln, welde wir 
gewiß noch weniger verfiehen, als die Sprache 
ſelbſt, die wir daraus erlernen follen. Endlich 
> überwinden mir dieſe Schwierigfeit. Man 
giebt uns des Cicero Schriften nebft andern 
Bücern, zu lefen, und unfre Väter weinen 
vor Freuden, wenn fie fehen, daß ihre Kinder 

| su | \ im 





im. swanziaften Jahre — begriffen haben, 
was zu des Cicero Zeiten in Nom , ein Junge 
von fünf Jahren verfiund. Nunmehro zieht der 
Gelehrte, oder befler zu fagen, der lateinifche 
Sohn, auf hohe Schulen. Du darfft von ihm 
nicht verlangen, daß er in den alten und neuern 
Geſchichten, in der Seograpbie, Genealogie, 
Zeitrehnung, Wappenfunft, und dergleichen 
erfahren ſeyn, und einen Vorſchmack von der 
Makhematik, Weltweisheit und andern Wiffens 
fchaften erlanget haben ſollte. Dazu hat er 
nid Zeit gebabt ; er hat müffen Latein lernen. 
Es würde lächerlich fenn, wenn du ihn fragen 
wollte, ob er feutfch verfiinde 2 Db er einen 
guten Drief fchreiben koͤnnte? Er ift ia ein 
Teutſcher; er ift in Meiffen geboren ; follte er 
nicht teutſch verftehen ? Won der ariechifchen 
Sprache hat er noch zur Noth fo viel begriffen, 
als er auf der hohen Schule binnen drey Jah— 
ven zu verlernen gedenkt. Wie gefhmwind vers 
laufen diefe ! Er muß eiligft nach Haufe. Sein 
Vater verlangt es, weil ein Amt, und eine 
reihe Frau auf ihn warten. Nunmehr if uns 
fer Gelehrter fertig. 


Sage mir, mein Freund, ob nicht diefes 
die gewöhnlichfie Art fen, unfere jugend zu 
unterweifen ? Du wirft es nicht läugnen koͤn— 
nen, du mirft aber anch zugleich aeftehen müfs 
fen, daß vn die wabrbafte, Urfade fen, 
warum 





428 EEEETHTT EHEN 


warum nur fo wenige fi eine rechtſchaffne Ges 
Ichrfamfeie erwerben. Der ganze Sehler beru— 
het meines Erachtens darinnen, daß wir glaus 
ben, mer die lateinische Sprache verſtehe, der 
fey ein Gelehrter, und daß wir durd) eine weitz 
läuftige Erlernung derjelben dieienige Zeit vers 
faumen, welche wir zugleich auf nuͤtzlichere Sa⸗ 
chen wenden ſollten. 


Aber ſoll ein Gelehrter kein Latein verſte— 
hen? Dieſes iſt meine Meynung keinesweges. 
Ich behaupte vielmehr, daß er in dieſer Spra— 
che eben ſo ſtark ſeyn muͤſſe, als in ſeiner Mut— 
terſprache. Nur dag kann ich nicht begreifen, 
warum wir der Jugend die Erlernung derſel— 
ben ſo ſchwer machen? 


Der alte Richard, welcher geſtern, in unfs 
rer Geſellſchaft war, fol mir zum Beweiſe meis 
nes Gaßes dienen. Du Fennefi feinen Sohn, 
der ist durch wirkliche Verdienſte unter den Gelehrs 
ten eine anfehnliche Stelle bekleidet. Kaum hatte 
dieſer das ſechſte Jahr erreiche, als ihn fein 
 forgfältiger Water der Auſſicht eines iungen 
Menſchen anvertraute, welder ihm die nöthigs 
fin Gründe unſers Glaubens beybringen, und 
ihn zu einer wohlanſtändigen Aufführung anges 
wöhnen ſollte. Alles, was er mit dem Kna⸗ 

ben 


/ 


— 429 


ben redete, was ihn diefer franfe , das mußte, 
fo viel es möglich) feyn wollte, in lateinifcher 
Sprache geſchehen. Jede Sache, die im Hauſe, 
auf der Gaſſe, in der Kirche, oder im Garten 
vorkam, die gemeinſten Geſchaͤfte, meldye tägs 
lich vorfielen, wurden auf lateiniſch benannt. 
Dieſe Bemuͤhung gieng glücklich von ſtatten. 
Nach Verlauſ einer Zeit von vier Jahren war 
der iunge Richard ſchon vermögend , fih in 
der lateinifchen Sprache ordentlid) und Deuts 
lich auszudrücken, und regelmäfig zu reden, 
obne zu wiffen, warum er feine Worte eben fo, und 
nicht anders feßen muͤſſe. Nunmehr glaubte 
man, daß es Zeit wäre, ihm die vornehmſten 
Regeln der Grammatif zu Ichren und, weil er 
die Spradhe ſchon verftund, fo faßte er diefe in 
wenigen Monaten. Die griechifche Sprache 
war ihm, als einem künftigen Gelehrten, zu wifs 
ten unentbehrlich. Weil aber fein Vater meyns 
te , es fen eine gelehrte Eitelkeit griechifch zu 
reden, oder dergleichen Echriften und Bedichte 
zu verferfigen ; fo fchien ed genug zu ſeyn, ihn 
nach den ordentlichen Regeln fo weit zu brins 
gen, daß er alles verflünde, was ariechiich ads 
gefaßt wäre. Er erlangte auch folche Geſchick— 
lichkeit wirklich in wenig Jahren. Weil man 
dieſes nicht zu einem Hauptwerke machte; fo 
on hl Stunden genug übrig, ihm in ans 
dern 


) 





430 — 


dern Künften und Wiſſenſchaften Unterweiſung 
zu geben. Nach unfrer heutigen Einrichtung | 
iſt es eine befannte Sache, daß die franzoͤſiſche 
Sprache vielmals weit unentbehrlicher ift , als 
alle tödte Sprachen der Morgenländer. Dean 
nahm alfo einen Franzoſen an, welder ihn, 
durch Unterricht und fleifigen Umgang, zu der 
gehörigen Vollkommenheit brachte, Hatte ihm 
fein Hofmeifter [don in den erften jahren, blog 
durch Gefpräbe, wo nit eine Kenntnis von 
der Hiftorie, dennoch eine Luft dazu beyge—⸗ 
bracht; fo war es nachher um fo viel leichter, 
aud) darinnen weiter zu geben. Die älteren 
Geſchichte wurden nicht vergeſſen; die neuern 
aber , und befonders die Geſchichte feines Das 
terlandes ,„ blieben allemal der Hauptzweck. 
Die gröffern Schriften der lateiniſchen Medner 
und Poeten wurden zugleich forgfäjtig durchgegan⸗ 
gen, nicht fomol die Redensarten daraus zu erlerz 
nen , als vielmehr ihren ganzen Bau, und die 
Buͤndigkeit des Vortrags einzuſehen. Hiers 
durch lernte unſer Richard die Zaͤrtlichkeit einer 
Ode, die Staͤrke eines Heldengedichts, und 
dieienigen Urſachen kennen, welche den Cicero 
zu einem Redner gemacht haben. Was konnte 
ihm auf eine ſolche Art wol leichter fallen, 
als auch in ſeiner Mutterſprache die Geſchick— 
lichkeit zu erlangen, Die einem Gelehrten fos 
. wohl anfiändig it? Dan brachte ihm einen 
Bearff 


* 


) i y / 


3 anna 431 


Begriff von der Weltweisheit bey; ſo weit er 
naͤmlich bey ſeinem damaligen Alter vermoͤgend 
war; und man brauchte zugleich die Vorſicht, 
die Kräfte feines Werftandes und Nachdenkens 
dur) die mathematifhen Wifenfchaften zu 
fchärfen und in Ordnung zu bringen. Zu feis 
ner Gemüthsergögung ward ihm ein Tanzmei— 
fter und ein Zeichenmeifter nebſt andern Künfts 
lern gehalten, und Richard iſt dennoch ein 
Gelehrter, ob er gleich wider die bisherige 
Gewohnheit gelernt bat, mie man lelers 
lich und zierlich fehreiben muͤſſe. Wenn ich 
davon noch nichts gefagt babe, wie forafältig 
man ihu von Zeit zu Zeit in feinem Chrifiens 
thume unferwiefen ; fo darf man. darum nicht 
denken, als ob Diefes verabfäumt worden 
wäre. Du kennſt feinen vernünftigen Vater, 
das ift fchon genug. Auf folche Weife ward der 
Grund zu derienigen Öelehrfamfeit gelegt, mwels 
che Richard nunmehr befist. Nur diefes muß 
ich noch erinnern, daß man ihn erſt im neuns 
sehnten Jahre auf die hohe Schule that, uns 
geachtet er die Kräfte vieleicht eher gehabt 
hätte, den Degen zu fragen. 


Das Beyſpiel diefes gelehrten Mannes 
überbebt mich aller Mühe, einige Regeln von 
der Unterweifung unfrer Jugend in den erften 
Fahren zu geben. Vielleicht zweifelfi du aber, 
ob diefe Art, die Jugend zu unterweifen, auch 

allge⸗ 


⸗ 


432 — \ 


allgemein » und ey andern ebenfalls mit Nutzen 
anzumenden fey ? Ich getraue mir, folches zu 
bepaupten. 


Iſt es wol ſchwerer, die Iafeinifche rs 
de zu erlernen , als die franzoͤſiſche, oder die 
teutibe ? Das Fannft du nicht fagen. Wie alt 
bift du geweſen, als du teutſch reden Fonntefl, 
und entfinnfl du dich wol, daß da fon im 
achten Jahre mit deiner Franzoͤſinn zu plaudern 
vermögend warf? Der Umgang , eine fleifige 
Uebung, und der Mangel einer verwirrten Mes 
thode und ecfelhafter Neneln , brachten dich fo 
zeitlich zu dieſer Geſchicklichkeit. ben das vers 
lauge ich ben der lateiniſchen Sprache. Wo 
findet man aber dieienigen , welche gefchickt find, 
die Jugend auf folche Art zu unterweifen ? Wie 
viele giebt es nicht, die zwar wiſſen, wie fie 
auf ven Gatheder, aber nicht, wie fie in der 
Kirche lateinisch reden follen. Mir beide has 
ben ſtudirt: wir laffen ung beide Gelehrte nens 
ven, und dennoch follfe es ung ſchwer fallen, 
die gemeinften Handlungen der Menſchen auss 
sudrücen. Ich gebe diefes zu, mein werther 
Herrmann , ic) glaube aber, daß dein Einwurf 
die Wahrheit meiner Meynung nicht wieder; 
legt ‚-fondern nur noch mehr bekraͤftigt. Waͤ— 
ten wir, wären andre in ihrer Jugend beffer 
angeführt worden ; fo würde es uns und ans 


dern an der Geſchicklichkeit nicht iehlen , welche 
man 


m... urn same 433 


man allerdings bey wenigen antrifft. Lnferdefz 
fen will ich dir doch verfchiedne auſweiſen, wel⸗ 
che diefe Geſchiklichkeit wirklich befigen, noch 
mehrere aber, welche gar wohl fähig waͤren, 
jolhe zu erlangen, wenn man nur ihre Demüs 
bung durch billige DVergeltungen aufmunterte. 
Die Schuld fällt allemal auf die Aeltern zus 
ruͤck, welche die Art, ihre Rinder zu unterweis 
fen, entweder felbft nicht verfichen, oder aus 
Geiz die nöthigen Koften ſcheuen. Du Fennft 
ienen Vater, welcher mehr auf feine Pferde wens 
det, als auf feinen Sohn, Er ſcheuet Feine 
Koften, feinen Budel recht abrichten zu laffen ; 
wenn er aber dem Lehrmeifter feines Soh—⸗ 
nes ein Duartal besahlen fol, fo geſchieht 
es niemals ohne innerlicen Widerwillen, Des 
daͤchten wir mur, daß das Glück unſrer 
Kinder, daß unfre eigne Ehre auf eine vers 
nünftige Unterweifung derfelben ankaͤme; fo 
würden mir hierinnen eher. verſchwenderiſch, 
als Farg ſeyn, und ich weiß gewiß, es würs 
den fi) viele finden, melde vermögend wis 
ven, alles dasienige zu leiften, was ich von 
einem Lehrmeifter gejordert babe, Bedächten 
E e mir 


a4. — — 


wir aber auch, daß ſich von unſern Kindern 
nur dieienigen den Studien widmen ſollten, 
denen die Natur die Faͤhigkeiten dazu vers 
liehen hat; ſo wuͤrden wir ſehen, daß es 
ſehr leicht ſey, die Jugend nach derienigen 
Art zu unterweiſen, welche mir die vernuͤnf⸗ 
tigfte zu ſeyn geſchienen hat, | 


Aabener. 


VI. Li > 





\ 
ji 
—— 
8 
ar 
v « 
" x 
*8 
* 
\ 
\ 
n 
; Ü 
# 
— 
8 
— * 











\Y 
N \ 
J 
. 
- 
+ 
Nr * 
ER VL \ a £ N \ EL > 
Km * vr NN , 132 ß 5 3 
RAin, ar \ “ ’ 
aa Y N - e 
"er L R \ > 
‘ 
e 
4 ' 
« 
— 
} f 
. 
— * 
* Mr 
N 
x ö * 
* 
7 = 
— w 
y ö j ] 
* « s x 
S 
x F 
\ 55 
x , 
— 4*X 
Ai 2 
—* 
‘ 5 u} 
ns % 
\ Pf) u — 
— A x 
R a 
F —2 
& r 
N, * er P 
E (= + * 
Y 
f — 7— 
— 
= 
\ 14 < - 
3 * 
J 
a) SR 
J 
J ” u 2 * 
— 
N * f 
> Fr - 
- . 


—6 
—* 
—*2 





—ü—— 437 


— A 





An die Freude. 


Fra, Göttin edler Herzen! 
Höre mid). 

Laß die Lieder, die hier fehallen, 

Did) vergröffern,, dir gefallen : 

Was hier tünet, tönt durch dich. 


Muntre Schwefter, füffer Liebe ? 

| Himmelsfind ! 

‚Kraft der Seelen! Halbes Leben ! 
Ach! Was kann das Gluͤck uns geben, 
Wenn man dich nicht auch geroinnt ? 


Stumme Huͤter todter Schaͤtze 
Sind nur reich. 

Dem, der keinen Schatz bewachet, 
Sinnreich ſcherzt und ſingt und lachet, 
Iſt kein karger Koͤnig gleich. 


Gieb den Keunern, die dich ehren, 
| Neuen Muth, 

Neuen Scherz den regen Zungen, 
Neue Fertigkeit den Jungen , 

Und den Alten neues Blut, 


Ee3 | Du 


238 


Du erheiterfi, bolde Sreude! 

Die Vernunft. | 
Stich, auf ewig, die Sefichter $ 
Aller finftern Splitterrichter 
Und die ganze Heuchlerzunft. 


v. Hagedorn. 








Der Morgen. 


Urs lockt die Morgenröthe 
In Buſch und Wald, 

Wo [don der Hirten $löte 
Ins Land erfihalit. 

Die Lerche fleigt und ſchwirret, 
Don Luft erregt, 

Die Taube lacht und girref, 
Die Wachtel ſchlaͤgt. 


Die Hügel und die Weide 
Stehn aufgebellt; 
Und Fruchtbarkeit und Freude 
Peblümt das Selb. | 
Der Schmelz der grünen Flächen 
Glaͤnzt voller Pracht; 
ind von den Flaren Baͤchen 
Entweicht die Nacht. 


Der Huͤgel weiſſe Buͤrde, 
Der Schafe Zucht, 


X 


Draͤngt 


BER 439 
Drängt fi) aus Stall und Hürde _ 
Mit frober Flucht. 
Seht, wie der Mann der Heerde 
Den Morgen fühlt, 
Und auf der frifchen Erde 
Den Buhler fpielt. 


Der Jaͤger macht ſchon rege 
Und hezt das Reh 
Durch blutbetrieſte Wege, 
Durch Buſch und Klee. 
Sein Hifthorn giebt das Zeichen, 
Dan eilt herbey! 
Gleich fhallt aus allen Straͤuchen 
Das Jagdgeſchrey. 


Doch Phyllis Herz erbebet 
Bey diefer Luſt; 
Nur Zärtlichkeit belebet 
Die fanfte Bruſt. 
Laß uns die Thäler fuchen, 
Geliebtes Kind, 
Wo wir von Berg und Buchen 
Umfchlofen find ! | 


Erfenne did) im Bilde 
Von iener Flur! 
Cry ſtets, wie dieß Gefilde, 
Schoͤn durch Natur; 
Era . Eu 


N 


449 nr 





Ermünfchter als der Morgen, 
Hold wie fein Stral; 
So frey von Stoß; und Sorgen 
Wie diefes Thal! 
| — 


———— — — 


An die Leyer. 
oͤne, frohe Leyer, —* 
Toͤne Luſt und Wein ! 


Töne, fanfte Leyer, 
Töne» Liebe drein ! 


Wilde Krieger fingen, 
Haß und Rad) und Blut; 
In die Laute ſingen, 

Iſt nicht Luft, iſt Wuth. 


Zwar der Heldenſaͤnger 
Sammelt Lorbeern ein; 
Ihn verehrt man laͤnger; 
Lebt er laͤnger? Nein. 


Er vergraͤbt im Leben 
Sich im Tiefſinn ein: 
Um erſt dann zu leben, 
Wann er Staub wird ſeyn. 


Lobt 


. 


Lobt die Frölichkeik. 


aan nn nun 441 


Lobt ſein goͤttlich Feuer, 
Zeit und Aſterzeit! 
Und an meiner Leyer 
Leſſing. 








An die Laute. 


Du ſingſt, o Nachtigall! allein 


Bey ſchauervoller Nacht: 
Dein Lied ertoͤnt im dunkeln Hain, 
Wo nur die Schwermuth wacht. 


Dein Lied erfriſcht des Wandrers Herz, 
Der tief im Wald verirrt, 
Mon mancher Furcht, von manchem Schmerz 
Beſtuͤrmt und troſtlos wird. 


Er hoͤrt den klaͤglich ſuͤſſen Ton, 
Mit Ehrfurchtvoller Luft: 
Die Hoffnung, die ſchon faſt entflohn, 
Erwacht in ſeiner Bruſt. 


Nun geht er durch die dunkle 
Mit ſichern Schritten hin: 
Sein Schutzgeiſt gehet ſtill voran; 
Der Naͤchte Schrecken fliehn. 


Ees5 Wenn 


Wenn auf ded Lebens dunfelm Pfad 
Die Seele troftlos irrt, J 
Und ohne Schutz und ohne Rath 
Der Schwermuth Beute wird. 


O ſanſte Laute! toͤne du, 

Bey ſtiller Mitternabt, 

Mir Hoffnung, Troſt und Ruhe zu, 
Die Hirten gluͤcklich macht! 


Entfernt von praͤchtger Thoren Ben 
Eehrf du mich ruhig feyn. | 
Mein Leben fey , fo wie dein Ton, 
Still, anmuthsvoll und rein. 


Der prächtige Trompeten Klang 
Iſt ſchoͤn, doch fuͤrchterlich: 

Ganz leiſe toͤnet dein Geſang, 

Und reizend nur fuͤr mich. 


So ſey mein Leben ſtill begluͤckt, 

Sanft, aber unbekannt, 
Mit ſtillen Tugenden geſchmuͤckt, 
Im ſichern Mittelſtand. 


Ein ſchimmernd Gluͤck hear ih nie: | 
O wär die Weißheit mein! ® 
Erhabne Vorſicht, gieb mir fie, 
Sa werd id glüdlig ſeyn! 


. Da 


— 443 


Der Lorbeer bleibt befländig grün, 
Den ung die Mufe reiht, 

Wenn aud) die Zeiten ſchnell entfliehn, 
Der Tugend Scherz entweicht. 


Mein Alter ſey nicht Freuden leer, 

Nicht ohne Scherz und Lied! 
Der Ted ift nur dem Thoren fchwer, 
- Dem fterbend alles flieht. 
a v. Cronegk. 








An die Schönen. 
Nach der zweyten Ode des Anakreons. 


Wer ſahe die Natur erſchaffen? 
Wer durfte weigern, was ſie gab? 
Wer trotzte Waffen oder Weisheit, 
Ihr, oder ihrem Schoͤpſer ab? 


Sie gab dem Stiere ſeine Hoͤrner, 
Dem wilden Eber ſeinen Zahn, 
Dem Loͤwen ſeinen weiten Rachen, 
Und ſeinen krummen Sporn dem Hahn. 


Verſtand und Witz gab ſie dem Manne, 
Damit erfand er Lanz und Schild; 

Was nahm das Weib aus ihren Haͤnden? 
Das Weib, des Mannes Ebenbild? 


Die 


m | ass... | 
Die Schönheit nahm es. Eine Schöne, _ 
Führe ihren Krieg mie dem Geſicht! 
Ihr mwiderfiehen Schild und Lanze 
Verſtand und Stahl und Zeuer nicht! 

| Glem. 








Der Greis. 


Hin ift alle meine Kraft ! 
Alt und ſchwach bin ich, 
Wenig nur erquicket mich 
Scherz und Rebenſaſt! 


Hin ift alle meine Zier! 
Meiner Wangen Noth 
Iſt hinweggeflohn. Der Tod _ 
Klopft an meine Thür! 


Unerſchreckt mad) ich ihm auf; 
Himmel, habe Dank! | 
Ein harmonifcher Gefang 
Mar mein Lebenslauf ! 
f 


Br 
f 








Fruͤhlingsgeſang des Alters, 


c» 
Sch will den Frühling noch genieflen, 
Der wieder auf der Erde blüht, | 
Re Denn 


i \ 


EEE 445 


Denn bald wird fi) nunmehr dieß Auge ganz 
verfchlieflen,, 


Das iezt ſchon Dunkel überzieht. 


Ihr Blumen, theilt mir Abgelebten 

Noch einmal euren Balſam mit, 

Mid) drücken Jahre, die bey mir vorüber \ 
| ſchwebten, 

Wie ſchwach und wankend iſt mein Tritt. 


Sch zittre faft, wie eure Stengel; 
Henn fie der innge Weſt berührt. 
Sch fiele, würd’ ich nicht von meinem guten 
Engel 
Unfi ichtbar bey der Hand geführt. 


Singt nod) einmal vor meinem Ohre, 
Ahr Lerden, und du Nachtigall ! 
Singt und erinnert mid) in eurem ſuͤſſen Chore 
An meiner Jugend Freudenſchall. 


Doch, wenn ihr mir Daran gedenket, 


- Dann fällt mir manche Thorheit ein, 


Die meine Schritte von der Tugend abgelenfet, 
Und manchen Fehl muß ic) bereun. 


Ich müßte frauern, wenn die Liebe 
Des Gottes, der ung fehlen fieht, 
Nicht meine Miſſethat dem Nebel gleich vers 
. triebe, 
Der vor dem Sonnenblick entflieht. 


Ich 


— 





Ich will mich freuen, will ihn Toben, 
Ihn, der mir fo viel Gutes gönnt, 
Und mir dad Befte noch im Himmel aufgehoben, 
In Welten, die Fein Weifer N 


Dorthin wird dieſer Geiſt —— 
Der in mir denket, hofft, und ſchwebt, 
Und dort erfennt er did), durch den die Blumen 
blüben , 
Durch den der Fiſch im Waſſer lebt. 


Dich Gott, der uͤber alle Suͤnder 
Das Urtheil ausgeſprochen: ſterbt! 
Und kuͤnftig ſprechen wird: kommt wieder, 
Menſchenkinder! 
Seyd nicht mehr elend, nicht verderbt. 


Nicht mehr voll Schwachheit und voll 
Maͤngel, 
Nein, ſeyd vollkommen und genießt 
Die Freude meines Reichs, und ſingt ſie mit 
dem Engel, 
Der euch als ſeine Bruͤder gruͤßt. 
Karſchin. 








Der May. 


Der Nachtigall reizende Lieder 
Ertoͤnen und locken ſchon wieder 
Die 


447 


Die froͤlichſten Stunden ins Jahr. 
Nun ſinget die ſteigende Lerche, 

Nun klappern die reiſenden Stoͤrche, 
Nun ſchwatzet der gaukelnde Staar. 


Wie munter find Schäfer und Heerde! 
Wie lieblich bebluͤmt ſich die Erde! 
Wie lebhaft iſt itzo die Welt! 
Die Tauben verdoppeln die Kuͤſſe, 
Der Entrich beſuchet die Fluͤſſe, 
Der luſtige Sperling ſein Feld. 


Wie gleichet doch Zephyr den Floren! 
Sie haben ſich weislich erkohren, 
Sie waͤhlen den Wechſel zur Pflicht. 
Er flattert um Sproſſen und Garben; 
Sie liebet unzaͤhlige Farben; 
Und Eiſerſucht trennet ſie nicht. 


Nun heben ſich Binſen und Keime, 
Nun kleiden die Blaͤtter die Baͤume, 
Nun ſchwindet des Winters Geſtalt; 
Nun rauſchen lebendige Quellen 
Und tränfen mit fpielenden Wellen 
Die Triften , den Anger ,. den Wald. 


Wie buhleriſch, wie fo gelinde 
Erwärmen die weltlichen Winde 
Das Ufer, den Hügel, die Gruft! | 

—* | Die 





Die ingendlich feherzende Liebe, 
Empfindet Die Neizung der Triebe, 
Empfindet die fchmeichelnde Luft. 


Nun ſtellt fid die Dorfſchaſt in Reihen, 
Nun rufen euch eure Schallmeyen, 
Ihr fampfenden Tänzer! hervor. 
Ihr fpringet auf grünender Wieſe, 
Der Pauerfnecht hebet die Liefe, 
In hurkiger Wendung empor, 


Nicht frölicher, weidlicher , Fühner 
Schwang vormals der braune Sabiner 
Mit männlicher Sreiheit den Hut, 

O reizet die Städte zum Neide, 

Ihr Dörfer voll hüpfender Freude! 
Was — dem Landvolk an Muth? 
v. Hagedorn. 











Die Roſe. 


Wie ſtolz von ihrem Thron 

Die Purpurroſe winkt! 

Wie ſchoͤn auf ihr in tauſend —— 
Aurorens Morgenzaͤhre blinkt! 

Wie ſroh ſie den Erquickungsſtral 

Der iungen Sonne trinkt! 


In Engelſchoͤne ſteht ſie da, 
Die Blumenkoͤniginn 


Das 


| | 449 


— — — 





Das Lied der jrommen Hirten, 
Neid der Schaͤſerinn. 


Aber dieſe Sonne, die ſie erquickt, 
Die ſie mit iedem Reiz des Lenzens geſchmuͤckt, 
Hat nun des Mittags Hoͤh aot; 
Und gießt voll Wuth 
Sihre verfengende Gluth 
Auf die arme Roſe nieder, 
Ihre Bitter welken wieder, 
Sie ſinkt und erbleicht. 


Wie vom Morgenſtral erquickt 
Du, o Roſe, gelacht; 
So freudig, ſo begluͤckt 
Hat Lieb' einſt meine Jugend gemacht. 
Aber, wie der falſchen 
Sonnengluth dich verzehrt, 
So hat auch falſche Liebe 
Die Bluͤthe meiner Jugend zerſtoͤrt; 


Vor der Grauſamen, vor ihr 
Welkten die Mayroſen; 
Welkten die Freuden allein — 
Nur die Bluͤtheloſen 
Dornenfängel ließ fie mir. 
— F. Schmit. 





— 


* Auf⸗ 


450 — 





Aufmunterung zur Freude. 


Wer wollte ſich mit Grillen plagen, 
So lang uns Lenz und Jugend bluͤhn? 
Mer wollt in feinen Bluͤthentagen 
Die Stirn’ in duͤſtre Kalten ziehn? 
Die Freude winft auf allen Wegen, 
Die durch dieß Pilgerleben gehn; 
Sie bringt ung felbit den Kranz enfgegen, 
Wenn wir am Scheidewege ſtehn. 


Noch rinnt und rauſcht die Wieſenquelle, 
Noch iſt die Laube Fühl und grün. | 
Noch fheint der Liebe Mond fo helle, 
Wie er durd) Adams Bäume ſchien. 

Noch macht der Saft der Purpurtraube 
Des Menſchen Eranfes Herz gefund; 
Noch ſchmecket in der Abendlaube 

Der Ruß auf eines Sreundes Mund. 


Noch koͤnt der Buſch voll Nachtigallen 

Dem Juͤngling hohe Wonne zu, 
Noch ſtroͤmt, wenn ihre Lieder ſchallen, 
Selbſt in zerriſſne Seelen Ruh. | 
O munderfchön ift Gottes Erde, 
Und werth, darauf vergnuͤgt zu ſeyn; 
Drum will ich, bis ich Aſche werde, 
Mich dieſer ſchoͤnen Erde freun. 

Hoͤlty. 








Zufrie⸗ 





Zufriedenheit, 


-ntflieht ihr ſchwarzen Sorgen, 
Komme nicht in meine Bruſt! 
Noch ſchenkt mir ieder Morgen 
Zufriedenheit und Luft. 

Noch lacht mein Lenz, nod) glüpee 
Mein iugendliches Blur, 

Flieht, ſchwarze Sorgen flichet, 
Und laßt mir frohen Muth! 


Der raͤuberiſche Kummer, 

Er raubt ung Wonn' und Scherz, 
Koͤmmt, raubt uns allen Schlummer, 
Und hinterlaͤßt uns Schmerz. 

Sch ſeh's an vielen Thoren, 

Wie blak ift ihr Geſicht! 

Der Zweck, ben ich erfehren, 

Die Freude Fennt fie nicht. 


Kein Wunſch fol mid) bethören, 
Der mich zum Sflaven macht; 
Zum Sflaven ſtolzer Ehren, 

Zum Sklaven ſtolzer Pracht. 
Statt herrlicher Palläfte, 
Ergoͤzt mich Freundſchaft nur, 
Das Lifpeln iunger Wefte 
Auf vafenvoller Flur. 


Mich reist, ſtatt groffer Güter, 
Ein munterer Gefang : 
| | SI2 u. vi Bi. 


\ 


Und Eintracht der Gemüther,. 
Geſellſchaft ſonder Zwang. 

Ep fließt entferne vom Neide 
dein Leben ſtill dahin: 
Sagt, Kenner wahrer Freude, 
Ob ich nicht gluͤcklich bin? 








> 


ie glüclid) lebt der muntre Schwarm 
Der Voͤgel in den Buͤſchen! 
Nie wird ſich Scheelſucht oder Harm 
In ihr Vergnuͤgen miſchen. 


Die Lerche ſchwingt ſich Lebens lang 


Weit uͤber Erd' und Grillen, 
Mit Dankbarkeit und ie 8 
Die Himmel zu erfüllen. ER 


Ihr ſchielet nie die Aelfter nah, 
Sie gönnt ihr ihre Flügel, Wr 
Und huͤpſet Iuflig «um den Ba, 
Und luftig auf den Hügel. 


Des Pfauen Kleider laffen ſchoͤn 
Vor unfern Stoffen allen: 
Allein die Kraͤhe Fann fie fehn, 
Don Ohnmacht unbefallen. 


Wann denkt der wilde Spaß daran, | 


Daß ihn Beratung druͤcket? 


Die guten Beyſpiele. 


Er 


— 453 
Er liebt und ſingt, ſo viel ev Fann, 
Und ſchmanſet, was ihm gluͤcket. 


She lieben Thierchen, lebet wohl! 
Habt Dank für gute Kehren! 
Kein Neid, Fein Meißvergnügen foll 
Mein eignes Gluͤck mir ſtoͤren. 
BIT ER 


— — nn m nnd 


J 





Sommerlied. 
Lenge Sommertage, 
Seyd willkommen mir! 
Trotz der Traͤgheit Klage, 
Freudenvoll ſeyd ihr. 


Nein! dem muntern Fleiſe 
Seyd ihr nie zu lang, 
Unter meinem Schweife 
Töne mein Geſang. 


- Mein Geſang in Wäldern 
Früh und Abends fpät, 
In den reifen Feldern, 
Eh' die Sonn’ aufgeht. 
Schöpfer, mein Gemäthe - 
Fuͤhle, wie es ſoll! 
Deiner Vatergüte, 
Godt, iſt alles voll. | 

F Sf 3 | Wieſen, 


454 — 


MWiefen, Bäume, Neben 
Stehn in voller Pracht, 
Doll vom neuen Leben, 
Alles, alles lacht. 


Uns und Dir enfgegen 
Lacht und iauchzt das Feld, 
-Cammelt, fammelt Seenen, 
Nreift den Herrn der Welt, 





Schnitterlied 
Die du dich mit Aehren kraͤnzeſt, 
Blonde Ceres, babe Dank! 
Ceres, für der Ernte Geegen 
Danft der Schnitter Erntelied. 
Wir, und die, die Garben binden, 
Rufen ale: Habe Dank 


Lehnt euch nicht, ir muntern Schnitter, i% 
Lehnt euch auf die Senfe nie! | 
Denn die Erntefeffel drohet, 
‘Und der Erntefönig ſpricht: 
Den, der auf der Senfe ruhet, 
Feßle ſtracks die Schnitterinn. - 


Weichet nicht, ihr kuͤhlen Winde, 
Weichet von dem Felde niht! 
Slattert fanft um feine Schläfe, 
Wann der Schnitter Aehren faͤllt; 

| Ä Flat 





455 


Flattert fanft um ihre Wangen, 
Wann die Dirne Garben fest. 


Glrille, die du um uns büpfeft, 
Singe dein heil ſchwirrend Lied! | 
Und du, groffer Krug der Ernte, 
Wohl gedeih dein Firnemoft! 

Sey nie leer, du Krug der Ernte, 
Wann der Schnitter zu dir kehrt. 


Endlich firalt der Mond vom Hügel, 
Ueberſieht das narfte Feld, | 
Und von allen Garben fteiget 
Suͤſſer Duft zum Himmel auf. 

Und wir, ziehn mit Lobgefange 
Durd) das floppelnvolle Feld. 


Die du dich mit Achren Frängefi, 
Dlonde Ceres, habe Danfı - 
Dpferraud der Erftlingsgarbe: 
Steigt zu deinem Wolfenthron. 
Garbenbinderinn und Schnitter 
Rufen alle: Habe Dank! 

| y> v. Serftenberg. 








— 


h Moſette an die Bienen. 


Dragt nur in die Zellen ein, 
Kleine Honigfammlerinnen, 
Sucht bey warmen Sonnenfcdein. 
Neue Schäge zu gewinnen. 
ia Muͤſ— 





Miüfiggänger haſſet ihr, 

Fleiß und Arbeit find euch Freude: 
Nehmet euch das befte bir 
Auf der blumenvolien Weide, 


Wann der flockenreihe Nord 
Ueber die Gebürge flreihet, 
Und der Flora Kinder fort 
Bon den dden Auen ſcheuchet, 
Daun ſizt ihr, in Sicherheit ; 
Bol find eure Dorratbsfammern, 
And euch zwingt die Dürftigfeit 
Nicht, vor Andrer Thür zu iammern. 


Doch ihr ſorgt nicht nur für euch, 
Ihr von bimmlifchem Gemuͤthe 
Seyd auch für ung Menfhen reſch, 
Dankbegierig und voll Güte. 
Ihr verzinkt das Fleine Haus ° 
Reichlich dem, der es erbauet; 
Und der leiht mit Wucher aus, 
Wer end) in der Theurung traue. 


Euer ämfiges Geſchlecht 
Muͤſſe iährlich fi vermehren, 
Und das weiſe Bürgerredt 
Keine Raͤuberbien' entehren. 
Neue Bluͤmchen pflanz' id bier; 
Jedes will ich forgfam ſchonen: 


Und. 


armer mernnune 457 


Und ihr werdet mir dafuͤr 
Bald mit ſuſſer Speiſe lohnen. 
Weiſſe. 











Der Herbſt. 


Der Sommer flieht. Wie ſchmucklos, freudenleer, 
Sind nun die Gaͤrten, Wieſen, Felder! 

Der Hain wie rauh, wie ſchauervoll iſt er, 
Wie fällt das Laub der dunklen Wälder! 


Nicht mehr feh ich die Roſ' im Silberbarh 
Den kaum entbüllten Purpur frieneln: | 
Kein Luſtgeſang Fein Elagendliebend Ach 
Schalt von dem fernen Kranz von Hügeln. 


Wie öde liegt das füffe Veilchenthal! 
Es welkt, fireut nicht mehr fanjte Düfte 
Amber: Entblättrung berrfchet überall, 
-Das Blümdyen ftirbt vom Hauche Falter Lüfte, 


Es toͤnet nicht der füffe Haingefang, 
Der Nachtigallen Zauberlieder; 
Kein Echo ruſt der Silberſaitenklang 
In einſamen Gebuͤſchen wieder. 


Ich ſeh nicht mehr im hellen Mondenſtral 
Von Thau benetzte Bluͤthen blinken: 

Nicht mehr vom Fühlen Waſſerſall 

Die matte Wollenheerde trinken. | 

wue Sig, Sefuns 


458 — 
Geſunknes Raub rauſcht unfer meinem Fuß, | 
Die NHeerde irrt anf welkem Grafe : 
Wild nieht vom Hau des Nordwinds iener 
| Fluß, 
Kein Bienen irret mehr im Graſe. 


Es kommt die Ruh des Winters ſchon daher; 
Bald ſteht der Fruchthaum ohne Leben, 
Der ung durch Schatten oft begluͤcket, 
Der ung mild feine Frucht gegeben. 


Soo ſtirbt auch der, der fi ch des Wohlthuns 

| freuf,, M 
Der lebend füffe Frucht getragen: 
Und Schatten auf Notbleidende geflreut 
Und fi) erbarmt der Waifen Klagen, 


ur 





Jagdlied. 


ur ‚auf in den Wald! 

Das Jagdhorn erſchallt. —— 
Der Weidmann, nie muͤde, 
Haßt Schlummer und Friede; 

Er iauchzet, wenn ſchallt: 

Auf, auf in den Wald! 


Ihr Jäger, herben ! 
- Die Förfte_ find frey ! 
Und Haiden und Wälder, 
Und Reiche und Felder 
Belebt 


u 459 


Belebt und erfüllt 


Geflügel und Wild. 


‚Sir Menſchen ſchuſs da 
Der Guͤtige ia, 


Laßt ieglichen Rücken 


Ein Feuerrohr drücken ! 
Auf fröliher Bahn 


Stimmt Jagdgefang an! 


Der Morgen wird grau; 
Wie Sternchen, blinkt Thau. 
Schon ziehet mit Stolze 
Der Faiſthirſch zum Holze; 
Schon trillert das Chor 
Der Lerchen empor. 


Wie roͤthet dort Gold 


Die Wipfel ſo hold! 


| Auf, auf in den Wald ! 


Des Tannenhains Lächeln, 
Den Zephyre fäheln, 
Entbieret uns ‚heut 
Willkommen zum Streit. 


Auf, auf in den Wald! 


Ha! fürdtet nun bald 


In Thälern, auf Hügeln, 
Mit Läuften und Flügeln, 
Des Donners Gewalt. 


Krauſeneck. 








An 





Mb nn EEE 
An die Veilchen. 


eliebte Kinderchen! die hier zu meinen Fuͤſſen 


Aus feuchtem ſchwarzen Grund, von Thau ers { 


zeugt, entiprießen ; 


Ihr Veilchen, groß von Geiſt, wiewol von 


Koͤrper klein, 
An Glan; und Farben reich, doc) ſittſam und 
Ä gemein, Ü 
hr ſollt mir heut ein Bild belohnter Tugend 
ſeyn! 


Ihr wohnt in einſamen und ſchattenreichen 


Gruͤnden, 
Sucht weniger, die Welt, als euch die Welt, 
zu finden; 

Ihr ſchmuͤckt, wie Tulpen, nie ein praͤchtig 

Freudenfeſt, 


Und ſelten kuͤßt euch nur ein ſchmeichleriſcher 


Weſt. 
Bisweilen laͤßt ſich zwar mit gaufelndem Gefieder 
Der bunte Schmetterling verbuhlet bey euch 
nieder, | 
Doch winft die Nofe nur, fo eilet er von euch, 


‚Sagt ewig lebe wohl, und flattert ing Geſtraͤuch. 


Kein Menſch, um euch zu ſehn, irrt zwiſchen 
dieſer Buchen, | 
Wohl taufend loben euch, nicht einer mag euch 
—— ſuchen. 
Ihr habt ein gleiches Gluͤck mit Tugend und 
Natur, 


Die 


V 


— 
2 


— — 462 


Die: ruͤhmt der Philoſoph, die malt der Maler 
nur. 

Doch Diefer, fo wie ‚der, ‚verlieren ‚ihre Spur, 

Bent fie von beyder Bahn forgfältig ausge⸗ 
ſchritten, 

Der in der Schilderey, und der in ſeinen Sitten. 

Seyd drum nicht misvergnuͤgt, weil euch der 

Nordwind drůckt, 

und euer zartes Haupt ſo tief zu Boden draͤckt. 

Muͤßt ihr gleich unterm Schnee in kalten Thaͤ⸗ 
lern wohnen, 

Det Himmel findet euch, und weiß euch zu 
belohnen. 

Es feige nach eurem Tod ein Honigſuͤſſer Duft. 

Aus eurem Elan —5 — und fuͤllt die weite 


nbo Luft. 
Hierinnen hat Bi Sa Unſterblichkeit 
geben, 
Nicht ohne Nachruhm noch, wenn ihr verwelkt, 
zu leben. 
Und weil iedwedes Ding, nach ſeinen feſten 
Schluß, 


Am Ende ſeines Ziels, dem Schickſal folgen muß, 

So ſoll euch doch im Tod ein Glanz von Ehre 
Erönen, 

Und nichts Unwürdiges im Sterben nord ver⸗ 

hoͤhnen; 

Euch ſoll vergoͤnnet ſehn, was ieder Dichter preiſt, 

Wornach der Weiſe ſtrebt, wornach der For 
ſich veißt, | 

Mas 


Was ich und ieder Held mit Blut ſucht wu 


erwerben — 


Auf, BUNT Silienbruft nicht unbeneid’t ee 


ſterben. a 


— 


F 
—J— 4 J 


Bey Herammaherum, des Winters. 


DO, Sommer flieht, 
Und mit ihm zieht 
Ein Chor von Freuden. 
Wie blumenler 
‚is um mic) ber! . 


Die (hmudlos Thal und Bee, un du 


2%. OR Wettgeſang, 
Kein Saitenklang | 

Toͤnt durch die Wälder, 
Ein rauher Wind, 

Des Winters Kind 

Weht über nackte Selder. 


Der füfe Schall 
Der Nachtigall 
Iſt ſchon erſtorben. 
Der Roſenſtrauch 
Iſt durch den Hauch 


Des kalten Nords verdorben. 





Die 


Die Frend ik todt. 
Kein Abendroth | 
Malt mehr Vergnügen. 
Nichts ift mehr ſchoͤn: —* 
Kein Bihe —* * 
Laͤßt ſich auf Zweigen wiegen. 


Durchſchlummre nuu 
Beraubte Flur KEIN kon der 
Des Winters Länge, 

Wenn du erwacht . 

In Fruͤhlings⸗Pracht, 

Durchirren dich Geſaͤnge. 


Und loben den | 
Der wieder ſchoͤn vos: 
Mit Reiz dic) ſchmuͤcket, ir 
Den Herrn der Sun 
Und der Natur, ER 
Der Menſchen gern — 








Der frohe ner, 


'o gluͤcklich, ſo vergnuͤgt als ich 
Sind wahrlich nicht auf Erden 
Die Reiben : ad! ich graͤmte mic), 
Sollte’ id ein Reicher werden, 


Gold ſchaͤtzen reiche Thoren nur, 
Wer wird fie drum beneiden? 
I 





464 — 


Ich ſchaͤtze meine ſchoͤne Flur: - 
Die, die gewährt mir Freuden. 


So oft id früh, von iener Höh 
Deirept von allen Sorgen, 
Des Himmels Seegen überfeh “ 
An einem ſchoͤnen Morgen, . 


Im Hain ben milden ' Sonnenblick 
Die Voͤgel hoͤre ſingen: 3 
Und unten nun im Thal erblick, 
Wie meine Schaͤſchen ſpringen. 


Wie in der erſten Morgenſtund 


Im Doͤrſchen alles lebet, 


Und froͤlich munter und geſund | 


zur Arbeit ſich erhebet. 


So oft ruf ich: Mein Gott, wie gut, 

Sind alle deine Werke!. . > 

Dem Reichen giebft du Geld und Gut: 
Mir giebſt du Kraft und Stärke. 


Und dann wird mirs fo hell im Sinn, 
So hell — ich kann's nicht fagen; 
Ich eile fort, zur Arbeit Hin —— 
Und wollte Berge tragen. “= 


Noch nie hat mir ein ſchwuͤhler Tag De 
Kraft. oder Muth benommen. 

Er fey To heiß er immer mag, 
Muß doch der Abend Fommen, 





Und 


— 


Und koͤmmt er dann, o welche Luſt, 
Wenn Frau und ‚Kinder ſpringen: 
Vol Frenden ſich um meine Bruſt, 

Um meine Knie ſchlingen 


Wenn Lieb und Unſchuld im Geſi cht 

Sich alle zu mir ſetzen; 

Und an dem fuͤſſen Mid gericht 
Recht koͤniglich ergoͤtzen. 


Und wenn wir dann herzinniglich 
Gott unfer Danflied bringen; 
‚Und mir fo ift, ald wenn um mich 
Die lieben Engel fingen. - 
Dann fühl ichs ganz und fag’s oft laut: 
Daß glürflicher und weifer 
Der ift, der feinen Acker baut 
Als König oder KRaifer, 
Miller, 
— nn nn 


Das Landleben. 


O wohl dem Manne, dem nicht Feldpoſaunen, 
Der Roſſe Stampfen, Donnern der Kartaunen, 
Kein Schiff „das Beute, Maſt und won 

verlieref, | 





Den Schlaf entführet, 
—— Der 


466 — EEE 

Der nit die Ruhe darf in Derge ſenken; 
Der, fern vom Purpur, fern von Wechfelbänfen, 
In eignen Schatten, durch den we BER, 
Erin Leben fühlen. 


Er lacht der Schlöffer, von Geſchuͤtz RE 
Verhoͤhnt den Kummer, der an Höfen lachet, 
Verhoͤhnt des Geijes in —— — 
Schlafloſes Trauren. 


So bald Aurora, wann der Himmel grauet, 
Dem Meer entſteigend lieblich niederſchauet, 
Flieht er ſein Lager, das nur ſchmucken, 
* heitern Blicken. 


Er lobt den Schiafer, hoͤrt ihm fi ihaen, 
Die durch die Lüfte fi ch dem Aug' entſchwingen; 
Hört, im Geliſpel fanft bewegter Aeſte, 
Sein Lob vom Welle. | 


- Sieht Regenbogen aufden Brafe blißen; 
Schaut über Wolfen von der Berge Spiken, 
Wie ſchoͤn die Ebne , die fi) blau verlierek, 
Der Lenz oezieret, J 


Bald zeigt ſich fliehend auf des Meeres Ruͤcken 
Ein Schiff von weitem den nachfliehnden Blicken, 
Das izt verfinfet, izt ſich wieder — 

Und izt — 


Er 


467 


Er ſieht ben Himmel weiß und gli 
| prangen, 
Ihn weiß und wollicht in den Fluthen hangen, 
Mod) eine Sonn’, ihn dort mit Feuerſtralen 
Und Purpur malen. | | 





Er geht. in Wälder , wo an Schilf und 
| Straͤuchen, 
Er frummen Ufern Silberbäche ſchleichen, 
Wo Bluͤthen duͤften, wo der — — 
Luſtlieder ſchalen. 1 1% 


Sau Bienen —*— führt an Wände 
sn Reben; | 
Nun traͤnkt er Pflanzen, zieht von Roſenöcken 
Und Nußſtrauch Er 
Eilt dann * Hätte; wo Fein Safer Alrhner, 
Bo bey der Unfchuld Fried: und Wolluft wohnet: 
Weil feine Doris, die nur Liebreiz id 
| Ihm ee winket. | —V 
Rein Euedt der Krankheit miſcht fir in 
: 300. Berichte: 
ee Brand und > wuͤrzt ihm Milch ähb 
Früchte: — 
Rein * Sewiffen ige ibm Schub und n Et - 
Im *— Schlafe. dult 


692 Freund, 





468 


Freund, laß ung Golddurſt, Stolz und 
| Schloͤſſer haffen, 

Und Kleinigkeiten Sürften überlaffen. 

Mein Damon ruft uns, komm zum Sig der 


Freuden . 
Auf feine Weiden. 





\ u 
en 


Der Genuß des Lebens, 
Nach des vierten Buchs fiebenter Ode. 


| Der Schnee zerſchmilzt“ Das Gras ſprießt 
| auf den Fluren wieder, 
Den Daumen keimt ihr neues Haar! 


Der aufgeſchwollne Fluß ſteigt in fein Sitte 
‚nieder, 


Es bluͤht das aufgelebte Jahr! 


Die nackte Grazie fuͤhrt holder — 
| Chöre 
Bereint mit beiden Schweflern auf. — | 
Hoff” nichts Unfterbliches! das Jahr giebt dir 
Ä die Lehre, 
Und diefer Stunde her — 


Vom .. zerſchmilzt der * der Som 
10 mer ſolgt dem Lenzen, 
Und ach! wie bald verflieht auch er! 

Kaum 


ER 469 





Kaum, daß im reifen Herfit die-goldne Früchte 
gfingen, 
So. [leicht der träge Winter ber: 


Doch den Berluf erfest der. Sonnen Ums 
lauf wieder. — 
Mir ob. wir der Jahre Raub, 
Ach! finfen wir anmal zum finftern Grabe nieder, 
O D Freund! dann find wir Aſch' und Staub. 


er weiß, fehenft zu dem Zag, der Dir 
ist froh verflieflet, 
Das Schickſal nod) den naͤchſten dir ! 
Doch was aus deiner Hand ein Freund mit 
Dank genieflet, 
Entgeht des Erben Raubbegier ! 


Ta, glaub’ es mir, 0 Freund, bift du eits 
\ mal verblichen, 
Nie wirft du mieder bergeftelle! 
Waͤrſt du ein Heiliger! beredter als die Griechen 
Und Herr von mehr als einer Welt. 


‚Die Unſchuld Hyppolits hat ihn nicht frey 
RR aefprochen | 
Bon allgemeinem Todes Schluß, 
Und kethens Feſſeln hat kein Theſeus noch zer⸗ 
u brochen, 
Feſt blieb er, * Pirithous. 
| Weiſſe. 
—— 


693 Br 








479 





An den Schlaf. 


Holdeſler von allen Goͤttern, 
Blicke mich doch wieder an! 

Soll ich dich allein entbehren? 
Hab' ich was nicht recht gethan? 
Buß’ ich irgend einen Frevel, 

Neid, Gewinnſucht, ſtolzen Wahn? 


Nichts ift anf der flillen Weide, 
Nichts iſt in den Käften wach, 
Blumen fehlieffen id, und ahmen 
Dem entichlafnen Menſchen nad, 
Auch das wilde Meer entihlummerf, 
Und der kleine Schmerlenbad), 


Aber ich fah ſchon vergebens — 
Siebenmal das Sonnenlicht, 
Heſpers ſilberhelle Farkel, 
Und Aurorens Angeſicht, 
Und mein. Thraͤnennaſſes Auge 
Schlieſſet no Fein Schlummer nicht. 


Holder Gott, zu dem ich flehe! 
Wenn dich irgendwo vielleicht, 
In dem Taumel feiner Freuden, 
Ein erhizter Juͤngling fleucht, 
Dover von dem Rofenlager 
Wolluſttrunken did) verſcheucht: 


O, 


— 


a 47% 


D, dann eil’ auf leichten Schwingen 


- Meinem niedern Dache zu! | 
Ich begehre nicht des Reichen, 


Deines. Lieblinog, fatte Ruh; 

Schleuß mit deineg Stabes Spige, 

Nur mein müdes Auge zu: 
| Blum. 








Morgengeſang. 


Dis tra Nacht entfliehet; 
Aus Purpurwolken fleußt, 

So weit Aurora gluͤhet, 

Im Thau der Kraͤuter Geiſt; 


Der Tag im Stralenkleide, 


Fuͤllt wieder Erd' und Meer mit Freude. 


Welch froͤliches Gedraͤnge 
Wuͤhlt um den gruͤnen Strand! 
Der Heerden rege Menge 


Bedeckt Das meite Land; 


Vom Klange ſuͤſſer Lieder, 


Schallt Grund und Wald und Hügel wieder. 


Dem Vater aller Wefen 


Iſt heilig ieder Schall, 


Der diefe Welt erlefen 
Aus aller Welten Zahl, | 
DIA. Und 


Und der durch taufend Alter 
Ihr Water war und ihr Erhalter. 


Mein Vater, mein Erhalter! 
Ich ſchweige nicht von dir, | 
Noch brennt im erfien Alter 
Die Dichtergluth in mir; 

Colt’ ih dich nicht erheben: 
Sp war fie mir zum Fluch gegeben. 


Wer war’s , der in den. Schatten 
Der-ungetreuen. Nacht, a 
Die mic) belagert hatten, 

Für meine Ruh gewahrt? 

Wer weckte zum Gefchäfte 

Des nenen Tages neue Kräfte? 


Wer trieb aus meiner Seele 
Der Bosheit alte Nacht? 
Wer bat der bangen Seele 
Den Tag zuruckgebracht, 
Und wider Lieblingsmängel | 
Mich angethan mit Kraft der Engel! 


Mein Vater, mein Erhalter ! 
Sch ſchweige nicht von dir, | 
Und ranbet einft das Alter LES V 
Die Kraft der Rede mir: 
So fol in reihen Bächen | 
Dein Rob von meinen Wangen fprecden. 


Die 


Die andſchaſt. 


eliebtes Feld, dein aufgeklärter Himmel 
Der ſanſt und rein um ſtille Fluren fließt, 
Empfange mich vom Laͤrm und vom Getuͤmmel 
Der weiten Stadt, wo Unmuth mich umſchließt. 


ie froͤlich ſteigt aus ſilberſarbnen Wellen 
Das Morgenroth zum feuchten Horizont! 
Der graue Wald, den Luſt und Tag erhellen, 
Zeigt in der Hoͤh die Wipfel ſchon umfonnt. 


Die Lerche fliegt in muſikalſchen Schaaren 
Mit ſuͤſſer Stimm auf ſichren Haiden fort; 
Und fuͤrchtet nicht des ſalſchen Garns Geſahren, 

Und fuͤrchtet nicht des Feuerrohres Mord. 


Voll Anmuth lockt das bluͤhende Geſtade 
Der Oker, der hier ſanſter wird; 
Am Ufer tanzt die lachende Naiade, 
Der Tanz und Weſt ihr fliegend Haar verwirrt. 


Der wilde Buſch, von Blüthen überfihneiet, 
Beſieht fi) in der klaren Fluth; 
Sie fließt dadin , von feinem Sturm entweihet, 
So rein und fill, wie Silber in der Gluth. 


Es hängt indeß an Klippen voller Weide 
Der bärtge Bock, der die Geſtraͤuche nagt; 
Da unbeforgt der Hirte Lieb und Freude 
Yuf — ac den oͤden Felſen ſagt. 

695 I 


474 — 


O Einſamkeit, dürfe: ich mic) dir ergeben! 
Hier herrfcheft du im ſichern Hain! an 
Warum muß ich im Farm der Städte leben ? 
Hier koͤnnt ich froh, wie dieſer Hirte, ſeyn! 

Gh Zachariaͤ. 


— — — — —— — — 





f 


Erinnerung der Sinderiohre 


a modert meine Freude, 
Nun ewig mir verwehrt, 

Bey meinem Fluͤgelkleide, 

Bey meinem Steckenpferd! 

Denn, ah! mit euch — vergebens 
Als Mann zuruͤckgeweint —⸗— 
Floh iedes Gluͤck des Lebens 
Mich Armen — mid ein Freund!“ 


Uns Bruſt an Bruſt umfangen, 
Wie frey ſprach Bruſt zu Bruſt!“ 
Sein Wunſch war mein Verlangen » 
Mein Wollen feine Luſt! 

Selbſt unfre Wonne fühlten 
Die Fluren um ung ber: 
ind Abendfonnen kuͤhlten, 
Sid) zögernder im Meer! 


ie oft fahlt du im Lenze 
ing, freuer Hügel, zu! 
Da baaden wir ung Kränze 


Die Blumen gabſt uns du! BAR. 
Be. | 





475 


Dann flodhten wir die Kraͤnze 
Sn unfer lockig Haar; 

So flohn uns iede Rene, 
So floh ung iedes Jahr 


Mer Eannt euch da, ihr Sorgen? 

Wer, Kummer, deine Macht? 

roh waren unſre Morgen, 
ünd fanft war unſre Nacht! 
Der Zwang, ein Spiel zu meiden, 
Und ein verſchlagner Ball, 
War alles unſer Leiden, 
Mar aller Ungluͤcksfall! 


Jezt rollen unfre Stunden 

Durch ſtetes Ungemach. 

Der Dank: ſie ſind verſchwunden! 

Die Frage: was koͤmmt nach? 

Iſt ieder Sonne Plage, 

Seitdem wir älter find. 

Rommt wieder , goldne Tage! 

O waͤr ich noch ein Kind! 
Michaͤlis. 


ee 








Lob der Unfchulb. 


2. der Unfchuld ſuͤſſe Ruh, 
O! wie lieblich ſchmeichelſt du 


Unſern Seelen? | 
| | Eitle 


476 — 


Eitle Wolluſt fleucht vor dir, > 
Und doc läfelt du es mir 
Nicht an Freuden fehlen. _ 


| Du fireuft Roſen und Schasmin 
Auſ die ſichern Pfade hin, | 

Die ich gehe, 

Ich bin ganz Zufriedenheit, 

Wenn id) dich voll Heiterkeit 

Auf mich laͤcheln fehe. 


Ohne Kummer, ohne Reu, 
Fuͤhrſt du ſie vor mir vorbey, 
Meine Tage. 

Meine Muͤh machſt du mir leicht, 
Und in meine Spiele ſchleicht 
Sich nicht ſpaͤte Klage. 


Laß” mein Herz ſich deiner freun; 

Did) noch, werd’ ich Alter feyn, 
Sreundinn nennen! 
In dem Unglürf tröfte mich, 
Und nie laß’ mich ohne did 
Eine Freude Fennen! | | 
Weiſſe. 








Der gluͤckliche Arme. 
Jo eſſe Brod und trinke Waſſer. 


Was ſchuͤttet nicht der reiche Praſſer 
In 


— 477 


In feinen: fetten Bau! 

Er frißt das Mark der ganzen Erde, 
Daß er der Würmer Speile werde: 
Die werd ich, fpäter,, auch. 


Den König trägt ein goldner Wagen, 
Mich Fünnen meine Fuͤſſe tragen, 
Und ein getreuer Stab; 
Sein Haus, von Marmor aufgeführet, 
Iſt groͤſſer, als es mir gebuͤhret: 
Gleich groß iſt unſer Grab. 


et es 2 


Die Gelaſſenheit. 
Dan im Unglück fey gelaſen, 
Kann Feine Feine Seele faffen: 
Eie troßet, tobet, ſchaͤumt vor Wuth; 
Und wenn fie ſo beherzt geworden, 
Nimmt ſie den Dolch, ſich zu ermorden, 
Ind nennt dieß Raſen Heldenmuth. 


Wenn mir des Ungluͤcks Wetter draͤuen, 
So will ich ſie behutſam ſcheuen, 
Und Hoffnung ſey mir für Gewalt; 
Statt dem Geſchick zu widerfireben, 
Bill ich mein. Unglück überleben: 
Durch Hoffen überlebt: ſichs bald. 


ne“ * 4* na \ * 
x pr 


# An 




















428 — — 


An den Geisigen 


Was huͤteſ du den Kaſten, 
Du reicher Sklave, du? 
Entſchuͤttle dich der Laſten, 
Wirf fie den. Witwen sus: 1.9 wor 
Gieb milde Morgengaben 
Den Maͤdchen, die Verftand 
Ind keine Mittel Haben 2 
So wird das. Baterland | 

Dich Bürgermehrer nennen , den 
Und du wirſt ſanft und leicht 
Den Schlaf genieſſen koͤnnen, 
Den ine dein Sei verſcheucht. 
—— 


ama, 2 gg & mich sangen hüten, 
Das fant ih Ihnen nicht J— Er 
Und. ift gleidh-die Gefahr noch weit, 
Dank ich doch ‚Ihrer Zaͤrtlichkeiitz 
Doch nehm ich mi), nicht ſelbſt in- Acht, a 
So werd, id) nur, umfonft, bewaßht. „4 4... 


Vielleicht was ich ſonſt hie begehrte, | 
Meist mid) nur, weil man mir es wehrte; 
Frey fol mic) „fanfte Agend ziehn, 

Doch Feſſeln Dreh iM fr fie zu ‚Men; * 









Drum 


— 479 


Drum nehm: ich mich nicht ſelbſt in Acht, 
So werd ih doc umfonft bewacht. 
Nie wird den Müttern Klugheit fagen, 
Mas muntre Mädchen luſtig wagen, 
Damit ich, Feine Thorheit tbu, 
So trauen Sie mir Weisheit zu; 
Dann nehm, ih mich nicht ſelbſt in Acht, 
So werd ih) ganz umſonſt bewacht. 
* san 1239814* — Kaͤſtner. 





Ta — — — s —ñ— — — 


An ‚meine Mütter. 


O du, in deren holden Armen 

Der erſte Morgen wir gelacht, 

O, die du mit dem Leben alle warmen 
Geſuͤhle mir ins Blut gebracht. 

Anun deinem muͤtterlichen Buſen 
Trank id) die frühe Weisheit ein, 

Der Tugend hold, der immer frohen Muſen, 
And edler Seelen Freund zu ſeyn. 
Oft, daß dein Auge noch der Morgen 

In Thraͤnen, unbeſucht vom Schlaf, 
And für mein Wohl dich unter taufend Sorgen 
Auf deinem Lager ſeußzend traf; 
Oſt, daß die Sonne, dir entzogen, 
In trüben Wolfen untergieng, 
Yon Feb? und Furcht dein Auge dann bewogen, 


—— An iedem meiner ade hieng, | | 
Und 


-480 — 


Und deine Seele betend Tallte:- 
„Laß, Himmel! wo im oͤden Hain 
Mein Liebling irrt, wo er am Alfer walkte, 
Laß deine Schaaren um ihn feyn!” - 


Ta! rinne nur, danfbare Zaͤhre, | 
Hin auf mein frommes Gaitenfpiel, 
Und redet laut, ihr meiner Harfen Chöre, 
Mein ganzes inniges Gefühl ! 

Sagt ; daß ich vor Verlangen glühe 
Sol einer Mutter werth zu ſeyn, 
Für ihre Gunſt, für ihrer Sorgen Mühe, 
Mein beſtes Leben ihr zu weihn! 








Der größte Mann. 
aßt ung den Prieſter Orgon fragen: 
Wer ift der aröfte Mann? 
Mit folgen Mienen wird er fagen: 
Wer fi zum Kleinften machen fu, 
Laßt ung den Dichter Kriton hören: 
Wer ift der größte Mann? 

Er wird e8 une in DVerfen ſchwoͤren: 
‚Wer ohne Mühe reimen kann. ie, 
Laßt uns den Hofmann Damis fragen: 

Her ift der größte Mann? 

Er buͤckt fi lächelnd ; das will fagen: 

Mer lächeln und ſich bůcken ae 
Wollt 


— 481 


Wollt ihr von Philoſophen wiſſen, 
Mer iſt der größte Mann? N 
Aus dunklen Reden müßt ihr fchlieffen : 
er ihn verftehn und grübeln Fann. 


Bas darf ic) ieden Thoren fragen: 
Mer iſt der groͤßte Manu? 
Ihr feht, die Thoren alle fagen: 
Wer mir am naͤchſten Fommen Fann. 


Wollt ihr den Elügften Thoren fragen: 
Her ift der größte Mann? 
So fraget mid ich will eud) fagen: 
Wer trunken fie verlachen Fann. 
Ceſſing. 


J 
— — — — —— Se — — — — — 


Die alten und tan teutſchen 
| Sitten. 


Wie wenig gleichen wir den Alten! 
Was wir für ungefittet halten, 
Hieß ihnen Männlichkeit : | 
Nur wenig Äächte teutſche Bräuche 
Sind unveriährt im teutfchen Reiche 
zu unfrer Zeit, 


zufammen kommen, um zu sehen, 
Bis alle Zungen kammelnd ſprechen, 
Hieß ihnen Froͤligkeit. 
| RG 





No ſchwingt bey manchem Freudenmahle 
Lyaͤus drohende Pokale 
Zu unſrer Zeit. 


Doch Recht und Menſchheit nicht verletzen, 
Auch ben ermangelnden Geſetzen, 
Hieß ihnen Billigkeit. 
Ich finde mehr gelehrt Geſchwaͤtze, 
Sehr wenig Tugend, viel Gefege 
Zu unirer Zeit. | 


Daß fi) getreue Weiber funden, 
Die aud) dem Golde widerflunden, 
Hieß Feine Seltenheit, 
Han fagt zur Schande Earger Reichen, 
Es geb auch etiiche dergleichen 
Zu unfrer Zeit. 


Doch auch), wann Heiz und Jugend blühen, 
Kom Ruß nichts wiſſen, ihm entfliehen, 
Hieß ihnen Ehrbarkeit. h 
Dieß ift nur eine Schaͤfertugend 
Und abgeſchmackt an muntrer — 

Zu unſrer Zeit. 


Daß ſtets der kuͤhne Junker iagte, 
Auch eh es auf den Bergen tagte, 
Hieß ihnen Streitbarkeit. 
Noch iagt und ſchmauſt er um die Wette, 
Indeß beſorgt ein Freund fein Bette 
Zu unfrer Zeit, | 
N ‘ — * Docqh 


Ä — 483 
Doch Anfehn und erhabne Würden 

 Rur auf verdiente Schultern bärden, 

Hieß ihnen Schuldigkeit. 

Zu Aemtern kann ein ieder kommen, 

Die Wuͤrdigen blos ausgenommen, 

Zu unſrer Zeit. 


Die prophezeyenden Matronen 
Fuͤr ihre Luͤgen noch belohnen, 
Hieß ihnen ſehr geſcheit. 

Sagt, kluge Frauen! Zeichendeuter! 
Zigeuner! ſagt, ſind wir geſcheiter 
‚zu unfrer Zeit? 


Doc edler Vorzug erauer Alten! 
Die Trene, Wort und Dund zu balten, 
Hieß ihnen Redlichkeit. 

Die ſchlummert auf beſtaͤnbten Boden, 
Bey andern abgelebten Moden, 
Zu unſrer Zeit. 

| | Uz. 








Fruͤhlingsempfindungen. 
as Land ſchmuͤckt ſich mit iungem Gruͤn, 
‚Dem alten Walde kehrt fein dunkles Haupt—⸗ 
‚ haar wieder, 


Der Boden ſchwillet auf, die Winterfluthen fliehn, 


Die Gründe find vol Lärm , die Lüfte voller 
Lieder: 


ba Nun 


484 EEE 


Nun brennt der Weſte Volk von neuer Liebesgluth, 

Umtaumelt ieden Strauch, und ſchwaͤrmt auf 
allen Huͤgeln, 

Und furchet unter ſich, mit ausgefpannten Fluͤgeln, 

Der Stroͤme Fluth. 


Nun iſt es Zeit, mit Myrtenlaub 
Und Silberbluͤthen Schlaͤf und Becher zu bes 
! fchatten; 
Nun fpotte, dem Gemälde trüber Weisheittaub, 
Die rauhen Sorgen weg, die dich belagert hatten! 
Nun ift es Zeit, die Erumme Leyer inder Hand 
Dom alten Bacchus voll, auf Sonnenrothen 
Hoͤhen, 

Und halb in Wolken ſtaunend unter ſi dm fehen, 
Ein feelig Land, 


Nun iſt es Zeit, —— 

An kalten Quellen, und in ungebahnten Buͤſchen, 

O, Pimpleis! dein Dichter wird die Taͤnze ſehn, 

Die du beginnſt, und Fühn ſich unter Götter 
mifhen. | 

Was fehich? Oder taͤuſcht Mid) fromme Truns 
Fenheit 2 

Mit goldnem Schimmer ftralt der Hügel Haupt 
umgeben, 

Der mürbe Boden ſchwankt, der Oder Het beben, 

Und weit und breit 


Mm 


) 


Iſt alles Glanz und Harmonie, 

In leuchtende Gewoͤlk fleige Phoͤbus göttlich 

R nieder, 

Begleitet von der Mufen Chor; ich fehe fie 

Gedrängt um ihn, und höre nie geſungne Lieder. 

‚Run rauſchet mit Geſang die Schaar den Berg 
herab, 

Und wandelt Hand in Hand, in undurdfiral;, 

i ten Schatten, 

And sieht den erfien Tanz, auf neu bebluͤmten 


Matten, 
Um Kleiſtens Grab. | 
$ Blum. 








Empfindungen an einem Fruͤhlings⸗ 
| abend in Kr. | 


A, diefem Ort, wo ich die Melt zuerſt erblicket, 

Lud heute mich der Frühling ein. | 
O mie ifis bier fo ihön! Bon Zephyrs Hau 

erquicket, 

Will ich hier ganz Empfindung ſeyn! 
Mein Geiſt iſt ſtill, wie ihr, ihr Thaͤler und 

| ihr Auen, 

Auf bie der Thau gemach ſich ſenkt; 
Hier laͤßt er mich das Bild entflohner Jahre 
| ſchauen, 

Die er ſi ch gegenwaͤrtig denkt. 


253 .» 


O wie beneid’ ich mich um die beglückten Zeiten, 
Die ich in Unschuld hier verbracht; 
Eh noch, o Welt, ein Wunſch nach deinen 
Eitelkeiten, 
In meiner iungen Bruſt erwacht. 
Im Garten, ven ich ſelbſt mit füffer m ge⸗ 
pfleget, 
Den Duft der Blumen einzuziehn; 
Und dann, mit einem Straus, von reiner Luſt 
beweget, 
Dem Arm der Aeltern —— | 
Und wenn der Abend Fam, mit Schweflern und 
mit Brüdern, 
Auf bunten Wieſen mich zu freun ; 
Und aus dem nahen Wald, von Philomelens 
Liedern, 
Begruͤſſet und eutzuͤckt zu ſeyn; | 
Dieß war mein Wunſch, mein Gluͤck! Nach 
feinen andern Freuden 
Nerlangte mein zuſriednes Herz. 
‚Nie lörten feine Ruh der Sehnfucht rege Leiden, 
Und nie der Neue bittrer Schmerz. 
Ach daß ich nicht, wie ihr, um die noch Kiagen 
— währen, ; 
In Unſchuld bier entfchlummert bin ! 
Hier ruht ihr unter mir; und brüderliche Zähren 
Mein ich auf enre Gräber hin. © 
ano ſaht ihr dieſe Welt, als ihr fie ſchon ver⸗ 
lieſſet, 


Nit ihrem lend unbekannt. 
Mi ibte € aAch 





en '487 


Ad) daß —* in der Stuff, die euch) vereint 
umfchlieflet , 

| Auch mein Gebein die Ruhe fand! 
Doc; darf ich dem Entichluß der Vorſicht wis 

derfireben ? 

S Nein, ich will ſtets gelaſſen ſeyn, 

Und ieden Augenblick von meinem ganzen Leben, 

Der Weisheit und der Tugend weihn. 


| | | Muͤller. 








Empfindung einer zaͤrtlichen Ehegat⸗ 
tinn an dem Geburtstage ihres 
Öatten. 


Vol fenriger hoher Empfindung ; 
So füß, wie der Zärtlichkeit Lohn, 
Harmonifh, wie unfre Verbindung, 
Sey heute mein fetliher Ton! 


Deer Freuden belebende Chöre 
Benleiten den Tag ſchon herad, 
Der mir und der Tugend und Ehre 
Das Herz dieſes Redlichen gab. 


Dir klopft mit verdoppelten Schlägen 
Mein Herz feine Gluͤckwuͤnſche zu; 
Dir malt meine Seele entgegen, 
Mein und rn biit du! 


954 Es 





Es fliegt mir das eilende Leben 
DVergnügter und heitrer durch dich, 
Und wären mir Kronen gegeben, 

Ich gäbe die Kronen für did). 

Der Höfe goldfarbigte Schimnier 
Und mit ihm geheimer Verdruß, 
Rauſcht öfters im fürftlichen Zimmer, 
Doc felten ein zärtlicher Ruß. . 


Wie Fünnt ich Fürftinnen beneiden? 
Kenn find fie fo froͤlich, als ich? 
Bey minder vergoldeten Freuden 
Beſitz ich, mein Thenerfter did! - 


Wenn mid) der gefälige Schlummer 
In deiner Umarmung. befchleicht, 
Dann flieht mic) der feufzende Kummer, 
Die Sorge der Zukunft entweicht. 


Schenkt gütig die Vorfiht ung Freude, 
So ſchmeck ich fie füffer mit dir; 

Und kuͤſſend bekennen wir Beide: 
Wer iſt wol fo gluͤcklich, als wir? 


Ich will dir dein Dafeyn verfüflen, 
Ans follen in glücklicher Wahl 
Die fommenden Stunden verflieffen, 
Wie Baͤche durchs blühende Thal. 


Er koͤmmt, der belohnende Seegen, 
Durch Tugend und Redlichkeit groß, 
| En; 


EN 489 


Empfaͤngſt du auf rühmlichen Wegen 
Der Tugend vorzuͤgliches Loos. 


An deiner vertraulichen Geite 
Folg ich durch manch fröliches Fahr. 
Einſt kraͤnz ich, begeiſtert, wie heute, 
Mit Blumen dein ſilbernes Haar. 
Madame Hering, 








Lobgeſang eines Barden auf die 
teutſche Schamhaftigkeit. 


du, held wie die Roſenblume, 
Schamhaftigkeit, wie rein 
Sind mir die heilgen Blüthen! deinem Ruhme 
Laß mich ein Loblied weihn! hir: 
Meine Saiten find bein: 


Auf unfrer Flur, in unfern Wäldern, 
Bluͤhet dieſer Blume Zier: 
Kraͤnzet mich, ihr Töchter! 
Knaben iauchzet mir! 


Maͤdchen, ſchoͤn ift dein Geficht, 
Von dem Morgenroth beſtralt: 
Doch iſt dieſe Wangen ſchoͤner 
Wenn ſie ſanft ſich mit der frommen 
Roſenfarbe malt, 


Hh 5 Un, 


490 1 — 


\ 





Und, bat wie lieblich iſt dein Auge, 
Mein braver Züngling, wenn es muthig gluͤht! 
Aber wenn dieß blane Auge 
Beſcheiden ſchnell zu Boden flieht, 

Wenn ihm ein holdes Maͤdchen ſzeen 
Wie ſie ihn liebgewann: 
O doppelt lieblich iſt es dann! 


Jauchzt mir, liebe Töchter! _- — 

Liebe Knaben ſtimmt mit ein! 
Denn Germaniens Geſchlechter 
Tragen dieſe Zier nur rein. 

Glaubts dem Barden, der die Stadt, 
Das hohe Rom, geſehen hat: 
Maͤdchen, rabenſchwarz von Haaren, 
Wohnen dort, doch alle waren 
Ungeſaͤrbt von Scham. 
Angeſachte Kiebesgluth 
Faͤrbt' ihr Angefiht wie Blut, 

Und ihr Auge, wenn es ſank, | 
Mar nit von dee Scham fo blöde, ; 

War von Wolluſt Frank. | 


Seht ihr, Knaben ? diefer Arm 
Mar vom ihren Hüften warn: 
Denn des frifchen Teutſchen Kraft 
War all ihre Leidenſchaft. ee 
Doch bald ward ic) dieſer ſuͤſen ih 
Taͤuſchereyen fatt: 


Satt 


Satt bin ich von euren KRüffen, 
Enrer Kuͤhnheit fatt! 

Macht, daß teutfhe Scham euch färbe; 
Dann erſt fend ihr ſchoͤn: | 

Laßt mich — daß euch Thor verderbe! - a 
gabe mid, laßt mich gehn! 


Da nannten fie den Wilden mid): 
‚Aber ich wand mid) los; ich ſchlich 

Aus Nom, der groffen Wollufiftadt , 

Wo frühe Gluth die zarten naeh 
Verſenget hat. | 


Zuruͤckgekehrt fing * nun hier 
Schamhaftigkeit ein Lodlied dir: 
Drum kraͤnzt den Barden, liebe Toͤchter! 
Eure künftigen Geſchlechter 
Tragen diefen Schmuck wie ihr: 
Beliebte Knaben, iauchzet mir! 

| | Kretſchmann. 





Fruͤhlingslied eines Barden. 


Von wannen koͤmmt der ſuͤſſe Schall ?: 
Biſt du es, Melodienreicher, 
Du Bardenvogel, Nachtigall, 
Der mid) aus meiner Höhle ruit? — 
Wenn du es bift, fo ift der Schnee zerronnen, 
So iſt der Lenz mit feinen Wonnen 
Sm Feld und in der Luft, 
| Er 


—59 — | 


Er iſts! Heil mir! die Seele 
Des Jahrs it ihrer Todesbanden los! 
Heraus, heraus aus deiner Höhle, 
O Barde, wo der Winter did) Sn! 
Reib dir dag Auge hell; 
Deflünle deinen Schritt; ' 
Heraus, und. nimm die Bardenharfe mit! 





In meines Gelfens Höhle, | 
Des Lebens fatt, und Faum des Lebens werth, 
Lag ich, mit traͤgentſchlafner Seele, 

Auf weichem Moos in meiner Hoͤhle;— 
Mich fütterte der Knecht, und waͤrmte meinen 
Heerd. 

Auſſen war der Schmur der Selder 
Dom Sturme glatt hinweggeraubt; 
Jeder Af der Wälder | 
Mit Zapfeneis und Flockenſchnee belaubf ; 
Und felten blinfte durch die Nebelvefen 
Der fpäten Some Blif; 
Bald zog fie, wie, voll Schreden PR 
Sich hinter ihrem Gebirge zurück, 
Da fcholl durch die einöde Haide 
Hungriger Wölfe Gebruͤll; | 
Da ſchwieg das frühe died der Freude, 
Die Saiten meiner Harſe ſchwiegen fin: | 
Einfamfeit und Trauer 
Machten um mich her ein Grab, - 

| | And 


— 093 
Und mir. war, als kaͤm der Schauer 
Des Todes über mich herab. 


- Aber die Nachtigall ruft; 

Es keimt das Feld ,.es glänzt die Luſt; 
Milde Sonnenftralen ſchweben; 

Blumen dringen hervor; | 

Und mit freudigem Leben 

Ringt fid) mein Geift empor! 


D laßt mid), laßt michg ganz erquicken 
Der balſamirten Luͤfte Wehn! 
Laßt mic) das erſte Veilchen pfluͤcken, 
Daß mein’ entnebelten Augen fehn!. 
D daß ih, wie auf Schwalbenflügeln, 
Im Nu, vom Thale zu den Hügeln 
Bon da mic) hoch zum Himmel dürfte drehn, 
Um überal die Höhen heiter, 
Die Feimenden Wälder, die Berge vol Kräuter, 
Die viefelnden Bäche zu fehn ! 


Hervor, hervor wie diefe Sproffen, 
Du ingendlide Schaar ! 
Gieb, Füngling, deinen giergen Roſſen 
Die erſten zarten Blumenſproſſen, 
Und ſchaͤrſe deinen Spieß, und kuuͤpſe dir das 
| Haar. 

Dann merke, wo die Ehre winkt, 
Und horche, wo der Bogen Flingt, 
Und fammle dir in deinem Lenze 

Des Ruhmes ewig frifche Kraͤnze! | 
* Oder, 


494 nn... . 


Oder, hoͤreſt du die Ichönen 
Bardenlieder lieber tönen; 
Sp ‚mußt Du dih 
Der web heiligen, mit Eichenlaub dich 
Erönen; 
Dann tritt zum Barden hin und fprih: 


„O weihe du mir eine Harfe, 

Und unterweife mid) darauf, 

Daß ich, was reizend ift, befinge, 

Kom Lenze bie zur Tugend hinauf! 

Daß id) nicht, mie das dumme Thier, 

Auf diefen bunten Auen fpiele, 

Nicht diefer Eiche Pracht, nicht dieſer Blume 
Zier, | 

Und keinen $ Dank, und Fein Entzürfen fühle! 

Drum fehenfe mir der Weisheit Lehre, 

Weit ich noch lernen kann: 

Damit die Enkelwelt einft meine Lieder ehre, 

Noch mehr, den guten greifen Mann!” 





| 





Auf den Tod eines Sperlings. 
(aus dem Raul) 
Mint , ihr Grazien, und ihr Amoretten, 
Und was Artiges auf der Welt lebt! meines 
Mädchens Sperling iſt todt! des Mädchens 
| Biebling: 
| Der 


5 —— ——8 495 
Der ihr lieb, wie der Apfel in den Augen, 
Und fo freundlih, fo Flug war! und fie kannte, 

Wie ein Töchtercben feine Mutter kennet! 
Denn er rübrte fi) nicht von ihrem Schooße; 
Nein, er trippelte munter auf dem Schooße 
Hiehin, dahin und dorthin; nickt' ihr immer 
Mit dem niedlichen Köpfchen, piept' ihr immer. 
Ach! nun wandert er iene finſtre Strafe, 
Die man ewiglich nicht zurucke wandert. 
Dt wie fluch ich die, finftrer alter Orkus, 
Der du alles, was ſchoͤn ift, flugs hinabſchlingſt! 
Ung den Sperling zu nehmen, der fo huͤbſch war! 
Welch ein Jammer! DSperling ! armer Sperling! 
Saft gemacht, daß mein trautes Mädchen ihre 
Lieben — ſich ganz roth geweint hat. 
Ramler. 








Auf den Tod einer Nachtigall. 


Eutſeelt — ach! — iſt die Saͤngerinn der Lenze, 
| Die Melodien 
Ergoß, fobald, im Schooſe Veilchenkraͤnze, 
Der May erfchien. 
Sie, deren Lied mich oſtmals uͤberraſchte, 
| Wenn ich erfreut 
Durch das Geſchwaͤtz des Baches, Reime haſchte, 
Zur Abendzeit. 
Wie 





ie ſcholl es durd) die grünen Buchenreihen, 
Am Silberquell, 

Im Streit mit eiferfüchtigen Schallmeyen, 
Weit wirbelnd heil! 


Dann laufchten oft die ingendlichen Braͤute, 
| Durch fie gewiegt 

In Zärtlichkeit, und an des Lieblings Seite 

Sanft hingefchmiegt. 


Sie lauſchten, bis die heifre Abendglocke 
Im Dorfe fhwieg, 

Und Hefperus, mit filderfarbner Locke, 
Dem Meer entflieg. | 

| Hoͤlty. 


— —— ——— —— 





Ein Amazonenlied. 
Klagen einer Liebhaberinn beym entfernten 
Getoͤſe einer Schlacht. 


| Horch ! welch ein langer Donner hallt 
Vom fernen Himmel ber! 

Ha! blizt ed nicht durch ienen Wald ? 
Steht dort nicht unfer Heer? 


Und Fämpff er nicht in dieſem Heer, 
Mein Liebling, und mein Held? — 
Weh mir! die Donner rollen her; 
Mars rafet dur) das Feld. 
| | | Der 





497 


> 


Der Boden bebef unter mie 
Die Berge taumeln Dort, 
Die Wälder rauſchen aͤngſtlich hier, 
-Der Strom mallt zitternd fort, 


Es pocht mein Blut, es draͤnget ſich 
Ins Herz, ich athme ſchwer; 
Das Schrecken gieſſet über mid 
Eiskalte Schauer ber. 


Wo ift er? ach! wo ſuchꝰ ich. ist 
Ihn, der mein Herz, entführt? 
Dort wo die Wuth, ſo oft es blüf, 
Zehnfachen Tod gebiet? 


Dort, 109 den hoͤliſchen Gefang 
Erynnis laut erhebt? 


Mo ihre Fahne Meilen Lang 
Ig Lüften blutig ſchwebt? 


Dort) wo fe Hot Unmenſchlichkeit⸗ 
Aus ſchwarzer Nebel Nacht 1937 | 
Herabfieht) und ſich ſchrecklich freut, iu 


So oft ein Donnet kracht? 
Bi: Bey jedem abgeſchlagnen Glied, 

Aus Wolluſt ſich verweilt ⸗ 
Doch lieber, mo fie ſtetben ſieht, 
Zum letzten Roͤcheln eilt ?— | 
Sie taucht ihr ſcheusliches Gewand 


In mormes Heldenblut, 
| Fi 3. „And 





Und trocknet die. betriefte. Hand 
Un der Kartaunen Gluth. | 


Und ihre Furien unhe 
Ach! fammeln Thränen ein: N | 
Sie ſchluckt fie , wär? es auch ein Meer, | 
Stets heiſſer duͤrſtend ein. | 


Ach! dort! — Vieleicht Mm fein 

. Her F 

St, izt ein toͤdtend Bley, 

Schlaͤgt ihm mit einem Hoͤllenſchmerz 
Nerv' und Gebein entzwey. 


Vielleicht daß eine Mordehand ——— 
Beym ſchwarzen Haar ihn haͤlte 
Und, weil der Tapfre widerſtand, — 
Sein ſchoͤnes Haupt zerſpellt. au 3° 


Vielleicht, von --Raubbegier — 


Erſchrecklich ihn entbloͤßt, 
Und ihn, den er noch aͤchzen hört, 


Zu andern Leichen ſtoͤßt. — 


\) 


a: 


*) gerfpellen heit fo bie! als bie da⸗ 
her ſpellig, zweyſpellig, vierſpellig, u. f. w. 
Von der ungleich flieſſenden Abmandes 
lung des Zeitworts serfpalten du zer—⸗ 
fpälteft,, er zerſpaͤlt, ich zerſpielt, ich has 
be zerſpalten ‚ iſt allein das Mittelwort 
zerfpalten in der Buͤcherſprache übrig 
geblieben. 


Ei 
— 


— arena 499 


Ach! — — — entſetzlich legen fie, 


Ein abgeftreiftes Laub; 


Ein. Spiel der Zephyrwinde früß, 


Nun der Verwefung Raub. — 


Drücke ich fein ſchwimmend Auge do 


Ihm noch wehmäthig zu ! 


Vieleicht ſucht' es mich flerbend noch, 
Und fänd’ in meinem Ruh. 


Zög’ ich doch feinen letzten Hauch 
Mit meinen Kuͤſſen ein! 
Gewiß rief er mich ſterbend auch, 


- Und nennte mic) nod) fein. 


An diefes Ufer an, _ 


Wuͤſch' ich die Wunden voller Blut 
Mit meinen Thränen ob! 
And übergöß mit einer Fluth 


Bon Ihränen noch fein Grab! — 


Umfonft. — — Was feh’ ich? diefe Fluth 


Rauſcht roth gefärbt daher 2 
Ach! wie! wenn auch von feinem Blut 
Der Strom gefärbet wär! 


Hier will ich figen, und allein, 
Und immer weinen; bier, 
D Freund! ein Trauerdenfmaal ſeyn, 
Den Blick gewandt nad dir. B; 


Vielleicht fpält eine Wehe dih 


J 18 | Daß, 


\ N J 
| EIEULATITERETER 


Daß, wenn mein Gram mich toͤdtet, ic) 
Dich noch umarmen kann. 
Re Weiſſe. 








Kriegslied. — 
Aus dem Tyrtaͤus. 


i Wie ſchoͤn! wenn fuͤr das Vaterland 
Ein Mann kaͤmpft, und als Held 

Mit blankem Schwerdt in hoher Hand 
Im Vordertreffen faͤllt! 


Allein, wie elend! wenn er hier 
Die feiſten Aecker flieht, 

Und dort um Brod vor fremder Thuͤr 
Demuͤthig ſich bemuͤht. 


Ihm ſchleicht der grauen Aeltern Paar, 
Vom Alter krumm und ſchwach, 
Sein Weib, das feine Wolluſt war, 
Und kleinen Soͤhne nach. 


Verachtend folgt ihm ieder Blick, 
Wo er voll Mangel geht, 
Und meift gehäflin ihn zuruͤck, 
Wenn er die Gabe fleht. i 
Und fein Geſchlecht deckt ewge Schmach 
Und ſein Geſicht wird alt, 
Und ihm folat Angſt und Kummer nach 
In ieglicher Geſtalt. 
Und 


— Bo 


Und wenn er lang genug geirrt 
- Ganz abgezehrt von Gran, 
Verliehrt er iede Zier, verliehrt 
Er endlich felbft die Scham. 


Doc) für das Vaterland, für dief 
RKaͤmpft, SZünglinge, mit Muth! 
Für euch, und eure Kinder fließ’ 

Eu’r edles Helden Biut! 


Sa, ſchließt Euch, ſteht, und Kämpfe vereint! 
Des Schreckens bleich Seficht, 

Der Wunfh, vor einem fiolzen Feind 

Zu fliehn ſteht Kriegern nicht. 


Kein, feuert Eure Seelen an 
Mit einer edlen. Wuth; 

Dann trost dem Tod, und lauft die Dahn 
Des Ruhms, , vol Heldenmuth! — 


Wie? follen diefe Greife hier 

Mit unbiegfamen Knien 
Ft dr Euch fireiten ? aber ihr 
Wollt fie verlafen? fliehn? 


Wie ſchaͤndlich, wenn det Kraft beraubt, 

Ein Greis im eriten Glied, 

Mit grauem Bart und weiſſem Haupt 
Das Schwerdt vor Söhnen zieht, 


Und kämpft und fält: wenn dann im Staub 
‚Der edle Geiſt verraucht, 
13 | Da 


i { 
502 — — 


Da hinter ihm, des Schreckens Raub, 
Der feige Juͤngling haucht: | 


Wenn ihm, vom dürftigen Gewand 
Eneblößt, der Tod bier firecft, 

Und er nnr mit der blut'gen Hand 
Den nackten Körper deckt! 


Die Ehrfurdt und die Scham gebeut, 
Daß ihr dahin nicht blickt : 
Dem Juͤngling nur ziemt dieß im Streit, 
So lang ihn Jugend ſchmuͤkt. 


Er ift der Männer Wunder Gluth 

Den MWeibern lebt der Held, ö 
Und beider Lob, wenn er mit Muth 

Im Vorder ; Treffen fällt. 


O Gluͤck! wer angeheftet ſteht, 
Unwankend wie ſein Geiſt, 
Zuerſt in Kampf frolockend geht, 
Und feine Lippen beißt. 
| Weiſſe. 








—— — 


| Kriegslied 
nach der Schlacht bey Kollin den 
18. Junius 1757. 


Zurick rief Vater Friederich, we 
Zuruͤck, rief er, zuruͤck, 
Nach⸗ 





— — — — — 


Nadh denkend dacht er ſchon bey ſich: 


Gott giebt dem Feinde Gluͤck. 


Wir aber ſtuͤrmten noch das Neſt, 
Wir wollten noch binan! - 

Wir Fletterten, wir hielten feft 
Uns aneinander At. 


And faaten dem, der. oben fland: 
Wie Fommen wir herauf ? 

And fchlugen tapfer Hand in Hand, 
And halfen uns hinauf. 


Da fürste von Kartetfchenfaat 
Getrofen, eine Schaar 
Don Helden, ohne Heldenthat, 
Die halb ſchon oben war! 


Das fahe Friedrih. Himmel! Ad! 
Wie blutete Sein Herz ! 

Wie ftand, ben mitleidsvollem Ach, 

Sein Auge Himmelwärts ! 


Was für fanftmürhge Blicke gab 
Sein Heldenangeſicht! 

Laßt, rief er, Kinder, laßt doch ab! 
Mit ung iſt Gott heut nicht. 


Da ließen wir den blöden Feind 
u feinem Felſenneſt 
Ji4 


503 


Nun 


504. ei en 


Tun iubelt er; o Menfhenfreund ? 
- Yun bat er GSiegesfeft. 


Wie Fann er aber ? Brüder, ſagt! 
Er fann ia nicht, fürwahr ! 
Denn haben wir; ihn. nicht geiagt, 
So weit zu ingen war ? 


Wir firitten, nicht mit Roß und Mann, 
Mit Felfen flritten wir. 

Hier, Heldenbrüder, bind er an, 
Hier, Brüder, fieg er! hier! 


Dun Feind! herab in grünes Geld, 
Und weiſe freye Bruft, 

Und freie und fieg und flirb ein Held! 

Hier ift zu ſterben Luft! 


Allein der blöde wagt ſich nicht, 
Wir moͤgen lange fiehn | 
Und auf ihn warten. Friedrich ſpricht: 
Geht Kinder! Laſt uns gehn. 
Gleim. 


| 


ZT EEE ——— * 


VII. 


Lehrgedichte 





— — 507 


Die Vorſehung Gottes. 


IE Soft, der eine Welt zu machen, 
Aus Güte ſich entſchloß, ſollt über fie 
nicht wachen? 
Er ordnete ſie ſelbſt nach einem ſchoͤnen Plan, 
Zu einem weiſen Zweck, almäctig ſchaffend an: 
Und folte nicht bedacht, es herrlich auszus 
fuͤhren, 
Nicht auch entſchloſſen ſeyn, ein Ganzes zu 
regieren, 
Anden, bey aller Pracht, vom erfien Urfprung an, 
Do) alles endlich ift, und alles fehlen Fann ? 
Sprich! wird ein Weiler blos viel Volks zus 
fammenraffen ? 
Und ſich dem Staat entziehn, nachdem er ihn 
geſchaffen? 
Er ſelbſt belebt und ſchuͤzt Geſetze, die er gab, 
Raͤumt Hinderniſſe weg, und ſtellt Gebrechen ab, 
Laͤßt kuͤhne Bosheit nicht nach ſreyer Willkuͤhr 
ſchalten, 
Und was er gut gemacht, das will er gut erhalten. 
Sein Aug ift uͤberall: von welcher Dauer ſey, 
Was blos durch ihn entſtund, iſt ihm nicht 
einerley. 
Nur 





308 


Nur map der Weifefte, fol, mas er ſchuf, 
verfäumen ? 

Das feige gafler glaubt fo ungereimten Träumen: 
Kein Wunder !. ungeftraft bleibt eine böfe That 
Wohl in dee Anarchie, doch nicht im weiſen | 

1. x NORM: 
Die ftille Tugend liebt den prächtigen Gedanken: 
Gott iſt, und Gott wird ſeyn, wann ganze 
Welten wanfen! \ 
D Freund, in einer Welt, wo blindes Gluͤck 
allein, 
Wo nicht ein Gott regiert, wuͤnſcht' ich nicht 
Manſch zu ſeyn! 

Stets wuͤrden bange Furcht und — uns 
verwirren; 
Nie ruhig wuͤrden wir durch dieſes Leben irren, 
Das, vor uns her, verhuͤllt in dicken Schatten 

liegt, 
Wo Labprinthe find, und ieder Schritt betruͤgt: 
Wie, wann im üden Wald, wo Näuber-nur 
verweilen, 
Die Schrecken ſchwarzer Nacht den Juͤngling 
uͤbereilen, 
Der ohne Fuͤhrer irrt: er hebt bey Zephyrs Hauch, 
Horcht auf ein rauſchend Blatt, und fuͤrchtet 
ieden Strauch. 
Zu gluͤcklich, wenn er noch mit ſichrem Fuß ent 
fliehet, : 
Noch Titans Morgenglanz und Florens Antlit 
ſiehet, 
Und 


) N 


Und nicht ein hungrig Thier mit feinem Sleifche 
/ ſpeiſt 
Nicht ſein vergoßnes Blut in dunkle Buͤſche fleußt! 
Des Menſchen — iſt, wo wir Verwirrung 
nden, 

Ein wunderſam Geweb von Folgen und von 

| Gründen. 

‚ Ein —2 welcher ſchnell den Sterblichen 
verſchwand, 

Wirkt — fort, und leitet an der Hand.) 

Bielleicht ein lachend Glück, das frohe Naeh 
Frönen, 

Vieleicht Verderben her von Vaͤtern zu den 
Soͤhnen, 

Flicht in Jahrhunderte ſich ungehindert ein, 

Lebt auch nach unſerm Tod, und wird unſterb— 
lich run. | 

I ſchimmernder Entwurf, den Klugheit ſelbſt 
geboren, _ 

Bin in der Klugheit Hand vernichtet, und 

| von Thoren, 
oft iſt die Urſach Flein, die einem Heldengeift 
Don weiten widerficeht , und nahen Ruhm ent⸗ 
Freißt. 

Kurzſi chtiges Geſchoͤpf! wie koͤnnen Menſchen 
waͤhlen, 

Die kaum das Nahe ſehn, und auch im Nahen 
ſehlen? 

Der nebelvolle Pfad fuͤhrt uͤber Klippen hin: 


Ich Pen Tag, und weiß nicht, wo ic) Bin. 
Der 





510 


Der ganze Himmel iſt mit Dunkelheit umzogen: 

Es bruͤllen weit umher der Unruh ſchwarze 
Wogen. 

Wer kann das Ende fehn? Kein Schimmer 
blicft hervor; 

Und nur Verwirrung brauft in unfer horchend 
Ohr. 

Gott ſpricht! das Chaos hört, und die Verwir— 
tung ſchweiget: 

Er, aller Weſen Herr, will, und ſein Wille 
zeuget 

Ein unerwartet Licht im Schooß der Finſterniß: 

Doch, was uns Zufall heißt, iſt alles ihm gewiß. 

Er ſah vor aller Zeit, was einſt geſchehen ſollte: 

Nichts iſt, und nichts wird ſeyn, als was, und 
wie er wollte. 

Die Feinfte Handlung ift, noch ehe fie gefchieht, - 

In feinem Plan beſtimmt, und einer Kette Glied: 

Der Kette, die Geftirn und Erd und blaue 
Fluthen | 

Und ihr bevölfernd Heer, das Döfe fammf dem 
Gufen, 

Und Staub und grün Gebüfh, und was in 
Büfchen ſingt, 

Mas lebt und leblos iſt, verbindet und umſchlingt. 

Gott uͤberſieht ſie ganz, nur er kann auch 
regieren, 

Und einem Soft gemäß die groſſe Herrſchaft 

führen: 


——— 


f 


Ihm kann ich mich vertraun, id) trete meine 
Bah | 


—— n 
Mit Ruh und Frendigkeit, obgleich im Dunkeln, an. 











Das Gluͤck des Weiſen. 
O Weisheit! lehre mich mit wohlgewaͤhlten 
F Bildern 
Das allergrdß fe Gluͤck, das Gluͤck des Weiſen 
| ſchildern — — 
Fern u der Fürften Hof fchließt ein zufrieds 
EN ner Hain 
Sein vaͤterliches Gut, den weifen Kleon ein. 
Dem Neid, der Schmeicheley, den Geiff ein aller 
Groſſen, 
Der, ſucht nach hoͤherm Gluͤck, dem Geiz nach 
Ruhm verſchloſſen, 
Genießt er in füffer Einſamkeit 
Das Lauterfte der Luft, das uns die Erde beut. 
Sein fiets zuſriednes Herz ift allen Freuden offen, 
Bebt vor der Zukunſt nicht, wallt nicht von 
eitelm Hoffen, 
Und dankt dem Himmel das, was ihm genugſam iſt, 
Weil auch ein Theil davon auf arme Bruͤder fließt. 
Sein Haus zeigt zwar kein Gold, noch Perſiſche 
| Tapeten, 
Doc darf die Reinlichkeit beym Eintritt nicht 
cerroͤthen. 
Es 


— — 





Es pluͤndert nicht Korinth, fein Dad iſt nicht 
| vergoldet, | 
Ihm hat Numidien den Marmor nicht getollt, 
Und kein Silanion das Vorhaus ausgezieret; 
Des Beſten Wahl wird hier im Noͤthigen verſpuͤret. 
Ein richtiger Geſchmack giebt den beſcheidnen 
Zimmern 
Zwar keine fremde Kunf, und Hein ermädend 
| Schimmern, 
Doch Anmard deſto mehr. Sein vuͤcherſaal 
fiellt zwar 
Kein Chase ohne Form von allen Schriften dar, 
Die zu der Motten Luſt, Pandolph in Schraͤnken 
ſchlieſſet; 
Doch wird hier kein Homer kein Sophofles 
— yermiffee. N" | 
Er braucht, was er beſizt. Ihn lehret Tullius, 
Roms Skeptiker, wie “ vernünftig weiſeln 
mu 
Des beiten Weifen Bild entwirft mit Meifterzügen 
Ihm Kenophon, gleich groß im Sthreiden und 
im Siegen, 
Er lacht im Theophrafi der Thoren ältver Zeit, 
Hält fie an neuere, und findet Aehnlichkeit. 
Er fieigt an Platons Hand zum Urquell der Seen, 
Und wenn er lang genug dem Schöpfer zugeſehen, 
Lockt ihn Anakreon mit ſeinem Lied zuruͤck. 
Dann macht ihn Seneka zum Meiſter des Ge⸗ 
ſchick. 


I, ® 


Er 


— 51, 

Er i ehe im Livius den Wuchs geringer Staaten, 

Als fie die Väter noch) hr Fand aufs Rathhaus 

aten. 

il er in in feliter Bruſt der Tugend Macht erhoͤh'n, 

So läßt ihn fein Plutarch der Helden Bilder ſeh'n 

Wovon die Züge ſtets an edlen Seelen haften. 

ng führt ein Bakon ihn durchs Feld der 
Wiſſenſchaften, 

Und färze Die Sößen um, vor denen alle Welt, 

Zur Schande der Vernunft, abgoͤttiſch niederfälfe, 

Zulezt folgt er erflaunt dem Solon der Planeten, 

Er ſieht (und zittert nicht ) die irrenden Kometen, 

Sieht, wie die Welten ſich, wie durch Gewichte 
jiehn , 

Er ſi ehts und ſinkt, o Gott! Mbethend vor dich hin. 

So zit die Wiffenfdjaft fein Herz und feine 
Triebe, 

Enfflammt in feiner Bruſt des groffen Schoͤpfers 
Liebe 

Hellt ſeine Blicke auf, zeigt ihm die Wahrheit bloß, 

Und macht fein edles Herz durch wahre Tugend 
groß. 

Er felber widmet oft die Muͤh des frühen Moraen 

Und ſpaͤter Mitternacht, für andrer Wohl zu 
forgen. 

— aus fein Fleiß gefchenkt, trägt auch, nach 

| feiner Flucht 
Zu eine beß re Welt, in ſpaͤten Altern Frucht. 
Wieland. 








RE Die 


574 we. 


Die Freuden des Weifen, 


Mir iedem Tag ift Phanias beglückter, 

Durch überftand’ne Noth geſchickter 

Zum weiteren Gebrauch, zum reizendern Genuß 

Des Gluͤcks, das ſich mit ihm ſo unverhoft 
verſoͤhnte, 

Gluͤckſeelig, weil ers war, nicht, weil die Welt 
es waͤhnte, 

Bringt er in neidenswerther Ruh 

Ein unbeneidet Leben zu; 

In Freuden, die der aͤchte Stempel 

Der Tugend und Natur zu wahren Freuden praͤgt. 

Der buͤrgerliche Sturm, der ſtets Athen bewegt, 

Trifft feine Huͤtte nicht — den Tempel 

Der Grazien, ſeitdem Mufarion fie ziert. 

Beſcheid'ne Kunſt, dur ihren Wiß geleitet, . 

Giebt der Natur, fo weit fein Landgut ſich 

verbreitet, 

Den ftilen Reiz, der ohne Schimmer rührf. 
Ein Garten, den mit Zephyrn und mit Floren 
Pomona ſich zum Aufenthalt erfohren; 

Ein Hain, worinn fi) Amor gern verliert, 

Mo ernftes Denfen oft mit leichtem Scherz ſich 

gattet; 
Ein kleiner Bach, von Ulmen uͤberſchattet, 
An dem der Mittagsſchlaf ung ungeſucht bes 
ſchleicht — | 

Ein Nachbar, der Horazens Nachbar gleicht, 

Gefuns 


— — 515 


Geſundes Blut, ein unbewoͤlkt Gehirne, 
Ein ruhig Herz, und eine heit're Stirne — 
Wie vieles macht ihn reich! — denkt noch 
duſarion 
Hinzu, üb fagt, was kann zum frohen Leben 
Der Götter Gunft ihm mehr’ und beffers geben? 
Die Weisheit nur, den ganzen Werth davon 
Zu fühlen, immer mehr zu fühlen, 
Und, feines. Gluͤckes froh „ Fein anders zu 
| erzielen! 
Auch diefe gab ſi fie ihm. — Drum lernt er 
fonder Muͤh' 
Die reigende Philoſophie, 
Die, was Natur und Schickſal uns gewaͤhret, 
Bergnügt genießt, und gern den Reſt ents 
behret; | 
Die Dinge diefer Welt gern von der (dönen 
| Site | 
Betrachtet, dem Geſchick fich unterwuͤrfig macht; 
Nicht wiſſen will, was alles das bedeute, 
Was Zevs aus Huld in raͤthſelhafte Nacht 
Vor uns verbarg, und auf die guten Leute 
Der Unterwelt, ſo ſehr ſie Thoren ſind, 
Nie boͤſe wird, nur laͤcherlich ſie find't, 
Und — ſich dazu — ſie drum nicht minder 
liebet, 
Den Irrenden — und nur den Gleißner 
⸗ flieht, 
Nicht ſtets von Tugend ſpricht, noch von ihr 
ſprechend gluͤht, 
Kk 2 Doch 


516 — 


Doch ohne Sold und aus Geſchmack ſie uͤbet, 

Und — gluͤcklich, oder nicht! — die Welt 

Fuͤr kein Elyſium, fuͤr keine Hoͤlle haͤlt, 

Nie ſo verderbt, als ſie der Sittenrichter 

Von rn Thron — im ſechsten Stockwerk 
ſieht, 

So luſtig nicht, als ingendliche Dichter 

Sie malen, wenn ihr Herz von Wein und 
ha gluͤht. ' 


n 
nennen ne 
I 





Der Werth der Tugend. 


O Tugend! wenn du dich den auſgeklaͤrten 

| Blicken | 

In deinem Reize zeigſt, wer liebt nicht mit 
Entzuͤcken? | 

Ganz rein, ganz himmliſch ift die Schönheit, 
die du zeigſt, 

Die auch durch Schatten bricht, und redet, 

wenn du ſchweigſt. 

Das Laſter ſelbſt erkennt in glaͤnzend ſchoͤnen Zuͤgen 

Dich auf des Weiſen Stirn. Dich ſehen, iſt 
Vergnuͤgen! 

Der Vater der Natur ſieht mit Zufriedenheit 

Auf eine Seele hin, die ſich dir ganz geweiht. 

Bol Eintracht unter fi, find ihre ftärkiten Triebe 

Der Ordnung unterthan; und ihr Geſetz iſ Liebe: 

Gemeine 


( — — 517 

Gemeine Seelen find ein Chaos: aber fie, 

Den Engeln Gottes gleich, ift Licht und Harmonie, 

Sum groffen Ganzen ſtimmt ihr reingeftimmter 

| Mille, 

h Nur auffer ihr iſt Sturm; in ihr ift holde Etilte: 

Der ganze Himmel fen vol banger Finfternig ! 

Ihr Tag ift unbewölft, und ihre Luſt gewiß. 

Das wandelbare Glüuͤck nimmt Reihthum, Ans 
ſehn, Ehren, 

| ein tieder , was es gab: ihr kann es nicht 
verwehren, 

Dem ſchuͤchternen Verdienſt ermunternd nach⸗ 

mac, 

Der Unſchuld wider Gold und Frevel beyzuſtehn: 

Zur Huͤlſe ſtets bereit, wenn andre Menſchen leiden, 

Der Armen Troſt zu ſeyn, und Nackende zu 
Fleiden ; 

Mit ihrem Beyſpiel noch, wenn fie der Erd’ 
entjlicht / | 

Der Erde wohlzuthun, die ſeufzend nad) ihr 
ſieht. 

Kann ihrer Freude Duell im duͤrrem Sand 
verfiegen ? | 

Auf iede gute That ſolgt goͤttliches Vergnuͤgen, 

Das über unfer Her; mif reiner Klarheit firalt, 

Und fein entzuͤckend Bild auch auf die Gtirne 

malt. 


Ra | Ein 


518 ——— 


Ein ſieghaſt Heer umgab mit iauchzendem 
Getoͤne 
Den groſſen Scipio, als die gefang’ne Schöne, 
Der Stolz Fberiens , zu feinen Fuͤſſen lg _ 
tung, blühend, wie der May, und reizend, wie 
der Tag. i 
Sie fah zur Erde hin, in flilem ram verloren : 
Erröthend thauten ihr die Wangen wie Auroren. 
Ihr Blick erfdürterte des rauhſten Kriegers Herz : 
Dody Ecipio blieb groß, und fah nur ihren 
Schmerz. - 
Der zügellofe Sieg, die fenerreiche Jugend 
Sprach ihm die Beute zu: er hörte nur die 
Tugend, 
Nur fein erhabnes Herz; und gab an einen Feind 
Die ſchoͤne Feindinn hin, für welchen fie geweint. 
Sein Autliß fehimmerte von eines Gottes Freude, 
Der Menfchen mohlgethan: Faum war, nad 
| | bangem Leide, 
Der Jüngling fo vergnügt , der feine Braut ems 
pfieng 
Und mit entbrannfem Blick an ihren Blicfen hieng. 
Der fenrige Kamill, den, nad unzäblbar’n 
Schlachten, | 
Die Lorbeern des Triumphs zum größten Römer 
| machten; 
Der aus der Naterftadt, fobald fie es gebot, 
In ruͤhmlich Elend gieng, wie vormals in den 
Tod; 


und 


er en 219 


Und doc) geflügelt Fam, von angedrohfen Ketten 

Sein undankbares Rom großmüthig zu erretten, 

- War gröffer im Verzeihn, und frölicher im Sieg, 

Als Cäfar, der zum Thron auf Bürgerleichen flieg. 

Kann wahre Freude fenn bey fihändlichen Bers 
brechen, 

Wenn Quaalen innrer Angſt verlaſſue Tugend 
raͤchen? 

Wie wuͤrden wir das Glück. des Boͤſewichts vers 
ſchmaͤhn, 

Wenn wir fein blutend Herz, bedeckt mit Wuns 
den, ſaͤhn! 

Ach! feine Peiniger find feine ſchwarzen Thaten, 

Die auf der Unſchuld Hals einft übermütbig traten, 

Nun wache Furien , die feine Seele nährt, 

Und wider fid) mit Stahl und Gift und Muth 

R bewehrt. 
Mit Schaudern fieht er fih : durchs feile Lob 
der Thoren, 
Schallt ganzer Laͤnder Fluch in ſeine leiſen Ohren; 
Und koͤmmt die ſtille Nacht, fo fuͤhret fie die 
Ruh 
Dem Armen, aber ihm der Hölle Schrecken zu. 

Wie ſanſt ſchlaͤſt unteroeß der Weile , deffen 
Waren 

Ein froh Bemühen war , nur Glückliche zu 
machen; 

Dem ein verfloffner Tag drum nicht verloren ift, 

Und fpäte Reue nicht am wunden Herzen ſrißt! 


Kk4 Auf 


520 nenn, 


Auf ofen fchläft er ein: in anmuthsvollen 
Bildern 

Wird ſein Gewiſſen ihm das Gluͤck der Tugend 
| ſchildern: 
Sein Schlaſ wird holde Ruh. Der Sonne 

| neuer Kauf 

Weckt ihn zu neuer Luft, zu neuem Guten auf. 
Ihm iſt fein gütig Herz die Duelle wahrer 


' Freuden, 
Die unvertrocknend fließt, erquicfend auch im 
Reiden, | 
Wie frifcher Morgenthau 9* matte Feld er⸗ 
quickt, 
Und mit veriuͤngtem Gruͤn verbrannte Fluren 
ſchmuͤckt. 
Ein Sklav der Sinne kann vernuͤnſtiges Er⸗ 
| gößen, 
Das nur die Seele fühle, nicht fühlen, und nicht 
| ſchaͤtzen. 


Der Poͤbel ſieht erſtaunt des Weiſen Angeſicht, 
Sieht ſeine Heiterkeit, doch ihre Quelle nicht. 
Wie darf das Laſter noch ſein wild Vergnuͤgen 
preiſen? 
Sieh, auch die Wahrheit beut dem tugendhaften 
Weiſen 
Erhab'ne tr dar! Er macht an ihrer 
Hand, 
Von einem Licht beſtralt, ſich die Natur bes 
kannt; 
Durch⸗ 


— 521 


Durhforföt ihr weites Reich, wo iene Sonnen 
glänzen, = 
Die. und die Nacht verräth, und findet Feine 
! Graͤnzen, 
Und fets von Welt auf Welt geflügelt Binz 
geruͤckt, 
Erblickt er immer Gott, bewundernd und ent— 
zuͤckt. 
Ermüdend ſenkt er ſich mit irrenden Kometen 
Nach * Aufenthalt, dem ſchattichten 
Planeten, 
Entdeckt mit kuͤhnem Blick des Donnere furcht⸗ 
| bar'n Siß 
Im — und uͤberraſcht den 
Blitz. 
Er freut fi — aberal, zur Schande ſtolzer Blinden, 
Die Ordnung der Natur, und Gott in ihr zu 
finden; 
Gott auf den Ocean und im beſtaͤubten Wurm, 
Im fanft bewegten Gras und im erjürnten 
Sturm; 
Gott aud) an unferm Leib und im verborg’nen 
Dande, 

Das thieriſches Gefühl mit engliſchem Ver—⸗ 
ſtande, 

Mit einem Geiſt vereint, der aͤuß're Dinge ſieht, 


| Rs Auch 


522 


Auch ſich ſehen wuͤnſcht, ch fur, und vor 
ſiich fliehe. 
Lauf einmal, edler Freund, mit eilenden Ges 
danfen, 
Die Wiſenſchaſten durch; miß' ihre weiten 
| Schranken: en 
Sieh, wo der größte Wiß nur zweifelt, oder 
ſchweigt, 
Und wo die Menſchheit ſich in ihrer Groͤſſe 
zeigt. 
Was Kenntniß, Wiſſenſchaſt, was Kuͤnſte 
ſchoͤnes haben, 
Ein unergruͤndlich Meer, das unerſchoͤpft an 
Gaben, 
Stets giebt und immer hat, iſt in des Weiſen 
Bruſt, 
Der ſich vergnuͤgen will, die Quelle beß'rer 
Luſt. 


Wie ſehr erweitert ſich die Sphaͤre wahrer 
Freuden, 


Die von des Poͤbels Luft ſich glänzend unters 
ſcheiden! 


So funfelt Stern an Stern, Mann um die Ä 
Mitternacht 


Ein wolkenloſes Blau hoch am Olympus lacht. 
Nichts 


— 523 


Nichts niedriges vermag, den edlen Geiſt zu 
binden, 

Der da Vergnuͤgen ſucht, wo es die Engel 
h 4 finden, 


Sich mit Erkenntniß naͤhrt, und mit belohnter | 


# Muh 
Erhab’ne Kräfte braucht, fein Vorrecht vor dem 
Bieb; 
Durch ſie beflügelt , ſich in lichte Höhen 
ſchwinget, 
Und eines Himmels Luſt herab zur Erde bringet, 


Wie rein und unvermiſcht, ſtill, aber dauerhaſt, 


Sind Freiden, welche ſich die Seele denkend 


u 


ſchaft! 
Sie ſind die Grazien, die nur dem Weiſen | 
| lacben, | 
Und ihm die Einfamkeit fo liebenswuͤrdig 
machen, 
Und ihn vom Weltgewuͤhl, wo tauſende ſich 
fliehn, 
Zum ſchweigenden Gemach, zur ſpaͤten 
AR, ziehn. 
Sie fliehn mit ihm aufs Land, und adeln 
Stunden, 
Ereictern ihm ein Joch, an das ihn Gott 
gebunden, 


Und 


B24 — 


Und folgen ihm zum Thron „in Seenen bunter 


| Pracht, 
Und ſolgen ihm vom Thron, in oͤder Kerker 
> RR 7 | 
Stets flüchtig „ſtets zu kurz, doch koſtbar zu 
gewinnen, 
Und oft verderblich ſind, die Freuden unſrer 
Sinnen: 
O Thor, der nied’rer Luſt ein ganzes Bchen 
weht, | 
Die shmeichelnd im Genuß ihm lange Dunalen 
dräuf! 
ß | Uz. 
* I STETTEN, 


ee — nn tg, 
I 


VIII. 


UL... 


epdben 


und 


ßymnen. 


— 


J 





— — 527 


Froher Genuß der Zeit. 
(1.28. 3. Ode des Horaz.) 


Venerim Ungluͤck niemals die Faſſung Freund! 
‚Und wenn das Gluͤck dir lachet fo maͤßige 
Den Taumel uͤbertriebner Freude, 
Delius; denn du wirſt einmal ſterben. 


Du magſt dein ganzes Leben durch traurig ſeyn, 
Du magſt am Feſttag öfter im fernen Thal, 
Auf Raſen bingeftrecft, mit gutem, 

Alten, Falerner did) frolich trinfen. 


Dort, wo die hohe Ficht' und der Pappelbaum, 
Die Aeſte fi) zu wirthlichem Schatten reiht: 

Wo fih der fohnelle Bach lauf raufchend 
Durd) die gekruͤmmte Bahn durcharbeitet, 


Dort ſchaffe Wein und Salben und Nofen hin: 
Die lieben Rofen! ach ! fie vermwelfen bald. 
Noch ift ung Alter und Vermögen, 

Noch find die Fäden der Parzen günflig. 


Bald mußt du von den Wäldern, vomHaus zu Rom 
Und deinem Landgut fort, das die Tyber nezt. 
Das mußt du; und die hochgethürmten 

} Sch)äße die werden dann deinem Erben. 

$ | Ob 


| J 





Ob du voll Reichthums, ob du vom Inachus 
Herabkoͤmmſt, oder arm und ein Bettler auf 

Der Gaſſe wohnſt; du bift zum Opfer 
Dem unerbittlichen Styx geweihet. | 


Dorf reiffef ung alle unfer Verhaͤngniß hin: 
Dort dreht ſich unſer Loos in der Urne ſchon. 
Und koͤmmt's heraus früh oder ſpaͤte, 

Seegeln wir fort in ein ewig Elend. 
| Maſtalier. 





— — — — — 


Zufriedenheit. 
(II. B. 10. Ode.) 


Wage nicht immer, o Licin, in's hohe 

Meer dich hinaus: noch ſtreich' am klippenvollen 

Ufer zu nah, aus Furcht entfernter Stuͤmme; 
Willſt du bergnüot ſeyn. 


Wer ſich die gͤldne Mittelftraffe waͤhlet, 

Wohnt nicht in ſchmutzigen vermorſchten Hütten, 

Aber zu gnüglam ſueht er auch Die neide⸗ | 
Vollen Dalläfte, { 


J 
Fleiſig ſchlaͤgt der Wind an hohe Fichten· 
Graͤßlicher hallt der Sturz erhabner Thuͤrme: 
Haͤufiger fährt der Blitz auf ey | 
Alpengebirge. J 


Mitten 


| ———— 529 


Mitten im Ungluͤck hofft des wahren Weiſen 
Seele, die dennoch felbft im Gluͤcke fuͤrchtet. 
Eben der Himmel, der die wilden Winter 
Zuͤhrlich zuruckfuͤhrt, — 


Tilget fie: drückt dich heut ein Ungluͤck, morgen 
Schwindet's. Nicht immer fpannt Apollo den 
| Bogen ; | 
Oſt weckt er wieder die verſtummte Leier 
Auf zu Gefängen. 


Laß did mit Muth und mit Geduld gerüftee 

Mitten im Elend ſchau'n: doch ziehe weislich 

Wieder die Segel ein, wenn allzugünft’ge 
Winde fie ſchwellen. 


rm ns ren 


er Wider 


350 | Vans 


Wider die Habſucht. 
SER v2. | | 


ein Geräth von. Elfenbein 
Ziert meine Säle, Feine goldnen Himmel: 
Kein Hymettiſches Gebälf 
Druͤckt Säulen ienfeit Lybiens gehauen; 
Keines reichen Attals + Burg 
Ererbt’ id) ſchlauer Fremdling; mir fpinnet Feiner 
Edeln Klientinnen Hand 
Den Purpur Sidons: — aber eine Leier 
- Ward mir , und ein Dicbtergeift 
Bon unverfiesner Ader: ia, mich Armen 
Sucht der Reiche. Mehr erbitt' 
Ich von den Goͤttern nicht, und mehr von meinem 
Koͤniglichen Freunde nicht, 
Durch ein Sabiniſch Thal genug beſeeligt. — 
Du, der feine Tage fliehn, 
Und Monde wachſen, Monde ſchwinden fichet, 
Du, dem Tode reif, bedinggt J 
Noch Marmorbrüche; thürmſt, dein Grab 
vergeſſend, 
Neue Schloͤſſer in die Luſt; 
Verdraͤngſt das alte Meer, das wider Baiens 
Vorgeworfne Dünen brauft, 
Durch alles feite Land noch nicht gefättige; 
a, verrücht den heil’gen Stein 
Der nachbarlichen Gränze ; fpringft , ein Käuber 
Uber des Klienten Hof: 
ae: 4* Und 





531 
Nachahmung Ddiefer Ode. 


ik Porcellan, Fein Atlas prahlt 
An meines kleinen Zimmers Waͤnden! 
Kein Oeſer oder Dietrich malt 
Fuͤr feinen Ruhm und mein Verſchwenden! 
Mars hat mid nicht einmal, im Grimm, 
Zum Grafen vom Spion verwandelt; 
Gefchweige denn Herr Ephraim 
In Kompagnie mit mir gehandelt ! 
Ein Herz, noch nad) der alten Welt, 
Nebſt einer Eleinen Dicditergabe, 
Die meinem lieben Gleim gefält, 

Iſt aller Reichthum, den ich habe ! 
Um mehr, verlier’ ich nicht ein Wort. 
Mit Nichts vergnügter,, als mit a | 
Sreibt einen Tag der andre fort, 
Und ſchwinden Monden , wie fie wachen. 
Du, fon im Grab mit einem uf, 
Rennſt immer noch nach neuen Riffen : 
Und gönnft dem täglich ſchmaͤlern Fluß, 
Fir Häufern, kaum mehr Plag su fließen; 
Entferneft ihn, wenn ſich, zu klug, 
Der Gränzftein felber nicht entfernte : 
Und zwickſt, mit oͤkonom'ſchen Pflug, 
- Dir iährlid) eine weitre Ernte. 

Da flieht, (ihr Leben in der Hand, 

Und nacte Kinder, fieche Weiber!) 
Der Armen Fluch des Vaters Fand, 

Und feinen Höllenreifen Räuber ! 

la Und 


538. — — 





Und Weib und Hausmann, ihrer et 
ihrer Liebe nacktes Pfand 

Im Schooße tragend , irren ausgeſtoſſen. 
Doch den reihen Stolz; empfängt 

Kein Sig gewiſſer, als des alten Orkus 

Siebenſach umfchränfte Burg. 

Vergeblich ftrebft du weiter: Eine Höhle 
Nimmt das Fürftenfind, und nimmt 
Den SHaven auf. Der Knecht des Hoͤllen⸗ 
* 5° (De 

Rudert nicht durch Gold verſucht | 
Hrometheus ſchlauen Geiſt zurück; er kerkert 
Den Tprannen Tantalus — 
Und Tantals Enkelföhne ; hört den Armen! Ä 
Seufzen unter feiner Laſt. N 
Und bilft, gerufen oder nicht gerufen. 


| Ramler. 


J 


rennen | 533 


And dennoch bleibt, von allem Raub, . - 
Kömmts hoch, dem grauen Miffethäter, 
Kein Gut, als einge Schaufeln Staub, 
And kein Pallaſt, als fieben Breter. 
Wo denkſt du Hin? — Gleichwillig deckt 
Die Erde Bettler oder Prinzen! 

Der Tod ſchickt Feinen Suͤß, "2 erweckt 
In ausgemergelte Provinzen; A 4 
Berheplt dem Vetter immer noch 
Des Ausgangs aus der Hille Stufen: 
And nimmt dem Dürftigen fein Soc, 
Gerufen-oder ungerufen! 


*) Der bekannte Wärtembersifche Zude Suͤß. 
Michaͤlis. 


re 
ET PER Ste ee ee 


| 


EU) UM. NS ürce 


 Therefin, die Mutter der Wiſſen⸗ 
ſchafften. 


Die groͤßte Frau auf Rudolphs altem Throne, 
Worauf fie Gottes Hand geführt; 
Die doppelt, erſt durch ſich, dann in dem groffen 
Sohne, 
Schon it verewigt wird. 


Im Male Hoheit, Huld und Menfhenliebe, 
Im Antlitz fanfte Maieftät 

Und in der Seel’ erhabne, königliche Triebe, 
Die iede That verraͤth: 


Umguͤrtet mit dem Schwerdt, das Regionen 
Der. Feinde fraß, von ihr befiegt: 
Die Waag in einer Hand, wo Scepter, Gold | 
und Kronen 
Die Tugend überwiegt : 


Nah an dem Thron die muͤtterliche Güte, 
Die ieden Tag ein Füllborn leert; 
Das Ohr vom Schmeichler weg, und nut zur 
leiten Bitte 
Der Dürftigfeit gekehrt — 


Halt, Mufe! diefes iſt noch nicht die ganze 
Thereſie; nein, diefem Bild 

Fehlt noch Minervens Helm, ihr Harı 

niſch, ihre Lanze 

> Und der Medufe Schild. | 

ae Ja, 


— —— 535 


Ja, Maͤchtige! vergiß den Ruhm der Kriege, 
Die deine Fabien geführt, | 
Um eine'höhre Luft, bey einem fchönern Siege, 
Der dir allein gebührt. 


Sieh! wie von deiner Hand erzeugt, gepflogen, 

Geebildet innge Kuͤnſte blühn. | 

Wie fie dein weites Neid) erobernd durchgeflogen, 
Und ung dir auferziehn. 


Dort bauen fie die feegenreiche Selder, 
Die fremder Roſſe Huf zertrat, 
als einſt Bellonens Wuth durch Boͤhmens finſtre 
Waͤlder 
Auf dich geſtuͤrmet hat. 


Hier ſchmieden ſie die moͤrderiſchen Waffen 
Zur Hoffnungsvollen Pflugſchaar um: 
Dort haben fie das Stuͤck zum Bildniß ums 
gefbaffen ; 
Nun iſt ſein Donner ſtumm. 


Und im Metall, das Staͤdt'in Schutt begraben, 
Sieh, athmet iezt Thereſie; 

Damit die Nachwelt noch die hoͤchſten —2 
Im Bild beyſammen ſeh. 


Doch ſchwiegen nur der Klio raſche Saiten 
Und ihrer Lieder Wiederhall; 
Was buͤlſen Statuͤen? Einſt nagt der Zahn der 
Zeiten | 
Am haͤrteſten Metall. 
214 Dann 


Fe een 


Dann rollen die Jahrhunderte darüber, 
Zerfehmettern der Koloſſe Pracht; 
Da liegt dein Cäfar, Nom! bedeckt vom Sand 
und Tyber, 

Und in Athen ift Nacht. 


Nur in des Pindars Lied glänzt noch der Sieger, 
Der einft die fhöne Palm? errang: 
Unſterblich iſt Achill, nicht durchs Geſchrey der 
| Krieger, 
Nein, weil Homer ihn ſang. 


Du, die zum Stoffe ihrer ſchoͤnſten Lieder 
Sp gerne groffe Namen wählt, 
O Mufe! wähle dir Thereſien; zu nieder 
Sn dir der wilde Held, 


An deſſen —— Blut, vermiſcht mit Zaͤhren 
Verwaiſter Braͤut und Muͤtter klebt: 

O ſing Thereſien, der Menſchlichkeit zu Ehren, 
Die nur fuͤr Menſchen lebt. * 


Zwar ſchwer lag oftmals auf des Feindes Ruͤcken 
Ihr Arm, wenn er gereizet ward; 
Doch haßt ſie blut'gen Sieg, (nur ſchonen und 
begluͤckfen 
Sind Siege Ihrer Art.) 


Und heilet ſelbſt des Kriegers kleinſte Narbe 
Mit Ihrer Guͤte Balſam zu: 
Schenkt 


Schenkt dem verheerten Landmann Feld und 
neue Garbe 
‚Dem Tapfern Lohn ‚und Kuh: 


Dann ſchauet Sie vom Thron vol Muttermilde 
Herab auf deiner Schweſtern Chor, 
Und zieht des. Pindus Ruh und binmigtes 
Geile 
Dem oͤden Sclachtſeld vor; 
Hört euren Spielen zu, und reichet ienen 
Die Gnad, und Schaͤtze volle Hand, 
Um die erſt euer a. ihr ganz Verdienſt zuu 
Frönen, 
Den ſchoͤnen kolberr wand. 


O nimm den ewigſten aus allen Kränzen, 
Und bind.ihn um Thereſens Haar: 

So foll in eurem Heiligthum Sie ewig glänzen 

—Die eure Mutter war. 


Drum fehlag’ an deine beften färkften Saiten, 
Daß es durch alle Zonen Flingt; 


Und Sie, von Ihr entzuͤckt, der Pard’ der legs 
ten Zeiten 


In feine Harfe ſingt. T 
| —F Maſtalier. 


J x \ ; 5 


Rtys Die 


538 mn nn 


—— "Die Zeit. 
9, der Scihnfung ‚Gebot über" he — 
ſprach, 


Und aus traͤchtigem Nichts ſtaunende Weſen rief, 
Sprach zur werdenden Zeit, als fie vor ihm 
| | etſchten 
Du nimm Fluͤgel, und raſte nie! 
Sie 9*— Fluͤgel, und flog, und der geſchwinde 
Pfeil, 
Und der. ftreifende Nord , und: der. geſtuͤrzte 
Strom 
lieben müde zuruͤck. Selbſt der Gedanken Flug 
Kriechet arbeitſam hinter ihr. 
Dennoch ſchilt ſi e der Thor, wenn er gefells 
ſchaftlos, 
ueberlaffen ſich felbft lange Sefunden zählt, 
Dennoch ſchilt er fie träg, wenn ihm dann auf 
ſich felbft 
Mancher fhaudernde Blick entfährt. 
Wenn ums goldene Bett ſchwarze Phantomen 
ſtehn 
Wenn ſein zagender Geiſt Dornen auf Schwa⸗ 
nen fühlt, 
Und der lautere Ruf feines Gewiſſens ist 
Durch die naͤchtliche Stille tönt. 
9 dann wuͤnſcht er den Tag, welcher den Mu⸗ 
ſenfreund 
Son vom Abendroth ber ‚, feiner 0,77 
i Tie 


—— au 


Tief: verloren ins Meer weiler Betrachtungen 
Dep der wachenden Lampe finde. 

‚ Aber. Bü ‚er auch dann , fluͤchtige Zeit ! dich 
5 | träg, 
Wenn im Thore des Thals ihm die Verweſung 
| | winkt, 

Und vom Staube ſein Geiſt wartender Ewigkeit 

Ahndungvoller entgegen bebt? 
Wenn das, was er verlebt, klein wie ein Atomus, 
Sinds Jahrhunderte ſchon, dennoch ein Atomus, 
Den im luͤftigen Raum ſchwimmend ein Nord 
verhaucht, 

| Kor der fchwigenden Stirne ſchwebt? 

O dann flucht er dem Wahn, der ihn ſo lang 
| getäufcht,, 
Der dem Aatternden Einn Jahre vertändeln hieß, 
Dann erſt fieht er den Werth eilender Stunden ein, 
Wäouͤnſcht fein Leben zurück — und ſtirbt. 
Zeit! unfhägbares Gut! Weife nur kennen dich. 
Sie nur geizen nad) dir. Jeglicher Augenblick 
Flieſſet Weifen gebraucht. Weifen ift nur bewuft, 

Was oft eine Minute lehrt. 
Freund! die längereZeit, die ſich der Thor vertreibt, 
Der ins funfsigfte Fahr buhlet und fchwelgt und 
* ſpielt, 

Freund! o ſage, warum gab ſie der Himmel nicht 

| Schlegeln, Bravben und Cronegken? 


ER Denis. 
a 





Auf 


549 \ — 


Auf die Wiederkunft des Koͤnigs. 


D, er Held, um den du beb£efl , wann im Streite, 
Wohin ihn dein Verhaͤngniß trug, 

Der ehrne Donner von den Bergen ihm sur Seite 5 

Die Feldherrn niederſchlug: 


Da wider ihn mehr Feinde ſich gefellten,. 
Als dir die Nachwelt glauben darf, Ä 
Und er fid) mit entſchloßner Seele zweyen Welten, 
Allein entgegen warf; 


Dein König, o Berlin! durch den du — 
Als alle deine Schweſtern biſt, 
Voll Kuͤnſte deine Thore, Felſen deine hal, 
Die Slur ein Garten il; 


Dein Vater , der dich oft in deinem Mangel 
Gefpeift, — kehrt wieder in dein Sand, «= 
Und hat in Feſſeln an der Höllenpforten Ange 
Die Zwiefracht hingebannt. dan Syn 


Fall an fein Herz, o Koͤniginn! ! mif Zaͤhren 
Der Freude; fleuch an ſeine Brut,» / 
Amalia, von deinen frommen BERN. 
Und rede, wenn die Luft * 


Dich reden laͤßt; Vermaͤhlte ſeiner Bruͤder, 
Kuͤßt fein friedſeelig Angeſicht; 
| Will⸗ 


/ 


34T 


Willkommen, Schußgeift deines Volkes! Und 
| tagt wieder: 
| WBilfommen ! und mehr nicht, 


nn — — — — 


ehr Jungfraun , beit mit immer grünen 
‚Zweigen, 
Mit einem ganzen Lorbeerhain 
Den Weg; miſcht Blumen, die der offnen 
ß Erd' entſteigen, 
Und fruͤhe Bluͤthe drein! 


Ihr edlen Muͤtter „opfert Specereien, 

Die Maraba den Tempeln zolht, 

Da, wo ſein goldner Wagen durch gedraͤngte 
Reihen 

Entzaͤckter Augen rolt. 


Heil uns, daß unſer Morgen in die Tage 
Des einzigen Monarchen fiel! 
So ſagt, ihr Juͤnglinge. Du Chor der Alten 

fage: 
Em ung, "af wir das Ziel 


So viel gefrönter Thaten fahn ! wir fterben 
Yon Wonne frunfen : Friedrich 
Bleibt hinter uns: ihr ſtolzen Enkel ſollt ihn erben. 
Triumph! ſo ſag auch ich: 


Wenn unter hohen, iubelvollen Zungen 
Ein füffer Ton auch Mir geriet: 
J Triumph 


Triumph Ich hab’ ein Lied dem Goͤttlichen 
gefungen 
Und ihm gefällt mein Lied, 


Ramler. 








An die Stadt Berlin. 


Sa fahe fie! (mir zittern die Gebeine!) 
Ich ſah, befümmertes Berlin, | 
Die Göttinn deines Stroms vor deinen Tanz 
nenhaine _ a 
Mit ihren Schwänen siehn ! | 


Vergoͤnne mir Naiade, nachzulallen, 
Was mein erilauntes Ohr durchdrang, 
Und was dein Goͤttermund den Saunen fang, 
und allen 
Hamadryaden fang. — — 


Sey mir gegruͤßt, ER RER meine Krone! 
Die Städte Teutſchlands buͤcken ſich! 
Es hoͤren meinen Stolz Belt, Donau, Wolga, 
Rhone, | 
Und weichen hinter mic ! 


Was fürchten wir, ift gleich die Zahl des 
Feindes 
Wie dieſer beiden Ufer Sand? a 





H Tochter! haft du nicht zur Seife meines 
Freundes 
Stets einen Gott erkannt ? 


| Stritt FJupiter nicht ſelbſt mit Friedrichs 
Volke, 
Und donnerte den Feind zurück? 
* nicht der Krieges-Gott einſt ploͤzlich eine 
— 
8 feines Moͤrders Blick? 
Sah ich nicht iuͤngſt, Cals er vom fernen 
Suͤden 
Den Rieſen aus der Mitternacht 
Sein Heer entgegenriß, ein kleines Heer von 
Muͤden, 
Bereit zur zehnten Schlacht. ) 


Wie das Panier, von feiner Hand gefaffet, 
Zur drohenden Aegide ward ? 
Die Feinde ſahn den Schild der Pallas, die ſie 
haſſet: 
Und hafteten, erſtarrt 


Am Boden; bis ſie durch ſein Heer zerſchlagen, 
Das unaufhaltſam weiter drang, 
Wie Halmen von des Himmels Schloſſen nie— 
| derlagen 
eebunken Hufen lang. 


— 





Ja, dinget nur die halbe Welt zufammen, | 
Und ralet wider einen Mann, 
Und wendet wider ihn Verrath, Nacht, Mein 


eid, Flammen, 
Den ganzen Orkus an. 


Boruſſiens gerechter Held ſoll ſiegen! 
Die Götter ſchuͤtzen ihren Sohn. 
Vald wird er im Triumph zu feinen Kindern fliegen, 
Er koͤmmt, ich ſeh ihn ſchon! 


Er koͤmmt, das Haupt mit Elle rund 
umwunden, 
Wie Delius Apollo kam, 
Als er den Python ſchlug und ihm mit tauſend 
Wunden 
‚Die ſchwarze Seele nahm. | 


Eilt, ihn im Erz den Enkeln aufsuftellen ! 
Eilt einen Tempel ihm zu mweihn | 
Am Rande meined Stroms! id) brenne,. feine 
| Schwellen * 
Mit Blumen zu beſtreun. 


Die 


— 545 


Die Wiſſenſchaft zur leben. 


En groſſer and vielleicht der groͤſte Theil des 
J Lebens N) 
Das mir die Parce zugedacht, 
Schlich, als ein Traum der Nacht, 
Mit ne Flügeln hin, und war vielleicht 
vergebens! 


Vergebens flammten mir ſo vieler Tage 
Sonnen, 

Wenn ich, vom Schoͤpfer aufgeſtellt, 

Als Buͤrger einer Welt, 


Durch eine gute That nicht ieden Tag getsonnen: : 


Wenn ich der Tugend Freund und groß 
| durch Menfchenliebe, 
Frey von des Wahnes Eprannen, 
Wahrhaftig groß und fry, 
Erſt werden fol, nicht bin, und es zu feyn 
| verſchiebe. 


Wie? wer nad) Golde geist, obaleich kein 
Gold begluͤcket, 
| Braucht alle Stunden zum Gewinn, 
Und läuft nad) Wucher hin, 
Wenn Faum der iunge Tag aus weiſſen Wol— 
ken blicket. 


Mm Indeß 


246 — 


Indeß die halbe Welt, von ſanftem Schlaf 
umflogen, 
In bleicher Daͤmmrung ſtille traͤumt; 
Hat iener, ungeſaͤumt, 
Schon Gelder angelegt, ſchon Zinſen abgezogen. 


Wir leben niemals heut! wir ſchieben auf 
zu leben, | 
Big einſt ein guͤnſtiges Geſchick 
Uns ein geträumtes Gluͤck, 
Nach Vorſchrift unſers Plans und Eigenſinns 
gegeben. 


Wie lang herrſcht uͤberall der Thorheit alter 
Glaube, | 
Als Fönnten wir uns nicht erfrenn, 
Nicht weiſ' und gluͤcklich ſeyn 
In einem ieden Stand, im Purpur und im 
Staube! 


auf Blumen ſeh ich hier den armen Land⸗ 
mann liegen, 84 
Den ein gepachtet karges Feld 
Nur kuͤmmerlich erhaͤlt: 
Um ſeine braune Stirn lacht ruhiges erahnen. 


Er lebt, wenn fein Thrann, der ieden Fa 
bethraͤnet, 
Sich um das Leben ſelbſt betruͤgt, 
Und, immer unverqnuͤgt, 
Reich, aber hungrig ſtets, nach gröferm Reichs 
| thum haͤhnet. 
Doch 


— nn 547 


: Dody Klotho wartet nicht, bis wir genug 
erlangen; 
4 Und wenn ſie uns zur kuͤhlen Gruft 
Und in die Stille ruſtt, 
So haben Pe nie zu leben angefangen. 
u: 








Der wahre Muth. 
Mir blindem Ungefiüm sin sweifelhaften 
Schlachten, 
Die drohende Gefahr verachten, 
Dem Tod entgegen gehn, iſt oft erkaufte Muth, 
Nicht Lorbeernwerther Heldenmuth. ) 
Dort, wo die Menſchheit fchläft, in einer 
Welt von Wilden, 
Sin Srofefifehen Gefilden, 
Verſtroͤmt ein Barbar oft fo freudig, als der 
Held , 
Sein Blut aufs leichenvolle Feld. 
Doch, ſoll ich wahren Muth mit 
9* Saiten preiſen, 
Wo find’ ic) ihn als bey dem Weiſen, ' 
- Der mit Selaffenheit, nicht ſtoiſch aufgeblähf, 
An fein befiimmtes Leiden geht? 
Der Tod umfchattet ihn mit ſchnellen Si 
ſterniſſen, 


Ruſt unbetvegt in feinen Schlüffen, 
| IR m'2 Ihn 


548 nn. nf 


Ihn aus der Frenndfchaft Arm, und aus der 
Liebe Schooß 
Und findet ihn bereit und groß: 
Groß, wann voll Furcht und Angſt die Könige 
| der Erden 
So Fein als ihre Sklaven werden, 
Und. vor dem früben Blick, gleich einem Traum 
verfliegt , 
Was den betrognen Stolz betrügf. 


Als Held ſtirbt Sokrates, der für die Tu⸗ 
gend leidet, 
Und, wann er aus dem Leben ſcheidet, 
Ein befres Leben hofft, und feiner Ewigfeit 
Sich, ihrer werth, entgegen freut, - 


Athen hat ihn verdammt, die Wahrheit 
| loggefprochen ; | 
Sein leßter Tag iſt angebrocen: — 
Die — ſtehn um ihn; ihr maͤnnlich Auge 
weint 
um einen un einen Freund. 


& aͤchelt: Elagt ihr auch? Gerede ift eure 

Klage, 

Kenn Sofrateg an diefem Tage, 3 
Der ganze Sokrates durch Faltes Gift ei, 

Und in fein: erſtes Nichts entweicht. —— 


Ich fühle, daß in mir ein adtelich Emas lodert, 
Das lebt, wenn ſeine Mle modert: * 
Mir 





549 


Mir lifpelt die Natur ist lauter, als zuvor: 
Du biſt unfierblich ! in das Ohr. 
Selbſt meine Seele zeugt von ihrer hohen 
| Würde: 
Selbſt dieſe brennende Begierde 
Nach Wahrheit; ; welche flieht, verhuͤllt in Duns 
kelheit, 
Iſt Ahndung der Unſterblichkeit. 


Wir Reigen ſtufenweis zu ſtets erhabnen 
Sphaͤren: 

So lang die Pilgrims-Jahre waͤren, 
Irr ich im dunklen Wald, mo zweiſelhaſtes Licht 
Duurch dichte Zweige daͤmmernd bricht. 


FalBs bald wird mich der Tod, obaleic) auf 
ſchwarzen Schwingen 
Zu einem hellern Auftritt bringen, 
Wo ewiger Mittag, der nicht an Schatten graͤnzt, 
Voll Klarheit in die Seele glaͤnzt. 


Da ienfeit meines Grabs ih weil’ und - 
glücklich) werde, 

So geh ich froͤlich von der Erde. 

Vor dieſem dunkeln Weg beb' an des kalers 
Bruſt 

Der feige Sklave niedrer Luſt! 

Die falſchen Freuden fliehn, gleich den ge— 

ſcheuchten Schafen; 


| Und ihn erwarten fhmere Strafen, - 
Dr m 3 Erwar⸗ 


E50 nn un nn — 
Ervwartet, nach dem Tod, die ſtrenge Remeſis, 
In Gegenden der Finſteruiß. 


Auch Seelen, die im Leib nicht blos dem 
Leibe lebten, 

Und. nad) den wahren Guͤtern firebten, . 
Erheben ſich im Tod , und fehwingen Feſſeln 

hi We | 

Vor ihrem Grabe fid) vorbey: 


Und merden bingerückt in Auen, wo der 
Friede, 
Bey Philomelens holdem Liede, 
Bald im bebluͤmten Thal, bald bey ad 
Fluth, 
Im Schooß des Fruͤhlings ewig ruht. 


Er ſprach und Freude gluͤht in feinem Ans 
geſichte: 
Sein Auge ſchien mit ſanftem Lichte, 
So heiter als es war, wann ihm des Freun⸗ 
des Hand. 
Beym frohen Gaſtmahl Kraͤnze wand. 


Kein unvergnuͤgtes Wort entfiel dem weiſen 
Munde, | a 
Doc flog die feierlide Stunde, 
Die Stunde, die den Freund aus Freundes 
Armen raubt, 
Schon wartend über feinem Haupt. 


Er, 





| | 551 





€, it. vol wahren Muths, wann oft die 
* Starken beben, 
War ferbend aröffer , ale im Leben: 
Sein Tod war: glänzend , frey, ſelbſt unter 
aͤuſſerm Zwang 
War einer Sonnen Untergang. 


Die Koͤniginn des Lichts laͤßt ihre lezten 
* Stralen 
Des Meeres blaue Schuppen malen 
Und weicht mit Maiefiär, im Purpur ihrer 
de IR. Pracht, 
Dem kalten Sande a Racht. 











Die Glücfeeligkeit. 


Da Wahrheit ernſte Stimm’ erſchallt in 
meinem Buſen: 

Hoͤrt eure Lehrerinn! ſie ſelbſt hat mich ernannt 

Und auf den Fluͤgeln ſuͤſſer Muſen 

An euch, ihr Sterblichen! geſandt. 


Es flammt ein Weltenheer in angewieſnen 
| Graͤnzen: 
Es iſt im lichten Raum, wo in beſtimmter Bahn 
Die ungezaͤhlten Sonnen glänzen, | 
Der Ordnung alles unterthan. 


Mu Zur 


252% — — 





Zur Ordnung ward, was iſt, eh etwas war, 

erleſen: - 

Sie fordert ‚fanften Weſt, und — Un⸗ 
geſtuͤm: 

Ihr Band verknuͤpfet alle Weſen, 

Vom Staube bis zum Cherubim. 


Der ganzen Schoͤpſung Wohl iſt unſer 
erſt Geſetze: 
sch werde gluͤcklich ſeyn, wenn ich durch keine 
That 
Dieß allgemeine Wohl verletze, | 
Zür welches ich die Welt betrat: 


Wenn wider meine Pflicht mein Herz fi 
nicht empöref, 
Und niedrer Eigennuß, der die Begierden ſtimmt 
Und ihre Harmonie zerfiöret, 
Nicht unter meinen Trieben glimmt. 


Die Duelle falfher Luft, die Ariſtipp ges 
funden, | 
Haucht elle Bitterkeit felbft unter Blumen aus, 
Den Weichling drücken leere Stunden, _ 
Die Nude flieht fein marmorn Hans. 


Denn reine Freude quillt allein aus reinem 
Herzen: 
Sein Zeugniß, daß wir thun, was unſre Pflicht 
Air gebeut, 
Entwaffnet Ungedult und Schmerzen, 
In Tagen voller Dunkelheit, | 
ıR | Quaͤlt 


en : 553 


Dualt mid) fein Urtheil nicht mit nagendem 
| Verdruſſe, 

Sp fen mein Eigenthum der ſchlauen Bosheit 
| Raub; | 
So trete mich mit ſtolzem Fuſſe 
Das uneeflüme Gluͤck in Staub. 


Ich winſle nicht um Troſt, nicht weibiſch um 
Erbarmen: 
Die Ruhe folget mir zum niedern Strohdad) hin, 
Bo ich in reiner Wolluſt Armen 
Dur) Unſchuld reich und glücklich bin. 


Sept innre Ruhe nicht; was fehlet meinem 
geben / 
gs: was entbehrlid) und unentbehrlid (deine ? 
Sollt ic) bey iedem Unfall beben, 
Ind weinen, wenn die Thorheit meint ? 


Mit weiſer Huld vertheilt das Schickſal Weh 
und Freuden, 
Das bald auf Roſen uns durchs Leben wandern 
heißt, 
Bald aber durch bedornte Leiden 
Des Laſters Armen uns entreißt. 


Ein Blick in vorig Leid wird kuͤnſtig uns 

| entziicken, 

Wenn unferm Auge fh der Drdnung Plan 
ash entdeckt, 


Mus Der 





Der nun vor unfern Fühnen Blicken 
In heilig Dunkel fih verſteckt. 








z > 


Theodicee. 


Mit ſonnenrothem Angeſichte 
Flieg ich zur Gottheit auf! Ein Stral von ihrem 
Lichte 

Glaͤnzt auf mein Saitenſpiel, das nie erhabner 
klang. 

Durch welche Toͤne waͤlzt mein heiliger Geſang, 

Wie eine Fluth von furchtbarn Klippen, 

Eid) ſtroͤmend fort und brauſt von meinen Lippen! 


Ich will die Spoͤtter niederſchlagen, 
Die vor dem Unverſtand, o Schoͤpfer! dich 
verklagen: 
Die Welt verkuͤndige der hoͤhern Weisheit Ruhm! 
Es oͤffnet Leibnitz mir des Schickſals Heiligthum; 
Und Licht bezeichnet feine Pfade, 
Wie Titans Weg vom oͤſtlichen Geſtade. 


| Die dirfe Finflerniß entweiche, _ 

Die aus dem Acheron, vom ſtygiſchen Geſtraͤuche 
Mit altem Graufen fi) auf meine Wege häuft, 
Wo fiolzer Thoren Schwarm in wilder Irre läuft, 
Und auch der Weife furchtſam ſchreitet, 

Oft ſtille ſteht und ofe gefährlich gleitet, 


Die 


— 555 


Die Riſſe liegen auſgeſchlagen, | 
Die, als die Gottheit ſchuf, vor ihrem Auge 
lagen: 


as Reich des Moͤglichen ſteigt aus gewohnter 


Nacht. 
Die Welt verandert ſich, mit immer neuer Pracht, 


Nach tauſend lockenden Entwürfen, 
Die eines Winks zu ſchnellem Seyn beduͤrſen. 


Der Sextus einer beſſern Erden 


Zwingt nicht Lucretien, durch Selbſtmord grob 


zu werden: 


| An feinem 3 Dolce ſtarrt ihr unbeflecktes Blur. 


Das —— Rom, der Schauplatz jeiger 
Muth 


Und viebiſcher Domitiane, 
Herrſcht unverheert in einem ſchoͤnern Plane. 


Doch sun und Falte Schatten 


Gehn über Welten auf, die mid) entzuͤcket hatten: 
Der Schöpfer wähle fie nit! Er wählet unfre 


Welt, 


Der Ungeheuer Sitz, die, Helden beygeſellt, 


In ewigen Geſchichten firalen, 
Der DRFRIBAGE Schmach, das Werfzeug ihrer 
Qualen. 


Eh J die — lobten, 
Und auf fein ſchaffend Wort des Chaos Tiefen 
[> | tobten "- 


Erkohr 


— 


556 ze 


Erkohr der Weifefte den ausgeführten Plan: 
Und wider feine Wahl will unfer Maulwurfswahn, 
Will folge Blindheit Recht behalten, 

Und eine Welt im Schooß der Nacht verwalten ? 


Bon welcher Sonne lichtem Strale 


“ Weiche meine Sinfternif ! Wie, wann aus | 


ſeuchtem Thale: 
Der frühe Wanderämann auf hohe Berge dringt, 
Schnell eine nene Weltvor feinem Ang entfpringt, 
Und Reiz die groffe Weite zieret, 
Bo fid) der Blick vol reger Luft verlieref: 


» Denn Fluren, die von Blumen düften, 

Gefilde voll Geſangs und heerdenvolle Triften, 

Und hier Erpfiallne Fluch , vom grünen Wald 

umkraͤnzt, 

Dort ſerner Thuͤrme Gold, das durch die Wol⸗ 
ken glaͤnzt, 

Begegnet ihm, wohin er blicket: 

Sp wird-mein Geiſt auf feinem Flug entzücker, 


\ 


Sch habe mic) empor geſchwungen! 
Wie groß wird mir die Welt! die Erde flieht 
verfchlungen: bay: 
Sie macht nicht mehr allein die ganze Sihö 
pfung aus! — 


Welch kleines Theil der Welt iſt Rheens finſtres 


Haus! 
Und 


—— 557 


Und Menſchen! welche kleine Heerde 
Seyd ihr nun erſt auf dieſer kleinen Erde! 


Goͤnnt gleiches Recht auf unſerm Balle 
Geſchoͤpſen andrer Art! u Schoͤpfer liebt fie 
alle: 

Die Weisheit ſelbſt entwarf der kleinſten Fliege 
| Gluͤck. 
Ihr Schichſal iſt beffimmei, fo gut, als Noms 
| Geſchick 

Und als das Leben einer Sonne, 
Die glänzend herrſcht in Gegenden der Wonne. 


Seht, mie in ungemefiner Ferne 
Orion und fein Heer , ein Heer bewohnter 
| Sterne, 

Bor feinem Schöpfer fi ch in lichter Ordnung 
| drängt. 

Er ſi eht, er fi eht allein, wie Sonn an Sonne | 
} hängt, - 

Und wie sum Wohl oft ganzer Welten 
- Ein Uebel dient, das wir im Staube ſchelten. 


Er fieht mit heiligem DBergnügen 
Auf unſrer Erde felbft fid alle Theile tigen, 
Und Ordnung überall auch to die Tugend 
Weine: 
I findet , wenn fein Blick, was boͤs und 
| aa fcheint, 
Im 


558 


Im Schimmer ſeiner Folgen ſlehet/ 
ae was gefihieht „ aufs befte ſtets oeſciehet 


Es feide mit geprieſnem Muthe — 
Die Gattin Kollatins ! Es keimt aus ihrem 
Blute 
Die Freyheit cine? Volks, die einſt Katone 
| zeugt: 


Bis kuͤhne Tyranney, vom Laſter groß iaet, 


Die ſpaͤt verlaffne Tugend raͤchet 
Und Kom durch Kom beſtraft und frafend 
| ſchwaͤchet. | —— 


Entkraͤſtet in verdienten Ketten, 
Wie fol ſich Latium vor ſremdem Joche retten? 
Sieh! dag entmannte Nom verfällt in Schutt 
und Grau, ! 
Der Falte Norden fpeit ein Volk der Wilden aus, 
Das durchs Verhaͤngniß überwindee, 
Im Tinftern ſaß und Licht und Wahrheit findet. 


Die ihr ein Stuͤck vom — ne 
Dom Ganzen, das ihr bloß nach eurem Wins 
ae kel Fennet; 


— 


Verwegen tadelt ihr, was Weiſe nicht verfiehn. 


O koͤnnten wir die Welt im Ganzen überfehn, 
. Wie würden ſich die dunkeln Flecken 


Bor unferm Blick in gröffern Glanz verſtecken! 


Soll 





559 
er Welten alles Boͤſe fehlen? 


So mufte nie den Staub der Gottheit Hauch 


beſeelen; 


Denn alles Boͤſe quillt bloß aus des Menſchen 


Bruſt: 


So muß der, Menſch nicht feyn : welch gröfferer 


Verluſt! 


Die ganye, Schöbfung wuͤrde trauern, 
Die Tugend flichn und-ihren Freund bedauern, 


Ihr Weiſen, hättet nie entzuͤcket, 


Die ihr die Schöpfung mehr, als hundert Sons 


nen, ſchmuͤcket, 


Und Hrdnung herrſchte nicht im Reiche der 


Natur, 
Die niemals flüchtig ſpringt, und ſtuffenweiſe nur 


Auf ihrer güldnen Leiter ſteiget, 
Wo ſich der Menſch auf mittlern Sproffen zeiget. 


Vom Wurme, der voll gröffrer Mängel 


Auf ſchwarzer Erde kreucht, und vom erhabnen 


Engel 


- Sind Menfchen gleich entfernt , und beiden gleich 


verwandt. 


Ihr freyer Wille fehlt , ihr himmliſcher Verſtand 


Entflieget nie der engen Sphaͤre: 


Stets feſſelt ihn des Leibes träge Schwere, 


Es rauſchen laute Spoͤttereyen 


Um mein verachtend Ohr: viel ſtolze Klugen 


ſchreien 
| Dem 





Dem armen Sterblichen des Willens Freyheit ab. 
Die Sflaven ! welche das, was weile Güte gab; 
Der Menſchheit Vorrecht, , nicht erfennen, 


Und, gleich dem Vieh , 4 deffen unwerth 
nennen 


Nerzärtelt eure Beidenfchaften: 
So berrichen fie zulezt; fie bleiben ewig haften ; 
Ein diamantnes Band Fnüpft fie an euer Herz. 


Der freygeborne Geift erblickt nicht ohne 
| Schmerz, 

Sich endlich in veriaͤhrten Banden, 

Und iſt ein Knecht, weil er nicht widerſtanden. 


In allen Ordnungen der Dinge, 


Die Gott als moͤglich ſah, war Menſchenwitz 
geringe: 


Der Menſch war immer Menſch, voll Unvoll⸗ 
kommenheit, 


Durch Tugend fol er ſich aus dunkler Niedrigkeit 
Zu einem hoͤhern Glanz erheben, 
Unſterblich ſeyn, nach einem kurzen Leben. 


Mein Schickſal wird nun ‚angefangen, 
Hier, mo das Leben mir in Daͤmmrung aufs 
gegangen: 
Mein Geift bereitet fich zu lichtern Tagen vor, 


Und murrt nicht wider den, der mich zu Staub 
Ä erkohr, 


Mich aber auch im Staube liebet, 
Und hoͤhern Rang nicht weigert, nur verſchiebet. 


— — — —— 
7* 





er 


N 


561 


—— 


Jeſus ſchlaͤft auf dem Meer. 


Süust fanfte du Wind und ſpielt ihre filbers 
De nen Wellen, 

Um: den beſten, den goͤttlichen Freund! 
Ruhig fuͤhret ihn; ſeyd ſtill ihr murmelnden 
Ba Mogen ! 
Wetket die — Liebe nicht auf? 


al, ein wildes Getoͤs ſtuͤrmt aus dem brüls 
lenden Schlund der 
ESchwargen donnernden Hoͤllen herauf? 
wad ein tobender Sturm wirft Berge von wir—⸗ 
| beinden Fluthen 
44 Auf das zerſplitternde Fahrzeug hinab? 


Dede, ſprangen fie hin sum Herrn die zagenden 
Juͤnger: 
ach! wwir ſterben! du ſchlummerſt dazu 2” 
„Rinder! ‚glaubet doch nur; fo fagt er mit troͤ⸗ 
| fender Stimme: 

* „Seyd doch nicht furchtſem! bin ich nicht 
a 4 bey euch ® »- 

Und 


“e) Diele Dde ift gegen das Ende des letzten 

7 Krieges gemacht worden, zu einer Zeit, 
da die fireifenden Mächte ihre Armeen aes 

+; Waltig verflärften, und ein arofjer Theil 
Teutſchlands unter dem  fürchterlichen 
Marten eines vielleicht noch langwierigen 
Elendes ſeußite. 

n 





0 ————— 


Und dann hub er fein Haupt voh ernſter goͤtt⸗ 
licher Mienen Er 
Auf — — da flohe das fhüchterne Meer. 
„Winde, ſprach er, verſtummt! ſeyd ruhig ihr 
Wogen“ — — nud ſiehe! 
Heitere Stille floß uͤber die See. | 


Dein allmäc)tiger Win? bat iene Waſſer ges 
zaͤhmet, 
Und dein Hauchen die Stuͤrme verſcheucht: 
Sieh dein Iſrael an! Held Gottes! tobende 
| Fluthen | 
Kriegriſcher Heere bedecken dein Rand. 


Gag dem würgenden Schwerdt ! fey ruhig, fahr 
in die Scheide! - 
Sprich! ihr Könige zuͤrnet nicht mehr! 
Oder iſt wol das kochende Blut in den menſchli⸗ 
chen Adern  - _ 
Wüthender noch als die brauſende See? 


Nicht ſo bezahmbar wie ſie? ach! harte Fel⸗ 
ſen zerreiſſ ſen, 

Berge zerſchmelzen wie Wachs vor dem Herrn, 

Nur das eherne Herz des haͤrteren Menſchen 

bleibe feet 

Teutſchland o Teutſchland! ach! ſchone 

rn Blut 

S * * 


ne 





Der 








563. 
Der Erbarmer. | 


O Bewunderung, Gottes ———— 


Meine Seeligkeit! 
Nein! wenn ſie nur bewundert, 


Hebt ſich die Seele zu ſchwach! 


—* Erſtaunen! himmelfliegendes Erſtaunen! 


Ueber den, der unendlich iſt! 
O du der Seeligkeiten hoͤchſte, 
Ueberſtroͤme meine ganze Seele 


Mit deinem heiligen Feuer! 


Und laß ſie, du Seeligkeit, 
So oſt, und ſo hoch die Endliche kann, 
‚ Aufflammen in Entzückungen ! 


Du warf! du bift: wirſt ſeyn! 
Du biſt! 
Wie ſoll ich dich denken ! | 
Meine Seele fiehet il, erreiche es nicht! 


Vater! Vater! 
So ſoll meine Seele dich dee 
Dich) empfinden mein Hey! 
» Meine Lippe die) ffammeln. 


| Vater! Vater! Water! 


h 


Sallt nieder, betet an, ihr Himmel der Himmel: 
Er ift euer Water ! 

Unſer Vater auch ! | 

Nns O 


® 


— 


— 





O ie die einft mit 17 Himmel enohnemn | 


Erſtaunen werden! 
Wandelt ſorſchend in dieſem kabyrinth der 
Wonne, * 
Denn Jehovah redet 


Zwar durch den rollenden Donner, u | 
Durch den fliegenden Sturm „und ſanftes 
Saͤufeln; 
Aber erſorſchlicher, daurender, 
Durch die Sprache der Menſchen. 


Der Donner verhallt, der Sturm brauſt weg, das 
Saͤuſeln verweht, 
Mit langen Jahrhunderten ſtroͤmt die Sprache 
der Menſchen fort, 
Und verkuͤndet ieden Augenblick, 
Was Jehovah geredet hat! 


Bin ich am Grabe noch? oder ſchon über dem 


Grabe ? 
Hab ich den himmlifchen Flug ſchon gethan? 
D Worte des ewigen Lebens ! 
So redet Jehovah: 


Kann die Mutter beiten ihres. Säuglinge, 


Daß — ie ſich nicht über den Sohn ihres Leibes 

| erbarıne ? 

Vergaͤſſe ſie ſein; 
Ich will dein nicht vergeſſen! 


Preis, 


* 


— — 


Preis, Anbetung, und Freudenthraͤnen, und 
ewiger Dank, 
Sir bie Unfterblicpfeit! 


Heiffer, inniger, herzlicher Dank 
Fuͤr die Unſterblichkeit: 


- Halleluia in dem Seiligthume ! ! 
= Und ienfeit des Vorhangs | 
Y In dem Allerheiligften Halleluia! 
Denn fo hat Jehovah geredet! 


| Wirf zu dem tieſſten Erſtaunen dich nieder, 
O du, die unſterblich iſt! 


Geneuß, o Seele, deine Seeligkeit! 
OMA fo hat Jehovah geredet ! 


Klopſtock. 








Dem Unendlichen. 


Wie erhebt ſich das Herz, wenn es dich, 
Unendlicher, denkt! wie ſinkt es, 
Wenns auf ſich herunter ſchaut! 


Elend — wehklagend dann, und Nacht 
und Tod! 


N allein 


566. — vmen 


Allein du rufſt mich aus meiner Nacht, der im 

Elend, der im Tod hilft ! 

Dann denf ich ed ganz, daß du ewig mich ſchufſt, 

Kerrlicher : den Fein Preis, unten am Grab’, 
oben am Thron, 

Herr Herr Sort ! den, dankend entflanmt, 

Fein Jubel genug befi ingt. 


Weht, Bäume des Behanz, ing. Harfengetön! 
Rauſche mit ihnen ins Harfengefön, kryſtallner 
Strom! 
Ihr lifpelt, und rauſcht, und, Harſen, ihr toͤnt 
Nie es ganz! Gott iſt es, den ihr preiſt! 


- Donnert, Welten, im feierlidyen Gang, in der 
Pofaunen Chor! 
Du Drion, wage, du auch! 
Toͤnt al? ihr Sonnen auf der Straſſe voll Glanz, 
In der Pofaunen Chor! 


Ihr Welten, donnert 
Und du, der Pofaunen Chor, halleſt 
Nie es gang, Gott; nie es ganz, Gott, 
Gott, Sort iſt es, den ihr preifl! 








— — 567 
Die Tugend. 


Freund! die Tugend iſt kein leerer Name, 
Aus dem Herzen keimt des Guten Saamı, 
Und ein Gott iſts, der der Berge — 
Roͤthet mit Blitzen. 


Laß den Freygeiſt mit dem Himmel ſcherzen, 
Falſche Lehre fließt aus boͤſem Herzen, 
Und Verachtung allzuſtrenger Pflichten 
Dient für, Verrichten. 


Nicht der Hochmuth, nicht die Eigenliebe, 
Nein, vom Himmel eingepflanzte Triebe 
Lehren Tugend, und daß ihre Krone 
Selbſt ſie belohne. 


Iſts Verſtellung, die uns ſelbſt bekaͤmpfet, 
Die des Jaͤhzorns Feuer-Stroͤme daͤmpfet, 
Mad der Liebe viel zu ſanfte Flammen 
Zwingt zu —— 

ur. 
er es a oder Rift des Weifen, 
Der die Tugend rühmet in den Eifen,.! DE 
Defien Wangen, mitten in dem Sterben, 
Nie fi Ü entfärben ? 


Ba. ei 


68 — 


>» — 


Iſt es Thorheit ‚ bie die 5 bindet, 
Daß ein ieder ſich im andern findet, 
Und, zum Loͤßgeld feinem wahren Freunde, 

Stuͤrzt in die Feinde? | 


Fuͤllt den Titus Chefudht mit Erbarmen? 
Der das Unglück hebt mit, milden Armen, 
Weint mit Andern, und von fremden Ruthen 
Wuͤrdigt zu bluten. 


Selbft die Bosheit ungesäumter Jugend 
Kennt der Gottheit Bildniß. in der Tugend, 
Haft das Gute, und muß wahre REIN, 
Heimlich doch preiſen. | 


Zwar die Lafter blühen und vermehren, 
Geiz bringt Güter, Ehrſucht führt zu Ehren, 
Bosheit herrſchet, Schmeichler betteln Snaden, 
Tugenden ſchaden. | 


Doch der Himmel hat noch feine Kinder, 
Sromme leben, Fennt man fie ſchon minder, 
Gold und Perlen finde man bey den Mohren, 
Weiſe bey Thoren. 


Ans der Tugend fließt der wahre Friede, 


Wolluſt eckelt, Reichthum macht und müde, 


- Kronen 


ee — 


Kronen druͤcken, Ehre blendt nicht immer, 
Tugend fehlt nimmer. RR 


Drum, o Damon ! gehts mir nicht nach 
Wilen, 


So will id) mich ganz in mich verhuͤllen, 
Einen Weifen leidet Leid wie Freude, 
Tugend ziert beide, 


Zwar der Weife wählt nicht fein Geſchicke, 
Doch er wendet Elend felbit zum Gluͤcke; 
Fälle der Himmel, er kann Weife decken; 
Aber nicht ſchrecken. 

— v. Haller. 


Nus Feſtes 








379 


Feſtes Vertrauen zu Gott. 
(DE 23: 

Gott iſt mein Hirt! 

Im Schatten feiner Güte 

Singt mein lautiauchzendes Gemüthe, & 

Ind dankt, weil mit nichts mangeln wird» 


Er führet mich 
Auf ewig grüne Weiden. 
Hier blühen mir die reinſten Freuden, 
Ind meine Geele färtige fi. 


Er tränfet fie, 
Wenn Hitz und Durſt fie ſchwaͤchen, 
Aus friſchen angenehmen Baͤchen, 
Und meine Seel erſchoͤpft ſie nie. 


Wenn er gebeut, 
Muß aller Sturm ſich legen. 
Er führt mid), ſeines Namens wegen, 
Den Fußſteig der Gerechtigkeit, 
Mit dir will id) 
Syn finſtern Thälern wallen! 
Ichh fürchte nichts; ich kann nicht fallen! 
Du bift mein Stab; des tröff ich mid). 


Du 


EN 571 


— 


Di Herr if mein Hirte, en Fann nicht 
verſchmachten: | 


— 


Auf gruͤnen Auen laͤßt er mich lagern, traͤnkt 
mich an den Waſſern der Ruhe: 


Erquickt mich, führt mich auf richtigen Du 
gen um ſeines Namens willen. 


Und wann ich auch Todesſchattigte Thaͤler 
durchwandern muß, ſo fuͤrchte ich doch kein Un— 
glück; denn du biſt Bey. mir, dein Stock und 
dein Stab, die tröften mid), 


Du 


572 ! TESTER ER 
a rn. 


Du rufeſt mid, 
Damit ich mich erfriſche, 


Zu deinem wundervollen Tiſche; 


Und meine Feinde quaͤlen ſich. * 


Herr, du biſt mein, 


Und dein iſt meine Seele! 


Du ſalbſt mein Haupt mit deinem Oele; 


— 


Du ſchenkſt, du ſchenkeſt mir ha ein! 


Mir folgt dein Heil; 

So lang ich auf der Erde 

Herr, deinen Namen preiſen werde, 
Sey deine Vaterhuld mein Theil! 


\_ 
Hier ruh ich gern 
In Gottes Heiligthume, 
Der Ruheſtatt von ſeinem Ruhme; 
Einſt wohn ich ewig bey dem Herrn! 
Cramer. 


———— — —— 


Du errichteſt vor mir einen Tiſch, gegen 
meine Feinde, machſt mein Haupt von Oele 
tiefen, und mein Becher iſt Trunkenheit. 


Gewig wird: Güte und Gnade mic) mein 
nanzes Leben hindurdy begleiten, - und lange 
Jahre werde ich in dem Haufe des Jehova 
wohnen. © in 9. Andohe nis 
| | . Schule, 
* 


Flehen 








574 —* 


Flehen zu Gott. 
(Di. 42.) 


Mir der Hirſch, in ſchwuͤler Zeit, 
Nach der frifhen Duelle ſchreit; 
Alſo fchreit in ihrem £eide, 

Fange fchon entwoͤhnt der Freude, 
Meine Seele, Gott, zu dir, 

Wenn erſcheinſt, wenn hilfſt du mir? 


Ach »befriedigſt du fie nie? 

. Abgemattet dürftet fie! 

Range feufste fie vergebens 

Nur nad) Gott, dem Duell des Lebens: 
Ach! wenn endige er einmal 

Unerfüllter Wuͤnſche Dual? 


- Wenn belohnt er mein Verfraun? 
Sol ich nie fein Antlig ſchaun? 
Meine Speife findenur Thränen; 
Tag und Nacht durd find es Thränen. 
Taͤglich frage des Laͤſtrers Spott: 
Wo ift num dein Netter, Gott? 


Wenn, in tiefen Gram verſenkt, 
Meine Seele dieß bedenkt, 
Ganz ihr Elend ſieht: wie zittert 
Sie, von dieſem Blick erſchuͤttert! 
Welch ein herber Schmerz zerreißt 
Meinen tieſgebeugten Geiſt! 


Ach! 


— u: 


Wie der Hirſch nad Waſſerquellen ſchmach— 
tet, fo ſchmachtet meine Seele, Gott! nad 
dir. SS | 


Sie duůrſtet nach Bott ‚dem lebendigen 
Sort. Wann werde ich wieder hineingehen, 
und ſein Antlitz ſehen? — 


Meine Spränen find Tag und Nacht mein 
Brod, da man mich beſtaͤndig fragt : wo if 
dein Gott ? — ge 


Nod „dent ich — meine ganze Seele | 
ergießt id — wie id in Haufen zum Haufe | 
—3 Got⸗ 


56 — 


Ach! ing Heiligehum des Herrn 
Gieng ich mit dem Haufen gern. 
In dem feiernden Gedränge 
Gieng ich ‚ iauchzt' ich mit der Menge, 
Dankt ic) auch mit denen gem, 
Die 9 danken, meinem Herrn! 


Was verzagſt du ſo, mein Herz, 
So voll Unruh, Sorg und Schmerz? 
Hoff auf Gott; ihm werd ich ſingen, 
Dank und Preis werd ich ihm bringen, 
Daß es meiner nicht vergißt, | 
Daß mein Gott mir gnaͤdig iſt! 


Schmerz und Gram, mein Gott, zerreißt 
Heinen hartgepruͤften Geiſt. u 
In der Wuͤſt, am Jordanfluſſe, ia 
An des hohen Hermons Fuſſe / 

Hier an dieſem Huͤgel fleht, 
Dil 0 Be mein Gebe 


Fluthen raufchen her von dir; 
Tiefen da und Tiefen bier. 
Gott, fie brauſen, und es ſchwellen | 
Weber mid) her deine Wellens u 100? 
Deine Wogen, und dein Meet, 
Stürgen über mic) fih ber. 


Dens 


nn 577 
Gottes wallte, unter Jubel und Danfliedern 
mit der jeirenden Menge ! 


_ 
' 
\ 


Was betruͤbſt du dich, meine Seele, und 


biſt fo unruhig in mir? Harre auf Gott! | 


Denn einft werde ich ihm noch danken; ihm, 
meinen Erretter und meinem Gott! 


Meine Seele iſt betruͤbt in mir, Darum 
den? ich an did) aus des Jordans Lande, 
vom Hermon und dem Berge Misar. 


Wo ein Meer dem andern in dem Getöfe 
deiner Kanäle zuruft : wo ale deine Wogen 


and Wellen über mich zufammenftürzen. 


O o Am 





Dennoch harr ich in Geduld. 
Täglich rühm ich feine Huld; 
Lob und Dank will id) ihm bringen; 
Auch) des Nachts will ich ihm fingen! 
Meine Seußzer drängen ſich, 
Meines Lebens Gott, vor di! 


‚Meinem Felfen, meinem Herrn 
Gag ich: trift doch nicht fo fern! 
Wirſt du meiner nie gedenken, 

Ewig mic) in Gram verjenfen 2 
Soll der Feinde Grimm und Spott 
Ewig mic) verfolgen, Gott? - 


Wenn fie deinen Ruhm entweihn, ° 
Toͤdtets Gott in mein Gebein 
Wie ein Mord! Ah! Soll ichs tragen, 
Wenn die Läftrer täglich fagen: 
Wer ift dein Erretter ist, 
Wo if Gott nun der dich ſchuͤzt? 


Was verzagft du er mein Hers, 
So voll Unruh, Sorg und Samen; - 
Hoff auf Bott; ihm will ich fingen: 
Danf und Preis will ich ihm bringen, 
Daß er meiner nicht vergißt, 
Daß mein Gott mir gnaͤdig iſt. 


— 


— — — — 





u. So ser 229 


Am Tage wacht Gottes Gnade über mich, 
und des Nachts iſt fein Gefang bey mir, das 
‚Gebet zum Iebendigen Gott, 


Das immer zu Gott ſagt: du, mein Feld 
warum haft du mid) vergeffen? warum muß 
id, von meinen Feinden gedrängt, beftändig 
in Trauer geben ? 


Es ſchmaͤhen mich — ein Mord in meinen 
Gebeinen — meine Feinde, da fie immer zu 
mir fagen : wo ift dein Gott? 


Woas betruͤbſt du did), meine Seele, und 
| bift ‚fo unruhig in mir? Harre auf Gott; 
denn einft werde ich ihm noch danfen, ibm, 
meinem Erretter und meinen Gott ! 











PALIN Ueber 


580 — EHE 


nn — — — 


Ueber ein ungewitter. 


Gi. eilt, ſie fliegt herauf die ſchwarze Donner⸗ 
wolke; 
Ein Wirbel ſchleudert ſie herbey. 
Nun ruhet ſie auf uns, und ſagt es laut dem 
Volke, 
Daß Soft der Erde Herrſcher ſeyl 


Der en der im Sturm die Wetterwolte 
leitet, 
Und in der rechten Hand den Bis. 
Entfegen, bange Furcht weit um ſich her verbreitet, 
Sieht bach von feinem Slammenfig 


Auf unſre Welt herab, fieht wie die Sünder zittern, 
Wenn Gottes Donner ſie erſchreckt, 

Und ſeines Zornes Stimm im ſchwarzen Ungewitter 
Das ſchlafende Gewiſſen weckt. 


Er ſieht, wie Heiterkeit in des Gerechten Mienen 
Von innrer Seelenruhe zeigt, | 

et ee , die noch erſt vergnuͤgt und ruhig 

— ſſchienemn, | id 
Des Herzens Angſt ins, Antlig ſteigt. 


Sie wärden, riefe fie der Blitz zu ienem Throne, 
Wo Gott der Menfchen Thaten wägt, 
Mo des Verbrechers Haupt zu feiner Sünden 
vLohne 


Unendliches Verderben ſchlaͤgt, 
Sie 





581 


Sie würden elend feyn. Den ſchrecklichſten 
Gedanken 
Weckt Gottes Donner in der Bruſt. 


J Angſt faßt ihr Herz, und ihre Kniee wanken, 


Sie beben ihrer Schuld bewußt. 


So bebt der Fromme nicht, den ſeiner Seele 


Frieden 
Im wilden Sturm zum Helden macht. 


Er fuͤrchtet nicht den Blitz, bleibt heiter und 


zufrieden , | 
Wenn uͤber ihm der Donner kracht. 


Denn ihn verdammet nicht ein donnerndes Ges 
wiſſen ’ 
Das in der Bruſt das Urtheil ſpricht; 


1 Bon Feiner Schuld gequält, von Feiner Angft 


zerriſſen, 
Shreit ihn des Todes 8 Anblid nicht. 


Sein Vater herrſcht im Sturm, und ſeines 


J | Donners Stimme 


Verkuͤndigt feine Maieftät 


- Dem Srommen „der ihn ehrt, ihn ſtraft er nicht 


| im Grimme, 
Weil er auf feinen Pfaden geht; 


Und toͤdtet ihn der Stral, fo kennt er feinen 


/ Retter, 
Und ſchlieſſet freudig ſeinen Lauf, 
O03 Und 


292 u 


P 


Und wie Elias fteigt fein Geift im Donnerwetter 
Zu Gott in feinen Himmel auf. 
9 Altdorfer. 








Gottes Macht und Vorſchung. 


Gott iſt mein Lied! 

Er iſt der Gott der Stärfe; 
Herr ift fein Nam’, und groß find feine Werke, 

Und alle Himmel fein Gebiet. | 


Er will, und ſprichts; 
So find und leben Welten. 
Und er gebeut; fo fallen durch fein Schelten 
Die Himmel wieder in ihr Nichts, 


Licht iſt ſein Kleid, 
Und ſeine Wahl das Beſte; 
Er herrſcht als Gott, und ſeines Thrones Dee: 
Iſt Wahrbeit und Gerechtigkeit. 


Unendlich reich, 
Ein Meer von Seeligfeiten, 
Ohn' Anfang Gott, und Gott in ew’gen Zeiten! 
Herr aller Welt, wer ift dir gleich ? 


- Was ift und war, | 
Im Himmel, Erd und Meere, 
Das Eennet Bott, und feiner Werke Heere 
Eind ewig vor ihm offenbar, ; 
| r 


Jam... run enunmenen vun 583 


Er iſt um mich, 
Schafft, daß ich ſicher ruhe; 
Er ſchafft, was ich vor oder nachmals ne; 
Und er erforſchet mich und did). 


Er ift dir nah, 
Du fißeft oder geheſt; | 
Db du ans Meer, ob du gen Himmel fübet; 
So iſt er allenthalben da. 


Er Eennt mein Flehn, 
Und allen Math der Seele 
Er weis, wie oft ich gutes thu und fehle, 
Und eilt, mir gnädig beyzuftehn. 


Er wog mir dar, 
Mas er mir geben wollte, 
Erich auf fein Buch, wie lang ic) leben PR 
Da ich noch undereitet war. 


Nichts, nichts ift mein, 
Das Gott nidyt angehüre. 
Herr, immerdar foll deines Namens Ehre, 
Dein Lob in meinem Munde feyn! 


Mer Fann die Pracht 
Von deinen Wundern faffen? | 
Ein ieder Etaub, den du haft werden laffen, 
Verkuͤndigt feines Schöpfers Macht; 


Der Fleinfte Halm 
a. deiner Weisheit Epiegel. 
Oo 4 Du 


584 RE 0—09 


— — 





Du Luft und Meer, ihr Huch , ‚ Thal, und 

| Hügel, | | 
Ihr ſeyd fein Loblied und fein Pfalm. 

Du tränkft das Land, 
Fuͤhrſt uns auf grüne Meiden, 
Und Nacht und Tag, und Korn und Wein 
und Sreuden 

Empfangen wir aus deiner Hand, 


‚ Kein Sperling fällt, 
Herr , ohne deinen Willen; 
Sollt' ich mein Herz nicht mit dem Trofte flillen, 
Daß deine Hand mein Leben halt? | 

Iſt Gott mein Schuß, 
Will Gott mein Netter werden: 
So frag ich nichts nah Himmel und nad) ara 
‚Und biete feldft der Holle Trug, 
Gellert. 


—— — — — — — 





Preis des Schoͤpfers. 


Wenn ich, o Schoͤpfer! deine Macht, 

Die Weisheit deiner Wege, 

Die Liebe, die für alle wacht, 

Anbetend überlege : 

So weiß ih, von Bewundrung soll, 

Nicht, wie ich dich erheben fol, 

Mein Gott, mein Herr und Vater! 
Mein 





585 


Mein Ange ſieht, wohin es blickt, 
Die Wunder deiner Werke. 
Der Himmel, prächtig ausgefhmückt, 
Plreiß dich, du Gott der Stärke! 
Mer hat die Sonn’ an ihm erhöht ? 
Wer Fleidet fie mit Maieftät ? 
Mer ruft dem Heer der Sterne ? 


Mer mißt dem Winde feinen Lauf? 
Mer heißt die Himmel regnen ? 
Wer ſchließt den Schoos der Erde auf, 
Mit Vorrath uns zu feegnen ? 
D Gott der Made und Herrlichkeit! 
Gott, deine Site reicht fo weit, 
Sp weit die Wolfen reichen ! 


Did), predigt Sonnenfhein und Sturm, 
Di) preift der Sand am Meere. 
Bringt, ruft auch der geringiie Wurm, 
Bringt meinem Schöpfer Ehre! 
Mich, ruft der Baum in feiner Pracht, 
Mid, raft die Saat, hat Gott gemadt : 
Bringt unferm Schöpfer Ehre! 


Der Menſch, ein Leib, den deine Hand 
So wunderbar bereitet ; 
Der Menfh, ein Geift, den fein Verfiand, 
Di) zu erfennen, leitet ; 
Der Menſch, der Schöpfung Ruhm und Preig, 
Iſt ſich ein täglicher Beweis 
Von deiner Guͤt' und Groͤße. 

Oo 5 Erheb' 


586 — 


Erheb' ihn ewig, o mein Geiſt! 
Erhebe ſeinen Namen! 
Gott, unſer Vater, ſey — 
Und alle Welt fan’ Amen! 
Und alle- Welt fürde ihren Herrn 
und hoff’ anf ihn und dien’ ihm gern, 
Mer wollte Gott nicht dienen ? 





— — — — — — 


Froͤliches Vertrauen auf die Liebe 
Gottes, 


Jauchzʒet ihr Himmel! Erde fey froͤlich! 
Gott ift die Liebe! O wie fo feelig 

Viſt du mein Geift, in Gott bier 
Einft in ewigen Freuden entzuͤckt. 


Staub ift die Erde; Gold ift nur Schimmer, 
Wolluſt macht lüflern, fättiget nimmer. | 
Kronen, was find fie? Ein güldenes Jod. 
Würden zieren und druͤcken und doc). 


Sieb mir, o Schöpfer !' Weisheit und Tugend ; 
Sorgenfrey fing id dann wie die Jugend: | 
Zagender Geift! was kuͤmmerſt du dich ? 
Sort mein Vater forget für mid). 
Gott ift die Liebe! ranfchet ihr Saiten! 
Gott ift die Liebe! Fommende Zeiten 
i Saget 





— — iD 


Saget es! Gott erläffet die Schuld; 
- Seine Wege find Weisheit und Huld, 


Armuth und Schande, Flammen und Fetten, 
Sind mir nicht ſchrecklich: Gott Fann erretten. 

Hauchet er: fo vergehet ein Heer. 

Winkt er: ſeht, fo find Welten nicht mehr, 


Traue dem Höchften, dann wirft du lachen, 
Wenn gleich die Himmel um did) her krachen; 
Henn gleich der Erdfreis ſplittert und fält;: 
Siehſt du: Gott ift es, der dich erhält. 
5’ 








Die Groͤſſe Gottes, 


Groß iſt der Herr! die Himmel ohne Zahl 
Sind ſeine Wohnungen, 
Sein Wagen ſind die donnernden Gewoͤll', 
Und Blitze ſein Geſpann. 


Die Morgenroͤth' iſt nur ein Wiederſchein 
Von ſeines Kleides Saum; 

Und gegen ſeinen Glanz iſt alles Licht 

Der Sonne, Dämmerung, 


Er fieht mit gnaͤd'gem Blick von feiner Hoͤh' 
zur Erd’ herab; fie lacht. 
Er ſchilt; es fähret Feu'r von Selfen auf, 
Des Erdballs Are bebt. 
Lobt 


588  asemunamneusce mn... 


Lobt den getvaltigen ‚ den gnäd’ gen Herrn, 
Ihr Lichter ſeiner Burg! 
Ihr Sonnenheere! flammt zu ſeinem Ruhm! 
Ihr Erden ſingt ſein Lob! 


Erhebet ihn, ihr Meere! brauſt ſein Lob! 
Ihr Fluͤſſe, rauſchet es! 
Es neige ſich der Cedern hohes Haupt, 
Und ieder Wald vor ihm! 


Ihr Loͤwen, bruͤllt zu ſeiner Ehr' im Hain! 
Singt ihm, ihr Voͤgel! ſingt! 
Seyd ſein Altar, ihr Felſen, die er traf, 
Fuͤr Dampf ſey Weirauch ihm! 


Der Wiederhall lob' ihn! und die Natur 
Eing ihn ein froh Concert! 
Und du, der Erden Herr, o Menſch, zerfließ 
In Harmonien ganz! 


Did) hat er, mehr als alles ſonſt, de 
Er gab dir einen Geift, 
Der durd den Bau des Ganzen dringt, * 
kennt 
Die Raͤder der Natur. 


Erheb' ihn hoch, zu deiner Seeligkeit! 
Gr braucht Fein Lob zum Glück, 
Die niedern Neigungen und Lafter flieh'n, 
Wenn du zu ihm dich ſchwingſt. 


Die 





ea. 


Die Sonne feige nie aus vother Fluth, 
Und ſinke nie darein, 
Daß du nicht deine Stimm' vereinigſt mit 
Der Stimme der Natur. 


Lob ihn im Regen und in duͤrrer Zeit, 
Im Sonnenſchein und Sturm! 
Wenns ſchneit, wenn Froſt aus Waſſer Bruͤ— 
cken baut, 


| Und wenn die Erde grünt, 


In Ueberſchwemmungen, , in Krieg und Peft 
Trau ibm, und fing ihm Lob! 

Er forgt für did, denn er erfhuf zum Gluͤck 
Das menſchliche Geſchlecht. 


Und o wie liebreich ſorgt er. auch für mid! 
Er gab, ſtatt Golds und Ruhms, 
Vermoͤgen mir, die Wahrheit einzuſehn, 
Und Freund' und Saitenſpiel. 


/ 
Erhalte mir, o Herr, was bu verlieh’ft; 
Mehr brauch’ ich nicht zum Glück, 
Dur heil'gen Schau'r will id), ohnmaͤchtig 


nf, 


ſo 
Dich preiſen ewiglich! 


In finſtern Waͤldern will ich mich allein 
Mit dir beſchaͤſtigen, 
Und ſeufzen laut, und nach dem Himmel ſehn, 


Der durch die Zweige blickt. 
| Und 


A PR yr 
Eu] 


599 — — 


Und irren and Geſtad des Meers, und dich: 
In ieder Woge fehn, 
Und hören di im Sturm, bewundern in 
Der Au Tapeten dich. b; 


Ich win entzückt auf Felfen Elimmen, durch 
Zerriß’ne Wolfen fehn, | 
Und fuchen dich den Tag, big mich die Nacht 
In heil’ge Träume wiegt. 

Aleift. 


I. Elegie 


IX. 
Biıesiıe 

| bey 

dem Grabe Gellerts. 





fd; lummer 
Das muͤtterliche Erdreih deckt; 
‚Wo man Fein Gluͤck verfhläft, wohl aber vielen 
f - Kummer, 
Nicht Furcht und Hoffnung taͤuſcht noch 
— ſchreckt: 
Wo man Jahrhunderte die groſſe Ausſaat Mr te, 
Die’ immer mehr zur Ernte reift, 
Und ieglicher von uns, der früh und iener fpäte, 

Die Zahl bemooster Hügel haͤuſt; 

Wo Freund und Feind vermengt in Ruh beyſam⸗ 
men liegen, 

Der Groſſe nicht den Kleinern drückt; 
Das Grab des Thoren oft ein Marmor voller Lügen, 
Der Weisheit Grab ein Veilchen ſchmuͤckt, 
Hier liegt nunmehr auch der, an deſſen frommer 

Seite 
Ich dieſe Staͤtt einſt oft betrat, 
Indem 
.) Ein fehr gewoͤhnlicher Spaziergang des 
| feeligen Mannes war der Gottesacker, 
wo er feine dort rubenden Freunde uns 

‚ter erbaulichen und rührenden Betrachtun— 

gen beſuchte, und feine lebenden Beglei— 

ser von ihren Grabftellen unterrichtete. 


P» 


Hr, wo fo viele [don in tiefem Todes 


>94 — 





Indem er fich im Geiſt des groſſen Satan 
freute, | 
Den er vom Himmel fid) erbat 
Und mich vertrant mit den hier ſchlummernden 
Gebeinen, 
Zu dem und ienem Grabe rief, 
Und meine Zaͤrtlichkeit oſt weinend lehrte weinen, 
Wo einer ſeiner Edlen ſchlieſ. 
Hier liegt auch Gellert! hier in dieſem leichten 
Sande, 
Von filberweiffen Schnee umhült, 
Wo frenndfchaftlid daben von. dem noch fris 
| (bern Rande - 
Die brüderliche Grabftatt ſchwillt. ) 
Hier liegt er, und ih ſchau mit tieſgebeugtem 
DIETE,.;;' 
- Aug dem die ſtumme Wehmuth fließt, 
Aufdiehe fromme Gruft, und denfe dann jurücke, 
Wer diefer war, den fie umſchließt. — 
Ach Gellert! — o wer Fann gnug einen Gellere 
preifen! 
Nennt, was nur gut iſt, es iſt hier; 


Den 


*) Sein Bruder, Herr 5.8. Gellert, Ober⸗ 
poſtkommiſſar alldier, farb in der vierten 
Woche na ihm, und hatte fi ben feis 
nes Bruders, des. Dichters Beerdigung, 
gleich fein Grab neben ihm Bee MAs 
chen laſſen. | 


| 595 


Den Dichter, Menſchenfreund, den Chriſten 
| and den Weiſen, 
De Himmels Fuß, der Erde Zier! — 
Wagt ichs nach Zaͤhren ſelbſt die Tugenden zu 
zaͤhlen, 
Die mit ihm unſrer Erd entflohn: 
So würd’ es immer mir nod) an der Summe 
fehlen, 
Und doch weint eine Nation. 
Sie weint! ganz Teutſchland weint! denn 
Gellert war ihr. Dichter, 
So Fang ihr noch Fein Saitenfpie: — 
Kein Tadel und Ein Lob! Ein Lefer und Fein 
Richter! 
Ein allgemein, Ein gleich Gefühl! — 
Zu iener Dichter Zeit haͤtt' einſt auf feinen 
IR | Lippen 
Sich Hoblens Biene fruͤh geſezt: 
Von Grazien gewiegt, hätt” ihm aus Aganippen 
Das Mufendor den Mund genest, 
Doc) und, uns ward von Gott der edle Mann 
gegeben, 
Sein Herz, wie fein Geſchmack fo rein: 
— ſollte durch ſein Lied, er ſollte durch ſein 
| Reben 
Ung Lehrer und Exempel ſeyn. — 
Die — die man ſtets im (Antigen 
ni Gewande, 
=; auch in ihrer Bloͤße flieht, 


Ppr2 ° Valor 


596 — 
Verlor se unter ung die Macht der. fanften 
Bande, 
Wont ſie Herzen an ſich zieht. 
Dort rabn wir fie geſchmuͤckt von Gay und 8a 
Fontainen, 
Und: neideten ihr Vaterland: 
Da gab die Menſchlichkeit ihm die Gewalt Der 
Tiränen, u 
Die Zabel ihm ihr Teiche Gewand. 


Er warfs der Wahrheit um. Nun prangte fie 
mit Zügen | 


Des Reizes und der Harmonie, 
And iedes öffnete das Herz ihr mit Vergnügen, 
Und drang heran und Füßte fie: 
ind ganz Germanien , vom Thron’ big zu di 
Hätten, 
Das feinen Orpheus lieb gewann, 
Nahm Beh’rung im Geſchmack, mit ihm auch 
beß're Sitten — 
Vielleicht auch beß're Herzen an. 
Der Muͤtter erſt Geſchenk an ihren zarten Kleinen 
War Gellerts weiſes Fabelbuch; | 
Sie lallten Gellerten, und lernten ohne Weinen, 
Und merften feinen Sittenfprnd..—) 1» 
Du Knabe, wein’ um ihn! — von Lieb und 
Danf beſeelet, 
Wein’ deinen Freund, mein Mädchen, du? 
Kann du ihm ammelnd font aus ihm was 
 vorerzäblet,. 
Wie fergnend lächelt’ er dir zul — — 
Did, 


— Ä 597 


Dich, lutſcheẽ Luſtſpiel, ſah mit Abſchen oder 
Gaͤhnen 
Noch damals oft manch ſittſam Herz: 
Dich lehrt er lächeln, dich die Freude ſanfter 
Thraͤnen, 
Dich Tugend. und beſcheidnen Scherz. 
u: borgt es weiter nicht von Franzen oder 
Dritten | 
Den Körper zu der teutſchen Tracht: 
Auf teutſchen Bühnen ſah man' auch ist teutſche 
Sitten, 
Und hatt’ auf eigne Fehler Acht. — 
Doch für ein ſolches Herz warft du, o Welt, 
a ju enge, | 
Du, Menfchenmweisheit, viel zu Flein ! 
Nicht nuͤtzlich wolle er bloß : durch heilige Gefänge 
Wollt er auch andern heilig ſeyn. 

Da warf er ſich in Staub vor Gottes Throne nieder, 
Und flehte fiil um Geift und Kraft: *) 
Und der Allmaͤchtige vernahms und hörte wieder , 
Und gab dem Frommen Geiſt und Kraft. 
Er fang. — So wurdeft du von wenig Menfdyen 

Zungen, 
Gott, Mittler, und Religion, 
© geiſtreich, maͤchtig, ſchoͤn, empfindungsvoll 
| gefungen ! 
Es ſprach das Herz aus iedem Ton. 
Pnr3 So 
9 Er ſagte ſelbſt, daß er vor Verfertigung 
ſeiner geiſtlichen Lieder Gott innbruͤnſtig 
um ſeinen Seegen angerufen habe. 





598 


So hub er dur) Gefang viel tanfend ſchwache 
/ Seelen 
Mit fi zum Sternenzelt? empor : 
Der Spötter felbft horcht auf, und gunnet den 
- Befehlen 
Des Heils fhon ein geneigter Ohr. 


Er wird gerichteg, er glaubt an einem Gott der 
Götter, 
Erniedrigt ſich im Staub, bereut, 
Und betet an und dankt, dankt Gellerten dem 
| Netter | 
Durd) eine ganze Ewigkeit. — 


Keil dir, o Gelert! Heil! Steige von den 
Danfaltären 
Das Morgenopfer , dein Gefang 
Dis zu den Sphären auf, fo dringt auch zu 
den Sphären 
Gür dich des Frommen Beters Dan. 


Oft fihläfter mit dir ein. In deinem fanften Liede 
Zieht er der Engel Schuß herab, _ 


Und ruhet ſanft und wuͤnſcht im Traume dem 
noch Friede, 


Der ihm die ſuͤſſe Staͤrkung gab. 


Ja du, du troͤſteſt ihn in feiner lezten Stunde: 
Da ſtammelt er von dir im Tod 


Noch einen Seufrer ſtirbt mie Gellerten im. 
| Munde, 


‚Und fo entfleuche fein Geift su Gott. — 
Zrinmph ! 


bar nn — 509 


Triumph, 0 Gellert , dir ! wie viele ER 
Seegen 
Flohn deiner eignen Seele nach! 
Wie viele flogen ihr vom Himmel ſchon enfgegen, 
Als fie ihr morſches Haus zerbrach! | 
Sa; 0! wer fagt es mir, was tönefen für Lieder 
Dann unter deiner Freunde Schaar, 
Von Engeln , Seeligen , in ganzem Himmel 
wieder, 
Als deine Stunde nahe war? 


Und welche Lieder dann, als mit dir nun dein 
Engel 
Zur himmlifhen Werfammlung Fam, 
Sie deiner Tugend Lob, die deiner Menſchheit 
Maͤngel 
So maͤchtig uͤberwog, vernahm; 
Und dann die Stimm' erklang von tauſend from— 
men Zeugen: 
Dieß if 2.2: Do, wo gerath ich hin? 
Mid ſchlaͤgt ein blendend Licht zurück in tiefes 
Schweigen: 
Noch fuͤhl' ich, daß ich Erde bin. 
Ich ſuͤhl's! ic) harre noch allein beyGellerts Grabe; 
Die Traurigkeit ſtreckt uͤber mir 
Die ſchwarzen Flügel aus; was ich verloren habe, 
Was alle Welt, feb ich nur bier ! 
Ich ſeh' des Juͤnglings Fuß zu ienem Lehrſtuhl' 
Pen... 
Den vormals eine Welt umſchloß, 


PpPa Und 


600 N 
Und too er, Frömmigfeit und Tagend-mitzutheifen, 
Den Balfam feiner Lehr' ergoß : 
Wo Helden oft im Krieg’ bey Greis und Juͤng⸗ 
ling faßen, 
Und — (für den Lehrer, welch ein Lohn!) 
Die LKorbeernernte gern voll Brenn 
vergaßen | 
Und menfchliher ins Lager flohn. 
Ich ſeh' an deiner Thür? den lehrbegier’gen 
Armen, 
Dem fie zur Zuflucht. offen ftand, 
Wann er für Liebe Haß, Derweife für — Er⸗ 
harmen 
An eines Reichen Thuͤre fand. —* 
Ich hoͤre Väter dich für ihre Söhne flehen, 
Ihr Vater nnd ihr Freund zu feyn: 

Und wer hat ungehört dich Einen bitten ſehen? 
Und welcher wagt's, es zu bereun? 
Wer Ra ‚ feit deinen Werth Germanien er⸗ 

kennet, 
Wann ihn die Muſe hier genaͤhrt, 
Da er ſich nicht von dir noch einen Schüler 
nennet, 
Auch ſelbſt, wenn did) fein Herz entehrt? — 
Ach! taub ift nun dein Ohr, die Thuͤren ſind 
verſchloſſen, 
Der Lehrſtuhl einſam und verwaiſt! 
Der Juͤngling ſteht von ſern, indem er überfloffen 
Don heiſſen Thraͤnen dorthin weiſt: 


ach 





601 


„Ach dort! dort war der Mann, der mich zur 
Tugend weckte, | 
* mich der Thorheit Pſad entriß, 
„Der liebreich ſeine Hand nach mir Verlaßnen 
ſtreckte, | 
„Und mir den Weg sum Himmel wies,” — 
Sa Juͤngling ‚er iſt hin! von vielen Jammer 
muͤde 
Ruht hier ſein heiliges Gebein: — 
Der Fromme ſchlummre fanft ! mit ihm fen 
Gottes Friede! 
Wie er, fo ſchlummre Jeder ein! 
Der € Saame , den er bier durch Lehren und 
durch Leben 
So hundertfältig ausgeſtreut, 
Wird ſich auf Kindeskind zur ſchoͤnſten Frucht 
erheben, 
Die noch in iener Welt gedeiht! — — 
Ihr kleinen Zeugen, Ihr, der väterlichen 
Schmerzen, 
Welch Gluͤck, daß Ihr ihn noch gekannt! 
PN ach! nur gefanut! O ſaͤh' ich Eure 
Herzen 
Gebildet auch von ſeiner Hand! | 
Sehr oit werd’ ich mit Euch auf diefen Huͤgel 
eigen, 
Und, wenn voll Findlich frohem Muth 
Ihr iunge Blumen pfluͤckt, Euch unter Thraͤ— 
nen zeigen, 
Welch' heil'ge Aſche drunter ruht: 
p 5 „Die 


602 — — 


„Die Aſche Gellerts iſts! Gott wohne in ſei⸗ 
nem Herzen, 
„Und Menſchenlieb' in feiner Bruſt: | 
„Gefällig noch im Ernſt und heilig noch im 
Scherzen, 
„War Wohlthun feine größte Luft. 
„Gefuͤrchtet und geliebt vom Alter, von der 
Jugend, 
„Galt ihm Religion und Pflicht 
„Weit mehr als eine Welt; und fand er Feine 
Tugend, 
„So lobt’ er felbft die Fürften nicht.” — 


Dann ſollt Ihr beide mir auf diefem Grabe 


ſchwoͤren, 
Der wahren Weisheit Euch zu weihn; 
In Gellerten nicht nur den Dichter zu verehren, 
Nein, auch fo fromm, wie er, zu ſeyn. 


weilte. 


* — — 


x Ein 


- 


2 
ein 


Sinsfüd. 





— 605 


Das geraͤchte Iſrael. 
Ein Singſtuͤck. 
Tutti. 

iebe , der Herr wird auf einer 
| fcehnellen Wolte fabren, und in 
Egypten Fommen, De werden Die 
Goͤtzen in Kaypten vor ibm beben,, 
und den Egyptern wird das Herz feig 
werden, in ihrem Leibe. 


Solo. 
Es ift der Tag der Rache des Herren, 
und das Jahr der Vergeltung. 


5 Choral. 


Es zittert die Natur, wenn ſich der 
| Höchfte regt : 

Die Erde bebt und wird bewegt, 
Wenn auf den Sittigen der Winde 
Gott unter ſchwarzen Wolken geht, 
Und eines ganzen WVolkes Sünde 
Vor feinem Antlitz ſteht. 


Reci⸗ 





RBecitetiv \ 


Da bebt, vom Blick des Schrecklichen 
erfchüftere, 
Egyptens Burg! — da waͤlzt, von ſeinem Hauch 
zerknirſcht, 
Mihraim ſich im Staub! — da ringt der kuͤhne 
Fuͤrſt 
Mit ſeinem Diadem — und zittert. 
Wo iſt der Held? der 9 vom Donner Gottes 
ern, 


Aufruͤhriſch ſprach: ich weis nichts von dem 
Herrn! 


Siehſt du ihn izt, der Bande Jacobs Zaͤcher? 
Ein König aͤchzt zu feinem Knecht? 

Gott ift gerecht! 
Ich — und mein Volk Verbrecher. 


Arie 


Thronen zittern! 3 

Starfe zagen ! 

Wenn über ihr Haupt 

Auf lauten Gewittern 

Der tödtende Wagen 

- Des Nächenden zieht, 

Wer des Warnens Nuf nicht glaubt, 
Mag den Fluch des Eifrers hören! 
Erift fchnell! — wer kann ihm mehren? 
Er ift — — wer entflieht? ? 


AN 


— 6o7 
Thronen zittern! 

Starke zagen! 

Wenn uͤber ihr Haupt, 

Auf lauten Gewittern, 

Der toͤdtende Wagen 

Des Rächenden zieht. 


Recitativ. 

Wie knechtiſch bebt der Wuͤtrich, 
Von dem Herrn gedruͤckt! 
Und doch, ſobald der Zorn voruͤberruͤckt, 

Verhaͤrtet ſich fein Herz! — die halbzerquetſchte 
Schlange 

Entwindet ſich dem Arm: und ſticht! 
Ohnmaͤchtiger, wie lange? — und wie lange, 
Daß deine Wuth noch Ifrael zerbricht? 
Neunmal ergriff dich ſchon der Räder! 
Und neunmal bebteſt du — Verbrecher, 
Erzittre! ſchon hat feine Hand. 
Zum lezten Pfeil den Bogen aufgefpannt ! 


Arie 


Sieht verftockte, fleht um Gnade ! 
Seine Langmuth wird entfchlafen! 
Seine Rache fich entzüunden ! 

Und, auf der Bertilgung Pfade, 
Gottes Engel Würger ſeyn! 


Wenn ich, beym Panier der Sünden, | 
Wider Gott die Waffen fchärfe: 
Henn 


508 — 


Wenn ich, nach verzognen Strafen, 
Seine Langmuth frech verwerfe ; 
Kann er länger mir verzeihn? 


Sieht Verſtockte, fleht um Gnade! 
Seine Langmuth wird entfchlafen! 
Seine Mache fich entzunden! 
Und, auf der Vertilgung Pfade, 
Gottes Engel Würger feyn! 


Choral. | 
(Mel, © Ewigkeit du Donnerwort ıc.) 


Warum verzeucht ee ? fragt der 
Spott; | 

Jo bleibe der Suͤndenraͤcher, Gott? 
Hört, Sünder, horts mit Deben! 
Euch, Die ihr frech) ihm mwiederftrebt 
Und in der Dosheit ficher lebt, 
Zur Beßrung Friſt zu geben. 
Doch bald ift euer Mack erfüllt; 
Bald fommt der Nichter und vergilt, 


Recitativ. 


Zur Mitternacht | 
Gieng aus der Schreckliche zu wuͤrgen: 
Und faͤllte ſeine Schlacht, 
Die Erſtgeburt Eghptens. — Auf Gebuͤrgen, 
| In 


In Shälern , in der Ebene, 
Siel Egpptens Erfigeburt. Quaalvolle Jammer 
dringen | 

| Empor, , wie Sammer derer, die im Selbftmord 

1 - ringen! 

Und ein —5 wie das Geſchrey des Streits 
ſcholl laut 

Dem Sieger nach, der auf zertretnen Schedeln 

Der Sklaven und der Edeln 

Sein Blutbad triumphirend aͤberſchaut! 


Arie. 


Triumph dem Ueberwinder! 
Triumph des Siegers Schlacht! 

Geraͤcht ſind Jakobs Kinder! 
Den Frevler fraß die Nacht! 

Als er ruhte, 

Brach der Retter 

In den Streit. 

Von dem Blute 

Dieſer Spoͤtter 

Troff ſein Kleid! 
Triumph dem Ueberwinder! 
Triumph des Siegers Schlacht! 
Geraͤcht find Jakobs Kinder! 
Den Frevler fraß die Nacht! 


Recitativ. 
Aus Träumen neuer Tyranney, 


Mit todtenbleichem Antlitz: aller Enden 


Qq Bewill⸗ 


610 | BESLZTOTETBTEE 





Bewillkommt von gerungnen Händen, 

And wuͤthendem Geidry — 

Sprang auf der Held: gab Jakob frey; 

Und ſtieß es ſelbſt aus ſeinem Volke: 

Und drängte feine Flucht. — Da fiel, mit Uns 
gefüm, 

Sein letzter Feind: da flammte uͤber ibn 

Das Rachſchwerdt auf, zu einer Feuerwolke. 


Duett. 
A. | 


Der. Here ift meine Stärke! 
Sein Arm erhob mich. wieder! 


I: 

Groß find Jehovens Werfe! 
Den Frechen fließ er nieder } 

HD 
Erheb ihn mein Geſang! 
ee aa Uaaslı 
Ihr lachtet meiner Schande, | 
Und mußt fie ſelbſt bereun! 

2 
Ihr hoͤhntet meine Bande, 


Und mußt mich felbft befiyn! — 
A. Mich 


REEL, 
611 





eng 
Mich aber wird er ehren: 
| U. 3. 
} mis aber wird er mehren, 
225, 
Durch euren Untergang! 
—— 
Der Herr iſt meine Staͤrke! 
Sein Arm erhob mich wieder! 
Groß ſind Jehovens Werke! 
Den Frechen ſtieß er nieder. 
Erheb ihn mein Geſang! 


| Chor.“ 
daßt uͤber ſie fallen Erſchrecken und 
Zagen! 
Biß Iſrael froͤlich dein Erbtheil begruͤßt. 
Dort pflanze dein Erbe zu ewigen Tagen, 
Dein Erbe, daß ewiger Koͤnig du biſt! 


BRecitativ. 9* 
Ein Tieger, dem man feine Brut geraubt, 
Schaͤumt Pharao für Wuth: fo bald, von feis 

nem Haupt 
ya Der 


9 


612 | ——— —— 





Der Blitz des Raͤchers ſich gewendet. 

Unſeelger Mordgedanken voll 

Nimmt er die Reiſigen: und endet 

Im Geiſt bereits den Streit, der * treſ⸗ 
fen ſoll. 

Schnell trennt die Flammenwolke beider Heere: 

Und ſchnell faßt unter Moſes Hand 

Der Oſtwind, auf dem rothen Meere, 

Die Fluthen in ſein luſtiges Gewand, % 

Und drängt fie an die Ufer, — Reiß dein Feben, 

Aus diefem Grab, das fhon, Vermeßner, dich 
A rs 


Tprannen, die ihr frech die Sadhe 
Der Unſchuld unterdrüde! 
Es koͤmmt ein Tag, da felbft die Rache 


Euch ins Verderben ſchickt. 


Wie lange? daß der Uebertreter 
Des Vaters Langmuth nicht erkennt! 
Wie lange? daß der Miſſethaͤter 
Kaͤltſinnig ins Verderben rennt. 

Tyrannen, die ihr frech die Sache 

Der Unſchuld unterdruͤckt! 

Es koͤmmt ein Tag, da ſelbſt die Rache 


Euch ins, Verderben ſchickt. 


Choral. 
(Mel. Es iſt das Heil uns Fommen ber zc.) 
Gott iſt uns nab, und niemals nicht - 
Bon feinem Volk gefihieden ! 


613 








/ 


| Er, er riſt ihre Zuberficht ß 
Ihr Seesen, Heil und Srieden! 
- Mir feiner Allmacht leiter er 
Sein Volk durchs Feuer und burchsMeer! 
Gebt unſerm Gott die Ehre, 
Werttativ. 

So bald die Morgenwache kam, 
Sah Gott aus feiner —— nahm 
Egyptens (Haͤrte) wahr: und ſandte 
Sein Schreden in das Meer, 
Das Schrerfen Gottes fuhr in der Egypter Heer, 
Zerbrach die Räder ihrer Wagen, trannte J— 
Und ſtuͤrzte Mann und Pferd! 
Da klirrte Bogen wider Bogen, 
Speer wider Speer: Schwerdt wider Schwerdt 
Und Moſes Hand gebot 
Dem Morgenwind — die Wogen 
Der Tiefen brauſen auf: und ſchlagen 
Zuruͤck — und Mann und Roß und Wagen 
Trinkt Fluth, und Untergang , und Tod! — 


BLUT: 
Herr, wer gleicht dir von den Göttern? 
Der fo mächtig, heilig, gütig, 
Schrecklich, wunderthaͤtig fey! 
Mein Haſſer, uͤbermuͤthig, 
Beſchloß mich zu zerſchmettern. 
Du aber ſprachſt zum Meere: 
„Fall uͤber ſeine Here! 
| Da -funken fie wie Bley. 
Herr, wer gleicht dir von den Göttern? 
Der ſo maͤchtig, heilig, gütig, 
wunderthaͤtig ſey! 
243 1. Chor. 


2 —— 


u EBEN 
Lobet den Der ihr feine Be 
ihr ftarfen Helden, die ihr feinen "Befehl 
ausrichtet, Daß man höre bie Stimme feis 
nes Worts. 

2, c h ö r. | 
 Lobetden Herrn, alle feine Heerſchaaren: 
feine Diener, ” feinen Willen thut, 

Cbor 

Lobet ba Herrn, alle feine Werke, 
an allen Drten feiner Herefchaft. Lobe 
den Heren meine Seele, 

Schluß— Ehoral 

(Mel. Wachet auf, ruft uns die Stimme ic.) 

Alles wil und muß den Willen 
Des Allgewaltigen erfüllen ; 
Mas er verordnet , das befteht. 
Seine Wege find vollfommen. 
Er liebt, beſchuͤzt, begluͤckt die Srommen, 
Und wer ihm troßen will, vergeht: 
Er halt in Ewigkeit, 
Mas er verheißt, und draͤut 
Nicht vergebens! 
Ihr Sünder bebt! 
Jehovah lebt! 
Gerechte Jehovah lebt. | 
| Michaͤlis. 


XI. Ein 


4 


— —⸗i2 — —— — V 


RT. 
ern 


epiſches Stüd. 





u 


——— 617 


Verſammlung des Syuedriums. 


Mic im hohen Pallaft war ein weiter Saal 


| der Derfammlung 
Aus des erhabenen Libanons Hain falomonifd) 
erbhauet. 

Alda kamen die Prieſter und Aeltſte im Volke 
zuſammen. 

Mit den Aeltſten kam Joſeph von Arimathän, 
ein Weifer, 

Unter # ganzen entarteten Nachwelt des goͤtt— 
lichen Abrams, 

Von der Zahl der uͤbergebliebenen wenigen Edlen. 

Still, wie der friedfame Mond, in daͤmmernden 

| | Mitternachtwolken, 

Ueber uns malt, fo gieng, in diefen Berfamm; 

lungen, Joſeph. | 

Auch kam Nikodemus, ein Freund des Meſſias, 
und Joſephs. 

Raiyhas frat ist herriſch hervor, ergrimmt', 

und fagte: 

Endlich, ihr Vaͤter Jeruſalems, muͤſſen wir 
etwas beſchlieſſen, 

Und mit gewaltigem Arm den Widerfacher 
vertilgen: 
245... De 


GI  .; 1 —— 
Oder er führt es hinaus, was er wider uns lange 
ſchon ausſann; 
Und wir halten vielleicht heut. unſre Teste Ver 
sammlung ! 
Sa dieß Prieſterthum Gottes, das Gott auf 
Sinai felber 
Durch den größten Propheten der ganzen Nachwelt 
geſezt bat, 
Das, in der langen Sefangenfchaft, felbft baby: 
lonifhe Thürme, 
Das, im Sturme der Waffen, die ſchrecklichen 
ſieben Huͤgel 
Nicht zu erſchuͤttern vermochten; das wird ein 
ſterblicher Seher, 
Stfrael, uns, dem Tempel des Herrn zur Schande, 
| vertilgen. 
Iſt nicht Jeruſalem fein? ind nicht die Städte 
Tudda 
Sklavinnen ihres vergütterten Sehers? entfliehet 
das Volk nicht 
bergläubifch und blind dem Tempel meiferer 
| Vaͤter, | 
Seine verführende Wunder in weit entlegenen 
Willen 
Anzuflaunen ? die Wunder, die Satan durd) 
ihn verrichtet! 
Und was blendet wol mehr ? was iſt dem ſtau⸗ 
| nenden Poͤbel 
Wunderbarer, als wenn er ſogar Verſtorbene, 


vom Lodge, 
Dder 


“ 
Dder vielmehr ohnmaͤchtige Kranfe, vom 
! Schlummer, erwecket? 

Unterdeß ſind wir ruhig, und warten, wenn uns 
ſein Anhang 
Im entſetzlichen Aufruhr vor feinen Augen er— 

mwürgt bat, 

Daß er uns aud) von den Todten erwecke! Ya, Bis 
ter ! ihr ſeht mich 
Stumm und erſtaunensvoll! Könnt ihr noch zwei⸗ 

feln? Ja, ich zweifelt‘, 
Zweifelt nut, und fhlummert! Nie rief ihn Ju— 
daͤa zum König 

Ungeftim aus! das wißt ihr nicht! Niemals be; 
ſtreut' es mie Palmen 
Jauchzend die Wege! Nie haben ſie ihm Hoſianna 

' gefungen ! 
Daß du, flatt Hoſanna den Fluch des Ewigen 
hoͤrteſt! 
Daß die Stimme des Donners Dir im betaubten 
| Ohre 

Statt des Triumphtons erſchallte! daß tief im 
| Shore des Todes, 
Könige dir vom eifernen Stul aufilünden , die 

| Kronen 
Niederlegten, und bitter und ſpoͤttiſch, Hofanna! 
dir riefen-! 
| Ja, unwuͤrdige Vaͤter des Volks! Cerzeiht mir 
die Rede, 
| * izt ergrimmt im heilgen Zorne mein wuͤthen— 


der Geiſt that 


Ua — 


Nicht die Klugheit allein, nein, viel was biz 
hers gebeut uns, 
Sort gebeut und, ihn ſchnell vom Antlig der 
Erde zu tilgen! 
| Vormals redte der Herr durch offenbarende 
Traͤume 
Unſern Vaͤtern. Entſcheidet, ob nicht auch Kaiz 
| phas Traͤume, 
Die Gott ſendet, gehabt hat 2 Ich lag zur 
Mitternachtflunde 
Sorgenvoll auf dem Lager, und dachte dem ends 
| | x lichen Ausgang 
Diefer neuen Empörungen nad. So dacht ich, 
und fihlief izt, 
Unentſchloſſen und Fummervoll ein. Da war id) 
| im Traume 
Sin. dem Zempel, und eilte, mit Gott das Volk 
zu verſoͤhnen. 
Een fioß Blut der Opfer vor mir; id) gieng 
anbetend 
Schon ins Allerheilig fie Gottes; ich hatte den 
Vothang a, 
Schon eröffnet : da ſah ich (noch beben mir 
alle Gebeine! 
Noch Fälle Gottes Schreckniß anf mid , wie 
toͤdtend, herunter!) 
Aaron ſah ich, im heiligen Schmuck, mit dros 
hender Gtirne 
Gegen mich kommen. Gein Auge voll Feuer, von 
; aoͤttlichem Grimme voll 
Toͤd⸗ 





62T 


Toͤdtete! Sein Bruſtbild voll ernſter gewaltiger 
Stralen, 
Site, aleid Horeb, ‚ auf mich! der Cherubim 
| Sittige rauften 
Soͤrdterlꝛh auf der Lade des Bundes! Auf ein— 
mal entfiel mir En 
Rauſchend mein —— — Gewand, wie 
Aſche, zur Erde. 
Fleuch, Elender! dir ſag ich, daß du die heis 
lige Staͤtte 
Kuͤnftig nicht mehr, als Prieſter des Herrn, vers 
wegen entheiligſt. 
Biſt du es nicht (Hier ſah er mich grimmig mit 
| tödtendem Blick an, 
Wie man auf einen Zodfeind herabblickt, und 
lieber ihn würgte! ) 
Sit dm es nicht? Unwuͤrdiger! du, der ienen 
| Perruchten, 
Jenen — Mann, ungeftraft dag Hei⸗ 
ligthum laͤſtern, 
Meinen Bruder, Moſes, und mid), und Abra— 
ham ſchmaͤhen, 
Und die Sabbathe Gottes mit frafbarer Traͤg⸗ 
in heit entweihn ſieht! 
Geh, Elender! damit dich nicht ſchnell, wenn 
du ferner verweileſt, 
Dieſer Gnadenſtuhl Gottes mit heiligem Feuer 
.... derjehre. 
Alſo ſagt ev. Ich floh, und kam mit zerfliegen— 
den Haaren, 
Und 


622 — 


Und mit Aſch' auf dem Haupte, gewandlos, 
| entſtellt und verwildert, 
Unter das Boll Da flürmte das Volk, und 
| wollte mid) toͤdten. 
Drauf erwacht ih. Drey Stunden voll Quaal, 
drey änaftliche Stunden, 
Hab id) ſeitdem, wie ſinnlos, in Todesſchweiſſe 
gelegen. 
Und noch beb ich, noch zittert mein Herz von ge⸗ 
heimen Schauer! 
Und, der Stimme beraubt, erſtarrt mir die Zung 
| im Munde! 
Er muß ferben ! Bon euch, verfammelte Vaͤter 
erwart ich, 
Wie er ſterben ſoll, ſchleunigen Rath! Mit 
ſtarrendem Blicke, 
Stand er hier ſprachlos. Zulezt erwacht er wies 
der, und ſagte: 
Beſſer tüdten wir Einen, als dag wir alles 
verderben ! 
Aber noch will die vorfichtige Weisheit: die Tage 
— des Feſtes | 
Muß er nicht ſterben, daß ihn ſein fllabiſcher 
Poͤbel nicht ſchuͤtzte. 
Kaiphas ſchwieg. Kein Laut, noch Geraͤuſch 
von Redenden wurde 
Durch die Verſammlung gehoͤrt. Sie blieben 
überall ſchweigend, 
Wie vom Donner gerührt, und flarr, und uns. 
f IBen. 
bewegt fiß Joſeph 


— x. 028 


Joſeph fah die herrſchende Stille. Da wolt 
! er für Jeſum, 

Ihn zu vertheidigen reden; allein ein gefuͤrch— 
| teter Driefter, 

| Seine Bu ; mit der er auf einmal zu reden 
hervortrat, 

| Hielten ibn ab. Philo, war des Priefters Nas 
me. Noch hat er 
Nie von Jeſu geredet, zu ſtolz, vor der. Neife 


der Sachen 
Unentſcheidend zu reden. Ihn hielten alle fuͤr 
| | weiſe; | 
| Kaiphas ſelbſt; doch haft ihn der pharifäifche 
- Philo, 
Der ſtand auf. Sein gi und paanhlifipes 
Auge 
| Funkelte, da ſprach er mit zornig geflägelter 
- Stimme: 


Kaiphas! du wagſt es, uns hohe göttliche Träume 
Zu erzählen, als wuͤßteſt du nicht, daß der Ewige 
niemals 
Wollüflingen erfcheine , daß heimlichen Sad⸗ 
| ducaͤern 
Wol kein Geiſt was verkuͤndigen wird. Entwe⸗ 
der du leugſt uns; 
Der du ſahſt das Seh cht; Gott ließ fo tief fi) 
| herunter! | 
Iſt das erſte; fo 2 du Dich deiner römifchen 
Staatskunſt, 
Und 


\ 


624 ——— 
Und des erhandelten Prieſterthums wuͤrdig: 
und waͤr auch das lezte, 
Hoherprieſter! ſo wiſſe, daß Gott, Verbrecher 
zu ſtrafen, 
Sonſt auch taͤuſchende Geiſter zu ſalſchen Pros 
ppheten geſandt hat. 
Daß der Sklave von Jeſabels Baal, daß Ahab 
verderbe, 
Daß nicht länger zu Gott das Blut des Getoͤd⸗ 
. teten rufe, 
Steigt ein Todesengel vom Thron, und giebt 
| den Propheten. 
Falſche Prophezeihnng! und fiehe die rollenden 
| Magen 
Zrugen den fierbenden Ahab zurück. Er ſtarb 
und fein Blut floß 
In Das Feld hin, wo Nabot erwuͤrgt ward: 
ins Feld hin, wo Gott ſtand, 
Und wo der Todesengel vor Gott hin des Suͤn⸗ 
ders Blut goß. 
Zwar es gebietet dein Traum, den Widerfas 
cher zu frafen! 
Du haſt keinen gehabt! doch haft du mit Weiss 
heit erfunden. 
Aber zitterſt du nicht , da dir der furdtbare 
Name 
Eines Todesengels geneune wird! Vielleicht/ 
daß ein ſolcher 
| | Schon 


—— 625 
Schon dein bald zu vergiefiendes Flut vor dei 
Ewigen Thron wägt! 
Nicht, als wenn ich den ſchuldigen Jeſus für 
ſchuldlos erkennte! 
Gegen den aus Nayareth bit: du ein Fleiner 
Verbrecher! 
Du entehrſt nur das Prieſterthum Gottes. Er 
will eg vernichten! 
' Ihm iſt in der richtenden Wage, die oft ſchon 
Verbrecher, 
Oft ſchon auſgethuͤrmte Bezwinger der Voͤlker 
| zu leicht fand, 
- Eher PEN: fein Blut, zum gemwiffen Tode 
gewogen ! 
Er fon ſterben! Und ich, ich will es mit meinen 
Augen - 
Sehen, wenn er erblaft! Vom Hügel, wo er 
erwürgt wird, 
Will ich Erde mit Blut bedeckt, ins Heiligehum 
tragen ; 
Dover, von ihm noch rauchende Steine beym 
hohen Altare 
Niederlegen; den Iſtaelun ein ewiges Denkmal! 
Niedrige Furcht, die uns beugt, den wankenden 
Poͤbel zu ſcheuen! 
Kleinmuth, die keine Vaͤter uns lehrten! Woſern 
| wir dem Donner, 
Gottes raͤchendem Donner, zuvor zu kommen 
nicht eilen; 
RE Mich 


626 ern 


Wird und, mit ihm, Gott auch gerfchmettern. 
Mit breidenden Augen 

Werden wir fehn, wenn er flirbt, und unrein 
neben ihm flerben! 

Fuͤrchtete der aus Thisbe den Poͤbel, die Prieſter 
in wuͤrgen, 

Als der ſchlafende Baal zu keinem Wetter 
erwachte? 

Oder vertraut ihm mehr, der Feuer, vom Him⸗ 
mel ber, fandte ? 

Stehn aud) Feine Wetter ung bey; fo will id 
allein mid) 

inter das Volk hinſtellen! Und, weh dem unter 
dem Volke, 

Der fih wider auflehnt, und fagt, der Leichnam 
des Träumers 

Blute nicht Gott zu ehren! Ihn fol die ganze 
Gemeine 

Steinigen, fobald ihr mein um fi) ſchauender 
Blick winkt. 

Vor den Augen des ganzen Judaͤa, vorm Antlitz 

der Römer, 

Soll der Empörer fierben! dann wollen Wie 
ſtolz im Gerichte 

Gißen, und lautfeyrend zu Gottes Aelliotbum | 

einziehen. 

Philo ſprach dieß, und gieng mit aufgehabenem 

Arme 
Vor⸗ 


—— 627 


Vorwärts in die Verſammlung, und fand, und 
rief von neuem: 
Seeliger Geiſt, wo du ietzo auch biſt, wenn du, 
| himmliſch befleider, | 
Neben Abrabam fi beſt ‚und um did) Propheten 
verſammleſt; 
Oder, weun du vieleicht in deiner Berfammlung 
Wuͤrdigſt einzukehten, und unter Sterblichen 
wandelſt; 
Moſes Geiſt! dir ſchwoͤr ich, bey ienem ewigen 
| Bunde, ? 
Den du, gelehrt von Gott, aus Donnerwet⸗ 
tern ung brachtefi: 
Ich will air nicht ruhn, als bis dein Hafer 
| erwuͤrgt ift ! 
Ns bis ich, von des Nazarders  vergoffenem 
Blute 
Volle Haͤnde sum hohen Altare der Dankenden 
bringe, 
Und ſie uͤber mein Haupt , das lange ſchon grau 
| war, erhebe ! 
Alſo ſagt er und feurfe fi an, zu wähnen, 
| die Gottheit 
Decke getuͤnchte Gräber nicht auf. Doch nannte 
| fein Herz ihn, 
Heudhler! Er fühlt es, und fand mit unverras 
tbendem Ange 
Bor der Verſammlung. Von Grimm und übers 
mannender Wuth voll, 


Ara Lehnt 


628 1» — f 
Lehnt an feinen goldenen Stuhl ſich Raiphag 
nieder, _ 
And erhebt: Ihm glühte fein Antlig. Er ſchaut 
auf den Boden 
Sprachlos und flarr. Ihn fahn die Sadducaͤer, 
und ſtanden 
Gegen Philo mit Ungeſtüm auf. Wie tief in 
der Feldſchlacht, 
Kriegriſche Roſſe vor eiſernen Wagen ſich zů⸗ 
| ‚gellog heben, 
Wenn die Flingende bame daherbebt, fliegend 
dem Feldherrn, 
Den ſie jogen den Tod traͤgt, und unter ſie 
ihn blutathmend 
Stuͤrzt. Sie wiehern empor, und drohn mit 
funkelnden Augen, 
Stampien die Erde , die bebt, und hauchen dem 
Sturmwind entgegen. 
Itzo hätte voll Wuth ſich ſchnell die Verſamm⸗ 
lung getrennet, 
Waͤre nicht unter ihnen Gamaliel aufgeſtanden. 
Heitre Vernunft erfuͤllte ſein Antlitz. Der Weis 
ſere ſprach ſo: 
Wenn in dieſem Sturme des grimmigen Zorns 
die Vernunſt noch 
Etwas vermag, wenn Weisheit euch lieb iſt, ſo 
hoͤret mich, Väter! 
Wenn der ewige Zroift ſtets wieder unter euch 
| aufwacht; 
Wenn 


— — 629 


Wenn Phariſaͤer, und Sadducaͤer, wenn dieſe 
Namen 
Ewig * trennen „ wie werdet ihr da den Pros 
| ppheten vertilaen ? 
Zwar Gott fendet vieleicht die efferfüchtige 
| | Zankſucht 
Unter euch, Vaͤter! weil er es feinen hoben 
Gerichten 
Vorbehalten, dem Nazarder ein Urtheilzu fprechen. 
Laſſ et, Vaͤter, Gott ſein Gericht! Ihr moͤchtet 
zu ſchwach ſeyn, 
Seinen Donner zu nehmen, und unter den 
maaͤchtigen Waffen, 
Denen die Himmel erzittern, in niedrigen Staub 
hinſinken. 
Schweigt ihr vor Gott, und hoͤrt der Stimme 
des kommenden Richters 
Still entgegen! Er wird bald reden, und ſeine 
Stimme 
Wird der Erdkreis erſtannt, vom Aufgang und Uns 
tergang hören. 
Sprit Gott zu dem Gewitter: zerſchmettr' ihn! 
und zu dem Sturmwind, 
Dder zum blinfenden Schwerdt : Auf, maffne 
raͤchende Hände, 
Trinke das Blut des Suͤnders! Gebeut er den 
Tiefen der Erde: 
Thut eu auf, und verſchlingt ihn; ſo iſt er der 
ſchuldige Traͤumer! 
Rr3 3 Aber, 


Aber , wenn er dur himmliſche Wunder, die 
| Erde zu feeanen, 
Maͤchtig fortfaͤhrt; wenn durch ihn der Blinde 
fein Antlig zur Sonne 
Freudig erhebt, und mit fehenden Augen den leis 
denden Vater 
Staunend anblickt; (verzeiht mir, wofern ich, ent⸗ 
flammt von der Groͤſſe 
Seiner Thaten, vielleicht, nach eurem Sinn, zu 
erhaben 
Von ihm rede!) wenn Tauben das Ohr der 
Stimme des Menſchen 
Wieder ſich oͤffnet, wenn es die Rede des ſeeg— 
‚nenden Prieſet 
Wieder vernimmt, und die Stimme der Braut, 
und die weinende Mutter, 
Und das feiernde Chor, und die Halleluia⸗ Ge⸗ 
ſaͤnge; 
Wenn durch ihn die Todten dahergehn, und gez 
gen und zeugen, 
Und mit wieder lebendem Auge, aen Himmel hin, 
weinen, 
| Und dann goͤttlich zürnend auf ung fehn ; ihr 
Grabmal ung zeigen, 
Und mit ienem Gericht ung drohn, vor dem fie 
ſchon waren; 
Wenn er, welches noch goͤttlicher iſt, untadels 
haft fortfaͤhrt, — 
Vor uns zu leben; wenn er, mit feiner maͤch— 


tigen Zugend 
\ Wunder 





631 
Wunder thut, und Gott gleicht : : ach, fo bes 
ſchwoͤr ich euch, Vaͤter! 
| Beym lebendigen Gott: ſprecht, ſollen wir ihn 
verdammen? 
Alſo ſagt er. Itzt ſtralt die erhabene Mittags— 
Sonne 
Ueber Jeruſalnm nieder. Um die Zeit nahte 
ſich Judas, 
In der Prieſter Verſammlung zu gehn. Vor 
ihm wandelten Satan, 
Und Ithuriel unſichtbar her, und ſtanden im 
Saale 
Neben den Prieſtern, und ſahn ungeſehn in die 
tiefe Verſammlung. 


Aber Nikodemus ſaß, und betrachtete 
ſchweigend 
Aller such So wie ein Mann, der ein Sins 
der iſt, zitternd 
Steht, und erbleiht, wenn über ihm nah der 
| Olympus donnert; 
Alſo war die Verſammlung. Selbſt Philo und 
Kaiphas ſchienen 
Vor Gamaliels Weisheit zu zittern. Mit Furcht 
und Varachtung 
Sab ſie Nikodemus, ſtand auf, und wagt es zu 
reden. 
Hoch — ein Mann von menſchenfreundli— 
chem Anſehn, 
Na Stand 





Stand er. Wehmuth und Eraft erfüllte fein 
Antlig; und Adel, 
Adel eines empfindenden unbeflecften Gewiffeng 
Sprach fein ganzes Gefiht. Sein treuer Zeuge, 
| Dad Auge 
Wein, und verbarg nicht die Thränen. Er glaubt, 
er fpräche vor Menfihen. - 
Alſo fagt er: geſeegnet ſey, o du Theurer, die 
Rede 
Deines Mundes! Es hat dich der Herr zum 
Helden geſetzet, 
Und ein ſchneidendes Schwerdt in deinen Mund 
dir gegeben! 
Noch bebt unfer Gebein, das deine Rede gez 
theilt hat! 
Noch ſinkt unfer ohnmaͤchtiges Knie! Noch 
decket Dunkel 
Unſer Auge! Noch ſehen wir Gott in ſtrafenden 
Wettern, 
Daß die Empoͤrer wider fein Thun des. Staubs 
ſich erinnern, 
Der ſie gebar! der Gott, der dieſe Weisheit 
dich lehrte, 
Der dir, ein mehr als koͤniglichs Herz, und maͤnn⸗ 
lichen Muth gab! 
Saute/ Gamaliel, dich! — der Gott gefandte 
. Meflias 
Sey auch dein Meſſias, und deines Saamens 
Meſſias! 


= 


Aber 


an en 633; 
Aber euch kann ich nicht ſeegnen, die Gotteg 
erhabne Propheten 
alle verfolgen! Philo, did nie! di, Kais 
pbas, aud nicht ! | 
Beinen Fann id) vor euch; wenn anders die. 
Etimme des Weinens 
Euerm Herzen börbar noch ift, und wenn für 
| die Unſchuld 
Menſchlich vergoſſene Thraͤnen, noch eure Seele 
bewegen! 
Itzo klagt noch die Stimme der Thraͤnen, die 
—— Unſchuld zu retten. 
Hoͤrt ſe vaͤter ı Sf erſt — heiliges Blut 
vergoſſen 
Alsdan ruft, glei) Gottes ah erhab⸗ 
ner die Stimme 
Ihres vergofenen Blut ! fie ruft, und fleigt 
| | in den. Himmel 
Zu de Kan Dhr. Der wird fie hören 
| | und fommen, 
Und, im Gericht', ohn Erbarmen, um feinen 
| | aetödfeten rechten: 
Sud, Juda! wo iſt dein Meſſias? Und, wenn 
er nicht da iſt, 
ir er vom Anfang herauf bis bin zum Nie—⸗ 
\ dergang füdfen 
Ale Männer des Bluts, die feinen Heiligen 
wuͤrgten. 
Alſo trat er zuruͤcke. —— ſaß mit drohendem 
| Auge 


Rr 5 Philo 


* 


634 —— 


Philo da, und erbebte vor Wuth und grims 
migen Zorne, 
In ſich felber ‚und wang fi ſich aus Stolz, den 
Zorn zu verbergen. 


Aber er zwang fi ch umfonft. Sein Auge ward duns 


kel, und Nacht lag 
Dicht um ihn her, und Finſterniß deckte vor ihm 
— Verſammlung. 
ko mußt er entweder ohnmaͤchtig niederſi aken, 


Oder ſein ſtarrendes Blut auf einmal feuriger 


. werden, 


Und ihn wieder gewaltig beleben. Es hub ſich, 


und wurde. 

Feuriger, und goß ſi ch vom hoch auffchmellens 

den Herien 

In die Mienen empor. Die Mienen verfündigs 
en Phil 


Und er fprang auf, und riß fih aus feiner Reih, 


und erarimmte 
So ‚ wenn auf unerſtiegnen Gebirgen ein nahes 
Gewitter | 


Furchtbar fib lagert, . fo reift ſich -eine der | 


naͤchtlichſten Wolfen, 
Mit den meiften Donnern bersaffnet, entflammt 
sum Verderben, 
Einſam hervor. Wenn andre den Wipfel der 
Ceder nur fafien, 
Wird fie. von einem Olympus zum andern, 
waldigte Berge, 
Und 


- 


re 635 
Und hochthuͤrmende Koͤnigstaͤdte, die Meilen 
lang liegen, 
Tauſendfach donnernd, entzuͤnden und in Ruinen 
| bearaben. 
Philo riß ſich hervor. Ihn ſahſt du, Satan, 
u Ag | und fagteft 
Bey dir felber: O fen mir iu deiner Nede ges 
weihet ! 
Wie mir unten im Abgrund weihn ſo weih ich 
dich, Dhilo! - 
Gleich der. Hölle gefürchteten Waſſern, , ftröme 
fie wild hin! 
Stark, wie das flammende Meer! Wie vom Hauche 
der Donner gefluͤgelt, 
- Die mein Mund ſpricht, wenn er gebeut ! Wie 
iemalg im Abgrund. 
Menſchenſeindlich und zornig an feinen unendlis 
den Bergen 
Bon den Göttern hinunter geredt ward, daß es 
die Ströme 
Horchend lernten, und um ſich herum den Stroͤ— 
men erzaͤhlten! 
So ſzrigt Philo! fo führe dieß Volk im Trium—⸗ 
phe gebunden! 
Alſo denke! fo flieſſe dein Herz von Empfinduns 
gen über, | 
Derer ſich, wär er ein Menſch, felbit Adranıes 
lech nicht fhamte! 
Eprich dem Nazaraͤer den Tod! Ich will dich 
belohnen! 
Und 


Zr — 


Und dein Herz mit Frenden der Hölle, fo bald 
du fein Blut ſiehſt, 

Ganz erfüllen, und koͤmmſt du zu ung, dein 
Sübrer werden, 

Und zu den Seelen dich führen, die Helden wa; 

ren, und mürgten ! 

So ſprach Satan vor fi, und Seraph Ithu— 
riel höre ihn. 

Aber Philo and da, ſah ernſt gen Himmel, 
und fagte ER 

Altur des Bluts, wo Gott das Lamm der Vers 

ſoͤhnung gebracht wird, 

Und ihr übrigen hohen Altäre, wo vormals vie 
Dpfer, 

Gott ein jüffer Geruch , fih unentheiligt erbuben! 

Und du Allerheiligſtes ſelbſt! du Lade des Bundes! 

Und, ihr Cherubim, Todesengel! du Gnadenſtuhl 
Gottes, 

* von Menſchen unangeſeindet, der Ewige 
vormals 

Saß }, und her die Sünder aus heiligem Dunkel 
Sericht hielt! 

Tempel des. Herrn, ben Gott mit feiner Herr— 

lichkeit füllte! 
Und, du Hoͤrer der goͤttlichen Stimmen, Moria 


Moria! 

Wenn euch der Nazaraͤer verwuͤſtet; und dieſe 
Maͤnner, 

Dieſe Maͤnner der Bosheit euch, unter feiner 
Beſchuͤtzung, 


Mit 


— —— — — — — 


— 637 


Mit verwüften; fo bin ich an eurer Verwuͤſtung 
nicht Ihuldig ! 

Din unſchuldig, wenn unfere Kinder mit ängfllis 
chen Blicken, 

und mit bebendem Knie, mit bang zerrungenen 

% Händen , 

Gehn, und den Gott der Vaͤter in feinem Hei⸗ 
ligthum ‚ſuchen, 

Ihn nicht finden! der Nasarder ſich Throne 
gef: tzt hat, 

Wo Gott uͤber den Cherubim ſaß! wenn vor 
aller Antlig 

Gögenfklaven dem Eünder entmeihende Raͤuch⸗ 
werfe bringen, 

Mo der Vorhang bieng! wo fonft nur der 20 


heprieſter, 
Mit verhuͤlltem Geſicht, und betend, sum Gnas 
hr denſtuhl hintrat! 


Laß mich den Jammer nicht ſehn! Laß, Gott! 
* mein ſterbendes Auge 
Er — als dieſer Graͤul der Verwuͤſtung 
dein Volk trifft. 
Aber was ich noch thun kann, dem nahen Vers 
*— derben zu wehren, 
Dieſes thu ich vor Gott! —— ſteh ich vor deinem 
Antlitz! 


Hoͤr, Gert Iſrael! mid; wenn du iemals im 
Himmel gehört haft, 
Was von bir auf Erden ein Menfh im Staube 
gelebt bat! 
Trat, 





Traf, auf Elias Sebet, die geſandten Moͤrder 
des Koͤnigs 

Feuer vom Himmel, und fraß es ſie weg vom 
Gipfel des Carmel! - 

Riß der Abgrund, da Mofes dich bat, in feine 
Tiefen | 

Korah, und Dathan und Abiraniden lebend 
hinunter: 

O ſo hoͤr, Gott Iſrael! mich; Ich fluche den 
Maͤnnern, 

Die dich ſchmaähn, und den Sünder, der Moſes 
Feind ift, beſchuͤtzen. 

Nikodemus! dein Ende ſey, wie das Ende des 
Traͤumers! 

Und dein Grab, wie das Grab des Empoͤrers! 
unter den Moͤrdern, 

Welche, fern von dem Tempel und Altar, ges 
fteiniget werden ! | 

Hart fey dein Herz, wenn du flirbft, und unun⸗ 

ternürfig der Gottheit! 

Thraͤnenlos fey dein Auge! das Weinen muß ihm 

verfagt fenn ; 

Willſt du zu Gott dich fierbend befehren ! Weil 

| du geweint haft, | 

Einen Verruchten zu ſchuͤtzen, und meil dein 

| dienfibares Auge _ 

Wider ben Emigen ſtritt, unheilige Thraͤnen 
herabgoß! 

Auch du ſchuͤtzeſt den <räumer; Gamaliel! Fin⸗ 

ſterniß decke 
Und 


— 639 


Und entſetzliches Dunkel dein Ange! dann ſitz 
und warte 
Auf die Huͤlſe des Nazaraͤers und ſchmachte 
| vergebens! _ 
Taubheit ſchlieſſe dein Ohr! Ein ſchreckliches 
Ende dein Reben! 
Lieg dan; und harre, bis dich der Nazarder 
erwecke! 
Lieg and verweſ „und harre vergebens! Und, 
wenn du dem Poͤbel, 
Der * anſtaunt, wie du, wenn du dem Poͤbel 
noch ſagteſt: 
Meiket darauf, er wird mich erwecken! So 
trete der Poͤbel 
Aufdein Grab hin, und fpotte daſelbſt des Pros 
pheten und deiner ! 
Vorm Gerichte ſtehe dein Beift dann , und höre 
fein Urtheil! 
Hebe deinen gefürchteten Arm auf, und fihlage 
| den Sünder, 
Schlage Nifodemum, Bott! und vollende die 
Fluͤche, 
Die ich zu Ehren dir thate' den andern, der nebſt 
| ihm fein Knie bog, 
Leg auch ihn in den Staub, Gamaliel! hin, 
two der Tod wohnt! 
Aber beiten arimmiger Zorn , worunter die Hölle, 
Gehſt du daher) worunter die Berge der Erden 
| erzittern, 
Deine 


640 — 


Deine Donner, die rings um dich her, Unendlis 
er! donnern, 
Nimm, und fihlag den noch guöfferen Sünder, 
den Nazarder! 
Ich bin iung gewefen, und bin zum Greife gu 
worden, 
Habe dir ſiets nach der Weiſe der Vaͤter gedient 
and geopfert: 


2 Doch, Gott! läßt du mein ſterbendes Auge den 


Jammer erblicken, 
Daß der Empoͤrer von Nazareth ſiegt! Dein ewi⸗ 
ger Bund nichts, 


Daß nichts mehr dein Heiligthum gilt, und dein 


Eid und dein Seegen, 

Den du Abraham ſchwurſt, und nach ihm den 
Abrahamiden: 

So entſag ich hiermit, vor dem Antlitz des gan⸗ 

zen Judaͤa, 

Deinem Recht und Geſetz! ſo will ich ohne dich 
leben! 

Ohne dich ſoll mein ſinkendes Haupt ins Grab 
hin ſich legen! 


Ja, wenn du vom Antlitz der Erde den Traͤumer 


nicht wegtilgſt: 


So biſt du nicht Moſes erſchienen! ſo war es 


ein Blendwerk, 
Was er im heiligen Buſch am Fuſſe des Ho⸗ 
rebs erblickte! 
So ſtiegſt du zut Spitze des Sina nicht wun— 
derbar nieder! 
So 





641 


So — Feine Pofaune! Fein Donner! fo 
bebte der Berg nicht ! 

‚© fi nd unfere Väter und wir, feit undenkbas 
ren Zeiten, 

unter den Völkern der Welt die. beweinenswuͤr⸗ 
digfien Menfchen ! 

© ift Fein himmliſch Gefeg ! fo biſt du © Iſraels 

Gott nicht! | 
Dil ſprichts, tritt meh zuruͤck. Und Nis 


Stand mit niederſchauendem nun de. ©, 
wie ein Mann fteht, 
Welcher den Unterdruͤcker erduldet, und in ſich 
den Vorzug 
Und die Erhabenheit ſeiner Tugend und Unſchuld 
empfindet: 
Ernſt iſt in ſeinem Geſicht; tief in der Seele 
der Himmel ! 
Itzo dachte der goͤttliche Mann voll Gedanken 
der Ehrfurcht 
An die Heilige Naht, wo allein mit ihm der 
Meſſias 
Von der Ewigkeit ſprach, und von den Geheims 
niflen Gottes ; 
Wo er im Zieffian mit Mienen vol Seele, mit 
himmliſchen Laͤcheln, 
Neben ibm fland, und fprab. Er fah fein 
Kr Antlig voll Gnade, | 
Und den mehr als menſchlihen Geiſt der goͤtt⸗ 
lichen Augen, | 
S3 Sah 


642 pam one: > 
* die Enthuͤllung der paradiſiſchen Unſchuld; 
erhabne, 
Lichthelle Züge des ewigen Vildes, den Sohn 
des Vaters ! | 
Alſo fiand er ſtillanbetend, zu feelig, vor Menfchen 
Sid) noch zu fürchten. Ein mächtiges Feuer, ein 
| Schauer vom Himmel, 
Hub ihn empor. Es war ihm, als ob er vorm 
Anſchauen der Gottheit, 
Bor ber Yerfammlung des Menfchengefchlechts 
und dem Weltgericht finde. 
Auf ihn ſchaute die ganze Verſammlung. Sein 
Auge voll Ruhe, 
Voll des unwiderſtehlichen Feuers der furchtba⸗ 
ren Tugend, 
Sdrette die Suͤnder. Sie fuͤhlten ihn grimm— 
voll. Er zwang ſie; ſie hoͤrten. 


Heil mir! daß ich mit meinen Augen dich, 
Goͤttlicher! ſchaute. 
Heil mir! daß ich die Hoffnung der Vaͤter er⸗ 
blickte. 
Welchen zu ſehn, im Haine zu Mamre ſchon 
| Abraham oſtmals 
Einfam ſeufzte! den David, der Mann zum 
Beten geſchaffen, 
Gern aus den Armen des — herunter gebetet 
| hätte! 
Den, im Stande gebücht, Propheten mit Thräs 
nen verlangten, 
ER" Die 


WEREEETEEnG 643 

Die Gott fammelt und zählte! den uns Unwuͤr⸗ 
digen Gott gab! 

Ja du zerriſſeſt die Himmel umher, du eilteſt 

hernieder 

unter dein Volk, es zu ſeegnen, du Erſtgeborner 
des Vaters! | 

Oder, wie ‚Diefe Männer dich nennen, du Träus 
mer, und Einder! 

Ach, unſchuldiger Mann! wer ſind fe, die alfo 
dich nennen 2 

And ; wenn haft du Rügen gefräumt? Wenn haft 
du gefündiat ? 

Stand er nicht vor dem Geſicht der verfammelten 
Stiraeliten ? 

Standfi du nicht, Philo! dabey? Und rief er 
nicht alfo, und faate: 

Wer Fann einer Sünde mich überzeugen ? Wo 
war da, 

philo! der grimmige Zorn auf dieſen Lippen der 
Laͤſtrung ? 

Warum ſtandſt du, und um dich herum dein 
Haufen, fo ſprachlos? 

Erſt war aͤberall herrſchendes Schweigen, und 
wartende Blicke! en 

Milde Gef chte voll Sreude! Geſichte von forgens 

Ä der Furcht voll! 

Still und verſtummend ſtand die Verſammlung, 

und wartete, bis ſich, 


Einer erhub, und wider ihn zeugte. Da aber 
nicht einer, 


S82 Unter 


— —— 


Unter dieſer dichten Verſammlung, unzaͤhlbarer 
| Menfchen, 
Wider den Goͤttlichen aufſtand, und zeugte: da 
hub ſich die Stimme 
Vom zu ſeegnenden Volk von allen Seiten gen 
Himmel / 


Daß Moria davon, des Oelberas waldigfe Gipfel, 
Bon der Stimme des Rufens erbebten! da dran 
gen die Blinden, | 
Und die vormals Tauben herzu, und dankten, 
und iauchzten! * 
Da kam ein unzaͤhlbares Volk, das er wunderbar 
vormals — 
Speiſt' in der Wuͤſten, es eilt’ und dankte dem. 
| Menfhenfreunde. 
Da riet unter dem Volk mit lauter Stimme der 
Juͤngling, 
Den er vor Nains Thoren erweckte, der tief, 
— und ſagte: | 
Du bift mehr als ein Menſch! du bift Fein Suͤn⸗ 
der geboren! 
Gottes Sohn, der du biſt! die Hand, die id) 
gegen dich ſtrecke, 
- Mar mir erflarrt ! dieß Auge, dag weint, dir, 
Goͤttlicher! zuweint, 
War mir geſchloſſen! Auch ſie, die iauchzend 
dir betet, die Seele 
War nicht bey mir! Sie trugen mich hin zum 
Grabe der Todten. 
Aber 


— | 645 


| Aber du gabeft der ſtarrenden Hand, du ‚gabe 
| dem Auge 
geben FOR Feuer! Sch fah von neuem die Erd 
| and den Himmel, 
And die sifternde Mutter bey mir! du riefeſt die 
Seele 
Wieder zuruͤck! Sie trugen nicht mehr zum Grabe 
den Juͤngling! 
Du bift mehr als ein Menſch! du bift Fein Süns 
| der geboren ! 
| geil mir! du bift deg Ewigen Sohn! der Vers 
beifine! die Wonne 
Deiner Mutter ! die Wonne der Erde, die durd) 
dich erlöft wird! Ä 


t aufo vie er. Doc du ſtandſt il, und fopf 

zur Erde, 
Warum verſtummteſt du fo vorm Antlitz des ganz 

zen Judaͤa? 

Philo! — zwar was erzähl ich dieß bier? hr 

| wißt es ia alle! 

Härtt du Augen, zu ſehn; und Ohren su hoͤren; 
und waͤre 

Nicht dein ger mit Dunfel umbällt, dein 
Herz voll Bosheit: 

D , fo haͤttſt du in ihm den Sohn des ewigen 
Vaters 

Lang erlannt! Und waͤrſt du hierzu zu niedrig 

| | "newefen; 
633 Hättft 


646 — — 


Haͤttſt du Gott doch geſcheut, und tief im Staube 
gewartet, 

Dis ihn der Richter der Welt vom Himmel ges 
rechtfertigt hätte: | 

Oder über fein Haupt dem Untergange gerufen: 

Meligion der Gottheit! Du heilige Menſchen⸗ 
freundinn! 

Tochter Gottes, der Tunend erhabnefte Lehres 
rinn, Ruhe, 

Beſter Seegen des Himmels , wie Gott dein 
Stifter, unferblih! 

Schön, wieder Seeligen einer! und füß, wie 
das ewige Leben! 

Schoͤpferinn hoher Gedanken! der Froͤmmigkeit 
feeliofter Urquell! 

Oder wie fonft ein Seraph dich noch, Unauss 
fprechliche ! nennet; 

Wenn dein lichtheler Stral in edle Seelen fi) 
fenfet! 

Aber ein — in des Raſenden Hand: des 
Bluts und des Wuͤrgens 

Priellerinn! Tochter des erſten Empoͤrers! nicht 
Religion mehr! 

Schwarz ‚wiedie ewige Nacht! fuͤrchtbar, wie dag 
Blut der Erwuͤrgten, 

Die du ſchlachteſt, und uͤber Altaͤren auf Zodten 

dahergehſt! | 

Raͤuberinn ienes Donners, den fich des a 
den Arm nur 
J Vorbe⸗ 


— — 647 


| Vorbehalten, dein Fuß ſteht auf der Hoͤlle, dein 
Haupt droht 

regen den Himmel empor; wenn dich die Seele 

| des Sünders 

Ungeftalt wadt, wenn ein Menſchenſeind dich, zur 
Abſcheulichen umſchafft! 

eeligion * Gottheit! du alſo lehrſt den wuͤrgen, 

en den du nicht wärft, den deine göttlichfien 
Kinder 

Sorgen ‚eh du su Menfchen noch kamſt, ents 
heilige zu werden, 

Deinen Stifter zugleich und deinen göttlichen 
Innhalt, | 

Religion ! —* lehrteſt du wuͤrgen ? das lehreſt 
du uns nicht! 

Keim: ſey ſerne von dir, die du des Ewigen Kind 

biſt, 

Geidenfifeim Heil! Bund Gottes! emiges 
Reben! 

Meine Seele Beinen fid) in mir ; mein bebendeg 

| ‚Knie finft; | 
Schwermuth, und Mitleid, und Angft, erſchuͤt⸗ 
tern mein Gebeine; 

Wenn ich) dieß alles in ernfien Betrachtungen 
überdenfe. 

Und ein Abſchen vor Menſchen ‚ein Schauer vor 
denen, die Bote fhuf, 

Ueberſaͤllt mic), fo oft ich es Denke, wie wenig 
ihr diefeg 


©94 Ben 


J 
—* 7 


Bey euch SER, wie niedrig ihr feyd, nur 
menſchlich zu fühlen; 
Wie ohnmähtig, die Religion, und die Mord⸗ 
ſucht zu ſondern, 
Und wie pöbelhaft Flein, die lichten Stralen der 
ſcchoͤnen 
Und der Hebendninehiäng Unſchuld, nur dunkel zu 
ſehen! 
Zwar was die Unſchuld, von euch gefehen 
zu werden: 
Gott N eht fie, der Himmel mit Gott! Sie wird 
nicht erzittern, 
Wenn fie der niedrige Sünder verdammt! Wenn 
Serapbim da kebn, > _ 
Und fi e betvundern, ihr hoch vom Himmel der 
Emige.läheltz 
Wenn wir alddann, in unferm einheimifchen, 
niedrigen Staube . 
Stehn, und wider fie zeugen! wie Flein und 
| verachtensmärdig . & 
erden wir fichn, und wider fie zeugen! Und 
wenn im Gericht. einſt, 
Wenn einſt vor der ganzen Verſammlung erwa⸗ 
chender Todten, 
SEHEN einhergehn, und da ftehn, und wider 
ung zeugen; 
Wenn die Stimme der Cherubim ruft, und, auf 
ung Donnernd, | 
Goites Heilige nennt; Gott ſpricht, und feine 
Gerechten 





—_— 649 
Zu ſich in hohen Triumph, zu ſeiner Herlichfei; 
{u einführt : 
D, mie erden wirda den Hügeln flehen: Be 
| | deckt ung! 
und den Bergen: Fallt über uns her! den Mee⸗ 
ven: Verſchlingt uns! 
Und vernichte du ung! dem Verderben, daß bie 
—*— ang nicht ſehen, 
Die wir verdammten! ! daß fie ung nicht ſehen die 
fehreeflichen Srommen ! 
Daß ung ber Vater fo furchtbarer Kinder im 
Grimme nicht anfıhaut! 
Stärte mich groffer Gedanfe, Gedanke vom 
Weltgerichte! 
Sey mir ein Berg Gottes, zu dem ich entfliehe, 
weunn nun mid), 
Sterbender Meſſias! dein lezter Anblick erſchuͤttert. 
Ach , ich fühl es zu ſehr, wie meine Seele bez 
wegt wird, 
Welch zweyſchneidiges Schwerdt auf meinen 
Scheitel daher blinkt, 
Wenn ich deinen nahenden Tod von ferne hetrachte! 
Ab, vergebens; erhabener Gedanke, vergebens 
erhöhft du | | 
Meine Seele! dem fühlenden Herzen, dem Her⸗ 
sen voll Mitleidg, 
Voll ven Jammer „ vol Angſt find deine Don⸗ 
ner nicht hoͤrbar. 
Du ſollſt Nerben, du görtlicher Juͤngling! dirz 
welchen mein Arm hielt, 
685 Als 


\ 


650 | & EEE ET 


Als du ein Knabe noch warſt! umfchloffen Hielt 
| dich mein Arm da. 
Drückte dich an mein Herz, mit ſreudigem, ſtil— 
| lem Erftaunen ! | 
Um dich fanden die Weifen herum, und hörten 
dich lehren, ! 
Und bemunderten dih! O damals fand auch 
der Himmel, 
Aus den ewigen Pforten, zu Legionen, gegoflen, 
Um dich herum, und hörte dich lehren, und 
‚ iauchzte Die Lieder! 
Eiche, du werkteft die Todten! dein Auge gebot 
den Gewittern 
Und die Gewitter gehorchten dir gern. Da ruhfe 
der Sturmwind. 
Du erhubft dich, und giengft daher, da ſanken 
die Waſſer, 
Wie Gebirge, vor dir, und wurden Ebnen. Da 
giengſt du 
Auf der Stille der Waſſer. Die Himmel fahen 
dich wandein! 
Du ſollſt erben! — So ſtirb denn! Iſts Deines 
erhabenen Vaters . 
Heiliger Rathſchluß, ſtirb! Ich aber will geben, 
und weinen 
An dein Grab Hinz; zum heiligen Duell ‚der 
Ä Bethlehemiten, 
Wo dich Maria gebar, da will ich meinen und 
| fterben ; 7% 
Beſter 


une 651 


Beſter unter den Menfhen ! Du Gottesfohn! 
- Engel des Bundes! 
Theurer Juͤngling! — Mein Ende ſeh, wie dein 
| Ende! Mein Grab ſey 
Bey dem Grabe dieſes Gerechten! nah bey den 
Gebeinen, 
Die in Sicherheit ruhn , sum ewigen Leben ev; 
wachen!’ 
Doch was ſaͤumet mein Fuß aus diefer Ders 
fammlung zu geben? 
Heilig und rein, der geh ich hinaus! Gott hat 
mich gehoͤret! 
Nein des gerechten, unfchuldigen Bluts! Nun 
rufe zu dir mid) , 
Richter der Welt! denn ich habe Fein Theil am 
| Rathe der Sünder ! 
Alfo ſpricht er, und bleibt noch ftehn faͤllt nie; 
der, und betet: 
Der du vor Abraham warſt, Meflias fen du 
mein Zeuge, 
an dem Tage des groſſen Gerichts! Did) bet 
ich, als Soft, an! 
Und er fund auf, und redte zu Philo. Sein 
Antlig war heiter, 
Wie der Seraphim Angeſicht iſt. Du haſt mir 
| aefluchet ! 
Aber ih feegne dich, Philo! der hats mid) alfo 
gelehret, 
— ich, * Gott, anbete. Philo! vernimm 
mich, und kenn ihn! 
Wenn 


052 —— 





Wenn du nun ſterben willſt, Philo; wenn izt des 
Unſchuldigen Blut dic) 
Schreckt, und auf dich, wie ein Weltmeer hers 
abſtuͤrzt; deinem Ohre, 
Wie ein Wetter des Herrn, der Rache Stim⸗ 
‚men ertoͤnen; 
Wenn du dann wirſt hören um dich, durchs 
Dunkle, dahergehn 
| Gottes Zußtritt, den eiſernen Gang des mans 
delnden Richters, 
Und der Panzer Kriegsklang um ihn ; des blinken⸗ 
| den Schwerdts Schlag, 
Welches er weit, fein Geſchoß vom Blute der 
Sraufamen trunfen ; 
Wenn von Gottes Angefiht her die Todes Angſt 
ausgeht, 
Dich erſchuͤttert; und nun ganz andre Gedanken 
die Seele 
Ueberſtroͤmen; und um dein flarreg fterbendes. Auge 
Me: Gericht iſt; du did alsdann vor dem 1005 
tenden Richter: 
Windeſt und kruͤmmſt, mit bebender Angſt 
weinend zu Gott flehſt. 
um Erbarmung; ; fo höre dic) Gott, und — 
| fi) deiner: 


| —— = 
— 


xn. Ein 





Perfonen 
Herkules, als Juͤngling. 
Die Wolluft. | | 
Die Tugend. 


— 655 


Die Wahl des Herkules, 


De Schauplatʒ ſtellt einen. Wald vor. 
Die Handlung beginnt Abends, und 
endet fich bald ku ven Sonnen 

| Untergang. 


— N a un 2 
Herkules allein. 


O ! nehmt mich auf, ihr ſtillen Gründe? 
Gewogne Schatten, huͤllt mich ein! 
Hier athm' ich wieder frey, empfinde 
Des Dafeyns Werth, bin wieder mein! 


Ich follte Amors Feffeln tragen? 
Die — ſchleppte mich an ihrem Sie 
geswagen ? 


Ein feiger Sklave ſollt' ich feyn ? 
Beym Himmel, nein! 
Ich fühl ein Herz in meinem Buſen flogen! 
Ich fühl? — 

9! 


656 | Bo 

O! Götter, darf ichs Magen, 
In diefem unbehorchten Hain 

Um ein Geheimniß euch zu fragen? 


Wes ift die Stimme, die ich tief im Heiligthum 


Der Seele hoͤre? Oder, taͤuſchet mich, 
Indem ich fie zu. hoͤren glauhe, 

Ein falſcher Wahn ? 

Mer bin ih? — Diefe Gluth in meinem Buſen 
Dieſe Ungeduld nach Thaten, | 

Diefes Hüpfen ieder Ader, wo andre beben, 
Diefes, was ich beſſer fühlen, 

Als mir erklären fann — 

Wie nenn’ ichs, was den andern Exdenfühnen mic) 
So ungleid macht? 

Was mich auf ihre Spiele, — 
Mas auf den ganzen Kreis von ihren einen 
h Sorgen, | 

- Entwürfen, : Freuden, Dlagen, 

‚Kalt und unbemwegt mich niederblicken heißt, 
Wie man auf einen Haufen von Kindern blickt, 
Die fi) um einen Apfel raufen. 

Wer bin ih? Gab ein Haldgotk, 

Gab ein Gott das Feben mir ?- 

Wie wallt mein Blut | 

Bey diefem groffen Gedanken auf! 

Sch zittre nicht, 

indem ich ihn zu denken wage! 

Ja! es if Fein Wahn, 
Ich fuͤhl's ich ſuͤhl's, 
| | n Es 


\ — ——— 657 
Es iſt der Goͤtter Blut, was dieſe Adern ſchwellt! 
O du, der mir das Leben gab, 
Unſterblicher, warum verbirgſt du dich vor mir? 
O zeige di! O lehre deinem Sohn 
Die Wege zum Olympus! | 1 
Lehr' ihn, ſich deiner würdig machen! 


Aber — wenn ich mich zu viel erkuͤhnte? 
Wenn die ſelbſtbetrogne 
Vermeßne Seele, was ſie feurig wuͤnſcht, 
Fuͤr Ahndung hielte? 
Aleid, du traͤumſt, du traͤumſt von Gottheit? du? 
O! finf in Schaam verloren 
Tief in die Erde! — du, 
Den nod) vor wenig Augenblicfen 
Ein rofenwangichtes, 
Der fiberzenden Natur noch unvollendet ent 
Ichlüpftes Ding, 
Ein Mädchen, deiner ſelbſ vergeſſen machte! 


O! daß mein boͤſer Dämon Dir entgegen mich 
führte, 

Als du, befränzt mit Epheu, 
An der Spige der Töchter Kalydons, 
Von traubenvollen Hügeln 
Herunter in die Myrtenſchatten 
Des Achelous ſtiegſt, o Dejanira! 
Seit dieſem Augenblicke find' ich dich 
Wohin ich flieh im meinem Wege. 
Jedem edeln Vorſatz ir | 
J St Begeg⸗ 


658 — 


Begegneſt du! 

In meinen Traͤumen ſelbſt verfolgf du * 

Ich ſeh did — iugendlich wie Hebe, | 

Schimmernd wie Aurora, wolluſtathmend 

Wie Cytherea, da die Welle fie 

Ans Ufer von Paphos trug — — 

Ich feh did, und vergefje der Lehren, 

- Die vom Nektarmund der Söhne des Mufengottes 

In Eytbärons heiligen Grotten 

In meine Seele floffen! — 

Ich! vergefie jeden Schwur, den ich der Tugend 
IM that, 

So oft beym Lob der Helden mir 

Die iunge Wange glühte ! 


O, weich' aus meiner Seele, Zauberinn ! 
Nicht länger will ich) deine Feffeln tragen. 
Nur Roſenketten finde ; wie leicht zerbrech' ih fie? 
Nicht länger fol dein Vild — in dieſe Bruſt 
Grub es mit feines ſchaͤrfſten Pfeiles Spitze 
Der Gott der Herzen ein! — 

Allein, heraus will ich es reifen, oder fliehbn 
Wohin Fein Menfchenfuß mir folge, 

Um meine Schand’, und mic) U 
Der Welt auf ewig zu verbergen! 


Ungluͤcklicher! bin id es, defen —— 
Mein eignes Ohr empoͤren? | 
9: noch immer wie raͤthſelhaft mir ſelbſte 
Wie 


—* 


Ya 659 


Wie groß ! wie Fein! 

St, muthig, iedem Ungeheuer Trog zu bieten! , 

Izt, verzagt vor einem Blicke: 

Izt, ganz durchdrungen von der hohen Schoͤnheit 

Der Tugend, ganz von ihrer Gottheit voll, 

Zu welcher edeln That, zu welchem Opfer, fühl’ 
ich mid 

Nicht ftark genug ? 

Doch bald, betrogner Juͤngling, 

Bald wird, unfer Zauberrofen, 

Dich die ſchnoͤde gürtellofe Wolluſt 

zum Entſchlummern 

An ihren Bufen loden ! 

Suͤſſes Gift aus ihren Augen 

Wirſt du in dich ſchluͤrfen; 

Und, gleich den Seelen, die aus Lethe tranken, 

Vergeſſen wer du biſt, und was du werden ſollſt 

So niedrig font’ ich feyn ? So ſchwach! 

So unwerth deiner Tunend, 

Alkmena! Eurer Kehren fo uneingedenf, 

Ahr Führer meiner Jugend! : 

‚Nein! viefer Tag fen Zeuge meiner Schwiüre; 

Und du, alfehend Auge des Dlymps, und dm, 

o Rhea, 
Der Goͤtter Mutter und der PET 
Send meine Zeugen — 


"(Der Shauplag verwandelt ſich in einen 
romantiſchen Auftgarten. Die Wol 
luſt zeigt ficb dem Herkules gegen: 

2% uber, 


660: —— 


uͤber, auf einer Art von Ruhebette, 
in einer ihrem Charakter gemaͤßen 
Attituͤde, reizend hingegoſſen.) 


Goͤtter! welch ein Anblick! "Bo, 
Wo bin id? Traͤum ich wachend? | 


Die Wollufe. 


Willkommen, Götterfohn, 
. Sm Reich der. Freude! 
Exheitre deinen Blick! | 
O komm, o! meide 
Nicht länger deinen Thron 
An ihrer Bu! 


Hier leben wir , ferne 

Dom Erdengetümmel, 
Das feelige Leben , 

Der Götter im Himmel: 
Uns ftralen die Sterne 

Nur Wonne, nur Luft! 

Se 

Du fliehft die Welt, Med? . | 
Im Alter des Vergnügen 
Entweichſt du ihr in einen öden Wald; 


| Spricht mit dir ſelber, ſtaunſt, verlierft dich in 
Gedanken, 


Zweifelſt, — * des Lebens 
u 


ran mare 661 


Du nehmen follt ? 
Sieh eine Freundinn, 
Die willig ift, zum Glück der Goͤtter, die 
Den Weg zu zeigen ! 


Zerkules. 


Und wie, o Goͤttinn, — denn ſo kuͤndigt dich 
Dein ganzes Wefen an — mit welchem Namen 
Sol i dich - verehren ? i 


Die Wolluft. 


Freude nennen mid) meine Freunde; 

Aber in der Sprache des Himmels 

Iſt mein Name Seeligfeit. 

‚Denn felbft die Götter leben nur durd) mid) 

Ihr ewig forgenfreyes Wonneleben. 

Ich bin die Schöpferinn der Freuden im Olymp 

Und auf der Erde. Scherze, Grazien, 

Sind mein Gefolge. Selbſt die Mufen, die 

du liebſt, 

Sind meine Dienerinnen. 

Meinen Freunden zollt der ganze Weltkreis Luſt. 

Nur ihnen ſcheint die Sonne; 

Nur ihnen dufter Amors Lieblingsblume; 

- Nur ihnen fprudelt im Erpftalnen Becher 

Der Erde Nektar; ihnen nur 

Beleuchtet den Rofenpfad zu Cythereas Shlums 
| mer | 


Der file Mond. 
Sie, fie allein genieſſen des Lebens, 
tt3 Scher⸗ 


662 —— — 


Scherzen ſeine Sorgen weg, 

Und — gleich der Roſe, 

Die an einer Nympfe Buſen verduſtet == 

Athmen fie, im Schooß ver Luft, 

pr frohes Daſeyn aus, 

O du, der Götter — 

Was zoͤgerſt du? — 

Du zweiſelſt? — * ein Leben, aus Luſt gewebt, 
Nichts, was dich reizen kann? 


Serkules. 


Du ſagſt mir, Goͤttin, nur, was deine 


Freunde genieſſen; 
Sage mir auch, was ſie thun? 
Womit verdienen ſie 


So ſchoͤn belohnt zu werden? 


Die Wolluft. 

Verdienen? — denke richtiger 
Bom Glück der Weifen, die fi mir ergeben, 
Genieffen, Freund, und vom Genufie ruhn 
Zu füflerem Genuß, ift alles was fie‘ thun: 
Genieſſen ohne Arbeit, 
In Gefühl ganz aufgelößt, 
Mit iedem trunfnen Sinn, - | 
In einem Ocean von Woluf Ichweben : 
So ieben die Dlympir, 
So lebt, wer mich) beſizt, 
Und die nur nenn’ ic) leben ! 


Bey 





663 


Bey Hebens Mektarfchaalen, 
Beym Lufigefang der Mufen, 
Iſt euer Gelbftbetrun, 
| Sind eure Duaalen, 
Berhörte Sterbliche ! 
Der Goͤtter Spott: 
Du, Juͤngling, den die Sterne lieben, 
O! kaͤmpfe nicht mit deinen Trieben! 
Komm, Gluͤcklicher, an meinen Buſen 
Und werd' ein Gott! 


Serkules. 
Allmaͤchtige Goͤtter! 
Kann auch wider unſern Willen 
Ein fremder Reiz Gewalt der Seele thun? 
Zu ſehr, zu ſehr empfind' ich deiner ſuͤſſen Toͤne 
Wolluͤſtige Zauberey, Verfuͤhrerinn! 
Sich ſtrebe dir entgegen — 
Fuͤhle, daß ichs ſoll — 
Und — folge dir! 


(Der binterfte Theil des Schauplatzes 
öffnet fih, und entdeckt eine rauhe 
Gegend, die durch fteile Wege zum 

Gipfel eines hoben Berges führt, 
wo aus einem Korbeerhain der Tem’ 

- pel der Tugend bervor glänzt: Die 
u 30 SE ea Tugend 


_ Tugend erfiheint in dem Augenbli- 
ce, da Herkules die Worte: ich fol: 
ge dir — geiprochen bat.) 


Die Tugend, 
Halt ein, o Herkules! 
Sich, wer die Hand dir reiht! 


„Jertules, 
Welch eine Stimme — o! bift du’ _ 
Biſt du's, du Göttinn meiner Seele! 
Sa! dein ganzer Anblick, 
Diefe Maieftät vo hohen Reizes, 
Diefe Wunderfraft, die von dir ausgehf, 
Meine ſchwankende, entnerote Seele jaßt, 
Mit neuem Muthe fie anhaucht, 
Alles, Göttin, verfündigt did)! 
Du bift die Tugend — die id) liebe — 
Der ich untreu bin! 


Die Tugend 
Dein Herz, o Herkules — wiewol ih deinen 
Augen 
Noch niemals fidhtdar ward — 
Dein Herz erkennt mid), deine Freundinn, 
Deines Geſchlechtes Freundinn! | 
Mich, die durch den Mund 
Der Weifen, die did bildeten, 
Das goͤttliche Gefühl des Adels deiner Seele 


n die entflammte. | - 
J Sieh, 


— — .. 008 
Sieh, ich komm, ich zeige mich deinen Augen; 
Diefer groffe Tag 

Soll deines ganzen Lebens 

Entſcheidung feyn! 


Die Wolluft, 
Alcid, die Zeit ift Eofibar! 
Willſt du fie verlieren ? 
Dieß MWortgepränge raubt die Augenblicke, 
Die ungenoſſen fliehn, 
Die nichts zuruͤcke bringt! 


Die Tugend. 


Die Wahrheit, Herkules, ruft keine Red⸗ 
nerfünfte 
Zu ihrem Beyſtand. Sie gefaͤllt, fie rührt, 
Sie überwältiget durch ihren eignen Reiz. 
Ich Eomme nicht, ein Leben ohne Arbeit, - 
Ruhmloſes Gluͤck, und unverdiente Freuden 
Dir anzubieten. 
—— iſt die Ordnung mir des Vaters der 
Natur; 
Nichts Gutes den Sterblichen 
Die Goͤtter ohne Muͤhe. 
Soll dir die Erde ihren Reichthum zollen? 
Du mußt ſie hauen! 
Soll dein Vaterland dich ehren? 
Arbeite fuͤr ſein Gluͤck! 
Be. | xt5 Coll 


666 —n 


Soll deinen Namen | 

Der Ruhm den Voͤlkern und der Rad 
nennen ? | 

Derdien es um die Welt! | 

Sey ein Wolthäter der Menfchheit, 

Lebe, ſchwitze, binte zu ihrem Dienft! 

Mas Ffünnten dir die Menfchen, 

Um die du nichts verdienteft, ſchuldig feyn? 

Verdienen nicht die Götter felbft — 

Den Weihrauch, der ihre Tempel fuͤllt, 

Durch alles Gute, das ſie der Erde thun? 


— Sie Mole 
Du hoͤrſt es! Alles, was die Freudenflörerinn 

Dir anzubieten har, iſt Arbeit, Muͤh, 
Gefahren, Wunden, Tod! 
Sür Andre, 
Für Undankbare folft du leben, 
Nicht für dich! 
SMühfeelig leben, daß dereinft dein Grab 
Dem Vorwitz fpäter Enkel melde: 


ni liegt ein Thor, der leben Fonnf, 
und ftarb, 
um, wenn er nicht mehr war’, auf andrer 
Thoren Eippen 
Ein ungefühltes Dafeyn zu FERN“ 
Würdige Vergütung 


Sr alles, was du ihr zum Opfer — ſollſt! 
Ich, 


— — 667 


Ich, iunger Freund, 

Verkaufe meine Gunſt dir nicht ſo hoch. 
Genieſſe du des Lebens 

Im weichem Schooß der Ruhe! 

Aadre ſollen fuͤr dein Vergnuͤgen ſchwitzen! 
Eine ganze raſtloſe Welt 

Soll deinen Freuden dienen; 

Soll ſich beeifern, 

Deinen Wuͤnſchen ſelbſt zuvor zu eilen! 


Die Tugend. 

Thoͤrinn höre auf mit deiner Schande 
Zu pralen! Höre auf, 
Mit täufhenden Sirenenliedern 
Unerfahrne Seelen. 
In deinen Schlund zu ziehn! 
Ber kennt dic) nicht? 
Und men wirft du bethören, der dich kennt? 
Du prahlft mit Götterwonne, du, 
Die Feine Freuden kennt, 
Als die du mit den Thieren des Feldes theilen? 
Die Feinen innern Sinn für Wahrheit hat, 
Noch für die füfe Ruhe 
Der mit ficb felbft und mit der ganzen Natur 
Im Friede lebenden fhnldlofen Seele: 
Du, deren Buſen nie die Wärme der Sympathie, 
Der heil’gen Liebe des Vaterlands, 
Der Menſchenliebe fühlte, 
Don deren Wange nie die fromme Thräne 
| A Des 





668 


Des Mitleids floß, du ſprichſt von Goͤtterwonne? 

Wenn iemals hat dein Ohr von allem Wohlflang 

Den füffeften , verdientes Lob, gehört? - | 

Sprich, wenn genof dein Auge ie des fhönften 

Don allem, mas die Augen (chen Fönnen, 

Des Anblicks einer guten That von Bir? 

Und felbft die einzigen Freuden, die du giebſt, 

em giebft du lauter fie und unvergällt? 

Erwartet iemals deine Küfternheit — den Ruf — 

Gehorcht fie ie der Warnuna — der Natur? 

Mann achteft du im Taumel deiner Lüfte 

Ihr heiliges Selen? 

Doch, bald ereilen dich auch ihre Strafens 

Und Töchter deiner eignen Thorheit find 

Die Furien, die deine Frevel rächen! 

- Sn deinem Innern zehre ein fchleichend Gift: 

Des Lebens Quellen auf; Ein frühes Alter 

Welkt deine Wangen ; | 

Stumpf und nur zum Schmerz; noch mit Gefühl 

geitraft, 

Gepeinigt vom Vergangnen und von der Zufunft, 

Schmachteſt du ein ſchrecklich Daſeyn bin, 

Das Feine Hoffnung, 

Kein tröftendes Bewußtſeyn guter Thaten 

Ertraͤglich mad. 

Unglückliche! was helfen dir 

Die Roſen dann, die deinen Weg beftreuen ? 

Dur Blumen führt fein fanfter Abhang 

Aber führt in unausbleibliches Verderben! 
Mein 


———— — 669 


Mein Weg ift rauh und fleil; 
Er ſchreckt den Weichling ab, 
Doch, ſi ſieh, o Goͤtterſohn, wohin er führt! 


Der fteile Pfad, auf den ich leite, 
Draͤut mit Dornen, ſtarrt von Klippen; 
ne Mittags Hiße ſaugt dein 
Blut: 

J Nie teüßen Blick, mit duͤrren Lippen, 
| — du, wenn Muth und Kraft 
ermatten, 

Vergebens dich nach milden Schatten, 
Nach einem Duell vergebens um, 
Getroſt! ich ſchwebe dir zur Seite, 
Ich helf' in iedem Kampf dir ſiegen! 
PR deingfi empor mit neuem 
Muth: | 
Der Gipfel naht — er ift erftiegen ! 
Da weht unfterbliches Vergnügen, 
Und alles ift Elnfium ! 


Serkules. 

O Goͤttinn! loͤſe mir 
Das Raͤthſel meines Herzens auf! 
Zwo Seelen — zu gewiß fuͤhl ichs! — 
Zwo Seelen kaͤmpfen in meiner Bruſt. 
So lang du redeſt, ſiegt die beßre Seele! 
Allein kaum faſſet dieſe Zauberinn mich wieder 
* | Mit 


\ 


670 — — 


Mit ihrem Blick: fo fühl? ich eine Andre 
In jeder Ader glühn, die wider Willen mid) 
In ihre Arme sieht. 


Die Tugend, 
Erröthe, Goͤtterſohn! 
Erroͤthe vor dir ſelbſt, uk 
Und dem, der dir das Leben gab! 
s Die befre Seele, von der du ſprichſt, biſt du! 
Sie iſt dein wahres Selbſt! 
Wag' x8 zu wollen, und der Sieg iſt dein. 


Die Waoalluſt. 
Du wendeſt dich, Alcid? du ſcheueſt meinen 
Blick? 


Wie wenig kennſt du mich! Ich kam aus gutem 
Willen, 

Dir meine Gunſt 

Und Deianiren anzubieten. | 

Du wirſſt fie von dir! Glaubeft du, 

Ich werde den erfi lange fuchen muͤſſen, 

Der mir für beides danke? | 


Herkules, 
Du? — Deianiren? — Mir ?— 0 Göttin: . 


Die Wolluft. 
Sa, Deianiren folteft du 


Aus meiner Hand empfangen haben, 
| : Die 


BRUREN ‘ 673 


Die fehönfte meiner Töchter : Sie, die ich auf 
ofen 

Fuͤr did eig. — 

| Dod, ? du verſchmaͤheſt fi fie ! 


Herkules. 


O Deianira! * entſagen ſollt ich, dir? 
Grauſame Tugend! kannſt du es verlangen? 


Die Tugend. 
Und du, Alcid, dem Ruf der Goͤtter untreu, 
Du wollteſt, eh du ihr entſagteſt, 
Dem Huhn, der Tugend, ver UnfierblichFeit 
| entjagen ? 
Du kannſt noch wanken? 


Herkules, die Wolluſt, die Tugend, 
- Herkules zur O trag Erbarmen 
Tugend. Mit meinem Schmerz? 
Der innre Aufruhr 
Zerreißt mein Herz! 
Die Wolluſt. Dir winkt in meinen Armen 
Der Liebe Gluͤck; 
Dich lockt ihr ſuͤſſer Blick, 
— J Und du verzieheſt? 
Die Tugend. Beſinne dich! du flieheſt 
Das wahre Gluͤck! 


Her⸗ 


692 
Herkules. 
Die Tugend, 
Herkules. 
Herk. Woll. 
à 2. 
Her alein. 


Die Tugend. 
Herkules. 


Die Tugend. 
Die Woluft. 


AD, 
Herkules. 


2.3, 
Tug. Woll. 
Herkules. 


Iſt nicht für beide Raum 
In meiner Seele ?- 
Weg mit dem eiteln Traım! 
Erwach, und wähle! 
ch lieb, o Göttinn, dich, 
O Deianiven: | 
[ Und ich entfchlöffe mich 
| Und du entfchlöffeft dich 
a zu verlieren? 

Iſt nicht fuͤr beide Raum 
In meinem Herzen? 
Weg mit dem eiteln Traum! 
Glich meinen Schmerzen 
Wol ie ein Schmerz? 


Der innre Aufruhr 


Zerreißt mein Herz. 
(Der Tugend Goͤttergluͤck 


(Der Liebe ſuͤſſes Gluͤck 


Willſt du verſcherzen? 
O flieh, o flieh zuruͤck! 
O, aus Erbarmen, 
(Dur einen Augenblick! 


O flieh, o flieh zurück! 
Mur einen Augenblick! 


Die 


— 673 





Die Woluft. In meinen Armen 
Winkt dir der Liebe Glück, 
Und du entflieheft ? 


Die Tu gend. Dir winkt der Götter Gluͤck 
Und du verjieheft ? 


Die Wolluft. 
Iſts möglich , holder Füngling ? 
Kann zwiſchen mir und diefer Spröden 
Dein Herz im Zweifel fepn? 


Die Tugend, 

Die Tugend leidet Feine Nebendublerinn, 
Alcid! und der entfagt ihr ſchon, 
Der zwifchen ihr und ihrer Seindinn wanft, 
Wenn Shaam und Reue dic) dereinft 
Aus deinem Traume wecken, 
Dann, Herkules, erinnre di), 
Was ich für dich gethan! 
Izt kann ich nichts, 
Als dich bedauren, und — verlaſſen! 


| Serkules. 
Ich ſollte dich verlieren, Goͤttinn, dich! 
O eher laß mir alles, was ein Sterblicher 
Verlieren kann, entriſſen werden, 
Alles, was ich liebe, 
Das Leben ſelbſt! — Was waͤr' es ohne dich? 
un Weh 





! 


Weh mir! Wie Fünnt ich dir entfagen? 

Dir, die ich über alles lieb, o Tugend! 
Vergieb, vergieb dem Taumel meiner Einne! 
Verlaß mich nitt! — zu Deinen Füſſen ſchwoͤrt, 
O Zugend, Herkules fein ganzes Herz dir zu! 
Sieh ihn bereit dir alles auſzuopfern, 

Alles für dich zu thun, für did zu leiden, 
Freudig dir in den Tod zu folgen! 


Die Tugend, 
Steh auf, mein Sohn ! So bift du deines . 
Urſprungs, 

Und meiner Hoffaung wuͤrdig! 
Glorreich, Herkules, wird deine Laufbahn ſeyn, 
Und groß der Preis, der dich am Ziel erwarten! 


„hertules, ; 


Und dir, Sirene, dir und allen deinen Baben 
Entjag’ ich bier, im Angefidt des Himmels 
Und der Tugend, der ih mi zum Diener 

weihe, 
Ein Tag, für fie gelebt, 
SH einer Ewigkeit, voll deiner Freuden vor; 
zuziehn. 


(Die Wolluſt entfernt ſich mit einem 

Verdruß, den ſie durch hoͤhniſches 
Laͤcheln und einen veraͤchtlichen Blick 
zu verbergen 


Die 





Die Tugend, 

D glaube mir, Alcid, indem du ihr entſagſt, 
Entfagit du Feiner Luft, an welche unbeſchaͤmt, 
Ein denfend Weſen fid) erinnern Fann. 

Die Freuden der Natur | 

Schmeckt rein und unvergällt der Weife nur; 

Er, der fie fparfam im Voruͤbergehn genießt, 

Eo wie ein Wanderer die Rofe 

An feinem Wege pflückt. 

Allein des wahren Gluͤckes Duelle 

Liegt in deiner eignen Druft. 

Vergebens wuͤrdeſt du fie auswärts. fuchen, 

Wiſſe, Herfules, 

Was an dir fterblich if, 

Iſt nur die Hülle des Unvergänglichen, 

Und Götterfreuden nur find eines Gottes würdig ! 

Sa, ein Gott, ein Gott 

Iſt diefe Flamme, die in deinem Buſen lodert! 

Verwandt dem Himmel, und zum Wohlthun 
blos 

Auf diefe Unterwelt geſandt. 

Kehrſt du, wenn einft dein goͤttliches Sefchäfte 

Vollendet ift, zurüd, 

In höhern Kreifen zu leuten! 

Schau empor, Alcid! 

Sie, die in ienen Sphären herrſchen, 

Momit verdienten fie 

Den Göttern beygeſellt su werden ? 

Sie lebten einft, wie du, in irdiſcher Geſtalt, 

| | Una Don 


676 Susann 


Doch nicht ſich ſelbſt, 

Sie lebten blos der Erde wohl zu thun! 

Sie warens, die den rohen Menſchen 

Durch die Zaubernacht der Muſenkuͤnſte 

Seinem Wald entlockten, 

Durch Geſetze ſeine Wildheit zaͤhmten, 

Ihn umgeſtalteten, und ſeinen Blick 

Empor zum Vater der Natur 

Erheben lehrten! 

Der goldne Friede, mit der ganzen EINE: der 
Künfte, 

Die er nährt, der lieberfluß mit feinem Fallhorn, 

Alles, was das Leben adelt, ſchmuͤckt, beſeeliget, 

Es war ihr Werk! 

Beſchuͤtzer „Lehrer, Hirten der Voͤlker waren fie, 

Und glänzen nun im Chor der Götter, 

Seelig durch den Anblick des Guten , fo ſ e 
thaten. 


Herkules. 


O Goͤttinn fuͤhre, fuͤhre mich 
Den Weg, den dieſe Helden giengen! 
Was ſaͤumen wir? 
Er mag dem Weichling furchtbar ſeyn, 
Er mag mit Dornen draͤun, von Klippen ſtarren, 
Bey iedem Schritte moͤgen Ungeheuer 
Sich mir entgegen ſtürzen! 
Mich erſchreckt kein Hinderniß, kein Feind, 


Ich Den dir! Ä 
Here 


677 





Serkules. Die Tugend. 
Herkules, Allmaͤchtig ift das Feuer, 
Y Das du in mir erwerfft, 
Mir, dem du ohne Schleier 
2 Tugend , dich ent: 
deckſt! 


Die — Von deiner erſten Jugend 

| Hab ich dich auserfohren; 

Du bift dazu geboren , 

Alcid, der Held der Tugend, 
Der Menfchen Luft zu 

ſeyn! 

Herkules. u. hab ich mir auf ewig, 

Ä Zur Goͤttinn auserfohren. 


\ 


Tugend. Du bift für mich geboren ! 
Herkules. Ich bin fiir dich geboren! 
Herk. Fuͤr dich — Tug. Fuͤr mich 
allein! 
Herk. Diriir weih' ich meine Kräfte! 
Tug. Dein ſuͤſſeſtes Geſchaͤfte 
| Sen, alle deine Kräfte 
Dem Glüc der Welt zu 
weihn. 


Herkules, Mein ſuͤſſeſtes Gefchäfte 
uu3 Sey 


678 


Zugend. 
Herkules. 
Tugend. 


Beide. 
Herkules. 


Beide. 





— 





Se, allemeine Kraͤfte 


Dem Gluͤck der Welt zu 
weihn! 
Dich hab ich auserkohren! 


Dir weih ich meine Jugend! 


Du biſt dazu geboren, 
Ein Held , der Held der 
| . Tugend, 
Der Mienfchen Luft zu 
ſeyn. 
en er dazu geboren, | 
Durch dich allein, o Tu: 
gend, # 

Den Göttern gleich zu ſeyn. 


Wieland, 


— 


— BRETT 
rauen nn ⸗ 


ie i Kleine 


\ 


Kleine | 


Kayrigten 
einige Zuͤge 
von unſern 


guten teutſchen Dichtern. 


* 





ge. 68er 


[tdorfer, Niarrer zu Buch in der Schweiz, 
geb. zu Schafhaufen 1747. 

Bertuch, geheimer KRabinets s Sekretär zu 
Weimar, geb. daf. 1746. 

Beyer, geheimer Finanz s Kriegs: und Dos 
mänenrath in Berlin, geb. zu Halberfiadt 1730. 

Slum, Gelehrter zu Natenau in der Mit; 
telmarf, geb. daf. 1739. ein guter Iyrifcher und 
malender Dichter. 

Bodmer, Profeflor der Schmweizergefchichte 
und Mitglied des groffen Raths zu Zürich, geb, 
1698 zu Greifenberg bey Zuͤrich. 

Boie, Stabsfefretär zu Hannover, geb. zu 
Meldorf in Ditmarfen 1745. 


Brave, von, geb. 1738 zu Weiffenfels 
und flarb 1758 da er Faum feine afademifche 
Laufbahn vollendet hatte. 

Bürger, Amtmann zum Gericht Altengleis 
den im Fuͤrſtenthum Galenberg, und wohnt 
nahe dabey zu Wöllmershaufen : iſt geboren zu 
Aſchersleben 1748. 


Canitz, Freyherr von, Königl. Preuſſiſcher 
Uns gehei⸗ 


geheimer Staatsrath und Nitter des Yohanniz 
terordens, geb. sn Perlin 1654 und net. 1699. 

Elsudius, geb. 1743 Dberlandkommiffär 
zu Darmſtadt feit 1776 lebt aber izt in 
Wandsbeck. | 


Clodius, Profeſſor der Philoſophie zu Leips 
sig, geb. zu Annaberg 1738. 


ECramer, Doftor der Gottesgelehrfamfeit 

und Kanzler zu Kiel, geb. zu Joͤhſtaͤdt bey 
| Annaberg 1723. Durch feine poetiſche Ueberſe⸗ 
sung der Pſalmen hat er ſich als Dichter am 
meiſten Ruhm erworben. 


Creuͤz, von, Kaiferlicher Keichähofrath und 
Helen » Homburgiiber Miniſter in Homburg 
vor der Höhe, geb. 1724 zu — und 
geſt 1770. | 


Cronegk, von, Hof: gogterung— und us 
ſtizrath au Unfpach, geb. dal. 1731 und geſt. 
1758 ein herrliches Genie, vornchmlic in der 
dramatischen Dichtart. 


Denis, Lehrer der Litteraͤrgeſchichte am 


Thereſiano, und Vorſteher der Gareliſchen 


Bibliothek zu Wien, geb. zu Sgaͤrding in 
Bayern 1729. Er ıft ein auter Doendichter 
und der treffliche Ueberf feger des in Schottland 
entderften Offians, eines Ma celtiſchen Bar⸗ 


agers. 
denſa 9 Duſch, 


pi 


— — | 683 


Dufch, Direktor des Gymnaſiums zu a 
tona, geb. zu Zelle 1727: 


- Ebert, Kanonikus und Brofeffor am Ka— 


: | volino zu Braunfchweig, geb zu Hamburg 1723. 


* 


— 


Engel, Profeffor am Joachimsthaliſchen 
Gymnaſio zu Berlin, geb. zu Parchim im Mek⸗ 
lenburgifchen 1741. 


Eſchenburg, Profefior am Karolino zu 
Braunſchweig, geb. 1743 zu Hamburg, der fih 
durch) die Ueberfegung des aroffen Dritten Schas 
keſpear fo fehr verdient gemacht hat. , 

Ewald, von, Heflen: Darmftädtifcher Hof; 
rath, geb. zu Spandau, verdient als Epigram—⸗ 
matiſt nicht vergeſſen zu werden. 


Fuchs, Paſtor zu Taubenheim im Meifiniz 
fchen Kreife, geb. zu Loppersdorf im Obererz⸗ 
gebuͤrge 1722. 

Sun? , Rektor der Domſchule zu Magde; 
burg, geb. zu NHartenjtein im Schoͤnburgiſchen 
1734» he J N 

Gärtner, Kanonikus und Profeffor am Ka— 


rolino zu Braunſchweig, geb. zu örenberg im 
Ersgebürge, 


Gellert, Profeffor der Philoſophie zu Leip⸗ 


zig, geb. 1775 u Haynichen in Sachſen, und 


gefl. 1769. Er em uns vorzuͤglich den guten 
>. Mr um 


— 


684 — — 


und gereinigten Geſchmack gelehrt, er der aͤdle, 
fromme Dichter, der noch in ſeinen Fabeln, Er⸗ 
zaͤhlungen und geiſtlichen Geſaͤngen lebt. 


Gemmingen, von, Herzogl. Wuͤrtember⸗ 
giſcher geheimer Rath und Regierungss Prafis 
dent, geb. zu Kirchheim unter Teck 1724. 


Gerſtenberg, von, Koͤnigl. Daͤniſcher Re— 
ſident und Konſul zu Luͤbeck, geb. zu Tondern 
im Schleswigiſchen 1737. Von ihm ſind die 
angenehmen Taͤndeleyen und Gedichte eines 
Skalden. 


Geßner, Mitolied des innern Raths und 
Buchhaͤndler zu Zuͤrich, geb. daſelbſt 1730. der 
erſte und beſte Idyllendichter der Teutſchen, den 
auch Frankreich mit Bewunderung aufnahm. 


Gieſeke, Superintendent und Konſiſtorial⸗ 
aſſeſſor zu Sondershauſen, geb. 1724 zu Guͤnz 
in Niederungarn und geſt. 1765. 

Gleim, Kanonikus zu Walbeck und Domſekre⸗ 
taͤr zu Halberſtadt, geb. 1719 zu Ermsleben, iſt 
wol der Anakron und Tyrtaͤus der Teutſchen. 

Goͤckingk, Koͤnigl. Preuſſiſcher Ranzleydis 
rektor zu Erich, geb. zu Örüningen 1745. 
Sötbe, geheimer Legationsrath zu Weis 
mar, geb. zu Sranffurt am Mayn 1749. 


555 , Prediger zu Winterburg in der bins 
tern 





685 


tern Graſſchaft Sponheim, geb, zu Worms , 
ein Gänger von fanften Gefühl und vieler 
Empfindung. 


Hagedorn, von, geb. 17708 zu Hamburg 
und geft. 1754 ein Dichter von erfiem Range, 
mit dem die fchönfte Epoche der teutſchen 
Dichtkunſt anfängt. | 


Seller, von, Mitglied des een Mathe 
zu Bern, und Ritter des Schwediſchen Nords 
fiernordeng , geb. zu Bern 1709 im der Ode, 
wo er gedankenreich „ erhaben und ſtark iſt, vor⸗ 
trefflich, auch in der didaktiſchen, ſathriſchen und 
elegiſchen. Er ſtarb 1777. 


Hering, Preuſſiſcher Hoſrath zu Koͤßlin in 
Hinterpommern. Er und feine Gattinn fangen 
mit Empfindung und Leidenſchaft. 


Sohnbaum, — Saͤchſiſcher Hofdias 
konus zu Koburg, geb. zu Rodach 1747. 


Hoͤlty S. im proſaiſchen Abſchnitt Miller 
uͤber Hoͤltys Charakter. 


Huber, Wuͤrtembergiſcher Regierungsrath, 
geb. zu Großheppach 1723 und privatiſirt zu 
Tuͤbingen. 


Jakobi, Kanonikus zu Halberſtadt, geb. 
1740. zu Duͤſſeldorf, bekannt genug den Ken⸗ 
| nern 


⸗ 


686 ——— 





— 


nern durch ſeine Ueberſetzung der Romanzen des 
Gongora aus dem Spaniſchen und liebenswuͤr— 
dig in ſeinen fluͤchtigen Poeſien. 


Karſchin, geborne Duͤrbachin / geb. 1722 
zu Züllichau, ward Dichterinn ohne Unterricht; 
doch ſind ihre Gedichte mehr in Ganzem als 
in Detail ſchoͤn. 


Raͤſtner, Hofrath und Profeſſor der Ma— 
thematik zu Goͤttingen, geb. 1719 zu Leipzig, 
einer der vorzüglichſten Epigrammatiſten, vol! 
Scharſſinn, und feiner Satyre, reich und faſt 
unericpfli am Wige. 


Bleift, Preuſſiſcher Meior, geb. su Zeblin 
in Pommern 1715 und geſt. zu Frankfurt ar 
der Oder in der Schlamt ben Kuneredorf 1759. 

Er iſt in malerifhen Gedichten ganz Driginal 
ſchriſtſteller, nur zur Ode nicht geboren, 


Klopſtock, Baden ⸗ Durlachiſcher Hoftath, ” 
geb. zu Daedlinburg 1732 und lebt zu Ham: 
burg. Sein epiſches Gedicht, die Mefliade ifi 
ein unſterbliches Werk, das unferer Nation viel 
Ehre macht; auch ſeine Oden verewigen ihn. 


——— Sekretaͤr der Hserforfneifer 
ven zu Bareuth, geb. zu Zell im PORN 
1738. 

Kretſch, —— Gothaiſcher Kar, lebt 
| auf 


— — — — 687 


auf ſeinem Rittergut Gauern bey Ronne—⸗ 
burg. 


Kretſchmann, Gerichtsaktuar zu Zittau, 
geb. dal. 1738. Seine beſten Gedichte find: 
der Gefang Rhingulphs des Barden Cbdenn er 
ift ganz Bardenfänger) die Klage Rhingulphs, 
der Barde am Grabe des Herın Maior von 
Kleift, auch die Jaͤgerinn. 


Lange, Inſpektor der dritten Inſpektion 
Des Saalkreiſes, auch Paſtor zu Laublingen 
und Boͤſedau: geb. 1717 zu Halle. 


Cavater, Diakonus an der St. Peters⸗ 
kirche zu Zuͤrich, geb. daſelbſt 1741, 


Lenz, Sothaifher Hofrath und Amtmann 
zu Altenburg, geb. daſ. 1717. 


| Leſſing Braunfchmeigifher Hofratb und 
Bibliothekar zu Wolfenbüttei, geb. zu Yale 
walf in Pommern 1729 ein Mann vell Gelehr; 
famfeit,, und ein eben fo feiner Dichter als 
Kunſtrichter. 
LCichtwer, Hofund Regierungsrath zu Hals 
berſtadt, acb. zu Wurzen 1719 ein anfehnlicher 
Fabeldichter. 


Löwen, Negiftrator su Roſtock, geb. w 
Klaus; 


688 — 


Klausthal auf dem Harze 1729 ſtarb 1771 zu 
fruͤh für die Romanze : denn das war feine 
Spähre, 


Maͤſtalier, , Lehrer der ſchoͤnen Wiffenfchafs 
ten auf der Univerfitat Wien, geb. daf. 1731 
ein Odendichter voll Feuer und Enthuſiasmus. 
Er und Ramler find unfere Horaze. 


Miller, Lehrer der Gottesgelehrſamkeit in 
Um, geb. daf. 175% ß 


Michaͤlis geb. zu Zittau 1747 und er | 
1772 zu Halberfladt inden Armen feines Gleims, 
ein gefälliger Sänger von groſſen Talenten. 


Muͤller, Churfürftl. Saͤchſ. geheimer Kriegs⸗ 
rath und Buͤrgermeiſter der Stadt Leipzig ſcheint 
nicht befannt genug zu ſeyn; aber eines gröffern 
und allgemeinen Beyfalls würdig ! Er ward 
1728 zu Leipzig geboren. 


Niemeyer, Magifter u Dale, ‚geb. daf. 
1754. 

Opitz, geb. in Bunylan 1597 und farb zu 
Danzig als Koͤnigl. Preuſſiſcher Hiſtoriograph 

Pfeffel, Darmſtaͤdtiſcher Hofrath und Aufs 


ſeher der Kriegsſchule zu Kolmar, geb. or 
1736. 


— 689 


1736. gehört unter unfere beſten Dichter, bes 
fonders in der Fabel. 


Pyra, geb. zu Kolbus 1715 und Hard als 


RKonrektor zu Berlin 1744 


Ramler Profeſſor der ſchoͤnen Wiſſenſchaf⸗ 


ten bey der Kadettenſchule zu Berlin, geb. 1725 
zu Rolberg, ein eben fo groffer Kritiker als Dich⸗ 
ter: und in der Dde behauptet er den vorzügs 
lichſten Rang. 


Romanus, Hof s und Foftirath su Dress 
den, aud) geheimer Referendar ne geb. zu 
Leipzig 1731. 

Rott, Hofs und Juſtizrath zu Dresden, geb. 
zu Leipzig 1717 und geſt. 1765. F 

Schiebeler, Ranonifus zu Hamburg, geb, 

daf. 1741 und geſt. 1770. 


Schlegel, Elias, geb. zu Meiſſen 1718 
und geſt. als Profefjor zu Soroe 1749 der teut⸗ 
ſche Racine. 


Schlegel, J. Adolph, Superintendent und 


Oberpaſtor in der Neuſtadt Hannover, geb. zu 
Meiſſen 1721. 


Schlegel, J. Heinrich, Profeſſor und Ju— 


ſtizrath zu Kopenhagen, geb, zu Meiſſen 1724. 


7 Schmid, 


Pr TR 





> 


690 menu 


Schmid, Konr. Urn. Brofeffor am Karos 
lino und Kanonikus zu ———— geb. zu 
Luͤneburg 1716. 


Schmid , Sal. Fried. Dialonus an der 
Stadtkirche zu Gotha, geb. zu Blaſienzelle 1727. 


Schmidt, Klamer , Eberh. Karl, Ran 
merfefretär zu Halberfindt , geb. daf. 1746. 


Schmit, Friederih, Proſeſſor der fchönen 
Wiſſenſchaften in Liegniz, geb. zu Nürnberg 1745. 
Die beiden Muſenalmanache, der Voſſiſche und 
Bürgeriſche, der Wandsberfer Bot, das Tas 
ſchenbuch für Dichter und Dichterfreunde, als 
leg zeugt von einem empfehlungsteürdigen Dichter. 


Seiler, Doktor und Brofeffor der Gottes—⸗ 
gelehriamfeit, aebeimer Kirdyen; und Confiftos 
rialrath und Direftor des Inſtituts der Moral 
und ſchoͤnen Wiſſenſchaſten zu Erlangen , geb, 
zu Greuffen bey Bayreuth 1733. 


‚Stolberg, Chriffian, Graf, Königl. Daͤ⸗ 
nifher Kammerherr und Amfmann über das 
Amt Tromsbüttel feit 1777 geb. zu Kopenhas 
gen 1748. 


Stolberg, Friederich Grin, Graf „Ober⸗ 
ſchenk des Herzogthums Oldenburg und Gefands 
ter zu Kopenhagen, geb. daſ. 1750. & 

Thuͤm⸗ 


—— 697. 


Thuͤmmel, Herzoglich-Saͤchſiſcher Kobur— 
giſcher geheimer Rath und Praͤſident des gehei— 
men Kollegiums zu Koburg, geb. zu Schönfeld 
bey Leipzig 1738. Won diefem feinen , beruns 
dernswürdigen Genie befonders im Fomifchen find 
die beliebte Wilhelmine und Inokulation der 
Liebe, | 


3, Alefler des Kaiſerlichen Landgerichts 
im Burggrafthum Nürnberg, und Onolzbachi⸗ 
jeher Rath, geb. zu Anſpach 1720 und lebt daf. 
ein wahrer Driginaldichter Teutſchlands von 
vorzhglichftem ange. 


Voß, Gelehrter zu Wandsbeck, geb. 175x 
4u Sommersdorf im Meklenburgiſchen. | 


Weiffe , Kreisfteuereinnehmer zu Leipzig, 
geb. zu Annaberg 1726 hat ſich um das Theater 
und die Inrifche Poefie (denn für beides arbeitete 
er mit vielem Glück) fehr verdient gemacht, 


Wieland, Churfirfil. Maynziſcher Regie— 
rungsrath, Herzogl. Saͤchſiſcher Weimarifcher 
Hofrath, geb. zu Biberach 1733 ein ſeltenes 
Genie in unſerem Jahrhundert, und fruchtbar 
genug unlere Litteratur immer glücklich zu bes 
reibern. | 


Willamor, Profeffor ver teutſchen Real—⸗ 
————— ſchule 


692 ERBEN 


ſchule zu Petersburg , geb. zu Morungen in 
Preuſſen 1736 farb 1777. 


Withof, Doftor der Arznepgelebrfamkeit, 
Hofrath und Profeſſor der Beredſamkeit und 
der Griechiſchen Sprade zu Duisburg, geb. 
daf. 1725. 


Zachariaͤ, Profefforam. Karolino zu Braun 
ſchweig, geb. zu Frankenhauſen und fiarb 1777. 
Seine komiſche Epopeen und Tageszeiten ha— 
ben ihm einen unſterblichen Namen gemacht. 


} 


Inhalt 


— — — — — — — —— — 





Inhalt 
der poetiſchen Anthologie. 


| Seite, | 
Die Dichtkunft des Zorsz. 277 


| 
1.) Erzählungen. 


Der Greis ⸗ * ⸗ 307 
Der arme Greis I, 308 
Die Kichel und der Rürbis : \ 311 
Bias F ⸗ ⸗ 313 
Theone ⸗ ⸗ 315 
Der Hirte und fein Caͤmmchen 317 
Salomo 319 
Der Donner ⸗ ⸗ 320 
Die Wanderer — : 324 
Der Mörder und fein Vater 325 


373 Der 





| Seite, 
Der Greis und die drey Tünglinge 326 
Die Milchfrau und der Niilhtopf 328 
Die Wahl des Herkules ⸗ 332 


2.) Fabeln. 


Die Nachtigall und der Sabiht » 343 
Der Fuchs und der Bock : 344 
Der Aund und der Wolf ⸗ 345 
Die Fledermaus, der Dornftrauch und 


die Schwalbe 13 ibid. 
Die Heuſchrecke und die Ameiſen 347 
Der Wolf und die Amme ibid, 
Der Wolf und des Kamm 348 
Der Hirſch bey einer Guelle 350 
Der Adler, die Aase „ das wilde 
Schwein 352 
Die Mauleſel und die Räuber 353 | 


Der Hirſch und die Ochſen : 354 
Der Hund und der Wolf 5 355 
Die Ameife und die Siege - 2 357 


— 695 


Seite. 

Der Menſch Wis — au 
Die Nachtigall und Der Gufuf 36L 
Det Tansbär hi 562 
Die Grille und die Nachtigall 363 
Der Knabe und die Schlange 364 
Die Rede Hi ; 265 
‚Das Pferd und der Eſel ; 367 
Ter Löwe und die Muͤcke 368 


Die Stadtmaus und die Feldmaus 371 
Die Raupe und der Schmetterling 374 - 
Der Wiedehopf und die Nachtigall ib. 
Die Nachtigall und des Eggers 


würmchen 375 
Der Rabe und der Fuchs 997 
Der Kichbaum und das Schiff 278 


3.) Idyllen. 


Amyntas | ; 385 
Damon, Dapbne : 86 


Sein — J ⸗ 389 
| y Aal! 4) Sinn⸗ 





696 mn 
| Seite. 
4.) Sinngedichte. XXXV, 395 


Die Genuͤgſamkeit 4 x 4009 
Der Shwäger ⸗ 415 
Von Unterweiſung dee Jugend 425 


6) Lieder. 


An die Freude er 437 
Der Morgen 3% Si 438 
An die Leyer s : 440 
An die Laute ⸗ ⸗ 441 
An die Shnn ⸗ 2443 
Dee 1 N 
Fruͤhlingsgeſang des Alters ibid. 
Der May ⸗ ⸗ 446 
Die Roſe ; ; 448 
Aufmunterung zur Freude 459 
Zufriedenheit . : ei "45ı 


BEE. 697 


Filter, N Seite. 
Die guten Beyfpiele 000458 
Sommerlied nee ⸗ 453 
Schnitterlied Br Ga 454 
Roſette an die Bienen ⸗ 455 
Der Herbſt ⸗ ——— 457 

| Jagdlied BEN: ⸗ 458 
An die Veilchen 460 
Bey Herannaͤherung des winters 462 
Der frohe Bauer — 463 
Das Landleben ⸗ ⸗ 465 
Der Genuß des Kebens ⸗ 468 
An den Schlaf ⸗ ⸗ 470 
Morgengeſans * ⸗ 471 
Die Landſchaft 2 2 473 
Erinnerung der Kinderiahre 474 
"Lob der Unſchuld ⸗ 475 
Der gluͤckliche Arme ⸗ 476 
Die Gelaſſenheit | ⸗ 477 
An den Gesigen 478 


ee ee ibid. 
YH An 


698 — ——— 


| Seite, 
An meine Mutter ⸗ Auer - 
Der groͤßte Mann ⸗ rn ec} 
Die alten und heutigen teutfchen 
Sitten ; — 481 
Fr uͤhlingsempfindungen ⸗ 483 
Empfindungen an einem Fruͤhlings⸗ 
abend ⸗ 485 


Empfindung einer ——— Ehegat⸗ 
tinn am Geburtstage ihres 
Öettn - : 9.0. 487 


Lobgefang eines Barden auf dietent: 
ſche Schamhaftigkeit489 


Fruͤhlingslied eines Barden ————— 
Auf den Tod eines Sperlings 494 
Auf den Tod einer Nachtigall 495 
Kin Amazonenlied ⸗ 44906 
Kriegslied | —J—— ⸗ 300 
Kriegslied a 


7.) Lehrgedichte, 


Die Vorſehung Gottes” ED 7 
| Das 


Su, 


Das Glück des Weifen ⸗ 5tx 
Die Freuden des Weiſen 514 


Der Werth der Tugend ° 2 516 


8.) Oden und Spmnen, 


Froher Genuß der Zeit 527 

Sufriedenbeit | ⸗ ⸗ 528 

_ Wider die Habſucht ; 530 

Nachahmung diefer Ode 531 
Thereſia, die Mutter der Willen: | 

ſchaften ⸗ 534 

Die Zeit 9— un. 208 

Auf die Wiederkunft des Könige - 540 

An die Stadt Serlin * 542 

Die Wiſſenſchaft zu leben 545 

Der wahre Muth ⸗ 547 

| Die Glückfeeligfeit ⸗ 551 


Py 2 Theo⸗ 


TEELRERTETTTUTEN, 
9 


Theodicee | 
Jeſus fchläft auf dem Meer 


Der Erbarmer 4 N 
Dem Wnendlichen PR EHEN 
Die Tugend 4 Ki 


Veſtes Vertrauen — 
Flehen zu Gott ⸗ 
Ueber ein Ungewitter 
Gottes Macht und vorſehung 


Preis des Schoͤpfers has 


Stöliches Vertrauen auf die Liebe 


Gottes RR 8 


Die — Gottes ⸗ 


9.) Elegie bey dem Grabe Bel 


lerts. ⸗ | ⸗ 


10.) Ein Singſtuͤck 


393 


605 


11.) Ein 





> ET 
| 701 


— Seite. 
11.) Ein epiſches Stuͤck 617 


12.) Ein lyriſches Drama 655 
Nachrichten und einige Züge von 


unfern guten teutfehen Dich- 


ter, 681 
* 





th rar‘ u i 
V a fi 3 
* * 
— 6 








—— 


— 


Te 
re — 


un 


; Kine —9 


St 





= 


— es 











ö m. 


I] 


| 





ni 2: * 9— 
ER 


BRETT,