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Full text of "Morphogenetische Studien : als Betrag zur Methodologie zoologischer Forschung"

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MORPHOGENFTISCHE STUDIEN. 
ALS BEITRAG ZUR METHODOLOGIE ZOOLOGISCHER FORSCHUNG. 


VON 


AD GARBODSKI 


MIT SECHS CHROMOLITHOGRAPHISCHEN TAFELN. 


JENA. 
VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 
1903. 


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Weimar. — Druck von R. Wagner Sohn. 
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— Man will stets in Definitionen einzwängen, starr machen 
dasjenige, was seiner Natur nach keinen Bestimmungen unterworfen 


ist, fortschreitet, lebt... 
Nach Adam Mickiewicz. 


— Die Wissenschaft besteht nicht aus Thatsachen, sondern 


aus Schlussfolgerungen ... 
Nach Claude Bernard. 


— Gedacht hat die Natur und sinnt beständig; aber nicht als 
Mensch, sondern als Natur; jedem erscheint sie in einer eigenen 


Gestalt. 
Nach J. Wolfgang Goethe. 


— Eine negative Thatsache verringert die Zahl der möglichen 
Hypothesen und dadurch die Möglichkeit eines Irrtums in 


weiteren Forschungen. 
Nach Santjago Ramon y Cajal. 


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Seinem Lehrer und Meister 


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wollte der Verfasser die in dieser Schrift entwickelten Anschauungen und Gedanken dedizieren. Durch 
eine nötig gewordene Verzögerung der Herausgabe wurde dieses Vorhaben vereitelt. Claus ist vor 
drei Jahren verschieden. Er war gespannt darauf, zu erfahren, wie die vorliegende Schrift in den Fach- 
kreisen aufgenommen werden wird. Er hat nicht alles gebilligt, was ich vorbringe, und auch in Bezug 
auf dasjenige, was zugleich seine eigene Überzeugung war, hat er mich versichert, dass ich mich schlecht 
bedienen werde, wenn ich mit gewissen, allzu selbstbewussten Äusserungen über die herrschenden Dogmen 
der Morphogenie mitten in der allgemeinen Hörigkeit nicht zurückhalten werde Er hat sogar ver- 
sprochen, mich in Schutz zu nehmen, wenn sich die Folgen für mich zu ungünstig gestalten sollten. — 
Obwohl ich nun auf keinen autoritativen Schutz mehr hoffen kann, halte ich dennoch mit der Ver- 
öffentlichung meiner Ergebnisse nicht zurück. 

So oft sich Claus nach den „Morphogenetischen Studien“ erkundigte, plegte er von meiner 
„revolutionären“ Arbeit zu sprechen. Jedoch so revolutionär, wie sie ihm vorgekommen, ist diese 
Publikation thatsächlich nicht. Sie lässt zwar nichts von einer dogmatischen Hörigkeit merken, sie 
wendet sich diametral gegen die anerkanntesten Hypothesen, denen der Fortgang zoologischer Unter- 
suchungen im grossen und ganzen noch immer zugeordnet ist, vor allem gegen die sogenannte Gastraea- 
theorie Ernst Haeckels und gegen dessen gastraeale Phylogenie, gegen die Lehre von der 
Homologie der Keimblätter u. dgl. — sie kommt aber nicht mehr so ganz unvermittelt, wie dies vielleicht 
noch vor wenigen Jahren der Fall gewesen wäre. Es steht ausser Zweifel, dass die morphologische 
Forschung die Bahnen noch nicht verlassen hat, welche ihr der descendentale Gedanke und dessen beide 
bedeutendsten Propagatoren, Ernst Haeckel und Carl Gegenbaur, vorausbestimmt haben. Haeckel, 
mit seiner Gastraea-Hypothese, hat noch immer die meisten Zoologen, sogar die modernsten, an seiner 
Seite. Einer der hervorragendsten von ihnen — Wilhelm Roux — „liest heute mit Staunen, welchen 
Angriffen diese Lehre damals, als sie noch neu war, begegnete und was für absonderliche und unver- 
ständliche Einwendungen gegen sie erhoben worden sind“, Über das mittlere Keimblatt, das Mesoderm, 
schreibt ein berufener Embryologe eine besondere „Theorie“. An der Coelomlehre wird so streng fest- 
gehalten, dass ihr zuliebe so manche Tierform, deren Organisation keine Spur von einer Coelomhöhle 
aufweist, aus theoretischen Gründen als „coelomat“ erklärt wird. Anderseits kann von niemandem 
bestritten werden, dass die Zahl der Unzufriedenen wächst, dass sich die Stimmen einzelner Forscher 


A A 


mehren, die in den Ergebnissen ihrer Untersuchungen mit den gegenwärtigen Hauptannahmen der ver- 
gleichenden Morphogenie in Widerstreit geraten und uns auf die immer häufiger auftretende Discordanz 


zwischen Thatsache und Hypothese aufmerksam machen. 


Die sich stets mehrenden Zweifel eingehend zu prüfen und die Quellen der Irrtümer aufzuzeigen, 
war die nächste Aufgabe des Verfassers. Seine Untersuchungen haben ihm die Überzeugung beigebracht, 
dass sich die erwähnten Lehren bereits ausgelebt haben, dass ein weiteres Festhalten an denselben auf 
den Fortschritt der vergleichenden Morphogenie eher hemmend als fördernd wirken würde und dass die 
entwickelungsgeschichtlichen Resultate der letzten Jahre die Anwendung neuer Methoden morphogenetischer 
Vergleichung und Formulierung verlangen. 

Diese Einsicht des Verfassers ist nicht das Werk einer kurzen Überlegung. Es handelt sich 
nicht um einen willkürlichen Versuch. Die ersten Zweifel an der Richtigkeit der allgemeinen zoolo- 
gischen Denkweise begannen sich in ihm schon zur Zeit seiner eigenen Schulstudien zu regen. Die 
Versicherung zoologischer und embryologischer Lehrbücher, dies und jenes lasse sich „ungezwungen“ auf 
dieses oder jenes phylogenetische, einheitliche Schema zurückführen, wollte ihm nicht recht einleuchten. 
Die Zweifel und die Ungläubigkeit wuchsen, je kritischer der Leser von Lehrbüchern und dann von 
Spezialabhandlungen mit der Zeit wurde. Seine nachher bei den Practieis im zoologischen Laboratorium 
gesammelten Erfahrungen, wo man den Studierenden so manches zu erklären hat, was in den aner- 
kannten Theoremen keine genügende Erklärung findet, sodann das Ausarbeiten von Universitätsvor- 
lesungen, wo man nach exakten Definitionen sucht, konnten jene Zweifel keineswegs beheben. Ein Wiener 
Schüler, der von den verschiedenen Gastrulationsarten gehört hat, richtete an mich einmal die Frage, 
was denn eigentlich eine „Gastrula“ sei, wenn man alle möglichen ontogenetischen Gebilde als Gastrulae 
bezeichnet? Und da habe ich diese Frage nicht gut zu beantworten gewusst. | 

Wenn ich in dieser Schrift mehrere, Ausschlag gebende Widersprüche in der eingebürgerten Denk- 
weise ans Licht bringe und über die diesbezüglichen Hypothesen abfällig zu urteilen wage, so geschieht 
dies nicht etwa infolge einer prinzipiellen Abneigung gegen das konstruktive Denken überhaupt. Eine 
Wissenschaft braucht nicht spekulationsrein zu werden, um eine Wissenschaft zu sein. Ich identifiziere 
nicht das Exakte mit dem Spekulationsfreien und halte insbesondere die zoologische Morphogenie für ein 
Forschungsgebiet, welches stets mit zusammenfassenden, orientierenden, abstrakten Gedanken durchsetzt 
werden muss, um zu gedeihen. Ich habe mich darüber an anderen Orten eingehender ausgesprochen. 
In einer Arbeit über Arthropoden habe ich seiner Zeit gesagt, das System sei lediglich als eine ordnende 
Hilfsvorstellung beim Verfolgen der Stammesgeschichte aufzufassen. Und in der That: keiner Hypothese, 
die sich als ordnende Hilfsvorstellung bewährt hat, kann man einen wissenschaftlichen Wert absprechen. 
Nichtsdestoweniger bin ich beim Entwerfen eigener Konjekturen sehr vorsichtig vorgegangen und war 
vielleicht übertrieben zurückhaltend. Selbst auf die Gefahr hin, dass jemand infolgedessen meine zum 
grossen Teil negativ gestempelte Arbeit für überflüssig und verdienstlos, mein Programm für Kein Pro- 
gramm halten könnte. 

Sicheren Entscheid über ihren Wert kann natürlich der Verfasser selbst nicht führen. Eine 
bessere Einsicht muss ja erst allmählich errungen und erkämpft werden. Diejenigen gewiegten Morpho- 
logen, die ihre Kräfte in anderer Richtung verausgabt haben und sämtliche, in nachstehenden Aus- 


führungen hervorgehobene Bedenken nicht anders als mit Achselzucken beantworten können, mögen daran 


— VI — 


erinnert werden, dass sich der Verfasser ansonst auf dem gewohnten, vergleichend -morphogenetischen 
Gebiete nach Möglichkeit und Fähigkeit bethätigt, und mögen wenigstens den neuen, hier gebotenen 
Aufschlüssen über verschiedene, spezielle Gegenstände, wie über die Entwickelung des Amphioxus, den 
Bau des Trichoplax u. a. m. ihre Aufmerksamkeit schenken. Aber auf den Gebieten der Embryologie 
und der Biomechanik, welche in den letzten Jahren so viele ausgezeichnete Forscher mit glänzendem 
Erfolge bearbeiten, da — hofft der Verfasser — werden sich vielleicht einige Autoritäten finden, die sich 
seiner Sache in ihren Publikationen annehmen, ihre Richtigkeit des näheren prüfen und somit seinen 
Gedanken zur weiteren Verbreitung verhelfen wollen. 

Ein Erfolg dieser Schrift wäre schon dann zu verzeichnen, wenn zahlreiche, über ihren Inhalt 
gefällte Urteile zu einer Diskussion über einschlägige Fragen den Anlass geben würden; genauer ge- 
sprochen, wenn sie die bereits eröffnete Diskussion beschleunigen würde. Doch selbst dann, wenn die 
Dinge ihren gewöhnlichen, langsamen Entwickelungsgang nehmen sollten, bis sich die Richtigkeit der 
heute an dieser Stelle vorgetragenen Auffassung so zu sagen von selbst ergeben würde, selbst dann 
dürfte der Verfasser noch von Erfolg sprechen, denn die vorläufig ungünstige Wendung würde sein Ver- 
dienst nicht zu schmälern vermögen, einer der Ersten gewesen zu sein, die erkannt haben, dass Ento- 
derm und Entoderm im Sinne der Homologie niemals dasselbe sein kann und dass nicht 
die Form, sondern die Funktion als das Frühere, Apriorische, für entwickelungsgeschicht- 
liche Konstruktionen richtungs- und massgebend sein muss. Der Verfasser hält für ein wichtiges 
Ergebnis die Begründung des alten Satzes, das Meiste, was man auf das sogenannte biogene- 
tische Grundgesetz zurückzuführen pflegt, beruhe auf Täuschung, insofern alles Unentwickelte, 
Unvollkommene einander mehr oder minder gleichen müsse, — und ist der Erste, der den Versuch 
macht, den Schwerpunkt der einschlägigen Forschung auf ein zwischen dem vergleichend- 


morphologischen und dem biomechanischen liegendes Gebiet zu verschieben. 


Meinen aufrichtigen Dank spreche ich — auch an dieser Stelle — allen denjenigen aus, die 
mir, sei es durch Überlassung von kostbarem, embryologischen Untersuchungsmateriale oder schwer zu- 
gänglicher Litteratur, sei es durch Rat oder Auskünfte, bei meiner Arbeit behilflich waren; insbesondere 
den s. t. Herren Professoren: Stefan von Apäthy in Kolozsvär, Ludwig von Graff in Graz, Alexander 
“Onufr. Kowalewsky in St. Petersburg, Basilius Lwoff in Moskau, Fr. Saverio Monticelli in 
Neapel (Sardinien), Johann Sobotta in Würzburg, Wilhelm Roux in Halle. 

Derjenige, dem ich die meiste Unterstützung, die meiste Anregung schulde, lebt nicht mehr. 
Seinem Andenken, dem Andenken Carl Claus widme ich diese Blätter. 


Chamonix a. Mont Blanc 1901. 


Des 


Inhaltsverzeichnis. 


Widmung . 
Inhaltsverzeichnis . 
Erstes Kapitel. Zur Kenntnis der Gastraeaden. 
I. Abschnitt. Über Trichoplax adhaerens F. E. Schulze 
A. Morphologische Verhältnisse 
B. Histologische Verhältnisse 
C. Biologische Erscheinungen RR. 
II. Abschnitt. Über Treptoplax reptans Monticelli 
IH. Abschnitt. Über Salinella salve Frenzel 
Zweites Kapitel. Zur Charakteristik der Gastraeaden. 
IV. Abschnitt. Zur systematischen Beurteilung des Trichoplax 
V. Abschnitt. Zur Taxonomie der Mesozoen . 
Drittes Kapitel. Zur Morphogenie der Metazoen. 
VI. Abschnitt. Untersuchungen über die Gastrulation 
VI. Abschnitt. Zurückweisung der Gastraeatheorie 
Viertes Kapitel. Zur Analyse des Keimblattbegriffes. 
VII. Abschnitt. Zur Charakteristik der Primitivorgane 
IX. Abschnitt. Das Mesoderm und seine Derivate 
X. Abschnitt. Über den Begriff der Leibeshöhle 
XI. Abschnitt. Zurückweisung der Keimblättertheorie 


Fünftes Kapitel. Zur Methodologie der vergleichenden Forschung. 


XII. Abschnitt. Zur Charakteristik morphogenetischer Prozesse . 


XIII. Abschnitt. Physiologische Morphogenie 
Litteraturverzeichnis 
Tafelerklärungen I— VI. 


100 
115 
130 
137 


144 
156 
175 


BrstescK ame 


Zur Kenntnis der Gastraeaden. 


I. Abschnitt. 
Über Trichoplax adhaerens F. E. Schulze. 


Den Ausgangspunkt unserer Betrachtungen bildet der allgemein bekannte und viel umstrittene 
Trichoplax adhaerens F. E. Schulze. Da die Litteratur über dieses interessante Wesen meines Wissens 
noch nirgends genauer zusammengestellt wurde, so gebe ich hier ein ziemlich vollständiges Verzeichnis 


von Autoren, die sich mehr oder weniger eingehend mit dieser Tierform beschäftigen. 


Litteratur über Trichoplax: 


Anonymus 1. 1.3y.1Graft 1. 
St. v. Apathy 1. BrkElaeckel 15. 
L. Böhmig 2. B. Hatschek 3. 
M. Braun 1. E. Meinikow 2. 
©. Bütschli 1,3. RS. Montreelli 2: 
NeDielapre 3,11. BEGENol! 1. 
E. Ehlers Ik BzusRzsSarasınaa le 
jekrenzeil 2,3. RS@ZSichnerderse 2: 
T. Garbowski 4.5. F. E. Schulze 4,5. 


Vergl. auch F. v. Wagners referierenden Aufsatz „Organismus der acoelen Turbellarien“ 
(Biologisches Zentralblatt, Bd. XI, 1891) p. 663 und Fussnote. 


A. Morphologische Verhältnisse. 


In seiner „Systematischen Phylogenie“ hat Haeckel unter Gastremarien, der ersten Klasse des 
ziemlich bunt. zusammengewürfelten Gastraeadenphylons, neben hypothetischen Formen, zwei lebende, 
marine Organismen untergebracht, den Trichoplax adhaerens F. E. Schulze und Treptoplax reptans F. S. 
Monticelli, deren allgemeine Körperarchitektur bereits von ihren Entdeckern beschrieben wurde. 
Diese ursprünglichsten, sowohl rein morphologisch als entwickelungsgeschichtlich schwer zu beurteilen- 
den Metazoen habe ich einer möglichst eingehenden Untersuchung unterzogen, um einerseits eine tiefere 
Einsicht in ihre histologischen und physiologischen Verhältnisse zu erlangen, anderseits, um ihre 
wirkliche systematische und genetische Stellung in der Reihe der Vielzelligen zu ermitteln. Es ist 
auch mir nicht gelungen, einige Besonderheiten des T’richoplax-Organismus in befriedigender Weise zu 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 1 


erklären; in den Rahmen dieser Arbeit fällt aber nicht eine erschöpfende Schilderung seiner Histologie 
und Physiologie. Ich konnte mich hier vielmehr auf diejenigen Angaben beschränken, die meine Aus- 
führungen genügend unterstützen und die Richtigkeit meiner Auffassung beweisen. Eine endgiltige 
Lösung der hier in Rede stehenden Fragen werde ich vielleicht in einer Spezialabhandlung über 
Trichoplax bringen können. 

Bis jetzt wurde der Trichoplae — Treptoplax ıst eine ganz neue Entdeckung — in sehr ver- 
schiedener Weise beurteilt. Während die einen ihn für ein Mesozoon erklären, zählen ihn andere 
Autoren, wie z. B. von Graff, zu acoelen Turbellarien, oder aber sehen in ihm ein paranomales Ent- 
wickelungsstadium eines höheren Organismus, möglicherweise eine Poriferenlarve. Grosse Seltenheit 
und die bedeutenden Schwierigkeiten mikrotechnischer Behandlung erklären allein den Umstand, dass 
sich mit dieser berühmt gewordenen Form bis jetzt nur ein einziger Forscher, F. E. Schulze (4,5) des 


näheren befasst hat. 


Der Körper lässt sich bei beiden Formen auf eine flache Scheibe zurückführen, die aussen mit 
einem grösstenteils bewimperten, oben pflasterförmigen, unten zylindrischen Epithel bekleidet ist und 
innen aus einem sehr lockeren Parenchym, aus mehr oder minder unregelmässigen Zellen besteht. 


Die von Schulze beschriebene Form ist — wie der Verfasser in seiner ersten Publikation (#) 
mitteilt — zuerst in den Aquarien des Grazer zoologischen Instituts aufgetreten. Die flachen, scheiben- 
artigen Tiere hielten sich sowohl am Bodensatz als an den Wänden eines Glasbehälters auf, welcher 
verschiedene andere Tiere und Pflanzen, wie Foraminiferen, Scyphistomapolypen, Teile von Ua 
latissima, Algen u. dgl. beherbergte. Die einzelnen Individuen nehmen sich auf Glaswänden wie trüb- 
weissliche oder gelblichgraue Fleckchen aus, deren Umrisse sich fortwährend, wenn auch sehr allmählich, 
verändern. Nur im Stadium vollständiger Ruhe sind die Scheiben regelmässig oval, mitunter sogar 
kreisrund. Gewöhnlich haben sie eine starke Ähnlichkeit mit lappig ausgebreiteten Amöben, welche 
nach allen Richtungen ihre abgerundeten Pseudopodien ausstrecken, so dass es einer längeren Beob- 
achtung bedarf, um zu entscheiden, in welcher Richtung sich die Sarcodine eigentlich bewegt. 

Von allen Rhizopoden erinnert aber Trichoplax am lebhaftesten an Erdamöben, insbesondere an 
die bis 2 mm grosse Pelomyxa. Es sind namentlich, von den übereinstimmenden Körperumrissen abge- 
sehen, d.e vielen Kerne und die zahlreichen Glanzkörper der Pelomyxa, welche die Ähnlichkeit im Habitus 
noch grösser machen. Es wurde sogar seinerzeit behauptet, dass die Pelomyxen eine zellige Struktur 
besitzen, doch wurden diese Angaben Gullivers durch Bourne widerlegt, welcher gezeigt hat, dass 
sich diesbezügliche Bilder auf Plasma-Veränderungen unter dem Einflusse von Reagentien zurückführen 
lassen (1, p. 357— 374). Auch ist die Art der Bewegung bei beiden Organismen scheinbar die gleiche; 
die Scheibe des Trichoplaxkörpers verbreitert sich oft in der Richtung der Bewegung und die Erdamöben 
bewegen sich ebenfalls durch Ausbreitung und allmähliche Verschiebung, ohne eigentliche Pseudopodien 
zu bilden (vgl. Greeff, 1, Taf. II., Fig. 6a, 6g). 


Der Trichoplax, den ich untersuchte, wurde schon vor Jahren an Glaswänden der Aquarien im 
Clausschen zoologischen Institut bemerkt und ist dort auch jetzt in grösserer oder geringerer Ver- 
dichtung in einzelnen Glasbehältern das ganze Jahr hindurch zu finden. Die Körperfarbe ist, wie bei 
den Schulzeschen Stücken, schmutzig weissgrau oder gelblichgrau, ähnlich dem sandigkörnigen grauen 
Plasma der paramaecienartigen Ciliaten, die neben Opalinen den Darmkanal der Wasserfrösche bevölkern. 

Was die Topographie der geweblichen Elemente anbelangt, so ist zu bemerken, dass die äussere 
Körperschichte aus bewimpertem Epithel besteht, während das Innere von undeutlich mehrschichtigem 
Zellengewebe parenchymatösen Charakters eingenommen wird. Da sich die Gestalt des Tieres amöboid 
verändert, so ist es schwer, diesen Organismus nach der bei Metazoen üblichen Schablone morphologisch 
zu orientieren. Würde man die ziemlich selten vorkommende, kreisrunde Gestalt als die normale be- 


zeichnen, dann müsste man den Trichoplaxw zu den Synstigmen rechnen, das ist zu den einfachsten 


Metazoen, deren Orientierungsstelle ein zentraler Punkt repräsentiert (vgl. Schulze, 6). Oder aber 
liesse sich durch diesen Punkt eine Prinzipalachse führen, in Berücksichtigung des Umstandes, dass das 
Tier stets nur die eine Seite der Körperscheibe der Unterlage zukehrt. Diese dorsoventral gerichtete 
Achse, als die einzig mögliche, würde folglich die Prinzipalachse des Tieres (im Sinne Schulzes) bilden. 

Nur das Epithel der dorsalen Seite ist ein echtes Wimperepithel, dessen Zellen gleichmässig: 
mit Cilien versehen sind. Die Zellen des hohen. zylindrischen Ventralepithels tragen in der Regel bloss 
einen Cuticularfortsatz, wodurch sie als Geisselzellen charakterisiert werden. Auch in der Differenzierung 
des inneren Zellengewebes lässt sich eine dorsoventrale Schichtenfolge feststellen, wie dies von Schulze 
bereits in seiner ersten Publikation hervorgehoben wurde. Auf der damals von ihm gelieferten Ab- 
bildung eines Querschnittes (4, p. 95, Fig. 1), welche irrtümlicher Weise verkehrt angebracht wurde, 
tritt namentlich die schichtenartige Einlagerung von dreierlei Elementen deutlich hervor. Unter dem 
dorsalen Epithel liegen die grossen, ganz unten die kleineren Exkretkugeln und die mittlere Schichte 
bilden die gelbbraunen Conglomerate symbiontischer Zooxanthellen (Taf. II, Fig. 10). Demgegenüber 
sind die Muskelzellen, als welche die meisten Parenchymzellen zweifellos fungieren, nicht genauer ge- 
schichtet; es wurde zwar behauptet, dass Trichoplax, nach Art der Turbellarien, zwei Muskellagen besitzt, 
deren Richtungen sich rechtwinkelig schneiden, doch entsprechen diese Angaben nicht der thatsäch- 
lichen Topographie des Parenchymgewebes. 


Diese Verhältnisse sind vielfach schon an lebenden Tieren zu sehen, wenn man die ausgebreitete 
Körperscheibe mit starken trockenen Systemen (Zeiss E, F.) untersucht. Bei hoch eingestelltem Tubus 
nimmt man zunächst die flimmernde Wimperbekleidung der Dorsalseite wahr, sodann bemerkt man zu- 
weilen bei entsprechender Beleuchtung des Objektes Zellgrenzen und Zellkerne des dorsalen Epithels; 
bei tieferen Einstellungen bekommt man die Exkretkugeln und erst nachher die Algengruppen deutlich 
zu sehen (Taf. III, Fig. 1). 

Im Sinne der Keimblätterlehre, die auf sämtliche Metazoen ausgedehnt zu werden pflegt, müsste 
man das äussere Körperepithel als das Ectoderm, das innere Gewebe als das Entomesoderm auffassen. 
Der Organismus würde demnach aus zwei Schichten bestehen. Nichtsdestoweniger wird der Trichoplax 
von Schulze (und auch von Lang, ?2) für einen dreiblätterigen Organismus gehalten: das obere Epithel 
wäre ectodermaler Natur, das innere Parenchym wäre mesodermal und das ventrale Epithel wegen seiner 
angeblich verdauenden Thätigkeit müsste man als ein Homologon des entodermalen Darmes höherer 
Metazoen in Anspruch nehmen. Auf diese Frage werden wir noch mehrmals zurückkommen. 


Die ganze Oberfläche des Tieres ist bewimpert. Während die dorsalen, grösseren (S—12 u, nach 
Schulze) Zellen gleichmässig mit Wimpern bekleidet erscheinen, tragen die kleineren (3—5 u) Zellen 
der Unterseite, wie oben bemerkt wurde, je einen, höchstens zwei Cuticularfortsätze, so dass sie typische 
Geisselzellen darstellen. Mittels dieser Geisseln ist das Tier im Stande, sich der Unterlage, sei es eine 
Glaswand des Aquariums, sei es eine Pflanze, wie z. B. Ulva latissima, auf der es sich freiwillig niemals 
aufhält, ziemlich fest anzuschmiegen, so dass es eines verhältnismässig starken Wasserstromes bedarf, um 
gehoben und fortgerissen zu werden; Frenzel, der den Versuch gemacht hat, dieses Phänomen zu er- 
klären, spricht von einer Flächenanziehungskraft, welche viel mächtiger wirkt als die Schwerkraft (4, p. 470). 

Nach Schulze misst Trichoplax im Diameter 2 bis über 3 mm; die von mir untersuchte „Rasse“ 
war im Durchschnitt viel kleiner; die Mehrzahl der Exemplare erreichte kaum die Grösse von 1 mm. 
In der Ruhe, wenn die Konturen der Körperscheibe gleichmässig rund oder oval erscheinen, zieht sich 
das Tier häufig in der Mitte stark zusammen, so wie ich dies nach einem 0'2 mm grossen Exemplar 
abbilde (Taf. I, Fig. 1). Im Querschnitt erscheint es sodann planconvex, in der Mitte bräunlich opak, 
an den Randpartien halb durchsichtig. Beim Kriechen breitet sich der Körper mehr oder minder gleich- 
mässig aus; in der Richtung der sich am stärksten dehnenden, pseudopodienähnlichen Körperlappen 
entstehen oft Falten. die sich ziemlich parallel zu einander wölben und unter dem Mikroskop wie dunkle 


Streifen aussehen (Taf. III, Fig. 1). Fühlt sich das Tier unbehaglich, oder wird es etwas gedrückt, z. B. 
unter einem Deckgläschen, dann versucht es, seine Lage zu ändern, die Körperlappen werden nach 
allen Seiten ausgestreckt und bei Umdrehung oder rascherer Einziehung gelangen dann die Lappen 
oft ganz eng aneinander, so dass sie mitunter zu verschmelzen scheinen und die Berührungslinien ledig- 
lich als stärker flimmernde weissliche Bahnen bemerkbar bleiben (Taf. II, Fig. 1). 


Die Körperform wird in einer ganz besonderen Weise durch bruchsackartige Vorwölbungen und 
Ausstülpungen geändert; ein interessanter Prozess, den ich öfters sowohl an vital tingierten, als an frei 
lebenden Exemplaren zu sehen bekam (Taf. I, Fig. 2 und 3). Die Oberfläche der Scheibe zeigt anfangs 
eine rundliche Erhebung, als ob das Tier den Versuch machen würde, das umgebende Wasser einzu- 
saugen. Nach einiger Zeit wird die Ausstülpung so gross, dass sie sich nicht mehr aufrecht zu erhalten 
vermag; so weit ich beobachten konnte, wird die Flimmerbewegung an der vorgestülpten Stelle schwächer 
und langsamer, die Gewebe erscheinen hier stärker ausgedehnt und der Körper dünner. Vielleicht handelt 
es sich um derartige Ausstülpungen in der Angabe Schulzes, der Trichoplax bilde zuweilen Falten, um 
Nahrungsstoffe in sich aufzunehmen, beziehungsweise zwischen (im Innern?) dieser Falten zu verdauen. 
Eine überaus ähnliche Erscheinung tritt bei Erdamoeben auf. Greeff hat bei Pelomyxa bruchsackartige 
Pseudopodien abgebildet, welche an die soeben beschriebenen Bruchsäcke sehr stark erinnern. (Vgl. 
GreettalTars Ries 2853) 


Neben der normalen Scheibengestalt nimmt Trichoplax zu gewissen Zeiten die Form von ge- 
schlängelten, nach Schulze bis 20 mm langen Bändern an, wie dies von dem Genannten eingehend 
beschrieben wurde. Die Bandform scheint ein Vorstadium der Vermehrung durch Teilung zu sein. Die 
Bänder sind in der Regel fast gleich breit und an den Enden zugerundet (vgl. Taf. IV, Fig. 1—6). Doch 
kommt es manchmal vor, dass die beiden Formen miteinander kombiniert werden und das Band an einer 
oder zwei Stellen scheibenförmig erweitert ist. Wahrscheinlich haben wir hier eine im Entstehen be- 
griffene Bandform vor uns, wo sich das Tier nicht gleichmässig nach einer Richtung verlängert, wie 
dies — nach verschiedenen Übergangsformen zu urteilen — zweifellos geschieht, sondern den Prozess 
der Formumwandlung auf gewisse Bezirke des Körpers lokalisiert. Einmal gelangte ein derartig unregel- 
mässiges Band zur Beobachtung, wo das eine Ende in einen ausserordentlich dünnen, eher plasmatischen 
als zelligen Fortsatz ausgezogen war und auch in der Mitte des Bandes eine überaus schmale Partie zu 
bemerken war (Taf. I. Fig. 4). Das Exemplar befand sich in einem kleinen mikroskopischen Aquarium 
im gewöhnlichen Seewasser und zeigte die normalen Einlagerungen. 

Nach dieser allgemeinen Charakteristik der äusseren Körperform und der Topographie der Ge- 
webe wollen wir uns einer genaueren Betrachtung der histologischen Elemente zuwenden. 


B. Histologische Verhältnisse. 


Trichoplax gehört zu den schwierigsten Objekten zoologischer Histotechnik. Einiges lässt sich 
auch bei ihm an günstigen lebenden Exemplaren beobachten; frische Quetschpräparate gestatten mit- 
unter einen Einblick in die Verbindung der Parenchymzellen mit den Epithelien; auch durch vitale 
Färbung mit blauen Farbstoffen, welche dieser Organismus recht gut verträgt, lassen sich gewisse Einzel- 
heiten im Bau der Gewebe darstellen; doch ist das Studium möglichst dünner Schnitte unerlässlich, um 
die innere Struktur der Zellen und das Verhältnis der Einlagerungen zu denselben kennen zu lernen. 

Einige Fixierungsstoffe für Trichoplax wurden bekanntlich von Schulze angegeben. Sie sind 
gut anwendbar, wie die meisten anderen, gewöhnlich gebrauchten Flüssigkeiten, mit denen ich Versuche 
angestellt habe. Aber bei keiner einzigen ist der Erfolg sicher. Die Hauptschwierigkeit liegt in dem 
ungemein lockeren Zellenbau und Zellengefüge. Das Tier pflegt die Einwirkung der meisten Reagentien 


mit beinahe explosivem Zerfliessen zu beantworten. Und auch dann, wenn die Fixierung scheinbar 


gelungen ist, überzeugt man sich oft erst nach der mühevollen Mikrotomierung und Färbung, dass die 
Arbeit vergeblich war, weil die Fixierung nicht rasch genug vollzogen werden konnte, um einer durch- 
greifenden Destruktion in den Zellen vorzubeugen. Etwas leichter lassen sich die Einlagerungen des 
Parenchyms konservieren. 

Fixiert wurde mit Überosmiumsäure, 20prozentiger Salpetersäure, Pikrinschwefelsäure nach 
Kleinenberg (mit 3 Teilen Wasser verdünnt), deren Wirkung ähnlich ist wie bei der Salpetersäure, 
mit Perenyischer Flüssigkeit, Mercurichlorid, Platinchlorid, Platinchlorid in Verbindung mit Quecksilber- 
chlorid, Silberchlorid, Goldchlorid, Formalin und mit pikrinsaurem Ammoniak. Jede von diesen Fixierungs- 
arten ist geeignet, besondere Einzelheiten deutlich zu machen; am verlässlichsten wirkt Überosmium- 
säure, Platinchlorid mit Sublimat und Salpetersäure. 


Brauchbare Tinktionen in toto wurden nur bei Anwendung blauer Farbstoffe erzielt. Mehrere 
der gebräuchlichsten Färbungen, wie die mit Boraxkarmin oder Alaunkarmin, wollten mir nicht recht 
gelingen. Schnelle Safraninfärbungen fielen zu roh aus, langsame (mit späterer Ausziehung durch ab- 
soluten Alkohol) wurden von dem vergänglichen Gewebe nicht gut vertragen. 

Die Schnitte, unter denen manche kaum 1 « dick sein dürften, wurden auf einer grossen Maschine 
von Reichert nach Bütschlis Angaben hergestellt. Die Schnittfläche wurde mit Paraffin bestrichen 
und erkalten gelassen; dabei muss man die gewöhnlich eintretende gelinde Schrumpfung des Paraffin- 
blocks in Betracht ziehen.*) Collodium erwies sich als völlig unbrauchbar. 


Das äussere Tegument, das wir mit Schulze (%) im Gegensatze zu der Pellicula der Einzelligen 
als Cuticula bezeichnen müssen, ist deutlich mehrschichtig. Diese Cuticula ist schwer zu beobachten, 
auf Schnitten überhaupt kaum nachzuweisen. Sie tritt an Exemplaren, die mit Perenyis Flüssigkeit 
fixiert wurden, einigermassen hervor, am deutlichsten jedoch ist sie an lebenden tingierten Tieren zu 
sehen und zwar an den Rändern, oder noch besser an Faltenbiegungen (Taf. II, Fig. 1). Sie besteht 
aus drei bläulich hyalinen Schichten, wovon die mittlere die stärkste ist, die beiden anderen viel dünner, 
und aus zwei dunklen, sehr dünnen Schichten, von denen wieder die untere stärker und dunkler ist als 
die obere (Taf. II, Fig. 1). Von den durchsichtigen Tegumentpartien ist die oberste — was auf der Ab- 
bildung nicht gut darzustellen war — farbloser als die unteren, obgleich sie sich in unmittelbarem Kon- 
takte mit der Blaulösung (Bleu de Paris) befindet. Während diese Schichten fast homogen zu sein 
scheinen, sind die dunklen Lagen von körniger Beschaffenheit; die Körnchen verschmelzen wahrscheinlich 
hie und da miteinander zu horizontal liegenden Fäserchen. Die Cuticula ist in ihrer feineren Struktur 
so selten beobachtbar, dass ich nicht angeben kann, ob die erwähnten Körnchenschichten, die ab 
und zu fibrillären Charakter annehmen, thatsächlich eine zusammenhängende, ununterbrochene Lage 
bilden; denn entscheiden liesse sich das nur an Schnitten. Es ist aber möglich, dass sie aus Inseln, 
Körperchen oder kurzen Stäbchen besteht, welche im Inneren der Cuticula den Ansatzstellen der ein- 
zelnen Wimperhärchen entsprechen und nur in situ besichtigt, ein zusammenhängendes Gebilde vor- 
täuschen. Die Cuticula würde dann in ihrer Gesamtheit sehr genau mit dem Tegumente anderer niederer 
Metazoen. besonders aber mit der Haut acoeler Turbellarien auffallende Ähnlichkeit haben. So finden 
wir z. B. bei dem Graffschen Amphichoerus eine ebenso geschichtete, aus hellen und dunklen Lagen 
bestehende Cuticula, deren hyaline Schichten mehr oder weniger homogen erscheinen, die dunkleren 
aber aus Stäbchen und Basalkörperchen der Cilien zusammengesetzt sind (Taf. II, Fig. 27). Auch die 
Dicke der Haut ist bei beiden Organismen annähernd die gleiche. 


So haben wir in der Cuticula des Trichoplax ein echtes, metazoisches Gebilde kennen gelernt. 


*) Da infolgedessen die Objektklammer stets noch etwas gehoben werden musste, um das Objekt überhaupt anzuschneiden, kann ich 
die Schnittdicke nicht ganz genau angeben, 


Die unter der Pellicula der Einzelligen liegenden, radiär geordneten Bälkchen konnte ich hier nicht auf- 
finden: sie sind nach Bütschli (2) als der Ausdruck einer polygonal gefelderten Alveolarschicht auf- 
zufassen, welche hier ebenfalls zu fehlen scheint. Das Plasma der epithelialen Zellen ist im ganzen 
Zellkörper gleichmässig struiert. Unter der Pellicula der Protozoen kommt dagegen eine besondere 
Alveolarstruktur des Plasmas ziemlich allgemein vor; sogar bei niedrigsten Sarcodinen wurde sie vor- 
gefunden, so z. B. von Bütschli (3, Taf. II, Fig. 8, 9) bei Amoeba actinophora Auerbach (oder Cochlio- 
podium), wo das Tegument an sich ebenfalls durch zarteste Bälkchen radiär gekammert erscheint. Auch 
für Erdamöben hat Greeff (2) eine wirkliche Pellicula angegeben, mit einem radiär faserigen Ectoplasma 
darunter. In diesem Verhalten des Zellplasmas zum Tegument, welches nach Leydig aus verdichtetem 
Spongioplasma entsteht, könnte man ein Merkmal erblicken, das gegen die Auffassung einiger Autoren 
sprechen würde, Trichoplax repräsentiere eine Übergangsform von den Einzelligen zu den Vielzelligen: 
es könnte vielmehr einen Grund bilden, ihn in das System der echten Metazoentypen einzuordnen. 
Von grossem histologischen Interesse ist die Beschaffenheit der Cilien. Es geht zunächst die 
Frage dahin, ob die Wimperhaare, als alloplasmatische, aktive Energiden der Zellen im Sinne Arthur 
Meyers (1) und Köllikers (4) das äussere Tegument durchsetzen und als plasmatische Organe des 
Zellleibes in das Innere eindringen oder bloss äussere Fortsätze der plasmatischen Cuticula darstellen, 
ohne in unmittelbare Beziehung mit dem Zellkörper zu treten. Es wäre übrigens ein solcher Fall mög- 
lich, wo die Cilien nur mit dem Tegument verbunden und äussere Hautfortsätze sein würden, im Zell- 
plasma aber besondere Organe differenziert wären, um einen Kontakt mit den Wimpern herzustellen. 
So hat Bütschli bei Protozoen (2, p. 1325) Wimpern beschrieben, welche unmittelbar von der Pellicula 
aufsteigen, so dass die letztere an keiner Stelle durchbrochen wird; im Zellkörper sollen sich aber 
Fäserchen befinden, die sich bis zur Pellicula fortsetzen und zu den Ansatzstellen der Cilien gelangen. 


Während Schulze (5) über diese Verhältnisse nichts Näheres berichtet, hat Karl Camillo 
Schneider (2) speziell zu diesem Zwecke bis 2 u dünne Schnitte von Trichoplax angefertigt und ein- 
gehende Daten über die Natur der Wimperhaare geliefert. Das Plasma der Epithelzellen ist weder wabig 
noch netzförmig im Sinne Flemmings struiert, sondern besteht aus Fasern, die nach Art eines Knäuels 
das Zellinnere nach allen Seiten durchsetzen, in den Kern eindringen und sich an den äusseren und 
inneren Zellgrenzen derart miteinander verflechten, dass eine solide Haut und Membran zu existieren 
scheint; freie Endstücke dieses gewundenen Knäuelsystems gelangen durch die Öffnungen des tegumen- 
talen Geflechts nach aussen und ragen in Form von Wimperhaaren hervor. Da nun die Fasern, die 
sich in der Zelle befinden, in unmittelbarer Kontinuität mit der Cilie verfolgt werden konnten, so sind 
sie zweifellos motorischer Natur. Dieser Nachweis, der dem genannten Autor ebensogut bei Trichoplax, 
wie bei Protozoen „sehr leicht‘ gelang, wäre thatsächlich vom grössten Interesse und in hohem Grade 
aufklärend über die Thätigkeit des Zellgerüstes. Trotz aller Bemühungen konnte ich aber weder bei 
Trichoplax noch bei Infusorien etwas finden, was die Angaben Schneiders bestätigen würde. 


In der Cuticula selbst lassen sich, wie oben erwähnt, besondere, den Wimpereinheiten ent- 
sprechende Elemente nicht nachweisen. An isolierten Epithelzellen (Taf. II, Fig. 2), wo das Tegument 
unkenntlich wird, konnte ich ebenfalls keine Spur einer inneren, die Cilie fortsetzenden Faser entdecken. 
Obwohl aber Bütschli die Faserstruktur Schneiders für „nie vorkommende Schematismen‘“ hält 
(3, p. 117—118) und nachdrücklich hervorhebt, dass mit dem von Schneider angegebenen Linsensystem 
diese Struktureigentümlichkeiten, auch wenn sie existieren würden, überhaupt nicht gesehen werden 
könnten, so wäre dennoch der Einwand möglich, dass meine Fixierungs- und Färbungsmethoden unzu- 
länglich waren. Dieser Einwand wird jedoch hinfällig angesichts des Bildes, welches uns mit Gold- 
chloridkalium behandelte Gewebe bieten (Taf. III, Fig. 5). Hier erkennt man am deutlichsten die Cilien 
als rein cuticulare Fortsätze. Auf dem abgebildeten Quetschpräparate, wo die am Rande sichtbaren 
Zellen des ventralen Epithels so gut erhalten sind, dass sich teilweise die Zellgrenzen verfolgen lassen, 


nehmen sich die Geisseln als dicke, sonderbar perlschnurartig gekörnte Stränge aus, welche zunächst 
an vergoldete, dicht mit Varicositäten bedeckte Nervenfasern erinnern. Da sich das Gold auch im Zell- 
plasma abgesetzt hat, so ist es ausgeschlossen, dass sich auch in den Zellen Wimperelemente befänden, 
die nicht herausdifferenziert wurden.*) Demnach ist die Darstellung Schneiders unrichtig. 

Als Nebenobjekt habe ich die von Schneider angeführte Vorticella verglichen. Ich besitze zu- 
fälligerweise mehrere, nach verschiedenen Methoden fixierte und tingierte Schnittserien von diesem 
Ciliaten, da er auf Kiemenbläschen und Füssen kleiner Süsswassercrustaceen recht häufig vorkommt und 
anlässlich meiner carcinologischen Arbeiten mitgeschnitten wurde. Auf bestens erhaltenen, mit Sublimat 
fixierten und mit Boraxkarmin und Alkoholpikrat gefärbten Präparaten war aber ebenfalls von inneren 
motorischen Fasern, welche nach Schneider bei Vorticella genau den für Trichoplax angegebenen Struk- 
turen entsprechen sollen, nichts zu sehen. 


Anderseits will ich in Bezug auf Vorticella und Trichoplax die Möglichkeit nicht ausschliessen, 
dass bei gewissen Formen unter Umständen Strukturen wahrgenommen werden könnten, die man will- 
kürlich im Sinne der Auffassung Schneiders auszulegen im Stande wäre. Henneguy (l, p. 57, vgl. 
p. 44 und 92) sagt mit Recht, dass im Plasmabau alle Arten von Strukturen, vacuoläre, reticuläre, 
fibrilläre Struktur u. s. w. vorkommen können. Es ist also möglich, dass mir andere Arten oder Rassen 
vorlagen. In betreff des Trichoplax halte ich dies allerdings für sehr unwahrscheinlich, da wir beide 
unser Material in den Aquarien desselben Institutes gesammelt haben, wo der Trichoplax seit Jahren 
angetroffen wird. 

Die Richtigkeit meiner Auffassung wird sonst noch durch das Verhalten des Tegumentes beim 
körnigen Zerfall (Taf. II, Fig. 22) bewiesen. Zur Zeit, wo die Desorganisation der Zellen schon weit 
vorgeschritten ist, ganze Strecken der spongioplasmatischen Cuticula sich auflösen und das Körperplasma 
zu zerfliessen beginnt, bleiben zuweilen kleine Stückchen der Cuticula länger erhalten. können sich 
sogar vom Plasma etwas loslösen und behalten stets ihre Cilienarmatur bei, was selbstverständlich völlig 
undenkbar wäre, wenn die Cilien, das Tegument durchbrechend und perforierend, als äussere Fortsätze 
(Fasern) mit dem Zellenplasma verbunden wären. 


Diese Abhängigkeit der Cilien von der Cuticula steht auch im Einklang mit der genetischen 
Auffassung der Flimmerbewegung. Mehreres spricht dafür, dass zwischen der amöboiden und ciliaren 
Bewegung kein prinzipieller, sondern lediglich ein gradueller Unterschied besteht, dass die eine Be- 
wegungsart in die andere übergehen kann, wobei die amöboide Bewegung im grossen und ganzen 
phylogenetisch die ältere sein dürfte. Bei der Entwickelung der Siphonophoren begeben sich, wie 
Haeckel (2) angegeben hat, einzelne Blastomeren an die Oberfläche des künftigen Organismus und 
verwandeln alsdann ihre amöboiden Fortsätze in Cilien. Bei Magosphaera planula, einer aus birnenförmigen 
Zellen zusammengesetzten Flagellatenkolonie, hat Haeckel (4) beobachtet, wie diese Zellen aus 
amöboiden entstehen und wieder amöboid werden können. Wenn er aber daraus den Schluss zieht, 
die Cilien — als direkte Fortsätze des Zellplasmas — seien unmöglich blosse Cuticulargebilde (4, p. 541), 
so ist dem gegenüber zu bemerken, dass das Tegument, mit dem sie sich z. B. bei Trichoplax unmittelbar 
und — wie gewisse Erscheinungen des körnigen Zerfalls zeigen — innig verbinden, keine Abscheidung 
jenes Plasmas ist, sondern durch Verdichtung der Plasmasubstanz selbst gebildet wird, so dass es von 
den Wimperhaaren nur funktionell, nicht aber stofflich verschieden ist. 

Das Tegument gehört somit nicht zu apoplasmatischen, starren Bestandteilen der Zellen. Es ist 
das Plasma selbst. bleibt mit den unten liegenden Schichten der Sarkode in vollständiger Kontinuität 
und ist infolgedessen nicht minder „belebt“ als die Zelle selbst. Dieselbe Vitalität muss also aus den 


*) Ein bedauerlicher Druckfehler (Weglassung des Wortes „nicht“) macht den betreffenden Passus bei Garbowski (5, p. 88) 
unverständlich. 


nämlichen Gründen und in der nämlichen Weise den Cuticularfortsätzen zukommen, welche, wie dies 
aus den Haeckelschen Beispielen erhellt, stets verflüssigt und in die übrige Plasmamasse eingezogen 
werden können. Dieses Verhalten dürfte die Existenz besonderer Bewegungsmechanismen und Ver- 
bindungsbahnen des Zellinhaltes mit der Cilie überflüssig machen. Die Existenz derartiger inneren, mit 
den Wimpern verbundenen Fasern, wie sie vor längerer Zeit von Wilhelm Engelmann (1) beschrieben 
und jüngst im Flimmerepithel des Molluskendarmes von Apäthy (2, vgl. insbesondere Taf. XXVI, Fig. 7) 
nachgewiesen wurden, kann selbstredend in Anbetracht der hohen Organisation der daraufhin unter- 
suchten Metazoen nicht befremden. Verworn (2), der das gesamte Leben als stetige Sättigung, Des- 
organisation und neuerliche Sättigung befreiter, chemischer Affinitäten auffasst, beschreibt in diesem 
Sinne auch die Flimmerbewegung als eine Reihe aufeinanderfolgender, einseitiger Kontraktionen und 
Erschlaffungen der Wimperhaare und postuliert für diese kontraktilen Organoide der Zelle die Anwesenheit 
besonderer Zufuhrbahnen von erhaltenden Nahrungsstoffen, nach ihm Kernstoffen. Nachdem es sich ge- 
zeigt hat, dass die Fäserchen Engelmanns zu dem peripheren Empfindungssystem in keiner Beziehung 
stehen, könnten sie unter anderem als Zufuhrstrassen der Kernstoffe beansprucht werden (vgl. Verworn, 1). 
Etwas Analoges für den Organismus des Trichoplax anzunehmen, wäre jedoch aus oben auseinander- 
gesetzten Gründen nicht nur unnötig, sondern in hohem Grade unwahrscheinlich, insofern bei ihm das 
Empfindungsvermögen, welches in den Darmzellen der Lamellibranchiaten auf ein pinselförmiges Bündel 
von Fasern lokalisiert erscheint, ebenfalls noch keinen besonderen morphologischen Differenzierungen 
des Zellkörpers entspricht, sich vielmehr auf das ganze Plasma erstreckt, wie dies durch Goldchlorid- 
präparate wahrscheinlich gemacht wird. Ein Einblick in das phylogenetische Verhältnis zwischen dem 
äusseren Flimmerepithel des Trichoplax und den entodermalen, verdauenden Flimmerepithelien hochorgani- 
sierter Metazoen wird mithin ermöglicht. Das phylogenetische Verhältnis der Flimmercuticula des 
Trichoplax zum Tegumente der Protozoen, namentlich der Ciliaten, würde sich nicht minder klar ge- 
stalten, wenn man annehmen würde, dass die homogenen und körnig trüben Schichtungen der Cuticula 
als Homologa der alveolaren Schichte bei Infusorien aufzufassen sind, wobei man allerdings auch das 
Verhältnis der Cilienpapillen der Infusorien zu der Basalmembran der Flimmerepithelien im allgemeinen 


genauer präzisieren müsste.*) 


Indem wir uns der Betrachtung der Zellen selbst zuwenden, haben wir zunächst einiges über 
die Plasmastruktur zu bemerken. 

Das Cytoplasma kann man sowohl an Epithelzellen als an parenchymatösen Zellen studieren. 
An frischen, vital gefärbten Quetschpräparaten treten die Strukturen zuweilen deutlich hervor, niemals 
aber so scharf, wie an manchen ganz dünnen Schnitten. Das von den letzteren gelieferte Bild hängt 
ausschliesslich von einer glücklich durchgeführten Fixierung ab. Bütschli (3) hat seine bis Y/,« dünnen 
Schnitte mit starkem Delafieldschen Hämatoxylin oder mit Pikrokarmin gefärbt. Von diesen Farb- 
stoffen hat sich nur der erste beim Trichoplax bewährt, wurde aber nicht konzentriert angewendet, da 
sonst die Bilder zu dunkel ausfielen. Bei verwandten Objekten, bei niedrigsten Turbellarien hat Graff 
mit Hämatoxylin — nach Fixierung mit Osmiumessigsäure — ebenfalls die besten Resultate erzielt; 
dagegen berichtet Graff über Pikrokarmin, dass es sehr zerstörend wirkt (1), was auch für die Gewebe 
des Trichoplax vollkommen zutrifft. 

Das Cytoplasma ist in der Regel vakuolisiert. Der Gesamteindruck, den es auf den Beobachter 
macht, ist sehr verschieden, wie dies die FFig. 3—5, Taf. III, anzeigen. In betreff dieser Figuren muss 
allerdings darauf hingewiesen werden, dass die Feinheit der körnigen Elemente und die Grössenverhält- 


nisse der Strukturelemente und der tinktiven Körnchen aus technischen Gründen nicht ganz getreu fest- 


”) Hierüber vgl. Bütschli, 2, p. 1326, 1327. 


gehalten werden konnten, besonders in der bei der Reproduktion stark veränderten und vergröberten 
Fig. 4. Die Unterschiede im allgemeinen Charakter des Plasmabildes dürften grösstenteils in der 
wechselnden Grösse der Vacuolen ihren Grund haben; man betrachte nur die mit Aurum chloratum 


flavum und Glycerin-Hämatoxylin behandelten Parenchymzellen in Fig. 5. 


Es erhebt sich die Frage, ob die Vacuolisierung im lebenden Plasma als normale Struktur 
vorhanden ist, oder bloss in fixierten Zellen als mortale Eigentümlichkeit des gerinnenden Cytoplasmas, 
als Artefakt, auftritt? 


In gequetschten Zellen, die intravitam mit Bleu de Paris, einem tinktorisch sehr guten Natrium- 
salz der Sulfonsäure, gefärbt wurden, ist diese Vacuolisierung bereits zu sehen, was für die erstere An- 
nahme sprechen würde; anderseits ist es nicht ausgeschlossen, dass sie durch eine vitale Plasma- 
entmischung, die sich zu gleicher Zeit in den absterbenden Zellen einstellt, herbeigeführt wird. Dies- 
bezügliche Einwände wurden insbesondere von Held gegen Bütschli erhoben. Held sieht in der 
Vacuolisierung in allen Fällen ein künstliches Produkt und gegen die Behauptung Bütschlis, es habe 
sich feststellen lassen, dass auch das lebende Plasma Vacuolisierungsstrukturen besitzt, macht er die 
Möglichkeit geltend, dass mittels Methylenblau frische Zellen zu gleicher Zeit tingiert und fixiert werden 
(1, I, p. 404). Es liesse sich in der That schwer entscheiden, ob die frischgequetschten Zellen blau 
tingierter Trichoplaxexemplare zur Zeit der Strukturstudien leben oder bereits abgestorben sind; es wäre 
vielleicht das letztere anzunehmen, weil sie dem sonst so allgemein eintretenden körnigen Zerfall nicht 
unterliegen, und in den Vacuolen eine Gerinnungsstruktur erwerben, welche sie gegen Destruktion 


widerstandsfähiger macht (vgl. Held, 1, II, p. 255). 


Die Vacuolen nehmen sich wie Bläschen nach Art der „spherules protoplasmatiques“ Kunstlers 
(1, vgl. p. 86) aus. In Geweben, welche in starken Anilinblaulösungen gefärbt wurden, machen sie, mit 
stärksten Linsensystemen (Zeiss homog. Apochromat 2 mm, Komp.-Oc. 12 und 18) betrachtet, den Ein- 
druck weisslicher, fast membranöser Bläschen, die in einer dunkelblauen, sie zusammenkittenden Masse 
eingebettet liegen, und zwar dicht aneinandergedrängt, aber in einer Weise, dass ihre sphärische Gestalt 
erhalten bleibt. Auf dünnsten Schnitten nimmt das Ganze den Charakter einer maschigen Struktur an. 
Nach eingehender Vergleichung solcher Strukturen an verschieden fixierten und behandelten Exemplaren 
gewann ich die Überzeugung, dass die Vacuolen auch das lebensfähige Cytoplasma kennzeichnen, dass 
sie sich aber — wahrscheinlich im Momente der Fixierung — infolge einer mehr oder weniger starken 
rapiden Kontraktion des Spongioplasmas vergrössern, bis sie mitunter ziemlich bedeutende Dimensionen 
erlangen. Den Vorgang denke ich mir so, wie ihn Bütschli (3) für wabig-alveoläre Strukturen angiebt; 
durch Zerreissen und kontraktiles Obliterieren einzelner Bälkchen des festeren Plasmas, welches die 
Trennungswände der Vacuolen bildet, fliessen mehrere kleinere, benachbarte Vacuolen zu einer einzigen 
grösseren Vacuole zusammen. Die neu entstandenen grösseren Chylemtropfen nehmen kraft eigener, 
sich in dem flüssigen Medium sofort einstellenden Oberflächenspannung baldigst eine sphärische Gestalt 
an und treten nur in solchen fixierten Zellen nicht als reine Kugeln, sondern als ovale Räume auf, wo 
sie zufälligen, lokalen und stärker wirkenden Spannungen im Spongioplasma nicht Stand halten konnten. 
Denn auch das festere Gerüstelement scheint recht leichtflüssig zu sein; es verändert sich ziemlich be- 
deutend unter Einwirkung motorischer Zugkräfte, was aus der verschiedenen Cytoplasmaverdichtung in 
kontraktilen parenchymatösen Zellen ersichtlich ist und auch in der allgemeinen Vergänglichkeit dieser 
Gewebe Erklärung findet. 


In Gewebspartien, wo die Chylemtropfen nicht kugelig zugerundet waren, entstehen somit 
häufig Strukturbilder, welche an netzig-schaumige Plasmastrukturen erinnern. Wenn nun Held das 
Vorkommen von Vacuolisierungen in lebensfähigem Plasma überhaupt leugnet, so darf diese seine An- 
sicht nicht verallgemeinert werden; es sind eben Fälle möglich, wo eine Umkehrung dieses Prozesses 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 2 


E_ An 


der Strukturveränderung stattfindet und ein vacuolisiertes Plasma den Charakter eines schaumigen Netz- 
gerüstes annimmt. 

Man vergleiche die mit möglichster Sorgfalt angeführten Abbildungen von zwei Zellen, die dem- 
selben Gewebe entnommen sind und zweifelsohne in gleicher Weise fungieren (Taf. II, Fig. 19 und 20); 
die eine war mit Überosmiumsäure behandelt, mit Methylenblau gefärbt und mit Natriumborat fixiert, 
die andere wurde mit Platinchlorid-Sublimat abgetödtet und mit Glycerinhämatoxylin tingiert. In beiden 
sieht das Plasma völlig anders aus. In der einen sind die Bälkchen des Gerüstes zu einem deutlich 
maschigen Netz geordnet, in der anderen sind die Strukturelemente so fein, dass der Zellinhalt für den 
Beobachter feinkörnig wird. 


Bei Anwendung stärkster Linsensysteme kann man sich an gelungenen Präparaten und zwar 
sowohl an Schnitten als an isolierten Geweben überzeugen, dass das Plasmagerüst aus feinsten Körnchen 
und einem scheinbar fibrillären Netz besteht und dass die ersteren den Farbstoff intensiver aufnehmen 
als das letztere. Somit sind die Wände der beschriebenen Vacuolen nicht ganz diffus und gleichmässig 
gefärbt und mit demselben Farbstoffe kann man je nach dem gegenseitigen Verhältnis jener beiden 
Strukturelemente ziemlich abweichende Resultate erzielen. 


Die mitunter unmessbar kleinen, punktartiven Körnchen liegen nicht zwischen den Faserzügen 
des Gerüstnetzes zerstreut, etwa die grösstenteils altromikroskopischen Waben und Maschen des Netzes 
ausfüllend, sondern scheinen sich stets an die eigentlichen spongioplastischen Elemente anzuschmiegen 
und deren Verlauf zu begleiten. Manchmal gruppieren sie sich, an dem schwächer tinktiven Gerüste 
haftend, um die Vacuolenräume herum, deren Wandungen gewissermassen austapezierend, manchmal 
liegen sie nebeneinander längs der Fäserchen, wie z. B. in den spindelförmigen Zellen des Enchyms 
(Taf. II, Fig. 3), manchmal treten sie in so bedeutender Verdichtung auf, dass man überhaupt nur die 
runden und länglichen Reihen von Körnchen bemerkt und das Gerüst gar nicht zu sehen bekommt. 
Hierdurch könnte man sich zuweilen veranlasst sehen, anzunehmen, dass diese Körperchen das einzige 
morphologisch differenzierte Element des Spongioplasmas repräsentieren und zu den einzelnen Gerüst- 
zügen zusammentreten. Figur 5 auf Taf. Il zeigt die verschiedenen Grade der Verdichtung und 
Gruppierung der Körnchen in befriedigender Weise, namentlich an den gequetschten, hier fast ein 
Syncytium vortäuschenden Parenchymzellen. An Präparaten, die weniger gelungen sind, tritt diese 
Struktur nicht deutlich hervor, man findet entweder dickere, augenscheinlich zusammengeklebte Fäserchen 
oder unregelmässig zerstreute Körnchen allein und kann dann auch die Vacuolen nicht deutlich unter- 
scheiden; es mag sein, dass dies von einem ungünstigen Kontraktionszustand des Zellkörpers im Momente 
der Fixierung abhängt, oder aber werden die Chylemräume durch die zu dicht angesammelten Körnchen 
verdeckt. In anderen Fällen tritt zwischen den Körnchen und dem Gerüstnetze das umgekehrte Ver- 
hältnis ein; die Körnchen sind entweder nicht vorhanden, oder — was eher zutreffen dürfte — sind so 


überaus fein, dass sie sich von den übrigen Differenzierungen für das Auge nicht mehr abheben. 


Es verdient noch eine besondere Art von Körnchenverteilung erwähnt zu werden, die ich, nach 
selten gelingender und immer ausserordentlich vergänglicher Fixierung der Gewebe, die mit Bleu de 
Paris gefärbt waren, durch pikrinsauren Ammoniak, am Epithel der Dorsalfläche beobachten konnte. Es 
bandelt sich um stärkere Anhäufungen dunkler Körperchen, deren Verlagerung annähernd den polygonalen 
Zellgrenzen dieses Pflasterepithels entspricht und die hier unsichtbaren Zellgrenzen markiert (Taf. III, 
Fig. 4). Da sich mir keine Gelegenheit darbot, diese Erscheinung öfters und eingehender zu unter- 
suchen, so bin ich nicht in der Lage, anzugeben, ob diese Körperchen mit den soeben geschilderten 
Körnchen identisch sind, oder Agglomeraten von ihnen entsprechen, oder aber eine besondere Art von 
Plasmabestandteilen darstellen. 

Was die Natur der gewöhnlich angetroffenen Körnchen anbelangt, so ist zweierlei möglich. 
Entweder sind sie ein Gerinnungsprodukt des Plasmas oder sie gehören zu Stoffwechselprodukten. Bei 


A 


Gerinnung im Momente der Kontraktion könnten die Gerüstbälkchen an ihrer eigenen Peripherie in der 
Weise gerinnen, dass sie ein rosenkranzähnliches Aussehen bekommen. Dies würde gewissermassen an 
das Verhalten der Cilien bei Behandlung mit Goldchlorid erinnern, wo knötchenartige Auftreibungen 
entstehen, nach Art der Nervenvaricositäten. Die Körnchen würden in diesem Fall selbstverständlich 
im lebenden Plasma nicht vorkommen und ihre intensivere Tinktion würde sich leicht als eine natürliche 
Folge stärkerer Kontraktion des Plasmas an betreffenden Stellen erklären lassen. Im anderen Falle 
wären sie als Exkretkörnchen, beziehungsweise Reservestoffe zu beanspruchen. Sie werden, wie Fig. 3 
auf Taf. III zeigt, in gequetschten, vital mit Alkaliblau gefärbten Zellen gut sichtbar und in ihrer Ver- 
teilung geben sie dem allgemeinen Gerüstcharakter in den betreffenden Zellen Ausdruck. Doch liesse 
es sich, wie oben bemerkt wurde, schwerlich entscheiden, ob die Gewebe noch frisch und lebensfähig 
sind, oder ob bereits Anzeichen des Absterbens und der Fixierung sichtbar werden. Für die Annahme, 
dass es sich hier um Stoffwechselprodukte handelt, spricht der Umstand, dass zweifellose Exkretkörnchen 
in frischen und vital tingierten Protozoen in ähnlicher Gruppierung auftreten und in der äusseren Be- 
schaffenheit an die in Rede stehende Granula erinnern. Von Actinosphaerium eichhorni, das in einer 
Lösung von Neutralrot gehalten wurde, bildet Prowazek (l) ein peripheres Segment ab. wo die Exkret- 
körnchen in ziemlich regelmässiger Verteilung die Wände und Bälkchen der Alveolarräume auskleiden. 
Eine noch auffallendere Ähnlichkeit zeigt die Neurosomengranula in Ganglienzellen; sie haftete an 
spongioplasmatischen Hüllen der feinen, runden Vacuolen (Held 1, II, Taf. X, Fig. 1). Nach Held 
sind diese Körnchen, die sich auch hier durch intensivere Färbbarkeit charakterisieren, wirkliche Struktur- 
elemente; ihre typische und regelmässige Verteilung findet in der Verteilung von feinen Russteilchen 
in Ölschaumtropfen (nach Bütschli, 3, p. 158) einen physikalischen Erklärungsgrund. Die angeführte 
Neurosomengranula begleiten in analoger Weise die Konturen der feinen Vacuolisierung, welche in ab- 
sterbenden Zellen des Nervensystems, z. B. in der grauen Vorderhirnsubstanz des Kaninchens, auftritt 
(vgl. bei Held, 1, I, Taf. XII, Fig. 3), und nehmen dann an Zahl zu; sie werden aber auch in ganz 
frischen Spinalzellen angetroffen, manchmal, bei entsprechender Verdichtung, können sie ein Netz vor- 
täuschen oder treten zu dichten Marginalreihen zusammen (vgl. Lenhossek, 1). 


Die Neurosomen erfahren eine recht verschiedene Auslegung. Nachdem ich aber Gelegenheit 
fand, die chromatischen, je nach der mikrotechnischen Behandlung verschiedene Farbennuancen und 
verschiedene Lichtbrechung zeigenden Stoffwechselgranulen oder Gerinnungspartikelchen mit den chro- 
matischen Körperchen in den grossen Ganglienzellen des Deiterschen Kernes vom Kaninchen zu ver- 
gleichen, kann ich mich nicht enthalten, auf die in gewisser Beziehung sehr bedeutende Ähnlichkeit 
dieser Strukturelemente hinzuweisen. Besonderes Interesse dürften in dieser Hinsicht die in vergoldeten 
Zellen auftretenden Strukturen bieten. An diesbezüglichen Objekten (Taf. II, Fig. 5) erinnern die 
dunkeln unregelmässig gerinnenden Geisselhaare an vergoldete, mit Varicositäten bedeckte Nerven; im 
Zellkörper werden nur die Körnchen schwarz, offenbar als ein chemisch ähnliches Element. Es liegt 
der Gedanke nahe, dass man hier möglicherweise mit einer Verunreinigung durch gefälltes metallisches 
Gold zu thun habe, wie sie zuweilen einzutreten pflegt. Dem gegenüber könnte man jedoch den Um- 
stand geltend machen, dass eine solche Verunreinigung nach den Angaben Apäthys und anderer nur 
bei zu langem Verweilen in der Lösung, also ganz unverhältnismässig später erfolgt und dass die Ver- 
teilung der dunkeln Teilchen den Granulationen bei vitalen und fixierten Blaufärbungen ziemlich genau 
entspricht. Wäre es nicht denkbar, dass die Cuticularfortsätze periphere Adnexe eines Empfindungs- 
systems bilden, welches im Organismus der Einzelligen und der niedrigsten Polycyten noch in keiner 
Weise histologisch differenziert ist, topographisch also mit dem ganzen Zellkörper in Beziehung zu 
bringen wäre? Die ziemlich gleichmässige Lagerung der feinsten spongioplasmatischen Elemente liesse 
desgleichen die Vermutung zu, dass das Empfindungsvermögen sämtlichen Zellen, auch denen des 
Enchyms, zukommt oder das Übertragen der zum grossen Teil durch die Cuticulararmatur vermittelten 


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Reize mittels besonderer Fortsätze auf die enchymatischen, ähnlich struierten Zellen ermöglicht. Ohne 
mir irgendwelche Befähigung, in diesen Fragen zu urteilen, beizumessen, will ich mich auf den Hinweis 
beschränken, dass zwischen dem Nervensystem höherer Metazoen und dem Empfindungsvermögen 
niedrigster Organismen gewisse Relationen bestehen könnten und möchte nur noch die Bemerkung 
hinzufügen, dass die Fibrillen als Strukturelement (also auch Fibrillen des leitenden Nervenelementes) 
in ihrer feinsten Zusammensetzung von Leidig auf ein Maschenwerk des Plasmas zurückgeführt werden. 

Unmittelbar interessierte uns hier lediglich die strukturelle Beschaffenheit der Zellen und die 
Berichtigung der früheren Angaben Schneiders. Dieser Autor ging in seiner einseitigen Auffassung 
so weit, dass er die geschilderten Plasmafasern (Linin?) selbst in den Kern eindringen und das Karyo- 
plasma geflechtförmig durchziehen lässt; welche Strukturdetails ihn darauf gebracht haben und welche 
technische Mittel ihm erlaubt haben, den Bau der winzigen Kerne daraufhin zu analysieren, ist unerfindlich. 


Die wichtigsten Unterschiede zwischen dem oberen und unteren Körperepithel sind bereits von 
Schulze angegeben worden. Die Zellgrenzen sind bei oberflächlicher Betrachtung des lebenden Tieres 
nur stellenweise und bloss undeutlich zu sehen. Deutlicher treten sie in Form von dunkleren Körnchen- 
anhäufungen nach Blautinktionen hervor (Taf. II, Fig. 1, Taf. III, Fig. 4). Erst durch Chlorsilbernieder- 
schläge werden sie mit erwünschter Schärfe differenziert (Taf. III, Fig. 2). Sowohl die hohen, kleineren 
Geisselzellen der Ventralseite als die niedrigeren, grossen Zellen des dorsalen Pflasterepithels kanten 
sich gegenseitig sehr regelmässig polygonal ab; meistenteils sechseckig. Sobald die Pflasterzellen aus 
dem epithelialen Verbande treten und, sei es durch Klopfen, sei es durch Drücken, isoliert werden, geht 
ihre polygonale Form bald in eine rundliche über; die von Schulze (5) angegebene Isolationsmethode 
durch Maceration im Ranvierschen Alkohol wollte mir nicht gelingen. 


An der Dorsalseite des Tieres kann man öfters bei scheinbar vollkommen gesunden und frei- 
lebenden Exemplaren Unregelmässigkeiten im Epithel bemerken: entweder fehlt an gewissen Stellen 
die Cilienbekleidung, was bei der gleichmässig wogenden Flimmerbewegung über der ganzen Oberfläche 
der Scheibe sofort auffällt, oder es fehlen mehrere Zellen, degenerieren vielleicht infolge eines lokalen 
Reizes, so dass im Epithel klaffende Lücken zurückbleiben. In Fig. 2, Taf. III, bringe ich am dorsalen 
Epithel einige solche Lücken zur Darstellung. 

Die Kerne der Epithelzellen lassen sich ziemlich gut färben. Die klarsten Bilder lieferte mir das 
Methylgrün und zwar allein, bei Fixierung mit Essigsäure, oder in der sogenannten neutrophilen Lösung, *) 
nach Fixierung mit Platinchlorid-Sublimat. Die Kerne sind klein und oval, auch in lebenden Epithelien 
sichtbar, der Inhalt ist körnig. Die verschieden grossen und — soweit es sich konstatieren liess — 
ziemlich unregelmässig geformten Körnchen können in grösserer Menge vorkommen und scheinen in 
einem zarten, netzförmigen Gerüst zu liegen. 

In den Zylinderzellen des ventralen Epithels befindet sich neben dem Kerne noch ein licht- 
brechendes Körperchen, oder mehrere in einer Zelle, welche stark glänzen und bereits bei Betrachtung 
des ganzen Tieres auffallen: ohne Zweifel Exkretkügelchen, wie sie auch in den Zellen des Parenchyms 
vorkommen. In der distalen Partie des Zellkörpers, unter der Cuticala, hat Schulze (9, Fig. 14) mehrere 
helle Kügelchen gesehen, die sich von den Exkretkörnern durch Farbe und Kleinheit unterscheiden. 
Bei den von mir untersuchten Tieren konnte ich sie aber nicht finden und glaube nicht, dass sie als 
ein ständiger Charakter dieser Zellen regelmässig vorkommen. Ihre Anwesenheit hat vielleicht Schulze 


*) 75 g Säurefuchsin (konzentrierte wässerige Lösung) 12—13 g Methylgrün, 25 ccm Alkohol absolutus und 250 ccm dest. Wasser. — 
Vgl, darüber Garbowski, Hyperienartige Amphipoden des Mittelmeeres, I. Teil. Die Sciniden. — Denkschriften k. Akad. Wiss. zu Wien, 
Bd. LXIH, 1896, p. 44. 


Ne 


veranlasst, diesem Epithel die Verdauungsthätigkeit zuzuschreiben und dasselbe mit dem Begriffe eines 
Archenterons zu homologisieren. 

Während die Zellzylinder, am distalen Ende flach abgeputzt, an der äusseren Seite zur Bildung 
einer gemeinsamen Cuticula zusammentreten, sind ihre proximalen Endstücke ziemlich unregelmässig in 
Fortsätze oder einfach spindelförmig ausgezogen. Schulze hat das Fehlen einer Basalmembran 
hervorgehoben. Die Fortsätze der Epithelzellen verbinden sich mit den spindelförmigen enchymatischen 
Zellen, allerdings in einer Weise, dass sich zwischen dem Epithel und dem weit lockereren Parenchym 
eine deutliche Grenze ziehen lässt, deutlicher, als dies aus dem Querschnitte Schulzes (Taf. II, Fig. 10) 
zu ersehen ist. Nicht alle Zellen besitzen in situ einen Fortsatz. Bei Behandlung der Scheiben mit 
Goldchloridkalium und Ameisensäure kommt es öfters zu einer gelinden Maceration, worauf bei leichtem 
Druck die Zylinderzellen auseinanderweichen und zum Teil ganz isoliert werden. Da kann man sich 
davon überzeugen, dass unter den mit Fortsatz versehenen Zellen andere sich befinden, deren proximale 
Hälfte aufgetrieben und abgerundet ist. Übrigens sind auch die ersteren Zellen nicht immer kegelförmig 
oder spindelförmig zugespitzt, sondern rundlich verbreitert, worauf von der Basis ein einziger oder ein 
verästelter Fortsatz zu dem inneren Gewebe hinzieht (Taf. II, Fig. 2). 

Bei Betrachtung der beiden Epithelien gewinnt man keineswegs den Eindruck, als würde es sich 
um zwei, physiologisch und phylogenetisch verschiedene Gebilde handeln, um einen animalischen, 
schützenden, deckenden, empfindenden Exoblast und einen vegetativen, verdauenden, hier zufälligerweise 
flach ausgebreiteten Endoblast, wie man unter dem Gesichtswinkel der gastraealen Phylogenie diese 
Epithelien charakterisiert hat. Eine andere Annahme würde vielleicht näher liegen und zwar die Zurück- 
führung der so auffallenden Unterschiede in der Zellengestalt beider Epithelien auf eine mehr mechanische 
Anpassung an die Lebensweise. Das Zylinderepithel ist stets der Unterlage zugekehrt, das andere liegt 
frei und bildet die obere Decke der Körperscheibe. Die Folge davon wäre zunächst eine ständige Ar- 
beitsteilung in der Cilienbekleidung. Die untere Lage allein erhielt die Aufgabe, den Körper fortzu- 
bewegen; auch die innere Bewegung des Körpers durch Kontraktionen der Parenchymzellen dürfte eher 
das untere als das dorsale Epithel in Mitleidenschaft ziehen und auf dasselbe modifizierend einwirken. 
Im Zusammenwirken dieser Umstände wäre ein ausreichender Erklärungsgrund für die Differenzierung 
des ursprünglich einheitlich gebauten Körperepithels nach zwei verschiedenen Richtungen zu finden. 
Denn ausser in der Gestalt weichen die Zylinderzellen durch keine wesentliche Eigenschaft von den 
PHasterzellen ab. Die Glanzkörper, die sich gewöhnlich neben ihren Kernen befinden, werden zwar im 
Pflasterepithel nicht vorgefunden, aber sie treten in den inneren Zellen auf. welche hauptsächlich die 
Exkretstoffe aufspeichern. Die von Schulze beschriebenen, kleinen hellen Kügelchen, die unter der 
Cuticula in Zylinderzellen abgelagert werden, sind ihrer Natur nach ohnehin unbekannt. 

Will man in verhältnismässig leichter Weise brauchbare Querschnitte bekommen, um die Epithelien 
in situ und ihre Beziehung zum Enchym zu überschauen, dann färbe man die lebenden Scheiben in 
starken Lösungen von Bleu de Paris und fixiere in Überosmiumsäure auf dem Objektträger. Nach 


Paraffineinbettung 


g, die möglichst kurz zu dauern hat, sind alsdann die schwärzlich-blauen Scheiben leicht 


zu finden und ohne Anwendung besonderer Methoden zu orientieren. Die Feinheiten der Plasmastruktur 
gehen freilich in den meisten Fällen verloren. 


Wir schreiten nunmehr zur Betrachtung des Parenchymgewebes. 

Wie aus dem Schulzeschen Querschnitt (Taf. II, Fig. 10) ersichtlich, setzt sich dasselbe aus 
länglichen, entweder spindelförmigen oder mehr unregelmässig geformten Zellen zusammen, deren Fort- 
sätze sich entweder unter einander verbinden oder sich an der inneren Fläche der Körperepithelien an- 
heften. Die meisten Zellen sind dorsoventral gerichtet und überbrücken ‘die Leibeshöhle, wobei ihre 
unteren Ausläufer direkt in die basalen Fortsätze des Zylinderepithels übergehen. Mitunter bestehen 


ee 


diese dorsoventralen Brücken aus zwei oder mehreren Zellen, die, aneinander gereiht, so innig zusammen- 
hängen, dass man nur aus den Kermen ihre Zahl erraten kann. Des öfteren lässt sich auch die Grenze 
zwischen einer epithelialen Zylinderzelle und einer Parenchymzelle nicht bestimmen und das Plasma 
der beiden Zellkörper scheint continuierlich in einander zu übergehen. Nichtsdestoweniger ist die 
Individualität der meisten Zellen so ausgesprochen. dass man hier von einem Syncytium keineswegs 
reden könnte. Bilder, die uns ein Syncytium vortäuschen, sind Kunstprodukte und werden gewöhnlich 
von Quetschpräparaten geliefert; an solchen Präparaten sind nicht nur die Umrisse der einzelnen Zellen 
verschwommen und unkenntlich, sondern auch die wirklichen Verbindungsbrücken zwischen den Zellen 
werden unterbrochen oder modifiziert (Taf. III, Fig. 4, 5). Die charakteristische Spindelgestalt der 
Parenchymzellen kann man zwar in günstigsten Fällen auch an frischen, namentlich vital gefärbten 
Zupf- und Quetschpräparaten beobachten; besser erhält sie sich jedoch in fixierten Scheiben; Perenyi- 
sche Flüssigkeit fixiert das Parenchym in situ wohl am besten, in zweiter Linie Silbernitrat, worauf das 


Gewebe mit Glycerin-Hämatoxylin nachgefärbt werden kann und rebenviolette Töne annimmt. 


Die Angaben Schulzes (5), dass die Parenchymzellen unten, in der Nähe des Zylinderepithels, 
dichter nebeneinander liegen und zahlreichere Fortsätze in horizontaler Richtung, als in den höheren 
Lagen entsenden, kann ich nicht bestätigen; wenigstens liessen die mir vorliegenden Tiere keine 
Differenzen in der Verlagerung der Zellen unterscheiden. Quere Anastomosen treten überall auf, 
namentlich in der Gegend der Algenknollen und der grossen FExkretionstropfen, wo sie offenbar als 
Suspensorien fungieren. 

Das Parenchym ist im ganzen sehr locker gebaut und wird von zahlreichen Spalträumen durch- 
setzt. Diese interzellulären Spalträume enthalten eine klare, zellenlose und farblose, histotechnisch nicht 
darstellbare Flüssigkeit, die Leibeshöhlenflüssigkeit. Das Parenchym kann also nicht als Gallertgewebe 
bezeichnet werden, wie dies z. B. R. Hertwig in seinem Lehrbuche (1, p. 176) gethan hat, weil über- 
haupt kein Gallert zur Abscheidung gelangt. 


Die Zellkerne sind oval, selten rundlich, von undeutlich körnig reticulärem Bau (Taf. II, Fig. 15). 
In spindelförmigen Zellen liegen sie gewöhnlich gegen die Mitte des Zellkörpers, aber nicht zentral, 
sondern fast immer der Körperwand genähert. In rundlichen Zellen, welche Exkretionstropfen enthalten 
oder Algenkolonien beherbergen, liegen sie stets dicht an die Wand gedrückt, in das an die Peripherie 
der Zelle verdrängte Plasma eingebettet. Ausser dem Kerne finden wir in Zellen glänzende, licht- 
brechende Körnchen in verschiedener Zahl und von verschiedener Grösse. In manchen Zellen scheinen 
sie gänzlich zu fehlen; in anderen liegt ein einziges Glanzkörperchen, zuweilen matt und krümelig, in 
der Grösse fast den Kern erreichend, so dass es für einen zweiten Kern gehalten werden könnte (Taf. II, 
Fig. 3); manchmal treten die lichtbrechenden Körnchen in einer einzigen Zelle in Reihen auf, ebenfalls 
der Körperwand genähert, namentlich in dorsalventral gerichteten Spindelzellen. 

Von Differenzierungen, die man in diesen Zellen wahrnimmt, müssen noch die faserähnlichen 
Strukturen des Plasmas Erwähnung finden. Es handelt sich nicht um wirkliche Faserzüge, sondern um 
Anhäufungen von den beschriebenen körnigen Elementen des Plasmas, die sich im Sinne stärkerer, 


paralleler Bälkchen des spongioplastischen Gerüstes wie Fäserchen ausnehmen. 


Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, dass hier die ersten Ansätze zur Ausbildung wirklicher 
Muskelfibrillen in den unverkennbar stark kontraktilen Parenchymzellen vorliegen. Die Existenz histo- 
logisch differenzierter Muskelzellen muss ich entschieden in Abrede stellen. Beschrieben wurden sie 
von Graff (l). Graff ging jedoch an die Untersuchung des Trichoplax, von der Idee getragen, dass 
derselbe die niedrigste Stufe der Autoscoleciden, insbesondere der Turbellarien, repräsentiert, und war 
sichtlich bemüht, die hauptsächlichsten Eigentümlichkeiten der letzteren im Organismus des Trichoplax 
wiederzufinden. So spricht Graff von einer doppelten Lage von Muskeln, die unmittelbar unter den 
Körperepithelien liegen und als eine dem Muskelschlauch der Platoden entsprechende Bildung aufzu- 


N 


fassen sind. Diese subtilen Muskelzüge sollen auf Flächenschnitten sichtbar werden; sie bestehen aus 
schwachen, kurzen, sich rechtwinkelig kreuzenden Fasern, von denen die eine Lage dichter ist als die 
andere. Als passendstes Fixierungsmittel wird verdünnte Salpetersäure empfohlen. Nun habe ich die 
Salpetersäure in verschiedenen Konzentrationsgraden angewandt, wobei sie sich als ein sehr gutes 
Konservierungsmittel erwies, in Bezug auf den Hautmuskelschlauch habe ich jedoch stets nur negative 
Resultate erhalten. Der genannte Forscher hat zweifellos die mit hypothetischen Exkretkörnchen be- 
setzten longitudinalen Bälkchen des Plasmagerüstes vor sich gehabt und zwar hat er sowohl die dorso- 
ventralen als die horizontalen Zellfortsätze beobachtet, wodurch eine Doppellage von Muskelfasern vor- 
getäuscht werden konnte. Derartige Bilder entstehen nicht selten nach Fixierung mit Osmiumtetroxid 
mit nachfolgender Doppelfärbung mit Methylgrün und Eosin, auch nach Fixierung mit starker Über- 
osmiumsäure und Färbung mit Hämatoxylinlösungen oder Azofarbstoffen. Die eigenartige Struktur der 
Spindelzellen habe ich besonders klar an vital mit Methylenblau tingierten Exemplaren, die mit Natrium- 
borat nachbehandelt wurden, wahrgenommen. Sie steht im Einklang mit dem allgemeinen Charakter 
der äusseren Epithelzellen, wo Nervenfasern ebensowenig entwickelt sind wie hier die Muskelfasern.*) 
In beiderlei Hinsicht müssen wir den Trichoplax tief unten am Stamme der Metazoen stellen. Seine 
Parenchymzellen sprechen dafür, dass es zwischen der einfachen Plasmakontraktilität in den Gewebs- 
zellen und der Muskelkontraktilität Übergangsstufen giebt, ähnlich wie die amöboide und die Cilien- 
bewegung kontinuierlich ineinander übergehen. Leydig hat die Entstehung von Fibrillen aus stärker 
werdenden Spongioplasmabälkchen beschrieben. Apäthy hat die geringe Tinktionsfähigkeit junger 
Nervenfasern hervorgehoben. So kann Leydig mit seiner Behauptung, das Hyaloplasma (Kupfers 
Paraplasma) sei das Primäre, das Spongioplasma (Filarmasse Flemmings) das Sekundäre, und das 
sowohl bei der Muskelfunktion**) als bei der Nervenfunktion das erstere den Ausschlag giebt, in einem 
gewissen Sinne das Recht behalten. Zarte, schmale, offenbar junge Parenchymzellen sind entschieden 
ärmer an spongioplastischen Elementen im Celleus als die eigentlichen Spindelzellen. 

Freie amöboide Zellen, sowie besondere typische Drüsenzellen, wie sie für das Enchym der 
Turbellarien charakteristisch sind, fehlen hier gänzlich. 

Was das verschiedene Alter der Enchymzellen anbelangt, so geht die Frage dahin, wie sich die 
Zellen vermehren. Über diesen Punkt kann ich leider bloss Vermutungen aussprechen. In Anbetracht 
der Propagationsweise des Tieres, wovon weiter unten die Rede sein wird, glaube ich, dass sich die 
Enchymzellen untereinander vermehren, möglicherweise durch eine amitotische oder unvollkommen 
mitotische Zellteilung. Die mikroskopischen Bilder sind grösstenteils so schwer deutbar, und Fälle, wo 
die Gewebselemente mit wünschenswerter Klarheit hervortreten, so sehr vom günstigen Zufall abhängig 
und spärlich, dass ich — wie bereits erwähnt — oft im Zweifel war, ob ich es mit einem Zellkern oder 
mit einem matteren Glanzkörperchen zu thun habe; es wäre somit denkbar, dass in den Präparaten 
mitunter Zellen vorliegen, welche zwei Kerne führen und deren Teilung unmittelbar bevorsteht; die 
öfters undeutlichen Grenzen zwischen den Zellen dürften ebenfalls für diese Eventualität sprechen. Es 
wäre schliesslich die Annahme nicht ausgeschlossen, die Enchymzellen wären von den Epithelien ge- 
liefert, etwa nach Art der Phagocytella ins Innere abgestossen ... Hierüber habe ich zu bemerken, dass 
ich niemals Mitosen in den Epithelzellen gesehen habe und dass ich noch eher die ventralen Zylinder- 
zellen, die mit dem Parenchym weit inniger verbunden sind als das obere Pflasterepithel, für die Matrix- 
zellen des Enchyms halten würde. 

Wie dem auch sei, bleibt die vorläufige Unlösbarkeit dieser Frage für die Zwecke unserer Studien 
ohne Nachteil und ist für unsere Schlussfolgerungen glücklicherweise gleichgiltig. Bei zweiblätterigen 

*) Über Lokalisation und Entstehung der Muskelzüge vgl. auch Eimer (1, im VII. Abschnitte). 
#*) Anatomischer Anzeiger, Bd. II, 1887, p. 799 (van Gehuchten). 


— 16 — 
Metazoen, wie bei den Poriferen, ist die Entstehungsweise des inneren Gewebes beinahe bei jeder Form 
verschieden, und von Cnidariern wissen wir, dass sich die inneren Zelllagen, beziehungsweise deren 
Derivate einmal vom ektodermalen, das andere Mal vom entodermalen Epithel ableiten lassen. Zahlreiche 
Beispiele aus der Gruppe der Antozoen, Hydropolypen und Scyphomedusen beweisen die beinahe gleiche 
Prospektivität der beiden Keimblätter. 


Geht man von der Annahme aus, dass die Turbellarien genetisch mit Trichoplax zusammenhängen 
und dass die Acoelen ihre niedrigst organisierte, primäre Stufe repräsentieren, so würde man das Paren- 
chym des Trichoplax mit dem enchymatischen Syncytium der Acoelen homologisieren. Dieses wird als 
Entomesoderm aufgefasst, da es die Funktionen dieser Keimblätter, Verdauung und Bewegung, in sich 
vereinigt. Die Homologisierung mit dem sogenannten Entomesoderm wäre insoweit richtig, als das 
beschriebene Parenchym hauptsächlich das Geschäft des Stoffwechsels zu besorgen scheint und die 
Körperbewegungen grösstenteils ausführt oder vermittelt. 

Die Richtigkeit der zweiten Behauptung haben wir soeben auf Grund der Plasmastruktur und 
der Zellgestalt nachzuweisen versucht. Wir haben zugleich auf die innige Verbindung der enchymatischen 
Zellfortsätze mit den basalen Fortsätzen der Zylinderzellen im ventralen Epithel hingewiesen und die 
Gestalt der Cylinderzellen auf die vom Parenchym ausgeübten Kontraktionen zurückgeführt. Demnach 
wäre das untere Epithel an der Körperbewegung ebenfalls, aber erst in zweiter Linie beteiligt. Im An- 
schluss an jene Erörterung möchte ich nur noch an die Ableitung des Myonems aus in Reihen geordneten 
Netzmaschen des cellealen Ektoplasmas, wie sie von Bütschli (2) gegeben wurde, erinnern. Hier ist 
das Myonem noch zu schwach entwickelt, um von Muskelkontraktilität sprechen zu können. Der noch 
unvollkommen durchgeführten Arbeitsteilung gemäss sind hier die Zellen auf der Stufe einer einfachen, 
etwas vervollkommneten Plasmakontraktilität stehen geblieben, einer Stufe, die zwischen den Bewegungs- 
erscheinungen der Unicellulaten und denen höherer Metazoen die Mitte hält. 

Was die Richtigkeit der anderen Vermutung, das Enchym besorge das Geschäft des Stoffwechseis, 
anbelangt, so sprechen hierfür mehrere Umstände, vor allem die auffallend grossen, kugeligen Tropfen 
einer fettartigen Substanz, welche Öltropfen ähneln und in regelmässiger Verteilung dorsal und ventral 
im Parenchym auftreten (Taf. II. Fig. 10). Im Äther oder in Perenyischer Flüssigkeit sind sie leicht 
löslich: Osmiumsäure fixiert sie in ähnlicher Weise wie Fetttropfen, es hat aber schon Schulze nach- 
gewiesen, dass sie kein Fett sind, da sie sich im Süsswasser lösen, im Seewasser matt und krümelig 
werden. Dieser Substanz wollen wir nunmehr unsere Aufmerksamkeit zuwenden. 

Die dorsalen, grösseren Glanzkugeln, mit einem Durchmesser von 6 u, liegen nach Schulze in 
regelmässigen Abständen von 5 bis 10 « unter dem Pflasterepithel, in den Randpartien sind sie hingegen 
dichter angehäuft und kleiner. Dies trifft nur für einzelne Exemplare zu und hängt vielfach von dem 
Kontraktionszustande des Tieres ab, wobei auch die Algenknollen sich zuweilen am Rande der Scheibe 
stärker verdichten (Taf. I, Fig. 1). In der Regel ist die Verteilung der Glanzkugeln überall gleichmässig 
oder richtiger gesagt, sind die Parenchymzellen, die mit ihnen belastet sind, regelmässig verteilt, denn 
die Tropfen selbst können sich spontan, vielleicht unter Einwirkung irgend welchen Reizes während 
der Untersuchung, entleeren, so dass sie an grösseren Strecken fehlen können. Auch ist ihre Gestalt 
nicht immer genau kugelig. Sie giebt offenbar den im Parenchym spielenden Druck- und Zugkräften 
nach und wird manchmal eiförmig (Taf. IH, Fig. 1). Ihre Grösse schwankt zwischen 5 und 8 u& im Durch- 
messer. Der Umstand, dass sich manchmal bei Besichtigung des lebenden Tieres breitere Strassen ver- 
folgen lassen, wo die Glanzkugeln mehr angehäuft erscheinen, steht im Zusammenhange mit der Bildung 
faltenartiger Wülste, die bereits bei der allgemeinen Charakterisierung des Tieres beschrieben wurden. 

Frische Glanzkugeln bestehen aus einer grünlich-grauen oder bläulich-grauen, flüssigen Substanz, 


deren Ränder manchmal etwas tiefer beschattet erscheinen (Taf. III, Fig. 1). In Scheiben, die längere 


rl 1 


Zeit in starken Blaulösungen gehalten wurden, nehmen auch die Glanzkugeln einen gesättigteren blauen 
Farbenton an. Fixierte Kugeln sind im allgemeinen nicht leicht färbbar. Ihre Form bleibt bei der 
Konservierung gewöhnlich sehr genau erhalten. Bisweilen zerbröckelt die Kugel in mehrere ungleich 
grosse Stücke und an der Oberfläche zeigen sich dann hellere Konturen der entstandenen Risse. Unter 
Einwirkung starker Reagentien, z. B. nach Fixierung mit starker Überosmiumsäure und einigen Metall- 
salzen werden sie braun bis tief schwarz. Die Färbung fixierter Kugeln mit Anilinblau oder Methylen- 
blau dürfte sich nur auf ein oberflächliches Anhaften des Farbstoffes beziehen. Ähnliches gielt auch 
von Glycerin-Hämatoxylin. Methylenblau sammelt sich gerne in den inneren Spalten und Rissen ge- 
sprungener Glanztropfen. Bei Besichtigung der äusseren Schichten des erstarrten Tropfens erblickt man 
ein feines Netzwerk dendritisch verzweigter Kanälchen, welche, je tiefer man den Tubus herunterschraubt, 
zu einem Mittelkern fein zerbröckelter Teilchen zusammentreten (Taf. I, Fig. 17). Wie man bemerkt 
büssen auch derart gesprungene Tropfen ihr überhaupt beschränktes Lichtbrechungsvermögen nicht 
vollständig ein. 

Glanzkugeln, die in Überosmiumsäure fixiert wurden, brechen zuweilen das Licht viel stärker als 
im frischen Zustande. Dies pflegt besonders dann einzutreten, wenn die Kugel — offenbar im Momente 
der Fixierung — in mehrere kleinere Tropfen zerfällt, wobei ihre äusseren Konturen intakt bleiben. Ein 
solcher kugeliger Zerfall tritt namentlich in kleineren Glanzkugeln auf und kann nur mit Hilfe stärkster 
Linsensysteme bei intensiver Beleuchtung genauer studiert werden. Da überzeugt man sich, dass das 
Zentrum der Kugel sich an diesem Zerfalle nicht beteiligt, sondern als eine grössere oder kleinere stark 
glänzende Masse erhalten bleibt; ein solcher Tropfen liegt dann entweder genau in der Mitte und wird 
von kleineren Glanzperlchen umgeben, die sich ihm peripherisch anlagern, oder er weicht mehr zur Seite 
und die anderen Tröpfchen füllen den Rest des Glanzkörpers aus, den Haupttropfen zum Teil verdeckend 
(Taf. II, Fig. 5). Selten geht der Zerfall noch weiter vor sich. Diesbezüglich möchte ich zwei in 
Osmiumpräparaten beobachtete Fälle anführen. Einmal handelte es sich um einen ellipsoidisch unregel- 
mässigen Tropfen, der in eine Menge durchsichtiger Kügelchen zerfiel (Taf. II, Fig. 6), das andere Mal 
war es ein ganz genau runder Glanzkörper, dessen Oberfläche wie gewöhnlich lichtbrechend war, 
während das Innere aus einem Detritus von feinsten bis staubartigen, unter Einwirkung des Osmium- 


tetroxids schwach gebräunten Partikelchen bestand (Taf. II, Fig. 7). 


Was die Einlagerung der Glanzkugeln im Körperparenchym anbelangt, so haben wir zwei wichtige 
Thatsachen hervorzuheben: erstens, dass die Kugeln nur intracellulär auftreten, zweitens, dass die Sub- 
stanz, aus der sie bestehen, allmählich aus dem Zellplasma in das Innere der Zelle heraustritt. Betrachtet 
man das Gewebe in situ, an Quetsch- oder Zupfpräparaten, dann könnte man des öfteren den Eindruck 
gewinnen, als läge die Glanzsubstanz frei zwischen den syncytiumartigen Zellen oder in einem Behälter 
eingeschlossen, der aus mehreren Zellen entstanden ist (Taf. III, Fig. 2—5); nur an einigen wenigen, 
besonders günstigen Stellen findet man in dem plasmatischen, die Kugel umgebenden Ringe einen Kern, 
in einen dichteren Plasmahof eingelagert (Taf. II, Fig. 4), wie dies in vielen Matrixzellen, z. B. in den 
Otolithenzellen der Ctenophoren der Fall ist. Am deutlichsten spricht sich das eigentliche Verhältnis 
zwischen dem Glanzkörper und dem ihn ausscheidenden Zellkörper an isolierten Zellen aus (Taf. II, 
Fig. 15). Die Zellen sind sehr gross und kugelig aufgetrieben; die kurzen Fortsätze dürften vielleicht 
die Vermutung nahe bringen, dass diese secernierenden Zellen aus gewöhnlichen, schmalen, spindel- 
förmigen Parenchymzellen entstehen. Vielleicht ist die Arbeitsteilung im Enchym noch so unvollkommen 
durchgeführt, dass eine jede Zelle das Vermögen besitzt, lichtbrechende Substanz zu produzieren. Die 
Beschränkung dieser Sekrete auf einzelne, topographisch bestimmte Zellen findet selbstverständlich in 
der vorläufig nicht weiter analysierbaren Selbstregulation, wie sie gerade dem Organismus des Trichoplax 
eigentümlich ist und ihn ausmacht, ihre Erklärung. Das Plasma ist in solchen Zellen an die Peripherie 
verdrängt und lässt einen Hohlraum frei, dessen kreisrunde Konturen genau den Umrissen des Sekretes 

Garbowski, Morphogenetische Studien. 3 


nee 


entsprechen. An frischem Material ist es unmöglich, die Einzelheiten festzustellen; am fixierten sieht 
man gewöhnlich einen mitunter recht breiten freien Raum zwischen dem Plasma und der Glanzkugel. 
Ich glaube annehmen zu dürfen, dass der secernierte Tropfen in der lebenden Zelle den ganzen Hohl- 
raum ausfüllt und dass der freie Zwischenraum erst bei der Konservierung entsteht; das Plasma weicht 
unter heftiger Kontraktion an die Zellwände zurück und auch der Glanztropfen selbst erleidet höchst 
wahrscheinlich eine Schrumpfung, obwohl sich dies durch Messung nicht unmittelbar nachweisen lässt. 


Sehr oft kann man beobachten, wie eine Glanzkugel maximaler Grösse plötzlich verschwindet 
oder wie bei absterbenden Individuen einzelne Tropfen samt dem angelagerten Zellplasma aus dem 
Enchymgefüge heraustreten und sich im Momente, da die Zelle zerfällt, entleeren. Bei gesunden 
Exemplaren bewirkt der anschwellende Tropfen offenbar ein Platzen der Zellwände und der Inhalt er- 
giesst sich in die Leibeshöhlenflüssigkeit, welche die Lakunen zwischen den lockeren Parenchym- 


zellen ausfüllt. 


Bei Untersuchung des lebenden Objektes gestattet uns die geringe Durchsichtigkeit des Gewebes 
nicht, das Schicksal der entleerten exkretorischen Zellen weiter zu verfolgen. Dagegen im Parenchym 
gut konservierter Exemplare begegnet man einzelnen Zellen, die bei der typischen, runden Gestalt der 
aufgeblähten Exkretionszellen entweder leer sind oder nur geringe Mengen der lichtbrechenden Flüssig- 
keit enthalten. Eine kreisrunde, gänzlich entleerte Zelle mit kurzem Anheftungsfortsatz habe ich in 
einem Platinchloridpräparate gefunden und zwar gehörte sie zu der unteren, ventralen Glanzkörper- 
schicht (Taf. U, Fig. 16b). Ich glaube, dass wir in diesem Objekte eine exkretorische Zelle vor uns 
haben, die sich unmittelbar vor der Fixierung entleert hat und zur Ausscheidung einer neuen Glanz- 
kugel befähigt war. Wollte man hier den Einwand geltend machen, es sei vielleicht eine gefüllte Zelle 
gewesen, deren Inhalt während der Präparation verloren ging, so möge man andere Zellen aus der 
ventralen (Taf. II, Fig. 16a) oder dorsalen (Taf. II, Fig. 6) Parenchymschicht betrachten, die entweder 
einen unverhältnismässig kleinen Glanzkörper enthalten oder bloss an den inneren Plasmawänden 
erstarrte Perlchen und Spuren der ausgeschiedenen Substanz aufweisen. Diese Substanz wird augen- 
scheinlich von dem ganzen Zellkörper an verschiedenen Stellen und zu gleicher Zeit tropfenweise aus- 
geschieden, worauf diese verschieden grossen Tröpfchen zusammenfliessen und sich zu einem einheit- 
lichen, aus physikalischen Gründen kugelrunden Glanzkörper verbinden. Somit wäre meiner Meinung 
nach die physiologische Bedeutung der betreffenden Zellen als Exkretionszellen erwiesen. Einzelne 
kleine Exkretkörperchen, möglicherweise von einer anderen chemischen Zusammensetzung, treten auch 
in anderen Körperzellen auf, z. B. in kontraktilen, als Bewegungsapparat fungierenden Spindelzellen 
oder in Enchymzellen, welche Algenkolonien beherbergen (Taf. II, Fig 19); hauptsächlich aber konzen- 
triert sich der diesbezügliche Stoffwechselprozess in den beiden subepithelialen Schichten des Parenchyms. 
Wie lange die angesammelten Tropfen von den Zellen getragen werden, ist nicht bekannt. Bei starken 
Vergrösserungen macht eine fixierte Exkretionszelle zuweilen den Eindruck, als ob das Plasma von 
innen aus eine zarte Lamelle ausscheiden oder eher sich selbst nach Art einer Grenzlamelle verdichten 
würde (Taf. II, Fig. 15, Vergrösserung 2120 ::1), doch lassen meine Objekte keinen sicheren Entscheid 
darüber zu, ob es sich hier um eine wirkliche Plasmadifferenzierung oder um ein Kunstprodukt handelt. 


Graff (1) hat die Exkretionszellen des Trichoplax mit den einzelligen, fast enchymatischen Haut- 
drüsen acoeler Turbellarien verglichen und die Glanzkörper mit ihrem Sekretstoffe homologisiert. Ich 
kann aber keinen einzigen Grund herausfinden, der für die Ähnlichkeit, geschweige denn genetische 
Verwandtschaft dieser beiden Organe sprechen würde. Das Gemeinsame besteht lediglich in der That- 
sache, dass essich in beiden Fällen um Zellen handelt, welche apoplasmatische Stoffe produzieren. Alle An- 
zeichen sprechen hingegen dafür, dass die physiologische Eigenart der produzierten Sekrete, beziehungsweise 
Exkrete so verschieden ist, wie der Chemismus des Trichoplax-Organismus von dem Chemismus der Plathel- 
minthen. Als ergastische Gebilde im Sinne Arthur Meyers bestehen die Glanzkugeln aus höher oxy- 


dierten Eiweissstoffen und Stoffwechselprodukten, die — in die Spalträume des Enchyms entleert — 
wahrscheinlich von den durch Schulze bekannt gemachten, symbiontischen Algengruppen wieder auf- 
genommen und assimilatorisch verarbeitet werden, zum Teil durch das äussere Epithel nach aussen ge- 
langen. Der Überschuss der Algenassimilate kommt dann wieder den Parenchymzellen zu gute und 
wird neuerlich als lichtbrechende Substanz ausgeschieden. 

Auffallende Ähnlichkeit mit diesen Exkretionstropfen besitzen — wahrscheinlich auch in chemischer 
und physiologischer Hinsicht — exkretorische Vacuolen grosser, zusammengesetzter Amöben, wie Pelomyzxa, 
deren Organismus habituell vielfach an Trichoplax erinnert. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die licht- 
brechenden Tropfen im Plasma der Pelomyxa und ähnlicher Amöbenformen, die ich zu beobachten Ge- 
legenheit hatte,*) ebenfalls Stoffwechselprodukte repräsentieren. Greeff (2) hat diese Glanzkörper 
irrtümlicherweise als Sexualprodukte angesehen. In einer anderen Studie (Greeff, 1) schildert er einen 
sehr eigentümlichen Propagationsvorgang bei Pelomyaa. Als Derivate der zahlreichen Kerne sollen 
Körperchen entstehen, die er als Keimkörner deutet und die sich sodann in Glanzkörper verwandeln; es 
gehe hier vermittels mehrfacher Teilung eine Sporenbildung vor sich und aus den Sporen sollen junge 
Amöben ausschlüpfen. Im Widerspruch mit dieser Schilderung stehen zunächst die Angaben Bütschlis 
über besondere sporenartige, mit einer eigenen Pellicula und Kern versehene Gebilde bei Pelomyxa: 
ausserdem liegen Spezialstudien über diese Amöbenform von Frl. Gould (1) vor, wo die Glanzkörper 
ebenfalls als Stoffwechselprodukte gedeutet werden. Gould hat die Amöbe in Schnitte zerlegt und 
den homogenen Bau der Glanzkörper richtig erkannt; nur nach Behandlung der Substanz mit Pikrin 
und Aufhellung in Terpentinöl werden sie körnig und trüb, wie dies in gleicher Weise mit den Glanzkugeln 
des Trichoplax der Fall ist. In der Nähe der Substanztropfen hat Gould gewisse Plasmadifferenzierungen 
wahrgenommen; die Wände der Waben sind radiär gerichtet und der Tropfen scheint den Inhalt einer 
extrem grossen Vacuole darzustellen. Mikrochemische Reaktionen haben auch hier gezeigt, dass keine 
eigentliche Fettsubstanz vorliegt. Der Modus des Stoffwechsels im Enchym des Trichoplax findet demnach 
ein Analogon in den Vorgängen bei vielkernigen Amöben und ist in erster Linie dadurch kompliziert, 
dass hier in den Stoffwechsel eines metatrophen Organismus der Stoffwechsel der prototrophen Algen 
eingeschaltet wird.**) 

An dieser Stelle möchte ich einer rätselhaften Erscheinung Erwähnung thun, die ich leider nur 
einmal bei Methylenblaufütterung bemerkt habe. Unter Deckglas kann man lebende Exemplare, nament- 
lich in den Randpartien, selbst mit starken Trockensystemen bequem und lange beobachten. An dem 
betreffenden Tiere habe ich am Rande der Scheibe, zwischen den gleichmässig schlagenden Cilien blaue, 
der Cuticula anhaftende Pünktchen gesehen, die sich bei eingehender Betrachtung als winzige, etwas 
glänzende Tröpfchen erwiesen und den Eindruck machten, als ob sie aus dem Epithel herausperlen 
würden. Sie liessen sich nicht mit der lichtbrechenden Substanz der grossen Kugeln direkt vergleichen, 
da sie viel blauer waren als die öliggrauen Glanzkörper. Eher erinnerten sie an äussere, bei Protozoen 
beschriebene Exkrettropfen; letzthin hat Prowazek ein Pleuronema abgebildet (1, Taf. IX, Fig. 3), an 
dessen Oberfläche zierliche Reihen verschieden grosser Exkrettröpfchen zu sehen sind und durch ein 
intensives Rot des im Medium gelösten Farbstoffes auffallen. Ich glaube, dass bei Trichoplax der näm- 
liche Vorgang sich abspielte und möchte ihn sowohl bei Trichoplax als bei den Infusorien als eine 
pathologische Störung in dem regelmässigen Stoffwechsel auffassen. Die zierliche Anordnung der 
Exkretperlchen und die Abstufung in deren Grösse bei Infusorien würde ich auf entsprechend geordnete 
lokale Struktureigentümlichkeiten der Pellicula zurückführen. 


*) Aus dem Inundationsgebiete der Weichsel. 
**) Auch die Entleerung der Glanzkugeln bei Amöben erinnert an das plötzliche Einsinken und Verschwinden der Exkretkugeln bei 
Trichoplax (vgl. Greeff, 2). 
3*+ 


Für die assimilierende und ausscheidende Thätigkeit des Parenchyms spricht ausserdem noch 
der Umstand, dass bei geschwächten, in einem ungünstigen Milieu lebenden Exemplaren, z. B. nach 
längerem Verweilen im hängenden Tropfen eines Objektträgeraquariums gerade in der mittleren Körper- 
schicht verschiedenartige Krystalle zusammenschiessen, was sich am leichtesten durch die gestörte 
physiologische Thätigkeit der Zellen erklären lässt. Die Natur und selbst die Form dieser Krystalle 
lässt sich am lebenden Tiere nicht leicht ermitteln. Die Gewebe sind zu wenig durchsichtig und nur 
an etwas gepressten Exemplaren, wenn die Wasserschichte langsam verdunstet und der Druck des Deck- 
glases wächst, lassen sich winzige Krystalle als spärlich zerstreute Gewebseinschlüsse im Parenchym 
wahrnehmen. Wenn nun die Vergänglichkeit des frischen Gewebes eine genauere Untersuchung jener 
krystalloiden Körperchen nicht gestattet, so bleibt es anderseits fraglich, ob Krystalle, welche ab und 
zu in fixierten und gefärbten Präparaten auftreten, dem Organismus angehörten oder durch chemische 
Behandlung hervorgerufen wurden. Einige Fälle mögen auch hier kurz erwähnt werden, obwohl es sich 
hierbei um Einzelheiten handelt, welche ausserhalb unseres Interesses liegen. In zerzupften Parenchym- 
zellen eines mit Goldchloridkalium und Hämatoxylin behandelten Exemplars waren neben isolierten, 
breiten, anscheinend unregelmässig gebildeten Krystallen auch grössere Rosetten radial angeordneter 
Säulchen zu finden; jene waren von glasheller Beschaffenheit, diese hatten einen leicht violetten Anflug 
aufzuweisen (Taf. II, Fig. 9a und b). Ein anderes Mal machten sich in einem in Salpetersäure fixierten 
und mit Bleu de Paris (anilinblauen Natriumsalzen der Sulfonsäure) in toto gefärbten Präparate feine 
prismatische Säulchen bemerkbar, die parallel nebeneinander lagen (Fig. 9c). Auch nach der Tinktion 
mit pikrokarminsaurem Ammoniak waren hie und da krystallinische Einschlüsse zu sehen. Wie es scheint, 


befanden sich die Krystalle stets im Cytoplasma. 


Neben dem Stoffwechsel steht die Kontraktilität des Trichoplax in engster Beziehung zum 
Parenchym. Obwohl hier keine Muskelschichten im Sinne v. Graffs zur Differenzierung gelangen, so 
fehlen doch keineswegs zarte, ursprüngliche Muskelfasern, welche besonders in spindelförmigen, schmalen 
Zellen gebildet werden. Solche spindelförmigen, zum grössten Teil dorsoventral verlaufenden Zellen 
sind jedoch keine echten Myoblasten und lassen sich nicht mit Muskelzellen höherer Tiere vergleichen. 
Sie stellen vielmehr eine niedrigere, ältere, histogenetische Stufe vor, der noch sehr unvollständig durch- 
geführten Arbeitsteilung entsprechend, die in den Geweben des Trichoplax zu Tage tritt. Jedenfalls 
wird man in den mit Exkretionskugeln und anderen Einschlüssen belasteten Parenchymzellen weit 
schwächere Fäserchen und auch diese nur in fadenförmigen Ausläufern der Zellen finden, als in den 
schlanken Zellen, die sich augenscheinlich an dem Geschäfte des Stoffwechsels nur wenig beteiligen. 
Im Cytoplasma der letzteren kommt in der Körnchengruppierung überall die Tendenz zum Ausdruck, 
spongioplasmatische Längsfasern zu bilden, so dass diese Zellen mitunter thatsächlich das Aussehen von 
ganz jugendlichen Muskelzellen gewinnen (Taf. II, Fig. 3). Selbst in solchen primordialen Myoblasten 
sind bei Trichoplax sehr oft neben dem Kerne verschiedene, stark tingierbare, beim Stoffwechsel ent- 
stehende Körper wechselnder Grösse, von winzigen Körnchen bis zu kerngrossen, zu beobachten, woraus 
erhellt, dass auch diese Zellen verschiedenartige Dienste zu leisten haben; je stärker jedoch die faserige 
Plasmastruktur in den Vordergrund tritt, desto seltener und unbedeutender werden die Exkretionskörnchen. 
Demgemäss haben wir hier eine Vorstufe von Muskeln als Elementarorgane vor uns, insbesondere eine 
Vorstufe glatter Muskeln. Nicht nur die Elementarfibrillen mit den Mikrogranulis als „funktionell- 
strukturellen“ Plasmaverdichtungen, auch das sonstige Cytoplasma ist hier kontraktil und zwar in hohem 
Masse; die ganze Zelle ist noch aktiv geblieben. Durch diese, auch den Epithelien des Trichoplax zu- 
kommende Kontraktilität allein lässt sich der so oft eintretende explosive Zerfall des Tieres erklären. 
Dies bezieht sich vor allem auf das Epithel der Bauchseite. Seine zylindrischen Zellen sind proximal 
zumeist in dünne Fortsätze ausgezogen, die sich mit den Parenchymzellen verweben und sich jedenfalls 


an der häufigen Formveränderung der Körperscheibe beteiligen. 


eg Or 


Die Granulafibrillen sind am besten am fixierten Gewebe zu sehen, mit nachträglicher Tinktion. 
Aber auch an Quetschpräparaten von vital mit Alkaliblau gefärbten Stücken kann man die muskulösen 
Elemente mit aller Sicherheit unterscheiden. Irrtümliche Ausdeutung gewisser Bilder hat ja bekanntlich 
zur Annahme einer mehrschichtigen, kreuzweise übereinandergelagerten Muskulatur geführt, welche 
dem Hautmuskelschlauche niederer Würmer entsprechen sollte. 

Die ungleichmässige färberische Abtönung einzelner Parenchymzellen ist nicht etwa auf eine 
thatsächliche Verschiedenheit zurückzuführen, sondern hängt hauptsächlich von dem Kontraktionsgrade 
der Zellen im Momente der Fixierung ab, wie dies bereits von Kölliker für die Schrumpfungsstadien 
der Zellen hervorgehoben wurde. Durch heftige Kontraktion beim Absterben kann sehr leicht das 
ganze Gefüge des inneren Gewebes gelockert und der Zusammenhang der Zellen aufgehoben werden 
(Na 0 1 ll)% 


Neben den oben besprochenen, ölartigen Exkretionskugeln treten im Parenchym des Trichoplax 
als ein sehr bemerkenswertes Element dieser Gewebsschicht und als eine der auffallendsten Eigentüm- 
lichkeiten dieses Organismus gelbbraune Knollen auf, die ebenfalls sehr verschiedene Deutung erfahren 
haben. In zwanglosen, aber ziemlich regelmässigen Abständen sind sie im Parenchym, scheinbar 
zwischen den Exkretionstropfen verteilt und bei Betrachtung mit schwachen Systemen verleihen sie der 
Gesamtfärbung des Tieres einen graugelblichen Ton, der sich stellenweise, z. B. an der Peripherie 
(Taf. I, Fig. 1), stark verdichtet, stellenweise schwächer wird. Thatsächlich sind die gelbbraunen Knollen 
manchmal streckenweise gar nicht zu finden, während sie im Umfange der Scheiben zu einem ziemlich 
breiten Kranze zusammentreten. Nach der richtigen Darstellung Schulzes liegen sie etwas tiefer im 
Parenchym als die Exkretionstropfen, fast in der Mitte der Körperhöhe (Taf. II, Fig. 10), scheinbar frei 
im Schizocoel, zwischen den Zellen, in der Wirklichkeit jedoch ausnahmslos intracellulär. An glücklich 
verfertigten Quetsch- und Zupfpräparaten kann man sich davon stets überzeugen. Bei gewissen 
Fixierungsarten hingegen, mittels Salpetersäure oder Platinchlorid, werden die Umrisse der betreffenden 
Zellen grösstenteils unkenntlich und falsche Verhältnisse werden vorgetäuscht. (Vgl. Taf. III, Fig. 2—5.) 

Die Grösse der Klümpchen ist sehr variabel und relativ bedeutend — bis zu 131. Anderseits 
ist sie vom Alter und Umfang der Tiere unabhängig, so dass man in kleinsten Scheiben sehr grossen 
Knollen begegnet, wie dies bei der Fortpflanzung des Trichoplax durch Teilung nicht anders möglich 
ist. In vollkommener Ausbildung sind sie länglich oval, bräunlich oder grünlich gelb, an der Oberfläche 
runzelig, wie aus kleinen unregelmässig geformten Körnern zusammengesetzt (Taf. II, Fig. 18). Bei tiefer 
Tubuseinstellung sieht man das Innere stark beschattet oder intensiver gefärbt, wodurch die Zusammen- 
setzung aus gesonderten Teilchen an Deutlichkeit gewinnt. 

Histotechnisch sind sie wenig zugänglich. Bei Vitalfärbungen mit Methylenblau bleiben sie 
ungefärbt. Auch Azofarbstoffe wirken wenig. Durch Metallsalze werden die Knollen verdunkelt oder 
geschwärzt. Mit Überosmiumsäure fixiert und mit starker Safraninlösung oder mit Glycerinhämatoxylin 
Delafields behandelt, färben sie sich dunkelviolett. 

Mein Material war zu gering, um die Natur dieser Zellorganoide experimentell festzustellen. Aus. 
geschlossen ist es nicht, dass wir in diesen Gebilden Stoffwechselprodukte wie die Ölkugeln, z.B. oxal- 
saure Salze, vor uns haben. Das Meiste spricht indessen dafür, dass sie als symbiontische, pflanzliche 
Wesen aufzufassen sind. Algenartige Symbionten sind in verschiedensten Tiergruppen verbreitet. Die 
im Habitus und in der Lebensweise dem Trichoplax nicht unähnlichen acoelen Turbellarien erscheinen 
in gewissen Arten ganz grün durch die chlorophyllhaltigen, unter der Haut schichtweise eingelagerten 
Algenzellen. Am genauesten wurden jene Algen bei einigen Acoelen von Haberlandt (1) untersucht. 
Dort sind es hautlose Zellen, aus Chloroplasten und rundlichen, in Stärkekörnerhülle eingeschlossenen 
Pyrenoiden zusammengesetzt, deren kleine, abgelöste Partikelchen von dem Wirte verzehrt werden, oder 


gelöste, osmotisch aufzunehmende Assimilate liefern. Ähnlich dürften auch diese, in ganz besonderer 
Weise angepassten Organismen im Parenchym des Trichoplax als Assimilationsgewebe wirksam sein. Ob 
sie dem entsprechend Assimilate, z. B. Stärkekörner, liefern, konnte ich nicht feststellen, weil mir der 
Versuch mit der Jodreaktion misslang. Der Bau wäre mit den Bewohnern der Acoelen nicht identisch, 
wie er auch mit keiner von G&eza Entz und Brandt beschriebenen echten Alge übereinstimmt, aber 
ein symbiontisch an einen bestimmten tierischen Organismus angepasstes Wesen wäre nur phylo- 
genetisch von echten Algen ableitbar, während es sowohl morphologisch als physiologisch von der 
Beschaffenheit und Physiologie des bewohnten Gewebes abhängen muss. Auch an gegenseitiger An- 
passung kann es niemals fehlen. Hieraus erhellt die Unabweislichkeit sehr weitgehender Eigentümlich- 
keiten in beiderlei Richtungen in jedem einzelnen Falle. Bei positiv phototaktischen Würmern sind die 
Algen grün, beim Trichoplax, der sich in dieser Beziehung ziemlich indifferent verhält, wären es fuco- 
cyaninfärbige Xanthochlorellen. Ein genauer Vergleich mit Xanthochlorellen anderer Tiere scheint jede 
andere Deutung auszuschliessen. Die von Haberlandt untersuchten Algen, welche den Schutz des 
Acöelenkörpers geniessen, liefern als prototrophe Organismen ihren Wirten die einzige Nahrung; jene 
Turbellarien sitzen dichtgedrängt an hell belichteten Stellen der Aquarien dicht unter der Wasserober- 
fläche und nehmen gar keine Nahrung von aussen auf. Trichoplax scheint nicht so ausschliesslich an 
seine Xanthochlorellen angewiesen zu sein, seine sonstige Nahrung würde ihm jedoch nicht genügen; 
auch darin sehe ich ein schwerwiegendes Argument für die Algennatur der in Rede stehenden Knollen. 
Selbst die kranzförmige Anhäufung derselben an der Körperperipherie lässt sich zwanglos erklären; es 
wäre dies eine oxygenotropische Zone, ähnlich derjenigen bei Trochophoralarven echter Anneliden, wo 


sich die Xanthochlorellen am Wimperring gruppieren. 


In Bezug auf eine im Habitus und in der Bewegung dem Trichoplax auffallend ähnliche Form, 
die Amöbine Pelomyxa, möge daran erinnert werden, dass auch bei ihr von Bourne (Il) kleine mit 
chlorophyllführendem Stroma versehene Bläschen beschrieben wurden und als symbiontische Pflanzen 
aufzufassen sind. 


Den Ursprung und die Entwicklung der Algen konnte der citierte Botaniker Haberlandt bei 
grünen Acoelen nicht ermitteln. Bei Trichoplax ist die Körperscheibe direkt teilbar und deshalb sind 
sämtliche Exemplare mit Xanthochlorellen inficiert. In mehreren Fällen liess sich das Wachstum der 
Symbionten innerhalb der Zelle nachweisen und verfolgen. Jede Knolle ist offenbar aus einzelnen 
physiologischen Individuen zusammengesetzt. In manchen Zellen waren nur ganz wenige derartige 
Körperchen vorhanden. Ihre Zahl wächst nach und nach bis zu der oben angeführten Maximalgrösse 
der Gesamtkolonie. Ferner glaube ich mit Sicherheit angeben zu können, dass junge Stadien (ob überall?) 
in einer Vacuole eingeschlossen sind; bei grösseren verschwindet die Algenvacuole und die Knollen 
scheinen unmittelbar in das Zellenplasma eingebettet zu sein (Taf. II, Fig. 19 und 20). Es ist aber un- 
bekannt, was mit reifen Kolonien geschieht; ob sie nach und nach zerfallen und vom Cytoplasma 
resorbiert werden? An Exemplaren, die in Formol fixiert wurden, einem in seiner Wirkung dem Platin- 
chlorid ähnlichen aber für den Fall weniger günstigen Fixierungsmittel, nahmen sich die Knollen mehr- 
fach so aus, als ob sie im Zerfall begriffen wären; es wäre dies jedoch auch der Einwirkung des Formol 
zuzuschreiben. Man könnte übrigens fragen, ob die geschilderten Stadien mit wenigen Einzelknollen 
nicht etwa Verdauungsstadien bedeuten und die Algenvacuolen Verdauungsvacuolen seien. Das Aus- 
sehen der Knollen schliesst jedoch eine solche Annahme geradezu aus. Manchmal zeichnen sich kleinere 


Algengruppen durch ein besonders intensives, rein gelbes Kolorit aus. 


Es erübrige nur noch einige Worte über das selbständige Fortkommen der Xanthochlorellen zu 
sagen. Es giebt vorzugsweise unter den in Protozoen lebenden Algen Formen, welche ihren Wirt über- 
leben, im Wasser fortkommen und nach den Angaben Szewiakoffs, Famintzins u. A. sich sogar 
rege fortpflanzen. Algen, die in acoelen Turbellarien vorkommen, haben diese Selbständigkeit bereits 


eingebüsst; sie sterben mit den Würmern ab. Häufchen toter Convoluten bleiben noch einige Zeit 
grün; nach und nach zerfällt jedes Pyrenoid in lose Körnchen und die Organismen gehen hilflos zu- 
grunde. Ähnliches gilt von den Symbionten des Trichoplax. Ihren Wirt überleben sie nur ganz kurze 
Zeit. Bald fallen sie auseinander und werden unkenntlich. Auch diese Erscheinung hängt von der 
Besonderheit des Trichoplax ab. Der Körper des absterbenden Tieres zerfliesst unter Hernienbildung 
ungemein rasch. Durch heftige Kontraktionen gehen auch die Zelleinheiten auseinander. Man kann 
beobachten, wie infolgedessen schon während dieses Prozesses die eingeschlossenen Klumpen aus- 
einandergezerrt werden und noch im Leibe des Tieres zerbröckeln. Absterbende Convoluten bleiben 
dagegen ruhig am Grunde des Aquariums liegen und werden erst durch die eintretende Verwesung zerstört. 


Zum Schlusse mögen noch einige gelegentliche histologische Funde erwähnt werden, die sich 
ebenfalls auf das Parenchymgewebe beziehen. 

In Quetschpräparaten aus Osmiumsäure waren Einschlüsse oder Konkremente zu sehen, die sich 
von den bisher beschriebenen wesentlich unterscheiden (Taf. II, Fig. 8). Es waren einzelne, paarige 
oder zahlreicher zusammengefügte Körperchen von ausserordentlicher Kleinheit (die grössten massen im 
Durchmesser bis 0:0022 mm). Die Gestalt war unregelmässig sphärisch, rund bis ausgestreckt oblong. 
Sie waren ziemlich farblos und durchsichtig, hie und da im Innern hellgelblich mit hyaliner Aussen- 
schicht. Zahlreicher waren sie in der Randzone der Scheibe anzutreffen. Als Nahrungsbestandteile sind 
sie wohl nicht zu beanspruchen; eher als eine besondere Art von Exkretionseinschlüssen. 

Bei Trreptoplax wurden Gebilde angetroffen, welche mit denen von Trichoplax verwandt sein dürften 
(Taf. II, Fig. 24). Wenigstens ist die Gestalt und die Art der Zusammenfügung der beiden abgebildeten 
Körperchen fast identisch. Sie sind von einer Hülle umgeben, deren Konsistenz gegen die Innenfläche 
zunimmt. Möglicherweise entspricht diese Hülle der äusseren Schicht der gelblich angeflogenen Stück- 
chen. Die letzteren wurden bei Anwendung stärkster Kompensationslinsen bei Glühlicht beobachtet 


und gezeichnet. 


In mehreren mit schwacher bis 20prozentiger Salpetersäure behandelten Trichoplaxexemplaren 
traten andere Körperchen auf, deren Lage möglicherweise intercellulär war; das betreffende Parenchym 
war in ihrer Nähe nicht gut genug erhalten. Sofern sie sphärisch sind, erinnern diese konkrementartigen 
Gebilde eher an fixierte Ölkugeln. Sie waren braun gefärbt, gegen die Mitte zu heller und gelblich. 
Ohne ihre Bedeutung auseinanderzusetzen, will ich mich auf den Hinweis beschränken, dass sehr ähn- 
liche, wenn nicht die nämlichen Gebilde von Monticelli bei Treptoplax gefunden wurden. Man möge 
sie miteinander nach den Figuren 21 und 23 (Taf. I) vergleichen. Der bedeutendste Unterschied be- 
steht in der scharfen Schichtung, welche Monticelli in seine beiden Zeichnungen eingetragen hat. 
Seine Skizzen sind jedoch nach einem Osmiumexemplare angefertigt, während ich mit der Wirkung 
von Salpetersäure zu rechnen hatte; es ist daher leicht möglich, dass meine Objekte weniger scharf 
differenziert gewesen wie diejenigen Monticellis. Auch diese in beiden Organismen gleichmässig ent- 
wickelten und unter verschiedenen Lebensbedingungen gebildeten Einschlüsse dürften am ehesten zu 
dem Stoffwechsel in Beziehung stehen. 


Obwohl unsere Untersuchung einige Fragen offen lässt und ganz besonders die Xanthochlorellen 
eine gründlichere und vielseitigere Erforschung ihrer mutmasslich pflanzlichen Natur erfordern, so haben 
wir doch die Histologie des Trichoplax eingehend genug kennen gelernt, um sagen zu können, dass 
er neben dem einschichtigen, äusseren Epithel nur aus einer Art parenchymatösen Gewebes besteht, 
welches weder entodermal noch mesodermal ist, sondern Eigenschaften dieser beiden Keimblätter in 
sich vereinigt und überhaupt eine Differenzierung als „Keimblatt“ noch nicht erreicht hat. 


Pe en 


C. Biologische Erscheinungen. 


In betreff biologischer Erscheinungen erinnert Trichoplax in seinem äusseren Habitus und in seinen 
Bewegungen am meisten an gewisse Sarkodinen (Pelomyxa) und an ursprünglichste Strudelwürmer. 

Das ruhende Tier ist entweder flach ausgebreitet oder in der Mitte zusammengezogen und die 
Körperscheibe in der Mitte am dicksten, so dass ein dorsoventraler Schnitt spindelförmig sein würde 
(Taf. I, Fig. 1a). An ruhendem Tier kann man partielle, lokalisierte Kontraktionen des Körpers bemerken, 
welche beim durchfallenden Lichte das Entstehen opaker Fleckchen bedingen (metabolische Kontraktionen 
Pertys). Die im Inneren und im Ventralepithel liegenden kontraktilen Zellen veranlassen auch dann, 
wenn das Tier seinen Aufenthaltsort nicht wechseln will, häufige Formveränderungen (besonders bei 
dem lebhafteren T'reptoplax). Diese Veränderungen in der Körpergestalt machen einen rein amöboiden 
Eindruck. Wie bei Amöben sind sie auch hier unregelmässig, unberechenbar, von unbekannten Willens- 
reizen des Tieres abhängig. Bei Amöben sind sie jedoch konformer und vielfach durch die einer jeden 
Species eigentümliche Pseudopodienform bestimmt. Der Charakter der Bewegung ist aber in beiden 
Fällen gleich. Denn auch bei den Amöben handelt es sich, soweit meine hauptsächlich an zwei Amöben- 
arten aus der Weichsel gemachten Erfahrungen reichen, nicht um blosses Dahinfliessen eines zähflüssigen 
Tropfens im Sinne Rhumblers, sondern um Komplexe von Bewegungen, welche durch willkürliche 
Körnchenströmungen — Organellen der Cyte — ausgelöst werden. Diese Art von Bewegung ist sehr 
vielen und sehr verschiedenen niederen Organismen gemeinsam. Sie charakterisiert z. B. viele Turbel- 
larien und bei jungen Larven wird sie in verschiedensten Tierkreisen von neuem erworben. Unter 
Protozoen ist sie auch unter scharf differenzierten Formen zu finden, wie z. B. bei vielen Heliozoen, 
besonders zur Zeit der Teilung und Fortpflanzung. 

Beim Kriechen wirft die Körperscheibe des Trichoplax häufig Falten, vornehmlich am Rande, wie 
bei Turbellarien. Auch in der Mitte des Körpers und in der Diagonale werden Falten gebildet, 
insbesondere bei beschleunigter Bewegung. 

Schwimmend macht Trichoplax wellenförmige Krümmungen und bewegt sich ganz nach Art 
schwimmender Dendrocoelen, z. B. einer sinkenden Planarie. Niemals schwimmen die Tiere freiwillig. 
Stets kriechen sie an den Wänden der Aquarien, wobei sie jedes grössere Hindernis zu umgehen 
trachten. Hierbei werden sie an die Wandflächen der Behälter selbstverständlich durch keine „Tigmo- 
taxis““ gefesselt und unterliegen keinem Tigmotropismus. Durch den Strom einer kleinen Pipette werden 
sie leicht fortgerissen, rollen sich dann gerne zusammen und fallen passiv zu Boden. Auch weiss sich 
ein von der Unterlage weggespültes und auf die Dorsalfläche fallendes Tier in der nämlichen Weise 
umzudrehen, wie dies eine Süsswasserplanarie bewerkstelligt. Seine Bewegungen sind dann fast ebenso 
rasch wie die der Planarien. 

Die Vorwärtsbewegung auf Flächen kommt durch den Flimmerüberzug zustande. Bereits 
Schulze (5) hat darüber das Wesentliche berichtet. Die Wimpern schlagen gleichmässig*) und in 
fortschreitenden Wellen, ähnlich den Wellen eines im Winde stehenden Getreidefeldes. Die Schnelligkeit 
der Bewegung jeder einzelnen Cilie habe ich nicht gemessen; sie ist jedenfalls geringer als beim 
Flimmern der Gaumenhaut des Frosches. Die Bahn des Cilienschlages ist einfach wie bei allen Flimmer- 
epithelien. Die Expansions- und Kontraktionsphasen sind bei sämtlichen Cilien von gleicher Dauer und 
metachronisch geregelt. Ob dieses Spiel, welches bei gesunden Exemplaren niemals aussetzt, Peripherie- 
ausbreitung, respektive Oberflächenspannung der Flimmerhärchen bezweckt und oxygenotropische Be- 
deutung besitzt (Verworn, 2) erscheint mir zum mindesten fraglich. 


*) Siehe S. Prowazeks „Protozoenstudien II“ (in den: Arbeiten der zool. Institute zu Wien, Bd. XII, 1900). Auf S. 263 sagt der 
Verfasser: „In analoger Weise (wie bei Monas?) schlagen die stumpfen Cilien des Trichoplax, die voneinander unabhängig und nicht wellen- 
artig flimmern.“ Bezieht sich offenbar auf schwache, absterbende Exemplare. 


Die eigentliche Vorwärtsbewegung erfolgt äusserst langsam. Der in einer Minute zurückgelegte 
Weg beträgt nach Schulze höchstens einen halben Millimeter. Oft ändert ein dahingleitendes Tier 
die Richtung und beginnt ziemlich unvermittelt sich nach rückwärts zu bewegen. Viele Amöben kriechen 
rascher, besonders jene, welche keine Pseudopodien ausstrecken. Bei den Amöben, wie Am. guttula 
oder Pelomyxa palustris, lässt sich übrigens leichter ein bestimmtes Reiseziel feststellen als bei der oft 
unterbrochenen, hin und her schwankenden Gleitbewegung des Trichoplax. 


Die Frage, ob Trichoplax heliotropisch ist, erledigt Schulze verneinend. In der That wird man 
gut thun, beim Suchen nach Trichoplax stets alle Wände des Aquariums zu untersuchen. Er sammelt 
sich auch an beschatteten Stellen an, ebenso unten als in den obersten Wasserschichten. Verhältnis- 
mässig häufig findet man ihn auf dem Boden, zwischen feinem Pflanzendetritus; an die Oberfläche des 
Wassers, wo sich Sarkodinen mit Vorliebe aufhalten, begiebt er sich nie. Im grossen und ganzen ist 
er häufiger an der Lichtseite und hier häufiger oben, etwa 1 cm unterhalb der Oberfläche als unten und 
im Dunkeln anzutreffen. 


Um die Lebensweise am sichersten kennen zu lernen, habe ich an den Wänden eines kleineren 
Aquariums (1. vol.), in welches die Tiere behufs leichterer Auffindung übertragen wurden, eine be- 
sondere Vorrichtung angebracht, mit deren Hilfe einzelne Individuen längere Zeit verfolgt, sogar einige 
Tage in ihren Bewegungen kontrolliert werden konnten. In einem kleinen Kartonrahmen waren in Ab- 
ständen von ca. 3 mm feine Fäden ausgespannt, die sich rechtwinkelig kreuzten und ein Netz mit regel- 
mässigen viereckigen Maschen bildeten. Durch Marken, welche den Rahmen stets an dieselbe Stelle 
des Behälters anzubringen erlaubten und durch genaue, numerierte Felderung des untersuchten Gebietes 
war es möglich, sowohl die Gestalt der Scheiben als den zurückgelegten Weg stündlich zu verzeichnen. 
Die auf Taf. IV beigelegten Skizzen besagen nicht, dass die Tiere wirklich in der eingezeichneten Ver- 
dichtung nebeneinander lebten; es wurden interessantere Fälle aus zwei verschiedenen Aquarien zu- 
sammengestellt und zwar in der Weise, dass die Tageszeit für sämtliche Tiere dieselbe ist. 


So liess sich vor allem feststellen, dass sich junge (kleine) und ausgewachsene Exemplare in 
ganz gleicher Weise benehmen; es wäre denn, dass die jungen etwas schneller kriechen als grosse 
Tiere. Wenn man beispielsweise die zwei sehr grossen Individuen, die sich um 8 Uhr morgens in den 
Maschen IV 2 und 19 (Taf. IV, Fig. 1) befanden, in Betracht zieht, so kann man sich überzeugen, dass 
sie sich langsam in einem sehr engen Kreise bewegten und, trotzdem sie ihre Gestalt und Stellung oft 
wechseln, abends annähernd an derselben Stelle wie morgens wiederzufinden waren. Zugleich bemerkt 
man, dass gewisse Exemplare sich sehr lebhaft pseudopodienartig strecken und lange, mitunter schmal 
gestielte Fortsätze aussenden (wie Fig. 1, Masche I. 6-7, Fig. 2, Masche I—II 6, Fig. 4, Masche III 25), 
während bei anderen die Konturen des Körpers nur unbedeutend variieren. Das Individuum in Fig. 1, 
Masche IV—V 11, war um 10 Uhr vormittags in eine Schleife umgewandelt, welche tagsüber nicht nur 
ihre Gestalt, sondern auch ihre Lage unablässig änderte. Die Schleifenform ist im allgemeinen mobiler 
als die Scheibenform, verbleibt aber gerne innerhalb eines eng begrenzten Bezirkes. Bei Tieren, welche 
ihren Aufenthaltsort offenbar wechseln wollen und weitere Strecken zurücklegen, wird der Wechsel der 
Gestalt ziemlich aufgehoben und der Körper verbleibt scheiben- oder stäbchenförmig (vgl. Taf, IV, 
Fig. 4—6, Maschen VI 14-15, V 14 und IV—V 12—13). In Fig. 6 wurde bei einigen Individuen der 
während eines Tages zurückgelegte Weg als gelbe Linien eingezeichnet. Man sieht, dass die Wege 
mehrfach zickzackartig verlaufen, wobei die Gleitrichtung sogar unter scharfen Winkeln abgeändert wird. 
Junge, durch Teilung entstandene Exemplare sind es, deren Weg zumeist gerade verläuft und die sich 
von ihrem Entstehungsorte am weitesten entfernen; eine Erscheinung, die auf das Bedürfnis räumlicher 
Verbreitung zurückzuführen wäre. 

Bei niedriger Temperatur wird die Beweglichkeit des Tieres sistiert, nach Schulze bei 5° C. 


Die hier in Rede stehenden Exemplare befanden sich in zwei Aquarien, von denen das eine in dem 
Garbowski, Morphogenetische Studien, 4 


— 26 -- 


Aquarienraume des Clausschen Instituts mit durchschnittlicher Temperatur von 10—12° C. stand und 
ca. 9° C. Wassertemperatur besass, das andere befand sich in meinem Arbeitszimmer mit durchschnitt- 
licher Temperatur von 20° C. 

Bei seiner höchstwahrscheinlich saprophytischen Ernährungsweise verbleibt Trichoplax auf 
derselben Stelle anscheinend so lange, bis er alle vorhandenen Nährstoffe aufgenommen hat. Es ist 
dies kein Abweiden des Terrains im eigentlichen Sinne des Wortes. In den Geweben des Tieres 
wurden ja fremde Körper, Nahrungsbestandteile niemals aufgefunden. Es ist auch bekannt, dass Trichoplax 
beim Kriechen die mitunter stark mit Algen und sonstigem Detritus beschmutzten Aquarienwände nicht 
reinigt und dass lebende oder abgestorbene organische Substanz, z. B. Algenfädchen, nach Berührung 
mit dem Tiere unverändert bleiben. Der Umstand, dass sich die Tiere mit Vorliebe an schleimigen 
Glaswänden aufhalten, dürfte darauf hinweisen, dass sie nach Art chlorophylifreier Pflanzen die im 
Wasser gelösten organischen Substanzen, also flüssige Nahrung aufnehmen. Das Wasser ist besonders 
in Aquarien mit Zersetzungsprodukten abgestorbener Organismen geschwängert. In der Nähe des an- 
gehäuften Detritus würden z. B. Kohlenstoffverbindungen mit 9 Atomen, Tyrosin, von der Milchsäuren- 
reihe Leucin, Amidocapronsäure, vielleicht direkt resorbierbare Verwesungsstoffe in Betracht kommen. 


Mehrere Umstände sprechen für die Richtigkeit dieser Annahme. 


So gehören — unter anderem — zu den merkwürdigsten Eigentümlichkeiten des Trichoplax 
bruchsackartige Ausstülpungen des Körpers. Es wird zuweilen an einer beliebigen Stelle der Körper- 
scheibe eine runde, knopfförmige oder ringförmige Falte" gebildet, welche verschieden grossen Umfang 
haben kann, worauf sie sich allmählich in eine blasenförmige Ausstülpung verwandelt, welche in extremer 
Ausbildung so gross werden kann, dass sie nicht mehr aufrecht getragen wird, sondern sich neigt und 
wie ein gestielter Glastropfen aussieht (Taf. I, Fig. 2a und 3a). Äusserst ähnliche Aussackungen am 
Körperrande hat Greeff bei Pelomyxa beschrieben. Hier werden aber die Aussackungen nicht bloss 
durch die obere Partie des flachen Körpers, sondern durch die ganze Körperscheibe bewerkstelligt, 
indem sie sich stark dehnt, infolgedessen dünner wird und ein bruchartiges Säckchen zu stande bringt. 
Ein solches Säckchen ist demnach hohl und mit der Öffnung stets gegen die Unterlage gerichtet. Diese 
Gebilde, die sonst ganz rätselhaft bleiben müssten, können wir nur in der Weise erklären, dass sich das 
Tier im Bedarfsfalle Reservoire bildet, um mit resorbierbaren Stoffen besonders reich durchsetztes Wasser 
aufzuspeichern. 

Diese Eigentümlichkeit hätte somit eine ausschliesslich physiologische Bedeutung. Sie steht 
aber gewiss in gar keinem Zusammenhange mit der endogastralen, enterischen Ernährungsweise einer 
Gastrula, wie dies vielleicht die Anhänger der Gastraea-Hypothese behaupten würden. Im Inneren der 
Bruchsäckchen sind niemals Fremdkörper angesammelt, was sonst notwendigerweise der Fall werden 
müsste. Daher kann ich mir auch die vom Monographen des Trichoplax erwähnte Verdauung zwischen 
zusammengelegten Körperfalten nicht recht vorstellen (Schulze, 5). Aneinandergelegte Falten, wie sie 
bei beunruhigten Tieren öfters vorkommen und.an aufgestörte, klappenförmig sich zusammenlegende 
Opalinen besonders lebhaft erinnern, haben sicherlich mit dem Geschäfte der Ernährung nichts gemein- 
sam. Die Beschaffenheit des ventralen Körperepithels lässt übrigens eine solche Annahme nicht zu. 
Auch Meinikoff, der im Jahre 1883 von Claus den Vorschlag erhalten hat, den T'rrichoplax des Wiener 
Institutes zu untersuchen, hat ebenfalls von einer derartigen äusseren Verdauung nie etwas gesehen und 
war geneigt zu glauben, dass dieses Tier bloss Flüssigkeiten zu sich nimmt (Meinikoff, 2, p. 154). 
Ich möchte hier auch bemerken, dass andere, im Wasser lebende Organismen, ebenfalls im Stande sind 
nur von Nährflüssigkeiten zu leben, wie z. B. Spongilla lacustris. 

Die Art und Weise, wie neutrale, dem Seewasser beigemengte Farbstoffe, in die Gewebe des 
Trichoplax aufgenommen werden, spricht desgleichen dafür, dass es sich bei diesem Organismus lediglich 
um Aufnahme flüssiger Nahrung handeln kann. Die Farbstoffe, z. B. Methylenblau, werden von ihm so 


PARoTarr 


gut vertragen, dass man nach und nach das ganze Wasser im Aquarium intensiv blau färben kann, ohne 
dass es den Tieren irgendwie schaden würde. Bei vital gefärbten Tieren wird man sich stets am leichtesten 
überzeugen, dass jedes feste Teilchen, welches durch die Cilienbewegung herbeigestrudelt wurde, durch 
die Cilien selbst vom Körper ferngehalten und so lange an der flimmernden Oberfläche geschoben wird, 
bis es endlich an den Rand gelangt und weggestossen wird. 

Für die Aufnahme bloss flüssiger Nahrung spricht des weiteren die Thatsache, dass sich die 
Scheiben niemals freiwillig an grünen Pflanzen aufhalten, sondern lieber Flächen mit abgestorbener 
Vegetation zum Aufenthaltsorte wählen, z. B. eine mit Resten Licmophoraartiger Diatomeenstöckchen reich 
bedeckte Glaswand. 

Anderseits scheinen Tiere, welche in sehr reinen Behältern isoliert aufbewahrt werden, nicht zu 
hungern; weder in der Variierung der Gestalt, noch in der Beweglichkeit lässt sich irgend ein Unter- 
schied nachweisen. Dies wäre aber kaum möglich, wenn sie von ihren wahrscheinlich prototrophen 


Symbionten keine Assimilationsstoffe erhalten würden. 


Obwohl die Scheibenform spontan in eine bandförmige Gestalt übergehen kann, so lassen sich 
dennoch gewisse Perioden konstatieren, wo sich die Mehrzahl der Exemplare in geschlängelte Bänder 
umformt. Die Bedingungen, unter denen diese Wandlung geschieht, sind noch zu eruieren. Schulze 
hat die Periode in seiner ersten Mitteilung in die Herbstmonate verlegt, in seiner Monographie bezeichnet 
er den Monat Januar als die Zeit der Bändergestalt und der Fortpflanzung; da man nachher zahlreichen 
kleinen jungen Individuen in den Aquarien begegnet. Schulze macht diese Formerscheinung von der 
Jahreszeit und von der Temperatur abhängig. Ich selbst habe die zahlreichsten Bänder im Monat 
Februar gesehen. Angesichts dieser Differenzen in der Zeit würde ich eher an einen angestammten 
Rhythmus im Lebenslaufe des Trichoplax glauben, so dass nach Ablauf etlicher Monate dieselben Fr- 
scheinungen bei den in einem Behälter gemeinsam lebenden Tieren wiederkehren. Dieser Rhythmus 
wäre jedoch bei den gezüchteten Tieren durch die unnatürlichen Bedingungen des Lebens in Aquarien 
notwendigerweise in mehrfacher Richtung modifiziert, so dass er in verschiedenen Aquarien je nach der 
Temperatur, der Zusammensetzung des Wassers u. dgl. anders verlaufen muss. Auch der Grad der 
Durchlüftung der Aquarien wird ihn wesentlich modifizieren. 


Die Bänder entstehen auf sehr mannigfaltige Weise und sind selbst variabler und mobiler als 
scheibenförmige Individuen. Zuweilen wird nur die eine Hälfte des Körpers bandförmig ausgezogen, 
während die andere ihre Scheibenform vorläufig behält. Zuweilen beginnt sich ein vollkommen ent- 
wickeltes Band an seinen beiden Enden aufs neue zusammenzuziehen und in die Scheibenform zurück- 
zukehren, so dass das ganze Tier hantelförmig oder biskuitförmig wird. Ein einziges Mal sah ich das 
Ende des Bandes in einen langen, subtilen, fast fadenförmigen Fortsatz übergehen (Taf. I, Fig. 4). Es 
wäre von Interesse, zu eruieren, wie sich die Gewebe in solchen zarten Ausläufern verhalten. Flimmer- 
haare haben jedenfalls auch an dem erwähnten Fortsatze nicht gefehlt. 

Die bandartige Verlängerung des Körpers ist gewissermassen ein Vorbereitungsakt zur Fort- 
pflanzung durch Teilung. Der Vorgang wurde bei einem in der Masche II.20 des Orientierungsrahmens 
(Taf. IV, Fig. 1) befindlichen Bande genau verfolgt. Das Band schlängelte sich langsam aber unablässig, 
kam aus der Masche 1I.19 in die II.21, dann wieder zurück durch 11.20 in 1.19 (Fig. 6), worauf es 
sich, von den Endpunkten angefangen, scheibenförmig zusammenzog, in der Mitte dünner wurde und 
nach Zerreissung der immer zarter werdenden, mittleren Gewebsbrücke in zwei Teile zerlegte, die sich 
bald zugerundet haben und als zwei neue Scheibentiere ruhig nebeneinander sassen. Die Teilung voll- 
zieht sich somit in gewöhnlicher, mechanischer Weise, ohne Regeneration, wie etwa bei amitotisch ihren 


Kern zerschnürenden Amöben. Die Wunde an der Zerschnürungsstelle, die ohnehin sehr klein ist, ver- 
4* 


Per a 


schwindet spurlos, indem sich die äusserst plastischen Epithelien sofort zusammenschliessen. Man kann 
hier folglich von einer echten Architomie im Sinne F. Wagners reden. Ansonst kennt man im Ge- 
biete der Vielzelligen nur die als „Paratomie“ bezeichnete Halbierung mit Regeneration (des Kopf- 
und Hinterteiles). 

Auch im Verhalten der Gewebe bei der Teilung lassen sich Unterschiede zwischen Trichoplax 
und niederen Tieren, z. B. Turbellarien, herausfinden. Ein ausgewachsenes Mierostomum teilt sich in 
der Weise, dass die Haut zuerst nachgiebt und die neuentstandenen Individuen eine Zeit lang mittels 
eines Streifens der Parenchymgewebe im Zusammenhange bleiben. Beim Trichoplax, sofern ich die 
Teilung mit einem Triplexsystem des Zeissschen Präpariermikroskopes verfolgen konnte, werden alle 
Gewebe auf einmal auseinandergerissen; in dem schmalen Körperstreifen der Teilungsstelle waren noch 
die grauen Fleckchen der Ölsubstanz zu sehen (vgl. Wagner, 1, Taf. 22, Fig. 20 a, b). 


Es erhebt sich die Frage, ob die Teilung nur nach Ausbildung der Bänder erfolgt oder auch 
sonst bei scheibenförmigen Exemplaren einzutreten pflegt. Bei der Seltenheit des Schauspieles der 
Teilung an sich kann ich hier nur einen mit Hilfe des Orientierungsnetzes gewonnenen Anhaltspunkt 
anführen. Ein grosses, scheibenförmiges, unregelmässig konturiertes Tier (Fig. 3, IV.18), welches breite, 
lappenförmige Fortsätze bildete und sich in den letzten 2 Stunden ungefähr um 3 mm an der Glaswand 
verschoben hat (12 Uhr vormittags), war um 3 Uhr nicht mehr wiederzufinden; dagegen waren an der- 
selben Stelle zwei neue kleine Scheibenstücke aufgetreten, welche sich vorhin in der hier in Betracht 
kommenden Nähe des grossen Exemplares nicht befanden. Meines Erachtens haben wir allen Grund, 
in den kleinen Individuen Descendenten des grossen zu erblicken (siehe Fig. 4, Masche IV. 17 und IV—V. 17). 


Weniger leicht wäre die Frage zu entscheiden, ob die Tiere nach der Periode der bandartigen 
Verlängerung bloss einmal sich teilen oder den Prozess — möglicherweise mit Überspringung einer 
neuerlichen Umformung der Körperscheibe — wiederholen. Die letztere Eventualität scheint nicht ausge- 
schlossen zu sein. Nach der besagten Periode findet man in der That viele, sehr kleine Scheibchen, 
bedeutend kleiner als wie wenn sie durch einfache Halbierung der gewöhnlich langen Schleifen ent- 


standen wären. Es bleibt hier noch vieles zu untersuchen. 


Es ist z. B. nicht bekannt, wodurch ein Individuum unmittelbar veranlasst wird, sich zu teilen. 
Um die Teilung zu sehen, habe ich mehrere Male ein langes, geschlängeltes Band beobachtet, welches 
sich scheinbar zu baldiger Hemitomie anschickte, indem es zwei gesonderte Portionen bildete, die bloss 
durch ein schmales Zwischenstück verbunden waren. Allmählich begann sich jedoch der verschmälerte 
Teil zu verbreitern, das Band gewann seinen normalen Habitus wieder und verhielt sich nachher in der 
geschilderten Weise, veränderte langsam die Gestalt seiner Schlingen und setzte seinen vielfach ge- 
schlängelten Weg fort. 

Halbierende Autotomie ist die einzige Art der Vermehrung des Trichoplax. Was das Zahlen- 
verhältnis der Zunahme der Individuen betrifft, wiederholt sich hier dasselbe, was für ciliate Infusorien 
seit längerem bekannt war: die Zahl der Individuen verdoppelt sich mit jeder Generation. Eine ge- 
schlechtliche, wenn auch monogone Propagation vermittels Keimzellen kommt bei unserem Tiere niemals 
vor. Es hat zwar Haeckel die Ansicht ausgesprochen, dass T’richoplax Fortpflanzungsorgane besitzt 
und dass die in der vorliegenden Schrift als Xanthochlorellen beschriebenen Knollen nichts anderes seien 
als Klumpen von Spermatocyten; es ist jedoch nicht bekannt, ob Haeckel zu dieser seiner Ansicht im 
Wege selbständiger Untersuchungen gelangte oder bloss die Angaben F.E. Schulzes im Geiste seiner 
„Systematischen Phylogenie‘“ erweiterte und korrigierte. 

Die meisten Autoren, welche auf den Trichoplax zu sprechen kamen, haben erklärt, mit der end- 
giltigen Einreihung dieses Wesens in das System so lange zögern zu wollen, bis man die geschlechtliche 
Fortpflanzung bei ihm entdecken würde. Eine rein autotome Propagation eines Polycellulaten müsste 
befremden. „Es hat etwas Unwahrscheinliches — sagt M. Nussbaum (Il, S. 4857) — dass eine Form 


sich kontinuierlich durch einfache Teilung erhalten sollte.“ Er sagte das in Bezug auf Opalinen, welche 
thatsächlich in so mancher Hinsicht an Trichoplax erinnern. Ich selbst könnte derartige Bedenken nicht 
teilen. An einem anderen Orte, in einer Sonderschrift über tierische Fortpflanzungsarten, komme ich auf 
diese Äusserung eingehend und motivierend zurück. Die Thatsache einer angestammten Autotomie als 
ausschliesslicher Vermehrungsweise würde ich nur dann als befremdend erklären, wenn sie, wie dies ja 
bei Opalinen bis jetzt wirklich der Fall ist, die Thatsache einer strengen Inzucht und generativer Iso- 
lierung jedes einzelnen Individuums postulieren würde. Für den Trichoplax trifft dies jedoch nicht zu 
und hiermit ist für mich auch jene Schwierigkeit beseitigt. 

Um noch den Vorgang der Hemitomie bei Trichoplax genauer zu präcisieren, erinnere ich an 
eine Einteilung Giards (2), wo er zwischen einer ökonomischen — wie bei Turbellarien oder Holothurien 
(Synapta) — und einer reproduktiven Teilung — wie bei Cestoden (T'aenia) — unterscheidet. Bei der 
reproduktiven Teilung werden Somite mit ausgereiften Keimzellen (Gonaden) abgetrennt. In welche 
Kategorie wäre nun Trichoplax einzureihen? Ist bei ihm die „Architomie“ ökonomisch oder reproduktiv? 
Ist sie nicht beides zugleich? Die Einteilung Giards schliesst wohl eine Modulation nicht aus. 


Neben dem Vorgange der Autotomie habe ich mehrmals — dreimal mit voller Sicherheit — Ge- 
legenheit gehabt zu konstatieren, dass einzelne Individuen miteinander Verbindungen eingehen, indem 
sie sich einander nähern und nach und nach seitlich verwachsen, worauf das verdoppelte Individuum 
sich ganz in der üblichen Weise nach einer beliebigen Richtung zu bewegen beginnt und keine Spur 


von einer Verwachsungsnaht u. dgl. erkennen lässt. 


Auch hier erwies sich der Orientierungsrahmen von grossem Nutzen. Nur mit Hilfe dieser Vor- 
richtung wurde ich überhaupt auf die Möglichkeit einer Concrescenz aufmerksam gemacht. In den 
Skizzen Fig. a—f (Taf. IV) ist ein solcher Vorgang genau wiedergegeben. Drei kleinere Individuen 
näherten sich aneinander, zwei von ihnen kamen sodann gegenseitig in flüchtige Berührung (Exemplar 
w und y), später jedoch drängte sich das Exemplar $ an die beiden heran und eine vollständige Ver- 
bindung der Scheiben @ und £ hat sich nachher sehr rasch vollzogen. Anfangs war noch der Rand 
von a deutlich zu erkennen, bald darauf glättete sich die Verbindungsstelle aus und die neu entstandene 
Einheit begann ihre Umrisse durch langsame Verschiebungen des Körpers in der bekannten Weise um- 
zuändern. Der ganze Prozess hat gegen 3 Stunden in Anspruch genommen (zwischen 2—5 Uhr nach- 
mittags). In einen hängenden Tropfen gebracht und mikroskopisch untersucht, war der durch Ver- 
wachsung zustande gekommene Amphiont von sonstigen Scheibchen durch kein Merkmal zu unter- 
scheiden. Bald nach der Concrescenz beginnen die Tiere ihren scheinbar planlosen Weg fortzusetzen, 
ohne eine Ruhepause eintreten zu lassen. 


Mit Hilfe des Örientierungsnetzes konnte ich mich in einem anderen Falle — wobei allerdings 
die Concrescenz nicht unmittelbar beobachtet wurde, jedoch bei der häufigen Kontrolle ohne Zweifel 
vor sich gehen musste — überzeugen, dass das aus zwei kleineren entstandene Exemplar sich nach 
einiger Zeit (am nächsten Tage) bandförmig verlängerte und teilte. Dies ist jedoch trotz meiner er- 
höhten Aufmerksamkeit eine isolierte Beobachtung. Es bleibt mithin unbekannt, ob die Verwachsung 
stets die Propagation durch Teilung — möglicherweise in zwei oder mehreren, einander unmittelbar 
folgenden Generationen — einleitet und vorbereitet, oder nur unter besonderen Umständen auftritt. 


In meiner 1899 publizierten vorläufigen Mitteilung (Garbowski, 5) habe ich diese bleibenden 
Verbindungen unter dem Namen vollständiger Konjugation geschildert. Die Bezeichnung war jedoch 
nicht richtig gewählt. Sie wurde angewendet, um die Vollständigkeit der Verbindung im Gegensatze 
zu vorübergehenden Kopulationen hervorzuheben. Die Bezeichnung „Konjugation“ schliesst jedoch den 
Begriff einer karyogamischen Verschmelzung in sich ein (vgl. übrigens Lang, 2, S. 18). Für Verbin- 


N 


dungen „weier geweblich struierten Individuen ist demnach der Name „Concrescenz“ bei weitem 
passender. 

Die Thatsache der Concrescenz dürfte jede Schwierigkeit beseitigen, die man bei der Annahme 
ausschliesslich autotomischer Vermehrung eines Tieres empfinden möchte. Durch sie wird die Inzucht 
aufgehoben oder wenigstens in erheblicher Weise eingeschränkt, der Vorteil, welchen andere Organismen 
bei karyogamischer Fusion ihrer Propagationszellen davontragen, wird hier, wenn auch in einer anderen 
Weise, erreicht und die Existenz einer Tierform erscheint hiermit gesichert. Abgesehen von einer kaum 
anzuzweifelnden Beeinflussung des inneren Zustandes der Gewebe der beiden Zygonten, der ja auch 
bei der Verbindung histologischer Elemente, des Parenchyms, durch Concrescenz in ganz analoger 
Weise wie bei cytoplasmodischen Fusionen der Zellen bei Einzelligen beeinflusst werden muss, möchte 
ich in diesem Zusammenhange besonders auf den Mangel einer Längsachse bei der weder radial noch 
bilateral differenzierten Körperscheibe des Trichoplax aufmerksam machen. Dieser Mangel an Differenzie- 
rung in der Fläche macht es überhaupt verständlich, dass sich zwei selbständige Exemplare miteinander 
vollständig verbinden können, ohne eine Desorientierung zu erleiden oder innere Umgestaltung und 
Anpassung nötig zu haben, wie dies bei karyogamischen Zygoten bei Protozoen stets der Fall ist. 
Durch die Fusion wird hier das tektologische Gleichgewicht und Symmetrie der Körperarchitektonik 
nicht tangiert. Wenn sich ein Doppelexemplar des Trichoplax nach einiger Zeit in zwei neue Individuen 
teilt, so ist folglich nicht anzunehmen, dass diese Zerschnürung der Verwachsungsnaht folgt, was ja 
schon in Anbetracht der Weise, wie hier die Zerschnürung vor sich geht, in hohem Grade unwahr- 
scheinlich, wenn nicht direkt unmöglich wäre, sondern dass sie in einer beliebigen Richtung eingeleitet 
wird, so zwar, dass die neu entstehenden Individuen keineswegs mit den ursprünglichen, zusammen- 
gewachsenen Exemplaren identisch sind, sondern wirklich neu sind und in ihrem Gewebe Elemente des 


einen und des anderen „Zygonten“ in verschiedenem, variablen, vom Zufall abhängigen Verhältnis führen. 


Analoge Fälle sind übrigens bei anderen Tiergruppen bekannt. Bei den Flagellaten teilt sich 
die Zygote oft unmittelbar nach vollzogener Karyogamie mitotisch in zwei Individuen neuer Generation, 
wobei die Furchungsebene der befruchteten Zelle mit der Kontaktfläche der Zygonten identisch ist; 
und dennoch sind es nicht dieselben Zygonten, die sich trennen, sondern frisch entstandene, verjüngte 
Individuen. 


Unter Protozoen, deren Propagationsmodus sehr genau studiert wurde, giebt es ebenfalls Gruppen, 
von denen es dennoch unbekannt geblieben, inwiefern und wie oft sie sich miteinander verbinden, um 
der schädlichen Wirkung monogoner Propagation entgegenzuarbeiten und vitale Energie der Species 


rege zu erhalten. Dies gilt beispielsweise von vielen nackten Sarcodinen und von Heliozoen. 


Die Vermehrung betreffend, habe ich auch das naheliegende Experiment mit der künstlichen 
Teilung versucht, welcher Eingriff bekanntlich bei den vielkernigen Opalinen nicht gelingen wollte. 
Exemplare, welche in hängendem Tropfen an Deckgläschen hafteten, wurden mit einer scharfen Lanzett- 
nadel womöglich senkrecht und in der Mitte durchgeschnitten. Die Schwierigkeit beim Schneiden be- 
steht hauptsächlich darin, dass die Stückchen zumeist am Messer hängen bleiben und erst mit einer 
zweiten Nadel entfernt werden mussten, was mit einer für den zarten Organismus zu heftigen Alterierung 
verbunden ist. Wurde jedoch die Durchtrennung glücklich ausgeführt, dann zog sich die breite Wunde 
bald zusammen, indem sich die oberen und unteren Epithelränder aneinanderlegten und gänzlich ver- 
wuchsen. Im Gebiete der schleimigen Wundränder werden viele Cilien vernichtet oder eventuell in das 
Plasma der verwundeten Zellen zurückgezogen; an deren Stelle werden neue gebildet, die zunächst 
kürzer und stumpfer sind als die übrigen und etwas anders schlagen, infolgedessen die Flimmerungswelle 
an der Randkontur unregelmässig wird; erst nachträglich werden die Verhältnisse auch hier ausgeglichen. 
Die Teilstücke scheinen sodann vollkommen lebensfähig zu sein und lebten in den Mikroaquarien über 
ausgeschliffenen Objektträgern ebensogut wie die intakten Scheibchen. Aus dem Gelingen des Experi- 


er 


mentes ergiebt es sich, dass die sonst bei Polycyten nie vorkommende ökonomisch-reproduktive Auto- 
tomie ohne Regeneration (die kleine Reparatur, welche der Organismus an der unter natürlichen Ver- 
hältnissen sehr winzigen Wunde vornehmen muss, hat gar keine tektologische Bedeutung) thatsächlich 
nichts anderes als ein mechanischer Teilungsvorgang ist. Der Organismus braucht keiner besonderen 
Prädisposition oder stofflichen Vorbereitung, um sich zu teilen. Augmentation und das Mass des Wachs- 
tums einerseits, die Zweiteilung anderseits halten sich die Wage und bedingen sich gegenseitig; die 
Details ihrer Wechselbeziehung wurden im Wege der geschichtlichen Entwickelung normiert. 


Das nächstliegende Beispiel eines derartigen Verhältnisses bieten Opalinen. Auch hier liegt 
der unmittelbarste Anlass zur Teilung in der über die individuelle Norm hinausschiessenden Augmentation. 
Auch hier sieht man den Organismus keine besonderen Vorbereitungen zu dem Vermehrungsprozesse 
treffen. Dass bei diesen Ciliaten eine künstliche Zerteilung ohne Erfolg bleibt, ist kein Gegenbeweis; 
die Ursache liegt weniger in der Natur des operativen Eingriffes als in den besonderen Lebensbedingungen 
des Parasiten. M. Nusbaum hebt ja die Unmöglichkeit besonders hervor, selbst intakte Opalinen am 
Leben zu erhalten (l. c. S. 493, 494); im kotfreien Humor aqueus des Frosches gehen die Tiere sehr 
bald zu Grunde. Was die freiwillige Autotomie derselben anlangt, wäre darauf hinzuweisen. dass sich 
die Körperscheibe in der Mitte verschmälert und ihre beiden Hälften drehen sich sodann spiralig, 
senkrecht zu der Teilungsachse, die enge Zwischenbrücke wird schraubenförmig verbogen und erst 
nachher reissen sich die Teilstücke von einander los (l. c. Taf. XVIII, Fig. 14). Es besteht somit zwischen 


der Teilung bei Trichoplax und Opalina ein wesentlicher Unterschied im Mechanismus. 


Der Augmentation entgegenarbeitende Hemitomie liefert zugleich einen Beweis für die Ursprüng- 
lichkeit dieses Organismus. Es fehlen jedwede Anhaltspunkte, um entscheiden zu können, ob je eine 
Urform des Trichoplax Propagationszellen produzierte oder nicht. Es liegt auch kein Motiv vor, das uns 
zu der ersteren Annahme zwingen würde. Bei der gegenwärtigen Form erfolgt die Individuation aus- 
schliesslich durch Teilung, welche — was die Grösse, den Zeitpunkt u. dgl. betrifft — durch eine an- 
gestammte (primäre) Selbstregulation geleitet wird. Es leuchtet aber ein, dass dieser Vorgang an sich 
physiologisch zur Erhaltung des Organismus in der Ontogenese nicht ausreichen würde; daher die Con- 
erescenz, wodurch zu der reinen Immortalität der Individuen im Sinne Weismanns das belebende 
Element der Panmixie hinzutritt. 


Der Tod des Tieres erfolgt stets durch vollständigen körmigen Zerfall der Gewebselemente. 
Derselbe ist offenbar die Folge der ausserordentlichen Kontraktilität des Cytoplasmas und einer noch 
nicht zum Austrag gekommenen Lokalisation der Empfindungsaccidenz in den Geweben. Beides findet 
in der spezifischen Beschaffenheit der Zellen sowohl in den Epithelien als im Parenchym seinen Aus- 


druck. Deswegen ist auch die histotechnische Behandlung der Gewebe so schwer. 


Wenn das Tier unter Deckglas langsam abstirbt, platzt zunächst das Tegument des Epithels an 
zahlreichen Stellen und der Zelleninhalt beginnt hernienartig hervorzuquellen, wie dies z. B. bei ver- 
endenden Paramaecien der Fall ist. Nach Verworn (2) wird das Absterben des Plasmas stets von 
Kontraktionserscheinungen begleitet, wobei die Teilchen den Rest des vorhandenen Sauerstoffes binden 
wollen und das vacuolisierte Plasma sich zu Körnchengruppen verdichtet, die nach Untergang der 
Wabenwände in einer schleimigen Flüssigkeit flottieren (Verworn, 4). Durch nachwirkende Kontraktion 
gelangen in die anfangs hyalinen Hernien des Epithels Bestandteile der Parenchymzellen, zerbröckelte 
Algenknollen, Glanzkörperchen, hier und da ein epithelialer Kern (Taf. II Fig. 22). Die Cuticula wird 
wahrscheinlich verflüssigt samt den ihr aufsitzenden Cilien, die sich krümmen und zu schlagen aufhören; 
ab und zu wird ein grösseres aus dem Zusammenhange losgelöstes Stückchen der flimmernden Körper- 


rg 


bedeckung durch die herausfliessende Masse fortgetragen. Die exkretorischen Kugeln entleeren sich 
an Ort und Stelle und bald übergeht das Ganze in einen formlosen Zustand. 

Das nämliche Endresultat wird momentan erreicht beim explosiven Zerfall, wie er unter Ein- 
wirkung von Reagentien z. B. in Ammoniakdämpfen zu erfolgen pflegt. Fig. 6 auf Taf. III giebt das 
Bild eines im Seewasser mit Methylenblau und Pikrinsäure behandelten explosiv zerstobenen Exemplares. 


Die wichtigsten histologischen und physiologischen Befunde, die ich bereits im Februar 1899 im 
„Bulletin“ der Akademie d. Wiss. zu Krakau mitgeteilt habe, lassen sich folgenderweise resümieren: 

1. Die bewimperten Körperepithelien sind mit einer mehrschichtigen, von Cilien durchsetzten 
Cuticula versehen. 

2. Das Epithel der Ventralseite, mit der sich das Tier an verwesende Pflanzenteile oder andere 
Gegenstände anschmiegt, besitzt nicht den Charakter eines verdauenden Epithels, kann somit nicht 
als Entoderm angesprochen werden. 

3. Als Verdauungs- und Bewegungsorgane fungieren einzelne Zellen des lockeren Körper- 
parenchyms. Als Muskeln fungieren insbesondere zarte, spongioplasmatische Fasern, welche in enchy- 
matischen, spindelförmigen, namentlich dorsoventral orientierten Zellen differenziert werden. Die von 
Graff erwähnten Muskeln entstehen als Artefacta unter Einwirkung gewisser chemischer Reagentien. 

4. Das Tier kann von aussen bloss flüssige Nahrung aufnehmen, z. B. verschiedene, beim 
Zerfall organischer Körper entstehende Verwesungsstoffe. 

5. Die ölartige Substanz, die im Körperparenchym in Tropfen auftritt, kommt ausschliesslich 
intracellulär vor und besteht nicht aus Fettelementen. sondern aus Exkretionsstoffen des Organismus, 

6. Gelbbraune Knollen verschiedener Grösse, die ihren Sitz ebenfalls im Parenchym aufschlagen, 
sind stets in das Cytoplasma einzelner Zellen eingebettet und sind mit grösster Wahrscheinlichkeit als 
symbiontische Zooxanthellen aufzufassen. 

7. Es wurde bei Trichoplax ein durch Concrescenz sich vollziehender Konjugationsprozess 
beobachtet, welcher der mechanischen Hemitomie, einer durch Zweiteilung ohne Regeneration er- 
folgenden Architomie, vorauszugehen scheint. 

8. Ein anderweitiger Fortpflanzungsmodus, wie mittels Knospung, Propagationszellen u. s. w., 
kommt bei diesem Polycyten nicht vor. 

Die aufgezählten Befunde dürften für die Zwecke vorliegender Publikation vollends genügen. 

Eine genauere Ermittelung verschiedener histologischer und biologischer Einzelnheiten, unter 
anderem nähere Details über die Exkretionstropfen, Algenknollen, über das Verhältnis der Concrescenz 
zu der Fortpflanzung etc. hoffen wir in einer späteren Spezialuntersuchung nachzuholen. 


II. Abschnitt. 


Über Treptoplax reptans Monticelli. 


Litteratur über Treptoplax: F. S. Monticelli, 1,2. 


Für die theoretischen Untersuchungen auf dem Gebiete der Morphogenie ist die Existenz einer 
der soeben abgehandelten nahe verwandten Tierform von besonderer Tragweite. Deshalb wollen wir 


hier die wichtigsten Daten über den von Monticelli entdeckten Treptoplax kurz anführen. 


Eaeelıo FE 


Im Sommer 1892 hat der Genannte in den Aquarien der Neapler zoologischen Station einen 
primitiven Organismus, „un essere semplicissimo“ entdeckt, welcher habituell an Trichoplax in jeder 
Beziehung erinnert. Das Tier hat dieselbe Scheibenform ohne vorgezeichnete Konturen, lebt in derselben 
Weise an Krusten aus Diatomeen und mikroskopischen Algen, welche die Aquarienwände überziehen, 
bewegt sich und verändert seine Gestalt genau so, wie wir es bei Trichoplax kennen gelernt haben, 
und lässt sich dadurch als eine selbständige Form auf den ersten Blick unterscheiden, dass die Dorsal- 
seite von nacktem Epithel eingenommen wird.*) Ein zweiter auf den ersten Blick auffallender Unter- 
schied besteht im Mangel jener durch die ganze Körperoberfläche zerstreuten grünlichbraunen Flecken, 
welche beim Trichoplax durch die in das Parenchym eingebetteten Xanthochlorellen hervorgerufen werden. 
Sonst giebt es nur histologische Unterschiede. 


Der Körper ist ebenso gross, jedoch dicker als bei Trichoplax (0:03—0'05 mm). 


Das dorsale Epithel ist flach, pflasterförmig, polygonal (Taf. II, Fig. 12). Die sonst unsichtbaren 


Zellgrenzen wurden einmal am komprimierten Präparate deutlich gesehen. Cilien fehlen. 


Das ventrale Epithel ist auch hier zylindrisch, die Zellen stehen dicht gedrängt, jede besitzt 
eine Flimmergeissel von ansehnlicher Länge, während bei Trichoplax die Zellen in basale, gegen das 
Körperinnere gerichtete Fortsätze ausgezogen sind, die sich mit den Ausläufern der Parenchymzellen 
verweben, sind sie hier an der Basis durchweg abgerundet und etwas kolbig erweitert. Aber auch hier 
sind die Zellen nicht gleichmässig lang, sodass die basale Fläche des Epithels nicht wie bei anderen 
Epithelien eben, sondern durch die vorragenden Basalteile zahlreicher Zellen unregelmässig reliefiert er- 
scheint. Die Kerne sind zumeist proximalwärts verschoben. 


Das Enchym besteht aus vielgestaltigen und verschieden grossen Zellen, bei denen sich drei 
Haupttypen unterscheiden lassen. Die eine Zellenart (7—20 u) ist mehr oder minder sphaerisch oder 
in ungenauer Weise polygonal mit stärker oder schwächer als Fortsätze vortretenden Ecken und oft 
konkaven Seiten (Taf. II, Fig. 14a). Den anderen Typus repräsentieren schmale, spindelförmige, auch 
hier dorsoventral verlaufende Zellen; sie verbinden das Parenchym mit dem dorsalen Epithel und bilden 
somit eine obere Schichte des ersteren. Zwischen ihnen liegen unter dem Epithel in enger Gruppierung 
kugelförmige Zellen einer dritten Art, ohne Fortsätze und dem Pflasterepithel anliegend (Taf. II, Fig. 13 
und 14b). Sie bilden eine Schicht von aussen sichtbarer, heller oder bläulicher Glanzkugeln, indem 
sie blasenförmig sind und von einer glänzenden, fettartigen Substanz eingenommen werden. Unter dem 
Einflusse dieser Exkretionssubstanz kommt das Cytoplasma in den Zellen zum Schwunde und erhält sich 
nur in geringen Spuren neben den Kernen, welche knopfförmig in das Innere und in die Exkretions- 
tropfen hineinragen. Die Kugeln messen 10 15 u. 


Nach der Darstellung Monticellis (vgl. Taf. I, Fig. 11) besteht das Parenchym aus drei 
Schichten; die oberste wird von zweierlei Zellen gebildet: den runden mit Exkretionstropfen und den 
zwischen diese hineingezwängten Spindelzellen; die mittlere und die untere Schicht besteht ausschliess- 
lich aus den sphärisch polygonalen Zellen. 


Obwohl der dorsoventrale Durchschnitt von Trichoplax und Treptoplax, in zwei nach fixiertem 
Materiale angefertigten Skizzen miteinander verglichen, ziemlich erhebliche Differenzen aufzuweisen 
scheinen, so sind dieselben keineswegs so prinzipiell, dass man die histologischen Elemente beider 
Formen nicht auf einander zurückführen könnte. Betrachtet man nämlich das von Monticelli gelieferte 
Querschnittsbild, so muss man die Überzeugung gewinnen, dass die Gewebe nicht in ihrem natürlichen 
Zusammenhange, obwohl in situ, abgebildet worden sind. Mittlere und untere Enchymzellen liegen 


*) Die Querschnittsfigur, welche dieses Verhalten illustriert (Taf. II, Figur ır), wurde durch ein Versehen des lithographischen Zeichners 
verkehrt orientiert. 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 5 


na Del 


nebeneinander ohne Verbindung und auch das Ventralepithel ist von ihnen abgehoben. Bei dem 
lockeren Gefüge des inneren Gewebes und der regen Kontraktilität jeder einzelnen Zelle geschieht es 
nur allzu leicht, dass sich die Zellen bei der Fixierung zusammenziehen und ihre gegenseitige Ver- 
bindung durch zartere Fortsätze aufheben, wie z. B. bei Goldchloridbehandlung und Einlegen, in Glycerin 
oder bei Anwendung konzentrierter Pikrinsäure und Aufbewahrung in Glycerin. Während auf dem 
Querschnitte des Trichoplax Enchymzellen zumeist gestreckt sind und ihre schmalen Ansätze erhalten 
bleiben, habe ich in den Figg. 19 und 20 Zellen abgebildet, welche zusammengezogen sind und eher 
den betreffenden Zellen bei Treptoplax als den Zellen auf dem Ouerschnitte ähnlich sind. Diese Zellen 
waren besonders geeignet, die intracelluläre Lage der Xanthochlorellen zu demonstrieren, ihre Gestalt 
hat aber jedenfalls gelitten. Bei ihnen war die Einwirkung der Reagentien dieselbe wie bei Treptoplaz. 
Sogar das Bild der Plasmastruktur in Figg. 19 und 14a lässt sich identifizieren, wenn man von der 
Wirkung differenter zeichnerischer Technik absieht. 


Dasselbe was vom Parenchym gilt auch von dem Basalteile des Zylinderepithels. Durch heftige 
Schrumpfung sind vielleicht Verbindungsbrücken zum Schwunde gebracht worden, die bei lebendem 
Tiere existieren und die Zurundung der Epithelzellen an der Basis bildet vielleicht keine hervorragende 
Besonderheit des Treptoplax. Eher ist die Lage der dorsoventralen Spindelzellen etwas verschieden und 
mehr in der oberen Schicht konzentriert; mag sein, dass diesbezüglich der Mangel von Wimpern an 
der Dorsalfläche und die dadurch bedingte Änderung im Bewegungsmechanismus des Tieres den Aus- 
schlag gegeben hat. Das Flächenbild des Zylinderepithels mit den engen, sich gegenseitig polygonal 
und wabenförmig abkantenden Zellfeldern (vgl. Monticelli 2, Taf. 20, Fig. 25) ist indessen für beide 
Tiere identisch (s. Taf. II, Fig. 2). 

Wenn man sich somit beim Vergleich der autoplasmatischen Gewebe des Treptoplax mit Trichoplax 
die merkwürdige Gestalt enchymatischer Zellen und die regelmässige Zurundung an den Zellen des 
Flimmerepithels als Folge von Kontraktionsprozessen wegdenkt, so wird man in diesen Formen zwei 
einander sehr nahe stehende Organismen in ungezwungener Weise erkennen. Nach dem üblichen 
phylogenetischen Raisonnement wäre man eventuell geneigt hinzuzufügen, Treptoplax, mit dem flimmer- 
losen Dorsalepithel, sei phylogenetisch jünger. 

Dass die öligen Tropfen in den Unterhautzellen das nämliche Gebilde darstellen und von der 
Gleichheit der physiologischen Thätigkeit der Gewebe Zeugnis ablegen, braucht keiner besonderen 
Auseinandersetzung. Unterschiede, die in der Ausbildung der Exkretionstropfen zu Tage treten, sind 
durchweg von untergeordneter Bedeutung. Zieht man die vorzüglich erhaltene Exkretionszelle von 
Trichoplax (auf Taf. II, Fig. 15) in Betracht, so wird man auch hier vom Zellplasma nur noch einen 
schmalen Ring finden, während der genau kreisförmige Hohlraum im Leben von dem Exkrettropfen 
ausgefüllt wird. Dieselben Tropfen im Enchym des Treptoplax, die in der auf Taf. II, Fig. 13 wieder- 
gegebenen Skizze die ganze Zelle einnehmen und vielleicht nach lebendem Tiere in optischem Tangential- 
schnitt gezeichnet wurden, sind ebenfalls fettartig, werden durch Osmiumtetroxid gebräunt und lassen 
sich, mit Ausnahme der Randpartien, nicht färben. 

Die Algenknollen betreffend sagt Monticelli (2, p. 455, 456): „Mancano ancora nel Treptoplax 
le „„höckerigen Knollen““ sulla interpretazione delle quali, come zoochlorelle, convengono il Graff e 
lo Schulze.“ Er hat indessen kleine, rundliche Klümpchen mit unregelmässiger, höckeriger Oberfläche 
im Parenchym gefunden, welche jungen Algenanhäufungen ähneln und in Anbetracht der sonstigen 
tektologischen Übereinstimmung beider Organismen als symbiontische Einschlüsse gedeutet werden 
könnten. Leider giebt von ihnen der Monograph eine nur flüchtige Schilderung, ohne zu sagen, in 
welcher Verdichtung, Gruppierung, und ob in sämtlichen Exemplaren die Körperchen beobachtet wurden; 
auch ist es ihm nicht gelungen, definitiv zu entscheiden, ob sie zwischen den Zellen oder vielleicht doch 


intracellulär vorkommen. Anderseits würde ein vollständiger Mangel an Zooxanthellen bei Treptoplax 


seine nahe Verwandtschaft mit Trichoplax nicht erschüttern; die Erscheinung der Symbiose hat in dieser 
Hinsicht einen rein sekundären Charakter. 

Von sonstigen Einschlüssen, die von Monticelli im Treptoplax mit der allgemeinen Bemerkung 
„nella massa del corpo“ gefunden wurden (Taf. II, Fig. 23, 24), war schon oben die Rede. Auch hier 
kamen diese Gebilde nur sporadisch vor und sprechen eher für als gegen den nahen genetischen Zu- 
sammenhang unserer Formen. 

Auffallen muss die weit grössere Beweglichkeit des Treptoplax. Die Körperscheiben ‚„mutavano 
incessantemente di forma“. In unmittelbarer Nacheinanderfolge nahm das Tier die Gestalt eines y-förmig 
gespaltenen Bandes, einer Scheibe, eines Kreuzes, einer sich anscheinend bald teilen wollenden Hantel 
und wieder eines Bandes an, wobei es auch zur Bildung sehr’ dünner, sogar fadenförmiger Fortsätze 
kommen konnte. Die Hemitomie vollzieht sich genau so, wie ich dies für Trichoplax beschrieben habe. 
Bei künstlicher Teilung, z. B. nachdem einzelne Körperteile beim Abheben mittels Pipette abgerissen 
wurden, schienen die Teilstüicke nicht minder lebensfähig. 

Concrescenz wurde nicht beobachtet. Aus einem unerklärten Grunde verschwanden die Tiere 
plötzlich aus den Neapler Aquarien. 

Mit Rücksicht auf histotechnisches Verhalten wäre aus den Angaben des Entdeckers (l. c. p. 447) 
zu schliessen, dass sich beide Tierformen auch im Chemismus und in der Physiologie ihrer Gewebe in 


hohem Masse gleichen. Die besten Tinktionen wurden mit Boraxkarmin erzielt. 


Worum es sich uns in diesem Abschnitte handelte, ist: es giebt einen zweiten, zummindesten 
spezifisch isolierten, wenn nicht generisch verschiedenen Angehörigen derselben morpho- 


logischen Gruppe, welche Trichoplax adhaerens vertritt. 


II. Abschnitt. 


Salinella Salve Frenzel. 


Litteratur über Salinella: 


Apäthy, 1. Herbst, 1. 
Delage, 2. Klebs, 1: 
Frenzel, 1, 2,3, 5. u. A. 


Für unsere theoretischen Untersuchungen ist noch eine dritte Form von grosser Bedeutung. Es 
ist dies Salinella, deren merkwürdig einfache Organisation wir uns stets vor Augen halten müssen. 

Das schematische Diagramm eines optischen Längsschnittes (Taf. VI, Fig. 1) bringt den Bau von 
Salinella am besten zur Anschauung. Der walzenförmige, an beiden Enden sanft zugespitzte Körper 
besteht aus einer einzigen Zellenlage. Ein Querschnitt — gebracht von Frenzel, 3, S. 73 — würde 
uns belehren, dass an der Walze eine Dorsal- und eine Ventralseite zur Differenzierung gelangte. Oben 
ist das Tier gewölbt, unten ganz flach, so dass es im Querschnitte eine halbkreisförmige Figur abgiebt. 
Die Länge betrifft circa ein Fünftel Millimeter. An beiden Enden ist die Walze offen. Die kreisförmige 
hintere Öffnung — die Analöffnung — liegt genau in der Hauptachse des Körpers, die vordere — die 
Mundöffnung — ist ventral verschoben und infolgedessen subterminal. 

Der Körper besteht aus kaum 75 bis 108 Zellen. Die Zellen sind jedoch im Verhältnisse zur 


Gesamtarchitektur des Körpers sehr gross, nicht polygonal, sondern fast quadratisch und isodiametrisch. 
5* 


2 ge 


Sämtlich sind sie von aussen und von innen bewimpert. Die Wimpern blieben in Salpetersäure gut 
erhalten. Die Bewimperung der Innenseite ist überall gleich, dicht und zart. Etwas derber und weniger 
dicht sind die Cilien an der Ventralseite (Kriechseite) und in der Umgebung der Analöffnung. Den 
Rücken bedecken steifere, in ziemlicher Entfernung von einander stehende Härchen. Besondere Armatur 
tritt an den beiden Öffnungen auf; den starr klaffenden Mund umgeben lange, biegsame Haarwimpern 
in Form eines schwachen, nach unten gerichteten Schopfes; an der verschliessbaren Auswurfsöffnung 
sieht man einige lange, steife, borstenartige Cilien. Hiermit ist die ganze Anatomie des Tieres gegeben. 


Cytologisch sind einige Besonderheiten hervorzuheben. 


Unter der wimpertragenden äusseren Cuticula sieht man an Präparaten, die mit Pikrin-Schwefel- 
säure Kleinenbergs fixiert und mit Karmin tingiert waren, (und im Leben?) eine deutlich entwickelte 
alveoläre Schicht;*) an der Innenseite befindet sich eine stärkere Schicht radiärgestreiften Plasmas, 
die unter anderem als Stützwerk angesprochen wurde, unseres Erachtens aber eher mit der Funktion 
der Verdauung in Beziehung zu bringen wäre. In der Mitte des dunklere „Fettkörnchen“ enthaltenden 
Entoplasmas liegt ein relativ grosser Kern mit hellem Inhalt und mehreren (3—6) dunklen Kügelchen 
und Glanzkörpern. Der Kern mit seinen Nucleolen und einem deutlichen Lininnetz, hat einen zweifellos 
„metazoischen“ Charakter. 

Sehr interessant ist der Teilungsvorgang der Zellen. Die Nucleolen verschwinden, der ganze 
Kern dehnt sich in die Länge, Amphipyrenin wird jedoch nicht aufgelöst; das Kernnetz wird enger. 
Es erfolgt eine direkte, amitotische Zerschnürung in zwei Hälften, wobei um zwei neu gebildete Kern- 
zentren Sonnen aus radiär angeordneter, chromatophiler Substanz entstehen. Nachher teilt sich der 
ganze Zellkörper hemitomisch. 

Salinella wurde bekanntlich in Argentinien von Frenzel entdeckt, der sie in einem Aquarium 
aus Salinenerde von Rio Cuarto, Süd-Provinz Cordoba, gezüchtet hat. Das Wasser in dem Behälter 
enthielt gegen 2°/, Salz und etwas Jod. Das Leben entwickelte sich in diesem Medium sehr spärlich. 

Nachdem diese erste Zucht zu Grunde ging, sind alle Bemühungen, das Wesen wiederzufinden, 
erfolglos geblieben. Delage (2) hat speziell zu diesem Zwecke Salinenschlamm aus Südamerika nach 
Paris kommen lassen und einem gewiegten Spezialisten übergeben, aber auch dieser Versuch war 
vergeblich. 

Das Tier lebte in dem Salinenwasser von fester Nahrung, die es sich mit Hilfe des tastenden 
Ciliarbüschels am Munde aussuchte und in die Verdauungshöhle einführte. Die Verdauung war zweifellos 
extracellulär, gastral. 

Ganz ausserordentliches Interesse bietet die Fortpflanzung und Entwickelung. Die Fortpflanzung 
erfolgt in zweierlei Weise: durch Teilung oder nach vorausgegangener Konjugation durch einzellige 
Sprösslinge. 

Im ersten Falle bildet sich gegen die Mitte der Längsachse eine Quereinschnürung der Körper- 
wand; die Furche wird nach und nach tiefer, bis das Individuum in zwei Hälften zerfällt, die sich 
durch Regeneration, d. i. durch Ausbildung einer neuen Analregion, respektive einer neuen be- 
wimperten Mundöffnung zu Individuen einer neuen Generation ergänzen. 

Im zweiten Fall, der ebenfalls vom Entdecker mit Sicherheit festgestellt wurde, legen sich zwei 
Tiere — als Homogameten — mit den ebenen Bauchflächen an einander an, durch Verkürzung der 
Körperachse der Paarlinge wird die Zygote kugelrund, worauf eine gemeinsame Cystenhülle ausgeschieden 
wird, deren Inhalt den Konjugations-, Befruchtungs- und Vermehrungsprozess durchmacht. Ohne auf 


diese Vorgänge im Speziellen eingehen zu können — zumal die Beobachtungen in vielen wichtigen 


*) Mit der Beschreibung Frenzels vgl. Bütschli, 2, S. 1258. 


no 


Punkten keinen genügenden Aufschluss bieten, wollen wir erwähnen, dass aus der Cyste kleine 
Larven ausschlüpfen, die in doppelter Hinsicht höchst bemerkenswert sind. Erstens sind es Uni- 
cellulaten, zweitens ahmt ihre Körperzelle in ihrer Form, Bewimperung, Cilienarmatur und in 
ihren Bewegungen genau das ausgewachsene Tier nach. 

Die Jungen, welche im Aquarium — offenbar aus Dauercysten — zuerst aufgetreten sind, sind 
nur 0'023 mm lang, besitzen am vorderen Zellpol ein subterminales, ventral verschobenes Cytostom, hinten 
befindet sich ein Cytopyg und die mit dem Munde aufgenommene Nahrung wird intracellulär verdaut. 
Durch direkte, anchonische Kernteilung bringt die Larvalzelle neue Zellen hervor, bis die definitive 
Körperform mit innerer Gastralkavität erreicht ist. 

Salinella besitzt selbstverständlich eminente, theoretische Bedeutung. Einerseits bietet sie das 
einzige Beispiel eines vielzelligen Organismus, welcher einzellige, in Anbetracht der zu durchlaufenden 
Metamorphose Larven zu nennende Sprösslinge produziert; anderseits begegnen wir hier zum ersten 
Mal der wichtigen Thatsache, dass gastrale und intracellulare Verdauung in demselben Or- 
ganismus je nach dem Entwickelungsstadium stattfinden kann; drittens ist Salinella das einzige 
bekannte vielzellige Tier, dessen Körper im reifen Zustande aus einer einfachen Zellschicht besteht, 
so dass dieselben Zellen das Integument des Körpers (Cuticula) abscheiden und für die Ernäbrung sorgen. 
Es wäre noch ein nicht minder wichtiger, vierter Punkt aufzuzählen, namentlich die bei Pluricellulaten 
einzig dastehende Propagationsweise, wo der Körper der sich fortpflanzenden Individuen in seine Bau- 
steine, in einzelne Zellen zerfällt, wo diese somatischen Zellen höchst wahrscheinlich karyogamische Ver- 
bindungen eingehen und als Zygocyten ausschlüpfen; — diese Vorgänge fallen jedoch nicht mehr unmittelbar 
in den Rahmen unserer Betrachtungen. 

Die Beurteilung und systematische Einreihung eines so ungewöhnlichen Organismus ist notwen- 
digerweise zum Gegenstande allgemeiner Diskussion gemacht worden. Ihr Entdecker (Frenzel, 2) hielt 
sie für eine „Mesozo&“ und verglich ihr Verhältnis zu den übrigen Metazoen mit dem Verhältnisse des 
Amphioxus zu den Wirbeltieren. Andere (wie Klebs, I, S. 135) erklärten sich für das Gegenteil, indem 
sie behaupteten, Salinella habe gar keine morphogenetische Bedeutung und sage uns nichts über den 
Ursprung der Metazoen, ob diese aus Flagellaten oder aus Wimperinfusorien sich entwickelt haben. Es 
wurden auch Stimmen laut, sie sei keine normal entwickelte Tierform, sondern ein in ein ungünstiges 
Milieu geratenes Entwickelungsstadium eines unbekannten Tieres (wie Herbst, 2). Frenzel selbst hat 
anfänglich geglaubt, eine Jugendform vor sich zu haben; spätere Beobachtungen, die Feststellung der 
Teilung, der Konjugation und der Vermehrung haben ihn indessen von der Unwahrscheinlichkeit jener 
Vermutung überzeugt. Sonst wäre wohl vor allem an Turbellarien zu denken, da die Bewegungen, 


Streckungen und Biegungen des Tieres, an Dendrocoelen erinnern. 


Ich selbst habe mich an den Entdecker Salinellas gewendet, um einige Überreste derselben — 
Salinella zerfiel bekanntlich bei Konservierungsversuchen in einzelne Zellen — zur Ansicht zu erhalten. 
Erst kurz vor seinem Tode hat mir Frenzel unter anderem mitgeteilt, dass die isolierten Zellen keine 
Dauerpräparate geliefert haben, indem sie sich in runde Klümpchen verwandelten. Mir aber war die 
Untersuchung wenigstens einer Zelle erwünscht, um die Alveolarstruktur zu sehen. Es ist nämlich noch ein 
Einwand möglich, der bis jetzt, soweit ich die Litteratur kenne, noch von keiner Seite erhoben wurde. 
Es wäre dies die Existenz eines Ektoderms. Man hat sich so gewöhnt, in die reine Betrachtung eines 
Organismus stets die willkürlich konstruierten Begriffe der Keimblätter hineinzutragen und nach einem 
animalen und vegetativen Blatte zu suchen, dass man sich fragt, ob nicht etwa in der Alveolarstruktur 
eine vom Erforscher der Salinella verkannte Schicht pflasterförmigen Ektodermepithels zu suchen wäre, 
wodurch freilich die den Phylogenetiker in Verlegenheit bringende Einfachheit der Struktur bei Salinella 
mit einem Schlage beseitigt wäre. Es ist ja öfters sehr schwer, ein bereits bekanntes Epithel bei der 
‘ Zartheit des Gewebes zu finden. Indessen giebt es mehrere Momente, die sich mit der Existenz eines 


RL ISBe- 


äusseren Epithels nicht in Einklang bringen lassen. Es sind keine Einschlüsse im Cytoplasma gefunden 
worden, die man als verkannte Ektodermkerne auffassen könnte. Die Zellen teilen sich mittels einer 
Querfurche, welche an der Oberfläche des Körpers entsteht und die Zelle durchschnürt. Vor allem 
aber zerfällt das ganze Tier überaus leicht in einzelne Zellen, die sich sodann zurunden und sowohl 
ihre eckigen Kanten als ihre ursprüngliche Orientierung im Körperbau verwischen; was alles unmöglich 
wäre, wenn sie eine gesonderte Epithelschicht überziehen würde. 

Die Erscheinung des Zerfalls in Zellen stimmt mit den Vorgängen bei der Encystierung überein; 
auch dort werden die Zellen aus ihrem epithelialen Verbande herausgedrängt und zu kompakten, 
hemisphärischen Haufen gruppiert. Daraus ersieht man, dass das architektonische Gefüge der Körper- 
zellen bei Salinella noch sehr wenig gefestigt ist und dass den Zellen trotz ihrer Vergesellschaftung in 
eine morphologische und physiologische Einheit ihre Selbständigkeit noch nicht verloren gegangen 
ist und namentlich bei der Propagation zum Ausdruck kommt. Wir können auch folgern, dass die Zell- 
vergesellschaftung bei Salinella auf eine ganz verschiedene Weise zu Stande gekommen ist, als z. B. 
bei Trichoplax, wo das Gefüge der Gewebsteile ebenfalls sehr locker ist. 


Somit haben die Angaben Frenzels die meiste Wahrscheinlichkeit für sich. 


Das Resultat unseres ersten Kapitels besteht in der Erkenntnis, dass es unter den ursprüng- 
lichsten Metazoen Formen giebt, die nicht nur vom Schema der Gastraea-Theorie ab- 
weichen, sondern diesem Schema überhaupt fremd gegenüberstehen. 

Mag jemandem dieses Resultat im Vergleiche zu der angewandten Mühe und Zeit noch so gering 
vorkommen, so hat es dennoch seinen besonderen Wert. Und diesen Wert würde es selbst dann nicht 
verlieren, wenn wir hier anstatt mit reifen Organismen mit ontogenetischen Entwickelungs- 
stadien zu thun gehabt hätten. 


Pos eiges"Kapıtel 


Zur Charakteristik der Gastraeaden. 


IV. Abschnitt. 
Zur systematischen Beurteilung des Trichoplax. 


Als echte zoologische „Adelotakten“ haben die drei Formen, die wir im vorigen Kapitel kennen 
gelernt haben, in dem sogenannten natürlichen System der Organismen bis jetzt keinen offiziellen Platz 
erhalten. Da aber auch diese Wesen in allgemeinen oder Sammel-Werken irgendwo abgehandelt 
werden müssen, so werden sie dennoch synkategorematisch, wenn auch nur provisorisch, untergebracht, 
wobei über ihre Stellung im Systeme entweder wissenschaftliche Anschauungen der Verfasser oder 
lediglich praktische Rücksichten entscheiden. Zumeist werden sie an den Kreis der Würmer als eine 
diskordante, also belanglose Gruppe angehängt, und zwar — was nach allem bisherigen etwas wunderlich 
klingen dürfte — Trichoplax und Salinella zusammen. Überzeugen wir uns, mit welchem Recht. 

Im Gebiete der Würmer wird Trichoplax in die niedere Gruppe der Autoscoleciden eingereiht. 
Graff erklärte ihn für einen Vertreter niedrigst organisierter Plathelminthen. Als vorzüglicher Kenner 
der Strudelwürmer hat er auch deren niedrigst organisierte Stufe, die Acoelen bearbeitet und glaubt, 
in der Organisation des Trichoplax viel Ähnlichkeit mit Turbellarien zu finden. Diese Ähnlichkeit solle 
an Querschnitten besonders deutlich hervortreten. Anatomisch ist der Bau eines darmlosen Turbellars 
thatsächlich sehr einfach, Wie aus dem nach Graff wiedergegebenen Teile eines Querschnittes durch 
Ainphichoerus einereus (Taf. IL, Fig. 27) ersichtlich sein dürfte, besteht der Körper der Acoelen aus einem 
lakunenreichen, lockeren Parenchymgewebe und einer basalwärts unvollkommen abgesetzten, epithelialen 
Aussenschicht; zwischen diesen beiden Gewebsarten liegt eine doppelte Lage von Rings- und Längs- 
muskeln, ausserdem findet man vereinzelte Faserzüge im Parenchym selbst. Diese letzteren Muskeln, 
die zuerst von Delage (1) bei Acoelen nachgewiesen wurden, verlaufen hauptsächlich dorsoventral. 
Wenn auch dorsoventral gerichtete, kontraktile Zellen auch bei Trichoplax (und Treptoplax) vorkommen 
und einige Ähnlichkeit mit einzelligen Muskeln eines Amphichoerus (Taf. U, Fig. 26) aufweisen, so ist 
die vorhandene Ähnlichkeit rein habituell und kann über die genealogische Verwandtschaft dieser 
Organismen keinen Aufschluss geben. Der Hauptcharakter der Würmer und der Annelliden (Articulaten), 
eine Querschicht und eine Längsschicht des Hautmuskelschlauches, wie sie sogar bei niedersten 
Turbellarien noch unverkennbar erhalten sind, fehlt bei unseren Tieren gänzlich, Zudem sind ihre 
contraktilen Zellen, sowohl die unregelmässig anastomosierenden wie die Spindelzellen, weit primitiver 
als bei Acoelen und die Faserbildung ist kaum in ersten Phasen vorbereitet. Würde man übrigens 
die etwas unregelmässig verlaufenden kontraktilen Fortsätze an der Basis des ventralen Zylinderepithels 


ENG 


als eine Hautmuskelschicht auffassen, so würde sie dennoch unter dem Pflasterepithel des Rückens 
fehlen. Wenn somit Trichoplax und Treptoplax bei ihrer wechselnden Körperform an gewisse Turbellarien 
erinnern, wo die Körperform ebenfalls sehr veränderlich sein kann, wie z. B. nach Bell (1) bei Bipalium 
kewense, so ist es dennoch ein ganz anderer Mechanismus, der bei ihnen die innere Beweglichkeit und 
Verschiebbarkeit der Körperteile zu Stande bringt. Es giebt ein anderes Organ, welches hier und dort 
zweifellose Ähnlichkeit aufweist und noch nicht beachtet worden ist und zwar das cuticulare Körper- 
tegument (Taf. II, Fig. 27). Sowohl die Mehrschichtigkeit desselben als die Natur der Schichten und 
ihr Verhältnis zu den Wimpern sind in beiden Fällen ziemlich analog. Ansonst giebt es weder bei 
Trichoplax organelle Differenzierungen der Acoelen, noch bei den letzteren die charakteristischen Ein- 
schlüsse seiner Enchymzellen, Exkretionstropfen, Knollen etc. So besitzt Amphichoerus unter gewöhn- 
lichen Zellen des inneren Gewebes auch dunkle Fresszellen und Drüsenzellen, ausserdem amoeboide 
Zellen mit kleinen Kernen, Gebilde, die als Derivate unterdrückter Enterocoelie oder als ihre sekundären 
Surrogate aufgefasst werden müssen. Das Parenchym des Trichoplax zeigt durchaus primitiven Charakter. 
Ein wichtiges Merkmal der Turbellarien bilden einzellige Hautdrüsen. Als Homologa solcher Drüsen 
werden die Exkretionstropfen erklärt. Jedoch weder Schulze noch mir ist es gelungen, Ausführungs- 
gänge der Zellen mit Exkretionstropfen aufzufinden oder etwa das Austreten der Tropfen selbst durch 
das Epithel jemals zu sehen. In etwas anderer Weise hielt Noll (l) diese Exkretionstropfen für ein 
Merkmal naher Blutsverwandtschaft mit den Strudelwürmern. Nachdem er die Bewegungen und die Teilung 
des Trichoplax in seinen Aquarien beobachtet und mit ähnlichen Vorgängen bei Turbellarien verglichen 
hatte (1, T. II, p. LXXXV]), sah er sich veranlasst, nach detaillierteren Zügen direkter Blutsverwandtschaft 
zu suchen und hat thatsächlich über das Vorkommen von Otolithen bei stark ausgewachsenen Individuen 
berichtet. Otolithblasen bei Turbellarien können phylogenetisch mit den Hautdrüsenzellen auf verwandte 
Gewebsanlagen zurückgeführt werden. Anderseits bilden die ersteren ein spezifisches Organ, an dessen 
Bildung sich mehrere Zellen beteiligen, um eine blasenartige Hohlkugel und ein Stützgerüst für den 
Otolithen selbst zu bilden (vgl. Taf. II, Fig. 28, 29). Bei Trichoplax ist nichts derartiges zu sehen. Es 
konnte sich lediglich um aussergewöhnlich grosse Exkretionskugeln handeln, welche bei Nollschen 
Exemplaren die Existenz von Otolithenbläschen vorgetäuscht haben. Möglicherweise waren es spora- 
dische Concremente, wie wir sie in früheren Abschnitten kennen gelernt haben, und zwar nur bezüglich 
dieser Gebilde könnte die Annahme Nolls ernsthaft diskutiert werden. Aus dem Gebiete vergleichender 
Histologie sind mir nur gewisse, bei Ctenophoren, wie Hormiphora oder Callianira auftretende Zellen be- 
kannt, die hier in Betracht kommen könnten. Es sind dies die als Statolitherzeuger fungierenden Zellen 
am aboralen Polfeld. Jeder Statolith ist — nach eingehenden Untersuchungen von Samassa (l, Taf. IX, 
Fig. 16, 17, in dieser Schrift Taf. II, Fig. 30, 31) — das Produkt einer Epithelzelle. Thätige Statolitho- 
blasten liegen im epithelialen Verband und erst nach vollständiger Ausbildung des Orientierungs- 
steinchens werden sie abgestossen und mit der zentralen Statolithkugel vereinigt. Fertige Statolithen, 
z. B. bei Beroö, erinnern an konzentrisch geschichtete Einschlüsse bei Treptoplax, und jüngere, noch in 
Entwickelung begriffene Statolithzellen bei Callianira besitzen eine entfernte habituelle Ähnlichkeit mit 
der Flächenansicht der Exkretionsschicht von Treptoplax; trotzdem genügt dies nicht, um den Weg zu 
den Otolithbläschen der Turbellarien zu vermitteln. Es trifft hier übrigens die Hauptsache nicht zu, 
d. i. die Innervierung. Delage hat bei den Acoelen ein zentriertes, wenn auch sehr primitives Nerven- 
system entdeckt und periphere Nervenzüge verbinden die Gehirnmasse mit den Ötolithen, wie dies für 
die ursprüngliche Convoluta paradoxa oder für Monosporus rubropunctatus nachgewiesen wurde. Trotz An- 
wendung der besten Apäthyschen Methoden*) konnte ich indessen bei Trichoplax kein zentriertes 
Nervensystem auffinden. Dieser Organismus bietet uns ein vorzügliches Beispiel jener phylogenetischen 


”) Vgl, Garbowski, 4, S. 500, 


als 


Vorstufe, auf welcher vor Differenzierung selbständiger, motorisch muskulöser und sensibel nervöser 
Fibrillen sämtliche zellige Komponenten des Körpers zu den betreffenden physiologischen Aktionen be- 
fähigt sind und welche Stufe thatsächlich von allen Ahnen heutiger Metazoen durchlaufen werden 
musste. Lediglich der äussere Teil des Empfindungsapparates, als welcher die Wimperbekleidung der 
Cuticula anzusprechen ist, lässt sich direkt mit der Bewimperung der Würmer, aber auch der Infusorien, 
vergleichen. 

Wir müssen jedoch auf die Frage näher eingehen, ob Trichoplax nicht etwa eine näher zu 
stellende Vorstufe der Turbellarien repräsentiert, ein Ahnenstadium ohne Fibrillen und Sinnesorgane. 
Die Frage hängt mit der Frage nach dem Ursprung der Acoelen innig zusammen; denn obschon die 
spezifische Ausbildung der Gewebe und der Mangel der Keimzellen die Annahme phyletischer Ver- 
wandtschaft unwahrscheinlich machen, so ist sie doch nicht von vornherein auszuschliessen. Graff, 
der die Turbellarien wegen des Nervensystems in eine gewisse Beziehung zu den Ctenophoren bringt, 
hält sie für ursprünglichste Scolecidengruppe und im Gebiete der Turbellarien selbst erklärt er konse- 
quenter Weise die Acoela für die primitivsten. Demgemäss beurteilt er den Trichoplax und im Gegen- 
satze zu den Vermutungen einzelner Phylogenetiker (wie z. B. Langs), die auf die Möglichkeit sekun- 
därer Acoelie stationär gewordener Larven höherer Metazoen hinweisen, sagt er hierüber: „Wie ich die 
Stellung der Acoelen auffasse, ist es zu ihrem Verständnisse gar nicht nötig, so wenig begründete An- 
nahmen heranzuziehen. Ich suche die Ahnen derselben weder unter den Ctenophoren noch in hypo- 
thetisch stehen gebliebenen Polycladen, sondern finde, dass die von E. Schulze entdeckte Form eine 
Vorstufe der Acoela darstellt, welche direkt zu den Gastraeaden hinführt“ (l. c. S. 50). Für Graff 
ist also die Anenterie der Acoelen ein primärer Charakter. Obwohl wir auf phylogenetischem Gebiete, 
wo es nur schwankende Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten giebt, nicht rasch eine kategorische 
Behauptung aufstellen werden, so ist für uns die Ansicht Graffs dennoch evident falsch. Verschiedene 
Charaktere, welche bei darmlosen Tieren nicht auf ursprünglichem Wege herangezüchtet werden konnten, 
mehrfache Differenzierung unter den Parenchymzellen und die Art, in der die Arbeitsteilung unter ihnen 
durchgeführt erscheint, der Bau der Geschlechtsorgane, vor allem aber die Anwesenheit eines degenerativ 
charakterisierten Nervensystems samt Sinnesorganen stellen die Abstammung der Acoelen von 
Gruppen mit Darm und höherer Organisation ausser Zweifel. Alles spricht dafür, nichts spricht da- 
gegen. Unwissenschaftlich wäre es, sich über die Abstammung gastrocoeler Turbellarien positiv aus- 
zusprechen.*) Müssig wäre es sogar, darüber zu streiten, ob unter Gastrocoelen die Rhabdocoelen 
thatsächlich ursprünglicher sind als die Dendrocoelen. In der Frage nach dem Ursprung der Strudel- 
würmer berühren sich und zum Teil aufheben Meinungen verschiedener Autoren, wie Kleinenberg, 
Pereyaslawzewa u. A., von denen wir an dieser Stelle nur die Ansicht Meönikoffs hervorheben mögen, 
der, wie Graff, die Darmlosigkeit für primär erklärt hat (allerdings noch vor den Spezialergebnissen 
von Delage u. A.) und das axiale, von Vacuolen durchsetzte Syncytium der Acoelen als eine Art 
Darmhöhle auffasst (Metnikoff 1, 2, S. 156). 


Wenn wir uns genötigt sehen, in Acoelen sekundäre, retrogressiv sich entwickelnde Turbellarien 
zu erblicken, so steht uns nichts im Wege, diesen Transmutationsmodus als umkehrbar aufzufassen, und 
mehrere Gründe, namentlich theoretischer Natur, weisen darauf hin, dass die Acoelie des Trichoplax und 
Treptoplax thatsächlich ursprünglich ist, jedenfalls einen völlig anderen Charakter besitzt als bei den 


*) Bloss anmerkungsweise wollen wir daran erinnern, dass Strudelwürmer entweder für sekundär oder für primär gehalten werden, 
Nach Hatschek stammen sie zusammen mit Platoden von Proturbellarien ab, die sich ihrerseits an das hypothetische, nach dem Schema der 
afterlosen Protrochula gebaute Protrochozoon anschliessen; sie wären demnach, neben Platoden, die überlebenden Vertreter primär aprocter 
Scoleciden. Andere Forscher leiten hingegen Turbellarien samt Trochelmien (Rotatorien und anderen Vertretern der Trochophora (T’rochozoon) 
linie Hatscheks — im Sinne Delages) regressiv von Anneliden ab! 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 6 


ed 


darmlosen Strudelwürmern. Diese Apsicht ist bereits genügend motiviert worden, um als Behauptung 
zu gelten. Böhmig (2, S. 45), der den Mangel eines differenzierten Darmkanals bei acoelen Turbellarien 
apodiktisch als sekundär erklärt hat und auch das pelagisch lebende Scheibentier Haplodiscus Weldon 
auf Rhabdo- und Alloiocoelen zurückführt, hält die Acoelie des Trichoplax mit Unrecht für ebenso 
sekundär. Bei sekundärer Acoelie ist das Enchymgewebe als ein Gemisch mesodermaler und entoder- 
maler Elemente aufzufassen. Hier hat eine Sonderung in zwei solche „Keimblätter‘“ niemals statt- 
gefunden, das Parenchym hat folglich sowohl morphologisch als physiologisch einen anderen Wert als 
z. B. bei Convoluta. Ihre Gewebe sind nicht „homolog“. 


Dürften wir uns auf einen Augenblick in abstammungsgeschichtliche Spekulationen einlassen 
und geneigt sein, in Trichoplax und T’reptoplax überlebende Ausläufer einer uralten Ahnengruppe der 
irgendwann gelebt habenden Proturbellarien zu sehen, also die nämliche Rolle ihnen zuzuschreiben, 
wie sie in der Phylogenie den Onychophoren gegenüber den Tracheaten zukommt, so würden wir 
dennoch an ein unüberbrückbares Hindernis stossen, und zwar an eine — sagen wir, aprokte — gastrocoele 
Urform, mag sie Protrochula, Protrochozoon oder anders heissen. Diese Zwischenform würde erstens be- 
weisen, dass die Enterocoelie im allgemeinen polyphyletischen Ursprungs ist - weil selbst der kühnste 
Theoretiker sich nicht erkühnen würde, sämtliche Metazoen von Strudelwürmern abzuleiten — zweitens 
würde sie uns belehren, dass die Einmündungsstelle des Trichoplacidenzweiges so weit unten vor die 
Protrochula am Stammbaume der Polycyten zu setzen ist, dass jede Beziehung zwischen Autoscoleciden 
(Turbellarien, Platoden) und ihnen selbst aufgehoben wäre; ist ja doch in einem dermassen entfernten 
Grade alles Lebende einander blutsverwandt! 


Was theoretisierenden Zoologen den Gedanken einer Zusammengehörigkeit des T’richoplax mit 
Turbellarien besonders nahe legte, war — neben rein habituellen Merkmalen — zweifellos die auch 
unter Turbellarien verbreitete agame Fortpflanzungsweise durch Teilung. Ausser der allgemein be- 
kannten Erscheinung der Catenula bei manchen Süsswasserformen, hat man z. B. bei Stenostomum, einem 
Rhabdocoel, das ganze Jahr hindurch ausschliesslich asexuelle Propagation beobachtet, erst im Spät- 
herbst haben die Tiere protandrisch Gonaden entwickelt (vgl. J. Keller, 1). Auch J. Kennel (1) be- 
richtet über die vielen Turbellarienarten eigenen Fähigkeiten zu asexuellen, lange andauernden Teilungs- 
perioden. Die Teilung ist aber auch sonst im Tierreich verbreitet und tritt sporadisch in eng abgezirkelten 
höheren Formengruppen auf, wo man sie gewöhnlich nicht anzutreffen pflegt. So hat Maupas in 
Objektträgerkulturen ganze Reihen von Generationen von Rotatorien und Oligochaeten erhalten, wo 
Geschlechtsformen gar nicht vorgekommen sind. Bei chaetopoden Anneliden, wo die Teilung öfters 
auftritt, kann sie mitunter in ganz abnormaler Weise überhandnehmen. Bei Otenodrilus monostylos, einem 
noch niedriger als Polygordius organisierten Archianneliden hat Zeppelin (vgl. 1, S. 633, Fussnote) 
sexuelle Fortpflanzung überhaupt nicht gesehen und der Teilungsprozess war so rege, dass sich hierbei 


fast jedes Segment zu einem selbständigen Zooid entwickelte. 


Dem ist aber nicht Wunder zu nehmen. Ungeschlechtliche Propagation durch Teilung ist von 
Haus aus eine physiologische Eigenschaft des lebenden Plasmas, kann nirgends gänzlich unterdrückt 
werden, da dies mit der Aufhebung der Wachstumsmöglichkeit und des Lebens überhaupt gleichbedeutend 
wäre, sie wird aber in verschiedenem Masse durch sekundäre Verhältnisse des Lebens geregelt und 
kann auch zu jeder Zeit je nach dem Bedürfnisse der Organismen eingeschränkt oder gefördert — wie 
man zu sagen pflegt, neu erworben — werden, wodurch sie als scheinbare Neuerwerbung polyphyletischen 
Charakter gewinnt. Wir haben bereits oben den Teilungsvorgang bei Trichoplax erörtert und seinen 
im Vergleich zu den übrigen Metazoen primären Charakter hervorgehoben. Hier möge noch daran er- 
innert werden, dass diese Teilung im Bereiche der Gewebstiere eine ähnliche Stelle einnimmt, wie unter 
Protozoen die Teilung der Opalinen, von denen wir übrigens gar nicht wissen, ob die vielkernige 
Form wirklich die eigentliche Reifeform des Individuums ist, ob nicht vielmehr einkernige Exemplare 


ee 


die Speciesform an sich und die polynukleären ein Fortpflanzungsstadium repräsentieren. Bei Trichoplax, 
wie bei ciliaten Infusorien, ist die Teilung rein additionell und führt zu keiner Arbeitsteilung. Nach 
F. Wagner (1) ist die Teilung ein Trennungsprozess ursprünglich zu einem einheitlichen Ganzen ge- 
höriger, durch normales Wachstum entstandener oder im Entstehen begriffener Teile, bei welchem er- 
gänzende Neubildungen unter Beseitigung der ursprünglichen Einheit neue Individuen bilden. Bei 
Trichoplax haben wir nun mit reiner Architomie, vielleicht.Hemitomie als Dissektion zu thun, was sie 
von allen übrigen Teilungen bei Metazoen trennt, mit Ausnahme der selten vorkommenden Hemitomie 
der Embryonen oder kleiner Larven, die ebenfalls ohne Regeneration bewerkstelligt wird.*) Mit den 
sonstigen Teilungsvorgängen bei Metazoen hat die Architomie der Trichoplaciden nur das Eine gemeinsam. 
dass im Zeitpunkte der Teilung die Körpermasse der Schizonten genau der Totalität des Muttertieres 
entspricht. (Vgl. Kennel, 2). 


Obiges dürfte genügen, um jeden Vorurteilsfreien zu überzeugen, dass die Teilungsfähigkeit der 
Turbellarien selbst im Rahmen phylogenetischer Denkungsweise keinen abstammungsgeschichtlichen 
Wert haben kann und dies nicht nur für unseren Spezialfall, sondern im allgemeinen. 


Im Fortpflanzungscyklus des Trichoplax begegnen wir übrigens einem Vorgange der Concrescenz, 
wie er im Bereiche der Metazoen nicht wiederkommt und lediglich bei jungen Entwickelungsstadien 


hie und da als atavistische Reminiscenz erfolgen kann. 


Ausser bei Turbellarien, hat man für Trichoplax auch bei Poriferen verwandtschaftliche Bezie- 
hungen gesucht. Hatschek z. B., obwohl er die systematische Stellung dieses Organismus so lange 
nicht beurteilen will, so lange ein sexueller Zustand nicht bekannt ist, hat dessen flache Gestalt mit 
der scheibenartigen, abgeflachten Gestalt gewisser Spongienlarven verglichen (3, S. 245) und ist geneigt, 
die Vermutung einiger Zoologen zu teilen, Trichoplax sei eine zurückgebliebene oder sonstwie ver- 
selbständigte Larvenform der Spongien. Wir dürften nicht allzusehr irren, wenn wir auch hier auf die- 
selben zwei Motive hinweisen, die für die Ableitung des Tieres von der Turbellariengruppe den Aus- 
schlag gegeben haben: habituelle Ähnlichkeit und spontane Teilung. Hiermit sind wir auch in den 
Stand gesetzt, die Frage verneinend zu erledigen. 


Gewisse Spongienlarven, z. B. die Larve von Aplysilla sulphurea (siehe F. E. Schulze, 2, Taf. XXIV, 
Fig. 30, Delage, 3, II, 1 u. A.), sind dem Trzchoplax in der That ähnlich. Wir haben aber die Histologie 
dieses Tieres eingehend genug berücksichtigt, um ohne neuerliche eingehende Analyse behaupten zu 
können, dass die Ähnlichkeit lediglich im Habitus besteht und insofern bestehen muss, als ursprüng- 
lichste, unter gleichen Verhältnissen lebende Organismen sich auch geweblich gleichen müssen. In 
der Zwischenschicht des Muttertieres lebende Aplysillalarven besitzen aussen ein mehr oder minder gleich- 
mässig entwickeltes, hohes, bewimpertes Zylinderepithel; einzelne Zellen desselben sind prismatisch 
abgekantet (ähnlich wie dies an Silberpräparaten bei Trichoplax zu beobachten ist), in ihrem Basalteile 
sind sie von dunklen Körnchen erfüllt, distalwärts mehr hyalin und haben länglich ellipsoidische Kerne, 
Das Innere wird von einem Gallertgewebe mit den üblichen Sternzellen u. dergl. eingenommen (Schulze, 
2, S. 415). Wie daraus ersichtlich, haben die beiden Wesen miteinander nur das Wenige gemeinsam, 
dass sie sich beide auf das Schema einer Parenchymula zurückführen lassen, ähnlich wie man 
himmelweit voneinander entfernte Organismen auf das Schema z. B. einer Leptogastrula zurückführen 
kann. Sonst sind ihre Gewebe, nicht nur was die Mikrostruktur der Zellen, sondern was die Zellen 
selbst, ihre Differenzierung in Zellarten und ihre Verlagerung anlangt, durchaus verschieden. Soviel in 
Bezug auf die unläugbare habituelle Ähnlichkeit. 


*) In diesem Zusammenhange möge die höchst auffallende Gepflogenheit gewisser ausschliesslich sexueller Oligochaeten Erwähnung 
finden, sich in frihem embryonalen Stadium zu teilen; wie Lumbricus trapezoides. (Siehe Taf. VI, Fig. 18.) 


6* 


aeg 


Die Fähigkeit der Teilung betreffend, hat Buch (1) bei der Zucht von Ephydatia gesehen, dass 
die Larven in mehrere lebensfähige Stücke zerfallen können. Nach unseren vorausgeschickten Analysen 
des Teilungsprozesses wird es aber einleuchten, dass dieser Erscheinung jede Beweiskraft in Fragen 
phylogenetischer Verwandtschaft abgeht. Dasselbe gilt natürlich von der in verschiedenen Gruppen 
auftretenden Fähigkeit concrescenzartigen Zusammenfliessens einzelner Larven in eine morphologische 
Einheit. Aus der Poriferengruppe liegen verlässliche Angaben Nassonows (1) über die auf Ostrea vor- 
kommende Gattung Clone vor. Das Ei dieses Schwammes kriecht amöbenartig an den Wänden des 
Aquariums herum, die kleinen Keime findet man oft zu mehreren gruppiert nebeneinander sitzend, was 
offenbar zu bleibender Verschmelzung führt, da Nassonow an einem Keimpaar, das sich an einem 
Kalkplättchen befand, die Concrescenz direkt beobachten konnte (vgl. 1. c. p. 300—301, Taf. XVII, 
Fig 5, nicht sehr klar, und Taf. XIX, Fig. 6). In Bezug auf die plasmogamisch fungierende Concrescenz 
bei Trichoplax können wir hier nichts weiter als die Thatsache konvergenter Anpassung in beiden 
Fällen konstatieren. 


Sporadisch treten ja selbst bei hoch organisierten Metazoen, wie z.B. bei Dreissensia polymorpha nach 
Frenzel (6) oder bei Sciariden unter Dipteren, Fälle auf, wo sich junge Individuen (Velumlarven, Maden) 
vor Erlangung der Geschlechtsreife fast nach Art von Plasmodien zu grösseren Komplexen verbinden 
und dann gleichsinnig als Organe ein und desselben Willens fungieren. 


Im grossen und ganzen hat der Vorschlag, T’richoplax in den Formenkreis der Spongien einzureihen, 
nur wenige Anhänger gefunden. Jedoch selbst diesen wenigen schien der Unterschied im Bau doch 
zu bedeutend, um das Tier geradewegs als einen Schwamm zu erklären. So hat man auch der Ver- 
mutung Ausdruck gegeben, Trichoplax sei ein abnorm entwickeltes Tier, nach Ehlers (1) Bezeichnung 
kein eunomaler, sondern paranomaler Organismus, welcher unter dem Einflusse äusserer Verhältnisse, 
in eine ausserhalb der Regelmässigkeit liegende Bahn gebracht wurde und in dieser sich weiter ent- 
wickelt hat. Ein Anonymus (1, S. 317—320) hat in ihm eine paranomale, in der Entwicklung zurück- 
gebliebene und aberrante Poriferenlarve vermutet. Zu den Beweisen für die Richtigkeit solcher Annahmen 
soll der Umstand gerechnet werden, dass derartige Organismen stets vereinzelt zur Beobachtung ge- 
langen, bald verschwinden und niemals sexuelle Fortpflanzung aufweisen können. Wir sehen nicht ein, 
warum gerade das Letztere eine notwendige Folge paranomaler Lebensverhältnisse sein sollte und würden 
eher erwarten, dass ein so wichtiges Organ wie die Zeugungsdrüsen, bei sonstiger Lebensfähigkeit des 
Organismus, zwar einer Änderung unterworfen sein. nicht aber einer vollständigen Atrophie unterliegen 
werde. Anderseits geben wir zu, dass bei einem vereinzelten Falle die Annahme paranomaler Entwicklung 
zulässig, d. h. logisch sein kann. Auch wollen wir durchaus nicht in Abrede stellen, dass bereits 
Formen bekannt gemacht wurden, bei denen sporadische Aberration vom normalen, morphogenetischen 
Geschehen viel wahrscheinlicher ist als Eunomalität. Als Beispiel möge das bekannte Polyparium am- 
bulans angeführt werden, ein wurmförmiges Anthozoon mit zahlreichen Mundöffnungen und Saugnäpfchen, 
derer es sich beim Kriechen bediente. Der Entdecker selbst hat es als ein „exclusives, aberrantes 
Wesen“ beschrieben (Korotneff, 2, S. 468) und die Annahme, Polyparium wäre ein zufällig abgetrennter 
und in seichtes Wasser geratener Teil einer Tiefseeaktinie, trifft vielleicht das Richtige. Wir finden 
aber absolut keinen Grund, etwas aberratives im Organismus der Trichoplaciden zu erblicken. Es liegen 
im Gegenteil mehrere Gründe vor, welche diese Eventualität gänzlich ausschliessen. Zum ersten ist 
Trichoplax nicht etwa einmal, sondern mehrmals an verschiedenen Lokalitäten und zu verschiedenen 
Jahreszeiten aufgefunden worden und zwar unter ganz gewöhnlichen Umständen, nicht wie z. B. die 
Salinella salve in einer geringen Quantität Wasser von sehr besonderer chemischer Zusammensetzung. 
Zum andern befanden sich die Aquarien, in denen er gezüchtet wurde, in gutem, normalen Zustande. 
In dem grössten Behälter, in welchem ich Trichoplax monatelang beobachten konnte, lebten ausser ihm 
kleine Anneliden, Corophiiden, Hydroiden, von grösseren Tieren zahlreiche Nacktschnecken und einige 


A 


Echinodermen, die sämtlich gut gediehen und Eier absetzten, welche sich weiter normal entwickelt 
haben. Im Aquarium mit Trichoplax bei F. E. Schulze befanden sich kleine Coelenteraten, wie Cladonema 
radiatum, Cotylorrhiza u. A., deren Verhalten ebenfalls normal gewesen. Woher also eine abnorme Ent- 
wickelung bei Trichoplax? Drittens ist zu beachten, dass das Tier in verschiedenen Instituten längere 
Zeit gehalten wurde, in Behältern, die zwar — wie dies sonstige Tierformen, die mit ihm vergesell- 
schaftet waren, beweisen — ihren Insassen alle Bedingungen einer normalen Existenz boten, jedoch in 
keinem einzigen Falle die freie Natur vollständig ersetzen konnten und stets, sei es in den Temperatur- 
verhältnissen, sei es in der Zusammensetzung und Konzentration des Wassers, in der Durchlüftung, 
Nahrungsgehalt etc. etc. ganz spezialisierte und niemals identische Kombinationen der 
wichtigsten Faktoren darstellten. Und doch, wie es aus den Angaben von Me£nikoff (Claus). 
Graff, Schulze, Noll, von mir und Anderen zu entnehmen ist, überall entwickelte sich und verhielt 
sich der in Rede stehende Organismus in der nämlichen Weise; ein höchst unwahrscheinliches, 
ja, unmögliches Zusammentreffen, würde es sich hier um paranomale Morphogenese handeln. Zuletzt 
darf man nicht vergessen, dass es ausser Trichoplar noch die Monticellische Form giebt, einen zweiten 
bestimmt organisierten und spezifisch verschiedenen Vertreter desselben Grundtypus, was ebenfalls bei 
Annahme sporadischer Anomalie unwahrscheinlich wäre. Somit erweist sich diese Annahme als unrichtig 
und kann keinen Erfolg haben. Ehlers (1, S. 497), der zweifellos wegen taxonomischer Schwierigkeiten 
den Trichoplax für paranomal erklärt hat, war thatsächlich nicht im Stande zu sagen, was für Tieren, 
zumindest was für einem Tierkreise die vermeintliche Trichoplaxlarve entstammen soll; während er den 
Abstammungskreis anderer Paranomalien, wie z. B. des Cfenodrilus, mit Leichtigkeit bezeichnen konnte. 
Bei derlei Annahmen wird man überhaupt gut thun, stets vorsichtig vorzugehen. Würde man z.B. 
alle diejenigen Tiere für unkontrollierbare Regelwidrigkeiten halten, deren Entwickelung nicht in den 
Rahmen einer allgiltigen Gastraeatheorie passen will oder deren Furchung gegen die Homologisierungs- 
imperative der berühmten Trias Mollusken-Anneliden-Polycladen rebelliert, dann müsste man die weitaus 
grössere Hälfte des Tierreichs als „abnorm“ erklären. 


Dieser Einsicht gemäss werden wir auch niemals in Versuchung kommen, Formen, wie den 
Geryonidenparasiten Cunoctantha (Korotneff, 3) oder den merkwürdig polypenartigen Gastrodes, der in 
einigen Salpenarten schmarotzt (Korotneff. 4) als abnorm behandeln, mag ihre Entwickelungsgeschichte 
und ihr Körperbau noch so stark von den für die übrigen Stammesgenossen als Regel erschlossenen 


Verhältnissen abweichen. 


Wir haben bereits die Trichoplaciden als eine eunomale, weder von Turbellarien und höheren 
Gruppen, noch von niederen Coelenterien, wie Poriferen, ableitbare Gruppe erkannt. Wir wissen auch, 
dass sie histologisch einen ähnlichen, vielleicht niedrigeren Höhepunkt der Differenzierung erreicht 
haben als Poriferen. Diese werden nun als niedrigste Metazoen gern mit sozialen Unicellulaten ver- 
glichen und zu Zwecken phylogenetischer Taxonomie, welche jede Kluft überbrücken soll, ausgebeutet. 
Wenn aber Trichoplaciden in ihrer Organisation kaum so hoch stehen wie die Schwämme, so wird man 
sich veranlasst fühlen zu fragen, ob sie sich nicht an Protozoen als Übergangstypus angliedern liessen. 
Nur der Vollständigkeit halber wollen wir diesem Thema einige Worte widmen, da jeder Versuch in 
dieser Richtung erfolglos bleiben muss. 


Man hat die Spongien wegen der Kragengeisselzellen im Gastralepithel von Choanoflagellaten 
abgeleitet; genau so, wie wenn man die Wirbeltiere auf Grund des übereinstimmenden Baues des 
Gesichtsorgans von Cephalopoden ableiten würde. Individuen was für einer Protozoenklasse müssten 
sich tektologisch verbinden, um in den parenchymulaartigen Körper des Trichoplax zu resultieren? Was 
für Zellindividuen haben sich in epithelialen und parenchymatösen Verband vergesellschaftet? Habituell 


Ya 


machen sich mehrere Anklänge an Amöben bemerkbar. Die Unbeständigkeit der Körperumrisse, die 
durchscheinenden Glanzkugeln erinnern an die solitär lebende Pelomysa. Die Teilung ist auch bei 
Amöben der dominierende Fortpflanzungsmodus; ausser ihm finden wir aber selbst bei nackten, ursprüng- 
lichen Sarcodinen verschiedene andere Fortpflanzungsarten (siehe Holmann, 1), sogar einen aus- 
gesprochenen Generationswechsel, so dass man angesichts einer ebenso grossen Mannigfaltigkeit in der 
Vermehrung bei sonstigen Protozoen, keinen Anhaltspunkt gewinnen kann. Nicht anders geht es mit 
dem einzigen äusseren Locomotionsorgane der Trichoplaciden, den Wimpern. Nach den Untersuchungen 
von M. Roth, W. Engelmann und Haeckel (4, Kap. VI) vermag die Fliimmerbewegung kontinuierlich 
in Pseudopodienbildung überzugehen, und umgekehrt, amöboide Bewegungsweise mittels zähflüssiger 
Plasmafortsätze kann durch Wimperbedeckung nach Ablauf des nötigen Umgestaltungsprozesses ersetzt 
werden. Beide Bewegungsmechanismen sind für den Phylogenetiker in gleicher Weise ursprünglich, 
indem schon die primitivsten Zellentiere die Fähigkeit besitzen, aus einfachen Pseudopodien Geisseln 
und Wimperhaare zu bilden, obwohl es zugleich keinem Zweifel unterliegen kann, dass Pseudopodien 
älter sind und dass die einfache, amöboide Bewegung einerseits mit der Ureigenschaft des Plasmas, sich 
zu kontrahieren und zu dehnen. anderseits mit der Kontraktilität aller Zellen bei höheren Organismen 
genetisch zusammenhängt. Demgemäss kann beinahe bei allen Einzelligen die Geissel- oder Wimper- 
bewegung aufgehoben und in amöboide verwandelt werden, wie auch fast alle Proto- und Sporozoen- 
ordnungen in ihren Entwickelungscyklen in das Bereich ursprünglichster Gymnamöben einmünden. In 
weiterer Erwägung dieses Umstandes wird man berechtigt sein, wenn nicht zu behaupten, so doch als 
eine Annahme, die den grössten Grad von Wahrscheinlichkeit für sich hat, den Satz aufzustellen, dass 
unsere heutigen Protozoenordnungen polyphyletischen Ursprung haben müssen. Und wenn 
wir hinzufügen, dass auch die Vielzelligen, wenn nicht selbstverständlich, so doch höchst 
wahrscheinlich polyphyletischen Ursprungs sind, so ist es nur ein auf Grund obiger Über- 
legung gewonnener Schluss, und ein logischer Schluss. 


Wir wissen aber heutzutage noch zu wenig von dem inneren Geschehen bei den mannigfaltigen 
Vorgängen der Zellteilung und von gegenseitiger Beeinflussung geteilter Zellen, die ihren Zusammen- 
hang nicht aufgeben oder Verbindungen miteinander eingehen, um den Charakter jener phylogenetischen 
Prozesse näher zu bestimmen. An überlebenden Übergangsgliedern wird es zwar auch heute nicht 
fehlen, aber den Trichoplax können wir als solches weder verstehen noch verwerten. Die von einigen 
Autoren geäusserte Möglichkeit, das Tier sei vielleicht kein echtes Metazoon, sondern eine Vergesell- 
schaftung von Einzelligen, existiert für uns nicht und braucht uns daher hier nicht näher zu beschäftigen. 
Trichoplax ist ein echtes Metazoon, wie eine Protohydra oder eine Convoluta, er nähert sich vielleicht der 
besprochenen Übergangsschwelle mehr als die Poriferen, aber ein Übergangsglied in der Art des 
Peripatus oder des Amphioxus ist er nicht und vermag zu theoretischen Konjekturen über den Metazoen- 
ursprung derzeit keinen Anhaltspunkt zu bieten. (Vgl. Frenzel, 2, S. 579.) 


Es wurde der Gedanke ausgesprochen, (Schulze, 4, S. 97, Bütschli, I, S. 424—425), dass 
Trichoplax eine flach ausgebreitete Gastrula sein könnte, so zwar, dass seine untere Fläche die flächen- 
haft ausgestülpten Wände eines Archenterons, die Peripherie des Körpers ein Prostoma, der Rücken 
das animale Blatt und das innere Parenchym die Mesodermschicht einer regelrechten Gastraea darstellen 
würden. 

Obschon ein derartiger Umwandlungsprozess an sich und mechanisch nicht unmöglich wäre, so 
fehlt es doch an allen positiven Daten, um eine solche Transmutation anzunehmen. Die ursprüngliche 
Gastrulaaxe wäre hier infolge der vollständigen Verwischung des Apicalpoles desorientiert und es wäre 
fraglich, ob Trichoplax als ein protaxoner Organismus aufgefasst werden könnte. Die Idee selbst wurde 


Ze 


nicht auf Grund des wirklichen Sachverhalts, sondern nur als Fortsetzung eines anderen Ideenkomplexes, 
im Banne der Gastraeatheorie konzipiert und will nur in diesem Sinne behandelt werden. Ich habe 
gezeigt, dass das Tier keineswegs mit und durch seine Ventralfläche die Nahrung aufnimmt. dass es 
ventral mit einem sehr oft bei ursprünglichen Organismen, z. B. bei Poriferenlarven, anzutreffenden, 
typischen Zylinderepithel bekleidet ist, dessen postulierte digestive Funktion durch kein histologisch 
sichtbares Merkmal gekennzeichnet wird, und dass diese Befunde mit. der Annahme des Gegensatzes 
einer animalen und einer vegetativen Epithelpartie nicht vereinbar sind. Wenn der Begriff „Metazoa“ 
nicht mit „Polycellulata‘“ oder Gewebstieren gleichbedeutend ist, sondern ausserdem besagt, dass die 
betreffenden Tiere ein äusseres und ein axiales inneres Epithelgewebe und zwischen diesen beiden 
mindestens eine Art Zwischengewebe besitzen, so müssten wir auch die Überzeugung gewinnen, dass 
das Tier als ein zweischichtiges Wesen überhaupt nicht zu Metazoen gezählt werden kann. Vor allem 
aber fehlt jene Gastraea, aus welcher Trichoplax durch Abflachung hervorgegangen sein soll. Argu- 
mente, derer sich Haeckel zu diesem Behufe bedient, wie der Vergleich der Körperscheibe der Tricho- 
placiden mit dem Gastrulastadium gewisser meroblastischer Eier z. B. mit der sogenannten Discogastrula 
der Sauropsiden, welche kalottenförmig der ungefurchten Dotterkugel aufsitzt, und nach theoretischen 
Schemen mit ihrem aufgesperrten Blastoporus die Dottermasse aufnehmen soll, ist doch eine zu grobe 
Petitio principii, eine zu naive Demonstratio e demonstrandis, um als ein wissenschaftlicher Gedanke 
ernsthaft diskutiert zu werden. Nicht minder unrichtig wäre es, die Körperschichten eines primitiv ge- 
bauten, frei lebenden Kriechtieres mit einer „Placula‘“ zu vergleichen, wenn man darunter nicht lediglich 
ein stereometrisches Schema der Architektonik, sondern gewisse, höchst vereinzelte, durch sehr spezielle 
lokale Verhältnisse selektiv hervorgerufene Entwickelungsstadien höherer Tiere begreifen wollte. Der 
Fall des Gonium ist nichtssagend. Mit Placulastadien anderer Organismen hat diese Flagellatenkolonie 
bloss entfernte habituelle Ähnlichkeit gemeinsam; nicht einmal von „analoger“ Gestalt darf man hier 
reden. Zwischen Gonium und Salinella besteht vielleicht grössere Ähnlichkeit, trotz ihrer abweichenden 
Architektur, insofern sie den wichtigen Charakter der Zellverbindung und der bedeutenden, auch gestalt- 
lichen Selbständigkeit derselben betrifft. Meinikoff (2, S. 144) lässt T’richoplax secundär aus einer 
kugligen Form durch Abplattung entstehen, womit jede Verwandtschaft zwischen ihm und flachen 
Keimen eines Cucullanıs oder Rhabdonema verneint wird. Vom Standpunkte der bekannten Phagocytella- 
theorie Metnikoffs (1) müsste man im Enchymgewebe des Trichoplax ein fast amoeboides Mesoöntoderm 
erblicken, eine Art Phagocytoblast, welcher neben der Ernährung auch die Fortpflanzung besorgt, 
wogegen das äussere Epithel die Bedeutung eines Kinoblasts gewinnen müsste. Beides trifft hier nicht 
zu. Apäthy (1) fragt vermutungsweise, ob in Trichoplax nicht etwa jenes Stadium festgehalten und 
morphelogisch verwirklicht wäre, wo gerade Zellen aus dem Epiblast auswandern, um die Arbeit der 
inneren Schichten höherer Tiere zu übernehmen. Vielleicht war für ihn bei dieser Auffassung der 
Mangel einer schärferen Abgrenzung zwischen dem Zylinderepithel und Parenchym und die Art, wie 
die Epithel- und Enchymzellen ineinandergreifen, entscheidend.*) Von allen Abstammungstheorien hat 
der Gedankenkreis Meinikoffs, dem sich Apäthy gewissermassen anschliesst, jedenfalls bezüglich der 
Trichoplaciden das Meiste für sich. An welchem Stadium morphogenetischer Entwickelung sich die 
betreffenden Prozesse bei ihren Ahnen abgespielt haben mochten, wann sich namentlich die Fortpflanzung 
ohne Keimzellen bei ihnen als Norm gefestigt hat, ob zur Zeit, wo sie bereits den überlebenden 
Organismen ähnlich waren oder — was viel für sich hätte — noch zur Zeit protozoischer Vergesell- 
schaftung von Homoplasten, lässt sich natürlich nicht sagen. Der Hinweis Apäthys (1, S. 119, Fussnote), auch 


Volvox habe an der einen (ventralen) Seite verschieden entwickelte Zellen, gehört am wenigsten hierher. 


*) Thatsache ist, dass ich im Enchymgewebe keine Mitosen oder bloss Anzeichen von Zellteilung gefunden habe; leider auch nicht 
im Epithel. 


Se Age 


Wie dem auch sei, Trichoplax lässt sich unter Metazoen nirgends unterbringen. Es ist jedoch 
der Begriff einer Mesozoengruppe statuiert worden, die als Gegensatz zu den sonstigen, wie man 
allgemein glaubte, aus wenigstens 3 Schichten zusammengesetzten Tieren aufgestellt, eine prinzipiell 
niedrigere Organisationsstufe mit nur zwei ausgebildeten Gewebsschichten umfassen und eine vermittelnde 
Stellung zwischen Protozoen und Metazoen einnehmen sollte. Trichoplax, der, obwohl sehr ursprüng- 
lich, im Rahmen des allgemeinen, auf Gastraeatheorie gegründeten Systems für heteraxon gelten muss 
und nach Haeckels (1) allgemeiner Morphologie monaxone, diplopole, amphepipede Tiere repräsentiert, 
liesse sich in die Mesozoengruppe sehr wohl eingliedern. Es ist folglich unsere Aufgabe, den Inhalt 
dieser Gruppe zu sichten und — da wir in Trichoplax kein Übergangsglied zu erkennen vermochten — 
zu untersuchen, inwiefern die Mesozoen ihren Namen rechtfertigen. 


Bezüglich der Salinella wissen wir von vornherein, dass uns auch mit der Kategorie der diblastischen 
Mesozoen nicht geholfen sein wird. Sollten sich die in der Einteilung in Meso- und Metazoa realisierten 
taxonomischen Prinzipien als richtig erweisen, so müsste man für Salinella eine dritte Abteilung von 
Gewebstieren aufstellen, die Gruppe der Monoblastiker. 

Unser Interesse wendet sich jedoch anderswo hin. 


V. Abschnitt. 
Zur Taxonomie der Mesozoen. 


Da alle Mesozoen zweiblätterig sind und alle Gewebstiere nach Haeckels Ansicht von einer 
laurentinischen, zweiblätterigen @astraea abstammen, so fasst er die ersteren als echte Gastraeaden 
zusammen. Dennoch deckt sich das Phylon der Gastraeaden nicht ganz mit der Gruppe der Mesozoen. 
Es ist vor allem umfangreicher und hat etwas andere Bedeutung. Haeckels Gastraeaden sind Stamm- 
tiere für sämtliche Polycellulaten; als solche behalten sie durch das ganze Leben die Urform der 
Gastraea (11). Auch wird das Hauptgewicht nicht auf die Schichtenzahl des Körpers gelegt. Meta- 
zoen sind für Haeckel dasjenige geblieben, was sie ursprünglich waren: synonym mit Polycyten. 
Die Gastraeaden sind demgemäss, gleich sonstigen Tierkreisen der umfangreicheren und höheren 
Kategorie der Metazoen subordiniert. Gastraeades bilden zusammen mit Poriferen, Cnidariern, Platoden 
die Abteilung der Coelenterien im Gegensatze zu Coelomarien, die mit Vermalien anheben. Sie sind 
diploblastisch, ebenso die Spongien; Cnidarier und Platoden sind bereits Triptoblastiker. Gastraeades 
umfassen mehrere Klassen, von denen eine die Mesozoen Julins und v. Benedens bilden. Trichoplax 
wird zu den letzteren nicht gerechnet. Er bildet eine besondere Klasse der Gastremarien, deren 
Definition (Haeckel, 15, S. 45) besagt, dass sie ein Entoderm, einen Urdarm, einen Urmund, ein 
Flimmerektoderm besitzen, frei schwimmen und in einem ihrer zwei Blätter Sexualzellen entwickeln. 
Als die einzigen Repräsentanten dieser Klasse sind die Trichoplaciden anzusehen. Seiner Zeit habe 
es auch einen Archiplax gegeben, dessen Spermatoblasten (und Ooblasten?) noch nicht so hochgradig 
degeneriert waren, wie bei unserem Trichoplax, wo wir sie in den Xanthochlorellenklumpen anerkennen 
sollen. Unser Trichoplax ist, nach bewerkstelligter Ummodelung in eine Discogastrula, selbstverständlich 
auch recht eurystom geworden. Wir sehen nicht ein, warum ein Gonium oder eine Cucullanidenplacula 
in demselben Sinne auch nicht ebenso eurystom sein dürfte. Noch eurystomer wären freilich jene 
Mycetozoen, welche handgrosse Plasmodien bilden. 


Eine andere, aus Mesozoen bestehende Gastraeadenklasse enthält morphologische Blastulae 
und Gastrulae, jedoch ohne Urdarm und ohne Mund. 


ERIgNF 


Wir wollen es an dieser Stelle nicht unterlassen, zu betonen, dass diese Gastraeaden (die noch 
eine dritte Klasse, die Physemarien, umfassen) die monophyletische Stammgruppe für sämtliche Gewebs- 
tiere sind. Hier der Metazoenstammbaum in kürzester Fassung: 


Gastraea 


Gastraeades 


3 > ee 


Olynthus Archhelmis _ Archhydra 


Poriferen. Platoden. Cnidarier. 


Archhelmis und Archiplax sind archicoel; acoele Turbellarien, welchen ein inneres verdauendes 
Parenchym zukommt, sind pseudacoel. 

Ohne uns mit Archiplax und mit Archhelmis, fundamentalen Begriffen, auf welche das mächtige 
Gebäude Haeckelscher phylogenetischer Systematik gegründet ist, näher zu beschäftigen, wollen wir 
an die mehr reale Aufgabe herantreten, die ebenso wie Trichoplaciden diploblastischen Mesozoen mor- 


phologisch zu untersuchen, um Vergleiche ziehen zu können, 


Zu Mesozoen gehören Dicyemiden und Orthonectiden. Nur die ersteren waren mir zugänglich 
und können hier eingehender gewürdigt werden. Untersucht habe ich Dicyemmenea gracile Wagener 
(= ? Dicyemina köllikeriana E. v. Ben., = ? Dicyema truncatum Whitm.), welche in Venenanhängen der 
mittelländischen Sepia officinalis schmarotzt und beinahe in jedem Exemplar in Anzahl zu finden ist. 
Sie gehört zu Enneadicyemiden im Sinne Whitmanns, deren Kopfkappe aus 9 Zellen, 4 propolaren 
und 5 metapolaren besteht. Bei der Untersuchung war es mir lediglich darum zu thun, den Charakter 
der Körperschichten und ihr gegenseitiges Verhältnis kennen zu lernen, nicht aber, um die noch immer 
offenen, mit der Lebensgeschichte dieser Tiere zusammenhängenden Fragen endgiltig zu lösen. 

Die im Jahre 1839 und 1843 als Cephalopodenschmarotzer entdeckten Tiere haben ihren Namen 
von Kölliker erhalten*). Die ersten Untersucher, wie Kölliker, Wagener und Claparede haben 
bei ihnen eine Leibeshöhle beschrieben. Sie existiert aber nicht. Bereits von jungen Entwickelungsstadien 
angefangen, lässt sich der Körper der Dicyemiden als ein Epithelschlauch charakterisieren, dessen Inneres 
von einer einzigen verhältnismässig enormen Axialzelle eingenommen wird (Taf. VI, Fig. 11). Die 
ebenfalls grossen, langen, im Sinne der Körperaxe verlaufenden Zellen der äusseren Schicht befolgen, 
was ihre Zahl und Lage im speziellen betrifft, keine feste Norm, mit Ausnahme des vorderen Körper- 
poles, wo sie kurz und polygonal werden, und zu zwei symmetrischen Ringen angeordnet (Polarzellen), 
eine Art Kopfkappe darstellen. 

Morphogenetisch wichtig ist die Frage, ob der Körperbau, ausser der Hauptaxe, keine andere 
Orientierungsaxe aufzuweisen hat; ob sich nicht eine Dorsal- und Ventralseite unterscheiden lässt, 
wodurch eine bilateral symmetrische Architektonik gegeben wäre. Dies wäre für die Frage nach der 
Abstammung der Dicyemiden zwar nicht entscheidend, aber von Bedeutung. Die früheren Beobachter 
haben diesen Verhältnissen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In der neuesten Zeit hat Wheeler**) 
in einem Beitrage zur Lebensgeschichte der Dicyemiden auf eine Verschiedenheit in der Lage der 
Kopfkappe („coiffe polaire“) hingewiesen. Es giebt nach ihm orthotropale und plagiotropale Formen. 
Bei den ersteren, wie der Name bezeugt, sitzt die Polkappe vollkommen aufrecht, so dass die Ebene 


*) Citiert nach van Beneden, 1. Diese Arbeit schliesst auf S. 1205 (der Gesamtpagination) mit dem Kapitel: „Developpement 
de l’embryon vermiforme“; ich konnte nicht eruieren, ob in den weiteren Lieferungen der betreffenden Zeitschrift eine Fortsetzung erschienen ist. 
**) William Morton Wheeler, The life-history of Dicyema. Zool. Anzeiger 1899. 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 7 


er 


der beiden Polzellringe von der Körperaxe senkrecht und in der Mitte getroffen wird. Bei den anderen 
steht der Kopf schief, indem er sich nach der einen Seite, die von Wheeler als die Bauchseite be- 
zeichnet wird, hinneigt. Er giebt endlich an, dass orthotrope Arten in europäischen und amerikanischen 
Cephalopoden leben, während plagiotrope bloss in Europa vorkommen. Es würde sich also um durch- 
greifende Artcharaktere handeln. Bei ausgebildetem Plagiotropismus wäre der ganze Kopf in Mitleiden- 
schaft gezogen. Während ein orthotropal aufsitzender Kopf in der Ausbildung seiner vier zentralen, 
propolaren, und der fünf peripherischen, metapolaren Zellen eine radiäre Symmetrie verfolgt, wird er — 
ganz nach Art vieler Echiniden — bei schiefer Orientierung bilateralsymmetrisch. Sein Umfang ist 
nicht mehr kreisrund. Durch mikrometrische Messung kann man sich schon bei einfacher Untersuchung 
der Tiere im Alkohol ohne Deckglas — sonst gelingt es nur schwer, die Kopfkappe in die richtige 
Lage zu bringen — überzeugen, dass der Unterschied im Längsdurchmesser (in der Richtung der 
Neigung) und Querdurchmesser etliche u betragen kann*). Besonders aber in der Vertikalaxe kommt 
der Unterschied in der Grösse der Metapolarzellen zum Ausdruck; „ventral“ liegende Zellen sind ge- 
drungen, die dorsal gelegenen erheblich in die Länge gezogen. Ausser den eigentlichen Polzellen 
sprechen viele Autoren von „parapolaren“ Zellen, welche sich an die Kopfkappe anschliessen und den 
Übergang zu gewöhnlichen Ektodermzellen des Rumpfes vermitteln. Die zumeist dreieckigen, mit ihrer 
kurzen Basis die Kopfkalotte von unten umfassenden, mit dem spitzen Dreieckscheitel nach abwärts 
gerichteten Parapolarzellen sind nach Angaben van Benedens bei unserer Form — die Richtigkeit der 
Bestimmung als Genus Dieyemina vorausgesetzt — in der Zweizahl vorhanden; die Zahl kann bis 4 steigen; 
wie bei Dicyemopsis, bei anderen Gattungen sollen sie fehlen. Paarige Parapolarzellen würden die 
Bilateralität des Körperbaues verdeutlichen und bei entwickeltem Plagiotropismus sich ebenfalls schief 
umgestalten müssen. 

Ich selbst bin nach sorgfältigen Beobachtungen zu abweichenden Resultaten gekommen. Erstens 
halte ich den Plagiotropismus für keinen taxonomisch aufzufassenden Artcharakter, zweitens 
halte ich die Dieyemiden — ebenso wie die mir aus Autopsie nicht bekannten Orthonectiden — für 
monaxone Organismen ohne bilateral-symmetrische Differenzierung. Ich habe vielmehr den Eindruck 
davongetragen, dass die Schiefstellung des Kopfes eine individuelle Erscheinung ist, die bei einzelnen 
Individuen stets aufs neue entsteht, durch die Lebensverhältnisse aufgenötigt. Das weibliche Tier — 
und nur diese kommen hier in Betracht — ändert höchst wahrscheinlich nach Einbohrung des Kopfes 
in das Exkretionsepithel des Wirtes seine Lage zeitlebens nicht und es wird ihm durch lokal bestimmte 
Funktionen des bewohnten Organes stets eine und dieselbe Körperlage thatsächlich aufgenötigt. Durch 
solche, ununterbrochen wirkende Zerrung nach der einen Seite muss sich auch eine trophische Un- 
gleichheit in den Elementen des Kopfendes einstellen und zur bleibend schiefen und ungleichmässigen 
Entwickelung der Polzellen führen. Als beweisend für die Richtigkeit dieser Annahme kann ich vor 
allem die Thatsache anführen, dass ich zwischen plagiotropalen, fast immer Exemplare angetroffen habe, 
welche ganz zweifellos streng orthotrop waren, — und zwar in verschiedenem Alter. Gegen den Einwand, 
es könnte sich hierbei um zwei verschiedene Spezies handeln, zumal orthotropale Arten sowohl in Europa 
als in Amerika vorkommen, habe ich einzuwenden, dass das gemeinsame Leben zweier verschiedener 
Parasitenspezies desselben Typus in einem einzigen Organe wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat und 
dass die orthotropen Formen sich durch kein einziges, noch so geringfügiges Merkmal von plagiotropen 
unterscheiden. Insofern die Lage des Kopfes als systematisches Merkmal zur Trennung von Arten ver- 


wertet wurde, erfordert die Systematik sicherlich eine genaue Revision.**) Zweitens kann ich in den 


*) Meine grössten weiblichen Exemplare waren bis 4 mm lang, bei 0'15—o'2 mm Körperdurchmesser. 
*#) Dass in einzelnen Cephalopoden bei den Dicyemen eine von den beiden Lagen der „coiffe polaire“ vorherrscht, möglicherweise 
auch ausschliesslich auftritt, würde ich durch die spezifische morphologische und physiologische Beschaffenheit der Nierenanhänge erklären, wodurch 


sekundär ein bleibender Organisationscharakter beim Parasiten vorgetäuscht werden kann, 


le 


Parapolarzellen, deren Zahl von van Beneden in die Gattungsdiagnosen aufgenommen wurde, ebenso- 
wenig wie in der Lage des Kopfes ein konstantes Merkmal erblicken. Während sich die eigentlichen 
Polarzellen nicht nur durch ihre Gestalt und radiale Anordnung, sondern auch äusserlich durch ab- 
weichende Bewimperung bemerkbar machen, finde ich keinen definierbaren Unterschied zwischen den 
„parapolaren“ und sonstigen Ektodermzellen; das einzige wäre, dass stärkere Anhäufungen von Exkretions- 
körpern in den äusseren Zellen mehr in der Rumpfgegend auftreten und den Vorderteil des Körpers 
verschonen. Drittens besteht in der Anordnung der Ektodermzellen und in der Verlagerung der 
Exkretionssäckchen absolut keine Regelmässigkeit noch Symmetrie. Als systematisches Merkmal haben 
auch die Auftreibungen an den Endzellen am Hinterpole des Körpers Verwendung gefunden; von 
van Beneden wird ihre Zahl ebenfalls in den Diagnosen angeführt und auch bei unserer Dieyemmenea 
sollen sie niemals fehlen. Thatsächlich aber herrscht auch in dieser Hinsicht grosse Mannigfaltigkeit. 
Es giebt Exemplare mit starken, mitunter bruchsackartigen Auftreibungen der Zellen, auch der End- 
zellen, anderseits giebt es Individuen, bei welchen diese Auftreibungen vollständig fehlen; zu gleicher 
Zeit ein Beweis, dass diese Gebilde keine taxonomische, sondern physiologische Bedeutung haben. In 
dieser Unverlässlichkeit der Merkmale, die den gegenwärtigen Diagnosen als Basis dienen, liegt auch der 
Grund, warum es mir nicht gelingen wollte, die untersuchte Form mit den Arten Whitmanns und 
Benedens endgiltig zu identifizieren. Ich vermute, dass in der bestehenden Sonderung der Dicye- 


miden in Arten und selbständige Gattungen vieles wieder zusammenzuziehen sein wird. 


Für den angestammten monaxonen Typus dieser Tiergruppe spricht (viertens) der Umstand, dass 
die Zahl der Metapolarzellen, je nach der Art 4 oder 5 beträgt, was darauf hindeutet, dass keine 
dorsoventrale Differenzierung im Bauplane der Dicyemen als phyletischer Einheit vorgezeichnet ist. 
Nach diesem Charakter lassen sie sich in enneamere und oktomere Formen einteilen, indem die vier 
Propolarzellen mitgezählt werden. Bei plagiotropalen Köpfchen lässt sich die Lage der 5 Metapolar- 
zellen nicht so präzisieren, wie es Wheeler versucht hat, indem er von einer dorsalen, zwei lateralen 
und zwei ventralen Zellen spricht. Die Lage des Metapolarringes bei der Halsbiegung hängt vom 
Zufall ab, ebenso wie die Neigung selbst nicht nur in einer, sagen wir, dorsoventralen Richtung statt- 
findet, sondern mit einer beliebigen Schiefstellung nach rechts oder nach links verbunden werden kann. 
Zwischen den Metapolarzellen existiert also nicht der Gegensatz paariger und eines unpaaren Organes, 
wie er z. B. zwischen den fünf Längsmuskelfeldern einer Allolobophora besteht. 

Schliesslich spricht der Körperbau des Männchens für die Richtigkeit unseres Standpunktes. 
Dasselbe ist monaxon, mit schiefstehender Achse und in den vier polaren Deckelzellen und den vier 
darunterliegenden spermatogenen Zellen kommt keineswegs Bilateralität, eher der Radiärtypus zum 
Ausdruck. Dies hängt mit der kreiselförmigen Gestalt und Beweglichkeit des Männchens zusammen. 
Das Vorhandensein eines zweizelligen, lichtbrechenden Organes stört den drehrunden Grundtypus des 
männlichen Tieres nicht. 

Die Ektoblastzellen bieten einige Besonderheiten. Sie sind gross, schmal, spindelförmig, ver- 
laufen longitudinal oder diagonal, sind bei den meisten Individuen scharf konturiert und sind gewöhn- 
lichen Epithelzellen anderer pluricellulärer Tiere kaum gleichzustellen. Ihre Individualität trägt einen 
selbständigeren Charakter, ähnlich den Blastomeren jüngster Metazoenkeime oder den Zellen der Salinella. 
Schon an frischen Exemplaren heben sich ihre Grenzen deutlich ab, was bei echten Epithelien nicht 
der Fall zu sein pflegt. Ein Versuch mit Silbernitrat hat zu keinem Resultate geführt; bekanntlich miss- 
lingt er bei Imprägnation von Keimen (Gasteropoden) desto häufiger und gründlicher, je selbständiger 
die Blastomeren und je jünger die Keime sind. Nur in der Gegend des „Kopfes“ fügen sie sich als 
zelliges Mosaik zu einer höheren Einheit zusammen; hier stossen sie auch innerlich aneinander und er- 
strecken sich mehr in die Tiefe, da die Axialzelle nicht bis zum vorderen Ende heranreicht. Sämtliche 


äussere Zellen sind bewimpert; die des Köpfchens haben aber nicht nur kürzere, wie dies schon von 
7* 


E55 — 


van Beneden bemerkt wurde, sondern auch viel dichtere Cilien, eine Folge der Einsenkung des Kopf- 
endes in das Nierengewebe und vielleicht auch als Anhäufung von Empfindungselementen aufzufassen. 
Die neun Polarzellen sind auch viel dunkler gefärbt als die mitunter ziemlich durchsichtigen Zellen 
des Rumpfes, deshalb sind sie besonders bei jungen Individuen schwer zu unterscheiden und zu zählen. 
Ihre Kerne sind wie in den übrigen Zellen beschaffen, nur bedeutend kleiner. Das Plasma der Propolar- 
zellen enthält zuweilen dichte Körnchen, dasjenige der Metapolarzellen ist bedeutend heller, obschon 
ebenfalls körnig. In den folgenden, als parapolar beschriebenen Zellen ist das Plasma weitmaschig und 
oft von grossen, fast blasenförmigen Vacuolen erfüllt. Die letzteren sind kein Kunstprodukt; selbst- 
verständlich verschwinden sie z. B. unter Einwirkung Peren yischer Flüssigkeit nicht, sind jedoch auch 
im Leben deutlich zu sehen, wenn auch nicht immer; wie auch die Gestalt dieser Zellen nicht mehr 
jene Regelmässigkeit zeigt, die an der Kopfscheibe zu beobachten ist, sondern individuell variiert und 
Charaktere der Rumpfzellen annehmen kann. Auch den Parapolarzellen fehlt die plasmatische Körnelung 


nicht, ist aber niemals so dicht wie am Pol. 


Die spindelförmigen Rumpfzellen lassen im Bau ihres Plasmas zweierlei Strukturen auftreten, 
wabig-vacuoläre und fibrilläre. Die Maschen des Spongioplasmas sind deutlich, verschieden gross und 
führen in ihren Wänden tinktive Mikrosomen; ob auch im Leben, bleibt fraglich. Besonders in den 
schmalen Endfortsätzen der Zellen reihen sie sich immer deutlicher in der Längsrichtung aneinander, 
so dass plasmatische Längsfasern resultieren, die man sehr wohl als erste Ansätze zu Muskelfibrillen 
auffassen könnte. Gegen die Mitte verlieren sie sich nach und nach, so dass die mittlere Partie der 
Zellen weniger kontraktil zu sein scheint. Es kommt ihr aber eine andere, namentlich exkretorische 
Funktion zu. Hier sammeln sich in Anzahl die Exkrete, die übrigens im ganzen Zellkörper in Form von 
kleinen, unregelmässigen Körnchen ausgeschieden werden. Auch in den fibrillär differenzierten End- 
fortsätzen fehlen sie nicht; hier sind sie jedoch stets klein, blass und wenig zahlreich, in der Mitte hin- 
gegen treten sie zu grossen Haufen zusammen und verursachen höckerartige Ausstülpungen der 
Körperwand. So können wir auch im Bereiche dieser Zellen selbst den Anfang einer Arbeitsteilung 
konstatieren. Was die Exkretkörper anbelangt, sind sie bräunlich-gelb gefärbt und sind nur negativ 
zu charakterisieren. In Äther und Alkohol bleiben sie unlöslich, unter Einwirkung von Säuren ent- 
wickeln sie keine Gase und werden nicht zerstört, nehmen auch keine Farbstoffe an. Zuerst erscheinen 
sie in Gestalt sehr kleiner Körnchen, welche oft in einer gemeinsamen Alveole eingeschlossen liegen; 
nach und nach werden sie zu einem grösseren, unregelmässigen Klümpchen, welches wahrscheinlich 
von seinem Entstehungsorte in die Mitte der Zelle überführt wird und mit anderen zusammen die er- 
wähnte höckerige Vorwölbung bildet. In keinem einzigen Falle habe ich so starke, bruchsackartig 
überhängende Ausstülpungen der Körperwand beobachtet, wie sie Beneden für Dicyemina köllikeriana 
angiebt. Die angehäuften Klümpchen, von denen die einen scharf, die anderen zart konturiert, mehr 
sphärisch oder oblong bis hantelförmig sind und oft ein helles Lumen zu haben scheinen, bilden 
manchmal ganz kompakte Massen, welche das Zellplasma vollständig verdrängen. Der Kern ist dann 
stets gegen den einen Pol der Zelle verschoben. Es ist anzunehmen, dass die Exkrete die äussere 
Zellwand zum Platzen bringen und in das Lumen der Nierendrüse entleert werden. 


Anders ist die Beschaffenheit und die Rolle der Axialzelle. Je älter und grösser das Exemplar, 
desto vacuolenreicher wird ihr Plasma. Die Vacuolen verbinden sich schliesslich zu einem System von 
Lakunen, während Protoplasmabrücken, vom Kern und von dem Wandbelag der Zelle ausgehend, das 
Innere durchsetzen. Gegen die beiden Körperenden des Tieres, wo die Axialzelle manchmal sehr eng 
wird, nehmen einzelne Waben das ganze Lumen der Zelle ein, liegen in einer Reihe hintereinander 
und ihre Wände bilden eine Art von parallelen Septen, welche die abgekammerten Räume voneinander 
trennen und namentlich bei dichter Gruppierung den Zellwänden in der Rückensaite von Amphioxus oder 
in den Armen eines Hydroidpolypen nicht unähnlich sind. Diese Struktureigentümlichkeit würde ich 


= 55 Zu 


weniger als etwaige funktionelle Differenzierungen im Riesenkörper der Zelle auslegen, als mit Waben, 
wie sie in eng ausgezogenen Glaspipetten in einem zähflüssigen Inhalt entstehen, vergleichen und somit 
für eine vornehmlich physikalische Erscheinung halten. Die Axialzelle ist die eigentliche Propagations- 
zelle des Organismus. Desassimilate werden von ihrem Plasma niemals präzipitiert. Bevor noch das 
Tier ausgewachsen ist, produziert sie neue Keimzellen durch endogenetische Teilung. Stets findet 
man in ihr einige Keime, bei jungen Weibchen wenigstens zwei, die sich an Ort und Stelle zu Embry- 
onen entwickeln und den mütterlichen Körper durch einen spontanen Spalt zwischen den aus- 
einanderweichenden äusseren Zellen verlassen. Die junge endogenetisch entstandene Eizelle ist 
zugleich die axiale Propagationszelle des künftigen Individuums; sie giebt das Material für ein Häufchen 
von Mikromeren, die sie als künftige Deck-, Exkretions- und Muskelzellen umgeben. 

Inwiefern die Axialzelle der Befruchtung bedarf, um endogenetisch proliferieren zu können, ob 
die Weibchen nur androgen (rhombogen) oder nur gynogen (nematogen) sind, oder aber beide Ge- 
schlechter — je nach dem Alter des Individuums (Protandrie, Progynandrie) oder nach den Ernährungs- 
verhältnissen*) — zu liefern vermögen, das sind Fragen von grosser biologischer und rein morpho- 
logischer Bedeutung, auf die wir indessen nicht näher eingehen können, um nicht von dem verfolgten 
Thema zu weit abgeführt zu werden. Es handelt sich uns hier um das gegenseitige Verhältnis und die 
Bedeutung der Körperschichten, die wir in ausreichender Weise charakterisiert zu haben glauben. 

Das kreiselförmige Männchen ist höher entwickelt als das weibliche Tier. In beiden Gewebsschichten 
ist hier die Arbeitsteilung vollständig durchgeführt. Ich führe seinen Bau direkt auf den des 
Weibchens zurück. Durch eine andere Entstehungsweise der Keimzellen und durch die freie, rotierende 
Bewegung ist hier der Körper gedrungen und kugelig, während er beim Weibchen wurmförmig geworden. 
Ausserdem scheint hier das ganze Tier plagiotrop orientiert zu sein, die Längsachse ist, wie bei der 
Erdkugel, nach der einen Seite geneigt, was einerseits durch das unpaare, lichtbrechende Organ (Sinnes- 
organ). anderseits durch noch nicht bekannt gewordene Eigentümlichkeiten des Befruchtungsaktes 
bedingt sein dürfte. Der Kopfpol ist flach kegelförmig zugespitzt, der Hinterpol abgerundet. Von der 
Kopfplatte blieb nur die aus vier Zellen zusammengesetzte Propolarrosette erhalten. Der Metapolarring. 
sowie die halsartige Verjüngung hinter dem weiblichen Köpfchen — dort wahrscheinlich als Folge 
der Einbohrung des Vorderendes in das Epithel des Wirtes herbeigeführt — kommt hier, der Lebens- 
weise gemäss, nicht zur Entwickelung. Ausser zwei lichtbrechenden Zellen bilden alle anderen Zellen 
der Aussenschicht ein typisches Epithel und sind gleichmässig bewimpert. Im inneren Gewebe sind 
4 Spermatogonien von der runden, sie aufnehmenden Urne zu unterscheiden. In den Spermatogonien 
entwickeln sich stecknadelförmige Spermatozoen, die auch thatsächlich in der Axialzelle der Weibchen 
wiedergefunden werden. 

Wie man sieht, ist das Männchen in zweierlei Richtungen, architektonisch (in Bezug auf die Zahl 
der vorhandenen Gewebstypen) und histologisch (in Bezug auf den Grad der Differenzierung einzelner 
Gewebsarten) höher organisiert; so z. B. betreffs des äusseren Epithels. Beim Weibchen von Dicyemmenea 
ist noch kein echtes Epithel vorhanden. Bei Conocyema aus der Gruppe der Heterocyemiden, finden wir 
hingegen einen syncytialen Körperbelag. Die Zellen geben ihre Individualität vollständig auf und 
fliessen zu einer homogenen, von Kernen durchsetzten protoplasmatischen Schicht zusammen, woraus 
auch zu folgern ist, dass diese Formengruppe von echten Dicyemiden abzuleiten sein wird. 

Bevor wir zur theoretischen Beurteilung der Dicyemen übergehen, wollen wir uns noch den 


Bau der zweiten Mesozoengruppe, der Orthonectiden, in Erinnerung bringen. 


*) So glaubt Keppen (in einer nach Delage, 3, II citierten russischen Publikation: „Nabliudenia nad razmnogeniem dicjemid“, 
Odessa 1892), es existiere nur eine Form von Weibchen, die für gewöhnlich nematogen sind und bei besonders reichlicher Nahrung rhombogen 
werden. Diese Annahme bleibt mir unverständlich, In meinem istrischen Material waren die Weibchen zumeist gynogen. Die Männchen waren 
nicht häufig. 


= 


Diese, bei Ophiuriden, Nemertinen und Turbellarien schmarotzenden Polycyten von äusserster 
Kleinheit (bis 0-2 mm lang) bestehen im weiblichen Geschlecht aus einer spindelförmigen, soliden Masse 
von gleichwertigen Zellen — sagen wir es gleich, Propagationszellen — die mit einer einfachen, epithel- 
artigen Zellschicht bedeckt ist. Diese besteht aus Zellen, die in ihrer Anordnung eine Art von Meta- 
merie markieren und auch regionale Unterschiede in der Bewimperung aufweisen (Taf. VI, Fig. 10). 
Der Körper ist monaxon und im Querschnitte drehrund; es ist weder an Geschlechtsformen noch an 
Entwickelungsstadien irgend welches Anzeichen von primär erworbener oder in Rückbildung begriffener 
Bilateralität nachzuweisen. Das Männchen ist auch hier — wie bei Dicyemiden — kleiner, mobiler und 
zeigt eine höhere Organisationsstufe. Ausser den Propagations- und Dermalzellen besitzt es noch eine 
Zwischenschicht von Muskelelementen. Diese werden von Myoblastzellen geliefert, die im Embryo 
neben der Geschlechtszelle zu finden sind (Taf. VI, Fig. 9) und deren Kerne auch im Reifezustand 
persistieren; die Muskelfibrillen umgeben spindelförmig die innere Zellmasse und reichen bis zu den 
beiden Polen des Körpers. Beim Weibchen werden ebenfalls Muskelfibrillen beschrieben, doch dürfte 
man mit einem Beobachtungsfehler zu thun haben. Wie Delage zutreffend bemerkt, ist eine Längs- 
streifung unter dem Dermalepithel nur bei solchen Weibchen sichtbar, die bereits einen Teil ihrer 
Keimzellen durch einen Riss entleert haben; die vermeintlichen Muskelzüge seien nichts anderes als 
Falten, die in der Tunica propria der inneren Zellmasse nach partieller Entleerung entstehen. Bei 
weiblichen Keimen, die sich in sackförmig deformierten Eltertieren entwickeln, kann man zwar an der 
Peripherie der inneren Zellmasse eine fast epithelartig abgehobene Zelllage unterscheiden, die man 
eventuell als eine mittlere Schicht auffassen und mit den postulierten Muskelelementen in Verbindung 
bringen könnte; in Anbetracht des Umstandes, dass bei erwachsenen Formen ausser jenen problematischen 
Streifchen keine Myoblastkerne zu sehen sind, würden wir jedoch diese Schicht als ein temporäres 
Keimepithel auffassen. Von Interesse ist die Eigentümlichkeit der sackartig deformierten Weibchen, 
dass ihr Dermalepithel sich in ein Syncytium verwandelt, genau so wie das bei Heterocyemiden ständig 
beobachtet wird. 


Das Verhältnis der Form zur Geschlechtsreife ist auch hier noch vielfach unaufgeklärt. Nach 
Julin giebt es bei Rhopalura giardi Sexualpolymorphismus, und zwar zwei Formen von Weibchen. Die 
von uns als Orthonectidentypus beschriebenen liefern nach vorausgehender Befruchtung ausschliesslich 
Männchen, die anderen haben das Aussehen flacher, unsymmetrischer Säcke und zerfallen partheno- 
genetisch, nach Art von Trematodenredien, in eine Anzahl junger Weibchen; nach anderen Autoren 
entstehen in den Säckchen nur Männchen, oder aber beide Geschlechter zugleich, worauf die Befruchtung 
vollzogen wird. 


Bezüglich der Entwickelung der Keimzellen ist hervorzuheben, dass die erste Furchung in 
äquatorialer Richtung und beinahe adäqual erfolgt und von den zwei Hemimeren des Eies die 
obere die Genitalzelle ist und sich nur langsam weiter furcht, während die untere die Elemente 
der äusseren Schicht liefert, von der die Genitalzelle epibolisch umwachsen wird (Julin, 1, Taf. I, 
Fig. 8—29). 

Das sind die wichtigsten Thatsachen aus der Morphologie und Entwickelungsgeschichte der 
Dicyemiden und Orthonectiden. 


Wie soll man nun ihren Organismus mit anderen Metazoen vergleichen? Können unsere Tricho- 
placiden als Diploblastiker mit diesen Tieren in eine systematisch einheitliche Gruppe zusammengefasst 
werden oder bedarf die Definition der Mesozoen einer Korrektur? 


Julin (1, p. 49) definiert die Mesozoen als polycyte, aus bloss 2 Zellarten gebaute Organismen. 
Fast wörtlich ebenso lautet die Diagnose van Benedens über Dicyemiden (3, p. 226). Ihnen, als 


ne 


nichtsegmentierten, viviparen Tieren stellt er die (wenigstens als Männchen) segmentierten („annelees“) 
Örthonectiden entgegen. 


Gegen diese Taxonomie der Hauptmonographen haben wir manches einzuwenden. 


Van Beneden (3, p. 223 ff.) hat sich die Frage gestellt, ob die Körperschichten dieser Parasiten 
mit den Keimblättern anderer Metazoen verglichen werden können. Er kommt auf Grund morpho- 
logischer und embryologischer Verhältnisse zu der Einsicht, dass hier eine Homologie wirklich 
durchzuführen ist und zwar haben ihm hierbei die Thatsachen der Entwickelungsgeschichte den Aus- 
schlag gegeben.*) In der Aussenschicht sieht er das Ektoderm, in der inneren Zelle, beziehungsweise 
Zellhaufen. sieht er das Entoderm. Er kann daher seine Mesozoen in der Richtung charakterisieren, 
dass es gastraeale Organismen sind, deren Entoderm Geschlechtsprodukte liefert. Sie werden von ihm 
mit jenen Keimen von Darmtieren in Parallele gestellt, wo die den Darm liefernden Entomeren von den 
Mikromeren epibolisch umwachsen werden. Wenn nur die Lage über die Benennung der beiden 
Gewebsschichten entscheiden soll, dann wäre diese Anschauung richtig: alles, was das Innere einnimmt, 
ist Entoderm, alles, was als Dermalbelag fungiert, Ektoderm.**) Abgesehen davon, dass in der Keim- 
blätteranlage, namentlich in der Lage des Urmundes ein prinzipieller Unterschied vorhanden ist, wäre 
das der richtige Standpunkt der Vergleichung der Gewebe des Körpers als Gewebsschichten. Mit der 
Gastraeatheorie hat er nichts zu thun, weil die Funktion des inneren Gewebes als Darm oder irgend 
ein anderes Organ nebensächlich ist. Es ist der eigentliche Standpunkt der „Blätter“lehre. Von solchem 
Standpunkte aus kann man jedoch nur die Dicyemiden als Mesozoen, d. i. Diploplastiker, definieren. 
Die Orthonectiden besitzen im männlichen Geschlecht ein als Körperschicht gut charakterisiertes drittes 
Keimblatt. die Muskelschicht. Unzureichend ist der Einwurf Julins, diese Zwischenschicht sei kein 
selbständiges Mesoderm, sondern nur eine äussere, histologisch veränderte Zelllage des Entoderms; 


denn mit dieser Auffassung verlässt man den ursprünglich eingenommenen Standpunkt. 


Ist man hingegen geneigt, den Begriff des Entoderms mit dem Begriffe eines Urdarmes zu ver- 
knüpfen, wodurch die Homologisierung jedenfalls tiefer begründet wird, dann wird man bei beiden 
Gruppen nach einem Entoderm vergeblich suchen. Das war der Ausgangspunkt Me£nikoffs (l), wenn 
er die Mesozoen als darmlose Tiere bezeichnete, die sich aus zwei Schichten, einer ektodermalen und 
einer mesodermalen, aufbauen. Propagation und Muskelbildung ist für ihn eine Angelegenheit des 
Mesoderms: das Entoderm verdaut und assimiliert; eine morphologisch-physiologische Grundlage für 
Aufstellung von Homologien. Dagegen will Metnikoff unsere beiden Gruppen von einander trennen 
und zwar auf Grund der grossen Verschiedenheit in der Fortpflanzung. Damit begeht er indessen, 
ähnlich wie die ersten Diagnostiker der Mesozoen, eine formal-logische Inkorrektheit. Es wird für ihn die 
Funktion, verbunden mit der Lage des gleichmässig fungierenden Gewebes in der Gesamtarchitektonik 
des Körpers nicht mehr massgebend; er verlangt neue Parallelen. Und diese Parallelen existieren in 
diesem Falle thatsächlich. Die Spermatogenese beim Männchen stimmt in beiden Gruppen vollständig 
überein. Beim Weibchen ist der Gegensatz nur scheinbar. Einen Unterschied kann ich nicht einmal 
in dem Zeitpunkte der Vermehrung der Sexualzelle, sondern nur in der Art der Teilung erblicken. 
Wie wir oben gesehen haben, produziert das Weibchen von Dicyemmenea schon in jungen Entwickelungs- 
stadien neue Keimzellen, die in der Axialzelle zu finden sind; mit dem Wachstum des Tieres vergrössert 
sich auch die Zahl der vorgebildeten Keime. Bei Rhopalura beginnt die Sexualzelle ebenfalls in frühen 
embryonalen Stadien sich in Keimzellen zu teilen, so dass schon ganz junge Weibchen eine Anzahl 
derselben in ihrem Inneren bergen; dass die Keimzellen weit zahlreicher sind als bei Diceyemen, ist von 
untergeordneter Bedeutung. Der Unterschied bezieht sich demnach nur auf die Form der Oogenese, 


*) Vgl. Wilson, 4, ®®#) Vgl, Schimkiewitsch, 1. 


ee 


aber auch hier ist er nicht prinzipiell. Der Zellkern der Axialzelle produziert auf mitotischem Wege 
eine Anzahl von Tochterkernen, die sich mit einer Schicht des mütterlichen Cytoplasmas umgeben und 
junge Zellen darstellen. Es findet endogenetische Zellvermehrung statt im Gegensatze zu der gewöhn- 
lichen Zerfallteilung in der Sexualanlage der Orthonectiden. Dass auch dieser Gegensatz von sekundärem 
Charakter ist, beweist die Oogenese bei höheren Metazoen. Wenn wir nämlich bei gewissen Oligo- 
‘chaeten sehen, dass die proliferierende Zelle in der Gonade durch endogenetische Teilung eine be- 
deutende Anzahl von Zellen hervorbringt, von denen eine zum Ei wird und die anderen als Abortiveier 
der Resorption unterliegen, so dass das ausgewachsene Ei im Körper der ursprünglichen Mutterzelle 
wie in einem Follikel eingeschlossen liegt, so machen wir keinen Versuch, die betreffende Anneliden- 
form von den übrigen als taxonomisch verschieden zu trennen. Ausserdem besitzen sowohl Dicyemiden- 
als Orthonectidenweibchen die Fähigkeit, parthenogenetische Generationen hervorzubringen, es sind 
dies die sogenannten „nematogenen“ Individuen bei Dicyemmenea und die sackförmigen Weibchen bei 
Rhopaluren. Sonstige Unterschiede, wie sie zwischen den beiden Gruppen von Beneden hervor- 
gehoben werden, können wir auch als trennende Merkmale nicht gelten lassen; hierher gehört die 
„Segmentierung“ des Körpers und die „vivipare“ Fortpflanzung der Dicyemen im Gegensatze zu der 
„oviparen“ bei Orthonectiden. 

Für uns kann es mithin keinem Zweifel unterliegen, dass sich diese beiden Klassen nach 
Benedens Vorgang als eine taxonomisch einheitliche Gruppe behandeln lassen, wenn man nur diese 
Gesamtgruppe anders charakterisiert. Wir sind weder zu sagen berechtigt, dass es Entodermtiere 
(gleichbedeutend mit Darmtieren) sind, deren Darm als Geschlechtsdrüse fungiert, noch beide für zwei- 
schichtig zu halten und die Existenz eines „Mesoderms“, dessen Myoblasten thatsächlich eine vollständige 
Gewebslage bilden, in Abrede zu stellen. 

Vergleicht man nun mit diesen verwandten Klassen die Trichoplaciden als dritten Formenkreis, 
so wird man sofort einsehen, dass sie sich zwar als diploblastische Organismen den Dicyemiden an die 
Seite stellen lassen, und dass sie mit ihrer kaum anhebenden Muskelbildung eine niedrigere Entwickelungs- 
stufe im Vergleich zu den Orthonectiden, deren Männchen eine höhere Stufe bereits erklommen haben, 
darstellen, jedoch ausser der blossen Thatsache der Zweischichtigkeit sowohl in der Körperform und 
Struktur dieser Schichten als in der physiologischen Funktion derselben ausserordentlich verschieden 
sind. Zum Teil liegen sogar bei ihnen die Verhältnisse umgekehrt; so in Bezug auf Ernährung. Die 
Dicyemiden nehmen ihre Nahrung in die Dermalzellen auf, dort wird sie verdaut und assimiliert, sodann 
als Desassimilate präzipitiert und nach aussen entleert, während sich die Axialzelle passiv verhält und 
nur genährt wird; bei T’richoplax findet der Stoffumsatz vornehmlich im Parenchym statt, wo man auch 
die Exkretionsreservoire findet. Wir gewinnen schon jetzt den Eindruck, dass das Vereinigen und Von- 
einanderscheiden der Organismen auf Grund der Schichtenzahl des Körpers etwas Zufälliges und Ober- 
flächliches sein dürfte und als Grundlage zur allgemeinen Taxonomie der Tiere nicht dienen kann. 

So hat die Systematisierung der parasitischen Gruppen in der That nicht befriedigt und ununter- 
brochen mehren sich neue Projekte und Vorschläge. 

In ursprünglicher Fassung wurden sie vor allem von Huxley und Giard, dem ausgezeichneten 
Orthonectidenkenner, anerkannt. Viele Autoren wollen den Begriff der diploblastischen Mesozoen als 
einen den Metazoen gleichwertigen Stamm nicht aufrecht erhalten und sind meistens geneigt, beide 
Klassen — ähnlich wie man es mit Trichoplas: versucht hat — von höher organisierten Würmern abzu- 
leiten. Über die Klasse der Würmer, von der die Mesozoen abstammen sollen, ist man nicht einig. 
Leuckart dachte an Trematoden — vielleicht wegen gewisser Analogien in der Fortpflanzung, Keppen 
an Planarien, Giard spricht gar von Rotiferen. Pagenstecher fasst sie als niedere Plathelminthen 
unter dem Kollektivnamen „Mionelminthes‘‘ zusammen. Er vermeidet den Namen „Mesozoa“ als „prä- 
judizierend“ (siehe Braun, 1, S. 296) und hebt in der Diagnose hervor, dass sie ein einschichtiges 


Ektoderm, ein höchstens einschichtiges Mesoderm und ein einzelliges oder mehrzelliges Entoderm, 
welches als Keimgewebe fungiert, besitzen. Trotzdem diese Diagnose sehr breit gefasst ist und fast 
zu viele Alternativen enthält, um eine wirkliche Tiergruppe taxonomisch zu umschreiben, ist sie dennoch 
ungenügend, wenn man in die Gruppe auch die Trichoplaciden mit einbeziehen wollte. Wir haben 
übrigens gar keinen Grund, diese sowohl strukturell als histologisch sehr ursprünglich organisierten 
Tiere für degenerierende Abkömmlinge höherer Platoden zu halten. Sonst verlieren sich die histo- 
logischen Merkmale von Gewebsarten, die bereits einmal stark differenziert waren, niemals so vollständig, 
wie wir das z. B. an dem Aussenepithel der Dicyemiden beobachten, wo die Zellen fast alle primären 
Funktionen des Organismus simultan besorgen. Viel begründeter ist die Aufstellung eines selbst- 
ständigen Kreises für Mesozoen, ohne sich in Ermangelung eines jeden Anhaltspunktes über die mut- 
massliche Blutsverwandtschaft mit Plathelminthen näher auszusprechen. Dieser Kreis ist mit Würmern, 
Articulaten und anderen Metazoenkreisen zu koordinieren, nicht aber den triploblastischen Metazoen an die 
Seite zu stellen. Delage setzt sie an die Spitze der Vielzelligen, doch vor die Poriferen, behält aber 
den Namen „Mesozoa“, welcher wirklich präjudizierend klingt. Er betont jedoch selber (3, II, 1), dass 
diese Eingliederung in das System nur als provisorisch zu gelten hat. In der Gruppe selbst unter- 
scheidet er drei Klassen, deren Namen sehr glücklich gewählt wurden, indem sie eine Charakteristik des 
Bauplanes der Tiere enthalten: Mesocoelia, mit innerer Verdauungshöhle (Salinella), Mesenchymia, 
mit parenchymatösem inneren Gewebe (Trichoplaciden) und Mesogonia, mit innerem Propagations- 
gewebe (Mesozoen im Sinne van Benedens und Julins). So zutreffend diese Bezeichnungen sind, 
können sie dennoch als eine höhere systematische Kategorie niemals zusammengefasst werden. Zwischen 
Mesocoelien und Mesenchymien besteht z. B. ein prinzipieller Gegensatz so allgemeiner Natur, dass es 
nicht nur unwissenschaftlich aber auch unzweckmässig ist, diese selbständigen Typen synkategorematisch 
zu verbinden. Es leuchtet ein, dass das bunt zusammengewürfelte Gastraeadenphylon Haeckels, wo 
wir noch weitere heterogene Bautypen auf eine einheitliche Basis zurückgeführt finden, noch weniger 
berechtigt ist als der rein praktische Versuch Delages. Nach Haeckel gehören die Mesozoen nicht 
wegen der Schichten ihres Körpers zu Gastraeaden, sondern weil wir in ihnen das Stadium der Blastula 
und Gastrula vor Augen haben sollen (15, S. 47); wir erfahren freilich nicht, inwiefern. Das Reifestadium 
hat hoffentlich mit einer Darmlarve oder mit einer Hohlkugel gar keine Ähnlichkeit. Embryologisch 
kommt dasselbe zustande durch Vermehrung der Mikromeren, die sich um die Stammzelle einschichtig 
gruppieren. Ein solcher Körperbau kann einfach auf eine andere Weise nicht erreicht werden, 
und wie man bei einem Häuflein von wenigen Zellen von Gastrulation und einem Prostomum reden 
kann, ist unerfindlich. 


Nach Lang (2, S. 56, 57) sind Mesozoen ebenfalls Gastraeaden, sie werden jedoch zusammen 
‘ mit Poriferen und Cnidariern unter Coelenteraten gestellt. Coelenteraten sind nach Lang Organismen 
mit wohlentwickeltem, vom Ekto- und Entoderm scharf gesonderten Mesoderm, der Darm mündet durch 
eine einzige Öffnung nach aussen, Leibeshöhle und Blutgefässsystem fehlen, dagegen sind Exkretions- 
organe vorhanden. Als Gastraeadenklasse gehören hierher ausser Orthonectiden und Dicyemiden noch 
Physemarien, mit einem syncytialen, von Fremdkörpern durchsetzten Ektoderm und einem Innenepithel, 
in welchem Kragenzellen und Propagationszellen auftreten. Physemarien, zu denen kelchartige, zwei- 
schichtige Tiefseeformen, wie Haliphysema oder Gastrophysema gezählt werden (Formen, die übrigens 
höchst wahrscheinlich einem ganz anderen Tierkreise angehören), sollen nach der Phylogenie Haeckels 
geradezu das Stadium der Archigastrula verwirklichen. Aus dieser Beurteilung von Tieren, deren 
Gastralraum drei verschiedene Zellsorten von verschiedener physiologischer Bedeutung aufzuweisen hat, 
ergiebt sich klar, dass bei Haeckel im Bedarfsfalle nur das morphologische Kriterium entscheidet, nicht 
aber das physiologische; sonst würde eine so vielfach differenzierte Metazoenform trotz ihres monaxonen 
Baues mit rundem Querschnitt nicht als Archigastrula, identisch mit Gastraea, bezeichnet werden können. 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 8 


ea 


Zudem ist es gar nicht sicher, ob die Mundöffnung dieser Olynthus-artigen Kelche wirklich dem Prostoma 
der Gastraea entspricht oder auf dem animalen Pole sekundär durchbricht, nachdem sich das Tier nach 
Art einer Spongienlarve festgesetzt und den ursprünglichen Mund zum Schwunde gebracht hat. Dies 
würde natürlich die Theorie von der Archigastralität der Gastraeaden zu Staub ziehen. 


Eine andere Einteilung hat W. Schimkewitsch (1) vorgeschlagen. Ohne Übergangsklassen 
zwischen „Monozoen“ und „Polyzoen“ anzunehmen, teilt er die letzteren in Radiaten (mit Coelenteraten 
und Poriferen) und Bilaterien. Ursprünglichste Bilaterien sind Acoelomier, wie die Plathelminthen: 
höher als Pseudocoelomaten stehen die Nemathelminthen und Trichhelminthen, darunter unsegmentierte 
und segmentierte Formen, parasitische Organismen, wie Dicyemiden und Örthonectiden. In diesem 
Systementwurfe wird offenbar an die Idee Giards angeknüpft, Orthonectiden und Dicyemiden von Ro- 
tatorien — wegen der Gestalt der Dieyemidenmännchen — abzuleiten. Es müsste vor allem erwogen 
werden, was primär ist, Bilateralität oder Monaxonie, und zwar im allgemeinen, da wir in den Mesozoen 
monaxone Organismen erkannt haben. Das eine steht aber von vornherein fest, dass es widersinnig 
wäre, diese Begriffe in ein anderes Verhältnis bringen zu wollen, als dasjenige der Coordination. 
Coordiniert, können Bilateraltiere mit Monaxonen in eine gemeinsame systematische Gruppe gehören; 
allerdings nur im Rahmen eines physiologisch-morphologischen Systems; in dem morphologisch- 
gastraealen wäre das ein Anachronismus. Bei rein morphologischer Vergleichung kommt man immer 
auf die Frage zurück, ob die Zahl der Gewebsschichten oder der Bauplan des Körpers an sich, also 
promorphologische Momente in den Vordergrund treten sollen. In dem Kollektivnamen „Polyzoa‘“ wird 
der Nachdruck augenscheinlich auf die Vielzelligkeit, auf Vergesellschaftung von Einheiten gelegt. In 
diesem Sinne sind nach A. Hyatt schon die Phytomastigoden echte Polyzoen, insbesondere Mesozoen. 
Frenzel kann nur eine Salinella, nicht aber die Rhombozoen v. Benedens (= Dicyemiden + Ortho- 
nectiden) als echte Mesozo& ansprechen. Für ihn ist eben die Schichtenzahl massgebend; die Viel- 
schichtigkeit charakterisiert die Metazoen, folglich bildet ein einschichtiger Organismus ein mesozoisches 
Übergangsglied.*) Thatsächlich aber ist weder in der Salinella, noch in Dicyemiden, noch in Tricho- 


placiden das wahre Bild des phylogenetischen Überganges erhalten. 


Im Sinne der Phylogenie Haeckels sind seine Gastraeaden darmführende Polyzoen, Enterozoen. 
Dicyemiden aber sind — nach dem Schema der massiv mit Zellmaterial gefüllten „Sterrogastrula‘ 
Sterrozoen. Es wird denn auch ihr Körper von P. und F. Sarasin (1) als eine zweischichtige 
Sterrogastrula aufgefasst; ein einschichtiges Blastoderm umgiebt einen ein- bis vielzelligen Lecitho- 
oder Archiblast. Den Ausgangspunkt Haeckels bildet nicht eine phytoflagellatenartige Blastaea, sondern 
eine massive, homocelluläre Morula. Wie weniger wahrscheinlich diese Annahme im Vergleiche mit 
der Volwoxhypothese Claus-Me£nikoffs ist, braucht nicht auseinandergesetzt zu werden. Niederste 
Metazoen sind aber nach Haeckel Morozoen, folglich Ablastodermiker. Wenn ich den Ideengang 
richtig auffasse, werden die nächst jüngeren Metazoen, nach einem total unbegreiflichen, besonders 
physiologisch unbegreiflichen Prozesse, Blastaeaden geworden sein, einschichtige Blastodermiker. Aus 
ihnen wären Gastraeaden hervorgegangen, eine Sippe von universeller Bedeutung, da sich aus ihnen 
sämtliche spätere Metazoen entwickelt haben, wie uns das durch das universell auftretende Gastrula- 
stadium an jeder Ontogenese demonstriert wird. Durch langwierige cenogenetische Umformung, 
namentlich durch ununterbrochen um sich greifende Zurückversetzung adaptiver Eigenschaften, wie die 
Ausstattung der ausserhalb des mütterlichen Organismus zur Entwickelung gelangenden Keimzellen mit 
Nährdotter, in die frühesten Stadien der Ontogenese, wurde die primär embolische Gastrulation vielfach 
„unmöglich“ gemacht und ist allmählich in epibolische Umwachsung, diskoidale Furchung u. dgl. um- 


gewandelt worden. Daraus ist aber formal nur der eine Schluss zulässig, dass wir in den Mesozoen 


*) Vergl. in diesem Zusammenhange einige Gedanken in Willeys Arbeit über Ctenoplana. 


oe 


keine ursprünglichen Verhältnisse, keine „Gastraeaden“ vor uns haben, sondern Ab- 
kömmlinge jener vierten oder fünften Entwickelungsepoche der Metazoen, wo durch zahlreiche Faktoren 
sekundärer Natur, welche eine vielfache Komplizierung der Organisation im Reifestadium voraussetzen, 
die „Fälschung“ der Entwickelungsgeschichte bereits vollzogen war. Im Sinne der Haeckelschen 
Phylogenie müsste man demnach die beiden uns interessierenden Gruppen — von Physemarien sehen 
wir jetzt ab — als durchaus abgeleitete Gruppen irgend einem Tierkreise angliedern. Diejenigen 
Forscher, die es gethan haben, haben also logisch korrekt im Sinne gastraealer Abstammungstheorie 
gehandelt. 

Wie oben erwähnt wurde, hat man diese Ableitung in verschiedenen Richtungen durchzuführen 
versucht. Leuckart, Meönikoff, Whitman dachten an parasitische, stark rückgebildete Helminthen, 
namentlich an geschlechtsreif gewordene Distomeenembryonen (vgl. Giard, 1). Julin sagt diesbezüglich: 
„Is ne peuvent donc ni par leur developpement ni par leur constitution chez adulte &tre consideres 
comme des organismes a trois feuillets, c’est-a-dire comme des Metazoaires, mais comme des organismes 
a deux feuillets Epitheliaux, c’est-a-dire comme de Mesozoaires“ (l, p. 47). Wir wissen bereits, dass 
der Gegenwand Julins nicht ganz richtig ist und dass es andere Gründe giebt, welche eine Ableitung 
dieser einfach gebauten Tiere von den histologisch einseitig differenzierten, bilateralen Plattwürmern 
nicht zulassen. Nicht zuletzt die Fähigkeit mancher Dicyemiden, wie der Conocyema polymorpha,*) 
polyzoische Vereinigungen rhombogener Individuen zu bilden, wobei die Individualität proliferierender 
Weibchen gänzlich unterdrückt wird, eine Fähigkeit, die wir im Bereiche bilateraler Polycyten nirgends 
wiederfinden. In dieselbe Reihe gehört der Vorschlag Hatscheks, die Mesozoen, anstatt mit Würmern, 
mit Cnidariern zu verbinden und als eine Anhangsgruppe, Planuloidea, zu behandeln. Die Weibchen 
der Diceyemiden werden hier also, wie ersichtlich, der Planulalarve der Cnidarier morphologisch gleich- 
gestellt. Die einzigen Merkmale, welche diesen beiden Organismen gemeinsam sind, sind unseres Er- 
achtens heteropole Monaxonije, Darmlosigkeit und — Bewimperung. Ob diese Konkordanz genügt, um 
einen phylogenetischen Schluss darauf zu stützen, mag dahingestellt bleiben. Dass die Keimzellen der 
Mesozoen auch in dieser Konjektur mit Entoderm gleichbedeutend sind, versteht sich von selbst. 


Auch diejenigen Autoren, die sich für die Ursprünglichkeit der Mesozoen erklärt haben, gehen 
in ihren Urteilen auseinander. Nach Goette (2) sind aus Einzelligen, Monoplasten, sterrogastrale 
Wesen hervorgegangen; aus Monoplasten werden zunächst Homoplasten, nachher entwickelt sich ein 
Unterschied zwischen dermalen Geisselzellen und dem inneren, aus Keimzellen entstehenden Parenchym. 
Nach Salensky (1) handelt es sich ebenfalls um eine zweischichtige Genitogastrula, deren Ektoblast 
sich typisch verhält, während der Endoblast ursprünglich von amöboiden, Nahrung aufnehmenden Propa- 
gationszellen gebildet wird. Das Entoderm fungiert also als ein „Fagogenitoblast“. Demgegenüber 
hebt Kleinenberg (2) hervor, dass zur Charakterisierung der Keimzellen der Begriff der Keimblätter 
gar nicht gehört; jene seien bereits damals vorhanden gewesen, als die Urahnen der Coelenterien noch 
homoplastisch gebaut waren und ein Gegensatz zwischen Ektoblast und Entoblast noch gar nicht 
herangezüchtet war. 

Wie man sieht, so viele Autoren, so viele Voraussetzungen und Schlüsse. 


Wie dem auch sei, auf Grund der vorausgeschickten Auseinandersetzung müssen wir die Über- 
zeugung gewinnen, dass sowohl die Trichoplaciden als die Mesozoen im Sinne Julins unmöglich für 
Urdarmtiere gehalten werden können und überhaupt mit dem Begriffe der Gastrulation nichts Gemein- 


sames haben. 


*) Nach van Beneden, Arch. Biol. T. III, p. 82; Tafel VIII, Fig. ı8. 
8* 


BO 


Bezüglich der Dicyemiden können wir hier keine systematische Kategorie für sie in Vorschlag 
bringen, da wir die hochwichtigen Eigentümlichkeiten der Fortpflanzung nicht erörtert haben. Auf 
Grund und im Rahmen gegenwärtiger biologischer Kenntnisse können wir aber auch an dieser Stelle 
diese Gruppe als ursprünglich einfache bezeichnen. Die Tiere sind protacoel. 


Für die Trichoplaciden müssen wir eine besondere Kategorie statuieren. Heutzutage lässt es 
sich noch unmöglich sagen, welche Merkmale aus der Mannigfaltigkeit des Tierlebens herauszugreifen 
sind, um in Grundzügen wenigstens annäherungsweise das natürliche phyletische System der Vielzelligen 
zu erhalten. Wenn wir auf die zweifellos prinzipiell wichtige Ernährungsweise unser Augenmerk richten, 
sind wir genötigt, Trichoplaciden, Dieyemiden und Orthonectiden als ursprüngliche Anenterien, als 
Protacoelier auf die unterste Stufe der Vielzelligen zu setzen und dem Rest der Metazoen, den 
Protenterien (Enterozoen) entgegenzustellen. Von Schichten wird hier gar nicht .geredet. Salinella 
gehört zu Protenterien. Im Gebiete der Protacoelier müssen wir Trichoplaciden von den übrigen 
sondern und in einer Subkategorie als Placulaeaden unterbringen. Bei Anwendung dieser Bezeichnung 
wird in keiner Richtung vorgegriffen. 

Die zwei zur Zeit bekannten Gattungen Trichoplax und Treptoplax können wir eventuell als Ver- 
treter zweier Familien auffassen: Holotricha und Hemitricha. 

Was die Salinella anbelangt, so wäre dieselbe als ein monoblastischer Organismus im Kreise der 
Protenterien genügend charakterisiert. Da wir indessen weder in der Zahl noch in der Folge der 
Körperschichten ein phyletisch natürliches Kriterium erblicken können, werden wir in ihrer Entwickelung, 
in der ganz besonderen Individuation dieses Tieres ein physiologisch begründetes Merkmal finden, 
welches die Salinella von allen übrigen trennt. Zwischen ihr und den Protacoelien haben wir keine 
Beziehungen aufgedeckt. Deshalb ist für uns die Behauptung Apäthys, sie sei phylogenetisch wichtig, 
als Übergangsglied zwischen Volwox und Trichoplax, als irrig erwiesen und die Behauptung, sie sei 
phylogenetisch wichtiger als die Dieyemiden, gegenstandslos geworden. Dem Urteilenden imponiert 
hierbei die Körperschichtung als eine wesentliche Eigenschaft und er betont, man könne zwischen ihr 
als einem monoblastischen und den dreischichtigen Metazoen — vom Trichoplax abgesehen — kein 
zweischichtiges Bindeglied auffinden. Auch dieser Standpunkt ist unrichtig. Eine ganze Kette von 
Formengruppen führt von zweischichtigen Organismen über den Poriferen- und Coelenterienkreis zu 
echten Triploblastikern. Schon bei Placulaeaden giebt es mehrere Sorten von Enchymzellen; schreitet 
ihre Differenzierung im Wege der Schizocoelie zur Ausbildung enterischer Räume, dann müssen sich 
die anliegenden Zellen den veränderten Verhältnissen sofort anpassen und die scheinbare Kluft zwischen 
einem zwei- und mehrschichtigen Organismus ist überbrückt. 


Die blosse Thatsache, dass die Protacoelier nicht hypothetisch — wie die @astraea 
— sondern in der Wirklichkeit und als verschiedene, leicht und sicher zu sondernde Formen 
existieren, bildet einen schwerwiegenden Einwurf gegen die Richtigkeit gastraealer 
Phylogenie. Gleichzeitig bietet sie uns einen überaus wichtigen Anhaltspunkt, der uns, neben 
anderen, „entwickelungsmechanischen“ (physiologischen) und rein morphogenetischen Thatsachen beı 
Erschliessung der ontogenetischen und phylogenetischen Entwickelungsgeschichte der Metazoen behilf- 
lich sein kann. 

Lassen wir noch das Wort einem hervorragenden Phylogenetiker (Lang), wie er die Ergebnisse, 
richtiger gesagt, Schlussfolgerungen gastraealer Ableitung zusammenfasst. Die ursprünglichsten Me- 
tazoen bestehen aus zwei Schichten, einem Ektoderm und einem Entoderm, woraus gewöhnlich eine 
Invaginationsgastrula resultiert. Daraus ist zu ersehen, dass: 

1. Alle Metazoen von einer gemeinsamen Stammform abstammen, welche im wesentlichen den Bau 
eines niederen Coelenteraten besass; diese hypothetische Stammform, die Gastraea, tritt bei allen 
Metazoen als Durchgangsstadium der Entwickelung, als Gastrula, auf. 


Se 


2. Die Gastraea selbst ist in ähnlicher Weise aus einer hohlkugelförmigen Protozoenkolonie 
entstanden, wie bei vielen Tieren in der individuellen Entwickelung die Gastrula aus dem hohlen Haufen 
von Furchungszellen durch Einstülpung hervorgeht. 


Wir haben uns in diesem Kapitel überzeugt, dass man gerade bei den ursprünglichsten, dem 
Werdeprozesse der Tierwelt am nächsten stehenden Formen keinen einzigen Zug findet, der sich zur 
Bestätigung obiger Thesen verwerten liesse. Etwas sehr gastraeales wäre zwar der im ]. 1895 von 
Monticelli (2) entdeckte Coelenteratenparasit Pemmatodiscus socialis. Doch haben wir bestimmte Gründe, 
diesen bloss einmal und nur von einem Autor gesehenen Organismus vorläufig ausser Acht zu lassen. 
Nur so viel sei gesagt, dass die Verhältnisse, unter welchen dieses Tier oder diese Larve lebte, eine 
gastraeale, d. h. vom Archenteron abhängige Ernährungsweise nicht sehr wahrscheinlich machen; auch 
die höchstmerkwürdige Art der Vermehrung durch Teilung, wobei die durch das Tier repräsentierte 
Invaginationsgastrula in der Hälfte und durch das Prostomium in zwei Stücke zerschnürt wird, scheint 
aus diesem Wesen etwas ganz anderes als eine Archigastraea zu machen. 


Allerdings könnte es geschehen, dass auch uns der Vorwurf nicht erspart bleiben würde, wir 
hätten unseren Trichoplax zu früh im Systeme untergebracht; die Sache mit der Sexualfortpflanzung 
und mit dem paranomalen Larventum sei dennoch nicht endgiltig erledigt. Es seien doch bei höchst 
organisierten Tieren, z. B. bei Insekten, Fälle bekannt, wo an Stelle von Heterogamie Monogamie ein- 
getreten ist, wie bei der Bombycide Apterona cerenulella*) oder der Phasmide Bacillus. Auch sei es nicht 
ausgeschlossen, dass vor Zeiten Larven irgend welcher Tierform sich verselbständigt haben und einen 
neuen Formtypus zur Abzweigung brachten, dessen heutige Inkarnationen Trichoplax und Treptoplax 
sind. Darauf hätten wir zu entgegnen, erstens, dass es sich uns nicht um Klassifizierung als solche, 
sondern um taxonomische Analyse und deren Prinzipien handelt, zweitens, dass — so wenig wahr- 
scheinlich diese Vermutungen sind — auch dann die Schlüsse, zu denen uns der Placulaeadenorganismus 
berechtigt, in extenso aufrecht erhalten blieben, zumal auf dem Boden der Gastraeatheorie, wo jede 
Larve nach dem biogenetischen Gesetz die Vorgeschichte ihrer selbst rekapituliert. Sollte bei Opalinen 
eine sexuelle Fortpflanzungsweise vorkommen, die Thatsache an sich würde diese Ciliaten noch nicht 
zu „Enterocyten“ machen — wie wir hier intracellulär in Nahrungsvacuolen verdauende Infusorien 
nennen wollen. Ebenso wenig wahrscheinlich wäre Darmlosigkeit eine Folge des Gonadenschwundes. 
Für alle Fälle hat für uns die Darmlosigkeit einer freilebenden Tierform denselben Wert, sollte es sich 
um ein Entwickelungsstadium oder um ein Reifestadium handeln. 


Wir haben aber nicht nur anlässlich der versuchten Eingliederung des Trichoplax in das 
System, sondern auch in Bezug auf Salinella, Dicyemiden, Orthonectiden die Erfahrung gemacht, dass 
uns durch den @astraea-Begriff die schon von Geoffroy de St. Hilaire postulierte Einheitlichkeit des 
Bauplanes der Tiere keineswegs näher gerückt wird. Man weiss, dass während sich die Klassifikation 
ihre Begriffe aus der Erfahrung holt, die Abstammungslehre, von Leitideen getragen, über die Er- 
fahrung hinausgehen muss. Aber die Leitidee der letzten Jahrzehnte hat uns bei den denkbar 
einfachsten klassifikatorischen Problemen in ein unklares Gewimmel von Begriffen gebracht, die 
entweder einander nicht zugeordnet wurden, oder im logischen Widerstreit mit einander liegen oder 
zumindest nicht eindeutig sind. Unendliche Mannigfaltiskeit in der Interpretation von Thatsachen 
beweist das am besten. Wir können an die Richtigkeit der Leitidee nicht glauben, weil uns das 
erstbeste Beispiel lehrt, dass ihr auf Schritt und Tritt eine nichts weniger als schwächere Erwartung 
des Gegenteiles gegenübersteht. 


*) Psyche helix der Autoren; auch Cochlophanes helix. 


Seo 


Diese Einsicht führt uns einer schwierigen Aufgabe entgegen. Wir sehen uns genötigt, alle 
die Begriffe, auf die sich jene Leitidee stützt oder die sie gezeitigt hat, analytisch zu behandeln; zumal 
die Keimblattbegriffe. Die Keimblätter können nur dann als Grundlagen morphogenetischer Homo- 
logisierung Verwendung finden, wenn sie wirklich als phylo- und ontogenetische Primärorgane in 
Metazoenkreisen auftreten. Das aber muss nachgewiesen werden. 

— Man will stets in Definitionen einzwängen, starr machen, dasjenige, was seiner Natur nach 
keiner Bestimmung unterworfen ist, fortschreitet, lebt. — Um aus den Unklarheiten herauszukommen, 
müssen wir die angewandten Begriffe, diese einzigen Hilfsmittel einer vergleichenden Wissenschaft, 
vor allem auf ihre Einheitlichkeit prüfen. 


Manches Interessante ist uns ohnedies schon unterwegs klar geworden. 


Dates Serie, 
Zur Morphogenie der Metazoen. 


VI. Abschnitt. 
Untersuchungen über die Gastrulation. 


Nach Haeckel ist der Organismus der Polycellulaten, sowohl was seine Entstehung (Ent- 
wickelung) als seinen Bau anbelangt, auf die Grundform der Gastrula zurückzuführen. Es giebt 
Autoren, welche die Metazoen direkt als vielzellige Tiere definieren „die auf die Grundform der 
Gastrula zurückführbar sind und deren Eier das Stadium der Blastula und Gastrula durchlaufen‘ 
(Hatschek). Alle embryologischen Entwickelungsprozesse lassen sich durch das in der angeführten 
Definition unmittelbar enthaltene biogenetische Gesetz begreifen und im Sinne dieses Gesetzes mit 
einander vergleichen, das heisst, homologisieren. Alle von dem sich abfurchenden Keim zu durch- 
laufenden Stadien sind Abformungen freilebender Urahnen. Ein klassisch gewordenes Beispiel einer 
solchen Rekapitulation der Stammesgeschichte durch Ontogenese ist die Entwickelung des Amphioxus. 
Wenn sich die adaequalen Blastomeren des Amphioxuskeimes zu einer Hohlkugel zusammenfügen, so 
beweisen sie damit. dass die vielzelligen Vorläufer der Wirbeltiere einst in Form freischwimmender, 
homoplastischer Hohlkugel gelebt haben. Nun aber fällt uns der Mangel an Geisseln an dieser Blastula 
auf (Taf. V, Fig. 11) und im Sinne des biogenetischen Grundgesetzes würden wir folgern, dass jene 
uralten Blastomeren keine Flagellaten gewesen sind. Da sich aber eine geissellose Blastula nicht recht 
bewegen konnte, wird hier zu einer weittragenden Hilfsannahme gegriffen, zum Faktor der Cenogenese. 
Er ist der Widersacher der palingenetischen Überlieferung. Als Thatsache lässt er sich nicht leugnen, 
er gehört sogar zu den nichts weniger als zahlreichen Wahrheiten in der Biologie. Aber als Hilfs- 
annahme ist er nach unserer Meinung völlig unbrauchbar. Es-ist ein zu bequemer Widersacher. Stets 
ist er zur Hand und kann alles erklären. Können wir in der Öntogenese irgend einer Form weder 
das Blastulastadium noch eine Gastrula finden, stets ist es das Werk der Cenogenese, dass die Gastrulation 
entweder „unmöglich“ gemacht oder „maskiert“ wurde. Mit Hilfe der Cenogenese lässt sich alles 
„beweisen“. Jedoch gerade ihre Universalität macht diese an sich wahre Erscheinung zu einer be- 
grifflichen Hilfsannahme zur Unterstützung einer wissenschaftlichen Hypothese unbrauchbar. Ihre 
Allverwendbarkeit als eines Retters in der Not hebt die Haupthypothese selbst auf. 

Wie wir sehen, ist schon die Formulierung der Gastraealehre falsch und für die Lehre ver- 
hängnisvoll. 

Ich glaube, dass sich unter Ideen der nachdarwinschen Schulen, namentlich der neolamarckis- 
tischen Richtung ohne Schwierigkeit Begriffe finden liessen, die als Hilfsannahmen für eine Ent- 
wickelungshypothese auf morphologischer Grundlage, wie die Gastraealehre eben eine ist, brauchbarer 


sein würden. Doch wollen wir die Haupthypothese näher ins Auge fassen. 


— ul 


Mit Hilfe des Begriffes der Cenogenie war es dem Theoretiker möglich, ausser dem typischen 
Invaginationsprozess auch andere, mitunter sehr verschiedene morphogenetische Furchungsarten als 
Gastrulation zu deuten und den Bedürfnissen seiner Voraussetzung anzubequemen. So ist zu dem Be- 
griffe einer homoplastischen Archigastrula, einer Leptogastrula, der Begriff der Sterrogastrula, Pachy- 
gastrula, Discogastrula etc. hinzugekommen. Zu den wenigen Tieren, in deren Embryonalentwickelung 
die Gastrulaphase in einer durch Cenogenese nicht verfälschten Form einer Archigastrula erhalten bleibt, 
gehört nach Haeckel Amphioxus. Sonst ist sie eine der seltensten Erscheinungen. 


Nur die Archigastrula allein gleicht genau der laurentinischen Gastraea. Bei drehrundem Bau 
der zweischichtigen Glocke ist die Vertikalachse die einzige heteropole Achse des Körpers. Das Tier, 
welches sich aus einer Archigastrula entwickelt, soll protaxon sein; das heisst, seine Längsachse soll 
mit der Gastrulaachse zusammenfallen, sein Kopfende dem animalen Pole der Gastrula, sein Hinterende 
dem vegetativen Pole derselben entsprechen. Die Bilateralität tritt als sekundäre Erwerbung erst später 
auf. Bei Erhaltung des runden Gastrulabaues haben sich radiäre Tiere mit Antimeren entwickelt, deren 
Urform Protascus heisst; Bilaterien stammen von einer bilateral differenzierten gastrulären Prothelmis, die 
wir bereits früher genannt haben, ab. Als Auslösungsfaktor wird eine Änderung in der Lokomotion, 
der Übergang der freien Schwimmbewegung in eine Kriechbewegung in Anspruch genommen. In der 
kriechenden Prothelmis liegt der Ursprung der Archhelminthen, zu denen nach der neuen Fassung,*) als 
jüngerer Zweig der Archicoelen, Trichoplax-artige Tierformen (Digastraea, Archiplax reptans) gehören. 
Desselben Ursprungs sind sämtliche andere Bilaterien, darunter Amphioxus als Ausgangsform für Verte- 
braten. Diese Konjekturen werden in ihren Grundzügen von Lang gebilligt. Er möchte der Gastraea- 
lehre allgemeine Anerkennung angedeihen lassen. Andere Zoologen, wie Graff, glauben jedoch, dass 
diese Lehre in praktischer Durchführung auf bedeutende Schwierigkeiten stossen muss. 


Ray Lankester hat fast gleichzeitig mit Haeckel eine phylogenetische Umwandlungstheorie 
entworfen, die sich sowohl im Thatsächlichen als in wissenschaftlichen Voraussetzungen mit der Haeckel- 
schen beinahe deckt. Deshalb berührt alles, was wir im folgenden gegen die Lehre Haeckels vor- 
bringen werden, auch die Lankestersche Theorie in ihrem ganzen Umfang. 


Was die Entwickelung des Amphioxus betrifft, war ich genötigt, die frühen Phasen, die hier 
allein in Betracht kommen, nochmals selbst zu untersuchen, da die meisten derartigen Schilderungen 
allzu leicht unter dem Einflusse der herrschenden Idee einseitige Interpretationen anstatt des wirklichen 
Thatsachenbestandes enthalten. Die Untersuchung war nicht zu unterlassen, da die Embryonal- 
entwickelung dieses Tieres nicht nur von Haeckel als der eminenteste Beweis für die Richtigkeit 
seiner Thesen gepriesen, sondern auch von anderen, wie z. B. von Rabl als ein geradezu palingene- 
tischer Entwickelungsprozess hervorgehoben wird. Zudem ist Amphioxus durch mehrere Arbeiten, die 
in der letzten Zeit erschienen sind, neuerlich zum Mittelpunkt des allgemeinen Interesses geworden.**) 

Haeckel hat Amphioxus an einer Stelle einen stationär gewordenen Embryo der Wirbeltiere ge- 
nannt. Seine Gewebe tragen einen permanent epithelialen Charakter. Im speziellen ist bei Haeckel 
die Beurteilung der Hauptstadien der Entwickelung etwas schwankend. Einmal sagt er, dass hier die 


*), Haeckel 15; den ersten Entwurf der Gastraealehre findet man bereits in Haeckel, 5. 

#*) Die gewonnenen Resultate habe ich zuerst im Winter 1896/97 in einem Vortrage mitgeteilt (Garbowski, 2). Da ich indessen von 
Herrn Dr. Sobotta erfahren habe, dass er gerade im Begriffe steht, über dasselbe Thema zu publizieren, habe ich mit einem schriftlichen Bericht 
bis zum Erscheinen seiner Abhandlung gewartet. Bald darauf, im Frühjahr 1898, habe ich meinen Beitrag der Redaktion des „Anatomischen 
Anzeigers‘‘ übergeben; in der 19. und 20. Nummer des Jahrganges 1898 wurde der Aufsatz veröffentlicht (Garbowski, 8). Die in demselben 
Jahre publizierte Amphioxus-Arbeit von Samassa (6) trägt das Datum d. ı. Februar 1898 auf dem Manuskript und kam im September desselben 
Jahres zur Versendung. Nachher ist über dasselbe Thema noch eine Abhandlung von T. H. Morgan und Annah Putnam Hazen erschienen 
(The gastrulation of Amphioxus. In: Journal of Morphology, Bd. XVI, No. III, herausgegeben im August 1900). Trotz dieses späten Datums 
ist sie im Manuskript vom Bryn Mawr. College, May 29 1898, datiert; sie wurde also gleichzeitig mit Samassas und meiner Publikation 
ausgeführt. Den Verfassern war damals auch der einschlägige Beitrag von Klaatsch (1) noch unbekannt. 


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„Ontogenie durch Invagination einer Archiblastula zur Bildung einer typischen Archigastrula führt“ 
(14, S. 213), worauf dann eine typische Coelomula, Chordula etc. folgt, alles grösstenteils palingenetisch; 
anderswo sagt er in demselben Werke (14, S. 32, 33, 46), die Gastrula des Amphioxus sei keine ganz 
unveränderte @astraea (Archigastrula). sondern eine bilaterale Leptogastrula, indem sie zwei Promeso- 
blasten, spätere Urmesodermzellen enthält, deren Anwesenheit auf bilaterale, dipleurische Grundtorm 
des Körpers hinweist. Da es sich indessen herausgestellt hat, dass die Promesoblasten bei Amphioxus 
überhaupt nicht existieren, so entfällt für Haeckel das einzige Hindernis, in dem Lanzettfisch eine 
architypische Gastraea rekapituliert zu finden. Ist er das wirklich? 


Im Jahre 1892 hat Lwoff (1) eine Aufsehen erregende Mitteilung gemacht, der zufolge bei 
Amphioxus und bei den von ihm abstammenden Vertebraten ein doppelter Invaginationsprozess statt- 
findet. Zuerst werden die entodermalen Blastomeren eingestülpt, wodurch die mützenförmige Gastrula 
zu Stande kommt; nachher soll ein Teil der Ektoblastzellen invaginieren und als ein Bestandteil des 
sogenannten Urdarmes die ektoblastogene, plattenförmige Anlage der Chorda und des parachordal ge- 
legenen Mesoderms liefern. Derselben Ansicht ist auch Fr. Keibel, welcher bei Säugetieren ebenfalls 
doppelte Gastrulation, eine palingenetische und eine cenogenetische annimmt, so dass das Mesoderm 
in der betreffenden Entwickelungsphase aus dem Ektoblast seinen Ursprung nimmt. Gegen diese 
Ansichten Lwoffs und Keibels lässt sich von vornherein, ohne Nachuntersuchung, der rein formale 
Einwand erheben, dass man dann unmöglich von einer doppelten „Gastrulation“ sprechen könnte, weil 
sich derartige, auf Verschiebungen von Keimblattepithelien beruhende Invaginationsprozesse mit dem 
gewöhnlichen Gastrulationsbegriffe nicht mehr decken. In dieser Hinsicht bin ich mit der Auffassung 


Rabls völlig einverstanden. 


Um über die Keimblätterbildung bei Amphioxus und über die Frage, ob hier eine echte Gastrula 
vorhanden sei, ins klare zu kommen, muss man — beim Blastulastadium anfangend — die Art der 
Einstülpung bis zur äussersten Verengerung und Verschiebung des Prostomiums nach hinten Schritt 
für Schritt verfolgen. Dabei muss man stets die richtige Orientierung des embryonalen Organismus im 
Auge behalten, wenn möglich, auch nach relativ festen Marken suchen, die uns über die Lagebeziehung 
der sich herausdifferenzierenden Anlagen zu den Organen des fertigen Tieres Aufschluss geben 
könnten. Solche Marken für die Invagination hat bekanntermassen Hatschek (2) in seinen Polzellen 
(Protomesoblasten Haeckels) gesehen. In geradezu diametralem Gegensatze zu dieser Auffassung 
steht die Ansicht Lwoffs (#), der in der Oberlippe des Urmundes (Vorderlippe bei vertikaler Ein- 
stellung der Hauptachse der bilateral gestalteten Gastrula) ein Punktum fixum erblickt. 


Die Beobachtung der entodermalen Urdarmbildung wird schon dadurch erschwert, dass die 
animalen Mikromeren und die vegetativen Makromeren in der ausgebildeten Blastula ohne schärferen 
Kontrast ineinander übergehen. Es lässt sich kaum ein schwacher histologischer Unterschied im 
Körperplasma der ektoblastischen und entoblastischen Zellen wahrnehmen. Am vegetativen Pol selbst 
sind jedoch die Blastomeren merklich grösser als die der animalen Halbkugel,*) hier und da sind sie 
auch an der Innenseite stärker vorgewölbt als die Ektoblastzellen. Immerhin würden wir kaum fehl 
gehen, wenn wir das mützenförmige Stadium der sogenannten Depula mit dem obligaten zwei- 
schichtigen Gastrulastadium vergleichen würden. Die Zellen der Übergangszone, also des Urmund- 
randes, wird man je nach der Lage entweder dem Ektoblast oder dem Archenteron zuzählen, da sie 
zu jener Zeit ohne Zweifel noch eine sehr grosse prospektive Potenz besitzen und in die definitive 
Entwickelungsrichtung eben durch die Lage hineingeleitet werden. Ich habe versucht, die Zellen 
dieses Stadiums Perrränlen- doch glaube ich nicht, dass ihre Zahl fest normiert sei. 


*) Vgl. die Darstellung von Mac Bride (2). 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 9 


EIER oe ne, 


Vom Depulastadium angefangen, geht die vom Schwunde der primären Leibeshöhle begleitete 
Vertiefung, beziehungsweise Verlängerung des Archenterons Hand in Hand mit einer sehr auffallenden 
Verkleinerung des Blastoporus. Dieser Prozess hat, wie gesagt, verschiedene Auslegungen: erfahren. 
Das Eine nur wird ohne Widerspruch zugegeben, dass sich der Blastoporus nicht gleichmässig von allen 
Seiten — wie das bei einer Archigastrulation zu erwarten wäre — zusammenzieht, so dass seine je- 
weiligen Umrisse, auf ein und dasselbe Diagramm projiziert, ein System konzentrischer Kreise um die 
sogenannte dorsoventrale Gastrulaachse herum abgeben würden, sondern der Hauptsache nach von 
vorn eingeengt wird, während sich die hintere Partie seines Randes kaum an dem Wachstumsprozess beteiligt. 

Die Unterschiede in der Auffassung, die sich auf die Art des Wachstums des vorderen Urmund- 
randes beziehen, erläutert Lwoff mittels zweier Schemata (4, S. 101), in welche die Konturen des sich 
schliessenden Blastoporus eingetragen wurden. Das Schema mit kreisrunden Umrissen entspricht der 
Ansicht, dass die Gestalt des Urmundes durch heranwachsende Zellmassen nicht alteriert wird; das andere, 
welches eine mediane Zuspitzung des aktiven Urmundrandes zeigt, illustriert die Ansicht, dass sich die 
beiderseitigen Ränder des ursprünglich ungemein weiten Blastoporus vorn aneinander legen und mittels 
einer Naht, die in der Längsachse des zukünftigen Tieres verwandte Richtung besitzt, zusammenwachsen. 
Als Hauptvertreter der letzteren Ansicht ist OÖ. Hertwig zu nennen. In seiner Urmundtheorie (1) hat 
er den Versuch gemacht, der Concrescenzlehre von His eine breitere vergleichende Basis zu geben, 
und hat in erster Linie den stets den Ausschlag gebenden Amphioxus auf diesen Punkt hin geprüft. Aber 
auch ©. Hertwig hat versäumt, die betreffenden embryologischen Stadien durch Autopsie kennen zu 
lernen, begnügte sich vielmehr mit der Äusserung Hatscheks, „die Verwachsung erfolge in einer Linie, 
welche den grösseren hinteren Teil der späteren Rückenlinie bilde“ (2, S. 31). Daraufhin und unter 
Herbeiziehung der Angaben Davidoffs (1), der bei Distaplia eine dorsal gebildete Raphe beobachten konnte, 
werden Concrescenzprozesse bei Ascidien, Leptocardiern und Cranioten miteinander homologisiert und 
die Connascenztheorie ziemlich mühelos zum mindesten auf sämtliche Chordonier ausgedehnt. Aller- 
dings bezieht sich alles das nur auf diejenige Seitenwand des aufrecht gestellten Gastrularkeimes, die 
durch Connasscenz der Blastoporusränder entsteht und später infolgedessen zum Rücken wird, während 
die hintere, beziehungsweise untere Seite der künftigen Amphioxuslarve von Anfang an als eine solide, 
unpaare Anlage anerkannt werden muss. Die namentlich mechanischen Gründe, welche von His zur 
Begründung der Concrescenzlehre geltend gemacht wurden, haben in der letzten Zeit seitens Kopsch' 
eine Widerlegung erfahren. 

Durch ein sonderbares Zusammentreffen bildete auch der Gegner Lwoffs. Rabl, in dem aus- 
führlichen. neu hinzugeschriebenen Vorworte zu seiner „Mesodermtheorie" (3, S. XVI) die erwähnten 
Schemata Lwoffs ab, offenbar ohne dessen Moskauer Arbeit, auf die er im Texte allerdings Bezug 
nimmt, zu kennen. Obgleich sich nun Rabl ebenfalls nur aus der klassischen Publikation Hatscheks 
über den Gegenstand informieren konnte, kommt er dennoch — im Gegensatze zu O. Hertwig— zu der 
Überzeugung, dass das Schema mit runden Urmundkonturen der Wirklichkeit entspricht. Da das Ver- 
halten des Blastoporus für die Mesodermbildung von grosser Wichtigkeit ist, so wird der Einsichtige 
bald erkennen, dass sich beide letztgenannten Forscher bei Fällung ihrer Urteile durch Postulate ihrer 
vorgefassten Meinungen beeinflussen liessen. 

Beobachtet man Gastrulae verschiedenen Alters, die mit dem animalen Pole nach unten liegen 
und den Blastoporus dem Beschauer zukehren, so wird man sehr bald die Überzeugung gewinnen, dass 
die Behauptung Rabls die richtige ist: Etwelche winkelige Unregelmässigkeiten des Mundkreises werden 
einfach durch QOuetschungen und Schrumpfungen, besonders wenn die Objekte in Balsam montiert sind, 
hervorgerufen und kommen an jeder beliebigen Stelle des Umkreises vor.*) Ausserdem ist an der 


*) Auch in der oben citierten neuesten Amphioxus-Arbeit von Morgan und Hazen werden vorzügliche Zeichnungen dieser Stadien 


geliefert (l. c. Taf. XXXIV, Fig. 12), die den Urmund vorne zugerundet zeigen. 


aA 


heranwachsenden Wand des Keimes keine Spur von einer Raphe vorhanden, welche insbesondere ange- 
sichts der organogenetischen Bedeutung, die man der Connascenz gerne zuschreiben möchte, zur Aus- 
bildung kommen müsste. Damit stimmen die Resultate der neueren Beobachter, Sobottas und 
Klaatschs vollkommen überein. Überaus lehrreich ist auch eine Zeichnung von Klaatsch (1, Fig. 6), 
wo man die Gastrulawände nach stark vorgeschrittener Schliessung des Urmundes ganz naturgetreu 
wiedergegeben findet. Wir können uns diesen Vorgang wohl am besten an einem Gummibeutel mit 
runder Öffnung veranschaulichen, sobald wir die Öffnung stark ausdehnen und dann den Stoff sich zu 
dem früheren Umfange zusammenziehen lassen; was im Leben das aktive Wachstum, bewirkt hier die 
Elastizität. 

Es möge nicht unerwähnt bleiben, dass Klaatsch und Samassa auch an Ascidienlarven keine 
Naht. die auf einen Connascenzprozess schliessen liesse, wahrgenommen haben. 


Nach Feststellung der morphologischen Seite des in Rede stehenden invaginationsartigen 
Wachstumsvorganges sind wir bei der Frage angelangt, welche physiologischen Ursachen jenem 
Prozesse zu Grunde liegen und welchen Keimblättern die daran beteiligten Zellen angehören. 


Allgemein bekannt ist die Meinung Hatscheks, dass während eines vorübergehenden Still- 
standes in der Entwickelung des Zellmateriales die grossen Entoblastzellen durch Absorption des Saftes, 
welcher die Furchungshöhle erfüllt, aktiv den allmählichen Schwund des Blastocoels bewirken und 
gleichzeitig aus der konvexen Blastulahemisphäre in den konkaven Urdarm oder Progaster der Depula um- 
gewandelt werden; inzwischen solle sich die grössere exodermale (ektoblastische) Halbkugel passiv 
verhalten (2, S. 16). In vollkommenem Gegensatze hierzu steht die Ansicht Lwoffs. Erstens hat er 
einen, wenn auch vorübergehenden Stillstand in der Vermehrung der Zellen niemals beobachten können; 
zweitens hält er die Exoblastkalotte für das aktive Element, welches ärmer an Dotterkörnchen, daher 
durchsichtiger ist und durch rasche Vermehrung der Zellen die lebhafte Invagination am Vorderrande 
bewirkt. Es sprechen dafür einerseits die Gegenwart zahlreicher Mitosen im Ektoblast, anderseits die 
schon an sich grössere Wahrscheinlichkeit, dass eher kleinere, sich rasch teilende Zellen als die grossen 
und trägen Urdarmzellen gestaltende Eigenschaften oder Potenzen besitzen. Lwoff hebt auch hervor, 
es bestehe zwischen den entodermalen, d. i. schon in der Archidepula das Archenteron bildenden Zellen 
und den Zellen des später heranwachsenden Urdarmteiles ein bedeutender Unterschied in der Grösse: 
jene seien circa 16 u hoch, die Höhe dieser betrage aber 24 u. 


Den ersten Punkt Lwoffs anlangend, hält Sobotta die zunehmende Verkleinerung der Ento- 
blastzellen nicht für eine Folge stetiger Zellteilung, sondern erklärt sie durch den Umstand, dass die 
Zellen im Depulastadium stärker zusammengedrängt und daher auch höher werden. Indem ich bezüg- 
lich der Aktivität der Keimblätter bei Entwickelungsvorgängen auf die weiter unten stehenden Aus- 
führungen hinweise, beschränke ich mich hier auf die Bemerkung, dass bei Annahme rein mechanischer 
Einflüsse der Keimblätter auf die Gestalt des werdenden Organismus der Impuls zur Invagination auf 
keinen Fall von den schwachen Zellen des Ektoblastes ausgehen kann, weil beim alleinigen Walten 
mechanischer Faktoren die Vergrösserung des Ektoblastes notwendigerweise zur Einstülpung seiner 
selbst, nicht aber des relativ starren Entoblastes führen würde. Nichtsdestoweniger kann ich unmöglich 
behaupten, die vegetative Blastulahälfte werde durch Verbrauch der Blastocoelflüssigkeit hineingedrückt, 
wie etwa der Gummideckel eines evacuierten Glases. Die Einstülpung wäre übrigens auch dann nicht 
als aktiv, sondern als passiv zu bezeichnen. Der bedeutende Vorrat an handgreiflichen und begrifflichen 
Daten, der durch Rouxs Entwickelungsmechanik im Laufe des letzten Decenniums herbeigeschafft 
wurde, dürfte bereits allgemein die Ansicht gefestigt haben, es handle sich bei gestaltenden 
ontogenetischen Prozessen um ein, vorläufig für uns noch unendlich kompliziertes Zusammenspiel von 
Faktoren; es wäre ein verfrühter und auch ganz vergeblicher Versuch, den Einfluss rein mechanischer 


Momente schon heute genauer bestimmen zu wollen. 
9* 


Er 


Was den zweiten Punkt, die Beschaffenheit und das Verhalten der Zellen betrifft, so habe auch 
ich regelmässig weit mehr Mitosen im Ektoblast als im Entoblast gefunden. An Schnitten durch 
Stadien, die zwischen der Depula und Gastrula die Mitte halten, sieht man nicht selten in der Aussen- 
wand drei bis vier Mitosen, während im Urdarme bloss eine einzige oder gar keine zu sehen ist (Taf. V, 
Fig. 12). Wilson (3) spricht gleichfalls von zahlreicheren Mitosen der Ektoblastzellen; auch die An- 
gaben der meisten anderen Autoren stimmen damit überein. Diesbezüglich muss ich wieder auf einen 
Umstand aufmerksam machen, der unbeachtet geblieben zu sein scheint. Auch bei ganz gleichmässiger 
Blastomerenvermehrung — angesichts der geringen spezifischen Differenzierung der Zellen kann man 
beim Depulastadium wohl noch von Blastomeren sprechen — müssten die Schnitte stets mehr ekto- 
dermaler als entodermaler Mitosen aufweisen und zwar aus doppeltem Grunde: wegen der grösseren 
Gesamtfläche des Ektoderms und wegen der Kleinheit der einzelnen Zellen. Die unmittelbar beobacht- 
bare, rascher wachsende vordere, respektive obere Randpartie des Blastoporus überzeugt uns lediglich 
von der Thatsache, dass die Prospektivität der Zellen dieses Gebietes von den übrigen Teilen des 
Ektoblastes merklich abweicht. Will man noch weiter gehen und nach einem annehmbaren Grunde 
für diese Ungleichmässigkeit suchen, so möge man die — wenn ich so sagen darf — longitudinale 
Asymmetrie des Keimes, dessen vordere Wand viel kürzer ist als die hintere, beachten. Diese Auslegung 
ist jedenfalls richtiger und logischer als die Ausdrucksweise Lwoffs, der die Ursache der Asymmetrie 
der Keimglocke und der Verengung des Urmundes in der rascheren Mikromerenteilung erblicken 


möchte. Umgekehrt; die Asymmetrie hat zur Folge ein lebhafteres Wachstum. 


Wie aus obigem ersichtlich, kann ich der Meinung Sobottas, es existiere am Urmundrande 
eine scharf bestimmbare Grenze zwischen den Elementen des in Bildung begriffenen Archenterons und 
der künftigen Aussenwand der Larve, nicht zustimmen. Wenn man eine schärfere Grenze zu sehen 
glaubt, handelt es sich zweifellos um zufällige Gestaltung der Zellen von lediglich individuellem Werte. 
Zur Bekräftigung seiner Ansicht hebt Sobotta hervor, dass man Mitosen im ganzen Umkreis des 
Blastoporus antrifft. Ich habe dem gegenüber — ausser des sehr allmählichen Überganges der Ektomeren 
in typische, grössere Entomeren — hervorzuheben, dass das Blastocoel, welches im vorgeschrittenen 
Depulastadium nur noch als ein schmaler Spalt zwischen den zwei Körperwänden erhalten bleibt, 
nachher in der animalen Gegend zuerst verschwindet und am längsten an der Umbiegungsstelle der 
Invagination zu sehen ist; hierin sehe ich einen direkten Beweis. dass sich hier wirklich der Prozess 
einer fortschreitenden Einstülpung der früheren Blastula abspielt; wäre hingegen schon im Blastula- 
stadium eine definitive Sonderung zwischen den zwei künftigen Keimblättern eingetreten. wie es 
Hatschek anzunehmen geneigt war, dann würde die Furchungshöhle wohl zunächst auf dem bereits 
in der Beschaffenheit der Zellen vorgebildeten Trennungsrand der beiden Keimblätter, wo sie, von 
einander abgegliedert, in zwei entgegengesetzten Richtungen weiter zu wachsen haben, verschwinden 
und unter dem Animalpole so lange bestehen bleiben, bis die Kuppe des Archenterons die Wölbung 
der Körperglocke erreicht haben wird. Bei andauernder Einstülpung ist es hingegen geradezu nötig, 
dass die Urmundränder stärker zugerundet und dicker bleiben, mit anderen Worten, dass sie ein ring- 
förmiges Lumen enthalten, da sich die Zellen bei zu rapider Einknickung der Darmwand schwerlich 
nach innen zu verschieben könnten. Samassa ist auf Grund seiner zu gleicher Zeit mit den meinigen 
ausgeführten Untersuchungen zu ganz ähnlichem Ergebnisse gekommen; nur in späteren Stadien hält 
er ein Persistieren des Blastocoels für ein Artefakt. Dass ich diese Verhältnisse richtig aufgefasst habe, 
davon zeugen auch grössere, stärker vorgewölbte Zellen, welche hier und da an den Umschlagsrändern 
des Blastoporus auftreten und wieder verschwinden; es sind das zufällige Unregelmässigkeiten in 
dem geordneten Wachstum der Zellen, die bereits mehrfach zu irrtümlichen Interpretationen Anlass 
gegeben. Hatschek hat sie am hinteren Mundende gesehen und für ständige, paarige Urmesoderm- 
anlagen gehalten, wodurch sich Haeckel genötigt sah, den angeblich rein palingenetischen Furchungs- 


Ren 


stadien des Amphioxus Bilateralität zuzuschreiben. Thatsächlich besteht jedoch die Bilateralität nur 
darin, dass der vordere Teil der Einstülpung von vornherein eine viel kürzere und steilere Wand be- 
sitzt als der lange und schwach gewölbte hintere. Diese Polzellen bilden bei Hatschek eine 
unverschiebbare Marke, welche die Grenze zwischen dem Ekto- und Entoblast von Anfang an bezeichnet. 


Klaatsch hat sich nachher überzeugt, dass diesen Zellen, soweit sie überhaupt vorhanden sind — er 
selbst hat sie nur am hinteren Urmundrande beobachtet — keine bilateral-symmetrische Anordnung 
zukommt. 


Vergleicht man die eingestülpten und die aussen gelegenen Zellen der wachsenden Wand mit 
einander, so wird man zu der Vermutung gedrängt, dass die bereits oben erwähnte indifferente Zone 
zwischen Ektomeren und Entomeren der Blastula in der vorderen Partie des Urmundrandes bedeutend 
breiter sein muss als hinten. In histologischer Hinsicht sind bemerkenswerte Unterschiede nicht zu 
konstatieren. Dies war schon aus den Figuren Hatscheks zu ersehen. Abbildungen fortschreitender 
Stadien (Taf. V, Fig. 11—13) lassen eine Aufhellung des gesamten Zellinhaltes erkennen; diese Aufhel- 
lung betrifft indessen beide Schichten im gleichen Masse. In späteren Stadien, bei vorgeschrittener Ver- 
engung des Blastoporus, wann der Keim bereits mit Wimpern bekleidet ist, konnte ich im Urdarme, und 
zwar in allen Zellen der inneren Schichte, eine zweifellos durch Verdauung bewirkte Vermehrung der 
feinen Körnchen, die jetzt eine sehr verschiedene Grösse besitzen, wahrnehmen. Bezüglich des Höhen- 
unterschiedes zwischen oberen und unteren Urdarmzellen, habe ich mich sehr bald überzeugt, dass die 
oberen durchaus nicht immer niedriger sind, als das untere „‚echte‘‘ Entodermepithel; manches Mal können 


sie sogar beträchtlichere Höhe erreichen. 


Soviel liess sich an dem mir zu Gebote stehenden Materiale nachweisen. Es wird hoffentlich 
genügen, um die tektonische, auch organogenetische Beschaffenheit des Amphioxuskeimes richtig zu be- 
urteilen. Und dies war uns nicht so sehr wegen der Leptocardier selbst, als aus allgemein morpho- 


genetischen Rücksichten dringend erwünscht. 


Der Gastraeatheorie gemäss wird für die ursprünglichste Ontogenie derjenige Fall gehalten, wo 
entweder der vegetative oder der animale Pol der Gastrula in den definitiven Mund des Tieres übergeht, 
wobei die dorsoventrale Achse der Gastrulaglocke nur insofern von der Hauptachse der betreffenden 
Form abweicht, als der Darmkanal im Laufe der Entwickelung verlagert wird. Die dorsoventrale Achse 
der Gastrula soll also mit der longitudinalen oder dorsoventralen Achse des künftigen Tieres je nach 
dem Bautypus zusammenfallen. Ist an Stelle dieses primitiven Verhaltens Heteraxonie der definitiven 
Körperlage eingetreten, dann kann man füglich von einer Archiblastula, Archidepula, Archigastrula, 
Archichordula etc. — die Reihe ist lang — nicht mehr reden, indem es sich zeigt, dass die einzelnen 
Epithelteile eine ganz verschiedene Prospektivität erlangt haben, als bei dem Urtypus der Entwickelung 
und dass sie einen durchaus heteraxonen Körperbau bedingen. Würde z. B. das Depulastadium beim 
Amphioxus wirklich die einstige Depaea palingenetisch wiedergeben, dann müsste vor allem ihre Haupt- 
achse mit der Achse der Depaea identisch sein. Die Sache müsste also so liegen, dass der animale Pol 
der Depula genau dem Vorderende der Chorda und die Mitte der Prostomialöffnung genau dem Hinter- 
ende des fertigen Amphioxus entsprechen würde.*) Jedoch, um den wirklichen Verhältnissen Rechnung 
zu tragen, müssen wir die gegenseitige Orientierung in ganz anderer Weise vornehmen. Fast drei 
Viertel der Depulaglocke kommen auf die künftige Bauchseite des Fisches zu liegen; für die entgegen- 
gesetzte Rückenseite kommt nur ein einziges Viertel, die abschüssige Wand der Depulaglocke in Betracht. 
Wenn wir der Längsachse des Fisches horizontale Lage geben und mit der Depula vergleichen wollen, 


*) Dass die Bilateralsymmetrie im Körperbau das monaxone Verhältnis zwischen dem Keime und der Imago nicht aufzuheben braucht, 
versteht sich von selbst. Nur müssen wir auch auf gleichsinnige Orientierung der Querachse der Leptogastrula mit der Querachse des fertig 


gewordenen Organismus Bedacht nehmen. 


0 


so müssen wir den animalen Pol tief nach unten verschieben und zwar so weit, bis der hintere (resp. 
untere) Blastoporusrand fast die Längsachse erreicht haben wird. Über die Horizontallinie ragt nur 
vorn der kurze steile Teil des Keimes empor. Sonst ist die Rückenhälfte noch gar nicht vorhanden. 
Die Depula liegt einfach umgekehrt und ihr gewaltiges Prostomium klafft nach oben, ein Verhalten, 
welches vom rein morphologischen Standpunkte als höchst merkwürdig bezeichnet werden muss und 
auf die entwickelungsgeschichtliche Gleichheit ähnlich gestalteter Stadien bei verschiedenen Tierformen 
ein sonderbares Licht wirft. Durch die decentrierte Zusammenziehung und Verwachsung des Urmundes 
wird erst die Rückenwand hergestellt und wird erst dann vollständig, wenn der früher nach oben sehende, 
vordere Teil des Urmundrandes so nahe an die Horizontallinie zu liegen kommt wie der viel früher 
fixierte hintere Teil. 

Wir sehen, dass die Achsen des Keimes und des fertigen Amphioxus nicht zusammenfallen. Der 
Winkel zwischen der Dorsoventralachse des Glockenkeimes und der Längsachse des Amphioxus beträgt 
circa 70°.*) Dieser Umstand wurde bis jetzt weder klar genug hervorgehoben, noch auf seine allge- 
meinen Konsequenzen geprüft, obschon das discordante Achsenverhältnis bekannt war (Hatschek, 
Klaatsch). Es leuchtet doch ein, dass der Entwickelungsprozess beim Amphioxus nicht palingenetisch 
im Sinne der Haeckelschen Phylogenie verläuft. Das mützenförmig eingestülpte Stadium des Keimes 
ähnelt nur äusserlich, gewissermassen zufällig, vielen anderen zweischichtigen Entwicklungsstadien der 
Wirbellosen, ist aber, wie wir gesehen haben, morphogenetisch oder prospektiv etwas ganz anderes; wie 
es überhaupt in der Reihe der Metazoenkreise kaum Formen giebt, auf die sich die Schablone der ur- 
sprünglichen Invaginationsgastrulation anwenden liesse. Es handelt sich in der Wirklichkeit um recht 
verschiedene Dinge, deren habituelle Ähnlichkeit lediglich einer übrigens schwer verständlichen Faltung 
des flächenhaft vergrösserten Furchungsmateriales ihre Entstehung verdankt. Archigastrulae besitzen 
gleichwertige Ektoblastzellen und gleichwertige Entoblastzellen; diese beiden Schichten wären daher 
bei wirklich palingenetischen Ontogenien einander homolog. Hier sind sie es nicht. Beim Heranziehen 
des Amphioxus als Beweis und Beispiel biogenetischer Rekapitulation der Phylogenese macht sich Haeckel 
arge Schematisierungen zu schulden. Es genügt, auf die Abbildung der Amphiosusgastrula in Haeckel 11 
(1889!) Taf. I, Fig. B4 einen Blick zu werfen, um sich von der Richtigkeit dieses Vorwurfes zu über- 
zeugen. Sie nimmt sich dort genau wie der Urkelch eines Olynthus aus. Ebendaselbst (S. 493) sagt 
Haeckel „dieser Jugendzustand, die Gastrula, sei bis jetzt in sehr verschiedener Weise aufgefasst gewesen 
und in den divergenten Stämmen des Tierreiches als eine gänzlich verschiedene Keimform angesehen 
worden“. Wir wissen nunmehr, aus welchen Gründen dies geschehen. Zur besseren Veranschaulichung 
des hier gegen die Generalisierungen und Schematisierungen Haeckels Vorgebrachten, möchte ich 
noch hinzufügen, dass ein echter Gastralkeim, mag er eine Archigastrula oder eine bilaterale 
Leptogastrula sein, den künftigen Organismus in effigie in dessen allen Teilen, wie ein 
Glassturz zudeckt und aus sich herausformt; der Einstülpungskeim des Amphioxus ist aber 
eine Art Untertasse, auf der sich der werdende Organismus aufzubauen hat. 


Es bleibt überhaupt fraglich, ob man angesichts dieser Sachlage die Körpergegenden der um- 
gestürzten Depula und Gastrula richtig bezeichnet. Hier geschieht etwas ganz anderes als in jenen 
Fällen, wo die Prospektivität der beiden heterogenen Pole des Darmkeimes vertauscht wird, so dass aus 
dem Urmunde einmal der definitive Mund, ein anderes Mal die Afteröffnung wird. Im Sinne des von 
Haeckel angenommenen Umwandlungsprozesses müsste ja der Amphioxuskeim im Laufe der Phylogenie 
einfach umkippen; daraus folgt aber, dass der obere Teil des Urmundrandes, der die Rücken- 
seite des künftigen Lanzettfisches einnimmt und bildet, mit dem hinteren Blastoporusrande 


*) Vgl. Mac Bride, 2, Seine Auffassung ist nicht richtig. 


— em 


einer aufrecht gestellten Gastrula identisch sein muss. Was ist aber die Folge? Die namentlich von 
Rabl postulierten Urmesodermzellen, welche den Amphioxus und mit ihm alle Wirbeltiere 
mit Mollusken und anderen Evertebraten, wie ein einheitliches Band, verbinden sollten, 
wurden von Phylogenetikern bei Amphioxzus nicht etwa dort, wo sie bei Evertebraten als 
Polzellen auftreten, sondern in der entgegengesetzten, vorderen Region des Keimes ge- 
sucht und, was am merkwürdigsten ist — auch gefunden. 


Ehe wir diesen Gegenstand verlassen, möchte ich noch mit wenigen Worten korrespondierende 
Stadien bei Ascidien besprechen, die man seit jeher mit der Entwickelungsgeschichte der Leptocardier 
in Zusammenhang bringt. Es lässt sich eine gewisse Übereinstimmung in der Topik des Furchungs- 
materiales in diesen beiden Gruppen nicht leugnen. Man braucht aber keiner weitwendigen Beweis- 
führung, um in dieser Übereinstimmung eine lediglich habituelle Convergenz der Entwickelung zu er- 
kennen. Es ist bekannt, was für weittragende Schlussfolgerungen und Hypothesen gemacht wurden, 
als sich Ähnlichkeiten in der Entstehung des Primitivstreifes an dotterreichen Eiern der Vertebraten 
herausgestellt haben; alle stützten sich auf den gleichartigen Vorgang der Urmundverschliessung und 
alle liefen auf Concrescenz hinaus. Gerade nun in diesem für die Vergleichung gastraler Keime wich- 
tigsten Punkte verhalten sich die Ascidien ganz anders wie Amphioxus. Örientiert man ein junges, mit 
weitem Prostomum versehenes Stadium von Clavellina mit dem Keime des Amphioxus und zwar so, dass 
der Vorderrand des Blastoporus und die Stelle des künftigen Neuroporus etc. der einen den betreffenden 
Partien des anderen in der Lage wirklich entsprechen, dann überzeugt man sich von zwei prinzipiellen 
Gegensätzen. Erstens deutet die nach hinten zugespitzte Kontur des verwachsenden Blastoporus auf 
eine Art von Concrescenz, während dieser Prozess bei Amphioxus ohne Raphenbildung und ohne Con- 
nascenz von Mundrändern vor sich geht. Zweitens erfolgt hier die Connascenz von hinten, da der 
spitze Winkel der Urmundränder dem hinteren Pol des Keimes zugekehrt ist. Drittens erfährt das 
Centrum des Urmundes keine Verschiebung nach hinten, wie sie beim Heranwachsen der Rückenwand 
bei Amphioxus eintreten muss: die Mundränder ziehen sich mehr konzentrisch zusammen. Daraus er- 
giebt sich ein verschiedenes Verhältnis der Organe zu ihren Anlagen. Eigentliche Ähnlichkeit besteht 
nur im Überwachsen der Neuralanlage durch den hinteren Rand des Blastoporus. Dies genügt indessen 
nicht, um mit Kupffer (1, S. 159) „den Anschluss der Vertebraten an die einfachen Ascidien für dar- 
gethan gelten“ zu lassen.*) Die Anlage des Nervensystems und des subneuralen Axialstranges (Taf. VI, 
Fig. 24) ist zwar in ersten Stadien analog, wie verschieden auch ihre späteren Schicksale sein mögen, 
jedoch die Gesamtanlage des embryonalen Körpers ist sowohl in Bezug auf das Zellmaterial, als auf die 


Entstehung und Qualität des Gastrocoels etc. durchaus heterogen. 


Wichtiger wären Vergleiche zwischen der Ontogenie der Leptocardier und der Entwickelung 
des Wirbeltierkeimes. Ohne auf die mutmasslichen verwandtschaftlichen Beziehungen der Acranier zu 
Cranioten an dieser Stelle näher einzugehen, wollen wir uns auf die Bemerkung beschränken, dass hier 
engere oder entferntere Beziehungen unzweifelhaft bestehen, dass sich aber bei keinem Wirbeltier irgend 
ein entwickelungsgeschichtliches Merkmal findet, welches den Acraniern und den Cranioten gemeinsam 
wäre. Die Embryologie der letzteren gehört zu den am meisten umstrittenen Problemen der vergleichenden 
Forschung. Auch hier hat beinahe jeder Autor auf Grund der von ihm untersuchten Gruppen eigene 
Ansichten und Einzelhypothesen entwickelt. Dass wir in der thatsächlichen Kenntnis morphogenetischer 
Vorgänge bei Wirbeltieren so weit zurück sind, hat zum grössten Teile die Gastraealehre verschuldet. 
Anstatt die an sich sehr verwickelten Prozesse der Epithelienbildung möglichst genau und vielseitig zu 
verfolgen, handelt es sich fast bei sämtlichen Autoren nur darum, die Entwickelung auf das Schema 


*) Vergl. auch Taf. VIII, Fig. 7—ıou. ff. in Kupffers Arbeit. Das Furchungsmaterial der Ascidia canina ist mit dem Keime des 


Amphioxus keineswegs vergleichbar, 


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der embolischen Gastrulation und die Epithelschichten auf die Keimblätter des Amphioxus zurückzuführen, 
als ob das Problem wirklich in den betreffenden Beweisen oder Gegenbeweisen bestände und als ob 
nach Entscheidung dieser Detailfragen das Problem selbst mit gelöst werden würde. In dem endlosen 
Streit um die Bedeutung des Dotters bei “Amnioten und Anamniern wird nicht die Rolle des Dotters 
und sein physiologisch-morphologischer Anteil an der Ontogenese, sondern lediglich sein Einfluss auf 
das formale Moment der Gastrulation diskutiert. Die Urteile sind einander oft diametral entgegengesetzt. 


Wir würden zu sehr in Einzelheiten geraten, wollten wir hier diesen Gegenstand wenigstens in 
den Hauptpunkten entwickeln. Es muss bei dem blossen Hinweise auf das bestehende Chaos sein 
Bewenden haben. Nach Rabl z. B. haben die Monorrhinen (Petromyzon) und Ganoiden eine Amphi- 
gastrula cyclostoma, die mit viel Dotter ausgestatteten Selachier und Teleostier eine eurystome Disco- 
gastrula. Nach Lwoff entstehen bei Neunaugen und Fischen die Keimblätter durch Umwachsung; das 
Entoderm wird auf dem Dotter durch partielle Delamination gebildet. Nach Samassa giebt es bei 
Selachiern und Teleostiern gar keine Gastrulation. Bei dotterarmen Amphibieneiern geht nach Rabl 
die Gastrulation in gewohnter Weise vor sich. Ich selbst würde die Urdarmbildung beim Frosch mit 
der Gastrulation der Acranier vergleichen, insofern hier die breiten „Umschlagsränder“, richtiger gesagt, 
die Übergangszone des äusseren Epithels in das hypoblastische Dottergewebe, durch ein intensives 
Wachstum des oberen Ektodermrandes nach unten eingeengt wird, bis vom ursprünglichen „Blastoporus“ 
nichts mehr übrig bleibt, als der Ruskonische After. Hier spricht man von einer Gastrula stenostoma; 
der ganze Vorgang ist in seinem inneren Geschehen natürlich etwas ganz anderes als die Schliessung 
des Urmundes bei Amphioxus und die Ähnlichkeit bleibt auch hier auf Äusserlichkeiten beschränkt. 
Nach Roux handelt es sich beim Frosch um typische Epibolie. Robinson und Assheton haben in 
interessanter Weise alle Widersprüche und Gegensätze in der Gastrulation und Bildung der Keimblätter 
bei Amphibien zusammengestellt (1) und haben zutreffenderweise hervorgehoben, dass die Keimblätter 
des Frosches am Schluss der Furchung erst teilweise als „Keimblätter“ differenziert sind; so bestehe 
z. B. der Boden des Blastocoels aus indifferenten Blastomeren, der Urdarm aber wird nach Robinson 
(1) nicht durch Invagination gebildet, sondern gewinnt sein Lumen durch allmähliches Auseinander- 
weichen der Dotterzellen. Nach Brauer (4) sind die Eier von Coecilien scheinbar meroblastisch, sie 
teilen sich aber inaequal in der bei allen Amphibien üblichen Weise und doch resultiert aus der 
Furchung ein Komplex von Keimblättern, die sich mit der Gastrula eines Amphioxus nicht im ent- 
ferntesten vergleichen lässt. Beim Frosch und beim Axolotl werden wieder die ersten Entwickelungs- 
vorgänge von Kopsch (2) als embolische Gastrulation aufgefasst; während Samassa (2) den Anuren 
— ebenso wie den Selachiern und Teleostiern — Gastrulationscharaktere abspricht, wobei er diesen 
Umstand durch cenogenetische Unterdrückung primärer Verhältnisse erklärt. Auch bei Sauropsiden hat 
man die Keimblätterbildung in verschiedenster Weise gedeutet. Während z. B. nach OÖ. Hertwig bei 
allen Amnioten das Prostomum bis an die Zwischenhirnregion heranreicht, lässt sich diese Auffassung 
auf Reptilien gar nicht anwenden und wir selbst können hinzufügen, dass der Schwanz der Reptilien 
nach der Urmundtheorie Hertwigs aus zusammengewachsenen Rändern des Gastrulamundes hervor- 
gehen müsste, was wenig wahrscheinlich klingt. Nach Mitrophanoff (1) bildet sich bei Reptilien 
zuerst eine Ektodermverdickung, worauf typische Gastrulation folgen soll; auch bei Vögeln (und 
Monotremen) hätten wir den Fall einer Discogastrula stenostoma vor uns. Besonders grosse Schwierig- 
keiten bereitet die „Gastrulation“ der Säugetiere. Es wird niemand in Abrede stellen wollen, dass es zwischen 
den Monotremen mit einer Discogastrula einerseits und den Marsupialiern und Placentaliern mit einer Epi- 
gastrula nahe phyletische Beziehungen giebt und dass die Säuger monophyletischen Ursprung haben. Es 
gelingt nur nicht, die Furchung der Säugetiereier in ein willkürlich konstruiertes Schema hineinzuzwängen. 
Van Beneden hat die jüngsten Furchungsstadien zuerst verfolgt und gefunden, dass ein massives, zu 
einer Morula geballtes Zellmaterial von einer anderen, einschichtigen Zellsorte umwachsen wird (Taf. VI, 


erster 


Fig. 31, 32). Er hat diesen Vorgang „Pseudogastrulation‘ genannt, und zwar in Berücksichtigung der 
späteren, die Bildung des eigentlichen Darmes betreffenden Vorgänge. Auf dem Boden der Gastraea- 
theorie stehend, könnten wir jedoch dieses Stadium nicht anders als typische epibolische Gastrulation 
auffassen. Dasselbe thun wir ja in so vielen anderen Fällen! Nach der Darstellung Benedens schliesst 
sich jedoch der vermeintliche Blastoporus sehr bald, im Inneren entsteht ein immer grösserer Spalt 
zwischen den zusammenschrumpfenden dunkelkörnigen Zellen und dem eine regelrechte Blastula bildenden 
Ektoblast, und der Gastrulationsprozess muss aufs neue und in anderer Weise vor sich gehen. Es soll 
nämlich jetzt eine regelrechte Invagination stattfinden, und zwar vom Blastoderm aus in das 
zusammengeballte Entoderm der epibolischen Gastrula (Taf. VI, Fig. 33, 34, in Anlehnung an Keibel 
und ©. Hertwig, etwas modifiziert); danach würde die Ontogenie der Säuger merkwürdiger- 
weise deren gastraeale Vorgeschichte zweimal rekapitulieren, zumal es nicht annehmbar er- 
scheint, diese Tiergruppe habe ihren Ursprung thatsächlich zweimal von der G@astraea ab versucht. 
Nicht minder widersinnig wäre es, die neueren Ergebnisse Robinsons (1) mit dem Schema der 
Gastrulation in Einklang zu bringen. Nach seinen Beobachtungen tritt auch bei der von ihm unter- 
suchten Maus ein Stadium auf, das sich mit meinem nach v. Beneden skizzierten Diagramme Fig. 32 
ohne Schwierigkeit vergleichen lässt.*) Ein Unterschied — allerdings ein theoretisch bedeutender — 
besteht nur darin, dass die Entoblastgruppe von den Zellen des Ektoblastes gar nicht überdeckt wird; 
im Umkreise derjenigen Partie, wo das Entoderm an die Oberfläche des Keimes zu liegen kommt, 
hätten wir (es ist natürlich nicht die Ansicht des citierten Autors) die Ränder des Urmundes vor uns. 
Sodann soll an dem gegenüberstehenden Pole eine typische Invagination des Ektoblastes eintreten. 
Das Säckchen des eingestülpten Epithels vergrössert sich immer mehr und mehr und das allgemeine 
Bild des Keimes zu jener Zeit ist — nach den Figuren Robinsons zu urteilen — das einer typischen 
embolischen Gastrula, die durch zellige Verdickung ihres animalen Poles charakterisiert wäre. In der 
That, dieser nach der einleitenden epibolischen Gastrulation beginnende Einstülpungsvorgang wäre mit 
mindestens eben solchem Rechte als zweite Gastrulation zu bezeichnen wie die in den Skizzen Fig. 33 u. 
34 dargestellte Darmbildung. Es zeigt sich uns hier die unumschränkte Willkürlichkeit in der Deutung 
morphogenetischer Prozesse seitens der Anhänger der Gastraealehre in grellem Lichte, besonders wenn 
wir uns an das Beispiel der Insekten erinnern, wo eine mesodermal-ektodermale Vertiefung, die zu 
der Bildung des Darmes in gar keiner Beziehung steht und sowohl morphologisch als physiologisch 
und organogenetisch eine ausschliessliche Eigentümlichkeit der Insektenembryologie ist, von bedeutendsten 
Forschern noch immer als embolische Gastrulation interpretiert und geschildert wird. Die zweite, von 
Robinson beschriebene embolische Gastrula hat nun aber auch bei den Säugern mit der Gastrulation, 
d. i. mit der Darmbildung nichts zu thun. Bald verliert sich der gastrale Charakter der Einstülpung, 
das invaginierte Zellmaterial trennt sich vollständig vom Exoblast und kommt mit dem Endoblast der 
ersten Gastrula in Berührung. Inzwischen ist in diesem Endoblast eine flache Spalte entstanden, es 
bilden sich infolgedessen zwei Schichten, aus denen das Archenteron als Darm mit Dottersäckchen 
gebildet wird. Das abgetrennte Zellhäufchen aus der zweiten Gastrulation liefert aber das definitive 
Ektoderm; das Mesoderm ist gemischten Ursprungs. Das primäre Ektoderm würde somit die Bedeutung 
eines Trophoblastes haben; es nimmt an der Bildung des Embryos keinen Anteil, sondern liefert 
provisorische Organe, wie z. B. die Placenta. Wenn auch der genannte Autor trotz alledem diese 
Ontogenie mit der Entwickelung in den übrigen Klassen der Wirbeltiere vergleicht und zu der Einsicht 
gelangt, dass der Darm überall auf dieselbe Weise, namentlich durch Schizocoelie seinen Anfang nimmt, 
so können wir nach Erwägung der unzähligen Verschiedenheiten, welche in den einzelnen Klassen 
bestehen, diese Meinung nicht teilen und in der Entwickelung eines Amphioxus und des dotterarmen 


*) Bloss die Entstehung der Entoblastgruppe wird wesentlich anders beschrieben. 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 10 


de 


Säugereies keine Kongruenz erblicken. Wie wenig konsequent bei Anwendung des Gastrulations- 
begriffes vorgegangen wird, das ergiebt sich aus der Thatsache, dass man nichts sinnwidriges darin 
sieht, einen doppelten Gastrulationsprozess anzunehmen. So versuchte z. B. Keibel darzuthun, dass 
der Säugerkeim zweimal gastruliert- zum ersten Mal bei der Bildung des entodermalen Darmes, ein 
anderes Mal bei der Bildung des Mesoderms und der Rückensaite. Lwoff spricht ebenfalls von einer 
doppelten Gastrulation bei den Wirbeltieren. Auf doppelte gastraeale Invagination läuft auch die 
Deutung Duvals (1) hinaus, der vor einigen Jahren die Eifurchung der Fledermäuse studiert hat. Auch 
er hat eine epibolische Gastrula mit nachfolgender Blastocoelbildung (Fig. 32) gesehen und bestätigt 
in den Hauptpunkten die Mitteilungen van Benedens, glaubt jedoch die Mundöffnung auf der dem 
Entoblasthaufen entgegengesetzten Seite des Blastoderms gesehen zu haben. Wir kümmern uns vor- 
läufig nicht weiter darum, ob die von Duval gefundene Öffnung ein natürliches Merkmal ist oder 
künstlich bei der Präparation erzeugt wurde. Es interessiert uns vorläufig nur die Thatsache, dass 
hervorragende Forscher keinen Anstand nehmen, die Einzelbegriffe der Gastrulation in so mannigfaltiger 
Weise anzuwenden, dass dabei der formale Wert des Begriffes verloren geht. Es zeigt sich, dass zum 
Wesen des Urmundbegriffes gar nicht ein Zusammenhang zwischen den beiden primären Keimblättern 
gehört, mit anderen Worten, dass der Urmund nicht den Eingang in das wenn auch mitunter lumenlose 
Archenteron bedeutet, sondern mit einer einfachen Öffnung im einschichtigen Epithel bereits gegeben 
ist.*) Infolge dieser Interpretation werden auch die weiteren Entwickelungsstadien anders dargestellt. 
Positiv wichtig ist die Angabe Duvals, dass durch die erste Furchung das Ei in zwei ungleiche Blasto- 
meren zerlegt wird; die Mikromere liefert das Ektoblast, die Macromere das Entoblast. Andere Autoren 
sprechen hingegen von annähernd gleicher Grösse erster Blastomeren und behaupten, es liesse sich bei 
der Bildung der Morula keine Regelmässigkeit, insbesondere keine Scheidung der Keimblätter erkennen 
(R. Assheton). Noch anders beschreibt die Furchung bei Säugetieren Weysse (1), der die Embryo- 
logie des Schweines untersucht hat. Auf dem Ektoblast, der den Entoblast von allen Seiten epithelial 
umschliesst, bildet sich eine Keimscheibe, an deren Rändern, mit Ausnahme des Vorderrandes, Zell- 
wucherungen stattfinden und zur Entstehung mehrerer Deckschichten führen, die sich mit der Keim- 
scheibe verbinden und nur vorn eine Öffnung freilassen. Der Vorgang wird mit dem Überwachsen der 
Medullarplatte durch das Ektodermepithel bei Amphioxus und die vordere Öffnung mit dem Neuroporus 
homologisiert. Wie wir sehen, führt die Idee gastraealer Homologie dazu, dass jeder Beobachter etwas 
anderes vor sich zu haben glaubt. Bezüglich der Säugetiere hat Rabl den Eindruck, dass es in dieser 
Gruppe keine Gastrulastadien giebt, und Lwoff ist zu der Überzeugung gekommen, dass der Darm bei 
den Vertebraten überhaupt niemals durch Invagination gebildet wird. Trotz der scheinbaren Selbst- 
ständigkeit seiner Ansichten steht aber Lwoff dennoch auf dem Boden der Gastraealehre und seine 
Gedanken bewegen sich stets in Geleisen dieser Theorie, so wenig ihm selbst das bewusst sein sollte. 
Von ihrem Banne emanzipiert, würden wir bei einem dotterarmen Keim des Säugers und dem Keim des 
Amphioxus, in genügender Würdigung der total verschiedenen Umstände, unter denen die Entwickelung 
stattfindet und der ungeheuren Verschiedenheit ihrer phyletischen Vergangenheit nicht nach Überein- 
klängen in der Form, sondern nach Ähnlichkeiten im Verlaufe der Entwickelungsprozesse an sich suchen. 
So lange man verschiedenartige Sachen, wie hier das gestaltliche Moment der Entwickelungsstadien 
mittels eines einheitlichen Nenners und unter einem willkürlichen Kollektivbegriff begreifen will, so 
lange wird man zu keinem Resultate gelangen. Gebrüder Sarasins (1) waren vielleicht die einzigen, 
die den Schwerpunkt der Vergleichung auf physiologisches Gebiet zu verschieben versuchten. Sie 
finden, dass die beiden primären Keimblätter des Gastrulastadiums die Bedeutung einer, sagen wir 
aktiven, bildenden Schicht und einer passiven, nährenden Schicht vom Anfang an besitzen. Am ur- 


*) „Loch bleibt Loch in der ganzen Welt“ — hat einmal der tiefsinnige Kleinenberg gesagt, 


2 We 


sprünglichsten wären folglich Keime, deren Inneres vom Dotter erfüllt (wie es bei dotterreichen Eiern 
der Fall ist) und die Oberfläche von Blastoderm gebildet wird. Somit wären die Dotterelemente der 
Wirbeltiere mit Nährmaterial verschiedener Wirbellosen zu vergleichen. Weniger zutreffend sind die 
diesen Gewebsschichten beigelegten Bezeichnungen, Archoblast für den lecithinführenden Entoblast anderer 
Autoren und Caenoblast für das äussere Blastoderm. Die Verhältnisse am Säugetierkeime wären als 
sekundär durch Resorption von Lecithin entstanden zu denken. Doch sind diese Gedanken abseits 
liegen geblieben. 


Wenn es nicht gelingt, die Entwickelungsgeschichte der Wirbeltiere mit Hilfe der Gastraealehre 
eindeutig zu verstehen, wird man erwarten, dass diese Hypothese bei Behandlung ursprünglicher Onto- 
genien von Wirbellosen, wie Poriferen, Coelenteraten und dgl. bessere Dienste zu leisten vermag; dass 
wenigstens bei phyletisch ältesten Tierkreisen sich das Urstadium einer Morula, Archiblastula, Archi- 
gastrula erhalten hat. Wir wissen bereits, dass die sehr primitiven Dieyemiden und Orthonectiden keine 
embolische Gastrulation erfahren, und dass die Begriffe, mit welchen die Lehre Haeckels operiert, in 
die einfachen Vorgänge der Blastomerenvermehrung bei diesen Organismen ganz willkürlich hinein- 
getragen werden. Man macht jedoch bezüglich dieser Gruppen ihre parasitische Lebensweise für ceno- 
genetische Fälschungen der Phylogenese verantwortlich. Wenden wir uns deshalb zu den nicht minder 
primitiven Spongien, einer Gruppe, wo trotz der grössten Mannigfaltigkeit in der Ausbildung der Körper- 
form und der Skelettteile der Grundtypus als Beleg für ihren monophyletischen Ursprung stets mühelos 
zu erkennen ist. Das populärste Beispiel bietet die Entwickelungsgeschichte der Sycandra und der 
Asconen, an denen Haeckel die Grundlagen seiner Gastraealehre mit Vorliebe demonstriert. 

Wie uns bei einem Blick auf die Fig. 2 (Taf. VI) erinnerlich wird, wird in der Entwickelung der 
Sycandra, eines der einfachst gebauten Schwämme, das für die Richtigkeit der Hypothese eigentlich 
entscheidende Stadium der Archiblastula nicht mehr durchlaufen. Anstatt einer solchen haben wir 
eine sehr differenzierte Amphiblastula vor uns, wo sich zwei verschiedene Zellsorten, zwei im wirklichen 
Sinne des Wortes präformierte Keimblätter, mit aller wünschenswerten Klarheit von einander abheben. 
Diese Scheidung der Blastomeren in zwei Gewebsanlagen tritt in der Ontogenese so früh auf, dass man 
vorher von einem Archiblastulastadium nicht reden kann. Allerdings ist Sycon nicht die ursprünglichste 
Spongienform. Das Prinzip des reinen Gastralsäckchens wird nur von den Asconen verkörpert. Nun 
finden wir bei Ascetta thatsächlich das gesuchte Urstadium, eine Archiblastula aus gleichgebauten 
zylindrischen Geisselzellen zusammengesetzt. Damit ist aber auch die Übereinstimmung zu Ende. An- 
statt der Invagination beginnt sehr früh ein multipolares Einwandern von Zellen aus dem Blastoderm 
in das Innere der Blastosphaera, — also eher ein Beleg für die Phagocytellalehre Meinikoffs. Die 
eingewanderten Zellen differenzieren sich bald in mehrfacher Weise in amöboide, skeletogene Zellen 
und dgl. Nun aber kommt auch die Phagocytellalehre zu Schanden. Kaum hat sich die freischwim- 
mende Larve festgesetzt und das Stadium einer typischen Gastrula, deren Urmund indessen geschlossen 
bleibt, erreicht, als wir die hohen Geisselzellen der vermeintlichen Archiblastula sämtlich zu einer Hohl- 
sphaere gruppiert wiederfinden, und zwar im Inneren der Larve, als gastrales Epithel, und mit den 
Geisseln nach innen gerichtet. Das dermale Epithel besteht aus epithelial zusammengefügten Wander- 
zellen der Phagocytella und eine Anzahl locker gebliebener Wanderzellen erfüllt den Raum zwischen der 
Hautschicht und dem Archenteron. Die Blastosphaera war also keine Archiblastula. Sie bestand nur 
aus dem einen Keimblatt, dem definitiven Entoderm mit starker Prospektivität. Wenn wir in einem 
etwas späteren Zeitpunkte, wo mittels Invaginationsgastrulation die Einstülpung eingeleitet wird, das 
eingestülpte Blatt für etwas Sekundäres im Vergleiche zum Blastoderm der Blastula halten und phyletisch 
das Volvox -ähnliche Stadium vor das embolische Gastrulastadium zu setzen pflegen, so müssten wir in 


dem vorgeführten Falle unsere Annahmen, zumal es sich wirklich um die einfachste Spongie handelt, 
10* 


_ Br 


gründlich modifizieren. Das Entoderm, das intracellulär verdauende Epithel wäre als primär 
anzusehen. Die Geisseln der Hohlkugellarve hätten die Bedeutung primärer Locomotionsorgane, die 
nach dem Festsetzen überflüssig werden und obliterieren, die Darmgeisseln wären anfänglich gar nicht 
ausgebildet. Die durch Immigration sekundär entstandene und erst im Stadium der Blastula 
vorbereitete Zellsorte, die nachher an die Oberfläche des larvalen Epithels auszuwandern hat, wäre 
sekundär als eine Schutzvorrichtung erworben, welche aus einem Dermalbelag und aus Skelett- 
elementen besteht und es den Geisselzellen ermöglicht, sich ausschliesslich der Ernährung zu widmen. 
Wenn wir in der eingeschlagenen Richtung weiter schreiten, können wir annehmen, dass die einst nach 
innen gelangenden Propagationszellen von nun an zur Zeit der Auswanderung des schützenden Zellen- 
materials ebenfalls nach aussen und zwar zwischen die frühere Körperoberfläche und die Deckschicht 
zu liegen kommen. Dies führt uns zu einer lange gesuchten Ausgangsform: der Salinella. Ihre Körper- 
zellen wären dem Blastoderm der Ascettalarve homolog. Diese Zellen besorgen primär das Geschäft der 
Ernährung. Wäre es übrigens nicht logischer, den Zellen eines einschichtigen Ascon-artigen Organismus 
diese Fähigkeit zuzuschreiben? Primär wäre das Endothel, sekundär das Epithel. Die führende Rolle 
der Gastraea würde der Salinella zufallen, die auch vor der erstgenannten den nicht zu unterschätzenden 
Vorzug besitzt, irgend einmal wirklich gesehen worden zu sein. Die Einführungsöffnungen wären bei 
Salinella und bei der Spongie eine convergente oder gar monophyletische Erscheinung. Wie wir sehen, 
wäre hiermit auf eine Richtung, die noch Niemandem eingefallen ist, hingewiesen, in der sich die Ge- 
danken zu einem Gebäude ausbauen liessen, welches dem Gebäude der Haeckelschen Phylogenie in 
nichts nachstehen würde. Indessen, mögen diese neuen Ideen zur Phylogenie ihres Messias harren. 


Wie verhält sich nun aber die Sache bei Sycandra®? Angesichts der grossen Gleichmässigkeit 
des allgemeinen Typus der Poriferen, werden wir von vornherein im Zylinderepithel der Blastula das 
künftige Darmepithel und in den körnchenreichen, breiten und kürzeren Blastomeren, die sich anfänglich 
auf ein kleines, diskoidales Feld an der Blastula beschränken, das dermato- und skeletogene Gewebe 
der Ascetta erkennen. Abgesehen von der früheren Differenzierung dieser beiden Keimblätter, von ihrem 
verschiedenen Gefüge und ihrer gegenseitigen Lage, wird hier auch ein ganz anderer morphogenetischer 
Weg eingeschlagen, auf dem der Keim das Stadium der festsitzenden Larve erreicht. Es erfolgt 
zunächst eine Invagination der Ektoblastomeren, das künftige Entoderm, welches die Aussenwand dieser 
Gastrula oder Depula bildet, wird mit Geisseln versehen und die Larve verlässt den mütterlichen 
Körper. Dieses Stadium gleicht morphologisch einem Invaginationskeim im Haeckelschen Sinne 
umsomehr, als die eingestülpten Zellen undurchsichtiger, reich an körnigen Einschlüssen sind, an 
Dotterzellen anderer Metazoenkeime erinnern und den vegetativen Pol einnehmen. Nachher wird jedoch 
die Einstülpung rückgängig gemacht, und der vermutliche Blastoporus wird zum Äquator einer an 
beiden Polen hochgewölbten Amphiblastula, die ihr Blastocoel merklich reduziert hat. Erst dann folgt 
die Einstülpung des entodermalen Zylinderepithels als Invaginationsgastrulation am animalen Pole; 
denn, um die vorhergehenden Stadien dieser definitiven Einstülpung (Taf. VI, Fig. 4) anzupassen, 
mussten wir sie falsch orientieren und den animalen Pol der freischwimmenden Larve nach unten 
richten. Beim Sycon wird also der Widerspruch voll. Man suchte ihm natürlich in der Weise beizu- 
kommen, dass man auch bei den Spongien, wie bei Säugetieren von einer „Pseudogastrulation‘“ spricht, 
welche „für die weitere Entwickelung der Larve keine Bedeutung hat“ und die umgekehrte Orien- 
tierung der freien Amphiblastula durch den Umstand erklärt, dass sich die Larve mit dem Urmunde 
festsetzt. 


Dasselbe wie bei Sycandra finden wir auch bei Oscarella und Placiniden. Auch hier giebt es ein 
Blastulastadium, dessen animale und vegetative (grössere) Hälfte aus zweierlei verschiedenen Zellen gebaut 
ist. Auch hier zeigt sich nachher, dass aus dem vermeintlich animalen Gewebe vegetatives Organ, der 
Darm, und aus dem vegetativen Gewebe das dermale, zugleich als Mesoblast fungierende Keimblatt 


a, 


entsteht. Nur ist hier in Bezug auf die Beschaffenheit der Schichten das Verhältnis umgekehrt. Das 
hohe Zylinderepithel wird zum äusseren, das niedrigere Epithel zum inneren Blatt des künftigen 
Schwammes. Auch hier zeigt es sich ferner, wie viel in den Ontogenien nicht so sehr von der Natur 
durch Cenogenese gefälscht, als von den Forschern, die von voreingenommenem Standpunkte aus an 
ihre Arbeit gehen, falsch interpretiert und beschrieben wird. Nachdem durch die trefflichen Unter- 
suchungen von Schulze die Entwickelungsgeschichte von Sycon bekannt wurde, hat man erwartet, 
dass auch bei anderen Spongien die Entwickelung ähnlichen Verlauf nimmt, und so ist auch bei 
Oscarella das Zylinderepithel des Sycon homologisiert worden. Die betreffende falsche Figur aus 
Heiders Arbeit (1) wurde sodann in sämtliche Kompendien aufgenommen und erst durch die ausser- 
ordentlich klaren und kritischen Untersuchungen von Maas (3) wurde der Sachverhalt richtiggestellt. 


Bei anderen Fibrospongien ist der Verlauf der Larvenmetamorphose morphologisch wesentlich 
verschieden. Nach Götte (2) wird bei der Larve von Ephydatia das künftige Ektomesoderm vom 
larvalen Ektoderm, welches bei Imago die gastralen Räume auskleidet, epibolisch umwachsen. Bei 
Ephydatia ist die Umwachsung, wie ich mich selbst überzeugen konnte, vollständig, bei anderen 
Gattungen bleibt am vegetativen Pol der Blastula das innere Gewebe oberflächlich liegen. Nach 
älteren Angaben geht bei Ephydatia das larvale Ektoderm zur Zeit des Festsetzens der Larve zu Grunde 
und die Gastralräume sollen sich sekundär in dem allein persistierenden inneren Gewebe durch 
Schizocoelie ausbilden. Nach dem für die Incalcarien neuerdings von Delage aufgestellten Entwicke- 
lungstypus persistiert jedoch auch hier, wie bei den übrigen Poriferen das Epithel der nach vorn 
gerichteten Blastulahälfte oder — wie bei Ephydatia — der ganzen Blastula und geht direkt in die 
Kragenzellen der Gastralräume über; freilich ist dieser Umwandlungsvorgang histologisch sehr kompliziert 
und weicht von der Darmbildung bei Sycandra oder Oscarella ab. Der epitheliale Verband der Zellen 
wird gelöst, die Zellen, deren Rolle inzwischen die bis jetzt subdermal gelegenen Zellen des inneren 
Gewebes übernehmen, gelangen in die tieferen Gewebsschichten, um hier entweder direkt zu Kragen- 
epithelien der Gastralkammern zusammenzutreten oder vorerst von Zellen des larvalen Entoderms nach 
Art von Phagocytose aufgenommen und erst nachträglich als Gastralzellen freigegeben zu werden. 
Lauter Vorgänge, die sich im Bereiche des Poriferenkreises je nach dem physiologisch-morphogene- 
tischen Bedarf des Organismus entwickelt haben und zwanglos ineinander überführt werden können, 
die aber im Lichte der Gastraealehre wie ein fortlaufendes Rätsel erscheinen müssen und durch deren 
Prinzipien überhaupt nicht zu erklären sind. 


Ein treuer Anhänger dieser Hypothese steht vor der Alternative, entweder die ausgebildete 
Form der Spongie oder die Lage der Keimblätter in der Larve für massgebend zu halten. Im ersteren 
Fall geschieht das Unmögliche, dass die Larve eine mit Hilfe der vierten Dimension umgekrempelte 
Blastula oder Gastrula ist, wie z. B. bei Ephydatia, im zweiten Fall verdaut das reife Tier vermittelst 
der Haut und seinen Darm verwendet es als Körperhülle. Oder aber hält man die Poriferen mit 
Delage und Bütschli für eine inkongruente Gruppe, die ganz anderen Entwickelungsgesetzen als der 
Rest der Metazoen unterworfen ist; oder man stellt sich — wie sich Maas (3, S. 674) ausdrückt — auf 
den Standpunkt, „auf den Vergleich der Keimblätter im Tierreich überhaupt zu verzichten und in ihnen 
nur eine von den jeweiligen Umständen beeinflusste passende Anordnung des Zellmaterials zu sehen“ 
Die Mehrzahl der Autoren, wie Minchin (1),*) Maas, Vosmaer, Heider, behält die Spongien mit 
Recht als ein selbständiges Glied inmitten der Metazoenkreise, während diejenigen, die sie einem anderen 
Metazoenkreise, z. B. den Coelenteraten — wie Lendenfeld — subsumieren wollen, bereits zu ver- 
einzelten Ausnahmen gehören. Delage bezeichnet sie mit dem Namen Enantiodermata wegen der 


*) Man findet in Minchins Schrift eine genaue Darstellung aller einschlägigen Hypothesen. Vgl. auch F. M. Balfour, 1. 


Bee 


„Umkehrung“ der Keimblätterr. Maas (2) vermeidet es, bei Poriferen von Keimblättern zu reden, um 
nichts über die Homologie oder Nichthomologie derselben im Vergleich zu anderen Organismen zu 
präjudizieren und bedient sich der indifferenten Epitheta „gastral‘“ und „dermal“, um die Derivate der 
vorderen Geisselzellen der Larve, beziehungsweise der hinteren, körnchenhaltigen Zellen zu bezeichnen 
(vgl. F. E. Schulze, 3), wobei er darauf hinweist, dass nicht nur die Haut der Spongien, sondern 
auch die Wände aller inneren Körpercavitäten, einschliesslich der Bruthöhlen, und nur die Kammern und 
Röhrchen mit Kragenzellen ausgenommen, aus dem dermalen Plattenepithel gebildet sind. So rationell 
auch dieser Standpunkt ist, vielleicht der rationellste von allen, so möchten wir uns doch die Bemerkung 
erlauben, dass uns kein Grund zu einer besonderen Reserve vorzuliegen scheint. Wir meinen, dass die 
auffälligen Gegensätze, die uns beim Vergleich der Ontogenie der Spongien mit anderen Metazoen 
verblüffen, zum grossen Teil von uns in das Thatsächliche hineingetragen, thatsächlich aber weder 
prinzipiell noch besonders gross sein werden. Sie fallen uns nur deshalb auf, weil wir uns gewöhnt 
haben, alles durch das Prisma der Gastraeahypothese und der Keimblättertheorie anzuschauen. Diese 
Einsicht wird dem Leser nach Durchnahme des nächsten Kapitels klar werden. An dieser Stelle möge 
nur betont werden, dass die Differenzen, welche innerhalb des Poriferenkreises in der Entwickelung 
einzelner Formen auftreten, sich grösstenteils auf den Zeitpunkt der Keimblätterentstehung beziehen. 
Bei einer Art vollzieht sich die Scheidung der Keimblätter ziemlich früh, schon während der Furchung, 
bei einer anderen, vielleicht nahe verwandten, ist noch die freischwimmende Blastula aus einheitlichen 
Blastomeren zusammengesetzt und die qualitativen Zellteilungen erfolgen erst nachträglich. Überall ist 
es dasselbe Blatt, welches sowohl die Dermalbekleidung des Körpers als die sogenannten mesodermalen 
Elemente und Fortpflanzungszellen zu liefern hat. Immer ist es hauptsächlich in der hinteren Partie 
der Larve reichlich vorhanden und wenn es an der Oberflächenbildung der schwimmenden Larve teil- 
nimmt, so geschieht es stets in der hinteren Region des Körpers. Wichtig ist auch die axiale (monaxone) 
Orientierung des Keimes; er setzt sich immer mit dem vorderen Körperpole fest und das Osculum des 
Schwammes kommt in der Mitte des Dermalfeldes zum Durchbruch. Diese Grundzüge der Entwickelung 
stimmen bei sämtlichen Spongien überein. Dass aber die Unterschiede lediglich durch spezielle Eigen- 
tümlichkeiten der Arten hervorgerufen werden, das ergiebt sich daraus, dass wir — ähnlich wie z. B. bei 
Peripatusarten — in ein und derselben Gattung Entwickelungstypen, die, vom rein morphologischen Ge- 
sichtspunkte aus betrachtet, befremden müssen, vereinigt finden. Als Beispiel möchte ich die Gattung 
Leucosolenia anführen. Die Blastula der Leue. retieulum erinnert lebhaft an Oscarella und Ascetta, sie besteht, 
wie bei der letzteren Form, aus künftigem Gastralepithel; die Elemente des anderen Blattes wandern 
multipolar in das Innere hinein, um bei der endgiltigen Verwandlung der Larve nach aussen zu gelangen. 
Leue. variabilis besitzt hingegen nach Minchin eine heteromere Amphiblastula, wie die Sycandra (Taf. VI, 
Fig. 3); auch nach der Festsetzung kommen bei ihr die grobkörnigen Zellen wie bei Syconen nach 
aussen zu liegen, es nimmt nur das innere Gewebe zunächst parenchymalen Charakter an und der Darm 
wird erst später angelegt. 


Was endlich die Gastralräume der Poriferen betrifft, so würde der gastraeale Phylogenetiker 
auch hier in Verlegenheit geraten, wenn er in Höhlen und in Derivaten von Höhlen, die er nur mit 
dem Archenteron der Gastraea homologisieren könnte, dermale, d. i. ektodermale Elemente antreffen 
würde. Und doch wäre schon in der Organisation der Physemarien, wo die Kragenzellen erst in 
spiraligen Reihen vorkommen, der Weg angedeutet, wie sich die Verteilung qualitativ und zwar physiologisch 
verschiedener Gewebe in der durch Darmtiere mit Kragenzellen eingeschlagenen Richtung entwickelte. 


Jedenfalls muss auch der gastraeale Theoretiker die unumstössliche Thatsache anerkennen, dass 
bei keiner daraufhin untersuchten Spongie Archigastrulation durch Embolie vorhanden ist; und dass 
dort, wo Invagination stattfindet, dieser Vorgang sowohl mechanisch als organogenetisch sich mit den 
Voraussetzungen der Gastraealehre nicht reimt, 


Zum: 


Vergeblich würden wir sie auch bei Cnidariern suchen, wo der gastraeale Typus in unüber- 
trefflicher Reinheit im Organismus der Archhydien zum Ausdruck kommt. Indessen, wie durch neuere 
Untersuchungen nachgewiesen wurde, giebt es auch bei ihnen keine typischen Invaginationsprozesse. 
Bei Hydra entsteht das entodermale Blatt in einer Weise, die zwischen multipolarer Immigration und 
Delamination die Mitte hält: der Mund dieser Gastrulatiere ist ebenfalls mit dem Prostomum der 
Gastraea nicht identisch; er bricht als sekundäre Öffnung durch, nachdem sich ein Darmlumen in dem 
morulaartigen Keime gebildet hat. Zu primitivsten, gastrulaartigen Organismen gehören unter Cnidariern 
auch die parasitischen Narcomedusen Cunina und Cumoctantha. Ihre Entwickelung, die von Meinikoff 
untersucht wurde, beweist aufs neue, dass der werdende Organismus an keine Schablone gebunden 
ist, sondern in wahrhaft unerschöpflicher Mannigfaltigkeit Wege findet, um sein Endziel, seine Form 
zu erreichen. Bei Cunina wird die Keimzelle endogenetisch von einer amoeboiden Zelle erzeugt und 
furcht sich zu einem Klümpcben von Zellen ab, welches erst sekundär die definitive Form der Meduse 
erlangt; von einer Invagination und überhaupt von Gastrulation ist keine Spur zu finden. Bei 
Cunoctantha wird jedoch eine Halbsphäre aus einschichtigem Geisselepithel gebildet, die sich nicht in 
der amöboiden Zelle aufhält, sondern auf der Zelle sitzt und sich mit ihrem „Urmunde“ fest anzusaugen 
scheint. so dass ihr Lumen vom Plasma der Amöbe erfüllt wird. Das gegenseitige Verhältnis dieser 
beiden Gebilde ist jedoch nicht das einer Ektodermkalotte und einer Entodermzelle; die Amöbe liefert 
keinen Nahrungsstoff, sondern fungiert eher als ein Locomotionsorgan. Später dringt sie zwar in das 
Innere der Keimglocke hinein, die Entodermzellen haben jedoch einen gesonderten Ursprung. Nach 
Haeckel selbst (8) soll bei gewissen Medusen dennoch eine regelrechte primordiale Blastula vor- 
kommen. Diese Aussage ist indessen unrichtig. Richtig wäre sie nur unter der Voraussetzung, dass 
jede einschichtige und homoplastische Blase als Formgebilde mit der Archiblastaea verglichen und 
homologisiert werden dürfte, ohne Rücksicht auf ihre Entstehungsgeschichte und auf ihre weiteren 
Schicksale; mit anderen Worten, die Behauptung wäre richtig, wenn nur das abstrakt Morphologische, nicht 
aber die Prospektivität der Blastomeren den Ausschlag geben würde. Denn mit den Blastulalarven ge- 
schieht im Verlaufe der Entwickelung etwas ganz anderes, als mit der Blastula im palingenetischen Prozesse. 


Wir hoffen, dass der Leser im Laufe unserer Darlegung immer mehr zu der Einsicht kommen 
wird, dass nicht phylogenetische Vergangenheit, sondern vornehmlich die in jeder Ontogenie thätigen 
Faktoren darüber entscheiden, ob sich der Gang der Entwickelung diesem oder jenem Schema der 
Darmbildung mehr oder weniger zuordnen wird. Dafür spricht schon der Umstand allein, dass die an- 
nähernd palingenetischen Ontogenien in verschiedensten, heterogenen Tiergruppen „sporadisch‘“ auf- 
treten, bei Formen, bei denen es unmöglich wäre, ein phyletisches Band anzunehmen: so sind — nach 
Haeckel — Echinodermen, wie der Seeigel oder Synapta streng „primordiale‘‘ Metazoen, desgleichen 
gewisse Würmer, wie z. B. Sagitta. Doch selbst in geschlossenen Tiergruppen wird die Invagination 
niemals zur Regel und sie selbst ist niemals primordial. Bei Seeigeln (Taf. VI, Fig. 8) geht ihr meistens 
mesenchymatische Einwanderung von Zellen voraus. In der Blastula wird also als erster morphogene- 
tischer Prozess unipolare (bei Seesternen, nach Me£nikoff, sogar multipolare) Immigration ausgelöst. 
Wenn dieser Prozess nicht als Immigrationsgastrulation aufgefasst wird, so ist es nur Willkür des 
Theoretikers, der in anderen Fällen viel undeutlichere Spuren von Prozessen, die zur Darmbildung in 
keiner Beziehung stehen, als Gastrulationsstadien aufzufassen pflegt. Durch Immigration wird ausserdem 
die Prospektivität der Keimblätter verändert und das nachträglich eingestülpte Entoderm ist nicht mehr 
primordial. Bei Sagitta giebt es aber nichts weniger als primordiale Gastraleinstülpung (Taf. VI, Fig. 15). 
Was ‚sich einstülpt, ist eher die sekundäre Leibeshöhle, ein Peritonealsack. Möge man uns nicht ent- 
gegenhalten, die paarige Coelomaussackung sei eine notwendige und in ihrer Ausgiebigkeit gerade für 
Chaetognathen charakteristische Differenzierung, welcher das schon eingestülpte Archenteron unterworfen 
wäre. In der einfachen Einstülpung der vermeintlichen Gastrula der Sagitta sind die Wände 


re 


des definitiven Darmes — also das Entoderm — noch gar nicht vorhanden. Die entodermale 
Partie des Epithels wird erst sekundär zwischen den Propagationszellen, welche den Apex der Ein- 
stülpungswölbung einnehmen, angelegt; durch nachträgliche, lebhafte Zellvermehrung kommt zwischen 
den künftigen Gonaden eine Falte zur Ausbildung, die sich röhrenförmig gegen den Apicalpol des 
Keimes vertieft und den Mitteldarm liefert. Das ganze Epithel, das sich von den Rändern des 
vermeintlichen Urmundes bis zur Anlage der Gonaden erstreckt, istvonAnfanganalsMeso- 
derm, als primäres Peritoneum determiniert. Der Urmund der Autoren ist somit eher eine 
Pronephridialöffnung, weil er direkt in die Leibeshöhle führt; der eigentliche Urmund im 
Sinne der Gastraeatheorie wäre aber neben den Gonadenzellen, am Grunde des primären Einstülpungs- 
sackes zu suchen, denn dort geht die eigentliche embolische Gastrulation vor sich. Der Pseudoblasto- 
porus schliesst sich übrigens sehr bald und die Analöffnung wird nachher selbständig angelegt. An- 
hangsweise möchte ich an diese Ausführung die Bemerkung knüpfen, dass Schimkewitsch (8) die 
„Gastrulation“ gewisser Copepoden in sinnreicher Weise mit der Gastrulation der Sagitta verglichen hat, 
was wenig bekannt sein dürfte (vgl. 1. c. Taf. XIV); nur wären die Wände des bei Sagitta eingestülpten 
Sackes bei seinen parasitischen Copepoden vornehmlich an der Oberfläche des Eies ausgebreitet. Was 
thut aber dieser Autor? Er glaubt uns damit weittragende gastraeal-phylogenetische Ausblicke zu er- 
öffnen; was er jedoch vergleicht und in beiden Gruppen kongruent findet, ist nur die zum Teil ähnliche 
gegenseitige Lage der Organanlagen, nicht aber Gastrulation. 


In den Ontogenien giebt es auch mehrmals Prozesse, von denen es sich kaum sagen lässt, ob 
der Vorgang eine Invagination sei oder ein anderer morphogenetischer Prozess wie z. B. bei der 
Bildung epitheloider Gewebe aus lockeren Elementen des Mesenchyms. Es giebt unzählige Zwischen- 
stufen und Übergangsformen, die eine promorphologische Klassifikation als künstlich erscheinen lassen. 


Mit dem eigentlichsten Gastrulationstypus durch Invagination wäre also nicht viel anzufangen. 
Haeckel, der sich dessen sehr bald bewusst wurde, hat sich jedoch beeilt, dem Begriffe der Gastrula- 
tion eine genügend elastische Fassung zu geben, um denselben an die mannigfaltigen Arten der Darm- 
bildung anwenden und scheinbar heterogenes phyletisch zusammenfassen zu können. Er hat daher 
neben der Leptogastrula, wie sie bei der Mehrzahl holoblastischer Eier nach „primordialen“ Furchungen 
und theilweise aus Amphiblastulis nach inaequalen Furchungen entstehen soll und — wie wir uns an 
den eigensten Beispielen Haeckels, Amphioxus und Sagitta, und an vielen anderen überzeugt haben — 
gar nicht entsteht, den weiten Begriff einer Pachygastrula aufgestellt, deren verschiedene Abarten, wie 
Discogastrula, mehrschichtige Amphigastrula, Perigastrula u. s. w. hauptsächlich bei mesoblastischen 
Eiern vorkommen. Hiermit hängen verschiedene Bildungsprozesse zusammen, wie der der Epibolie, der 
Sterrogastrulation u. dgl. m. 

Wollen wir einiges davon genauer betrachten; vor allem den bei dotterreicheren Eiern so oft 
als Gastrulation beschriebenen Vorgang der Umwachsung. 

Obwohl dieser Vorgang an sich, vom morphologischen Standpunkte aus betrachtet — (und doch 
als ausschliesslich morphologisches Moment soll er nach dieser Lehre in den Ontogenien verglichen 
werden) — von der Einstülpung völlig verschieden ist, so könnten wir uns dennoch mit der Vorstellung 
abfinden, dass er Darmbildung bedeutet, insofern hier zwei Urkeimblätter, zwei Primordialorgane als 
eine äussere und eine innere Anlage zusammenhängen, und in Bezug auf die allgemeinste Topik auf 
die Doppelglocke einer Archigastrula zurückführbar sind. Ist es nun aber wirklich der Fall? 


Wir möchten noch einmal auf das Beispiel des Säugetierkeimes zurückgreifen. Wir sehen eine 
Blastomerenkugel vor uns, deren äussere Zelllage durch oberflächlich vor sich gehende Zellteilungen 
gebildet wird und von einem Pole aus diese Blastomerenkugel umwächst; dieses Stadium, von v. Beneden 


a Mal 


als „Metagastrula‘“ bezeichnet, entspricht demnach einer epibolischen Gastrulation.*) Dem gegenüber 
ist zu bemerken, was wir bereits besprochen haben, dass der Vorgang dieser Umwachsung der eigent- 
lichen Darmbildung vorausgeht und eine nicht näher bekannte Bedeutung besitzt, somit als Gastrulation 
überhaupt nicht charakterisiert werden darf. Zudem giebt es noch Aussagen anderer Autoren, nach 
welchen die äussere Schicht im Stadium Taf. VI, Fig. 32, überhaupt kein Epiblast ist und sich nach der 
stattgehabten Ektodermeinstülpung an der Bildung des Embryos gar nicht beteiligt. Ausserdem sind 
aber die Zellen besonders in jungen Stadien einander völlig gleich, so dass es noch fraglich erscheint, 
ob hier eine einfache Morula oder Epibolie vorliege, besonders wenn der primitive (entodermale) Hypo- 
blast auch auf dem sogenannten Gastrodiskoidalfelde, dem hypothetischen Urmundgebiete, vom Ekto- 
blast überwachsen wird. Gesetzt übrigens den Fall, dass die Hypoblastkugel von einem einschichtigen 
Epithel thatsächlich überzogen wird, so würde daraus trotzdem keine Gastrula resultieren; ist doch das 
Material, welches umwachsen wird, kein Entoderm des Urdarmes, sondern eine Kollektivanlage; die 
epibolische Zelllage wäre nichts als eine einschichtige Kappe, welche dieser Anlage aufsitzt und selbe 
überzieht. Eher würden wir dieses Stadium mit den oben erwähnten Entwickelungsstadien von (uno- 
ctantha vergleichen, — man ist ja in der Gastraealehre gewöhnt, ganz verschiedene Dinge, wie z. B. 
Sagitta und Amphioxus, in einem Atem zu nennen. Auch bei Osunoctantha entwickelt sich eine ein- 
schichtige Kalotte, die den Körper der amöboiden Zelle umwächst; Entodermzellen werden auch dort 
erst nachträglich gebildet. 

Einen epibolischen Umwachsungsprozess kann man besonders deutlich in der Ontogenie der 
Polycladen beobachten. Ein mächtiger Ballen von Dotterzellen wird, vom animalen Pol herab, von 
einer Epithelkappe umwachsen. Das wachsende Epithel wird in seinem animalen Teile zum Ektoderm. 
Jedoch die untere Partie desselben, welche dem Urmundrande der epibolischen Gastrula entsprechen 
würde, besteht im ganzen Umkreis der Kappe aus Mesoderm. Sollte also dieser Umwachsungsvorgang 
als Gastrulation aufzufassen sein, dann wäre es eine Gastrula, deren Einstülpung (Archenteron) vom 
Mesoderm aus stattfindet, und diese zwei Blätter würden hier an dem hypothetischen Prostomialrande 
zusammenhängen, wodurch aber der Begriff der Gastrula aufgehoben wird. Das dermale Blatt bildet 
die obere Kalotte des Keimes und umwächst schliesslich — wie es bei einer Dermalanlage nicht anders 
sein kann — die beiden gastrulierenden Blätter. Bei genauerer Untersuchung zeigt es sich auch, dass 
das Entoderm nur aus dem oberen und unteren Pole des Dotterzellballens hervorgeht, während die 
Hauptmasse desselben zerfällt. Wir überzeugen uns also, dass man als Epibolie verschiedene Vorgänge 
miteinander vergleicht, welche nicht einmal im Habitus Ähnlichkeit haben. Die gegenseitige Verlagerung 
der Blastomeren bei Polycladen erinnert lebhaft an einzelne Mollusken z. B. unter den von mir 
beobachteten Furchungsstadien an Acera. Was das Lageverhältnis der Keimblätter betrifft, würde ich 
die Polycladen den Cephalopoden an die Seite stellen. Auch bei diesen Tieren wird die Dotter- 
kugel von einem Ektodermaldiskus allmählich umwachsen, an dessen Rändern — den „Urmundrändern‘ 
— ein Wall von Mesodermzellen hervorwuchert. Die Keimesentwickelung der Cephalopoden wird denn 
auch als Gastrulation, und zwar als discoidale Gastrulation, aufgefasst, weil hier wegen der grossen 
Nährdottermenge die Embryonalkappe sich längere Zeit wie ein Schildchen ausnimmt. Eine kurze 
Überlegung dürfte indessen genügen, um einen neuen Widerspruch aufzudecken, dessen sich der 
Theoretiker mit derlei Generalisierungen schuldig macht. Es heisst, eine Discogastrula müsse bei jenen 
Tieren auftreten, deren Entoblast so reichlich mit Dottervorrat beladen ist, dass ihm dadurch der Ein- 
stülpungsprozess unmöglich gemacht wird. Denn das Primordial-heredive, das palingenetisch Angestrebte 
bleibt stets die Invagination, während alle anderen Kategorien der Gastrulation lediglich cenogenetische 


*) Vgl. in van Beneden, 1, Taf. IV, Fig. 3 und Taf. III, Fig. 6; ferner in van Reneden und Julin, Observations sur la 
maturation, la f&condation et la segmentation de l’oeuf chez les Cheiropteres (Archives de Biologie), pl. XXIII, Fig. 6 (Rinolophus ferrum equinum). 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 11 


B.. God 


Entartungen und Surrogate der Invagination sind. Was sich aber wegen Überbürdung mit Dotter nicht 
einstülpen kann, oder was in Form solider Massen das Innere eines sterrogastralen Keimes füllt, ist ein 
primäres Keimblatt, Entoderm. Anders bei Cephalopoden. Von den Rändern des Embryonaldiskus aus 
wuchert unter die Keimscheibe eine Hypoblastschicht, deren prospektive Potenz einem Entomesoderm 
gleichkommt; sie liefert nämlich nicht nur das ganze Mesoderm des künftigen Tieres, sondern nach An- 
gaben der Autoren auch das Dotterepithel, welches den Dotter ebenfalls epibolisch umwächst. Dieses 
Epithel ist das primäre Entoderm des Keimes und liefert erst später, in Form einer kleinen, ventral ge- 
legenen Ausstülpung die Anlage des definitiven Mitteldarmes (definitives Entöderm). Vgl. Taf. VI, Fig. 27. 
Es ergiebt sich nun daraus, dass es nicht der uneinstülpbare Entoblast ist, was von der Embryonalkappe 
umwachsen wird. Es ist der zellenlose Nährdotter, ein Fremdkörper, und das Entoderm 
wächst zusammen mit der Keimscheibe. Dadurch wird aber der Keim selbst von dem oben ab- 
geleiteten Begriff einer Discogastrula prinzipiell verschieden und müsste im Rahmen der auf morpho- 
logische Verhältnisse fundierten Gastraealehre konsequenter Weise als ein besonderer Entwickelungs- 
typus neben dem Typus der Gastrulation behandelt werden. 

Man soll vor allem bedenken, dass der Raum, den die beiden primordialen Wände einer Gastrula 
begrenzen, eindeutig bestimmt ist. Es ist die zwischen den zwei übereinanderliegenden Keimblättern 
entstehende Furchungshöhle Baers, das Blastocoel. Wie wir uns jedoch an den herausgegriffenen 
Beispielen leicht überzeugen können, lassen sich die Furchungshöhlen, die in den einzelnen Fällen ent- 
stehen, nicht miteinander vergleichen. Bei Cephalopoden liegt das eigentliche Blastocoel zwischen den 
drei Schichten der Diskoidalanlage, nicht aber zwischen dem Dotterepithel und dem Dotter selbst, wo 
es im Falle einer wirklichen Discogastrula im Sinne Haeckels ausschliesslich zu suchen wäre. Bei der 
Sagitta ist es ein Raum, der nicht von den zwei primären Keimblättern, sondern vom Ektoblast und 
Mesoblast gebildet wird, daher dem Blastocoel bei Amphioxus nicht homolog ist. Bei den Säugetieren 
ist es nicht minder fraglich, ob der Raum, der in der epibolischen „Gastrula“ (Taf. VI, Fig. 32) zur Aus- 
bildung gelangt, einem Blastocoel gleichzustellen wäre. Zur Zeit der Pseudogastrulation (Metagastrula- 
tion van Benedens) besteht noch der Säugetierkeim nach ©. Hertwigs Ansicht aus einem einzigen 
Keimblatte und die Annahme „dass der Keim bereits zweiblätterig sei und dass die nach aussen ge- 
legenen platten Zellen das äussere Keimblatt und die darunter folgenden protoplasmareichen Zellen das 
innere Keimblatt darstellen, unhaltbar ist.“ Dafür spreche der weitere Verlauf der Entwickelung. Nach 
Haddon (1) ist die innere Zellmasse der Keimscheibe der Vögel homolog und Gastrulation gehe erst 
dann vor sich, wenn die ersten Blastomeren in das Innere hineinwandern. Haeckel selbst behauptet 
übrigens gegen Kölliker und andere, dass der Blastulabegriff zu der „Gastrocystis“ der Säugetiere 
nicht recht passt (10, mit einer sehr zu beherzigenden Note auf S. 207). Bei Spongien wären es zwar 

“die beiden primären Keimblätter, die den Furchungsraum begrenzen, ihre Lage ist jedoch verkehrt, wo- 
durch auch die Blastulahöhle in eine inkongruente Bildung umgewandelt wird. 


Es giebt noch eine Reihe von Schwierigkeiten, die der Gastraealehre als unüberschreitbare 
Hindernisse im Wege liegen, indessen an dieser Stelle nicht ausführlich erörtert werden können. So 
die zahllosen, unbestimmbaren Übergänge zwischen Invagination und Immigration. Diese morphologisch 
so verschiedenen Vorgänge lassen sich oftmals von einander schwer unterscheiden und haben stets den 
gleichen morphogenetischen Wert, sofern sie die Darmbildung betreffen. So die Urmundfrage. Die 
embryonale Schliessung des Prostomiums bei der überwiegenden Zahl von Cnidarier- 
keimen würde allein genügen, die Wertlosigkeit der Gastraealehre augenfällig zu machen. Es braucht 
hoffentlich nicht erst auseinandergesetzt zu werden, dass die schweren Einwände, die mit der Urmund- 
frage im Zusammenhang stehen, nicht dasselbe sind wie die Einwände Fleischmanns gegen die Giltig- 
keit des biogenetischen Gesetzes, nach denen ein Biogenetiker annehmen müsste, es habe unter den 
Ahnen der Amnioten Formen gegeben, die, in zwei den Embryonalhäuten entsprechende Hüllen einge- 


ans3u — 


schlossen, sich weder bewegen noch ernähren konnten, Unsere Einwände in Betreff der Urmund- 
frage ergeben sich aber nicht nur aus der Thatsache, dass sich der embryonale Mund 
gerade beiden niedrigsten Metazoen zeitweilig schliesst, sondern auch aus dem wechseln- 
den Verhältnis zwischen der definitiven Mundöffnung und dem Blastoporus. Wenn d 

erstere einmal am animalen, ein anderes Mal am vegetativen Pol des Gastrulakeimes angelegt werden 
kann, so ergiebt sich daraus ein grundsätzlicher Unterschied in der morphogenetischen Bedeutung, 
welche diesem Stadium in den einzelnen Fällen zukommt, und zwei morphologisch ganz gleiche, 
embolische Gastrulae, die sich in Bezug auf die Urmundbildung heteropol verhalten, 
würden wir miteinander nicht homologisieren können. 


Ähnlich wie beim Blastocoel, hängt auch die Bedeutung der Gastralhöhle von der Qualität und 
Prospektivität der Gewebe, die sie auskleiden, ab. Die Darmanlage bei Ctenophoren (Taf. VI, 
Fig. 6 bis 7), deren Wände ähnlich wie bei Chaetognathen, ausschliesslich aus mesodermalem Epithel 
bestehen, ist nicht dasselbe wie z. B. bei einer Ascidie (Fig. 23, 25)*) wo eine Wand aus dem Chorda- 
Gewebe und die übrigen Wände aus Entoderm hergestellt sind. Ebenso ist es nicht gleichgiltig, ob der 
Urdarm von reinem Entoderm gebildet wird, wie bei einem ursprünglichen Coelenteraten, oder aber 
anderweitige Anlagen, wie bei Amphioxus die Anlage der Coelomsäckchen, bei Mollusken die Zellen des 
Mesenchyms u. dgl. mitführt. Selbst dort, wo das Archenteron aus Geweben, die miteinander vergleichbar 
sind, hervorgeht, kann es mitunter heterogen sein, wie bei Ctenophoren und Chaetognathen, wo sich 
das definitive Entoderm in einem Fall am Scheitel der Einstülpung, in dem anderen vom Prostomum 


aus entwickelt. 


Während im Gastrocoel der letztgenannten Tiergruppen das Entoderm zwar anfänglich fehlt aber 
nachträglich an der Bildung der Wände teilnimmt wie bei Callianira oder wenigstens prospektiv ent- 
halten ist, wie bei Sagitta, giebt es eine ungeheuere Menge von Tierformen, bei denen die Einstülpungs- 
cavität jedweder Spur von Entoderm entbehrt. Obgleich es einleuchten dürfte, dass eine derartige 
Cavität mit der Darmbildung nichts zu thun hat und niemals als ein Archenteron gedeutet werden kann, 
nichtsdestoweniger spricht man auch dort von Gastrulation und scheut vor weitestgehenden phylogene- 
tischen Ableitungen nicht zurück. Ein hervorragendes Beispiel bietet die Entwickelungsgeschichte der 
Gliederfüssler. 

Wenn wir zunächst die Ontogenie der Insekten ins Auge fassen (Taf. VI, Fig. 26), bemerken 
wir an der Ventralseite des stets in die Länge gezogenen Keimes eine mitunter sehr seichte Längsfurche, 
die im weiteren Verlaufe der Entwickelung gewöhnlich als ein abgeflachtes Epithelrohr — ganz nach 
Art der Medullarrinne bei Vertebraten — abgeschnürt wird und ausschliesslich mesodermale Organe 
liefert, zunächst paarige Coelomsäckchen und Mesenchymzellen. Nach irrtümlicher, aber einst ziemlich 
naheliegender Interpretation früherer Embryologen hält nun Haeckel (15) bis jetzt jenes Keimstadium 
für „eine echte, durch Invagination entstandene Gastrula“. Da sich aus der Ventralfurche unter anderem 
auch embryonale Coelomsäcke entwickeln, erklärt Haeckel des weiteren die Insekten als „echte Entero- 
coelier“. Mit gleicher wissenschaftlicher Berechtigung könnte man aber auch eine Teichmuschellarve 
zur Zeit der Bildung der Schalendrüse (Taf. VI, Fig. 21) als „echte Gastrula“ erklären; die Berechtigung 
wäre sogar grösser! Carriere hat in seinen grundlegenden Untersuchungen über die Embryologie der 
Mauerbiene die Vorgänge zum ersten Male sachlich richtig dargestellt; er hat die beiden Längsfalten, 
welche sich beiderseits neben der vermeintlichen Gastrularinne entwickeln und allmählich die ganze 


*) Es ist zu beachten, dass die meisten Figuren auf der Taf. VI gleichsinnig orientiert sind und zwar mit dem Primordialmunde nach unten. 


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Furche überwachsen, in richtiger Weise als zwei laterale Differenzierungen abgebildet, die weder vorn 
noch hinten miteinander in Verbindung stehen; er weiss bereits, dass die Rinne, die von diesen ver- 
meintlichen Urmundrändern überwachsen wird, reines Mesoderm enthält, dass die ektodermale Metamerie 
früher als die mesodermale zum Ausdruck kommt und dass das Darmepithel aus zwei gesonderten, an 
entgegengesetzten Polen gelegenen, sich vom Ektoderm abspaltenden Anlagen hervorgeht. Aber erst 
der glänzenden Beobachtungsgabe Heymons' (2, u. a.) verdanken wir die endgiltige Klarlegung der 
Verhältnisse und Beseitigung der Irrtümer. Bei der überwiegenden Zahl der Insekten nimmt der defini- 
tive Darm von der Stomodaeal- und Proctodaealeinstülpung des Ektoderms seinen Anfang; bei niederen, 
protapterygoten Insektenformen wird er im Nährdotter, dessen einzelne oder sämtliche Zellen in 
epithelialen Verband treten, angelegt. Demgemäss homologisiert Heymons (5, S. 116) den Nahrungs- 
dotter der Hexapoden mit dem Entoblast anderer Metazoen; und vom morphologischen Standpunkt, auf 
dem Heymons steht, ist es formal richtig. Was ist aber die Folge davon? Das primäre Ektoderm 
wandert bei den Insekten in Form von zelligen, wenn auch unfertigen Elementen durch 
die sich geweblich differenzierende Dotterschicht an die Oberfläche des Eies, wie etwa 
die Ektomesodermzellen bei vielen Poriferenkeimen, und umwächst multipolar den dotterhaltigen 
Entoblast. Wollte man daher auch bei diesen Organismen von Gastrulation sprechen, so wäre nur 
die Annahme einer multipolar entstehenden epibolischen oder irgendwie zu bezeichnenden Umwachsungs- 
gastrula zulässig; der Furchungshöhle wäre der lumenlose Raum zwischen dem Blastoderm und dem 
inneren Dotterblatt homolog. Ein Gastrocoel wäre bei dieser Sterrogastrula nicht vorhanden, während 
nach Heider und Haeckel die Urdarmhöhle, als Lumen des Mesodermrohres in das Innere auf- 
genommen, nach erfolgter Zellendissociation in Derivaten des Blastocoels obliterieren müsste. Dass 
aber diese Auffassung prinzipiell falsch ist, ergiebt sich aus dem Umstande allein, dass bei der nächst- 
verwandten Arthropodenklasse, in der Entwickelung der Chilopoden nach Heymons (%, S. 245) keine 
Ventralrinne angelegt wird; damit wird einerseits bewiesen, dass die Bildung der Ventralfurche nichts 
weiter als ein ganz besonderes Merkmal vieler Arthropoden ist, anderseits, dass die Myriopoden, bei 
bestehender Giltigkeit der Gastraealehre als urdarmlose Organismen in einen kaum überbrückbaren 
Gegensatz zu den übrigen Gruppen geraten würden.*) Auch in der Klasse der Insekten giebt es einzelne 
Formen, wo die Primitivrinne vollständig fehlt. Auch bezüglich der Anlage der definitiven Organe 
herrscht, von der Keimblätterbildung angefangen, grosse Mannigfaltigkeit. Bei Platygaster und verwandten 
Hymenopterenformen, wo sich keine Ventralrinne entwickelt, giebt es nach Kulagin (Il) ein blastula- 
artiges Anfangsstadium, aus dessen Blastoderm die Elemente des künftigen Entoderms und Mesoderms 
durch multipolare Immigration in das Innere der Blastula gelangen. Bei anderen Hautflüglern resultiert 
aus der Furchung eine Morula und die Sonderung der Keimblätter geht durch Delamination vor sich. 
Dass somit bei der Verlagerung der Anlagen im Keime andere Momente, als das Gesetz der Biogenese, 


*) Leider ist in der letzten Zeit der Versuch gemacht worden, die alte irrige Auffassung der Ventralinvagination bei Insekten zu 
revindizieren (C. Escherich, Über die Bildung der Keimblätter bei den Musciden. In: Nova Acta Leopold. Carol. Acad., München 1900). 
Wieder spricht Escherich von einer „vollkommen typischen Gastrula“. Es wird die alte, phantastische „Theorie‘‘ hervorgeholt, nach welcher 
die Ventralfurche einem sehr gestreckten Blastoporus gleichkommt, der sich nachher schliesst, bis auf eine Stelle vorn und eine hinten; dort 
befindet sich der Mund und der After des Insektes. Man vergisst hierbei vollkommen, dass die Bildung des Stomodaeums und des Proktodaenras 
selbst dann, wenn die Ventralfurche einer Invaginationsgastrula wirklich homolog wäre, durch selbständige ektodermale Invaginationen, die sich 
später und von der Rinneneinstülpung getrennt vollziehen, vor sich geht. Das Entoderm, welches, den beiden von Carriere bei Chalicodoma 
aufgefundenen Zentren entsprechend, bipolar aus dem Ektoderm des Vorder- und Hinterdarmes durch Zellwucherung hervorgeht, „musste“ zer- 
reissen und in zwei Anlagen zerfallen, weil ja sonst das Lumen des röhrenförmig geschlossenen Darmes mit dem Nährdotter 
keinen Kontakt hätte und denselben nicht aufzunehmen vermöchtel „Ob die primäre Ursache der Zerreissung — sagt Escherich 
(l. c. S. 424) — in der starken Längsdehnung des Embryos zu suchen ist, wie es Kowalewski annimmt, braucht nicht näher untersucht zu 
werden, da es vor allem darauf ankommt, den Zusammenhang der Urdarmruptur und der Dotteraufnahme zu betonen.“ — Wir würden auf diese 
naiven Erklärungsversuche einer vergangenen Periode nicht zurückkommen, wenn nicht die Abhandlung Escherichs aufs neue den Beweis er- 
bracht hätte, in welcher Weise noch heute, nach vollem Decennium unermüdlicher Forschungs- und Denkarbeit eines Roux, Driesch und 
vieler anderer, in der wissenschaftlichen Zoologie theoretisiert werden kann. 


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entscheiden, dürfte angesichts der extremen Verschiedenheit, die in der Entwickelung unmittelbar bluts- 
verwandter Formen zu Tage tritt, einleuchten, Ebenso ist der Entwickelung der Embryonalhäute keine 
allzugrosse phyletische Bedeutung zuzuschreiben, indem sie selbst bei höchsten Insekten (Polynema. 
Pteromalina) totale Rückbildung erfahren können.*) 


In der umfangreichen Klasse der Crustaceen verläuft die Furchung und die Anlage der Keim- 
schichten in sehr verschiedener, weder vom mutmasslichen Alter der einzelnen Ordnungen, noch von 
naher Blutsverwandtschaft der Formen unter sich abhängiger Weise. Auch in der Embryologie der 
Crustaceen hat es nie an undankbaren Versuchen und vergeblichen Bemühungen gefehlt, die Vorgänge 
der Morphogenese im Lichte der Gastraealehre darzustellen. Bei mehreren meroblastischen Dekapodeneiern 
mit superfizieller Furchung, welche an die Furchung der Insekteneier lebhaft erinnert, tritt eine kleine 
Einstülpung auf, die zur Bildung der inneren Schichten in Beziehung steht. Wir halten es indessen 
für überflüssig, ausführlich darzulegen, dass auch hier die Einstülpungen nicht der embolischen Gastrulation 
gleichen, sondern lediglich als im Entwickelungsvorgange der Metazoen unvermeidliche Falten von 
wechselnder morphogenetischer Bedeutung aufzufassen sind. Das kleine, in der Abdominalregion des 
künftigen Krebses entstehende Grübchen bei Astacus ist von der von Faxon bei Leander, einer nahe- 
stehenden Gattung, untersuchten Einsenkung durchaus verschieden. Bei Leander bestehen die Prostomial- 
ränder der Einsenkung aus mehrschichtigem. mesodermalen, jedoch nicht nach Art des Invaginations- 
prozesses umgebogenen Epithel; der Boden der Einsenkung, der aus jungen, dem Dotter aufliegenden 
Zellen gebildet ist und für das eingestülpte Entoderm gehalten wird, giebt sehr bald den epithelartigen 
Zellenverband auf, und die Zellen wandern als amöboide Wanderzellen in den Dotter ein. Wenn 
übrigens allen diesen Einstülpungen die gleichnamige Charakteristik der Gastrulation zu teil werden 
sollte, so wäre durch dieses willkürliche Vorgehen für die Theorie nichts gewonnen, weil ja bei den 
nahestehenden Insekten der Gastrulationsvorgang vollständig fehlt. Unter den Crustaceen giebt es 
zahlreiche Ordnungen, wo eine Einstülpung gar nicht vorkommt. In der Entwickelungsgeschichte der 
Gammariden hat Della Valle (1) keinen einzigen Zug aufzudecken vermocht, der sich in das Schema 
der Gastrulation einfügen liesse und in der Entwickelung der Hyperinen (Hyperia galba) habe ich eben- 
falls keine Spur von Gastrulation auffinden können. 

Mit Nachdruck möchte ich auf den Umstand hinweisen, dass bei Xiphosuren, die ohne Zweifel 
eine der ältesten, am Fusse des Branchiaten- und Tracheatenstammes wurzelnde Gruppe repräsentieren, 
die Primitivrinne, wie bei Insekten, nicht als Darmanlage, sondern als Anlage des Mesoderms gebildet wird. 


Die Gastraeahypothese steht allen diesen Erscheinungen ohnmächtig gegenüber. 


Ebensowenig kann sie uns erklären, wie die sehr eigentümlichen morphogenetischen Vorgänge 
bei niederen Plathelminthen entstanden seien. Weder von Cestoden noch von Trematoden werden 
gastrale Stadien durchlaufen. Der Keim stellt in beiden Ordnungen eine solide, gleichartige Zell- 
masse dar und die Differenzierungen beschränken sich auf Entwickelung oberflächlicher Hüllepithelien. 
Häufig — besonders bei Distomeen — werden diese Membranen epibolisch angelegt (Taf. VI, Fig. 12, 13). 
Eine kalottenförmige Zelle, die sich an einem Pole des länglichen Keimes bildet und nach Art einer 
Kappe den Pol umgiebt, liefert durch Teilung weitere, flache, linsenförmige Zellen, die zu einem primi- 
tiven, zarten Epithel zusammentreten und bald den ganzen Keim umwachsen. Stets sieht die Gastraea- 
theorie in derlei Prozessen Gastrulation durch Epibolie; stets erkennt sie in solchen Fällen am vegeta- 
tiven Körperende ein obliteriertes Prostomum und homologisiert das neuentstandene Epithel als Ekto- 
blast, die inneren Zellen als Entoblast. Hier aber geht eine derartige Erklärung nicht an. Der epibolische 


*) Bezüglich der Darmentstehung bei Pteromalinen verweise ich den Leser direkt an die interessante Arbeit Kulagins (1), S. 229— 231. 


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Ektoblast wird abgestossen und die Epibolie wird wiederholt. Es entsteht zum zweitenmal ein typisches 
Epithel. Aber auch dieses geht unter Degenerationserscheinungen zu Grunde. Nachher findet keine 
Gastrulation mehr statt, die zur Keimblättersonderung führen würde. Die Zellen werden bloss histo- 
logisch umgemodelt, die an der Oberfläche liegenden werden zu definitiven Hautzellen, die axial ge- 
legenen gruppieren sich zum Epithel des Darmes. Die zumeist gesonderte, der Eizelle als Gift mitge- 
gebene Dottermenge wird langsam aufgebraucht. In sehr ähnlicher Weise verläuft die Embryonal- 
entwickelung bei Cestoden. 

Wo bleibt aber das biogenetische Grundgesetz? Diese ÖOntogenien spielen sich ausserhalb 
seiner Geltung ab. Die Eier entwickeln sich bei diesen Tieren unter Umständen, welche sonst eine 
ganz normale, das heisst, dem Ideengange der Gastraealehre näherstehende Ontogenie der Metazoen zeitigen. 
Der Theoretiker macht selbstverständlich für alles und jedes die parasitische Lebensweise dieser Würmer 
verantwortlich und sagt, diese parasitische, zu Rückbildungen hinneigende Lebensweise färbe bis auf 
früheste embryonale Stadien ab. Würde es sich bloss um die darmlosen Cestoden handeln, dann hätte 
die Gastraealehre mit der „Erklärung“ ihrer Morphogenie ein leichtes Spiel. Es hiesse dann, die 
Ontogenie rekapituliere getreu trotz dem Parasitismus der Tiere die phylogenetische Überlieferung ; 
es fände hier epibolische Gastrulation, vielleicht wegen der Mehrschichtigkeit des Urektoblastes, zweimal 
statt; dann aber gehe das herediv gebildete Hautsinnesblatt zu Grunde, weil die Lebensweise dieses 
primordiale Deck- und Schutzorgan überflüssig gemacht hat und es bleibe sodann lediglich das kaum 
differenzierte Urdarmgewebe übrig, welches nachträgliche, durch Zucht erworbene histologische 
Spezifizierung erfährt. Dieses Raisonnement trifft jedoch offensichtlich nicht zu, wenn man sich den 
Verlauf der Trematodenentwickelung zurückruft. Diese Darmtiere bringen einen meistens mächtigen 
Darm zur Entwickelung; dessenungeachtet kommen auch bei ihnen die angeblichen Gastrulationen 
durch Epibolie vor und die Darmbildung geht ihren eigenen Weg. Hiermit ist aber der indifferente 
Charakter jener Epibolien erwiesen und die Cestodenentwickelung steht nach wie vor im Widerspruch 
mit der These Haeckels, dass embryonale Entwickelungsstadien die Blutsverwandtschaft noch so 
degenerierter Tierformen verraten. 

Uns kann es freilich nicht erstaunen, dass eine definitive Erklärung seitens des Phylogenetikers 
noch aussteht. 


Im Gegensatze zu Platoden giebt es darmlose Tiere, die in ihrem Bau die Form einer In- 
vaginationsgastrula getreulich wiedergeben. Hierher gehören ausser dem problematischen Pemmatodiscus 
genau untersuchte Organismen, wie z. B. die in Sipunculideen parasitisch lebende Kumstleria gruveli 
oder die verwandte Pompholyxia, welch’ letztere viel eher als Trichoplax für eine abgeflachte Gastrula 
gehalten werden kann. Kunstleria gleicht zunächst einem Kugelabschnitt, der nur aus wenigen Zellen 
besteht und etwa an eine primitive Meduse erinnert. Die schwach konkave Basis derselben besitzt ein 
ringförmiges, stark bewimpertes Diskoidalfeld und in der Mitte eine Gruppe von Keimzellen. Nach leb- 
hafter Vermehrung der Zellen des Darmepithels und der Genitalanlage wird die Wölbung des Körpers 
viel höher, und das Keimzellenmaterial wird als ein epithelartiges Säckchen tief eingestülpt. Dadurch 
wird eine Gastrula vorgetäuscht, deren Urdarm ausschliesslich aus Keimzellen zusammengesetzt ist; der 
stark bewimperte Diskoidalring der anfänglich flachen Unterseite bildet nunmehr den runden Blasto- 
porusrand. Bei Pompholyxia kommt es nicht zu einer derartigen Invagination, aber die Topographie der 
Organe ist mit dem Typus der Kunstleria identisch. Wir haben vor uns einen neuen Beweis, dass der 
Begriff der Gastrula und der @astraea weder als ein morphologisches noch als physiologisches Postulat 
begründet und behalten werden darf. Kunstleria wurde morphologisch als „Genitogastrula“ beschrieben. 
Diese Bezeichnung giebt uns zweifelsohne eindeutige Auskunft darüber, was man damit bezeichnen 
will, aber formal beurteilt, ist sie unsinnig. Der Name „Gastrula“ — zu deutsch etwa „Darmlarve“ — 


Te 


ist kein Begriff, der sich in diesem und jenem und noch einem Sinne anwenden liesse. Er giebt 
zugleich eine Charakteristik der geweblichen Einstülpung. Kunmstleria ist ebensowenig eine Gastrula, 
als z. B. die „Schalengastrula‘“ der Anodonta (Taf. VI, Fig. 21) keine Gastrula ist. 


Der Begriff der Genitogastrula existiert nicht, als Entwickelungsform ist sie jedoch ebensogut 
von einer wirklichen Gastrula ableitbar als umgekehrt. Salensky (1) hält sie thatsächlich für die 
Stammform der Metazoen. Sie sei aus Volvox-artigen Flagellatenkolonien hervorgegangen. Das innere 
Gewebe, welches die ursprüngliche Epithelblase erfüllte, bestand aus Keimzellen, besass aber auch ento- 
dermale Eigenschaften; es war ein Fagogenitoblast, dessen reife Propagationszellen durch Dehiscenz der 
Dermalzellen nach aussen gelangten. Durch Lokalisierung dieses Vorganges entstand die Prostomial- 
öffnung, die das Genicoel mit der Aussenwelt in Verbindung setzte und, wenn dem wirklich so war, 
nicht Prostomialöffnung, sondern Progenitalöffnung heissen sollte. Im homoplastischen Gonocoel kam 
es weiterhin zur Differenzierung zweier Gewebssorten und schizocoelisch entstand in dem anfänglich 
gemeinsamen Raume die Urdarmhöhle. Der Vorgang der Delamination und Immigration wäre nach 
dieser Konjektur primär, die Invagination eine sekundäre Erscheinung. Auch bei dieser Problemstellung 
geht also die Frage dahin, welche von den angeführten Entstehungsarten des Urdarmes ursprünglich 
sei und welche von ihr abzuleiten wären? Dasselbe gilt beinahe von sämtlichen, irgendwann konzipierten 
Entwürfen allgemeiner Genealogie der Metazoen. Einmal ist es die Planula, die durch epitheliale Ab- 
spaltung, Delamination, aus der Flagellatenblase entstanden sein mag, wie bei Geryoniden, und diese 
Annahme heisst Planulatheorie, wie bei Ray-Lankester (1, 2).*) In vielen Fällen sogenannter Peri- 
gastrulation und Discogastrulation Haeckels, wo es sich in der Wirklichkeit einfach um gewebliche 
Differenzierungsprozesse, mit Abspaltung verbunden, handelt, wie z. B. bezüglich der Entwickelungs- 
geschichte der Amphipoden, sind die Embryologen geneigt, dieser Theorie den Vorzug vor der 
Haeckelschen zu geben. Man kann z.B. als Beweis den Umstand gelten lassen, dass das sekundäre 
Ektoderm im Sinne der Gastraeatheorie mehr oder minder der oberen Blastulahälfte entspricht, während 
es beim G@ammarus mit dem ganzen Blastoderm identisch ist; so wäre ein solcher Keim eine diploblastiche 
Planula im Sinne Ray Lankesters, wo die Delamination des Entoderms an der Ventralseite beginnt. 
In einem anderen Fall wird der Sterrogastrula die abstammungsgeschichtliche Priorität zuerkannt, wie 
bei Goette (2); „am Anfang“ sei Geisselektoblast, dann Geisselektoderm und Keimzellenparenchym 
gewesen. In einem dritten Falle wird einzig eine G@onium-artige, einschichtige Placula als möglicher 
Anfang angenommen; sobald sie durch Delamination zweischichtig geworden war, entstand in ihr infolge 
von Flüssigkeitsabsonderung die erste Leibeshöhle; Delaminations- und Gastrulationskeime wären sekundäre, 
durch Einrollung entstandene Abkömmlinge jenes Urstadiums. 


Derartige Problemstellung ist falsch. Das Problem ist nicht im Sinne eines „Entweder-oder“ 
aufzustellen. Die Frage, was primär sei, was sekundär, führt zu keiner Lösung. Alles spricht dafür, 
dass es in der Schöpfungsgeschichte der Metazoenkreise ein „Sowohl“ und ein mehrfaches „Als-auch“ 
gegeben hat. Eine diphyletische Theorie wird der Wahrheit stets näher stehen. So spricht beispiels- 
weise Willey (1) auf Grund seiner an zwei Ctenoplanaarten aus Neu-Guinea angestellten Untersuchungen 
von einer Urgruppe, aus der sich nach der einen Richtung die Coelenteraten, nach einer anderen: die 
Plathelminthen und Rippenquallen entwickelt haben; die Abstammung der Metazoen wäre somit dicho- 
tomisch. Am besten ist es freilich, gleich polyphyletisch zu theoretisieren. Wird man auch mit dem 
heutigen, nicht so sehr quantitativ als qualitativ unzureichenden Materiale an Kenntnissen nicht gar 
weit kommen, so wird man immerhin der Thatsache Rechnung tragen, dass — wie aus allem von uns 
hier Angeführten erhellt — keine einzige von den zu Urphaenomenen der metazoären Zellenvergesell- 


*) Can the disruptive mouth of „delaminate Planulae“ be identical or homogenous (= derived from one and the same ancestral source) 
with the mouth persisting from the primary orifice of invagination?“ etc. — fragt Ray Lankester (p. 400), 


er. Be 


schaftung auserkorenen Entstehungsweisen in irgend einem enger umschriebenen Metazoenphylon 
dominierend auftritt und, wie wir aus der ungeheueren Formenmannigfaltiskeit in monophyletischen 
Gruppen (Crustaceen, Tunicaten) höchst logisch folgern können, dass eine geringe Verschiebung oder 
Änderung im Gleichgewichte physiologischer Funktionen mitunter in höchst auffallender morphologischen 
Transmutation ihren Ausdruck finden kann. Was sind die begrifflichen Kategorien, wie Immigration, 
Invagination, Morulakeim, Blasenkeim, um deren Vorrang die Lanzen gebrochen werden? Willkürliche 
Zusammenfassungen, erwünschte Ruhepunkte für den ordnenden Gedanken in einer Unzahl von Über- 
gängen. Bei Coelenteraten findet man verschiedenartigste Kombinationen von Immigration und Delamina- 
tion, die sich schwer voneinander scheiden lassen; auch Invagination fehlt nicht (Acalephen), sofern sie 
sich aber bemerkbar macht, stets ist sie, nach Frl. Hydes (1) Ausführungen, eine sekundäre Erscheinung. 
In anderen Fällen gewinnt gerade die Darmbildung durch Einstülpung primären Charakter. In vielen 
Fällen wird auch Mac Bride (1) Recht behalten, wenn er für endodermale Prospektivität der hinteren 
Blastulahälfte eintritt und den Begriff eines vegetativen Epithels mit der hinteren Körpergegend des 
Keimes für eins erklärt. Alles dies ist aber kasuistisch. 


Casuistisch gestempelt sind auch die meisten sogenannten „mechanischen“ Erklärungs- und 
Begründungsversuche für die Auslösung einer gewissen Gastrulationsform als Urform der Metazoen. 
Die Problemlösung gestaltet sich bei den meisten Autoren früherer Zeit durchaus einfach, Am 
populärsten ist die Argumentation, wie wir sie z. B. in dem bekannten abstammungsgeschichtlichen 
Werke Eimers (1, S. 346 ff.) finden. Dort, wo die Blastula-Homoplasten am häufigsten mit brauch- 
baren Nahrungsstoffen in Berührung kamen, also an einem der zwei Pole eines monaxonen Blasenkeimes, 
habe sich die Arbeitsteilung und die Genese des Entoderms vollzogen. Man wird zwar nach- 
denklich, wenn man beim weiteren Lesen erfährt, es wäre für den Organismus besser, wenn die 
Ernährungszellen in einer Einstülpung liegen würden, aber das Problem ist inzwischen erklärt 
und Invaginationsdarm „mechanisch“ abgeleitet, und zwar als eine unumgängliche Folge der Selektion. 
Etwas anders, jedoch nicht minder mechanisch, versuchte Hamann (2) die Keimblättersonderung in 
der primären Blastula zu begründen. Entoderm habe sich in der hinteren Blastularegion entwickelt, 
weil die Zellen in jener Gegend am wenigsten in der Nahrungsaufnahme und Verdauung durch äussere 
Faktoren gestört waren. Trotzdem zieht Hamann gegen die Invaginationstheorie los. Invagination 
sei sekundäre Abkürzung der phyletischen Vorgänge; sie tritt schon bei kugelisen Blastulakeimen auf, 
während Immigration zunächst bei ovalen Keimen vor sich ging. Desgleichen wäre Blastula primär 
und Morula sei sekundär durch Verbleiben der Keimzellen im Mutterkörper, wo sie sich nicht frei zu 
zarten, einschichtigen Bläschen entwickeln konnten, hervorgerufen. Wer sagt uns aber, wo die ersten 
Metazoenkeime ihre Entwickelung durchliefen? Die ganze Auseinandersetzung ist seicht. Der Einblick, 
den ich dem Leser in jene ineinandergreifende und sich gegenseitig ausschliessende Hypothesenwelt 
gewähren möchte, wird voller, wenn ich die Annahme Kerschners (1) erwähnen werde, die uns 
wiederum zur Ableitung des Darmkeimes aus dem Anfangsstadium einer Blastula auf mechanischem 
Wege verhelfen sollte und den Verfasser zu ganz anderen Resultaten geführt hat. Durch Nahrungs- 
aufnahme wäre es zur Aufspeicherung des Dotters gekommen; dotterhaltige Blastomeren mussten aus 
mechanischen Gründen in die Tiefe sinken, und so wäre durch Delamination, als phyletisch primären 
Vorgang, die in der Gastrula ausgedrückte Keimblätterdifferenzierung vollzogen; innen die schweren 
Dotterzellen, aussen die schützenden Entomeren; Einstülpungsgastrula wäre demnach sekundär und — 
wenn ich den Ideengang richtig wiedergebe — polyphyletisch ausgelöst worden. Nach Haackes 
Mechanik ist wieder eine primär entstandene Einstülpung das ursächliche Moment für die spezifische 
Ausbildung der Entodermzellen. Nach Driesch ist die Einstülpung Folge, und die vorherige 
Differenzierung der Entodermzellen Ursache der Gastrulation. Verwandt ist auch der Standpunkt 
OÖ. Hertwigs. Brauer kommt zu dem Ergebnis, dass die Zellendifferenzierung, namentlich deren 


en 


Lokalisation im Urorganismus von der allgemeinen Bewegungsart des Körpers abhängt; bei rotierender 
Bewegung werden sämtliche Zellen gleichartig ausfallen. In weiterer Verfolgung dieser Idee nimmt er 
an, dass die Zellen, die zuerst in das Innere der Hohlkugel einwanderten, Propagationszellen waren. 
Bei mehr komplizierten Bewegungsarten muss indessen auch an den oberflächlichen Zellen der Blastula 
eine Differenzierung im Sinne der Arbeitsteilung Platz greifen. Für die Gastraeatheorie liegt nun nach 
Brauers Ansicht (1, S. 203) die grösste Schwierigkeit darin, dass man sich keine Vorstellung davon machen 
kann, wie, um zur multipolaren Entodermentwickelung zu gelangen, die allmählich erworbene und dann 
befestigte Arbeitsteilung unter den Zellen der Blastula, wieder rückgängig gemacht werden konnte, 
so dass eine jede Zelle, wie dereinst, die Fähigkeit hatte, den Funktionen der Bewegung, Ernährung 
und Fortpflanzung vorzustehen, 

Nach gethanem Einblick in die Welt der Hypothesen, deren jede zu langen Reihen von pro- 
gressiven Kettenschlüssen geführt hat, müssen wir also einsehen, dass die Gastraeatheorie nicht nur 
keine Erklärung oder eindeutige Bestimmung der Entwickelungsrichtung ermöglicht hat, sondern auch, 
dass uns ihre theoretischen Kettenschlüsse, ob wir sie modo ponente oder modo tollente, nach 
Goclenius oder Aristoteles verfolgen, auf Holzwege bringen. 

Doch genug des Beweismateriales. 


VI. Abschnitt. 
Zurückweisung der Gastraeatheorie. 


Mit ununterbrochen fortschreitende: Vertiefung der Analyse morphogenetischer Vorgänge, werden 
auch präzisere Einschlagsmotive gebracht, um die Gastraealehre durch den Nachweis zu retten, die 
phyletische Entwickelung, die Differenzierung homoplastischer, kugeliger Monoplastenkolonien in die 
Keimblattanlagen des Metazoenkörpers hätte nicht anders als eben im Schema dieser Lehre 
verlaufen können. Namentlich sind es Epigenetiker, die sich in derlei Begründungen versucht haben. 
Alles oder fast alles wird in der Regel von unmittelbar aktiven Einflüssen der Umgebung auf die 
Keimzelle und den Keim abhängig gemacht. Ungleiche Lage der Blastomeren unter sich und der 
Aussenwelt gegenüber führt zur Zerstörung des Gleichgewichts in der Blastula und zur Einstülpung. 
Die Einstülpung ist — wie sich O. Hertwig (2, S. 95) ausgedrückt hat — „aus den Wachstumsver- 
hältnissen der Blasenwand‘“ zu erklären. Die Einstülpung bewirkt, dass ein Teil der Blastomeren auf 
einmal in veränderte, neue Beziehungen zur Aussenwelt getreten ist und dass die invaginierten Blasto- 
meren entodermale Allüren annehmen. Man hat geradezu die Behauptung ausgesprochen, die Stadien 
phylogenetischer Ontogenesen seien erprobte Lösungen architektonischer Probleme (Kerschner, 
1, S. 682). Alles sei durch Druck- und Zugverhältnisse erklärbar. Die Erklärung der Invagination 
durch passives Hineingedrängtwerden träger Entomeren infolge eines lebhaften Wachstums des Ekto- 
blastes, ist zur stehenden Phrase geworden. Es hält nicht schwer, ihre Unwahrheit aufzuzeigen. 

Die Beschaffenheit einer homoplastischen Blastula ist zur Zeit, für uns alle, ob Morphologen 
oder Physiologen, so unendlich kompliziert, dass wir von einer mathematisierenden Analyse derselben 
nicht träumen können. Deshalb können wir auch die Ursachen, welche z. B. eine Ingression von 
einzelnen Blastomeren in das Innere der Blase oder eine gastraeale Einstülpung bewirken, nicht einmal 
ahnen. Was wissen wir von prospektiven Potenzen der Blastomeren und von Faktoren morpho- 
genetischer Induktion? So gut wie nichts. Nichtsdestoweniger wird die Keimblase bei mechanistischen 
Erklärungsversuchen in einer Weise behandelt, als ob es ein Ball aus homogenem Gummistoff wäre, 
an welchem uns die Natur Elastizitätsgesetze zu demonstrieren beliebt. Ich habe es soeben hervor- 

Garbowski, Morphogenetische Studien. 12 


m Ken 


gehoben, dass wir zu unwissend sind, um diesbezüglich heute schon etwas auszusagen; aber wir können 
gegenüber jenen mechanistischen Erklärungsversuchen bemerken, dass sie selbst für einen wirklichen 
Gummiball keine Geltung haben. 

Es handelt sich darum, ob der eine, kleinere Teil der Blase durch ein intensiveres Wachstum 
des anderen Teiles eingestülpt werden kann. Hierbei sind drei Fälle möglich. Entweder ist der ein- 
zustülpende Teil ebenso dick wie der restliche Teil (Taf. V, Fig. 2, rt= rt), oder sein Durchmesser ra 
ist um die Hälfte kleiner als beim Ektoderm (rt), oder umgekehrt, das Entoderm (rt) ist zweimal so dick 
als das Ektoderm (ra). Wenn wir auf den elementaren Diagrammen (Fig. 1 und 2), wo das Entoderm 
dunkel schraffiert ist, den Druck des stärker wachsenden Ektoderms durch zwei Kräfte von der Grösse ab 
und a,b, darstellen, so gelangen wir nach Konstruierung einfacher Kräfteparallelogramme zu der 
Resultante Sm, (= Sm, Fig. 1), die im ersteren Fall. das ist, bei gleichmässiger Dicke des ganzen Balles, 
nicht ausreichen wird, um an rtqs, an das Ektoderm, irgend welche Wirkung auszuüben; es wäre denn, 
eine Ausstülpung (Fig. 5 und 6). Ist aber das Entoderm um die Hälfte dünner, gleich raa,s, dann 
werden die Komponenten des Druckes entsprechend grösser; sie sind z. B. gleich ac und a,c, (Fig. 2) 
und die Resultante ist gleich Sn. In welcher Richtung wird sie aber wirken? Es leuchtet ein, dass das 
Kräfteparallelogramm der Resultante — wie in Fig. 1 — nicht Stnm, sondern St,n,m, sein wird, wobei 
Sn=ab ist, dass also die Resultante nicht in der Richtung der Pfeile, sondern in entgegengesetzter 
Richtung wirkt, so dass es sofort zu einer Ausstülpung nach aussen kommen würde. Es ist indessen 
zu beachten, dass das Ektoderm nicht nur drückt, sondern auch wächst, und zwar, wie die Annahme 
für die Konstruktion lauten muss, in allen seinen Teilen gleichmässig; infolgedessen wird sich auch der 
Radius der Ektodermblase vergrössern. Ist nun der vom Entoderm eingenommene Oberflächenausschnitt 
der ganzen Blastula aus schwachem Material, das sich nicht selbständig vergrössert, hergestellt, dann 
würde es keineswegs zu einer Exogastrulation kommen, wie man dies vielleicht erwarten würde, sondern 
die schwächere Membran würde einfach in die Ebene ausgedehnt werden, um dem Zuge der wachsenden 
Blase folgen zu können (Fig. 3 und 4). Im dritten Fall, wo das Entoderm, wie wir es thatsächlich an 
den meisten wirklichen Keimen sehen, massiver ist, wäre dasselbe durch den allzuschwachen Druck gar 
nicht alteriert und das Ektoderm würde über ihm entweder eine kugelige Blase mit vergrössertem Radius, 
oder eine oval abgeflachte Sphäre erzeugen (Fig. 9 und 10), wenn wir den durch die Starrheit des 
Entoderms hervorgerufenen Ungleichmässigkeiten in der bisher gleichmässig fortschreitenden Ober- 
flächenvergrösserung des Ektoderms Rechnung tragen wollen;*) das Entoderm aber wird sicherlich 
nicht invaginieren, sondern — wie wir das an vielen Keimen in der That wahrnehmen — sich als 
stärkere Vorwölbung abheben. 

Im vorigen Abschnitt, bei Schilderung der Gastrulation von Amphioxus haben wir gesehen, dass 
einzelne Autoren den Einstülpungsvorgang als Folge einer Resorption des flüssigen Blastocoelinhaltes 
durch die Entodermzellen zu erklären versuchten (Hatschek). Wir können dem Falle eine geeignetere 
Formulierung geben. Bekanntlich verhalten sich bei zwei Hohlkugeln verschiedener Grösse deren 
Oberflächen Bes rn 
und deren Volumina VEN. rn 
wenn also eine Blastula wächst, so ergiebt sich daraus, dass sich ihr Volumen rascher vergrössert als 


*) Alles das ist zu sehr vereinfacht worden, um mathematische Formeln im Texte zu vermeiden. Wollte man exakter vorgehen, dann 
müsste man vor allen Dingen den Elastizitätscoöffizienten berücksichtigen. Um ihn zu erhalten, muss man die Zugkraft durch den Unterschied 
in der Länge des betreffenden Stranges dividieren, oder das,Elastizitätsvermögen als Grösse in Anspruch nehmen. Das Ganze wird sich im 
Gleichgewicht befinden, wenn die Resultante Sm, durch eine gleichgrosse Gegenkraft Sm in ihrer Wirkung annuliert sein würde. Alle drei, in 
einer Ebene gedachten Kräfte sind jede für sich dem Sinus des Winkels, den die beiden anderen einschliessen, proportional. Wenn Sm = Sm,, 
ab = Sn = Sn,, Sn :St: Sm, =sin «@: sin ß: sin y. 

Da nun Sm, =Sm, sin @e—=sin n St,, sin = sin t Sn,, sin y=sinn St, folglich 

Sn: St:Sm=sin nSt, : sin tSn, : sinn St. 
U. s. w. 


egiere 


ihre Oberfläche; wenn die Menge der secernierten Blastocoelflüssigkeit mit der Volumenvergrösserung 
nicht gleichen Schritt halten kann, dann gelangt man auch ohne die sehr unwahrscheinliche An- 
nahme einer Resorption durch das Entoderm zu dem erwünschten Resultate: in der Blastula 
würde bei fortbestehender Straffheit des Epithels ein Vacuum entstehen; es wird also durch den Gegen- 
druck des umgebenden Mediums eine Einstülpung erzeugt werden müssen. Ist es nun aber irgend- 
wie wahrscheinlich, dass sich das starre und massive Entoderm einstülpen wird? Wer je eine aus dünnem 
Ektodermepithel und dotterhaltigen Entodermzellen zusammengesetzte Keimblase in Nelkenöl zu über- 
führen hatte, wird entgegengesetzte Erfahrungen gemacht haben. Und dann, ist es nur irgendwie 
wahrscheinlich, dass die Metazoenentwickelung wirklich diesen Weg in der Phylogenese gegangen ist? 
dass sich die vacuumscheue Blastaea stets in einer bestimmten Gegend einstülpte und dass das ein- 
gestülpte Epithel infolge der eintretenden Lageveränderung zum Entoderm wurde, wie es der Biomechaniker 
Le Dantec, der Zoologe Eimer u. A. erwarten? Driesch würde diesen Erwartungen zweifellos die 
Thatsache entgegenhalten, dass er (7) Blastulakeime künstlich zur Faltung brachte und dass die ein- 
gestülpte Partie des Epithels trotzdem nicht als Entoderm differenziert wurde. Wir selbst würden einen 
derartigen Gegeneinwand nicht erheben, weil es ebenso thöricht wäre, aus dem Ergebnisse jener inter- 
essanten Experimente auf das normale Geschehen zu schliessen, wie etwa auf Grund des Misslingens 
von Experimenten mit dem Ohrabschneiden bei Mäusen und Ratten auf die Nichtvererblichkeit somatogen 
erworbener Eigenschaften schliessen zu wollen. Wir stützen uns indessen auf das ganze bis jetzt er- 
schlossene Gebiet embryologischer Thatsachen, wenn wir im Einklang mit den Resultaten des Ex- 
perimentators behaupten, dass die Blasenwand durch entodermale Invagination auf innere Anstösse eine 
Antwort giebt, dass die gastraeale Differenzierung auf vorbestimmten Induktionen beruht und aus einer 
bereits im Ei präformierten Organisation resultiert. Redensarten wie „Einstülpung infolge reger Zell- 
vermehrung“ oder „Unmöglichkeit der Einstülpung infolge des Dotters“ sind eben nichtssagende und 
öfters sogar falsche Phrasen. Man spricht so viel von der Elastizität der Blastulawände; sind sie denn 
wirklich so „elastisch“? Wer je selbst embryologische Untersuchungen durchführte und besonders beim 
Studium von Schnittserien die unerschöpfliche Mannigfaltigkeit der Blastomeren, ihre offensichtliche 
regionale und individuelle Spezietät, die meistens viel zu subtil ist. um in unseren Beschreibungen nach 
Gebühr berücksichtigt zu werden, kennen leınte, der wird auch von den Ursachen der Umwandlung 
eine andere Vorstellung davongetragen haben. Wenn uns die Umwandlung einer Endogastrulation in 
Exogastrulation in Lithiumlösungen experimentell gelingt, so wäre ein mechanistischer Phylogenetiker 
vielleicht geneigt, das Experiment eher zu Gunsten seiner Aufstellungen auszulegen. Wenn wir uns 
jedoch die Thatsache zurückrufen, dass künstlich hervorgerufene Gastrulation, der Prospektivität der 
beteiligten Zellen gemäss, auch noch ein umgekehrt orientiertes Stomodaeum hervorbringen kann 
(Taf. V, Fig. 7), oder dass sich bei andauerndem Verweilen der Larve im chemisch veränderten Medium 
nach und nach die entodermale Ausstülpung vergrössert, bis schliesslich vom ursprünglichen Ektoblast 
nichts mehr übrig bleibt als ein winziger Knopf und die Blastula in eine Ascetta-artige Endoblastula (mit 
verschiedener Prospektivität) umgewandelt wird, dann wird wohl auch der Mechanist seine Behauptung 
nicht weiter aufrecht erhalten können, auch diese morphogenetischen Vorgänge seien durch mechanische 
Notwendigkeit dem Hohlbläschen aufgezwungen worden. Wie wird man als „mechanische Notwendigkeit“ 
die Fälle erklären wollen, wo sich dotterhaltige Blastomeren rascher abfurchen und kleinere Zellen 
liefern als die hyalinen Ektomeren? oder wo gleich die ersten Furchen ein mit Dotter prall angefülltes 
Ei in ganze Zellen zerschnüren? oder aber wo die Darmbildungsprozesse trotzdem, dass vorn das Ekto- 
derm weit mächtiger entwickelt ist, den gewohnten Verlauf nehmen? Wie lässt sich „mechanisch“ die 
Entwickelung des Froschkeimes erklären? Ist es auch hier die Druckkraft der Ektoblastlamelle oder 
Horror vacui, der die Dottermasse hineinbiegt und zur embolischen Gastrulation zwingt, bis von dem 


anfänglich breiten Urmunde nur mehr der Rusconische After übrig bleibt? Wären es wirklich mechanische 
12* 


Be 


Faktoren, die hier den Ausschlag geben und die Metazoenentwickelung in gastraeale Bahnen bringen 
mussten, wie wäre es zu erklären, dass sie in die heute vor sich gehenden Ontogenien verschiedener 
Tiere nicht mehr leitend, aüuslösend und differenzierend eingeschaltet sind? Das wieder dotterfrei ge- 
wordene Ei der Säugetiere müsste sich doch wieder nach dem Typus der Stammform, des Amphioxus 
entwickeln können. Sind übrigens die höchst bestimmt geordneten Keimblattdifferenzierungen bei 
coeloblastischen Entomostrakenkeimen, wie sie uns namentlich durch die umsichtigen Beobachtungen 
Grobbens (Cetochilus, Moina) erschlossen wurden, wo die Entodermgruppe zuweilen eher ausgestülpt 
als eingesenkt erscheint, ebenfalls mechanisch verständlich? In allen solchen Fällen — und die Ent- 
wickelungsgeschichte kennt keine anderen — wird von den Anhängern der Gastraealehre auf ceno- 
genetische Einflüsse hingewiesen. Mit jenem Hinweise wird uns aber nichts weiter gesagt als ein- 
gestanden, dass man weder die gastraeale Phylogenie aus mechanischen Prinzipien als entwickelungs- 
geschichtliche Notwendigkeit zu erklären vermag, noch mit ihrer Hilfe die Formenmannigfaltigkeit 
einzelner Ontogenien im mechanistischen Sinne unserem Verständnis näher zu bringen. In beiderlei 


Richtungen steht die Erklärung noch aus. 


Es giebt in der heutigen Formenwelt keine Gastraea, und eine subjektive Meinungssache ist es, 
wenn einzelne Autoren — wie z. B. Apäthy — behaupten, es habe nie eine gegeben. Es handelt 
sich um einen im gastraealen Sinne entwickelten Heteroplastiden mit zweifachen Zellsorten. Selbst die 
ursprünglichsten Spongien folgen jedoch ganz verschiedenen, auch mechanistisch verschiedenen Voraus- 
setzungen. Die Trochophoratheorie besass vor der Lehre Haeckels den schwerwiegenden Vorzug, 
dass in der philippinischen Trochosphaera aquatorialis ein Organismus bekannt wurde, welcher der postu- 
lierten Stammform im wesentlichen gleicht und für die Hypothese eine reale Basis schafft. Diese Basis 
fehlt aber der Gastraealehre. Ausserdem giebt es bei einer grossen Zahl von Tieren, deren phyletischer 
Zusammenhang in mehreren Fällen keinem Zweifel unterliegt, thatsächlich konvergent entwickelte 
Larvenformen, wodurch erstens die biologische Bedeutung des Lovenschen Larventypus erwiesen wird, 
zweitens die Annahme, dass Tiergruppen mit Trochophorastadien einander näher stehen, als es sonst 
zu vermuten wäre, an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Wir haben uns indessen im Laufe unserer Unter- 
suchungen überzeugt, dass sich die Sachen bei der Gastraealehre ganz anders verhalten. Es lässt sich 
z. B. nicht leicht ein zweiter Tierkreis finden, wo embolische Gastrulation der organologischen und ge- 
weblichen Beschaffenheit des Organismus so vollkommen entsprechen würde wie die Coelenteraten. 
Thatsächlich begegnen wir in ihrer ungeschlechtlichen Fortpflanzung durch Knospung sehr oft Faltungen, 
Ein- und Ausstülpungen der Epithelien. Dessenungeachtet ist trotz der grossen Mannigfaltigkeit ihrer 
Ontogenien kein einziger Fall typischer Embolie bekannt. Selbst bei einer Hydra lassen sich nicht 
einmal Spuren von eventuell rückgebildeter Embolie erkennen. Noch ursprünglichere Organismen, die 
die Schwelle metazoärer Organisation noch lange nicht überschritten haben, wie die Mastigoden, sind 
mit Archi- und Coeloblastulastadien nicht zu vergleichen; eine Eudorina, Stephanosphaera oder Volvox *) 
zeigen uns höchstens den Weg. den die phyletische Transmutation in Metazoen bei gewissen Organismen 
gehen könnte, inmitten einer Unzahl von anderen Möglichkeiten. Ebensowenig können acoele Or- 
ganismen als Belege für die Ursprünglichkeit einer acoelen Sterroblastaea gelten; wenn sie es aber 
wirklich thun würden, dann wäre die Urform nicht minder keine Gastrula, und das phylogenetische 
Gebäude müsste nach anderen Prinzipien, von Grund aus umgebaut werden. Dasselbe gilt vom Typus 
der Ingression u. s. f. 

Eine Ausnahme müsste man bei der Clausschen Blastaeahypothese machen. Zur Zeit ihrer 
Aufstellung war sie allerdings trotz der Häufigkeit der Coeloblastulastadien in den ÖOntogenien kaum 


*) A. Hyatt hält sie sehr unpassender Weise für echte Mesozoen. 


Peek 


mehr begründet als die Lehre Haeckels. Gegenwärtig kennen wir jedoch eine Form, die sich in 
vielen wichtigen Merkmalen von einer Archiblastula nicht unterscheidet: wir meinen die Salinella. 
Störend wirkt hierbei vor allem die doppelte, axial gelegene Öffnung, da wir uns von der Nahrungsauf- 
nahme und der Verteilung der Assimilate bei geschlossenen Blastaeen nur mangelhafte Vorstellungen 
machen können; weniger stört ihre bilaterale Symmetrie; die Fortpflanzungsweise der Salinella ist eher 
ein „Dafür“ als ein „Dagegen“. Somit würde der Blastaealehre grössere Wahrscheinlichkeit zukommen. 
Von unserem Standpunkte aus betrachtet, reicht natürlich auch dieser Umstand nicht zu, um der 
Blastaealehre irgend welchen Erklärungswert beizumessen. Ist sie doch nur scheinbar ein Gegensatz 
der Haeckelschen Hypothese. Thatsächlich sind bei ihr dieselben Prinzipien entscheidend; der Unter- 
schied beschränkt sich lediglich darauf, dass sie ein früheres Entwickelungsstadium als das gemeinsame 
Ausgangsstadium der phyletischen Entwickelung für alle Metazoen annimmt, so dass der monophyletische 
Ursprung derselben um eine Stufe tiefer an der genealogischen Leiter zu liegen kommt. Die Ver- 
einfachung. die sich daraus als unmittelbare Folge ergiebt, erweitert auch um ein beträchtliches die 
Grenzen ihrer Brauchbarkeit als Massstab der Vergleichung, rettet aber nicht das Prinzip. 

Thatsache ist, dass weder die gastraeale noch irgend eine von den hier besprochenen Theorien 
das, was sie verspricht und wozu sie methodologisch dienen soll. erfüllt. In morphologischer Hinsicht, 
ihrer eigensten Domäne, wo es sich um die gegenseitige Lage der Keimblätter handelt, genügt eine 
solche Lehre nicht, weil sie hierin der bestehenden Mannigfaltigkeit trotz allerı gekünstelten Ver- 
allgemeinerungen, die ihren Wert in methodologisch-formaler. Beziehung sehr erheblich vermindern, keine 
Rechnung trägt. Sie schafft Schablone. Ihre Kunstbegriffe mochten einst, als die Kenntnisse noch 
lückenhaft und überhaupt unzureichend waren, als ordnende Begriffe hie und da verwendbar sein und 
Nutzen bringen; sobald aber unsere Kenntnisse über ihre Köpfe hinausgewachsen waren, wurden sie 
zur Last und zum Panzer, welcher den neuerschlossenen Wahrheiten Gewalt anthut und den Fortschritt 
hemmt. Sie ist unzureichend als phylogenetisches Erklärungsprinzip. welches uns die Homologie der 
Keimblätter und der Örgananlagen, die wahre Homologie gemeinsamer Abstammung aus denselben 
Teilen des Keimes aufzeigen könnte, weil selbst dort, wo z. B. eine Invaginationsgastrula auftritt, die 
prospektive Potenz ihrer beiden Epithelwände von Fall zu Fall wechselt und bei einzelnen Organismen 
diametral verschieden sein kann. Eine solche Theorie, zumal die Gastraealehre, genügt auch physiologisch 
nicht im mindesten, weil der tierische Organismus das Problem der Ernährung in verschiedenster Weise 
zu lösen vermag und auch verschieden löst. Zeugnis davon legen nächstverwandte Formen ab, bei 
denen nicht selten ein von Grund aus heterogener Darmtypus beobachtet wird. Ein eklatantes Beispiel 
bieten die Insekten. Sie bilden eine monophyletische Tracheatenklasse, an deren Einheitlichkeit kein 
Zweifel rütteln kann, und der Darm wird selbst bei Repräsentanten derselben Ordnungen und Familien 
in erstaunlich mannigfacher Weise angelegt; bei Hydrophilus entsteht er aus zwei ektodermalen Ein- 
stülpungen, bei manchen Thysanuren aus Zellen, die sich an der Oberfläche der Dotterzellen befinden, 
bei Macrotoma vulgaris aus innerem Zellhäufchen, welches genau die Mitte einer kugeligen, aus äqualer 
und totaler Furchung resultierenden Morula hält. Grössere Kontraste sind kaum mehr denkbar. Noch un- 
verständlicher gestaltet sich die Bildung des Darmes bei ektoprocten Bryozoen. Durch Invagination 
entsteht der Darm der Larve, entwickelt sich regelmässig und gewinnt eine zweite Öffnung an der 
entgegengesetzten Wand des Keimes.. Von nun an verfällt er vollständiger Dissociation und De- 
generation, die Larve wird darmlos, und nur im lockeren Gewebe, welches das Innere durchsetzt, lassen 
sich Derivate des obliterierten Darmes nachweisen. Nachher stülpt sich die äussere Wand an einer 
Stelle, die zu der früheren Darmeinstülpung in keiner Beziehung steht, ein und führt nicht etwa zur 
Anlage eines neuen Darmes, sondern zur Totalanlage eines Polypids, samt dessen definitivem Darm 
und sonstigen Schichten. Hier liegt ein Prozess vor, der sich nicht physiologisch auffassen, sondern 
nur als irgend wie durch Abkürzung phylogenetischer Entwickelungsprozesse entstandene Eigen- 


a et 


tümlichkeit der Ektoprokten verstehen lässt, wobei man aber nicht vergessen darf, dass diese hier zum 
Ausdruck kommende phyletische Vergangenheit in ihrem geschichtlichen Verlaufe sich am Leitfaden 
physiologischer Bedürfnisse abgespielt hatte. Ein derartiges Problem ist nun, wie es aus dem früheren 
einleuchten dürfte, mit Hilfe einer Hypothese, wie die Haeckelsche, nicht zu lösen; sie gewährt uns 
weder einen Einblick in das obwaltende Abhängigkeitsverhältnis zwischen Form und Funktion (phylo- 
genetische Umwandlung) noch sagt sie uns, wie das aktive Leben im Organismus des Embryos auf 
die morphologisch-physiologische Überlieferung, aus welcher er als Lebensform resultiert, zurückwirkt. 
Dasselbe gilt bezüglich der Erscheinungen, die uns z. B. die Keimblätterentwickelung bei gewissen 
Spongien bietet. Bei Süsswasserschwämmen werden ja sämtliche im Körper des reifen Tieres vor- 
kommende Zellsorten auf einmal, „wie mit einem Schlage‘“ differenziert, so dass man nicht im Stande 
ist zu sagen, jene Blastomeren lieferten das Ektoderm, andere das mittlere Gewebe u. s. w. Diese 
Verschiebungen in der Chronologie der Morphogenese sind ebenfalls lediglich am Leitfaden physiolo- 
gischer Momente zu analysieren, und dazu ist die Gastraealehre nicht befähigt. Sie selbst und jede 
andere Hypothese desselben Typus formulieren hier das Problem stets in einer Weise, als ob es sich 
nur um rein geschichtliche Feststellung des Datums handeln würde, wann diese oder jene Zell- 
sorte des Metazoenorganismus geschaffen wird. Je nach der Art persönlicher Erfahrungen, wird und 
muss man bei so geformter Auffassung, der einen oder der anderen Zellsorte den Vorrang einräumen 
und behaupten, es seien dies Keimzellen, welche multipolar in das Innere der Urcoeloblastula ein- 
wanderten, wie dies Brauer thut, oder Fagocyten oder einsinkende Dotterzellen; stets wird eine Norm 
gefunden, welche für sämtliche Metazoen phylogenetisch bindend sein soll, aber niemand sucht nach 
jener höheren Geschehensnorm, die, alles bindend, Mannigfaltigkeit schafft. Und daher bleibt das 
Problem der Protacoelen, schizocoeler, enterocoeler und blastocoeler Metazoenlarven und Metazoenformen 
nach wie vor bestehen. 

Delage (3, II) sagt an einer Stelle: „chez des formes tres inferieures ou degradees par le 
parasitisme, l’endoderme peut manquer, mais alors il existe chez l’embryon et, lorsqu'il manque meme 
chez cel-ci, les autres traits d’organisation sont tellement conformes a ceux des autres metazoaires, 
qu'il est impossible de les separer de ceux-ci.“ Was wird damit behauptet oder eingestanden? Es 
wird die Thatsache konstatiert, die Wirkung der Cenogenese sei so mächtig, sagen wir allmächtig, dass 
alle Kriterien, auf deren Existenz die Gastraealehre und alle ebenbürtigen Lehren fundiert sind, zu 
völligem Schwund gebracht werden können; in gewissen Fällen nur einzelne von diesen Kriterien, 
wenngleich so fundamentale wie z. B. ein ganzes Keimblatt; und dies sind noch die günstigen Fälle, 
wo es für den Morphologen noch unmöglich ist, „de les separer de ceux-ci“; in gewissen anderen 
Fällen so viele Kriterien, dass der Morphologie jede Orientierungsmöglichkeit benommen wird. Wir 
können indessen schon jetzt zwei positive Ergebnisse festhalten; einerseits, dass im grossen und 
ganzen die morphologische Mannigfaltigkeit unter Entwickelungsstadien (embryo- 
logischen und metamorphotischen) bei weitem grösser ist als bei den Imagines, als Bau- 
typus betrachtet; anderseits, dass der Begriff der Metazoen nicht an die Anwesenheit 
von 4, 2 oder mehreren Keimblättern gebunden ist, durch welch’ letztere Einsicht der Schwer- 
punkt der taxonomischen Arbeit nicht unerheblich verschoben werden muss. Mit der ersteren Einsicht 
aber ist gesagt, dass durch Aufdeckung neuer vergleichend-embryologischer Thatsachen so wenig, wie 
auf Grund der bisherigen Kenntnisse neue Einsicht gewonnen werden kann. 

Bedenkt man, wodurch eigentlich eine „Gastrula“ als Entwickelungsstadium der Metazoen ge- 
geben ist, und berücksichtigt man bei dieser analytisch-synthetischen Untersuchung sei es nur jenes 
beschränkte Formengebiet, welches auf diesen Blättern entrollt wurde, so kann man nicht umhin, als 
das einzig bleibende und gemeinsame Merkmal den Darm, das Verdauungsorgan, in allen nur mög- 
lichen Phasen der Evolution und der Involution zu erkennen. Was lehrt nun also die Gastraea- 


a 


theorie? Sie lehrt, dass sämtliche Metazoen, wir könnten ebensogut sagen, sämtliche 
Tiere oder gar sämtliche Lebewesen, ein Ernährungsorgan oder wenigstens einen Ersatz 
des Ernährungsorganes besitzen; nichts weiter. Das ist in richtiger Fassung der Inhalt, den ihr 
niemand abstreiten wird. Gleichzeitig aber heisst das, dass sie keine wirkliche Theorie ist, dass sie kein 
ausbauendes und Lücken überbrückendes Element in sich enthält. In diesem Sinne wäre sie gleich- 
wertig mit einer Antennentheorie der Arthropoden oder Kopftheorie der Wirbeltiere oder einer Blätter- 
theorie der Phanerogamen, wenn diese Theorien nur zur Feststellung der Thatsache, dass Tiere Köpfe 
und Fühler und Pflanzen Blätter besitzen, tauglich wären. 

Man sagt oft und gerne: „Gastrula ist ein immer notwendiges Durchgangsstadium“ (Hertwig, ?). 
Es ist, wie wir uns im Laufe dieser Untersuchungen unzählige Male überzeugen konnten, gar nicht 
wahr. Gastrula ist nichts als ein Ausdruck für die Erkenntnis, dass die ektodermale und 
die entodermale Gewebssorte verschiedene Rollen in der Lebensphysiologie der Tiere 
zu spielen haben. Darauf beschränkt sich denn auch das positive Ergebnis vieler vom morpho- 
logischen Standpunkte aus unternommener und durchgeführter embryologischer Untersuchungen. Zu 
keinem anderen Resultate * selangte auch Gurwitsch (1) in seinen Experimenten mit Anurenkeimen, 
wenn er annimmt, dass die Einstülpung am Froschkeim sekundär entstanden sei, während die Wanderung 
der Entoblastzellen vom Boden des Endocoels gegen das Dach des Hohlraumes primär ist; dabei war 
aber die Gastrula, auf die er mit Lithiumchlorid einwirkte, radiär symmetrisch gebaut und hielt in 
ihren Charakteren zwischen entsprechenden Entwickelungsstadien des Amphioxus, der Selachier und der 
Amphibien die Mitte. Auf Grund experimenteller Erfahrung zieht Gurwitsch den Schluss, dass die 
Gastrula sekundär angelegt werden kann und dass sie in ihrer Symmetrie durch den Bau des betreffenden 
Imaginaltypus bestimmt wird, sagt also dasselbe, was sich aus unserer oben ausgesprochenen These 
als unmittelbare Folge ergiebt; nur sind bei ihm die Prämissen und auch die Interpretation des Resultates 
verschieden. Gastrula entsteht polyphyletisch, und zwar aus anderen Gründen als z. B. denjenigen 
Metnikoffs, welcher in seiner Fagocytellatheorie denselben Boden betritt, den auch die Gastraealehre 
wandelt; nur hat er ein anderes morphologisches Moment, das der Zellingression, in den Vordergrund 
gestellt: formal ist aber Ingression mit Embolie gleichwertig. Überall wird die Frage dahin zugespitzt, 
welcher morphogenetische Vorgang, sei es ontogenetisch, sei es phylogenetisch, früher und welcher 
später ausgelöst wird. Und doch sollte man eher fragen, wodurch dieser und wodurch jener Vorgang 
ausgelöst wird. Würden wir durch physiologische Analyse zu den Auslösungsursachen gelangen, erst 
dann würden wir Entwickelungsstadien verschiedener Organismen mit Erfolg vergleichen können. 
Nimmt man drei ungefähr gleichaltrige Stadien von Mollusken in Betracht (Taf. VI, Fig. 20—22), so 
muss man zunächst fragen, warum sämtliche Mesodermelemente bei Chiton anfangs an der Begrenzung 
des embolischen Archenterons beteiligt sind, warum bei Patella die Descendenten der sogenannten Ento- 
mesodermzellen, die am Anfang der Darmeinstülpung liegen, sofort in das Blastocoel gelangen, und 
warum bei der Teichmuschel das Mesoderm in Form von Mesenchymelementen und deren Derivaten 
(wie der Mesenchymmuskeln) in der ganzen Leibeshöhle sich bereits zerstreut haben, als die Darm- 
lage noch in Form eines unscheinbaren Zellhäufchens zu sehen ist; warum endlich die mächtige Ein- 
stülpung nicht das Entoderm, sondern das Ektoderm betrifft und zu einer früheren Schalenbildung dient. 
Dieselben Fragen beziehen sich auch auf die Entwickelung der Spongien. Wird man einmal den ein- 
heitlichen Auslösungsgrund, der natürlich von subtilsten phyletisch summierten und physiologisch ein- 
geleiteten Eigenschaften des Organismus in seiner Emanation abhängt, kennen, dann wird man nicht 
nur die zeitlichen und sonstigen Unterschiede in der Entfaltung ontogenetischer Komponenten begreifen 
lernen, sondern man wird auch mit seiner Hilfe über die Blutsverwandtschaft der Organismen nicht 
vermutungsweise, sondern mit relativer Sicherheit urteilen können. Denn es versteht sich wohl von 
selbst, dass wir weit davon entfernt sind, auf Grund gastraealer Discordanz, die gemein- 


Er 


schaftliche Abstammung betreffender Formen und Formengruppen in Abrede zu stellen. 
Im Gegenteil, wir ahnen ihre Verwandtschaft hypothetisch und suchen nach thatsächlichen Beweisen; 
wir wollen eben vage, wenn auch tief in unserer Überzeugung wurzelnde Vorstellungen und Ver- 
mutungen in exakte Form der Wissenschaft verwandelt sehen. Wir behaupten nur, dass die 
Gastraealehre durch die Mannigfaltigkeit gastraler Entwickelung bei offensichtlich nahe 
stehenden Formen nicht bestätigt wird, sondern zu Boden fällt. Es möge nur an die intra- 
celluläre Verdauung bei der Larve und die Ausbildung einer Darmcavität bei Imago von Salinella er- 
innert werden; sind deren Cytostom und Os, Cytopyg und Anus nicht analoge und homologe Gebilde 
zugleich? Man hat viel, namentlich früher, über uni- und multipolare Darmbildung gestritten; schliesst 
sich nun aber bei Hexapoden bipolare und multipolare Darmbildung einander nicht engstens an? 
J. Wagner (1) führt Invagination auf unipolare Ingression zurück; Gastrula ist nach ihm — und auch 
für uns — nur ein spezieller Fall, die Hauptsache liegt darin, dass sich das Blastomerenmaterial in zwei 
qualitativ unterschiedliche Sorten sondert. Wenn sich somit nach adaequaler Furchung eine embolische 
Gastrula bildet, so würde hier nur eine cenogenetisch herbeigeführte Verspätung im Sichtbarwerden 
qualitativer Unterschiede vorliegen; an der Einstülpung selbst liegt nichts. Es ist absolut unbegreiflich, 
warum die Embolie heute noch von so vielen Seiten als etwas prinzipielles behandelt wird, da man 
doch auf dem Gebiete embryologischer Untersuchungen so häufig die Erfahrung macht, dass ein und 
dasselbe Organ je nach „lokalen“ Vorbedingungen, ebenso wie der Darm, der ja ebenso gut ein 
differenziertes Organ ist wie jedes andere, auf diese oder jene, bei der Darmbildung vor- 
kommende Weise gebildet werden kann! Das Nervensystem sondert sich z. B. bei den meisten 
Arthropoden vom Epithelialverbande des Ektoderms durch Delamination ab; bei Skorpioniden bildet 
es sich indessen durch Invagination, und wird noch nachträglich von ektodermalen Elementen um- 
wachsen. Ich glaube, dass ein einziger derartiger Fall — und es giebt ihrer viele — genügt, 
um die ganze Lehre Haeckels, samt Anhang, zu widerlegen. Denselben Wert, wie im genannten 
Falle die Divergenz in der Organogenie verwandter Formen, besitzt gastrale Convergenz in der Ent- 
wickelung heterogenster Formen. Vergleicht man die Gastrulastadien von Amphioxus und Phoronis, so 
würde man in Versuchung kommen, die Keime als zu einer einheitlichen systematischen Gruppe ge- 
hörig zu erklären. Molluskenkeime hingegen, wie Dentalium, Chiton, Patella, Aplysia, Physa oder Teredo 
weisen ausserordentliche morphologische Differenzen auf, obschon bei ihnen die Darmbildung von 
Invaginationsprozessen begleitet wird. Diese Invaginationsprozesse haben jedoch bei jeder der ge- 
nannten Formen einen besonderen Charakter. Bei Aplysia z. B. enthält eine einschichtige ektodermale 
Halbsphäre zwei gewaltige Dotterkugeln und an einer Seite neben denselben eine entodermale Epithel- 
schicht, die am äusseren Rande mit dem Ektoblast zusammenhängt; das Gastrocoel wäre zwischen der 
Entoblastlamelle und den Dotterkugeln zu suchen und morphologisch würde uns dieser Keim den 
merkwürdigen Fall einer durch Epibolie entstehenden embolischen Gastrula illustrieren. Bei Teredo geht 
Invagination vor sich, sie betrifft aber lediglich ektodermale Zellen, die trotz dem Eingestülptwerden 
ektodermal bleiben; der Entoblast persistiert in Form einer runden, ungefurchten Dotterkugel, welche 
die Mitte des Keimes einnimmt. Erst nachher umgiebt sie sich mit kleinen Zellen, die in Form eines 
einschichtigen Epithels die Wand des künftigen Darmes zu bilden haben. Morphologisch und morpho- 
genetisch sind somit die Darmanlagen von Aplysia, Teredo, Physa, nicht im Sinne der Homologie ver- 
gleichbar; sie sind es indessen physiologisch. Und wir gehen nicht zu weit, wenn wir sagen, dass die 
Dotterelemente z. B. der Insekten und mancher Dendrocoelen einander entwickelungsgeschichtlich ent- 
sprechen. Ebenso ist die erste organologische Anlage bei Astacus und Leander, ihre sogenannte Gastral- 
einstülpung, gar nicht monotypisch; die Pseudo-Invagination bei Leander und die pseudogastrale Epibolie 
bei Polycladen stehen sich morphogenetisch ziemlich nahe. Die Prostomialgegend bei Chaetognathen 
und bei Leptocardiern sind total verschiedene Bildungen, trotz der morphologischen Ähnlichkeit der 


0 


Keime; monotypisch ist der Blastoporus der Leptocardier und der Tunicaten, namentlich in Bezug auf 
sein späteres Schicksal, obwohl die Keime dieser Tiere so gut morphologisch als physiologisch geradezu 
diametrale Gegensätze darstellen. Begrifflich lässt sich eben vieles durch einen gemeinsamen Nenner 
ausdrücken. Diesbezügliche Verwendbarkeit kommt auch dem Gastrulabegriffe zu; sein phylogenetisch 
betrachteter Ordnungswert ist nichtsdestoweniger gleich Null. 

Wenn ich sage, der embolische Entwickelungsmodus sei durch Vergrösserung der Dottergift 
des Keimes unterdrückt worden, so wird mir diese Hypostasie des Geschehens zu keinem Vorteil aus- 
schlagen, insofern sie mir nicht erklärt, warum und woher nach sekundärem Schwund jener störenden 
Gift eine Morula am Anfange der Ontogenese zur Ausbildung gelangt. Wo bleiben die mechanischen 
Erklärungsprinzipien zurück? Bei Apterygoten bleibt nach Verbrauch des massiven in den Entoblast- 
zellen abgelagerten Deutoplasma eine einfache Epithelwand als Mitteldarm zurück. 

Der Metazoenkörper lässt sich weder in seinem Bau noch seiner Entwickelung nach 
auf die Grundform der Gastrula zurückführen. Zu diesem Ergebnis sind wir nicht — oder 
wenigstens nicht hauptsächlich — durch theoretische Erwägungen und Begriffsanalyse, sondern auf 
Grund morphogenetischer Untersuchung und Vergleichung gekommen; unsere Methode war die der 
Gastraealehre selbst. Ihre Unzulänglichkeit und ihr methodologischer Unwert zeigt sich übrigens in 
besonders grellem Licht in der vollständigen Erfolglosigkeit phylogenetischer Forschung überhaupt. 
Wenn man irgend ein modernes zoologisches Compendium aufschlägt, um sich über phylogenetische 
Probleme zu orientieren, findet man ein bescheidenes Häuflein von Vermutungen und, je neueren 
Datums das Werk ist, um so sicherer enthält es das Zugeständnis thatsächlicher Unwissenheit. 

Die Prinzipien aller jener Hypothesen, wie der Haeckels, Claus’, BütschlisoderRay Lankesters, 
die wir in der Rubrik einer „morphologischen Phylogenie‘“ zusammenfassen können, sind von ent- 
wickelungsgeschichtlichen Entdeckungen neuerer Zeit schon längst überflügelt worden. Die Gastraea- 
hypothese ist — wie auch die anderen — zweifelsohne als Induktionsschluss entstanden. Der be- 
treffende Schluss wurde zu einer Zeit gezogen, wo die Thatsachen der Entwickelung erst in geringer 
Zahl bekannt waren. Je spärlicher die Thatsachen irgend eines Wissensgebietes sind, desto leichter 
lässt sich induktiv ein allgemeiner Gedanke konstruieren, der die bekannt gewordenen Fälle samt den 
Lücken im Wissen zu erklären hat. Je vielseitiger sich unsere Kenntnisse mit dem Fortschritte der 
Forschung gestalten — unter Forschung verstehe ich hier direkte Beobachtung des morphogenetischen 
Naturgeschehens — desto weniger adaequat erscheint der induzierte Gedanke, desto schwieriger und 
weniger exakt wird die Erklärung. Ich sage nicht wie Driesch: „die Sache mit der Gastraea ist un- 
möglich ernst zu nehmen“. Sondern ich will damit sagen: Im Zunehmen der Kenntnisse leben 
sich die Hypothesen aus. Je rascher und vielseitiger die Beobachtung uns die Thatsachen des 
Naturgeschehens erschliesst, um so rascher überleben sich die Werke des Gedankens. Jede Theorie 
wird, infolge immer grösserer Einschränkung ihres Geltungsbereiches, d.i. des Gebietes 
ihrer Anwendbarkeit, zur Hypothese, jede Hypothese zur Fiktion. Selbst das, was seiner 
Zeit thatsächlich gross war und ergänzend wirkte, wird mit der Zeit nichtig. Es müssen neue Hypo- 
thesen und neue Theorien konstruiert werden; und weil sie, als Induktionsschlüsse, gewisser- 
massen Resultanten des jeweiligen Wissensgebietes sind, so müssen sie Hand in Hand 
mit den Fortschritten der Beobachtung Umwandlungen erfahren. Auf dem gegenwärtig er- 
rungenen Wissensstadium hat die Hypothese Haeckels ähnlichen Unwert, als wie wenn jemand die 
Tiere nach dem mehr kugeligen oder oblongen Typus ihrer Gestalt sichten und zusammenfassen wollte. 
Es wäre daher an der Zeit, die Lehre vom gastraealen Ursprung der Tiere einer gründlichen Umwand- 
lung zu unterziehen. 

Nicht derjenige vernichtet das Werk seiner Gedankenarbeit, der es selber fallen lässt, widerlegt 


und umformt, sondern der „Überzeugungstreue“. Haeckel, der so sehr überzeugungstreu ist, dass er 
Garbowski, Morphogenetische Studien. 13 


_ Aura 


sich zu dem in Anbetracht der angewandten Mühe grausamen Irrtum hinreissen liess, seine „Systematische 
Phylogenie“ zu schreiben, hat offenbar ein eigenes, altes Wort (2, S. XXIII) vergessen, dass er nichts 
Fertiges, sondern Werdendes (1866!) bieten will und dass nicht Selbstüberhebung, sondern stets un- 
umwundene Wahrheit den Fortschritt der Wissenschaft fördern kann. 

Jedes Sein wird nur durch sein Werden erkannt. Sicherlich. Aber die Sache mit der 
Gastraea ist nicht das Werden selbst, sondern sie ist ein Leitgedanke, der in das Werden hineininter- 
pretiert wurde; wie wir uns überzeugt haben, ohne methodologischen Wert und ohne Erfolg. 

Dass wir dabei unparteiisch vorgegangen sind, dies beweist schon die eine Thatsache, dass 
unser Urteil über die der Haeckelschen angeblich entgegengesetzte Blastaeahypothese von Claus 
ebenso ausgefallen ist. Wie einst die Typenlehre Cuviers und die Lehre Baers waren, und tüchtig 
waren, und neueren Gedanken weichen mussten, ebenso muss heute auch die Gastraealehre weichen 
und durch Exakteres ersetzt werden. Wir möchten nicht einer geistlosen Kurzsichtigkeit geziehen 
werden. Es ist nicht Mangel an zusammenfassender Einsicht, der uns hindert, die Entwickelungs- 
mannigfaltigkeit im gastraealen Schema einheitlich zu begreifen. Wir haben auch nicht absichtlich 
Fälle ausgesucht, die in das Schema ausnahmsweise nicht passen. Wir haben vielmehr das ganze Ge- 
biet unserer Wissenschaft vergeblich durchsucht, um einen Fall zu finden, der uns die Richtigkeit des 
Schemas erweisen würde. Wir anerkennen auch kombinatorische Kunstbegriffe, aber nur unter der Be- 
dingung, dass sie leistungsfähig sind. Phrasen und Tautologien haben nicht die Macht, über ein zer- 
klüftetes Thatsachengebiet, von Extrem zu Extrem, Brücken zu schlagen. 

Wenn ich an Stelle der Gastraealehre meine Gegenlehre auf das Prinzip der Schizocoelie oder 
der Epibolie stützen würde, so wäre ich im Stande, ebenso ungezwungen, wie Haeckel auf Embolie, 
alle ontogenetischen Erscheinungen auf den herausgegriffenen Typus als gemeinsamen Ursprung zurück- 
zuführen. Mit dem gleichen Rechte, wie es mit der Doppelglocke der Gastraea gemacht wurde, könnte 
man, an Salinella anknüpfend, eine „Walzentheorie‘ aufstellen; jedes Tier sei ursprünglich eine Epithel- 
walze mit zwei Öffnungen, wie Salinella; durch Delamination würden weitere Walzen in der ersten 
entstehen; je mehr ineinander geschobener Walzen ein Organismus aufweist, desto jünger und voll- 
kommener ist seine Art. Die zuerst abgespaltene Walze würde stets das Entoderm liefern und die älteste 
sein von allen. Entwickelungsstadien, bei denen die Anlage des Darmes und der Organe durch Ein- 
stülpung, Furchung u. s. w. entsteht, wären durch Cenogenese herangezüchtet worden, und der Phylo- 
genetiker hätte Recht. Ebenso wäre eine Theorie konzentrischer Hohlkugeln etc. möglich. In der 
Möglichkeit, Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung solcher Hypothesen liegt implicite noch kein 
Vorwurf gegen die eine von ihnen. Es wäre vielleicht nützlich, alle solche Annahmen oder möglichst 
viele zu entwickeln und gegeneinander aufziehen zu lassen. Jede würde einen Bruchteil des positiven 
Nutzens enthalten, ebenso wie die Lehre von der Gastraea einstmals nützlich war, obgleich sie die 
ganze vergleichende Wissenschaft auf ein falsches Geleise gebracht hat, so dass das meiste davon, was 
in der Entwickelungsgeschichte in ihrem Banne geschaffen wurde, von Grund aus umgebaut werden 
muss.*) Nur höchst vereinzelte Thatsachen könnte man in ihren Rahmen in eindeutiger Wechsel- 
beziehung eingliedern. Geschichtlich besitzt die Gastraealehre ihre Verdienste, die auch der sogenannten 
Keimplasmatheorie Weismanns nicht abzusprechen sind, wenn auch die Weismannsche Fassung des 
Vererbungsproblemes ihre Rolle ebenfalls schon längst ausgespielt hat. Wir urteilen auch nicht so 
streng, wie es einst Kleinenberg gethan, als er sagte, an der Lehre Haeckels sei nur das gut, was 
sie von Huxley genommen hat, alles originale aber schlecht. Was Ursprünglichkeit und Tiefe an- 
belangt, bleibt sie natürlich hinter dem Huxleyschen Gedanken weit zurück; beruhte sie doch der 


*) Nicht ohne Interesse ist es, in populäre und kurze Lehrbücher und Repetitorien einen Blick zu werfen, um zu erfahren, wie die 
Vox populi die Errungenschaften der Gastraealehre behandelt und zum „Gemeingut der Wissenschaft‘‘ macht; Beispiel: Michaelis (1). 


>, ‚0908 


Hauptsache nach auf glänzender Ausbeutung und weiterem Ausbau bereits gegebener Ideen. Es darf 
aber anderseits nicht vergessen werden, dass auch der Gedanke Huxleys, die beiden Körperepithelien 
der Coelenteraten mit den Keimschichten der Wirbeltiere zu vergleichen, auf einem Boden erwachsen 
ist, der durch C. F. Wolff und C. E. Baer in trefflicher Weise vorbereitet dalag. Der Hauptvorwurf, 
den Kleinenberg gegen die Gastraealehre erhoben hat, ist, der Begriff der Gastrula sei eben nichts 
weiter als ein Schema. Unsere Meinung ist es durchaus nicht, dass Schemen, besonders monotypische 
Schemen, der Wissenschaft schaden. Nur muss auch das Schema, wie jede Theorie, klar gefasst und 
zeitgemäss sein; je mehr und deutlicher es den Charakter einer blossen Vorstellung trägt, um so besser. 
Ein veraltetes Schema wird indessen zu einem unklaren Begriffe, zu einer vagen Vorstellung, die zu 
Fälschungen führt, wenn man ihr die Thatsachen anpassen will. Ein veraltetes Schema hat jedoch 
einen zweiten und wichtigeren Nachteil; denn eine Fälschung lässt sich zu jeder Zeit durch exakte 
Beobachtung korrigieren, dieses aber führt zu einer erkenntnistheoretischen Seichtigkeit, deren schäd- 
liche Folgen schwer gutzumachen sind und lange nachwirken; man hat sich ja wirklich daran gewöhnt, 
Palingenese und Cenogenese als Erklärungsprinzipien zu behandeln und zu glauben, in ihrem Wechsel, 
spiel sei die Erklärung gegeben. Wir haben im Vorstehenden bereits nachgewiesen, dass diesem 
zusammengekoppelten Prinzipienpaar alles lösbar ist; mit Hilfe ihrer zahlreichen Folgehypothesen, wie 
der Retorsion, der Heterochronie, der Heterotopie u. dgl. erklären sie jede morphogenetische Kom- 
bination, ähnlich wie die Weismannsche Vererbungstheorie jeden Fall von Vererbung oder Nicht- 
vererbung „erklärt“. Und wenn der Gastraeatheorie infolge dessen jede Beobachtung, jede Dar- 
stellung oder Auffassung morphogenetischer Prozesse in gleichem Masse gut ist, woran sollen wir 
uns dann halten, um aus der gleichmässigen Menge die Goldkörnchen der Wahrheit herauszulesen? 
Da liegt eben der Grund, warum die Theorie unbrauchbar ist. 

Haeckel irrte als er vor langen Jahren vorhersagte, zu seiner Theorie werde sich in späterer 
Zeit jeder Zoologe bekennen müssen, da ihm sonst nichts anderes übrig bleiben würde, als die Einzel- 
thatsachen der Morphogenie „teleologisch (!) zu bewundern“ Gegenwärtig ist Haeckel ein zu 
geübter Denker geworden, um nicht selbst zu gestehen,*) das Gesamtergebnis seiner Theorie trage 
„noch durchweg den Charakter subjektiven Geschichtsbildes“. In Betreff der teleologischen Welt- 
anschauung haben wir unsere eigenen Ansichten, die wir in diesen Studien nicht auseinanderzusetzen 
brauchen, da sie Gegenstand rein philosophischer, namentlich erkenntnistheoretischer Untersuchung sind. 
Was die Lehre und das biogenetische Grundgesetz, wie es aus den Gastrulationsvorgängen bei Metazoen 
herauszulesen ist, anbelangt, sind wir zu einem Urteile gelangt, welches nicht mehr Ansichtssache ist, 
sondern die Wahrheit selbst. Von der Gastrulahypothese bleibt eben nichts als das Wort „Gastrula“ 
übrig, und dieses möge — wie Driesch (3. S. 174) |vorschlägt — der Bequemlichkeit halber bei- 
behalten werden. 

— Eine negative Thatsache verringert die Zahl der möglichen Hypothesen und dadurch die 
Möglichkeit eines Irrtums in weiteren Forschungen. 


*) Haeckel, 14, Vorrede zum ersten Teil. 1895. 


13* 


Ventes Kane, 


Zur Analyse des Keimblattbegriffes. 


VII. Abschnitt. 
Zur Charakteristik der Primordialorgane. 


Es ist unter Embryologen der irrtümliche Glaube verbreitet, dass die Lehre von der Homologie 
der Keimblätter mit der Gastraealehre steht und fällt. Dieser Glaube hat sich vielleicht deswegen 
verbreitet, weil Haeckel selbst hervorzuheben pflegt, der wesentliche Inhalt seiner Theorie beruhe auf 
der Annahme einer „wahren Homologie der primitiven Darmanlage und der beiden primären Keimblätter 
bei allen Tieren, mit Ausnahme der Protozoen.“*) Dem ist nicht so. Diese beiden Lehren hängen 
nur genetisch zusammen, insofern die Gastraealehre als blosse Paraphrase des Gedankens von der 
Homologie der Schichten entstanden ist und insofern dieser Gedanke unter Rückwirkung des äusseren 
Erfolges jener Lehre nach und nach als die sog. Keimblättertheorie entwickelt wurde. Das wahre gegen- 
seitige Verhältnis beider Theorien bringt es mit sich, dass trotz der Zurückweisung der Gastraealehre 
eine Homologie der Keimschichten weiterhin angenommen werden kann. Wahrscheinlich nicht umge- 
kehrt; aber nur wahrscheinlich. 


Im Nachstehenden wollen wir uns überzeugen, ob sich die Körperschichten wirklich homologisieren 
lassen. Die Zahl der Beweise für ihre Homologie ist mit der Zeit geradezu unabsehbar geworden. 
Diese Beweise hier anzuführen, hiesse so viel, als die Ergebnisse der zoologischen Forschung der nach- 
darwinschen Periode in ihrer Gesamtheit erörtern zu wollen. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, ein 
derartiges, historisches Bild hier zu entfalten, zumal eine allgemeine Übersicht bereits von Balfour und 
neuerlich von Braem (1) gegeben wurde und es sich uns hier nur um die Richtigkeit des Leitgedankens 
handelt, dessen Anfänge, von Huxley abgesehen, auf Ray Lankester und Kowalewsky zurückgehen. 

Es giebt vornehmlich zwei Körperschichten, die bei sämtlichen Metazoen auftreten und einander 
homolog sein sollen, das äussere Gewebe (Hautsinnesblatt) und das innere (Darmdrüsenblatt). Auf diese 
zwei wollen wir uns denn auch vorläufig beschränken. Ihre unvermeidliche Anwesenheit und ihre 
Giltigkeit wurde in formal zweifellos korrekter Weise von den Prinzipien des biogenetischen Grundge- 
setzes abgeleitet. Setzt man voraus, dass die Metazoen monophyletisch sind und dass sie morphogenetisch 
stets das Urstadium der Blastaea zu wiederholen haben, so muss man auch das Blastoderm, aus dem der 
junge Keim besteht, bei sämtlichen Gruppen für homolog erklären. Dasselbe ist überall homolog als 
das erste Organ des Keimes und das Primordialorgan der bewimperten Dlastaea (vgl. Haeckel, 6, 


*) Vgl. E. Ray Lankester, On the primitive cell-layers of the embryo as the basis of genealogical classification of animals, and on 
the origin of v. and ]. systems. — Annals and Mag. of nat. hist. Vol. XI, 1873. 


— 101 — 


p. 195, 426 u. a. a. O.). Das nämliche gilt vom Stadium der Gastraea. Es kommen hier zwei Primordial- 
organe zur Differenzierung, zwei verschiedene Blastophylle, wie sie Haeckel (8) nennt: das Pro- 
tegumentum und der Progaster*); zum letzteren gehörig, auch das Prostomum. Diese drei Begriffe, 
Urhaut, Urdarm und Urmund sind die Hauptpfeiler, auf die sich die vergleichende Forschung zu stützen 
pflegt. Im Speziellen ist die betreffende Nomenklatur etwas schwankend. Die Hertwigs nennen das 
äussere Epithel im Gastrulastadium Ektoblast, das innere Entoblast, als definitive Organe Ektoderm und 
Entoderm; Meönikoff unterscheidet sie als Kino- und Phagocytoblast; A. Thomson nennt sie nach 
erfolgter Abgabe des Mesoderms Epi- und Hypoblast. Oft werden sie in der Gastrula als das primäre, 
nach erfolgter Sonderung von Organanlagen als das sekundäre Ekto-, beziehungsweise Entoderm be- 
zeichnet. Hjort (2) betrachtet als Entoderm den eingestülpten Teil des Blastoderms; Lwoff (3, p. 44) 
thut dasselbe aber nicht deshalb, weil diese Partie eingestülpt wurde, sondern weil sie den Darm zu 
bilden hat. Jedenfalls sind es primordiale, heredive Organe und als solche besitzen sie ihre histo- 
logisch-morphologische und physiologische Charakteristik; das exodermale Epithel besitzt die 
Bedeutung des einfachsten Sinnesorganes — daher die Bezeichnung Remaks „Sinnesblatt“ — das 
endodermale ist ein Verdauungsorgan. Beide sind dazu bestimmt, gewisse Sorten von stets spezialisier- 
teren Organen, bis zu den imaginalen, ultimären, als Derivate zu liefern, weshalb sie als homologe 
„Keimblätter“ aufzufassen sind: beide sind gleichwertige Derivate eines Vorkeimblattes, des Blastoderms. 
Als Epithelien erzeugen sie durch Abfaltung neue Epithelien, mit beschränkter Prospektivität, als 
einzelne Organanlagen. Nicht epitheliale Gebilde sind folglich cenogenetische Erscheinungen und, 
nach Haeckel, als adaptive Apothelien von Epithelien zu sondern. Als Keimblätter besitzen der 
Ekto- und Entoblast auch einen eminenten, ja, den obersten klassifikatorischen Wert, und 
zwar notwendigerweise nicht nur kistogenetisch, organogenetisch und physiogenetisch 
für die Ontogenie, sondern auch für die Phylogenie. 


Um den Gegenstand übersichtlicher zu machen und unseren Gedankengang klarer zu gestalten, 
sehen wir vorläufig von dem mittleren, dritten „Keimblatte‘“, dem Mesoblast, ab. Obwohl allgemein an- 
erkannt und angenommen — unter Lehrbüchern wird man vielleicht nur in Berghs Embryologie nach 
einer „Mesodermtheorie“ vergeblich suchen — hat dieser Begriff jedoch nie den vollen Wert der ersteren 
zu erreichen vermocht. Seine Einheitlichkeit hat seit jeher unter dem histologisch und phylogenetisch 
üblichen Gegensatze von Mesenchym und epithelialem Mesoderm zu leiden gehabt. Es waren auch längst 
Fälle bekannt, dass ein ultimäres Organ nicht nur aus mesenchymalen und mesodermalen Elementen, 
sondern auch aus Derivaten eines anderen Keimblattes besteht, wie z. B. die Zähne, an deren Bildung 
sich ausser Mesenchym auch noch das äussere Keimblatt beteiligt. Die Frage nach der Homologie der 
Mesodermanlagen ist so verwickelt, dass sie eine besondere Behandlung verlangt. Die nachfolgende 
Erörterung bezieht sich nur auf das äussere und innere Keimblatt. Es ist zu entscheiden, erstens ob 
sie sich als primordiale Organe auffassen lassen, deren Funktion stets die nämliche ist, zweitens ob sie 
in ihrem Bau und in ihrer Struktur einen bei sämtlichen Metazoengruppen einheitlichen Charakter auf- 
weisen, drittens ob ihr gegenseitiges Verhältnis, in Betreff ihrer Lage (morphologisch) und ihrer Ent- 
stehung (embryologisch), stets gleich bleibt, woraus sich als unmittelbare Schlussfolgerung auch die 
Homologie der von ihrer Natur abhängigen Körpergegenden, Räume und der Derivate derselben ergeben 
würde; beziehungsweise, ob die im Keime und bei der Imago der Metazoen auftretenden Organe, welche 
in der für die Primordialorgane postulierten Weise fungieren, auf eine im Sinne der Keimblätterlehre 
einheitliche Anlage zurückführbar sind, 


*) Obwohl der Name „Progaster“ schon im J. 1872 verwendet wurde, so ziehen wir doch den Ausdruck Ray Lankesters vom 
J. 1875 „Archenteron“ vor, da er breiter gefasst ist und die Bestimmung des benannten Gebildes keineswegs auf die Funktion eines Darmes 
beschränkt, 


Im Sinne der Keimblätterlehre hat namentlich Haeckel (14, p. 215) histogenetische Entwickelungs- 
bahnen ‘angegeben, von denen die Tierontogenie nicht abweichen soll. Für Vertebraten z. B. bildet 
nach ihm den Ausgangspunkt Amphioxus; die Genealogie seiner Gewebe soll für alle höheren Klassen gelten: 


im Blastulastadium . . . . . . . Blastoderm 
im Gastrulastadium: primäres Ektoderm primäres Entoderm 
bei Imago: sekundäres Ektoderm sekundäres Entoderm 


und der zwischen den beiden, aus dem den Urmund umgebenden Properistomialfellde hervorsprossende 
Mesoblast. Sollten sich die oben angeführten Thesen bewahrheiten, dann würde auch das Haeckelsche 
Schema — seine Richtigkeit für den Amphioxus selbst vorausgesetzt — den Vertebratenkreis thatsächlich 
charakterisieren. Unsere Untersuchungen über den Gastrulationsprozess haben uns genügend vor- 
bereitet, die gestellten Fragen ohne allzugrosse Weitwendigkeit des Beweismateriales zu beantworten. 


Um dem leicht möglichen Einwande, dass wir eine allgemeingiltige Norm durch Heranziehung 
von Ausnahmefällen beurteilen und verurteilen wollen, die Spitze abzubrechen, wollen wir der Reihe 
nach die Darmbildung und erste gewebliche Differenzierung bei den theoretisch wichtigsten Tierformen 
in aller Kürze durchnehmen, um auf diese einfachste Weise einen Überblick von entscheidender Be- 
deutung zu gewinnen. Vieles davon ist schon im vorigen Kapitel vorgebracht worden. 


So haben wir wohl noch die charakteristischen Entwickelungsvorgänge bei Spongien in Er- 
innerung. Wie verhalten sich bei ihnen die beiden Primordialorgane? In dem bestbekannten Falle der 
Sycandra tritt nach der Blastula das Stadium einer seichten embolischen Gastrula auf, deren beide Keim- 
blätter topisch, histologisch und — allem Anscheine nach - auch funktionell den korrespon- 
dierenden Stadien bei vielen anderen Tieren ziemlich genau entsprechen. Bald aber verändert sich die 
Endogastrula in eine Exogastrula und nach erfolgter Um-Embolierung übernimmt das bewimperte, ani- 
male Primordialorgan die Rolle eines Entoblasts, das vegetative die eines Ektoblasts. Daher die von 
Delage für Spongien in Vorschlag gebrachte Bezeichnung: Enantiodermata; daher auch der andere 
von Delage gemachte Vorschlag, die Keimblätter im Blastulastadium nicht nach ihrer Lage, sondern 
nach ihrer histologischen Beschaffenheit zu bestimmen; wir wissen aber, dass man seit Geoffroy 
de St. Hilaire auch das Umgekehrte zu sagen pflegt und für die Homologie der Organe ihre Lage 
und nicht ihren relativen Bau als entscheidend erklärt. Wir glauben aber, dass keiner von den beiden 
Standpunkten geeignet ist, uns zu der angestrebten Homologisierung zu verhelfen. Die Lageverhältnisse 
sind es sicherlich nicht, die uns eine solche ermöglichen würden. Bei Sycandra und Oscarella, bei Asconen 
und bei Ephydatia ist bekanntlich die Lage der Gewebsanlagen sehr verschieden; es kann auch keinem 
Zweifel unterliegen, dass eine massive Blastomerengruppe, die von einem Keimepithel epibolisch bedeckt 
wird oder gar lose, vielfach amöboide Zellen, die aus einem bewimperten Blastoderm in das Blastocoel 
hineinwandern, niemals für das äussere Primordialorgan bei ihren hypothetischen Ascendenten und in- 
direkten Descendenten gehalten werden können! Histologisch liesse sich das künftige Ektoderm eines 
Ascon oder eines Süsswasserschwammes noch weniger als solches definieren. Vor allem ist es kein 
Epithel. Aber auch kein einfaches Parenchym von der Bedeutung eines adaptiven, apothelialen Gebildes. 
Es sind einfach verschiedene durcheinandergemengte Zellsorten von verschiedenartigem Aussehen und 
verschiedenartiger Bestimmung. Nicht nur die Lage, nicht nur der Bau, sondern auch die Prospektivität 
der Gewebsarten lässt sich bei den Poriferen mit den Postulaten der Theorie nicht in Einklang bringen. 
Selbst wenn man zugeben würde, was gar nicht zuzugeben ist, dass nämlich bei den „enantiodermen‘‘ 
Poriferen die beiden Urorgane ihre Rolle einfach vertauschen, selbst dadurch würden wir die Sachlage 


— 108 — 


nicht retten. Wie neuere Untersuchungen ergaben, wird hier die Arbeitsteilung in wesentlich anderer 
und bei einzelnen Spongienarten durchaus nicht in der gleichen Weise durchgeführt. Oft ist die funktio- 
nelle Scheidung zwischen dem Ektoderm und dem künftigen sogenannten Mesoderm sehr früh vollzogen, 
amöboide skeletogene und künftige Deckzellen sind bereits im Parenchymulastadium deutlich gesondert; 
manchmal gelangen die anscheinend mesodermalen Zellen, nachdem sie ihre Rolle als Skeletoblasten 
ausgespielt haben, nachträglich an die Oberfläche des Schwammes und werden zum Hautepithel, wobei 
nicht zu vergessen ist, dass das in seiner ganzen Beschaffenheit durchaus primitive Deckepithel solcher 
Schwämme nach den landläufigen Begriffen der Phylogenie zum mindesten ein tertiär-adaptives Gebilde 
darstellen würde; manchmal findet aber das Entgegengesetzte statt und Zellen, die sich bereits zum 
imaginalen Ektoderm zusammengefügt haben, hören noch lange nicht auf, Spicula zu produzieren (Ascetta) 
oder behalten ihre Kontraktilitä. Dem gemäss lassen sich auch die durch die Verbindungslinien der 
beiden angeblichen Urblätter vorgezeichneten Prostomialringe und die von denselben gebildeten Räume 
mit den Verhältnissen bei anderen Organismen nicht vergleichen. Der Ephydatiakeim — um wenigstens 
ein Beispiel zu nennen — besitzt einen excentrisch gelegenen Hohlraum, der weder ein Blastocoel noch 
ein Gastrocoel ist und nach der Festsetzung der Larve verschwindet, worauf die definitiven Gastralräume 
und die Leibeshöhle aufs neue angelegt werden. Einzelne Forscher haben auch diesen Entwickelungs- 
thatsachen Rechnung getragen, und z. B. in Anbetracht des Umstandes. dass beim Süsswasserschwamm 
drei Hauptzellarten des fertigen Tieres unter allmählicher Verarbeitung des Dotters fast gleichzeitig zur 
Ausbildung gelangen, so dass man nicht zu sagen vermag, diese Blastomere wäre dem Ektoblast, jene 
dem Mesoblast u. s. w. zuzuzählen, hält es Maas (l, p. 534) nicht für angezeigt, bei Spongien von 
„wirklichen Keimblättern“‘ zu sprechen. Was sind aber „wirkliche Keimblätter“? Eine andere Bedeutung 
als die primordialer Organe können sie überhaupt nicht haben. Diese Organe weisen jedoch bei be- 
handelter Tiergruppe, selbst wenn man sich über die Unmöglichkeit einer phylogenetischen Umkrempe- 
lung hinwegsetzen würde, Eigenschaften auf, zu deren Verständnis offenbar ganz andere Gesichtspunkte 
der Vergleichung nötig sind, als die von der Keimblätterlehre gebotenen. 


Wenn wir zu der angeblich nächst höheren Coelenteratengruppe übergehen, so werden wir 
schon bei den primitivsten Hydrozoen Verhältnisse finden, die mit der postulierten Natur der Primordial- 
organe ebenfalls nicht vereinbar sind. Bei den niedersten Hydropolypen, bei Archhydren, werden vom 
Blastoderm der Blastula aus, ähnlich wie z. B. bei Asconen, multipolar lose Zellen in das Innere ab- 
gegeben, aus denen jedoch nicht die Hautschicht und das Mesoderm zu entstehen hat, sondern aus- 
schliesslich das definitive Darmentoderm.*) Dass dieses Zellmaterial durch Delamination gebildet wird, 
ist bemerkenswert, wenn auch nicht entscheidend. Ebenso interessiert uns weniger, dass der Entoblast 
das ganze Blastocoel erfüllt und dass es weder bei Hydra noch bei Tubularia ein Morulastadium giebt, 
wie das sterrogastrale Stadium von einigen Autoren irrtümlich ausgelegt wurde. Wichtig ist die Pro- 
spektivität und Funktion des äusseren Keimorganes. Nach aussen hin liefert es eine derbe Chitinschale 
und eine innere Keimhülle, wobei es kontinuierlich in die Schicht des definitiven Ektoderms übergeht. 
Der Ektoblast ist bei solchen Formen gewissermassen skelettbildend, das Produkt ist jedoch vergänglich 
und dient nur während des embryonalen Lebens. Während der beschriebene Vorgang bei Hydra von 
Brauer (1, p. 194) festgestellt wurde und die Darstellung Kleinenbergs (l) nur insofern abweicht, 
als der Ektoblast nach Bildung der Chitinschale als definitives Ektoderm regeneriert wird, hat Korotneff 
(1) bei einer anderen Spezies (Hydra aurantiaca) die hochbedeutende Entdeckung gemacht, dass das 
äussere Primordialorgan ohne Rest in der Bildung der Schutzhüllen aufgeht und dass das Epithel, 
welches als imaginale Haut fungiert, vom inneren Zellenkomplex abstammt. Würde es sich nicht um 


*) Vgl. A. Brauer (2), Conn (1), Hamann (1), Kleinenberg (1), Tiehomiroff (1) und Wilson (1); ansonst noch Claus(l). 


— 104 — 


eine Theorie wie die Keimblätterlehre handeln, von deren Prinzipien der ganze gedankliche Apparat der 
neueren Zoologie durchsetzt wird, so dass man verlernt hat, nach anderen Werten zu denken, so würden 
wir die Frage nach ihrer Richtigkeit und Brauchbarkeit mit dieser einen entwickelungsgeschichtlichen 
Thatsache als erledigt erachten; es könne durch die Kategorien der Keimblättertheorie unmöglich das 
Wichtige und Richtige, das für die Morphogenie Wesentliche hervorgehoben sein, wenn wir bei zwei 
so innig verwandten Organismen, wie zwei Arten des Süsswasserpolypen es sind, einen so tief ein- 
schneidenden Unterschied finden und festhalten müssen. Es möge sich ein Phylogenetiker unserer Zeit 
die Kategorien der Keimblätter wegdenken, sich vorstellen, er habe von jener Lehre nie etwas erfahren; 
würde er, wenn er die, was die thatsächlichen Vorgänge und Bilder anbelangt, sehr ähnliche Ent- 
wickelungsgeschichte der beiden Hydraarten studieren würde, sagen können, hier liege ein prinzipieller 
Unterschied vor? 

Es fällt denn auch — und zwar mit allem Recht — niemandem ein, zwischen der Gastralhöhle 
eines Hydropolypen und eines Scyphopolypen irgend welchen Gegensatz zu statuieren. Und doch, bei 
konsequentem Festhalten an morphologischen Kriterien liesse es sich nicht leugnen, dass die Darmhöhle, 
die in der Sterrogastrula von Hydra durch epitheliale Umordnung innerer Zellen zu Stande kommt, 
nicht dasselbe ist, wie das Gastrocoel des Anthozoenkeimes, wo die dotterhaltigen inneren Zellen 
allmählich verflüssigt und als Nahrung verarbeitet werden bis auf eine subektodermale Epithelschicht, 
die als definitive Darmwand persistiert. Selbst im Rahmen des Coelenteratenkreises würde man sich 
leicht überzeugen, dass die Entwickelung fast bei jeder Form bezüglich der Lage, Differenzierung und 
Bestimmung der Keimgewebe spezifische Eigentümlichkeiten aufzuweisen hat. 

Ähnliche, wenn auch wieder anders modifizierte Verhältnisse machen sich in der Ontogenie der 
Plathelminthen bemerkbar. Ist die Embolie schon in der Gruppe der Darmtiere, deren imaginale Orga- 
nisation schlagende Beweise für die Giltigkeit der Gastraeatheorie zu bieten scheint, eine seltene Er- 
scheinung, so ist sie bei niederen Würmern überhaupt nicht zu finden. Wie man auch den Begriff der 
Primordialorgane präzisieren und die Entstehung der Gewebe bei diesen Tieren darstellen würde, nie 
wird man sie der Theorie zuordnen können. 

Wenn von einer einzigen Polzelle aus Epibolie des Ektoblasts erfolgen kann, so ist es bei 
Trematoden der Fall. Auf diese Weise wird nämlich der Distomeenkeim von einem flachen Deckepithel 
umgeben. Ektoblast ist es indessen nicht, da es, wie bereits im 6. Abschnitt erwähnt wurde, nachher 
abgestossen wird. Dasselbe gilt von Cestoden. Nun aber liefert die Polzelle bei Botriocephalus rugosus 
eine zweite, innere Epithelialhülle, die sich ebenso wie die äussere bald in ein einschichtiges Syncytium 
verwandelt, von der ersteren jedoch durch ihre Wimperarmatur absticht. Beim Verlassen des Eies wird indessen 
auch diese Schicht abgestossen. Dies wäre jedenfalls noch nicht für eine unübersteigbare Schwierig- 
keit zu halten, wenn es bei sämtlichen Plathelminthen der Fall wäre. Man könnte nämlich sagen, jene 
erste und diese zweite Hülle wäre überhaupt kein Ektoblast; vielmehr sekundär erworbene Embryonal- 
hüllen, deren Sinn bei so primitiven Wesen allerdings kaum zu erraten sein würde. Nun aber wird die 
Annahme hinfällig, sobald man andere Platwürmer berücksichtigt. Bei Triaenophorus wird der innere 
Zellmantel zum definitiven Ektoderm; es persistiert also und erweist sich als ein echtes Keim- 
blatt genau derselbe Gewebsteil, der bei vielen Botriocephaliden und Distomeen ver- 
loren geht. Bei anderen Trematoden erfährt dieses Epithel eine apoplasmatische Umwandlung und 
wird zu einer ultimären Cuticula, deren Zellen unkenntlich werden; diese Cuticula vertritt die Stelle 
eines gewöhnlichen Ektoderms und ist der Triaenophorushaut homolog. Das darunter liegende Parenchym 
ist typischer Entoblast und zwar ein solcher, welcher mesodermale Organe, Muskelzellen und Gonaden 
zu liefern hat. Eine andere, nicht minder unüberwindliche Schwierigkeit bietet die bei einzelnen Formen 
beobachtete Abspaltung einer Epithelschicht, die an der Oberfläche der Entomerengruppe in späteren 
Entwickelungsstadien aufzutreten pflegt. Das differenzierte Epithel wäre ebenfalls einer Ektodermschicht 


— 15 — 


gleichzusetzen. Dann aber würde sich hier die Merkwürdigkeit ereignen, dass das Keimblatt, 
welches aus dem anderen durch Delamination entsteht, nicht das innere, sondern das 
äussere Primordialorgan sein würde, also gerade das Gegenteil davon, was für sämtliche 
Metazoen als Norm zu bezeichnen wäre.*) 

Das syneytial degenerierende Aussenepithel mancher in einem früheren Kapitel ausführlich be- 
handelten Mesozoen möge hier nur flüchtig erwähnt und die Schlussfolgerungen dem Leser selbst über- 
lassen werden. 


An Trematoden erinnern gewissermassen sowohl jene Nemertinen, welche das Stadium des 
typischen Pilidiums durchlaufen, als die mit der Desorschen Larve (Taf. VI, Fig. 16, 17). Bei den 
ersteren werden zwei Epithelschichten, bei den letzteren bloss eine abgeworfen. Bei 
Lineus lacteus sind es das ganze Ektoderm des Pilidiums und der Amnionsack, bei Lin. obscurus bloss 
die gesamte Larvenhaut. Inbetreffs des definitiven Ektoderms ist sehr hervorzuheben (was wie so vieles 
andere von uns Frörterte kaum irgendwo bemerkt und betont wurde), dass nämlich das Entoderm bei 
Pilidien durch epitheliale Einstülpung — in Form von vier Hautsäckchen am Prostomialfelde — angelegt 
wird, bei der Desorschen Larve durch eine Art von Delamination abgespalten wird. Wenn nun bei 
zwei Schnurwürmern, die einer und derselben Gattung angehören, ein so eminenter Körperteil wie das 
Ektoderm auf so verschiedene Weise angelegt werden darf, so wird der Unvoreingenommene bei Be- 
urteilung anderer Verhältnisse z. B. der Entstehungsweisen des Mesoderms aus Enteralsäckchen, aus 
subepithelialen Teloblasten u. s. w., wo man bekanntlich so unausgleichbare Gegensätze und decisive 
Vorkommnisse zu erkennen glaubt, aus diesem bescheidenen Beispiele wohl Nutzen zu ziehen verstehen. 
Um aber bei Nemertinen zu bleiben, müssen wir ferner bemerken, dass in beiden angeführten Fällen 
der abgestossene Gewebsteil auf nicht zu verkennende Weise aus einer regelrechten Amphiblastula 
seinen Ursprung nimmt und genau der ganzen oberen, animalen Hemisphäre derselben entspricht, 
folglich nichts anderes ist als das animale Primordialorgan. Diese Reflexion ist über die 
Köpfe der übrigen Leser hinweg an diejenigen gerichtet, die trotz allem mit unserer Argumentation 
bezüglich der provisorischen Epithelien bei Plathelminthen nicht einverstanden wären und die definitive 
Scheidung zwischen Ekto- und Entoblast auf einen späteren Zeitpunkt in der Entwickelung der Larven 
verschieben möchten! Bei den Schnurwürmern dürfte es nun nicht mehr anzuzweifeln sein, dass dem 
einen Primordialorgan das sonderbare Schicksal zu Teil wird, verloren zu gehen. Denn auch bei 
Schnurwürmern mit direkter Entwickelung wird nach Diecks Versicherung die bewimperte Larvalhaut 
nachträglich abgestreift. Zu beachten ist schliesslich nur der Umstand, dass das imaginale Hautepithel 
bei Lineus obscurus durch Delamination, bei L. lacteus durch Embolie aus dem abzustreifenden Larval- 
gewebe entsteht, während es bei gewissen Trematoden, wie erwähnt vom inneren Keimblatt abgespalten 
wird; für den Anhänger der Keimblätterlehre kein gering zu schätzender Unterschied. 


Schwierigkeiten giebt es für jene Theorie auch bei anderen Klassen der Würmer, beziehungs- 
weise der Vermidien. Um unsere Auseinandersetzung möglichst kurz zu fassen, wollen wir uns auf 


zwei Beispiele beschränken, Rotiferen und Chaetognathen. 


Bei Rädertieren ist es jedenfalls auffallend, dass die Sonderung zwischen drei Keimblättern, Ekto-, 
Ento- und Mesoblast, sich der Hauptsache nach weit früher vollzieht, als die Ausbildung der beiden 
Primordialorgane. Die Mesomeren, die sich vom dotterhaltigen Entodermmaterial genügend abheben, 
nehmen die Lage des Urmundes ein, woraus es sich ergiebt, dass bei aufgehobenem Zusammenhange 
zwischen dem sich erst spät furchenden Entoblast und dem epibolierenden Ektoblast überhaupt kein 
Urmund vorhanden sein kann; ist er ja doch nichts anderes als der als Grenze zwischen den beiden 


*) Vgl. noch insbesondere die Entwickelung von Miracidium. 


Garbowski, Morphogenetische Studien. S 14 


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Keimblättern vorbezeichnete Eingang in die Gastralhöhle, mag sie von vorne herein geöffnet sein — 
wie bei Anneliden und allen echten Gastrulastadien — oder vorläufig geschlossen bleiben. Hier ist 
davon keine Rede. Im späteren Stadium, wo der Embryo ventralwärts zusammengerollt erscheint, tritt 
eine bedeutende Verschiebung in der Lage der Mesomeren- und Entomerengruppe und es gelangt vom 
Ektoblast aus eine tiefe Einstülpung zur Entwickelung, welche den Vorderdarm (ektodermaler Natur) 
zu liefern hat. Das Mesoderm konzentriert sich in der Kopfgegend des späteren Wurmes, während der 
Entoblast noch immer nicht als das primordiale Darmorgan fungiert. Mit ihm, von der Mesomerengruppe 
weit entfernt, verbindet sich die Anlage der Gonaden. 

Die Entwickelung von Sagitta, so verschieden sie in der Wirklichkeit von den früher behandelten 
Organismen sein mag, weist dennoch gewisse Berührungspunkte mit Rotatorien auf. Erstens wird bei 
ihr der Darm als funktionsfähiges Organ ziemlich spät zur Entwickelung gebracht; zweitens wird anfäng- 
lich auch in diesem Falle das Entoderm vom Ektoderm durch die Gesamtanlage des Mesoderms ge- 
trennt (Taf. VI, Fig. 15). Die Hauptsache liegt darin, dass das embolierte Primordialorgan 
kein Entoblast, sondern Mesoblast ist, obwohl es regelrecht eingestülpt erscheint und aus einer. 
sehr typischen, vielleicht der eigentlichsten „Gastrula“ im ganzen Bereiche der tierischen 
Entwickelung hervorgegangen ist. Der ganze eingestülpte Epithelsack differenziert sich bilateral zu 
Peritonealsäcken der definitiven Leibeshöhle. Am Grunde des vermeintlichen Darmes liegt die ebenfalls 
bilaterale Anlage des zwitterigen Keimepithels. Erst nachher kommt oberhalb der Propagationszellen 
teils durch reges epitheliales Wachstum, teils durch Faltungsprozesse, als eine unpaare, axial orientierte 
Ausstülpung des Mesoblastsackes, der Darm zur Entwickelung. Für Sagitta ist demnach die von anderen 
verwandten Formen, besonders von dem mit ihr nur zu oft vollkommen grundlos in Parallele gestellten 
Amphioxus verschiedene Nacheinanderfolge der Entwickelung der Hauptgewebe charakteristisch. Infolge- 
dessen haben wir bei Sagitta, anstatt mit einer „Gastrula“ (geschweige denn „Archigastrula“!), mit einer 
Coelomula zu thun, deren beide Primitivorgane dem Ekto- und Mesoblast entsprechen; die vermeintliche 
Urmundöffnung des jugendlichen Keimes ist gar keine Mundöffnung, der vermeintliche Urdarm gar kein 
Darm und seine Wände kein Entoderm. Alle diese Thatsachen würden weit weniger unangenehm 
klingen, wenn wir von den willkürlich eingetragenen Kategorien der Keimblätter absähen; alsdann 
würden wir in der Thatsache der dem Darme vorauseilenden Leibeshöhlenanlage durchaus nichts Be- 
fremdendes erblicken; vielmehr eine in verschiedenen Gruppen aus Gründen, die zu erforschen sind, 
wiederkehrende Erscheinung. 

Überblickt man die ersten organogenetischen Vorgänge in dem grossen Kreise der Articulaten, 
so wird man namentlich in der Gruppe der Crustaceen und der Tracheaten sehr grosse Mannigfaltigkeit 
in der Anlage der Hauptorgane vorfinden und in dieser Mannigfaltigkeit so viele Parallelismen und ver- 
wandte Züge mit den bereits besprochenen Tierkreisen aufdecken, dass die Existenz von bedingenden 
Einflüssen, die den Verlauf der Entwickelung bei allen Formen bestimmen, geradezu evident wird. 
Diese fast unendlich variierende Mannigfaltigkeit bezieht sich auch hier sowohl auf das Zustandekommen 
der Keimblätter, auf ihre Selbständigkeit und gegenseitige Abgrenzung, als auf ihre prospektive Potenz 
und das Verlorengehen einer für ein Primitivorgan gehaltenen Gewebsanlage. Aus alledem ergeben 
sich offensichtliche Entwickelungsgesetze, die, unbekümmert um die Abstammung, hier Ähnlichkeiten 
verwischen, dort Gegensätze schaffen, zweifellos aber den Begriffen der homologisierenden Phylogenie 
nicht entsprechen und deutlich zeugen, dass der vergleichenden Morphologie auf Schritt und Tritt un- 
geheuere Missverständnisse und Fehlgriffe mit unterlaufen können. 

Es zeigt uns vor allem die Entwickelung meroblastischer Eier, dass die Kategorien der Keim- 
blätter und der Primordialorgane nicht reale Dinge, sondern hinzugedachte Begriffseinheiten sind. Beim 
Auswandern der membranlosen Blastomeren an die Oberfläche des Eies oder beim nachträglichen Ein- 


wandern eines Teiles derselben in verschiedenen Richtungen und zu verschiedenen Zwecken, zeigt es 


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sich, dass jede Blastomere wie eine selbständige Einheit agiert und dass die höheren morphologischen 
Einheiten, zu denen sie sich schliesslich zusammenordnen, weder ihrem begrifflichen Umfange 
(Prospektivität) noch ihrer Zahl nach einer herediven Einschränkung unterworfen sind. Im allgemeinen 
können wir sagen, dass das entodermale Urorgan weder im Gebiete der Articulaten selbst noch im 
Vergleiche zu anderen Tierkreisen auf eine einheitliche Anlage zurückführbar ist. Aus den Prinzipien 
der Blätterlehre würde es sich unter anderem ergeben, dass nach dem Vorbilde der Plathelminthen, die 
meisten Insektenkörper nur aus einer Hälfte des Gastrulakeimes gebildet werden, und in diesem Sinne 
werden auch diese Verhältnisse interpretiert. In der einen Insektenordnung, bei Collembolen mit totaler 
und äqualer Furchung nimmt der Entoblastkern, eine Zellgruppe, die Mitte des Keimes ein und wird vom Ekto- 
blast durch eine Dotterschicht abgegrenzt. Die Anlage gewinnt nach und nach an Lumen, ähnlich wie wir 
es bei vielen Coelenteraten sehen, und wird zum Mitteldarm. Die physiologische und organogenetische 
Bedeutung des Dotters entspricht hier jenem der Trematoden. Er wird aufgebraucht. Bei der nahe 
stehenden Gruppe der Tysanuren ändert sich die Rolle des Dotters. Bei Campodea schliessen sich 
sämtliche Dotterzellen zu einem Darmepithel zusammen und entsprechen infolgedessen in ihrer Gesamt- 
heit dem definitiven Entoderm. Bei Lepisma wird der Darm multipolar angelegt und geht aus Bildungs- 
‘ zentren hervor, die aus einzelnen nach Verbrauch ihres Deutoplasmas sich rege teilenden Dotterzellen 
entstehen; der übrige Teil wird verbraucht. Bei Myriopoden wird der Darm ebenfalls multipolar an- 
gelegt und auch bei ihnen bilden die künftigen Entomeren und die Nährzellen anfänglich eine ein- 
heitliche Anlage. Bei höheren Hexapoden entsteht der assimilierende Darm, wie bereits Kowalewski 
und Heider festgestellt haben, bipolar. Neuere Untersuchungen ergaben, dass er aus den ektodermalen 
Einstülpungen des Stomodaeums und Proctodaeums hervorwuchert, während das ganze Nährzellen- 
material, also das Primordialorgan anderer Insekten zu Grunde geht. Heymons, dem die Fortschritte 
in der Embryologie der Tracheaten grösstenteils zu verdanken sind, kommt nun in der That, in An- 
betracht der entodermalen Prospektivität der Dotterzellen bei vielen niederen Insekten, zu der Über- 
zeugung, dass die meisten Pterygogeneen ihren Entoblast verlieren und ektodermalen Darm besitzen 
(vgl. 5, p. 116). Dieses Ergebnis ist für die Keimblätterlehre verhängnisvoll, steht jedoch im Einklang 
mit dem, was wir z. B. bei manchen Asconen und Trematoden sehen; nur ist es dort das Entoderm, 
welches aus dem anderen Primordialorgane hervorgeht. Bezüglich der viel diskutierten ektodermalen 
Provenienz des Insektendarmes können wir übrigens die Bemerkung nicht unterdrücken, dass die 
Anhänger der morphologischen Homologienlehre, die bei Insekten unter grossen Schwierigkeiten nach 
Ausflüchten suchen, von latenten Entoblastherden und dgl. reden, sich das Spiel wesentlich erleichtern 
würden, wenn sie den Grund der darmbildenden Ektodermeinstülpung als Bildungscentren des Entoblasts 
auffassen würden; dadurch wären die Prinzipien gerettet und die Genese des inneren Blattes würde von 
der oft beobachteten multipolaren Einwanderung der Entomeren nur insofern abweichen, als die Ein- 
wanderung bipolar, im epithelialen Verbande und zu einem späteren Zeitpunkte vor sich geht. 

Bei Crustaceen verläuft der. Darmbildungsprozess auf sehr verschiedene Weise, obwohl man 
bekanntlich bestrebt war, auch hier alles auf das Schema der Gastrulation zurückzuführen. So wird 
z. B. die kleine Einstülpung auf der Keimscheibe des Flusskrebses als embolische Gastrulation beurteilt. 
Wenn die Wandung dieses Säckchens dem inneren Primordialorgane homolog sein soll, so erhebt sich 
die Frage, warum sie bei nächstverwandten Formen eine andere morphogenetische Bedeutung hat und 
warum sich die Ektodermvertiefung beim Keimstreif der Insekten so völlig anders verhält? Sind doch 
die Furchungsvorgänge bei niederen Insekten und niederen Crustaceen die gleichen und es würde 
kaum gelingen, zwischen der Furchung eines Apus und einer Macrotoma irgend welchen nennenswerten 
Unterschied ausfindig zu machen! Bei Leander, mit Mesoderm führenden „Urmundrändern“ verlieren 
die Entomeren nach Schluss des Blastoporus ihren epithelialen Charakter und begeben sich in das 


Innere des Keimes, kaum weniger unabhängig wie die Wanderzellen mancher Spongien, die in das 
14* 


— 18 — 


Innere anderer Blastomeren gelangen. Bei Schizopoden stammt das Darmepithel nach Bergh von der 
Zellplatte her, die als Bildungsstätte der Gonaden in Anspruch genommen wird. Nach J. Wagner 
sind lose hinzukommende Dotterzellen an der Bildung des Mesenterons und der Leberanhänge beteiligt. 
Bei Gammariden kommt die Entodermanlage nach Della Valle durch Delamination zu stande; ein 
dorsales Mesenterium, welches nach den Gebrüder Hertwig bei sämtlichen Arthropoden vorhanden 
sein soll und für die Einheitlichkeit der Organogenie sprechen dürfte, ist gar nicht vorhanden. Bei 
kleinen Entomostraken, wie bei Cladoceren, gehört das Entoderm hinwiederum der Oberfläche des 
Keimes an und erhält sich längere Zeit als ein leicht konkaves Scheibchen von hohen Zellen, welche 
tief in das Innere der Blastula hineinragen. Auch der Mesoblast ist zu jener Zeit als selbständige 
Anlage bereits gesondert. 

Aber auch in Bezug auf den Ektoblast ist die Bestimmung der Epithelien nicht immer die 
gleiche. Als Beispiel möge die Bildung von Embryonalhäuten bei Insekten genügen (Taf. VI, Fig. 26). 
Während bei apterygogeneen Anamniern das gesamte Blastoderm in das definitive Ektoderm des 
Insektes übergeht, erheben sich bei anderen in der Umgebung der Mesodermalrinne Falten, welche den 
Keimstreif in eine doppelte Epithelschicht einhüllen und vor dem Ausschlüpfen der Larve involviert werden. 

Man kann im allgemeinen sagen, dass je höher die Organisationsstufe einer Tiergruppe, desto 
grösser die Verwirrung in der Auffassung der Entwickelungsvorgänge, durch das Bestreben verursacht, 
dieselben einem unzulänglichen Schema anzupassen. Ihren Höhepunkt erreicht wohl die Meinungs- 
verschiedenheit bei Wirbeltieren. Einerseits handelt es sich um einen Ausgleich zwischen der Organo- 
genie des Amphioxus und der Vertebraten, anderseits um Ausdeutung des Furchungsprozesses bei mero- 
blastischen Eiern als diskoidale Gastrulation. Ohne uns bei der ersten Frage länger aufzuhalten, zumal 
wir bereits ausführlich nachgewiesen haben, dass die Darmeinstülpung des Amphioxuskeimes, als Anlage- 
komplex für so verschiedene Organe, wie die Rückensaite, der Darm, das Coelom, ja für die gesamten 
inneren Organe, keineswegs den Urtypus eines Primordialorganes darstellt, wie dies z. B. Samassa (4) 
annehmen möchte, wenden wir uns der Frage nach der Discogastrulation zu, um das Verhältnis der 
Primordialorgane der Vertebraten und sonstiger Tierkreise beurteilen zu können. 

Wenn es überhaupt einen Sinn haben soll diskoidale Furchungsarten unter den Begriff der 
Gastrulation zu subsumieren, so muss an der von Haeckel eingeschlagenen Gedankenrichtung unbe- 
dingt festgehalten werden. Man stelle sich eine Invaginationsgastrula vor, die durch fortwährendes Zu- 
nehmen des Dottergehaltes in der vegetativen Eihälfte zunächst ihr Gastrocoel zum Schwunde gebracht 
hat, nach und nach aber zu dem extremen Stadium einer lange Zeit ungefurchten soliden Dotterzelle 
gelangt ist, welche von den Ektomeren epibolisch umwachsen wird. Hierbei werden alle für eine 
Archigastrula geltenden Bezeichnungen für eine solche deformierte „Gastrula‘‘ behalten; ich selbst halte 
dies für formal korrekt, weil es mit dem Hintergedanken geschieht, dass wenn man diese Sterro-, Disco- 
gastrula oder wie sie heissen mag, ihrer Dotterbürde entledigen würde, an den betreffenden Stellen 
wieder ein Gastrocoel, ein Blastocoel, ein Prostomum u. dgl. zum Vorschein kämen; die Lagebeziehung 
aller dieser Teile bleibt nämlich im wesentlichen in einem dotterreichen Keime erhalten. Wenn wir 
indessen der vergleichenden Arbeit der Morphogenetiker näher zusehen, kommen wir sofort ganz un- 
logischen Inkonsequenzen auf die Spur. Wir betrachten eine Discogastrula eines Vertebraten und eines 
Mollusken (Sepia). Was ist an ihnen Ektoblast, was Entoblast? Einfache Überlegung wird uns sagen, 
dass die Keimscheibe mit ihren Mikromeren dem Aussenepithel, das ungefurchte Ei, als eine einzige, 
riesige Makromere, dem Innenepithel einer Gastrula gleichzusetzen ist. Der Rand der ersteren bedeutet 
den Urmund des eurystomen Gebildes; wäre der Dotter weniger reich, dann hätte sich das Ei, dem die 
Keimscheibe aufsitzt, geteilt, ein Lumen erhalten und mit dem Rande des enger werdenden Urmund- 
ringes in regelrechter Weise zusammenhängen. Bei Cephalopoden heisst es nun, dass die Ektoblast- 
scheibe am Rande einen Wall bekommt, mehrschichtig wird und dass die unteren Zellschichten allmählich 


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die ganze Scheibe unterminieren, wobei sie die mesodermalen Elemente und unmittelbar an der Ober- 
fläche des ungefurchten Eidotters — der Entomere — ein Epithel liefern, worauf sich die beiden An- 
lagen auch nach aussen und unten an der Oberfläche des Eies verbreiten und von dem nachwachsenden 
Ektoblast überholt werden. Das dem Dotter anliegende Epithel wird nun mit einem unteren Keimblatt, 
mit Entoblast in Parallele gestellt. Mit welchem Rechte? Korschelt und Heider sprechen hier direkt 
von Invagination, die von der Ektodermkappe ausgeht und ein mehrschichtiges Mesentoderm liefert. 
Diese Auffassung ist durchaus falsch. Stellen wir uns vor, dass wir dem Keime seine Dotterbürde ge- 
nommen und es ihm ermöglicht haben, die Gestalt der typischen Gastrula zurückzuerlangen. 
Wir würden alsdann bemerken, dass der Ektoblast am Urmundrande seinen Zusammenhang mit dem 
Archenteron gelockert und sich als einfache Falte zwischen den Entoblast und sich selbst, in das Blasto- 
coel hineingeschoben hat, bis schliesslich die Leibeshöhle durch zwei innere Zelllamellen in drei Teile 
zerlegt erscheint. Dass ein solcher Prozess mit dem Wesen der Gastrulation nichts gemeinsames haben 
kann, ist klar. Es wäre übrigens hinzuzufügen, dass das vermeintliche Homologon eines Primordial- 
organes, das Dotterepithel nach V. Faussek (1) zu Grunde geht und der Mitteldarm aus einem Meso- 
dermdivertikel entwickelt wird (Taf. VI. Fig. 27). Somit wären die Cephalopoden, wie die meisten 
_ pterygoten Insekten, entodermlose,lediglich aus Ekto- und Mesoderm gebaute Organismen. 
Nur Heymons schreckte vor dieser zwingenden Konsequenz nicht zurück. — Nicht erfreu- 
licher verhält sich die Sache bei Wirbeltieren. Die Sichelrinne, die als umgebogene Falte des Keim- 
scheibenepithels am hinteren Scheibenrande bei Selachiern entsteht, wird als Gastroporus bezeichnet 
und mit einer Invaginationsgastrulation homologisiert. Dabei wird ebenfalls vergessen, dass die (In- 
vaginations-)Gastrula bereits da ist und dass die Falte gar nicht in ein Darmlumen, sondern in die 
Leibeshöhle des Keimes gelangt, dessen Prostomum in dem ganzen Scheibenrande — dem Lecithoporus 
Hatscheks, einschliesslich der abgehobenen und nach innen eingefalteten Stelle, gegeben ist. Ich 
selbst habe zu wenig Acanthiasscheiben geschnitten, um endgiltig feststellen zu können, ob sich der 
Vorgang stets so, wie es Lwoff behauptet, vollzieht; die Bilder, die ich erhalten, standen jedenfalls mit 
den Längsschnitten von Pristiuruskeimen, die in Lwoffs Hauptarbeit (4) zu finden sind, in gutem Ein- 
klang. Hätte er mit seiner „sekundären Einstülpung des Ektoderms‘“ Recht (vgl. Taf. VI, Fig. 28, 29), 
dann wäre der Gastroporus kein Urmund, sondern ein ektodermaler Canalis neurochordabs; der Entoblast 
liegt ja doch unter der Sichelrinne. Noch weniger zutreffend ist die allgemein übliche Deutung bei 
Vögelkeimen, wo sich die Primitivrinne mit dem Gastroporus nicht am Rande, sondern mitten auf der 
Scheibe befindet. Man hat hier zu der logisch ganz unerlaubten Annahme gegriffen, dass die Keim- 
scheibe sehr frühzeitig nach hinten (in der Gegend der sogen. Caudallappen) wächst und durch völlige 
Umwachsung seinen Zusammenhang mit dem Lecithoporus unterbindet; auf diese unbeweisbare Weise 
hat man auch in diesem Falle — unbekümmert um den völligen Mangel einer Lecithalraphe hinter der 
Sichelrinne — eine morphologische, an sich zweifellos unwichtige Erscheinung zu deuten versucht, die 
sich nicht anders als der Ausdruck einer phylogenetisch gefestigten. physiologischen Notwendigkeit be- 
greifen lassen wird. So viel kann als gesichert gelten, dass die durch einwärts einliegende Ektoderm- 
falte gebildete untere Keimschicht, die namentlich die Anlage der Chorda in sich enthält, eher den 
Charakter eines ektodermalen als entodermalen Gewebes trägt und zu der Darmbildung nur ganz lose 
Beziehungen haben kann. Auch das Mesoderm nimmt aus der unteren Gewebsplatte seinen Ursprung. 
Dadurch stimmt die Anlage des subektodermalen Keimgewebes bei Wirbeltieren und Cephalopoden 
gewissermassen überein, doch ist die Prospektivität desselben in beiden Fällen verschieden. Wie es zu 
erwarten ist, ist die Prospektivität jener Platte selbst bei Vertebraten nicht immer die gleiche. Nach 
Lwoff wird in der mehrschichtigen Keimscheibe der meisten meroblastischen Eier die Sonderung 
zwischen dem oberen und unteren Keimblatte vornehmlich dadurch bewerkstelligst, dass sich beim 
Hineinwachsen der besagten Falte das obere Epithel caudalwärts, das untere Zellmaterial dagegen nach 


— 110 — 


vorn zu verschieben hat, wodurch es zwischen der Ektodermplatte und der Chordaplatte zur Abspaltung 
kommen muss. Dadurch erklärt es sich auch, warum die lateral neben der Rückensaite liegenden 
Mesodermanlagen, zusammen mit der Platte cranialwärts vorwachsend, sich vorn am frühesten differen- 
zieren. Chorda und Mesoderm wären Derivate des äusseren Keimblattes. Lwoff stützt sich dabei auf 
die bei Amphioxus vorgefundenen und nicht ganz richtig aufgefassten Verhältnisse, und gerade sein 
sichtliches Bemühen, bei sämtlichen Wirbeltieren den nämlichen organogenetischen Typus zu finden, 
bildet den schwächsten und stark angreifbaren Punkt seiner interessanten Studien. Samassa hat den 
entscheidenden Versuch gemacht, die Abstammung der Chorda experimentell zu eruieren; nach Abtötung 
des vegetativen Keimteiles beim Froschembryo ist die Bildung des Embryos verhindert worden; jedoch 
nicht gänzlich, da z. B. eine Spur der Chorda dorsalis dennoch nachzuweisen war; sie dürfte folglich 
gemischten Ursprung haben. Damit stimmt die Angabe überein, dass das Ektoderm bei Siredon teilweise 
von den Makromeren geliefert wird. Dasselbe behauptet Lwoff von Selachiern, bei welchen keine 
scharfe Grenze zwischen der Dorsalplatte mit der Chorda und dem Ektoderm zu sehen ist; das letztere 
solle sich an der Chordabildung beteiligen, während die Chorda des Amphiosus reines Ektoderm dar- 
stellen soll.*) Die Untersuchungen A. Brauers (4) an Gymnophionen bestätigen der Hauptsache nach 
die Angaben Lwoffs; für ihn ist die ganze untere „Dorsalplatte“, samt Chorda, Mesoderm, woraus 
folgt, dass am Rande der Sichel, nicht wie am gastralen Prostomum Ektoderm mit Entoderm, sondern 
mit dem Mesoderm (als seinem Derivat) zusammenhängt und in keiner Beziehung zum Entoderm steht, 
welches sich über den Dotter von vorn nach hinten als einschichtige Epithellamelle verbreitet. Nach 
anderen Autoren sind auch entodermale Zellen in der unteren Platte nachzuweisen. Der Schluss davon 
wäre, dass die junge Keimscheibe vor der Einfaltung aus Blastomeren zusammengesetzt sein dürfte, die 
noch keinem Keimblatte angehören, indem sie in ihren Derivaten an allen möglichen Keimblättern 
partizipieren können. Von den Keimblättern des Frosches sagt OÖ. Schultze in verwandtem Sinne, dass 
sie „wie auf einen Schlag‘‘ entstehen. Dadurch sieht sich Samassa veranlasst, die teils animalen, teils 
vegetativen Furchungszellen des Frosches für Elemente zu halten, die mit den Keimblättern nicht 
homologisierbar sind. Die Entwickelung der Amphibien hält er auch keineswegs für Gastrulation. Wir 
möchten bei dieser Gelegenheit bemerken, dass die Invagination, die bei Anuren und z.B. bei Cyclostomen 
stattfindet, ein durchaus verschiedener Vorgang ist; bei diesen wird fast ausschliesslich das Ektoderm 
der animalen Keimhälfte in die Leibeshöhle eingestülpt, beim Frosch aber das Entoderm mit Dotter; 
es ist mithin selbstverständlich, dass der eingestülpte Sack in beiden Fällen aus verschiedenen Elementen 


zusammengesetzt ist und verschiedene morphogenetische Bedeutung hat. 


Der Entoblast ist nur bei Amphioxus ein reines Invaginationsgebilde. Bei anderen Gruppen 
werden bei seiner Bildung teils Delamination (Siredon), teils epibolische Prozesse ausgelöst. Bei den 
Säugern ist die Sache bis in die neueste Zeit nicht endgiltig aufgeklärt worden. Jedenfalls besitzen 
sie keine Gastrulation; bei der Annahme einer solchen würde man einen ähnlichen Irrtum begehen wie 
bei dem Begriffe der Diskogatrulation, mit dem einzigen Unterschied, dass sich hier ein zweiter Ento- 
blast in einen früheren einstülpen würde (Taf. VI, Fig. 33). Entodermale Keimlager sind bei Wirbel- 
tieren in wechselnder Weise verteilt. Bei Selachiern und Teleostiern soll das gesamte Entoblast vom 
Dotter („Periblastkerne“) geliefert werden und wäre prospektiv dem Nährdotter bei Apterygogeneen 
„homolog“.. Bei Amphibien stammt er grösstenteils vom Dotter her, teilweise gehört er jedoch den 
Ekto- beziehunsgweise den Mesomeren an. Bei anderen meroblastischen Eiern soll er wenigstens nach 
Lwoff an der Oberfläche des Dotters differenziert werden;**) derselbe Autor (3) hebt auch hervor, dass 


*) Die Verbindung der Chorda mit dem Darmentoderm wäre folglich eine sekundäre Erscheinung, 
**) Vgl], die verdienstlichen Abhandlungen von C. Koller, 1, 2 und die denselben entnommene Skizze Taf. VI, Fig. 30, die — wie 
die beiden vorhergehenden — einen mit dem Kopfende nach oben orientierten Medianschnitt darstellt. Am hinteren Ende sieht man im Durch- 


— 11 — 


man einen Teil des Ektoblasts bei Amnioten für den palingenetischen Entoblast zu halten pflegt, um 
dem postulierten Gastrulastadium Rechnung zu tragen, das echte darmbildende Entoderm hingegen als 
Paraderm oder cenogenetisches Entoderm beschreibt. 

Bei der Entwickelung der Wirbeltiere wiederholt sich dasselbe Schauspiel wie bei allen tierischen 
Organismen, die sich — im Gegensatze zur Pflanze — im Inneren komplizieren. Die Anlage der 
inneren Organe kann nicht anders vor sich gehen als durch Einstülpungsfalten der Keimesepithelien, 
durch lokale Zelldifferenzierungen und Delaminationen. Das Resultat dieser Vorgänge ist immer das 
nämliche, der angestammte Vertebratentypus; der Verlauf der Entwickelung richtet sich aber im einzelnen, 
in der Reihenfolge der Organbildung etc. nach den spezifischen, morphologischen und physiologischen, 
durch Vererbung gefestigten Eigenschaften und Bedürfnissen jeder einzelnen Form. Es herrscht 
darin selbstredend ein unerschütterliches Gesetz, eine Regelmässigkeit des biologischen Geschehens, 
welche das Furchungsmaterial je nach den Bedingungen der Entwickelung und den Prämissen seiner 
Vorgeschichte zur Mannigfaltigkeit zwingt; aber nicht das „biogenetische“ Gesetz, welches mit 
homologen Primordialorganen spielt und den werdenden Amnioten zuerst in einen Fisch, dann in eine 
Amphibie verwandelt, und alles lebende in den Irrkreis seiner Vergangenheit bannt. Ausser Oppel 
hat namentlich die Bestimmung der sogenannten Heterochronien in der Entwickelung der Säugetiere 
seitens Keibel zur richtigen Beurteilung der Haeckelschen Biogenese das meiste beigetragen. 


Wir haben bereits im vorhergehenden unser Augenmerk auf die organogenetische Bestimmung 
der Primordialorgane gerichtet, weil gerade in der prospektiven Potenz, wie wir erkannt haben, die 
wichtigsten Funktionen eines Primordialorganes gegeben sind. Unterschiede in der Prospektivität 
würden denn auch die betreffenden Gewebspartien am ehesten als einheitliche embryologische Werte 
abgrenzen. Es handelt sich einerseits um ultimäre Organe somatischer Natur, anderseits um die 
Lokalisierung der Propagationsgewebe, sei es echter Keimzellen, sei es knospungsfähiger Epithelien. 


Bezüglich der ersten Frage brauchen wir uns einfach auf früher Gesagtes zu berufen. Von den 
tiefststehenden Metazoen gehören die Trichoplaciden in die Reihe der Tiere mit entwickelten Primordial- 
organen, da bei ihnen die wichtigsten Lebensfunktionen kaum lokalisiert erscheinen; so die Bewegung 
und Empfindung. Bei Poriferen erinnern wir an die Skelettbildung, die — sonst vornehmlich eine 
Funktion innerer Gewebspartien — in den Zellen des bereits fertigen Deckepithels vor sich geht, wie 
z. B. bei Sycandra. Von besonderem Interesse sind Coelenteraten, namentlich Hydropolypen, diese 
stationär gewordenen „Gastrulae“. Der Polyp besteht aus einem Hautsinnesblatt und einem Darmblatt. 
Wenn wir bei Aydra in den Ektomeren zu gleicher Zeit Myoblasten erkennen, so ist dies wenig zu 
verwundern, weil der Organismus kein mesodermales Gewebe entwickelt. Wesentlich anders ist es 
jedoch mit den Nerven; die sollten ausschliesslich dem äusseren Epithel angehören. Und doch seit 
den berühmten Untersuchungen O. und R. Hertwigs an Aktinien wissen wir, dass auch das als Ver- 
dauungsorgan thätige Entoderm Nervenfasern differenziert, woraus folgt, dass jene Epithelien für den 
Organismus eine andere Bedeutung haben als die „typisch“ angelegten Keimblätter eines Gastrula- 
stadiums höherer Tiere. Bei Acanthocephaliden werden die Nerven überhaupt nicht mehr vom 
Ektoderm geliefert. Wir wählen noch als Beispiel die Malpighischen Gefässe der Tracheaten, die 
bekannntlich vom Ektoderm geliefert werden und als Divertikel am Proktodaeum entstehen. Es giebt 
aber Insekten z. B. unter den Apiden, wo sie als Einstülpung der Abdominalhaut angelegt werden, sich 


schnitt die in ein Mesodermlager eingesenkte Ektodermfalte, die mit der Darmbildung nichts zu schaffen hat. — Es möge hier nur gelegentlich 
erwähnt werden, dass Kopsch (5, vgl. auch 3) in einem theoretischen Aufsatze den „Blastoporus“ der Wirbeltiere mit dem — After der 
Anneliden „homologisiert“, 


— 112 — 


als Säckchen von der Hypodermis loslösen und nachträglich an ihrem anfänglich blinden Ende mit dem 
Ausführungsdarm verschmelzen. Das Beispiel ist instruktiv, weil es uns zeigt, dass das Unterscheiden 
eines primären Ektoblastes von einem sekundären Ektoderm ebenfalls nur künstliche 
Begriffe schafft; nach erfolgter Einstülpung des Proktodaeums pflegt man vom definitivem Entoderm 
zu sprechen, welches nichts weiter ist, als Hypodermis, Haut. Sobald es aber in geschlossenen Formen- 
gruppen im Bedarfsfalle auch noch Derivate des Darmes nachträglich liefern kann, so ist offenbar die 
Aktivierung der in den Keimblättern latenten Prospektivität nicht ein Ausdruck einer phylogenetischen 
Ausbildung der Organe, die in ihrer Nacheinanderfolge und Ordnung kaum leicht zu alterieren wäre, 
sondern, wie alles übrige, hängt sie von Spezialumständen und Spezialbedürfnissen ab. Ein weiterer 
Beleg hierfür wäre bei den Acarinen zu suchen, bei welchen anstatt der genannten Gefässe Coxaldrüsen 
als Ektodermaleinstülpung entstehen und die Rolle von Exkretionsorganen übernehmen (vgl. J. Wagner, 
3, und Lomann). Bei Skorpionen entsteht das Exkretionsorgan in Form von Malpighischen Gefässen 
gar aus dem definitiven Entoderm, als Ausstülpungen des Mitteldarmes, die vom Proktodaeum weit 
entfernt sind. Bei so hoch stehenden und in ihrer Organisation so spezialisierten Tieren, dass sie 
(Tracheaten) — „deswegen“, wie Przibram sagt — selbst die Regenerationsfähigkeit einbüssen, reicht 
die Prospektivität der Organe dennoch aus, um spezifisch funktionierende Organe als Neuanschaffungen 
hervorzubringen. Man hat vorgeschlagen,*) insbesondere das Entoderm nur dann bei verschiedenen 
Organismen zu homologisieren, wenn das gesamte Blatt nur das Mesenteron liefert. Wie viele solcher 
Organismen würde man aber finden? 

Was das Fortpflanzungsvermögen betrifft, so finden wir schon bei Coelenteraten grösste Mannig- 
faltigkeit. Es sind geradehin alle möglichen Fälle erschöpft. Denn die Propagationszellen ent- 
stehen entweder sehr früh, bevor von einer Sonderung der Keimblätter die Rede sein kann; oder ent- 
stehen sie aus dem Ektoderm, oder aus definitivem Entoderm oder aber aus beiden zugleich. Während 
Lang (1) und Weismann die Abstammung der Geschlechtszellen und die Knospung bei Coelenteraten 
auf das Ektoderm beschränken wollten, haben die neueren Untersuchungen Chuns die Unrichtigkeit 
dieser Annahme dargethan. Es hat sich sogar gezeigt, dass bei manchen Arten die Gonaden 
des $ im Entoderm, die des ? im Ektoderm zur Entwickelung gelangen. Es wurde ferner 
erwiesen, dass zwischen der Knospung und Gonadenbildung kein Zusammenhang besteht. Wie Chun (1) 
zutreffend ausführt, entbehrt die Hypothese der sogen. Sporogenesis Meönikoffs, die Knospen seien auf 
eine einzige Keimzelle zurückzuführen, jeder Begründung. Wie wenig die Knospung an irgend ein Keim- 
blatt gebunden ist und wie weite Grenzen ihr gezogen werden, zeigt sich am besten bei der Meduse Rhatkea 
octopunctata (Taf. VI, Fig. 5). Die abgebildete Tochterknospe besteht, wie bei Hydra, aus beiden Körper- 
epithelien und der Gefässlamelle des Muttertieres. Wie nun ein Interradialschnitt zeigt, birgt diese 
Knospe eine neue Generation von Enkelknospen, die rein ektodermalen Ursprungs sind. Das 
Hilfsannahmen, wie der Gedanke Braems, das Ektoderm der Rhatkea, stellt ähnlich wie bei Bryozoen, 
kein Keimblatt (d. h. Primordialorgan), sondern ein indifferenziertes Epithel dar, nicht stichhaltig sind, 
vor allem aber an den Thatsachen gar nichts ändern, ist einleuchtend. Jede von den zahlreichen neuen 
Untersuchungen über die Knospung bereitet der fleissig verteidigten Keimblätterlehre neue Schwierig- 
keiten; besonders bei Bryozoen und Ascidien. Die Fähigkeit gastraler Knospung führt Seeliger (4, 
p- 595) bei den ersteren auf bi- und polygastrale Formen von Echinodermen zurück; bei Bryozoen soll 
sie gewissermassen systemisiert worden sein. Wir halten die Parallele mit den Stachelhäutern für über- 
tlüssig. Die Knospungsfähigkeit ist eine selbstverständliche Ureigenschaft der lebenden Materie, wie 
Empfindlichkeit und Kontraktilität. Sie bedeutet kein Problem. Ein Problem würde dann be- 
stehen, wenn einem Gewebsteile diese Fähigkeit von Haus aus abgehen sollte. Ebenso 


*) Samassa. 


— 13 — 


verhält es sich mit der Organogenie in den Knospen. Hjort und Bonnevie (1) haben neulich 
gefunden, dass das Aussenepithel in den Knospen von Distaplia magna nur das definitive Haut- 
epithel, die innere, entodermale hingegen, unter anderem, das gesamte Nervensystem samt 
Derivaten liefert. Diese und ähnliche Ergebnisse haben schliesslich die Anhänger der Keimblätter- 
theorie genötigt — wie jüngst C. Heider, um nur einen der bedeutendsten Forscher zu nennen — auf 
die Anwendung der Lehre an Knospenbildungen zu verzichten und auf „ursprüngliche“ Morphogenien 
aus Eizellen zu beschränken. Als ob ein derartiger Verzicht erlaubt wäre und nicht den Verzicht auf 
die Lehre überhaupt in sich enthielte! 

Man sollte wirklich neugierig sein zu erfahren, wie die Organanlagen in einem Metazoenkeime 
vertreten und gruppiert sein sollten, dass es hiesse, sie entsprächen nicht den Prinzipien des verteidigten 
Theorems; zumal man liest, dass sich eine Musca ganz „typisch“ gastraeal entwickelt (Haeckel, 
Escherich). Wenn Empfindungsorgane ausgebildet werden sollen, so wäre es doch schwer möglich, 
ihre Anlagen in den Darm zu verlegen, oder ein höheres Tier mit Keim- und Verdauungsepithelien als 
Aussenschicht bedeckt sein lassen; sonst wäre es eben kein Tier, sondern Vertreter des Pflanzen- oder 
eines anderen Reiches. Jene Lehre müsste übrigens von ihrem Standpunkte aus alle die nicht wenigen 
Fälle, wo das Nervensystem vom Entoderm stammt, wo dasselbe mit ektodermalen Drüsen oder mit dem 
im ganzen Tierreiche sich wohl am einförmigsten bildenden Proktodaeum geschieht — wie nach 
Erlanger bei Tardigraden — oder gar wo das Tier thatsächlich seinen Darm nach aussen kehrt, wie 
die Asconen, als Beispiele krasser Anarchie anerkennen. Nichtsdestoweniger wird die Keimblätter- 
homologie in gastraealer Formulierung nach wie vor für ein erklärendes Prinzip gehalten. Eisig, dessen 
Urteil als Ausdruck der bedeutenden Mehrheit unsere besondere Beachtung verdient, sagt über Capitel- 
liden (1), bei denen ein provisorischer Darm zur Anlage gelangt, sodann rückgebildet und der definite 
aufs neue angelegt wird, solche Entwickelungsvorgänge seien nur am Leitfaden der Gastraeatheorie 
zu verstehen; in wieweit, ist um so weniger erfindlich, als Eisig anderseits keinen prinzipiellen Gegen- 
satz zwischen dem ektodermalen und dem entodermalen Ursprung eines Stomodaemus (z. B. bei A/lolobo- 
phora) erblickt und damit zweifellos das Richtige trifft. Es bleibt für uns unerfindlich, wie man die 
Darmanlagen als Primordialorgane homologisieren kann, wenn sich der Urmund schliesst oder bei dieser 
Form dem definitiven Munde, bei jener der Analöffnung entspricht! Delage unterscheidet phylo- 
genetische Adaptation von einer ontogenetischen*) und behauptet, Phylogenie schaffe Organe 
ohne Rücksicht auf Funktion, Ontogenie passe das von jener Gebildete einer entsprechenden Funktion 
an. Für uns steht es fest, dass, wie die @astraea in der Phylogenie, ebensowenig der Urdarm in der 
Ontogenie die in das Thatsächliche hineininterpretierte Bedeutung besitzen kann Ein phylo- 
genetisch gezüchtetes, ontogenetisch rekapituliertes Archenteron soll bei der funktio- 
nellen Anpassung derartig adaptiert werden, dass der Mund obliteriert und ebendaselbst 
vom Ektoderm aus ein Proktodaeum entsteht, welches, wahrscheinlich mit Hilfe irgend eines 
Tropismus, dem nunmehrigen Mesenteron zustrebt. Der Vorgang wird nicht im mindesten erklärt. Was 
für Streiche müsste da die Ontogenie im Laufe der Vergangenheit eines solchen Organismus der Phylo- 
genie gespielt haben! Wir lassen ein Beispiel folgen, Entwickelung von zwei Schnecken. Bei Paludina 
wird das Prostomum zum After, bei Zimax, nach Meisenheimer (gegen Kofoid) zur Mundöffnung. 
Was für unversöhnliche Gegensätze würden da in der Entwickelung zweier nahe ver- 
wandten Organismen bestehen! Die vermeintlichen Gegensätze reduzieren sich indessen 
auf ein Minimum und werden belanglos, sobald wir die Einstülpungsöffnung des dotter- 
haltisen mit der Darmprospektivität ausgestatteten Säckchens nicht als ein hoch- 
bedeutendes phylogenetisches Primordialorgan, nicht als Prostomum aufzufassen lernen, 


*) Worin ihm Driesch in neuester Zeit zu folgen scheint, wenigstens in der Hauptidee., 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 15 


— 114 — 


sondern einfach als das anerkennen was es für den Beobachter ist: die notwendige, bei 
sämtlichen In- und Exvaginationsprozessen in der Morphogenie wiederkehrende Ver- 
bindungsstelle zwischen dem diıfferenzierteren Organ und jenem minder differenzierten 
Teile des Keimes, aus welchem es entspringt. Der Darm bleibt hierbei, nach Owens Definition, 
„im Wechsel der Form und Funktion‘ dasselbe Organ. Der Darm bleibt in unserer Auffassung trotz 
der Owenschen Definition ein verschiedenes Organ z. B. in jenen Fällen, wo es einerseits extracellulär 
anderseits intracellulär (choanoflagellate Entodermzellen etc.) verdaut, möge der vergleichende Phylo- 
genetiker einen noch so strengen Parallelismus in der Morphogenie entdecken. Wir wissen aber auch, 
dass der tierische Organismus „totipotent“ ist und beide Verdauungsarten in seinen Lebenscyklus ein- 
schalten kann, je nach den physiologischen und sonstigen Bedürfnissen der Entwickelung. Wenn wir 
lernen wollen, die Entwickelungsgeschichte der Tiere zu vergleichen, so müssen wir vorerst nach den 
Ursachen suchen, die es bewirken, dass wir in den morphogenetischen Einfaltungen und Zellwande- 
rungen hier das eine, dort ein anderes System feststellen. Wir müssen zunächst die Zahl der Möglich- 
keiten zu verringern trachten. So lehrt uns die Erfahrung, dass es nicht die Lage ist, das gegenseitige 
Verhältnis, was die Zellen und Epithelien zu bestimmten Organen prädestiniert; auch der histologische 
Charakter nicht, weil der im Laufe der Entwickelung wechseln kann und gleiche Organe aus histologisch 
ungleichen Stoffen hervorgehen. Sie lehrt uns des weiteren, dass es müssig wäre dem einen oder dem 
anderen Entwickelungstypus im phylogenetischen Sinne einen Vorrang einräumen zu wollen. Haeckel 
räumte ihn dem Endothel ein (embolische Gastrula), Meönikoff der losen Zelleinwanderung — wir 
schlagen hier den Ausdruck Entenchym vor (Parenchymula) Meenikoff ging von Formen mit amöboiden 
Parenchym — wie die Protospongia haeckelii nach Saville Kent — aus und Kinoblast und Phagocyto- 
blast sind seine Primordialorgane, Wie ist jedoch das Parenchym einer einfachen Spongienlarve, einer 
Aplysina, deren Bau wir bereits bei anderer Gelegenheit erörtert haben? Unter ihrem bewimperten 
Aussenepithel giebt es runde Zellen, Amöben, Zellen mit Lamprogranula, einer Gallert u. s. w., aber 
kein einheitliches Gewebe. Verwandt ist die Auffassung von Gurwitsch, der sich viel mit meroblastischen 
Eiern befasste und passive Nährdotterzellen neben aktiven Wanderzellen beobachtete; für ihn sind die 
letzteren primär; die Invagination ist ein sekundäres Moment. Wir haben aus der Analyse einzelner 
Ontogenien erkannt, dass hier eine Reihe von unendlichen Modifikationen und Übergängen, deren Ver- 
ständnis nicht aus der Vergangenheit, sondern aus thätigem, formenden Leben zu holen ist. Warum 
gastruliert ein Froschdarm embolisch? weil er unter der Ektoblastkalotte liegt, oder weil die Invagination 
phyletisch den Vorrang hat und dem epibolierenden Ektoblast die Fähigkeit verleiht, das gewaltige 
Dottermaterial zu einem Gastralsacke einzustülpen? — — Wir wissen, dass das Zellmaterial, aus welchem 
der Darm des Tieres gebaut wird, kein selbständiges Primordialorgan, kein homologes Kejmblatt, kein 
Entoderm im Sinne Braems ist, weil in jener unendlichen Reihe seine Prospektivität unendlich variiert. 
Ein Gastralsack, welcher vor der Sonderung des Mesoderms entstanden ist, und ein Gastralsack, welcher 
erst dann angelegt wird, als schon fertige Muscheln und mächtige Schallendrüsen (Lamellibranchiaten) 
da sind, sind in unseren Augen nicht ein und dasselbe. Wir wissen alle diese feineren Unterschiede 
gut zu würdigen und doch verschwinden für uns die schwerwiegenden Gegensätze, die im Sinne der 
Keimblätterhomologie die neuere, detaillierte Forschung an den Tag gebracht hat. In der Darmbildung 
der Hexapoden vermögen wir keinen besonders überraschenden Zug zu finden, wie ihn Heymons 
zumal in erster Zeit nach seinen trefflichen Untersuchungen hervorkehren zu müssen glaubte. Wie wir 
eine unendliche Reihe von Übergängen zwischen den sogen. primären und sekundären Keimblättern 
konstatiert haben, ebenso wenig bleiben für uns die Kategorien der Keimblätter selbst erhalten. Wir 
kennen keine Metazoen — mit der einzigen Ausnahme von Salinella — die ein Keimblatt verlieren 
würden und nur aus reinem Ektoderm samt Derivaten, wie manche Insekten, oder Entoderm, wie die 
Hydra Korotneffs und manche Plattwürmer, bestünden. Die vermeintlichen Gegensätze, in welche jene 


— 15 — 


Organismen dadurch im Vergleiche zu ihren Blutsverwandten treten, sind für uns vielleicht geringfügiger 
als so mancher Unterschied, der vom üblichen Standpunkte ganz übersehen wird, weil er von den Be- 
griffen der Primordialorgane zufälligerweise gedeckt wird. Ein einziger Nachweis des Fehlens eines 
Keimblattes bei einer sonst nicht isolierten Form müsste indessen, wenn wir logisch urteilen wollen, 
die ganze Theorie über den Haufen werfen, und Eisig hat seine Worte sehr wenig durchdacht, wenn 
er sagt (1, p. 264), es störe ihn der Mangel eines Keimblattes bei diesem und jenem Tiere durchaus 
nicht. Was wird dann aus der Homologie? Wenn ich einer organisch chemischen Verbindung den 
Kohlenstoff entziehe, oder dem Wassermolekül ein Wasserstoffatom wegnehme, oder Eiweiss durch 
Eliminierung einer Atomgruppe zum Albuminoid mache, bleiben die verstümmelten Gebilde dasselbe, 
was die unversehrten sind? Mutatis mutandis gilt das für unseren Fall. 

Wenn es Driesch (2) gelingt zu zeigen, wie die Gewebe des Keimes einander vertreten und 
wie nach operativer Entfernung der Mikromeren eine Gastrula resultiert, so interessiert uns dabei vor 
allem das Wechselspiel der Beziehungen der Teile zum Ganzen, der Correlation und der Prospektivität, 
das Wesen der Selbstregulation. Was sich da umprägt, umformt, verlagert, sind nicht die Einheiten, 
mit welchen die Keimblätterlehre operiert, sondern die lebenden, aktiven und anpassungsfähigen Blasto- 
meren, Steinchen, welche das Mosaik eines Epithels zusammensetzen und im Bedarfsfalle ein neues 
Mosaik zu Stande zu bringen wissen. Wir vergessen nicht, dass der Organismus der Metazoen aus 
einer Association von Lebenseinheiten*) hervorgegangen ist und dass seine Entwickelung ein 
Problem der Arbeitsteilung ist. 

Um es noch kürzer zu fassen und unseren Standpunkt rein formal zu präzisieren, können wir 
sagen: unsere nächstliegende Aufgabe ist nicht nach dem „womit“, sondern nach dem „wie“ zu fragen. 


— Man will stets in Definitionen einzwängen, starr machen dasjenige, was seiner Natur nach 
keiner Einschränkung unterworfen ist, fortschreitet, lebt. — Es lässt sich, alles in allem, schwer begreifen, 
wie der Versuch gemacht werden konnte, nicht nur die Keimschichten, Ektoblast und Entoblast, sondern 
das Archenteron, das Gastrocoel an sich zu homologisieren! Und doch ist es wohl das erste Mal, dass 
gegen jene Auffassung in entschiedener Weise Protest erhoben wird! 


IX. Abschnitt. 
Das Mesoderm und seine Derivate. 


Wenn auch nicht so allgemein wie die beiden besprochenen Keimblätter und der Urdarm, wird 
das mittlere Keimblatt und dessen Derivate, namentlich die Coelomsäckchen zumeist, und zwar von 
namhaftesten Forschern, für eine ebenfalls genetisch einheitliche Anlage gehalten, die vom primären 
Entoblast abstammen soll. Selbst solche Gruppen, wie die Anneliden, die echte Coelomaten sind, und 
Plathelminthen, werden miteinander in dieser Hinsicht verglichen, indem man dem Peritonealepithel jener 
dem Blasenepithel dieser gleichzustellen trachtet. Es werden auch immer noch Mesodermtheorien auf- 
gestellt, die den Gedanken der Homologie entweder in Bezug auf die Metazoen überhaupt oder im 
Gebiete einzelner Gruppen zu begründen suchen. Über den phyletischen Ursprung des Mesoderms 
liegen die Ansichten, ähnlich wie beim Entoblast und Urdarm, im Widerstreit. Die einen, wie Meinikoff, 


*) Vgl. K. C. Schneider, 1, p. 741. 
15* 


— 116 — 


leiten es von primären Wanderzellen ab, die anderen von Epithelien, insbesondere vom Entoblast, 
entweder als Ausstülpungen des Darmes, wie OÖ. und R. Hertwig, oder von einem einzigen Urzellen- 
paare, wie Rabl. Den schwierigsten Punkt bei derartigen, sämtliche Bilaterien betreffenden Theorien 
bildet der Vergleich des Mesoderms der Wirbeltiere mit sonstigen Evertebraten. Um der Sache näher 
zu treten, wollen wir auch hier zunächst die Entwickelung des. Amphioxus in Betracht ziehen, da er 
dank mehreren Einzelheiten seiner Organisation, wie den marklosen Nerven oder dem ausgeprägt 
epithelialen Charakter des Muskelgewebes, von Wirbeltieren isoliert, gewissermassen eine Übergangs- 
stufe zwischen diesen und den Wirbellosen darstellt und für theoretische Erörterungen von ähnlicher 
Wichtigkeit ist, wie die Dicyemiden für die Beurteilung der untersten Metazoenkreise, wie die Mero- 
stomen für gewisse Arthropodenklassen, wie Nebalia für Unterklassen oder Micropterygina für Ordnungen, 
Simorhynchotus für Familien und Platypsillus für Gattungen. Jedenfalls weicht Amphioxus anatomisch von 
den tiefst stehenden Wirbeltieren, den Cyclostomen bedeutend stärker ab als diese von den Gnatho- 


stomen, beziehungsweise Amphirrhinen. 


Das Mesoderm anlangend, hält Rabl — im Gegensatze zu der Coelomtheorie der Gebrüder 
Hertwig — die für Chaetognathen charakteristische Entwickelungsweise des mittleren Keimblattes aus 
Darmdivertikeln für sekundär; primäre Entstehungsweise finde in den bei Zygoneuren verbreiteten Pol- 
zellen ihren Ausdruck und sei auch bei Amphioxus, bei welchem die Existenz von Polzellen irrtümlicher- 
weise behauptet wurde,*) erhalten. Sekundäre Komplikationen dieser Verhältnisse, wie wir sie unter 
anderem bei den meisten Wirbeltieren beobachten, seien hauptsächlich dadurch hervorgerufen, dass die 
Elemente des Mesoderms bei den einen Formen früher, bei anderen später aus dem ursprünglichen 
epithelialen Verbande austreten. Diese Hypothese verhilft ihm zur Homologisierung des Mesoderms der 
Vertebraten mit Amphioxus, der sich am engsten an Wirbeltiere anschliesst. Die Auffassung des Meso- 
derms hängt nach Rabl von den Begriffen der Gastrulation und der Concrescenz ab. Die Sache wird 
klar, wenn wir die Sonderung des Vertebratenmesoderms in gastrales und peristomales im Auge behalten. 
Dieses entwickelt sich im Umkreise des Prostomiums und verändert trotz den thatsächlichen topischen 
Verschiebungen seine Lagebeziehung zum Urmundrande nicht. Es beobachtet dann die Richtung der 
Längsachse und mittelbar auch die des Darmes, weswegen man es auch Gastralmesoderm genannt hat. 
Nur dieser Teil des Mesoderms allein beteiligt sich an der Metamerie des Vertebratenrumpfes. Nach 
der Concrescenzhypothese entsteht somit das mittlere Keimblatt als eine primäre Einfaltung des Urmund- 
randes. Der Urmundtheorie ©. Hertwigs wäre hinzuzufügen, dass das prostomiale Mesoderm der 
Ascidien nach Davidoff zum Teil auch von den Urzellen der Gonaden herstammt. 


Hier setzt die Mesodermtheorie Rabls ein. Er hat vor langen Jahren die Entwickelungsgeschichte 
der Lamellibranchiaten studiert und in frühesten Entwickelungsphasen an seinen Objekten jene zwei 
unten liegenden Polzellen gefunden, die Urzellen A. Goettes, wie sie bei Trochophoratieren so oft 
wiederkehren und als eigentliche und, noch vor kurzem, ausschliessliche Bildungscentren des Mesoderms 
beansprucht werden. Die hervorragende, phylogenetische Rolle der Trochophoralarve, die auch bei 
Anneliden verwandte Verhältnisse zeigt und zu weittragenden Homologisierungen nach abwärts ver- 
leitet, hat die Aufmerksamkeit Rabls auf die „symmetrische Amphigastrula des Amphioxus mit excentrisch 
eingestülptem Archenteron“ gelenkt und ihn veranlasst, die Homologisierung auch in aufsteigender 
Richtung durchzuführen. 

An Diagrammen, die an Einfachheit und Übersichtlichkeit nichts zu wünschen lassen, versuchte 
Rabl (1, I, p. 61 ff.) den Hergang der durchgreifenden Modifizierungen, wie sie uns in den Anamnier- 


ordnungen und bei Amnioten entgegentreten zu illustrieren. Dabei hat er freilich eingesehen, dass der 


*) Vgl. oben S. 68 und 71. 


— 117 — 


Keim des Amphioxus nicht geeignet ist, jenen Hergang unmittelbar verständlich zu machen, und erklärt 
die Sachlage bei Acraniern aus der Entwickelungsgeschichte höherer Tiere. Bei Selachiern findet man 
zu beiden Seiten der nach hinten zusammenwachsenden Lecithoporusraphe zwei paramedian verlaufende 
Streifen des gastralen (axialen) Mesoderms, die hinten in zwei divergierende, den bogenförmigen Rand 
der Keimscheibe (den sogen. offenen Lecithoporus) begleitende peristomale Streifen übergehen. Bei 
höheren Anamniern, bei Anuren, ist der Urmund nach Rabl deutlich erhalten und liegt als rundliche 
Öffnung am Hinterende der paramedianen gastralen Mesodermstreifen; peristomales Mesoderm nimmt 
hier begreiflicherweise einen kreisförmigen Verlauf um den engen Urmund herum und verbindet, als 
ein hufeisenförmiger, median liegender Streif die Hinterenden der Gastralstreifen mit einander. Das 
Diagramm für Amnioten unterscheidet sich infolge der abweichenden Gestalt des „Urmundes“ von den 
Verhältnissen beim Frosch nur insofern, als die beiderseits gelagerten peristomalen Fortsätze der gastralen 
Streifen weder auseinanderlaufen noch sich am hinteren Ende der median verlaufenden fast vollständig 
geschlossenen Lecithoporusraphe vereinigen, sondern, der letzteren parallel, die longitudinale Richtung 
des vorderen Mesodermabschnittes einhalten und im Sinne der Längsachse des Keimes nach hinten 
verstreichen. 


Für das Mesoderm bei Amphioxus ist gerade der Fall der Amnioten, also der phylogenetisch am 
weitesten stehende Fall, am wichtigsten. Neben der achsenständigen Chordaanlage entstehen gastrale 
Mesodermstreifen als paarige, besonders vorn stark entwickelte, nach hinten weniger deutliche Coelom- 
falten des Archenterons. Die beiden am hinteren*) Rande des Peristoms paramedian liegen sollenden 
Polzellen, die nichts anderes als Urmesoblasten der Trochophora sein können, sind auch hier Bildungs- 
centren für die Gesamtanlage des Mesoderms. Die Streifen desselben brauchen, von ihnen aus, nur in 
der Richtung nach vorn fortgesetzt und mit den hinteren Enden der Coelomsäcke in Verbindung ge- 
dacht zu werden, um als peristomales Mesoderm den innigen genetischen Zusammenhang der 
Ontogenie des Amphioxus mit der Entwickelung der Wirbeltiere zu illustrieren! 


Diese Auslegung erscheint um so gewagter, je gründlicher man die diesbezüglichen Stadien des 
Amphioxus untersucht. Vor allem sind die Polzellen, wie wir bereits wissen, gar nicht vorhanden.**) 
Rabl liess sich in seinen Ideen auch durch den Umstand nicht beirren, dass ihre Existenz von dem 
ersten Untersucher, Kowalewsky, gar nicht erwähnt wurde und dass kein einziger Autor mit denselben 
etwas anzufangen wusste. Bereits vor Rabl hat sich Kleinenberg in seiner bekannten Abhandlung 
in sehr bescheidener Weise geäussert. dass solche Elemente gewöhnlich fehlen, und Lwoff, der in 
seiner Moskauer Arbeit nicht weniger als 32 Druckseiten und 16 Figuren dem Amphioxus widmet, hob 
hervor (4, p. 74, vgl. 1, p. 737, Fussnote), dass er sie weder an lebenden Keimen, noch nach Osmium- 
fixierung und Karminfärbung zu entdecken vermocht hat (vgl. Stieda, 1, Born, I und Bergh, 1). 
Wenn es übrigens zu einem gewissen Grade verständlich erscheint, dass Rabl die oft subjektiv gefärbten 
Behauptungen Lwoffs als nicht ganz einwandfrei und glaubwürdig vorkamen, so muss es um so mehr 
befremden, dass er die allbekannte entwickelungsmechanische Arbeit von E. B. Wilson einfach mit 
Stillschweigen übergeht; und doch schrieb Wilson mit hervorgehobenem Druck (3, p. 597): The 
pole-cells of Amphioxus are a myth! Wir müssen bemerken, dass Lwoff sich direkt auf die Autorität 
Wilsons beruf. Am meisten sollte hier auch in den Augen Rabls die Thatsache in die Wagschale 
fallen, dass Hatschek, der das Vorhandensein von Polzellen seiner Zeit erwähnt hatte, sich durch 
Lwoffs Angaben indiziert gesehen hat, seine frühere Behauptung fallen zu lassen. Wenn es also in 
einem Referate (Ziegler, 2) über die neuesten Untersuchungen über Amphioxus heisst, dass die Polzellen 


*) D, i. bei der üblichen Orientierung des Keimes; vgl. p. 70—71. 
#=*) Nach mir (3), auch von Samassa, Morgan und Hazen vergeblich gesucht. 


— 18 — 


manchmal fehlen, so ist diese Angabe im Sinne unserer im vorigen Kapitel mitgeteilten Ergebnisse zu 
korrigieren. 

Um die Existenz einer Kontinuität der Keimblätter in den Metazoenkreisen ausser Zweifel zu 
stellen, hebt Rabl (1) ausdrücklich hervor, dass es „genügen wird, die Mesodermbildung des 
Amphioxus zum Vergleiche heranzuziehen“, um jene Homologie zu beweisen. Diese Ansicht 
teilen auch andere Autoren. Lwoff spricht ebenfalls von den Kowalewskyschen und den späteren 
Untersuchungen über Amphioxus als von dem Fundamente, auf welchem „der ganze stolze Bau der ver- 
gleichenden Entwickelungsgeschichte der Wirbeltiere ruht“. Das Nämliche ist auch bei Born nach- 
zulesen. Klaatsch, dessen Ergebnisse die Mesodermtheorie erschüttern, ist sogar überzeugt, dass sich 
hier „der einheitlichen Auffassung des Mesodermbegriffes“ neue Schwierigkeiten entgegenstellen. 

Den Fall gesetzt, dass sich bei Amphioxus Urzellen befinden würden, müsste man zunächst be- 
weisen, dass zwischen diesen Zellen und den parachordalen Mesodermtaschen eine mesodermale Ver- 
bindung wirklich existiert. Wir haben soeben gesehen, dass Rabl die Konjektur ersinnt, es stehe der 
Annahme nichts im Wege, dass sich Derivate der Polzellen im Epithel direkt nach vorn erstrecken und 
mit den beiden Coelomfalten verbinden. Nichtsdestoweniger werden wir im Unklaren darüber gelassen, 
wie sich diese durch eine Art von Petitio principii konstruierten, Ausrufungszeichen-förmigen Mesoderm- 
stränge im Amphioxuskeime thatsächlich verhalten. 

Rabl scheint nämlich übersehen zu haben, dass sich die in die Länge gestreckte Gastrulalarve 
nicht in schematischer Darstellung auf eine zweischichtige Walze zurückführen liesse, auf deren oberen 
Wölbung, vorn die gastralen Mesodermfalten angelegt werden, an deren unteren Fläche aber sich rück- 
wärts die Polzellen befinden würden. Es leuchtet also ein, dass das peristomale Mesodermmaterial, wenn 
es sich direkt nach vorn erstrecken sollte, zwei mit den parachordalen vergleichbare, parallele Stränge 
längs der ventralen Wand der Larvenwalze bilden müsste. Es würde uns dann schwerlich jemand zu- 
muten, derartige Mesodermstränge als peristomale Anlagen anzusehen; sie wären nichts anderes, als 
eine zweite, subintestinale Hälfte des axialen oder gastralen Mesoderms. Wir sehen daher, dass bei 
Bestimmung jener unsichtbaren Verbindungsbrücke zwei Momente den Ausschlag geben würden: eine 
wirklich peristomale Lage der Brücke und eine, wenn auch entfernte, Übereinstimmung mit Wirbel- 
tieren. Sollte man die Anamnier zum Vergleich heranziehen, dann müsste man die peristomalen Stränge 
um den Blastoporus herumführen, so dass sie sich an der Dorsalseite der horizontal liegenden Walze 
einander nähern würden und mit den nach hinten verlängert gedachten gastralen Mesodermstreifen ver- 
schmelzen könnten. Dieser Fall würde starke Anklänge an die Mesodermanlage bei Squaliden bieten. 
Oder aber müssten wir den kürzesten Weg einschlagen und die peristomale Anlage in einem diagonalen, 
geschweiften Bogen in beträchtlichem Abstande vom Urmund zu den dorsalen Coelomstreifen hinführen. 
Ein solcher Fall stünde im Einklang mit verbreiteten Ansichten über die Mesodermbildung bei Amnioten. 

Vergleicht man jedoch die beiden Eventualitäten mit dem was wir an Amphioxuskeimen, selbst 
bei minutiösester Genauigkeit, wahrzunehmen im Stande sind, so stellt sich unsere Spekulation als ein 
harm- und haltloses Spiel heraus. Ebensowenig wie von den Urzellen des Mesoblasts, ist auch von 
einer mesodermartigen Differenzierung der hier in Betracht kommenden Urdarmgegend irgend etwas zu 
sehen. In der vorderen Hälfte fortgeschrittener Stadien werden die mesodermalen Darmdivertikel hart 
neben einer ähnlichen Abfaltung für die Chorda angelegt, so dass sich im Querschnitte (s. Garbowski, 
3, p. 487, Fig. 4) am Rücken der inneren Schicht drei faltenförmige Austreibungen befinden, von denen 
die seitlichen mesodermal sind; zu jener Zeit ist das Medullarrohr vom Ektoderm bereits abgeschnürt. 
Diese Mesodermfalten entwickeln sich allmählich immer mehr nach rückwärts, wo sie selbstverständlich 
immer flacher werden und schliesslich in dem kreisrunden Darmrohrepithel spurlos verschwinden. Ein 
Querschnitt durch die hintere Region des Keimes bietet also bloss den Anblick der unpaaren Chorda- 
falte, die sich über die ganze Länge des Urdarmes in gleichmässiger Ausbildung erstreckt. 


— 119 — 


Diesen Sachverhalt konnte Rabl nicht in Abrede stellen. L.c. p. 58 spricht er selbst von Meso- 
dermfalten, die von vorn nach hinten an Höhe abnehmen und sich schliesslich, flach auslaufend, im 
Entoderm verlieren. Er fügt aber sogleich hinzu (p. 59, 61, 62): „Indessen dürfte es wohl gestattet 
sein, uns die beiden vorn zu Falten erhobenen Mesodermstreifen nach hinten an den Seiten des Ur- 
mundes bis zu den an der ventralen Urmundlippe gelegenen grossen Entodermzellen, den ‚Polzellen des 
Mesoderms‘ fortgesetzt zu denken.“ „Wir hätten dann“ u.s. w. Wir haben bereits gesehen, dass 
eine solche willkürliche Annahme keinen positiven Wert haben kann;*) sie ist aber natürlicherweise 
immerhin gestattet. Man liest jedoch auf p. 96 bei Rabl, dass diese Vermutung schon längst zu einer 
Affirmation, ja zu einer fundamentalen Thatsache, die ein Theoretiker als Grundstein für sein Lehr- 
gebäude verwenden kann, erhärtet ist. „Wir sehen — nach Rabl, bei Amphioxus — das Mesoderm 
aus zwei symmetrischen, neben der Medianlinie gelegenen Teilen hervorgehen, welche Beziehungen 
zum Entoderm des Urmundes besitzen.“ Wir wissen indessen, dass Beziehungen der parachordalen 
Mesodermanlagen zu Urmundelementen gar nicht existieren. „Beide (das ist, die peristomale und die 
gastrale Anlage) gehen kontinuierlich in einander über.“ Auf diese Weise glaubt Rabl die 
Homologie des mittleren Keimblattes bei Amphiorus und höheren Wirbeltieren positiv dargethan zu 
haben. Später kommt er freilich noch einmal zum Konjunktiv zurück. Dessenungeachtet drückt sich 
Rabl über die allgemeine Homologie mit folgender Zuversichtlichkeit aus: „So sehen wir, dass bei 
allen Bilaterien das Mesoderm aus zwei, in der Medianlinie von einander getrennten, aus dem 
Entoderm des Mundrandes hervorgehenden Anlagen seinen Ursprung nimmt. Diese Über- 
einstimmung ist so fundamental, dass alles andere dagegen zurücktritt.“ 

Aus den virgulierten Absätzen ergiebt es sich, dass, wenn die Übereinstimmung nicht existiert, 
die Mesothermtheorie nach ihres Urhebers eigenster Überzeugung zu Boden fällt. Ehe wir diesen 
„verzweifelten Versuch“, wie Rabls Theorie in einem bekannten Lehrbuche der Entwickelungsgeschichte 
genannt wird, verlassen, wollen wir uns noch bei einigen Einzelheiten aufhalten. 

Der Umstand, dass die postulierte Mesodermbrücke von den übrigen Epithelzellen weder histo- 
logisch noch morphologisch abgesondert erscheint, hat offenbar Rabl zu der Bemerkung veranlasst, 
dass in jenen Fällen, wo das Zellmaterial bereits verhältnismässig reich ist, auch die mesodermalen 
Derivate des phyletisch ursprünglicheren Urzellenpaares sich beträchtlich vermehrt haben und sich auf 
ein grösseres Stück Epithel nach vorn erstrecken können. Auf diese Weise suchte er sich offenbar 
den Mangel jedweder Angaben über die Derivate der Polzellen in der diesbezüglichen Publikation über 
Amphioxus zu erklären. An einer anderen Stelle beruft sich Rabl auf die Entwickelungsvorgänge bei 
den Insekten, wobei er namentlich auf Kowalewsky und Heider hinweist; nun haben die Unter- 
suchungen der neueren Zeit über die Darmbildung bei Orthopteren dargethan, dass die wirklich be- 
stehenden Beziehungen zwischen Entoderm und Mesoderm bei dotterreichen Insekten mit der Mesoderm- 
theorie Rabls keinen einzigen gemeinsamen Zug aufweisen. Es giebt bei den Hexapoden keine 
Gastrulation, keinen Urmund, folglich auch kein peristomales und gastrales Mesoderm. Auf die bereits 
erwähnten kühnen Spekulationen Escherichs, der den Keim einer Musca mit der „Gastrula‘ des Peripatus 
vergleicht und in der ventralen Medianlinie dieser Tiere die Raphe der bis auf die Mund- und After- 
öffnung der Imago geschlossenen Urmundränder erblickt, brauchen wir füglich nicht näher einzugehen. 
Bei den meisten Insekten entsteht das Mesoderm entweder als ein zweites, unteres Blatt unter dem 
ektodermalen Keimstreif oder es wird in Form einer röhrenförmigen Falte vom äusseren Epithel abge- 
schnürt, in beiden Fällen zerfällt es bald in zwei laterale Partien und giebt in metamerischer Gliederung 
dem Bautypus der Articulaten seinen Ausdruck. Von Polzellen ist keine Rede; auch sind es nicht 


*) Von grösseren, Polzellen-artigen Zellen, soweit sie individuell auftreten, sagt Delage (3, VIII, p. 116, Fussnote), dass sie ohne 
Entwickelung verschwinden, 


— 120 -— R 


Gonadensäckchen, die zuerst differenziert werden. Ähnliches gilt nach Heymons’ neuesten Berichten 
von Myriopoden. Bei den mehr oder minder dotterreichen Crustaceeneiern, wie bei Gammariden, ent- 
steht das Mesoderm nach Della Valle ohne Ordnung, grösstenteils, wie es zu erwarten ist, an der 
Ventralseite, aus Ektoderm, aber auch aus dem Entoderm. Das man infolgedessen z. B. bei Orchestia, 
wo diese Entstehungsweise an Mesenchymbildung erinnert, von keinem mittleren Keimblatt reden darf, 
unterliegt keinem Zweifel, ebenso wenig als eine derart dislozierte Entstehung der Mesomeren unmög- 
lich, seien die Faktoren der Cenogenese noch so omnipotent gewesen, von einer Mesodermanlage im 
Sinne der Trochophora herstammen kann. Bei einer von Malakostraken so sehr entfernten Form wie 
Limulus findet das Gleiche statt, indem das unter dem Primitivcumulus aus der Primitivrinne entstandene 
Mesoderm auch von den Entomeren einen Teil seines Materiales bezieht. Wenn man noch die inter- 
essanten Verhältnisse bei manchen Hautflüglern (Platygaster) berücksichtigt, wo die als Entomesomeren 
zu bezeichnenden Zellen nicht nur vom Ventralteile der Keimanlage geliefert werden, sondern auch 
vom oberen Aussenepithel mesodermale Zellen in das Innere gelangen, wo derselbe Ektoblast zu gleicher 
Zeit nach aussen Zellen abgiebt, um embryonale Hüllen zu bilden, und der Mitteldarm nicht nur bipolar 
angelegt, sondern ausserdem aus anderen Zellen der Zwischenschichten gebaut wird, so gewinnt man 
vollends den Eindruck, dass es sich beim Mesoderm um kein irgendwie einheitliches Ding handelt, 
sondern um einen künstlichen Sammelbegriff von verschiedensten Gebilden und Anlagen. Man könnte 
schliesslich behaupten, dass sich das durchschnittliche Gesamtbild der Mesodermbildung bei Arthropoden 
eher noch mit den Anschauungen Lwoffs als mit der Theorie Rabls in Einklang bringen liesse. 

Unsere Untersuchungen an Amphioxus haben uns ergeben, dass die Zone des Prostomialrandes, 
wo die Mitosen nicht stärker als sonst in den Epithelien verdichtet sind, weder als ektodermal noch als 
entodermal zu bezeichnen ist, dass sie keine Polzellen enthält, dass die dorsale Wand des Archenterons 
von dem sonstigen Urdarmepithel durch kein ausgesprochenes, konstantes Merkmal abweicht, dass 
zwischen den vorderen Mesodermfalten und dem Prostomum, insbesondere dem Hinterrande desselben, 
keine irgendwie nachweisbare „Verbindung“ existiert, dass für das peristomale Mesoderm der Wirbel- 
tiere kein Homologon zu finden ist, dass folglich zwischen dem Amphioxus, der keine Vertebratengruppe, 
sondern eine diesen gleichwertige Chordoniergruppe repräsentiert, und den Anamniern keine Kontinuität 
des mittleren Keimblattes nachzuweisen ist. Jedoch nicht nur der Amphioxus zeigt mit dem Rablschen 
Schema keine Übereinstimmung. Selbst im Kreise der Mollusken, auf welche sich diese Mesodermlehre 
hauptsächlich stützt, kann sie keine Geltung finden und bei dem fleissigen embryologischen Studium 
dieser Tiere vergeht gegenwärtig kaum ein Tag, der uns nicht neue Thatsachen, die den Voraussetzungen 
jener Lehre widersprechen, erschliessen würde. Sogar die Voraussetzungen, die Rabl zum Ausgangs- 
punkte für seine Lehre gemacht hat, erweisen sich als Resultate ungenauer Beobachtung und verfrühter 
Verallgemeinerung. 

Von unserem Standpunkte aus würden wir erwarten, dass bei der engen Zusammengehörigkeit 
der meisten Molluskenklassen, z. B. der Gastropoden und Lamellibranchiaten, die Hauptanlage der 
inneren Organe der Leibeshöhle sich mehr oder weniger identisch verhalten wird. Dies ist auch der 
Fall, da es in der Regel dieselbe von den 4 vegetativen Makromeren ist, welche den überwiegenden 
Mesodermteil liefert; welche von den zwei hinteren Makromeren es ist, hängt bei Schnecken davon ab, 
ob die Furchung in dexiotroper oder leiotroper Richtung eingeschlagen wird. Die Makromere enthält 
auch entodermale Anlagen in sich, deren Sonderung der Hauptsache nach bei der Teilung derselben 
in eine Entomere und in die „Urmesodermzelle“ stattfindet; es werden aber nicht selten noch vorher 
etliche entodermale Mikromeren abgeschnürt, oder, bei früh eintretender Bildung der Urmesodermzelle, 
werden von dieser noch nachträglich kleine Entodermzellen abgegeben, ein neuer Beweis, dass die 
latenten Anlagen keinerlei Gegensätze bedeuten, sondern kontinuierlich ineinandergreifen. Der Zeit- 
punkt, wann die Mesodermzelle gebildet wird, ist recht verschieden; bei Unio geschieht es im 32zelligen 


— 1211 — 


Stadium, bei Ischnochiton in zweimal so altem Stadium, bei 73 Zellen, als vierte Teilung der betreffenden 
Makromere. Anfänglich glaubte man, dass sowohl bei Unio als bei anderen Formen von den vier Blasto- 
meren des 4zelligen Stadiums drei Zellen reinen Ektoblast und eine reinen Entoblast samt Mesoblast 
zu liefern hat und dass sich auch die Organogenie in der von der Keimblättertheorie als normales Ge- 
schehen angenommener Weise vollzieht. Erst Lillie (1) hat für Unio nachgewiesen, dass das Meso- 
derm auch aus einwanderndem Ektoderm seinen Ursprung nimmt. Ähnlichen Sachverhalt hat Conklin (1) 
bei Crepidula und nachher Wierzejski (1) bei Physa beobachtet und unter Anderen hat sich auch 
Holmes bei Planorbis überzeugt, dass vier Zellen der dritten Ektomerengeneration zu Bildungscentren 
für mesodermale Gewebspartien werden.*) Die letzteren, gewöhnlich sekundäres, auch larvales Meso- 
derm genannt, führen indessen gastrale Elemente mit, derer sie sich in Form von kleinen an den Darm 
abgegebenen Descendenten entledigen. Jene Ektomeren enthalten demnach potentialiter alle drei Keim- 
blätter in sich und wären im Sinne der Theorie für qualitativ völlig undifferenziert gebliebene Blasto- 
meren zu halten, was zu verwundern wäre, indem sie weder durch ihre Grösse noch durch ihre Lage 
von den benachbarten Ektodermzellen besonders abstechen. Die Einheitlichkeit des Mesodermbegriffes 
erscheint aber noch mehr illusorisch wenn wir über Paludina von Tönniges erfahren, dass ihr Meso- 
derm — im Gegensatze zu den Angaben Erlangers (2, 5) über enterocoele Mesodermbildung bei 
Paludina — aus der ventralen, den Urdarm verschliessenden Partie des Ektodermepithels durch allmäh- 
liche Auswanderung von Zellen in das Innere der ventralen Keimhälfte seinen Anfang nimmt, worauf 
es den ganzen unteren Teil des Blastocoels ausfüllt. Von Polzellen ist nichts zu sehen; desgleichen 
nach Kofoid (1, Taf. VII, Fig. 45—50) bei Limax agresti. Die Angaben Tönniges, die von klaren 
Figuren unterstützt werden (1, Taf. XXV, Fig. 7, 8), wurden von P. Sarasin (1) vielfach an Bithynia 
tentaculata bestätigt. Manfredi (1) hat für Aplysia ebenfalls einen ektodermalen Ursprung des Mesoderms, 
aus 4 Mikromeren, behauptet. Viele Einzelheiten bei diesen verschiedenen Entstehungsweisen des 
mittleren Blattes würden noch besondere Beachtung verdienen, so der Umstand, dass die Urmesoderm- 
zelle in das Innere der Blastula versinkt, noch bevor es zur Embolie des Urdarmes gekommen ist, wie 
z. B. nach Meisenheimer (1, vgl. Kofoid, 1) bei Limax maximus, während bei Paludina noch zur Zeit 
der Darminvagination keine Spur von Mesoderm im Blastocoel zu sehen ist, bis das ektodermale Meso- 
derm hineinzuwuchern beginnt.**) 


Schon das bis jetzt in aller Kürze Angeführte dürfte genügen, um die Homologie der Mesoderm- 
anlagen bei Mollusken zu zerstören. Es wird dadurch aufs klarste bewiesen, dass die Begriffe der 
Keimblätterlehre nicht geeignet sind, dem bei blutsverwandten Formen Gemeinsamen oder entwickelungs- 
geschichtlich Nahen den richtigen Ausdruck zu geben. Geradezu verhängnisvoll für die Mesoderm- 
theorie Rabls und für die Kontinuitätstheorie der Keimblätter überhaupt sind die organogenetischen 
Ergebnisse neuerer Zeit über Mollusken. Es hat sich gezeigt, dass selbst bei solchen Formen, deren 
Mesoderm in ähnlicher Weise gebildet wird, in der Anlage der als ständige Derivate des Mesoderms 
geltenden Organe grösste Mannigfaltigkeit herrschen kann. Der Perikardialsack, samt dem in seinem 
Inneren sekundär entstehenden Herz, und das Exkretionsorgan sind es vor allem, deren Ursprung bei 
verschiedensten Formen, wie bei Vaginula (Sarasin), Limax, Dreissensia (Meisenheimer, 2) oder Paludina 
(Tönniges) ektodermal ist. Anderseits beteiligt sich das Mesoderm an Bildung von Organen, die für 
gewöhnlich als nicht mesodermal gelten, wie z. B. der hintere Teil des Darmes bei Crepidula (Conklin). 
Einige Autoren gehen so weit, dass sie Nieren und Herzsack einfach als Hautdrüsen auffassen. Ange- 
sichts der Schwierigkeit der Beobachtung und Beurteilung namentlich des „sekundären“ Mesoderms, die 


*) Vgl. auch Heymons (1) und Korschelt (2). 
**) Eine chronologische Übersicht der verschiedenen Darstellungen über die Bildung des Mesoderms bei Gasteropoden ist im V. Kapitel 
der Tönnigesschen Arbeit zu finden (1, p. 586— 539). 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 16 


— 12 — 


in besonders schwungvoller Weise neulich von Carazzi*) betont wurde, würden indessen einzelne 
diesbezügliche Resultate eine Nachuntersuchung vertragen; für die nämliche Form wird manchmal das- 
selbe Organ von verschiedenen Autoren in verschiedener Weise abgeleitet. Für unsere auf breitesten 
Thatsachengebieten fundierten Anschauungen besitzen jedoch die Einzelfragen keine prinzipielle 
Bedeutung: die Streitfragen beziehen sich nämlich nur auf den Standpunkt der Keim- 
blätterlehre, wo durch die Schlagworte Mesoderm oder Ektoderm entwickelungsgeschicht- 
liche Kontraste in der Mehrzahl der Fälle nur vorgetäuscht werden. Wenn, beispielsweise, 
die Urniere bei dem einen Gastropoden aus mesodermalen Zellen, bei einem anderen direkt aus dem 
Ektoderm gebildet wird und beide Arten ektodermales Mesoderm besitzen, so würde sich in unseren 
Augen der thatsächliche Unterschied darauf beschränken, dass dasjenige Zellmaterial, welches 
die Niere zu liefern hat, in dem letzteren Fall noch im epithelialen Verbande verbleibt 
und in Form des werdenden Organes in die Leibeshöhle gelangt, im ersteren Fall hin- 
gegen vorher in die Leibeshöhle hineinwächst, bevor es sich organogenetisch differen- 
ziert. Das bis jetzt eindeutig Festgestellte reicht jedenfalls aus, um der Mesodermtheorie Rabls den 
Boden zu entziehen. 


Eine andere. von den Verhältnissen bei Amphioxus ausgehende Mesodermtheorie wurde von Lwoff 
entwickelt. Ihren Kern bildet die assertorisch formulierte Hypothese, dass sowohl bei Amphioxus als in 
verschiedenen Klassen der Wirbeltiere stets der nämliche Prozess einer sekundär erworbenen Einstülpung 
dorsalen Ektodermmateriales wiederkehrt. Diese zweite Invaginationsphase geht, wie wir es bereits oben 
'auseinandergesetzt haben, Hand in Hand mit der Schliessung des Urmundes. Obwohl Lwoff seine 
diesbezüglichen Ansichten ausser an den drei hier angeführten Orten (1, 3, 4) noch in anderen Abhand- 
lungen (2), wo er einen Zusammenhang zwischen der Chorda dorsales und dem Medullarrohr beschrieb, 
entwickelt, so interessiert uns hier vornehmlich das ausführliche Kapitel über Amphioxus aus der Moskauer 
Arbeit. Diese sekundäre ektodermale Invagination. die sich doch bei der Einfachheit der Verhältnisse 
beim Lanzettfisch besonders leicht hier eruieren liesse, erklärt uns nach Lwoff in ungezwungener Weise 
den Einstülpungsprozess und die Genese des zweischichtigen Stadiums bei Amnioten. Das wichtigste 
Moment an dieser Theorie ist jedoch unbestreitbar der allgemeine Schluss, den Lwoff aus seinen Er- 
gebnissen zieht. Er fasst seine Erörterung dahin zusammen, dass bloss die beiden schon im Blastula- 
stadium stark entwickelten Keimblätter, das Ekto- und das Entoderm in der Klassenreihe homologisierbar 
sind, während die mesodermalen Anlagen in diskontinuierlicher Weise zur Differenzierung gelangen. 


Um die Auffassung Lwoffs zu bestätigen oder zu widerlegen, muss man sowohl die Thatsachen 
der Entwickelung bei Amphioxus und Wirbeltieren, als die begriffliche Präzisierung der Keimblätter im 
Auge behalten. 


Diese Gegenstände wurden zum Teil schon oben beregt. Für die Annahme, die obere Decke 
des Urdarmes liefere die drei Längsfalten aus einer ektoblastogenen Anlage, soll zunächst die Verdich- 
tung der Mitosen am oberen Einstülpungsrand bestimmend gewesen sein. Wir haben gesehen, dass 
diese Verdichtung, die sich übrigens auf die ganze äussere Fläche der heranwachsenden dorsalen Wand 
des Keimes erstreckt, sich in einer einfacheren Weise erklären lässt, folglich für die behandelte Hypo- 
these ohne Beweiskraft ist. So nehmen in späteren Entwickelungsperioden, zur Zeit der Auslösung von 
Abfaltungsprozessen am Rücken des Darmrohres auch die Mitosen im Entodermepithel an Zahl beträcht- 
lich zu, wie es beim regeren Wachstum nicht anders denkbar ist. Einen weiteren Anhaltspunkt bietet 
angeblich der Höhenunterschied zwischen den oberen und unteren Urdarmzellen; es zeigt sich aber, 
dass jener Unterschied, den auch Rabl beobachten konnte, in manchen Fällen in das Gegenteil um- 


*) In dessen Arbeit über Embryologie von Aplysia (Anatom. Anzeiger, 1900, No, 17. 


— 13 — 


schlägt. Lwoff führt aber noch ein anderes Argument ins Feld; er bildet Epithelschnitte durch Gastrulae 
ab. wo am oberen Urmundrande die Zellen so rasch in das Innere gedrängt zu werden scheinen, dass 
das Epithel mehrschichtig wird. 


Der naheliegende Erklärungsgrund hierfür besteht in der nicht genau senkrecht durch die 
Epithelien gehenden Schnittführung, was bekanntlich eine nie versiegende Quelle von Irrtümern bei 
histologischer Deutung bildet. Auch Born hat die Schwierigkeiten einer genauen Orientierung der 
ausserordentlich kleinen Amphioxuskeime beim Schneiden als eine verhängnisvolle Fehlerquelle bezeichnet. 
Sobotta (2) bringt in seiner Fig. 18 nach vorzüglichem Präparate einen horizontalen Schnitt durch eine 
in der Invagination begriffene Amphioxusgastrula mit abgetragener Kuppe; da überzeugt man sich, wie 
an dem schräg getroffenen Entoderm die Zellen im Diagonalschnitt höher als sonst zu sein scheinen 
und wie sie den ersten Anlauf zu einer scheinbaren Doppelschichtigkeit nehmen. Weit auffälligere Bei- 
spiele findet man jedoch auf der Amphioxustafel in der Lwoffschen Hauptarbeit. 


Wir können also vorderhand kein sicheres Kriterium, welches für eine ausgesprochen ektoblasto- 
gene Natur der inneren Rückenplatte entscheidend wäre. Allerdings lässt auch Lwoff nicht das ganze 
Mesoderm aus dieser Anlage entstehen. An dem Aufbau der axialen (gastralen) Stränge sollen 
sich nach und nach auch entodermale Elemente beteiligen. Ausserdem unterscheidet Lwoff 
ein peripheres Mesoderm, welches ausschliesslich aus dem Entoderm seinen Ursprung nimmt. Ähnlich 
behauptet auch Keibel, dessen Auffassung mit der Lwoffschen ziemlich nahe verwandt ist, dass ento- 
dermale Zellen, die zwischen dem peristomalen und dem gastralen Mesodermabschnitte gelagert sind, in 
den Verband dieser beiden Mesodermgruppen aufgenommen werden. 


Worin mag nun dieses Schwanken in der Beurteilung elementarster Thatsachen der Vertebraten- 
entwickelung seinen Grund haben, wenn nicht in der Dehnbarkeit und Unklarheit der aufgestellten Be- 
griffe, in der Unmöglichkeit klarer Unterscheidung zwischen primären und sekundären Keimblättern u. dgl. 
mehr. Die Frage, ob die Amphioxusgastrula durch ein annähernd gleichmässiges Wachstum der beiden 
Schichten oder durch fortgesetztes Nachrücken von äusseren Zellen in die tiefere Schicht an Länge 
gewinnt, wird nur dann bedeutungsvoll, wenn es sich dabei um die qualitative, und zwar virtuelle 
Specifizierung des Zellmateriales handelt. Man gelangt nämlich bei solcher Formulierung von einer 
Spezialfrage zu den allgemeinen Problemen der Keimblätterlehre: ob die Lage im Keime oder Prä- 
disposition stärkeren Einfluss ausübt, ob die eingestülpten Zellen erst infolge von Verlegung in das 
Innere zum Entoderm werden, oder ob das Entoderm durch Invagination zum Urdarme wird, ob sich die 
Keimblatteinheiten auf histologischem, tektonischem oder physiologischem Wege abformen u. s. w. 
Diese Fragen wird man wohl am ergiebigsten vereinfachen, wenn man sie einer einzigen Generalfrage 
unterordnen und trachten würde, den Zeitpunkt, in welchem die Spezifizierung des Zellmateriales im 
Verlaufe der Entwickelung erfolgt, möglichst genau zu bestimmen. Der Zweck der Homologisierung 
der Keimschichten als distinkte Keimblätter ergiebt sich doch aus dem Bedürfnis nach abstrakten Be- 
griffen, welche geeignet wären, unsere Arbeit dadurch wesentlich zu erleichtern, dass sie an Stelle einer 


erdrückenden Menge von ontogenetischen Spezialfällen eine allgemein giltige Regel substituieren würden. 


Solcher Keime, die schon in Anfangsstadien der Furchung eine nachweisbare Verteilung der 
Keimblattqualitäten erleiden, giebt es überaus wenig. Amphioxus scheint jedenfalls — namentlich auf 
Grund der Versuche E. B. Wilsons — zu denjenigen Formen zu gehören. bei denen die Differenzierung 
ziemlich spät auftritt. Lwoff hat sich mit dieser Frage beschäftigt und die Vermutung ausgesprochen, 
dass man bei Amphioxus, erst vom Blastulastadium angefangen, zwischen ektodermalen und entodermalen 
Blastomeren unterscheiden darf. Wir möchten uns, wohl bemerkt, nicht assertorisch dahin äussern, dass 
die beiden Hauptflächen der Zellen gewisse Anhalte darüber zu, bieten scheinen. Im „Morula“stadium 
sind die Blastomeren noch verhältnismässig kugelrund. Bloss diejenigen Wände, mit denen die Zellen 

16* 


Mo 


zusammenstossen, sind bereits eingedrückt; die Oberfläche des Keimes besitzt aber in der That einen 
maulbeerartigen Habitus. Wir halten das für den Ausdruck einer noch hohen Individualität oder Selb- 
ständigkeit einzelner Zellen. Im Blastulastadium verliert sich dieser Charakter allmählich. Die Blasto- 
meren werden immer mehr zu Bestandteilen eines höheren Gebildes; aber auch jetzt noch erscheint 
gewöhnlich die äussere und innere Fläche des Keimes hügelartig gewellt. Im Gastrulastadium verliert 
sich bei den allermeisten Individuen diese Eigentümlichkeit vollständig, so dass wir ein typisches, 
embryonales Epithelgewebe vor uns haben. Gleichzeitig kann man beobachten, dass die Zellen sich 
nicht simultan in allen Partien des Keimes abflachen, sondern dabei offenbar von der eingenommenen 
Lage geleitet werden. Das Gebiet des animalen Poles wird am frühesten zum Epithel. Die grösseren 
Entodermzellen werden erst bedeutend später umgewandelt und an den Gastrulis kann man überaus 
häufig die höckerige innere Fläche des Urdarmes bemerken. In der Region, wo die Einstülpung erfolgt, 
bleiben die Zellen ebenfalls lange Zeit zugerundet. Fig. 13, Taf. V, wo man aber wahrscheinlich zum 
Teil mit einer gewissen Quellung zu thun hat, sowie zahlreiche Abbildungen Sobottas (2) liefern 
Belege dafür. Bei zugerundeten Zellen fallen auch hellere Grenzstreifen, welche Sobotta auf Grund 
seiner 10 u dicken Schnitte als dotterfreie Stellen erklärt, stärker auf, als beim flachen Epithel. Ich 
kann mich indessen nicht entsinnen, so ausgesprochen helle, quergestreifte Intercellulurstrukturen, wie 
sie Klaatsch z. B. auf Fig. 1 und 2 in seiner Arbeit (1) zur Darstellung bringt, an meinen mit Pikrin- 
schwefelsäure behandelten Objekten irgend jemals gesehen zu haben. 

Wir glauben also gewisse Anzeichen zu finden, dass die prospektive Specifizierung der geweb- 
lichen Elemente bei Amphioxus ziemlich langsam fortschreitet, und dass sich besonders lange der Ein- 
stülpungsrand und die invaginierten Elemente indifferent verhalten. Eine gewissermassen zwingende 
Folge davon wäre die, dass man selbst bei Aufrechterhaltung der Concrescenzlehre nicht berechtigt 
wäre, eine Prädestinatination des an der Connascenz beteiligten Zellmateriales (Urmundrandes) etwa im 
Sinne eines phyletisch alten Neuromuskelringes u. dgl. anzunehmen. Und dies wäre ein neues Moment, 
welches gegen die Lehre von His sprechen würde, obschon diese Theorie durch die neuesten sinnigen 
Untersuchungen Kopschs bereits endgiltig abgethan zu sein scheint. Unser Standpunkt dürfte mit der 
Auffassung Schapers identisch sein, der in einer Spezialarbeit (1) die Entstehung der neuralen Ele- 
mente erörtert und die Überzeugung gewinnt, dass die Hisschen Keimzellen keine prädestinierten 
Neuroblastvorläufer sind, sondern ohne ursprüngliche Specietät mit anderen Epithelzellen geweblich 
gleichwertig sind. \ 

Auf diese Weise wird demnach der umstrittene Punkt in der Mesothermtheorie Lwoffs, zum 
Teil wenigstens, gegenstandslos. Es ist erstens nicht ersichtlich, warum der stärkere Wachstumsprozess 
am vorderen, oberen Prostomialrande so essentionell von den anderen verschieden sein sollte; zweitens 
scheinen die Gewebe zu wenig differenziert zu sein, um schon in so frühen Entwickelungsstadien von 
rein ektoblastogenen oder entoblastogenen Anlagen sprechen zu dürfen. Dessenungeachtet waren die 
Arbeiten Lwoffs fruchtbar, weil sie zu zahlreichen Nachuntersuchungen und zur Klarstellung so mancher 
Einzelheit Anregung gegeben haben. Eine relative Bestätigung finden sie in den bereits erwähnten 
Versuchen Samassas mit Amphibien, wo nach Abtötung vegetativer Blastomeren durch Induktions- 
schläge, das überlebende „animale‘“ Furchungsmaterial die dorsale Darmwand samt Chorda und Meso- 
dermanlage, wenn auch unvollständig, ausgebildet haben, was indessen nach Abtötung der animalen 
Zellen nicht gelingen wollte. 

Eine dritte, der Lwoffschen scheinbar entgegengesetzte Hypothese über den Ursprung des 
Mesoderms, die sich auch gegen die Urmundlehre O. Hertwigs wendet, hat Klaatsch entworfen. 
Nicht oben, sondern am unteren Rande des Prostomiums geht die Einstülpung der ektodermalen d. i. 
äusseren Zellen am regtsten vor sich. Durch das starke Einströmen des Epithels in das Innere des 
Keimes sollen oft Bilder bedingt werden, welche das Vorhandensein besonderer Polzellen vortäuschen 


— 1235 — 


können. Damit wäre wohl das Entgegengesetzte von der Ansicht Lwoffs behauptet, obwohl beide 
Forscher dieselbe, vestitalienische Amphioxusart untersucht haben. Bei der Deutung seiner ungefärbt in 
Balsam montierten Präparate stützte sich Klaatsch vornehmlich auf die Befunde die er an Rhopalaea 
neapolitana gemacht hat, und auf Ergebnisse anderer Autoren über Ascidienentwickelung. Bei Rhopalaea 
liegen am hinteren Urmundrande paarige Myoblastanlagen des Schwanzes als ektodermale Zellstreifen 
und werden infolge eines fortgesetzten Einströmens des ektodermalen Epithels eine Strecke weit in die 
Tiefe des Darmsackes hineingedrängt. Später, nach Schluss des Urmundes durch die dorsalwärts von 
hinten nach vorn heranwachsende Neuralduplikatur des Ektoderms, wird die Anlage der Chorda zwischen 
jene kaudalen Mesodermanlagen hineingeschoben, während die vorderen Teile des mittleren Keimblattes 
vom Entoderm ausgeschieden werden. Das letztere erinnert stark an die Coelomfaltung bei Amphioxus. 
Seeliger (1) hat bezüglich der betreffenden Mesodermbildung bei Olavellina wesentliche Unterschiede 
hervorgehoben, doch halten wir dieselben für rein morphologisch, nicht aber organogenetisch. Charakte- 
ristisch für die Ascidien ist, dass ihr Mesoderm das entwickelte coelomatische Lumen sehr bald rück- 
bildet und dass die Lage der Mesodermzellen unregelmässig wird. Ähnliches ist jedoch auch von 
Amphioxus behauptet worden, und die gegenseitige Lage der Gewebsgruppen zu einander, die nament- 
lich für die Ascidie in Seeligers Arbeit klar hervortritt (1, Taf. III und VIII, Fig. 89), lässt keinen 
Zweifel über eine genetische Beziehung zwischen Tunicaten und Acraniern aufkommen, obschon das 
gastrale Mesoderm bei Ascidien (Rhopalaea) durch Entodermwucherung, bei Acraniern durch Sackfalten 
gebildet wird. Sonst wären wir nahezu mit allem, was Seeliger im „allgemeinen Teile“ seiner Arbeit 
anführt, einverstanden. Er hält den Ascidienkeim für eine sekundäre Modifikation der Gastrula, wie sie 
bei Amphioxus in anderer Richtung eingeleitet wurde. Während für Haeckel die Tunicaten sich eng 
an Acranier anschliessen, bei denen primäre Verhältnisse sich erhalten haben, aus der Archigastrula 
eine Archicoelomula wird, die erst bei Cranioten in eine Metacoelomula übergegangen ist, sind nach 
Ziegler die Tunicaten nicht geeignet, für den primären Charakter der Enterocoelie Nachweise zu liefern. 
Man dürfe nicht vergessen, dass neben Mesodermzellen, die denen von Amphioxus ähnlich sind, aber 
bedeutend früher, schon im Blastulastadium, differenziert werden, bei Ascidien, wie Ciona, hinten am 
Urmund, dort wo bei Selachiern die Medullarplatte mit Mesoderm und Entoderm zusammenhängt, jene 
kaudalen Myoblasten auftreten. Es hat namentlich Castle (2) wohl zuerst die Wichtigkeit dieser 
sekundären Anlage hervorgehoben, in welcher die Anlagen der künftigen Medullarplatte und der Myo- 
blasten zusammenhängen und die Existenz eines „Neuromuskelringes“ annehmen lassen, während die 
entodermale Anlage hauptsächlich Mesenchym zu liefern hat. Bei Clavellina (Taf. VI, Fig. 23) soll auch 
die Grenze zwischen dem Nervenstrang und der definitiven Darmwand durch eine dreieckige Zelle 
markiert sein. In Figur 24 ist nur der vordere Teil des mittleren Blattes eingetragen, während der 
kaudale der Übersichtlichkeit halber weggelassen wurde. Die Sonderstellung der hinteren Myoblasten 
— sagt Klaatsch (1, p. 240) — und ihre genetische Beziehung zum Ektoderm ist von allgemeiner Be- 
deutung. Es musste immer auffallend erscheinen, dass die Körpermuskulatur von der Urdarm- 
wandung herzustammen schien. Die nahe Beziehung der Muskulatur zum Nervensystem legt die 
Vermutung einer genetischen Beziehung nahe. Eine solche gemeinsame Quelle dürften wir in dem 
Neuromuskelring erblicken, welcher den Blatoporus umgiebt. 

Es ist also klar, dass solche Erwägungen, von anderen Befunden ausgehend, zu Resultaten 
führen, welche an die Theorie Lwoffs nicht unerheblich erinnern. Weitwendige Auslassungen über 
unsere Stellungnahme zur Neuromuskelringhypothese können wir uns um so mehr ersparen, als sie sich 
aus dem früher Gesagten zumeist von selbst ergeben dürften. So viel steht jedenfalls ausser Zweifel, 
dass die Lehre von der Kontinuität des Mesoderms auch von dieser Seite keine Kräftigung erfährt. 
Schon die Unterschiede, die sich in der Entwickelung der Ascidien, z. B. zwischen Clavellina rissoana 
und Distaplia magnılarva (Taf. VI, Fig. 23, 25), auffällig machen, zeigen, welchen Schwankungen die 


— 126 — 


einzelnen Anlagen in ihrer korrelativen Ausbildung unterworfen sind, wenn auch der phyletische Zu- 
sammenhang bei allen diesen Formen eine Einheitlichkeit des morphologischen Grundplanes zur Folge 
hat. Organogenetisch erinnert doch der vordere Mesodermteil der Ascidien, wie wir be- 
reits gesagt haben, namentlich an Querschnittsbildern sehr stark an Amphioxus; und darin werden 
uns hoffentlich die meisten Embryologen ihre Zustimmung nicht vorenthalten. Und doch ist die posi- 
tive Bedeutung der beiden Mesodermanlagen sehr wesentlich verschieden: der gewichtige Teil der 
Muskulatur nimmt bei Tunicaten aus einem anderen Gewebe seinen Ursprung. Dies zeigt uns mit aller 
wünschenswerten Klarheit, dass selbst bei Tieren, die in verwandtschaftlichen Beziehungen 
zu einander stehen, wie es diese beiden Chordoniergruppen sind, die Prospektivität der Blasto- 
meren stets, je nach Bedarf des Organismus, in dessen innerstes, eigentliches Leben wir noch so 
wenig eingeweiht sind, wechseln kann, das eine Mal sich in einer eng beschränkten Gegend 
des Keimes konzentriert, in anderen Fällen wieder getrennt und auf verschiedene Partien 
verteilt wird, hie und da in einer Weise, die den künstlichen Kategorien der Keimblatt- 
einheiten genau entspricht und ihre potitive Existenz vortäuscht. Der erörterte Fall liefert zugleich 
für eine andere Wahrheit unwiderlegbare Beweise: für die prospektive Totipotenz der Blastomeren, 

Es leuchtet also ein, dass das entodermale Mesoderm der Ascidien, selbst dann, wenn sich der 
Unterschied zwischen einer Ausstülpung und einer losen Zellwucherung als völlig belanglos ergeben 
würde, mit den Coelomtaschen des Amphioxus wegen verschiedener Prospektivität und — was eigentlich 
dasselbe ist — verschiedener Herkunft nicht homologisiert werden könnte; ist ja die epitheliale Muskel- 
bildung das am meisten charakteristische Merkmal des Peritoneums der Acranier. Aus ähnlichen Gründen 
dürfen gastrale Mesodermanlagen auch von sonstigen Tieren, wie der Ctenophoren oder der Chaeto- 
gnathen, mit denen der Tunicaten nicht homologisiert werden. Dasselbe gilt von losen, zelligen Meso- 
dermanlagen wie bei Pilidium und Echinopedium, bei Echinidenpluteus und Synaptalarve, in den Keim- 
scheiben von Decapoden, Cephalopoden, Vögeln u. s. w. Dass die vielgenannte „Archistomtheorie“ 
auch, und vor allem, keinen Anspruch an wissenschaftliche Exaktheit und Richtigkeit erheben kann, 
versteht sich von selbst. Die Theorie führt bekanntlich mesodermale Darmaussackungen auf radiale 
Darmtaschen aktinienartiger Urformen zurück, aus deren Archistom durch starke Längsdehnung und 
Conerescenz der Mund und After der Bilaterien herzuleiten wäre. Diese vage Hypothese ist um so 
weniger stichhältig, als die Enterocoelie bei manchen Formen erwiesenermassen relative Neuerwerbung 
ist. Es wird auch öfters auf die Radialität in der Anordnung der ektodermalen Mikromeren im Furchungs- 
keime der Mollusken, Anneliden oder Polycladen hingewiesen und das regelmässige Ektomeren- 
Kreuz, welches am animalen Pol zur Entwickelung gelangt und in Bezug auf die Orientierung des 
ganzen Keimes einen vorderen und hinteren, einen rechten und linken Arm besitzt, als eine primordiale 
Eigentümlichkeit und als Ausdruck einer nur noch in frühen embryonalen Stadien erhaltenen Radialität 
aufgefasst. Eine solche Auffassung gehört — nicht unseres Erachtens, sondern mit absoluter Sicherheit 
— zu den grundlosesten Annahmen, die je von der phylogenetischen Forschung konzipiert wurden. 
Die Kreuzfigur kommt bei so verschieden organisierten tierischen Typen vor, dass man mit ebensolchem 
Rechte die so zahlreich im Tierreiche wiederkehrende runde Gestalt überhaupt für Radialität halten 
müsste, für erworbene oder rückerworbene. Es sei uns erlaubt, die wir die Bildung des Ektodermkreuzes 
bei einer marinen und einer Süsswasserschnecke studiert haben, zu bemerken, erstens dass das Kreuz 
von Anfang an nicht radial gebaut zu sein pflegt, sondern symmetrisch, da sich namentlich am longi- 
tudinalen Armpaare immer stärker auftretende Differenzen bemerklich machen, zweitens, dass zwar die 
Konfiguration der animalen Seite bei ersten Furchungsstadien den Eindruck von Radialität hervorruft, 
besonders bei Chitonen, die vegetative Seite sich jedoch nicht radial, sondern ausgesprochen bi- 
lateral (bei Gasteropoden mit Asymmetrie verbunden) furcht. Dies ist jedoch nur nebensächlich. Die 
Radialität der Kreuzfigur erklärt sich von selbst eben dadurch, dass sie aus dichoto- 


— 17 — 


mischer Zellfurchung resultiert. Wenn sich eine Eizelle entwickeln soll, so muss sie zunächst ein 
zweizelliges Stadium durchlaufen. Bei äqualer Teilung ist dieses Furchungsstadium stets bilateral, mag 
die Imago radial, bilateral symmetrisch und sonst noch wie gebaut sein; und doch wird wohl niemand 
auf Grund dieser entwickelungsgeschichtlichen Thatsache behaupten wollen, dass die Urmetazoen des- 
halb bilateral gewesen sein mussten. Es folgt ein vierzelliges Stadium, welches wiederum der Ur- 
radialität das Wort sprechen würde. Wenn sich nun von den vier Makromeren kleine Blastomeren- 
quartette abschnüren, so kann ihre anfängliche Gruppierung überhaupt nicht anders sein 
als radial. Bilateralität stellt sich sodann möglichst zeitlich ein und betrifft nicht nur die beiden 
medianen Arme des Kreuzes selbst, sondern auch dessen nächste Umgebung; so sind die beiderseitigen 
Paare von auffallend grossen Trochoblasten, die interradial zwischen den Armen gelegen sind, in den 
zwei vorderen Quadranten ganz anders orientiert als in den hinteren. Auch der Rythmus der Zell- 
teilungen lässt, von frühesten Furchungsstadien angefangen, auf Bilateralität schliessen. 

Mit der genauen Darstellung der Mesodermbildung bei Amphioxus können wir eigentlich die 
Frage nach der Homologie des dritten Keimblattes als erledigt betrachten. Das Mesoderm der Ascidien 
entspricht einerseits nicht den Darmsäckchen des Amphioxus, welcher, der Chordoniergruppe angehörend, 
den Übergang zu Vertebraten vermitteln soll; anderseits fehlt die Homologie mit Wirbeltieren, da es 
sich ergiebt, dass das periphere Mesoderm der Selachier bei Amphiosıs kein Homologon findet (vgl. 
Samassa, 2, p. 167). Lwoff unterscheidet nämlich bei Wirbeltieren überhaupt zweierlei Mesodermarten 
in einer Weise, die seiner Auffassung der Dorsalplatte des Darmes entspricht: das axiale Mesoderm 
liegt neben der Rückensaite und ist ektodermal, jedoch zum Teil auch entodermal, das periphere, das 
auch den Cyclostomen fehlen dürfte, ist entodermal, namentlich aus Dotterelementen zusammengesetzt, 
doch ist auch das axiale Mesoderm aus der hinteren Gegend des Primitivstreifes daran beteiligt. Nach 
Lwoff verhalten sich in dieser Hinsicht Amphibien genau so wie die Teleostier. Andere Forscher haben 
die Ergebnisse Lwoffs im wesentlichen bestätigt, nur stellt A. Brauer in seinen Untersuchungen über 
die Entwickelung des Axolotls und der Gymnophionen die Beteiligung des Entoderms an der Bildung 
der Rückenplatte in Abrede; er hat vielmehr eine scharfe Grenze zwischen den Darmzellen und dem 
pigmentierten Mesoderm wahrgenommen. Wenn man den gesamten Dorsalteil des Darmes als Meso- 
derm ektodermalen Ursprungs auffasst, so muss man auch die Chorda dorsalis mit Lwoff, Brauer, 
Schultze u. A. als mesodermal und nicht als entodermal erklären. Nach Lwoff, Will, Mitsukuri 
wiederholt sich dasselbe auch bei Reptilien, nur sagen die beiden letzteren „primäres Entoderm“ anstatt 
„Mesoderm“. Beim Hühnchen, dessen Keimscheibe nach C. Koller aus einer oberen und unteren Lage 
besteht, entsteht das Mesoderm in der Gegend der Sichelfurche des Ektoderms (Taf. VI, Fig. 30) aus 
dem Ektoderm und dem darunterliegenden Entoderm, worauf es kranialwärts zwischen Ektoderm und 
Entoderm vorwächst. Eigene Schnittserien über junge Keimscheiben haben uns keine Überzeugung 
von einer unumstösslichen Richtigkeit dieser Angabe beibringen können; auch die Figuren Kollers sind 
nicht klar genug, um die Sache eindeutig zu bestimmen. Kopsch (5) hält den Urmundrand des Hühn- 
chens für Mesoderm, doch unterscheidet er mit Rabl eine ventrale Myoblastanlage in der Gegend der 
sogen. Caudallappen der Keimscheibe von der dorsalen, die rechts und links von der Mittellinie nach 
Bildung des Prostomialfeldes angelegt wird. Das Mesoderm der Säuger soll nach Keibel aus dem 
Ektoderm der Primitivstreifen in der „zweiten Gastrulationsphase“ hervorgehen; nach anderen Autoren 
verdankt ein Teil des Mesoderms seine Entstehung entodermalen Verdickungen. Nichts Derartiges ist 
bei Amphioxus zu finden. Im grossen und ganzen bietet die Mesodermbildung bei Vertebraten ebenfalls 
Modifikationen, die sich im Rahmen des von gemeinsamen Vorfahren Vererbten abspielen, sich jedoch 
in zwangloser Weise über die durch die Keimblätterlehre bestimmten Grenzen der Keimareale verschieben, 
und zwar nicht immer in einer Weise, die sich einfach aus dem Einflusse des anwachsenden oder ab- 


nehmenden Dottergehaltes ableiten liesse. 


—_— 1233 — 


Bezüglich des Amphioxus sei noch bemerkt, dass auch das spätere Verhalten seines Mesoderms 
von der Organogenie höherer Tiere wesentlich abweicht. 


Das Unnatürliche in dem Begriffe eines mittleren Keimblattes macht sich in den Begriffen des 
Mesenchyms und des epithelialen Mesoderms s. str. besonders bemerkbar. Es sind bekanntlich rein 
histologische Kategorien. Die Mannigfaltigkeit ihrer Genese und ihrer Wechselbeziehung ist in ihrer 
Gesetzwidrigkeit der Theorie gegenüber nicht mehr zu überbieten. Diese histogenetischen Vorgänge 
werden ja durch die Natur der Organe, die der Keim hervorzubringen hat. bedingt, und da ihre Natur 
im ganzen Bereiche der Metazoen ihrem Wesen nach stets dieselbe bleibt, so muss sich der Bildungs- 
vorgang selbst, je nach der phyletischen Prädisposition des Keimes verändern. Bei Coelomaten hat 
man versucht das Mesenchym genetisch mit gastralen Coelomsäckchen zu verbinden und als ihr Derivat 
darzustellen. Nach und nach haben sich jedoch die Beobachtungen gemehrt, das mesenchymale Zellen 
von sämtlichen Epithelien und Geweben des Keimes abstammen können. Bei Lamellibranchiaten z. B. 
schnüren Ektomeren später Generationen Mesenchymelemente ab. ganz unabhängig von den Haupt- 
bildungszentren des Mesoderms. Bei Coelomatenlarven findet man zahlreiche Mesenchymelemente, die 
sogar in Funktion treten und z. B. als Myoblasten fungieren, noch lange bevor das erste epitheliale 
Coelomsäckchen differenziert wird. Zellen, welche nach theoretischer Interpretation epitheliales Meso- 
derm liefern, sind mitunter histologisch ebenso embryonal als die Mesenchymzellen. Es existiert in der 
Wirklichkeit keine Grenze zwischen den beiderlei Mesodermanlagen. Ihre Derivate sind in zahlreichen 
Fällen gar nicht zu unterscheiden. Nach Balfour giebt es bei Wirbeltieren viele Muskeln mesenchy- 
matischen Ursprungs, die den übrigen vollkommen entsprechen. Bei Hirudineen, bei Trematoden ist es 
oft kaum möglich, zu entscheiden, ob man es mit mesenchymatischen oder mesodermalen Muskeln zu 
thun hat. Die Schnurwürmer sind echt schizocoele Tiere, die Anordnung ihrer Muskulatur entspricht 
jedoch den Hirudineen. Beiderlei Anlagen entwickeln sich nebeneinander, gehen ineinander 
über und können keineswegs als ein primäres und sekundäres Gebilde behandelt werden.*) 


Dieses gegenseitige Verhältnis ergiebt sich eigentlich von selbst aus der Thatsache, dass das 
mittlere Keimblatt nur eine Kollektivbezeichnung für verschiedenste Gewebe und Anlagen ist, nicht aber 
eine reelle Einheit. Ebenso wie wir das bei den beiden primären Keimblättern gesehen haben, ist kein 
einziges Organ qualitativ und genetisch an das sog. Mesoderm gebunden. Als Mesodermbildungen 
werden vor allem die Muskeln genannt. Wir haben aber bereits in vorigen Abschnitten des öfteren 
gesehen, dass die Muskulatur verschiedensten Ursprungs sein kann. Bei Coelenteraten entstehen die 
Muskelfibrillen auch in den Gonophoren sowohl aus dem Ektoderm als Entoderm, z. B. bei Physalia, 
nach Goto. Der Zeitpunkt, wann die betreffenden Anlagen tektonisch individualisiert werden, schwankt 
in weitesten Grenzen. Bei Phoronis findet die Sonderung nach Fättinger (1) schon im 8zelligen 
Stadium statt, während z. B. ein Strongylusembryo nach Wandolleck (1, p. 147) bereits stark aus- 
gewachsen ist, als sich erst die Muskulatur anlegt, an deren Bildung nach Goette (l) auch das Ekto- 
derm partizipiert. Bei den mehrmals erwähnten Platygasteren existieren im Cyclopsstadıum von meso- 
dermalen Anlagen nur die Muskeln für die Extremitäten, während die übrigen Mesodermanlagen virtuell 
in einer Keimstreif-artigen, ventralen Ektodermverdickung enthalten sind. 

Auch die Gonaden gehören keineswegs zu Derivaten des Keimblattes. Des öfteren sind die 
Propagationszellen sehr früh ditferenziert, bevor noch der Keim zur Differenzierung von Epithelien 
schreitet. Unseres Ermessens besitzt das Verhältnis der Propagationszellen zu somatischen 
Zellen und der Zeitpunkt ihrer Differenzierung für phylogenetische Beurteilung der 


*) Vgl. Haeckel, 15, p. 516, wo die Ursprünglichkeit des Gastralmesoderms erörtert wird. 


— 129 — 


Organismen eine weit grössere Bedeutung als z. B. die Darmanlage, Bei gemeinsamer Ab- 
stammung verhalten sich die Gonaden ihrer Lage und Entwickelung nach ziemlich gleichförmig, ohne 
natürlich, je nach dem Grade und Einseitigkeit der phyletisch summierten Anpassung der Organismen, 
in ihren notwendigen Modifikationen die Keimblattgebiete zu respektieren. Wenn wir bei Onychophoren 
und Chilopoden die Gonaden als Derivate der Ursegmente erkennen und bei Insekten, mit Wheeler, 
Heymons u. A. nur einen Teil ihres Ausführungsapparates aus den Ursegmenten entstehen sehen, oder 
gar von Erlanger (3) erfahren, dass bei Tardigraden die Geschlechtsdrüsen vom Darmkanal als dorsale Aus- 
stülpung, ähnlich den lateral sprossenden Exkretionsorganen, geliefert werden, so können wir das entwicke- 
lungsgeschichtliche Ergebnis auf einen einheitlichen Typus zurückführen, während wir, vom Gesichtspunkte 
der Keimblätterhomologie aus, auf fundamentale und geradewegs unerklärliche Gegensätze stossen würden. 

Das Mesoderm hat demnach für die Organologie der Tiere nicht nur keine reelle Bedeutung, 
sondern besitzt nicht einmal den Wert einer ordnenden Hilfsvorstellung; es ist im Gegenteil geeignet, 
grosse Verwirrung zu verursachen. Nur verwirrend können in die vergleichende Forschung Thesen ein- 
greifen, wie die Mesodermtheorie Rabls, welche besagt, dass das Mesoderm sämtlicher Bilaterien, die 
monophyletischen Ursprung haben, homolog ist, weil es bei Amphioxus ebenso beschaffen sei, wie bei 
Wirbellosen: das Mesoderm des Kopffortsatzes bei Vögeln und Säugern sei entodermalen Ursprungs und 
verwachse nachher (was nicht richtig ist) mit dem gastralen Mesoderm. Es wirkt verwirrend, wenn 
Hatschek Mesepithelien und Mesenchym aus einem primären einheitlichen Mesoderm oder Wilson die 
Polzellen der Anneliden und Mollusken vom Archenteron abzuleiten versucht. Die Einen bringen den 
Uranfang des mittleren Keimblattes mit der Differenzierung von Geschlechtszellen in Verbindung, die 
in das Innere gelangten, die Anderen, wie Meinikoff oder Goette, halten es für nicht differenziertes 
Gewebe. Nach Braem soll dasselbe als eine an der Grenze zwischen Ektoblast und Entoblast liegende 
Zone vorhanden sein, welche um so breiter ist, je äqualer die Furchung. Meyer (1) hält das Mesoderm 
für einen Anlagekomplex gesonderter Organe, dessen Hauptteil, ein embryonales Genitoperitonealgewebe 
als primäres Organ aus den Keimzellen der Blastaeaden hervorgegangen sein dürfte. Nach Rabl waren 
Polzellen einfach Sexualzellen. Gegenseitig pflegt man sich bei der Deutung der Verhältnisse starke 
theoretische Beeinflussung vorzuwerfen. Es ist auch versucht worden, anstatt eines einzigen zwei mitt- 
lere Keimblätter zu unterscheiden, entweder zwei gesonderte Epithelialanlagen oder als Mesoderm und 
Mesenchym. Der Versuch, die Tierformen nach dem Prinzip gastraler Mesodermsäcke zu betrachten und 
zu sichten, konnte nicht glücken; im Systeme müssten Sagitta, Amphioxus und bis vor kurzem Paludina 
als einheitliche Gruppe zusammengefasst werden, die beiden Bryozoenklassen müssten in ganz ver- 
schiedene Gruppen gelangen. Das Ergebnis wäre demnach dasselbe, wie wenn die Tiere nach dem 
Verlauf der Furchung geordnet werden sollten. Wenn es viele Anzeichen giebt, dass selbst das regel- 
rechte Blastulastadium, soweit es in der Entwickelung vorkommt, nicht immer als monophyletisch, also 
im Sinne der Phylogenie als primär, aufgefasst werden dürfte, so gielt dasselbe in noch höherem Masse 
von den Ausstülpungen des Urdarmes. Wenn daher Eisig und Andere bestrebt sind, in der Entwickelung 
der Ektomeren bei Anneliden, Lamellibranchiaten, Gasteropoden, in einer anderen Richtung bei Roti- 
feren u. s. f. eine vollkommene Übereinstimmung (organologisch) aufzudecken, so kann das auf Mesoderm 
keinen Bezug haben. Ich muss gestehen, dass ich trotz grösster Aufmerksamkeit und aller Kenntnis 
der einschlagenden Litteratur den Ausführungen Eisigs (1, p. 155 ff.) nicht folgen konnte. Nach ihm 
seien die Teloblastzellen des Mesoderms weder ektodermal noch entodermal, sondern jenen primären 
Blättern „beigemengt“; beigemengt als selbständige Nachkömmlinge der Geschlechtszellen, die bei 
niederen Tieren ebenfalls entweder dem einen oder dem anderen Keimblatte „beigemengt‘ sein können. 
Nun wissen wir, dass die Mesoblasten der Polycladen, das Mesenchym der Anneliden und der Mollusken- 
larven vom Ektoderm kommen; das Mesoderm der Rotiferen kommt vom Ektoderm; Teile der Niere, 
das Herz und Perikard sind oft ektodermal, wie bei Limax oder Vaginula; wir wissen, dass die Muskeln 

Garbowski, Morphogenetische Studien. 17 


— 130 ° — 


bei Nematoden und manchmal bei Vertebraten, wie, nach Kupffer, die ventralen Halsmyomeren des 
Ammocoetes, vom Ektoderm abstammen, dass sogar Skeletteile bei Vertebraten ektodermal sind (nach Julia 
Platt); dass anderseits die Pigmentzellen bei Nereis „teilweise“ entodermal sind, weil dort — wie es 
Wilson erklärt — primäre Mesoblasten Mesentoblasten sind, ferner, dass auch die Rückenseite der 
Anamnier und das Blutgefässsystem der Amphibien „teilweise‘‘ vom Entoderm geliefert werden. Auch 
bei der Regeneration der Ringelwürmer wird für mesodermale Neubildungen ein anderes Blatt, zumeist 
das äussere, am stärksten beansprucht (A. Michel). Angesichts derartiger Ergebnisse direkter Beob- 
achtung dürfte das (gegen Biomechaniker aufgestellte) Programm Eisigs, Organbildung bis auf Blasto- 
meren zurückzuverfolgen, wenig geeignet sein, seine Voraussetzungen zu bestätigen. Je eingehender 
unsere Kenntnisse auf embryologischem Gebiete sein werden, um so sicherer werden wir die prospek- 
tiven Potenzen, die an drei primordiale Organanlagen gebunden zu werden pflegen, in mannigfaltigsten 
Kombinationen an einzelne Blastomeren verteilt finden. Durch diese Mannigfaltigkeit und Ver- 
teilung erscheint aber zumal der Begriff des mittleren Keimblattes ohne Rest aufgehoben. 
Es giebt übrigens Tierkreise, von denen schon heute behauptet wird, dass sie kein Mesoderm besitzen: 
so die Poriferen und Coelenteraten. Bei diesen Tieren wandern in die gallertige Zwischenschicht des 
Körpers aus dem Ektoderm, aber auch aus dem Entoderm, Zellen aus, die als Mesoderm fungieren; 
einige Autoren, wie Bourne, namentlich aber Lendenfeld, versuchten zwischen einer primären Meso- 
glea und einem sekundären, subepithelialen Mesoderm eine morphogenetische und begriffliche Grenze 
zu ziehen. Es bleibt aber Thatsache an sich, dass die mesodermalen Elemente von sämtlichen, äusseren 
und inneren Epithelien des Organismus herstammen, hier und da von denselben sogar zeitlebens nicht 
getrennt werden. Was kann aber für einen Wert ein Keimblatt als orientierende Hilfsvorstellung be- 
sitzen, in wiefern kann eine die Orepidula betreffende Annahme, es finde bei dieser Form die Verlage- 
rung der Polzellen aus dem Entodermverbande etwas später als bei verwandten Formen statt, als Er- 
klärung gelten, wenn es sich zeigt, dass die mit dem Begriffe des Mesoderms verbundenen Eigenschaften 
und Akzidentien über einzelne Zellen des gesamten Organismus zerstreut werden können? Es kann 
uns nicht überraschen, dass bei Tieren, deren Eier den gleichen oder sehr ähnlichen Bau besitzen, wie 
bei Mollusken, die Furchung, das Schicksal der „Kreuzfigur“ u. dgl. ähnlichen Verlauf nehmen; weniger 
einleuchtend ist der Umstand, dass bei Polycladen die Furchung mehr oder minder verwandte Bilder 
bietet. Unsere Aufgabe ist, zu forschen, welche Resultate den Organismus dazu führen, den oder jenen 
Weg der Entwickelung einzuschlagen, um zu dem Endresultate seines Baues zu gelangen; und es 
stehen ihm stets mehrfache Wege zur Verfügung, was von Roux in dem Begriffe „atypischer‘“ Onto- 
genie präzisiert worden ist. Dann erst können wir vergleichen. 

Dass aber das Mesoderm als Begriff weder fähig, in dieser Richtung irgend etwas begreiflich 
zu machen, noch als Grundpfeiler einer Theorie verwendbar ist, von welcher aus, deduktiv, das 
normale, morphogenetische Geschehen zu erschliessen wäre, das dürfte auch denjenigen einleuchten, 


die mit Gedankenreihen weniger gewandt als mit Schnittserien umzugehen wissen. 


X. Abschnitt. 
Über den Begriff der Leibeshöhle. 


Wie nicht anders zu erwarten war, hat die Lehre von der Homologie der Keimblätter auch die 
Homologisierung der Leibeshöhle versucht. Sämtliche Organe, die den Körper zusammensetzen, wären 
als Derivate stets derselben Keimepithelien miteinander homologisiert. Die Leibeshöhle, der Raum, in 


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dem sich die Organe entwickeln und neben einander liegen, gilt für kein Organ, dürfte jedoch von der 
allgemeinen Regel morphogenetischer Einheitlichkeit keine Ausnahme bilden; um die Erklärung der 
einen Tierform aus der anderen vollständig zu machen, erübrigte es nur nachzuweisen, dass auch der 
allgemeine Körperraum, der die Organe aufnimmt, stets derselbe bleibt und von denselben Keimschichten 
umgrenzt wird. Die Mannigfaltigkeit des mittleren Körpergewebes, welches naturgemäss in engste Be- 
ziehungen zur Leibeshöhle treten muss, und sein ungleicher Entwickelungsgrad haben es jedoch un- 
möglich gemacht, den Nachweis einer solchen Einheitlichkeit wirklich zu führen. So war man von An- 
fang an genötigt, wenigstens zwei Arten der Leibeshöhle zu unterscheiden. Die Begriffe Schizocoel 
und Enterocoel findet man schon bei Huxley; doch wurde der Gegensatz zwischen der primären und 
sekundären Leibeshöhle erst von Claus und Hatschek präzisiert. Je nach der Beschaffenheit der 
Leibeshöhle pflegt man gegenwärtig die Tiere in Proto- und Deuterocoelier einzuteilen. Jene, auch 
Schizo- oder Pseudocoelier, in Bezug auf die Coelomtheorie Acoelomaten genannt, behalten zeitlebens 
ihr Blastocoel als Leibeshöhle. Bei diesen entsteht die Leibeshöhle sekundär als Lumina der Mesoderm- 
anlagen, die folglich sämtliche Leibeshöhlenepithelicn zu liefern haben; ihre Leibeshöhle, das Coelom, 
wäre in allen Fällen homolog, wenn sie phyletisch und ontogenetisch samt der Mesodermanlage stets 
den gleichen Ursprung haben würde. Der Name Enterocoel deckt sich mit der Hypothese der Gebrüder 
Hertwig, das Coelomsäckchen stamme vom Archenteron ab, dessen Ausstülpung es ursprünglich ge- 
wesen, und sei im Laufe der Entwickelung zur Abschnürung und völliger Selbständigkeit gelangt. 
Andere Theoretiker leiten das Coelom in einer anderen Weise ab, der Leitgedanke einer phyletischen 
Einheitlichkeit der Coelomaten bleibt aber überall derselbe. 

Wie wir im mittleren Keimblatt selbst, den beiden Primordialorganen analog, einen künstlichen 
Kollektivbegriff für verschiedenste Anlagen erkannt haben, deren stammesgeschichtliches Verhältnis zu 
einander noch unbekannt ist, ebenso kann auch der Begriff einer einheitlichen Leibeshöhle unmöglich 
der wirklichen Sachlage Rechnung tragen. Es giebt ganze Tierkreise, welche in die künstlich ver- 
allgemeinerten Kategorien durchaus nicht passen wollen. So werden die Mollusken von den einen als 
echte Protocoelier (Schizocoelier) von den anderen als Coelomaten behandelt. Namentlich das Herz- 
säckchen soll dem echten Coelom entsprechen. Nun aber hat Tönniges nachgewiesen, dass bei ge- 
wissen Gasteropoden der gesamte sogen. Mesoblast vom Ektoderm kommt, baldigst in seine Derivate 
zerfällt und dass auch das Perikardium als Hohlraum in eingewucherten Häufchen von Ektodermzellen 
angelegt wird, wodurch jede Beziehung desselben zum Coelom aufgehoben wird. Auch in Kofoids 
lesenswerter Arbeit (1, p. 75 ff.) ist der Beweis erbracht worden, dass in Mesodermcentren, die bei vielen 
Mollusken, ähnlich wie bei Anneliden, in Form von lateralen Streifen von den Polzellen geliefert werden, 
ein Coelomspalt überhaupt nicht zur Anlage gelangt. 

Bei Tieren, bei denen die Anlage des Coeloms auf Spalträume im Mesoderm zurückgeht, welche 
frühzeitig obliterieren, beziehungsweise in mesenchymatischer Auflösung aufgehen, werden oft Teile des 
Blutgefässsystems als Überreste der eigentlichen Leibeshöhle der Coelomaten aufgefasst; so gerade bei 
Mollusken, bei vielen Arthropoden u. dgl. Aber auch das Blutgefässsystem bildet keine phyletische 
Einheit im Sinne der Keimblätterlehre. Bütschli hat bekanntlich schon 1883 die Ableitung desselben 
von der primären Leibeshöhle, d. i. vom Blastocoel versucht. Bei Vertebraten wurde das Herz mit dem 
Entoblast in Verbindung gebracht. H. E. Ziegler hält dasselbe bei Wirbeltieren für eine mesenchy- 
matische Bildung und nur bei Cyclostomen und Amphibien sei die Anlage teilweise auf das innere 
Keimblatt verschoben worden. Dieses Und ist für die Natur. der ganzen Frage gewiss bezeichnender 
als eine Reihe einzelner Beispiele. Ziegler ist denn auch wirklich zu dem Schlusse gelangt, dass die 
Leibeshöhle in einzelnen Stämmen höherer Metazoen einen gesonderten Ursprung haben muss. 
Nach allem, was wir in diesem Kapitel bereits vorgebracht haben, dürfte es sich kaum verlohnen, auf 


die beiden jetzt herrschenden „Einheitlichkeitstheorien“, die Coelomlehre und Rablsche Polzellenlehre 
17% 


— 132 — 


ausführlich einzugehen. Coelomsäckchen wären nach O. und R. Hertwig primär aus Urdarmtaschen 
entstanden, weil schon das Gastrocoel der Aktinien Septaltaschen besitzt, in welchen Gonaden zur Ent- 
wickelung kommen. In die bunte Gesellschaft der Organismen, welche jenes primäre Verhalten bewahrt 
haben, wie die Stachelhäuter, die Brachiopoden, die beiden Klassen der Schulginschen Vermidien, 
Chaetognathen und Axobranchier, die Chordaten, haben die Autoren der Coelomtheorie auch die Faden- 
würmer gestellt, obwohl bei diesen Tieren zwei Urmesodermzellen und mesenchymatische Muskeln auf- 
treten. Schon durch das systematische Verhältnis der genannten Tiere zueinander wird das Zufällige 
einer solchen Gruppierung in richtiger Weise beleuchtet. Aber selbst in den angeführten Gruppen liegt 
die Sache durchaus verschieden. Die Coelombildung des Amphioxus wird weder bei Vertebraten noch 
bei Manteltieren wiederholt. Es wird irrtümlich behauptet, dass z. B. bei Amphibien parachordale Coelom- 
divertikel auftreten. Wie aber schon Goette gezeigt hat, würde es sich bei Wirbeltieren, von Cyclostomen 
angefangen, höchstens um einen Abspaltungsprozess zwischen den beiden unteren Keimschichten handeln. 
Unter Tunicaten hat Castle bei Ciona eine sehr frühe Differenzierung der Keimblätter entdeckt und konnte 
schon im Blastulastadium die Mesomeren von den übrigen Zellen genau unterscheiden. Mac Bride (1) 
der ebenfalls für die Ursprünglichkeit der Urdarmtaschen eintritt, hält in erster Linie die Larven der 
Echinodermen für beweisend. Aber gerade das Verhalten der von ihm herangezogenen Organismen 
beweist mit aller wünschenswerten Klarheit, dass für die Entstehungsweise des Coeloms innere Indika- 
tionen und Bedürfnisse des Organismus entscheidend sind, welche, solange sie in ihrer voraussichtlichen 
Einfachheit nicht bekannt sind, morphogenetischen Vorgängen den Charakter des Zufälligen auflegen 
und jede Homologie verbieten. Das Darmdivertikel ist bei gewissen Echinodermenlarven die Anlage 
eines Säckchenpaares, von denen das eine reines Coelom enthält, das andere dagegen zur Hälfte die 
Leibeshöhle, zur Hälfte das Gefässsystem liefert. Bei einer Holothurienlarve liefert zwar das Vasoperito- 
nealsäckchen die gleichen Derivate, aber die Nacheinanderfolge ihrer Entstehung ist verschieden: was 
sich vom Mesenteron abschnürt, ist das künftige Hydrocoel und das gesamte Coelom ist eigentlich nicht 
ein Derivat des Darmes, sondern des Gefässsäckchens. Das genetische Verhältnis kann sich demnach 
verschieden gestalten. Bei Chaetognathen ereignet sich aber das Merkwürdige, dass zuerst der Coelom- 
sack von der Blastula aus durch Invagination gebildet wird und nachher der Darm als Derivat der Leibes- 
höhle seinen Ursprung nimmt und dies durch Wachstumsprozesse, die sich ohne Schwierigkeit auf 
Faltenausstülpung zurückführen liessen. Wie man sieht, kann die Leibeshöhle, auch dort, wo 
sie als sackförmige Falte angelegt wird, entweder vor dem Darme oder aus dem Darme 
oder erst aus einem Derivate des Darmes zur Anlage gelangen. 

Anhänger der Enterocoeltheorie, wie z. B. Schimkewitsch (8, p. 353), sind geneigt bei der 
Organogenie alle Abfaltungsprozesse für primär, jede Organbildung aus vorher abgesonderten Zellen 
für sekundär zu halten. Diejenigen, die mit Rabl das Coelom von den Polzellen ableiten, sind entgegen- 
gesetzter Ansicht. Die zumeist metamerisch gegliederten, von den Polzellen ausgehenden, paragastralen 
Mesodermstreifen illustrieren den phylogenetischen Hergang der Differenzierung, weil die Polzellen ein 
Überrest jener Keimzellen sind, welche ursprünglich aus dem Blastoderm in das Blastocoel einzuwandern 
pflegten und nach Lokalisierung der Einwanderung am Urmundrande in der Nähe des Urmundes eine 
Primordialgonade zur Entwickelung brachten. Das Coelom wäre nach dieser Auslegung mit der Genital- 
höhle gleichbedeutend und die Metamerie der Coelomtaschen bei Anneliden wäre durch die metamere 
Anordnung der Gonadensäcke bei Nemertinen und sogar schon bei Tricladen vorbereitet. Der Gono- 
coelhypothese steht die sogenannte Nephrocoeltheorie gegenüber, welche den Ursprung des Deuterocoels 
in das Lumen der Nephridialsäckchen verlegt und deshalb auch für die Organe der Exkretion Homo- 
logie, d. i. einen einheitlichen Ursprung postulieren muss. Dass diese Auffassung nicht stichhältig ist, 
ergiebt sich aus einer Reihe von Arbeiten R. S. Berghs, die einen exakten Nachweis erbracht haben, 
dass zwischen den verzweigten Nephridien der Rotiferen und Plathelminthen einerseits und den Seg- 


— 13 — 


mentalorganen der Articulaten andererseits kein phyletischer Zusammenhang besteht.*) Bergh gebührt 
das Verdienst, auf die anatomische Thatsache Nachdruck gelegt zu haben, dass die Segmentalorgane 
stets als Ausführungsgänge der Coelomtaschen fungieren, während durch die Einheitlichkeitstheorie des 
Exkretionsapparates dieser Zusammenhang aufgehoben und als eine sekundäre Erscheinung angesehen 
werden müsste. Indem Bergh im Coelothel ein phyletisches Primordialorgan erblickt, ist er geneigt 
das Coelom der Articulaten von den Geschlechtsfollikeln der Schnurwürmer und der Plathelminthen ab- 
zuleiten; auf diese Weise wäre die Kontinuität der Coelomanlage, die bei jedem Versuche der Homo- 
logisierung vorausgesetzt wird, leichter herzustellen als bei Ableitung von Nephrocoel. Die letztere Mög- 
lichkeit (Faussek u. A.) ist um so weniger wahrscheinlich, als die Geschlechtsprodukte sodann in der 
Leibeshöhle, die einfach das vergrösserte Anfangsbläschen des Exkretionsapparates sein würde, in die 
schädigende Nähe der Exkretstoffe gelangen müssten. Wir halten es für überflüssig, sämtliche die 
Phylogenie der Leibeshöhle betreffenden Konjekturen an dieser Stelle wiederzugeben, um so mehr als 
man sich aus dem schönen und klaren Referat H. E. Zieglers (3) über den derzeitigen Stand der 
wichtigsten Hypothesen leicht orientieren kann. Es sei nur zur Charakteristik des gegenwärtigen Standes 
der Frage hervorgehoben, dass der Verfasser die morphogenetisch untersuchte Tierwelt in Bezug auf 
die Verhältnisse der Leibeshöhle schliesslich in drei Gruppen zu sondern genötigt ist, in Protocoelier, 
in Deuterocoelier und in solche. welche die Merkmale beider Arten von Leibeshöhle besitzen und ihre 
Zugehörigkeit unentschieden sein lassen. 


Ohne den Leser mit Einzelheiten zu überbürden und mit der Kritik der Hypothesen zu ermüden, 
glauben wir das Richtige in den bündigen Satz fassen zu können, dass diese Verhältnisse nur als ein 
Ausdruck morphologischer und physiologischer Postulate zu begreifen und zu vergleichen 
sind. Diese Fassung dürfte nicht überraschen, wenn man den Standpunkt berücksichtigt. den wir der 
Morphogenie gegenüber eingenommen haben. Dass bei höheren Tieren besondere Epithelien und Kon- 
nektivgewebe den Darm und die Organe von einander abgrenzen werden und dass Hand in Hand mit 
der Vervollkommnung der inneren anatomischen und geweblichen Differentiation auch der Exkretions- 
apparat sich komplizieren und modifizieren muss, halten wir für selbstverständlich. In diesem Sinne 
wird jeder höhere Organismus zum Deuterocoelier, während wir in ursprünglichen Tieren und in jungen 
Entwickelungsstadien hoch organisierter Tiere, so lange sich die allgemeinen Verhältnisse des Baues in 
denselben noch mit primitiver Einfachheit gestalten, protocoele Organisationsstufen erkennen werden. 
Weil nun auch die jüngsten Stadien die Lebensfunktionen ausüben. Nährstoffe aneignen und ausscheiden, 
so können sie schon in relativ jungem Alter und bei einer relativ noch einfachen Organisation — man 
denke an eine Gastrula der Cephalophoren — besonderer Exkretionsorgane nicht entbehren. Diese 
Organe bleiben nicht unverändert und können es nicht thun, sondern müssen entweder selbst eine 
gründliche Umbildung, Vervollkommnung und Vervollständigung erfahren oder neuen, vollkommeneren 
und vollständigeren Nephridialanlagen den Platz räumen. Auf diese Weise wird uns die Thatsache ver- 
ständlich, warum eine junge Molluskenlarve ähnliche, blindgeschlossene aber funktionierende Urnieren 
besitzen wird, wie die imaginalen Stadien niedriger Würmer oder Vermidien, und warum sie nachträg- 
lich, einer Annelidentrochophora analog, die ihre Kopfniere zu Gunsten der coelomalen Metanephridien 
rückbildet, ihr larvales Organ gegen einen neuen Exkretionsapparat vertauschen muss, welcher der zu- 
nehmenden physiologischen Differenzierung und der veränderten Topographie interorganeller Hohlräume 
besser entsprechen wird. Sofern das Wesen der Assimilation und der Ausscheidung und die embryonalen 
Vorgänge der Organbildung wohl im ganzen Gebiete der Metazoen dieselben bleiben, so werden wir 
naturgemäss, ähnlich wie bei der Darmbildung, auch bezüglich der Leibeshöhle und ihres Zusammen- 


*) Zuletzt in der gegen Vejdowsky gerichteten Schrift: Bergh, nochmals über die Entwickelung der Segmentalorgane. (Zeit- 
schrift f. wiss. Zoologie, Bd. 66, p. 446). 


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hanges mit den Nephridialanlagen — auch mit den Gonaden — mehrfache Analogie und viele Anhalts- 
punkte zu vergleichender Betrachtung finden; dies ist aber auch alles, was sich darüber aussagen lässt. 
Als direkte Beweise für gemeinsame Vergangenheit können wir jene Analogien nie und nimmer ver- 
werten. Dass gerade in dieser Richtung durch Überschätzung des phylogenetischen Wertes embryo- 
logischer Kongruenzen gesündigt wird, daran brauchen wir wohl nicht zu erinnern. Wir zögern nicht, 
diesen Vorwurf selbst auf die phyletische Interpretation metamerisch angelegter Urcoelomsäckchen der 
Articulaten auszudehnen. Viele Leser, die uns vielleicht bis hierher nicht ohne Zustimmung gefolgt 
sind, dürften hier gegen diese unsere Schlussfolgerungen, entrüstet, Verwahrung einlegen; nicht vielen 
von ihnen dürfte aber so manche Einzelheit der coelomalen Metamerierung gegenwärtig sein, die 
zweifellos als Ausnahmefall behandelt sein würde. Und doch dürfte z. B. die Thatsache — um wenigstens 
ein konkretes Beispiel anzuführen — dass bei manchen Arachnoideen die Coelomsäckchen mit unwider- 
leglicher Deutlichkeit zuerst im ersten, dann im vierten, dann im zweiten und dritten etc. Körpersomit 
angelegt weıden, zu jenen Ausnahmen gehören, von denen eine einzige hundert positive Aufstellungen 
aufwiegt. Einen willkommenen Ausblick auf das Gebiet phylogenetischer Werte und Unwerte bietet 
uns auch das Vorkommen vergänglicher Spalt- oder Hohlräume zwischen den Blastomeren in der Em- 
bryogenie der Mollusken. Den Vorgang habe ich selbst beobachten können; in der Litteratur wurde 
derselbe besonders bei Planorbis und Limax beschrieben. Zwischen den zwei ersten Blastomeren ent- 
steht eine „Leibeshöhle‘, die mitunter so bedeutend werden kann, dass sich die Zellen als zwei an- 
einander gelegte Hohlkugeln ausnehmen; sodann wird der Hohlraum wieder zum Schwunde gebracht, 
um nach der zweiten Furchung aufs neue aufzutreten, worauf sich das Spiel nach jeder weiteren Furchung, 
wohl bis zum 24zelligen Stadium wiederholt, das ist so lange, bis sich nicht die vergänglichen Hohl- 
räume zu einem gewöhnlichen Blastocoel zusammenschliessen. Liesse sich ein derartiger Entwicke- 
lungsgang nicht zu Gunsten einer Hypothese ausbeuten, dass das Blastocoel garnicht primär ist, sondern 
eine lange Reihe phylogenetischer Umbildungen hinter sich hat, weit länger als die, welche wir in der 
Umbildung protocoeler Entwickelungsstadien in deuterocoele zu erkennen vermeinen, und dass uns das 
Blastocoel nur deshalb als primordiale Bildung imponiert, weil jene Reihe in den Palimpsesten der Biogenese 
durch die Allmacht der Cenogenie ausgelöscht worden ist? 

Die Anwesenheit von Exkretionsapparaten ist ohne jedwede Rücksicht auf Phylogenie ein phy- 
siologisches Postulat. Was ist aber primär, was sekundär? Solche Fragestellung müssen wir als sinnlos 
bezeichnen. Ziegler hebt mit Recht hervor, dass es unmöglich ist, auf Grund der Thatsachen der 
Embryologie über die palingenetische oder cenogenetische Natur derselben den Entscheid zu führen; 
eher auf Grund der Anatomie. Es scheint uns aber, dass das letztere noch weniger Erfolg haben würde. 
Mit Bezug auf die Enterocoeltheorie der Gebrüder Hertwig bemerkt Ziegler, welcher das Coelom 
aus dem Protocoel ableitet, dass für die Annahme der Entwickelung der Coelomsäcke samt allen meso- 
dermalen Derivaten aus Darmdivertikeln durch den Zusammenhang des Mesoderms und Entoderms im 
Parenchym acoeler Turbellarien und — es wäre hinzuzufügen — der Protacoelier nicht unterstützt 
werden kann, weil sich bei höheren Strudelwürmern eine deutliche Grenze zwischen den beiden Geweben 
nachweisen lässt. Man könnte aber Ziegler, zumal er sich zu Gunsten der Anatomie und der Nephro- 
coeltheorie ausspricht, ein Argument entgegenhalten, welches die Enterocoeltheorie kaum je verwertet 
hatte, dass bei ursprünglichen Crustaceen, wie die Copepoden, das Geschäft der Ausscheidung oft ge- 
wisse Zellen des Darmkanals besorgen, ohne sich in besondere Drüsenanhänge zu differenzieren, und 
dass in den Malpighischen Gefässen thatsächlich ein Organ vorliegt, welches sich als ein ursprüng- 
liches Deuterocoel, dessen Verbindung mit dem Gastrocoel dauernd besteht, ausdeuten liesse. Jedoch 
mit den Malpighischen Harnröhrchen, die entodermalen oder ektodermalen Ursprung haben können, 
haben die Coelomtheorien nie etwas rechtes anzufangen gewusst. Die Entwickelungsgeschichte dieser 
Harnröhrchen beweist fürs erste, dass es ein vergebliches Bemühen wäre, Homologie zwischen ihnen 


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und den Segmentalnephridien zu suchen, zweitens dass die Nierenorgane, ganz nach Art der Atmungs- 
organe, je nach den physiologischen und phyletisch-morphotischen Prämissen in verschiedenste Gegenden 
des Organismus verlegt sein können, drittens dass selbst in eng umschriebenen Gruppen die Nephridien 
in verschiedener Weise angelegt werden. Die Nephridien der Skorpioniden liessen sich als mesenterale 
Ausstülpungen eher mit hepatopankreatischen Blindschläuchen der Crustaceen homologisieren und die 
Nieren der Acarinen sind eher den Coxaldrüsen anderer Arthropoden als den übrigen Malpighischen 
Gefässen gleichzustellen. Höchst bemerkenswert ist das Verhalten der Nierenorgane bei Onychophoren, 
wo sie trotz der morphologischen Verwandtschaft dieser Tiere mit Myriopoden, morphologisch dem 
Typus der Segmentalnephridien entsprechen. Die vorderen werden nachträglich in Speicheldrüsen ver- 
wandelt, also in ein Organ, welches in die Kategorie ektodermaler Drüsen hingehört; dies geschieht 
auf diese Weise, dass sich die trichterförmigen Nephrostomata schliessen und die Nephridien als An- 
hangsblasen der Speicheldrüsen persistieren; der Drüsenschlauch wächst in die Länge, und die Aus- 
führungsmündungen, die innerhalb des Mundwulstes liegen, nähern sich und vereinigen sich zu einer 
unpaaren Öffnung, welche in das Innere der Leibeshöhle zu liegen kommt, weil vom Ektoderm aus 
nachträglich ein Ausführungsgang nach Art eines Stomodaeums gebildet wird.*) ‘Die Speicheldrüsen 
der Tausendfüssler werden indessen von Anfang an als ektodermale Drüsensäckchen angelegt. Die 
Wehrdrüsen der Myriopoden werden hingegen von Eisig als Nephridien angesehen. Physiologisch 
wird man den Ausführungsgang der Exkretionssäcke des Flusskrebses mit den Chloragogenzellen der 
Oligochaeten, vielleicht auch mit den Nephridialgängen der Acranier, den Harnröhrchen der Wirbeltiere 
und dem Bojanusschen Organ der Lammellibranchiaten vergleichen müssen. Bei Mollusken, welche, 
wie erwähnt, keine Coelomhöhle zur Entfaltung bringen, wird aber die Urnierenanlage, ebenso wie der 
Herzbeutel vom Ektoderm aus als Hautdrüsensäcke eingestülpt, z. B. bei Vaginula. Es wird überhaupt 
bei der Erforschung der Exkretionsorgane ein viel zu grosser Nachdruck auf die Keimblätterlehre gelegt, 
während bei der mitunter kaum durchführbaren Suche nach der Mutterschicht, auf wesentlichste, physio- 
logische Charaktere der Nephridien kaum geachtet wird. Die Thatsache selbst, dass bei Mollusken die 
Nieren oft direkte Derivate des Ektoderms sind, bietet einer physiologisch gefassten Homologisierung 
kein wesentliches Hindernis, weil das Mesoderm, trotzdem es von einer Entomesomere herstammt, also 
mit der Darmanlage in Verbindung steht, anderseits, nach der Entdeckung von Wierzejski u. A., auch 
vom Ektoderm der Basommatophorenlarven geliefert wird, also eine Verbindung mit dem äusseren Blatt 
ebenfalls bekundet. So viel über die Exkretion. 

Ein weiterer Schluss, zu dem wir bei vorurteilsfreier Sichtung des Materials gelangen, ist, dass 
sowohl der Begriff der primären als der sekundären Leibeshöhle embryogenetisch nicht einheitlich ist, 
sondern nur in ungefährer Weise gewissen besonders hervorstechenden Fällen zu oberflächlicher 
Charakteristik dienen könnte, während diese Fälle einer kontinuierlichen, unerschöpflichen Reihe von 
Differenzierungsstufen und Übergängen angehören. Die Merkmale der beiden Kategorien wurden haupt- 
sächlich auf die Begriffe des Mesoderms und des Mesenchyms gestützt. Aber seitdem Balfour die Un- 
möglichkeit nachgewiesen hat, zwischen enchymatischen und epithelialen Muskeln einen strengen Unter- 
schied durchzuführen, wurde es evident, dass jene Begriffe ebenfalls nicht exakt sind, sondern zur Be- 
zeichnung embryonaler Sammelgewebe verwendet wurden, welche ineinander kontinuierlich übergehen. 
Ebenso wie man im blasigen Parenchym der Plattwürmer ein Homologon für das peritoneale Endothel- 
gewebe der eucoelomen Articulaten gesucht hat, ebenso ist es sehr oft unmöglich zu entscheiden, ob 
ein Tier den Protocoeliern oder Deuterocoeliern zugerechnet werden soll. Sehr bezeichnend sind in 
dieser Hinsicht insbesondere solche Formen, welche nur eine Hälfte des Peritoneums, entweder dessen 
parietales oder viscerales Blatt zur Entwickelung bringen. Es entstehen dabei für derlei künstliche, 


*) Die Tracheenbündel sind morphogenetisch den Hautdrüsen der Ringelwürmer gleichzusetzen. 


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begriffliche Sonderung ähnliche Schwierigkeiten wie bei der Darmbildung durch partielle Delamination, 
wo das Archenteron kein reines Gastrocoel, sondern zugleich auch Teile oder das ganze Blastocoel 
umschliessen würde! Es sei uns erlaubt, auf die Entwickelung der Amphipoden hinzuweisen. Bei 
Orchestia, wo die Anlage mesodermaler Organe zum Teil vom Ektoderm, zum Teil vom Entoderm aus 
erfolgt und ein eigentliches mittleres Blatt gar nicht existiert, kann auch weder von Enterocoelie noch 
von Coelom die Rede sein. Desgleichen bei anderen Gamariden, wo durch gesonderte Ausstülpungen 
der Darmanlage, der Muskulatur, der Gelenke, in die vermeintlich primäre Leibeshöhle verschiedene 
Recessus abgegeben werden.*) Nicht anders verhält es sich mit dem Lakunom der Hexapoden, obwohl 
dieselben nach Haeckels Auffassung (15, p. 690ff.) echte Enterocoelier sind, bei denen die Coelom- 
säcke als Ausstülpung in der hinteren Partie des Archenterons entstehen und in den Coelothelien alle 
wichtigen Mesodermorgane liefern. Einer derart unwahren und phantastischen Auslegung liesse sich 
eine Reihe anderer an die Seite stellen. Die Behauptung, dass die Insekten Neurocoelier seien, deren 
Coelomsäcke von der primordialen Neuralrinne herkommen, würde an Willkürlichkeit und Oberflächlich- 
keit der Interpretation die Aussage Haeckels keineswegs übertreffen. Das Verhältnis der, ausser den 
Nephridien, wichtigsten Organe, des Blutgefässsystems und der Gonaden zu den Hohlräumen des Körpers 
kann sich bei Arthropoden in verschiedener Weise gestalten. Das Verhältnis der Gonaden dürfte durch 
zwei Endglieder einer langen Kette am grellsten illustriert sein, durch Peripatiden, die primär einfachsten 
und die Tardigraden, die sekundär am meisten vereinfachten Vertreter des Kreises: bei jenen hat man 
die Gonadenröhrchen als subkordial gelegene bilaterale Derivate von Coelomsäckchen gewisser Segmente 
erkannt, bei diesen entstehen sie als ein unpaarer Blindsack des Darmes. Wenn die beiden Sexual- 
anlagen ein trichterförmiges Coelostom entwickeln würden und ihre Coelodukte mit Nephridien in Ver- 
bindung stünden, wären solche Nephromixien (im Sinne Goodrich-Ray Lankesters) miteinander 
homologisierbar? Bezüglich der Kreislauforgane sei hier an Myriopoden erinnert, wo die Vasoblasten 
der Seitenarterien dissepimental liegen und sowohl das Herz als das Subintestinalgefäss aus dem Coelom 
entstehen; die sekundäre Leibeshöhle wäre hier lediglich in den Blutgefässen erhalten. Wenn man aber 
dieses Verhältnis mit der Morphogenie der Insekten, der Tunikaten oder der Wirbeltiere vergleicht, 
wird man wohl die Grösse der thatsächlichen Unterschiede schätzen lernen. Die Frage, ob der in das 
Blutgefässsystem aufgenommene Hohlraum primär oder sekundär ist, tritt hier gänzlich zurück.**) Worum 
es sich bei jedem Organismus handelt, ist die Notwendigkeit Propagationszellen und Exkretstoffe zu 
produzieren und dieselben aus dem Körper hinauszubefördern, wie auch durch Schaffung eines ge- 
eigneten Organsystems eine gleichmässige Ernährung des gesamten Körpers zu unterhalten. Der Angel- 
punkt für vergleichende Ausblicke ist daher nicht auf dem Gebiete phylogenetischer Morphologie, 
sondern im Bereiche physiologischer Notwendigkeiten zu finden. Deshalb sehen wir in allen jenen 
phylogenetischen Versuchen, wo für die Topographie der Ausführungsapparate ein für sämtliche Meta- 
zoen geltendes Schema angestrebt wird, eine durchaus verfehlte Hervorkehrung untergeordneter, neben- 


sächlicher, zum Teil völlig irrelevanter Umstände. 


*) Della Valle schreibt unter Anderem im XII. Kapitel seines Werkes (1, p. 229—246), dass jeder Theoretiker „rischia di vedere 


non come sono le cose in natura, ma come doyrebbero essere, se la teoria favorita fosse esatta. Si fa presto, Basta vedere una cellula che 


sporga un poco piü in qua o un poco piü in la, Tutto divien claro come il sole. La matita, schematizzando ed abbellendo, aggiungendo e 
togliendo, crea un bel dissegno, a cui si fa dire tutto quello si vuole‘‘ ... 

**) Wenn Fleischmann in seinem Lehrbuche der Zoologie (1898, p. 246) schreibt: ‚Die Leibeshöhle der Mollusken durchzieht die 
ganze Körpermasse, bildet jedoch selten grössere Räume, sondern ein unregelmässiges System von schmalen Spalten — Spaltleibeshöhle, Schizo- 
coelom, Nur in der dorsalen Körperzone ist sie zu einem weiteren Raume — Herzbeutel oder Perikardialhöhle — erweitert, welcher das Herz 
umschliesst. Ein anderer Abschnitt des Coeloms dient als Bildungsstätte der Geschlechtszellen — Gonadenraum — die ebenso wie bei den Würmern 
und Wirbeltieren aus Wandzellen der Leibeshöhle entstehen“, oder über Cephalopoden (p, 256): „Das Blut fliesst durch die Spalten der Leibes- 
höhle, teilweise sogar durch geschlossene Bahnen, Arterien, Kapillaren und Venen“, — so sind die Ausrufungszeichen, mit welchen Ziegler 
(3, p- 35, 44) diese Darstellung wegen der mangelnden Betonung des Gegensatzes zwischen primärer und sekundärer Leibeshöhle glossiert, kaum 
sehr berechtigt, obwohl anderseits die von Grobben gegebene Darstellung der Leibeshöhle der Cephalopoden unbeanstandet bleiben kann. 


— 17 — 


Hierin liegt auch der Grund, warum die Coelomtheorie in konkreter Durchführung keine be- 
friedigenden Resultate zeitigen konnte. Gerade diese Theorie, wie kaum eine zweite, zeigt uns auf das 
deutlichste, dass die Keimblätterlehre die vergleichende Forschung auf falsche Fährten gelenkt hat. 
Man kommt weder in phylogenetischer noch in taxonomischer Richtung zu irgend welcher theoretischen 
Erkenntnis. Weder der Begriff der Coelomula als Larventypus, noch der irrtümliche Vergleich 
Kleinenbergs jugendlicher Trochophorastadien mit Coelenteraten (Medusen), noch die Betonung des 
apocoelen Charakters vieler Zygoneurenlarven konnten eine einheitliche Basis für die Betrachtung ver- 
schaffen. Chaetognathen, Brachiopoden, Acranier, alles das sind lauter Belege für den polyphyletischen 
Ursprung der Coelomtaschen. Ein darauf hin gegründetes System zeitigt solche Kuriosa, wie die voll- 
ständige Trennung der Bryozoen in protocoele Entoprokten und deuterocoele Ektoprokten. Gerade aus 
dem Beispiel der Bryozoen wird es ersichtlich, dass keine von der Keimblätterlehre ausgehende Theorie 
für die Auffindung des Angestammten, von den Ahnen Vererbten wegweisende Anhaltspunkte zu bieten 
vermag. In einer jeden Tiergruppe ist die Leibeshöhle physiologisch verschieden abgestuft (vgl. Taf. VI. 
Fig. 15, 19, 26...) und es gilt von ihr dasselbe, was auch die Darmbildung und alle anderen Organe 
betrifft. Hoch differenzierte Sinnesorgane, Augen mit guter Dioptrik, Leuchtorgane, Atmungsplatten, 
kann die Natur in jeder beliebigen, kaum phylogenetisch prädestinierten Körpergegend, an Mantelrändern, 
an Extremitäten, an Rumpfsegmenten zur Entwickelung bringen. Im Bedarfsfalle können sich aus- 
gesprochene Epigonen hochdifferenzierter Tiere aus endogastralen Organismen sogar in pflanzenähn- 
liche Exogastraeen verwandeln, wie wir das an kentrochonen Gebilden der Rhizocephalen beobachten. 


Nicht zuletzt liefern auch die Ergebnisse der experimentellen Forschung schlagende Argumente 
für die Richtigkeit unserer Betrachtungsweise. Künstlich hervorgerufene Exogastrulae der Echiniden 
sind gewissermassen Resultat des nämlichen Experimentes, welches die Natur mit Rhizocephalen selbst 
ausgeführt hat und dadurch, dass das Experiment lebensunfähige Abnormitäten hervorruft, wird die 
Giltigkeit dieser Erkenntnis nicht im mindesten beeinträchtigt. Direkten Bezug auf die Bildung des 
Deuterocoels nehmen besonders die von Driesch (3, p. 150) an Asteriden ausgeführten Experimente. 
Nach entsprechenden operativen Eingriffen wurden die Tiere dazu gebracht, ihre Coelomsäcke aus ganz 
verschiedenen Partien ihrer Gewebe zu entwickeln, als es sonst in der normalen Ontogenie der Fall ist. 


XI. Abschnitt. 
Zurückweisung der Keimblättertheorie. 


Angesichts des grossen Thatsachengebietes, welches Gegenstand unserer analytischen Unter- 
suchungen in diesem Kapitel gewesen, konnten wir natürlich nicht alles verdienstliche, bedeutungsvolle 
und alles irrtümliche, was die Litteratur enthält, berücksichtigen oder bekämpfen. Auch von dem, 
was herangezogen wurde, würde sicherlich so manche Angabe einer Korrektur bedürfen. Doch glauben 
wir, dass unser Endergebnis etwaigen derartigen Bemängelungen Stand halten wird. Unserem Beweis- 
materiale können wir auch alle jene fremden Erörterungen angliedern, auf die wir den Leser im Texte 
ausdrücklich aufmerksam machen. Wir wissen nun, wie sehr die thatsächlichen Befunde von dem, was 
die Keimblätterlehre behauptet oder verspricht, abweichen. Von den vier Gesichtspunkten, von denen 
aus man die Teile der Organismen vergleichend behandeln kann, sichert weder der morphologische, 
noch der histologische, noch der physiologische, noch der organogenetische dem Begriffe der Keim- 
blätter eine einheitliche Charakteristik. 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 18 


— 1383 0 — 


Den morphologischen Standpunkt anlangend, versuchte man die drei Urblasten durch ihre 
primordiale Lage im Keime zu bestimmen. Wir haben gesehen, dass das gegenseitige Lageverhältnis 
derselben alle möglichen Kombinationen erschöpft und zu vollständiger Verwirrung führen würde: wir 
müssten Darm mit Muskulatur, Muskulatur mit Nervensystem homologisieren. Ausserdem würden wir 
weitgehendste Differenzen unter nahe verwandten Tieren, auffallende Übereinstimmungen unter hetero- 
phyletischen anzunehmen haben. 

Man hat behauptet, die Keimblätter seien histologisch charakterisiert, das eine als Hautsinnesblatt, 
das zweite als Darmdrüsenblatt, das dritte, welches unter anderem das Bindegewebe, das Blutgefässsystem 
und die Muskulatur liefert, als Darmfaserblatt und Hautmuskelblatt, — und dass ihr histologischer Sonder- 
charakter im Laufe der Stammesentwickelung ausgezüchtet wurde. Wir haben mehrfache Gelegenheit 
gehabt uns zu überzeugen, dass der aus den wirklichen Verhältnissen herausgelesene histogenetische 
Stammbaum nicht nur dem theoretischen Schema widersprechen, sondern ebenfalls zur heillosesten Ver- 
wirrung führen müsste. Die Keimblätter sind histologisch in keiner Weise prädisponiert. Es ist un- 
möglich, histologische Bezirke an ihnen abzugrenzen. Der äussere Neuromuskelring und der innere 
Mesenchymochordalring, die nach Castle für Chordaten eine so eminente Bedeutung haben würden, 
sind von ihrer Umgebung nicht zu unterscheiden; Seeliger sagt, das „einzig Auffallende“ an der 
Sache sei die Ähnlichkeit der Muskelringzellen mit Ektomeren, es sei aber dennoch nachzuforschen, 
ob sie sich nicht schliesslich als Entomeren erweisen würden. Das „einzig Auffallende‘ ist hier leider 
die Hauptsache. 

Die Keimblätter hat man auch physiologisch, als primordiale Organe aufgefasst, obschon funk- 
tionelle Gleichwertigkeit zumeist als Analogie, nicht als Homologie bezeichnet wird. Der Mesoblast 
wird allerdings häufig als funktionell indifferent betrachtet. Diese Anschauung können wir nicht teilen. 
Erstens giebt es auch im jüngsten Entwickelungsstadium kaum eine Blastomere oder Zellgruppe, die 
nicht irgendwie in den Haushalt des jungen Organismus aktiv eingeschaltet wäre und die Annahme 
physiologisch indifferenter Zellen wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat, zweitens — und dies ergiebt 
sich aus dem ersteren — muss die physiologische Thätigkeit der Bestandteile unendlich variieren, an- 
gesichts der unerschöpflichen Mannigfaltigkeit in der virtuellen und zeitlichen Ausbildung der Organe. 
Die Kategorien der primären und sekundären Keimblätter erschöpfen diese Mannigfaltigkeit nicht im 
geringsten. Die physiologische Funktion des Entoblasts bei embolischen und massiven (Sterro-) Gastrulis 
ist sehr verschieden: das Entomesoderm der Plathelminthen, acoeler Turbellarien oder der Nematoden 
(nach A. Schneider) besitzt in jeder Gruppe eine eigene Charakteristik. Jedes Keimepithel scheint 
befähigt zu sein, sämtliche Funktionen zu übernehmen, wie denn in jeder Blastomere eine physiologische 
Lebenseinheit gegeben ist. Wir haben Organismen kennen gelernt, bei denen der Entoblast, anfänglich 
das alleinige Keimblatt, als Blastoderm fungiert, und solche, die anfangs ausschliesslich aus Ektoderm 
und aus Mesoderm, welches von jenem geliefert wird, bestehen. Übrigens darf uns die Existenz von 
Tieren, denen eines von den drei Keimblättern zeitlebens abgeht, nicht verwundern, weil es Keime giebt, 
welche ohne ein Primordialorgan auskommen und sich entwickeln können, also lebensfähig sind und 
thatsächlich von den Imaginalstadien anderer Organismen weder geweblich noch physiologisch über- 
holt werden. Nicht umsonst hat Haeckel (6, p. 350) den Amphioxus als einen persistierenden „stationär“ 
gewordenen Embryo bezeichnet. 

Der vierte mögliche Standpunkt ist der organogenetische, der auf Prospektivität der Keim- 
schichten Bezug nimmt. Delage will Homologie nur dort anerkennen, wo sie sich aus der Embryologie 
ergiebt. Chun hebt als Inkonsequenz hervor, dass trotz dem für die Keimblätter allgemein anerkannten 
Kriterium der Lage, bei Homologien dennoch die Entstehung der Organe in erster Linie massgebend 
ist. Auch das letztere Kriterium führt indessen stets zu irrigen Verallgemeinerungen. Das Mesoderm 
hat man sehr allgemein genetisch mit Entoderm in Beziehung gebracht. Nach anderen werden die 


— 139 — 


Mesodermstreifen der Polzellen als echte Primordialorgane entwickelt. Die Ansicht Rabls wurde schon 
durch Kleinenberg widerlegt, dem sich zum Teil Wilson und Zelinka angeschlossen haben. Mit 
gleichem Rechte könnte man sich in einer T'heorie vollständiger Unabhängigkeit der Mesodermanlage 
schon bei Urbilaterien versuchen. Dass die Geschlechtszellen, zumeist für das hauptsächlichste Derivat 
oder für den Ausgangspunkt des mittleren Keimblattes gehalten, eine unabhängige Anlage bilden, zeigt 
sich am klarsten in jenen Fällen, wo sie trotz der Existenz eines Mesoderms, gesondert im Ektoderm 
oder im Entoderm entstehen. Nach Perenyis Darstellung der epibolisch-embolischen Einfaltung des 
Blastoderms bei Anuren wird diese Falte nach und nach bis auf den hellen Teil des Keimes verschoben, 
so dass die betreffenden Bezirke des Blastoderms an die Dorsalseite des Urmundes gelangen und die 
Organanlagen entstehen aus jenen Teilen der eingefalteten Schichten, die gerade zur Zeit der organo- 
genetischen Entwickelungsperiode in die obere, mittlere oder untere Partie des nunmehr dreimal ge- 
knickten Gewebes zu liegen kommen. Wenn die von His gegründete und im Laufe der Zeit so viel- 
fach modifizierte Parablastlehre, welche die Anlage des Bindegewebes in den Nährdotter und Derivate 
fremder Zellkerne verlegt, das Richtige trifft, so wäre der Unterschied zwischen dem echten Mesoderm- 
gewebe der Wirbeltiere und. des Amphioxus ein fundamentaler. Selbst im Bereiche einzelner Typen, 
Klassen und noch engerer Gruppen ist die Entstehung des Konnektivgewebes, der Blutgefässe, der 
Gonaden u. s. w. nirgends durch irgendwie ausgeprägte Individualität der Keimblätter gebunden. Es 
wäre überflüssig, Fälle von schlagender Beweiskraft an dieser Stelle nochmals anzuführen. Angesichts 
derartiger „Anarchie“ in der Morphogenese werden die Bezeichnungen der Keimschichten als primäre 
oder sekundäre Keimblätter (Ektoblast — Ektoderm u. dgl.) nur von dem Zeitpunkte abhängig, 
wann die entsprechenden Differenzierungen in den embryonalen Geweben vor sich gehen. Deswegen 
ist es ein nicht minder willkürliches Beginnen, in der Blastomerenvermehrung mit Haeckel und 
Waldeyer zwei Entwickelungsstufen, eine primäre mit der Anlage der Keimblätter schliessende Furchung 
und eine sekundäre, z. B. die Blutbildung und das Biudegewebe betreffende Furchung des Restes nicht 
differenzierter Embryonalzellen zu unterscheiden, oder überhaupt zwischen der Furchung als — man 
könnte sagen — rein quantitativer Zerlegung des Aufbaumateriales in Zellen und der eigentlichen 
Morphogenese eine Grenze zu ziehen versuchen. Es giebt keine Keimblatteinheiten, die zwischen den 
ersten Anfang der Eientwickelung und den ersten Anfang der Organdifferenzierungen eingeschaltet 
werden könnten; ebenso giebt es für den Beginn der Organogenese keinen festgesetzten Zeitpunkt. 
Je nach der phyletisch summierten Natur der Eizelle, je nach den Verhältnissen der zu bildenden Organ- 
komplexe, werden in der notwendigerweise von vorn herein auf Organbildung abzielenden Ontogenie 
die besonderen Organcharaktere früher oder später für das Auge des Beobachters direkt nachweisbar, 
sichtbar, doch können sie unter keiner Bedingung fehlen und in die Entwickelung erst im Verlaufe 
derselben, als ein neues Leitmotiv, einsetzen. Wenn dem so wäre, welche Bedeutung sollten wir dann 
der „„primären‘ Furchungsphase zuschreiben? Wo bliebe die Palingenese?*) Nach unserem Ermessen 
unterliegt es gar keinem Zweifel, dass auch bei Tieren, bei denen die Blastomeren, nach dem experi- 
mentell nachgewiesenen Selbstregulationsvermögen zu urteilen, ein totales oder partielles äquipotenzielles 
System bilden, die organogenetische Entwickelung von der ersten Furchung angefangen fortschreitet 
und dass die Geschwindigkeit dieses Prozesses für die einzelnen Teile des Keimes in verschiedener 
Weise durch die Faktoren der Transmutation normiert wird. 

Für die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Keimblätter wird oft der Dotter als unmittel- 
bare Ursache verantwortlich gemacht. In der Wirklichkeit kann$ hierin nur ein indirekt eingreifender 


*) Es ist hoffentlich nicht nötig, des näheren auszuführen, dass sich diese unsere Auffassung, der zufolge jede Ontogenie, von Anfang 
an, mehr oder weniger auffällig determiniert ist, gar nicht gegen die sogen. Homogeneitätstheorie der Blastomeren wendet. Die Differenzierung 
ist für uns so viel wie Arbeitsteilung. Durch besondere Umstände kann sich die Arbeitsteilung so gestalten, dass schon die ersten Furchungs- 
zellen in ihrer organogenetischen Totipotenz beeinträchtigt werden. 


18* 


—- . 140, — 


Faktor erblickt werden, weil wir ja Fälle kennen. wo sich die mit Dotter belastete Eigegend vollständig 
und rascher zerklüftet als rein protoplasmatische Blastomeren. Die Hypothese Rabls, der Unterschied 
in der Ontogenie der Vertebratenklassen lasse sich aus dem phyletisch zunehmenden oder abnehmenden 
Dottergehalt des Eies erklären und dieser Vorgang beziehe sich namentlich auf die sekundären und 
tertiäiren Verhältnisse bei Amphibien und Säugern, wird durch neueste Befunde an Übergangsformen 
nicht bestätigt. Während nach Mitsukuriu. A. die holoblastischen Amphibieneiern von meroblastischen 
Dipnoern abzuleiten wären, haben die Untersuchungen Semons an Ceratodus gezeigt, dass die Furchung 
und Gastrulation dieses Lurchfisches den Amphibien weit näher steht als den Ganoiden, während ander- 
seits die Entwickelung der Amphibieneier stark an ursprünglichste Wirbeltiere, an Cyclostomen erinnert. 
An anderer Stelle haben wir übrigens bemerkt, dass das Furchungsmaterial von Rana und Petromyzon 
infolge ihrer verschieden lokalisierten Einfaltung auch organogenetisch verschiedene Prospektivität 
haben muss. 

Ein allgemein angenommenes Gesetz der Homologie besagt, dass „morphologisch gleichwertige 
Organe stets aus derselben Anlage, aus demselben Keimblatt“ entstehen. Nach Auslassung des Wortes 
„morphologisch‘‘ ist es auch unsere Ansicht, nur dass wir unter Identität der Anlage nicht ein identisches 
Keimblatt, sondern eine entsprechende, phylogenetisch und physiologisch veranlasste Veranlagung der 
betreffenden Keimzellen verstehen. Diese Veranlagung ist bei eventuell äusserster Ähnlichkeit von den 
künstlichen Keimblattbezirken total verschieden. wie auch das Band des Lebens die gesamten Keimteile 
miteinander verbindet und nicht in einzelne Bezirke gesondert werden kann. Hiermit müssen wir das 
zu lösende Problem neuerlich auf physiologisches Gebiet verschieben. Wenn wir unter Arthropoden 
im Bereiche derselben Klasse der Crustaceen das Exkretionsorgan einmal im Mitteldarm, das andere Mal 
in der grünen Antennendrüse lokalisiert finden, oder wenn im Bereiche derselben Ordnung die Malpighi- 
schen Gefässe bei der einen Form*) als proktodaeale Anhänge auftreten, bei Phasmiden dagegen nach 
Joh. Müller, Joly u. A. sich in zweierlei Blindsäcke differenzieren, von denen die vorderen mit dem 
Anwachsen des Mitteldarmepithels weit nach vorn auf das Mesenteron verschoben werden, so wird unser 
allgemeiner Eindruck, die ontogenetischen Prozesse seien zum mindesten ebensowohl durch physio- 
logische als durch morphologische Momente geleitet, zur Gewissheit. Und wenn die Keimzellen je nach 
der Tierform aus allen drei Keimblättern entstehen können, so werden wir nicht nur das Gesetz organo- 
genetischer Homologie, sondern auch die neulich aufgestellte These, die Organismen der Metazoen 
seien in ihrem Bau untereinander bis auf die Keimzellen homolog, unbedingt in Abrede stellen, sofern 
sie auf die Voraussetzungen der Keimblätterlehre gestützt wird. 

Physiologische Kontinuität besteht aber auch hier. 


Ontogenetischen Vorgängen bei Knospenbildung gegenüber hat man auf die Aufrechterhaltung 
der Prinzipien der Keimblätterlehre verzichtet. Wir finden hingegen in der Knospenbildung eine Be- 
stätigung unserer Erkenntnis in ihrem vollen Umfange. 

Zwischen der Ontogenie aus dem Ei und der Knospenentwickelung herrschen teils weitgehende 
Differenzen, teils eine namentlich mit Rücksicht auf das Endresultat und auf spezielle Organbildung 
überraschende Übereinstimmung. Morphologisch sind die Organanlagen zumeist sehr verschieden ver- 
teilt. Das Ektoderm der Bryozoen erweist sich bei der Knospung als totipotent und wird daher als 
nicht gleichwertig mit dem Ektoderm anderer Tiere, z. B. der Echinodermen, erklärt; bei Pedicellina 
liefern wandernde Mesenchymzellen das Bindegewebe, die Muskulatur, die Gonaden, während das Ento- 


derm gar keine Rolle spielt; ähnlich ist es bei Loxosomen, Bugula und anderen gymnolämen Ektoprokten 


”) Ich selbst habe eine Stenobothrusart speziell untersucht. 


— 141 — 


(Seeliger, 2, 4). Unter Ascidien liefert bei der Knospung von Distaplia die äussere Blasenwand das 
ultimäre Ektoderm, während die Anlagen der Nerven und der Hypophyse entodermalen Ursprung 
nehmen; bei Synascidien entsteht das Entoderm der Knospe aus dem Epithel des Peribranchialsackes 
des Muttertieres, also aus dem ektodermalen Stomodaeum; ähnlich bei Amaroecien; bei Pyrosoma steht 
die Anlage des Nervensystems und des Peribranchialepithels mit Mesenchym in Verbindung, u. s. f. 
Alle diese Ermittelungen hat man bei der Alleinherrschaft der Keimblätterlehre unter Ausrufungszeichen 
aufgenommen, um schliesslich alle solche Fälle, wie die Nervenbildung aus dem Ektoderm u. dgl. als 
Neubildung zu deuten und für die Knospung andere Gesetze als für einfache Regeneration, wo die 
„Gleichheit“ der Organanlagen angeblich bewahrt bleibt, zu statuieren. Es würde sich folglich um die 
Genese der Knospungsfähigkeit und um ihre Beziehung zur Regeneration handeln. Die Ansichten der 
Theoretiker gehen in dieser Hinsicht auseinander. Einerseits will man die Knospung auf das primordiale 
Teilungsvermögen der Organismen zurückführen, anderseits hält man sie aber für zur Norm erhobene 
und in dieser Gestalt erblich gewordene Regeneration (Lang. Kennel). In einer anderen Richtung 
bemühte man sich, die soeben erwähnte Übereinstimmung in der Entwickelung aus der Knospe und aus 
der Eizelle, wofür die Keimblätterlehre selbstverständlich kein Erklärungsmotiv finden konnte, unserem 
Verständnis näher zu rücken. So hat Weismann zu der höchst unwahrscheinlichen Hypothese ge- 
griffen, die Knospe entwickele sich bei Metazoen aus einer Propagationszelle, die sich entweder in 
ektodermale oder in entodermale Epithelien verirrt hat, richtiger gesprochen, normaler Weise verirrt; 
auch die bei Anneliden häufigen Teloblasten seien derartige dem Ektoderm beigemengte Entwickelungszellen. 

Nach unserer Einsicht kann über das Wesen der Knospungszentren kein Zweifel bestehen. So- 
wohl die Teilung, die ursprüngliche Architomie, als die Regenerationsfähigkeit sind für uns eine und 
dieselbe Eigenschaft der Organismen, welche bis auf die Uranfänge des Lebens zurückgeht. Nichts- 
destoweniger können wir die Knospung nicht einfach als ungleiche Teilung auffassen, wie es in der 
letzten Zeit Seeliger (6) gethan hat. Eher als eine besondere, neben der individuellen bestehende Art 
des Wachstums. Ähnlich hat Wagner diese Erscheinung formuliert; nur scheint uns die von diesem 
Autor gewählte Bezeichnung „‚differentielles Wachstum“ nicht besonders passend zu sein. Wir würden 
hier lieber ein ultraindividuelles von intraindividuellem Wachstum unterscheiden. Teilung ist 
es nicht, weil hier an dem mütterlichen Organismus eine Neubildung zur Anlage gelangt. Die Knospen 
werden nur selten von einer einzigen Zelle aus gebildet. In der Regel entstehen sie aus einem Areal, 
welches umfangreicher oder zellärmer sein, entweder ein einziges Epithel oder mehrere Körperschichten 
betreffen kann. Die Gegend, wo die Knospung auftritt, ist bei verschiedenen Tiergruppen verschieden, 
woraus erhellt, dass nicht nur gewisse Ektoderm- und Entodermzellen latent diesbezügliche Prospektivität 
besitzen, sondern dass sich diese Fähigkeit als angestammte Eigenschaft auf sämtliche Körperzellen er- 
streckt. Man braucht keinen Gegensatz zwischen den gewöhnlichen somatischen Zellen und den Zellen 
der Knospungszone anzunehmen. Die Faktoren der Transmutation entscheiden über das Mass, die Art 
und den Zeitpunkt, wann und wo jene immanente Fähigkeit aktiviert werden soll. Auch braucht man 
den Mutterboden der Knospe für kein indifferentes Zellenmaterial zu halten. Bei jeder Knospung ist 
die Arbeitsteilung unter den nachwachsenden Geweben je nach der Tierart verschieden. Für den Ver- 
lauf der Knospenentwickelung sind dieselben Momente entscheidend, als die für die Eifurchung ge- 
nannten; also vornehmlich die physiologischen Bedürfnisse der Organisation und die in jedem Fall ver- 
schiedene spezielle Veranlagung der Knospungszone. Da kann es sich ereignen, dass die Entwickelung 
der einzelnen Organe im Ei und in der Knospe sehr ähnlich sein wird, z. B. bei vielen Cnidariern, oder 
kaum einen gemeinsamen Zug aufzuweisen hat, wie es übrigens bei Ontogenien ganz nahe verwandter 
Tiere vorzukommen pflegt. Würde hingegen die Ontogenie der Metazoenkeime ansonst nur nach der 
Richtschnur gastraealer Phylogenie unter Bildung von atavistischen oder herediven Primordialorganen u. dgl. 
verlaufen, so würde uns für die Erklärung der Knospenentwickelung thatsächlich jede Möglichkeit abgehen. 


— 142 — 


Es sei schliesslich bemerkt, dass die mit der Regeneration zusammenhängende Fähigkeit ultra- 
individuellen Wachstums, man könnte auch allgemeiner sagen, die Entwickelungsfähigkeit nicht nur bei 
allen jenen Experimenten. welche auf Verlagerung, Desorientierung oder Verstümmelung des Furchungs- 
materiales abzielen, sondern höchst wahrscheinlich in jedem konkreten Falle der Entwickelung (id e. 
normaler Entwickelung) mehr oder weniger zur Bethätigung gelangt. In jeder konkreten Entwickelung 
wird es kaum ohne gewisse, wenn auch minimale und für uns mitunter kaum direkt nachweisbare, 
individuelle Abweichungen von dem idealen Durchschnittstypus hergehen; die Folge davon aber ist, 
dass sich hier diese, dort jene Blastomeren oder sogar Gewebsteile etwas verschieden zu verhalten 
haben werden, als bei den übrigen Individuen; selbst das wäre aber schwer möglich, wenn jede Zell- 
einheit an ihre phyletisch bestimmte Keimbahn gebunden wäre. i 

Das Nämliche gilt auch von der Regeneration. Man hat unrichtig behauptet, ein Keimblatt 
könne bei Regenerationsprozessen nur sich selbst nachbilden. Diese Prozesse sind ebenfalls an keine 
Keimblatteinheiten gebunden. Die Faktoren der Descendenz haben auch hier bei der Regulation der 
allgemein vorhandenen Entwickelungsfähigkeit für die Festigung des bequemsten und ökonomischesten 
Entwickelungsmodus gesorgt. So kommt es, dass in der Mehrzahl der Fälle, bei Regeneration verloren 
gegangener Gliedmassen oder des Schwanzes Muskeln aus Muskeln und Knochen aus Knochen neu- 
gebildet werden. Es wird aber des öfteren ein anderes Gewebe herangezogen; als Beispiel möge die 
Regeneration des Nervensystems bei Ophiuriden aus dem Nervengewebe und aus dem anstossenden 
Ektodermepithel (nach Davidoff) angeführt werden. Bei derartigen Vorgängen könnte man noch 
immer zu Gunsten der Keimblatteinheiten den Umstand geltend machen, dass das regenerierte Organ 
von demjenigen Keimblatte nachgeliefert wird, dessen Derivat es bei der Ontogenie gewesen ist; es 
würde hier demnach ein potenziell weniger differenziertes Epithel ein schärfer differen- 
ziertes Gewebe durch eine Art von Postgeneration nachliefern. Es kommt jedoch ebenso 
häufig vor, dass im Gegensatze zur embryonalen Entwickelung ektodermale Teile aus dem Entoderm, 
mesodermale aus dem Ektoderm regeneriert werden; das letztere insbesondere bei Ringelwürmern. Wir 
selbst haben Gelegenheit gehabt, fremde Angaben über die Neubildung der Muskulatur aus dem Ekto- 
derm an kleinen, zerschnittenen, marinen Anneliden, die im Aquarium mit Leichtigkeit regenerierten, 
zu bestätigen. 

Wenn bei der ektodermalen Mitteldarmanlage aus dem Vor- und Hinterdarm bei Insekten der 
Sachverhalt dahin erklärt wird, dass sich am Grunde der beiden Ektodermeinstülpungen latente Ento- 
dermzentren befinden, oder wenn man sich bei Beurteilung der Keimblätterbildung bei Amphivxus zu der 
Aussage versteigt, das peristomale Mesoderm desselben sei „so stark reduziert, dass es thatsäch- 
lich nicht zu erkennen ist, beziehungsweise völlig fehlt“, so wird man bei Neubildung meso- 
dermaler Derivate aus dem Ektoderm — und dies nach zufälligen Verletzungen — wohl schwerlich 
zur Annahme verirrter Blastomeren oder latenter Mesodermzentren seine Zuflucht nehmen, zumal man 
phyletisch die Entstehung des Mesoderms mit dem Archenteron zu verbinden pflegt. 

Wenn man zum Schlusse die Reihe systematisch geordneter Entwickelungsstadien auf der 
VI. Tafel, wo die Keimblätter in der herkömmlichen Weise bezeichnet wurden, überblickt und mit den 
wirklichen Verhältnissen vergleicht, dann sieht man ein, dass diese Kategorien selbst bei einfachen 
morphogenetischen Prozessen, sei es bei Knospen- oder bei Eientwickelung das Verständnis erschweren 
müssen. Obwohl wir nicht, wie Eisig, die Entfaltung der Keimblätterlehre in den sechziger Jahren 
selbst erlebt haben, so haben wir diese Lehre dennoch eingehend genug analysiert, um zu erkennen, 
dass sie keinen Orientierungswert mehr haben kann. Sie wird übrigens durch ihr eigenstes und haupt- 
sächlichstes Ergebnis gerichtet: am Leitfaden dieses Theorems, wurden Gebilde, wie Mund, After und 
der neureuterische Kanal miteinander „homologisiert“! So ergiebt sich für uns der Vorwurf Eisigs, 
diese Theorie finde in tausend Fällen ihre Bestätigung, die Gegner aber griffen nichtssagende, isolierte 


— 143 — 


Ausnahmefälle heraus, als durchaus unbegründet. Es kann uns auch ein Vorwurf „des Pessimismus und 
der Verirrung‘ nicht treffen. Es ist nicht Kurzsichtigkeit inmitten einer Unmenge von Thatsachen, die 
uns zur Opposition gedrängt hat. Wir wollen nur nicht die Klüfte der Erfahrung willkürlich überspringen 
oder dieselben anders als am Leitfaden der Analogie mit den Thatsachen der Beobachtung überbrücken. 
Die Lehre von den Keimblättern hat es in gleicher Weise wie die Gastraeatheorie verschuldet, dass 
eine Anzahl zutreffender und fördernder Gedanken abseits vom Hauptwege der Forschung liegen ge- 
blieben ist und dass mit der fortschreitenden Vervollkommnung der Beobachtungsmittel die Zahl der 
Streitprobleme in ungebührender Weise zugenommen hat. Der Probleme giebt es indessen sicherlich 
nicht so viel. Einem schlechten Mathematiker gilt jede zur Lösung vorgelegte Gleichung für ein 
Problem; sobald er das Wesen derselben verstehen lernt, lösen sich die vermeintlichen Rätsel von 
selbst auf. 

Es wird glücklicherweise den geltenden Prinzipien der Vergleichung der Boden immer mehr und 
mehr entzogen. Mit Recht sagt Heider, die Homologie der Keimblätter „gelte mehr als Axiom denn 
als erwiesenes Gesetz“ (2, p. 727). Wenn aber Heider einen zwischen topographischer und organo- 
genetischer Homologisierung vermittelnden Standpunkt vorschlägt und jedes Entoderm mit dem Ento- 
derm der Hydroidpolypen homologisiert, gleichzeitig aber bemerkt, das Entoderm wäre schon bei 
Hydroiden sehr verschieden, so hat er damit zur Erklärung der Gegensätze und zur Verwendbarkeit des 
Keimblattbegriffes das Wenigste beigetragen. 


Denn, was ist ein Keimblatt? Ist es ein Epithel oder eine Gruppe embryonalen Gewebes? Ist 
es eine histologisch charakterisierte Gewebsart oder eine organogenetisch gleichwertige Körperschicht, 
oder ein Primordialorgan, dessen Lage, Gestalt und Funktion im Wechsel der Metazoenformen un- 
verändert bleibt? 

Es ist weder das eine, noch das andere, noch das dritte. Das begriffliche Kunstprodukt zer- 
bröckelt unter der Hand. 


KünttesYKapıcel 
Zur Methodologie der vergleichenden Forschung. 


XI. Abschnitt. 
Zur Charakteristik morphogenetischer Prozesse. 


Orientierungsbegriffe sind in der Wissenschaft nicht nur zulässig, sondern auch nützlich. Sie 
können entweder rein fiktiv, als willkürlich gedachte Behelfe gefasst sein oder zum Gegenstand von 
Hypothesen gemacht werden, wobei man ihre Übereinstimmung mit der Wirklichkeit für wahrscheinlich 
hält. Fiktiver oder hypothetischer Begriffe bedient man sich bei Lösung von Problemen. Bei Problemen 
wird nach den Ursachen der Erscheinungen gesucht. 

Bei dem grossen Probleme der Entwickelung tierischer Formen hat man morphologisch erdachte 
Orientierungsbegriffe zu Hilfe gezogen. An der Hand der konstruierten Begriffe war man bemüht, die 
Form aus der Form und durch die Form zu erklären. Dann aber wollte die Sache nicht gelingen, und 
gedanklich konnte man nichts erklären. Die Hilfsbegriffe waren nicht richtig gewählt und auch die 
Problemstellung war unrichtig. 

Deshalb bestand unsere Aufgabe zunächst im Zerstören. Wir befinden uns auf einem Schlacht- 
felde. Es mag dahingestellt sein. ob wir die Schlacht gewonnen haben. Aber Thatsache ist es, dass 
die Hälfte unserer Gegner schon längst erschöpft und durch innere Streitigkeiten gelähmt ist. Man 
sieht nur noch selten Anführer, die sich mit einem neuen theoretischen Entwurf hinauswagen würden. 
Neben der alten Gastraealehre begegnen wir noch einer neuen Mesodermtheorie, und eine Schaar von 
Nachzüglern scheint denselben mehr aus Gewohnheit als im Siegesbewusstsein zu folgen. 


Jede Wissenschaft kann nach ihrem Ausgangspunkt und Endpunkt, nach ihren Prinzipien una 
ihrem Ziel charakterisiert werden; diesen müssen sich auch ihre Methoden anpassen. Das Ziel unserer 
Forschung besteht in einer möglichst eindeutigen Erklärung der Form, als einer Eigenschaft oder 
Akcidenz des Lebens; man will die Formenreihe nicht nur kennen, sondern auch erkennen, d. i. ihr 
Wesen verstehen. Die Lebewesen hat man morphologisch meistens in einer Weise betrachtet, als ob 
es sich nicht um Lebenseinheiten, sondern um Blasen, Walzen und Platten handeln würde, welche sich 
wie Kautschuk ausdehnen und zusammenziehen, oder wie trockenes Holz sich mit Wasser imbibieren, 
werfen und zu embolischen Einfaltungen etc. führen. Und wie man künstliche Amöben anzufertigen 
weiss, die sich bewegen, fortkriechen, teilen, und nur eines nicht thun, nicht leben, so hat man gehofft, 
von Schemen aus zu Modellen zu gelangen, welche den Hergang der Entwickelung vom Einfachen zum 
Komplizierten wiederholen würden. Wenn uns auch eine Kautschukblase gewisse morphogenetische 
Prozesse thatsächlich nachmachen würde, so wäre es immerhin eine höchst einseitige Nachahmung von 
Äusserlichkeiten eines Geschehens, welches ontogenetische Entwickelung bedeutet. Entwickelung aber 


ist das Leben selbst. Gestalt hängt mit Funktion zusammen. Ihre Prozesse müssen physiologisch 


— 145 — 


analysiert sein, um erkannt zu werden. Ohne Physiologie ist kein morphologisches Verständnis möglich. 
Morphologische Methoden müssen mit physiologischen kombiniert werden. Dort, wo uns die Natur im 
normalen Geschehen keine genügende Auskunft bietet, muss man sie mittels physiologisch-morpho- 
genetischer Experimente befragen. 


Auch nach vorgenommener Änderung der Methoden wird man zu entsprechend formulierten, 
orientierenden Hilfsbegriffen greifen müssen, die ebenfalls lediglich auf temporäre Wahrscheinlichkeit, 
nicht aber feststehende Wahrheit, Anspruch haben können. Ihr heuristischer Wert kann bei der Er- 
mittelung der Thatsachen des Geschehens gross sein, sie selbst sind aber niemals streng adäquat, sondern 
lediglich ein mehr oder weniger gelungener Ausdruck für unsere jedesmalige Kenntnis. Die Begriffe 
sind eben, wie Eucken sagen würde, nichts anderes als Spiegel ihrer Zeit. Sie müssten stets durch 
neuere, vervollkommnete ersetzt werden. Es ist ein bleibendes Verdienst Darwins, Haeckels, 
Weismanns u. A., brauchbare Hilfsbegriffe in die Wissenschaft eingeführt zu haben. Unter ihnen war 
Darwin ein grosser Forscher und Denker, Haeckel der grosse Sprecher. Seine Verdienste sind 
bleibend, während die von ihm eingeführten Begriffe bloss von temporärem vorübergehenden Werte 
gewesen sind. Dies ist natürlich keine Schuld ihres Verfassers, es lag vielmehr im Wesen solcher Be- 
griffe. Die Schuld Haeckels besteht lediglich darin, an den geschaffenen Hilfsmitteln über die Zeit 
ihrer Anwendbarkeit hinaus festgehalten zu haben, anstatt die Begriffe umzuformen oder zu geeignetem 
Zeitpunkt aufzugeben. Sein Verdienst kann durch das negative Ergebnis unserer Untersuchungen nicht 
geschmälert werden. Für die Grösse seines Lebenswerkes spricht am eindringlichsten der Umstand, 
dass wir bei Erörterung grundlegender Probleme, welche die tiefste und weitblickendste Kenntnis bio- 
logischer Gegenstände erheischen, fortwährend den Namen Haeckels zu nennen hatten. 


Der Entwickelungsgang der vergleichend zoologischen Forschung ist nicht ohne Analogie. 
Stets war man bestrebt, über das Bekannte mit theoretischer Konzeption hinauszueilen. Kopernikus 
ohne Teleskop und Darwin ohne den Behelf moderner Mikroskopie gingen dem unmittelbar zu er- 
gründenden Nachweis voraus. Stets wird ein Faktor unter vielen begünstigt, um die Ergebnisse der 
künftigen Erfahrung zu erraten. Deshalb muss sich auch die Forschung bei dem stetigen Suchen im 
Dunkeln, anstatt in gerader Richtung, auf Zickzackwegen fortbewegen. Wenn die vorliegenden Unter- 
suchungen das Geringste dazu beitragen würden, dass sich unsere Wissenschaft nicht zu lange auf 
einem aussichtslosen Seitenwege aufhalte, dann wäre auch ihnen ein Verdienst nicht abzusprechen. 


Wir befinden uns indessen unter Trümmern und man wird uns füglich zurufen: was nun? Sollen 
Theorien, die sich ausgelebt haben, durch neue ersetzt werden? Es ist bezeichnend, dass vor Theorien 
zumeist die Theoretiker selbst warnen; so E. Mach (1). Die Theorien können aber für die Wissenschaft 
nur dann verhängnisvoll werden, wenn man ihnen mehr vertraut und ihren Inhalt für realer hält als die 
Thatsachen selbst.*) Philosophierende Gedanken sind insofern nötig, als sie zur Klärung der Ansichten 
beitragen können. Es ist vor unbegründeten Voraussetzungen zu warnen, welche selbst einigermassen 
philosophischen Ursprungs, die vorurteilslose Untersuchung beeinträchtigen könnten. Sie wirken hemmend 
auf den Fortschritt. Das Forschungsgebiet ist vor allem von solchen hemmenden Trümmern zu säubern. 
Die meisten Formulierungen Haeckels sind zu ähnlich starren Dogmen geworden, als welche er die 
Aufstellungen der hinter ihm liegenden Epoche, z. B. den Begriff der Art, bekämpfte. Alte Irrtümer 
müssen bekanntlich unschädlich gemacht werden, will man neuen Wahrheiten die Wege bahnen. Eine 
richtige Fassung unserer Probleme ist besonders schwierig. Bevor wir an diese Aufgabe herantreten 
und ein Arbeitsprogramm aufstellen, müssen wir rückblickend die Thatsachen oder stark motivierte 
Wahrscheinlichkeiten, die uns übrig geblieben sind, überschauen. 


*) Vgl. Lotze, System der Philosophie, Leipzig 1879, II. Teil, 
Garbowski, Morphogenetische Studien. 19 


— 146 — 


Was zunächst die Eizelle selbst anbelangt, gewinnen wir immer mehr die Überzeugung, dass 
ihr Bau auf verhältnismässig einfachen Strukturen beruht. Wie die Untersuchungen Boveris u. A. er- 
gaben, besteht diese Struktur im wesentlichen in einer polaren Verteilung proto- und deutoplastischer 
Substanzen des Zellleibes und macht die Zelle zu einem mindestens monaxonen, heteropolen Gebilde. 
Es giebt keine komplizierten und einfach gebauten Eier. Das Ei des Amphioxus ist nicht einfacher ge- 
baut als ein Ascidien- oder Wirbeltierei. Die polare Schichtung des Eiinhaltes lässt ferner darauf 
schliessen, dass die Gestalt des Eies auf die Gestalt und Beschaffenheit des Keimes neben dem Kerne 
mitbestimmend einwirkt. Nach Driesch und Haacke ist namentlich die spezifische Form. in welcher 
die morphogenetischen Prozesse verlaufen, von der Eistruktur abhängig Bei mangelnder Präzisierung 
der zwischen dem Kern und dem Zellkörper bestehenden Wechselbezüge, können wir vorläufig annehmen, 
dass sich im Kerne die hauptsächlichsten Faktoren der Ontogenie vereinigen, während der Zellkörper 
den Grad und den Rhythmus ihrer Aktivierung beeinflusst und auf die Symmetrie der Entwickelung 
regulierend einwirkt. Mit anderen Worten, wird hierbei angenommen, dass die keinem Organismus ab- 
gehende Fähigkeit der — typischen oder atypischen — Selbstregulation in der — in erster Linie 
vielleicht topographischen - Beschaffenheit des Eizellkörpers einen substanziellen Ausdruck findet. 

Über das innere Verhalten der Eizelle bei der Entwickelung müssen wir uns, unter Verzicht auf 
eingehende Motivierung, auf eine kurz gefasste Darstellung unserer Anschauungen beschränken, weil 
diese Gegenstände, obwohl sie für die Auffassung der Morphogenie eigentlich den .Ausschlag geben, 
bis jetzt von sämtlichen morphogenetischen Theorien ignoriert und als besondere Fragen behandelt zu 
werden pflegen, zu einer gründlicheren Motivierung aber einen grösseren Apparat von analytischen 
Voruntersuchungen verlangen würden als die hier erörterten unmittelbar morphogenetischen Vorgänge 
selbst. Deshalb sind unsere sämtlichen, in diesem Abschnitt gebrachten Aufstellungen, als subjektive 
Voraussetzungen zu betrachten, selbst dort, wo sich der Grad ihrer Wahrscheinlichkeit für den Verfasser 
selbst bis zur Gewissheit erhebt. Eine derartige Einschränkung der wissenschaftlichen Giltigkeit dürfte, 
nebenbei bemerkt, bei jedem Theoretisieren hervorgehoben werden, wenn zwischen Wissen und Wähnen, 
Thatsache und Überzeugung, überhaupt eine Grenze erhalten werden soll. 

An Epigenese glauben wir nicht. Wir vermögen es nicht, uns einen Einfluss äusserer 
Existenzbedingungen, also auch der Blastomeren auf einander in der Weise vorzustellen, dass sich 
daraus neue Merkmale, als Komplikationen und Eigentümlichkeiten der Morphogenese ergeben würden. 
Chemie und Physik können vielmehr — stets nach unserer subjektiven Überzeugung, da wir auf 
die Beweisführung selbst verzichten — nur etwas beeinflussen, was imEi schon da ist, was durch 
die von aussen herantretenden Faktoren zu virtueller Bethätigung gebracht und in seiner Reaktion 
quantitativ und qualitativ modifiziert aber nicht neu erschaffen werden kann. Wenn eine Blastula im 
Seewasser embolisch gastruliert, dagegen im Lithium-haltigen Wasser Herbsts (1, 2) einen Exogaster 
ohne Stomodaeum zur Entwickelung bringt, um schliesslich vollständig in einen umgekehrt gebauten 
Urdarm verwandelt zu werden, so wirkt hier zwar der veränderte osmotische Druck und das qualitativ 
andere Salzgemisch auf den Keim umbildend, es ist aber weder der Exogaster noch das Stomodaeum 
als ein morphologisches Ergebnis der Einwirkung dieser oder jener chemischen Substanz anzusehen. 
Dasselbe gilt von physikalischen Experimenten. Bei 30°C. wird eine Exogastrula gebildet; nachher 
kommt die Entodermanlage zum Schwunde und es resultiert eine anenterische Echinidenlarve (Driesch, 
2, p. 224). Der Reiz, welchen anwachsende Skelettnadeln auf die Haut einer Echinidenlarve ausüben. 
veranlasst die Ausbildung von Armen und macht die Larve zu einem Pluteus. In beiden Fällen werden 
immanente Fähigkeiten aktiviert. 

Für einen Ausdruck durch das Leben veranlasster Zustände halten wir auch den Rhythmus und 
das Tempo, in welchem die Einzelprozesse in der Ontogenie sich abwickeln. Sowohl der Rhythmus 
als das Tempo können sehr leicht Abänderungen erfahren. Beide gehören zu den wesentlichsten Be- 


— 147° — 


dingungen der Gestaltung. Die Furchungsbilder und mitihnen auch die Gestalt der Larve selbst hängen 
zum grossen Teil von der Schnelligkeit ab, mit welcher einzelne Blastomeren ihre Teilungen nachfolgen 
lassen. Innere Zustände veranlassen die Zellen hier zu einer beschleunigten Vermehrung, dort zur 
Ruhe. Die Ruhepausen betreffen manchmal sämtliche Zellen des Keimes gleichzeitig. Bei Physa 
(Wierzejski, 2) tritt sie z. B. zwischen dem 24- und 28zelligen Stadium ein. Bei anderen Mollusken 
teilen sich mitunter alle Blastomeren gleichzeitig; dann folgt bei Gasteropoden auf ein 24zelliges un- 
mittelbar ein 48zelliges Stadium; auch habe ich Keimscheiben von Cephalopoden untersucht, wo fast 
sämtliche Zellen in Teilung begriffen waren. Alle diese Erscheinungen besitzen also für uns von vorn 
herein keine phylogenetische Bedeutung, obwohl sie gegebenenfalls natürlich auch bei Embryonen 
der Ahnen auftreten mussten. Wären sie nur eine Folge der Biogenese (palingenetisch), dann würde 
der Organismus schon längst Mittel gefunden haben, die unnötigen, archaischen Ruhepausen und Ver- 
zögerungen aus dem Gange seiner Entwickelung zu eliminieren, wie denn auch wirklich ganze Stadien- 
ketten phyletischer Vergangenheit bei so vielen Tieren spurlos eliminiert wurden. Anders verhält es 
sich dagegen mit einem physiologischen Bedürfnis. 

Obwohl der uralte Streit über Epigenese und Präformation in neuester Zeit allmählich ver- 
sumpfte, wird über das Wesen der Blastomerenteilung noch immer gestritten. Die einen behaupten, 
dass dem Synkaryon der Eizelle alle Eigenschaften künftiger Descendenten innewohnen, dass sich in 
der Eizelle, wie Hansemann (1) sagt, sämtliche künftigen Plasmaarten im Gleichgewicht halten; in der 
Zerlegung derselben und in den „altruistischen“ Beziehungen der verschieden qualifizierten Blastomeren 
zu einander würde das Wesen der Entwickelung bestehen. In der Fassung, die wir in diesem Satze 
der Entwickelung mit qualitativer Kerndifferenzierung gegeben haben, deckt sie sich nicht mit dem 
Begriffe einer Mosaikarbeit, wie ihn W. Roux statuiert. Diesen Anschauungen steht die Theorie von 
der idioplastischen Gleichheit der Blastomeren gegenüber. Die Homogeneitätslehre wurde hauptsächlich 
experimentell begründet. Das Experiment hat gezeigt, dass das Furchungsmosaik nicht ein Mosaik der 
prospektiven Potenzen zu sein braucht. Die ersten 16 Zellen des Echinidenkeimes können in Grösse 
und Aussehen beträchtlich differieren und doch sind sie prospektiv durch keine Differenzierung be- 
schränkt, weil sie sich in jeder beliebigen Anordnung zum Ganzen entwickeln. Eine andere Reihe von 
Experimenten zeigte, dass auch verstümmeltes, vier- bis sechzehnmal reduziertes Furchungsmaterial im 
Stande ist, sich zum Ganzen zu entwickeln. Für die theoretischen Aufstellungen der Autoren war 
zweifellos die Wahl der Tierformen, mit denen sie experimentiert haben, entscheidend. Diejenigen, 
denen es gelang, Hemi- oder Achtelembryonen aus isolierten Blastomeren zu erzielen, wurden zu An- 
hängern der erbungleichen Zellteilung, der Heterogeneität der Blastomeren, und erklären die Bildung 
von ganzen Embryonen aus verstümmeltem Materiale durch Postgeneration (Roux); diejenigen, deren 
Versuchstiere geeignet waren, aus einzelnen Zellen ganze Larven zu liefern, waren naturgemäss für die 
Annahme einer epigenetischen Gewebsdifferenzierung aus erbgleichen, totipotenten Blastomeren ge- 
wonnen; dort, wo es zunächst zu einer Halbbildung kommt, die erst nach und nach durch Postgeneration zur 
Ganzbildung wird, wie dies z. B. von Herlitzka (1) bei zwei Molgearten beobachtet wurde, liegt nach 
dieser Anschauung der Grund hierfür nicht im Mangel an Totipotenz, sondern in einer Behinderung 
durch die abgetötete Eihälfte. ©. Hertwig hat die beiden Auffassungsweisen unter die Schlagworte 
Präformation und Epigenese gebracht, obwohl die einzelnen Hypothesen sich in der Wirklichkeit weit subtiler 
abschatten. Es giebt ferner Entwickelungstheorien, welche die vermeintlichen Gegensätze auszugleichen 
suchen, wie die epigenetische Evolutionstheorie von Driesch. Die umfangreiche Litteratur dieses Problems 
hat zwar keine eindeutige Lösung gegeben, hat jedoch vieles zur Klärung der Begriffe beigetragen und gezeigt, 
dass die Ansichten, so verschieden sie auch sein mögen, sich nicht ausschliesslich auf eines der Prinzipien 
beschränken sollten, sondern simultan auf beide zurückzugehen haben. Die Meinungsdifferenzen können 


sich sodann nur auf den Doppelweg beziehen, welchen die Natur bei der Formenentwickelung einschlägt. 
19* 


— 148 — 


Nach unbefangener, reichlicher Überlegung sind wir zu folgenden Resultaten gekommen. Wir 
glauben mit Roux, dass die normale individuelle Entwickelung von Anfang an ein System bestimmt 
gerichteter Vorgänge ist, welches sogar in festen Beziehungen zu den Hauptrichtungen des 
späteren Embryos verbleibt. Anderseits fügen wir nicht wie Roux hinzu, dass jede von den vier ersten 
Blastomeren im Stande ist „ein Viertel“ des Embryos zu bilden und dass sie es notwendigerweise bildet. 
Wir ziehen der Entwickelung etwas weitere Grenzen. Wir verlieren eben den phyletischen Ursprung 
der Metazoen und ihrer Ontogenien nicht aus den Augen; derselbe bestand in fortschreitender Association 
immer zahlreicherer Generationen von Descendenten einer Mutterzelle, die sämtlich durch Teilung aus 
der letzteren hervorgegangen sind und virtuell, d. i. prospektiv, mit ihr übereinstimmen müssen. Mit 
fortschreitender Arbeitsteilung differenziert sich eine jede von ihnen je nach der Aufgabe, welche ihr 
das Leben im Verband auferlegt; nur wenige von ihnen werden infolge der besonderen, durch das 
Bundesleben geschaffenen Bedingungen in die Lage versetzt, einen neuen Kormus herauszubilden; der 
Anlage nach ist aber eine jede von ihnen dazu befähigt. Was sie zu einem geordneten Zusammenspiel 
veranlasst und eine geordnete Existenz des Zellenstaates bedingt, ist, am einfachsten ausgedrückt. — 
ihre Vergangenheit. Diese giebt jeder von ihnen eine Variationsmöglichkeit von verschiedener Breite, 
woraus in weiterer Folge die Selbstregulationsfähigkeit des ganzen Kormus resultiert. Nur auf diese 
Weise kann man sich die Thatsache erklären, dass die Furchungszellen nach vollständiger Desorientierung 
die Rollen vertauschen können und sich zum regelrechten Ganzen entwickeln; nicht aber unmittelbar 
aus dem Abhängigkeitsverhältnis der Zellindividuen voneinander. In diesem Sinne sollte auch der 
organizistische Standpunkt Whitmanns formuliert werden. Nicht vom Organismus, als solchem, geht 
die Autoregulation aus, weil der Organismus überhaupt keine reale Existenz besitzt und jede von ihm 
ausgehende regulatorische Tendenz eine mysteriöse Emanation sein würde. Alle Blastomeren wirken 
bei der Autoregulation als Emanationszentren; ihr Zusammensein findet hierbei in der sogenannten 
Korrelation seinen Ausdruck: immerhin ist die Korrelation ein Faktor, den wir selbst aus den Wechsel- 


beziehungen der Zellindividuen herauslesen. 


Der Sachverhalt kann durch das Beispiel einer nächsthöheren Einheit, eines Bienenstaates, er- 
läutert werden. Das substanzielle und historische Resultat, zu welchem ein solcher Staat führt, 
wie die Wabengebilde, die Schicksale des Bienenvolkes u. s. w. ist für den durchschnittlichen Beobachter 
stets das nämliche. Die Arbeit, welche stets dieses nämliche Resultat liefert, geht jedoch von zahl- 
reichen Zentren, von Individualitäten aus, von denen jede zu der ihr zufallenden Aufgabe durch ihre 
Vergangenheit prädisponiert erscheint, jedoch nicht nach Art eines Automaten oder eines Rädchens im 
Automat, am Gängelbande ihrer Vergangenheit stets genau dasselbe verrichtet, in derselben Nacheinander- 
folge wie ihre Vorfahren, sondern eine gewisse Handlungsfreiheit von wechselnder Breite ihr Eigen 
nennt und ihre Handlungen, im Sinne des Intellekts, den durch Zufall gegebenen Umständen anzupassen 
vermag. Sonst würde ja der Bienenstaat — ebenso wie der Zellenstaat bei erbungleicher Teilung — 
in kürzester Zeit zu Grunde gehen! Wie die Zellindividuen, sind auch die Bienen untereinander gleich; 
sind doch die Arbeiter propagativ unthätige Weibchen, welche, wie die somatischen Zellen bei Reparations-, 
Regenerations- und Regulationsprozessen, im Bedarfsfalle die Propagation besorgen und entwickelungs- 
fähige Eier legen, um den Volksstand zu kräftigen. Auch die Drohnen sind von den übrigen Mitgliedern 
des Bienenstaates nicht verschieden: sie entwickeln sich parthenogenetisch aus Weibchen, können 
daher keine Eigenschaft besitzen, welche auch schon dem Weibchen nicht zukommen 
würde, und liefern gleichzeitig einen schlagenden. aber kaum von irgend einem Zoologen erkannten 


Beweis für die sekundäre Natur des Gonochorismus.*) 


*) Vgl. T. Garbowski, Gedanken über tierische Fortpflanzung. Jena 1902. 


— 149 — 


Also nur in dem angedeuteten, abschwächenden und erweiternden Sinne gilt der Fundamentalsatz 
von Driesch: jede Zelle sei die Funktion ihrer Lage. Der Lebensweg der Zellen ist, wie der- 
jenige der Bienen, in erheblicher Mannigfaltigkeit vorgezeichnet. Die Aussenwelt, d. i. eine mitunter 
plötzlich eintretende Änderung der Lebensverhältnisse, kann nicht unmittelbar, als Ursache, die 
Individuen qualitativ verändern; sie kann vielmehr nur etwas, was denselben schon innewohnt. zur Ent- 
faltung bringen oder zurückdrängen, während die unmittelbare, kausale Einwirkung nicht 
anders als in Differentialen von Transmutationssummanden bestehen kann, sich also der 
direkten Beobachtung vollständig entzieht. 

In der Beschaffenheit der Zellen, die den Keim oder die Imago zusammensetzen, können dem- 
nach lediglich fakultative, keine prinzipiellen Gegensätze existieren. Dass sich die Zellen in der Anfangs- 
sphase der Ontogenie nicht einfach vermehren, um indifferentes Material von Bausteinen für den künftigen 
Organismus zu liefern, dürfte ebenfalls einleuchten. Die Blastomeren sind vielmehr thätige Bau- 
steine, und zwar eine jede ist auf ihre Art thätig, wie es auch die Bienen selbst dann sind, wenn 
sie gerade an der Herstellung eines einförmigen Wabengefüges arbeiten. Selbst dort, wo wir eine aus 
äqualer Furchung resultierende Blastula — „Archiblastula“ — vor uns zu haben vermeinen, sind die 
Rollen der vermeintlichen Homoplastiden, im Hinblick auf die weitere Entwickelung des Keimes, in 
verschiedener, wenn auch überaus fein abgestufter Weise charakterisiert. Jede Blastomere entwickelt 
sich notwendigerweise zu einer speziellen Individualität, die nur zeitweilig, bei strenger Radialität oder 
Bilateralität, in einer anderen ihr Gegenstück finden kann. Die Furchung ohne gleichzeitige 
Differenzierung ist für uns undenkbar. Deshalb vermögen wir den Begriff der Furchung grand 
meme, als einer besonderen Entwickelungsperiode, nicht anzuerkennen. Man pflegt indessen die Furchung 
als einfache Zellenspaltung von der eigentlichen Morphogenese scharf zu unterscheiden. „An und für 
sich — sagt z. B. Sobotta (l) — dürfen wir den Furchungsvorgang ebenso wie den der Befruchtung 
als ein ziemlich abgeschlossenes Kapitel der Entwickelung betrachten, dessen Endresultat erst die 
Grundlage für den Beginn weiterer Entwickelungsvorgänge liefert.“ Dieser Satz enthält nicht etwa die 
subjektive Ansicht des zitierten Autors, sondern des weitaus grösseren Teiles derjenigen Embryologen, 
welche die Erbungleichheit der Blastomeren nicht annehmen. Man spricht auch geradewegs vom quan- 
titativen Wachstum der ersten und qualitativen der zweiten Entwickelungsperiode. Dass diese Auffassung 
weder physiologisch noch phylogenetisch richtig und zulässig ist, ergiebt sich ohne weiters aus unseren 
vorausgeschickten Erwägungen. Es kann nicht anders sein, als dass die eigentlich morphogenetische 
Entwickelung schon bei zweizelligem Stadium, das heisst. mit der ersten Generation der Descendenten 
der Eizelle einsetzt; sonst hätte ja diese, sowie die nächstfolgenden. sozial aliierten Generationen keinen 
Sinn und genetisch wären sie ein unlösbares Rätsel. In chronologischer und korrelativer Hinsicht 
schreitet die Morphogenese bei einzelnen Keimen und in einzelnen Teilen desselben Keimes in 
spezifischer Weise fort, hier wird sie beschleunigt, dort verzögert, wobei alle diese Rhythmen, Metachronien 
etc. in ihrer Art herediv und — da der Transmutation zugänglich — adaptiv sind. Es muss also auch 
da, wo sich die Blastulazellen bei Druckversuchen u. dgl. als ein äquipotenzielles System erweisen, eine 
unausgesetzt fortschreitende, äusserlich vielleicht nicht wahrnehmbare, morphogenetische Differenziation 
geben; daraus folgt aber, dass nach Verlagerung des Furchungsmaterials durch Schütteln oder Druck, 
die Zellen sich nicht einfach zu einer neuen, kleineren Hohlkugel zusammenzuschliessen haben, sondern 
zunächst ihre bisherige Rolle aufgeben und sich zu einer neuen bequemen müssen; bei jeder Zelle wird 
sich dieser Umdifferenzierungsprozess naturgemäss anders gestalten; genau so, wie sich in einem neuen 
Bienenstock oder in einem neuen Garten der Arbeitsplan des Bienenvolkes vielfach ändern muss. 
Wenn sich die sprossenden Blastomeren eines Echinideneies unter dem Druck der Glaslamelle nicht 
kugelig, sondern nur epithelial zusammenordnen, so sind sie nicht denjenigen Zellen völlig gleichzu- 


stellen, die ein ebensolches (d. i. aus ebenso viel Blastomeren zusammengesetztes) normales Stadium 


— 150 ° — 


zusammensetzen.*) Durch Autoregulation kann das regelrechte Ganze nur dann hergestellt werden, 
wenn die nötige Umänderung nicht über die phyletisch erworbene und angestammte „vitale‘“ Variations- 
breite der Blastomeren hinausgeht. Die letztere aber ist nicht nur bei jeder einzelnen Blasto- 
mere ein und desselben Keimes verschieden, sondern sie ändert sich mit jeder Ent- 
wickelungsphase, zu jeder Zeit ist sie für die nämliche Zelle eine andere. Dies ist einer 
der Fundamentalgedanken unserer Morphogenie. 


Es ergiebt sich des weiteren daraus, dass die Entwickelung eines Metazoenkeimes als Summe 
einer grossen Zahl von Lebensläufen einzelner Blastomeren aufgefasst werden kann. Da es 
nun aber wenig wahrscheinlich ist, dass so viele Lebensprozesse stets synchron und variationsfrei ab- 
liefen, so werden in der Entwickelung einer gegebenen Tierart gewisse individuelle Unterschiede nicht 
fehlen, die sich bei einzelnen Arten und in gewissen Fällen direkt bemerkbar machen können. Am 
weitgehendsten sind sie bei Tieren wie die Tricladen, wo nach Berghs Untersuchungen die Blastomerer 
frei und scheinbar willkürlich im Nährdotter herumkriechen; desgleichen bei manchen Nemathelminthen, 
wo die Furchungszellen ebenfalls Kriechbewegungen auszuführen haben. Aber auch bei Tieren mit 
ausgeprägt symmetrischer oder radialer Furchung, z. B. bei Cephalophoren, gehören Abweichungen in 
der Nacheinanderfolge der Zellteilungen, wie ich aus eigener Erfahrung weiss, keineswegs zu Selten- 
heiten. Selbst bei hochorganisierten Tieren, wie in der Diskoidalfurchung des Frosches haben Jordan 
und Eycleshymer (1) sehr zahlreiche, individuelle Unterschiede nachgewiesen. Bei einer einzigen 
Tierart können in der Entwickelung quantitative, qualitative und zeitliche Abweichungen von dem 
Durchschnittstypus vorkommen. In dieser Hinsicht ist der Verlauf der Furchung für die Gestalt des 
künftigen Tieres unwesentlich. 

Die Variationsbreite der Furchungszellen — in einer gewissen Hinsicht auch der Körper- 
zellen der Imago — hängt nicht von der Höhe der zu erreichenden Organisationsstufe ab; 
und umgekehrt. Auch dieser Satz gehört zu den fundamentalen Voraussetzungen unserer Morpho- 
genie. Die Natur züchtet hier eben — wie einmal Emery gesagt hat -- keine Organe, sondern 
Organismen. Es kann sich geradezu ereignen, dass bei höchstorganisierten Tieren die Individualität der 
Zellen am stärksten beschränkt sein wird.**) Auch hıer findet man eine Analogie im Verhalten solcher 
Insekten, welche in einer gewissen Richtung besonders stark in Anspruch genommen werden; es giebt 
Bienen. die so sehr heliotropisch gestimmt sind, dass sie in einem offenen, mit dem blinden Ende gegen 
eine Lichtquelle orientierten Glasrohre zu Grunde gehen, obwohl sie die Totipotenz der einschlägigen 
Anlagen verwandter Formen besitzen, die um den Ausweg nicht lange verlegen sein würden. In der 
Einschränkung selbst haben wir zweierlei Erscheinungen zu unterscheiden. Einerseits ist es das 
Unvermögen, die „normale“, ausschliesslich angestammte Entwickelungsbahn zu ver- 
lassen. Die Zellen können sich nur zu dem einen Organ entwickeln; die Selbstregulation des Organis- 
mus ist dann beeinträchtigt, weil die fraglichen Zellen, anstatt — nach etwaiger Verstümmelung des 
Furchungsmateriales — aushelfend einzugreifen, sich weiter ebenso entwickeln, als ob die höhere Ein- 


heit des Keimes unversehrt wäre. Wir brauchen wohl nicht erst ausdrücklich zu sagen, dass es dieselbe 


*) Deshalb können wir auch die allbekannten Einwände, die von Heider gegen die Ausdeutung der Drieschschen Druckversuche 
erhoben wurden, bei aller Anerkennung, die wir dem hochverdienten Gewährsmann zollen, nicht anders als geistreiche Spielerei beurteilen. 
Heider, der doch selbst an die Gleichwertigkeit idioplasmatischer Potenzen schwerlich glaubt, erörtert nämlich die Möglichkeit, dass die 
epithelial flächenhafte Entwickelung nur insofern von der normalen abweicht, als zunächst eine Reihe von meridionalen Zellteilungen, die in der 
Regel mit äquatorialen alternieren, stattfindet, worauf die angeblichen äquatorialen Teilungen erst nach Aufhebung des Druckes nachgeholt werden; 
dass also in der Differenzierung der Zellen bloss eine chronologische Änderung durch das Experiment veranlasst wird. Als ob es sich 
nicht um lebende Einheiten handeln würde, die sich jeder Lebenslage anzupassen verstehen und in jeder Lebenslage anders reagieren! Nur mit 
leblosen Mosaiksteinchen könnte man sich derlei stereometrische Scherze erlauben. Die durch den Druck erwirkten Änderungen sind 
innerlich und durchgreifend, 

*%*) Hierher der Begriff der Integration in der sogenannten „biogenetischen Theorie‘‘ von O. Hertwig. 


— 151 — 


Erscheinung ist, die von Roux als „Selbstdifferenzierung“ bezeichnet und dadurch erklärt wird, dass 
sämtliche für den betreffenden organogenetischen Gestaltungsprozess notwendigen Komponenten sich 
in diesen Zellen selbst befinden, so dass kein Energiezufluss von aussen, etwa aus den Beziehungen 
dieses Teiles zum Ganzen, zur Auslösung des normalen Geschehens nötig ist. Unserer durchaus ver- 
schiedenen Deutung gemäss, würden wir die Erscheinung eher als „prospektive Exklusivität“ 
charakterisieren. Hierher gehören gewisse Anlagen von Sinneselementen bei Ctenophoren, die sich bei 
unvollständiger Embryogenie normal und für sich ausbilden. Anderseits handelt es sich um die 
Dauer der partiellen oder totipotenten Entwickelungsfähigkeit der Blastomeren. Durch 
Eigentümlichkeiten der Differenzierung, durch korrelative Einflüsse, wird die Entwickelungsfähigkeit in 
der Variationsbreite der Zellen in der Regel eingeschränkt, um in ultimären Stadien des öfteren voll- 
ständig zu versiegen. Nur in seltenen Fällen, hauptsächlich bei niederen Metazoen, kann sie sich zeit- 
lebens in nahezu sämtlichen Körperteilen erhalten, wie bei vielen Hydrozoen und Turbellarien. Als ein 
instruktives Beispiel sind vor allem die Medusen zu erwähnen, von denen eine isolierte Blastomere des 
16zelligen Stadiums nach Zoja noch im Stande ist, eine ganze Larve zu liefern. Bei Ascidien geht 
die Entwickelung einen umgekehrten Weg: erst nach erreichtem 16zelligen Stadium kann eine von den 
Blastomeren entfernt werden, ohne dass an der aus den restlichen 15 Zellen gebildeten Larve Ver- 
stümmelungen äntstehen. Der Übergang von der auslösbaren Totipotenz zur ultimären Exklusivität 
kann sich in sehr verschiedener Weise, früher oder später vollziehen. Nach unserer morphogenetischen 
Theorie bleiben die Zellen in Bezug auf die Veranlagung ihres Idioplasmas, als späte Descendenten der 
Eizelle, totipotent; als Organisationsglieder sind sie indessen ultimär in die Lebensarbeit des Tieres ge- 
wöhnlich so intensiv eingeschaltet, dass ihre Entwickelungsfähigkeit nicht mehr ausgelöst werden kann 
und ihre Variationsbreite in morphogenetischer Hinsicht gleich Null wird. Das thatsächliche Resultat 
der Öntogenie gestaltet sich also in derselben Weise, wie es sich bei erbungleicher Teilung der 
Furchungszellen gestalten müsste. Die Sache bleibt hypothetisch und wird sich kaum je beweisen 
lassen; formal und methodologisch ist jedoch die unsrige der anderen Hypothese vorzuziehen, die ohne 
mehrfache Hilfsannahmen, welche für sich hypothetisch sind, nicht auskommen kann. Ihre Anhänger 
sind gezwungen, entweder, wie Racovitza (1), mit Weismann der Eizelle sämtliche Qualitäten ihrer 
ultimären Descendenten (,„diffus‘) zuzuschreiben und die Spezialisierung der Zellen als gleichbedeutend 
mit dem fortschreitenden Verluste der Anlagen zu begreifen, oder, wie Conklin (1), verlegen sie den 
Schwerpunkt auf angestammte „Determination“ der gesamten Morphogenese. Man könnte schliesslich 
sagen, dass auch von unserem Standpunkt aus jede Ontogenie „determiniert“ ist. Als ein unvermeid- 
licher Schluss ergiebt es sich aber zugleich, dass die idioplastische Ungleichheit der Blastomeren und 
die Organdifferenzierung des Keimes zwei Thatsachen sind (oder wenigstens sein können), welche ur- 
sächlich von einander gar nicht abhängen. Somit ist auch der Standpunkt, welchen OÖ. Hertwig in 
Betreff des Entwickelungsproblems eingenommen hat, nicht so „hoffnungslos“, wie manche seiner 
Gegner vermuten. 

Bergh hat gelegentlich die scharfsinnige Bemerkung fallen lassen, dass Beobachtungen über 
Entwickelung von ganzen oder Hemiembryonen aus Eihälften oder aus noch kleineren Bruchteilen, 
niemals über den Gegenstand der besagten Hypothesen Klarheit verschaffen werden, weil ein jedes 
Tier sich je nach den Umständen zu einer Ganzlarve oder Halblarve entwickeln kann. Weismann 
und Roux bedienen sich zur Erklärung von Ganzbildungen aus Eiteilen der Hilfsannahme einer besonderen 
Art von Idioplasma, die bei der Furchung in sämtliche Kerne unversehrt übergeht und bei Regenerations- 
prozessen in Aktion tritt; Ganzbildungen seien aber auf frühzeitige Postgeneration zurückzuführen. 
Abgesehen davon, dass die Annahme eines Reserveplasmas in hohem Grade unwahrscheinlich ist, weil 
aus dem Vorgange der Karyokinese ein Doppelmechanismus zur qualitativen Teilung der einen und 
erbgleichen Teilung der anderen Vererbungssubstanz sich in keiner Weise herausinterpretieren lässt, ist 


— 12° — 


unsere Auffassung methodologisch vorzuziehen, weil sie, ohne Hilfsbegriffe, erklärende Prinzipien für 
Postgeneration, Regeneration und Knospung in sich enthält. Durch die Erzeugung von Ganz- oder 
Halbembryonen kann ihre Richtigkeit, besser gesagt, ihre Allgiltigkeit zwar nicht eindeutig bewiesen 
werden, es wären jedoch bei derartigen Experimenten die Bedingungen zu erforschen, unter welchen 
die potenziell stets mögliche Selbstregulation eintritt oder ausbleibt, hier beschleunigt, dort verzögert 
wird, ferner das Verhältnis, in welchem die Teile des ganzen oder abgefurchten Eies zu einander stehen. 
Nach unseren Prämissen dürfte es nämlich unter diesen Teilen kaum ein wirklich äquipotenzielles System 
geben; durch die einzelnen Zellen wird die Regulation in etwas verschiedener Weise eingeleitet und 
so erklärt es sich, dass mitunter Bilder entstehen, die auf „Postgeneration“ schliessen lassen, während 
in der Wirklichkeit bei der Herstellung des Ganzen keine neuen, bei normaler Ontogenie 
unthätigen Reserveanlagen aktiviert werden: wenn man eine Biene in neue, ungewohnte Um- 
gebung bringt, so wird sich ihr Betragen in entsprechender Weise ändern, aber nicht deswegen, weil 
in ihr etwa neue, bisher latent gewesene psychische Instinkte in Aktion treten, sondern weil sie sich 
derer, die bis jetzt thätig waren, im Rahmen der angestammten (herangezüchteten) Variationsbreite in 
etwas verschiedener Weise bedient. Es ist genau dasselbe der Fall, wenn aus Gastrulis Teile des Ekto- 
dermepithels herausgeschnitten werden; die am Rande der Wunde liegenden Zellen geraten in eine 
neue Umgebung, ändern danach ihr Benehmen, rufen auf diese Weise auch in den ansfossenden Zellen 
Änderungen hervor u. s. w.*) Ebenso verhält es sich mit desorientierten Mesenchymzellen, welche ihre 
ursprüngliche Lage im Keime wieder zu erlangen trachten. Wenn hingegen aus verstümmeltem Cteno- 
phorenei nur schadhafte Embryonen entstehen, so sind in solchem Ei nach Driesch die Bedingungen 
der Formbildung offenbar derart beschaffen oder an lokalisierte „Stoffe“ gebunden,**) dass die Blasto- 
meren die normale, gefestigte Entwickelungsbahn nicht verlassen können. Die Anpassungsfähigkeit 
kann in einzelnen Fällen so früh eingebüsst werden, dass sie schon den zwei ersten Blastomeren abgeht. 

Bei allen Regulationsprozessen besteht der Vorgang im wesentlichen darin, dass 
in das Leben des Metazoenindividuums eine grössere Zahl von Zellengenerationen ein- 
geschoben wird, als die durch die Naturzucht normierte. Dies gilt nicht nur von der isolierten 
Blastomere, die sich bei der Furchung als Ei benimmt und die vorangegangenen Zell- 
teilungen rückgängig macht, sondern auch von beschränkten Regenerationsprozessen, die 
durch zufällige Verletzungen ausgelöst werden. Es folgt ferner daraus, dass zwischen der Regula- 
tion und Regeneration kein prinzipieller Unterschied besteht. Man definiert gewöhnlich diese 
als Rekapitulation von Wachstumsprozessen, die in der Lebensgeschichte des Tieres bereits einmal 
ausgelöst worden sind, jene als Neuauslösung von Wachstumsprozessen behufs Herstellung von Teilen, 
welche in der Entwickelung des Tieres sich noch nicht herausgebildet haben. Wenn wir aber einen 
Teil der Zellen eines beliebigen Stadiums, z. B. einer Blastula abtragen. dann muss der morphogene- 
tische Prozess der Blastulabildung durch Auslösung von Wachstumserscheinungen, welche in der 
normalen Ontogenie nicht vorkommen oder sich nicht wiederholen, aufs neue vervollständigt werden; 
es handelt sich also auch hier jedesmal um neuerliche Herstellung einer morphogenetischen Bildung, 
die von der Entwickelung bereits erlangt wurde. Die Zahl der Generationen, die zu diesem Zwecke 
sowohl bei der Regulation, als bei der Regeneration in die Generationenkette, aus welchen sich das 
individuelle Metazoenleben zusammensetzt, einzuschalten sind, variiert natürlich in jedem Einzelfalle, bei 
jeder Verletzung, sehr erheblich und würde im Sinne der Weismannschen Theorie eine ungeheuere 
Menge von Nebenidioplasmen erforderlich machen, damit in jedem möglichen Fall das passende Plasma 
aktiviert werden könnte, was alles in höchstem Grade unwahrscheinlich ist. Man darf ausserdem nicht 


*) Vgl. Driesch, 8, Taf. XV, Fig. 1-4, 6—8. 
**) Vgl. Driesch und Morgan, 1, p. 217—219. 


— 13 — 


vergessen, dass die Grenze, die wir zwischen der embryonalen Entwickelung und dem postembryonalen 
Leben zu ziehen gewohnt sind, nur relativen Wert besitzt, und dass selbst unter nächstverwandten 
Tieren gewisse Perioden bei der einen Art in die larvalen Stadien, bei der anderen in das Ei verlegt 
sein können; Prozesse, die bei der ersteren Species nach Verletzung der Larve regenerativ wären, 
würden somit bei der zweiten den Wert der Regulation beanspruchen, woraus das wirkliche Verhältnis 
der erörterten Wachstumsarten ohne weiteres zu ersehen ist. 

Auch die Knospung gehört zu Wachstumserscheinungen derselben Kategorie und 
findet eine direkte Erklärung. Auch bei der Knospung erhebt sich die Zahl der für das individuale 
Metazoenleben normierten Zellengenerationen über das individuelle Mass hinaus. Bei Tieren mit 
Knospung wird dasselbe, was bei der Regeneration durch Zufall ausgelöst wird, durch phyletisch 
wirkende Faktoren reguliert, erweitert und zur Norm erhoben. Je nach der Tierart ist der Anteil, welchen 
die Gewebe des Muttertieres an der Knospenbildung nehmen, sehr verschieden. Reihen von Zell- 
generationen, welche sonst als individuale Lebensläufe durch einzellige Stadien zu Anfang der Ent- 
wickelung von einander getrennt sind, stehen bei der Fortpflanzung durch Knospung in einem anderen 
Verhältnis zu einander; der Unterschied bezieht sich hierbei hauptsächlich auf die zeitliche 
Verteilung der Zellgenerationen. Deshalb kann man aber die Knospung mit der Embryo- 
genie nicht vergleichen;*) der Unterschied liegt nämlich in dem besonderen Charakter der Propa- 
gationszelle, welche bei gewöhnlicher Embryogenie die Individuen der Metazoengenerationen von ein- 
ander trennt, während bei der Gemmation eine weit engere Kontinuität der Wachstumsvorgänge die 
beiden Individuen miteinander verbindet. 

Der Knospung gehen gewöhnlich, ebenso wie bei der Regeneration, Umdifferenzierungsprozesse 
voraus. Diese Prozesse sind hier zwar phyletisch gefestigt und geregelt, gehören jedoch zu immanenten 
Eigenschaften der lebenden Zelle, welche prinzipiell keinem Organismus abgehen, sich aber in sehr 
verschiedenem Grad und Umfang bethätigen. Dort, wo sämtliche Zellen einer Körperschicht denselben 
Grad der Umdifferenzierung aufweisen, wird von äquipotenziellen Systemen gesprochen. Ein solches 
bilden z. B. die beiden Epithelschichten der Hydra. Das Ektoderm eines Tentakels kann bei ihr in die 
drüsige Basalscheibe umdifferenziert werden; deshalb werden bei Hydra auch Regenerationsprozesse mit 
grösster Leichtigkeit ausgelöst. Das Verhältnis der Knospung zur Regeneration haben wir bereits im 
XI. Abschnitt besprochen. Da wird es auch begreiflich sein, dass diese Fähigkeiten nicht immer, wie 
bei Hydra, simultan auftreten, sondern dass manchmal knospende Tiere überaus schwach regenerieren. 
Dass die meisten Organismen in der Jugend grössere Regenerationsfähigkeit besitzen als im Reifestadium 
und dass das regenerierte Gebilde mitunter einfachen Bau und atavistische Charaktere aufweist, erklären 
wir ohne weiteres aus dem Wesen der fortschreitenden Zellendifferenzierung, ohne die Annahme des 
Haeckelschen biogenetischen Gesetzes zu benötigen. Man soll überhaupt die in einer umfangreichen 
Litteratur niedergelegten Thatsachen der Regenerationskasuistik mit grosser Vorsicht theoretisch ver- 
werten. Wenn es auch Thatsache ist, dass die Ektodermzellen bei Hydra Tegument, Nerven, Muskel- 
fasern, Knidoblasten und Keimzellen liefern, so folgt daraus noch nicht, dass eine Myoblastzelle be- 
fruchtet werden oder sich in der Loebschen Salzlösung wie eine Eizelle abfurchen könnte! So lange 
wir über die Hauptvorgänge des Zellenlebens, über das Verhältnis des Kernes zum Plasma u. dgl. im 
Dunkeln bleiben, so lange müssen wir von jedweder Verallgemeinerung absehen. So halten wir auch 
das theoretische Ergebnis H. Przibrams, dem wir eine Reihe interessanter und wertvoller Experimente 
über Regeneration bei Crustaceen und Crinoiden verdanken, diese Fähigkeit stehe im umgekehrten Ver- 


hältnis zur Anpassungshöhe eines Tieres an bestimmte Lebensbedingungen, für einen verfrühten und 


*) Dass für die Organogenie der Knospe und des Keimes, namentlich bei Anwendung des Keimblattbegriffes, ganz andere Kriterien der 
Vergleichung in Betracht kommen, versteht sich von selbst, da die Knospung an sich und der Bau der Knospe zwei verschiedene Gegenstände sind. 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 20 


— 154 — 


unrichtigen Schluss. Nach Przibram*) giebt es eine Spezialisierung der Organismen, die durch die 
allgemeine Organisationshöhe gegeben ist, und solche, die durch einseitige, daher „starre‘‘ Anpassung 
entsteht; letztere sei von einem allgemeinen Schwunde der Organisation begleitet und bringe auch die 
Regenerationsfähigkeit zum Schwunde. Diese Schlussfolgerung halten wir für unrichtig, zum ersten, 
weil wir für den obigen, in Anlehnung an Driesch angenommenen Gegensatz keinen einzigen Beweis- 
grund anzuführen wüssten, zweitens, weil es, wie Przibram selber eingesteht, leicht und gar nicht re- 
grenerierende Arten einer und derselben Tiergattung giebt (Limmaea, Molge, nach Carriere und Fraisse) 
und dies bei genau derselben Organisationshöhe und derselben Lebensweise. — 


In diesem Zusammenhange wollen wir noch mit wenigen Worten der rätselhaften Dotterkerne 
Erwähnung thun, welche bei Wirbeltieren als fremde, nicht zum Ei gehörende Elemente, teils vom 
mütterlichen Organismus (Parablasttheorie), teils von überzähligen Spermatozoen (Polyspermie) abgeleitet 
werden. Da uns hierüber jede persönliche Erfahrung fehlt, haben wir nur vom theoretischen Stand- 
punkte zu bemerken, dass der Vorgang aus den von uns entwickelten Prinzipien sich ohne Schwierig- 
keit erklären liesse. Die durch abnorme Polyspermie in die Reihe der Blastomerengenerationen ein- 
geflochtene Entwickelungsreihe männlicher Zellen könnte bei den Prozessen der Dotterassimilation u. dgl. 
dem Keime irgendwie zum Vorteil ausschlagen und deshalb im Laufe der phyletischen Entwickelung 
durch Heranzüchtung entsprechender Beschaffenheit der Eimembran zur Norm werden; es wäre gleich- 
giltig, ob die Descendenten der Samenzellen im Organismus des Embryos persistieren oder — wie es 
z.B. Oppel (1) für Angwis und Lacerta angiebt — in einer späteren Phase obliterieren würden. Von 
Todaro (1) u. A. wird allerdings die Existenz physiologischer d. i. normaler Polyspermie geleugnet. — 


Was schliesslich die phylogenetische Bedeutung der einzelnen Stadien der Blastomerenentwicke- 
lung anbelangt, so steht es für uns ausser Frage, dass der Verlauf der Furchung, als ein Resultat 
der historischen Umwandlung, ebenso wie die ultimären Verhältnisse der Organisation, 
unmittelbar oder mittelbar diese Vergangenheit zum Ausdruck bringen muss. Diesen 
Schluss halten wir nicht nur für denkmöglich, sondern für denknotwendig und einzig zulässig. Das 
Problem betrifft folglich nicht die Thatsache selbst, sondern die Art und Weise, in welcher 
das geschieht. Unsere Untersuchungen über die Gastraealehre und den Keimblattbegriff haben uns die 
Überzeugung beigebracht, dass jener Ausdruck nicht aus dem sogen. biogenetischen Grundgesetze zu 
erschliessen ist, sondern dass er angesichts der grossen Mannigfaltigkeit morphogenetischer Verhältnisse 
eher auf physiologischem Gebiete zu suchen sein würde; und dies um so mehr, als der Organismus die 
ersten Stadien seiner Entwickelung bewegungslos und im Ei durchläuft, also unter Umständen, welche 
für die Entfaltung morphologischer Eigenschaften wenig günstig sind. Mit der vollständigen Lösung 
dieses Problems wäre die Hauptaufgabe unserer Forschung gelöst. Fortgesetzte Beobachtung des 
normalen Geschehens und das Experiment werden uns hoffentlich eher oder später in den Besitz jenes 
Leitfadens bringen, der uns erlauben wird, palingenetische und cenogenetische Momente der Entwicke- 
lung von einander zu sondern und die Wege der stammesgeschichtlichen Entwickelung zu eruieren. 
Vorläufig werden wir durch auffällige Nebensächlichkeiten, Zufälligkeiten, die uns Unwesentliches als 
Ursache aufdrängen, durch simulatorische Momente verschiedener Art beständig irregeführt und die 
Orientierung wird ausserdem durch den Umstand erschwert, dass die Physiologie der Lebensfunktionen, 
die selbst bei erwachsenen Tieren wenig bekannt ist, sich im Keime anders gestaltet und eine andere 
Beschaffenheit der Organe erforderlich macht. Es ist daher vorerst zu beachten, ob ein untersuchtes 
Entwickelungsstadium im Ei oder im postembryonalen Leben und unter welchen Umständen erreicht 
wird, — alles dies Momente, die in der Wissenschaft die wenigste Beobachtung finden. Darin liegt 


*) Die Regeneration bei Crustaceen (Arbeiten der Wiener Zool. Institute, Bd. XT), p. 2I, 22. 


auch der Grund, warum die meisten embryologischen Materialien, wie es Driesch beklagt, sich so 
selten zu exakten Vergleichen ohne Nachuntersuchung verwenden lassen. So kommt es, dass man in 
der Ontogenie der Tiere auf Schritt und Tritt Vorgängen begegnet, die sich vorläufig lediglich als 
Wirkungsweisen vitaler Mechanismen der Blastomeren begreifen lassen. Vorläufig müssen wir uns denn 
auch zu dem Eingeständnis bequemen, dass cenogenetische Verhältnisse in der Entwickelung sämtlicher 
Metazoen — wie es nicht anders sein kann — die Vergangenheit in unendlicher Weise modifizieren 
und die ursprünglichsten Phasen der Stammesgeschichte stets verwischen; dort wo wir palingenetische 
Merkmale zu sehen vermuten, handelt es sich in der Regel um kongruentes Walten 
physiologischer Postulate. — Man beschäftigt sich in neuerer Zeit besonders viel mit der Frage, 
inwiefern die Ähnlichkeit der Furchungsbilder bei Mollusken, Anneliden und Polycladen die Vergangen- 
heit dieser Gruppen wiedergiebt und ihre Blutsverwandtschaft dokumentiert. Wir begnügen uns an 
dieser Stelle mit der kurzen Bemerkung, dass wir an gewissen Vorgängen in der Entwickelung mancher 
dotterreichen Dendrocoelen und vieler Insekten eine noch grössere Ähnlichkeit erblicken, als jene 
morphologische, die sich in der Furchung der Polycladen und der Anneliden bekundet. 


Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass alle Zellen, die den Organismus zusammen- 
setzen, als Descendenten einer gemeinsamen Ahnenzelle, idioplastisch einander gleich sind. Weder 
die Lage allein, noch die Funktion an sich, genügen, um eine Zelle erschöpfend zu charakterisieren. 
In weiterer Konsequenz sehen wir zwischen den Körperzellen und den Propagationszellen keinen 
prinzipiellen Unterschied; dieses theoretische Ergebnis findet in den verschieden lokalisierten Knospungs- 
erscheinungen und in der regenerativen Aequipotenz ganzer, vielfach differenzierten Gewebssysteme 
seine volle Bestätigung. Experimente, wie die von Driesch (3), wo sich Echinidenblastulae als unfähig 
erwiesen haben, nach Entwickelung des Archenterons und des Mesenchyms, die Darmbildung zu 
rekapitulieren, können jenes Ergebnis nicht erschüttern. Genetisch sind alle Zellen einander homolog, 
also auch sämtliche somatische Zellen den Eizellen.*) Boveris neueste Untersuchungen haben sogar 
gezeigt, dass sämtliche Zellen, samt den Gonadenepithelien polar differenziert und im Körper in gleicher 
Weise orientiert sind. Jede von ihnen lebt, mit anderen Worten gesagt, ist befähigt, sämtliche 
Lebensfunktionen, der Aneignung durch Nahrungsaufnahme und Atmung, der Ausscheidung, der Be- 
wegung, des Reagierens auf Reize und der Vermehrung, sei es durch Teilung, sei es durch endo- 
genetische Kernteilung, selbständig zu verrichten. Wenn man die Metazoen von Kolonien-bildenden 
Protozoen, z. B. von Flagellaten ableitet, welche bei intakter Totipotenz die Fähigkeit besassen, sich 
durch Querteilung oder Längsteilung zu vermehren, so wird dadurch die richtige Auffassung der 
Blastomeren während der Furchung nur erleichert. In ihrer Gruppierung bilden sie keine Keimblatt- 
einheiten. Jede Zelle entwickelt vielmehr eine ausgesprochene Individualität, woraus unzählige morpho- 
tische Konstellationen resultieren; und aus der theoretischen Logik weiss man, dass hoch individualisierte 
Phänomene keine Kollektivnamen haben können. Nach Art eines mathematischen Gesetzes, welches 
eine Unzahl von Gleichungen und sonstigen Problemen zu lösen erlaubt, muss es auch bezüglich des 
Blastomerenverbandes eine Norm geben, in deren Besitz gelangt, wir im Stande wären, alle Furchungs- 
figuren auf gemeinsame Ausgangspunkte zurückzuführen und die Gründe zu nennen, welche bei 
heterogenen Formen analoge Bilder, bei blutsverwandten äusserste Gegensätze der Morphogenie ver- 
anlassen, ferner zu entscheiden, wo der Einfluss der phylogenetischen Überlieferung aufhört und die 


*) Diese unsere These unterscheidet sich grundsätzlich von dem unlängst publizierten Gedanken eines hervorragenden Forschers, dass 
die Eizellen sämtlicher Metazoen (nicht nur der Keimblätter) miteinander homologisiert werden können. Dies stellen 
wir entschieden in Abrede. 


20* 


unmittelbare Einwirkung mechanischer Faktoren beginnt. Entwickelungsmechaniker, welche jenen 
phyletischen Einfluss — als für die Verwandtschaft beweisend — nicht anerkennen und alles auf 
mechanische Wirkungsweisen beziehen, verfahren dogmatisch. 

Das sind die Thatsachen und Voraussetzungen, an denen man festzuhalten hat, um, wie es 
einst Haeckel (7) von seiner Gastraealehre erhoffte, „von der empirischen Erforschung der Thatsachen 
zu der philosophischen Frage nach den natürlichen Ursachen derselben“ vorzudringen. 


XI. Abschnitt. 
Physiologische Morphogenie. 


Das Programm einer jungen, neuen oder neuauszubauenden Disziplin ist mit den Problemen 
dieser Disziplin gegeben. Ihre Probleme ergeben sich aus den Grundeigenschaften des behandelten 
Gegenstandes. Diese Grundeigenschaften müssen erst aus dem allgemeinen Thatsachenmateriale un- 
mittelbarer Beobachtung in exakter Weise herausgelesen und als grundlegende Prinzipien, oft Thesen 
genannt, formuliert werden. Das ist die erste Aufgabe der einschlägigen Forschung und zugleich ihre 
wichtigste, weil sie die Basis zu schaffen hat, auf die sich die Probleme, das Programm und alle 
zukünftige einschlägige Forschung zu stützen hat. Aus der Natur dieser Grundeigenschaften des 
Gegenstandes ergiebt sich auch die Methode der Untersuchung, welche den Suchenden zum Ziele 
führen kann. 

Das Programm der vergleichend biologischen Forschung ist mit den Grundeigenschaften der 
Organismen gegeben. Wir könnten auch sagen: des Organismus, sofern wir nicht anders als einen 
einheitlichen Ursprung der belebten Substanz anzunehmen vermögen und so gewissermassen die 
geschichtlichen Schicksale dieser einen Organisation aus ihrer Reaktionsfähigkeit auf die Umgebung 
zu erschliessen haben. 

In wissenschaftlich ökonomischer Fassung findet die Erkenntnis der prinzipiellen Eigenschaften, 
welche das Wesen jener Reaktionsfähigkeit bedingen, als eine Reihe von Thesen ihren Ausdruck. 
Solche Thesen sind so lange mit den Naturgesetzen (d. i. der Geschehensnorm) organischer Entwickelung 
nicht identisch. so lange sie sich nicht unmittelbar aus der Beobachtung der Thatsachen des Geschehens 
ergeben, sondern nur durch eine annähernd genaue Abschätzung der Wahrscheinlichkeitswerte ge- 
wonnen werden. In diesem Stadium der Erkenntnis können sie entweder die Geschehensnorm in 
zweifellos richtiger, eindeutiger Weise umschreiben, wobei sie jedoch nur die äussere dem Beobachter 
unmittelbar zugängliche Seite der Entwickelungsvorgänge erfassen, ohne das kausale Verständnis durch 
Aufzeigung bedingender Motive zu fördern; oder sie sind in verschiedenem Grade hypothetisch und 
werden aus Hypothesen dann erst zu Thesen, wenn sie, zu programmgebenden Prinzipien gemacht, 
die Forschung zu Resultaten führen, welche durch Übereinstimmung mit den sonstigen Thatsachen der 
Entwickelung die wissenschaftliche Verwendbarkeit ihrer selbst und damit auch die Richtigkeit der 
Prinzipien bekunden. Erweisen sie sich als falsch, dann muss auch die spezielle Methode der Unter- 
suchung abgeändert werden und für den Fortschritt der Erkenntnis ist nur so viel gethan, als durch 
Elimination einer unzweckmässigen Richtung die Problemstellung im Sinne der Wahrscheinlichkeit eine 
Korrektur erfährt. 

Unsere Prinzipien haben zum Teil diesen interimistischen Charakter. Die Thatsachen, deren 


kausale Begründung in vielen Fällen noch aussteht, müssen mit Annahmen in Verbindung treten. 


— 17 — 


Auf diese Weise kommt ein Gesamtbild zustande, welches den Gang und die Richtung der Forschung 
nur interimistisch bestimmen kann. Gleichen Schrittes mit der Erweiterung und Vertiefung der Er- 
kenntnis, wird sich auch hier das Walten einer Selektion bemerkbar machen, welche einzelne Glieder 
aus dem Gesamtbilde eliminiert, den Schwerpunkt des Ganzen und die Hauptrichtung der Forschung 
verschiebt und in dieser oft schwer nachzuweisenden Arbeit niemals aussetzt. Die eliminierten Glieder 
gewinnen alsdann den Wert von Wegweisern. Es muss daher auch Theoremen, deren sachliches 
Ergebnis sich negativ gestaltet, wie der Gastraeahypothese oder der Keimblätterlehre, diese positive 
Bedeutung zugebilligt werden. 


Der erste Hauptsatz, zu dem wir auf induktivem Wege gekommen sind und welcher unseres 
Erachtens bei vergleichender Untersuchung der Metazoenentwickelung festzuhalten ist, lautet, dass 
sämtliche Blastomeren, als Descendenten der Propagationszelle, in allen Fällen, jene Eigenschaften 
besitzen, die man sonst als Sonderungscharaktere den einzelnen Keimblättern zuzuschreiben pflegt. 
Jede Zelle des Metazoenkörpers ist ein Kleinstaat, welcher Ektoblast, Entoblast und 
Mesoblast in sich enthält. 


Die Lebensperiode, in welcher dieses Vermögen unmittelbar ausgedrückt werden kann, ist je 
nach den entwickelungsgeschichtlich summierten Besonderheiten des Organismus sehr veıschieden. 
Es kann dasselbe noch ultimären Organen zukommen oder sich auf das Stadium der ungeteilten Keim- 
zelle beschränken. Seine Variationsbreite deckt sich somit mit der Entwickelung (d. i. mit 
dem Leben) selbst. 


Jede, auch ultimäre Descendentin der Eizelle unterscheidet sich also von derselben nur dadurch, 
dass ihre Entwickelungsmannigfaltigkeit in dem Grade Einschränkungen erfährt, in welchem ihre 
Prospektivität potenziell bleibt. Beide aber — sowohl die Eizelle als ihre Descendentin — gleichen 
im Vollbesitze jener Mannigfaltigkeit der Protozoenzelle, mit der sie durch eine Kette von Übergängen 
zusammenhängen. Es ergiebt sich aus diesen Thatsachen, dass der fundamentale Satz Haeckels 
(6, p. 53), die Urkeimblätter seien bei allen Tieren homolog mit Ausnahme der Protozoen, falsch ist. 
Wir homologisieren keine Keimblätter, aber diese Ausnahme kennen wir nicht. Und zu unserer 
Erkenntnis hat uns nicht nur die rätselhafte Salinella verholfen, deren einzellige Larve uns übrigens den 
Sachverhalt genauestens illustriert. 


Der zweite Satz Haeckels, dass die Histioten (Metazoen) mehr von Protisten abweichen als 
von geweblichen Pflanzen, ist selbstredend desgleichen grundfalsch. Die Kluft, welche die Vielzelligen 
von den Unicyten trennt, ist so wenig bedeutend, dass sie in der Entwickelung eines Metazoenindividuums 
aus der Eizelle jedesmal überbrückt wird; die Kluft hingegen, welche ein solches Individuum vom 
pflanzlichen Organismus trennt, ist um eine ganze Schöpfungsphylogenie grösser. Dem Grad dieser 
letzteren Verwandtschaft hier nachzuforschen, wäre höchst überflüssig. Es ist schliesslich alles, was in 
der Welt vorkommt, mit einander genetisch verbunden, — selbst die kosmischen Körper, die aus dem 
Himmelsraum auf den Erdball gelangen. 


Nach eingehender Untersuchung aller wichtigen Fragen der embryonalen Entwickelung, der 
Knospung, der Selbstditferenzierung, der Regeneration u. dgl. mehr haben wir fast sämtliche taxonomische 
Merkmale, wie sie in lehrbuchmässigen Definitionen der Metazoen vorkommen, als nichtig erkannt und 
es ist kaum etwas anderes als die Vielzelligkeit selbst übrig geblieben, woraus sich das wahre Ver- 
hältnis der beiden Tiergruppen zu einander von selbst ergeben hat. Es ist nun unschwer zu erkennen, 
dass wir dasselbe induktiv erlangte Resultat auch deduktiv aus unserem Satze von der Zellenprospek- 
tivität gewinnen könnten, wobei uns namentlich unsere Begriffe vom intraindividuellen und ultra- 
individuellen Wachstum behilflich sein würden. 


— 158 ° — 


Aus unserem Satze von der totalen Prospektivität lässt sich deduktiv auch die einfachste 
Erklärung für das thatsächliche Umdifferierungsvermögen der Organe ableiten. Jener Satz erklärt vor 
allem die unendliche Mannigfaltigkeit von Abstufungen, welche zwischen den Extremen der aktiven 
Totipotenz und selbst der angeblich durch Anpassung zu veranlassenden Erschöpfung ausgespannt ist. 
Die mannigfaltige Abstufung wird durch die phylatische Vergangenheit der Zellen erzeugt. Anderseits 
kann die Zelle, die von ihrer Vergangenheit beeinflusst wird, in dem von dieser Vergangenheit aus- 
gesteckten Rahmen verschiedene Prozesse, z. B. Reparationsarbeiten, auslösen, ohne ihre Leistungs- 
fähigkeit zu erschöpfen: es handelt sich hierbei eben um kein Regenerationsplasma, das im 
Bedarfsfalle aus der Reserve treten würde. Wie viele solcher Reserven wären dem Organismus nötig? 
Würden sie neben dem Keimplasma im Kerne leblos daliegen oder unthätig leben? In diesem 
Zusammenhange sei noch der populäre Vergleich der Zellen mit menschlichen Individuen in sozialer 
Vergesellschaftung in Erinnerung gebracht. Jedermann geht einer ihm durch den Staatsverband auf- 
genötigten Beschäftigung nach, ohne seine sonstige Leistungsfähigkeit potenziell einzubüssen. Ebenso 
aufgenötigt und mehrseitig sind die Aufgaben der Zellen im Organismus. In abwechslungsreichster 
Weise verbinden und verflechten sie sich gegenseitig im Organismus. Ein gewisser Prozentsatz 
derselben wird in der That sehr einseitig, ähnlich wie unter der Last einförmiger Arbeit auch mensch- 
liche Individualitäten verkümmern. Das sind indessen Ausnahmen. In den meisten Fällen bestehen 
die Organe eines höheren tierischen Organismus aus Zellen verschiedenen Ursprungs, von ver- 
schiedener Vergangenheit und von verschiedener Leistungsfähigkeit. Die eine Gewebssorte wird von 
einer anderen durchsetzt. Kein Organ entsteht aus einem einzigen Keimblatte. Die Rückensaite der 
Chordaten entsteht nicht nur aus dem „Entoderm“, sondern auch aus verschiedenen Elementen des 
„Mesoderms“; was hiesse übrigens eine solche Abgrenzung, eine strenge Beschränkung dieses Skelett- 
teiles angesichts der Thatsache, dass das sonstige Endoskelett zum Teile aus Mesoderm, zum Teile 
aus den Hautepithelien seinen Ursprung nimmt? 


Der erste Satz führt uns zu einem zweiten, nicht minder grundlegenden. Das „Entoderm‘ 
der Tierspecies A ist nicht gleichbedeutend mit dem „Endoderm“ der Species B. Es giebt so viele 
Keimblätter, so viel es Organe und Tierarten giebt. Organe und Tiere sind Vergesellschaftungen von 
Zellen. Die Beschaffenheit der Zelle ist aber die Funktion ihrer Vergangenheit. Und hinter 
jedem Tier, ja, wir könnten sagen, hinter jedem Individuum liegt eine andere Schöpfungsgeschichte. 
Wir haben die Richtigkeit unseres zweiten Satzes von der unendlichen Mannigfaltigkeit der Keimblätter 
an einer Reihe von Beispielen bewiesen, wie wir zu ihm durch eine Unzahl von Einzelfällen gekommen 
sind; und ein einziges Beispiel hätte genügt. Wir müssen geradezu die Behauptung aussprechen, dass 
keine einzige Ausnahme davon zu finden ist. Schon beim Olynthus, jenem Organismus im Haeckelschen 
Stil, begegnen wir einem Entoderm, welches mit Exkretions- und Propagationselementen untermischt 
ist. Ähnliches zeigt die Entwickelungsphysiologie sämtlicher Zellen des Spongienorganismus, nicht nur 
der Zellen des Gastrocoels. 


Doch wollen wir uns nicht wiederholen. Das Keimblatt ist eine vieldeutige Aequivo- 
kation, kein wissenschaftlicher Begriff einer Thatsächlichkeit. Von ihm gilt dasselbe wie von der 
Urteilsfunktion in der modernen Theorie der Namen, welche so viele Urteilsarten erkannt hat, so viele 
Urteile gefällt werden.*) Wer je beim Studium embryologischer Objekte die Mannigfaltigkeit beobachtet 
hat, mit der uns die einzelnen Blastomeren beim Aufbau des Keimes entgegentreten, der wird es nicht 


bezweifeln, dass die „Keimblätter‘“ hypothetischer — und was weit schlimmer — unnatürlicher sind als 


*) „Man sollte einen bildlichen Ausdruck, eine Fiktion, namentlich bei grosser Vieldeutigkeit des Ausdruckes niemals zum Problem 
erheben, es sei denn in der Absicht, die Vieldeutigkeit und die Bildlichkeit aufzulösen“ (vgl, Stöhr 1, p. 70). Dies ist nun hier geschehen. 


— 159 0 — 


jene „systematischen Kategorien“, gegen die sie als Abhilfe dienen sollten und als eine erlösende 
Errungenschaft des Fortschrittes gepriesen wurden. 

Wir haben uns drittens von der ausserordentlichen Plastizität des Zellenmateriales überzeugt. 
Die Zellen-Vergesellschaftung und Zellen-Vergangenheit unterliegt zahlreichen, von kleinen Unterschieden 
in äusseren und inneren Faktoren abhängigen Modifikationen, woraus die individuelle Varialilität der 
Organismen resultiert. Einen unmittelbar erschaubaren Ausdruck findet das insbesondere in der Plastizität 
des Furchungsmateriales. Die bereits abgeschnürten Blastomeren können sich aufs neue mit einander 
zu mehrkernigen Zellen verbinden, die Furchen verstreichen, neue Furchen werden oftmals in anderer 
Richtung gezogen, so dass das Plasma des Blastoderms nicht an die früheren Zelleinheiten gelangt, 
sondern unter neue, in abweichender Weise verteilt wird. Eine Erklärung der physiologischen Gründe, 
welche die Erscheinung veranlassen, steht noch aus; nur an Loebs Erklärungsversuch, Zellfusionen 
träten bei Sauerstoffmangel ein und Zellen seien überhaupt als Oxydationsterritorien aufzufassen, sei 
hier nebenbei hingewiesen, da er sich auf ein embryologisches Objekt — Ctenolabruskeime — bezieht. 
Ähnliche Vorgänge sind bei verschiedensten Organismen, bei Dekapoden (Atyephyra, nach Ishikawa), 
Mollusken u. v. a. beobachtet worden. Bei Sreeinea pulvis konnte Schmidt (1) direkt feststellen, dass 
nach Obliterierung der ersten Furchung und neuerlicher Furchung neue Zellen aus Zellhälften gebildet 
wurden, die vorber verschiedenen Blastomeren angehörten. Mit Recht sagt daher Dreyer (1), dass 
sich Zellen in Epithelien wie „Hüssige oder halbflüssige“ Gebilde verhalten. Nach Whitman sind es 
„plastische“ Kräfte, die die Keimmasse ohne Rücksicht auf Zelleinheiten und Zellformen gestalten und 
differenzieren Dies ist die Anschauung der Organismisten. Bei einer solchen Fassung des Problems, 
die auch methodologisch fruchtbar sein kann, darf aber nicht vergessen werden, dass die Einheit des 
Keimes ein genetisches Posterius, die Symbiologie der Blastomeren das Prius bedeutet; es wäre wohl 
geboten, die Auffassung umzukehren. Anderseits würde man auch dann fehlgehen, wenn man das 
eigentliche Prius aus dem Zellenleben in die morphologische Zelleinheit als etwas Feststehendes über- 
tragen würde. In unserem Sinne ist nämlich die Ansicht des Botanikers Sachs, die Bildung der Zellen 
sei eine sekundäre Erscheinung, durchaus berechtigt. Es handelt sich um ein günstiges Zusammenleben 
der Zellen als Organismus, nicht um das Lineament der Zellgrenzen, welches einen gegebenen und 
keinen anderen Organismus zur Folge hat Die Zelleinheit ist hierbei wirklich belanglos; sie kann in 
verschiedener Weise variieren oder gar aufgehoben werden. 

Sie kann variieren oder aufgehoben werden — dasselbe muss also auch den Organismus 
als Ganzes betreffen, da er von Zellen ausgebaut wird. Da müssen wir denn die Thatsache als durch- 
aus natürlich hinnehmen, dass auch die Individualität Modifikationen erleiden kann. Eine Individualität 
kann sich in mehrere spalten oder mehrere können zu einer zusammentreten. Van Duyne (1) wusste 
ein Turbellar (Planaria torva) zu veranlassen, 5-6 Köpfe, respektive Schwanzstücke anzulegen. Loeb 
sah, wie sich ein unbefruchtetes Metazoenei zu zwei und mehreren Larven unter Einwirkung von 
Salzlösungen entwickelt. In geeigneten Salzmischungen waren aber 2 Keime eines anderen Tieres 
befähigt, einen einzigen Riesenembryo zu liefern.*) Ausser der Plastizität als Grundeigenschaft des 
Lebenden erhellt aus solchen TThatsachen auch die vorwiegend caenogenetische Bedeutung des Furchungs- 
lineamentes. 

Die Plastizität an sich und allein macht die vielfachen schützenden, regelnden und ausgleichenden 
Vorgänge im Leben des Organismus erst möglich. Ohne diese Fähigkeit würde der Organismus 
überhaupt nicht leben können; dem Erkrankten würde kein Medikament zu helfen vermögen. Durch 
sie allein kann sich das Blut nach Verletzung und Unterbindung eines Gefässes neue Wege bahnen 
und das Gefässsystem ummodeln. Sie macht es möglich, dass ein Kranker durch die Haut Nahrung 


*) Experimente mit Chaetopterus u. dgl. 


— 160 — 


aufnehmen kann. Ich selbst habe seiner Zeit über die Erfolge berichtet, die ich auf diese Weise bei 
lebensschwachen Schmetterlingspuppen erzielt habe. Die Fähigkeit physiologischer Anpassung durch 
Entwickelung neuer physiologischen Funktionen kommt eben auch ultimären Geweben zu. Sie gehört 
aber zu den Grundeigenschaften des Lebens. 

Unser weiterer Hauptsatz stützt sich auf die Erkenntnis, dass die Resultate coenogenetischer 
Einflüsse im jugendlichen Alter, in der Embryonalentwickelung, grösser ist als im Reifezustand der Tiere. 
Es wäre daran der Ausdruck „coenogenetisch“ auszusetzen. Er gehört nämlich vollständig in die 
Denkweise Lamarcks, Haeckels und unserer ganzen, heutigen Morphologie und wird hier nur der 
Verständlichkeit halber angewandt. Nach der alten Denkmethode könnte man auch sagen, dass die 
Summe der Transmutation, welche ein Organismus in der Jugend erfährt, grösser ist als im Alter. 
Wir aber fassen den Sachverhalt so auf, dass ein Organismus auf dem Wege phyletischer Entwickelung 
rascher in seinen frühen als in späten Entwickelungsstadien fortschreitet. 

Dieser Sachverhalt ergiebt sich direkt aus allen unseren Analysen; aber auch durch das 
Experiment wird er bestätigt. Bei der Zucht von Arctiidenraupen habe ich einen namhaften Prozentsatz 
von Aberrationen nur dann erhalten, wenn ich den Raupen noch vor der ersten Häutung ein zweck- 
mässig abgeändertes, z. B. salziges Futter dargereicht habe. Temperaturvarietäten liefern verschiedene 
Lepidopterenarten hauptsächlich dann, wenn sie bald nach der Verpuppung grosser Kälte ‚oder 
ungewöhnlich hohen Wärmegraden ausgesetzt werden. Lithiumsalze, welche die Eikeime morpho- 
genetisch beeinflussen, üben diese Wirkung auf Blastulae und Gastrulae nicht mehr aus (Herbst).*) 

Vergegenwärtigt man sich die durchgreifende Rolle, welche die Physiologie der Ernährung, des 
Wachtstums, der Propagation, nicht nur in Bezug auf die Gestalt des Imaginalzustandes als Repräsentanten 
der Art, sondern auch, und vor allem, in Bezug auf frühe Entwickelungsstadien spielt, so wird man 
einsehen, mit welcher Vorsicht und Zurückhaltung phylogenetische Fragen behandelt sein wollen und 
wie schwierig das Problem der Verwandtschaft überhaupt ist. Es sind nicht nur die sogenannten 
Heterochronien, welche durch Ungleichmässigkeit im Entwickelungstempo einzelner Organanlagen 
die auffallenden Unterschiede in der Ontogenie nahe stehender Formen, z. B. verschiedener Säugetiere, 
verursachen. Wir wissen vielmehr, dass die Tierformen in ihren Entwickelungsstadien in einen Strom 
von Umwandlung eingeschaltet sind, der niemals stehen bleibt und keine Lebenssphäre derselben 
undurchdrungen lässt! Daraus resultiert eine ungeheuere Mannigfaltigkeit. Dass in den Materialien, 
welche die bisjetzige Forschung zum Zwecke wissenschaftlicher Vergleichung zusammengetragen hat, 
mit Ausnahme der letzten Jahre jene Mannigfaltigkeit nicht im entferntesten zur Geltung kommt und 
dass das meiste eine neue Untersuchung verlangt, dürfte einleuchten 

Wir gelangen fünftens zu der wegweisenden These, dass Kriterien für zoologische, 
physiologische, biologische Vergleichung nicht aus Formumwandlung (ontogenetisch und 
phylogenetisch genommen), sondern aus der Entwickelungsgeschichte der Lebensprozesse zu 
schöpfen sind. Die einzelnen derselben beeinflussen sich gegenseitig beim Zusammenspiel in der 
organistischen Symbiose und werden infolge der nie aussetzenden Umwandlung des äusseren Mediums 
desgleichen umgewandelt. Da sie aber die Gestalt des zoologischen Individuums bedingen, so muss 
diese Gestaltung, als deren Funktion und Resultante, ebenfalls Umwandlungen erfahren. Es ist unsere 
Pflicht, hervorzuheben, dass schon Frenzel (3), der Ansicht Bütschlis entgegen, auf die Wichtigkeit 
physiologischer Eigenschaften neben den morphologischen hingewiesen hat. Dies gilt namentlich in 
Bezug auf die Gastrulation. Die Wesenheit des Treibenden und Gestaltenden in der organischen Natur 
liegt nicht im Archenteron, in der formalen, morphologischen Bildung des Verdauungssackes, sondern 


in der Physiologie der Ernährung. Und da die letztere, je nach dem Charakter der gewohnten, 


*) Der Einfluss existiert auch hier, und zwar unbedingt; nur ist er nicht morphogenetisch nachweisbar, 


— 161 — 


angestammten Umgebung, eine sehr verschiedene sein muss, so werden auch die Ausgangspunkte 
des Transmutationsprozesses und die einzelnen Umwandlungsprozesse an sich verschieden sein.*) Alles 
das, was uns hierbei den Ausschlag giebt, wird im Schema der Gastraealehre gar nicht berücksichtigt. 
Festzustellen, dass ein Organ aus ektodermalem und nicht etwa mesodermalem Zellenmateriale gebildet 
ist, bedeutet gegenwärtig in der Embryologie dasselbe, als den Sachverhalt klarstellen. Damit ist 
indessen nichts anderes gethan, als die Möglichkeit dieses einen, diesbezüglichen Irrtums aus einer 
langen Reihe anderer, nicht minder möglicher, beseitigt. Die Entstehung des Organs, der morpho- 
genetische Vorgang selbst ist aber dadurch bei weitem nicht erklärt. Erklären ist, eine Thatsache nach 
allen ihren Seiten, d. i. erschöpfend kennen zu lernen. Erst dann ist die Aufgabe der Wissenschaft 
erledigt Wie sehr ist man noch von diesem Wissen entfernt, wenngleich man im Stande wäre, die 
Topographie des Vorganges mit einiger Genauigkeit anzugeben! Wie viel wichtiges und wesentliches 
muss der ausschliesslich auf das Verwandtschaftsmoment gerichteten Aufmerksamkeit entgehen! Liest 
man heute jene älteren embryologischen Untersuchungsberichte, deren Autoren fest überzeugt waren, 
die Sache „mit aller Genauigkeit“ erforscht zu haben, und vergleicht man mit ihnen beispielshalber die 
berühmte „Embryologie von Crepidula“ Conklins, da sieht man erst ein, auf was für schwankem Boden 
die geltenden phylogenetischen Spekulationen fundiert wurden! Die zahlreichen, in der letzten Zeit 
aufgetauchten, äusserst schwierigen Furchungsprobleme der Spezialforschung machen eine Revision 
und Umarbeitung unseres gesamten phylogenetischen Wissens zu einem dringenden Bedürfnis. Die 
gegenwärtig platzgreifende Vertiefung der morphogenetischen Forschung ist selbstverständlich ebenfalls 
nur eine Vorstufe zur künftigen, besseren Einsicht. Das Hauptgewicht pflegt man jetzt auf die FEr- 
forschung der Architektonik der Zellgenerationen, in ihren Ähnlichkeiten und Modifikationen bei 
einzelnen Formen zu legen; die Ergebnisse der Vergleichung möchte dann Wilson phylogenetisch 
verwerten. Und doch unterscheiden sich diese neu studierten Verhältnisse lediglich im Grad der 
Exaktheit der Embryologen von den früher bekannten; sie bleiben zum grössten Teil rein topographisch. 
Erklärt, und kausal erklärt, sind die Entwickelungsvorgänge noch immer nicht, was für eine wirklich 
exakte Phylogenie die erste Vorbedingung wäre. Die architektonische Lagebeziehung der Blastomeren 
zu einander ist ein Gegenstand einfacher Kasuistik, wie die traurige Borstensystematik der Carcinologen 
eine ist, so lange wir uns über das gegenseitige Lebensverhältnis der Blastomeren zu einander kein 
eindeutiges Urteil zu bilden verstehen. Ebenso wenig wie wir das innere Band kennen, welches zwei 
bis auf einen Berührungspunkt durchgeschnürte Eihälften zusammenhält oder nach der zweiten Furchung 
die kugelig zugerundeten Zellen zu einer Vierergruppe verkittet (vgl. Kofoid, 1, Taf. I, Fig. 14) — 
ebenso wenig wissen wir uns die Zwischenstadien zu erklären, wo die Furchen verstreichen, die 
gesonderten Zellkugeln sich zu einer einzigen zusammenschliessen und behufs Bildung eines vergäng- 
lichen Blastocoels aushöhlen, um das Spiel bald von vorne anzufangen, warum sie Fortsätze gegen 
einander vortreiben und in welcher Weise sie Stoffe gegenseitig austauschen (vgl. Wierzejski, 2). 
Alles das sind aber Beweise für die Innigkeit des Zellverbandes im Organismus. Obwohl wir gar nicht 
geneigt sind, in den Begriff der Zellensymbiose im Organismus die Hypostasie der Organismuseinheit 
übertlüssiger Weise hineinzutragen, können wir anderseits die Meinung von Zur Strassens (l) nicht 
teilen, nach welcher die Selbständigkeit der Blastomeren so weit gehen würde, dass sie für einander 
den Wert der Aussenwelt besässen. Der angestammte Verband führt vielmehr zu einer regen Mannig- 
faltigkeit ihrer Wechselbezüge, zur Allotropie des Keimmateriales, zum Zellenaltruismus im Sinne 


Hansemanns (I). Fest abgegrenzte Zellsorten, Anlagequalitäten, kurz gesagt. Keimblätter sind in 


*) Im Gegensatze zu dem Begriffe eines mechanistisch gedachten Kausalbandes zwischen Ontogenie und Phylogenie, hat His die 
Behauptung ausgesprochen, dass die Physiologie weit mehr zum Verständnis des Lebens beiträgt als die Abstammungslehre. („Untersuchungen 


über die erste Anlage des Wirbeltierkörpers.‘‘ Leipzig 1868) 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 21 


einem solchen Verbande undenkbar. Ebenso unzulässig wäre die Annahme abgeschlossener Entwickelungs- 
perioden, der Furchung an sich, der ÖOrganogenie u. dgl. Alles das sind begriffliche Hypostasien, 
unter welchen die Forschung erstarrt und die Aufmerksamkeit erlahmt. Es werden dann Aussprüche 
gezeitigt, wie von der „Anarchie“ in der Knospenentwickelung der Tunicaten u. dgl. mehr. 

Wie die verdienstlichen systematischen Kategorien Linn€s den Stoff unserer Wissenschaft in 
dankenswerter Weise geordnet, nachher aber jeden Fortschritt unmöglich gemacht haben und durch 
die belebenden Begriffe der Deszendenztheorie abgelöst werden mussten, ebenso halten wir es für 
geboten, die höheren Kategorien, die sich der Forschung aus der Lehre Darwins und Haeckels 
ergeben haben, zu ersetzen, wenn die Wissenschaft nicht abermals erstarren sollte. 

Einen weiteren Fundamentalsatz der Morphogenie bildet die zu stehender Phrase gewordene 
Behauptung der Abhängigkeit der Struktur von der physiologischen Funktion einer Zelle oder eines 
Organs. Diese ist in der That durchgreifend. Bei morphologischen Fragen fehlt das physiologische 
Moment nie. Einer der ersten Versuche, die physiologische Seite in geordneter Fassung zu erörtern, 
stammt von Haeckel (3), der zwischen einer Konservationsphysiologie im Leben der Organe in Bezug 
auf sie selbst und einer Relationsphysiologie des Organismus gegenüber der Aussenwelt, also dessen 
Ökologie, Horologie etc. unterscheidet. Dies war ebenfalls nur der erste Anlauf zur Darstellung einer 
ungemein grossen Mannigfaltigkeit:. Unser Satz lautet: die Struktur der Zelle ist Funktion ihrer 
physiologischen Thätigkeit. Das Wort „Funktion“ gebrauchen wir hier in der Bedeutung, die ihm 
die Entwickelungsmechanik, namentlich der tiefsinnige Analytiker Driesch gegeben hat; sie ist ein 
ganz allgemeines Abhängigkeitsverhältnis, ohne dass man über die Natur desselben etwas auszusagen 
brauchte. — Obgleich uns die beiden Glieder, zwischen welchen wir ein Abhängigkeitsverhältnis 
behaupten, nur ungenau bekannt sind (die Struktur und die erschaubaren Lebensvorgänge), so können 
wir nichtsdestoweniger jenes Verhältnis abzuschätzen trachten Nun scheint es uns, dass diese Ab- 
hängigkeit, formal analysiert, also vom philosophischen Standpunkte aus, nicht gleichbedeutend mit 
dem Begriffe des Parallelismus ist, z. B. mit dem psycho-physischen (worunter wir eine Disjektion 
der Apperception unter Einheiten, die uns stofflich als selbstbewusste Wesen bekannt sind, verstehen 
möchten). Das in Rede stehende Verhältnis dürfte sich mit dem Begriffe eines Parallelismus insofern 
nicht decken, als hier das eine Glied, die physiologische Thatsache, der morphologischen um ein Zeit- 
differential vorausgeht. Besser gesagt: dass die Differenzierung, Umwandlung, Entwickelung des 
physiologischen Geschehens — alle diese Substantiva sind hier am Platze — dem morphologischen um 
ein Zeitdifferential vorgreift. Sie wäre daher gewissermassen apriorisch für die Phylogenie massgebend. 
Darin liegt ein neuer Beleg dafür, welche Stellung wir dem physiologischen Momente in der Ent- 
wickelung einräumen möchten. Der nächste Folgesatz ist nämlich der, dass es keine funktions- 
losen Zellen und Organe geben kann. Somit ist die Frage von grösster Tragweite. Wenn man 
sie in der von uns angedeuteten Richtung entscheidet, so wird man zu weiteren prinzipiellen Folgerungen 
gedrängt; nicht nur, dass es im Gebiete des Tierreiches keine zwei gleichgearteten Organe geben kann, 
sondern dass sogar bei jeder lebenden Zelle der morphologische Begriff infolge der physiologischen 
Unterschiede unter den Zellen um ein geringes modifiziert, verschoben werden muss. Dies würde uns 
zu einem Chaos von Einzelerscheinungen führen, aus dem uns nur ein nach mathematischer Art formales, 
bis nun unbekanntes Gesetz hinausleiten könnte. Doch davon weiter unten. 

Indem wir den Faden wieder aufnehmen, finden wir uns genötigt, an dem von uns aufgestellten 
Fundamentalsatze festzuhalten, dass Kriterien zur exakten Vergleichung der Tierformen- 
entwickelung nur in der Entwickelungsgeschichte der Lebensprozesse gelegen sein 
können. In der uns bekannten Litteratur giebt es nur bei Eimer (l) ein „biologisches Grundgesetz“, 
welches sich unseren Anschauungen nähert; die „Funktion“ (scilicet: physiologische Bethätigung) 


bedinge sowohl die physiologische als die morphologische Beschaffenheit der Organismen. 


— 1698 — 


Es wäre wohl überflüssig, ausdrücklich zu sagen, dass sich unser Axiom nicht nur auf die 
Embryologie beschränkt, sondern dass es sich auf das Gesamtgebiet der Entwickelungsgeschichte erstreckt, 
die für uns gleich bedeutend mit dem „Leben“ ist. 


Und so kommen wir zu dem Begriffe einer physiologischen Morphogenie. Wir sind nicht 
im Stande, aus der Form heraus unsere Probleme zu lösen, wie das so lange von der Morphologie, 
Anatomie, Embryologie, ja der Physiologie selbst, angestrebt worden ist; wir sind vielmehr genötigt, 
Form und Lebensfunktion zugleich in Betracht zu ziehen. Alles andere ist aussichtslos unfruchtbar. 


Hiermit ist auch die Quelle des immanenten Irrtums der Haeckelschen Denkweise aufgedeckt. 
Der Letztere kehrt stets auf seine frühere These zurück, die Keimesentwickelung sei ein Auszug der 
Stammesentwickelung. „Um so vollständiger, je mehr durch Vererbung die Auszugsentwickelung oder 
Palingenesis beibehalten wird; um so weniger vollständig, je mehr durch Anpassung die Fälschungs- 
entwickelung oder Coenogenesis eingeleitet wird“ (9, Band II, p. 30; vgl. auch p. 92, 93, 51). Von 
dieser epigenetischen Verunstaltung der Formen spricht der Autor besonders gern, und die 
Schule ihm nach. 

Das „Gedächtnis“ der Natur bei der Reproduktion — um einen Ausdruck Ew. Herings zu 
gebrauchen — giebt sich ganz anders kund. Die „palingenetische“ Überlieferung lässt sich nicht aus 
einem vorgreifend postulierten Schema, sondern nur durch ausserordentliche schwierige induktive 
Forschung aus den Thatsachen der Entwickelung herauslesen. Die Aufgabe gestaltet sich deshalb so 
schwierig, weil verschiedenste Momente der Physiologie, der stofflichen Gestaltung selbst, der Biologie 
des Mediums und der Zellensymbiologie auf Schritt und Tritt in einander greifen und das Bild verwirren. 
Auch die weittragenden durch das Experiment bekannt gewordenen Thatsachen müssen vorerst eindeutig 
beschrieben werden. Man hat erfahren, dass es — wahrscheinlich unter gar vielen anderen — die 
Skelettnadeln sind, die in geeigneten. salzigen Medien die Ektodermlamelle des Echinidenkeimes zum 
Hervorbringen von Schwimmstangen bewegen und dass in anderen Medien die Bildung der Fortsätze 
unterbleibt. Man hat erfahren, dass diese Fortsätze insofern eine „Selbstdifferenzierung‘‘ bekunden, als 
sie auch in unvollständigen, anenterischen Larven angelegt werden. Man hat eine lange Reihe von 
interessanten Thatsachen kennen gelernt, die man als Erscheinungen der Tigmomorphosen, Bary- 
morphosen u. dgl. sichtet, ohne für sie irgend welche Erklärung zu wissen. Die Ausführungsgänge 
der Gonaden entwickeln sich unabhängig von den Keimdrüsen selbst; die Thatsache kann uns nicht 
überraschen, da sie fast immer vom Ektoderm aus durch Invagination zur Anlage gelangen. Aber in 
hundert Fällen, in denen dasselbe in gleicher Weise geschieht, kann der Prozess eine immer andere 
genetische Bedeutung und mithin einen immer anderen Wert für zusammenfassende Vergleiche besitzen 
weil der Hergang der betreffenden Zellvergesellschaftung in der Vergangenheit der Organismen ein 
verschiedener sein konnte. Darüber haben wir leider keine Evidenz und die Thatsache einer gegebenen 
organischen Abhängigkeit bleibt nach wie vor unaufgeklärt. Schliesslich sind auch die meistenteils 
selbstverständlichen Faktoren der natürlichen Auslese nicht ausser Acht zu lassen, weil sie das Resultat 
der „Anpassung“, des Gleichgewichtszustandes des Organismus im Sinne Spencers, gewissermassen 
von aussen her normieren. 

Wie es nicht anders zu erwarten ist, werden die Zellen, in deren Leben im Organismus alle 
diese Erscheinungen, Wirkungen und Gegenwirkungen, Potenzen und Erschöpfungszustände, in tausend- 
fältiger Durchkreuzung zu tage treten, die äusseren Formverhältnisse der früheren Zustände teils 
verändern, teils — und dies in gewisser Hinsicht „zufällig“ — getreu wiedergeben, teils vollständig 
verwischen. In den ersteren Fällen verläuft der Entwickelungsprozess „palingenetisch“ in gewöhnlichem 


Sinne des Wortes. In dem anderen Falle wird er „gefälscht“. Wir glauben, den Sachverhalt bereits 
21* 


— 164 — 


genügend erörtert zu haben, um uns an dieser Stelle auf die blosse Bemerkung beschränken zu können, 
dass es sich bei diesen Fällen nicht um etwaige besondere Geschehensarten der Entwickelung handelt, 
sondern dass sie immer dieselbe bleibt, denselben „Gesetzen“ folgt, während in jener Alternative nur 
unsere subjektiven und dabei oberflächlichen Eindrücke als etwas scheinbar objektives zum Vorschein 
kommen. Die Ontogenie „rekapituliert“ und „fälscht“ stets in derselben Weise. In welcher? — dieses 
Wie zu zeigen ist eben die Aufgabe der physiologischen Morphogenie. 

Die rein morphologische Entwickelungslehre hat sich der Aufgabe gegenüber als ohnmächtig 
erwiesen. Dass weder der Prozess der Gastrulation, noch das Archenteron als Organ, einer mono- 
phyletischen Abstammung der Metazoenkeime keinen zwingenden Ausdruck verleihen, davon haben wir 
uns an einer Reihe von Thatsachen, wie die Genese der Schizocoelie, die künstlichen und natürlichen 
Anenterulae, die Existenz der Protacoelier u. a. m. zur Genüge überzeugt. Entwickelungsähnlichkeiten 
lassen sich auf zufällige „coenogenetische“ Konvergenz zurückführen. Das nämliche gilt von der 
Homologie der Keimteile; so ist z. B. ein auf die topographischen Charaktere der Leibeshöhle 
gestütztes Formensystem ganz unmöglich. Der Entwickelungsprozess ist ein einheitlicher Lebens- 
prozess. Wir sind daher gar nicht berechtigt, in die Ontogenie zwei verschiedene Prinzipien hinein- 
zutragen, jene zwei künstlichen Kategorien, deren Anfänge ebenfalls auf Haeckel (6) zurückgehen: das 
typische Lagerungsverhältnis und die histologisch morphologische Differenzierung. Jedes tierische Wesen 
ist von Grund aus und von Anbeginn das, was es eben ist. Jedes Organ, welches seinen Organismus 
zusammensetzt, gehört von Haus aus ihm selbst an, als sein individuelles Lebensprodukt, und ist keinem 
souveränen „Typus“ untergeordnet. 

Um selbst die Möglichkeit eines Missverständnisses auszuschliessen, sei noch hinzugefügt, dass 
wir gar nicht behaupten, der Darm oder das „Mesoderm“ des Organismus A, B und C seien nicht 
homolog, sondern dass wir die im gegebenen Falle existierende Homologie aus der Form allein nicht 
herauslesen können, wenn wir auch das morphologische Thatsachengebiet bis ins feinste Detail kennen 
würden. Im Gegenteil; wir gäben es gerne zu, dass jedes Organ*) homolog ist, nur nicht als rein 
morphologische Erscheinung betrachtet: und ausschliesslich an diese wird immer gedacht, wenn auch 
in der Definition der Homologie ein physiologisches Moment genannt wird Der scheinbare Gegensatz 
erklärt sich einfach dadurch, dass die landläufigen Ausdrücke, analog und homolog, unnatürliche Kate- 
gorien sind. Daher auch die fortwährende Schwankung in ihrer Anwendung. 

Wir wollen noch der in der Entwickelungsgeschichte so allgemein verbreiteten Erscheinung der 
sogenannten Rudimentärorgane gedenken, in deren Nähe auch die provisorischen oder Larvalorgane 
gehören dürften. Auch diese Erscheinungen werden vom historisierenden Standpunkte aus in überaus 
seichter Weise erklärt und sind in der Wirklichkeit nur einer in unserem Sinne vervollständigten Analyse 
zugänglich. Beispiele sind eigentlich überflüssig. Wer ist imstande bei Betrachtung der auf Taf. VI 
schematisch skizzierten Trochophora von Patella zu entscheiden, was an ihr rückgebildet und was coeno- 
genetisch ergänzt worden ist? Oder — um auf mein Spezialgebiet zu kommen — wie wären die vier 
Blindsäcke, welche bei gewissen Amphipoden vor den Hepatopankreas-Drüsen auf kurze Zeit entstehen, 
um bald zu obliterieren, auf dem Boden gastraealer Umwandlungslehre aufzufassen? Es giebt Fälle, 
wo das definitive Organ erst geraume Zeit nach Rückbildung eines provisorischen, analog gedeuteten 
Organes angelegt wird; wenn die bisherige morphogenetische Erklärungsweise die Existenz von Jugend- 
organen aus der Palingenese ableitet, wie sind dann die organlosen Zwischenstadien aufzufassen, da 
die Annahme einer Ahnenreihe ohne jenes Organ durchaus unzulässig ist? Ebensowenig ist es bis 
jetzt gelungen, die Belastung und Entlastung der Keimzelle mit dem Nahrungsdotter mit den Furchungs- 
vorgängen endgiltig in Beziehung zu bringen. Daran ist nicht etwa die noch mangelhafte Kenntnis 


*) Ob Organe, Zellgruppen, Zellen oder gar nur Bestandteile des Eies mit einander homologisiert werden sollen, ist nicht von Belang. 


— 15 — 


einschlägiger Verhältnisse bei Übergangsformen schuld. Die trefflichen Untersuchungen neuerer Zeit 
über die Entwickelung der Dipnoer, der Gymnophionen und anderer interessanter Vertebratengruppen 
haben weder die bestehenden Zweifel über die Abstammung der Anamniergruppen zerstreut, noch zum 
Verständnis analoger Vorgänge bei den Amnioten beigetragen. Um das Problem des Nährdotters zu 
analysieren, muss zunächst eine Reihe zielbewusster Experimente hinzukommen. Anderseits wird auch 
hier das Experiment allein nicht genügen, auch wenn es den Anteil physikalischer Faktoren allseitig 
bestimmen und dieselben ohne Rest eliminieren würde; damit wären nur gewisse Fälle teilweise 
erklärt; wie z. B. die Entwickelung von Paludina, wo nach Einbusse des Dotters, aus aequaler Furchung 
eine aequale Blastula hervorgeht, kein Urmesoderm in die Leibeshöhle einsinken soll etc.; der 
Furchungshergang bei Ascaris bliebe dagegen nach wie vor ein Rätsel. Da werden direkte Beobachtungen 
feinster, auch chemischer Vorgänge und eine allseitige Vergleichung Hand in Hand mit dem Experiment 
gehen müssen. Der Organismus antwortet auf die Quantität des Dotters nicht lediglich 
durch Änderungen in der Proportion seiner Bestandteile, rein quantitativ; das Ouali- 
tative, als das unendlich Wichtigere, läuft mit. 

Diesem Gedanken nähert sich das Schema, welches von Driesch von den postulierten 
qualitativen Aktionen und Reaktionen im Organismus seinerzeit entworfen wurde. 

Nach Goette beruht die Erklärung der Ontogenie auf der chronologischen Ableitung einzelner 
Entwickelungsstadien von einander. Wie sehr er irrt, zeigt schon der Umstand, dass aus morphologisch 
gleichwertigen Stadien, z. B. aus regelmässig geformten Blastulis oder Gastrulis sich verschiedenste 
Tiertypen ausbilden. Die durchgreifenden, hier zweifellos existierenden Unterschiede in der Qualität 
des in ähnlicher Architektur verketteten Zellmateriales entgeht der gebräuchlichen Vergleichungsmethode 
gänzlich. Deshalb sind die oft sehr mühselig erforschten Studienreihen für die Zwecke einer kausalen 
Ontogenie. unbrauchbar; deshalb wurde es vorgeschlagen, eine Phylogenie der Ontogenien — nicht der 
einzelnen Stadien — zu vermehren (Samassa, %). Probleme, wie dasjenige der Monophylie der 
Trochophora-artigen Larven oder der radiären Kreuzfigur bei der Furchung holoblastischer Eier, machen 
das Auftauchen derartiger Vorschläge verständlich. Morphologische Homologien sind hierbei von 
geringem Nutzen, was schon Kölliker (l) fühlte, indem er, als Anhänger einer polyphyletischen 
Deszendenzhypothese der Formenkreise, betonte, dass die Homologie keinen Beweis für gemeinsame 
Abstammung liefert und dass es nicht möglich wäre, Ontogenien aus der Phylogenie zu deduzieren. 
Es ist ja bekannt, dass gleiche mechanische Ursachen des öfteren auffallende Konvergenz der Ent- 
wickelung, unabhängig vom Grade der Verwandtschaft zur Folge haben. Wir stehen nicht an, offen 
zu sagen, dass wir gerade in der Konvergenz ein äusserst schwieriges Problem und vielleicht den 
Gipfel aller Entwickelungsprobleme erblicken: an der Frage der mimetischen Nachahmung 
(Mimiery) tritt die ganze Unzulänglichkeit, ja die prinzipielle Ohnmacht der Deszendenz- 
theorie zu Tage. Und wenn wir eine Raupe von einer Assel, eine Assel von einem Tausendfuss oft 
erst nach eingehender Untersuchung zu unterscheiden vermögen, warum sollte das Mimicry-Prinzip 
gerade in der Embryonalperiode, in den Furchungsbildern vollständig fehlen, wo zahllose Eisorten in 
gleichen Lebensbedingungen als Plankton umhertreiben? Das Extreme in den Anschauungen Haeckels 
wurde von Hatschek dahin abgeschwächt, dass Jugendstadien, denen Charaktere der betreffenden 
Tiergruppe zukommen, noch nicht eine entsprechende phyletische Ahnenform verkörpern müssen, dass 
sie vielmehr nur ein Jugendstadium der Ahnen wiederholen. Diese Korrektur genügt durchaus nicht. 

Es leuchtet ein, dass sämtliche Metazoenkeime gewisse allgemeinste Züge gemeinsam haben müssen, 
da sie eben tierische Wesen sind und sich durch Furchung entwickeln. Dagegen gehen alle mehr 
spezialisierten Charaktere des Ahnentypus, als ursprüngliches Moment, unbedingt verloren. Man 
möge bedenken, dass es bei keinem Tiere ein Jugendstadium giebt, welches in sich die Gruppen- 
merkmale wirklich getreu vereinigen würde, es sei denn, dass es sich um ganz kleine taxonomische 


— 166 — 


Kategorien handelt, z. B. um den Gattungstypus. Aus diesen Gründen würden wir zu einer Diskussion 
gegen die Deszendenzlehre die Cuvierschen Tiertypen gar nicht heranziehen, wie es unter modernen 
Forschern Driesch gethan hat. Die Eizelle hat zur Aufgabe, nicht die Tektologie, die Ver- 
gesellschaftungsgeschichte zu wiederholen, sondern sich auf zweckmässigstem Wege zum Organismus 
zu differenzieren. Die Ontogenien sind Palimpseste, deren Entzifferung nur in der von uns auseinander- 
gesetzten Richtung und Art der Furchung zu erhoffen ist. Ohne die morpho-physiologische Analyse 
vergleichen wir in den Entwickelungsgeschichten einzelner Tierformen Biographien, die in einer uns 
unzugänglichen Sprache geschrieben sind. Als wenn ein tauber Zuschauer Dramenaufführungen 
beiwohnen würde und blos auf Grund der erschauten Bewegungen des Mimen und nach dem Wechsel 
des Dekors eine vergleichende Kritik moderner Strömungen in der Kunst verfassen wollte. — 

Noch ein instruktives Beispiel aus der Palaeontologie möge das Gesagte erläutern. Unter den 
formenreichen Trilobiten herrscht grosse Mannigfaltigkeit nicht nur in Bezug auf die Zahl der freien 
Körpersegmente, sondern auch in dem Verhältnis der Segmentenzahl bei der Larve und bei Imago. 
Würde sich nun jemand bei seinen Untersuchungen über die Verwandtschaft der Trilobiten unter 
einander auf das für Arthropoden scheinbar wichtigste Merkmal der Gliederung stützen wollen, und 
Formenketten mit auf- und absteigender Segmentenzahl konstruieren, dann würde er, wie es sich nach 
Abschätzung anderer wichtiger Organe mit aller Sicherheit ergiebt, sehr nahe Arten trennen, entfernte 
Formen genetisch verbinden müssen. 

Was aber die Cuvierschen Typen anbelangt, so brauchen wir uns mit denselben deshalb nicht 
zu befassen, weil sie in ersten Larvalstadien gar nicht zu tage treten und nicht einmal zu erraten sind, 
so lange uns innere strukturell-physiologische Merkmale, an die es hier hauptsächlich ankommt, 
unzugänglich bleiben. Andere geringfügige Konvergenzen in der äusseren Form sind kaum zu ver- 
werten, indem sie — zufälligerweise auf den Typus bezogen — ebenso gut auf ganz andere Ursachen, 
auf die Beschaffenheit und Menge der Deutoplasmas, auf den Aufenthalt im Eiweis oder im Wasser u. s. f. 
zurückgehen könnten. Haben wir doch des öfteren auf den entscheidenden Umstand hingewiesen, dass 
selbst die polare Orientierung, dieses einfachste Fundament der tektonischen Entwickelung in ge- 
schlossenen Tierkreisen, in den „Typen“ keineswegs fixiert ist, indem der larvale Mund bei der einen 
Form am animalen Pole, bei einer zweiten am vegetativen zum Durchbruch gelangt. Von dem ein- 
seitigen Gesichtspunkte der Formenlehre lässt sich also nichts erklären. Einen unvergleichlich um- 
fassenderen Standpunkt bedeutet die physiologische Morphogenie. 

Nimmt man sie an, dann werden auch sämtliche Spezialfragen eine Umwandlung erfahren 
müssen. Die Gastrulation ist ja ebenfalls nur ein Spezialfall unter vielen anderen, ebenso möglichen. 
Unser Standpunkt bringt aber mit sich das Bedürfnis einer grundsätzlichen Wandlung in der Denkweise, 
im vergleichenden Folgern. Es werden z. B,, bis in die neueste Zeit, Mesodermtheorien konstruiert. 
Im Rahmen unserer physiologischen Morphogenie wäre ein solches Beginnen von vorn herein unmöglich. 
Wir kennen nicht das Problem, ob die Mesodermzellen oder die Coelomtaschen primär, respektive 
sekundär sind. Wollten wir über die Kasuistik der Mesodermentstehung, wie sie sich vor uns in den 
Gestalten der Embryonalstadien ausbreitet, Theorien entwerfen, so müssten wir höchst wahrscheinlich 
derer so viele konstruieren, wie viel Ontogenien uns bekannt sind. Uns interessiert die Thatsache, dass 
die Gonaden in verschiedensten Gegenden des werdenden Organismus zur Differenzierung gelangen, 
und danach richten wir unsere vorausblickenden Schlüsse. — 

Als vor mehreren Dezennien das biogenetische Grundgesetz veröffentlicht wurde, hat ihm 
Haeckel (1, Bd. II, Thesen) nachgerühmt, es sei von nun das Verhältnis der Ontogenie zur Phylogenie 
mechanistisch-kausal erklärlich geworden (kausal im Sinne Kants und Schopenhauers). Aus 
einer Blastula leitet er mechanistisch-kausal eine Gastrula ab, aus dieser eine Chordula u. s. w. Wie 
es um diese Kausalität bestellt ist, haben wir schon im III. Kapitel gesehen. Wenn man sich übrigens 


— 197 — 


die aus den Begriffen: Palingenese und Coenogenese abgeleiteten Kategorien Haeckels „herediv“ und 
„adaptiv“ vor Augen hält, so überzeugt man sich, dass die vermeintliche Kausalität nur für heredive 
Eigenschaften des Organismus zu gelten hätte, während für die adaptiven eine andere, mit der ersteren 
konkommittente Kausalität gesucht werden müsste. Man dürfte ferner nur die ersteren miteinander 
homologisieren. Es stellt sich also heraus, dass durch die vermeintliche kausale Vertiefung der Ontogenie 
ein unheilbarer Riss in die einheitliche Entwickelungswissenschaft gebracht wird, dem wir bei praktischer 
Anwendung des Prinzips völlig ratlos gegenüberstehen. Der Exemplifikation halber zitieren wir einen 
jener kürzlich erwähnten Fälle, wo temporäre Organe durch ultimäre ersetzt werden. Bevor im 
Säugetierembryo die Metanephridien nach der Involution der sogenannten Mesonephridien angelegt 
werden, existiert nach S. Weber eine Phase ohne Nephridien. Sind nun die Metanephridien adaptiv 
oder herediv? Für die nierenlose Periode wäre unzweifelhaft die Kategorie: adaptiv zu wählen sein. 
Die Zumutung einer solchen Annahme wäre indessen so unsinnig, dass mit ihr nicht nur diese Zwei- 
fältigkeit des morphogenetischen Geschehens fällt, sondern das ganze Gebäude jener historisierenden 
Kausalwissenschaft ins Wanken gerät. Das Spiel mit den primären, sekundären, tertiiren Momenten in 
der Entwickelung wird jedoch nicht nur durch die Embryonalontogenie als nichtig erwiesen. Auch die 
Erscheinungen der Gemmation und Regeneration bezeugen, dass es ein Schattenspiel war. Dies liegt 
so sehr auf der Hand, dass wir von einer besonderen Diskussion über die Beurteilung dieser wichtigen 
Entwickelungsmodalitäten absehen, nachdem wir uns darüber bereits im vorigen Abschnitte kurz aus- 
gesprochen haben. — Formen aus Formen kausal zu erklären, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Ein 
bogenförmig gekrümmtes Rohrstück wird nach Aufhebung des Druckes wieder gerade nicht deshalb, 
weil es früher bogenförmig war, weil es rund und aus feinen parallelen Röhrchen zusammengesetzt ist, 
sondern deshalb, weil seiner strukturellen Beschaffenheit die Akzidenz der Elastizität zukommt. 

Anderseits reicht auch die physiologische Beschaffenheit des Keimmateriales nicht zu kausaler 
Erklärung hin. Die erst von W. Preyer schärfer präzisierte historisierende, also genetische Physiologie 
ist kein Gegenstück der morphologischen Entwickelungsgeschichte. Die angestrebte Erklärung wird 
erst durch eine wirklich eindeutige und daher erschöpfende Beschreibung erzielt werden, wie sie nur 
auf dem Boden einer physiologischen Morphogenie möglich wäre. Die Natur unseres Gegenstandes 
bringt es mit sich, dass die vertiefte Einsicht in das Wesentliche an den entwickelungsgeschichtlichen 
Befunden fast ausschliesslich in der Art, wie wir vergleichen, zum Ausdruck kommen kann. 

Ohne der Fülle der beobachteten Entwickelungsthatsachen von unseren Thesen aus mehr als 
billig vorzugreifen, könnten wir auf die letzte Frage wenigstens andeutungsweise eingehen; wie werden 
wir vergleichen? was wird für uns „homolog“ sein, um auf dieses berüchtigte Wort zurück- 
zukommen. Wenn wir der Sache bis auf den Grund gehen, dort wo das Gebiet der Lebens- 
erscheinungen an das Metaphysische grenzt, dann müssen wir wohl sagen, dass homolog für uns, 
streng genommen, nur das Leben selbst ist. Wir glauben nicht, dass jemand gegen diesen Satz 
Einwand erheben wird. Aber dieser Satz sagt sowohl für Taxonomie als für Physiologie zu wenig 
aus, und wiederum zu viel. Es wäre dann nämlich in der Praxis wohl alles homolog. Alles das 
nämlich, was zu den Postulaten des Lebens gehört, wie die Einrichtungen für Ernährung und Aus- 
scheidung, wie bei höheren Organismen das Umlaufssystem, die Leibeshöhle u. s. f£ Also wirklich 
alles, denn an funktionslose Bestandteile in den Organismen können wir einmal nicht glauben. Homolog 
in diesem Sinne sind ferner alle Knospungs- und Regenerationsfälle. Homolog sind alle Zellen infolge 
ihrer totalen Prospektivität. Homolog ist schliesslich auch die Anpassungsfähigkeit. Die 
Zellen passen sich der Aussenwelt und sich selbst unter einander an. Die Aufgabe der vergleichenden 
Forschung (nicht der reinen Lebensforschung) besteht somit zunächst in der näheren Bestimmung 
des Einflusses, den die Zellen des abgefurchten Keimes und des Embryo aufeinander ausüben, sowie 
in der Auffindung der Wege, auf denen die gleichzeitigen und koordinierten Funktionen der Zellen 


eis 


zur Entwickelung gelangten. Man vergesse auch zweierlei nicht; erstens dass diese Koordination auch 
für Organe von Geltung ist, zweitens — in Bezug auf das historische Moment — dass Entwickelung 
und Umwandlung in der Biologie Synonyme sind. Das letztere heben wir zum zweiten Mal mit 
Nachdruck hervor, weil die Aufgaben der sogenannten Biomechanik in unserem Arbeitsprogramm 
implicite und ohne Umformulierung enthalten sind, indessen in neuerer Zeit jene zweifache Relation 
mehrmals behauptet wurde. Insbesondere meint Driesch, bloss die Anpassungshöhe stehe 
mit den Verhältnissen der Aussenwelt im Zusammenhange, welche ihr gegenüber die Bedeutung 
von umwandelnden Anstössen haben; die Organisationshöhe bleibe hingegen von denselben un- 
berührt und hänge nur von inneren Qualitäten ab.*) Wenn ich die Schriften Mehnerts richtig verstehe, 
liege das Fundament der biologischen Kausalität in der Erkenntnis, dass die funktional-phyletischen 
Ursachen der Entwickelung in rein epigenetische (phylogenetisches) und rein evolutive (ontogene- 
tisches Moment) zu zerlegen sind. Auch der treffliche Denker G. Wolff hält die ontogenetische 
„Zweckmässigkeit“ unrichtiger Weise nur für eine Vorarbeit der Anpassungszwecksmässigkeit. Es war 
unsere Pflicht, auf diesen Widerspruch zwischen unserer und der Auffassung so hervorragender Forscher 
aufmerksam zu machen. Um angesichts der gewaltigen Fülle des in diesem Abschnitte in gedrängtester 
Kürze abgehandelten Stoffes durch einen erkenntnistheoretischen Exkurs den Gedankengang nicht zu 
verwirren, sehen wir an dieser Stelle von einer Auseinandersetzung über die Begriffe der kausalen und 
teleologischen Erklärung ab. Wir kennen aber keine Zweckmässigkeit, die nicht zugleich Anpassungs- 
zweckmässigkeit wäre. Es giebt keine besondere Physiologie der Individualentwickelung und der 
Umwandlung, wie es etwa eine besondere Physiologie der Assimilation und der Exkretion giebt, von 


welch letzteren man übrigens keine betreiben könnte, wenn man die andere vernachlässigen würde. 


Umwandlung und Entwickelung — diese Kategorien sind nichts als Arbeitsbegriffe unseres 
Denkens. Deshalb ist unser Programm vollständig, denn es umfasst das Ganze; das Programm der 
Entwickelungsmechaniker, wie es von ihrem genialen Führer formuliert wird, ist dagegen unvollständig 
und infolge der erwähnten Spaltung der Entwickelungsphänomene in zweierlei Geschehnisse leider 
auch unausführbar. Man kann den von Driesch, zunächst in dessen „Maschinentheorie* eingenommenen 
Standpunkt in folgender Weise präzisieren, deren Driesch selbst nicht gewärtig sein dürfte: die 
Biomechanik ist ein Gegenstück zur deszendenztheoretischen Forschung. Wie Darwin und seine 
Schüler bemüht waren, das Wesen der Umwandlung ohne Kenntnis der inneren Vorgänge 
zu ermitteln, ebenso sind die Entwickelungsmechaniker bemüht, das Wesen dieser ohne 
die immanenten Effekte jener zu erschliessen. 

Das individuelle Leben — also das Leben als solches — macht keinen Schritt ohne Umwandlung 
sonst wäre es kein Leben, sondern ein Verharren. Dies erhellt aus dem Verhältnis der Form (als 
Struktur) zur physiologischen Qualität (als Funktion). Jedem physiologischen Vorgang ist ein 
sichtbarer, materieller Zustand des Lebenden zugeordnet, wäre er auch bloss ultramikroskopisch oder 
ultrachemisch qualifizierbar. Diese Vorgänge verändern sich ohne Unterlass im Lebenslaufe eines und 
desselben Organismus, nicht nur im Sinne des Alterns, sondern auch absolut, so dass das Lebens- 
stadium n bei der nächsten Generation von demselben Stadium der gegenwärtigen Generation um ein 
Differential verschieden sein wird. Die Differentiale werden sodann phyletisch summiert. Nun haben 
wir folgende, tief in das Wesen der Lebensformen einschneidende Gedankenreihen festzuhalten. Erstens, 
müsste man in Anbetracht dessen, dass die Individuation bei verschiedensten Lebewesen in 
verschiedenster Weise durchgeführt ist, die gegenseitigen Gebiete der Entwickelungsphysiologie und 
der Umwandlungsphysiologie für jede einzelne Spezies verschieben und im besonderen ermitteln. 


*) Vergl. Driesch „Maschinentheorie des Lebens‘ (Biol. Zentralblatt, Bd. XVI, 1896) p. 359 — 361. 


— 169 — 


Zweitens, in Anbetracht dessen, dass die Keimzelle der Generation n von der Keimzelle der Generation 
n—1 um ein Differential verschieden ist, muss man, um die Lebensgeschichte einer solchen Zelle zu 
begreifen, auch die Ursachen verstehen lernen, durch welche jene Wandlung veranlasst wird. Mit 
individueller Entfaltung läuft individuelle Phylogenie mit. Ontogenetische Evolution ist nicht eine Folge 
phylogenetischer Epigenese, sondern sie ist diese selbst. Wir sind bereits in einem früheren Abschnitte 
zu der Überzeugung gelangt, dass es keine Epigenese giebt — im Sinne eines selbständigen Faktors 
oder Faktorenkomplexes. Von diesem Gesichtspunkte aus, ist es kein Ding der Unmöglichkeit — wie 
es der eine oder andere Biolog annehmen dürfte — nur die wechselseitigen Verhältnisse der Organismen 
einst zeitlich und räumlich fassen zu lernen und gewisse heute noch durchaus unanalisierbare Komplexe 
schärfer zu umreissen lernen. Von Epigenese könnte nur in dem Falle die Rede sein, wenn wir im 
Stande wären, die Organismen in wirklich neue Aussenweltsverhältnisse — also in extraplanetarische 
— zu versetzen. Denn das Leben strömt ja gerade am Leitfaden der (anorganischen, kosmischen) Welt- 
verhältnisse dahin, es ist gewissermassen — dies sei aber sehr vorsichtig gesagt! — eine Funktion 
derselben. Wie kompliziert also und wie durchgreifend auch die Experimente wären, und wie 
unerwartete, überraschende Reaktionen die geprüften Organismen als Beantwortung so extremer Reize 
auch zeigen würden, so werden wir doch nichts epigenetisches, d. i. qualitativ neues an denselben 
erleben, weil wir eben kein neues Element mit dem Lebenden in Kontakt bringen können, sondern 
nur jene Elemente verändern, aus denen heraus und an welchen mit das Leben läuft. 

Jenes wäre demnach für uns nicht erreichbar. Aber unser Ideengang führt uns einem neuen 
Ausblick entgegen. Wenn das Leben, hier rein materiell genommen, nichts anderes ist als eine Funktion 
des kosmischen Organismus, so wäre folglich aus den physiko-chemisch zugänglichen (also zugäng- 
licheren) Elementen der Aussenwelt auf die Grundstruktur- und Grundbeschaffenheit des Lebenden, 
und von dem letzteren aus auf die Gesetzlichkeit in der Aussenwelt zu schliessen. Wäre nun einmal 
auf diese Weise in unserem Wissen die Phase der sogenannten statischen Teleologie (im Sinne von 
Driesch) überwunden, dann liesse sich von der Urstruktur aus, welche, nebenbei bemerkt, nicht 
ungeheuer viel komplizierter zu sein brauchte als etwa der Schaum einer Flüssigkeit, bei Kenntnis der 
äusseren Daten, die gesamte Lebensgeschichte, wie aus einer mathematischen Aufstellung ein Rechen- 
exempel, entwickeln. 

Das Ideal eines kausalen Wissens wäre es freilich, das Leben in elementare Geschehensarten 
derart zu zerlegen, dass man sie im Sinne eines mathematischen Schemas in quantitativ formulierten 
Wechselbeziehungen betrachten könnte. Es handelt sich hier um eine mathematische Lebenstheorie, 
an deren Hand sich biologische Relationen so exakt darstellen liessen, wie etwa gewisse thermische 
Erscheinungen mit Hilfe der Fourierschen Wärmetheorie, welche das thatsächliche Verhältnis zwischen 
dem Wärmegrade der Körper und der Geschwindigkeit des Temperaturausgleiches so sicher zum Aus- 
druck bringt. Entwickelungsgeschichtliche Resultate der Lebewesen wären sodann bei gegebenen 
Bedingungen aus den bis zur mathematisch quantitativer Darstellungsmöglichkeit analysierten Elementen 
des Lebens mit ähnlicher Eindeutigkeit und Sicherheit zu entwickeln, wie nach einem mathematischen 
Paradigma die einzelnen, verschieden bedingten Rechenexempel. Mit Recht glauben wir uns auf dem 
Gipfel des Wissens von der Natur erst dann zu befinden, wenn wir im Stande sind, die Naturvorgänge 
nicht durch qualitative, sondern durch quantitative Elemente darzustellen. Die Art unserer phyletisch 
entwickelten Denkweise bringt es mit sich, dass wir, im Streben nach wissenschaftlich konziser Be- 
schreibung der Erscheinungen auf die Zurückführung der Natur an einheitliche Urelemente und auf ein 
„Gesetz abzielen, wobei wir das von uns strebend Vermutete nicht als Idee, nicht als Theorie, sondern 
als eine — beinahe apriorische Selbstverständlichkeit auffassen. Bevor wir indess selbst das heterogene 
Thatsachengebiet der Physik in einer einheitlichen Auffassung bewältigen, bevor wir die Natur mit ihren 
Qualitäten in eine räumlich unterscheidbare, zusammenhängende Summe von Energiegrössen zerlegen, 


Garbowski, Morphogenetische Studien. 22 


ei 


wie dies etwa Ostwald in dessen unphilosophischer „Naturphilosophie“ vorgeschwebt haben mag, 
hat die Biologie noch einen gar gewaltigen Weg zurückzulegen, so dass wir uns über das physiognomische 
Bild dieser Wissenschaft zu jener Zeit nicht einmal vermutungsweise aussprechen können. Wären wir 
heute schon in der Lage, Ontogenien als Gleichungen deduktiv zu behandeln. so wäre vorerst zu 
konstatieren, dass hier jeder Einzelfall nicht nur eine eigene qualitative Spezifikation, sondern auch 
dieselben Spezifikationen in verschiedenem Grade besitzen müsste, woraus erhellt, dass es keine echten 
Gleichungen wären. Nur das Stoffliche und das Gesetzliche, als Ausgangspunkte des Lebens, würden 
stets dieselben bleiben, wenn auch es sehr denkmöglich ist, auch diese unterlägen, wie die Tierspezies. 


im Laufe der Zeit einer Umwandlung von unfassbar kleinem Differential. 


Dass der Schlüssel zur deduktiven Lösung jener Gleichungen nicht in der Mechanik zu suchen 
ist, dürfte einleuchten; Mach, der Physiker, erhofft von der Zukunft Aufdeckung von Gesetzen, welchen 
die Mechanik als ein Spezialfall unter vielen subordiniert sein wird. 


Es wurde mathematischerseits versucht, die Selektionslehre mathematisch zu formulieren, um 
den angeblichen, mit diesem Prinzip verbundenen Fortschritt anschaulich zu machen. Dies war eine 
Täuschung. Wir haben auch damals gegen den mathematischen Darwinismus sofort Stellung genommen 
und bei jener Gelegenheit der Selektionslehre die wohl kürzeste Formulierung gegeben, die sie je 
erfahren hat: sie sei eine Prüfung der Allgemeingiltigkeit des Ein-mal-eins an biologischen 
Objekten. Die Selektionslehre beginnt ihre „Erklärung“ der Formen mit zwei kolossalen Komponenten- 
komplexen, Variabilität und Vererbung. Abgesehen davon, dass die zweite implicite durch die erste 
bedingt wird, ist es ein Ausgangspunkt, welcher der Wahl einer „Vis vitalis“ als Ausgangspunkt für 
kausale Formenerklärung in nichts nachstehen würde. Das ist die ganze philosophische Kritik, die wir 
über den Darwinismus führen können. Von positivem Nutzen ist dieses Prinzip nur im Bereiche gut 
bekannter Tiergruppen, wo ihm ein namhafter Orientierungswert nicht abgesprochen werden kann. Die 
Selektionslehre verhilft bloss zur Erklärung des Dass, nicht des Wie. Darwin selbst hat zugegeben,*) 
der schwächste Punkt seiner Lehre liege darin, dass dieselbe neben der Zuchtwahl (mathematisches 
Prinzip) zu wenig den Einfluss der Nahrung, der Temperatur etc. und die jenseits von Nutzen und 
Schaden liegende Variabilität berücksichtigt. Doch auch dieser Selbstanklage liegt eine Auffassung der 
Lebenserscheinungen zu Grunde, welche von der unserigen wesentlich abweicht. Jede Variabilität, 
weil sie da ist, bringt darin einen Beweis ihrer Nützlichkeit. Den Luxus überflüssiger Belastung, Aus- 
stattung, Ausschmückung der Tierarten erlaubt sich die Natur nicht. Deshalb kennen wir auch keine 
funktionslosen Organe; und der Leser findet selbst Belege dafür, dass wir logisch denken. 


Die Deszendenzlehre wird auch von Biomechanikern bekämpft, wiewohl aus anderen Gründen. 
Diesen gegenüber behauptet Eisig (1, p. 260), sie seien von dem Wahne umfangen, „die einzelnen 
Objekte unbekümmert um ihre genetischen Beziehungen, aus sich selbst heraus erklären zu können“. 
Sein konservatives Programm wird mit dem Wunsche erschöpft, den Vergleich der Organe bis auf die 
Furchungszellen durchzuführen. Wir verkennen das Umwandlungsmoment nicht, wie die Biomechaniker, 
behaupten aber zugleich, dass eine Forschung nach jenem zweiten Programm nur Stückwerk 
liefern würde. 

Wir selbst haben unsere Probleme entwickelt, erläutert und formuliert, was alles einem Programme 
gleichkommt, weil — wie wir einleitend bemerkt haben — Programme sich aus den grundlegenden 
Prinzipien ergeben. 

Unser Programm verschiebt den Schwerpunkt zoologischer Forschung. Es handelt sich nicht 
mehr um einfache Rekonstruktion des genealogischen Stammbaumes. Dieser selbst sagt uns noch nichts. 


*) Vgl. Ch. Darwins „Leben und Briefe“ (1), Bd. III, p. 155. 


— 171 — 


Wir wollen das Wesen der phyletischen Entwickelung erfassen, nicht deren äusseren Ausfall. Unser 
Programm zielt auf kausale Forschung ab, kausal im Sinne Lotzes und Schopenhauers, das heisst, 
wir bezwecken eine Darstellung der Formenentwickelung in ihren ursächlichen Zusammenhängen mit 
der sonstigen Natur. Die Aufgabe der vergleichenden Anatomie oder der gewöhnlichen, beschreibenden 
Embryologie besteht in blossem Beschaffen und Bereichern des Thatsachenmateriales; eine Wissenschaft 
ist keines von den genannten Wissensgebieten, weil sie nicht kausal sind. Nichtsdestoweniger hält so 
mancher Embryologe und Anatom, der vom Walten „mechanischer“ Faktoren spricht oder gar an deren 
Allmacht glaubt, an der Überzeugung fest, aus der Form, und nur aus dieser auf die inneren Faktoren 
schliessen zu dürfen und das Leben erklären zu können! Und doch. was von ihnen verglichen wird, sind 
eben nur die Formen, gewissermassen zufällige Produkte des Lebensprozesses, und so geartet, dass sie selbst 
bei intensivster Beobachtung unserseits in Ermangelung weiterer Anhalte keinen eindeutigen Rückschluss 


auf ihre Ursachen gestatten; der Forscher aber gleicht jenem tauben Dramenkritikers, von dem wir oben 


gesprochen haben. — Mit dem Programme haben sich uns zugleich auch’ die Arbeitsmethoden ergeben, 
zunächst — was von tiefster, prinzipiellen Bedeutung ist — die Vergleichung des Normalgeschehens, 


unter stetiger Zuhilfenahme des Experimentes. Über die Verwendbarkeit des letzteren haben sich 
die Biologen oft ausgesprochen, vor allem Roux und Driesch, welche das Programm der „Ent- 
wickelungsmechanik“ entwickelt haben. Das Experiment soll die „gestaltenden Kräfte“ aus dem 
Lebensverbande herauslösen und uns einzeln vorführen. Über die Grenzen seiner wissenschaftlichen 
Ergiebigkeit gehen jedoch die Ansichten weit auseinander. Die einen behaupten, nur das Experiment 
allein könne überhaupt etwas erklären. Diese Ansicht wäre nur unter der Bedingung berechtigt, wenn 
die Lebewesen echten d. i. physikalisch-chemischen Maschinen vergleichbar wären. Sie ist unrichtig, 
weil es Maschinen sind, die sich selbst unaufhörlich rekonstruieren.*) Es könnte jemand vom Standpunkte 
der „statischen Teleologie“ sagen, dass es trotzdem echte Maschinen sind, deren Betriebswerk so ein- 
gestellt wurde, dass ein Teil der geleisteten Arbeit stets auf den Maschinenkörper zurücktliesst, wir aber 
nur diese Thatsache selbst betrachten dürfen, indem das kreatorische Instandsetzen der Maschinen als 
ein metaphysisches Moment nicht mehr den exakten Forscher beschäftigen soll. Dann würde man aber 
viel zu weit gehen. Man kann keinen Zweifel darüber haben, dass die Lebensmaschinen als Spezies 
im Energienverbande der Welt sich in der Zeit, der wir uns bei unserer Forschung zum Messen und 
Vergleichen der Relationen bedienen, herausdifferenziert haben, folglich noch vollständig in das zu 
erforschende Gebiet zu stehen kommen. Der Standpunkt der statischen Teleologie ist nur dann 
methodologisch zulässig, wenn er bis an den Anfang der gesamten Thatsachenwelt versetzt wird. 
Sonst würden ja auch die Physiker der Mühe enthoben sein, die Energiespezies auf einander zurück- 
zuführen! Andere Biologen, mit keinem geringeren als OÖ. Hertwig an der Spitze, brauchen das 
Experiment eigentlich gar nicht; höchstens nur zur Kontrollierung von Ergebnissen ihrer anderweitigen 
Forschung. Es sei dasselbe nur für passiv verharrende, anorganische Gegenstände zu verwenden, 
die Lebewesen aber seien an sich ein Strom von Aktionen und Reaktionen, wobei nicht einmal ein 
Faktor stets dieselben Effekte hervorbringt. Wir selbst, die wir dem Experimente mehr als der phylo- 
genetischen Forschungsmethode eines Haeckel trauen, sind schliesslich zu der vielleicht überraschenden 
Einsicht gekommen, dass die Vertreter jener so verschiedenen Wertschätzung des Experimentes, 
Driesch und Hertwig, — die Sache vom philosophisch-kritischen, d. h. formalen Standpunkte be- 
trachtet — von der nämlichen Voraussetzung ausgehen: schätzt ja der Erstere die darwinistischen 
Experimente über künstliche Varietätenerzeugung u. dgl. ebenfalls gering, weil kein Deszendenz- 
theoretiker die Sicherheit erlangen könne, ob die hervorgerufene Aberration dem willkürlich modifizierten 
Faktor oder etwa einer anderweitigen Modifikation der Faktoren ihre Entstehung verdankt. Da nun 


*) Vgl. C. Fr. Wolff, Theoria Generationis (1759), II. Teil, $S 253. 
22* 


= Moe 


das letztere auch von den sogenannten „kausalen“ Experimenten der Biomechanik gilt, so kommt es im 
Grunde in beiden Fällen auf dasselbe heraus. Dem ist nicht Wunder zu nehmen, weil es die ersten 
Schritte sind, die gegenwärtig von der Biologie in kausal-wissenschaftlicher Richtung versucht werden 
und nicht einmal bekannt ist, ob der gewählte Weg wirklich zum Ziele führen kann. Das Experiment 
an sich muss immer unzulänglich bleiben, eben wegen der besonderen Art der Maschinen, als welche 
die Lebewesen angesehen werden können. Dem einfachen Ein-mal-eins gegenüber, als welches wir die 
Selektionslehre charakterisiert haben, hat das biomechanische Experiment den nicht zu bezweifelnden 
Vorrang, dass es die Qualitäten wenigstens approximativ analysierbar macht. Daher sehen wir im 
Experimente ein schätzenswertes Hilfsmittel, welches die Forschung ungemein beschleunigt. Wenn 
ich durch Driesch und Morgan erfahre, dass nach Verstümmelung des Eizellkörpers eine unvoll- 
ständige Larve resultiert, so ist für mich diese Erfahrung wenigstens bezüglich der weiteren Lebens- 
analyse an dieser einen Tierform sehr fruchtbar. Das Experiment kann namentlich behufs Elimination 
physikalischer und chemischer Momente, die am Entwickelungsprozesse auftreten, aber nicht in das 
Wesen desselben direkt eingeschaltet sind, nützlich werden: hierher gehören mechanische Faktoren, 
wie die Oberflächenspannung, Osmose und die als inneres Mittel der Ontogenie erkannte Kapillarität: 
was sonst noch übrig bleibt, ist grösstenteils chemischer Natur.*) Die Diagnose des Experimentes 
als methodischen Hilfsmittels würde von der von Roux gegebenen Definition des bio- 
mechanischen Experimentes insofern abweichen, als dasselbe erstens nicht rein biologisch, 
sondern auch anorganisch sein darf, zweitens als es physiologisch-morphogenetisch, nicht nur 


morphologisch zu sein hat. Die Rouxsche Bezeichnung 


(=) 


„kausal-analytisch“ kann füglich weggelassen 
werden, da das Experiment sonst kein wissenschaftliches Experiment wäre. Obwohl wir endlich weit 
entfernt sind, das Experiment als „Mittel“ und die Beobachtung als „Zweck“ anzusehen, müssen wir 
noch bemerken, dass die vergleichende Beobachtung des normalen Entwickelungsgeschehens. wie das 
Experiment, wirklich physiologisch-morphogenetisch sein muss, um kausale Erkenntnis zu fördern. 
Dann ist sie wirklich fördernd, und zwar nicht lediglich insofern, als sie das Experiment vertritt. So viel 
über das Verhältnis der beiden Methoden zu einander. 

Es giebt aber noch eine dritte Methode zur Kausalerklärung: die Spekulation. Spekulationsrein 
dürfen wir uns höchstens eine fertige Wissenschaft vorstellen, die ihre Probleme vollständig gelöst hat: 
und dies hat bekanntlich keine einzige gethan. Ein bloss aus experimentellen und vergleichenden 
Beobachtungsmaterialien zusammegesetztes Wissen, ohne die über die einfachste Katalogisierung der 
erkannten Thatsachen hinausgehende Gedankenarbeit, könnte nicht recht fortschreiten. Da sagen 
wir gleich: lieber zu viel zu denken, als zu wenig. Nicht die Erfahrungsmaterialien allein besitzen die 
Macht, grosse Probleme zu lösen. Ja, die Theorien sind die dritte und die höchste von Untersuchungs- 
methoden, ohne welche besonders die Experimentierkunst allein uns nie zu allgemeinen, kausal 
formulierten Schlüssen berechtigen würde. Das will nicht sagen, dass es nicht verdienstliche 
Beiträge gäbe, die sich auf das Experiment beschränken. Nur dürfen solche Beiträge kein höheres 
Verdienst beanspruchen, als etwa die rein systematischen Arbeiten, welche Materialien für die phylo- 
genetischen Spekulationen der zu Ende gehenden Periode der Zoologie zu verschaffen hatten. Neben 
Beiträgen dieser Art muss auch eine spekulative Verknüpfung und Ausbeutung der Ergebnisse statt- 
finden. Wer unsere allgemeinen Anschauungen von anderwärts kennt, der wird uns sicherlich nicht 
im Verdacht haben, dass wir besondere Freunde überflüssiger Spekulationen sind. Für denjenigen 
aber, der sich von jeder Spekulation lossprechen möchte, möge zur Beruhigung gesagt werden, dass 
die Spekulation in unserem Sinne nichts anderes ist, als ein Experimentieren mit richtig 


geformten Begriffen, um neue, unmittelbar nicht herauszulesende Orientierungsbegriffe zu gewinnen. 


#) Vgl. Mach, 1, p. 354 — 361. 


— 13 — 


Nach so vielen Entstellungen und Fälschungen, nicht von Seite der Natur, sondern von Seite der 
Theoretiker, ist eine neue Zergliederung der Thatsächlichkeitselemente und Synthese neuer Begriffe 
überaus nötig. Die Zoologie hat in jener Sprache zu lesen verlernt, in welcher die Natur der Lebe- 
wesen zu uns thatsächlich spricht. 

Die Deszendenztheorie hat das Verdienst, aus der Zoologie der Systematiker eine historische 
Lehre gemacht zu haben. Jetzt ist spekulative Arbeit nötig, um die letztere zu einer (kausalen) 
Wissenschaft zu erheben. 

Es ist nicht unseres Amtes, mit neuen theoretischen Entwürfen an dieser Stelle hervorzutreten. 
Nicht, dass wir uns aus Stolz sagen möchten: „Hypotheses non fingo“, sondern weil wir nicht in der 
Lage sind, dies zu thun. Selbst die genialsten Theorien haben stets eine Strecke reiner Erfahrungs- 
arbeit zur Voraussetzung gehabt, um von jener gefestigten Bahn aus, über die Erfahrung hinauszueilen, 
um dann von dem vorausgegriffenen Punkte aus ihr Licht auszustrahlen und das Vordringen der 
Erfahrung zu leiten, zu erleichtern. Gegenwärtig leben wir aber leider in einer Periode, wo selbst 
jene unerlässliche Erfahrungsstrecke noch nicht genügend ausgebaut und gefestigt ist. Wir brauchen 
noch weitere, tiefere Analysen, die sich nie durch Hypothesen ersetzen lassen. Wir sind noch nicht 
in der Lage, irgendwelche „Kräfte“ als Arbeitsbegriffe zu supponieren. Es könnten höchstens gewisse 
Spezialannahmen gemacht werden z. B. über die Einwirkung der Zellen, der Beschaffenheit der 
Nahrung auf den Verdauungstraktus, auf den Bau der Nephridien u. dgl. m. Ohne solche Spezial- 
annahmen sind wir auch in der vorliegenden Arbeit nicht ausgekommen, obgleich wir es ungern und 
nur im Notfalle thaten. Das Schicksal der nur zu zahlreichen Hypothesen eines Spencers, Weis- 


manns, Eimers — um nur die extremsten zu nennen, war geeignet, uns genügend einzuschüchtern. 


Es erübrigt noch in Sachen der spekulativen Methode zu bemerken, dass schon die vergleichende 
Beobachtung fast nie vollkommen spekulationsfrei ist; allerdings nur in dem Sinne, als ohne Gedanken- 
arbeit keine Gleichungen zu lösen sind. Zu ihrer selbst praekursorischen Lösung müssen zwei 
qualitative Grössen bekannt sein: die praeformierte Beschaffenheit der Keimzelle, beziehungsweise des 
Organismus und das epigenetische Differential der Transmutation. Nun — wird man uns zurufen — 
sagen wir selbst: Praeformation und Epigenese! Befinden wir uns nicht in Widerspruch mit uns selbst? 
Gewiss nicht; wir wiederholen, dass es zwei Fassungen desselben einheitlichen Entwickelungsgeschehens 
sind. wir sehen aber in diesen Kategorien zwei Hilfsbegriffe, denen bei physiologisch-morphogenetischer 


Arbeit ein Orientierungswert zukommen kann. 


Wir sind am Schlusse. Wir haben die leitenden, theoretischen Prinzipien als veraltet erkannt, auf 
ein erweitertes Arbeitsgebiet hingewiesen, den Weg angedeutet, auf welchem der Schwerpunkt unserer 
Forschung verschoben werden könnte, und die Notwendigkeit einer solchen Verschiebung begründet. 


Seit dem ersten Vortrage (2), wo wir Gelegenheit gehabt haben, unseren Standpunkt anzudeuten, 
wurden unsere vielfach noch unvollständigen Begriffe und allgemeinen Eindrücke ausgiebig durchgearbeitet 
und vielfach überlegt. Mit unserem heutigen Programm wollen wir in der Zoologie auch weiterhin 
eine „Abstammungslehre“ kultivieren. Nur verlangt es uns nicht nach hypothetischer Konstruktion 
einer Phylogenie der Metazoen, sondern wir streben nach Erforschung der Metazoenphylogenie. 


Jede Abstammungslehre geht notwendiger Weise über die Erfahrung hinaus und deshalb wurde 
ihr sogar mehrfach jede Wissenschaftlichkeit abgesprochen. Aber in der von uns bekämpften, noch 
immer allgemein verbreiteten Gastraealehre haben die Zoologen, von der Hauptidee getragen, die 
ursprünglichste Mannigfaltigkeit in der Entwickelung gänzlich aus den Augen verloren. Es werden 
Konjekturen, wie etwa die Auffassung der Poriferen als umgekrempelter Metazoen, der Anneliden als 
auf den Rücken geworfener Vertebraten, wie die Ableitung der Trochophoren von den Ctenophoren 


— 1714 — 


oder wie die Parallele zwischen einer „Neurula“ und einer „Helminthula“, noch immer für wissen- 
schaftliche Arbeit ausgegeben. Deshalb wird unsere Wissenschaft von exakten Erforschern anorganischer 
Gebiete verspottet. Die einstigen Losungsworte: Generelle Morphologie, allgemeine Schöpfungs- 
geschichte, — sind zu nichtssagenden Gemeinplätzen geworden. Das Bedürfnis neuer Losungsworte 
beweist, dass unsere Wissenschaft, allen falschen Leitmotiven zum Trotz, fortschreitet. 

Die Placulaeaden als darmlose Urmetazoen, als Protacoelier, die uns besser wie manche andere 
Tiergruppe die gestaltende Natur an der Arbeit zeigen, lieferten uns den ersten Ansatz zu einer 
physiologisch-morphogenetischen Arbeitsmethode. Was wir mit ihr bezwecken, ist, allgemein aus- 
gedrückt, von einer indirekten und ungefähren zu einer direkten und exakteren Beschreibung der 
Entwickelungsphänomene zu gelangen. Die indirekte war ausserdem falsch, Der Weg, den wir bis 
zu diesem vorgesteckten Ziele zurückzulegen haben, ist weit und mühsam. Aushelfend werden sich 
fruchtbare Theoreme von selbst einstellen. 

Wir wissen noch nicht wohin sie uns führen werden. Wir können nicht einmal ahnen, in 
welcher Ausdrucksweise wir einst die Entwickelungsmannigfaltigkeit des Lebens beschreiben werden. 
Darin liegt durchaus kein Vorwurf. Mit Recht sagt Wilhelm Roux: „Je klarer das Endziel, desto 
weniger zu erforschen!‘ 


eestaltenden Kräfte“ 


Unter den neueren kombinatorischen Hilfsbegriffen wären die sogenannten „g 


hervorzuheben. Nun scheint es uns, dass dieser Begriff seiner Aufgabe nicht gerecht zu werden 
vermag; nicht, dass er formal unrichtig wäre, sondern, weil alle zu dogmatisch anmutenden Begriffe 
methodologisch wenig leisten. Anstatt einer Systematik der Formen würden wir an der Hand jenes 
Begriffes zu einer Systematik der Kräfte hingeführt, welcher ebenfalls ein zusammenfassender Ober- 
begriff fehlen würde. 

Möge der neue gedankliche Inhalt, den wir mit dem allgemeinen Bild der Thatsachen verbunden 
haben, zur Konstruierung anderer, besserer Begriffe behilflich sein. Möge dasjenige, was an jenem 
Inhalte gegenwärtig noch als neu und befremdend auffallen möchte, recht bald zu ähnlichen Selbst- 
verständlichkeiten werden, wie manches gewichtige Wort der überwundenen Periode. 

Mit diesem Wunsche und in dieser Zuversicht schliessen wir die theoretischen Untersuchungen 


dieses Werkes ab. 


u — 


Angeführte Litteratur. 


Altmann, Richard, (1) Die Elementarorganismen und ihre Beziehungen zu den Zellen. Leipzig 1890. 

Anonymaus, (l) Trichoplax adhaerens. — Kosmos, Bd. XII, Dresden 1883. 

Apäthy, Stefan von, (l) Kritische Bemerkungen über das Frenzelsche Mesozoon Salinella. Eine bio- 
logische Skizze. — Biologisches Centralblatt, Bd. XII, Leipzig 1892. 

Derselbe, (2) Das leitende Element des Nervensystems und seine topographischen Beziehungen zu 
den Zellen. I. Mitteilung. — Mitteilungen aus der Zoolog. Station zu Neapel, Bd. XII, Berlin 1897. 

Assheton, Richard, vide Robinson, Arthur. 

Balfour, F., (1) On the morphology and system. position of Spongidae. — Quarterly Journal of Micro- 
scop. Science, Nev. Series, Vol. XIX. (Vergl. Handbuch der vergl. Embryologie, Bd. I, 1880.) 

Barfurth, D., (1) Experimentelle Untersuchungen über die Regeneration der Keimblätter bei den 
Amphibien. — Anatom. Hefte von Merkel und Bonnet, I. Abt., Bd. III, Wiesbaden 1893. 

Bell, F. J., (1) Note on Bipalium kewense and the generic characters of Land-Planarians. — Proceed. 
Zoolog. Society, Jahrg. 1836. London 1886. 

Beneden. Edouard van, (1) Recherches sur les Dicy@&mides, survivants actuels d’un embranchement 
des Mesozoaires. — Bulletins de l’Academie roy. des Sciences, des Lettres et des beaux Arts 
de Belgique. 45. Annee, 2me Ser., T. 41, Bruxelles 1876. 

Derselbe, (2) Recherches sur l’embryologie des Mammiferes. La formation des feuillets chez le lapin. 
— Archives de Biologie, Tome I, 1880. 

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Derselbe, (4) Über die primitiven Ortsbewegungen der Organismen. — Biologisches Centralblatt, 


Bd. XI, Leipzig 1891. 

Derselbe, (5) Die nucleoläre Kernhalbierung, eine besondere Form der amitotischen Kernteilung. — 
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Derselbe, (4) Beiträge zur Plastidentheorie. — Jenaische Zeitschr. f. Med. u. Naturw, Bd. V, Jena 1870. 
Derselbe, (5) Philosophie der Kalkschwämme. — Erster Band der Monographie der Calcispongien (1872). 


Derselbe, (6) Anthropogenie oder Entwickelungsgeschichte des Menschen. Gemeinverständliche, 
wissenschaftliche Vorträge über die Grundzüge der menschlichen Keimes- und Stammesgeschichte. 
Leipzig 1874 

Derselbe, (%) Die Gastraea-Theorie, die phylogenetische Klassifikation des Tierreiches und die Homo- 
logie der Keimblätter. — Jenaische Zeitschrift f. Med. u. Naturw., VII. Bd., N. Folge, Bd.I, Jena 1874. 

Derselbe, (8) Gastrula und die Eifurchung der Tiere — Jenaische Zeitschr. f. Med. u. Naturw, IX. Bd., 
NeRsBdalFajenaele7b: 

Derselbe, (9) Gesammelte populäre Vorträge aus dem Gebiete der Entwickelungslehre. 2 Hefte. 
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Derselbe, (10) Ursprung und Entwickelung der tierischen Gewebe. Ein histogenetischer Beitrag zur 
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Derselbe. (11) Natürliche Schöpfungsgeschichte. Gemeinverständliche, wissenschaftliche Vorträge über 
die Entwickelungslehre im allgemeinen und diejenige von Darwin, Goethe und Lamarck im be- 
sonderen. VIII. Aufl, Berlin 1889. 

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eines Naturforschers; vorgetragen am 9. Oktober 1892 in Altenburg beim 75jähr. Jubiläum der 
Naturf.-Gesellschaft des Osterlandes. IV. Aufl. Strauss, Bonn 1893. 

23* 


— 180 °— 


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Derselbe, (15) Systematische Phylogenie der wirbellosen Tiere (Invertebrata). Il. Bd. Berlin 1896, 

Derselbe, (16) Über unsere gegenwärtige Kenntnis vom Ursprung des Menschen. Vortrag, gehalten... 
in Cambridge ... August 1898. E. Strauss, Bonn 1898. 

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Jena 1882. 

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Derselbe, (2) Über eine allgemein vorkommende primäre Protoplasmaverbindung zwischen den Blasto- 
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Hansemann, David, (l) Studien über die Spezifizität, den Altruismus und die Anaplasie der Zellen, 
mit besonderer Berücksichtigung der Geschwülste. A. Hirschwald, Berlin 1893. 


Hatschek, Berthold, (l) Embryonalentwickelung und Knospung der Pedicellina echinata. — Zeitschr. 
für wiss. Zoologie, Bd. XXIX, Leipzig 1877. 
Derselbe, (2) Studien über Entwickelung des Amphioxus. — Arbeiten aus dem Zool. Institute der Uni- 


versität Wien und der Zool. Station in Triest, herausgegeben von C. Claus, Bd. IV, Wien 1882. 
Derselbe, (3) Lehrbuch der Zoologie, eine morphologische Übersicht des Tierreiches zur Einführung 
in das Studium dieser Wissenschaft. Liefg. I, Jena 1888. 


Derselbe, (4) Über den gegenwärtigen Stand der Keimblättertheorie. — Verhandlungen der Deutschen 
zool. Gesellschaft .. ., III. Versammlung, Leipzig 1893. 

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Derselbe, (2) Dasselbe, II Weiteres über die morphologische Wirkung der Lithiumsalze und ihre 
theoretische Bedeutung. — Mitteil. a. d. zool. Station zu Neapel, Bd. XI, Berlin. 

Herlitzka, A., (1) Contributo allo studio della capacita evolutiva dei due primi blastomeri nell’ uovo 
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Derselbe, (2) Zeit- und Streitfragen der Biologie. Heft I. Präformation oder Epigenese? Grundzüge 
einer Entwickelungstheorie der Organismen. Fischer, Jena 1894. 

Derselbe, (3) Beiträge zur experimentellen Morphologie und Entwickelungsgeschichte. 1. Die Ent- 
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Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. XLIV, 1895. 


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Jena 1897. 

Hertwig, Richard und Oscar, (l) Die Actinien. — Jenaische Zeitschrift f. Med. u. Naturw., Bd. XIV. 
Jena 1880. 

Hertwig, Richard, (l) Lehrbuch der Zoologie. II. Auflage. Jena 1893. 

Heymons, Richard, (1) Zur Entwickelungsgeschichte von Umbrella mediterranea. — Zeitschrift für 


wiss. Zoologie, Bd. LVI, Leipzig 1893. 
Derselbe, (2) Die Embryonalentwickelung von Dermapteren und ÖOrthopteren unter besonderer Be- 
rücksichtigung der Keimblätterbildung; monographisch bearbeitet. Fischer, Jena 1895. 


Derselbe, (3) Ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Insecta apterygota. — Sitzungs-Berichte 
der königl. preuss. Akademie d. Wiss. Berlin, Ber. LI, Berlin 1896. 

Derselbe, (4) Entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen an Lepisma saccharina L. — Zeitschrift 
für wiss. Zoologie, Bd. LXII, Leipzig 1897. 

Derselbe, (5) Über die Bildung und den Bau des Darmkanals bei niederen Insekten. — Sitzungs- 
Berichte d. Gesellschaft naturf. Freunde, Jahrg. 1897, No. 7, Berlin 1897. 

Derselbe, (6) Mitteilungen über die Segmentierung und den Körperbau der Myriopoden. — Sitzungs- 
Berichte d. preuss Akad. d. Wiss. Berlin, Ber. XL, 1897. 

Derselbe, (2) Zur Entwickelungsgeschichte der Chilopoden. — Sitzungs-Berichte d. preuss. Akad. d. 


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Derselbe, (4) Über die Bildung der primären Keimblätter bei Wirbeltieren. — Verhandlungen der 
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Derselbe, (5) Studien über den Einfluss des Dotters auf die Gastrulation und die Bildung primärer Keim- 
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Derselbe, (6) Dasselbe, IV. Teil: Amphioxus. — Archiv für Entwickelungsmechanik, Bd. VII, Leipzig 1898. 

Derselbe, (7) Bemerkungen über die Methode der vergleichenden Entwickelungsgeschichte. - Bio- 
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Schulze, Franz Eilh.. (1) Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Spongien; I Über 


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Leipzig 1878. . 

Derselbe, (3) Dasselbe; V. Die Metamorphose von Sycandra raphanus. — Zeitschr. f. wiss. Zoologie, 


Bd. XXXI, Leipzig 1879. 
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Derselbe, (5) Über Trichoplax adhaerens — Abhandlungen d. preuss. Akad. d. Wiss. Berlin, 1891. 


Derselbe, (6) Über die Bezeichnung der Lage und Richtung im Tierkörper. — Sitzungs-Berichte der 
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Derselbe, (3) Zur Entwickelungsgeschichte der Pyrosomen. — Jenaische Zeitschr. f. Med. u. Naturw., 
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Derselbe, (4) Bemerkungen zur Knospenentwickelung der Bryozoen. — Zeitschr. f. wiss Zoologie, 
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Derselbe, (6) Über Natur und allgemeine Auffassung der Knospenfortpflanzung der Metazoen. — Ver- 


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spec. — Zeitschr. f. wiss. Zoologie, Bd. XXXIX, Leipzig 1883. 


— 189 7° — 


Ziegler, Heinrich Ernst, (l) Der Ursprung der mesenchymatischen Gewebe bei den Selachiern. — 
Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. XXXII, Bonn 1888. 

Derselbe, (2) Referat über Sobotta (2?) und Klaatsch (1). — Zoologisches Centralblatt, Bd. IV, 
Leipzig 1897. 

Derselbe, (3) Über den derzeitigen Stand der Coelomfrage. — Verhandl. d. Deutschen zool. Gesell- 
schaft auf der VIII. Jahresversammlung zu Heidelberg, Juni 1898. Leipzig 1898. 

Ziegler, H. E. und F., (1) Beiträge zur Entwickelungsgeschichte von Torpedo. — Archiv f. mikr. Ana- 
tomie, Bd. XXXIX, Bonn 1892. 


Tafel 1. 


Placulaeadae. 


Tatel I. 


Trichoplax adhaerens Er 7: >Schulze: 


Fig. 1. Ruhende, etwas zusammengezogene Scheibe. — Intra vitam. 

Fig. 2. Scheibe mit beginnender Aussackung. — Vitale Alkaliblautinktion. 

Fig. 3. Scheibe mit einer blasenförmigen Aussackung. — Vitale Methylenblautinktion. 

Fig. 4. Bandform mit zwei Scheiben und fein ausgezogener Endspitze. — Intra vitam. 

Fig. 1a-4a. Optische Querschnitte (vertikale Durchschnitte) durch dieselben Stadien, in der Richtung 
der Pfeile. 


Vergrösserung 50:1. 
Die Verteilung der Einlagerungen zum Teil schematisiert. 


Morphogenetische Studien 


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Tafel LI. 
Placulaeadae. 


Turbellarıa acoela. 


Tatel I. . 
Placuleadae. Turbellarıa acoela. 


Fig. 1. Trichoplax: vitale Alkaliblautinktion und 20°), Salpetersäure. — Optischer Querschnitt, Um- 
biegungsrand. 

Fig. 2a c. Trichoplax; Glycerin-Hämatoxylin. — Zylinderepithelzellen mit Exkretkörperchen. 

Fig. 3. Trichoplax: Silbernitrat, Glycerin-Hämatoxylin. — Enchymatische Spindelzellen mit lichtbrechen- 
den Körperchen. 

Fig. 4. Trichoplax; Überosmiumsäure, mortale Methylenblautinktion, Natriumborat, Cedernöl, Damar- 
lack. — Exkretkörper im Parenchym. 

Fig. 5. Trichoplax; Überosmiumsäure. — Glanzkugeln, rechts mit zentralem, links mit verschobenem 
Haupttropfen, bei verschiedener Tubuseinstellung. (Bei Auerschem Gasglühlicht gezeichnet.) 

Fig. 6. Trichoplax; Überosmiumsäure, Anilinblau. — Rechts eine Exkretionszelle mit Ausscheidungs- 
produkten, links ein ellipsoidischer Glanzkörper. (Bei Auerschem Gasglühlicht gezeichnet.) 

Fig. 7. Trichoplax; Überosmiumsäure. — Zerbröckelter Ausscheidungstropfen. (Bei Auerschem Gas- 
glühlicht gezeichnet.) 

Fig. 8. Trichoplax; dieselbe Fixierung und Beleuchtung. — Elemente aus dem Parenchym. 

Fig. 9. Trichoplax; a) Goldchloridkalium, b) Goldchloridkalium, Glycerin-Hämatoxylin, c) Salpetersäure, 
mortale Bleu de Paris-Tinktion. — Kristalleinschlüsse. 

Fig. 10. Trichoplax. — Querschnitt nach Schulze. 

Fig. 11. Treptoplax nach Monticelli. — Querschnitt. Zylinderepithel nach oben gerichtet; Vergr. 600:1. 

Fig. 12. Treptoplax nach Monticelli, lebend. — Isolierte Pflasterepithelzellen; 1125(?):1. 

Fig. 13. Treptoplax nach Monticelli. — Subdorsaler Horizontalschnitt; Vergr. 1200:1. 

Fig. 14ab. Treptoplax nach Monticelli. — Rechts der obere Teil eines optischen Querschnittes; Vergr. 
1050:1. Links Enchymzellen, Vergr. 1200:1. 

Fig. 15. Trichoplax; mortale Methylenblautinktion, Natriumborat, Cedernöl, Damarlack. — Eine exkre- 
torische Zelle mit Glanzkugel und Kern. 

Fig. 16. Trichoplax; Platinchlorid, Bleu de Paris. — Ventrale Exkretionszellen, rechts leer, links mit Exkret. 

Fig. 17. Trichoplax; Überosmiumsäure, Methylenblau. — Dorsale Glanzkugel, rechts bei höherer, links 
bei tieferer Tubuseinstellung. 

Fig. 18. Trichoplax; Salpetersäure, Sublimat. — Algenknollen, links bei höherer. rechts bei tieferer 
Tubuseinstellung. 

Fig. 19 Trichoplax; Überosmiumsäure, Methylenblau, Natriumborat. — Enchymzelle mit Zooxanthellen 
und Glanzkörperchen. 

Fig. 20. Trichoplax; Platinchlorid-Quecksilberchlorid, Glycerin-Hämatoxylin. — Ähnliches Objekt. 

Fig. 21. Trichoplax: schwache Salpetersäure. — Enchym-Elemente. 

Fig. 22. Trichoplax: vitale Methylenblautinktion. — Zerfliessende Randpartie. 

Fig. 23. Treptoplax nach Monticelli. — Enchym-Elemente; Vergr. 750(?):1. 

Fig. 24. Treptoplax nach Monticelli. — Interzellulare Enchym-Elemente; Vergr. 500(?):1. 

Fig. 25. Treptoplax nach Monticelli. — Interzellulare Enchymeinschlüsse; Vergr. 750(?):1. 

Fig. 26 Amphichoerus nach Graff. — Kontraktile Zellen. 

Fig. 27. Amphichoerus nach Graff. — Schnitt durch die Randpartie; Cuticula, Hautmuskelschlauch 
und Parenchym. 

Fig. 23. Amphichoerus nach Graff. — Eine Otolithenblase mit zwei Kernen. 

Fig. 29. Amphichoerus nach Graff. — Ähnliche Objekte. 

Fig. 30. Bero@ nach Samassa. — Zwei Otolithzellen:; Vergr. 750:1. 

Fig. 31. Callianira nach Samassa. — Otolithzellen; Vergr. 750:1. 


Vergrösserung: Zeiss, homogen. Immersions-Apochromat 2 mm, num. Ap. 1.40; Kompensations-Oc. 4—12 


(18); Tubuseinstellung 15. 


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Frg.18 


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Placulaeadae. 


Fig. 
Fig. 


Bios: 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Tafel II. 


Placulaeadae. 
Trichoplax; lebend. — Cilien, Kerne, Glanzkörperchen, Exkretionstropfen, Algenknollen. Oben 
vier parallele Flächenfalten, unten zwei Randfalten. 
Derselbe; Silbernitrat, Glycerin-Hämatoxylin. — Rechts ventrales, links dorsales Epithel. Ex- 
kretionstropfen und Algen schwarz. 
Derselbe; mit Alkaliblau intra vitam gefärbt. — Quetschpräparat, mit Schnittbildern kombiniert. 
Derselbe; Bleu de Paris, Ammoniumpikrat. Glycerin. Exkretionstropfen geschwärzt; unten 


rechts Zellgrenzen des Pflasterepithels. 
Derselbe; Goldchloridkalium, Ameisensäure, Glycerin-Hämatoxylin. Damarlack Quetschpräparat, 


im Parenchym mit dünnsten Schnitten kombiniert. 
Der explosive körnige Zerfall. — Methylenblau, pikrinsaures Ammoniak, Glycerin. 


Vergrösserung: Dasselbe Immersions-Apochromat wie bei Tafel Il. 


Tafel IV. 


Zur Biologie des Trichoplax. 


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Tafel IV. 


Zur Biologie des 'Trichoplax. 


. 1-6. Mit Methylenblau gefärbte Scheiben am Wandnetze, in sechs nacheinander folgenden Stadien. 


— Vergrösserung ca. 15:1. 

Die Scheiben um 8 Uhr morgens. 

Dieselben um 10 Uhr vormittags. 

Dieselben um 12 Uhr mittags. 

Dieselben um 3 Uhr nachmittags. 

Dieselben um 5 Uhr nachmittags. 

Dieselben um 7 Uhr abends. — Die von den einzelnen Individuen zurückgelegten Bahnen sind 
gelb eingezeichnet. 


. a—f. Sechs auf einander folgende Stadien der Concrescenz. — Vergrösserung: 5:1. 


a, 8, y drei Individuen. 
xx, und yy, Orientierungslinien des Wandnetzes. 


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Tafel V. 
Diagramme zu der Grastraealehre. 


Amphıioxus. 


Tafel V. 


Diagramme zu der Gastraealehre. 


Fig. 1-2. Kräfteparallelogramme bei dem Gastrulationsprozesse. (Blastaea.) 
Fig. 3-10. Diagramme der Druckwirkung bei der Keimblätterbildung. (Blastaea.) 


Amphioxus lanceolatus Yarrel. 


Fig. 11. Fertiges Blastulastadium. Pikrinschwefelsäure. Alaunkarmin. 
Fig. 12. Späteres Depulastadium. 

Fig. 13. Spätes Gastrulastadium. 

Fig. 11-13. Optische mit wirklichen Querschnitten kombiniert. 


Vergrösserung circa 330:1. 


Morphogenetische Studien. Taf.v. 


T.Garbowski fecit. ' ; = . Lith. Anst.v.Werner & Winter, Frankfurt ®M. 


Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


Tafel VI 


Embrvoloeische Diaoramme. 
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Tafel VI. 


Diagramme. 


Fig. 1. Salinella salve (Frenzel). Optischer Längsschnitt. Vergrösserung ca. 260:1. 

Fig. 2. Blastosphaera-Stadium von Sycandra raphanus (F. E. Schulze). 

Fig. 3. Amphiblastula-Stadium von Sye. raphanus (F. E. Schulze). 

Fig. 4. Gastrula-Stadium von Syec. raphanus (F. E. Schulze). 

Fig. 5. Knospenbildung bei Rhatkea (Chun). 

Fig. 6. Gastrulationsphasen bei Callianira bialata (Metnikoff). Links jüngeres, rechts älteres Stadium. 

Fig. 7. Gastrula von Callianira bialata (Metnikoff). 

Fig. 8. Immigrationsprozess bei Strongylocentrotus lividus (Selenka). 

Fig. 9. Späteres Entwickelungsstadium von Rhopalura giardi (Julin). 

Fig. 10. Junges 9 Rhopalura giardi (Julin). | 

Fig. 11. Topographisches Schema einer Dicyemide (E. van Beneden). Nach eigenem Präparat. 

Fig. 12. Furchungsstadium von Distomum tereticole (Schauinsland). 

Fig. 13. Ausschlüpfender Embryo von Distomum tereticole (Schauinsland). 

Fig. 14. Ausschlüpfender Embryo von Botriocephalus lutus (Schauinsland). 

Fig. 15. Invaginationsvorgang bei Sagitta (OÖ. Hertwig). Links früheres, rechts späteres Stadium. 

Fig. 16. Pilidium von Linceus laeteus (Meünikoff). 

Fig. 17. Junge Larve von Lineus obscurus (Barrois und Hubrecht). 

Fig. 18. Embryonale Hemitomie bei Lumbricus trapezoides (nach Balfour). 

Fig. 19. Querschnitt durch ein älteres Stadium von Zumbriceus trapezoides (nach Balfour). 

Fig. 20. Gastrula-Stadium von Chiton polii (Kowalewsky). 

Fig. 21. Junges Stadium von Anodonta mutabilis (Schierholz). 

Fig. 22. Gastrula-Stadium von Patella (nach Korschelt und Heider). 

Fig. 23. Chordula-Stadium von Clavellina vissoana (van Beneden und Julin). 

Fig. 24. Junge Larve von Olavellina rissoana (van Beneden und Julin). 

Fig. 25. Chordula-Stadium von Distaplia magnilarva (Dawidoff). 

Fig. 26. Gastrula-Stadium der Hexapoden; links mit, rechts ohne die Embryonalhüllen. Nach eigenem 
Präparat. 

Fig. 27. Junges Stadium von Loligo vulgaris (nach Korschelt und Heider) Etwas modifiziert. 

Fig. 23-30. Gastrula-Stadien von einem Singvogel (Duval). 

Fig. 31—34. Gastrulationsvorgang bei Säugetieren (van Beneden, Keibel, OÖ. Hertwig). 

Anmerkung. Bei sämtlichen Figuren bedeutet: schwarz — das Ektoderm, grau — das Entoderm, braun 


— das Mesoderm. 
Alle Höhlen mit Ausnahme der Darmhöhle sind weiss ausgespart. 


Die Zeichnungen sind zumeist als optische Schnitte gedacht. 


= Taf.VI 


Fig. e 55 Fig.6. 
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