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Full text of "Muehsam Family Collection 1822-1999"

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Erster Teil 



Los Angeles, 1989 




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PAUL CASSIRER 
HUGO HELBING 

BERLIN W lo / VIKTORIASTRASSE 36 



RECHNUNG 

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VERSIKICJERUNG AM 8. iNüVElVlIiKR 1929 

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WILllELM VON BODK 



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NACHLASS 
WILHELM VON BODE 



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NACHLASS WILHELM VON BODE 



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NACHLASS 
WILHELM VON BODE 



E I N G E LE ITET VO N 

ROBERT SCHMIDT 



AUSSTELLUNG: 

SONNABEND, DEN 2. NOVEMBER, VON 10—2 UND 4—6 UHR 
SONNTAG, DEN 3. NOVEMBER, VON 10— 2 U H R 
MONTAG, DEN 4. NOVEMBER, VON 10—2 UHR 
BEI PAUL CASSIRER /BERLIN W 10 / VIKTORIASTR. 35 



VERSTEIGERUNG: 

DIENSTAG, DEN 5. NOVEMBER 1929 NACHMITTAGS 3 UHR 
BEI PAUL CASSIRER / BERLIN W 10 / VIKTORIASTRASSE 35 



AUKTIONSLEITUNG: 



PAUL CASSIRER UND HUGO HELBING 



BEDINGUNGEN 

1. Die Versteiji^erung geschieht gegen sofortige Barzahlung in deutscher Reichs- 
Währung und erfolgt unter der fachmännischen Leitung der Unterzeichneten 
durch einen von ihnen beauftragten Auktionator. 

2. Die Ersteher haben auf den Zuschlagspreis ein Aufgeld von 15 Prozent zu 
entrichten. Das Eigentum geht erst mit der Zahlung des Kaufpreises, die Gefahr 
bereits mit dem Zuschlag an den Käufer über. Der Kaufpreis ist an die die 
Versteigerung leitenden Firmen zu entrichten. 

3. Sämtliche Ankäufe sind unbedingt und ausnahmslos längstens einen Tag nach 
Beendigung der Auktion in bar oder in Schecks auf Berlin zu bezahlen. Spätere 
Zahlungen sind nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Unterzeichneten 
zulässig und bankmäßig zu verzinsen. — Die Unterzeichneten behalten sich das 
Recht vor, den Verkauf frühestens eine Woche nach der Versteigerung ohne 
Fristsetzung zu annullieren und vom säumigen Käufer vollen Schadenersatz 
wegen Nichterfüllung zu verlangen, wenn nicht spätestens fünf Tage nach der 
Auktion Zahlung erfolgt ist. 

4. Die Auktionsleitung behält sich das Recht vor, Nummern zu vereinigen oder 
zu trennen, sowie die Reihenfolge der Nummern nicht genau einzuhalten. 

3. Sollte eine Meinungsverschiedenheit über den Zuschlag entstehen und nicht 
sofort zwischen den Beteiligten beglichen werden können, so wird die betreffende 
Nummer sofort nochmals ausgeboten. 

6. Wenn zwei oder mehrere Personen zu gleicher Zeit ein und dasselbe Gebot 
abgeben und die Aufforderung zur Abgabe eines höheren Gebotes erfolglos 
bleibt, entscheidet das Los. (Gesetz vom 10. VIL 1902.) 

7. Da durch die Ausstellung Gelegenheit geboten ist, sich von der Eigenschaft 
und dem Zustande der einzelnen Gegenstände zu überzeugen, können Re^ 
klamationen nach erfolgtem Zuschlage nicht mehr berücksichtigt werden. 

8. Die Festsetzung der Künstlernamen und die Zuschreibungen erfolgten nach 
sachverständiger Feststellung, doch werden Bestimmungen und Beschreibungen 
der Gegenstände nicht gewährleistet. 

9. Die Aufbewahrung verkaufter Nummern geschieht ohne Garantie. Die Käufer 
sind verpflichtet, für Abholung der gekauften Gegenstände innerhalb von drei 
Tagen zu sorgen, andernfalls werden die Gegenstände auf Kosten und Gefahr 
der Käufer einem Spediteur zur sachgemäßen Aufbewahrung übergeben. Jeder 
Transport der erstandenen Objekte erfolgt ausschließlich auf Kosten und Ge* 
fahr der Käufer. Die Unterzeichneten übernehmen keinerlei Haftung für Ver^ 
luste oder Beschädigungen. 

10. Vereinbarter Erfüllungsort für alle Verpflichtungen der Käufer und ausschließe 
lieber Gerichtsstand ist Berlin. 



PAUL CASSIRER 



HUGO HELBING 



Aus zweierlei Gründen wird diese Versteigerung Aufsehen in den interessierten 
. Kunstkreisen erregen; erstens weil es sich bei ihr fast durchweg um Werke 
erlesener Qualität handelt, zweitens weil diese Kunstwerke den Besitz Wilhelm 
von Budes darstellen. Es ist zahlenmäßig keine große Sammlung. Bode hat nur 
die wenigsten seiner kunstgewerblichen Erwerbungen für sich behalten; die mei^ 
sten Käufe, die er mit stets glücklicher Hand und sicherem Blick machte, hat er 
in wundervoller Liberalität den verschiedenen Abteilungen der Berliner Museen 
als Geschenke übergeben. Wollte man sie alle zusammenstellen, so würden sich 
enorme Werte ergeben. Für sich, zum Schmuck seines Hauses und seines Arbeits^ 
Zimmers, hat er nur weniges behalten; außer rein praktischen oder dekorativen 
Dingen in der Hauptsache Arbeiten aus den beiden kunstgewerblichen Gebieten, 
die ihm besonders am Herzen lagen, in denen er Entdecker war und die er als 
Erster wissenschaftlich behandelt hat. Das sind die orientalischen Teppiche und 
die frühen italienischen Majoliken. Sein Buch über die Orientteppiche, dessen 
zweite Auflage unter seinen Augen Ernst Kühnel bearbeitete (der auch die 
Katalogisierung der hier verzeichneten Teppiche übernommen hat), gibt noch 
heute wichtigstes Material für den Forscher; sein großes Werk über die Anfänge 
der Majolikakunst in Toskana bleibt grundlegend für alle weitere Forschung. 
Eine große Anzahl der Majoliken dieser Versteigerung sind dort zur Beweis^! 
führung herangezogen und abgebildet; sie gehören zu dem Rüstzeug, das Bode 
instand setzte, die Geschichte dieser primitiv^kraftvoUen Töpferkunst zu schrei- 
ben. Schon deshalb werden sie immer ihren gleichsam dokumentarischen Wert 
behalten, abgesehen von dem Kunstwert, der ihnen innewohnt. Aber auch ein 
Schimmer persönlicher Weihe liegt auf diesen Dingen, die das verwöhnte Auge 
Bodes seines täglichen Anblicks und Umgangs für würdig erachtete. Für die 
große Schar derer, die diesem genialen Mann aufrichtige Verehrung dargebracht 
haben, wird ein solches persönliches Erinnerungsmoment nicht gleichgültig sein. 

ROBERT SCHMIDT. 



ÜBERSICHT 



I. 



MAJOLIKEN DER FRÜHRENAISSANCE 

VERZEICHNET VON ROBERT SCHMIDT 

Nr. 1 bis 58 



II. 



ORIENTALISCHE KNÜPFTEPPICHE 

VERZEICHNET VON ERNST KÜHNEL 

Nr. 59 bis 74 



' 



III. 



GEMÄLDE, PLASTIK, METALLARBEITEN 



Nr. 75 bis 93 



IV. 



MÖBEL UND EINRICHTUNGSGEGENSTÄNDE 



Nr. 94 bis 117 



V. 

FAYENCEN, GLAS 

Nr. 118 bis 152 



VI. 



EUROPÄISCHE PORZELLANE 



Nr. 133 bis 146 



VII. 



OSTASIATISCHE PORZELLANE 



Nr. 147 bis 180 



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I. 

MAJOLIKEN 
DER FRÜHRENAISSANCE 

VERZEICHNET VON ROBERT SCHM IDT 

Nr. 1—58 



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1 NAPF. 

Mit steilem, außen scharf abgesetztem Rand und Ringfuß. Schmutzigweiß 
glasiert; bemalt in blassem Grün und Mangan. Im Spiegel ein zum Flug an^ 
setzender Vogel, auf der Brust ein Kreis; ringsum grünes, mangan konturiertes 
Band, darüber auf der Wandung ein Fries von S-förmigen Manganstrichen. Auf 
dem oberen Rand und auf der Außenwandung ein grüner Streifen. — Repariert. 

Abgebildet bei Wilh. Bode. Die Anfänge der Majolikakunst in Toskana, 
Seite 1 unten (irrtümhch als Besitz des Berliner Kunstgewerbemuseums be^^ 
zeichnet). 

ROM, UM 1400. Durchmesser 12 cm, Höhe 5,5 cm. 
Tafel I. 



2 KANNE. 

Mit rundlichem Henkel und gekniffenem Ausguß. Rötlichweiße, im Brand 
dunkel gewordene Glasur; am unteren Viertel und unter dem Boden gelbe Bleis' 
glasur. Bemalt vorn mit grünem, mangan getupftem Doppelkreis; im Innern 
achtstrahliger Stern auf gegittertem Grund in Mangan. — Am oberen Rand 
Ergänzungen. 

FAENZA, UM 1400. Höhe 18,6 cm. 
Tafel I. 



3 KANNE. 

Mit breitem, gefurchtem Henkel und gekniffenem Ausguß. Im Brand braun 
gewordene Glasur; am Unterteil des Körpers gelbbraune Bleiglasur. Der Dekor 
mit Mangankonturen, gefüllt mit grüner, teilweise rotbraun gewordener Glasur: 
Unter dem Ausguß rechteckige Felder mit eingezeichneten, gekreuzten Rauten; 
darunter wagerechtes Wellenband zwischen Streifen. Seitlich neben dem 
Henkel Zonen mit S^^förmigem Fries. — Am Fuß lädiert. 

FAENZA, ANFANG 15. JAHRHUNDERT. Höhe 20,7 cm. 
Tafel I. 



4 KLEINE KANNE. 

Bauchig auf niederem Fußring mit geschwungenem Henkel und gekniffenem 
Ausguß. Im Brande teils braun, teils schwarz gewordene Glasur. Dekoriert mit 
manganfarbener Wellenranke, an der verschieden große, ovale Blätter in 
pastosem Blau. Ähnlich der Hals bemalt. Neben dem Henkel Strichzone, von 
Senkrechten gerahmt. Auf dem Henkel zwei bläue Flecke und manganfarbene 
Querstriche. 

FAENZA, ANFANG 15. JAHRHUNDERT. Höhe 11,5 cm. 
Tafel I. 



11 



KÄNNCHEN. 

Mit geschwungenem Henkel und gekniffenem Ausguß. Mit einer im Brand 

dunkelgrau gewordenen Glasur bedeckt. Vorn lanzettförmige, nach oben und 

unten weisende Blätter in pastosem Blau, dazwischen Wellenlinien in Mangan. 

Seitlich Parallelstreifen. Am Hals blaue Blätter und kleine manganfarbene 

Ranken. 

FAENZA, ANFANG 15. JAHRHUNDERT. Höhe 11,6 cm. 

Tafel I. 



6 SCHNABELKANNE. 

Vasenförmiger Körper mit breitem Henkel und stark vorspringendem, vor die 
Wandung gesetztem Schnabelausguß. Schmutzigweiße Glasur; am unteren Viertel 
gelbe Bleiglasur. Bemalt auf beiden Seiten des Körpers mit je drei lanzett^ 
förmigen Blättern in Grün mit manganfarbenem Kontur; zwischen den Blättern 
manganfarbene Wellenlinie. Unter dem quergestrichelten Ausguß ein durchs 
strichenes grünes Kreuz; auf dem Henkel grüner breiter Strich, dreimal quer* 
gestrichelt. — Reparaturen am Hals. 

FLORENZ oder ROM, UM 1400. Höhe 13 cm. 
Tafel IL 

7 KANNE. 

Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Gelblichweiße Glasur. Vorn 
ein Rundmedaillon, gebildet aus manganfarbenem Doppelkreis mit Rund^^ 
fruchten aus pastosem Blau. Darin eine Krone, deren Zacken die Form von 
Zypressen angenommen haben. Diese Zacken und der Grundstrich in tiefem, 
pastosem Blau gemalt; die übrige Zeichnung manganfarben. — Stark repariert. 

Abgebildet bei Bode, S. 15. — Bode vermutet in der Krone das Emblem einer 
geistlichen Genossenschaft. 

FAENZA, 1. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 23,5 cm. 
Tafel IL 

8 KLEINE BAUCHIGE KANNE. 

Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Weißlichgraue Glasur. Vorn 

gemalt ein liegendes sog. Eichenblatt in pastosem Dunkelblau, ringsum ein 

manganfarbener Kranz mit runden Früchten in pastosem Blau. — Am Hals 

repariert. 

FAENZA, 1. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 16,2 cm. 

Tafel IL 

9 KANNE. 

Mit rundem Henkel und gekniffenem Ausguß. Gelblichgraue Glasur. Bemalt 
mit tief pastosem, blasigem Blau; Konturen und Strichzeichnung in dunklem 
Mangan. Unter dem Ausguß ein Rundmedaillon, darin blaues Kreuz und blaue 
Viertelkreise in den Ecken. Jederseits zweie blaue sog. Eichenblätter an 



12 



Ranken. Seitlich neben dem Henkel Strichdekor. Auf dem Hals abwechselnd 
blaue und manganfarbene Schrägstriche. Auf dem Henkel Querstriche und 
blaue Punkte. — Am Hals repariert; die Glasur an einzelnen Stellen ab^ 
gesprungen. 

FLORENZ, ANFANG 15. JAHRHUNDERT. Höhe 21 cm. 
Tafel IL 

10 HENKELNAPF. 

Rötlichweiße Glasur. Bemalt im Innern mit sitzendem Vogel zwischen Beeren^ 
ranken, in kräftigem Blau mit Manganzeichnung. Am äußeren Rand mangan^ 
farbenes Streifenmuster. — Ein Henkel fehlt; der Rand beschädigt. Mehrfach 
repariert. 

FLORENZ, 1. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Durchmesser 12 cm. 

11 DOPPELHENKELIGE VORRATSURNE. 

Breiter zylindrischer Bauch mit glatter Schrägschulter und engerem Hals, auf 
dem ein bleiglasierter Flachring mit zwei Kerben zur Befestigung des — fehlen^ 
den — Deckels. Rötlichweiße Glasur. Auf den beiden Schauflächen des 
Körpers ein tief manganfarbenes Wellenband zwischen türkisgrünen Streifen 
oben und unten. Die dreiteiligen Henkel in Mangan und Türkisgrün schräge 
gestrichelt. Innen gelbe Bleiglasur. 

FLORENZ, ANFANG 15. JAHRHUNDERT. Durchmesser 27,5 cm, 
Höhe 17 cm. 
Tafel IL 

12 SCHNABELKANNE. 

Bauchiger Körper mit steilem Hals, an dessen oberen Rand der hochgeschwun:= 
gene breite Henkel ansetzt. Vorn sehr stark vorspringender Schnabelausguß. 
Rötlichweiße Glasur. Vorn — über den Ausguß hinweggemalt — kräftig 
manganfarben konturierter Dekor: ein mit sehr korrodierter, pastoser Blau^ 
färbe gemaltes, in Ranken auslaufendes R, darin kräftig grüne Eichenblätter. 
— Schnabelausguß leicht repariert. 

FLORENZ, ANFANG 15. JAHRHUNDERT. Höhe 15 cm. 
Tafel IL 

13 DOPPELHENKELIGE VASE. 

Der bauchige Körper geht ohne Absatz in den kurzen Hals über. Rötlichweiße 
Glasur. Der Dekor in Manganzeichnung und pastoser Blaufüllung. Auf beiden 
Schauseiten aufsteigende Ranke mit großen sog. Eichenblättern, dazwischen 
blaue Punkte und manganfarbene Schnörkel. Seitlicher Abschluß durch ein 
aufsteigendes harkenartiges Ornament. Am Hals Wellenranke mit blauen 
Blüten; die gleiche Ranke auf den — ergänzten — Henkeln. Darunter in 
Mangan eine Werkstattmarke: achtstrahliger Stern (vgl. Nr. 14). — Die 
Henkel ergänzt, Hals repariert; mehrfache Beschädigungen. 
FLORENZ, 2. VIERTEL 15. JAHRHUNDERT. Höhe 27 cm. 
Tafel III. 



13 



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14 DOPPELHENKELIGE VASE. 

Bauchige Form mit kurzem, geradem Hals, die breiten Henkel nur wenig 
gewölbt. Auf rötlichweißer Glasur Dekor in Manganzeichnung und pastoser 
Blaufüllung. Auf den beiden Schauseiten je eine stehende Harpye, umgeben 
von sog. Eichenblättern an dünnen Ranken. Am Hals Wellenranke mit blauen 
Blättern. Auf dem Henkel zwei blaue Kreuze und manganfarbene Querstriche. 
Darunter in Mangan eine Werkstattmarke: achtstrahliger Stern (vgl. Nr. 13). — 
Sprung. 

Abgebildet bei Bode, S. 14, oben rechts. 

FLORENZ, 2. VIERTEL 15. JAHRHUNDERT. Höhe 25 cm. 
Tafel IV. 

15 DOPPELHENKELIGE VASE. 

Bauchige Form mit kurzem, geradem Hals; die Henkel durch einen Mittelwulst 
verstärkt. Auf weißlicher Glasur Dekor in Mangan und pastosem Dunkelblau. 
Auf beiden Flächen sechs aufrechtstehende Reihen harkenartigen Ornaments. 
Am Hals blaue Tupfen und manganfarbene Haken. Die Henkel mit blauen, 
unten in einen Ringhaken auslaufenden Streifen und mit manganfarbenem 
Gittermuster; unten — als Marke — ein liegendes S. — Kleiner Sprung; am 
Hals ein kleines Stück ausgebrochen. 

Abgebildet bei Bode, Tafel XIX, links. 

FLORENZ, 2. VIERTEL 15. JAHRHUNDERT. Höhe 28 cm. 
Tafel III. 

16 DOPPELHENKELIGE VASE. 

Der bauchige Körper geht ohne Absatz in den kurzen Hals über. Der Dekor in 
Manganzeichnung und pastoser Blaufüllung. Auf beiden Schauseiten aufrechter 
Fisch zwischen Ranken mit sog. Eichenblättern. Die Flosse der Fische in 
Mangan. Seitlicher Abschluß durch ein aufsteigendes, harkenartiges Ornament. 
Am Hals blaue Tupfen und manganfarbene Haken. Auf den Henkeln zwei blaue 
Kreuze, Eichenblatt und manganfarbene Querstriche. 

FLORENZ, 2. VIERTEL 15. JAHRHUNDERT. Höhe 21,5 cm. 
Tafel IV. 

17 TOPF. 

Breite zylindrische Wandung, über dem Fuß und unter dem Rand eingezogen. 
Rötlichweiße Glasur. Der Dekor in Manganzeichnung mit pastoser Blau? 
füUung. Große Wellenranke aus dünnen Linien; darin fünf große, in der Mitte 
gespaltene sog. Eichenblätter. In den Zwickeln blaue, rautenartige Tupfen. 
Auf der schmalen Schulter Fries aus schrägliegenden Ss^Haken; darüber blaue 
Punkte. 

FLORENZ, 2. VIERTEL 15. JAHRHUNDERT. Durchmesser 19 cm, 
Höhe 23 cm. 
Tafel III. 



14 



18 GROSSER ALBARELLO. 

Bemalt in Blau und blassem, grünlichem Gelb. Der Körper in drei Zonen 
zerlegt. Darin dünne, durch dunkelblaue Tupfen verstärkte Wellenranken mit 
stilisierten Blumen: in der Mittelzone bestehen sie aus sechs um einen Mittel:^ 
kreis geordneten Kreisen, die mit dem gelblichen Grün gefüllt sind. In der 
oberen und unteren Zone wechseln solche Blumen ab mit achtstrahligen Sterne 
blumen, bei denen jeder Strahl in eine blaue Kugel ausläuft, während die Kreise 
mitte wieder gelblich ausgemalt ist. In den Zwickeln kleine Spiralranken, z. T. 
gelblich getupft. Auf der Schulter Streifenornament wechselnd mit großen 
Spiralen. Der Hals zeigt dieselbe Bemalung wie die Mittelzone. 
Farbig abgebildet bei Bode, Tafel XX. 

FLORENZ, UM 1450—60. Höhe 33 cm. 
Tafel VIII. 

19 ALBARELLO. 

Bemalt mit kräftigem Blau. Vorn in breiter, weiß ausgesparter Konturfläche ein 
storchartiger Vogel, hinten ebenso der gotische Buchstabe a; dazwischen 
dünne, durch dunkelblaue Tupfen verstärkte, rundgelegte Ranken, in denen ein 
dreiteiliges Blatt. Der Grund gefüllt mit ähnlichen Blättern und Punkten. Auf 
der Schulter verschiedenartige Blätter und Punkte; am Hals Rundbogenfries 
mit hängendem Dreiblatt. — Zarter Sprung. 

Abgebildet bei Bode, S. 22, oben links. 

FLORENZ, UM 1450-1475. Höhe 23 cm. 
Tafel V. 

20 ALBARELLO. 

Bemalt in Blau, Mangan und Türkisgrün. Zwei rechteckige Felder, in denen 
einerseits Kopf und Hals eines reiherartigen Vogels, anderseits ein ähnlicher 
Vogel, der ein Schild mit Emblem einer geistlichen Bruderschaft im Schnabel 
hält. Die Ecken mit Spiralranken gefüllt. Zwischen den Feldern Gitterstreifen. 
Darunter Wellenranken mit manganfarbenen Sternblüten. Auf der Schulter 
Zickzackborte, in den Zwickeln kleine Ranken. Am Hals Striche und Zick^: 
zackborte. 

Farbig abgebildet bei Bode, Tafel XXI. 

FLORENZ, UM 1450. Höhe 21 cm. 
Tafel V. 

21 ALBARELLO. 

Breit und niedrig. Bemalt in Blau, Türkisgrün, Mangan und Gelb. Auf beiden 
Schauseiten ein gelbgrün gerahmtes Ovalfeld, darin Profilbrustbild eines 
jungen Mannes mit Mütze. Der Grund mit Manganpunkten gefüllt. An den 
Seiten wachsende geschwungene Ranke mit kleinen blauen Blättern sowie 



15- 



\ 



mangan und gelb gefüllten Blüten. Manganfarbene Füllstriche. Auf der 
Schulter blaues, mangangestricheltes Gittermuster mit Mangantupfen. Am 
Hals Borte blauer Schrägstriche. 
Farbig abgebildet bei Bode, Tafel XXXIII. 

FLORENZ, UM 1460. Höhe 17,3 cm. 
Tafel V. 



22 ALBARELLO. 

Bemalt in Blau und Ockergelb. Auf dem Körper kleingliedriges Muster in Nach:= 
ahmung spanisch^maurischer Majoliken: gestrichelte Ovalblätter, dazwischen 
kräftige Blütengebilde in Form heraldischer Lilien und liegende Rollschnörkel. 
Unregelmäßig verstreute gelbe Tupfen. Auf Hals, Schulter und Ablauf blaue 
und gelbe Parallelstreifen. — Sprung. 

Abgebildet bei Bode, Seite 26, oben links. 

FLORENZ, UM 1475—1500. Höhe 20 cm. 
Tafel VI. 



23 ALBARELLO. 

Gegenstück zur vorigen Nummer. 

Abgebildet bei Bode, Seite 26, oben rechts. 

FLORENZ, UM 1475—1500. Höhe 20,5 cm. - 

24 DOPPELHENKELVASE. 

Bauchige Form, die grünglasierten Henkel sehr breit. Bemalt in Blau und 
Ockergelb. Auf beiden Schauseiten kleingliedriges Muster, in Nachahmung 
spanisch^maurischer Majoliken: gestrichelte Ovalblätter, dazwischen Blüten» 
gebilde in Form heraldischer Lilien und liegende Rollschnörkel. Unregelmäßig 
verstreute gelbe Punkte. An Schulter und Ablauf ^^ blaue und gelbe 
Parallelstreifen. Unter einem Henkel eine Marke: ^| — Hals ergänzt. 

FLORENZ, UM 1475—1500. Höhe 25 cm. Breite 22 cm. <J3 
Tafel VL 



25 ALBARELLO. 

Bemalt in kräftigem Blau, Mangan, Gelb und Ocker. Vorn Ovalfeld; darin 
hängender Schild mit Wappen: quergeteilt, oben zwei ockerfarbene Sterne, 
unten blaue parallele Zickzacklinien. Die übrige Fläche durch senkrechte Striche 
aufgeteilt, von denen kräftige blaue Blätter und Blüten in Form heraldischer 
Lilien nach beiden Seiten abzweigen. Dazwischen manganfarbene, gefiederte 
Blattformen. Unregelmäßig verstreute gelbe Punkte. Auf Schulter und Ab^ 
lauf eine blaue Strichborte. Gelbe Reifen. — Am Hals leichte Beschädigungen. 

Im Stil der Arbeiten von FLORENZ, UM 1475—1500. Höhe 20,5 cm. 



lö 



26 APOTHEKENKANNE. 

Mit breitem Henkel und Röhrenausguß, der durch einen Wulstring am Hals be^» 
festigt ist. Bemalt in Blau, Mangan, Gelb und Grün. Unter dem Ausguß ein 
grünblau und gelb umrandetes Ovalfeld, darin Wappenschild mit steigendem 
Wolf in geteiltem, oben weißem, unten manganfarbenem Feld. Die beiden 
Seitenwandungen bedeckt von kleingliedrigem Muster: gestrichelte, mangan^^ 
farbene Ovalblätter, blaue Schnörkel und Blüten in Form heraldischer Lilien. 
Unregelmäßig verstreute gelbe Tupfen. Die Felder umrandet von gelben Bän> 
dern, ebenso der Hals, der blaue dreiteilige Blätter und Dreipunkte aufweist. 
Der Ausguß blau, der Wulstring gelb. Über den Henkel I ^ ziehen sich drei 
hellgrüne Streifen herab. Unter dem Henkel blaue Marke: 
Abgebildet bei Bode, S. 26, Mitte. 
FLORENZ, UM 1475—1500. Höhe 24,5 cm. 
Tafel VL 




27 ALBARELLO. 

Von gedrungener Form, bemalt in Blau, Mangan, Türkisgrün und schmutzigem 
Gelb. Vorn Wappenschild, umgeben von mehrfach geknotetem Band. Die 
Rückseite durch senkrechte Aststäbe in Felder zerlegt, darin je drei herzförmige 
Blätter, nach rechts gewendet. Das mittlere Blatt manganfarben, die anderen 
blau, mit ausgekratzter Innenzeichnung. Füllung durch kleine blaue Ranken. 
Auf der Schulter blauer Fries von stehenden und liegenden Spitzblättern; am 
Hals schräge Strichborte. 

Abgebildet bei Bode, S. 27, oben. 

Das Wappen nach Wallis (The Albarello, 1904 Fig. 6) das der Mezzovillani von 
Bologna. 

FLORENZ, UM 1475. Höhe 18,5 cm. 



28 ALBARELLO. 

Gegenstück zum vorigen. 
FLORENZ, UM 1475. Höhe 18,5 cm. 
Tafel VL 



29 APOTHEKENTOPF. 

Zylindrisch mit eingezogenem Hals und Fuß. Bemalt in Blau und Mangan. 
Ringsum Wellenranke mit blau gestrichelten Blüten und großen, windenartigen 
Manganblüten. Auf der Schulter manganfarbener Zickzackfries. 

FLORENZ, UM 1450—75. Höhe 13 cm. 

Tafel VL 



17 



30 ALBARELLO. 

Bemalt in Blau, Mangan und Hellgrün. Der Körper in drei wagerechte Zonen 
geteilt. In der oberen Zone in Blau eine Wellenranke mit großen efeuartigen 
Blättern, deren Innenzeichnung ausgekratzt ist. In der zweiten Zone wachsende 
Stauden mit seitlich abgestellten Ovalblättern; über und unter diesen mangan^^ 
farbene Zickzacklinien. In der unteren Zone, ebenso wie auf der Schulter, blaue 
Wellenranke mit manganfarbenen Strichblättern. Am Hals manganfarbener 
Eierstabfries. Unter dem Boden eingeritzt die Zahl 306. 

FLORENZ, UM 1475. Höhe 25,5 cm. 
Tafel VII. 



31 ALBARELLO. 

Bemalt in Blau, Mangan und Türkisblau. Auf dem Körper vier Felder; darin 
aufrechter Stab, von dem nach rechts und links je zwei Blätter abzweigen (in 
zwei Feldern blau, in den anderen manganfarben). Manganf arbene Ranken und 
kleine blaue Füllornamente. Daneben und darüber manganfarbene Strichborte. 
Am Hals blaue Strichborte. 

FLORENZ, UM 1475. Höhe 25 cm. 
Tafel VII. 



32 ALBARELLO. 

Bemalt in Blau, Mangan und Türkisgrün. Die Fläche zerlegt durch blaugrüne 
senkrechte Streifen in acht schmale Felder. Darin je drei breite, gewellte Blätter 
nach rechts liegend; das mittlere manganfarben, die anderen blau. Dazwischen 
kleine Strichranken. Auf der Schulter kleiner blauer Wellenrankenfries; am 
Hals Gitterborte. 

Farbig abgebildet bei Bode, Tafel XXV. 

FLORENZ, 1460—70. Höhe 23,5 cm. 

Tafel VII. 



33 HOHER ALBARELLO. 

Blau bemalt. Der ganze Körper mit Hals durch weiße Bänder in sechs verschie? 
den breite Zonen zerlegt. Darin verschiedenes Blauornament: Gittermuster, 
Spirallinien und Striche, Zickzackmuster, gestrichelte Dreiecksfelder, Kreise 
mit Blattfüllung usw. 

FLORENZ, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 29,5 cm. 
Tafel VIII. 



18 



34 ALBARELLO. 

Bemalt in Blau, Gelb und Türkisblau. Auf beiden Schauseiten in dreifarbig ge^ 
rahmtem Medaillon das Monogramm Christi in Strahlenglorie. Im übrigen mit 
verschiedenartigen blauen Strichborten dekoriert; kleine Ranken in den 
Zwickeln des Medaillons. — Kleine Beschädigungen. 

Aus der Apotheke eines geistlichen Stiftes; zuletzt in einer Apotheke in San 
Romano (vgl. Bode, S. 32). 

FLORENZ, ENDE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 24,5 cm. 
Tafel VIII. 

35 KANNE. 

Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Bemalt in Blau, Mangan, Gelb 
und Türkisgrün. Auf der Vorderseite, in mangan und gelb umrandetem Feld 
ein von zwei schwebenden Engeln gehaltener Kranz. Darin ein Wappenschild 
(zweimal geteilt; rechts und links purpurfarben, in der Mitte siebenmal zwei 
weiße Krüge (?) nebeneinander in Blau). Als Füllornament neben dem Wappen 
Punktsterne und Tupfen. Der Raum rings um die Engel gefüllt durch Ranken 
mit kleinen blauen Blättern und rosettenartigen Blüten mit gelber Mitte. Ver^ 
streute gelbe Tupfen. Seitlich neben den Henkeln und am Hals Friese von 
ähnlichen dünnen Ranken. — Stark restauriert. 
Abgebildet bei Bode, Tafel XXXV, rechts oben. 
FLORENZ, UM 1460—70. Höhe 24,5 cm. 
Tafel IX. 

36 KANNE. 

Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Bemalt in blasigem Blau, Mangan, 
Gelb und Hellgrün. Auf der Schauseite ein Rundfeld, darin ein in hohem Gras 
laufender Hund, der Grund gefüllt durch gelbe Zweige mit blauen Blättern und 
blaugrünen Blüten. Seitlich, neben dem Henkel, je zwei senkrechte Schmal 
felder, in denen ein dünner aufsteigender Blattzweig und ein krauses Zickzack^ 
Ornament. Am Hals ringsum liegende Wellenranke mit manganfarbenen Blumen 
und Streublättern. Auf dem Henkel blaues Fischgrätenornament; darunter 
Marke aus zwei Buchstaben, anscheinend t und a. — Am Hals stark ergänzt. 
FLORENZ, UM 1460. Höhe 25,2 cm. 
Tafel IX. 

37 KANNE. 

Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Bemalt in Blau, Gelb und Türkis^ 
grün. Auf der Vorderseite in gelb gebundenem blauem Blattkranz ein Wappen 
(blauweiß, schräg geteilt). Seitlich wachsende Ranken mit blauen Blättern und 
blaugelben Blüten. Neben dem Henkel schmale senkrechte Felder mit dünnem 
Blattzweig, ähnlich der Henkel und der Hals dekoriert. Unter dem Henkel 
ansatz blaue Marke: achtstrahliger Stern. — Repariert. 
FLORENZ, UM 1460—70. Höhe 17,5 cm. 
Tafel IX. 



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38 DOPPELHENKELIGER TOPF. 

Von Albarelloform. Bemalt in tiefem, saftigem Blau, Mangan und Blaugrün. 
Auf beiden Schauseiten Rechteckfelder mit wachsender Staude breitlappiger 
Blätter in den drei obengenannten Farben. Daneben senkrechte Zonen mit 
Punktornament. Auf der Schulter schrägliegende blaue Blätter und Punkt, auf 
dem Fuß schräge blaue Streifen. Die Henkel mit blauen Querstrichen. — An 
vielen Stellen ist die Glasur abgeplatzt. 

FLORENZ, UM 1450. Höhe 14,7 cm. 

39 KANNE. 

Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Bemalt in Blau, Gelb und Grün. 
Vorn gelbes Medaillon, darin eine Staude von breiten blauen und grünen 
Blättern. Rechts und links geschwungene Ranken mit dünngefiederten Fah 
mettenblättern in Blau, daneben leere senkrechte Streifen um ein schmales Feld 
mit blauem konturiertem Zackenblatt. Unter dem Hals ein Kettenfries. — 
Stark repariert. 

FLORENZ, UM 1450. Höhe 18,5 cm. 
Tafel VI. 

40 ALBARELLO. 

Leicht bauchige Form; blau bemalt. Vorn Brustbild eines jungen Mannes mit 
krausem Haar; daneben Blumenstaude und Spiralranken. Rechts und links 
schmale Längsstreifen, darin verschiedene Borten; auf der Rückseite zwei 
* breitere Streifen, in denen zwei übereinanderstehende Kreise mit hängenden 
Fiederblättern und Spiralranken in den Zwickeln. Auf dem Hals Fries aus 
S^jförmigen Haken. 

Im Stil der Arbeiten von FLORENZ, UM 1450—75. Höhe 20,5 cm. 

41 KLEINER ALBARELLO. 

Blau bemalt auf grünHchweißer Glasur. Große durch Tupfen verstärkte 
Wellenranke, darin viermal ein abwechselnd aufsteigendes und hängendes 
palmettenartiges Blatt. Daneben ein liegendes kleineres Blatt. In den Zwickeln 
Spiralranken. Auf dem Hals Wellenranke mit kleinen Fiederblättern. 
Im Stil der Arbeiten von FLORENZ, UM 1450—1475. Höhe 17 cm. 

42 KANNE. 

Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Blau bemalt auf ursprünglich 
heller, fast schwarz gewordener Glasur. Vorn ovaler Wappenschild, geteilt, 
oben weiß, unten schwarzblau. Ringsum Strichborte und kräftiges, hängendes 
Blattornament. Rechts und links neben dem Henkel ein senkrechter Streifen 
mit steigender Wellenranke; darin zackige Blätter und Punkte; ringsum Spiral^ 
ranken. Am Hals Zickzackranke. 
Im Stil der frühen Arbeiten von FLORENZ. Höhe 19 cm. 



20 



43 DOPPELHENKELVASE. 

Bauchig, mit sog. Granatapfelmuster in Blau, Hellgrün und Ockergelb. Auf den 
beiden Schauseiten je zwei aufsteigende gewellte Zweige, von denen nach beiden 
Seiten große Blumen aus acht blauen Spitzblättern mit weißem Ansatz; außen da* 
zwischen gelbe Viertelbögen. Dazwischen lanzettförmige Blätter, grüngelb. Der 
Grund gefüllt mit dünnen blauen Spiralranken und Punkten. Am Hals doppeltes 
blaues Zickzackband mit gelben Ecken. Auf den grünglasierten Hen^ 
kein ockerfarbene Längsstreifen. Unter den Henkeln die blaue Marke: 
— Reparaturen. 

Abgebildet bei Bode, Tafel XXVII, oben rechts. (Stammt aus einer Apotheke 
in Lucca; vgl. Bode, S. 27, unten.) 

FLORENZ, UM 1450—1475. Höhe 28 cm. 
Tafel X. 




44 KLEINER ALBARELLO. 

Mit sog. Granatapfelmuster in Blau und Ocker. Auf der Wandung drei Granat:* 
apfelblüten aus acht Blättern; dazwischen kleine symmetrische Ranken, teils 
wachsend, teils von oberer Halbblüte ausgehend. Darin gelbe Punkte. Oben 
und unten breites ockergelbes Band. 

FLORENZ, UM 1500. Höhe 11 cm. 
Tafel X. 



45 KLEINER ALBARELLO. 

Mit Pfauenfederdekor in Blau, Mangan, Grün und Gelb. Der Körper mit 
Schulter durch blaue Schleifenbänder in Rankenfelder geteilt; darin oben und 
unten Pfauenfedermuster in Mangan, Grün und Ockergelb; in der Mitte 
wachsende blaue Blume. 

FLORENZ, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 13,5 cm. 
Tafel X. 



46 ALBARELLO. 

Mit Pfauenfederdekor. In der Mitte ockergelb gerahmtes, hinten breit auf^ 

gerolltes Schriftband mit blauer, pharmazeutischer Inschrift: Medritato. Oben 

und unten je eine Zone mit liegender blauer Wellenranke, deren Blüten als 

Pfauenfedern (mangan, grün, ockergelb) gebildet sind. Auf Schulter und Ab^ 

lauf blaue und ockergelbe Kreisbänder. 

FLORENZ, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 21,5 cm. 

Tafel X. 



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47 ALBARELLO. 

Mit Pfauenfederdekor. In der Mitte Schriftband mit blauer, pharmazeutischer 
Inschrift: * Di • Penidion *; oben und unten je eine Zone mit liegender blauer 
Wellenranke, deren Blüten als Pfauenfedern (mangan, grün, ockergelb) ge^ 
bildet sind. Auf Schulter und Ablauf verschiedenfarbige Kreisbänder und 
Punktborte. — Kleiner Sprung. 

FLORENZ, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 22 cm. 
Tafel X. 



48 BAUCHIGE VASE. 

Mit zwei geflochtenen Henkeln. Bemalt in Blau, Mangan, Grün, Gelb und Ocker:« 
braun. Auf beiden Schauseiten grünbrauner Blattkranz, oben und unten gelbe 
Scheibe. Darin einerseits Wappenschild mit Apothekenmarke: b mit Haken; 
anderseits Wappen: gelber Schrägbalken; auf blauem Grund zwei schreitende 
Löwen. Ringsum breitlappiges Blattwerk in Blau, Mangan, Grün und Gelb. Am 
Hals blaue Hakenborte. Die Henkel grün bemalt. Darunter zweimal die Marke : ^^ 
in Mangan. — Ein Henkel ergänzt. ■ " 

FLORENZ, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 20 cm. 
Tafel X. 




49 KLEINE KANNE. 

Mit — abgebrochenem — Flachhenkel und gekniffenem Ausguß. Bemalt in 
Blau und Ockergelb. Vorn Wappen einer geistlichen Bruderschaft (Kreis mit 
durchstrichenem P, darüber Stern) in blaugelbem Medaillon; seitlich und oben 
Strichornamente. — Stark repariert. 

FLORENZ, MITTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 13 cm. 



50 KLEINER TELLER. 

Mit breitem Flachrand und vertiefter Mitte. Farbig bemalt. Im Spiegel Wappen 
mit steigendem Löwen. Auf der Wandung blaugelbe Weinblattborte in Nach^ 
ahmung spanisch^maurischen Dekors; auf dem Rand ein Kranz großer blauer 
Blüten mit grüngelben Spitzen und manganfarbenen Kelchblättern, in ranken^ 
gefüllten Ovalen. An den Schnittpunkten dieser Ovale grüngelbe Kelchmotive. 
Auf der Rückseite blaugelber Weinblattfries W / zwischen konzentrischen 
blaugelben Ringen. In der Mitte blaue Marke: 

Abgebildet bei Bode, Tafel XXVIII, links. 

FLORENZ oder SIENA, 3. VIERTEL 15. JAHRHUNDERT. 
Durchmesser 19 cm. 

Tafel XII. 




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51 KLEINER DOPPELHENKELNAPF. 

Halbkugelige Form; bemalt in Blau, Gelb und Hellgrün. Im Spiegel mehrfarbige 
Blüte mit gelbem Stempel und kräftigen, mehrfarbigen Blättern. Auf der 
Wandung ein gelber Fries mit Dreiecksmustern und ein Fries mit verschlun^ 
genen grünen Wellenbändern zwischen blauen Schmalborten. Die Außen^ 
Wandung mit blauen Sternen, Punktkreisen und gelben Tupfen gleichmäßig 
dekoriert. — Mehrfach repariert. 

Abgebildet bei Bode, Tafel XXVIII, oben. 

FLORENZ, UM 1460—80. Höhe 6,8 cm, Breite 15,5 cm. 
Tafel XII. 



52 KLEINE KANNE. 

Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Blau bemalt. In einem Kranz von 
Blättern und durchstrichenen Rauten hängendes Wappen: auf dunkelblauem 
Mittelbalken ein aus der Farbe ausgekratztes klösterliches Signet: 
Bischofsstab, daran ein S. Unter dem Henkelansatz blaue Marke. 

FLORENZ, ENDE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 15 cm. 
Tafel XII. 




53 BAUCHIGE KANNE. 

Mit breitem Flachhenkel und gekniffenem Ausguß. Auf gelblichgrauer Glasur 
blau gemalt vorn ein radial gestricheltes Kreismedaillon, darin Wappen (oben 
ockerfarbenes Kreuz, unten blauweiße Wellenfigur). — Am Rand Reparatur. 

FAENZA, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 17,8 cm. 
Tafel I. 



54 BAUCHIGE KANNE. 

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Ahnlich, aber kleiner, als die vorige. Der Dekor fast gleich; nur in der unteren 
Hälfte des Wappens drei blaue Schrägbalken. — Kleine Randbeschädigung. 
FAENZA, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 14,5 cm. 



55 KLEINER TELLER. 

Mit Flachrand und vertiefter Mitte. Blau bemalt. Im Spiegel runde Blume und 
Blattranken. Auf dem Rand ebenfalls kleine Blattranken, von breitem blauem 
Band aufwachsend. 
TOSKANA, ANFANG 16. JAHRHUNDERT. Durchmesser 15,8 cm. 

Höhe 4 cm. 
Tafel XII. 



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56 ALBARELLO. 

Auf grauer, krackelierter Glasur bemalt in Blau, Ocker, Gelb und Grün. Auf 
dem Körper breiter ockerbrauner Fries mit stehenden und hängenden Palmetten, 
die durch gelbes Band verbunden sind. Darüber schmale Zone mit blauer 
pharmazeutischer Inschrift: LaPidö. Auf der Schulter liegende Ranke mit 
grünen Blättern und gelbbraunen Früchten. An Hals und Ablauf verschiedene 
schmale Borten. — Sprung. 

SIENA, UM 1500. Höhe 19 cm. 
Tafel XII. 



57 GROSSE KANNE. 

Mit breitem Flachhenkel und gekniffenem Ausguß. Bemalt in Blau, Grün, Gelb 
und Ocker. Vorn Wappenschild der Familie Cassagnolo. Ringsum dünne, 
rundgelegte Zweige mit grünen Blättern und großen und kleinen Äpfeln. Oben 
und unten blaugelber Streifen. Der Henkel blaugelb gerandet; mittenauf die 
Jahreszahl 1523. — Am unteren Rand kleine Reparatur. 

FLORENZ, 1523. Höhe 34 cm. 
Tafel XI. 

58 KLEINER TELLER. 

Mit vertiefter Mitte und breitem Flachrand. Blau gemalt auf kleisterblauer 
Glasur. Im Spiegel und auf dem Rand zierliche Ranken „alla porcellana". Auf 
der Rückseite leicht skizzierte blaue Ranken. 

VENEDIG, UM 1540. Durchmesser 19,5 cm, Höhe 3,5 cm. 
Tafel XII. 



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n. 

ORIENTALISCHE KNÜPFTEPPICHE 

VERZEICHNET VON ERNST KÜHNEL 



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59 WOLLENER KNÜPFTEPPICH. 

Weißer Grund mit stilisiertem Rautenblatt (sogen. „Vogelmuster") in vertikaler 
und horizontaler Reihung, Ockergelb mit Olivgrün. Dazwischen Rosettblüten 
und Blattwerk in Rot, Ocker, Gelb, Blau. Borte ebenfalls weiß mit stilisiertem 
Pflanzenornament in Form reziproker Dreiecke, grün, ockergelb, rot und hell^ 
blau. Schmaler, weißer Außenrand mit Blattwelle. 

Gehört zu einer den sogen. Uschakteppichen nahestehenden Gattung. (Vgl. 
Bode^Kühnel, Vorderasiat. Knüpfteppiche, 3. Aufl., Abb. 78.) 

KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge 3,48 m. Breite 2 m. 
Tafel XIII. 



60 WOLLENER KNÜPFTEPPICH. 

Weißer Grund mit in enger Reihung wiederholtem, heraldischem Motiv mongo? 
lischen Ursprungs: drei kugelförmige Mondsicheln über einem Wolkenstreifen 
(sogen. „Tschintamani:=Muster") in zum Teil wechselnder Färbung (rot, blau, 
blaugrün, hellblau, grüngelb). Die Borte ebenfalls weiß, mit Wolkenband^ 
palmetten und kleinerem Ranken^ und Rosettenwerk, wechselnd rot, blaugrün, 
olivgrün, gelbgrün, ockergelb. Schmale Begleitränder mit Streublumen auf 
weißem Grund. — Die Borte am oberen Schmalende fehlt. 
Gehört zu einer den sogen. Uschakteppichen nahestehenden Gattung. (Vgl. 
Bode^Kühnel, Vorderasiat. Knüpfteppiche, 3. Aufl., Abb. 79.) 

KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge 3,10 m. Breite 1,95 m. 

Tafel XIV. 



61 WOLLENER KNÜPFTEPPICH. 

Ziegelroter Grund mit stilisierten Blütenranken in verschiedenen Tönen. Im 
Grunde ausgespart großer, achteckiger Mittelstern, zwei Rautensterne und 
Teile von weiteren Sternen am Rand, sämtlich dunkelblau mit weißem Kontur 
und vorwiegend gelbem und rotem Füllwerk von stilisierten Arabesken. Blaue 
Borte mit reziproken Wolkenbändern in Rot und Rosa. Der innere Begleitrand 
gelb, der äußere rot, mit Blattwelle. 
Sogen. Sternen^Uschak. 

KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge 3,40 m. Breite 2,04 m. 

Tafel XV. 



62 WOLLENER KNÜPFTEPPICH. 

Ziegelroter Grund mit grünem Rankenwerk. Darin zwei große, achteckige 
Sterne und Randansätze von zwei weiteren neben mittlerem Rautenstern, 
sämtlich dunkelblau mit weißem Kontur und vorwiegend gelber Innenzeichnung 



27 



von Arabeskenranken. Hellblaue Borte mit Swastika^Blüten an einer Blatts^ 
welle, in verschiedenen Tönen. Gelbe Begleitränder, der innere, schmälere, mit 
Wellenband, der äußere mit gestreckter Blattwelle. 
Sogen. Sternen:!Uschak. 

KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge 2,73 m, Breite 1,53 m. 

Tafel XVI. 



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63 WOLLENER KNUPFTEPPICH. 

Ziegelroter Grund mit gelben, geometrisierten Arabeskenranken, die zwei blau 
gefüllte Innenschilder bilden. Schwarze Borte mit dicht geführtem, blauem 
Ornament von zwei Reihen durch Rosettembleme verbundener stilisierter 
Lilien. Roter Außenrand mit strengem, buntem Blattwerk. 
Gehört zu einer den sogen. Uschakteppichen nahestehenden Gattung. (Vgl. 
Bode^Kühnel, Vorderasiat. Knüpfteppiche, 3. Aufl., Abb. 80.) 

KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge 1,80 m. Breite 1,12 m. 

Tafel XVI. 



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64 WOLLENER KNÜPFTEPPICH. 

Gebetsteppich mit zweiseitiger Nischenandeutung. 
Rotes Feld mit dunkelblauem, sechseckigem Innenmedaillon, das mit Arabesken 
in roter und hellblauer Zeichnung gefüllt ist. Die Nischenzwickel sind mit 
lockeren, dunkelgrünen Blattranken besetzt; zwischen ihnen auf der einen Seite 
eine kleine Ampel. Die dunkelblaue Borte zeigt in dichter Führung schmale, 
stark stilisierte Palmettblüten zwischen rahmenden Arabesken, vorwiegend Rot 
mit Grün, Hellblau und etwas Gelb. Der innere Begleitrand schwarz, der 
äußere rot, mit langgezogenen Blattranken. 
Sogen. Uschak^Gebetsteppich. 

KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge 1,56 m, Breite 1,15 m. 

Tafel XVII. 

65 a und b ZWEI FRAGMENTE EINES WOLLENEN KNUPFTEPPICHS. 

Ziegelroter Grund mit dichtem, in zwei verschiedenen Kreuzformen zusammen? 

gestelltem, stilisiertem Arabeskenwerk in gelber Zeichnung mit Blau. Blau* 

grüne Borte mit zackigen, roten Rosettmedaillons, die mit Blüten in verschie? 

denen Tönen gefüllt sind. Innerer Begleitrand mit Blattwelle. 

Bei beiden Fragmenten sind an einer Schmalseite zugehörige Bortenstücke an^ 

gesetzt. 

Der Teppich gehört zu einer der sogen. Uschakgattung nahestehenden Gruppe. 

Das eine Fragment ist abgenützt. 

KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge je 1,50 m. Breite je 1 m. 



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66 WOLLENER KNUPFTEPPICH. 

Gebetsteppich mit zweiseitig orientierter Nische. 
Hellrotes Nischenfeld mit bunter Füllung von Blumenranken, Palmettblüten 
und zwei vegetabilisch umstilisierten Kugelampeln. Gelbe Nischenzwickel mit 
Streuwerk. Blaue Borte, darin längliche, zackige Kartuschen, wechselnd weiß 
und rot mit verschieden getönter Zeichnung von zwei palmettartig ge^ 
schlossenen Arabesken über dünnen Blumenranken. Beide Begleitränder mit 
reziprokem Lilienmuster in Rot und Schwarz. 
Sogen. „Siebenbürger" Teppich. 

KLEINASIEN, ENDE 17. JAHRHUNDERT. Länge 1,70 m. Breite 1,25 m. 
Tafel XVII. 



67 WOLLENER KNUPFTEPPICH. 

Auf ziegelrotem Grund Horizontalreihen von je drei gleichartigen, großen 
Palmettblüten in verschieden blauer Abtönung mit Detaillierung in anderen 
Farben, je zwei Reihen einander zugekehrt. Dazwischen blau grundierte Rosette? 
rauten mit rahmenden Blütenzweigen, sowie kleineres Ornamentwerk. Dunkel* 
blaue Borte mit Palmettblumen zwischen eng geführten Blütenzweigen, vor:' 
wiegend in Hellblau und Rot. Begleitränder mit gewellten Blütenranken, der 
innere blau, der äußere rot. 
Sogen. Smyrna^Uschak. 

KLEINASIEN, 18. JAHRHUNDERT. Länge 5,83 m. Breite 3,76 m. 
Tafel XVIII. 



68 WOLLENER KNUPFTEPPICH. 

Auf weinrotem Grund zwei große Rauten, weiß gezeichnet und. farbig ge> 
gliedert, mit rechteckigem, rotem Innenfeld, das wiederum ein achteckiges 
Medaillon enthält. Die Rauten werden durch Eckzwickel — dunkelblau oder 
blaugrün mit getreppter Innenkante — rechteckig gerahmt. Borte schwarz 
(dieses meist ausgefallen), mit streng geometrisiertem, zu reziproken Dreiecken 
zusammengestelltem Blattmotiv. Der innere Begleitrand rot, der äußere gelb, 
mit Blattwelle. 

Gehört zu einer Abart der sogen. Holbein^^Teppiche. (Vgl. Bode::Kühnel, 
Vorderasiat. Knüpfteppiche, 3. Aufl., Abb. 85.) 

KLEINASIEN, 17. JAHRHUNDERT. Länge 1,72 m, Breite 1,30 m. 

Tafel XIX. . 



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69 WOLLENER KNÜPFTEPPICH. 

Auf kirschrotem Grunde ein großes mittleres Achteck, darüber und darunter je 
zwei kleinere, blau und grün mit innerem Stern. Rahmende Eckzwickel in Form 
stilisierter Ranken. Die Borte braunschwarz (meist ausgefallen) mit stilisierten 
Blattstauden in verschiedenen Farben an weißer Wellenranke. Innerer Begleite 
rand mit Flechtband zwischen blauen Säumen. 
Gehört zu einer älteren Gattung der sogen. Bergamo^^Teppiche. 

KLEINASIEN, 17. JAHRHUNDERT. Länge 1,45 m. Breite 0,98 m. 

Tafel XIX. 



70 WOLLENER KNÜPFTEPPICH. 

Roter Grund mit bunten vegetabilen Motiven in der Art der persischen Vasen» 
und Isfahanmuster: Rosettblüten, Palmettblumen, Zackenblätter usw. in sym? 
metrischer Anordnung, durch ein feines, gelbes Rankengitter verbunden. 
Blaue Borte mit Palmettblüten zwischen Blumenzweigen in bunter Skala, vor^ 
wiegend rot, weiß und gelb, in der Art der Uschakteppiche des 17. Jahrhunderts. 
Begleitrand innen hellblau, außen rot, mit Blattwelle. 
Gehört vermutlich zur Gruppe der sogen. Melas^Teppiche. 

KLEINASIEN, UM 1700. Länge 2,20 m, Breite 1,26 m. 

Tafel XX. 



71 WOLLENER KNÜPFTEPPICH. 

Gebetsteppich mit ziegelrotem Nischenfeld; seitlich je eine Kanne mit stilisier? 
ter Säule darüber und eine dritte Kanne von der Mitte herunterhängend, statt 
einer Ampel. Die Wölbungszwickel ockergelb mit dünnem, vorwiegend 
schwarzem Rankenwerk; im Friesstreifen darüber Palmettmotive. Blaue Borte 
mit stilisierter Blütenwelle. Die Begleitränder weiß mit Streumuster, beide mit 
rahmenden Säumen. 
Sogen. Györdes^Teppich. 

KLEINASIEN, ENDE 18. JAHRHUNDERT. Länge 1,78 m. Breite 1,25 m. 

Tafel XXL 

72 WOLLENER KNÜPFTEPPICH. 

Weißer Grund mit Gitterwerk von Sechsecken in blauer und roter Zeichnung. 
In jedem Feld wiederholend, aber in Tönen wechselnd, eine streng stilisierte, 
bunt detaillierte Kelchblume. Ziegelrote Borte mit blauen und grünen Blüten. 
Schmale Begleitränder mit grauschwarzem Flechtband. — Die schwarze 
Wolle meist ausgefallen. 

KAUKASUS, 18. JAHRHUNDERT. Länge 1,50 m, Breite 1,05 m. 

Tafel XXI. 



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73 WOLLENER KNÜPFTEPPICH. 

Roter Grund mit streng stilisierten Palmettblumen, Rosettblüten, zinnenartigem 
Blattmotiv, Zackenblättern und kleinerem Streuwerk in bunter Skala und sym^ 
metrischer Anordnung. Die Borte blau und blaugrün mit Paaren von stark 
geometrisierten Arabeskenblättern — orange und hellblau — zwischen zackig 
umzogenen Rosettblüten in verschiedenen Farbenkombinationen. Der innere 
Begleitrand weiß, der äußere ockergelb, mit gereihten Rautenblüten. 

KAUKASUS, UM 1700. Länge 2,38 m. Breite 1,25 m. 

Tafel XXII. 



74 WOLLENER KNÜPFTEPPICH. 

In ziegelrotem Grunde mit blau gezeichneten, stilisierten Ranken liegen fast in 
ganzer Breite drei große Achteckmedaillons (die beiden seitlichen unvollstän^ 
dig), blau mit innerem rotem Stern und verschiedenfarbigem Füllwerk. Blaue 
Borte mit geometrisierter Blattwelle in Zickzackführung. Der innere Begleite 
rand blau, der äußere rot, mit Hakenkreuzen und rahmenden Säumen. — Sehr 
schadhaft und abgenützt. 
Sogen. Smyrnateppich. 

KLEINASIEN, ANFANG 19. JAHRHUNDERT. Länge 4,27 m, Breite 2,90 m. 



31 






III. 



GEMÄLDE, PLASTIK, METALLARBEITEN 



Nr. 75—93 



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75 BILDNIS DES ARIOST. 

Vor neutralem Hintergrund das Brustbild eines sitzenden Mannes mit 

schwarzem, halblangem Haar und schwarzem, kurzgeschnittenem Bart, den 

Kopf beinahe im reinen Profil nach links. Die Rechte, die einen Handschuh 

hält, ist auf ein links sichtbares Tischchen aufgelegt. Pelzbesetzter Rock, dessen 

Ausschnitt ein weißes gefälteltes Hemd sehen läßt. 

Vergl. W. V. Bode, Die Porträts des Sebastiano del Piombo, Velhagen und 

Klasings Monatshefte, 36. Jg., Sept. 1921, Heft 1, mit Abbildung. 

Von SEBASTIANO DEL PIOMBO, ca. 1485 Venedig, Rom 1547. Leinwand. 

Höhe 77,5 cm. Breite 69,5 cm. 

Tafel XXIII. 

76 VENUSTORSO. 

Marmor. Der Kopf, die Beine und die Arme fehlen. Der Ansatz der Arme 

erhalten. 

RÖMISCH nach HELLENISTISCHEM Vorbild. Höhe 90 cm. 

77 FO.HUND. 

Nach links, die Pranken auf eine durchbrochene Kugel gesetzt, den Kopf nach 

vorne gewandt. Braune Lackpatina. 

JAPAN, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 24 cm. Breite 27 cm. Auf rotem 

Marmorsockel. 

78 SALZFASS. 

Bronze, vergoldet. Eingezogener Fuß, Körper mit Pfeifenornament, zwei kleine 

Volutenhenkel. 

TOSKANA, 15. JAHRHUNDERT. Höhe 6,5 cm, Durchmesser 10 cm. 

Tafel XXIV. 

79 TINTENFASS. 

Bronze. Sechsseitig. Mit den Wappenschildern der Grimani und Bragadi; auf 

den drei ornamentalen Feldern Dekor von Akanthuslaub mit Delphinen. 

Datiert durch die 1539 erfolgte Heirat zwischen einem Grimani und einer 

Bragadi. 

VENEDIG 1539. Höhe 5 cm. 

Tafel XXIV. 

80 EIN PAAR LEUCHTER. 

Messingbronze. Glockenfuß, schlanker eingezogener Schaft. Gravierung: 
Medaillons mit Tieren, stilisierte Tiere und Vögel in Rankenwerk. 
MOSSUL, 15. JAHRHUNDERT. Höhe 12,5 cm. 

Tafel XXIV. 



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81 EIN PAAR LEUCHTER. 

Kupfer. Hoher profilierter Fuß, Balusterschaft. Die Gravierung, mit Silber 
tauschiert, zeigt Blumenranken und Arabesken. 

VENEDIG, 16. JAHRHUNDERT. Höhe 17 cm. 
Tafel XXIV. 

82 EIN PAAR LEUCHTER. 

Messing. Profilierter Glockenfuß, Balusterschaft, profilierte Tülle. 
DINANT, 16. JAHRHUNDERT. Höhe 29 cm. 

83 NIEDERER BRONZEKESSEL. 

Auf drei kantigen Stützen stehend. Die Leibung mit vier Horizontalprofilen, der 
eingezogene Rand mit feinen Vertikalrippen. Traghenkel. 

DEUTSCH, UM 1500. Höhe 25 cm, Durchmesser 39 cm. 

84 KORB. 

Kupfer getrieben. Dekor von stilisierten Blüten und Vogelköpfen. Zwei Friese 
mit Inschrift: DIESES VEREHR ICH MEINER PATEN ANNA SOFIEN 
SCHMIDIN ZUM GEDECHTNIS. JOHANNES : VEIT : BROMHARDT : 
ANNO 1682. 

DEUTSCH, UM 1682. Höhe 20 cm. 

85 TEEKESSEL MIT RECHAUD. 

Kupfer. Profiliert. Der Kessel getrieben, mit Rankenwerk verziert, das Rechaud 
mit durchbrochenen Ranken. 

DEUTSCH, ANFANG 18. JAHRHUNDERT. Höhe 26 cm. 

86 OVALE DECKELTERRINE. 

Zinn, geriefelt und profiliert. Deckel und Fuß eingezogen. Mit Marke. 
DEUTSCH, UM 1700. Höhe 30 cm. Breite 23,5 cm. 

87 STEGKANNE. 

Zinn. Eingezogener Fuß, bauchige Leibung, enger Hals, langer, sechsseitiger 
Röhrenausguß, mit dem Hals durch einen Steg in Form eines Armes verbunden. 
Auf dem Deckel männlicher Kopf. Marke Bär. 

BERN, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 31 cm. 

88 WEINKANNE. 

Zinn. Konische Form auf drei Füßen mit Engelsköpfen. Die Leibung mit ge= 
rauhten Friesen. Am Deckel Adler mit Wappenkartusche. Mit zwei Marken, 
die eine davon trägt die Zahl 13. 
SACHSEN, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 39 cm. 



36 



89 KLEINE DECKELSCHÜSSEL. 

Zinn. Der Deckel mit Verzierung in Relief guß: Friese mit Vögeln und Akanthus» 
laub; die Schüssel mit zwei durchbrochenen Griffen. Mit Engelmarke von Basel. 
BASEL, ANFANG 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 13 cm. 

90 OVALE DECKELTERRINE. 

Zinn. Auf Füßen aus Rocaille. Der geschweifte Körper mit aufgelegten Rocaille» 
Ornamenten, Rocaillehenkeln und Flammenknauf. Mit drei undeutlichen Marken. 

DEUTSCH, UM 1750. Höhe 29 cm, Länge 42 cm. Tiefe 22 cm. 

91 SCHRAUBFLASCHE. 

Zinn. Der Körper in rautenförmige Flächen geteilt, graviert, sogenannter 
„Tremolierstich". In jedem Feld eine Blume, in dem mittelsten ein Kranz mit 
Krone, darin die Buchstaben: G. M. G. H. und die Jahreszahl 1765. 
DEUTSCH, UM 1765. Höhe 33 cm. 



92 TELLERWÄRMER. 

Messing. Auf drei Klauenfüßen stehend, mit Traggriffen. 
Platte mit Sternmuster. Marken W B. 

DEUTSCH, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 23 cm. 



Durchbrochene 



93 LÖFFEL. 

Der Griff Silber, teilvergoldet. Mit Rankenornament und Hausmarke, 
übrigen Teile Buchs. 

DEUTSCH, ANFANG 18. JAHRHUNDERT. Länge 15 cm. 



Die 



37 



IV. 



MÖBEL UND EINRICHTUNGSGEGENSTÄNDE 



Nr. 94—117 



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94 GROSSER KAMIN. 

Aus rotem, gesprenkeltem Marmor. EÄe Wangen an den Seiten mit Klauen« 
fußen und Voluten, darauf Konsole mit der stark vorspringenden Deckplatte. 

BOLOGNA, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 195 cm. Breite 250 cm. Tiefe 65 cm. 
Tafel XXV. 

95 KACHELOFEN. 

Zusammengebaut aus grün glasierten, reliefierten Kacheln mit vertieften 
Kreisen, umgeben von Flammleisten, in den Ecken stilisierte Zweige. Zurück« 
springender Mittelteil, der Oberbau getragen von Klauenfüßen. Gebälk mit 
Akanthusstab. Eiserner Unterbau. 

TIROL, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 130 cm. Breite 115 cm. 
Tafel XXVI. 

96 KLEINE KREDENZ. 

Nußbaumholz. Zweitürig. Zarge mit zwei Schubladen, etwas überstehende 
Deckplatte. Stirnseite mit vier, Schmalseiten mit je zwei erhöhten Feldern. Vier 
Griffe mit vollrund geschnitzten Engelsköpfen. Runde Messingbeschläge. 

BOLOGNA, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 93 cm. Breite 108 cm, Tiefe 110 cm. 
Tafel XXV. 

97 ZWEITÜRIGER HALBSCHRANK. 

Nußbaumholz. Seitlich kannelierte Pilastcrfüllungen. Als Griffe Metallknöpfe 
auf profilierten Holzscheiben. 

ITALIEN, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 140 cm. Breite 148 cm. Tiefe 44 cm. 

98 NIEDERER ARMSTUHL. 

Nußbaumholz. Gestell aus gedrehten Stäben. Auf Sitz und Lehne Lederbezug 
mit zweireihig angeordneten Metallknöpfen. 

ITALIEN, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 99 cm. Breite 57 cm, Tiefe 47 cm. 
Tafel XXVII. 

99 KABINETTSCHRANK. 

Nußbaumholz. Gestell auf vier gedrehten Säulenfüßen; querrechteckiger 
Kasten. Mitteltür mit Nische zwischen zwei Säulen, die einen Giebel tragen. 
Seitlich je fünf Schubladen mit acht Füllungen. Die Rahmungen des Schrankes 
und der Schubladen mit Flammleisten. 

FLORENZ, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 142 cm, Breite 120 cm, Tiefe 45 cm. 

100 EIN PAAR STÜHLE. 

Nußbaumholz. Vier gerade Beine, durch die halbkreisförmige, geschnitzte 
Zarge verbunden, fast halbkreisförmiger Sitz. Rücklehne mit Kartuschen« 
Schnitzerei und heller Holzintarsia, einen Vogel in Rankenwerk darstellend. 

VENEDIG, UM 1725. Höhe 111 cm, Breite 45 cm. Tiefe 42. 
Tafel XXVIL 



41 



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101 SOFA. 

Nußbaumholz. Leicht geschweifte Füße, die Armlehnen mit geschnitzten 
Frauenköpfen, die durchbrochene Rücklehne mit drei Karyatidenpaaren. 

ITALIEN, UM 1780. Höhe 88 cm, Breite 165 cm, Tiefe 56 cm. 

102 EIN PAAR HOHE STÜHLE. 

Gestell Nußbaumholz, das Zwischenbrett mit Kartuschenschnitzerei, die 
Lehne oben abgerundet. Bezug gepreßte Ledertapete: auf der Lehne zwei 
Putten mit Blume und Blüte in Kartusche, auf dem Sitz Blumen. 

PORTUGAL, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 121 cm, Breite 50 cm. Tiefe 40 cm. 
Tafel XXVII. 

103 GROSSER ESSTISCH. 

Nußbaumholz. Gestell mit vier mächtigen Balusterfüßen, durch Steg ver^ 
bunden. Deckplatte zum Ausziehen. 

DEUTSCH, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 81 cm, Breite 203 cm, Tiefe 112 cm. 

104 STUHL. 

Nußbaumholz, mit reicher Schnitzerei. Krallenfüße. Die Zwischenbretter vorn 
und an der Lehne mit grotesken Masken in Akanthuslaub und mit Ohr^^ 
muschelornament versehen. Sitz mit Intarsia. 

NÜRNBERG, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 123 cm, Breite 48 cm, Tiefe 42 cm. 
Tafel XXVII. 

105 GROSSER DOPPELTÜRIGER SCHRANK. 

Ebenholz und Wurzelmaser. Stark profiliert. Kugelfüße. Zu den Seiten Säulen, 

an deren Kapitellen geschnitzte Engelsköpfe; entsprechende Schlagleiste. Die 

Türflügel zeigen erhöhte Felder; in den geschnitzten Füllungen Blumenranken. 

Profiliertes, überstehendes Gesims mit Deckplatte. Friese mit geschnitzten 

Flammleisten. 

NIEDERSACHSEN, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 221 cm, Breite 192 cm. 

Tiefe 72 cm. 

106 GROSSER DOPPELGESCHOSSIGER SCHRANK. 

Nußbaumholz auf Kugelfüßen. Sockel mit drei vorspringenden Konsolen, da^ 
zwischen zwei Schubladen. Unterbau mit zwei Säulen an den Seiten und tnU 
sprechender Schlagleiste. Die Türflächen mit stark profilierten erhöhten 
Feldern. Zarge mit Schublade. Oberbau in gleicher Gliederung wie der Untere 
bau, doch schmäler und niedriger. Stark profiliertes Gebälk mit vorspringender 
Deckplatte. 

NORDDEUTSCH (DANZIG), 17. JAHRHUNDERT. Höhe 250 cm. Breite 
205 cm, Tiefe 84 cm. 



42 



107 EIN PAAR TISCHE. 

Zum Zusammenstellen. Nußbaumfurnier. Jeder Tisch mit dreieckigem Zargen^ 
brett, drei gedrehten Säulenfüßen und halbkreisförmiger Deckplatte. 
DEUTSCH, UM 1700. Höhe 77 cm, Durchmesser 122 cm, Tiefe 73 cm. 

108 HOHER ARMSTUHL. 

Nußbaumholz geschnitzt. Die Füße mit Delphinen, das vordere Zwischenbrett, 
die Zarge, die Pfosten und die innere Umrahmung der Lehne mit Akanthus^ 
laub. Sitz und Rücklehne mit Strohgeflecht. 

NORDDEUTSCH, ANFANG 18. JAHRHUNDERT. Höhe 137 cm. Breite 
65 cm, Tiefe 44 cm. 
Tafel XXVII. 

109 ECKSCHRANK. 

Furnier, ausländisches Holz. Geschweifter, ausgeschnittener Sockel, auf drei 
Füßen, darauf der zweitürige gewölbte Schrank in Form eines Viertelkreises. 

NORDDEUTSCH, UM 1750. Höhe 160 cm. Breite 80 cm. Tiefe 40 cm. 
Tafel XXVI. 

110 DAMENSCHREIBTISCH „BONHEUR DU JOUR". 

Furnier, ausländisches Holz. Rautenmuster. Geschweifte Beine, in der Mitte 
des Kastens zwei größere Schubladen und ein herausziehbarer Spiegel, seitlich 
zwei kleinere geschweifte Schubladen. Auf der Rückseite ebenfalls eine Schubs 
lade. Die dreiteilige Deckplatte mit zwei Fächern und Lesepult. Der ganze 
Oberteil zum Abheben. Die Platte des Unterteils geschweift mit farbiger 
Lackmalerei: Fruchtstilleben in Rocailleumrahmung. 

FRANKREICH (LYON), UM 1750. Höhe 78 cm. Breite 67 cm, Tiefe 38 cm. 
Tafel XXVIII. 

111 KOMMODE. 

Polisanderholz. Die drei Seiten geschweift. Mit drei Schubladen. Goldbronze^ 
beschläge in Form von Blattzweigen und Rocaillen. Graubraune gesprenkelte 
Marmorplatte. 

NORDDEUTSCH, UM 1750. Höhe 83 cm. Breite 123 cm. Tiefe 62. 
Tafel XXIX. 

112 HOHLSPIEGEL. 

Aus Glas, rund gewölbt. In rechteckigem, bemaltem Rahmen mit Relief*' 
auflagen in Stucco: in den vier Ecken männliche Figuren in Zeittracht mit 
Knebelbart und Mühlsteinkragen, auf den vier Mitten weibliche Masken. 

DEUTSCH, UM 1600. Höhe 46 cm, Breite 40,5 cm. 
Tafel XXIV. 



43 



44 



113 WANDSPIEGEL. 

Reich geschnitzter stark profilierter Rahmen aus Ebenholz. Flammleisten und 
Flechtwerk. 

HOLLAND, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 130 cm, Breite 115 cm. 

114 KARTELLUHR AUF KONSOLE. 

Furnier, ausländisches Holz. Hochrechteckige, geschweifte Form mit reichen 
Goldbronzebeschlägen. Auf der Stirnseite Fabeltier in Muschelwerk mit 
Blumen, Rocaillen und Blattwerk. Bekrönung Bäumchen, aus Rocaillen empörst 
wachsend. Rundes reliefiertes Zifferblatt aus Goldbronze mit Emailziffern, bez. 
GILLE L*AINE A PARIS. Konsole nach unten spitz zulaufend, Beschläge: 
Puttenkopf, Muschel^: und Gitterwerk. 

PARIS, UM 1750, von GILLE. Uhr Höhe 95 cm, Sockel Höhe 33 cm, Breite 
45 cm, Tiefe 26 cm. 
Tafel XXIX. 

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115 GROSSER KRONLEUCHTER AUS GLAS. 

In der Mitte Balusterschaft mit herabhängendem Knauf, ringsum eine Reihe mit 
acht Kerzenarmen, darunter eine zweite Reihe mit sechszehn Kerzenarmen, mit 
gegossenen und geschliffenen Behängen. 

VENEDIG, UM 1700. Durchmesser 150 cm. 
Tafel XXX. 

116 AMPEL. 

Zylindrisch, aus Glas mit vergoldeter Metallfassung, an vier gebogenen Stäben 
mit Kugelknöpfen hängend. 

HOLLAND, 18. JAHRHUNDERT. 

117 VIER TEILE EINES VORHANGES. 

Aufsteigendes Granatmuster, die Granatmotive mit Vasenmotiven alternierend. 
Flachstickerei in blauer Wolle auf bastfarbenem Leinengrund. Jeder Teil aus 
mehreren Streifen zusammengesetzt. 

ITALIEN, 17. JAHRHUNDERT. 1. Teil: Länge 382 cm, Breite 158 cm, 2 Teil: 
Länge 160 cm. Breite 156 cm, 3. Teil: Länge 160 cm. Breite 68 cm, 4. Teil: Länge 
158 cm. Breite 155 cm. 



V. 



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FAYENCEN, GLAS 



Nr. 118—152 



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118 GROSSE DOPPELKURBISVASE. 

Mit schlankem, spitzem Hals. Bemalt in Blau auf spiegelnd weiß glasiertem 
Grund. Auf beiden Bauchflächen verstreute Blumenzweige, dazwischen flie^ 
gende Pfauen und andere Vögel. Auf der Schulter der unteren Leibung ein 
breiter Fries: auf blauem Grund sitzende Pfauen zwischen Stauden; daraus aus^? 
gespart drei Medaillons, darin Blumenstaude mit Vogel, blau auf weißem 
Grund. Auf der oberen Schulter schmaler blauer Fries. Am Hals hohe Spitz? 
blätter. Unter dem Boden Blaumarke: G K. 

DELFT, ENDE 17. JAHRHUNDERT. Höhe 58 cm. 
Tafel XXXI. 



119 TEEBÜCHSE. 

Bemalt in den vier Scharffeuerfarben, Blau, Gelb, Grün und Manganviolett. 
Dekor: Chinese und Tempel bzw. Vogel auf blühendem Strauch. 

DELFT, ANFANG 18. JAHRHUNDERT. Höhe 11 cm. 



120 SCHRAUBFLASCHE MIT ZINNDECKEL. 

Fayence. Der eiförmige Körper durch sechs senkrechte Rippen gegliedert. 
Ringsum bemalt in Blau auf weißer Glasur mit wachsenden und hängenden 
chinesierenden Stauden, Vogel und Schmetterlingen. Der Hals in Zinn gefaßt; 
der Schraubdeckel mit beweglichem Griff und drei Zinnranken. 

OBERITALIEN (LIGURIEN), 17. JAHRHUNDERT. Höhe 30 cm. 

121 BIRNKRUG. 

Fayence. Bemalt in Blau, Gelb und Manganviolett mit dem gekrönten, öster^» 
reichischem Doppeladler. Zinndeckel. 

SALZBURG, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 21 cm. 

122 SCHENKKRUG. 

Fayence, türkisblau glasiert. Zinnmontierung. 
SÜDDEUTSCH, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 26 cm. 

123 WALZENKRUG. 

Fayence. Bemalt in Blau, Gelb, Manganviolett und Grün mit Blumenstrauß und 
Streublumen. Manganmarke S. Zinnmontierung. 

SCHWABEN (CRAILSHEIM), 2. HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. Höhe 21 cm. 

124 BIRNKRUG. 

Fayence. Bemalt in Blau, Grün, Ockergelb und Violett mit drei Blumensträußen. 
Blaumarke W. Zinnmontierung graviert 1775. 

SCHWABEN (SCHREZHEIM), 2. HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. 
Höhe 29 cm. 



47 



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125 WALZENKRUG, SOG. „PILASTERKRUG" . 

Fayence. Bemalung in Blau, Gelb, Grün und Violett. Drei blaugrundige Vier^: 
paßfelder mit stilisierter Blume, getrennt durch pilasterförmige Längsstreifen 
mit stilisierten Blumen und Blättern. Zinndeckel. 

DEUTSCH (RHEINSBERG?), 2. HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. Höhe 25 cm. 

126 WALZENKRUG. 

Steinzeug. Grau und blau. Ritzdekor: Kartusche, umgeben von Blumenranken. 
Zinndeckel mit Buchstaben und der Zahl 44. 

WESTERWALD, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 24,5 cm. 

127 GLASFLASCHE. 

Flache Form, auf der einen Seite Kartusche mit stehendem Amor unter 
Baldachin, umgeben von Rankenwerk, auf der anderen Seite Kartusche mit 
Lambrequin mit den Buchstaben M und B unter Krone. 

SCHLESIEN, UM 1725. Höhe 28 cm. 

128 GLASFLASCHE. 

Kugelbauchig mit Enghals. Geschnitten. Dekor: Blumenkörbe mit Lambre? 
quins, umgeben von Vögeln auf Blumenzweigen und Bandwerk. 

SCHLESIEN, UM 1725. Höhe 25 cm. 

129 SECHS LIKÖRGLASER. 

Trichterform auf kleinem Standring. Geschnitten. Bandwerk mit Girlanden 
und Fruchtbüscheln. Fuß in Silbermontierung. 

SCHLESIEN, UM 1725. Höhe 6 cm. 

130 WEINKANNE. 

Glas. Enghalsform mit vergoldeter Silbermontierung. Mit Olivenschliff. Sterne 
rosetten, der herzförmige Deckel aus Bergkristall. Die Montierung mit schmaler 
gezackter Ranke aus Akanthusblättern, als Heber ein Bogenschütze in Um? 
rahmung von Akanthuslaub. — Mit Sprung. 

BÖHMEN, ANFANG 18. JAHRHUNDERT. Höhe 27,5 cm. 

131 ENGHALSKRUG. 

Glas. Der Hals mit Facetten, die Leibung mit Kugel und OUvenschliff. Silber:^ 
montierung mit Marke C S. 

BÖHMEN, 1. HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. Höhe 20 cm. 

132 WEINKANNE. 

Glas. Enghalsform, geschliffen, auf beiden Seiten Stern mit eingesetztem rotem 
Glasmedaillon mit Vergoldung. Vergoldete Silbermontierung. Mit Marken: 
A G D ; die andere Marke undeutlich. 
BÖHMEN, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 29,5 cm. 



VI. 



EUROPÄISCHE PORZELLANE 



Nr. 155—146 



48 



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133 KOPPCHEN MIT UNTERTASSE. 

Bemalt mit Vogel, Blumenstaude und Zaun in Unterglasurblau. Uberdekoriert 
in bunten Emailfarben und Gold mit Früchten und Blumen. Breiter Golds: 
Spitzenrand. Schwertermarke. 

HAUSMALER in der Art von MEYER PRESSNITZ, UM 1750. Auf unter, 
glasurblau bemaltem Meißener Porzellan. Höhe 4,5 cm, Durchmesser 13 cm. 

134 TEEBUCHSE. 

Rechteckig, bemalt in Eisenrot und Gold mit einem Vogel auf Päonienzweig 
und anderen Päonienzweigen, nach ostasiatischem Vorbild. Ohne Marke. 

MEISSEN, UM 1735. Höhe 11 cm. 

135 GEFASS MIT HENKEL. 

Auf drei Klauenfüßen. Bemalt in Emailfarben und Gold mit Päonienzweigen im 
„Aritastir*. Unterglasurblaue Randborte. Schwertermarke mit Kreuz. 

MEISSEN, UM 1735. Höhe 9 cm. 



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136 RUNDE PLATTE. 

Bemalt in Unterglasurblau, Korallenrot, Gelb und zweierlei Grün und Gold mit 

Blütenzweig auf Felsen und Insekten. Randborte Korallenrot mit Gold. 

Schwertermarke. 

MEISSEN, UM 1735. Durchmesser 34 cm. 

137 GROSSE KUMME. 

Mit reliefiertem Flechtwerkrand. Bunt bemalt mit Fruchtstücken und einzelnen 

Früchten. Schwertermarke. 

MEISSEN, UM 1750/55. Durchmesser 26 cm. 

138 ZWEI SAUCIEREN. 

Doppelt gehenkelt. Die eine mit reliefiertem Flechtwerk, die andere mit ähns 
lichem Rand. Beide bemalt mit farbigen Blumenbuketts und Streublumen. Blau» 
marke Schwerter bzw. Schwerter mit Punkt. — Ein Henkel gekittet. 
MEISSEN, UM 1755/65. Länge 23 cm und 24 cm. 

139 VIER TEETASSEN MIT UNTERTASSEN. 

Bemalt in Purpur und Gold mit dem chinesischen Hürdenmuster bzw. chinesic» 

renden Blumen. Schwertermarken. 

MEISSEN, UM 1755/65. Höhe 5 cm und 4 cm, Durchmesser 13— 11,5 cm. 

140 ZWANZIG OBSTMESSER. 

Die Griffe mit farbiger Blumenmalerei. Zwei davon nicht montiert. 
MEISSEN und BERLIN. Länge 19 cm. 



51 



141 GROSSES SPEISESERVICE. 

Bestehend aus 174 Teilen: 

24 Suppenteller, Durchmesser 23 cm, 

58 flache Teller, Durchmesser 24 cm, 

20 Dessertteller, Durchmesser 24 cm, 

11 ovale Platten, Länge 35, 37,5, 42 und 47 cm, 

11 runde Platten, Durchmesser 26, 30, 34 und 38 cm, 

2 runde Dessertplatten, Durchmesser 30 cm, 

3 runde Kompottschüsseln, Durchmesser 23 cm, 

4 dreieckige Schüsseln, Länge 28 cm. Breite 24 cm, 
4 ovale Deckelschüsseln, Länge 26,5 und 21 cm, 

2 Suppenschüsseln, Durchmesser 24 cm, 

1 Punschbowle, Durchmesser 26,5 cm, 

2 Eistöpfe, Höhe 24 cm. 

2 runde Dessertkörbchen, Durchmesser 24 cm, 
2 ovale Dessertkörbchen, Länge 25 cm. 
1 Sauciere, Länge 23 cm, 

1 Löffel dazu, Länge 20 cm, 
4 Salzfässer, Länge 8 cm, 

2 Senftöpfchen, Höhe 12 cm, 

2 Pfeffer? und Salzschalen, Höhe 13 cm, 
18 Messerbänkchen, aus Rocaillen gebildet. 

Bemalt mit Blumenbuketts in Grau, Rosa und Grün. Die Henkel und Griffe der 
Gefäße gebildet aus Astwerk mit Stechpalmen. Der Rand der Geschirre neu? 
glatt, der Dessertteller, ^Platten und ^Körbchen „königsglatt**. Alle Teile mit 
Zeptermarke. 

BERLIN, UM 1775. Die Senftöpfchen und die Pfeffer? und Salzschalen 
19. Jahrhundert. 
Tafel XXXII. 



144 TABAKDOSE. 

Hochrechteckig mit Reliefdekor: Rocaillen und Spaliermuster. Bekrönung 
Blume. Blaumarke Zepter. 

BERLIN, UM 1765/70. Höhe 18,5 cm. 

145 DREI TEETASSEN MIT UNTERTASSEN. 

Gerippt. Bemalt mit chinesischem Hürdenmuster in Purpur und Gold. 
Zeptermarke. 

BERLIN, UM 1770. Höhe 5 cm, Durchmesser 13,5 cm. 

146 HOHE BAUCHIGE VASE. 

Mit Ochsenblutglasur. Marke Zepter. 
BERLIN, 19. JAHRHUNDERT. Höhe 75 cm. 



142 ELF TELLER. 

Mit bunter Blumenmalerei. 

BERLIN, ENDE 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 23 cm. 



143 TEESERVICE. 

Bestehend aus Kanne, Teebüchse und sechs Tassen mit Untertassen. Bunt be? 

malt mit Blumensträußen und Streublumen. Randornament in hellem Purpur. 

Kanne und Büchse mit plastischer Blüte als Knauf. Zeptermarke. 

BERLIN, UM 1765/70. Kanne Höhe 12 cm, Teebüchse Höhe 13 cm, Tasse 

Höhe 4,5 cm, Untertasse Durchmesser 13 cm. 

Tafel XXXII. 



52 



53 



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VII. 



OSTASIATISCHE PORZELLANE 



Nr. 147-180 



1 



147 KLEINER STEILWANDIGER NAPF. 

Weißlicher Scherben, glasiert in Grün, Braun und Weiß. Innen mit weißen 
Flecken auf bandförmig geflossener grüner und brauner Glasur. Außen ähnlich 
glasiert auf Relief dekor: Kleinere und größere, konzentrisch angeordnete 
Blüten. — Repariert. 

CHINA, T'ANG.DYNASTIE, 10.— 12. JAHRHUNDERT. 
Durchmesser 10 cm, Höhe 3,6 cm. 



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148 BAUCHIGE DECKELVASE. 

Bemalt in Unterglasurblau und den Farben der „famille verte". Der Grund mit 
korallenrotem Spiralornament, durch blaue Horizontalstreifen in vier Zonen ge» 
teilt. Darüber Pferde, Blüten und Wolkenbänder in Blau, Rot und Grün. — 
Etwas ausgebessert. 

CHINA, 1. HÄLFTE 17. JAHRHUNDERT. Höhe 39 cm, 
Tafel XXXIII. 



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149 ZWEI VASEN. 

Die eine bauchig, die andere in Flötenform. Korallenroter Fond mit aus« 
gespartem Rankenomament, dazu stilisierte Päonien in den Farben der „famille 
verte". — Die bauchige Vase ohne Deckel, mit kleinem Loch. 

CHINA, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 24 cm und 24,5 cm, 
Tafel XXXIII. 



150 EIN PAAR FLASCHENKÜRBISVASEN. 

Blaumalerei: Blütenzweige, Behangmuster und Gitterwerk. 

ausgebessert. 

CHINA, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 15 cm. 

Tafel XXXIV. 



Die eine Vase 



151 FLAKON FÜR ROSENWASSER. 

Gelber Fond, ausgespart kleine Felder mit Blaumalerei: Palmettenformen und 
Lanzettblätter. — Repariert. 

CHINA, 17. JAHRHUNDERT. Für den Export nach Persien. Höhe 19 cm. 
Tafel XXXIV. 



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152 VASE. 

Möglicherweise Unterteil einer Wasserpfeife. Mit Blaumalerei: Blumen, von 
dichtem Rankenwerk umgeben, stilisierte Blätter am Hals. 
CHINA, 17. JAHRHUNDERT. Für den Export nach Persien. Höhe 20 cm. 
Tafel XXXIV. 



51 



153 ENGHALSKRUG. 

Blaumalerei. Auf der Leibung Chinesen im Garten, auf dem Hals stilisierte, 

aufwärtsstehende Blumen. — Scharte am Rand ausgebessert. 

CHINA, 2. HÄLFTE 17. JAHRHUNDERT. Vorbild für die Delfter und 

Hanauer Krüge. Höhe 24 cm. 

Tafel XXXIV. 

154 BAUCHIGE VASE. 

Blaumalerei. Vier schildförmige Motive mit gemalten und ausgesparten Blüten 
und herabhängenden Bändern, dazwischen lange gebogene Zweige. 

CHINA, UM 1700. Höhe 37 cm. 

155 EIN PAAR INGWERTÖPFE. 

Bemalt in Unterglasurblau, Rot und Gold mit Paradiesvogel, Fabeltier und 
Goldfasan zwischen Päonienzweigen. — Die Deckel fehlen. 

CHINA, UM 1700. Höhe 22 cm. 
Tafel XXXIII. 

156 BAUCHIGE VASE. 

Blaumalerei. Drei unregelmäßige Felder mit Vögeln auf Blütenstauden bzw. 
mit Chrysanthemenzweig, getrennt durch breite blaue Flächen mit „ge» 
sprungenem Eis"; darin ausgespart Blumenranken. — Deckel fehlt. 

CHINA, UM 1700. Höhe 26 cm. 
Tafel XXXIV. 

157 VASE. 

Blaumalerei. In acht oben spitz zulaufenden Feldern alternierend stehende 
Damen und Tischchen mit Geräten. Die Vase oben abgeschliffen, mit europäi« 
schem Schraubverschluß aus Zinn. 

CHINA, UM 1700. Höhe 24 cm. 
Tafel XXXIV. 

158 TELLER. 

Puderblauer Rand, in der Mitte sternförmige Reserve, bemalt mit Blütenstaude 
in Blau und verbranntem Rot. Unterseite mit „cafe au lait"«Glasur. Blaumarke. 

CHINA, UM 1700. Durchmesser 21 cm. 
Tafel XXXIII. 

159 BAUCHIGE VASE. 

Vielleicht Unterteil einer Wasserpfeife. Mit Blaumalerei: Chinesin mit zwei 
Dienerinnen mit Fächern; HeiHge auf Wolken; dazwischen Wolkenbänder. Mit 
ursprünglich nicht zugehörigem kleinen Deckel. 

CHINA, UM 1700. Höhe 20 cm. 
Tafel XXXIV. 



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160 BAUCHIGE VASE. 

Blaumalerei. Vier Rundfelder mit Blüten, dazwischen Wolkenbänder, am Hals 
Bäume und Insekten. Der Rand mit europäischer Silbermontierung. Blaumarke. 
CHINA, UM 1700. Höhe 18 cm. 
Tafel XXXIV. 



161 EIN PAAR ENGHALSVASEN. 

Blaumalerei: Drachen und Wolkenbänder. 

CHINA, UM 1700. Höhe 22 cm. 
Tafel XXXIV. 



Die eine Vase beschädigt. 



162 TELLER. 

Blaumalerei. Im Spiegel Rehe, am Rand Vögel und andere Tiere. 

CHINA, I.HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 19.5 cm 
Tafel XXXIII. 

163 TELLER. 

Blaumalerei. Im Spiegel Blumenkorb, am Rand Behangs und Gittermuster mit 
Blüten. 

CHINA, I.HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 23 cm. 

164 EIN PAAR TELLER. 

Blaumalerei. Im Spiegel Chinesin und Knabe im Freien, auf dem Rand 
Kirschblütenbaum und zwei Frauen im Garten, in sechs durch Ornamente ge« 
trennten Feldern. 

CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 23,5 cm. 

165 BAUCHIGE DECKELVASE. 

Blaumalerei. Durch Streifen in Felder aufgeteilt, jedes Feld zeigt eine Pflanze 
in einem Gefäß. Blaumarke: Blatt. 
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 23 cm. 

166 KOPPCHEN MIT UNTERTASSE. 

Blaumalerei. Koppchen mit sechs Bogenfeldern mit Pflanzen, darüber Flecht« 
werk und zwei Figurenszenen, Untertasse mit zwei Figuren. — Gekittet. 

CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 4 cm, Durchmesser 11 cm. 

167 KLEINE KURBISVASE. 

Schokoladebrauner Fond, vier runde Reserven mit stilisierter Blüte in 
Blaumalerei. 

CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 13,5 cm. 
Tafel XXXIV. 



5^9 



168 TELLER. 

Blaumalerei. Im Spiegel Reiher, am Rand Glücks.symbole. 
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 20 cm. 

169 KLEINE KURBISVASE. 

Fond „cafe au lait". Vier Reserven mit Blaumalerei. — Hals angekittet. 

CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 13 cm. 
Tafel XXXIV. 

170 KLEINE KÜRBISVASE. 
Blaumalerei. Blumenzweige. 

CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 11 cm. 

171 ENGHALSVASE. 

Blaumalerei. Vogel auf Ast, Schwertlilien und Felsen, auf dem Hals Zweige und 
Insekten. 

CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 40 cm. 

172 RUNDE PLATTE. 

Blaumalerei. Spiegel und Rand mit dichten Päonienranken. 
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 39 cm. 

173 RUNDE PLATTE. 

Blaumalerei. In der Mitte Rundfeld mit Päonie, umgeben von Blumenborte, 
darum angeordnet vier rautenförmige Reserven mit blühenden Pflanzen. 

CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 40 cm. 

174 EIN PAAR TELLER. 

Blaumalerei. Im Spiegel Fasan, zwei Enten und Kiefer, auf dem Rand Ranken» 
borte, der untere Rand mit Blumenzweigen. 

CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 26 cm. 

175 ZWEI PLATTEN. 

Blaumalerei. Die eine Platte zeigt im Spiegel zwei Rehe unter Kiefer, auf dem 
achtteiligen Rand Blumen und Insekten, die andere zwei Enten am Wasser und 
Fruchtstücke und Blumen auf dem ebenfalls achtteiligen Rand. 

CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 26 cm und 27 cm. 

176 TELLER. 

Bemalt in den Emailfarben der „famille verte" mit Blumenstaude mit roten 
Blüten. Rand mit Blumenborte. 

CHINA, I.HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 22,5 cm. 



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177 VIERSEITIGE FLASCHE. 

Bemalt in den Emailfarben der „famille rose" mit Päonienzweigen und Vögeln 
auf Kirschblütenästen. 

CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 26 cm. 

178 PLATTE UND ZWEI TELLER. 

Bemalt in den Emailfarben der „famille rose". Im Spiegel zwei Fasane und 
Päonienstauden, am Rand Blütenzweige. Rotgoldene Ornamentborte an der 
Kante. 

CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 35 cm und 23 cm. 

179 EIN PAAR TELLER. 

Bemalt in den Emailfarben der „famille rose". Im Spiegel Päonienzweige, am 
Rand Gitterwerk und Blumen. 

CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 22 cm. 

180 FLÖTENVASE. 

Bemalt in Unterglasurblau, Rot und Gold mit Tempel zwischen Kirschblüten^ 
zweigen, unten Büffel, am Fuß und Hals Blumenborte. 
JAPAN (Imari), 18. JAHRHUNDERT. Höhe 39 cm. 






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\\'t)llener Knüpfteppich. 
Kaukasus, um 1700, 



Wollener Knüpfteppich. 
Kleinasien, 16, Jahrhundert. 



Wollener Knüpfteppich. 
Kleinasien, um I7cx>. 



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Doppelhenkelige Vase. Florenz, 
2. Viertel 15. Jahrhundert. 



Cirosse Kanne, Majolika. 
Florenz, 1523. 



Doppelhenkelige V^ase. Florenz, 
2. Viertel 15. Jahrhundert. 



November-Versteigerung bei Paul Cassirer-Hugo Helbing, Merlin. 

AI.TK ZKlCHNinVOKIV UXU K T l/l> K K AUF nvin ]?IAKKT 



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I'aduaner Meister des 
15. Jahrhunderts. Ori 
ginal Feder/eichnun>^^ 
Vorkauf eines west- 
deutschen Schloss- 
besitzes bei liollstein 
»S: I'uppel, Berlin. 






Baldung-firien. Alte 
Frau, l^riginal Zeich- 
nung in Kreide und 

grüner Tusche. 

Hollstein & I'uppel, 

Herlin. 



A. van Oyck, Kopf ewies trauernden Engels. 
Auktion K.uilbach bei Helbing, Mvinchen 



Ersuchen von Firmen, gegen Bezahlung int r edafcf 1 onellen Teil genannt zu werden, sind zwecklos und lindfn keine Beantwortung. 
Für unverlangt eingereichte Manuskripte, Photographien und Modeile kann von der Redaktion keine Haltung übernommen werden. 

Alle KechtK auf sämtliche Artikel und Bilder sowie den i^esaniten Inhalt vorbeballen. Schriftleitung EugeoSzatmari, Berlin. Verantwortl. Redakteur für den Mudon Hpiegel: K u t b e t z, Berlin. — Fiir 
den Kunst-SpicK»'l: AdolphDonatb, Berlin. — Für Bridge: A. H. Z e 1 z, Berlin. — Für Inserate; Bruno Wendland, Fichtent'rund/Nordb. — Vcrlig u. Kupfertiefdruck von Rudolf Mossein Berlin. 



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^^/^-yA^l^ /C^yt^ /^/-^-m^t/m:^^ Korrektur 3. I. 19 10. 

:Xi.JAHROANO, Nr.ft' BERLIN JANUAR 1910 




AMTLICHE BERICHTE AUS DEN^-^ 
KÖNIGL. KUNSTSAMMLUNGEN 




ERSCHEINEN MONATLICH • PREIS DES JAHRGANGS 5 MARK, DER EIN- ^f^^Vj 
ZELNEN NUMMER 50 PF. ♦ O. GROTESCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG ^^^"^-'^^ 




Abb. 42 



EIN SIPPENRELIEF AUS DER WERK- 
STATT DES MEISTERS DES ULMER 
HOCHALTARS 

Unter den jüngsten Erwerbungen der Museen 
auf dem Gebiete deutscher Plastik findet sich ein 
Relief der heiligen Sippe (Abb. 42). Auf einem 
Throne mit hoher Rückenlehne sitzen, einander 
zugewandt, links Maria, das nackte Kind auf 
dem Schöße, das in der Linken einen Apfel hält 
und die rechte Hand segnend erhebt, rechts die 

1909/10 



hl. Anna, im Begriff, das Kind zu sich herüberzu- 
nehmen. Hinter dem Throne stehen links Joseph, 
rechts die drei Männer der Anna. Das Relief 
ist durch vorzügliche Erhaltung der alten Fassung 
ausgezeichnet und gewinnt ein besonderes Inter- 
esse durch seine kunstgeschichtlichen Beziehungen. 
Es lassen sich nämlich zwei nahe verwandte Dar- 
stellungen des gleichen Themas nachweisen, ein 
Sippenrelief im Bayerischen Nationalmuseum zu 
München (Katalog VI, 1896, Nr. 1247 Taf. XXIV) 
und die rechte Hälfte eines ebensolchen in der 



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91 



AMTLICHE BERICHTE AUS DEN 



92 



Lorenzkapelle zu Rottweil. Der eingehende Ver- 
gleich ergibt eine Reihe von Zügen, die in je zwei 
der vorhandenen Exemplare übereinstimmen, wäh- 
rend sie in dem dritten fehlen. In dem Berliner 
und Münchener Exemplar entsprechen sich der 
Perlrand der Thronlehne, der Knopf des Kissens, 
die Armstellung des spitzbärtigen Mannes und die 
Körperhaltung der hl. Anna. (Der Vergleich muß 
sich auf die in Rottweil allein erhaltene rechte 
Hälfte beschränken.) Dagegen fehlt dem Mün- 
chener Relief die rechte Hand des dicken Mannes, 
die dem Berliner und Rottweiler gemeinsam ist. 
Das Faltenmotiv im Mantel der Anna oberhalb 
des Kissens, die Blätterstellung im Kapitell des 
Thronpfostens geht ebenfalls in diesen beiden 
zusammen. In dem Münchener und Rottweiler 
Exemplar endlich stimmt der Faltenwurf des Man- 
tels der Anna in einigen Hauptmotiven und der 
Typus des spitzbärtigen Mannes überein. Diese 
in ihrer Gesamtheit unmöglich zufälligen Über- 
einstimmungen zwischen je zwei der vorhandenen 
Exemplare lassen keine andere Deutung zu als 
die eines allen drei Reliefs gemeinsamen Vor- 
bildes, von dem sich jede der erhaltenen Be- 
arbeitungen in verschiedener Weise und in ver- 
schiedenem Grad entfernt Ob dieses voraus- 
zusetzende Urbild allerdings ebenfalls ein pla- 
stisches Werk gewesen, bleibt zweifelhaft und 
wird sogar in hohem Grade unwahrscheinlich, 
wenn man sich die Entstehungsmöglichkeit der 
drei Reliefs veranschaulicht. Daß das Original 
lange genug in der Werkstatt gestanden habe, 
um es mehrfach zu kopieren, daß das Bedürfnis 
hierzu bestanden habe, solange das Original in 
der Werkstatt verblieben, ist ganz unwahrschein- 
lich, ebenso wie die Annahme, daß zufällig drei 
so gleichartige Reliefs nebeneinander in Arbeit 
waren. An ein Modell als gemeinsame Grund- 
lage zu denken verbietet sich darum, weil für die 
Benutzung solcher in den deutschen Bildschnitzer- 
werkstätten kein Anhalt gegeben ist. Dagegen 
sind mehrfach Zeichnungen von plastischen Ar- 
beiten erhalten, die als Entwürfe angesehen wer- 
den dürfen. Das ursprüngliche Vorhandensein 
einer solchen Zeichnung, die in der Werkstatt ver- 
blieb und für neue Bestellungen wieder Verwen- 
dung fand, erklärt am besten die Entstehung der so 
nahe verwandten Arbeiten ebenso wie deren ge- 
genseitige Übereinstimmungen und Abweichun- 
gen. Zuerst ausgeführt scheint das Münchener 
Relief zu sein, das somit der ursprünglichen Ab- 
sicht des Meisters am nächsten käme. Es ist 
von sorgfältiger Arbeit, und die komplizierte Fal- 
tenanlage des Mantels der Anna ist hier am ein- 
gehendsten durchgebildet. In dem Rottweiler 
Relief ist dieser Faltenwurf gleichsam abkürzend 
wiedergegeben. An Qualität wird dieses kaum 
hinter dem Münchener zurückstehen, aber es ist 
weniger streng, melodiöser in der Linie, gefälliger 



in der Schwingung und dürfte das jüngste sein. 
Das Berliner Exemplar steht an Feinheit zurück, 
die Proportionen der Figuren sind zu kurz, die 
Hände etwas derb. In der Gesamthaltung ent- 
fernt es sich weniger von dem Münchener und 
hat mehr den Charakter einer Wiederholung 
als das Rottweiler, das eine freie Bearbeitung 
des Themas von der Hand eines gefühlvollen 
Schnitzers genannt zu werden verdient. Als Ent- 
stehungsort der Gruppe ist Ulm anzunehmen. 
Sie entstammt offenbar der Werkstatt desselben 
Meisters, von dessen Hand das Berliner Museum 
bereits einen vorzüglichen Altar, ebenfalls mit 
der Darstellung der heiligen Sippe, besitzt. Dieser 
geht mit dem jetzigen Hochaltar des Ulmer 
Münsters nahe zusammen, und es lassen sich 
eine ganze Reihe anderer Schnitzwerke anschlie- 
ßen, von denen Marie Schuette in ihrem Buche 
»Der schwäbische Schnitzaltar« (Straßburg 1907, 
S. 121) eine vorläufige Zusammenstellung gegeben 
hat. Unsere Reliefs sind bisher in diesem Zu- 
sammenhang nicht erwähnt, doch steht die enge 
Beziehung außer Frage. olaser 

ÄGYPTISCHE ABTEILUNO 

»DENKSKARABÄEN« 

Nicht ganz so bekannt wie manche andere 
Dinge, deren Begriffe sich dem Laien bei der 
Nennung des Namens Ägypten ohne weiteres 
einstellen, aber doch wohl eine der bekanntesten 
Arten ägyptischer Altertümer, sind die Skarabäen, 
Käfer aus Stein oder Fayence, auch wohl aus 
Metall oder Glas, meist hübsch blau oder grün 
glasiert und unter dem Bauche mit einer Platte, 
die Schriftzeichen, Darstellungen oder Ornamente 
trägt (Abb. 43). 

Zu Tausenden sind sie schon in allen Sammlun- 
gen und immer noch werden sie auf Schritt und 
Tritt dem Reisenden angeboten, leider immer 
mehr vermischt mit Fälschungen, die entweder 
ganz modern sind oder zwar echte Stücke, deren 
Glasur aber in sehr geschickter Weise neu auf- 
gefrischt ist. 

Die Steinschneidearbeit an diesen Käfern steht 
gewöhnlich nicht sehr hoch, was nicht ausschließt, 
daß wir auch ganz vortrefflich gearbeitete Stücke 
haben. Die Darstellungen zeigen meist bloße 
Silhouetten, aber die Anordnung der Zeichen ist 
oft sehr gut und auch in der Verbindung von 
Naturtreue und Stilisierung in der Käfergestalt 
zeigen die Ägypter ihre viel bewährte Meister- 
schaft. 

Die meisten Skarabäen sind wohl einfach Siegel 
gewesen, viele haben, wie wir sicher wissen, als 
Amulette oder auch Schmuckstücke gedient. Alle 
sind der Länge nach durchbohrt und wurden dreh- 
bar in einem Fingerring (s. Jahrgang XXX Nr. 11 
Abb. 165) oder an einer Schnur getragen. Das 



Q3 



KÖNIOL. KUNSTSAMMLUNGEN 



Q4 




Abb. 43 






Abb. 46 



Abb. 44 



Abb. 45 








Abb. 47 



Abb. 48 



Abb. 49 






Abb. 50 



Abb. 51 



Abb. 52 



Fehlen der Bohrung sondert zwei Gruppen aus, 
die wir hier beiseite lassen wollen, die großen 
steinernen Käfer, die man der Mumie auf die 
Stelle des Herzens legte, beschrieben mit einem 
Spruch, der das Herz beschwört, beim Toten- 
gericht nicht gegen seinen Herrn sich zu erheben 
(Abbildungen und Übersetzung der Inschrift im 
Handbuch: Die ägyptische Religion 2 S. 161), und 
zweitens die kleineren Skarabäen, die man in den 
Binden der Mumie verteilte. Diese sind meist 
unbeschrieben, oft ist auch die Unterseite der 
eines Käfers getreulich nachgebildet. 

Wie die Ägypter darauf gekommen sind, 
Schmuckstücken und Siegeln die Form von Käfern 
zu geben, läßt sich schwer sagen. Wir wissen, 
daß eine Form des Sonnengottes diesen in der 
Gestalt eines Käfers zeigte und gewiß haben die 
Skarabäen damit etwas zu tun, denn sie zeigen 
genau denselben Käfer, den Ateuchus sacer, 
eine Mistkäferart, die mit ihrem geheimnisvollen 
Schaffen an der Mistkugel, in der sie ihre Eier 
verbirgt, die Phantasie der Ägypter angeregt hat. 
Die Sitte wird aber, wie meistens, mehrere Wur- 
zeln haben. In letzter Zeit haben die Funde aus 
der vorgeschichtlichen Zeit und aus dem Beginn 
der wirklichen ägyptischen Geschichte wiederholt 
Kettenglieder und Schmuckstücke in Form, wenn 
auch nicht des Ateuchus, so doch eines Käfers 
gebracht. Man mag vielleicht, wenn man etwas 
rationalistisch deuten will, annehmen, daß die 
Ägypter der Urzeit wirklich einmal die glänzenden 



Käfer als Schmuck getragen haben, oder lieber, 
daß Steinstückchen durch ihre Naturform die An- 
regung zu weiterer Ausgestaltung gegeben haben. 
Jedenfalls wird es so sein, daß aus der Gewohn- 
heit, Steine in Käferform zu tragen unter Hinzu- 
treten der erwähnten mythologischen Bedeutung, 
der steinerne Skarabäus entstanden ist. 

Fertig ausgebildet liegt dieser Typus sicher erst 
gegen das Ende des alten Reiches, also etwa um 
2500 V. Chr. vor, und noch Jahrhunderte hat er 
mit der älteren Form des Siegels zu kämpfen, dem 
Siegelzylinder. Noch zur Pyramidenzeit herrscht 
der Siegelzylinder durchaus, bis ins mittlere Reich 
(um 1900 V. Chr.) kommt er häufig vor und selbst 
später noch gelegentlich, dann allerdings wohl 
durch die Berührungen mit den Euphratländem 
zum Leben erweckt. Sie haben ja diese in 
Ägypten absterbende Siegelform bis nahe an un- 
sere Zeitrechnung beibehalten. 

Die Form des Käfers wechselt ebenso wie die 
Art der Gravierung der Zeichen in Kleinigkeiten 
vielfach, je nach der Mode der Zeiten. Einmal 
liebt man es, die Teilung des Brustschildes und 
der Flügeldecken anzugeben, ein andermal wieder 
nicht, kleine Ornamente werden angebracht, oder 
gar der Rückendes Käfers noch mit Inschriften 
versehen, ja, wir finden bisweilen den ganzen 
Käfer durchbrochen gearbeitet. Auch die Dar- 
stellungen und Inschriften auf der Unterseite der 
Käfersteine sind von der verschiedensten Art, die 
Anzahl der bekannten Typen fast unübersehbar. 



^5 



AMTLICHE BERICHTE AUS DEN 



Q6 



auch noch nie einigermaßen vollständig zusam- 
mengestellt. Am wichtigsten sind die Königs- 
namen, die den Skarabäen für gewisse Perioden 
der ägyptischen Geschichte fast dieselbe Wichtig- 
keit geben, wie sie anderswo die Münzen haben. 
Viele Könige sind uns nur von Skarabäen her 
bekannt. Die Namen von Privatleuten mit ihren 
Titeln finden sich besonders auf den meist gut 
geschnittenen Skarabäen des mittleren Reiches 
(um 1900 V. Chr.). Zu jener Zeit und im An- 
fange des neuen Reiches (um 1500 v. Chr.) treten 
hübsche Kombinationen glückbringender Zeichen 
(Abb. 44), vor allem aber reizvolle Ornamente 
aus Blumen, Spiralen, Haken und Flechtbändern 
auf, durch die diese Skarabäen in der Kunstge- 
schichte eine große Rolle spielen wegen der oft 
diskutierten Berührungen mit den" Ornamenten 
der griechischen Inselwelt (Abb. 45—48). Etwa 
um dieselbe Zeit kommen sogar reine Genre- 
szenen vor, wie das Bild der reisenden Familie 
(Abb. 49). In späterer Zeit nehmen 
Götternamen und magische Zeichen 
und Worte, ja ganze Gebete, immer 
mehr überhand. Es ist für uns oft 
recht schwer, wenn nicht unmöglich, 
deren Sinn zu erfassen. 

Im neuen Reiche, um 1500 v. Chr., 
fangen die Ereignisse des öffent- 
lichen Lebens an, sich auf den Ska- 
rabäen bemerkbar zu machen. Der 
Name des Königs erhält Zusätze 
wie: »der die Fremdländer nieder- 
wirft« oder »der Herr des starken Armes«. 
Dazu kommen Darstellungen, die den König 
im Kampfe zu Fuß (Abb. 50) und zu Wagen 
(Abb. 51) oder im Gebet vor den Göttern 
zeigen, oder wie er vom Fenster seines Palastes 
aus seine Getreuen belohnt (Abb. 52). Schon 
dabei wird man oft an bestimmte Ereignisse 
denken müssen. Sicher ist das, wenn z. B. auf 
einem Skarabäus Thutmosis III. genannt wird: 
»der Herr der Denkmäler im Tempel des Amon« 
oder »dessen Obelisken im Amontempel Dauer 
haben«. Diese Worte können doch nur auf die Be- 
endigung größerer Bauten oder auf die Errichtung 
von Obelisken Bezug haben. Ein Skarabäus, der 
den König nennt: »der Kadesch niederwirft«, ist 
gewiß nach dem Fall dieser wichtigen nordsyri- 
schen Festung gefertigt und ausgegeben worden, 
nicht anders wie man Skarabäen mit der Auf- 
schrift: »Isis schenke ein gutes Neujahr« (Abb. 53) 
sich gewiß zum Jahresfeste gegenseitig geschenkt 
hat. Unter Amenophis III. (um 1400 v. Chr.) hat 
diese Sitte den größten Umfang angenommen. 
Nicht nur in kurzen Worten, sondern in ausführ- 
lichem Text, dem von Denksteinen ähnlich, sind 
auf großen, oft bis 1 1 cm langen Käfersteinen 
Ereignisse verewigt, die die besondere Freude des 
Königs erregt haben. Wie später Denkmünzen 




Abb. 53 



werden sie vom Könige zur Erinnerung an seine 
Beamten und Freunde verschenkt worden sein, hat 
sich doch einer dieser »Denkskarabäen« sogar 
bei den Ausgrabungen in der palästinensischen 
Stadt Geser gefunden. Fünf verschiedene Typen 
dieser großen Skarabäen Amenophis* III. sind bis 
jetzt bekannt. Vier davon sind jetzt, zum Teil 
in mehreren Exemplaren, in unserer Sammlung 
vorhanden. Um die Fassung der Inschriften zu 
veranschaulichen, sei von dem einen (Abb. 54) der 
ganze Text übersetzt: »Es lebe der Horus, der 
starke Stier, der durch Wahrheit glänzt, der Herr 
der beiden Diademe, der die Gesetze befestigt, der 
die beiden Länder beruhigt, der Goldhorus, groß 
an Armkraft, der die Asiaten schlägt, der König 
von Ober- und Unterägypten, der Herr der beiden 
Länder Neb-mat-re, der Sohn des Sonnengottes 
Amenophis, dem Leben geschenkt sei, und die 
große Gemahlin des Königs Teje, sie lebe. Ihr 
Vater heißt Juje, ihre Mutter heißt Tuje (nun 
erst beginnt der eigentliche Inhalt) : 
Sie ist die Gemahlin des starken 
Königs, dessen Südgrenze nach Kare 
(in Obernubien), dessen Nordgrenze 
bis Neherin (Nordostsyrien) reicht.« 
Gewiß ist dieser Skarabäus zur Hoch- 
zeit des Königspaares ausgegeben. 

In seinem 1 I.Jahre hat der König für 
diese seine Gemahlin einen großen See 
zu Lustfahrten angelegt. Nach dem 
Datum und der langen, oben übersetz-' 
ten Prunktitulatur des Königs heißt es 
in der Inschrift unseres eben jetzt neuerworbenen 
Skarabäus (Abb. 58) : Seine Majestät befahl einen 
See zu machen für die große Gemahlin des 
Königs, Teje, in ihrer Stadt Zerucha. Seine 
Länge beträgt 3700 Ellen, seine Breite 700 Ellen. 
Seine Majestät feierte das Fest der Schleusen- 
öffnung am 16. des 3. Monats, wo Seine Ma- 
jestät auf ihm fuhr in seinem Königsschiff »die 
Sonne glänzt«. 

Kurz vorher war dem Könige eine schöne und 
auch politisch wichtige Gabe aus dem fernen 
Syrien zugegangen. Der im 10. Jahre ausgegebene 
Skarabäus, dessen einziges Original unsere Samm- 
lung besitzt (Abb. 56), berichtet nach der langen 
Titulatur des Königs und, wohlgemerkt, auch der 
Königin Teje, so: »Kostbares (es ist das Wort 
gebraucht, das immer die Kostbarkeiten, die aus 
fremden Ländern kommen, bezeichnet), das seiner 
Majestät gebracht wurde: Kilugipa, die Tochter 
des Fürsten von Neherin, Sutarna, und die ersten 
ihrer Haremsdamen, 317 Frauen.« Es handelt 
sich um eine Heirat, die auch in der keilschrift- 
lichen, in Teil Amarna gefundenen Korrespondenz 
zwischen dem ägyptischen König und den asia- 
tischen Fürsten eine Rolle spielt. Das Land, das 
ägyptisch Neherin heißt, nennen die einheimischen 
Urkunden Mitanni. 



113 



KÖNIOL. KUNSTSAMMLUNGEN 



114 



ZUR FRAGE DER FLORABÜSTE IM KAISER-FRIEDRICHMUSEUM 

IV 

ERGEBNISSE DER FORTGESETZTEN TECHNISCHEN UNTERSUCHUNGEN 



ZWEITES OUTACHTEN DES GEH. REOIE- 
RUNOSRATES DR. A. MIETHE, PROFESSORS 
AN DER KGL. TECHNISCHEN HOCHSCHULE 
BERLIN (PHOTOCHEMISCHES LABORATO- 
RIUM) 

Die Frage, ob die von Lucas hergestellte Pho- 
tographie der Florabüste diese Büste in ihrem 
jetzigen Zustand der Bemalung darstellt oder 
nicht, bzw. ob die Photographie des Lucas nach 
einem unbemalten Gipsabguß der jetzigen Büste 
hergestellt ist, zu entscheiden, kann auf folgende 
Weise ausgeführt werden. 

Um festzustellen, ob die Bemalung der damali- 
gen Büste der jetzigen gleich war oder ob über- 
haupt eine solche existierte, ist es notwendig, die 
Aufnahme unter genau denselben Bedingungen 
und mit demselben photochemischen Material 
vorzunehmen, wie es von Lucas benutzt worden 
ist. Die Betrachtung und Untersuchung der Lucas- 
photographie ergibt, daß die Aufnahme auf Jod- 
silberkollodium hergestellt wurde und auf einem 
Albuminpapier kopiert ist, welches auf richtigem 
photographischen Rohpapier präpariert worden 
ist. Da der Kollodiumprozeß in England etwa 
in den Jahren 1854—55 sich allgemein eingeführt 
hat, so könnte man die Aufnahme bis auf diese 
Zeit zurückdatieren. Die Präparation von Albu- 
minpapier dagegen auf eigens dafür hergestelltem 
Rohstoff und mit einer Schicht, wie sie der Lucas- 
photographie entspricht, dürfte nicht vor 1859 in 
England eingesetzt haben, so daß man also aus 
diesem Gesichtspunkt die Lucasphotographie nicht 
früher als 1859 datieren kann. 

Um die Frage nach der Bemalung der Büste 
zur damaligen Zeit zu lösen, wurde von der 
jetzigen Florabüste eine Aufnahme mit Jodsilber- 
kollodium hergestellt, um daraus Schlüsse über 
die Farbenwirkung der jetzt vorhandenen Farben 
auf diese Plattenart ziehen zu können. Speziell 
sollte festgestellt werden, ob die Haarfarbe der 
jetzigen Büste, die Färbung der Blumen im Haar 
und die Färbung des die linke Schulter bedecken- 
den blauen Gewandes schon damals bestand, was 
sich auf der jetzigen Photographie dadurch zeigen 
würde, daß die Helligkeitswerte dieser Farben 
sich genau so wiedergeben wie auf der alten. 
Das Resultat dieser Untersuchung ist im folgen- 
den zusammenzufassen: 

Die Tonwerte der Haarfarbe, der blauen und 
grünen Blumen und Blätter im Haar und des jetzt 



blauen Qewandes der Büste stimmen auf der 
Lucasschen Aufnahme mit der jetzigen Aufnahme 
wesentlich überein, speziell ist mit Sicherheit als 
festgestellt zu betrachten, daß die Haare die 
jetzige Farbe bereits wesentlich besaßen, wenn 
auch ein Teil der Farbe bei der jetzigen Büste 
durch Abgreifen lichter geworden sein mag. 
Ebenso ist die Identität der Färbung der blauen 
Blumen im Haar von damals mit der jetzigen 
Färbung als sicher zu betrachten. Das gleiche 
gilt von dem blauen Gewand. Zu Lucas' Zeiten 
sind also diese Teile der Büste genau so bemalt 
gewesen, wie sie jetzt bemalt sind. Ob die jetzt 
auf den unbekleideten Teilen der Büste befind- 
lichen weißen Farbspuren schon zu Lucas' Zeiten 
vorhanden waren, und wann die Büste diesen 
Farbüberzug erhalten hat, der jetzt zum größten 
Teil entfernt und nur noch in vielfachen Spuren 
zurückgeblieben ist: 'diese Fragen kann der Be- 
fund der neuen photographischen Aufnahme nicht 
entscheiden. Festzustellen ist nur, daß die Farb- 
spuren, die sich jetzt auf den unbekleideten Teilen 
der Büste befinden, auf der Lucasschen Photo- 
graphie nicht wiedergegeben sind; speziell an 
der linken Halsseite und in der Nähe des Ohres 
sind jetzt erhebliche Farbspuren vorhanden, welche 
auf unserer neuen Aufnahme deutlich sichtbar 
sind, auf der Lucasschen Aufnahme hingegen zu 
fehlen scheinen. 
Charlottenburg, den 15. Dezember 1909. 

gez. MiETHE 

GUTACHTEN SR. EXZELLENZ DES WIRKL. 
STAATSRATES PROF. DR. RAEHLMANN 
(WEIMAR) 

Zur Untersuchung der Farbe der Flora- 
büste wurden mir Teilchen der Oberfläche der- 
selben — vom Blau des Gewandes, vom Braun 
des Haares und von der scheinbar unbemalten 
Körperoberfläche — von der Direktion des 
Kaiser-Friedrich-Museums zur Verfügung gestellt. 
So klein sie sind, so genügen sie doch voll- 
kommen, um eine Reihe von Fragen, die sich 
an die Farbe knüpfen lassen, zu erledigen, andere 
aber der Entscheidung näherzubringen. 

Ich untersuche die Teilchen mit dem Mikro- 
skop nach einer jüngst in der Museumskunde 
(Band V, Heft 4 S. 208 — 222) beschriebenen Me- 
thode und prüfe gleichzeitig geeignete, d. h. mi- 
kroskopisch genügend charakterisierte Teile auch 
mikrochemisch. 



115 



AMTLICHE BERICHTE AUS DEN 



116 



A. DAS BLAU DES GEWANDES 

a) Untersucht man kleine Bröckel des blauen 
Gewandes, indem man ein frisch gebrochenes 
Stückchen mit der Bruchfläche nach oben auf 
die Kante stellt, so sieht man bei etwa sechzig- 
facher Vergrößerung, daß körnige, splitterige, 
mit scharfen Ecken und Kanten versehene Stück- 
chen blauer Farbe in einem weißgrauen, 
speckigen, homogenen, durchscheinen- 
den Medium suspendiert sind, derartig, 
daß zwischen den Farbstoffteilchen über- 
air das erwähnte Medium sichtbar ist. 
Zwischen dieser relativ dicken, den blauen Farb- 
stoff enthaltenden Lage und dem Wachs ist 
stellenweise, d. h. wo die Beschaffenheit der 
Bruchfläche es zuläßt, eine grauweiße Unterlage 
in Form einer dünneren selbständigen Schicht 
vorhanden. An dunkelblau gefärbten Stellen 
findet sich außerdem unter dem Blau eine ziem- 
lich mächtige braune Zwischenlage, die das Blau 
vom Wachse trennt. 

ß) Legt man ein Stückchen mit blauer Ober- 
fläche in Äther, so trennt sich die Farbschicht im 
Zusammenhange, indem das Wachs sich in Äther 
löst, vom Wachsgrunde. Man erhält jetzt eine 
zusammenhängende, ziemlich dicke Farbschicht, 
welche auf der Rückseite eine grauweiße Ober- 
fläche von blättriger bis feinkörniger Struktur er- 
kennen läßt. 

Wird ein Partikelchen dieser vom Wachs ab- 
getrennten Farbschicht auf dem Objektträger mit 
einem Tropfen destilliertem Wasser über der 
Gas- oder Spiritusflamme erhitzt, bis das Wasser 
aufkocht, so trennen sich in der Regel von selbst 
oder bei leichter Verschiebung der Teile zwei 
Schichten voneinander, eine untere weiße, die dem 
Wachs aufgelegen hat, und eine obere blaue. 

Die erstere, weiße, besteht aus zwei mitein- 
ander gemischten Substanzen, einer grobkörnigen 
bis großblasigen und einer retikulär feinkör- 
nigen (200 fache Vergrößerung). Beide Sub- 
stanzen sind farblos und durchscheinend. Die 
obere blaue (dickere) Schicht enthält in dem er- 
wähnten diaphanen speckigen Medium die blauen 
Farbkörper und außerdem vereinzelte klumpige 
Gebilde von rein weißer Farbe (Bleiweiß?). 
Diese blaue Schicht ist also als zusammenhängende 
dicke Schicht sowohl in Äther als auch in kochen- 
dem Wasser erhalten geblieben. 

y) In der weißen, dem Wachs aufliegenden 
Schicht wird die großblasige Substanz auf Jod- 
zusatz blau (Stärkereaktion!). Sie besteht also 
aus Kleister, die ihr zugemengte zweite Substanz 
ist weich und biegsam, nicht schmelzbar und in 
Alkohol, Äther, kochendem Wasser sowie in 
verdünnter Salzsäure unlöslich. Sie verhält sich 
optisch, unter dem Mikroskop, wie die Eiweiß- 
körper, wird, wie diese, durch Jod und auch 
durch Pikrinsäure gelb gefärbt; wird beim Er- 



hitzen braun und entwickelt dabei einen deut- 
lichen Geruch nach »verbranntem Hörn«. 

Die weiße Substanz besteht also vorwiegend 
aus Eiweiß. Bei 60 — SOfacher Vergrößerung 
sieht man in derselben feinste Fäserchen von 
Flachs, die offenbar zugemischt sind, um die 
Schicht besser mit dem Wachs zu befestigen. 

S) An einzelnen dunkelblauen Farbstückchen 
findet sich bei sonst gleichem Verhalten unter dem 
Blau eine verhältnismäßig dicke braune Schicht. 
Sie besteht aus einem Gewirre von braunroten, 
verästelten, wergartig verflochtenen Fasern, von 
denen weiter unten die Rede sein wird. 

Diese Schichtung — Blau auf Braun- 
rot — ist in ihrer Technik sehr ähnlich 
dem Schichtenbau altitalienischer Tem- 
perabilder! Sie findet sich auch auf 
Tafelbildern in der altdeutschen und 
altniederländischen Kunst bis ins XVIL 
Jahrhundert. 

Wird ein solches dunkelblaues, braun unter- 
legtes Fragment mit verdünnter Salzsäure auf 
dem Objektträger erhitzt, so fallen beim Ver- 
dunsten der Salzsäure braunrote bis dunkelbern- 
steinfarbige Bröckel aus. In der Umgebung des 
Stückchens liegen eine Anzahl bei 120facher 
Vergrößerung deutlich erkennbarer spießförmiger 
Kristalle — von Bleichlorid ! — Daneben finden 
sich in viel reichlicherer Menge kristallinische 
kurze Säulen — Gipskristalle! — Die Farbschicht 
enthält also neben dem erwähnten Medium Zu- 
sätze von Bleiweiß und Gips! 

Der blaue Farbstoff verhält sich nach seinem 
Aussehen und seinem chemischen Verhalten, so- 
weit sich derselbe in den kleinen Stückchen 
prüfen läßt, wie Smalte! 

Die Art, wie die blauen Partikel in 
dem Medium verteilt sind, dasAussehen 
dieses Mediums und auch sein optisches 
und chemisches Verhalten ist überaus 
ähnlich demMedium und den Farben der 
blauen Schichten auf den Tafelbildern 
des Marco Basaiti, die ich von den ober- 
italienischen Meistern um 1500 aus meinem Ver- 
gleichsmaterial herausgreife, sowie auch der 
blauen Schicht der Gewandteile von Holzfiguren 
der vorhergehenden Epochen. 

B. DAS BRAUN DES HAARES « 

stellt eine verhältnismäßig dicke Schicht vor, die 
bei auffallendem Licht tief braun aussieht, bei 
durchfallendem Licht aber hellrötlichbraune bis 
goldgelbe Farbe'^besitzt. 

a) Bei 60— SOfacher Vergrößerung zeigt diese 
Farbenschicht eine Zusammensetzung aus baum- 
artig verästelten Fasern, die ein Netzwerk von 
stellenweise sehr regelmäßigem Gefüge formieren. 

Bei 200facher Vergrößerung sieht man an ge- 
eigneten dünnen Stellen im durchfallenden Lichte 



117 



KÖNIOL. KUNSTSAMMLUNGEN 



118 



die typische Struktur des Pilzmyzels, feine zarte 
Fasern, die durch ihre Verflechtung ein zierliches 
Netzwerk herstellen, und in diesem sieht man 
deutlich die charakteristischen Algenzellen. 

ß) Durch diese Eigentümlichkeiten charakteri- 
siert sich die Substanz als ein organisches Ge- 
bilde, welches in die Gattung der Flechten gehört. 

Tatsächlich handelt es sich um die im 
Mittelalter in der Malerei, besonders 
der Tempera viel verwendete Flechten- 
art der Orseille (Roccella). 

Diese Flechte (Roccella tinct.) wuchs besonders 
in Italien, an den Mittelmeerküsten sowie auf den 
Kanarischen Inseln. 

Sie wurde in Wasser abgekocht als teig- 
artige Masse oder, zu Pulver zerstoßen, 
in der Malerei viel verwendet, diente 
später aber fast ausschließlich nur zu 
Zwecken der Zeugfärberei*). 

y) In und zwischen den Maschen des Gitter- 
werkes, welches durch die Verästelung der 
Flechtenfäden gebildet wird, liegen eine Menge 
größerer und kleinerer unförmiger Brocken und 
Schollen von tief braunroter Farbe, außerdem 
aber Körner und Schollen eines schön roten 
glänzenden, ganz durchsichtigen Farbstoffes, der 
wahrscheinlich Krapp ist. — Derselbe findet sich 
stellenweise in ganz groben Stücken dem Braun 
beigemischt. 

Das Ganze ist in einem zarten homogenen, 
durchscheinenden Medium eingebettet. Bei 200- 
facher Vergrößerung hat letzteres eine feinkörnig 
granuläre Beschaffenheit. 

S) Wird die braune Schicht, mit Äther vom 
Wachs getrennt, in Wasser auf einem Objekt- 
träger gekocht, so fallen eine Menge kristallinischer 
kleiner Teilchen und Kristalle aus — Salze. 

e) Wird das Stückchen mit Salzsäure erhitzt, 
so entstehen beim Verdunsten der Säure eine 
Menge Gipskristalie und vereinzelte Kristalle von 
Bleichlorid. Es ist also vorwiegend Gips und 
auch Bleiweiß der braunen Farbe zugesetzt bzw. 
unter derselben verwendet worden. 

Auch der braune Farbstoff der Orseilleflechte 
hat sich in Salzsäure teilweise gelöst und ist in 
Form von braunen bis rötlichgelben Bröckeln 
ausgefallen. 

Das zurückbleibende Stück ist aber immer noch 
im Zusammenhange geblieben. Es sieht jetzt im 
auffallenden Licht dunkel graubraun aus, zeigt 
aber bei durchfallendem Lichte noch immer eine 
schön rotgelbe Farbe. 



^) Ich habe mich vergeblich in den hiesigen Farbenhand- 
lungen und Apotheken bemüht, um Orseille zu erhalten, habe 
aber dann durch Vermittelung des Herrn Dr. phil. Hoffmann 
eine Probe von der Firma Oehe in Dresden erhalten. Wir 
haben uns von der Identität des Farnstoffes im Haar der 
Flora mit der Orseilleflechte überzeugen können. 



C. DIE WEISZE FARBE DER FREIEN KÖRPEROBER- 
FLÄCHE DER BÜSTE 

a) Schon bei 40facher Vergrößerung zeigt sich 
auf der Oberfläche der kleinen Stückchen eine 
hellweiße, glänzende, glatte Decke, welche in 
ziemlicher Dicke dem Wachs aufliegt; stellenweise 
ist diese Deckschicht leicht rosa gefärbt. An eini- 
gen Stellen sieht man teilweise vom Weiß ge- 
deckt, teilweise frei vorragend, große Klumpen 
einer homogenen, durchsichtigen, glänzenden, ro- 
ten Farbe sowie eine Menge gleich gefärbter klei- 
ner Farbteile in der weißen Decklage. Die Farbe 
ist wahrscheinlich Krapp. Krapp, schon bei Plinius 
(rubia) als Farbstoff erwähnt, wurde in der alten 
Kunst, in Substanz grob verrieben (Schollen, Bröckel, 
Körner), dem Medium zugesetzt, während die 
spätere Kunst denKrapp *fast substanz- 
losverrieben« und daher im Medium viel 
feiner und regelmäßiger verteilt, bzw. im 
Medium gelöst, verwendet. 

ß) Wird ein Fragment mit Äther behandelt, 
so löst sich die weiße Schicht stückweise vom 
Wachsgrund ab. 

Wird das Stückchen in heißem Wasser gekocht, 
so entsteht rings um dasselbe ein dicker Wall 
von weißen punktförmigen Teilchen, Salzen. Die 
Oberfläche des Stückchens ist weißrosa geblieben, 
aber weniger glänzend geworden. 

y) Wird Salzsäure zugesetzt, so entsteht keine 
wahrnehmbare Kohlensäureentwickelung. Die 
weiße Schicht zerfällt. Es entstehen zahlreiche 
Gipskristalie und wenige Bleichloridkristalle. Bei 
Zusatz von Jod entstehen spärliche goldgelbe Kri- 
stalle von Jodblei. 

Es ist also Bleiweiß in der weißen Schicht. 
Vorwiegend besteht dieselbe aber aus Gips. 

Von dem Stückchen weißer Decksubstanz sind 
außer den kristallinisch ausgefallenen Teilen 
amorphe feinkörnige Massen zurückgeblieben — 
die Bindesubstanz für die ermittelten Teile. 

D. ALLGEMEINES ÜBER DIE BEMALUNG DER BÖSTE 

Die Teilchen, welche mir zur Untersuchung 
dienten, stammen von den verschiedensten 
Teilen der Büste. 

Es stand also zu erwarten, daß ihre Unter- 
suchung ein vollständiges Bild der künstlerischen 
Behandlung der Farben liefern würde. Das ist 
aber nur zum Teil der Fall gewesen, denn es 
zeigte sich, daß auf einzelnen Stückchen nur noch 
Spuren von Farben oder halb erhaltene Schichten 
derselben vorhanden waren. 

a) Stellenweise ist die Farbe offenbar künstlich 
entfernt; man sieht Spuren der Abreibung bzw. 
des Abkratzens der Farben. Besonders an den 
vom >Körper< stammenden Fragmenten läßt sich 
erkennen, daß der Körper mit einem rosa 
Kolorit überzogen war, welches aber stellen- 



119 



AMTLICHE BERICHTE AUS DEN KÖNIOL. KUNSTSAMMLUNGEN 



120 



l 



weise fehlt, so daß die Wachsoberfläche freiliegt. 
An einem Fragment fand ich auf der Oberfläche 
des Wachses nur ein winziges Flächenteilchen 
des unter C. a beschriebenen Farbenüberzuges. 
Dieses, schön rosa gefärbt, saß wie eine Insel 
mit deutlich sichtbaren Bruchkanten auf der 
Wachsoberfläche. 

An mehreren kleinen Teilchen ist die weiße 
rosarot gefärbte Schicht aber in ganzer Ausdeh- 
nung des Stückes erhalten. 

Es läßt sich also aus dem mikroskopi- 
schen Befunde der Schluß ziehen, daß 
die vom Gewand freien Teile der Büste, 
Hals, Nacken, Gesicht, ursprünglich mit 
einem zarten rosa Fleischton bemalt ge- 
wesen, daß aber die Farbe von größeren 
Flächenteilen entfernt worden ist. 

Das Blau des Gewandes ist ebenfalls stellen- 
weise von der Oberfläche der Büste durch Kratzen 
und Waschen entfernt worden. 

ß) Die Art der Malerei ist an den kleinen 
Stückchen noch deutlich zu erkennen. 

Je nach dem beabsichtigten Effekt ist das Blau 
hellgrauweiß oder dunkelbraunrot unterlegt. Die 
grauweiße, ziemlich dicke Schicht dieser Unter- 
legung besteht vorwiegend aus Eiweiß. 

An einem größeren, etwa 1 cm Quadrat messen- 
des Stückchen sind regelmäßige Eindrücke in der 
Wachsoberfläche vorhanden, muldenförmige Ver- 
tiefungen, die durch ebenso viele vorspringende 
Leisten bzw. Vorragungen getrennt sind. Sie sind 
an den Enden durch eine querlaufende Leiste 
begrenzt. Das Ganze bildet ein Linien- 
muster, welches offenbar die Verzierung, viel- 
leicht die Borte des Gewandes, vorstellen sollte. 

Auf diesemMuster ist die Malerei eine 
besonders sorgfältige und in der Tech- 
nik eigentümliche. 

Die vorspringenden Leisten zwischen den 
Furchen sind hellblau, die zwischenliegenden 
Furchen sind dunkelblau gehalten. Das Hell- 
blau derLeisten ist, wie erwähnt, gelb- 
grau bis weiß unterlegt, das dunkle 
Blau in den Furchen hat die unter A. a 
erwähnte braune Unterlage. 

Das Hellblau auf der Höhe der Leisten zeigt 
einen stellenweise noch gut erhaltenen Überzug 
(Lasur) mit einem durchsichtigen gelbgrauen 
Farbstoff. 

Die Details dieser Malerei sind ziem- 
lich sorgfältig gearbeitet und zeigen 
eine Technik, welche der altitalienischen 
Temperatechnik des XV. und XVL Jahr- 
hunderts und auch der gleichzeitigen 
altdeutschen und altniederländischen 
Kunst als Malmethode eigen ist. 

y) Einzelne Stellen auf den von mir unter- 
suchten Proben weichen aber im Farbenauftrage 
völlig von dem geschilderten Typus ab. Es finden 



sich nämlich auf mehreren Bruchstücken Stellen, 
wo die geschilderten Schichten fehlen, wo das 
Wachs direkt freiliegt, aber auf seiner Oberfläche 
eine Menge blauer Farbenteilchen zeigt, die auf 
der obersten Wachsschicht festhaften, offenbar 
aufgestreut und dann mit einer dünnen Wachs- 
schicht überzogen sind. Hier ist offenbar die 
Malerei ausgebessert worden. Wie ausgedehnt 
diese Restauration bzw. Übermalung der Büsten- 
oberfläche gewesen ist, läßt sich den kleinen 
Teilchen, die ich untersuchen konnte, nicht ent- 
nehmen. Nur die Tatsache, daß eine Übermalung 
stattgefunden hat, ist an den Befunden im Blau 
des Gewandes sichergestellt. Es läßt sich aber 
nicht entscheiden, ob die Hand, welche diese 
Ausbesserung vornahm, dieselbe ist, welche von 
der Oberfläche am Körper der Büste die Gips- 
bekleidung mit der roten Farbe abgewaschen 
bzw. entfernt hat. 

S) Was die Technik des Auftrages der Farben 
angeht, so ist es von vornherein klar, daß die 
Farbe des Haares, der Orseilleteig, nicht mit dem 
Pinsel aufgetragen sein kann. Dieses Material ist 
vielmehr entweder direkt mit der Hand und den 
Fingern oder einem spachtelartigen Instrument 
aufgetragen und mehr »modelliert als gemalt« 
worden. 

Auch die von Gewand freie Körperoberflächc 
ist wohl in ähnlicher Weise mit der dünnen Gip«- 
Schicht, welcher die rote Farbe zugemischt war, 
überzogen worden. Eine kompliziertere Technik 
ist dagegen bei der Malerei der Gewandung zur 
Anwendung gelangt, indem hier zwei, stellen- 
weise drei Schichten verschiedener Farblagen 
übereinander angebracht sind, um in ihrer Ge- 
samtheit bestimmte Wirkungen der Farbentiefe 
und Sättigung hervorzubringen. 

Die in der beschriebenen Malerei m- 
tage tretende Technik läßt erkennen, 
daß der Autor der Büste ein ebenso 
technisch geschulter Maler als guter 
Bildhauer gewesen sein muß. 

Wie die auf der Büste zur Anwendung 
gelangte Maltechnik, die Schichtung der 
Farbenlagen, das für die Renaissance- 
kunst charakteristische durchscheinende 
Medium usw., so sind auch einzelne der 
verwendeten Materialien in den letzten 
anderthalb Jahrhunderten in der Mal- 
kunst meines Wissens nicht mehr ver- 
wandt worden. 

So legt die Malerei auf der Büste, auch 
unter der dicken Schmutzkruste, welche 
sie bedeckt, noch heute Zeugnis ab für 
die Kunst des alten Meisters, der sie ge- 
schaffen hat. 

Weimar, den 23. Dezember 1909. 

gez.« Raehlmann 



Gedruckt in der Reichsdruckerei. 



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Vver auf das unendliche Gewirr der Geschichte zurüdc- 
blickt, auf den dunklen, von Lichtreflexen glitzernden 
Strom der Entwicklung aus Ideen, Interessen, Handlungen 
und Ereignissen, und es nicht wissenschaftlich tut, sondern 
als Dichter, dem kommt das Wort „Narrenweisheit" als 
zutreffendes Symbol in den Sinn. 

Der deutsc'ne Meister des mehr als bloß erzählenden 
historischen Romans, Lion I-euchtwanger, der Autor des 
„Jud Süss", der „Häßlichen Herzogin", der „Josephus" -Tri- 
logie, des „Goya", hat das Wort für sein jüngstes Werk 
„Tod und Verklärung des Jean -Jacques Rousseau" gewählt. 
Lion Feuchtwanger hängt der Vernunft in der Geschichte 
an; er glaubt an ihren endlichen Triumph. Aber er sieht, 
was war und was ist. Und so stellt er es — ein neues Groß- 
gemälde mit allem Licht und allen Schatten — - um jenen 
Philosophen und Schriftsteller dar, der wie kaum ein 
zweiter, ohne daß er es eigentlich wollte, durch seine 
immer mehrdeutigen Theorien den Lauf der gesellschaft- 
lichen Entwicklung bis heute mitbestimmt hat. Rousseau 
war weise und ein romantischer Narr; was aus seinen 
Lehren entstand, damals schon, als er noch lebte, und erst 
recht nach seinem Tod, gibt dieser Roman. Die Entschei- 
dung, ob es vollends in tragischer Narrheit ausgehen oder 
doch noch zu Einsicht und Weisheit führen mag, ist noch 
immer nicht ausgetragen. 

Wenn Feuchtwanger „philosophiert", so tut er es nur „im 
Grunde", aus dem seine Gestalten sich lebendig erheben; 
alsoauf dichterische Weise. Auch dieser sein Romandrückt 
so das Wesen einer Zeit aus — dramatisch bewegt, mit allen 
Spannungen abenteuerlichen Lebens und Sterbens. Bis 
Rousseaus Leichnam ins französische Pantheon überführt 
wird, geschieht höchst Merkwürdiges. (Ist er eigentlich, im 
Einvernehmen mit dem ihm nahestehenden Weibervolk, 
ermordet worden ?) Gröfkes und Kleinstes, Erhabenes und 
Schäbigstes, Ideale und Interessen schlingen sich ineinan- 
der und schaffen das Gewebe einer Epoche, in der wir 
Heutigen noch wurzeln. 

Feuchtwanger ist nicht davor zurückgeschreckt, sich dies- 
mal in seiner Sprache der romantischen Denk- und Aus- 
drucksweise jener Zeit zu bedienen. Ein eigenartiger 
Schmelz „Achtzehntes Jahrhundert" liegt über dem Werk. 
Da es aber die Schwelle des neunzehnten Jahrhunderts ist, 
an die es uns führt, wird unser Mit Vollzug möglich gemacht; 
es ist — wieder einmal — eine erstaunliche schriftstelle- 
rische Leistung. 

Wir sind heute sehr geneigt, nach allen Erfahrungen, die 
wir gemacht haben, den Titel dieses Romans zu verstehen : 
„Narrenweisheit". Wenn wir das Buch gelesen haben, sind 
wir vollends davon überzeugt, daß er zu Recht besteht — 
und uns eine Aufgabe setzt: der Vernunft doch zum Sieg 
zu verhelfen. 



» 



/ 




LION FEUCHTWANGER 

GOYA 

oder 
DER ARGE WEG DER ERKENNTNIS 

Jloman 
6i2 Seiten, Qanzleinenband 

Cayetana, Herzogin von Alba, grausam und 
kindlich gütig, hochfahrend und doch von Sehn- 
sucht nach der Ursprünglichkeit des Volkes 
verzehrt; ihr Leibarzt Peral, Mann vollendeter 
Formen, undurdisiditiger Kosmopolit; Maria 
Luisa, die Königin, gierig wie ein Raubvogel, geil, 
verstandesscharf; Manuel Godoy, der bedenken- 
lose Günstling, den sie aus der Tiefe holt und 
zum Infanten und Fürsten des Friedens macht; 
starre Granden, gesdimeidige Abbes, gesdiwät- 
zige Liberale, pedantisdie Bürger, treue Freunde, 
fanatische Dienerinnen, erbarmungslose Intri- 
ganten: das istdiedüsterprunkende,die groteske, 
die strahlend heitere, die tausendfarbige Welt 
Spaniens, die Goya, der größte Maler des Landes 
seit Velasquez, in seinen Werken nadigebildet, 
die ihn selbst gebildet hat. Sein Dämon hat ihn 
zum unerbittlidien Portraitisten des Hofes, seines 
Volkes und seines Landes gemadit. Keinen 
Augenblick lockert sidi die kaum ertragbare 
Spannung, in der Werk um Werk des kraftstrot- 
zenden, bauernschlauen, kecken Mannes entsteht. 

„Einer, der so tiefen Blickes sieht, der ist gefähr- 
lidi ..." So lastet immer über ihm die Drohung 
der Inquisition, lähmend und tiefsten Schauder 
aufrührend. Nur eine verwegene politische Bur- 
leske wird ihn retten. In unausweichliche Tragik 
aber mündet dieses Leben, das rückhaltlos dem 
Gesetz einer Glück und Zerstörung erfüllenden 
Liebe unterworfen ist. 

Man legt dieses Budi nicht gleichgültig aus der 
Hand. Sein Zauber ist nachhaltig. Seine Figuren 
bleiben der Vorstellung des Lesers vertraut, wie 
nur höhere Wirklidikeit es vermag: die höhere 
Wirklidikeit der Kunst und die der Leidensdiafl. 



FRANKFURTER VERLAGSANSTALT 




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LION FEUCHTWANGER 

NARRENWEIS HE IT 

ODER 

TOD UND VERKLÄRUNG 
DE S J EAN - JACQUES ROUSSEAU 



ROMAN 



FRANKFURTER VERL A G S AN S TA LT 



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NARRENWEISHEIT 

ODER 

TOD UND VERKLÄRUNG 
DES JEAN-JACQUES ROUSSEAU 



Copyright 1952 by Pazifische Presse. Los Angeles / Alle Rechte der 
deutschen Ausgabe bei der Frankfurter Vcrlagsanstalt GmbH., Frank- 
furt am Main/ Schutzumschlag: Gerd Aretz, Werkku nstschule Wupper- 
tal / Satz und Druck von Johannes Weisbecker. Frankfurt am Main / 

Bindearbeiten; Karl Hanke, Düsseldorf 



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Große Menschen sind Meteore, die sich selbst 
verzehren, um die Welt zu erleuchten, 

Napoleon 



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WERKE DESSELBEN VERFASSERS: 



Gedichte: 






PARCIVAL. DIE FRÜHEN GÄRTEN 


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Dramen : 


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CATHERINA, GRÄFIN VON ARMAGNAC Schauspiel 




ASSÜS, FITNE UND SUMURUD 


Trauerspiel 




Theater in Prosa: 






DER DEUTSCHE GRAF 


Komödie 




GIULIA DIE AMERIKANERIN 


(In Vorbereitung) , 





( 



Übertragung: 

D'ANNUNZIO, FRANCESCA DA RIMINI Tragödie in Versen 



DIE ORESTIE 



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(/LtpvClt 



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DES AISCHYLOS 

ORESTEIA 



Deutsch 



von 



Karl VollnioeUer 



S. FISCHER, VERLAG, BERLIN 

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Alle Rechte vorbehalten. Den Bühueu gegenüber Manuskript, Das 

Recht der Aufführung ist nur von S, Fischer, Verlag, Berlin W„ 

Bülowstraße po (Theaterabteilung) zu erwerben. 

fo Exemplare sind auf handge schöpf teni Büttenpapier abgezogen, 
numeriert und in Ganzpergament gebunden, Preis jo Mark für 

das Exemplar, direkt vom Verlag, 



• ** 



Die vorliegende Arbeit ist nicht bestimmt mit 
irgend einer der vielen vorhandnen Uebertragungen 
des Aischylos in Wettbewerb zu treten. Sie ent- 
stand vor Jahren auf Wunsch und Anregung einer 
grossen deutschen Bühne. Ihre Endbestimmung 
ist Aufführung, ihr Character Compromiss. Wort, 
Rhythmus und die wenigen Zusammenziehungen 
sind durch Rücksicht auf das Sprechvermögen 
lebender Schauspieler und auf das Ohr heutiger 
Zuschauer bestimmt. An grundsätzlicher Treue 
gegen das griechische Wort wurde das äusserste 
angestrebt, an philologischer Arbeit soviel als Ge- 
duld und bescheidne Kräfte vermochten. Der zu 
Grund gelegte Text ist der KirchhofFsche. 



ZUEIGNUNG: 



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Auf wirren Gleisen und metallnen Schienen 
Rast jetzt die Zeit (blüht noch der ewige Baum? 
Reift noch die Saat?) und wie aus schwerem Traum, 
Herrscher und Sklaven, stöhnen die Maschinen: 



Verstummter Mund, Gefährte der Gefährten, 
Bruder vom Purpurmeer und goldnen Strand! 
Weckt dich noch nachts der Duft messenischer 



Weinst du noch so des Nachts 



Gärten? 

wie hoch am 

Rand 



Rings Wüstenei von Schnee und Bogenlampen! 
Aus dieser Welt von Hammer, Glas und Stahl 
Steig ich noch einmal zu den goldenen Rampen 
Der hohen Burg? Ja wird uns noch einmal 

Des Gottes Stimme aus geweihten Mauern: 
Die jäh uns rührt und wild erbeben macht. 
Mehr als Verbannter Leid und bleiches Trauern. . 
— Kannst du noch weinen? Kannst du noch er- 
schauern? 



Der heiligen Schlucht du weintest im Getön 
Des fernen Wildbachs und der niedern Blitze. 
Ja, galt ein Tag dir wieder gross und schön 
Seit jenem Tag, da wir der Götter Sitze 

Im Morgen schauten, schimmernd rot und grau. 
Mittags am Berg und greisen Quell gerastet 
Und spät in Abendtempeln, tot und blau. 
Der Erde Nabel gläubig fromm betastet. 



Oder ist dies die Nacht? Ist dies die Nacht? 



AGAMEMNON 



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Vollmoellcr, Orcstie 



AGAMEMNON 



PERSONEN 



WÄCHTER 

CHOR ARGIVISCHER GREISE 

KLYTAIMNESTRA 

HEROLD 

AGAMEMNON 

KASSANDRA 

AIGISTHOS 



Vor dem Palast der Atriden zu Argos. In der Mitte des Hinter- 
grunds die königliche Pforte, zu der v^enige flache Stufen führen. 
Zu beiden Seiten reichen niedrigere Flügelgebäude bis in den 
Vordergrund In dem so begrenzten Vorhof Altäre und Götter- 
bilder. — Ende der Nacht. Auf dem flachen Dach des Unken 
Flügels die zusammengekauerte Gestalt des Wächters. 

ERSTE SCENE ^ 



WÄCHTER. 
Gebt Götter doch ein Ende dieser Mühn, 
Die wie ein Hund auf Atreus Dach gelagert 
Ich nun in jahrelanger Wacht ertrug, 
Die reisigen Sterne lernend und beschauend. 
Die uns den Sommer bringen, die den Winter: 
Glänzende Herrscher, luftige, strahlende. 
Und ihren Aufgang und den Untergang. 
So späh auch diese Nacht ich nach dem Schein 
Des Feuers aus, das Kunde uns von Troja 
Und Siegesbotschaft bringe, nach Geheiss 
Und Hoffnung der männischen Königin. 
— Hut ich mein nachtumschauert Lager so, 
Das nass von Tau, von Träumen nie besucht, 



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— 4 — 

(Denn statt des Schlummers steht die Furcht bei mir 

Es möchten schläfrig mir die Lider sinken) 

Und singe oder trällere mir ein Lied, 

Den Schlaf mit Gegenzauber zu belisten, 

So kommt mir Weinen nur und schweres Seufzen 

Um dieses Haus, das einst sehr wohl bestellt. 

Er richtet sich etwas auf und späht aufmerksamer nach den 

fernen Bergen. 

Kam doch zur Zeit jetzt aus den Dunkel brechend 

Mühsale endigend die frohe Flamme ! — 

Triumph ! Jo ! Jo ! 

Willkommen o Nachtleuchte! Jungen Tag 

Erweckst du uns und Reigentänze viele 

In Argos um des unerhörten Glücks. 

Er eilt in die Bühne hinab und quer über den Hof zur Türe des 
^ Frauensaals im rechten Seitenflügel. 

Dem Weibe Agamemnons ruf ichs zu, 

Dass sie vom Lager springend Freudenschreie 

Entgegenjauchze diesem Fackelstrahl 

(Da die Stadt Ilion gefallen ist 

Wie der leuchtende Bote uns verkündet). 

Selbst will zuvörderst ich im Reigen tanzen: 

Denn menier Herrschaft Schicksal wandte ich 

Mit diesem Glückswurf einer Feuerwache. 

Werd' es mir, Gott, des heimgekehrten Herrn 



5 



Geliebte Hand in dieser Hand zu drücken 



Mehr sag ich nicht. Der Mund ist mir versiegelt. 
Ja hätten Mauern Stimme, sagten die's 
Am deutlichsten. Es mag mich leicht verstehen 
Wer darum weiss. Den andern bin ich stumm. 

Er verschwindet in der Tür, Es wird langsam Tag. Chor 

argivischer Greise von rechts. 

ZWEITE SCENE 

CHOR. SPÄTER KLYTAIMNESTRA. 

CHORFÜHRER. 
Vor zehen Jahren erhoben den Heereszug 

Um Helena die beiden gewaltigen ' 

Herren des Zwillingsthrons und Szepters 

Racheschnaubend, mit tausend Schiffen, 

ERSTER GREIS. 
Des Atreus Söhne. So wie ein Geierpaar, 
Dem man die Brut aus felsigem Nest geraubt, 
Schreiend am Himmel kreist mit schweren 
Grimmigen, tönenden Flügelschlägen: 

ZWEITER GREIS. 
Und einer wohl der oberen Götter hört, 
ApoUon oder der berghütende Pan, 
Zeus selber hört den Schrei und schickt dem 
Frevler hinab die späte Erinys. 



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7 — 



DER ERSTE. 
So sandte Zeus die rächenden Könige 
Das Gastrecht sühnend gegen den Räuber aus, 
Brechende Knie und Lanzensplittern 
Mord und Ringen und Kampf erregend 

DER ZWEITE. 
Dem Danaervolke und auch dem Troischen Heer. 
Wir aber schleppen hier unser zermürbtes Fleisch 
Ruhmlos am Stecken, zittrigem Laube gleich 
Und um Nichts tüchtiger als Kinder : 
Im Tag umwandelnd ein Traumbild. 

Während des vorigen sind Klytaimnestras Dienerinnen mit 
Krügen und Opferkörben in feierlichem Aufzug aus dem Frauen- 
gemach getreten, haben die Spenden bereitet , die Altäre ge- 
schmückt und die Feuer entzündet. Bei den letzten Worten des 
Chors erscheint die Königin selbst auf der Sch^welle des Frauen- 
gemachs und wendet sich den Altären zu. 

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CHORFÜHRER. 
Doch sag uns, Königin, Tochter des Tyndaros, 
Was, Klytaimnestra, ist dir zum Heil geschehn, 
Welch neue Botschaft heisst dich gläubig 
Rings die festlichen Opfer bereiten. 

ERSTER GREIS. 
Für alle Götter ja, himmlische, untere, 
Die Stadtbeschirmer und für die Hüter der Flur 



Seh ich entzündete Altäre 

Zucken die Flammen durch Wohlgerüche 

ZWEITER GREIS. 
Genährt und gesänftigt mit dem heiligen Oel. 
— Nun steh uns Rede, wo es dir billig scheint. 
Verscheuch und nimm uns quälender Zweifel Last, 
Die schon im Leuchten deiner Opfer 
Zu hellerer Hoffnung sich lichten. 

Klytaimnestra antwortet mit einer abwehrenden Geberde und 
fährt schweigend in der Opferhandlung fort. 

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' CHOR. ' 

Zeus! Zeus! - -i - . 

Wer er auch immer sei ' • - . . > 

Welcher Ruf ihm genehm 

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Betend nenn ich ihn so. ^ ^ . 

Wie ich ihn suche 

Wie ich ihn fasse -^ ' ' 

Er nur sich selber vergleichbar. 

Wo sind die Mächtigen hin 

Kampfeswütig und stolz? 

Kaum dass man weiss dass sie waren. 

Und der ihnen gefolgt, 

Fand seinen Sieger er nicht? ..... 

Zeus besinge im Liede 

Sieh und unendliche Weisheit ist dein. 



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— 8 — 

Der den Sterblichen Pfade wies 

Alles Gedankens, der das Leiden 

Hat zur Lehre gesetzt. 

Oft vor die schlummernde Seele 

Treten die Schatten Erinnrung und Qual: 

Mancher lernt, der nicht zu lernen dachte. 

Preist der Himmlischen Vorsicht denn, 

Die das heilige Steuer halten. 

So der ältere König dort, 

Der achaischen Schiffe Führer, 

Schmähte den Seher nicht. 

Beugte sich dem stürzenden Schicksal, 

Da die darbende Flotte 

Fahrtlos hungernd gen Challds lag, 

Tatlos die Völker 

An den strudelreichen Oertern von Aulis. 

Wehten die Winde vom Strymon her 

Hemmende, dörrende, hafenstürmende. 

Siechten die Männer 

Barsten die Schiffe 

Rissen die Taue ^ . . • 

Schmolz die Blüte 

Des Heers im harren dahin. . . 

Doch als des bitteren Sturmes 



— 9 — 



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Bittrere Linderung 

Kalchas den Fürsten genannt, 

Artemis Groll und Gebot, 

Siehe da stiessen sie schmerzlich die Szepter zur Erde 

Atreus Söhne und hielten die Tränen nicht. 

Sprach der ältere Herrscher so : 

Schwer ists gegen das Schicksal zu stehen. 

Schwerer noch, 

Ein leibeigenes Kind zu schlachten, 

Zier des häuslichen Herds. 

Vaterhände am Altar besudeln 

Mit jungfräulichm Blut, 

— Wo ist grösseres Uebel — 

Oder die Schiffe verraten? 

Oder die Bünde brechen? 

Windstillende Opfer, Tochtermord 

Heischen sie laut. Doch wehrt es 

Themis selber. Und nun helfe mir Gott. 

Doch wie er einmal dem Joch der Not sich gebogen, 

Treibt er sein Herz in frevelnden Umschlag, 

Unheilvoll, unrein 

Sinnt er die schändliche Tat. 

Denn zum Frevel treibt ja der übelratende 

Irrwahn den Menschen 



:) 



11 



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Hat er erst einmal gefehlt. 
Opfern die Tochter will er mit eigener Hand 
Rachefahrt um ein Weib zu befördern, 
Schiffen zur Lösung. 

Ihrer Bitten nicht, kindlichen Klagen nicht 

Nicht des jungfräulichen Alters 

Achteten die Kriegrischen da. 

Heisst der Vater nach dem Gebet die Diener 

Wie ein Opfertier sie vornübergebogen 

Auf den Altar heben, ge wänder umweht. 

Heisst den Mund ihr, den schöngebildeten, 

Aengstlich verschliessen, V 

Fürchtend, es möchte ihr letztes Wort noch dem eignen 

Hause ein Fluch sein. 

Lag sie gezügelt lautlos und stumm, 

Fielen die safranfarbnen Gewände, 

Sendet sie jedem der Opfrer noch 

Mitleidflehender Blicke Geschosse, 

Schön sie, wie Maler die Schönheit gebildet, 

Stumm wie ein Bild : 

Sie die dereinst doch im heimischen Männersaal 

Oftmals sang an den prächtigen Tischen, 

Rein des Vaters dreimalgeweihtes erhabnes 

Schicksal berühmend. 



^ 



— 1 1 — 

Was geschah, sah ich nicht, sag ich nicht an. 

Fruchtlos nicht blieben des Priesters Werke. 

Dike jedoch wägt Leidenden zu 

Tiefres Erkennen. Und künftges Geschehn 

Wird sich entschleiern, ob froh wir's, 

Ob wir's mit Seufzen erwarten : 

Kommen wird es, erfüllt mit dem steigenden Strahl. 

Heilende Lösung seis, wie auch dein Flehn gewiss, 

Fürstin, die du alleiniger Hort jetzt bist 

Apias Erde. 

CHORFÜHRER. 
Ehrfürchtig nah ich, Klytaimnestra, deiner 

Fürstlichen Macht, da Huldigung gebührt 

Dem Weib des Herrschers, dessen Thron verwaist ist. 

Sag an, ob du schon sichern Glücks gewiss 

Ob nur in froher Hoffnung Opfer zündest. 

Und schweigst du, sei dein Schweigen selbst geehrt. 

KLYTAIMNESTRA. 
Mit froher Botschaft, sagt ein alter Spruch, 

Steigt aus dem Schoss der Nacht die Morgenröte. 

So schickt euch an das grosse Glück zu hören 

Grösser als alles Hoffen : Ilion fiel. 

CHORFÜHRER. 
Dein Wort, zu unerhört, erfasst ich nicht 



!' 



12 

KLYTAIMNESTRA. 
Ilion ist unser. Sprach ich deudicher? 

ERSTER GREIS. 
Freude durchschauert mich. Sieh meine Tränen. 

KLYTAIMNESTRA. 
Für deine Treue zeugt dein feuchter Blick, 

ZWEITER GREIS. 
Doch hast du sichres Zeugnis solcher Dinge ? 

KLYTAIMNESTRA. 
Gewiss. Es sei, die Gottheit trüge selbst. 

DRITTER GREIS. 
Vielleicht ehrst gläubig du ein Traumgesicht? 

KLYTAIMNESTRA. 
Nie traut ich meinen Sinnen, wenn ich schlief. 

VIERTER GREIS. ■ 

Erregte dich ein schweifendes Gerücht? 

KLYTAIMNESTRA. 
Gibst du mir die Vernunft von einem Kinde? 

FÜNFTER GREIS. 
Doch wann geschah der Stadt Erstürmung dann? 

KLYTAIMNESTRA. 
In der Nacht, die den heutigen Tag gebar. 



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— ^3 — 

SECHSTER GREIS. 
Und wer tat dir so rasche Botenreise? 



KLYTAIMNESTRA. 
Hephaistos selbst. Vom Ida brach der Glanz 
Von Wart zu Warte neue Glut erweckend: 
Auf Lemnos flammt das Hermesvorgebirge. 
Von ihm empfängt die ungeheure Fackel 
Des Zeus Berg Athos. Weithin übers Meer, 
Dass Lust am fremden zitternden Geleuchte 
Die Fische nach des Meeres Rücken treibt, 
Strahlt seine Fichte, golden, eine Sonne 
Den Botenstrahl dem Berg Makiston zu. 
Dort schläft der Späher nicht und ohne Zaudern 
Schickt über des Eurlpos Strömung er 
Den Wächtern auf Messaplon das Zeichen. 
Die haben längst zur Antwort dürre Heide 
Türmend geschichtet und schon loht der Stoss. 
Die rüstige Flamme läuft um nichts verdunkelt 
Wie Mondschein über die äsopische 
Ebne den Zacken des Kithäron zu, 
Aufs neue neue Flammenpost entfachend. 
Die Hüter weigern nicht ihr das Geleit 
Entsenden mächtiger sie, als sie gekommen. 
Nun stürzt sie über den Gorgopis-See 



II 



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Zum Aigiplankton, herrisch weitre Zehrung 

Zur Reise heischend, ohne Aufenthalt. 

Der Wächter lässt anschürend die gewaltge 

Prasselnde Säule aus dem Holzstoss schiessen, 

Ueber die Wasser des Saronischen Meers. 

Von da entstürmt von da zuletzt gekommen 

Zum Arachnaion, unsrer nächsten Warte, 

Erreichte sie das Dach der Königsburg, 

Echte Urtochter jener Idaflamme. 

— Solches die Ordnung meines Fackellaufs, 

Von Flamm auf Flamme folgend schön erfüllt. 

Und Siegerin die erste wie die letzte. 

Dies sei zum Pfand und Zeichen euch der Botschaft, 

Die unser Herr aus Troja mir gesandt. 

CHORFÜHRER. 
Den Göttern sei hernach der Dank gebracht. 
Doch deine Kunde fremd und wunderbar 
Wünscht wieder ich und noch einmal zu hören. 

KLYTAIMNESTRA. 
Achaier hausen heut in Ilion. 

Wild Schreien, dünkt mich, gellt jetzt durch die Stadt. 
Wie Oel und Essig, ewig feindlich sich. 
In ein Gefäss gerührt doch nie sich mischen, 
So tönt wohl dort der Sieger und Besiegten 



— 15 — 

Vermengt Geschrei, im Schicksal tief getrennt: 

Die einen über Leichen hingestreckt 

Erschlagener Verwandten, greiser Väter, 

Kinder die, ach, aus nicht mehr freiem Mund 

Verstört der toten Lieben Los bejammern. 

Die andern, nüchtern nach durchkämpfter Nacht, 

Treibt Hunger durch die Stadt, nach Mahlen lüstern. 

Wie sie der Zufall bietet. Ohne Wahl 

Liegen sie jetzt in der Besiegten Häusern, 

Erlöst von Frost und Kot und Tau des langen 

Feldlagers, ohne ausgestellte Wachen 

Und ohne Furcht des Feinds und sorgenlos. 

— Wofern sie nur die stadtbeschirmenden 

Gottheiten ehren des erkämpften Landes 

Hoff ich, erliegt der Sieger nicht dem Sieg. 

Hüte das Heer vor der Begierde sich. 

Das heilige aus Gewinnsucht zu betasten. 

Denn Not ist ihm der Götter Schutz zum zweiten 

Umlauf der Doppelbahn: zur Wiederkehr. 

Mh versteckter Bedeutung. 

Und kehren heim sie ohne Göttergroll, 
Wie leicht geschiehts, dass Blut Erschlagener 
Erwacht und dräut — wenn sonst kein Unheil kam. 



Mit verändertem Ausdruck. 



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— i6 — 

Es spricht zu euch ein Weib mit Weiberworten. 
Bedenkts nicht weiter. Sei das Ende gut. 

Sie wendet sich wieder der Opferhandlung zu und tritt während 
der folgenden Verse des Chors in den Palast zurück. 

CHOR. 

Allwaltender Zeus und o freundliche Nacht, 
Uns Erwerberin herrlichsten Ruhmes, 
Die um Ilions Türme das Fangnetz warf, 
Dass Keiner den haschenden Maschen 
Kein Mann und kein Knabe entschlüpft, 
In der grossen Knechtschaft Garn 
Und gemeinem Schicksal gefangen. 

Dich verehren wir, Zeus, gewaltiger Hort 
Des Gastrechts du, der solches vollführt. 
Der seit lang schon den Bogen gespannt hielt 
Aufs Haupt des Verführers, der Atreus Haus 
Und gastlichen Tisch 
Durch des Weibs Entführung geschändet. 

Was Hess sie den Bürgern: Schilde hämmern, 
Speere schärfen, Schiffe bemannen, 
Was brachte sie Ihon als Morgengabe : 
Tod. Und so durchschritt sie die Tore 
Leichten Fusses mit der entsetzlichen Last. 






— 17 — 

Klagten die Seher des Hauses da: 

Wehe dir Haus, Haus! Wehe den Fürsten! 

Wehe dir Bett und der Buhlschaft Spuren, 

Schweigen zornlos, Schweigen voll Schmach! 

Weichster aller verlassenen Männer. 

Sehnsuchtverzehrt nach der Fernen herrscht er 

Bald nur ein Schatten noch bleich im Palast, 

Schön gemeisselter Bilder 

Anmut vermeidend. 

Da sein Lager verlassen steht, 

Floh Aphrodite. 

Zur Kümmernis zeigen Traumbilder sich dann 

Und Schemen ihm zu trügender Freude. 

Ja eitel wähnt er das Glück zu schaun: 

Es zerrinnt ihm unter den Händen das Bild 

Und nie besucht es zum zweitenmale 

Auf Flügeln die Pfade des Traums. 

So ist im Haus und am Herde das eine Leid, 

Da ist ein andres viel schwerer als dies : 

Allen die ausgezogen von Hellas 

Starrt aus dem Haus der Zurückgebliebenen 

Duldende Trauer nach. 

Vieles nagt an der Verlassenen Herzen 

Wohl weiss jeder was er dahingegeben, 

Vollmocller, Orestie % 



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— i8 — 

Doch was zurückkehrt 

Jeglichem Hause, das ist nur des Kriegers 

Rüstung und Asche. 

Grimmer Wechsler der Wahlstatt Ares, 

Der im Speerkampf die Wage hält ! 

Von dem Troischen Blachfeld 

Wägt er den Lieben der Heimat zu 

Schwere tränenbefeuchtete Asche: 

Der Helden Staub 

In schöngeordnete Krüge füllend. ,_ . 

Da rühmen sie wehklagend des einen 

Kampfesmut, des anderen männlichen Tod 

Um das fremde Weib. Und verstecktes Murren, 

Neidvoller Verdruss . 

Umschleicht die herrischen Atreussöhne. 
— Sie aber die Jugendschönen 

Wohnen in ihren Gräbern dort 

• . •' ' • 

Unter Ilions Mauern, 

Fremd in besiegter Erde, die ihre Sieger bedeckt. 



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— 19 — 

DRITTE SCENE 

CHOR. WÄCHTER. SPÄTER DER HEROLD. 

DER WÄCHTER. 
Wie zu Anfang auf dem Dach erscheinend. 

Bald wird nun offenbar, ob die beredten 
Leuchten der Nacht und Fackelwechselscheia 
Die Wahrheit brachten oder ob ihr Licht 
Falsch wie ein Traumbild unsern Sinn berückte. 
Dort seh ich einen Herold vom Gestade nahn 
Oelzweigbekränzt. Der aufgewühlte Staub, 
Des Kotes dürrer Bruder, ist mir Bürge, 
Dass der mit Menschenstimme zu uns redet 
Und nicht mit Bergesbrand und Feuerrauch, 
Entweder mehr uns noch zur Freude treibend 
Oder — doch dieses Oder sei uns fern. 

Der Herold Talthybios kommt atemlos und staubbedeckt von 

links. Er eilt ohne den Chor zu beachten auf die Altäre des 

Hauses zUy sinkt in die Kniee und küsst den Boden. 

HEROLD. 

O Heimat, Argos, meiner Väter Land! 
So kehr ich heim im Strahl des zehnten Jahrs, 
Da manche Hoffnung brach, der einen froh: 
Der ich schon lang verzagt, in deiner Erde 
Dereinst bestattet und gestillt zu sein. 
Sei Erde mir gegrüsst, gegrüsst du Sonne, 



( 



20 



1 



Du Zeus, des Landes Herr und Pythier du, 

Dess Bogen uns hinfort nicht mehr bedräue, 

Da Feindschaft uns genug vor Ilion ward. 

Sei wieder Heiler uns und Retter jetzt, 

Herrscher Apollon! Auch die andern alle 

Die Marktbeschirmer ruf ich an und dich 

Hermes, den Boten, aller Boten Hort, 

Und euch Heroen, die geleitenden: 

Empfanget gnädig, die der Speer verschont! 

Heil euch, der Könige Wohnungen, traute Dächer, 

Ihr heiligen Sitze und besonnten Steine 

Der Götter, wollt wenn je euch freundlich zeigen 

Bei eures Königs später Wiederkehr. 

Ja wie ein Licht erscheint er euch zur Nacht, 

Euch und dem Volk von Argos: Agamemnon. 

Empfangt ihn wohl, wie ihm Empfang gebührt, 

Der Ilion umgrub mit des Rächers Zeus 

Gewaltigem Karst, dass brach die Ebene liegt 

Und jeder Keim vertilgt und jeder Same. 

Der Troja unter solches Joch gebeugt, 

Naht euch, ehrwürdig, glückgesegnet, mächtig 

Und aller Menschen würdigster zu nennen 

In dieser Zeit. Denn Paris nicht noch Troja 

Kann grössrer Tat als Strafe sich berühmen: 

Schuldig erkannt des Raubs und der Entführung 



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2 1 

Verloren alles mit der Beute sie 

Und ward der königliche Stamm vernichtet. 

Zwiefach gebüsst der Priamideii Schuld. 

CHOR. 
Heil dir und Freude ! Herold der Hellenen. 

HEROLD. 
Ja Freude! Wills ein Gott jetzt, sterb ich gern. 

CHOR. 
Hat dich der Heimat Sehnsucht so gequält? 

HEROLD. 
Ihr seht es jetzt an meinen Freudentränen. 

CHOR. 
So litt das Heer am gleichen süssen Weh? 

HEROLD. 
Wie meint Ihr das ? Sagt es mir deutlicher. 

CHOR. 
Liebend Verlangen nach den Liebenden. 

HEROLD. 
Habt Ihr uns denn, wie wir das Land ersehnt? 

CHOR. 
So dass wir oft im dumpfen Herzen seufzten. 

HEROLD. 
Woher befiel zu Haus euch solche Not? 



22 



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I 



II 



CHOR. 
Lang lernten Schweigen wir als letztes Mittel. 

HEROLD. 

Wart Ihr bedrückt, derweil der König fern war? 

CHOR. 
Wie du gesagt: Wir stürben gern und willig. 

HEROLD. 
Ja Preis dem Ausgang! Freilich fügt' im Lauf 
Der überlangen Zeit sich manches günstig, 
Andres ungünstiger. Wer, als die Götter 
Allein, erfreut sich ungetrübten Glücks. 
Von Ruderdienst und Wachen könnt ich reden, 
Sparsamer Landung, kargem Schlaf — ja welche 
Stunde von welchem Tag blieb unbeseufzt. 
Doch auf dem Festland ward uns ärgres noch. 
Das Lager hatten wir hart an den Mauern 
Des Feinds, vom Himmel nieder und herauf 
Aus feuchtem Grund vom Tau verfolgt, die Kleider 
Zerfault, zerfetzt, das Haar voll Ungeziefer. 
Soll ich vom Winter sagen, mit erfrornen 
Vögeln und Sturm und Schnee vom Ida her? 
Von Sommerschwüle, wenn das starre Meer 
Mittäglich, wellenlos, in Schlaf gesunken? 
Wozu noch klagen, wo doch alle Not 
Vorüber ist. Vorüber auch den Toten, 



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5? 



1? 



— 23 — 

Die des Erwachens Sorge ledig sind 
(Und wahrlich Grund sich des zu freuen haben). • 
Doch wozu denk ich der Erschlagenen, 
Was soll mir, der ich lebe, alter Jammer? 
Wahrlich mich dünkt, es ist zum Jubel Grund. 
Uns, die wir wiederkehrten mit dem Heere, 
Wiegt schwer die Heimkehr und das Leid wiegt leicht, 
Die rühmend wir zur Sonne sprechen dürfen, 
Weit hergezogen über Meer und Land : 
Aus Trojas Beute weiht das Heer von Argos 
Den Göttern diese Stücke, in den Tempeln 
Von Hellas aufgehängt als Kriegstrophäen. 
Wer solches hört, wird unsre Stadt verehren 
Und die Heerführer und des Gottes Huld, : .,'\ ; 
Der dies vollflihrt. Und hier bin ich am Ende. 

Klytainwestra ist während der letzten Worte auf der Scirwelle 

des Palasts erschienen. Der Herold sieht und begrüsst sie, 

Sie tritt auf die oberste Stufe der Treppe. 

VIERTE SCENE • 

KLYTAIMNESTRA. HEROLD. CHOR. 

• • KLYTAIMNESTRA. 

Gejauchzt vor Freude hab ich lange schon 

Beim Strahl des ersten nächtigen Gesandten 

Von der Stadt Troja Fall und Untergang. 

Da sprach wohl mancher spottend : Um ein Feuer 



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Glaubt sie, dass Ilion gefallen sei, 
Nach Weiberart mit Hoffnungen sich blähend. 
So schien ich vielen eine Schwärmerin, 
Dennoch gebot ich Opfer. Und auf meinen, 
Des Weibes Ruf stieg ringsum durch die Stadt 
Heiliges Jauchzen an der Götter Sitzen 
Und Brand und Weihrauch frommer Opferer. 
— Nun brauchst du weitres mir nicht kundzutun. 
Bald kann von meinem Herrn ich alles hören. 
Jetzt sorg ich nur, ihm würdigen Empfang 
Und Willkomm zu bereiten, denn was gab es 
Süsser für eine Frau als jenen Tag, 
Wo sie dem Mann, den Götter aus der Schlacht 
Ihr heimgeführt, des Hauses Türe öffnet. 
Sag dieses meinem Herrn: Er möge eilen 
Zur Stadt, die ihn ersehnt. Sag, es erwarte 
Ein frommes Weib ihn, wie er es verlassen, 
Ein Wachthund, allen feindlich, ihm nur treu. 
Und sonst in allem gleich. Sag ihm, ihr Siegel 
Sei ihm nach langen Jahren unversehrt. 

Sie tritt in den Palast zurück. Der Herold ab. 

CHOR. 

Wer hat so bedeutungschweren Namen 

Helene dir verhängt. 

Wenn der nicht, der uns verborgen 



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— 25 — 

Das Geschehende vorsieht 

Und die Zunge der Menschen lenkt. 

Helena, die uns heerumstritten 

Tausend Helden zur Hei gesandt 

Und Fürsten und Städte und Schiffe, 

Seit von dem bräutlichen 

Purpurlager sie floh, 

Mit Riesenschwingen des Westwinds fahrend. 

Und hinter ihr her auf schwanker Fährte 

Der Schwärm schildtragender Jäger gejagt. 

Den Kiel nach dem Strand des blätterbeschatteten 

Simois treibend 

Zu unendlichem Bluten und Ringen. 

So kam sie hin zur Feste von Ilion 

Wie Meeresstille lächelnd und spiegelklar, 

Ein köstlich geschmücktes Bild des Reichtums, 

Den Augen ein tödlich Geschoss, 

Eine siegende Herrin der Liebe. 

Doch war der Brautfahrt bitteres Ende 

Ihr auszurichten verhängt, 

Da zu Zwiespalt und Hader 

Der rächende Gastgott 

Sie selber geleitet in Priamos Haus 

Hochzeitlich bekränzte Erinys. 



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_ 26 — 

Von grauer Vorzeit ward überliefert uns 

Uralter Spruch: Das zum Himmel getürmte 

Glück eines Menschen zeugt selbst sich Erben und Sohn: 

Doch die Kinder des Glücks 

Heissen Jammer und Elend mit Namen. 

Anders denk ich: Die Tat des Bösen . 



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Zeugt neue Sprossen 

Vom selben Stamm. 

Doch des Gerechten Haus . ■ - 

Ist ewig segenbeschattet. 

Dike strahlt auch in rauchgeschwärzten 
Hütten der Not, die Gerechten segnend, 
Doch von den goldenen Stühlen hebt sie sich weg, 
Wo die Hand befleckt ist und dreht die Blicke 
Zum frommen Herde, verachtend den Schein 
Unlauteren Reichtums, welchen die Menge preist, 
Und ein jedes zum Ziele geleitend. 



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Von Zinks der Wagen des Königs. Darauf Agamemnon mit 
Kassandra. Er macht am äussersten Ende der Bühne halt. 

FÜNFTE SCENE 

AGAMEMNON. KASSANDRA. CHOR. ■ 
SPÄTER KLYTAIMNESTRA. 

CHORFÜHRER. 
Heil König und Herr und troischer Sieger, 

* 

Atreus Geschlecht! 

Wie begrüss ich dich wohl, wie ehr ich dich recht, 
Nicht mit tönendemV^ort und bescheidner auch nicht, 
Als Stunde und Augenblick fordert. 

I ERSTER GREIS. 

Als den grossen Heerzug du rüstetest 

Um des Weibes willen (ich hehl es dir nicht) 

Erschienst auf gefährlichen Bahnen du mir 

Und unbesonnener Steurer am Tag, 

Da die Männer zu stärken du Opfer getan. 

Zum Tod sie der Heimat entführend. 

• ' • ZWEITER GREIS. 

Nun hast dus vollbracht und wir freun uns des Endes 
Weiter nicht richtend, freudig doch ernst. ^ 

Später erkenne dein forschendes Auge, . ; 

Wer Treue gehalten, wer Treue brach, 
Deine Stadt und dein Volk dir bewahrend. 



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— 28 — 

AGAMEMNON. 
Erst ziemt mir Argos und die heimischen 
Gottheiten fromm zu grüssen, die uns Helfer 
Zur Heimkehr waren und uns Recht verschafft 
An Priamos. Vor ihnen sprach kein Redner 
Den Handel durch: sie legten Schlacht auf Schlacht 
Als Stimmstein uns in Trojas blutige Urne 
Einmütig richtend. Kranke Hoffnung nur 
Sass an der Gegner Stimmgefass, das leer blieb. 

— Rauch kündet weither, wo einst Troja stand. 
Fluchwinde wehn. Kaltende Aschen blasen 
Des alten Reichtums fetten Qualm empor. 

— Den Göttern ewige Huldigung zu weihen, 
Ist uns Gebühr, da so den Uebermut 

Des Raubs vergalt und um ein einzig Weib 
Die ganze Stadt zertrat das Tier von Argos, 
Des Rosses Frucht, die schildbewehrte Schar, 
Zum Sturm geduckt bei der Plejaden Sinken: 
Die dann den Wall ersprang, ein wilder Leu 
Am warmen Blut der Fürsten satt sich leckend. 
Den Göttern dies als Erstlingsgruss. — Was sonst 
Die Stadt und Tempel angeht, wollen bald wir 
Im offnen Rat erwägen, was gesund 
Zu weitrer Dauer und Bestand befestend. 
Doch wo es Arzt und Arzenei bedarf, 



— 29 — 

Werden mit Brand und Schnitt wohlwollend wir 
Des Uebels Wucherung zu hemmen streben. 
— Eingehend nun zum Haus und heiligen Herd 
Heb ich die Hand den Göttern, die zur Ausfahrt 
Mich leiteten und jetzt zurückgeführt. 
Nike, Geleiterin! Sei mir ferner treu. 

Wie er sich anschickt vom Wagen zu steigen ^ tritt Klytaiinnestra 

aus dem Palast. Sie steht einen Augenblick stumm und unhe- 

iveglich. Dann spricht sie zum Chor gevcandt. 

KLYTAIMNESTRA. 
Bürger von Argos ihr und Aelteste! 
Wenn ich vor euch nicht schamhaft bin, von Liebe 
Und Zärtlichkeit zu reden, so bedenkt 
Die Zeit bricht Scheu und Rücksicht. Sagen will ich, 

« 

Was Trübsal ich am eignen Leib erfahren. 

Derweil mein Herr vor Ilion verzog. 

Traurig ists ja für eine treue Frau, 

Einsam und ohne Mann im Haus zu bleiben 

Und fort und fort verfolgt von Unglücksboten: 

Kommt einer, ist auch schon ein andrer da. 

Mit schlimm und schlimmremRuf das Haus erfüllend. 

Und hätt so viele Wunden mein Gemahl, 

Als man mir Kunde zugebracht, empfangen. 

War er durchlöchert wie ein Fischernetz. 

War er so oft gefallen, als Gerüchte 



— 5° 



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Ihn totgesagt, so könnte er, ein neuer 

* 

Geryon, dreier Gräber sich berühmen, 

In jedem Leibe einzeln umgebracht. 

Um solcher Schreckgerüchte Jaaben oft sie 

Den Hals mir aus der Schlinge lösen müssen 

Die ich, den Tod ersehnend, mh: geknüpft. 

Drum steht dein Sohn nicht hier, wie sichs wohl ziemte, 

Deiner und meiner Liebe Unterpfand, 

Orestes. Du verwundre dich dess nicht. 

Ihn hält bei sich im Haus dein treuer Blutsfreund, 

Strophios, der Phoker, der mir doppelte 

Gefahr entgegenhielt: Die deine erstlich 

Vor Ilion, und dann, es möchte Volkswut 

Den Rat der Alten überwältigen 

(Wie ja der Mensch gern auf Gefallne tritt). 

Gemäss der Wahrheit nenn ich diese Gründe. 

— Mir aber sind der Tränen strömende 

Quellen versiegt und blieb kein Tropfen mehr. 

Es schmerzten mich die spätgeschlossnen Augen 

Vom Weinen und den ewig unfruchtbaren 

Nachtwachen um dein Feuer. Aus dem Schlaf 

Störte mich schon das Summen einer Mücke, 

Die ich im Traum mehr deiner Leiden sah 

Als meines Schlummers Zeit umfassen konnte. 

All dies bestand ich, treuer Wachthund dir. 



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— JI — 

Jetzt grüss ich frohen Mutes dich, des Schiffes 

Rettendes Seil, des hohen Daches Pfeiler, 

Wie eines greisen Vaters einzig Kind, 

Ein Land, erschienen den verzweifelten 

Seefahrern, wie ein blauer Tag im Winter, 

Dürstendem Wandrer der ersehnte Quell. 

Ja solchen Willkomm acht ich deiner würdig. . ; 

Sie tritt die Stufen herab und tut ein paar Schritte auf ihn zu. 

Fern sei der Neid der Himmlischen. Genugsam 
Ward Leid uns schon beschieden. Teures Haupt, 
Steig aus dem Wagen. Doch mir soll dein Fuss 
Den Staub nicht rühren, Herr und Held von Ilion. 
— Was säumt ihr Mägde, da es euer ist 
Auf ebnen Weg die Teppiche zu schütten? — 
Nun kleidet sich in Purpur dir der Pfad 
Ins unerhoffte Haus. Und Dike leitet. 

AGAMEMNON. 
Tochter der Leda, meines Hauses Hütrin! 
Nach meinem Fernsein massest du die Rede / 

Und massest lang. Bedenke doch, dass Lob 
Aus fremdem Mund nur ein erwünscht Geschenk ist. 
Und wolle nicht zu Weibereitelkeiten 
Mich locken! Denk, ich bin doch kein Barbar, 
Dem man am Boden Huldigungen stammelt. 






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— 32 — 

Und ruf mit deinem Purpur nicht den Neid 

Auf mich herab. So ehrt man Götter nur. 

Wie könnt, ein Sterbhcher, ich ohne Scheu 

Den Fuss auf diese Prachtgewebe setzen ? 

Als Menschen ehre mich und nicht als Gott. 

Höher als deine buntgewebten Decken 

Stellt mich mein Ruhm. Fern sein von Uebermut 

Ist schönste Göttergabe und zu preisen, 

Wer seine Tage still beschliessen darf. 

Wo solches mir gelänge, war ich glücklich. 

KLYTAIMNESTRA. 
Sag alles, aber folge meinem Wunsch. 

AGAMEMNON. 
Wisse, ich andre meinen Willen nicht. 

KLYTAIMNESTRA. 
Hast dus gelobt und fürchtest nun die Götter? 

AGAMEMNON. 
Wenn etwas, ist mein Weigern hier Vernunft. 

KLYTAIMNESTRA. 
Was tat wohl Priamos nach solchem Sieg ? 

AGAMEMNON. 
Er wandelte vielleicht auf Purpurdecken. 



— 33 — 

KLYTAIMNESTRA. 
Was willst dann du der Menschen Tadel scheun? 

AGAMEMNON. 
Der Vielen Stimme ist am Ende mächtig. 

« 

KLYTAIMNESTRA. 
Wer unbeneidet, ist der neidenswert? 

AGAMEMNON. 

Streit anzuheben steht dem Weibe schlecht. 

KLYTAIMNESTRA. 
Doch steht's dem Sieger, einmal nachzugeben. 

AGAMEMNON. 
Begehrst du solchen Sieg in unsrem Streit? 

KLYTAIMNESTRA. 
Du hast die Macht. Sei willig der Besiegte. 

AGAMEMNON. 
Wenn du denn willst, so lass die Sohle mir 
Ablösen, meines Fusses treue Sklavin. 
Und schreit ich dann hinein auf Purpurtüchern 
Treffe kein böser Blick von oben mich! 
Ja Scheu erfüllt mich mit dem Fuss zu schänden 
Den Reichtum golderkaufter Teppiche. 
— Davon genug. Empfange freundlich nun 
Die Fremde hier, die mit mir kam. Die Milden 

Vollmocller, Orcstie 3 



— 34 — 

Sieht auch die Gottheit milden Auges an. 
Und keiner ging freiwillig je ins Joch. 
Diese, von vielen Schätzen auserlesen, 
Ward mir vom Heer geschenkt und folgte mir. 

Er steigt vom Wagen, 

Wohlan ich will mich deinen Worten beugen 
Und schreite über Purpur zum Palast. 

Geht auf die Pforte des Palastes zu. 

KLYTAIMNESTRA. 
Noch ist das Weltmeer. Wer erschöpft es je ? 

Es nährt noch vielen Saft des Purpurs uns 

Stets neuen, viel Gewände drinn' zu färben. 

Dein Haus, o Herr, hat Ueberfluss daran. 

Dank sei den Göttern. Mangel lernt es nie. 

Viel dieser Decken hätt' ich zu zertreten 

t 

Gerne gelobt, wo mir ein Götterspruch 
Als deines Hauptes Lösung dies befohlen. 

Sie reicht ihm die Hände. 

Wo Wurzel ist, rankt sich das Laub ums Haus 
Schatten hinbreitend vor dem heissen Hundsstern* 
So du, zum heimatlichen Herd gekehrt, 
Bedeutest Sommerwärme mir im Winter, - 
Und wiederum zur Zeit, w^enn Zeus den Wein 
In herben Beeren kocht, w^ird kühl das Haus sein : 
Da ja sein Herr und Haupt zurückgekehrt. 



— 35 — 

Sie stehen jetzt beide im Portal. Sie lässt Agamemnon voraus- 
gehen und hält einen Augenblick inne. 

Zeus, Zeus! Vollender! Gib die lang erflehte 
Vollendung jetzt. Ja denke der Vollendung. 

Beide treten in den Palast. 



CHOR. 

Woher doch, dass fort und fort 

Dies Schreckbild, das keiner rief, keiner bat. 

Mit Tönen des Grauns die ahnende Seele umflattert. 

Und woher, dass mein zagend Herz 

Die Schatten nicht abtun mag 

Wie böse Träume, dass neue Zuversicht einzieht — 

Und schwanden doch Jahre, seit Tauwerk und Kiel 

Im aulischen Sande tatenlos morschten, 

Bis endlich der Griechen gelöstes Heer 

Die Schiflfe bestieg. 

Und ward ich doch selber jetzt 

Mit eignen Augen der glücklichen Heimkehr Zeuge. 

Was klingt mir noch immer aus Tiefen des Herzens 

Saitenscheues, 

Selbst gezeugtes erinysches Lied? 

Woher Mut und Hoffnung entsunken? 

Nicht irrt meine Seele und wird nicht umsonst 

In bangen prophetischen Wirbeln getrieben. — 

3* 



- 3^ - 

Noch fleh ich, es möchte dies alles, ein Schein 
Und Trugbild ins Nichts zerfliessen. 

Wo zu üppig Gesundheit erblüht, 

Droht Verderben, denn Wand an Wand schon 

Wohnt ihr der Nachbar, zehrende Seuche, 

Und fährt zu glücklich des Menschen Geschick, 

Droht dem Schiff die verborgene Klippe. 

Wo wägende Sorge dann 

Einen Teil der lastenden Schätze 

Weise ins Meer versenkt, 

Sinkt nicht das ganze Haus, 

Wenn auch von Leid besucht, 

Geht nicht das Fahrzeug zugrunde. 

Spendet doch Zeus uns reichhche Gift aus dem jährigen 

Schosse der Flur, 

Des Hungers Nöte verscheuchend. 

Doch wo zur Erde verströmt das dunkle 

Blut der Ermordeten, w^elche Beschwörung 

Ruft es zurück? 

Hat doch den Meister und Arzt, 

Der die Toten erweckt 

Des Gottes Vorsicht vernichtet. — 

Stünde nicht götterverhängt. 

Göttlich geordnet, ^ 



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— 37 — 

Schicksal Schicksal umgrenzend da 
Auf das gerichtete Mass, 
Hielte mein Herz die drängenden Worte 
Nimmer mehr auf. ' 

Bange pocht es im Stillen jetzt 
Schwermutbrütend, der Hoffnung bar. 
Aus der brennenden Seele - 
Das erlösende Wort zu finden. 

Klytalmnestra kommt aus dem Palast zurück und geht auf 

Kassandra zu^ 

SECHSTE SCENE 

KLYTAIMNESTRA. KASSANDRA. CHOR. 

KLYTAIMNESTRA. 

So komm auch du Jetzt. Dich Kassandra, mein ich, 

Zeus meint es gut mit dir, dass du im Haus ' 

Teilnehmen darfst am Opfer mit den andern 

Mägden und nahe stehn am Brandaltar. ^ 

So komm herab vom Wagen, lass den Hochmut. 

Man sagt ja, auch Alkmenes Sohn ertrug es. 

Verkauft zu sein und Sklavenbrot zu essen. 

Und wem dies Los verhängt in einem Hause 

Von altem Reichtum, der mag glücklich sein. 

Denn die seit kurzem erst in Wohlstand kamen, 

Sind hart und grausam gegen ihr Gesinde. 

Bei uns wird dir, was recht und billig ist. 

Kassandra scirweigt. 



- 3» - 

CHOR. 
Dir gilt das wahre Wort, das sie gesagt. 

Da du verstrickt im Netz, verschlägt es wenig, 

Ob du dich sträubst, ob du ihr willig folgst. 

KLYTAIMNESTRA. 

Wenn sie nicht nur Barbarenlaute kennt r i \ 

Lschern) 

(Die man nicht mehr versteht als Schwalbenzwit- 
So überredet sie gewiss mein Wort. 

CHOR. 
Folg ihr. Das beste rät sie, was zu raten. 

Gehorch ihr und verlass den Wagensitz, 

Kassandra sdrcoeigt, 

KLYTAIMNESTRA. 
Ich habe keine Zeit, hier aussen weiter 

Zu säumen. Drinn' im Haus am Hochaltar 

Stehn schon die Lämmer uns zur Opferung, 

Die wir schon lang nicht mehr dies Glück erhofften. 

Wenn dein unkundig Ohr mich nicht versteht, 

Heb mir zum Zeichen wenigstens die Hand! 

Kassandra steht unbevoegt, 

CHOR. 
Ein Wortausleger war der Fremden not. 

Scheu ist sie wie ein frischgefangen Wild. 

KLYTAIMNESTRA. . 
Ja rasend ist sie, schnödem Trotz g.ehorchend 



^ 



— 39 — 

Und frischgefangen freilich, gleich der ganzen 
Heimischen Stadt, trägt sie noch nicht die Zügel, 
Bis sie den Starrsinn blutig ausgespien. — 
Ich will mit weitrem Wort mich nicht entehren. 

Tritt in den Palast. 

CHORFÜHRER. 
Geh, Unglückselige, steig herab vom Wagen 
Versuch, dem Zwang gebeugt, das neue Joch. 

Pause, Kassandra sieht zum erstenmal auf und erblickt im 
Porhof das Bild des uoege geleitenden Apollon. 

SIEBENTE SCENE 
KASSANDRA. CHOR. 
KASSANDRA. 
O Gott du. O Schicksal du. Oh. 

ApoUon! ApoUon! 

ERSTER GREIS. 
Was schreist so graunvoU du zu Loxias? 
Er ist der Gott doch nicht der Traurigen. 

KASSANDRA. 
O Gott du. O Schicksal du. Oh. 

Apollon! Apollon! 

ZWEITER GREIS. 
Nochmals entweiht ihr Schrei den reinen Gott, 

Dem doch nicht ansteht. Jammernden zu helfen. 



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— 40 



AI — 



KASSANDRA. 
Apollon! Apollon! 
Wegegott I Wehegott mir: . 
Zum zweitenmal, dass du mich ganz vernichtest! 

DRITTER GREIS. 
Ist's nicht, als prophezeit sie eignes Unglück? 

Der Geist des Gotts ist ihr ins Joch gefolgt. 

KASSANDRA. 
Apollon! Apollon! 

Wegegott! Wehgott mir: 

Zu welchem Haus hast du mich nun gebracht! 

VIERTER GREIS. 
Zum Hause der Atriden, wenn du dieses 

Noch nicht gehört. Und dies ist wahrlich so. 



KASSANDRA. 



Ha. Ha. 



Ja gottverhasstes Haus. Wissende Höhle 

Des Brüderblutes, der tödlichen Stricke. 

Mordhaus. Von Schaum und Geifer glänzt der Flur. 

ERSTER GREIS. ^hund. 

Scharfwitternd scheint die Fremde wie ein Schweiss- 
Sie spürt nach Mord. Und Mord wird sie entdecken. 



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/ 



KASSANDRA. 



Ha. Ha. 



Sind das nicht sichre Zeichen. Seht die Kleinen, 

Wimmernd im Blute! Die man geschlachtet, 

Die man gebraten, die der Vater ass. ' 

ZWEITER GREIS. 
Wir kennen deinen Ruf als Seherin. . 

Hör auf. Hier ist der Ort nicht für Propheten. 

« 

KASSANDRA. 
Wehe euch. Wehe. Was sinnt sie nun aus. 
Was für neuen entsetzlichen Jammer, 
Und finstres Unheil brütet sie dem Haus. 
Den Freunden heillos unerträglich Weh. 
Und keine Hilfe mehr. 

DRITTER GREIS. 
Was sie jetzt wahrsagt, kann ich nicht verstehen. 

Das frühre wohl. Spricht doch das Land davon. 

KASSANDRA. 
Weh Unselige ! Führst du's nun aus. 

Lockst den Gemahl, der dein Lager teilte, ,,, 

Zum erquickenden Bad — wer sprach es zu Ende. 

Und doch ist's bald getan. Schon recken Hände, 

Reckt sich die Mörderhand. ^ 

VIERTER GREIS. 
Noch kann ich nicht verstehn. Aus dunkeln Rätseln 

Verstrickt sie uns in Sprüche, dunkler noch. 



— 4^ - 

KASSANDRA. 
O Grauen, graunvoll! Was zeigt sich dort! 
Garn und höllische Netze. 
Und dort, das Beil, ihr Bettgenoss und Helfer 
Zum Mord. Und da, des Hauses alt Gespenst 
Frohlockt zum grässlichen Opfer. 

CHOR. 
Dunkel ins Herz zurück tritt mir das Blut 

Stockend wie dem gefallenen Kämpfer 

Mit des versinkenden Lebens Scheinen. 

Und rasch und nah der Tod. 

KASSANDRA. 
Wehe. Seht doch! Haltet den Stier 

Weg von der Kuh! ' 

In Tüchern fängt sie falsch den Schwarzgehörnten. 

Er stürzt. Er stürzt ins Wasser hin der Wanne. 

So versteht ihr den Trug nun des Bads ? 

CHOR. 
Kam von den Sehern je Kunde des Heils 

Sterblichen Menschen? Von Angst nur und Not 

Reden die dunkeln Orakel und wecken 

Uns Furcht vor ihrem Spruch. 

KASSANDRA. 
O mein, der Armen, schmerzliches Jammerlos. 

Das eigne Leid nun schütt ich in Klagen hin: 






^ 



— 43 — 

Da mein nichts andres harrt als mitzusterben, 
Wozu hast du mich, Gott, hierhergebracht? 

CHOR. 
Was für ein Wahn verwirrt, was fiir ein Gott 

Treibt dich zu jammern 

In dumpfen Leidlied um dein Geschick? 

Wie die bräunliche Nachtigall, klagenfroh, 

Itys, Itys rufend ihr gramumblühtes 

Leben beklagt. 

KASSANDRA. 
O Los der Sängrin, schmetternde Nachtigall! 

In leichte Federn hüllten die Götter dich. 

Süss rinnt dein Leben hin in süsser Klage. 

Mein harrt der Schlag von doppelschneidigem Beil. 

CHOR. 
Von wannen strömt doch, von welchem Gott 

Wahn dir und Qual, 

Dass du mit grässlichen Lauten 

• « 

Schreckgesang in hochstimmigen Tönen dröhnst? 
Und von wannen ward Kunde des göttlichen Pfads dir. 
Prophetische Kunst? 

KASSANDRA. 
O Paris Hochzeit, Fluch aller Lieben du! 

Weh des Skamandros heimische Wasser ihr: 



' / ■ 



— 44 — 

An euren Ufern wuchs ich vor Zeiten wohl 
Fröhlich empor. 

Jetzt sing ich meine Sprüche am Kokytos 
Und Acherontischen Gestaden bald. 

CHOR. 
Was sprichst du weiter durchbohrende Worte noch. 

Selber ein Kind ja müsst es verstehn. 

Mir blutet die Seele vom mördrischen Biss 

Deines grässlichen Jammers um grässlich Geschick, 

Schaurig dem Ohr zu vernehmen. 

KASSANDRA. 
O Nöte, Nöte, der so zertretnen Stadt! 

Des Vaters stadtbeschirmende Opfer all 

An tausendhäuptig weidender Rinderschar, 

Die nicht gefrommt. 

Da unsre Stadt doch litt, was sie erlitten. 

Und ich — bald klebt mein heisses Blut am Stein. 

CHOR. 
In gleichen Tönen redest du fort. 

Ein schlimmer Dämon drängt dich und treibt 

Zum Liede der Trauer zum Liede des Tods. 

Und dunkel das Geschick. 

KASSANDRA. 
Wohlan nun soll mein Spruch nicht mehr verhüllt 

Aus Schleiern schauen wie die keusche Braut. 






\\ 







— 45 — 

Nein klar und hell, ein kühner Morgensturm, 

Soll er der Sonne Strahl entgegenbrausen, 

Dass Gischt und Schaum von noch viel herbrem Weh 

Zum Lichte brande. Nichts von Rätseln mehr. 

Doch ihr bezeugt mir, dass unfehlbar ich 

Die Spur der alten Frevel ausgewittert. 

Denn nimmer weicht aus diesem Haus ein Chor 

Eintönigen Misstons, (denn sein Lied ist Fluch) 

Und voll und trunken, mehr und mehr berauscht 

Vom Menschenblute, schwärmt er im Palast, 

Nicht zu verbannen: Der Erinyen Sippe. 

Da sitzen sie am Herd und singen sie 

Die graue Urschuld und verfluchen wechselnd 

Den Schänder der des Bruders Bett betrat. 

Sagt fehlt ich oder traf ich's? Bin ich eine 

Falsche Wahrsagrin, schwärmend Bettelweib? 

Verschwört euch doch, dass niemals ihr zuvor 

Von dieses Hauses Schuld und Fluch vernommen. 

CHOR. 
Könnt' solchen Eid nach Wahrheit ich beschwören. 

Was frommt' es uns? Doch wunderbar, dass du. 

Fern überm Meer geboren, fremden Landes 

Schicksale nennst, als hättest du sie erlebt. 

KASSANDRA. 
Apollo hat die Gabe mir verliehen. 



- ^6 - 

CHOR. 
Aus Liebe wohl zu dir, der Sterblichen? 

KASSANDRA. 
Einst hätte dies Geständnis mich beschämt 

. CHOR. 
Raum ist im Glücke nur für Zartgefühl. 

KASSANDRA. 
Er drang und drängte, Glut und Liebe atmend. 

CHOR. 
Und du gewährtest ihm die letzte Gunst? 

KASSANDRA. 

* ' 

Versprach dem Gott sie und betrog ihn dann. 

CHOR. 
Doch schon mit seiner Seherkunst begabt? 

KASSANDRA. 
Schon hatt ich Ilions Untergang verkündet. 

CHOR. 
Und wie entgingst dem Zorn des Gottes du? 

KASSANDRA. 
Mir glaubte niemand mehr seit jener Zeit. 

CHOR. 
Wir glauben nur zu sehr an deine Sprüche. 



. 



— 47 — 
KASSANDRA. 

Gott. Gott. 

Schon dreht mich wieder der Begeisterung Wut 

In fürchterlichen Wirbeln. Weh mir. Wehe! 

Seht ihr, dort kauern auf dem Hause sie 

Die Kleinen, seht, wie fahle Traumgebilde 

Die Kinder, die des Vaters Bruder schlug, 

Ihr eignes Fleisch zum grausen Mahl in Händen, 

Gekrös und Leber — fürchterliche Last — 

Zur Schau gestellt, davon der Vater ass. 

Für die sinnt Rache jetzt dem heimgekehrten 

Krieger ein feiger Löwe, der zu Haus 

Sich auf dem Lager wälzte. Weh mir. Wehe ! 

Und er, der Heerfürst, Ilions Zertrümmrer, 

Er kennt der geilen Hündin Zunge nicht, 

Die wedelnd ihm die Hand geleckt und lächelnd 

Und tückisch, wie das Schicksal, ihn verdirbt. 

Welch grässlich Unterfangen: Seinen Gatten 

Erschlägt das Weib. Wie nenn das Untier ich? 

Heiss ich sie Natter, heiss ich Skylla sie, 

Die in den Klippen haust, Verderb den Schiffern, 

Ja Höllenmutter, unbarmherzigen Mord 

Den Liebsten schnaubend. Hat sie nicht gejauchzt 

Grad wie ein Krieger bei des Kampfes Wende? 

Ihr nahmt's für frohen Heimkehrjubel nur. 



_ 4» - 

Ihr glaubt mir nicht. Was ändert's. Das Verhängnis 
Schreitet heran. Bald werdet jammernd ihr 
Nur allzuwahr die Prophezeiung heissen. 

CHORFÜHRER. 
Thyestes Mahl von eigner Kinder Fleisch 
Verstand ich und erschauerte, entsetzt, 
Die Wahrheit ohne Hüllen zu vernehmen. 
Zu allem andern fehlt der Schlüssel mir. 

KASSANDRA. 
Des Agamemnon Tod verkünd ich euch. 

CHORFÜHRER. 
Verhüt es Gott. Unselige, welch ein Wort. 

KASSANDRA. 
Ein Wort das auch kein Gott verhüten wird. 

ERSTER GREIS. 
Wenn es erfüllt. Doch nie wird sichs erfüllen. 

KASSANDRA. 
Ihr denkt an Beten. Drinn' denkt man an Mord. 

ZWEITER GREIS. 
Durch wessen Hand soll solche Tat geschehn? 

KASSANDRA. 
So habt ihr meine Sprüche nicht verstanden? 

DRITTER GREIS. 
Die Tat verstand ich w^ohl, doch nicht den Täter. 



— 49 — 

KASSANDRA. 
Und dennoch red ich der Hellenen Sprache. 

VIERTER GREIS. 
Wie die Orakel, die doch dunkel sind. 

- * KASSANDRA. 

Ah. Ah. Wie Feuer brennts. Das Fieber fasst mich. 

Weh. Weh, Apollon. Wehe dir und mir. 

Da ist die Löwin, die vom Wolfe sich 

Beschlafen liess, derweil der Löwe fern war. 

Sie bringt mich Arme um. In ihren Trank 

Wird, Hexe sie, auch meinen Tod verrühren. 

Sie wetzt dem Mann das Schwert und wird noch prahlen 

Dies sei der Lohn weil er mich hergebracht. 

— Was trag ich noch zum Hohn mir diese Dinge, 

Den Stab, die Priesterbinden um die Stirn? 

Ich will euch, eh das Ende naht, zertreten. 

Fort, weg von mir! Und dies mein letztes Wünschen: 

Seid einer andern noch zu Schmuck und Fluch! 

Seht her. Apollon selbst tut von mir ab 

Das priesterliche Kleid. Er sah ja lange 

In diesem Schmuck von Freunden und von Feinden 

Einmütig mich verlästert und gehöhnt. 

Wahnsinnige gescholten, Bettlerin, 

Und arm, verfolgt und hungernd — ich ertrug es. 

Vollmoeller, Orestic 4 



— JO — 

Jetzt hat der Seher mich, die Sehende 
Dem tödUchen Geschicke zugeführt. 
Statt heimischen Altars wird mir der Block 
Darauf als Opfer ich geschlachtet werde. 
Doch sterbe ich fürwahr nicht ungesühnt: 
Es wird, Vergelter auch für mich, erscheinen 
Der Muttertöter, der den Vater rächt. 
Der heimatferne Flüchtling naht und wird 
Des Hauses Frevel bis zum höchsten führen. 
Schon gilt der Götter grosser Eid. Es ruft ihn 
Des toten Vaters ausgereckter Arm. 
— Wozu mein weichlich Jammern, da ich doch 
Mit angeschaut, wie Ilion geschehen. 
Was ihm geschah, und wie der Veste Volk 
Ganz ausgerottet ward, nach Götterratschluss. 

Sie steigt jetzt erst vom Wajren und macht einige Schritte gegen 

den Palast zu. 

So geh auch ich dem Tode zu. Ich grüsse 
Dies Tor das mir das Tor zur Unterwelt. 
Nun fleh ich nur um einen guten Schlag 
Dass ohne Zuckung ich im leichten Flusse 
Des Lebensbluts das Auge schliessen mag. 

CHORFÜHRER. 
O Weib, so unglückselig du als weise. 
Du sprachst genug. Doch wenn so ganz gewiss 



— 51 — 

Dein Los du kennst, was schreitest wie ein Schlachttier 
Ergeben du dem Opfersteine zu. 

KASSANDRA. 
Was half Entrinnen, wo die Zeit vollendet. 

CHORFÜHRER. 
Und doch gewinnt, wer eben Zeit gewinnt. 

KASSANDRA. 
Der Tag ist da. Es war umsonst zu fliehen. 

ERSTER GREIS. 
Dein Mut gerade ists der dich verdirbt. 

KASSANDRA. 
Des Menschen letzter Trost: ein mutig Sterben. 

ZWEITER GREIS. 
Dies ist die Sprache nicht der Glücklichen. 

Kassandra geht die Stufen zum Palasttor hinauf, Sie hält einen 

Augenblick inne, 

KASSANDRA. 
Weh Vater. Weh, um dich und deine Kinder. 

Sie tritt "wie von einem prötzltchm Grauen erfasst von der 

Türe weg, 

ERSTER GREIS. 
Wovor erschrickst du so und weichst zurück? 



KASSANDRA. 



Ha. 



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— 52 — 

ZWEITER GREIS. 
Was schreist du so vor Graun und Abscheu auf? 

KASSANDRA. 
Die Halle atmet Mord und Blutgeruch. 

DRITTER GREIS. 
Das ist der Opferduft von den Altären. 

KASSANDRA. 
Ein Odem wie von Gräbern weht mich an. 

VIERTER GREIS. 
Nennst du der Fürstin syrischen Weihrauch so? 

KASSANDRA. 
Es sei. Ich gehe, drin mich auszujammern 

Um meinen Herrn und mich. Seis denn getan. 

Wendet sich nochmals um. 

Ja Freunde. 

Nicht beb ich wie im Laub der Vogel bebt. 

Aus Furchto Ich sterbe. Doch ihr, denkt an mich 

Wenn jenes Weib um mich, das Weib, verröchelt 

Und für den Mann ein Mann, der Mörder, sinkt. 

Dies sei mein Teil am Gastrecht nach dem Tode. 

ERSTER GREIS. 
Mich schmerzt, Unselige, dein Seherlos. 



I 



— 53 — 

KASSANDRA. 
Noch einen Spruch und letzte Totenklage 

Heb ich mir an. Beim Abendscheidestrahl •' 

Fleh ich, die Götter mögen, Rächer mir 

Den feigen Schlächtern diesen Mord vergelten. 

An einer Sklavin allzuleicht verübt. 

O Menschenschicksal! Menschenglück: ein Schatten 

Reicht dich zu trüben. Menschenqual: ein Schwamm 

Löscht dich wie Schrift auf einer Tafel aus. 

Und dies scheint mir weit schmerzlicher denn alles. 

Sie tritt in den Palast, 

ACHTE SCENE 
CHOR. 
Ward einer jemals am Glücke satt 

Der sterblichen Menschen? Wies einer es je 

Von der Schwelle des reichen Palastes und rief: 

Nicht herein hier. Glück ! Nicht herein hier ! 

Dem gaben die Götter, Ilion zu stürmen, 

Priamos Stadt, 

Dem schenkten sie gnädig gesegnete Heimkehr. 

Und wenn der das Blut der Väter nun büsst 

Mit Tod den Toten die Sühne bezahlt, 

Vergossenen Bluts Vergeltung, 

Wo leugnet noch einer des Dämons Neid, 

Der solches Schicksal vernommen. 



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— 54 " 

STIMME DES AGAMEMNON 
aus den Innern des Palasts, 

Sie mordet mich. Ah- Ah. Zu Tod getroffen. 

CHORFÜHRER. 
Seid still. Es schrie jemand, zum Tod verwundet. 

STIMME DES AGAMEMNON 

halb erstickt 

Mord, Mord! Nun gibt sie mir den zweiten Streich. 

ERSTER GREIS. 
Dem Jammern nach, ist alles schon vorüber. 

ZWEITER GREIS. 
Sag jeder rasch, was wir am besten tun. 

ERSTER GREIS. 
Am besten ists, wir schreien's durch die Stadt 

Und rufen alle Bürger hier zusammen. 

ZWEITER GREIS. 
Nein, stürmen wir die Tore und erweisen 

Die frische Tat am noch gezückten Schwert. 

DRITTER GREIS. . 
Gewiss. Das nächste ist, wir müssen rasch 

Und schleunig handeln. Nur nicht zaudern jetzt. 

VIERTER GREIS. 
Wie klar: Dies ist der erste Schritt, das Banner 

Der Tyrannei in Argos zu erheben. 



I» 



— 55 — 

FÜNFTER GREIS. 
Schon säumt ihr. Die da drin sind tätig jetzt 

Und treten unser Zaudern dann mit Füssen. 

SECHSTER GREIS. 
Ich weiss nicht was ich raten soll. Wer handelt 

Muss auch zuvor erwägen was er tut. 

SIEBENTER GREIS. 
Bedenken wirs. Denn ist der König tot, 

So werden wir mit Worten ihn nicht wecken. 

ACHTER GREIS. ., 

So sollen feig wir unser Dasein schleppen 

Und herrschen lassen, die das Haus geschändet? 

NEUNTER GREIS. 
Nein. Unerträglich. Lieber sterben wir. 

Besser als solche Herrschaft ist der Tod. 

ZEHNTER GREIS. 
Sind das Beweise: Stöhnen und ein Schrei, 

Dass ihr schon ruft, der König sei erschlagen ? 

ELFTER GREIS. 
Eh wir uns so erregen, prüfen wir. 
Vermutung ist noch lange nicht Gewissheit. 

ZWÖLFTER GREIS. 
Dem stimm ich bei. Zuerst ist uns Gebühr * 

Zu schauen, wie es um den Fürsten stehe. 

Wie sie sich anschicken in den Palast zu dringen, werden die 



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- Si - 

Torflügel weh geöffnet Auf der Schwelle erscheint Klytaimnestra 

ilas Beil in der Hand, Im Innern erblickt man die Wanne, das 

Tuchy den toten König und die Leiche der Seherin. 

NEUNTE SCENE 

KLYTAIMNESTRA. CHOR. 

KLYTAIMNESTRA. 
Von vielem neulich zeitgemäss gesprochnen 

Sag ohne Scham ich jetzt das Gegenteil. 

Wie kann man Feinden, die sich Freunde nannten, 

Zur Antwort ihrer Feindschaft hoch genug 

Für jeden Sprung das Netz des Todes spannen! 

Der Kampf war wohl und lang vorausbedacht, ' 

So kam auch Sieg zu der gesetzten Zeit. 

Hier schlug ich ihn. Hier steh ich, und ich leugne 

Die Tat nicht ab. Und hört wie sie geschah: 

Ein faltig weit Gewand, fast wie ein Netz, 

Werf ich ihm um — verhängnisvolles Prunkkleid — 

Dass er den Schlag nicht fliehn noch wehren kann. 

Dann trefP ich zweimal ihn und zweimal stöhnt er 



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Und streckt die Glieder. Wie er niederliegt, 

Geb ich den dritten Schlag ihm noch und weih ihn 

Dem unterirdischen Zeus zum Gastgeschenk. 

So liegt er da und röchelt und bespritzt . 

Mit scharfem Blutschaum, den er von sich schnaubt. 

Und dunkeln Schauern mich des roten Taus, 



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— 57 — 

Nicht minder mir ersehnt, als linder Regen 
Dem Saatfeld, wenn der Keim im Boden schwillt. 
— Dies nun ist so. Freut euch ihr Greise dess. 
Wenn ihr euch freuen könnt. Mich lasst frohlocken! 
Wärs Sitte, einem Toten Freudenopfer 
Zu weihn, hier war es Recht, ja zweimal Recht, 
Da er, der uns den Kelch mit vielem Fluch 
Zum Rand gefüllt, ihn selber leeren musste. 

CHOR. 
Wir Staunen über deine freche Zunge 

Die an des Mannes Leiche so sich rühmt. 

KLYTAIMNESTRA. 
Versucht mich als ein leicht verschüchtert Weib. 

Wohlan, ich sprach es aus mit festem Herzen, 

Auf das ihrs wisst. Und Tadel oder Lob 

Verschlägt mir wenig: Dieser, Agamemnon, 

Der mir vermählt, starb hier von meiner Hand 

Li rechtlicher Vollstreckung. Dies ist so. 

CHOR. 
Welch entsetzliches Gift, o Weib, 

Lieh dir der Erdschoss, 

Hast aus dem Schaum du des Meeres geschöpft. 

Das solcher Wut du verfielst und der Menschen Fluch, 

Schändend du, mordend du. Flieh aus der Stadt verbannt 

Hass und Greuel den Bürgern! 



V 



- 5« - 

KLYTAIMNESTRA. 
Nun sprecht ihr da von Stadtverbannung mir 

Und öffentlichem Hass und Fluch des Landes. 

Und gegen den hier wisst ihr keine Schuld, 

Der leichten Sinns, als wärs nur grad ein Lamm 

Aus seinen tausendköpfigen wolligen Herden, 

Das eigne Kind, die Frucht von meinen Wehn, 

Hinschlachtete für Wind und gutes Wetter? 

Möchtet ihr den nicht aus dem Land verbannen, 

Zum Lohn der Untat? Wie gestrenge Richter 

Seit ihr gerade mir! Ich sage euch 

— Und drohen kann ich auch, so gut wie ihr — 

Erst überwindet mich und dann befehlt! 

Doch wenn es umgekehrt ein Gott verhängte. 

Lernt ihr gewiss mir noch Besonnenheit. 

CHOR. 
Wie du dich brüstest, 

Weib, mit Worten des Uebermuts: 

Vor dem vergossenen Blut rast noch dein Geist 

Ueber den Brauen noch glänzen dir Tropfen Bluts, 

Unbereut, ungesühnt. Einst aller Freunde bar 

Büssest du Schlag noch mit Schlag. 

KLYTAIMNESTRA. 
Ich denke, Furcht soll diesem Haus nicht nahen, 

So lang mir noch des Herdes Flamme schürt 



^ 



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— 59 — 

Aigisthos, mir wie bisher wolilgesinnt, 
Und kein geringer Schild für meinen Mut. 
Vernimm denn meinen feierlichen Schwur 
Bei allen Rächern meines Kindes, Dike, 
Ate, Erinys, denen dieser fiel — 

Sie hebt das Tuch von der Leiche. 

Da liegt er, dieses toten Weibes Schänder, 
Der Chryseiden Buhlgesell vor Troja. 
Da liegt auch die gefangne Seherin. 
Seht! Seine Kebse, das Prophetenweib, 
Die, treue Bettgenossin, selbst das Scliiffsdeck 
Mit ihm geteilt — bei Gott, nicht ungestraft. 
Da liegt sie, die nach Schwanenart zuletzt 
Noch eine Totenklage sich gesungen, 
Sein Liebchen, das er selbst mit zugeführt 
Ein üppig Beigericht zu meiner Lust. 

ERSTER HALBCHOR. 
Weh uns, kam doch der Tod 

Schmerzlos und rasch und ersparend 

Schleppenden Siechtums Last. 

ZWEITER HALBCHOR. 
Brächt uns unendlichen Schlaf, 

Ewigen. Da dieser Stadt -^ 

Treuester Hüter im Staub Hegt. 



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— 6o — 

Der die Kriegsnot trug um des Weibes willen 
Und vom Weib das Leben verlor. 

KLYTAIMNESTRA. 
Nicht wünschet das Los euch des Todes herab, 

Durch solches gebeugt. 

Und wollet die Schuld nicht auf Helena häufen, 

4 

Als habe allein sie die Seelen verderbt '' 

Der vielen achaischen Männer, dem Land 
Unsagbaren Jammer bereitend. 

CHOR 

tritt um die Leiche des Königs. 

I 

Mein König und Herr, wie wein ich um dich! 
Aus liebendem Herzen wie sag ich die Klagen ! 
In Fäden und Netzen 
Der hässlichen Spinne liegst du verstrickt, 
Grässlich erschlagen. 

ERSTER HALBCHOR. 
Oh Erde, decktest du Erde mich, 

Eh diesen ich sehn muss, im silbergetriebnen 

Sarge gebahrt. 

ZWEITER HALBCHOR. 
Wer bringt zu Grab ihn und wer beklagt ihn ! 

Willst du es tun, Weib, die ihn erwürgt hat? 

Willst du den Toten jetzt mit Jammern ehren, 



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— öl — 

Mit falschem Liebeswerke die grausen 
Taten beschönend ? 

KLYTAIMNESTRA. 
Ich hab ihn gefällt. Ich hab ihn erschlagen. 

Ich werd ihn begraben. Was gehts dich an? 

Jammern freilich wird keiner um ihn. 

Nur Iphigeneia, sein Töchterchen, wird, 

Froh wie sichs ziemt, 

Den Vater begrüssen an der strömenden Furt 

Des Acheron, um den Hals die kindlichen 

Arme ihm schlingend. 



CHOR. 



Weh. Weh. 



Wie wein ich um dich, mein König und Herr! 
Aus liebendem Herzen wie sag ich die Klagen! 
In Fäden und Netzen 
Der hässlichen Spinne liegst du verstrickt, 
Grässlich erschlagen. 

Aigisthos mit bewaffnetem Gefolge von rechts, 

ZEHNTE SCENE. 

AIGISTHOS. CHOR. KLYTAIMNESTRA. 

AIGISTHOS. 
O holder Lichtglanz du des Rachetags. 

Nun freilich glaub ichs, dass die Götter droben 

Hochher der Menschen Schuld und Greuel schaun. 



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— 6i — 

Da ich von der Erinyen Kleid verhangen 

Den Mann da liegen sehe, mir zur Lust, 

Die väterlichen Missetaten büssend. 

Denn sein Erzeuger, Atreus, damals Fürst 

In Argos, trieb Thyestes meinen Vater, 

Der doch sein Bruder war, von Haus und Land 

Aus Eifersucht um Macht und Königtum, 

Als später, heimgekehrt, am Hausaltar 

Schutz suchte der unseHge Thyestes, 

Ward ihm erspart, mit seinem Blut der Heimat 

Boden zu färben. Aber dieses Manns 

Verruchter Vater bot mehr eifrig ihm 

Als freundlich Gastschaft, wie zum Heimkehrfest 

Das Fleisch der eignen Kinder ihm bereitend. , • 

Die Füsschen nämlich und gezackten Hände 

Verbarg er unter andrem Fleisch verteilt. 

Das weniger kenntlich. Und der isst davon, 

Arglos, zum Fluche einem ganzen Stamm. 

Dann, wie er das Entsetzliche erkannt. 

Schlägt er zu Boden hin und würgt den Mord 

Mit Heulen von sich, Pelops Haus und den 

Entweihten Tisch mit schwerem Fluch verfluchend. 

Drum seht ihr diesen Mann jetzt hingestreckt 

Und mich als seines Mords gerechten Werker. 

Denn er verjagt mich, da ich noch in Windeln 



I 



- 6} - 

Getragen ward, des Vaters dreizehnt Kind. 

Erwachsen hat mich Dike heimgeführt 

Und ich hab ihn ereilt, aus sichrer Ferne 

Des ganzen Anschlags Knoten für ihn schürzend. 

Nun sterb ich gerne, da ich diesen hier 

Gefangen seh in der Vergeltung Stricken. 

CHORFÜHRER. ^ 

Verächtlich ist Hochmut bei schlechter Tat. 

Doch wenn du zugibst, dass du ihn gemeuchelt 

Und ausgeheckt den jammervollen Mord, 

So, mein ich, wirst du schwer im Volksgericht 

Dir Fluch und Steinigung vom Haupte wehren. 

AIGISTHOS. 
Nun drohst du, unten tief beim Ruder hockend. 

Mir, der am Steuer doch das Schiff regiert. 

Ihr alle sollt mir spüren, wie es tut 

Im späten Alter noch Vernunft zu lernen. 

Ja, auch für euer Greisentum sind Hunger 

Und Ketten auserlesene Wunderärzte. 

Seid ihr denn sehend bUnd? Ich sag euch, locket 

Gegen den Stachel nicht. Es reut euch sonst. 

ERSTER GREIS 
zu Klytaimnestra, 

Und du Weib, die du heimgekehrten Streitern 



■ _ 64 - 

Auflauerst, deines Ehbetts Schänderin, 

Hast dir den Mann, den Feldherrn uns erschlagen ! 

* 

AIGISTHOS. 
Auch diese Worte werden dir noch Heulen 

Eintragen. Denn von Orpheus bist du völlig 

Das Gegenteil. Er riss mit Lied und Worten 

Die Menschen hin. Du wirst von deinem Bellen 

Selbst fortgerissen. Doch bald zähm ich dich. 

ZWEITER GREIS. 
Du also willst nun Herr in Argos sein 

Und warst zu feig, du, der den Mord gestiftet, 

Mit deiner eignen Hand den Schlag zu tun. 

AIGISTHOS. 
Das Trugwerk kam von selbst dem Weibe zu. 

Ich war als alter Feind ihm ja verdächtig. 

Mit seinen Schätzen aber herrsch ich wohl 

Ueber euch alle. Wer mir nicht gehorcht >. 

Den will so schwer ich zäumen wie ein wild 

Und ungeberdig Füllen und der Hunger, 

Mit Dunkelheit vereint, macht bald ihn weich. : 

ERSTER GREIS. 
Warum hast du Feigherziger den Fürsten 

Nicht selbst erschlagen, sondern dieses Weib, 

Des Landes Aussatz und der Götter Greul, 



- 65 - 

Musst ihn dir töten? Doch Orestes lebt 
Und kehrt dereinst mit göttlichem Geleit, 
Ein schauerlicher Rächer euch erscheinend. 

AIGISTHOS. 
Von dem Bekenntnis schau jetzt gleich die Frucht. 
Auf denn, ihr Lanzenträger, tut das Werk! 

CHORFÜHRER. 
Ihr Freunde auf und fest das Schwert gefasst. 

AIGISTHOS. 
Das meine schwing ich, furchtlos vor dem Tod. 

ZWEITER GREIS. 
Wohl nennst den Tod du. Nun entscheide Schicksal. 

Sie dringen auf Aigisthos ein, den sein Gefolge umringt hat, 
Klytaimnestra tritt zwischen die Kämpfenden, 

KLYTAIMNESTRA 
Liebster, bereit uns neue Uebel nicht! 

Was schon an Leid geschah, ist reiche Ernte. 

Genug des Jammers nun, genug des Bluts. 

Geht denn, ihr Greise, heim zu eurem Herd, 

Eh Unheil folgt. Heisst wohl, was hier geschehn. 

War dies der Uebel letztes, trüg ichs willig ! 

AIGISTHOS. 
So sollen die hier straflos freche Worte 

Dem Schicksal trotzend mir entgegenspein? 

Vollmoe Her, Orestie c 



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— 66 — 

KLYTAIMNESTRA 
zum Chor. 

Der Klugheit fehltet ihr und eurem Herrn ! 

ERSTER GREIS. 
Kroch man in Argos vor dem Feigling je? 

AIGISTHOS 
von Klytaimnestra zurückgedrängt. 

Ich werd euch später noch zu packen wissen. 

ZWEITER GREIS. 
Nicht wenn Orestes in die Heimat kehrt. 

AIGISTHOS. 

■ 

Hoffnung, ich weiss, ist der Verbannten Speise. 

DRITTER GREIS. 
Ja Schake, prasse, schände! Noch ist's Zeit. 

AIGISTHOS 
schon unter der Palasttür. 

Merkts euch, die Torheit zalol ich schwer euch heim. 

VIERTER GREIS. 
Blähe dich auf: ein Hahn bei seiner Henne ! 

KLYTAIMNESTRA 
zu Aigisthos, 

Hör nicht ihr töricht Bellen. Ich und du 
Werden vereint fortan dies Haus bestellen. 

Sie führt ihn ins Innere des Palasts. 

ENDE 



DAS TOTENOPFER 



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PERSONEN 



ORESTES 
PYLADES 
CHOR KRIEGSGEFANGNER FRAUEN 

ELEKTRA 

DIE AMME DES ORESTES 

KLYTAIMNESTRA 

AIGISTHOS 

DIENER 



DAS TOTENOPFER 

Am Grab des Agamemnon zu Argos. 

ERSTE SCENE 

ORESTES. PYLADES. 

ORESTES. 
Hermes im Erdgrund — in dess Obhut jetzt 

Mein Vater ruht — sei du mir Hort und Helfer 

Zur Rückkehr in mein überkommenes Land! 

— An diesem Hügel rufe ich den Vater 

Um Segen und Gehör. Schon weihte ich 

Heut früh dem heimischen Flussgott eine Locke, 

Dem Nährer meiner Jugend, Inachos. 

Jetzt eine zweite dir zur Toten gift, 

Vater, den ich beim Grabgang nicht bejammert, 

Dem ich zur Trauer nicht die Hand gereckt. 

Er bemerkt in der Ferne Elektra und den Chor der Dienerinnen. 

Was seh ich dort? Was soll die dunlde Schar 
Von schwarzgewandeten, verhüllten Frauen, 
Die diesem Orte nahn? Wie deut ich das? 
Hat neuer Tod das Königshaus besucht? 
Kommen dem Vater sie zur Totenfeier 



_ 70 — 

Mit Guss und Trank, der Seelen Sänftigung? 

So ist^s. Mir dünkt, ich seh auch meine Schwester 

Elektra dort, durch Trauer ausgezeichnet. 

— O gib mir, Zeus, des Vaters Los zu rächen. 

Sei du mir Helfer und Verbündeter! — 

Lass uns zur Seite treten, Pylades, 

Dass dieses Zugs Bedeutung wir erfahren. 

Tritt mit Pylades beiseite. 

I 

ZWEITE SCENE 

ELEKTRA. CHOR DER DIENERINNEN. 

CHOR. 
Wir kommen vom Hause, wir tragen zum Grabe 

Die Opfer der Toten und Schlagen der Brüste / 

Ist unser Geleit. 

Es weist noch die Wange blutdunkele Streifen, 
Die Furchen der Nägel. In endloser Klage 
Weidet das Herz. 

Zerrissen, zerschlissen die linnenen Tücher 

Von schmerzlichen Händen, des Busens Umhüllung 

Vom Grame zerfetzt. 

— Denn nächtlich erhob sich das Schreckbild des Hauses 
Ergrimmend vom Schlafe mit gellendem Schreien 
Zur Mitte der Nacht. 



— 71 — 

Im innersten Herzen uns Schauer erweckend 

Und Aengste und Blässe, brach dumpfes und dröhnend 

Ins Frauengemach. 

Beschworen die Seher die göttliche Deutung: 
Es zürnen im Abgrund und grollen die Toten 
Den Mördern ergrimmt. 

CHORFÜHRERIN. 
Mit falscher Sühnung, nichtiger Huldigung 

(Weh, Erde! Erde!) heisst sie uns opfern jetzt, 

Die Frevlerin. (Mir stockt das Wort im Munde.) 

Wo ist denn Lösung für vergossenes Blut? 

ERSTER HALBCHOR. 
Wo immer Blut zur Erde verschüttet ward 

Gerinnt ein Mordmal, das nie und nie verlöscht. 

Das Schicksal spart geduldig sich den Täter, 

Bis reif das Gift der Krankheit aus ihm bricht. 

ZWEITER HALBCHOR. 
Wo einer Jungfrau keusches Siegel verletzt. 

Hilft Sühne da? Und wüschen die Wasser all. 

Der Erde Ströme eingedämmt m einen. 

Die rote Hand, die Hand des Mörders rein? 

CHOR. 
Wir aber, wir Armen, durch Götter und Schicksal 



/ 



I 



— 71 — 

Der Heimat verlustig, vom häuslichen Herde 
In Knechtschaft geschleift, 

Das Tun unsrer Herren, dem Zwange gehorchend, 
Ob recht es ob schlecht es, wir müssen es loben, 
O bittres Geschick. 

Wir bergen die Schauer verstohlener Tränen, 
Den Fürsten beweinend, von heimlicher Trauer 
Und Schmerzen bereift. 

ELEKTRA. 
Des Hauses Dienerinnen, treue Fraun, 

Die ihr beim Opfergange mich begleitet. 

Wollet mir freundlich nun Berater sein, 

Mit welchen Worten, welcherlei Gebet 

Ich diese Spenden meinem Vater weihe! 

— Sag ich im Namen meiner Mutter etwa: 

'Geweiht dem Gatten von dem treuen Weib'? 

Das wag ich nicht. Doch sagt, wie Sprech ich sonst. 

Wenn ich den Weihguss auf den Hügel schütte? 

Sag ich den alten Spruch, wie viele tun: 

'Vergelt es dem, der diese Kränze sendet'? 

Vergelten? Doch hier hiess' vergelten: Mord! 

Schweige ich schmählich, wie er schmählich ja 

Und lautlos fiel, und schütt' den Erdtrank hin 

So weggewandt, als göss' ich Unrat aus, 



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— 73 — 

Und schleudre das Gefäss von mir und gehe ? 
— Sagt ihr mir denn, wie ich ihn ehren soll. 

CHORFÜHRERIN. 
Bring ihm den Trank im Namen aller Treuen, 

ELEKTRA. 
Wen nenn ich anders dann als euch und mich? 

CHORFÜHRERIN. 
Denk nach, ob du sonst keinen Treuen weisst. 

« 

ELEKTRA. 
Wen zählt ich anders noch in diesen Kreis? 

CHORFÜHRERIN. 
Orestes. Wenn er gleich uns ferne weilt. 

ELEKTRA. 
Wohl hast du mich und recht zur Zeit erinnert. 

CHORFÜHRERIN. 
Und dann gedenke fluchend auch der Mörder. 

ELEKTRA. 
Doch sündige ich dann vor den Göttern nicht? 

CHORFÜHRERIN. 
Sollt' man dem Bösen böses nicht vergelten. 

Elektra kniet am Grabe nieder. 

ELEKTRA. 
O Herold du der Götter und der Toten, 



/ 






— 74 — • 

Nächtiger Hermes, sei du Bote mir, 

Dass mein Gebet bis zu den Untern dringe, 

Die zürnend schaun auf meines Vaters Blut, 

Zur Erde selbst, die jegliches geboren 

Und nährt und wiederum als Keim empfängt. 

— Dies Opferwasser so den Toten sprengend 
Ruf ich dich Vater : Vater, hilf uns du. 

Mir und Orestes, zu des Hauses Herrschaft. 

Jetzt irren wir im Leben wie verkauft 

Von unserer Mutter, die den Mörder sich, 

Aigisthos, hat zum Manne eingetauscht. 

Ich bin gleich einer Magd. Orestes darbt. 

Vom väterlichen Gut verbannt. Und sie 

Prassen in Wollust jetzt in deinen Schätzen. 

Es mög' Orestes glücklich wiederkehren, 

Das fleh' ich, Vater, und du höre mich. 

Mir aber gib, dass ich unsträflicher 

Als meine Mutter sei und frommen Tuns. 

So viel für uns. Doch unsern Feinden, fleh ich, 

Möge dein Rächer, Vater, bald erstehn. 

Der wieder tötet, die getötet haben. 

— Mit solchem Flehen giesse ich den Trank. 
Doch ihr lasst lauten Klageruf erblühen 

Im Totenpäan, wie der Brauch es will. 

Während sie den Wein ausgiesst spricht der Chor. 



75 



CHOR, 



Lasst rinnen die Zähren, 
Ertöne die Klage, 
Töne und sterbe 
Dem Herrn, der starb. 
Zur Stätte der Schmerzen, 
Zum Hügel der Ehren, 
Wir schütten die Güsse, 
Wir sühnen die Schuld. 



Höre uns, hör uns, 
Herr und Gebieter du. 
Hör unsre Klagen 
Aus trübem Gemüt. 

Weh uns ! weh, wehe uns ! weh ! 

Wann naht er dem Hause, 
Der Lanzenschwinger, 
Der Rächer, der Sieger, 
Den Bogen in Händen, 
Und treffende Pfeile 
Zum Kampfe befingernd. 
Die Schärfe des Stahles 
Am Griffe gefasst. 



- 7^ 



77 



ELEKTRA. 
Sich aufrichtend. 

Zum Vater drangs. Die Erde schlürft es ein. 

Sie bemerkt auf dem Grabhügel die Locke des Orestes, 
Nun Steht mir bei in einer neuen Sorge. 

CHORFÜHRERIN. 
Sprich doch. Erwartungsvoll pocht mir das Herz. 

ELEKTRA. 
Hier find ich diese abgeschnittene Locke. 

CHORFÜHRERIN. 
Ist's eines Mannes, ist es Mädchenhaar? 

ELEKTRA. 
An Farbe ist es völlig gleich dem meinen. 

CHORFÜHRERIN. 
Wär's von Orest ein heimlich Weihgeschenk? 

ELEKTRA. 
Gewiss. So ist sein Haar. So müsst es sein ! 

« 

CHORFÜHRERIN. 
Wie hat er es gewagt, hierher zu kommen ? 

> 

ELEKTRA. . ' 

Er sandte seinem Vater diese Spende. 

CHORFÜHRERIN. 
Nur um so trüber macht uns, wenn du recht hast, 
Und nimmer er zum Heimatlande kehrt. 



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. 



ELEKTRA. 
Auch meine Seele wogt in Aengsten auf. 
Mein Herz ist wie von einem Pfeil durchschossen. 
Und durstige, ungehemmte Tropfen stürzen 
Aus meinen Augen mit dem grossen Strom, 
Beim Anschaun dieser Locke. — Ja, wo wäre 
Sonst einer noch, der sich zu ihr bekennte? 
Und ganz gewiss schnitt nicht die Mörderin 
Dies Haar sich ab, die falsche Mutter, die 
Uns Kindern höchst unmütterlich gesinnte. 
Doch darf ich deshalb schon dem Wahne trauen, 
Es rühre dieses Pfand von meinem liebsten 
Bruder Orestes — wenn der Wahn auch süss. 
Ach! 

Könnte sie zu mir sprechen, diese Locke, 
Als eine Botin mich vom Zweifel lösen, 
Dass mit Gewissheit ich ausspeieii kann. 
Wenn sie von eines Feindes Haupt geschoren, 
Dass sie, wenn mir verwandt, mittrauerte. 
Das Grabmal schmückend und den Vater ehrend. 
— Die Götter fleh ich an. Sie wissen ja, 
In welchen Stürmen wir, wie arme Schiffer 
Umirren. Soll von ihnen Rettung nahen, 
Wächst leicht aus kleinem Keim ein grosser Stamm, 

Sie bemerkt am Boden die Fusstapfen der beiden Freunde, 



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- 78 - 

Und hier, die Tritte! Seht, ein neues Zeichen! 
Von gleichen Füssen und den meinen ähnlich, 
Dort die von ihm, dort des, der mit ihm kam. 
Der Ferse Abdruck mess' ich und des Spanns; 
Sie stimmen überein mit meinem Fusse, 
Mein Herz zerspringt. Mein Geist verfinstert sich. 

OresUs und Pylades sind bei den letzten Versen aus ihrem Ver- 
steck getreten. Sie bemerkt sie jetzt erst, erschrickt beim Anblick 
der fremden Gesichter und tritt einen Schritt zurück. 

DRITTE SCENE 

ORESTES. PYLADES. ELEKTRA. CHOR. 

ORESTES. 
Fleh zu den Göttern, dass sie alles dir. 

Wie diesen Wunsch an mir, erfüllen mögen. 

ELEKTRA. 
Und was erlangt ich denn von ihrer Huld? 

ORESTES. 
Es steht vor dir, den du so heiss erflehtest. 

ELEKTRA. 
Ich kenn dich nicht. Du sinnst wohl auf Betrug. 

ORESTES. 
Das war, als wollt' ich selber mich betrügen. 

ELEKTRA. 
Verspottest du in meinem Elend mich? 









— 79 — 

ORESTES. 
So spottet ich ja über eignes Leiden. 

ELEKTRA. 
So bist du's wirklich? Nenn ich dich Orestes? 

ORESTES. 
Nun du mich leiblich siehst, kennst du mich nicht. 
Und vorher, wie du meine Locke nur 
Und meines Fusses leichte Spur bemerktest. 
Flogst du empor und glaubtest mich zu sehn. 
Da sieh den Schnitt, an den die Locke passt, 
Schwester, auf meinem brüderlichen Scheitel. 
Sieh diesen Mantel, deiner Hände Werk, 
Den Saum und Einschlag und der Tiere Bilder . . 

Sie umarmen sich. 

Bezwinge deine Freude. Fasse dich. 

Denn bittere Feindschaft droht uns von den Nächsten. 

ELEKTRA. 
O süsse Sorge deines Vaterhauses, 

Betränte Hoffnung auf bewahrten Samen, 

Kraft, die des Vaters Reich zurückgewinnt ! 

Du süsses Auge, vierfach teuer mir, 

Denn sieh, hinfort muss ich dich Vater nennen 

Und Mutter (denn die Mutter hass ich), dir 

Fliesst alle Liebe zu. Du bist mir Schwester 

Statt jener, die sie grausam schlachteten. 



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— 8i — 



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Mein Bruder bist du, der mir Recht verschafft 

Einzig in aller Welt. — Nun helfen Recht 

Und Kraft und Zeus, der höchste, dir zum Werke. 

ORESTES. 
Zeus, Zeus, schau du auf uns und unsere Not. 

Sieh die verwaiste Brut des starken Aars, 

Der in den Ringen und Umwindungen 

Der bösen Schlange umkam. Blasser Hunger 

Quält die Verlassnen, denn sie sind zu schwach, 

Des Vaters Beute nach dem Nest zu tragen. 

So sieh uns hier, verwaist und vaterlos. 

Mich und Elektra, diese meine Schwester, 

Beide vom väterlichen Haus verjagt. 

Wenn du nun eines solchen Opfrers Kinder 

Wie meines Vaters, der dich hoch geehrt, 

Verderben lässt, wer soll dir künftig opfern? 

Wenn du des Aars Geschlecht vertilgt, wer brächte 

Den Menschen noch dein Zeichen? So wird dies 

Geschlecht, wenn du es ganz verdürrst, dir nimmer 

Altäre richten an den Opfertagen. 

So hilf uns. Und mit kleiner Mühe hebst 

Dies Haus du auf, das jetzt so tief gestürzt. 

CHORFÜHRERIN. 
O Kinder, letzter Stern und Hoffnung ihr 

Des Hauses, schweigt, dass niemand euch belausche, 



Der dann, ihr Lieben, alles hinterbringt 

Den Herrschern. — Ah, erlebt ich's, ihre Leichen 

In Qualm und Feuer noch verbrannt zu sehn. 

ORESTES. ' 

Des grossen Pythiers Spruch wird mich nicht täuschen, 

Der mir dies Unternehmen auferlegt, '' 

Mich laut aufrufend und entsetzliche 

Qual meinem brennenden Gemüte dräuend^ 

Wo ich des Vaters Mörder nicht verfolge. 

Die ich in gleicher Weise töten soll. 

Entrüstet jede andre Busse weigernd. 

Am eignen Leibe, sprach er, würde ich 

Der Feinde Schonung sonst zu büssen haben. 

Und wies die Uebel alle, die aus Gräbern 

Der Toten dröhn und Fluch und Krankheit mir: 

Aussatz, der scharfen Zahns ins Fleisch sich wühlt. 

Des Körpers frühre Schönheit ganz verzehrend. 

Und der die Haut bedeckt mit weissem Schorf, 

Und andre Plagen der Erinyen viel. 

Die ungerächtes Vaterblut erzeuge. 

Der Unterirdischen finsteres Geschoss, 

Der Toten des Geschlechts, die Rache fordern. 

Sprach er, treibt, hetzt, verjagt von Stadt und Haus 

Mit ehrner Geissei dann den Schmachbeladnen. 

Und solchem ist kein Anteil mehr am Krug, 

VoUmocller, Orestic 6 



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— 8z — 

Am Guss nicht mehr der ausgesprengten Spende. 

Vom Altar treibt der unsichtbare Groll 

Des Vaters ihn und Gastschaft beut ihm keiner, 

Bis ehrlos, freundlos, wenn die Zeit erfüllt. 

Verdorrt, verzehrt er bösen Tods gestorben. 

— Wer weigert solchem Spruch Gehorsam wohl? 

Und wollt' ich's: nach Vollendung schreit die Tat. 

Denn, viele Triebe treiben hier vereint: 

Des Gottes Wort, Zorn um des Vaters Tod, 

Es spornt die bittre Armut selbst mich an. 

Auf dass nicht Argos ruhmbedecktes Volk, 

Dess' Heldenmut einst Troja überwunden, . 

Jetzt zweien Weibern untertänig sei. 

Ein Weib ja ist er. Bald wird er's bewähren. 

CHOR. 
Ach, erlebt ich es doch. 

Flammende Lieder zu sagen. 

Liegt der Mörder erschlagen. 

Liegt verröchelnd das Weib. 

Was verhehl ich es noch! 

Weg mit feigem Betrüge: 

Schäume vom rauschenden Buge 

Rollender, grollender Hass! 

ELEKTRA. 
Wann, allmächtiger Zeus, 



- 83 - 

Reckst du die Hand zum Werke, 
Ihre Häupter zerschellend. 
Hellend das Land? 
Helft mir zum Rechte I — Hört, 
Erd' und höllische Mächte ! 

CHORFÜHRERIN. 
Todestropfen zur Erde gesprengt 

Müssen andere Tropfen stillen, 

Mord ruft die rächenden Geister zuhauf. 

Die um der früher verblichenen willen 

Neues Unheil auf altes laden. 

ORESTES. 
Auf ihr Herrscher der nächtigen, grossen 

Reiche, ihr mächtigen Flüche der Toten, 

Schaut die Neige von Atreus Stamm, 

Vom Hause verscheucht, 

Verzweifelt, Verstössen. 

ELEKTRA 
zu den Frauen. 

Was sollen wir sagen? 

Und wie ihn erschüttern? 

Nennt ihm die Plagen all', 

Die wir erlitten, 

Die sie uns tat. 

Sollen wir's tragen noch. 



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— 84 

Frommte beschönen noch? 

Wilder als Wolfsgemüt 

Ist unsrer Mutter grimmiges Herz. 

CHOR. 
Wir schlugen die Schläge, wir sangen die Sänge, 

Wir hielten die Bräuche der Klagefrauen 

Von Kissia wohl. 

Es flogen die Fäuste von jeglicher Seite, 
Von unten von oben, ein Regen von Schlägen, 
Darunter erdröhnte das schmerzlich getrofl^ne 
Unselige Haupt. 

ELEKTRA. 
Feindliches Weib, weh! 

Rasende Mutter, weh! 

Wie man im Feld die Toten eingräbt. 

Ohne Bürgergeleit, 

Ohne Trauergepräng, 

Ohne Klagelied hast du den Gatten verscharrt. 

CHOR. 
Grausam erschlagen, grausam bestattet. 

Verstümmelt hat sie ihn, dass ihr es wisst. 

Des Sohnes Leben auf ewig zerstörend noch. 

Tat sie, ersann sie (hörst du? so höre doch!) 

Deinem Vater die letzte Schmach. 



- 85 - 

ELEKTRA. 
Ihr redet vom Vater, Wer redet von mir? 

Verlacht, verachtet lag ich im Winkel, 

Weggesperrt wie ein bissiger Hund. 

Zu lachen verlernt ich, doch hielt ich^s zu Ende 

Mein einzig Ergötzen: strömende Tränen, 

Heimlich geweint. 

Nun weisst du's. Nun denke daran. 

CHOR. 
Das Ohr durchbohre 

Und dringe das Wort dir 

Ins innerste Mark. 

Nun weisst du's. Und unter dem Boden 

Wartet der Tote. 

Nun gilt kein Zaudern, nur treffen und Schlag. 

ORESTES. 
Nun habt ihr mir alles 

Schande und Schmach mir genannt. 

Weh. 

Des Vaters Schändung 

Soll sie mir büssen, 

Das helfe die Gottheit, 

Das helfen mir diese Hände : 

Ich will es vollenden — und sterben. 

Alle treten im Kreis um Orestes zusammen. 



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— 86 — 

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ORESTES. 
Geist meines Vaters, steh den Deinen bei. 

ELEKTRA. 
Vater, vernimm auch meinen Ruf durch Tränen. 

CHOR. 

Hör uns, steige zum Licht, 

Hilf uns wider die Feinde. 

ORESTES. 
Kampf gegen Kampf jetzt, und Recht gegen Recht. 

ELEKTRA. 
Ihr Götter, auf, zum endhchen Gerichte. 

CHOR. 
Schauer durchrinnt mich 

Bei solchem Beten. 

Gebete wecken, 

Was lauert und schläft. 

Die beiden Geschwister treten auf den Grabhügel, Der Chor 

umringt sie und singt: 

Eingestammter Verderb, 
Hässliches, schwärendes Mal, 
Grässlicher, kläglicher Schlag: 
Weh, unsäglicher Jammer ! 
Weh, unerträgliche Qual ! 



- 87 - 

Aus dem Geschlechte selbst 

Kommt dem Hause der Retter 

Wächst der Wunde das Heil : 

Von blutiger Schneide, von scharfem Beil. 

Hört uns, untere Götter ! 

ORESTES 
an das Grab klopfend, 

O mein unköniglich erschlagener Vater, 
Hilf du zur Herrschaft mir in deinem Reich! 

ELEKTRA 
ebenso. 

Mir, Vater, hilf zu Hausstand und Gemahl, 
Wenn wir den Mörder dir getötet haben! 

ORESTES. 
Dann sollst du reiche Totenmahle haben. 
Doch sonst bleibst ungeehrt du, wenn den andern 
Toten der fette Opferbrodem steigt. 

ELEKTRA. 
Auch ich will dir von meiner Mitgift dann 
Am Tag der Hochzeit reiche Spenden tun, 
Dein Grab vor allen andern Gräbern ehrend. 

ORESTES. 
Gib, Erd, ihn los, dass er mich kämpfen sehe 1 

ELEKTRA. 
Persephoneia, gib uns Kraft und Sieg! 



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— 88 — 

ORESTES. 
Denk, Vater, an das Bad, drin sie dich schlugen. 

ELEKTRA. 
Denk an das Netz, das sie für dich erfand. 

ORESTES. 
Die Fesseln, nicht von Erz, drin sie dich fing. 

, ELEKTRA. 
Die schmähHch ausgesonnene Umschlingung. 

ORESTES. 
Ruft solche Schmach dich nicht vom Schlafe, Vater? 

ELEKTRA. 
Hebst du nicht auf zu uns dein teures Haupt? 

ORESTES. 
Heiss die Vergeltung selber mit uns streiten, 

Gib, dass wir sie mit gleichen Listen fahn, 

Wenn du in uns noch einmal siegen willst. 

elektra! 

Hör, Vater, du mein letztes Schreien. Sieh 
Die Küchlein hier auf deinem Grabe sitzen : 
Erbarm des Knaben und des Mädchens dich. 

ORESTES. 
Und lass des Pelops Samen nicht erlöschen, 

Dass du nach deinem Tod noch weiterlebst. 



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- 89 - 

ELEKTRA. 
Kinder sind ja der Toten Namensretter. 

Wie Korke sind sie an den Fischernetzen 

Und halten hoch das Garn vom Meeresgrund. 

ORESTES. 
Erhör uns. Denn wir jammern ja um dich. 

Dir selbst zum Heile sollst du uns erhören. 

CHORFÜHRERIN. 
Dass ihr so lange klagt will ich nicht tadeln, 

Nun ihr dies dürre Grab mit Tränen ehrt. 

Zu Orestes. 

Doch da du nun zur Tat dein Herz gerichtet 
Trau deinem Dämon und vollende sie. 

ORESTES. 

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Es sei. Doch eine Frage erst, die nah liegt. 

Was schickt sie diese Spenden? Wess Gebot 

Heisst spät sie noch das Unsühnbare sühnen, 

Dass sie dem Toten so verächtliche 

Gaben gesandt? Wo finde ich den Sinn 

Von dem Geschenke? Deckts etwa die Schuld? 

Und schüttet einer seine ganze Habe 

Für eines Menschen Blut: Ja reicht' das hin I 

Sag du mir denn, was du darüber weisst. 



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— 90 — 

CHORFÜHRERIN. 
Ich weiss darum, da ich's mit angesehn: 

Von Träumen und Erscheinungen geschreckt, 

Schickt die Verruchte uns mit diesen Spenden. 

ORESTES. 
Weisst du denTraum? Kannst du ihn mir beschreiben? 

CHORFÜHRERIN. 
Ihr däucht', dass eine Schlange sie gebar. 

ORESTES. 
Und weiter dann. Wie endete der Traum? 

CHORFÜHRERIN. 
Sie legt das Tier in Windeln wie ein Kind. 

ORESTES. ' 
Mit welcher Nahrung aber nährte sie's? 

CHORFÜHRERIN. 
Ihr war, sie reiche selbst dem Tier die Brust. 

ORESTES. 
Und blieb ihr Busen heil vom Schlangenzahn? 

CHORFÜHRERIN. 
Der Milch vermengt strömte geronnen Blut. 

ORESTES. 
Nimmer ist solch ein Traum bedeutungslos. 



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— 91 — 

CHORFÜHRERIN. 
Hell schrie sie vor Entsetzen auf im Schlaf. 

Viel Fackeln, die schon ausgelöscht zur Nacht, 

Flammten im Hause auf der Herrin wegen. 

Und nun schickt sie durch uns den Totentrank, 

Davon der Schrecken Stillung sich erhoffend. 

ORESTES. 
So wünsch' ich, bei der Erde und dem Grab 

Des Vaters, dass der Traum sich mir erfülle. 

Und meine, dass dies ganz so kommen muss: 

Denn wenn die Schlange, die demselben Schoss, 

Wie ich, entsprungen und in meine Windeln 

Gewickelt ward, jetzt aus der gleichen Brust, 

Die mich genährt, sich Bkit sog mit der Milch, 

Dass jene ganz entsetzt vor Schrecken aufheult. 

So muss sie, die solch Graungezücht gebar. 

Gewaltsam sterben. Ja, der Wurm bin ich. 

Ich will sie töten wie*s der Traum verkündet 

Und euch ruf ich zu Zeichendeutern an. 

CHORFÜHRERIN. 
Also gescheh' es. Aber sag uns noch, 

Welch Teil am Werke du uns zugewiesen. 

ORESTES. 
Hört mich: Du, Schwester, geh ins Haus zurück 



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— 91 — 

Und lass sie nichts vom Vorgefallnea merken, 
Dass wie mit Arglist sie den Edeln schlugen, 
Durch List sie sterben in demselben Garn, 
Dies hat uns ja der Pythier zugesagt, 
Apollon, dessen Sprüche nie getrogen. 
— Ich selber komme wie ein fremder Wandrer 
Ans Burgtor dann, mit diesem meinem treuen 
Freunde und Waffenbruder Pylades. 
Und beide reden wir in Phokermundart 
Wie man am Abhang des Parnassos spricht. 
Da wird wohl kaum ein Pförtner freundlich uns 
Auftun, denn ganz im Argen liegt dies Haus. 
Wir warten ruhig, bis sich einer zeigt. 
Der am Palast vorübergeht und spricht: 
Wie lässt Aigisthos Fremde vor dem Tor stehn 
Wo man doch weiss, dass er zu Hause ist? 
Hab ich dann erst die Schwelle überschritten 
Und find ihn sitzend auf des Vaters Thron 
Oder tritt selbst er vor und richtet mir 
Den Blick ins Antlitz — dess versichr' ich euch, 
Eh er nur sagt: ,wess Landes und woher?' 
Tu ich ihn ab mit dem geschwinden Stahle. 
So wird Erinnys, der es nie an Mord 
Gemangelt hat, den dritten Bluttrank trinken. 

Zu Elektra. 



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— 93 — 

Du hab auf jedes Ding im Hause acht, 
Dass alles sich nach Plan und Absicht füge. 

Zum Chor. 

Und euch ermahn ich, wahret eure Zunge, 
Schweigt, wo es not, und sprecht zur rechten Zeit. 
— Das andre leg ich in des Gottes Hände, 
Der mich zu diesem Kampf berufen hat. 

Ab mit Pylades, 



CHOR. 

Es nährt die Erde der reissenden Schrecken viel, - 

Viel Ungeheuer die tiefen Buchten der See, 

Den Sterblichen feind. 

Es stürmen hoch im luftigen Räume gehängt 

Die himmlischen Wetter. Und das Gevögel der Luft, 

Des Feldes Getier, sie kennen das Toben 

Stürmender Windsbraut. 

Doch wer mass je die wagende Kühnheit des Manns, 

Wer hat je des trotzigen Weiberherzens 

Vermessene Brünste erschöpft. 

Die zum menschlichen Elend gesellt sind. 

Brunst beherrscht die weibliche Art, 

Brunst zersprengt den geweihten Verein 

Bei Menschen und reissenden Tieren. 



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— 94 — 

Und höre ein jeder, 

Der flatternden Sinns nicht und Torheit voll, 

Welche Brandtat dem eignen Sohn zum Verderben 

Die unglückselige Mutter 

Althaia geübt. 

Da sie das schwärzliche Scheit entzündet. 

Das einst dem neugeborenen, wimmernden 

Kinde die grauen Mütter 

Zum Altersgenossen 

Und Lebensmasse 

Und Endziel der Tage gesetzt. 

Und hassen s wert auch 

Die Skylla, blutige Tochter sie, 

Die dem Feind zu Gefallen 

Den teuren Helden verriet, \ 

Durch des kretischen Minos köstliches, goldgefasstes 

Halsband verführt. 

Denn da Nisos, ihr Vater, ruhig atmend 

Im Schlaf lag, schnitt listig die Hündische ihm 

Der Unsterblichkeit Locke ab und Hermes 

Raubte die Seele. 



Vor allen Greueln ragt der lemnischen Weiber 
Männermord, dem keiner lebend entrann. 



— 95 — 

Und mit Recht möcht' einer die Freveltat hier 
Lemnische heissen. Von Göttern verdammt. 
Sinkt ein Geschlecht in der Menschen Gedanken. 
Ehrte man noch, was den Göttern verhasst ist? 
Sprech ich nicht recht ? ^ 

VIERTE SCENE 

Verwandlung, Der Palast in Argos. — Später Abend. 
ORESTES. PYLADES. DIENER. , 

ORESTES 
;;;/V Pylades von links auftretend. 

He, Pförtner, auf! Am Hoftor wird geklopft. 
Ist niemand da? Auf, sag ich, auf! Ist niemand 
Daheim? Und jetzt zum drittenmal: macht auf. 
Wenn bei Aigisthos noch Gastfreundschaft gilt! 

STIMME DES DIENERS. 
Ich höre schon. Wer seid ihr? Und woher? 

ORESTES. 
Geh, meld' mich deiner Herrschaft. Sag, ich komme 

Mit grossen Neuigkeiten. Spute dich. 

Schon führt die Nacht ihr schwarz Gespann herauf 

Und um die Stunde ist's, wo Wandrer gerne 

Bei gastlichem Gehöft vor Anker gehn. 

— Schick jemand von der Herrschaft selbst heraus. 

Gut, wenns die Hausfrau ist. Der Herr noch besser. 



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- 96 - 

Denn Rücksicht macht die Worte doch nur dunkel, 
Und Mann zu Mann spricht frei und deutlicher. 

Klytaimnestra mit Gefolge aus dem Frauensaal, 

FÜNFTE SCENE 

KLYTAIMNESTRA. ORESTES. PYLADES. CHOR. 

KLYTAIMNESTRA. 
Sagt, Fremdlinge, wess' ihr bedürft. Es bietet 

Das Haus euch, was ein Gast erwarten mag: 

Ein warmes Bad, geziemende Gewandung 

Und die Erquickung weicher Lagerstatt. 

Liegt mehres euch noch an, das Rat erheischt, 

So sind da Männer, denen gern ich's melde. 

ORESTES. 
Ich bin ein Fremder, aus dem Phokischen, 

Von Daulis. Wie ich jetzt mit meinem Ranzen 

Gen Argos wanderte — denn hierher wollt ich — 

Traf unterwegs ich einen Unbekannten, 

Und als wir, einer nach des andern Ziel, 

Uns ausgefragt, sprach Strophios von Phokis 

— So nannt er sich — , mein Freund, dieweil du doch 

Nach Argos gehst, so melde dort den Eltern, 

(Behalt es wohl) Orestes sei gestorben. 

Und bring Bescheid mir, wenn du wiederkehrst. 

Ob seine Asche ich den Seinen senden, 



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— 97 — 

Ob ich ihn dauernd hier bestatten soll. 
Jetzt ist sein Staub in einem ehernen Krug 
Nach feierlichem Totenfest verschlossen.' 

KLYTAIMNESTRA. 
Weh mir! Von Grund aus nun und ganz zerstört! 
Uralt, unseliger Dämon dieses Hauses, 
Wie spähst du aus, was doch geborgen schien. 
Und triffst mit sichern Pfeilen das Entfernte. 
Wie hast du ganz von Kindern mich entblösst! 
Nun auch Orestes, der zum Glücke doch 
Dem Schlamme des Verderbens fern geblieben! 
Er, schönster Freuden und des Heils Gewähr, 
Lächelnde Hoffiiung — und du löschst sie aus. 

ORESTES. 
Mit bessrer Botschaft hätt' ich wohl gewünscht, 
In ein so hochbeglücktes Haus zu treten 
Und Gastschaft zu empfangen, denn wer hegte 
Dem Gastfreund bessre Wünsche als der Gast. 
Doch hätt ich gottlos mich genannt im Herzen, 
Wo ich dem Hause dies nicht angesagt. 

KLYTAIMNESTRA. 
Nicht weniger soll dir werden, was dir ziemt. 
Noch sollst du minder uns willkommen sein. 
Wenn du nicht, bracht' ein andrer doch die Kunde. 

Vollmoellcr, Orestic 7 



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— 98 - 

— Doch nun ist's Zeit, dass ihr, vom langen Weg 
Erschöpft und matt, das nötige erhaltet. 

Zum Diener. 

Du fuhr den Fremden in die Gästehalle 
Und seinen Freund und Weggenossen mit. 
Lass ihnen reichen, wess' der Leib bedürftig, 
Und rieht es bestens aus. Du stehst dafür. 
— Ich gehe diese Nachricht kund zu tun 
Dem Herrn des Hauses. Denn an treuen Ratern, 
Die uns in diesem beistehn, fehlt es nicht. 

Der Diener geleitet Orestes und Pylades durch das Haupttor in 
die Halle. Klytaimnestra kehrt in den Frauensaal zurück. 

CHORFÜHRERIN. 
Auf, Freundinnen, auf! 

Ihr Dienenden all, nun erweiset, wenn je. 
Der Gebete Kraft für Orestes! 

CHOR. 
O heilige Erde, o heiliger Hügel, 

Dem Herren der Schiffe zum Grabe geschüttet, 

Dem fürstlichen Toten zum Male erhöht. 

Nun helft uns und hört: *' 

Es helfe uns Peitho mit Ränken und Listen, 
Es helfe uns Hermes, der untere, nächtige,. 
Helfe den beiden und leite im Streite 
Das tötliche Schwert. 

Die Amme Kilissa aus dem Frauengemach. 



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SECHSTE SCENE 

AMME. CHOR. 

ERSTE DIENERIN. 
Die Fremden haben Unheil scheints gebracht, 

Da kommt laut weinend des Orestes Amme. 

ZWEITE DIENERIN. 
Wohin so rasch, Kihssa? Was geschah, 

Dass du so aus dem Hause läufst und jammerst? 

DIE AMME. 
Die Herrin will, ich soll ihr den Aigisthos ' 

Schleunig herrufen, dieser Fremden wegen, 

Dass er herkomme und die neue Botschaft > . < 

Aus ihrem Munde höre, Mann vom Mann. 1 

Und vor den Dienern sieht sie finster drein j - 

Und hält das Lachen noch. Ihr ist ja alles ' 

Zum besten ausgeschlagen. Doch für uns • 

Ist's hart genug, was diese Fremden brachten. 

Aigisthos freilich wird sich höchlich freun. 

Wenn er's erfährt. Oh weh mir! Gott, mein Gott! 

Dass doch von jeher soviel Bitterkeit 

In diesem Haus mir auszutrinken ward. 

Und immer neues Leid und neues Herzweh. 

So schlimm wie diesmal aber war's noch nie. 

Das andre hab ich immer noch getragen — 



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— 100 — 

* 

Doch jetzt! Orestes . . hu . . mein Herzenskind, 

schluchzt 

Das ich genährt, wie's von der Mutter kam. 
Und Unruh nachts und Schrein und hin und her 
Und Sorgen ohne End. Und das jetzt alles 
Umsonst! Da zieht man so ein Kleines auf 
In seiner Unvernunft. Da hilft das nichts. 
Es redet ja noch nicht, so ein Wickelkind, 
Wenn's essen, trinken oder wässern möchte. 
So ein kleiner Magen ist recht eigensinnig. 
Da heisst's erraten und oft gehts dann schief. 
Glaubs wohl, dann heisst es tüchtig Windeln waschen, 
Und ein Geschäft heisst Wäschrin sein und Amme. 
Die doppelte Hantierung hatt' ich immer. 
Seit ich das Kind vom Vater überkam. 
Jetzt hör ich, armes Weib, das Kind ist tot, 
Und muss noch zu des Hauses Schänder laufen, 
Der sich im Herzen freut, wenn er's erfährt. 

CHORFÜHRERIN. 
Wie, sagt sie, soll er kommen? Mit Gefolge? 

AMME. 
Mit seinen Lanzenträgern, sagte sie. 

CHORFÜHRERIN. 
Beileib, sag dem Tyrannen nichts davon ! 



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Nur er allein soll kommen, zum Gespräch, 

Ganz unbesorgt. Geh rasch und freue dich. 

Die Botschaft macht oft ein verschwiegenes Wort. 

AMME. 
Ihr scheint recht frohgemut bei diesen Dingen. 

CHORFÜHRERIN. 
Mag sein, dass Zeus dem Leid ein Ende setzt. 

AMME. 
Jetzt wo Orestes, unser Hoffen, tot ist? 

CHORFÜHRERIN. 
Geh hin und sag und tu wie ich gesagt. 
Die Götter sorgen, wie sie sorgen wollen. 

Amme ab nach rechts. 



ERSTER HALBCHOR. 
Zeus, erhöre mein Flehn, 
Du der seligen Götter Vater! 
Wollest Gelingen verleihn. 
Wollest Erfüllung geben, 
Sieg des Rechtes zu sehn, 
Da fürs Recht vv'ir einzig bitten und schrein. — 
Wahre sein Leben. , * ; 

CHOR. 
Wollest ihn über die Feinde stellen, 

Zeus ! 



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Wollest ihn gross und herrlich erhöhn, 
Zeus ! 

Dass er einst zweifach und dreifach 
Dir's mit dampfenden Opfern löhne. 

ZWEITER HALBCHOR. 
Die im innersten Haus 

Ihr die gehäuften Schätze behütet, 

Geister, freundliche, hört: 

Helft der vergangenen Greuel geronnenes 

Blutmal lösen in frischem Blut. 

Und der alte Mord zeuge nicht weiter. 

ERSTER HALBCHOR. 
Und du, Herr der delphischen Kluft, 

Herrscher ApoUon. . 

Gönn diesem Haus, das Haupt zu erheben, ,, 

Lass es der Freiheit Licht . 

Nach dem Dunkel der Knechtschaft erblicken. 

ZWEITER HALBCHOR. ' 
Du vor allen Göttern geschickt. 

Kühner Tat Gelingen zu geben, 

Hilf uns, der Maja Sohn! 

Listiger Hermes, verschleierter Worte volL 

Nacht und Schatten legst um die Augen du 

Und täuschst auch am strahlenden Tage. 



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— 103 — 

CHOR. 
Wir Frauen aber scheuchen mit Schreien dann 
Die feindlichen Geister und stimmen ein kräftiges 
Zauberlied an. 

Mit Zithern und Zymbeln klingen wir, singen wir 
Glück blüht für Argos heut. 
Glück auch für uns. 
Unheil fliehe von dannen! 

Doch du, wenn die Stunde genaht, 
Wappne mit Mut dich, o Sohn! 
Wimmert sie 'Kind' dann, 'mein Kind', 
Dröhn ihr ins Ohr 'denk des Vaters' 
Und vollstrecke die Tat. 

Atgisthos von rechts. 



SIEBENTE SCENE 

AIGISTHOS. CHOR. 
AIGISTHOS. 
Da bin ich denn. Man ruft mich, schickt mir Boten. 

Ich höre, fremde Männer seien da, 

Mit neuer Botschaft, keineswegs erfreulich, 

Vom Tode des Orestes : Dies ein neuer 

Blut'ger Verlust dem Haus, das doch genug 

Von frührem Mord entgliedert und zerfleischt ist. 

Nenn ich es wahr und glaube ich daran? 



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lO. 



Sind's Weiberreden nur, der Furcht entsprungen, 
Die in den Lüften flattern und vergehn? 
Könnt ihr darüber etwa Auskunft geben ? 

CHORFÜHRERIN. 
Wir hörten wohl darum. Doch geh hinein 

Und frag die Fremden selbst. Was nützt mein Wort, 

Wenn drin du's Mann vom Mann erforschen kannst. 

AIGISTHOS. 
Ja, sehn will ich den Fremden und ihn prüfen, 

Ob bei dem Tod er selbst zugegen war. 

Ob er nur dunkle Kunde weiterträgt. 

Und meinem Scharfblick soll er nichts verbergen. 

Er tritt durchs Haupttor in den Palast. 

CHOR. 
Zeus! Zeus! Wo find ich die Worte! 

Gebet und Beschwörung, wie heb ich sie an? 

Gib du Erhörung, 

Gib du der Treue das rechte Wort! 

Jetzt fällt der Schlag, jetzt entscheidet der Stahl, 

Vom Männerblute gerötet, , 

Ob, völlig vertilgt, Agamemnons Geschlecht 

Für immer verschwinde. 

Ob der Rächer Feuer und Flamme entzünde 

Der Befreiung jetzt, und die Herrschaft der Stadt 



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— lOJ — 

Mit des Vaters Schätzen erwirbt. — 
Zu solchem Ringen betritt jetzt den Plan 
Mit zweien Feinden der göttliche Kämpfer, 
Orestes. Ihm bleibe der Sieg! 

STIMME DES AIGISTHOS 
aus dem Innern des Palastes. 

Weh, weh mir! Weh! 

CHOR. 
Hörtet ihr? Hört! 

Was nun? Ist's drinnen zu Ende? 

CHORFÜHRERIN. 
Kommt mit zur Seite, bis dies ganz vorbei, 
Dass wir nicht unnütz hier Verdacht erwecken. 
Denn jetzt beginnt des Kampfes letztes Stück. 

Der Chor tritt zu beiden Seiten ab. Die verdunkelte Bühne bleibt 
einige Augenblicke leer. Dann stürzt der Diener aus der Mittel- 

tür des Palastes in den Hof. 

ACHTE SCENE 

DIENER. SPÄTER KLYTAIMNESTRA. 

DIENER. 
Weh mir! Man hat den Herren umgebracht. 
Weh! Und noch einmal weh! Und noch einmal! 

Aigisthos ist ermordet! 

Er lauft an die Tür des Erauensaals und pocht. 

Macht doch auf! 






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— io6 — 

Macht rasch und tut den Balken von der Tür 
Des Fraungemachs. Jetzt braucht es starke Arme. 
Doch schliesslich hilfts dem Toten auch nicht mehr. 
Jo! hailoh! 

Red ich zu tauben? Schlaft ihr alle denn? 
Schrei ich umsonst? Wo ist denn Klytaimnestra? 
Was säumt sie? Ja mich dünkt, jetzt liegt ihr Nacken 
Bald auf dem Block für den gerechten Streich. 

Klytaimnestra öffnet die Tür. 

KLYTAIMNESTRA. 
Was ist geschehn ? Was schreist du so durchs Haus ? 

DIENER. 
Die Toten morden die Lebendigen. 

KLYTAIMNESTRA. 
Weh mir.' Dein Rätselwort versteh ich wohl. 
Durch List, wie ich getötet, fall ich nun. 
Auf] Geb mir einer rasch das Mordbeil her. 
Ich will doch sehen, wem der Sieg verbleibt. 
So weit ist es nun schon mit uns gekommen. 

Orestes und Pylades aus dem Mitteltor. 






•^ 



— 107 — 

NEUNTE SOENE 

ORESTES. PYLADES. KLYTAIMNESTRA. DIENER. 

ORESTES. 
Dich eben such ich. Der dort hat sein Teil. 

KLYTAIMNESTRA. 
Aigisthos, weh, mein liebster Freund erschlagen! 

ORESTES. 
Dein Liebster? Wohl, im Grab sollst du mit ihm 

Zusammen liegen und ihn nie verlassen. 

KLYTAIMNESTRA 
ihre Brust enthlössend. 

Halt ein, mein Sohn, aus Scheu vor dieser Brust, 
An der du ehmals sanft und süss entschlummert. 
Von der du einstmals süsse Milch gesaugt! 

ORESTES 
"wendet sich ab. Zu Pylades» 

Was tu ich, Pylades! Verschon ich sie? 

PYLADES. 
Wo bliebe dann des Loxias Verheissung 
Und pythisches Orakel und dein Eid? 
Mach alles dir zum Feind, doch nicht die Götter! 

ORESTES. 
Ich fühl es: Du hast recht und mahnst mich wohl. 

Zu Klytaimnestra, 



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— 109 



Du, komm ! Dass ich dich neben dem dort töte, 
Den du vor meinem Vater ja geliebt. 

KLYTAIMNESTRA 
in die Knie sinkend. 

Ich nährte dich. Nun lass mich bei dir ahern ! 

ORESTES. 
Du bei mir wohnen? Meines Vaters Mörd'rin? 

KLYTAIMNESTRA. 
Das Schicksal, Kind, trug Schuld an jener Tat. 

ORESTES. 
So wird es wohl die meine auch verschulden. 

KLYTAIMNESTRA. 
Weh, achtest du für nichts der Mutter Fluch? 

ORESTES. 
Der Mutter, die den Sohn ins Elend stiess? 

KLYTAIMNESTRA. 
Ins Elend — nein, in ein befreundet Haus. 

ORESTES. 
Zwiefach verkauft des freien Vaters Sohn. 

KLYTAIMNESTRA. 
Wo ist der Kaufpreis dann, den ich empfing? 

ORESTES. 
Ich schämte mich, mit Worten ihn zu nennen. 



KLYTAIMNESTRA. 
So sprich doch auch von deines Vaters Schuld. 

ORESTES. 
Schilt nicht den Krieger, da im Haus du sassest. 

KLYTAIMNESTRA. 
Ja, schwer genug die Trennung von dem Gatten 

ORESTES. 
Des fernen Mannes Mühsal nährt das Haus. 

KLYTAIMNESTRA. 
So willst du wirklich deine Mutter töten? 

ORESTES. 
Nicht ich, du selber, Weib, gibst dir den Tod. 

KLYTAIMNESTRA. 
Gib acht du vor der Mutter grimmen Hunden! 

ORESTES. 
Wie flieh ich die des Vaters, lass ich dich? 

KLYTAIMNESTRA. 
Kalt bist du meinen Bitten wie das Grab. 

ORESTES. 
Des Vaters Schicksal wirkt das deinige. 

KLYTAIMNESTRA. 
Weh, ich gebar und säugte eine Schlange. 



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— III 



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ORESTES. 
Nun wird das Graungesicht des Traumes wirklich. 

Du tatst das Unrecht und nun leid es auch! 

Er schleppt sie in den Palast. Pylades folgt ihm. Der Chor tritt 
von beiden Seiten auf die Bühne zurück. 

ERSTER HALBCHOR. 
Spät trat die Vergeltung in Priamos Haus, 

Schwer schreitend die Göttin der Rache. 

Und spät betrat Agamemnons Palast 

Das Löwenpaar zum doppelten Mord: 

Zum Ziele gelangt der flüchtige Sohn, » 

Von Orakeln geführt, 

Von den Göttern selber geleitet. 

CHOR. 
Nun jubelt und jauchzt ob des Hauses Errettung 

Von Uebel und Schande, von frechen Vergeudern, 

Den Würgern und Schändern, von heillosem Los. 

ZWEITER HALBCHOR. 
Der den tiefen Spalt am Parnassos bewohnt, 

ApoUon der Seher, beim Nabel der Erde, 

Hat listigen Betrug 

Und spätes Verderben entsendet. — 

Hat Göttergebot je zum Frevel geführt? 

Drum ehrt die himmlischen Herrscher! 



CHOR. 
Erschienen das Licht, 
Zersprungen die Ketten! 
Du Haus der Atriden, 
Lang lagst du darnieder. 
Nun hebe das Haupt. 

ERSTER HALBCHOR. 
Bald naht die alles versöhnende Zeit, 
Die Schwelle beschreitend, sobald vom Herde 
Die Greuel gescheucht 
Mit Reinigung, Weihen und Sühnen. 

ZWEITER HALBCHOR. 
Ach erlebten die Zeit wir . 

Der friedlichen Ruhe, , 

Ach käme der Tag bald 
Des fröhlichen Rufs: 
Die finsteren Geister, sie weichen ! 

Die Mittcltür des Palastes öffnet sich. Orestes tritt, das Schwert 
in der Hand, auf die Schwelle. Am Boden erblickt man die 
Leichen des Aigisthos und der Klytaimnestra, darüber gebreitet 
dasselbe Gewand, unter dem Agamemnon erschlagen ward 
Diener mit Fackeln beleuchten die Scene. Während des folgenden 
drängt sich das Volk von Argos in den Palasthof. 



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T 12 — 






ZEHNTE SCENE 

ORESTES. PYLADES. CHOR DER BÜRGER VON ARGOS. 

ORESTES. 
Da seht ihr nun des Lands Tyrannenpaar, 

Des Vaters Mörder, des Palasts Verwüster, 

Die stolz vereint jüngst auf dem Throne sassen, 

Sind jetzt vereint am Boden, wie ihr seht, 

Mit gleichem Schicksal und den Eiden treu: 

Denn sie verschworen sich zum Tod des Königs, 

Wie jetzt zum eignen. Und der Schwur war gut. 

Er hebt das Mordgrjoand von den Leichen und zeigt es den Um- 
stehenden. 

Schaut an, ihr Zeugen dieser blutigen Tat, 
Das Tuch der Tücke, meines Vaters Falle, 
Drin sie mit Hand' und Füssen ihn verstrickt. 
Da, breitet's aus, zeigt es im Kreis herum 
Das Menschennetz, damit's der Vater sieht — 

Er hält inne. 
Nicht meiner. Nein, er, der vom Himmel her 
Dies anschaut: dass er am Gerichtstag einst ' 
Mir dieser Tat Gerechtigkeit bezeuge 
An meiner Mutter. Von Aigisthos schweig ich. 
Dem Schänder ward nichts weiter als sein Recht. 
— Und dieses Weib, die solchen Greul ersann 
Dem Mann, von dem sie Leibesfrucht getragen, 



— 113 — 

(Einst teuer ihr, und jetzt ihr schlimmster Feind) 
Wie dünkt sie euch? Nenn ich Muräne sie? 
Schlange, die durch Berührung, ohne Biss, 
Schon faulen macht: so teuflisch, so verrucht. 

Auf das Tuch 'weisend. 

Und das! Wie nenn ich es? Gebt mir ein Wort. 

Nenn ich's Wolfsfalle, heiss ich's Totenhemd? 

Sargdecke? Schweisstuch? oder Jäger netz, 

Fussschling und Reusse? Ja so ein Geweb 

Stund einem Räuber an, einem der Fremde 

Ins Haus sich lockt und tötet und beraubt, 

Und so sein Leben fristet. Solch ein Ding, 

Hätt er's, könnt ihm wohl reichen Fang verschaffen. 

Ein Blick fällt meder auf die Leiche der Mutter. Er macht eine 

Bewegung des Abscheus. 

Doch so ein Weib, wie die, zur Hausgenossin! 
Ihr Götter! Lieber sterb ich kinderlos. 

Ein Schauer packt ihn. Er vergräbt das Gesicht in Händen. 



CHOR. 
Weh des entsetzlichen Werks! 
Weh der schaurigen Toten I 
Weh. 
Nun sprosst schon Leiden dem, der leben blieb, 

Vollmocllcr, Orcstic 8 









» 









- 114 — 

ORESTES 
'wieder das Gewand ergreifend. 

Hat sie's getan? Hat sie es nicht getan? 

Der Fleck bezeugt mir's von Aigisthos Schwert, 

Der Blutfleck, mit dem Tag des Mords gealtert. 

Der viele Farben im Gestick zerfrass . . 

Bald lob ich mich. Bald steh ich klagend da 

Und starre auf des Vaters Mordgewand, 

Mein Tun und Leid und ganz Geschlecht bejammernd 

Und mit dem Aussatz dieses Siegs befleckt. 

I . 

CHOR. 
Kein Sterblicher lebt sein Leben in Ruh 
Und sorgenlos bis ans Ende. 

Weh. 

Und ist Trübsal nicht da, so kommt die Trübsal gewiss. 

ORESTES 
mit deutlichen Zeichen beginnender Zerrüttung. 

Und dass ihr wisst . . Was noch? Ich weiss nicht mehr. 
Wie wilde Rosse reissen aus der Bahn 
Mich willenlosen die entfesselten 
Gedanken. Und im Herzen will die Furcht 
Ihr Lied anheben schon und grause Tänze. 
Drum hört, so lang ich noch bei Sinnen bin: 
Zu Recht, sag ich, hab ich dies Weib erschlagen, 
Die Vatermörderin, der Götter Greul. 



— 115 — 

Den Zaubertrank, daraus ich Mut gewann, 

Reicht mir ApoUon selbst, der mir verhiess: 

Führt' ich die Tat aus, werd ich frei von Schuld sein. 

Doch liess ich sie . . nicht nenn ich euch die Strafe, 

Fliegt doch kein Pfeil so hoch, als er gedroht. 

— So seht mich hier, gerüstet und geschmückt! 

Mit diesem Kranz und Oelzweig walle ich 

Zum Ort des Erden-Nabels, Loxias Feld, 

Zum Feuer, das 'das ewige^ genannt wird. 

Das Mutterblut zu fliehn. An seinen Herd 

Hat mich Apollons Wille selbst entboten. 

Indessen wollet ihr Argeier mir 

Bezeugen, wie die Unglückstat erwachsen. 

Ich ziehe flüchtig, irr, des Lands verbannt, 

Ein Muttermörder — und mein Leben lang 

Und nach dem Tod werd ich den Namen haben. 

CHOR. 
Du hast gerecht getan. Nun öffne nicht 
Den Mund zu Lästerung und bösem Fluch. 
Du hast dem Schlangenpaar den Kopf zertreten. 
Du hast das Land von Argos ja befreit. 

ORESTES. 
Ha. Ha. 
Seht ihr die Weiber dort? Gorgonenhaft 

8* 



" ii6 — 

In Schwarz gehüllt, das Haupt von vielen Nattern 
Umzingelt. Meines Bleibens ist nicht mehr. 

CHOR. * 
Welch Wahnbild schreckt dich, aller Söhne treuster? 

Auf, fass dich! Fürchte nichts! Dein ist der Sieg. 

« 

ORESTES. 
Ah, diese Qualen sind kein Wahngebild. 

Ich weiss, das sind der Mutter grimmige Hunde. 

CHOR. 
Vom Blut, das frisch an deinen Händen raucht, 

Hat dieser Taumel deinen Geist befallen. 

« 

ORESTES. 
ApoUon hilf! Sie nahn von allen Seiten. 
Aus ihren Augen sintert böses Blut. 

CHOR. 
Eins bleibt dir: Sühnung. Rührst du an den Herd 

Apollons nur, so sinken alle Qualen. 

ORESTES. 
Ihr seht sie nicht. Ich aber seh sie wohl. 

Ich kann nicht mehr. Sie jagen mich von hinnen. 

Es stürzt nach links davon. 
« • 

ENDE 




PERSONEN 



DIE PYTHIAS 

APOLLON 

ORESTES 

DER SCHATTEN DER KLYTAIMNESTRA 

CHOR DER ERINYEN 

ATHENA 

CHOR DER GELEITERINNEN 



DIE EUMENIDEN 

Vor dem Tempel des Apollon zu Delphi. Morgendämmerung. 
Zwischen den Säulen der Vorhalle erblickt man die greise pythische 
Seherin mit Stab und Lorbeer, die Arme zum Gebet erhohen. 



\ 



ERSTE SCENE 

DIE PYTHIAS. 
Zuerst von allen Göttern ruf ich betend 

Die Erde an, urältste Seherin. 

Themis sodann, die nach der Mutter, heisst es. 

Als Zweite auf dem heiligen Stuhle sass. 

Sie liess zum dritten dann das Sehertum 



Freiwillig einer anderen Titanin, 

Der Phoibe, die es zum Geburtsgeschenk 

Dem Gotte gab, der nach ihr Phoibos heisst. 

— Er schwang von Delos See und Klippe sich 

An Pallas segelreichem Strande landend 

Und kam von dfort nach des Parnassos Hang: 

Von des Hephaistos Kindern fromm geleitet, 

Die ihm die Pfade bahnten und zuerst 

Ihm hier der Landschaft rauhen Boden zähmten. 

Und wie er ankommt, huldigt ihm das Volk 



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120 



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Samt Delphos, jener Zeit des Landes König, 

Und Zeus, mit Kraft und Weisheit ihn begeisternd, 

Setzt ihn als vierten ein auf diesem Stuhl. 

Des höchsten Vaters Mund ist nun Apollon. 

— Vor allen Göttern preist d i e mein Gebet. 

Auch Pallas ruf ich, die im Vorplatz steht, 

Die Nymphen alle der koryldschen Höhle, 

Da Vögel nisten und Gottheiten gehn. 

Des Bromios ist der Ort, Ich denke sein. 

Wie er anfülirend rasende Mänaden 

Den Pentheus einem Hasen gleich erlegt. 

Des Pleisthos Quellen und Poseidons Macht 

Ruf ich und ihn den Allvollender Zeus: 

Dann mag ich gotterfüllt zum Stuhle treten. 

Lasst Götter diesen Eingang glücklich sein. 

Vor andern ! Sind Hellenen da, so kommen ' 

Sie nach dem Los, wie unser Brauch, herein. 

So wie der Gott mich lenkt, ertönt mein Wort. 

Sie tritt ins dunkle Innere des Tempels. Nach einigen Augen- 
blicken kommt sie mit Geberden des Entsetzens zurück. 

O Graun, zu sagen! Grauen anzuschaun! 
Es treibt mich wieder aus des Gottes Haus. 
Nicht feststehn kann ich und auch nicht entfliehn. 
Die Hand am Stabe trägt mich, nicht der Fuss: 
Der Schreck macht Alter hilflos wie ein Kind. 



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— Ich tret ins kranzbehangne Heiligtum, 
Da seh ich einen Mann am Steine kauern. 
Wie ein Unreiner, der Entsühnung heischt: 
Voll Blut die Hände und das frische Schwert, 
Und hält vom Oelbaum einen schlanken Zweig, 
Den er mit lichter Wolle breitem Band 
Sorglich umwunden. Ganz so sah ich ihn. 
Und um ihn schlafend eine fremde Schar 

Von Weibern rings auf Sesseln hingesunken. 

Von Weibern sag ich, nein, Gorgonen eher 

Und wieder anders als Gorgonen doch. 

Die sah gemalt ich, wie dem Phineus sie 

Das Mahl wegrauben. Diese Weiber hier 

Sind flügellos, doch schwarz und schauerlich. 

Laut atmen sie mit ängstlichem Gestöhn 

Und aus den Augen träuft es widerwärtig. 

Auch ihre Tracht ist nicht die Tracht der Tempel 

Noch ziemlich für der Menschen Wohnungen. 

Nie sah von solcher Sippe ich ein Volk, 

Noch darf ein Land sich rühmen, solch Gezücht 

Schadlos und ohne Fluch genährt zu haben. 

— Des weitern mag des Tempels starker Herr 
Selbst Fürsorg haben, der Gott Loxias. 

Er ist Ja Seher, Helfer und Prophet 

Und hat der andern Häuser viel entsündigt. 






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1 11 



Die Pythias enteilt {ittrch die Vorhalle. — Das Dunkel im Innern 
des Tempels beginnt sich langsam zu lichten. Man erblickt nach 
und nachy "wie aus dem Rauch hervortretend, den grossen weissen 
bienenkorbjörmigen Stein, der den Nabel der Erde darstellt^ mit 
Binden und Fruchtgewinden geschmückt. An ihn geklammert 
Orestes mit Scfrwert und Oelzweig und im Kreis um ihn hockend 
die Gestalten der schlafenden Erinyen. Im dunklen Hintergrund 
werden plötzlich die beiden Gottheiten, Apollon und Hermes, 

sichtbar. 

ZWEITE SCENE 

APOLLON. HE RMES. ORESTES. 
CHOR DER ERINYEN. 

APOLLON. 
Nie will ich dich verlassen: bis zum Ende 

Dir fester Schirm und nah dir, wenn schon fern, 

Und nimmer will ich mild sein deinen Feinden. 

Schau her, wie sie im Schlaf gebändigt sind 

Die Rasenden : Abscheuliches Gezücht - 

Ergreister Jungfraun, denen niemand sich, 

Kein Gott vermischt, kein Mensch und auch kein Tier. 

Zum Arg geboren hausen sie im argen 

Düster des Tartaros, im Unterreiche, 

Ein Greul den Menschen, wie den Himmlischen. 

— Doch du entflieh und lass nicht nach im Lauf! 

Durchs weite Festland werden sie dich hetzen, 

Durch Länder, die du rastlos irr durchschweifst, 



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— 12} — 

Durch Meer und See und flutumrauschte Städte: 
Doch du ermatte nicht in Flucht und Mühn 
Und kommst zur Stadt der Pallas du, so raste 
Am alten Bild und halt es fromm umfasst. 
Denn dort will Richter ich und Mittler dir 
Und schlichtend Wort in diesem Streit erwecken 
Und sollst der Qual für immer ledig sein. 
Ich hab dich ja zum Muttermord getrieben. 

ff 

ORESTES. 
Du Fürst Apollon kennst des Rechtes Pfad, 

Drum wolle mein zu denken nie vergessen. 

Sieh, deine Macht ist mir der Rettung Pfand. 

APOLLON. 
Vertrau auf mich und lass von aller Furcht. 

• \ 

* ' • ■• 

Zu Hermes. 

Und du, mein Bruder, Hermes, teures Blut 
Von einem Vater, hüt ihn wohl und sei 
Geleiter ihm, wie du Geleiter heisst. 
Führ meinen Schützling. Denn Zeus selber elirt 
Das heilige Schutzamt, das er ausgeliehen. 

Die Gestalt des Gottes verschwindet. Hermes fasst Orestes bei 
der Hand, durchschreitet mit ihm den Kreis der Erinyen und 
führt ihn nach links durch die Vorhalle davon. — Es erscheint 

der Schatten der Klytaimnestra. 



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124 



DRITTE SCENE 

DER SCHATTEN DER KLYTAIMNESTRA. CHOR. 

DER SCHATTEN. 
Ja schlaft nur! He, helft ihr mit Schlafen mir? 

So ganz missachtet ihr mich? Und doch fehlt es 

Mir für die Tat, die selber ich getan. 

An Schmähung nicht im Kreis der andern Toten. 

Verachtet bin ich und — ich sag es euch — 

Der andern Schatten schwerster Vorwurf drückt mich. 

Doch, da mir selbst das grässlichste geworden 

Von meinen Nächsten: Ja da grollt kein Gott. 

Und schlug mich doch die Hand des Muttermörders. 

Sie entblüsst ihre Brust. 

Da schaut in eurem Geiste meine Wunden : 

Im Schlaf ist ja das innre Auge hell. 

Habt ihr nicht Opfer viel von mir geschlürft, 

Weinlose Spenden, nüchtern Sühngetränk 

Und mitternächtiges Mahl an meinem Herd 

Zur Stunde, wo man sonst nicht Göttern opfert — 

Und seh nun alles dies in Staub gestampft! 

Schon ist er frei und flieht wie eine Hinde. 

Ja mitten aus dem aufgestellten Netz 

Entsprang er leicht und lacht euch Hohn dazu. 

Hort mich! Ich red um meine Seele ja! 



i 



— 125 ~ 

Habt Einsehn, Göttinnen vom Reich der Nacht. 
Ich ruf euch: Ich, der Klytaimnestra Schatten. 

DIEERINYEN 
stöhtieu im Schlaf. 

DER SCHATTEN. 
Ihr stöhnt im Schlaf. Der Flüchtling läuft und flieht. 

Ja meine Feinde finden freilich Helfer ! 

DIEERINYEN 

Stöhnen ^wieder. 

« 

DER SCHATTEN. 
Ihr schlummert wohl. Was geht mein Leid euch an. 
Derweil der Mörder flieht, der Muttermörder ! 

DIEERINYEN 

ächzen "xieder. 

DER SCHATTEN. 
Ihr ächzt und schlaft! So rafft euch endlich auf! 
Was wirkt ihr denn, wenn ihr nicht Unheil wirkt ? 

DIEERINYEN 
ächzen lauter. 

I 

DER SCHATTEN. ' 

Schlaf und Ermattung, ein verschworen Paar, 
Haben die alte Drachin überwältigt. 






;.-, : TULi^JiiM I II m 



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127 



DIE ERINYEN 
im Schlaf. 

Fassihn! Fass, fass ! — Fasst ihn ! Fasst.fasst! — Passt 

[auf! 
DER SCHATTEN. 

Im Traum verfolgt mit Bellen ihr das Wild 
Dem Jagdhund gleich, der auch im Schlaf noch jagt. 
Was macht ihr? Auf! Tut ab die Müdigkeit, 
Denkt des Verlusts, den dieser Schlaf euch bringt. 
So spürt ihr nicht gerechten Vorwurfs Geissei 
Der jeden Redlichen mit Stacheln sticht? 
Auf! Schnaubt ihm blutigen Odem nach zur Fahrt, 
Dörrt ihn mit eurem Hauch und innren Feuer! 
Auf! Auf! Zermürbt ihn mit erneuter Jagd. 

Der Schatten verschwindet. Die Führerin der Erinyen fährt 
empor und rüttelt die andern aus dem Schlaf. 

CHORFÜHRERIN. 
Wach auf! Ich weck dich. Weck die andern dul 
Du schläfst? Auf, auf! Weg mit dem Schlummer. 
— Lasst sehn, ob die Erscheinung eitel war. 

ERSTER HALBCHOR. 
Weh, Schwestern! Weh! O Unglück. Ach und Weh! 

ZWEITER HALBCHOR. 
Ja, Ach und Weh, das wir umsonst ertragen. 

ERSTER HALBCHOR. 
Verwünschtes Unheil traf uns, schmerzlich, kläglich: 



O unerträglich Weh! 

Vom Netz entschlüpft ist uns das Wild und flieht! 

ZWEITER HALBCHOR. 
Vom Schlaf belistet, weh ! Der Fang verloren. 

ERSTER HALBCHOR. 
O Sohn des Zeus: Zum Hehler wardst du, Gott! 

ZWEITER HALBCHOR. 
Du junger Gott trittst uns, die alten, nieder. 

ERSTER HALBCHOR. 
Des Flüchtlings hütest du, des gottverruchten! 

Den schlimmen Sohn, den Muttermörder, 

Stiehlst du uns weg, du, du! Und willst ein Gott sein. 

ZWEITER HALBCHOR. 
Ja, wer heisst solches Tun, gerecht getan. 

CHORFÜHRERIN. 
Aus Träumen drang ein Schmähruf zu mir und hat 

Gleich dem Rossesporner mich aufgescheucht. 

Den schweren Stachel 

• # - ■ 

Bis in Herz und Nieren mir treibend. , 

Des Geisslers, des Henkers, des Peinigers Schlag 

Fühl ich mit eisigen Schauern. 

CHOR. 
Ja solches fügen die neuen Götter uns zu : 

Mit Willkür herrschen sie, ohne Gebühr und Recht. 



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II 



— 128 ~ 

Da seht den Stuhl besudelt mit Blut 

Zu Häupten, zu Füssen, 

Den Nabel der Erde von Blutschuld befleckt, 

Mit verpestendem Morde beladen. 

Mit solchen Greueln schändest du dir deinen Herd, 
Nach eigenem Willen, Seher, nach eigenem Wunsch, 
Da die Menschen du scheust vor der göttlichen Satzung 
Und der uralten Mören Herrschaft zerbrichst. 

Uns wardst du verhasst und jenen rettest du nicht. 
Und flöh er zum Erdschoss, fand er doch nimmer Erlö- 
Verflucht, verdammt wird endlich auch er '- ^ ' 
Dem blutigen Vergelter begegnen. 

Apollon tritt mit Pfeil und Bogen aus dem Hintergrund des 

Tempels hervor, 

VIERTE SCENE 

APOLLON. CHOR. 

APOLLON. 
Hinaus, gebiet ich. Weg aus meinem Tempel! 
Entweicht aus diesem Seherheiligtum: 
Eh ich von goldner Bogensehne euch 
Eine beschwingte blanke Schlange schnelle. 
Und ihr vor Schmerzen schwarzes Menschenblut 
Ausspeit und Brocken eingeschlungnen Mords. 
Fort! diesem Haus ziemt eure Nähe nicht. 



— I 2p — 

Geht hin zum RichtpJatz, wo man köpft und blendet, 
Sucht Orte, wo man metzelt, wo von Kindern 
Unreife Frucht man tötet, wo entmannt, 
Verstümmelt wird, gesteinigt, wo Gepfählte 
Vor Schmerzen laut aufheulen - wisst ihr nun. 
Nach was für Augenweide euch gelüstet? 
Ihr Gottverruchten I Eure Missgestalt 
Bezeugt es ja. Für solche Brut ist Raum ^^ 
In Klüften der blutdürstigen Leun und nicht. 
Am Seherherd, den ihr mit Greueln schändet. - 
Nun fort! hinaus, du hirtenloser Schwärm.' 
Ja, solcher Herde würd ein Gott sich schämen. 

CHORFÜHRERIN. 
O Fürst Apollon, hör auch unser Wort! 
Nicht nur mitschuldig bist du dieser Tat, 
Nein, du hast sie bewirkt und ganz verschuldet: 
Dein Spruch gebot dem Fremden Muttermord. 

- . APOLLON. 

Gebot ihm seines Vaters Tod zu rächen. 



CHORFUHRERIN. ' ^ 
Dann stellst du dich zum Schützer frischen Mords. 

APOLLON. 
Ich hab ihn selbst sogar hierherbeschieden. 

Vollmoeller, Orcstie 



1 



— 130 — 

CHORFÜHRERIN. 
Und wir sind sein Geleit. Was schmähst du uns? 

APOLLON. 
Nicht ziemts euch diesem meinem Haus zu nahn. 

CHORFÜHRERIN. 
Dies ist uns Amt und ward uns aufgetragen. 

APOLLON. 
Was für ein Amt? Beschreibt mir diese Würde. 

CHORFÜHRERIN. 
Von Haus und Herd zu jagen Muttermörder. 

APOLLON. 
Mörder des Weibs, das ihren Mann erschlug? 

CHORFÜHRERIN. 
Das ist kein Mord am eignen Fleisch und Blute. 

APOLLON. 
Fürwahr, dann sind verächtlich und für nichts 

Des Zeus und Heras Ehesatzungen, 

Verächtlich Kypris, durch das was du sagst, 

Von der den Menschen alle Süsse kommt. 

Das Lager ist für Mann und Weib geweiht, 

Vom Recht bewacht und heiliger denn Eide. 

Wenn ihr den Gattenmördern milde seid, 

Die Tat nicht rächt und zornlos sie beschaut, 

So jagt ihr auch Orestes ohne Recht ! 

Doch hier soll Pallas Schiedsgericht entscheiden. 



— 131 — 

CHORFÜHRERIN. 
Glaub nicht, dass jemals von dem Mann wir lassen, 

APOLLON. 
Jagt ihm nur nach und mehret eure Müh! 

CHORFÜHRERIN. 
Du sollst mit Worten unser Amt nicht schmälern. 

APOLLON. 
Nicht als Geschenk nahm ich ein solches Amt. 

CHORFÜHRERIN. 

Am Thron des Zeus magst du ein Grosser heissen. 
Uns ruft das Mutterblut ; wir stürmen rächend 
Dem Mörder nach und jagen unser Wild 

Die Erinyen ab. 
APOLLON. 

Und ich will rettend bei dem Flüchtigen stehen, 
Denn furchtbar ist bei Göttern und bei Menschen 
Des Schützlings Fluch für den, der ihn verriet. 



!/ 



— I}2 — 

FÜNFTE SCENE 

Verwandlung. Die Burg von Athen. Im Vordergrund ein altes 
Steinbild der Athena Polias, das Orestes umschlungen hält. 

ORESTES. SPÄTER CHOR DER ERINYEN. 

ORESTES. 
Herrin Athena, auf des Loxias Wort 
Komm ich hierher. Empfange gnädig mich, 
Der schuldig ich, doch nicht mehr ungesühnt. 
Schon ward die Hand gereinigt, stumpf der Makel 
In manchem Haus und menschlichem Verkehr. 
So über Meer und Festland hingeflohn. 
Dem Seherspruch des Loxias getreu, 
Komm Göttin ich zu deinem Haus und Bild. 
Hier will ich bleiben und mein Recht erharren. 

Chor der Eumeniden von rechts. 

CHORFÜHRERIN. 
Voran! Da haben deutlich wir die Spur. 
Folgt nur den stummen Zeichen der Verrätrin ! 
So wie der Schweisshund ein verwundet Reh 
Spüren wir ihn am Blutgeträufei aus. 
Schwer keucht die Brust uns von dem langen Lauf. 
Den ganzen Erdraum haben wir durchjagt 
Und über Meere hin dem Schiffe nach 
Führt' uns die Jagd mit unbeschwingtem Flug. 



— 133 — 

— Hier hat er irgendwo sich hingeduckt. 
Ich wittre süss Gedüft von Menschenblut. 

CHOR. 
Spähe, spähe ! 

Schaut wohl aus. 

Schaut euch um, 

Dass er nicht 

Heimlich flieht 

Ungestraft, der Muttermörder. 

Sie entdecken Orestes am Bild der Pallas. ^ 

Seht ihn dort! 

Neu gestärkt. 

Um der Unsterblichen Bildnis gewunden, 

Will er des Frevels 

Rechenschaft tun. 

Nimmermehr! 

Mutterblut in Staub gespritzt 

Keiner bringt es zurück, 

Weh, 

Sobald es die Erde befeuchtet. 

Bezahlen sollst du's. Aus lebendigem Leib 
Schlürfen wir uns den rötlichen Opfersaft 
Holen wir uns den Trank, den keiner sonst trinkt. 
Lebend ausgedürrt führen wir dich \ 

Nieder, wo dich des Muttermords Qualen erwarten. 



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34 



ORESTES 
Das Unglück ward mir Lehrer und ich lernte 

Die rechte Zeit, wo reden sich geziemt 

Und wo zu schweigen. Doch in dieser Sache 

Treibt mich ein weiser Meister an zum Wort. 

Schon schläft das Blut und schwindet an den Händen^ 

Hinweggespült des Muttermordes Makel, 

Die frische Blutschuld ward an Phoibos Herd 

Entsündigt mit dem Blut der Opfersäue. ' 

Lang war' die Rede, zählt ich alle auf, 

Die ohne Schaden Umgang mit mir pflogen. 

Es macht die Zeit ja alternd alles rein. 

So ruf, gereinigt ich, aus reinem Munde 

Athena, dieses Landes Herrin, an. 

Weile sie fern im Lande Libyen, 

WeiP an des Triton heimischen Wassern sie, 

Beschaue sichtbar oder im Gewölk 

Hinschreitend sie, der Freunde sichrer Hort 

Und trotziger Feldherr, die phlegräische Ebne — 

Sie komme (denn ihr göttlich Ohr vernimmt mich 

Ob sie auch fern) und löse mich vom Fluch ! 

CHORFÜHRERIN. 
ApoIIons nicht und nicht Athenas Macht 

Werden dir helfen, dass du nicht entblössc 

Hinfahrest und der Freude Ort verlernst, 



— 135 — 

Ein blutlos Opfer und gespenstischer Schatten! 
— Du redest nicht? Verabscheust Worte jetzt. 
Du Schlachttier, uns gemästet und geweiht? 
Lebendig sollst du uns zur Labe sein. 
Nun höre unser Lied, das bannt und bindet! 

ERSTER HALBCHOR. 
Wohlauf! Empor, zum Reigen ! Wohlan ! 

Den grässlichen Chor 

Zu schlingen zu singen, dem Menschengeschlecht 

Zu weisen das Amt, 

Dess unsere Schwesternschaft waltet. 

ZWEITER HALBCHOR. 
Das wir immer geübt, wir wahren das Recht, 

Denn die sündlos die Hände heben, • 

Sie verfolgt kein Groll, und nimmer getrübt 

Fliesst ihnen das Leben dahin. 

Doch wo einer in Blutschuld, wie jener, verdammt 

Die geröteten Hände verbergen möchte, 

Da erscheinen wir, für die Getöteten zeugend, 

Und erpressen die Busse des Bluts. 

ERSTER HALBCHOR. 
Mutter, die uns gebar, 

Urnacht, die uns der Welt, 

Kindern des Dunkels und Lichtes 

Zum Gerichte gestellt. 



- 136 - 



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ZWEITER HALBCHOR. 
Hör o Mutter die Schmach: 

Sieh, der kühne 

Letosohn entführt uns das Wild, 

Muttermords rechtliche Sühne. 

CHOR. 
Ertöne ums Opfer 

Beginne die Weise: 

Der Seele Betörung 

VerStörung der Sinne 

Und Bann dem Verstände, 

Gluthauch verzehrend. 

Feuer verheerend 

Sonder Leyer — 

Leise, leise. 

Das Lied der Erinne. 

ERSTER HALBCHOR. 
Es spann uns dies Los 

Mit ewigen Fäden 

Die unerbittliche Möre zu: 

Den Pfaden und Spuren 

Des Mörders zu folgen, 

Bis frevelbeladen 

Der Erde er heimfällt — 

Doch im Tod auch wird er nicht frei. 



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CHOR. 
Ertöne ums Opfer 

Beginne die Weise: 

Der Seele Betörung 

VerStörung der Sinne 

Und Bann dem Verstände 

Gluthauch verzehrend 

Feuer verheerend. 

Sonder Leyer — 

Kreise, kreise 

Das Lied der Erinne. 

ZWEITER HALBCHOR. 
Von Anbeginn 

Ward dies zum Amt uns verhängt, 
Nur an die Himmlischen 
Rühren wir nicht. 
An frohen Mahlen 
Ward uns kein Teil, 
Der Feste und Feier 
Weisse Gewände 



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Sind uns versagt. 



CHOR. 



Uns ward der Häuser Sturz, 
Uns der Geschlechter Brand ! 



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- U8 - 

Wir hetzen den Mörder, 
So rasch er, so stark er. 
Wir werfen ihn nieder. 
Wir schlürfen sein Blut. 

CHORFÜHRERIN. 
Der Menschen Herrlichkeit wie sie schimmert und glänzt 

Im Licht des Aethers, sie schwindet kläglich dahin, 

Da wo wir Schwarzgewandeten landen, 

Da wo wir tanzen den schaurigen Tanz. 

CHOR. 
Hochherstürmend 

Setzen des Fusses 

Wucht wir nieder 

Und bringen dem Läufer 

Verhängnis und Fall : 

CHORFÜHRERIN. 
Stürzend schon versieht er des Sturzes sich nicht, 

(So umhüllt ihn die Schuld mit nächtigen Schwingen) 

Ob auch der Menge tausendzüngig Geraun 

Von düstern Schatten über dem Hause flüstre. 



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CHOR. 



Wir sind die Starken, 
Wir wissen die Pfade, 
Wir schauen das Ende, 



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— 139 — 

Wir denken der Schuld. 
Die Schaurigen sind wir, 
Die Unerweichten, 
Der Rache lebend, 
Durchziehn wir die Oeden, 
Die götterverlassenen, 
Im nächtigen Moder 
Der pfadlosen Reiche, 
Für Blinde und Sehende 
Unsichtbar, 

Und wo ist einer. 
Der nicht erschauert 
Der nicht erbangt. 
Hört er die Satzung 
Die uns das Schicksal 
Und Götter verhängt: 
Unverbrüchliche Würde 
Durch Alter geheiligt. 
Nicht mangeln uns Ehren, 
Obschon wir dort unten 
Im Sonnenfernen 
Dunkel der Schlünde 
Wandeln und gehn. 

Atbena erscheint. 



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40 

SECHSTE SCENE 

ATHENA. ORESTES. CHOR. 

ATHENA. 
Von fernher hört ich einer Stimme Schall, 

Da am Skamandros ich mein Land beschaute, 

Das mir der Griechen Häuptlinge und Fürsten 

Als reiches Teil der Beute ausgesondert 

Und mir mit Boden, Halm und Frucht geweiht, 

Dem Volk des Theseus zur erlesnen Gabe. 

Von dorten trug mich Kraft des Fusses nicht 

Und Schwingen nicht, nein die geschwellte Aegis. 

Nun seh ich fremde Gäste hier im Land, 

Mit Schrecken nicht doch mit Verwunderung. 

— Wer aber seid ihr? Sprecht. Euch alle mein ich. 

Dich Fremdling, der mein Bild umklammert hält, 

Euch die ihr ungleich jedem Samen scheint, 

Göttinnen nicht, wie sie die Götter schauen 

Und ungleich auch der Sterblichen Gestalt. 

CHORFÜHRERIN 
Tochter des Zeus, vernimm in wenig Worten : 

Kinder sind wir der grauenvollen Nacht 

Und 'Flüche' heissen wir im Unterreiche. 

ATHENA. 
So kenn ich euren Namen und Geschlecht. 



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— 141 — 

CHORFÜHRERIN. 
Vernimm denn weiter, welches unser Amt. 

ATHENA. 
Gewiss, wenn ihr es klar benennen wollt. 

CHORFÜHRERIN. 
Den Mörder jagen wir von Haus und Herd. 

ATHENA. 
Wo endet für den Täter dann die Jagd? 

CHORFÜHRERIN. 
Da wo die Freude nimmermehr zu Haus ist. 

ATHENA. 
So hetzt auch d e n d a schnaubend ihr zur Flucht ? 

CHOR. 
Er wollte ja der Mutter Mörder werden. 

ATHENA. 
Vielleicht im Zwange einer höhern Not? 

CHOR. 
Gibt's Stachel, scharf genug zum Muttermorde ? 

ATHENA. 
Zwei sind zu hören. Einen hört ich nur. 

CHORFÜHRERIN. 
Verhör ihn denn und fälle selbst den Spruch. 



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— 142 — 

ATHENA. 
So übergebt ihr mir des Streits Entscheidung? 

CHORFÜHRERIN. 
Gern leihen Würde wir dem Würdigen. 

ATHENA 
zu Orestes sich ivendend. 

Was hast du Fremdling hierzu nun zu sagen? 
Nenne dein Land, dein Schicksal und Geschlecht, 
Dann wehre ab die vorgebrachte Klage, 
Wenn deines Rechts gewiss an meinem Bild, 
Das du umschlingst und meinem Herd du sitzest: 
Ein frommer Frevler, wie Ixion war. 
Auf alles dieses gib jetzt klar Bescheid. 

ORESTES. 
Herrin Athena, lass ein schwer Bedenken, 
Das du zuletzt genannt, zuerst dir lösen. 
Ich bin kein Frevler mehr. Kein Frevel fleckt 
Von meiner Hand auf dein umklammert Bildnis. 
Und solches nenne ich zum Zeugnis dir : 
Stumm sei der Mörder, also wills der Brauch, 
Bis ihn durch Manneshilfe sühnend Blut 
Von einem jungen Opfertier besprengte. 
So bin ich längst in andrer Wohnungen 
Mit Opferblut und Wasserguss gereinigt. 



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— H3 — 

Damit nehm ich die Sorge dir vorweg. 
Und nun sollst meine Abkunft du erfahren. 
Mein Land ist Argos. Meinen Vater kennst du, 
Ihn, der der Schiffe Heer um sich geschart, 
Durch den du Troja stürztest: Agamemnon. 
Schmählichen Tod fand er nach Haus gekehrt, 
Denn ihn erwürgte meine schwarzgesinnte 
Mutter in einem bunten Fanggeweb, 
Und ward das Bad zu seines Mordes Zeugen. 
Als ich dann heimkam, denn ich war verbannt. 
Erschlug die Mutter ich, ich will's nicht leugnen. 
Zur Rache für des teuren Vaters Tod. 
Doch diese Schuld trägt Loxias mit mir. 
Der meinem Herzen grause Qual verkündet. 
Wenn so ich mit den Schuldigen nicht verfuhr. 
Du richte denn, ob ich zu Recht gehandelt. 
Wie er auch sei: ich ehre deinen Spruch. 

ATHENA. 
Zu gross ist dieser Handel, dass ein Mensch 

Ihn richten möchte, noch steht mir ein Spruch 

Und Urteil zu am Mörder und den Rächern. 

Zumal da du entsündigt schon gekommen. 

Ein Schützling, der das Haus nicht mehr befleckt: 

So muss ich, da du rein bist, dich empfangen. 

Doch auch die Kläger weist nicht leicht man ab 






— H4 — 

Und siegen sie nicht ob in dieser Sache, 

Bringt leicht das Gift, das ihrem Hass entträuft, 

Dem Lande böse, grauenvolle Seuche. 

Und so verhält sich dies : Gefährlich ist 

Empfangen oder den Empfang verweigern. 

Doch da die Klage einmal vorgebracht, 

So wähl ich für den Mord geschworene Richter 

Bewährt in Rechtlichkeit, im Eid ergraut, 

Und stifte dies Gericht für alle Zeiten. • 

— Ihr schafft indes euch Zeugen und Beweis 

Und sorgt für Eide zu des Rechts Bekräftung, 

Ich w^ill der Bürger edelste erlesen 

Und komme dann und ende diesen Streit. 

Ab. 



CHOR. 



Es stürzen die Sitten 



Es wankt die Zeit, 

Siegt der Muttermörder 

Obsiegt jetzt die Schuld, 

Solcher Spruch 

Löst den Menschen die Hände 

Zu gleicher Tat 

Und fortan bedroht 

Die mördrische Kindeshand 

Mit blutigem Stosse die Eltern. 



— 145 — 

Nicht folgt mehr der Tat dann 

Der Groll von unsrer 

Menschenhütenden Rächerschar: 

Frei geben den Mord wir 

Und spüren wird es 

Wer andern des Nächsten 

Uebeltat klagt- 

Wo ist Lindrung des Jammers? 

Kein sicheres Heil mehr! Umsonst 

Rät ihm der Leidgenosse. 

Rufe dann keiner mehr 

Wenn Frevel ihn traf, 

Klagend solch Wort: 

O Rache! o Recht! O Stühle ihr der Erinnen! 

Bald seufzt ein Vater 

Bald ächzt eine Mutter so 

Jammernd ob frischer Wunden — 

Denn der Herd des Rechts ist gestürzt. 



Vollmoeller, Orestie 



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146 

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SIEBENTE SCENE 

Verwafjdlung. Der AreshügeL Athena erscheint mit den Areo- 
pagiten^ die auf den hergerichteten Richterstühlen Platz nehmen, 
Orestes und die Erinyen stehen als Angeklagter und Kläger je 
auf einer Seite der Bühne, Im ^weiteren Kreise drängt sich das 

Volk von Athen. 

ORESTES. CHOR. ATHENA. SPÄTER APOLLON. 

ATHENA. 
Auf Herold, ruf zur Ordnung nun das Volk, 

Ertöne die tyrrhenische Drommete 

Mit Menschenhauch beseelt weit übers Land 

Und schlag mit lautem Schall ans Ohr des Volkes. 

Denn da der volle Rat sich nun versammelt 

Ist Stille not, auf dass die ganze Stadt 

Jetzt meine Satzung ewiger Geltung höre 

Und dieser Streit sofort geschlichtet sei. 

Trompetenstoss, Apollon erscheint neben Orestes, 

CHORFÜHRERIN. 
Apollon, schalt wo deines Amtes ist. 

Doch welch ein Teil hast du an diesem Handel? 

APOLLON. 
Zuerst als Zeuge komm ich: Dieser hier 

Floh in mein Haus und sass an meinem Herde 

Und selber hab ich ihn vom Mord entsühnt. 



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— H7 — 

Dann als Mitangeklagter, da ich Ja 
Des Muttermordes Ursach. 

Zu Athena. 

So eröffne 
Den Streit du weisheitsvoll und end ihn du. 

ATHENA 
zu den Erinyen. 

Euch denn das Wort. Ich öffiie das Gericht. 
D^nn spricht der Kläger gleich und ganz zu Anfang 
Führt er am besten in den Handel ein. 

CHORFÜHRERIN. 
Viele sind wir, doch unserer Worte wenig. , 

Zu Orestes. 

Antworte unsern Fragen Wort für Wort. 
Sag denn zuerst: Erschlugst du deine Mutter? 

ORESTES. 

, ♦ 

Ich habe es getan. Das leugn' ich nicht. 

CHOR. 
Schon haben wir im ersten Gang gesiegt. 

ORESTES. 
Ihr rühmt euch, ehe noch der Feind am Boden. 

CHORFÜHRERIN. 

Nun sag uns weiter: Wie erschlugst du sie? 

10* 



II 



— 148 — 

ORESTES. 
Ich traf sie in den Hals mit meinem Schwerte. 

CHORFÜHRERIN. 
Wess Rat und Weisung führte dich zur Tat? 

ORESTES. 
Des Gottes Spruch, der selbst mir Zeuge ist. 

CHORFÜHRERIN. 
Der Seher trieb dich an zum Muttermord? 

ORESTES. 
Zwiefacher Untat Greul befleckt' sie ja. ' 

CHORFÜHRERIN. 
Wie das? Erkläre dies vor deinen Richtern. 

ORESTES. 
Sie würgte ihren Mann und meinen Vater. 

CHORFÜHRERIN. 
Doch wars kein Blutsverwandter, den sie schlug. 

ORESTES. 
Ich aber bin vom Blute meiner Mutter? 

CHORFÜHRERIN. 
Hat sie nicht unterm Gürtel dich getragen? 

Frevler! Du leugnest deiner Mutter Blut. 

ORESTES. 
Nun zeuge du mir und beweise du, 



— 149 — 

ApoUon, ob ich sie mit Recht getötet. 
Denn dass ich es getan, verleugn' ich nicht. 

APOLLON. 
Vor euch denn Sprech ich, Pallas Hochgericht, 

Nach Wahrheit und als Seher, der nicht trügt. 

Denn niemals kam ein Wort aus meinem Mund, 

Das einen Mann, ein Weib, ein Land betraf, 

Und das mein Vater mir nicht eingegeben. 

Bedenkt, wie schwer dies wiegt. Ich mahne euch, 

Dem Willen meines Vaters euch zu beugen 

Denn mehr als Zeugeneid ist Zeus Gebot. 

CHORFÜHRERIN. 
Zeus selber, sagst du, gab den Spruch dir ein. 

Der dem Orestes ward: Des Vaters Tod 

Zu rächen und der Mutter nicht zu schonen? 

APOLLON. 
Dies sag ich euch und merkt wohl auf mein Wort : 

Die Mutter gibt dem Kinde nicht das Leben, 

Wie man wohl sagt. Sie nährt den jungen Keim. 

Das Leben zeugt der Vater. Sie bewahrt es 

Als Pfand, wie einem Gastfreund, wenn ein Gott 

Es nicht versehrt. Und habt zum Merkmal dies : 

Man kann auch ohne Mutter Zeuger sein. 

Zum Zeichen hier die Tochter selbst des Zeus, 



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— 150 — 

Die nicht im dunkeln Mutterschoss gereift: 
Ein Spross wie keine Gottheit je geboren. 

Zu Athena, 

Ich höhe, Pallas, wo ich nur vermag 

Dein Volk und deine Stadt und ihre Macht: 

So sandt ich diesen Flüchtling in dein Haus, 

Dass er dir Treue allezeit bewahre 

Und du ihn dir zum Bundesfreunde machst, 

Ihn und die nach ihm. Und dies gelte ewig 

Und Kind und Kindeskind sei treu dem Bund. 

ATHENA 
z«w Chor. 

Soll ich die Richter nun nach Recht und Treu 
Abstimmen lassen? Habt ihr ausgesprochen? 

CHOR. 

Verschossen haben unsre Pfeile wir 

Und harren jetzt auf dieses Streits Entscheidung. 

ATHENA. 
Hört denn die Satzung, Bürger Attikas, 

Ihr heut zum ersten Mal der Blutschuld Richter: 

Es soll in Zukunft unveränderlich 

Im Volk des Aegeus mein Gericht bestellen 

Auf diesem Hügel, wo die Amazonen 

Heerlager hielten, bei dem Rachezug 

Gegen den Theseus und den sie der Burg 

Entgegentürmten, eine neue Feste. 



— 151 — 

Hier opferten dem Ares sie, davon 

Des Ares Hügel dieser Fels genannt wird. 

Es walten Furcht und Ehrfurcht denn verschwistert 

Dem Unrecht wehrend hier bei Tag und Nacht. 

Wo solche Hoheit rechtlich ihr verehret, 

So habt ein Bollwerk ihr für Stadt und Land, 

Wie keines sonst von allen Menschenvölkern 

Vom Skythenland bis nach des Pelops Reich. 

Fern von Bestechlichkeit sei dieser Rat, 

Ehrwürdig, strengen Sinns, setz ich ihn ein, 

Friedvollen Schlummers immerwachcr Schirmer. 

— Solches die Losung, die ich meiner Stadt 

Für alle Zeiten gebe. Jetzt erhebt euch 

Fasst euren Stimmstein denn und richtet recht. 

Denkt an den Eid. Ich habe ausgesprochen. 

APOLLON 
zu den Richtern, 

Ihr hörtet alles nun. Wenn ihr den Stein 

Zur Urne tragt, denkt eures Schwurs, ihr Richter. 

Der erste Areopagit erhebt sich und wirft seinen Stein in eine 

der beiden Urnen. 

CHOR. 
Denkt, dass wir schaurige Besucher sind 

Des Landes, die ihr nicht beleidigen dürft. 

Der zweite Areopagit tut wie der erste. 



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— 152 — 

APOLLON. 
Ich sag euch, ehret meinen und des Zeus 
Orakelspruch und raubt ihm nicht Erfüllung. 

Der dritte desgleichen. 

CHOR 

zu A pol Ion. 

Du rührst an Blutschuld. Dies steht dir nicht zu, 
Denn du befleckst so deine Seherwürde. 

Der vierte Areopagit stimmt ab und so je einer zwischen jeder 

Antwort der Kläger und des Gottes. 

APOLLON. 
So hat im Rat mein Vater auch gefehlt, 
Als er Ixions ersten Mord entsündigt? 

CHOR. 
Gewiss. Und wird uns nicht das volle Recht, 

Werden wir furchtbar einst das Land besuchen. 

APOLLON. 
Alle Gottheiten, alte so wie junge. 

Verachten euch. Und mir verbleibt der Sieg. 

CHOR. 
So triebst dus einst in Pheres Haus : den Mören 

Zwangst Leben du für einen Toten ab. 

APOLLON. 
Ist es nicht recht, dem Frommen beizustehen 

Vornehmlich wo um unsern Schutz er fleht? 



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— 153 — 

CHOR. 
Die alten Mächte hast du einst gestürzt. 

Mit Wein betörtest du die grauen Mütter! 

APOLLON. 
Bald werdet ihr, vom Richterspruch besiegt. 

Den Geifer ausspein der uns doch nicht schadet. 

CHOR. 
Der Jüngre höhnst und schmähst du uns die Alten 
— Wir warten bis der Richterspruch gefällt 
Noch zweifelnd, ob der Stadt wir grollen müssen. 

Die Areopagiten haben jetzt alle abgestimmt. 

ATHENA 
einen Stimmstein ergreifend. 

Mir steht im Streit die letzte Stimme zu 
Und diesen Stein werd ich Orestes geben. 
Denn keine Mutter hat mich je geboren 
Und immer lob ich mir den Mann. (Nur freilich 
Zur Ehe nicht. Des Vaters bin ich ganz.) 
So liegt mir wenig an des Weibes Schicksal, 
Die ihren Mann, des Hauses Herrn erschlug. 
Orestes siegt, sind nur die Stimmen gleich: 
Nun schütte rasch die Steine aus den Urnen 
Der von euch Richtern, dem das Amt gebührt. 

ORESTES. 
Phoibos ApoUon, wem wird nun der Sieg? 



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- 154 — 

CHOR. 
O schwarze Nacht, Urmutter, schau hernieder. 

ORESTES. 
Nun gilts den Strick mir oder neues Licht. 

CHOR. 
Uns gilts Bedrückung oder Ehr und Würden. 

APOLLON 
zu den Richtern, die unterdess die Steine auf ein Brett 

ausgeschüttet haben. 

Jetzt Freunde zählt die Steine sorglich ab, 
Dass bei der Sondrung keiner Unrecht leide. 
Ein Stein, der fehlt, mag grosses Unheil bringen, 
Ein Steinchen mehr rettet ein ganzes Haus. 

ATHENA 
legt ihren Stimmstein zu den andern. 

Er ist nach Recht von Blutschuld freigesprochen 
Denn gleich ist jederseits die Stimmenzahl. 
Bewegung unter Volk und Richtern. Apollon ist verschwunden. 

ORESTES. 

« 

O Pallas, meines Hauses Retterin! 
Du gibst mich Flüchtigen der Heimat wieder, 
Und bald spricht man bei den Hellenen jetzt: 
Argeier ist er wieder und er herrscht . 
Aufs neu im Haus der Väter durch Apollons 






— 155 — 

Und Pallas Huld und durch des Allvollenders 

Und Retters Zeus: Er wog des Vaters Los 

Und schützt mich vor den Klägern meiner Mutter. 

Nun zieh ich heimwärts, doch ich will zuvor 

Dem Lande hier und deinem ganzen Volk 

Für ewige Zeit mit mächtigen Eiden schwören: 

Nie soll ein Heerfürst meines Volkes euch 

Mit Kriegsmacht nahen und bereitem Speere. 

Heil dir, o Göttin und du Volk der Stadt! 

Mag dir der Feind im Kampfe nie entrinnen. 

Heil euch und Speeresglück und Waffenruhm ! 

Ab. 

ACHTE SCENE 

ATHENA. CHOR. 
CHOR. 
Weh, neue Götter! 

Die alten Satzungen 

Brächet ihr nieder 

Und stahlt uns das Recht. 

Wir litten Entehrung und grollen! 

Weh! 

— Gift und Geifer 

Unrechts Entgelt 

Traufen wir nieder: 

Moose, Flechten 



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- 156 — 

Tilgen, würgen 
Laub und Früchte, 
(Rache, Rache!) 
Kahl die Ebne, 
Todesseuchen, 
Totenmäler 
Streuet dem Land ! 

ATHENA. 
So hört auf mich und tragt es ohne Groll. 

Nicht unterlegen seid ihr: Gleiche Stimmen 

Ergab die Zählung, euch zu keiner Schmach. 

Zeus selber legt ein leuchtend Zeugnis ab. 

Denn da den Spruch er gab, bezeugt er eben 

Dass des Orestes Tat nicht sträflich sei. 

Darum verhängt in eurem Grimme nicht 

Unfruchtbarkeit, das Land mit Gift beträufend 

Das alle Saat zerfrisst, zerstört, verödet. 

Und ich verspreche und gelobe euch 

Im Schoss der Erde Sitz und Heiligtümer 

Mit immer fettbeglänzten Opfertischen 

Und steten Ehrungen der ganzen Stadt. 



CHOR. 



Weh, neue Götter! 
Die alten Satzungen 
Brächet ihr nieder, 



— ^57 — 
Und stahlt uns das Recht. 

Wir litten Entehrung und grollen. 
Weh! 

Gift und Geifer 

Unrechts Entgelt 

Traufen wir nieder: 

Moose, Flechten 

Tilgen, würgen 

Laub und Früchte 

(Rache, Rache!) 

Kahl die Ebne, 

Todesseuchen, 

Totenmäler 

Streuet dem Land! 

ATHENA. 
Mit nichten seid entehrt ihr, Göttinnen! 

Drum macht mir nicht im Zorn dies Land zur Wüste. 

Auch dürft ich Zeus vertraun — brauch ichs zu sagen 

Und von den Göttern kenne ich ich allein 

Den Schlüssel zum verwahrten Haus der Blitze. 

Doch des bedarfs ja nicht. Ihr folgt mir wilHg 

Und geifert nicht aus unheilvollem Munde 

Giftge Verderbenssaat aufs Land herab. 

Sänftet die schwarzen Wogen eures Zorns, 

Denn hochgefeiert sollt ihr bei mir wohnen. 



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_- 15« - 
Wenn ihr dann einst die Erstlingsfrucht geniesst 
Des weiten Gaus, geweiht für Kindersegen 
Und Ehglück euch, dankt ihr mir noch dies Wort. 

CHOR. 
Wir das erdulden? 

Weh! 

Urgewalten, Ur weise wir 

Sollen verächtlich 

Wie Ungetüme 

Unter der Erde hausen ? 

Höre Mutter 

Den Schrei der Wut! 

Mutter Nacht! 

Es raubt uns die Würden 

Und macht uns zunichte 

Der Götter Trug. 

ATHEN A. 
Den Zorn verzeih ich euch. Ihr seid die Aeltern 

Und darum auch erfahrener als ich. 
Doch einige Einsicht hat mir Zeus verliehen 
Und das sag ich vorher: Zieht ihr von hinnen 
In andres Land, sehnt ihr euch noch zurück. 
Denn grösser noch und ehrenreicher ist 
Die Zukunft dieses Volks. Euch aber wird 
Ehrung und Sitz beim Hause des Erechtheus, 



— 159 — 

Der Männer und der Frauen Feierzüge, 
Wie ihr sie niemals anderswo empfingt. 
Dies biet ich euch als schöne Gabe denn: 
Wohltuend, wohlgelitcen, wohlverehrt 
An diesem frommen Lande teil zu haben. 

CHOR. 
Wir das erdulden 

Weh! 

Urgewalten, Urweise wir 

Sollen verächtlich 

Wie Ungeheuer 

Unter der Erde hausen? 

Höre Mutter 

Den Schrei der Wut, 

Mutter Nacht! 

Es raubt uns die Würden 

Und macht uns zunichte 

Der Götter Trug. 

ATHENA. 
Nicht werd ich müd, zum Guten euch zu reden, 

Dass ihr nie sagt, es habe euch, die Alten, 

Die jüngre Göttin und dies Volk der Stadt 

Schmachvoll, ungastlich aus dem Land getrieben. 

Nein, wenn der Peitho Macht ihr Ehre gebt 

Und meines Mundes Trost und Lindrungsworten, 



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— 1 60 — 

So bleibt ihr hier. — Und wollt ihr denn nicht bleiben, 

So könnt auch füglich niemals ihr die Stadt 

Mit Groll und Zorn, das Volk mit Unheil treffen. 

Euch steht ja frei, Anteil und Eigentum 

Und ewige Ehrung hier im Land zu haben. 

CHORFÜHRERIN. 
Wie ist der Sitz, den du uns geben willst? 

ATHENA. 
Sorglos und kummerfrei. Nehmt ihr ihn an? 

CHORFÜHRERIN. 
Gesetzt, wir tun's, was leihst du uns für Macht? 

ATHENA, 
Ohn euren Segen soll kein Haus gedeihen. 

CHORFÜHRERIN. 
So hohe Würde willst du uns verleihn? 

ATHENA. 
Wer euch verehrt, des Glück erhöhen wir. 

CHORFÜHRERIN. 
Und bürgst du dessen uns für alle Zeiten? 

ATHENA. 
Kann ich verheissen, was sich nicht erfüllt? 

CHORFÜHRERIN. 
Ja schon gewinnst du uns. Der Groll entschwindet. 



— t6i — 

ATHENA. 
So wohnt im Land und werbt Verehrung euch. 

CHORFÜHRERIN. 
Wie sollen wir des Landes Segen singen? 

ATHENA. 
Singt alles was zur schönen Feier ziemt 

Vom Schoss der Erde, aus des Meeres Feuchte 

Vom Himmel her. Singt reiner Lüfte Wehn, 

Dass sonnigen Hauchs sie diese Flur besuchen, 

Des Bodens und der Herden üppige Frucht, 

Die immerdar den Bürgern reich gedeihe, 

Segnet den Samen mir im Mutterschoss. 

Den Frevler aber treibt aus diesen Gauen, 

Denn gleich dem guten Gärtner halt ich gerne 

Von dem gesunden Stamm die Fäulnis fern. 

Soviel für euch. — Jedoch im leuchtenden 

Kampfspiel des Ares will ich selbst die Stadt 

Zu Ruhm und Sieg und steten Ehren fuhren. 

. ' CHOR. 

So nehmen der Pallas 

Gastschaft wir an 

Die Stadt zu ehren, 

Der Götter Hochburg, 

Des Zeus und des mächtigen 

Ares Warte, 



VoUmocUer, Orescie 



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Des griechischen Altars 
Hütria, der Himmlischen 
Hort und Juwel. 

Segenswünsche, 
Gnädige, freundliche 
Künden wir nun: 
Wehen nimmer 
Sengende Winde, 
Den Oelbaum verdürrend 
Durch unsere Gunst. 
Nimmer schleichen 
Brand und Fäule, 
Mehltau, Seuchen, 
Der Feldfrucht Feinde, 
Der jungen Rebe 
Augentod. 
Fette Schafe 
Nähre die Erde 
Mit ZwiHingslämmern 
Zu ihrer Zeit. 
Aus reicher Ader 
Schenke der ßergschacht 
Der Götter Gabe 
Das weisse Metall. 



- i6? - 

ATHENA. 
Höret, hört, ihr Hüter der Stadt, 

Welch Glück euch die hohe 

Gottheit verheisst, 

Die mächtig im Himmel 

Und unter der Erde 

« 

Und bei den Sterblichen ist. 



CHOR. 



Welke nie 

In früher Blüte 



Der Jünglinge Kraft, 

Lasst euch beschwören 

Hohe Mören, die ihr uns Schwestern seid. 

Gebt den Jungfraun 

Bräutliche Freuden, 

Götter der Ehen ihr, 

Mächte des Rechts : 

Jedem Hause 

Mitgenossen 

Jeder Stunde 

Jedem Frommen 

Segensreich: 

Allwärts von allen gepriesen. 



ATHENA. 



Was sie so huldreich 



II 



— 1(^4 — 



- i6, - 



Dem Lande verheissen 

Entzückt mein Herz. 

Es sei gesegnet 

Der Peitho Auge 

Die Wort mir und Lippe gelenkt, 

CHOR. 
Bürgerzwist, 
Blutiger Uebel 
Nimmersatt, 
Brause nie durchs Land. 
Tränke nimmer den Staub 
Entzweiter Bürger 
Dunkles Blut, 
Das Wechselmorde 
Und Rachetaten 
Und finstere Greuel heischt. 
Freude nur 
Mögen sie tauschen 
Einmütig im Lieben, 
Einig im Hass: 
Denn dies wird Völkern zum Heile. 



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ATHENA. 



Des Weisen Bitte 



Findet den guten Pfad: 



Schon aus der Schaurigen 

Grauenantlitz 

Seh grosses Heil ich 

Den Bürgern erblühn. 

Wenn ihr die Freundlichen 

Freundhchen Sinnes 

Mit Frömmigkeit ehrt, 

Wird Stadt und wird Land 

Mit des Rechtes Glanz euch geschmückt sein. 

CHOR. . 
Heil euch und Blüte des Glücks 

Heil euch Bewohner der Stadt, 

Die nah dem Hause 

Des Zeus ihr wohnet, 

Die teuer ihr 

Seiner teuren Tochter seid. 

Der Zug der Prtesterinnen und GeleiterifinetJ erscheint mh 
Krügen^ Opfertieren und brennenden Fackeln. 

ATHENA. 

» 

Heil auch euch. So schreit ich voran, 

Die geweihten Gemächer beim festlichen Licht 

Des geleitenden Zugs euch zu weisen. 

Bei heiliger Opfer dampfendem Blut 

Wallt nieder zur Kluft und des Unheils Fluch 



— i66 — 

Bannt fest in den Grund, doch was Segen verheisst 

Entsendet herauf uns zum Siege. 

Zum Zug. 

Nun führet sie heim, ihr Kinder der Stadt, 

Des Kranaos Stamm, 

Geleitet die neuen Genossen! 

CHOR. 
Heil euch und Freude zumal 

Göttern und Sterblichen, 

Die der Pallas 

Stadt und Veste beschliesst! 

Wofern ihr nur unsre 

Genossenschaft ehrt, 

Soli kein Schlag des Unheils euch treffen. 

ATHENA 
an die Spitze des Zuges tretend. 

Ich stimme ein in euren Segenswunsch 

Und will in heller Fackeln Feierglanz 

Euch zu den unterirdischen Oertern führen 

Mit diesen Dienerinnen, deren Hut 

Mein Bild vertraut ist. Ja des Landes Auge, 

Der Theseuskinder auserlesene Schar 

Von Männern, Frauen und von Greisinnen 

Tritt her in purpurwallenden Gewanden. 

Zum Volk. 



-^ 167 - 

Nun betet an und lasst die Lichter flammen, 
Dass holdgesinnt euch eures Landes Gäste 
Zum Segen sei'n und Heil für alle Zeit. 

CHOR DER GELEITERINNEN. 
Wandelt zur Wohnung ihr Hehren, Geehrten 

Greisen Töchter der Nacht im festlichen Zug. 

HEROLD. 
Schweig andächtig, o Volk der Stadt! 

CHOR, 
Tief in den heiligen Klüften der Erde 
Werden euch Ehren und Opfer und stetes Gebet. 

HEROLD. 
Schweig andächtig, o Volk ringsum! 

CHOR. 
Huldvoll und gnädig und freundlich dem Lande 
Wandelt, ihr Hehren, und freut euch im Schreiten 
An der geleitenden Fackeln Strahl. 

HEROLD. 
Nun jauchzt und jubelt zum Festlied. 

CHOR. 
Weihguss und Flamme wird nimmer euch mangeln. 



— i68 — 

Solchen Bund mit dem Volke Athenas 
Haben Zeus und die Mören bestärkt. 

HEROLD. 
Nun jauchzt und jubelt zum Fesdied. 

ENDE 



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Druck von W. Drugulln in Leipzig. 



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ERICH MARIA REMARQUE 



Der schwarze Obelisk 



Inflation in Deutschland, neue 
Dollarkurse für das deutsche Geld 
morgens und mittags, nur am hei- 
ligen Sonntag ist Pause. Man rech- 
net in Millionen und zahlt ohne 
Zahlungsfrist, und man lebt wei- 
ter. Erich Maria Remarque schil- 
dert in seinem Schwarten Obelisk 
diese Zeit in der ihm eigentüm- 
lichen, kritischen Genauigkeit, mit 
dem grotesken Hintergrund ihrer 
finanziellen Manöver, fixiert das 
erste nationalistische Donnergrol- 
len, einen ersten politischen Mord, 
Gesinnungsfeste, die sich nicht kor- 
rumpieren lassen, und Gesinnungs- 
lumpen, die mit den alten und 
schon wieder neue Uniformen rei- 
sen, damit die Dummheit kein Ende 
nimmt. 

Es ist dennoch kein politischer 
Zeitroman, wenn auch kein Roman 
ohne Politik, was mit diesem 
neuen großen Werk Remarques 
vorliegt. Vielmehr bietet diese reich 
fazettierte Geschichte, die uns der 
Grabsteinhändler Ludwig erzählt, 
das Ganze einer deutschen Stadt 
in den Jahren nach dem ersten 
Weltkrieg, mit ihren Vereinen, den 
heimlichen Bordells, ihren Kneipen 
und vielartigen Menschen, die so 
großzügig wie verschlagen sein 
können und die vor allem anderen 
ungeschminkt menschlich sind, in 
all den alltäglichen Szenen be- 
lauscht und geschildert, die das 



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menschlidie Leben ausmachen und 
die es schön machen. 
Der Handel mit Grabsteinen stößt 
das Tor dieser Welt nach der 
Todesseite hin auf, und der Tod ist 
eine Währung, die beständiger ist 
als das rasch bedruckte Papier. Re- 
marques Darstellung erreicht hier 
eine Kraft des dunklen Humors, 
der in solch realistischer Unbefan- 
genheit in unserer Literatur selten 
ist. Doch Ludwig weiß noch einen 
anderen Ausgang aus der provin- 
ziellen Welt der scheinbar unver- 
änderlichen, oberflächlich dumpfen 
Kleinstadt. Als Orgelspieler in einer 
Irrenanstalt lernt er Isabelle ken- 
nen, ein junges Mädchen, das selt- 
same Weisheit aus dem schwindeln- 
den Abgrund gewinnt, den das 
Jetzt und Hier der Welt nur wie 
eine brüchige Borke deckt, die jedem 
Menschen einmal, wenn auch nur für 
Augenblicke bricht. Isabelle weckt 
in Ludwig die Liebe, eine Liebe, die 
ihn nie wieder in seinem Leben, was 
auch kommen mag, in den Schlaf 
des satten gedankenlosen Genusses 
wird zurückfallen lassen. 
Remarque hat in dieses farbige, 
szenenreiche Buch die volle Erfah- 
rung des eigenen Lebens gegeben, 
die Gedanken seiner dunklen Stun- 
den und das Lachen seiner hellsten 
Lebensfreude. Er ist dem Spiel sei- 
ner Phantasie bis in die vergnüg- 
lichste Verstrickung, aber auch bis 
zur bitteren, entschiedenen Anklage 
gefolgt. Der schwarze Obelisk steht 
als dunkler Spiegel in diesem Werk, 
leibhaftig und rätselhaft, wie dieses 
reiche Buch selbst. 



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EDUARD KAISER VERLAG 



Copyright 1947 by 

Eduard^ Kaiser Veriag K. G., Klagenfurt 

Drude und Blnbandi Bugen Ketterl, W^len 18, Kari Bedigasse 16 



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FEUOTF 
WANGER 



LION PEUG 




Mit seinen weltberühmten 
und in höchsten Auflagen verbrei- 
teten Büchern Jud Süß, Die häß- 
liche Herzogin, seiner Josephus- 
Trilogie, seinem Rousseau -Buch 
Narrenweisheit und seinem Goya 
hat sich Lion P'euchtwanger den 
Titel eines Großmeisters des histo- 
rischen Romans verdient. Seinem 
neuen Werk liegt das tragisch-bal- 
ladeske Thema von der Liebe des 
spanischen Königs Alf onso VIII. zu 
Raquel Ibrahim, der schönen Toch- 
ter seines ehrgeizigen Finanzmini- 
sters Jehuda Ibn Ezra, der Jüdin 
von Toledo, zugrunde - das schon 
Lope de Vega und Grillparzer ma- 
gisch angezogen hat. Das Schicksal 
des berühmten Liebespaares, das 
Feuchtwanger vor dem bewegten 
Hintergrund des spanischen Mittel- 
alters dramatisch entwickelt, ist be- 
stimmt von den Mächten der Poli- 
tik und der Kirche. Haß und Miß- 
trauen einer Welt unversöhnlicher 
Gegensätze zwischen Mauren, 
Christen und Juden, einem aufstre- 
benden Bürgertum und den ver- 
führerischen Idealen der kastiliani- 
schen Ritterschaft zerstören den 
Liebestraum im Lustschloß LaGa- 
liana in Toledo, an den sich der Kö- 
nig völlig verloren hatte. Feucht- 
wangers Kunst entwirft leiden- 



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schaftliche Menschenbilder und 
verwebt das Erhabene und Niedri- 
ge der Historie zu einem Gobelin 
von farbiger Dichte. Jerusalem ist 
gefallen, ein neuer Kreuzzug be- 
reitet sich vor, die Liebe des Königs 
fällt seiner historischen Aufgabe 
und der Staatsraison zum Opfer. 
Ein Herz verdorrt. Sinnlos tapfer 
wirft sich Alfonso in die offene 
Feldschlacht von Alarcos und er- 
leidet eine demütigende Nieder- 
lage. In seiner Abwesenheit erfolgt 
die blutige Abrechnung mit der 
schönen Jüdin und ihrem Vater, 
die sich bewußt und nicht ohne 
Hoheit dem Mord stellen. 
Wie im Jud Süß offenbart sich in 
diesem thematisch verwandten, 
großartigen Zeitgemälde die er- 
staunliche Geschichtskundigkeit 
des Autors. Auch diesmal wieder 
sind uns die Menschen einer fer- 
nen politisch-problematischen Ver- 
gangenheit unmittelbar nahege- 
rückt, ihre Auseinandersetzungen 
und Entscheidungen gewinnen eine 
hohe Aktualität in einer Gegen- 
wart, die vor den gleichen Fragen 
steht: „Frieden um jeden Preis" 
oder „Krieg, um dem Feind zu- 
vorzukommen". 

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spanische Ballade 



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ROWOHLT VERLAG HAMBURG