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Konrad Katzenellenbogen J\
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RinUEBER DEN BODENSEE
Erster Teil
Los Angeles, 1989
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PAUL CASSIRER
HUGO HELBING
BERLIN W lo / VIKTORIASTRASSE 36
RECHNUNG
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VERSIKICJERUNG AM 8. iNüVElVlIiKR 1929
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WILHELM VON BODE
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NACHLASS WILHELM VON BODE
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NACHLASS
WILHELM VON BODE
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ROBERT SCHMIDT
AUSSTELLUNG:
SONNABEND, DEN 2. NOVEMBER, VON 10—2 UND 4—6 UHR
SONNTAG, DEN 3. NOVEMBER, VON 10— 2 U H R
MONTAG, DEN 4. NOVEMBER, VON 10—2 UHR
BEI PAUL CASSIRER /BERLIN W 10 / VIKTORIASTR. 35
VERSTEIGERUNG:
DIENSTAG, DEN 5. NOVEMBER 1929 NACHMITTAGS 3 UHR
BEI PAUL CASSIRER / BERLIN W 10 / VIKTORIASTRASSE 35
AUKTIONSLEITUNG:
PAUL CASSIRER UND HUGO HELBING
BEDINGUNGEN
1. Die Versteiji^erung geschieht gegen sofortige Barzahlung in deutscher Reichs-
Währung und erfolgt unter der fachmännischen Leitung der Unterzeichneten
durch einen von ihnen beauftragten Auktionator.
2. Die Ersteher haben auf den Zuschlagspreis ein Aufgeld von 15 Prozent zu
entrichten. Das Eigentum geht erst mit der Zahlung des Kaufpreises, die Gefahr
bereits mit dem Zuschlag an den Käufer über. Der Kaufpreis ist an die die
Versteigerung leitenden Firmen zu entrichten.
3. Sämtliche Ankäufe sind unbedingt und ausnahmslos längstens einen Tag nach
Beendigung der Auktion in bar oder in Schecks auf Berlin zu bezahlen. Spätere
Zahlungen sind nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Unterzeichneten
zulässig und bankmäßig zu verzinsen. — Die Unterzeichneten behalten sich das
Recht vor, den Verkauf frühestens eine Woche nach der Versteigerung ohne
Fristsetzung zu annullieren und vom säumigen Käufer vollen Schadenersatz
wegen Nichterfüllung zu verlangen, wenn nicht spätestens fünf Tage nach der
Auktion Zahlung erfolgt ist.
4. Die Auktionsleitung behält sich das Recht vor, Nummern zu vereinigen oder
zu trennen, sowie die Reihenfolge der Nummern nicht genau einzuhalten.
3. Sollte eine Meinungsverschiedenheit über den Zuschlag entstehen und nicht
sofort zwischen den Beteiligten beglichen werden können, so wird die betreffende
Nummer sofort nochmals ausgeboten.
6. Wenn zwei oder mehrere Personen zu gleicher Zeit ein und dasselbe Gebot
abgeben und die Aufforderung zur Abgabe eines höheren Gebotes erfolglos
bleibt, entscheidet das Los. (Gesetz vom 10. VIL 1902.)
7. Da durch die Ausstellung Gelegenheit geboten ist, sich von der Eigenschaft
und dem Zustande der einzelnen Gegenstände zu überzeugen, können Re^
klamationen nach erfolgtem Zuschlage nicht mehr berücksichtigt werden.
8. Die Festsetzung der Künstlernamen und die Zuschreibungen erfolgten nach
sachverständiger Feststellung, doch werden Bestimmungen und Beschreibungen
der Gegenstände nicht gewährleistet.
9. Die Aufbewahrung verkaufter Nummern geschieht ohne Garantie. Die Käufer
sind verpflichtet, für Abholung der gekauften Gegenstände innerhalb von drei
Tagen zu sorgen, andernfalls werden die Gegenstände auf Kosten und Gefahr
der Käufer einem Spediteur zur sachgemäßen Aufbewahrung übergeben. Jeder
Transport der erstandenen Objekte erfolgt ausschließlich auf Kosten und Ge*
fahr der Käufer. Die Unterzeichneten übernehmen keinerlei Haftung für Ver^
luste oder Beschädigungen.
10. Vereinbarter Erfüllungsort für alle Verpflichtungen der Käufer und ausschließe
lieber Gerichtsstand ist Berlin.
PAUL CASSIRER
HUGO HELBING
Aus zweierlei Gründen wird diese Versteigerung Aufsehen in den interessierten
. Kunstkreisen erregen; erstens weil es sich bei ihr fast durchweg um Werke
erlesener Qualität handelt, zweitens weil diese Kunstwerke den Besitz Wilhelm
von Budes darstellen. Es ist zahlenmäßig keine große Sammlung. Bode hat nur
die wenigsten seiner kunstgewerblichen Erwerbungen für sich behalten; die mei^
sten Käufe, die er mit stets glücklicher Hand und sicherem Blick machte, hat er
in wundervoller Liberalität den verschiedenen Abteilungen der Berliner Museen
als Geschenke übergeben. Wollte man sie alle zusammenstellen, so würden sich
enorme Werte ergeben. Für sich, zum Schmuck seines Hauses und seines Arbeits^
Zimmers, hat er nur weniges behalten; außer rein praktischen oder dekorativen
Dingen in der Hauptsache Arbeiten aus den beiden kunstgewerblichen Gebieten,
die ihm besonders am Herzen lagen, in denen er Entdecker war und die er als
Erster wissenschaftlich behandelt hat. Das sind die orientalischen Teppiche und
die frühen italienischen Majoliken. Sein Buch über die Orientteppiche, dessen
zweite Auflage unter seinen Augen Ernst Kühnel bearbeitete (der auch die
Katalogisierung der hier verzeichneten Teppiche übernommen hat), gibt noch
heute wichtigstes Material für den Forscher; sein großes Werk über die Anfänge
der Majolikakunst in Toskana bleibt grundlegend für alle weitere Forschung.
Eine große Anzahl der Majoliken dieser Versteigerung sind dort zur Beweis^!
führung herangezogen und abgebildet; sie gehören zu dem Rüstzeug, das Bode
instand setzte, die Geschichte dieser primitiv^kraftvoUen Töpferkunst zu schrei-
ben. Schon deshalb werden sie immer ihren gleichsam dokumentarischen Wert
behalten, abgesehen von dem Kunstwert, der ihnen innewohnt. Aber auch ein
Schimmer persönlicher Weihe liegt auf diesen Dingen, die das verwöhnte Auge
Bodes seines täglichen Anblicks und Umgangs für würdig erachtete. Für die
große Schar derer, die diesem genialen Mann aufrichtige Verehrung dargebracht
haben, wird ein solches persönliches Erinnerungsmoment nicht gleichgültig sein.
ROBERT SCHMIDT.
ÜBERSICHT
I.
MAJOLIKEN DER FRÜHRENAISSANCE
VERZEICHNET VON ROBERT SCHMIDT
Nr. 1 bis 58
II.
ORIENTALISCHE KNÜPFTEPPICHE
VERZEICHNET VON ERNST KÜHNEL
Nr. 59 bis 74
'
III.
GEMÄLDE, PLASTIK, METALLARBEITEN
Nr. 75 bis 93
IV.
MÖBEL UND EINRICHTUNGSGEGENSTÄNDE
Nr. 94 bis 117
V.
FAYENCEN, GLAS
Nr. 118 bis 152
VI.
EUROPÄISCHE PORZELLANE
Nr. 133 bis 146
VII.
OSTASIATISCHE PORZELLANE
Nr. 147 bis 180
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I.
MAJOLIKEN
DER FRÜHRENAISSANCE
VERZEICHNET VON ROBERT SCHM IDT
Nr. 1—58
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1 NAPF.
Mit steilem, außen scharf abgesetztem Rand und Ringfuß. Schmutzigweiß
glasiert; bemalt in blassem Grün und Mangan. Im Spiegel ein zum Flug an^
setzender Vogel, auf der Brust ein Kreis; ringsum grünes, mangan konturiertes
Band, darüber auf der Wandung ein Fries von S-förmigen Manganstrichen. Auf
dem oberen Rand und auf der Außenwandung ein grüner Streifen. — Repariert.
Abgebildet bei Wilh. Bode. Die Anfänge der Majolikakunst in Toskana,
Seite 1 unten (irrtümhch als Besitz des Berliner Kunstgewerbemuseums be^^
zeichnet).
ROM, UM 1400. Durchmesser 12 cm, Höhe 5,5 cm.
Tafel I.
2 KANNE.
Mit rundlichem Henkel und gekniffenem Ausguß. Rötlichweiße, im Brand
dunkel gewordene Glasur; am unteren Viertel und unter dem Boden gelbe Bleis'
glasur. Bemalt vorn mit grünem, mangan getupftem Doppelkreis; im Innern
achtstrahliger Stern auf gegittertem Grund in Mangan. — Am oberen Rand
Ergänzungen.
FAENZA, UM 1400. Höhe 18,6 cm.
Tafel I.
3 KANNE.
Mit breitem, gefurchtem Henkel und gekniffenem Ausguß. Im Brand braun
gewordene Glasur; am Unterteil des Körpers gelbbraune Bleiglasur. Der Dekor
mit Mangankonturen, gefüllt mit grüner, teilweise rotbraun gewordener Glasur:
Unter dem Ausguß rechteckige Felder mit eingezeichneten, gekreuzten Rauten;
darunter wagerechtes Wellenband zwischen Streifen. Seitlich neben dem
Henkel Zonen mit S^^förmigem Fries. — Am Fuß lädiert.
FAENZA, ANFANG 15. JAHRHUNDERT. Höhe 20,7 cm.
Tafel I.
4 KLEINE KANNE.
Bauchig auf niederem Fußring mit geschwungenem Henkel und gekniffenem
Ausguß. Im Brande teils braun, teils schwarz gewordene Glasur. Dekoriert mit
manganfarbener Wellenranke, an der verschieden große, ovale Blätter in
pastosem Blau. Ähnlich der Hals bemalt. Neben dem Henkel Strichzone, von
Senkrechten gerahmt. Auf dem Henkel zwei bläue Flecke und manganfarbene
Querstriche.
FAENZA, ANFANG 15. JAHRHUNDERT. Höhe 11,5 cm.
Tafel I.
11
KÄNNCHEN.
Mit geschwungenem Henkel und gekniffenem Ausguß. Mit einer im Brand
dunkelgrau gewordenen Glasur bedeckt. Vorn lanzettförmige, nach oben und
unten weisende Blätter in pastosem Blau, dazwischen Wellenlinien in Mangan.
Seitlich Parallelstreifen. Am Hals blaue Blätter und kleine manganfarbene
Ranken.
FAENZA, ANFANG 15. JAHRHUNDERT. Höhe 11,6 cm.
Tafel I.
6 SCHNABELKANNE.
Vasenförmiger Körper mit breitem Henkel und stark vorspringendem, vor die
Wandung gesetztem Schnabelausguß. Schmutzigweiße Glasur; am unteren Viertel
gelbe Bleiglasur. Bemalt auf beiden Seiten des Körpers mit je drei lanzett^
förmigen Blättern in Grün mit manganfarbenem Kontur; zwischen den Blättern
manganfarbene Wellenlinie. Unter dem quergestrichelten Ausguß ein durchs
strichenes grünes Kreuz; auf dem Henkel grüner breiter Strich, dreimal quer*
gestrichelt. — Reparaturen am Hals.
FLORENZ oder ROM, UM 1400. Höhe 13 cm.
Tafel IL
7 KANNE.
Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Gelblichweiße Glasur. Vorn
ein Rundmedaillon, gebildet aus manganfarbenem Doppelkreis mit Rund^^
fruchten aus pastosem Blau. Darin eine Krone, deren Zacken die Form von
Zypressen angenommen haben. Diese Zacken und der Grundstrich in tiefem,
pastosem Blau gemalt; die übrige Zeichnung manganfarben. — Stark repariert.
Abgebildet bei Bode, S. 15. — Bode vermutet in der Krone das Emblem einer
geistlichen Genossenschaft.
FAENZA, 1. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 23,5 cm.
Tafel IL
8 KLEINE BAUCHIGE KANNE.
Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Weißlichgraue Glasur. Vorn
gemalt ein liegendes sog. Eichenblatt in pastosem Dunkelblau, ringsum ein
manganfarbener Kranz mit runden Früchten in pastosem Blau. — Am Hals
repariert.
FAENZA, 1. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 16,2 cm.
Tafel IL
9 KANNE.
Mit rundem Henkel und gekniffenem Ausguß. Gelblichgraue Glasur. Bemalt
mit tief pastosem, blasigem Blau; Konturen und Strichzeichnung in dunklem
Mangan. Unter dem Ausguß ein Rundmedaillon, darin blaues Kreuz und blaue
Viertelkreise in den Ecken. Jederseits zweie blaue sog. Eichenblätter an
12
Ranken. Seitlich neben dem Henkel Strichdekor. Auf dem Hals abwechselnd
blaue und manganfarbene Schrägstriche. Auf dem Henkel Querstriche und
blaue Punkte. — Am Hals repariert; die Glasur an einzelnen Stellen ab^
gesprungen.
FLORENZ, ANFANG 15. JAHRHUNDERT. Höhe 21 cm.
Tafel IL
10 HENKELNAPF.
Rötlichweiße Glasur. Bemalt im Innern mit sitzendem Vogel zwischen Beeren^
ranken, in kräftigem Blau mit Manganzeichnung. Am äußeren Rand mangan^
farbenes Streifenmuster. — Ein Henkel fehlt; der Rand beschädigt. Mehrfach
repariert.
FLORENZ, 1. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Durchmesser 12 cm.
11 DOPPELHENKELIGE VORRATSURNE.
Breiter zylindrischer Bauch mit glatter Schrägschulter und engerem Hals, auf
dem ein bleiglasierter Flachring mit zwei Kerben zur Befestigung des — fehlen^
den — Deckels. Rötlichweiße Glasur. Auf den beiden Schauflächen des
Körpers ein tief manganfarbenes Wellenband zwischen türkisgrünen Streifen
oben und unten. Die dreiteiligen Henkel in Mangan und Türkisgrün schräge
gestrichelt. Innen gelbe Bleiglasur.
FLORENZ, ANFANG 15. JAHRHUNDERT. Durchmesser 27,5 cm,
Höhe 17 cm.
Tafel IL
12 SCHNABELKANNE.
Bauchiger Körper mit steilem Hals, an dessen oberen Rand der hochgeschwun:=
gene breite Henkel ansetzt. Vorn sehr stark vorspringender Schnabelausguß.
Rötlichweiße Glasur. Vorn — über den Ausguß hinweggemalt — kräftig
manganfarben konturierter Dekor: ein mit sehr korrodierter, pastoser Blau^
färbe gemaltes, in Ranken auslaufendes R, darin kräftig grüne Eichenblätter.
— Schnabelausguß leicht repariert.
FLORENZ, ANFANG 15. JAHRHUNDERT. Höhe 15 cm.
Tafel IL
13 DOPPELHENKELIGE VASE.
Der bauchige Körper geht ohne Absatz in den kurzen Hals über. Rötlichweiße
Glasur. Der Dekor in Manganzeichnung und pastoser Blaufüllung. Auf beiden
Schauseiten aufsteigende Ranke mit großen sog. Eichenblättern, dazwischen
blaue Punkte und manganfarbene Schnörkel. Seitlicher Abschluß durch ein
aufsteigendes harkenartiges Ornament. Am Hals Wellenranke mit blauen
Blüten; die gleiche Ranke auf den — ergänzten — Henkeln. Darunter in
Mangan eine Werkstattmarke: achtstrahliger Stern (vgl. Nr. 14). — Die
Henkel ergänzt, Hals repariert; mehrfache Beschädigungen.
FLORENZ, 2. VIERTEL 15. JAHRHUNDERT. Höhe 27 cm.
Tafel III.
13
^ggglgg^^
14 DOPPELHENKELIGE VASE.
Bauchige Form mit kurzem, geradem Hals, die breiten Henkel nur wenig
gewölbt. Auf rötlichweißer Glasur Dekor in Manganzeichnung und pastoser
Blaufüllung. Auf den beiden Schauseiten je eine stehende Harpye, umgeben
von sog. Eichenblättern an dünnen Ranken. Am Hals Wellenranke mit blauen
Blättern. Auf dem Henkel zwei blaue Kreuze und manganfarbene Querstriche.
Darunter in Mangan eine Werkstattmarke: achtstrahliger Stern (vgl. Nr. 13). —
Sprung.
Abgebildet bei Bode, S. 14, oben rechts.
FLORENZ, 2. VIERTEL 15. JAHRHUNDERT. Höhe 25 cm.
Tafel IV.
15 DOPPELHENKELIGE VASE.
Bauchige Form mit kurzem, geradem Hals; die Henkel durch einen Mittelwulst
verstärkt. Auf weißlicher Glasur Dekor in Mangan und pastosem Dunkelblau.
Auf beiden Flächen sechs aufrechtstehende Reihen harkenartigen Ornaments.
Am Hals blaue Tupfen und manganfarbene Haken. Die Henkel mit blauen,
unten in einen Ringhaken auslaufenden Streifen und mit manganfarbenem
Gittermuster; unten — als Marke — ein liegendes S. — Kleiner Sprung; am
Hals ein kleines Stück ausgebrochen.
Abgebildet bei Bode, Tafel XIX, links.
FLORENZ, 2. VIERTEL 15. JAHRHUNDERT. Höhe 28 cm.
Tafel III.
16 DOPPELHENKELIGE VASE.
Der bauchige Körper geht ohne Absatz in den kurzen Hals über. Der Dekor in
Manganzeichnung und pastoser Blaufüllung. Auf beiden Schauseiten aufrechter
Fisch zwischen Ranken mit sog. Eichenblättern. Die Flosse der Fische in
Mangan. Seitlicher Abschluß durch ein aufsteigendes, harkenartiges Ornament.
Am Hals blaue Tupfen und manganfarbene Haken. Auf den Henkeln zwei blaue
Kreuze, Eichenblatt und manganfarbene Querstriche.
FLORENZ, 2. VIERTEL 15. JAHRHUNDERT. Höhe 21,5 cm.
Tafel IV.
17 TOPF.
Breite zylindrische Wandung, über dem Fuß und unter dem Rand eingezogen.
Rötlichweiße Glasur. Der Dekor in Manganzeichnung mit pastoser Blau?
füUung. Große Wellenranke aus dünnen Linien; darin fünf große, in der Mitte
gespaltene sog. Eichenblätter. In den Zwickeln blaue, rautenartige Tupfen.
Auf der schmalen Schulter Fries aus schrägliegenden Ss^Haken; darüber blaue
Punkte.
FLORENZ, 2. VIERTEL 15. JAHRHUNDERT. Durchmesser 19 cm,
Höhe 23 cm.
Tafel III.
14
18 GROSSER ALBARELLO.
Bemalt in Blau und blassem, grünlichem Gelb. Der Körper in drei Zonen
zerlegt. Darin dünne, durch dunkelblaue Tupfen verstärkte Wellenranken mit
stilisierten Blumen: in der Mittelzone bestehen sie aus sechs um einen Mittel:^
kreis geordneten Kreisen, die mit dem gelblichen Grün gefüllt sind. In der
oberen und unteren Zone wechseln solche Blumen ab mit achtstrahligen Sterne
blumen, bei denen jeder Strahl in eine blaue Kugel ausläuft, während die Kreise
mitte wieder gelblich ausgemalt ist. In den Zwickeln kleine Spiralranken, z. T.
gelblich getupft. Auf der Schulter Streifenornament wechselnd mit großen
Spiralen. Der Hals zeigt dieselbe Bemalung wie die Mittelzone.
Farbig abgebildet bei Bode, Tafel XX.
FLORENZ, UM 1450—60. Höhe 33 cm.
Tafel VIII.
19 ALBARELLO.
Bemalt mit kräftigem Blau. Vorn in breiter, weiß ausgesparter Konturfläche ein
storchartiger Vogel, hinten ebenso der gotische Buchstabe a; dazwischen
dünne, durch dunkelblaue Tupfen verstärkte, rundgelegte Ranken, in denen ein
dreiteiliges Blatt. Der Grund gefüllt mit ähnlichen Blättern und Punkten. Auf
der Schulter verschiedenartige Blätter und Punkte; am Hals Rundbogenfries
mit hängendem Dreiblatt. — Zarter Sprung.
Abgebildet bei Bode, S. 22, oben links.
FLORENZ, UM 1450-1475. Höhe 23 cm.
Tafel V.
20 ALBARELLO.
Bemalt in Blau, Mangan und Türkisgrün. Zwei rechteckige Felder, in denen
einerseits Kopf und Hals eines reiherartigen Vogels, anderseits ein ähnlicher
Vogel, der ein Schild mit Emblem einer geistlichen Bruderschaft im Schnabel
hält. Die Ecken mit Spiralranken gefüllt. Zwischen den Feldern Gitterstreifen.
Darunter Wellenranken mit manganfarbenen Sternblüten. Auf der Schulter
Zickzackborte, in den Zwickeln kleine Ranken. Am Hals Striche und Zick^:
zackborte.
Farbig abgebildet bei Bode, Tafel XXI.
FLORENZ, UM 1450. Höhe 21 cm.
Tafel V.
21 ALBARELLO.
Breit und niedrig. Bemalt in Blau, Türkisgrün, Mangan und Gelb. Auf beiden
Schauseiten ein gelbgrün gerahmtes Ovalfeld, darin Profilbrustbild eines
jungen Mannes mit Mütze. Der Grund mit Manganpunkten gefüllt. An den
Seiten wachsende geschwungene Ranke mit kleinen blauen Blättern sowie
15-
\
mangan und gelb gefüllten Blüten. Manganfarbene Füllstriche. Auf der
Schulter blaues, mangangestricheltes Gittermuster mit Mangantupfen. Am
Hals Borte blauer Schrägstriche.
Farbig abgebildet bei Bode, Tafel XXXIII.
FLORENZ, UM 1460. Höhe 17,3 cm.
Tafel V.
22 ALBARELLO.
Bemalt in Blau und Ockergelb. Auf dem Körper kleingliedriges Muster in Nach:=
ahmung spanisch^maurischer Majoliken: gestrichelte Ovalblätter, dazwischen
kräftige Blütengebilde in Form heraldischer Lilien und liegende Rollschnörkel.
Unregelmäßig verstreute gelbe Tupfen. Auf Hals, Schulter und Ablauf blaue
und gelbe Parallelstreifen. — Sprung.
Abgebildet bei Bode, Seite 26, oben links.
FLORENZ, UM 1475—1500. Höhe 20 cm.
Tafel VI.
23 ALBARELLO.
Gegenstück zur vorigen Nummer.
Abgebildet bei Bode, Seite 26, oben rechts.
FLORENZ, UM 1475—1500. Höhe 20,5 cm. -
24 DOPPELHENKELVASE.
Bauchige Form, die grünglasierten Henkel sehr breit. Bemalt in Blau und
Ockergelb. Auf beiden Schauseiten kleingliedriges Muster, in Nachahmung
spanisch^maurischer Majoliken: gestrichelte Ovalblätter, dazwischen Blüten»
gebilde in Form heraldischer Lilien und liegende Rollschnörkel. Unregelmäßig
verstreute gelbe Punkte. An Schulter und Ablauf ^^ blaue und gelbe
Parallelstreifen. Unter einem Henkel eine Marke: ^| — Hals ergänzt.
FLORENZ, UM 1475—1500. Höhe 25 cm. Breite 22 cm. <J3
Tafel VL
25 ALBARELLO.
Bemalt in kräftigem Blau, Mangan, Gelb und Ocker. Vorn Ovalfeld; darin
hängender Schild mit Wappen: quergeteilt, oben zwei ockerfarbene Sterne,
unten blaue parallele Zickzacklinien. Die übrige Fläche durch senkrechte Striche
aufgeteilt, von denen kräftige blaue Blätter und Blüten in Form heraldischer
Lilien nach beiden Seiten abzweigen. Dazwischen manganfarbene, gefiederte
Blattformen. Unregelmäßig verstreute gelbe Punkte. Auf Schulter und Ab^
lauf eine blaue Strichborte. Gelbe Reifen. — Am Hals leichte Beschädigungen.
Im Stil der Arbeiten von FLORENZ, UM 1475—1500. Höhe 20,5 cm.
lö
26 APOTHEKENKANNE.
Mit breitem Henkel und Röhrenausguß, der durch einen Wulstring am Hals be^»
festigt ist. Bemalt in Blau, Mangan, Gelb und Grün. Unter dem Ausguß ein
grünblau und gelb umrandetes Ovalfeld, darin Wappenschild mit steigendem
Wolf in geteiltem, oben weißem, unten manganfarbenem Feld. Die beiden
Seitenwandungen bedeckt von kleingliedrigem Muster: gestrichelte, mangan^^
farbene Ovalblätter, blaue Schnörkel und Blüten in Form heraldischer Lilien.
Unregelmäßig verstreute gelbe Tupfen. Die Felder umrandet von gelben Bän>
dern, ebenso der Hals, der blaue dreiteilige Blätter und Dreipunkte aufweist.
Der Ausguß blau, der Wulstring gelb. Über den Henkel I ^ ziehen sich drei
hellgrüne Streifen herab. Unter dem Henkel blaue Marke:
Abgebildet bei Bode, S. 26, Mitte.
FLORENZ, UM 1475—1500. Höhe 24,5 cm.
Tafel VL
27 ALBARELLO.
Von gedrungener Form, bemalt in Blau, Mangan, Türkisgrün und schmutzigem
Gelb. Vorn Wappenschild, umgeben von mehrfach geknotetem Band. Die
Rückseite durch senkrechte Aststäbe in Felder zerlegt, darin je drei herzförmige
Blätter, nach rechts gewendet. Das mittlere Blatt manganfarben, die anderen
blau, mit ausgekratzter Innenzeichnung. Füllung durch kleine blaue Ranken.
Auf der Schulter blauer Fries von stehenden und liegenden Spitzblättern; am
Hals schräge Strichborte.
Abgebildet bei Bode, S. 27, oben.
Das Wappen nach Wallis (The Albarello, 1904 Fig. 6) das der Mezzovillani von
Bologna.
FLORENZ, UM 1475. Höhe 18,5 cm.
28 ALBARELLO.
Gegenstück zum vorigen.
FLORENZ, UM 1475. Höhe 18,5 cm.
Tafel VL
29 APOTHEKENTOPF.
Zylindrisch mit eingezogenem Hals und Fuß. Bemalt in Blau und Mangan.
Ringsum Wellenranke mit blau gestrichelten Blüten und großen, windenartigen
Manganblüten. Auf der Schulter manganfarbener Zickzackfries.
FLORENZ, UM 1450—75. Höhe 13 cm.
Tafel VL
17
30 ALBARELLO.
Bemalt in Blau, Mangan und Hellgrün. Der Körper in drei wagerechte Zonen
geteilt. In der oberen Zone in Blau eine Wellenranke mit großen efeuartigen
Blättern, deren Innenzeichnung ausgekratzt ist. In der zweiten Zone wachsende
Stauden mit seitlich abgestellten Ovalblättern; über und unter diesen mangan^^
farbene Zickzacklinien. In der unteren Zone, ebenso wie auf der Schulter, blaue
Wellenranke mit manganfarbenen Strichblättern. Am Hals manganfarbener
Eierstabfries. Unter dem Boden eingeritzt die Zahl 306.
FLORENZ, UM 1475. Höhe 25,5 cm.
Tafel VII.
31 ALBARELLO.
Bemalt in Blau, Mangan und Türkisblau. Auf dem Körper vier Felder; darin
aufrechter Stab, von dem nach rechts und links je zwei Blätter abzweigen (in
zwei Feldern blau, in den anderen manganfarben). Manganf arbene Ranken und
kleine blaue Füllornamente. Daneben und darüber manganfarbene Strichborte.
Am Hals blaue Strichborte.
FLORENZ, UM 1475. Höhe 25 cm.
Tafel VII.
32 ALBARELLO.
Bemalt in Blau, Mangan und Türkisgrün. Die Fläche zerlegt durch blaugrüne
senkrechte Streifen in acht schmale Felder. Darin je drei breite, gewellte Blätter
nach rechts liegend; das mittlere manganfarben, die anderen blau. Dazwischen
kleine Strichranken. Auf der Schulter kleiner blauer Wellenrankenfries; am
Hals Gitterborte.
Farbig abgebildet bei Bode, Tafel XXV.
FLORENZ, 1460—70. Höhe 23,5 cm.
Tafel VII.
33 HOHER ALBARELLO.
Blau bemalt. Der ganze Körper mit Hals durch weiße Bänder in sechs verschie?
den breite Zonen zerlegt. Darin verschiedenes Blauornament: Gittermuster,
Spirallinien und Striche, Zickzackmuster, gestrichelte Dreiecksfelder, Kreise
mit Blattfüllung usw.
FLORENZ, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 29,5 cm.
Tafel VIII.
18
34 ALBARELLO.
Bemalt in Blau, Gelb und Türkisblau. Auf beiden Schauseiten in dreifarbig ge^
rahmtem Medaillon das Monogramm Christi in Strahlenglorie. Im übrigen mit
verschiedenartigen blauen Strichborten dekoriert; kleine Ranken in den
Zwickeln des Medaillons. — Kleine Beschädigungen.
Aus der Apotheke eines geistlichen Stiftes; zuletzt in einer Apotheke in San
Romano (vgl. Bode, S. 32).
FLORENZ, ENDE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 24,5 cm.
Tafel VIII.
35 KANNE.
Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Bemalt in Blau, Mangan, Gelb
und Türkisgrün. Auf der Vorderseite, in mangan und gelb umrandetem Feld
ein von zwei schwebenden Engeln gehaltener Kranz. Darin ein Wappenschild
(zweimal geteilt; rechts und links purpurfarben, in der Mitte siebenmal zwei
weiße Krüge (?) nebeneinander in Blau). Als Füllornament neben dem Wappen
Punktsterne und Tupfen. Der Raum rings um die Engel gefüllt durch Ranken
mit kleinen blauen Blättern und rosettenartigen Blüten mit gelber Mitte. Ver^
streute gelbe Tupfen. Seitlich neben den Henkeln und am Hals Friese von
ähnlichen dünnen Ranken. — Stark restauriert.
Abgebildet bei Bode, Tafel XXXV, rechts oben.
FLORENZ, UM 1460—70. Höhe 24,5 cm.
Tafel IX.
36 KANNE.
Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Bemalt in blasigem Blau, Mangan,
Gelb und Hellgrün. Auf der Schauseite ein Rundfeld, darin ein in hohem Gras
laufender Hund, der Grund gefüllt durch gelbe Zweige mit blauen Blättern und
blaugrünen Blüten. Seitlich, neben dem Henkel, je zwei senkrechte Schmal
felder, in denen ein dünner aufsteigender Blattzweig und ein krauses Zickzack^
Ornament. Am Hals ringsum liegende Wellenranke mit manganfarbenen Blumen
und Streublättern. Auf dem Henkel blaues Fischgrätenornament; darunter
Marke aus zwei Buchstaben, anscheinend t und a. — Am Hals stark ergänzt.
FLORENZ, UM 1460. Höhe 25,2 cm.
Tafel IX.
37 KANNE.
Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Bemalt in Blau, Gelb und Türkis^
grün. Auf der Vorderseite in gelb gebundenem blauem Blattkranz ein Wappen
(blauweiß, schräg geteilt). Seitlich wachsende Ranken mit blauen Blättern und
blaugelben Blüten. Neben dem Henkel schmale senkrechte Felder mit dünnem
Blattzweig, ähnlich der Henkel und der Hals dekoriert. Unter dem Henkel
ansatz blaue Marke: achtstrahliger Stern. — Repariert.
FLORENZ, UM 1460—70. Höhe 17,5 cm.
Tafel IX.
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38 DOPPELHENKELIGER TOPF.
Von Albarelloform. Bemalt in tiefem, saftigem Blau, Mangan und Blaugrün.
Auf beiden Schauseiten Rechteckfelder mit wachsender Staude breitlappiger
Blätter in den drei obengenannten Farben. Daneben senkrechte Zonen mit
Punktornament. Auf der Schulter schrägliegende blaue Blätter und Punkt, auf
dem Fuß schräge blaue Streifen. Die Henkel mit blauen Querstrichen. — An
vielen Stellen ist die Glasur abgeplatzt.
FLORENZ, UM 1450. Höhe 14,7 cm.
39 KANNE.
Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Bemalt in Blau, Gelb und Grün.
Vorn gelbes Medaillon, darin eine Staude von breiten blauen und grünen
Blättern. Rechts und links geschwungene Ranken mit dünngefiederten Fah
mettenblättern in Blau, daneben leere senkrechte Streifen um ein schmales Feld
mit blauem konturiertem Zackenblatt. Unter dem Hals ein Kettenfries. —
Stark repariert.
FLORENZ, UM 1450. Höhe 18,5 cm.
Tafel VI.
40 ALBARELLO.
Leicht bauchige Form; blau bemalt. Vorn Brustbild eines jungen Mannes mit
krausem Haar; daneben Blumenstaude und Spiralranken. Rechts und links
schmale Längsstreifen, darin verschiedene Borten; auf der Rückseite zwei
* breitere Streifen, in denen zwei übereinanderstehende Kreise mit hängenden
Fiederblättern und Spiralranken in den Zwickeln. Auf dem Hals Fries aus
S^jförmigen Haken.
Im Stil der Arbeiten von FLORENZ, UM 1450—75. Höhe 20,5 cm.
41 KLEINER ALBARELLO.
Blau bemalt auf grünHchweißer Glasur. Große durch Tupfen verstärkte
Wellenranke, darin viermal ein abwechselnd aufsteigendes und hängendes
palmettenartiges Blatt. Daneben ein liegendes kleineres Blatt. In den Zwickeln
Spiralranken. Auf dem Hals Wellenranke mit kleinen Fiederblättern.
Im Stil der Arbeiten von FLORENZ, UM 1450—1475. Höhe 17 cm.
42 KANNE.
Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Blau bemalt auf ursprünglich
heller, fast schwarz gewordener Glasur. Vorn ovaler Wappenschild, geteilt,
oben weiß, unten schwarzblau. Ringsum Strichborte und kräftiges, hängendes
Blattornament. Rechts und links neben dem Henkel ein senkrechter Streifen
mit steigender Wellenranke; darin zackige Blätter und Punkte; ringsum Spiral^
ranken. Am Hals Zickzackranke.
Im Stil der frühen Arbeiten von FLORENZ. Höhe 19 cm.
20
43 DOPPELHENKELVASE.
Bauchig, mit sog. Granatapfelmuster in Blau, Hellgrün und Ockergelb. Auf den
beiden Schauseiten je zwei aufsteigende gewellte Zweige, von denen nach beiden
Seiten große Blumen aus acht blauen Spitzblättern mit weißem Ansatz; außen da*
zwischen gelbe Viertelbögen. Dazwischen lanzettförmige Blätter, grüngelb. Der
Grund gefüllt mit dünnen blauen Spiralranken und Punkten. Am Hals doppeltes
blaues Zickzackband mit gelben Ecken. Auf den grünglasierten Hen^
kein ockerfarbene Längsstreifen. Unter den Henkeln die blaue Marke:
— Reparaturen.
Abgebildet bei Bode, Tafel XXVII, oben rechts. (Stammt aus einer Apotheke
in Lucca; vgl. Bode, S. 27, unten.)
FLORENZ, UM 1450—1475. Höhe 28 cm.
Tafel X.
44 KLEINER ALBARELLO.
Mit sog. Granatapfelmuster in Blau und Ocker. Auf der Wandung drei Granat:*
apfelblüten aus acht Blättern; dazwischen kleine symmetrische Ranken, teils
wachsend, teils von oberer Halbblüte ausgehend. Darin gelbe Punkte. Oben
und unten breites ockergelbes Band.
FLORENZ, UM 1500. Höhe 11 cm.
Tafel X.
45 KLEINER ALBARELLO.
Mit Pfauenfederdekor in Blau, Mangan, Grün und Gelb. Der Körper mit
Schulter durch blaue Schleifenbänder in Rankenfelder geteilt; darin oben und
unten Pfauenfedermuster in Mangan, Grün und Ockergelb; in der Mitte
wachsende blaue Blume.
FLORENZ, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 13,5 cm.
Tafel X.
46 ALBARELLO.
Mit Pfauenfederdekor. In der Mitte ockergelb gerahmtes, hinten breit auf^
gerolltes Schriftband mit blauer, pharmazeutischer Inschrift: Medritato. Oben
und unten je eine Zone mit liegender blauer Wellenranke, deren Blüten als
Pfauenfedern (mangan, grün, ockergelb) gebildet sind. Auf Schulter und Ab^
lauf blaue und ockergelbe Kreisbänder.
FLORENZ, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 21,5 cm.
Tafel X.
21
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22
47 ALBARELLO.
Mit Pfauenfederdekor. In der Mitte Schriftband mit blauer, pharmazeutischer
Inschrift: * Di • Penidion *; oben und unten je eine Zone mit liegender blauer
Wellenranke, deren Blüten als Pfauenfedern (mangan, grün, ockergelb) ge^
bildet sind. Auf Schulter und Ablauf verschiedenfarbige Kreisbänder und
Punktborte. — Kleiner Sprung.
FLORENZ, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 22 cm.
Tafel X.
48 BAUCHIGE VASE.
Mit zwei geflochtenen Henkeln. Bemalt in Blau, Mangan, Grün, Gelb und Ocker:«
braun. Auf beiden Schauseiten grünbrauner Blattkranz, oben und unten gelbe
Scheibe. Darin einerseits Wappenschild mit Apothekenmarke: b mit Haken;
anderseits Wappen: gelber Schrägbalken; auf blauem Grund zwei schreitende
Löwen. Ringsum breitlappiges Blattwerk in Blau, Mangan, Grün und Gelb. Am
Hals blaue Hakenborte. Die Henkel grün bemalt. Darunter zweimal die Marke : ^^
in Mangan. — Ein Henkel ergänzt. ■ "
FLORENZ, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 20 cm.
Tafel X.
49 KLEINE KANNE.
Mit — abgebrochenem — Flachhenkel und gekniffenem Ausguß. Bemalt in
Blau und Ockergelb. Vorn Wappen einer geistlichen Bruderschaft (Kreis mit
durchstrichenem P, darüber Stern) in blaugelbem Medaillon; seitlich und oben
Strichornamente. — Stark repariert.
FLORENZ, MITTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 13 cm.
50 KLEINER TELLER.
Mit breitem Flachrand und vertiefter Mitte. Farbig bemalt. Im Spiegel Wappen
mit steigendem Löwen. Auf der Wandung blaugelbe Weinblattborte in Nach^
ahmung spanisch^maurischen Dekors; auf dem Rand ein Kranz großer blauer
Blüten mit grüngelben Spitzen und manganfarbenen Kelchblättern, in ranken^
gefüllten Ovalen. An den Schnittpunkten dieser Ovale grüngelbe Kelchmotive.
Auf der Rückseite blaugelber Weinblattfries W / zwischen konzentrischen
blaugelben Ringen. In der Mitte blaue Marke:
Abgebildet bei Bode, Tafel XXVIII, links.
FLORENZ oder SIENA, 3. VIERTEL 15. JAHRHUNDERT.
Durchmesser 19 cm.
Tafel XII.
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51 KLEINER DOPPELHENKELNAPF.
Halbkugelige Form; bemalt in Blau, Gelb und Hellgrün. Im Spiegel mehrfarbige
Blüte mit gelbem Stempel und kräftigen, mehrfarbigen Blättern. Auf der
Wandung ein gelber Fries mit Dreiecksmustern und ein Fries mit verschlun^
genen grünen Wellenbändern zwischen blauen Schmalborten. Die Außen^
Wandung mit blauen Sternen, Punktkreisen und gelben Tupfen gleichmäßig
dekoriert. — Mehrfach repariert.
Abgebildet bei Bode, Tafel XXVIII, oben.
FLORENZ, UM 1460—80. Höhe 6,8 cm, Breite 15,5 cm.
Tafel XII.
52 KLEINE KANNE.
Mit breitem Henkel und gekniffenem Ausguß. Blau bemalt. In einem Kranz von
Blättern und durchstrichenen Rauten hängendes Wappen: auf dunkelblauem
Mittelbalken ein aus der Farbe ausgekratztes klösterliches Signet:
Bischofsstab, daran ein S. Unter dem Henkelansatz blaue Marke.
FLORENZ, ENDE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 15 cm.
Tafel XII.
53 BAUCHIGE KANNE.
Mit breitem Flachhenkel und gekniffenem Ausguß. Auf gelblichgrauer Glasur
blau gemalt vorn ein radial gestricheltes Kreismedaillon, darin Wappen (oben
ockerfarbenes Kreuz, unten blauweiße Wellenfigur). — Am Rand Reparatur.
FAENZA, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 17,8 cm.
Tafel I.
54 BAUCHIGE KANNE.
«
Ahnlich, aber kleiner, als die vorige. Der Dekor fast gleich; nur in der unteren
Hälfte des Wappens drei blaue Schrägbalken. — Kleine Randbeschädigung.
FAENZA, 2. HÄLFTE 15. JAHRHUNDERT. Höhe 14,5 cm.
55 KLEINER TELLER.
Mit Flachrand und vertiefter Mitte. Blau bemalt. Im Spiegel runde Blume und
Blattranken. Auf dem Rand ebenfalls kleine Blattranken, von breitem blauem
Band aufwachsend.
TOSKANA, ANFANG 16. JAHRHUNDERT. Durchmesser 15,8 cm.
Höhe 4 cm.
Tafel XII.
23
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56 ALBARELLO.
Auf grauer, krackelierter Glasur bemalt in Blau, Ocker, Gelb und Grün. Auf
dem Körper breiter ockerbrauner Fries mit stehenden und hängenden Palmetten,
die durch gelbes Band verbunden sind. Darüber schmale Zone mit blauer
pharmazeutischer Inschrift: LaPidö. Auf der Schulter liegende Ranke mit
grünen Blättern und gelbbraunen Früchten. An Hals und Ablauf verschiedene
schmale Borten. — Sprung.
SIENA, UM 1500. Höhe 19 cm.
Tafel XII.
57 GROSSE KANNE.
Mit breitem Flachhenkel und gekniffenem Ausguß. Bemalt in Blau, Grün, Gelb
und Ocker. Vorn Wappenschild der Familie Cassagnolo. Ringsum dünne,
rundgelegte Zweige mit grünen Blättern und großen und kleinen Äpfeln. Oben
und unten blaugelber Streifen. Der Henkel blaugelb gerandet; mittenauf die
Jahreszahl 1523. — Am unteren Rand kleine Reparatur.
FLORENZ, 1523. Höhe 34 cm.
Tafel XI.
58 KLEINER TELLER.
Mit vertiefter Mitte und breitem Flachrand. Blau gemalt auf kleisterblauer
Glasur. Im Spiegel und auf dem Rand zierliche Ranken „alla porcellana". Auf
der Rückseite leicht skizzierte blaue Ranken.
VENEDIG, UM 1540. Durchmesser 19,5 cm, Höhe 3,5 cm.
Tafel XII.
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n.
ORIENTALISCHE KNÜPFTEPPICHE
VERZEICHNET VON ERNST KÜHNEL
24
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59 WOLLENER KNÜPFTEPPICH.
Weißer Grund mit stilisiertem Rautenblatt (sogen. „Vogelmuster") in vertikaler
und horizontaler Reihung, Ockergelb mit Olivgrün. Dazwischen Rosettblüten
und Blattwerk in Rot, Ocker, Gelb, Blau. Borte ebenfalls weiß mit stilisiertem
Pflanzenornament in Form reziproker Dreiecke, grün, ockergelb, rot und hell^
blau. Schmaler, weißer Außenrand mit Blattwelle.
Gehört zu einer den sogen. Uschakteppichen nahestehenden Gattung. (Vgl.
Bode^Kühnel, Vorderasiat. Knüpfteppiche, 3. Aufl., Abb. 78.)
KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge 3,48 m. Breite 2 m.
Tafel XIII.
60 WOLLENER KNÜPFTEPPICH.
Weißer Grund mit in enger Reihung wiederholtem, heraldischem Motiv mongo?
lischen Ursprungs: drei kugelförmige Mondsicheln über einem Wolkenstreifen
(sogen. „Tschintamani:=Muster") in zum Teil wechselnder Färbung (rot, blau,
blaugrün, hellblau, grüngelb). Die Borte ebenfalls weiß, mit Wolkenband^
palmetten und kleinerem Ranken^ und Rosettenwerk, wechselnd rot, blaugrün,
olivgrün, gelbgrün, ockergelb. Schmale Begleitränder mit Streublumen auf
weißem Grund. — Die Borte am oberen Schmalende fehlt.
Gehört zu einer den sogen. Uschakteppichen nahestehenden Gattung. (Vgl.
Bode^Kühnel, Vorderasiat. Knüpfteppiche, 3. Aufl., Abb. 79.)
KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge 3,10 m. Breite 1,95 m.
Tafel XIV.
61 WOLLENER KNÜPFTEPPICH.
Ziegelroter Grund mit stilisierten Blütenranken in verschiedenen Tönen. Im
Grunde ausgespart großer, achteckiger Mittelstern, zwei Rautensterne und
Teile von weiteren Sternen am Rand, sämtlich dunkelblau mit weißem Kontur
und vorwiegend gelbem und rotem Füllwerk von stilisierten Arabesken. Blaue
Borte mit reziproken Wolkenbändern in Rot und Rosa. Der innere Begleitrand
gelb, der äußere rot, mit Blattwelle.
Sogen. Sternen^Uschak.
KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge 3,40 m. Breite 2,04 m.
Tafel XV.
62 WOLLENER KNÜPFTEPPICH.
Ziegelroter Grund mit grünem Rankenwerk. Darin zwei große, achteckige
Sterne und Randansätze von zwei weiteren neben mittlerem Rautenstern,
sämtlich dunkelblau mit weißem Kontur und vorwiegend gelber Innenzeichnung
27
von Arabeskenranken. Hellblaue Borte mit Swastika^Blüten an einer Blatts^
welle, in verschiedenen Tönen. Gelbe Begleitränder, der innere, schmälere, mit
Wellenband, der äußere mit gestreckter Blattwelle.
Sogen. Sternen:!Uschak.
KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge 2,73 m, Breite 1,53 m.
Tafel XVI.
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63 WOLLENER KNUPFTEPPICH.
Ziegelroter Grund mit gelben, geometrisierten Arabeskenranken, die zwei blau
gefüllte Innenschilder bilden. Schwarze Borte mit dicht geführtem, blauem
Ornament von zwei Reihen durch Rosettembleme verbundener stilisierter
Lilien. Roter Außenrand mit strengem, buntem Blattwerk.
Gehört zu einer den sogen. Uschakteppichen nahestehenden Gattung. (Vgl.
Bode^Kühnel, Vorderasiat. Knüpfteppiche, 3. Aufl., Abb. 80.)
KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge 1,80 m. Breite 1,12 m.
Tafel XVI.
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64 WOLLENER KNÜPFTEPPICH.
Gebetsteppich mit zweiseitiger Nischenandeutung.
Rotes Feld mit dunkelblauem, sechseckigem Innenmedaillon, das mit Arabesken
in roter und hellblauer Zeichnung gefüllt ist. Die Nischenzwickel sind mit
lockeren, dunkelgrünen Blattranken besetzt; zwischen ihnen auf der einen Seite
eine kleine Ampel. Die dunkelblaue Borte zeigt in dichter Führung schmale,
stark stilisierte Palmettblüten zwischen rahmenden Arabesken, vorwiegend Rot
mit Grün, Hellblau und etwas Gelb. Der innere Begleitrand schwarz, der
äußere rot, mit langgezogenen Blattranken.
Sogen. Uschak^Gebetsteppich.
KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge 1,56 m, Breite 1,15 m.
Tafel XVII.
65 a und b ZWEI FRAGMENTE EINES WOLLENEN KNUPFTEPPICHS.
Ziegelroter Grund mit dichtem, in zwei verschiedenen Kreuzformen zusammen?
gestelltem, stilisiertem Arabeskenwerk in gelber Zeichnung mit Blau. Blau*
grüne Borte mit zackigen, roten Rosettmedaillons, die mit Blüten in verschie?
denen Tönen gefüllt sind. Innerer Begleitrand mit Blattwelle.
Bei beiden Fragmenten sind an einer Schmalseite zugehörige Bortenstücke an^
gesetzt.
Der Teppich gehört zu einer der sogen. Uschakgattung nahestehenden Gruppe.
Das eine Fragment ist abgenützt.
KLEINASIEN, 16. JAHRHUNDERT. Länge je 1,50 m. Breite je 1 m.
28
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66 WOLLENER KNUPFTEPPICH.
Gebetsteppich mit zweiseitig orientierter Nische.
Hellrotes Nischenfeld mit bunter Füllung von Blumenranken, Palmettblüten
und zwei vegetabilisch umstilisierten Kugelampeln. Gelbe Nischenzwickel mit
Streuwerk. Blaue Borte, darin längliche, zackige Kartuschen, wechselnd weiß
und rot mit verschieden getönter Zeichnung von zwei palmettartig ge^
schlossenen Arabesken über dünnen Blumenranken. Beide Begleitränder mit
reziprokem Lilienmuster in Rot und Schwarz.
Sogen. „Siebenbürger" Teppich.
KLEINASIEN, ENDE 17. JAHRHUNDERT. Länge 1,70 m. Breite 1,25 m.
Tafel XVII.
67 WOLLENER KNUPFTEPPICH.
Auf ziegelrotem Grund Horizontalreihen von je drei gleichartigen, großen
Palmettblüten in verschieden blauer Abtönung mit Detaillierung in anderen
Farben, je zwei Reihen einander zugekehrt. Dazwischen blau grundierte Rosette?
rauten mit rahmenden Blütenzweigen, sowie kleineres Ornamentwerk. Dunkel*
blaue Borte mit Palmettblumen zwischen eng geführten Blütenzweigen, vor:'
wiegend in Hellblau und Rot. Begleitränder mit gewellten Blütenranken, der
innere blau, der äußere rot.
Sogen. Smyrna^Uschak.
KLEINASIEN, 18. JAHRHUNDERT. Länge 5,83 m. Breite 3,76 m.
Tafel XVIII.
68 WOLLENER KNUPFTEPPICH.
Auf weinrotem Grund zwei große Rauten, weiß gezeichnet und. farbig ge>
gliedert, mit rechteckigem, rotem Innenfeld, das wiederum ein achteckiges
Medaillon enthält. Die Rauten werden durch Eckzwickel — dunkelblau oder
blaugrün mit getreppter Innenkante — rechteckig gerahmt. Borte schwarz
(dieses meist ausgefallen), mit streng geometrisiertem, zu reziproken Dreiecken
zusammengestelltem Blattmotiv. Der innere Begleitrand rot, der äußere gelb,
mit Blattwelle.
Gehört zu einer Abart der sogen. Holbein^^Teppiche. (Vgl. Bode::Kühnel,
Vorderasiat. Knüpfteppiche, 3. Aufl., Abb. 85.)
KLEINASIEN, 17. JAHRHUNDERT. Länge 1,72 m, Breite 1,30 m.
Tafel XIX. .
29
>
69 WOLLENER KNÜPFTEPPICH.
Auf kirschrotem Grunde ein großes mittleres Achteck, darüber und darunter je
zwei kleinere, blau und grün mit innerem Stern. Rahmende Eckzwickel in Form
stilisierter Ranken. Die Borte braunschwarz (meist ausgefallen) mit stilisierten
Blattstauden in verschiedenen Farben an weißer Wellenranke. Innerer Begleite
rand mit Flechtband zwischen blauen Säumen.
Gehört zu einer älteren Gattung der sogen. Bergamo^^Teppiche.
KLEINASIEN, 17. JAHRHUNDERT. Länge 1,45 m. Breite 0,98 m.
Tafel XIX.
70 WOLLENER KNÜPFTEPPICH.
Roter Grund mit bunten vegetabilen Motiven in der Art der persischen Vasen»
und Isfahanmuster: Rosettblüten, Palmettblumen, Zackenblätter usw. in sym?
metrischer Anordnung, durch ein feines, gelbes Rankengitter verbunden.
Blaue Borte mit Palmettblüten zwischen Blumenzweigen in bunter Skala, vor^
wiegend rot, weiß und gelb, in der Art der Uschakteppiche des 17. Jahrhunderts.
Begleitrand innen hellblau, außen rot, mit Blattwelle.
Gehört vermutlich zur Gruppe der sogen. Melas^Teppiche.
KLEINASIEN, UM 1700. Länge 2,20 m, Breite 1,26 m.
Tafel XX.
71 WOLLENER KNÜPFTEPPICH.
Gebetsteppich mit ziegelrotem Nischenfeld; seitlich je eine Kanne mit stilisier?
ter Säule darüber und eine dritte Kanne von der Mitte herunterhängend, statt
einer Ampel. Die Wölbungszwickel ockergelb mit dünnem, vorwiegend
schwarzem Rankenwerk; im Friesstreifen darüber Palmettmotive. Blaue Borte
mit stilisierter Blütenwelle. Die Begleitränder weiß mit Streumuster, beide mit
rahmenden Säumen.
Sogen. Györdes^Teppich.
KLEINASIEN, ENDE 18. JAHRHUNDERT. Länge 1,78 m. Breite 1,25 m.
Tafel XXL
72 WOLLENER KNÜPFTEPPICH.
Weißer Grund mit Gitterwerk von Sechsecken in blauer und roter Zeichnung.
In jedem Feld wiederholend, aber in Tönen wechselnd, eine streng stilisierte,
bunt detaillierte Kelchblume. Ziegelrote Borte mit blauen und grünen Blüten.
Schmale Begleitränder mit grauschwarzem Flechtband. — Die schwarze
Wolle meist ausgefallen.
KAUKASUS, 18. JAHRHUNDERT. Länge 1,50 m, Breite 1,05 m.
Tafel XXI.
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30
73 WOLLENER KNÜPFTEPPICH.
Roter Grund mit streng stilisierten Palmettblumen, Rosettblüten, zinnenartigem
Blattmotiv, Zackenblättern und kleinerem Streuwerk in bunter Skala und sym^
metrischer Anordnung. Die Borte blau und blaugrün mit Paaren von stark
geometrisierten Arabeskenblättern — orange und hellblau — zwischen zackig
umzogenen Rosettblüten in verschiedenen Farbenkombinationen. Der innere
Begleitrand weiß, der äußere ockergelb, mit gereihten Rautenblüten.
KAUKASUS, UM 1700. Länge 2,38 m. Breite 1,25 m.
Tafel XXII.
74 WOLLENER KNÜPFTEPPICH.
In ziegelrotem Grunde mit blau gezeichneten, stilisierten Ranken liegen fast in
ganzer Breite drei große Achteckmedaillons (die beiden seitlichen unvollstän^
dig), blau mit innerem rotem Stern und verschiedenfarbigem Füllwerk. Blaue
Borte mit geometrisierter Blattwelle in Zickzackführung. Der innere Begleite
rand blau, der äußere rot, mit Hakenkreuzen und rahmenden Säumen. — Sehr
schadhaft und abgenützt.
Sogen. Smyrnateppich.
KLEINASIEN, ANFANG 19. JAHRHUNDERT. Länge 4,27 m, Breite 2,90 m.
31
III.
GEMÄLDE, PLASTIK, METALLARBEITEN
Nr. 75—93
^S
75 BILDNIS DES ARIOST.
Vor neutralem Hintergrund das Brustbild eines sitzenden Mannes mit
schwarzem, halblangem Haar und schwarzem, kurzgeschnittenem Bart, den
Kopf beinahe im reinen Profil nach links. Die Rechte, die einen Handschuh
hält, ist auf ein links sichtbares Tischchen aufgelegt. Pelzbesetzter Rock, dessen
Ausschnitt ein weißes gefälteltes Hemd sehen läßt.
Vergl. W. V. Bode, Die Porträts des Sebastiano del Piombo, Velhagen und
Klasings Monatshefte, 36. Jg., Sept. 1921, Heft 1, mit Abbildung.
Von SEBASTIANO DEL PIOMBO, ca. 1485 Venedig, Rom 1547. Leinwand.
Höhe 77,5 cm. Breite 69,5 cm.
Tafel XXIII.
76 VENUSTORSO.
Marmor. Der Kopf, die Beine und die Arme fehlen. Der Ansatz der Arme
erhalten.
RÖMISCH nach HELLENISTISCHEM Vorbild. Höhe 90 cm.
77 FO.HUND.
Nach links, die Pranken auf eine durchbrochene Kugel gesetzt, den Kopf nach
vorne gewandt. Braune Lackpatina.
JAPAN, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 24 cm. Breite 27 cm. Auf rotem
Marmorsockel.
78 SALZFASS.
Bronze, vergoldet. Eingezogener Fuß, Körper mit Pfeifenornament, zwei kleine
Volutenhenkel.
TOSKANA, 15. JAHRHUNDERT. Höhe 6,5 cm, Durchmesser 10 cm.
Tafel XXIV.
79 TINTENFASS.
Bronze. Sechsseitig. Mit den Wappenschildern der Grimani und Bragadi; auf
den drei ornamentalen Feldern Dekor von Akanthuslaub mit Delphinen.
Datiert durch die 1539 erfolgte Heirat zwischen einem Grimani und einer
Bragadi.
VENEDIG 1539. Höhe 5 cm.
Tafel XXIV.
80 EIN PAAR LEUCHTER.
Messingbronze. Glockenfuß, schlanker eingezogener Schaft. Gravierung:
Medaillons mit Tieren, stilisierte Tiere und Vögel in Rankenwerk.
MOSSUL, 15. JAHRHUNDERT. Höhe 12,5 cm.
Tafel XXIV.
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35
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81 EIN PAAR LEUCHTER.
Kupfer. Hoher profilierter Fuß, Balusterschaft. Die Gravierung, mit Silber
tauschiert, zeigt Blumenranken und Arabesken.
VENEDIG, 16. JAHRHUNDERT. Höhe 17 cm.
Tafel XXIV.
82 EIN PAAR LEUCHTER.
Messing. Profilierter Glockenfuß, Balusterschaft, profilierte Tülle.
DINANT, 16. JAHRHUNDERT. Höhe 29 cm.
83 NIEDERER BRONZEKESSEL.
Auf drei kantigen Stützen stehend. Die Leibung mit vier Horizontalprofilen, der
eingezogene Rand mit feinen Vertikalrippen. Traghenkel.
DEUTSCH, UM 1500. Höhe 25 cm, Durchmesser 39 cm.
84 KORB.
Kupfer getrieben. Dekor von stilisierten Blüten und Vogelköpfen. Zwei Friese
mit Inschrift: DIESES VEREHR ICH MEINER PATEN ANNA SOFIEN
SCHMIDIN ZUM GEDECHTNIS. JOHANNES : VEIT : BROMHARDT :
ANNO 1682.
DEUTSCH, UM 1682. Höhe 20 cm.
85 TEEKESSEL MIT RECHAUD.
Kupfer. Profiliert. Der Kessel getrieben, mit Rankenwerk verziert, das Rechaud
mit durchbrochenen Ranken.
DEUTSCH, ANFANG 18. JAHRHUNDERT. Höhe 26 cm.
86 OVALE DECKELTERRINE.
Zinn, geriefelt und profiliert. Deckel und Fuß eingezogen. Mit Marke.
DEUTSCH, UM 1700. Höhe 30 cm. Breite 23,5 cm.
87 STEGKANNE.
Zinn. Eingezogener Fuß, bauchige Leibung, enger Hals, langer, sechsseitiger
Röhrenausguß, mit dem Hals durch einen Steg in Form eines Armes verbunden.
Auf dem Deckel männlicher Kopf. Marke Bär.
BERN, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 31 cm.
88 WEINKANNE.
Zinn. Konische Form auf drei Füßen mit Engelsköpfen. Die Leibung mit ge=
rauhten Friesen. Am Deckel Adler mit Wappenkartusche. Mit zwei Marken,
die eine davon trägt die Zahl 13.
SACHSEN, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 39 cm.
36
89 KLEINE DECKELSCHÜSSEL.
Zinn. Der Deckel mit Verzierung in Relief guß: Friese mit Vögeln und Akanthus»
laub; die Schüssel mit zwei durchbrochenen Griffen. Mit Engelmarke von Basel.
BASEL, ANFANG 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 13 cm.
90 OVALE DECKELTERRINE.
Zinn. Auf Füßen aus Rocaille. Der geschweifte Körper mit aufgelegten Rocaille»
Ornamenten, Rocaillehenkeln und Flammenknauf. Mit drei undeutlichen Marken.
DEUTSCH, UM 1750. Höhe 29 cm, Länge 42 cm. Tiefe 22 cm.
91 SCHRAUBFLASCHE.
Zinn. Der Körper in rautenförmige Flächen geteilt, graviert, sogenannter
„Tremolierstich". In jedem Feld eine Blume, in dem mittelsten ein Kranz mit
Krone, darin die Buchstaben: G. M. G. H. und die Jahreszahl 1765.
DEUTSCH, UM 1765. Höhe 33 cm.
92 TELLERWÄRMER.
Messing. Auf drei Klauenfüßen stehend, mit Traggriffen.
Platte mit Sternmuster. Marken W B.
DEUTSCH, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 23 cm.
Durchbrochene
93 LÖFFEL.
Der Griff Silber, teilvergoldet. Mit Rankenornament und Hausmarke,
übrigen Teile Buchs.
DEUTSCH, ANFANG 18. JAHRHUNDERT. Länge 15 cm.
Die
37
IV.
MÖBEL UND EINRICHTUNGSGEGENSTÄNDE
Nr. 94—117
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94 GROSSER KAMIN.
Aus rotem, gesprenkeltem Marmor. EÄe Wangen an den Seiten mit Klauen«
fußen und Voluten, darauf Konsole mit der stark vorspringenden Deckplatte.
BOLOGNA, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 195 cm. Breite 250 cm. Tiefe 65 cm.
Tafel XXV.
95 KACHELOFEN.
Zusammengebaut aus grün glasierten, reliefierten Kacheln mit vertieften
Kreisen, umgeben von Flammleisten, in den Ecken stilisierte Zweige. Zurück«
springender Mittelteil, der Oberbau getragen von Klauenfüßen. Gebälk mit
Akanthusstab. Eiserner Unterbau.
TIROL, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 130 cm. Breite 115 cm.
Tafel XXVI.
96 KLEINE KREDENZ.
Nußbaumholz. Zweitürig. Zarge mit zwei Schubladen, etwas überstehende
Deckplatte. Stirnseite mit vier, Schmalseiten mit je zwei erhöhten Feldern. Vier
Griffe mit vollrund geschnitzten Engelsköpfen. Runde Messingbeschläge.
BOLOGNA, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 93 cm. Breite 108 cm, Tiefe 110 cm.
Tafel XXV.
97 ZWEITÜRIGER HALBSCHRANK.
Nußbaumholz. Seitlich kannelierte Pilastcrfüllungen. Als Griffe Metallknöpfe
auf profilierten Holzscheiben.
ITALIEN, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 140 cm. Breite 148 cm. Tiefe 44 cm.
98 NIEDERER ARMSTUHL.
Nußbaumholz. Gestell aus gedrehten Stäben. Auf Sitz und Lehne Lederbezug
mit zweireihig angeordneten Metallknöpfen.
ITALIEN, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 99 cm. Breite 57 cm, Tiefe 47 cm.
Tafel XXVII.
99 KABINETTSCHRANK.
Nußbaumholz. Gestell auf vier gedrehten Säulenfüßen; querrechteckiger
Kasten. Mitteltür mit Nische zwischen zwei Säulen, die einen Giebel tragen.
Seitlich je fünf Schubladen mit acht Füllungen. Die Rahmungen des Schrankes
und der Schubladen mit Flammleisten.
FLORENZ, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 142 cm, Breite 120 cm, Tiefe 45 cm.
100 EIN PAAR STÜHLE.
Nußbaumholz. Vier gerade Beine, durch die halbkreisförmige, geschnitzte
Zarge verbunden, fast halbkreisförmiger Sitz. Rücklehne mit Kartuschen«
Schnitzerei und heller Holzintarsia, einen Vogel in Rankenwerk darstellend.
VENEDIG, UM 1725. Höhe 111 cm, Breite 45 cm. Tiefe 42.
Tafel XXVIL
41
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^
101 SOFA.
Nußbaumholz. Leicht geschweifte Füße, die Armlehnen mit geschnitzten
Frauenköpfen, die durchbrochene Rücklehne mit drei Karyatidenpaaren.
ITALIEN, UM 1780. Höhe 88 cm, Breite 165 cm, Tiefe 56 cm.
102 EIN PAAR HOHE STÜHLE.
Gestell Nußbaumholz, das Zwischenbrett mit Kartuschenschnitzerei, die
Lehne oben abgerundet. Bezug gepreßte Ledertapete: auf der Lehne zwei
Putten mit Blume und Blüte in Kartusche, auf dem Sitz Blumen.
PORTUGAL, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 121 cm, Breite 50 cm. Tiefe 40 cm.
Tafel XXVII.
103 GROSSER ESSTISCH.
Nußbaumholz. Gestell mit vier mächtigen Balusterfüßen, durch Steg ver^
bunden. Deckplatte zum Ausziehen.
DEUTSCH, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 81 cm, Breite 203 cm, Tiefe 112 cm.
104 STUHL.
Nußbaumholz, mit reicher Schnitzerei. Krallenfüße. Die Zwischenbretter vorn
und an der Lehne mit grotesken Masken in Akanthuslaub und mit Ohr^^
muschelornament versehen. Sitz mit Intarsia.
NÜRNBERG, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 123 cm, Breite 48 cm, Tiefe 42 cm.
Tafel XXVII.
105 GROSSER DOPPELTÜRIGER SCHRANK.
Ebenholz und Wurzelmaser. Stark profiliert. Kugelfüße. Zu den Seiten Säulen,
an deren Kapitellen geschnitzte Engelsköpfe; entsprechende Schlagleiste. Die
Türflügel zeigen erhöhte Felder; in den geschnitzten Füllungen Blumenranken.
Profiliertes, überstehendes Gesims mit Deckplatte. Friese mit geschnitzten
Flammleisten.
NIEDERSACHSEN, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 221 cm, Breite 192 cm.
Tiefe 72 cm.
106 GROSSER DOPPELGESCHOSSIGER SCHRANK.
Nußbaumholz auf Kugelfüßen. Sockel mit drei vorspringenden Konsolen, da^
zwischen zwei Schubladen. Unterbau mit zwei Säulen an den Seiten und tnU
sprechender Schlagleiste. Die Türflächen mit stark profilierten erhöhten
Feldern. Zarge mit Schublade. Oberbau in gleicher Gliederung wie der Untere
bau, doch schmäler und niedriger. Stark profiliertes Gebälk mit vorspringender
Deckplatte.
NORDDEUTSCH (DANZIG), 17. JAHRHUNDERT. Höhe 250 cm. Breite
205 cm, Tiefe 84 cm.
42
107 EIN PAAR TISCHE.
Zum Zusammenstellen. Nußbaumfurnier. Jeder Tisch mit dreieckigem Zargen^
brett, drei gedrehten Säulenfüßen und halbkreisförmiger Deckplatte.
DEUTSCH, UM 1700. Höhe 77 cm, Durchmesser 122 cm, Tiefe 73 cm.
108 HOHER ARMSTUHL.
Nußbaumholz geschnitzt. Die Füße mit Delphinen, das vordere Zwischenbrett,
die Zarge, die Pfosten und die innere Umrahmung der Lehne mit Akanthus^
laub. Sitz und Rücklehne mit Strohgeflecht.
NORDDEUTSCH, ANFANG 18. JAHRHUNDERT. Höhe 137 cm. Breite
65 cm, Tiefe 44 cm.
Tafel XXVII.
109 ECKSCHRANK.
Furnier, ausländisches Holz. Geschweifter, ausgeschnittener Sockel, auf drei
Füßen, darauf der zweitürige gewölbte Schrank in Form eines Viertelkreises.
NORDDEUTSCH, UM 1750. Höhe 160 cm. Breite 80 cm. Tiefe 40 cm.
Tafel XXVI.
110 DAMENSCHREIBTISCH „BONHEUR DU JOUR".
Furnier, ausländisches Holz. Rautenmuster. Geschweifte Beine, in der Mitte
des Kastens zwei größere Schubladen und ein herausziehbarer Spiegel, seitlich
zwei kleinere geschweifte Schubladen. Auf der Rückseite ebenfalls eine Schubs
lade. Die dreiteilige Deckplatte mit zwei Fächern und Lesepult. Der ganze
Oberteil zum Abheben. Die Platte des Unterteils geschweift mit farbiger
Lackmalerei: Fruchtstilleben in Rocailleumrahmung.
FRANKREICH (LYON), UM 1750. Höhe 78 cm. Breite 67 cm, Tiefe 38 cm.
Tafel XXVIII.
111 KOMMODE.
Polisanderholz. Die drei Seiten geschweift. Mit drei Schubladen. Goldbronze^
beschläge in Form von Blattzweigen und Rocaillen. Graubraune gesprenkelte
Marmorplatte.
NORDDEUTSCH, UM 1750. Höhe 83 cm. Breite 123 cm. Tiefe 62.
Tafel XXIX.
112 HOHLSPIEGEL.
Aus Glas, rund gewölbt. In rechteckigem, bemaltem Rahmen mit Relief*'
auflagen in Stucco: in den vier Ecken männliche Figuren in Zeittracht mit
Knebelbart und Mühlsteinkragen, auf den vier Mitten weibliche Masken.
DEUTSCH, UM 1600. Höhe 46 cm, Breite 40,5 cm.
Tafel XXIV.
43
44
113 WANDSPIEGEL.
Reich geschnitzter stark profilierter Rahmen aus Ebenholz. Flammleisten und
Flechtwerk.
HOLLAND, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 130 cm, Breite 115 cm.
114 KARTELLUHR AUF KONSOLE.
Furnier, ausländisches Holz. Hochrechteckige, geschweifte Form mit reichen
Goldbronzebeschlägen. Auf der Stirnseite Fabeltier in Muschelwerk mit
Blumen, Rocaillen und Blattwerk. Bekrönung Bäumchen, aus Rocaillen empörst
wachsend. Rundes reliefiertes Zifferblatt aus Goldbronze mit Emailziffern, bez.
GILLE L*AINE A PARIS. Konsole nach unten spitz zulaufend, Beschläge:
Puttenkopf, Muschel^: und Gitterwerk.
PARIS, UM 1750, von GILLE. Uhr Höhe 95 cm, Sockel Höhe 33 cm, Breite
45 cm, Tiefe 26 cm.
Tafel XXIX.
■
115 GROSSER KRONLEUCHTER AUS GLAS.
In der Mitte Balusterschaft mit herabhängendem Knauf, ringsum eine Reihe mit
acht Kerzenarmen, darunter eine zweite Reihe mit sechszehn Kerzenarmen, mit
gegossenen und geschliffenen Behängen.
VENEDIG, UM 1700. Durchmesser 150 cm.
Tafel XXX.
116 AMPEL.
Zylindrisch, aus Glas mit vergoldeter Metallfassung, an vier gebogenen Stäben
mit Kugelknöpfen hängend.
HOLLAND, 18. JAHRHUNDERT.
117 VIER TEILE EINES VORHANGES.
Aufsteigendes Granatmuster, die Granatmotive mit Vasenmotiven alternierend.
Flachstickerei in blauer Wolle auf bastfarbenem Leinengrund. Jeder Teil aus
mehreren Streifen zusammengesetzt.
ITALIEN, 17. JAHRHUNDERT. 1. Teil: Länge 382 cm, Breite 158 cm, 2 Teil:
Länge 160 cm. Breite 156 cm, 3. Teil: Länge 160 cm. Breite 68 cm, 4. Teil: Länge
158 cm. Breite 155 cm.
V.
!►♦•
FAYENCEN, GLAS
Nr. 118—152
I I
118 GROSSE DOPPELKURBISVASE.
Mit schlankem, spitzem Hals. Bemalt in Blau auf spiegelnd weiß glasiertem
Grund. Auf beiden Bauchflächen verstreute Blumenzweige, dazwischen flie^
gende Pfauen und andere Vögel. Auf der Schulter der unteren Leibung ein
breiter Fries: auf blauem Grund sitzende Pfauen zwischen Stauden; daraus aus^?
gespart drei Medaillons, darin Blumenstaude mit Vogel, blau auf weißem
Grund. Auf der oberen Schulter schmaler blauer Fries. Am Hals hohe Spitz?
blätter. Unter dem Boden Blaumarke: G K.
DELFT, ENDE 17. JAHRHUNDERT. Höhe 58 cm.
Tafel XXXI.
119 TEEBÜCHSE.
Bemalt in den vier Scharffeuerfarben, Blau, Gelb, Grün und Manganviolett.
Dekor: Chinese und Tempel bzw. Vogel auf blühendem Strauch.
DELFT, ANFANG 18. JAHRHUNDERT. Höhe 11 cm.
120 SCHRAUBFLASCHE MIT ZINNDECKEL.
Fayence. Der eiförmige Körper durch sechs senkrechte Rippen gegliedert.
Ringsum bemalt in Blau auf weißer Glasur mit wachsenden und hängenden
chinesierenden Stauden, Vogel und Schmetterlingen. Der Hals in Zinn gefaßt;
der Schraubdeckel mit beweglichem Griff und drei Zinnranken.
OBERITALIEN (LIGURIEN), 17. JAHRHUNDERT. Höhe 30 cm.
121 BIRNKRUG.
Fayence. Bemalt in Blau, Gelb und Manganviolett mit dem gekrönten, öster^»
reichischem Doppeladler. Zinndeckel.
SALZBURG, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 21 cm.
122 SCHENKKRUG.
Fayence, türkisblau glasiert. Zinnmontierung.
SÜDDEUTSCH, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 26 cm.
123 WALZENKRUG.
Fayence. Bemalt in Blau, Gelb, Manganviolett und Grün mit Blumenstrauß und
Streublumen. Manganmarke S. Zinnmontierung.
SCHWABEN (CRAILSHEIM), 2. HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. Höhe 21 cm.
124 BIRNKRUG.
Fayence. Bemalt in Blau, Grün, Ockergelb und Violett mit drei Blumensträußen.
Blaumarke W. Zinnmontierung graviert 1775.
SCHWABEN (SCHREZHEIM), 2. HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT.
Höhe 29 cm.
47
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I' I
125 WALZENKRUG, SOG. „PILASTERKRUG" .
Fayence. Bemalung in Blau, Gelb, Grün und Violett. Drei blaugrundige Vier^:
paßfelder mit stilisierter Blume, getrennt durch pilasterförmige Längsstreifen
mit stilisierten Blumen und Blättern. Zinndeckel.
DEUTSCH (RHEINSBERG?), 2. HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. Höhe 25 cm.
126 WALZENKRUG.
Steinzeug. Grau und blau. Ritzdekor: Kartusche, umgeben von Blumenranken.
Zinndeckel mit Buchstaben und der Zahl 44.
WESTERWALD, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 24,5 cm.
127 GLASFLASCHE.
Flache Form, auf der einen Seite Kartusche mit stehendem Amor unter
Baldachin, umgeben von Rankenwerk, auf der anderen Seite Kartusche mit
Lambrequin mit den Buchstaben M und B unter Krone.
SCHLESIEN, UM 1725. Höhe 28 cm.
128 GLASFLASCHE.
Kugelbauchig mit Enghals. Geschnitten. Dekor: Blumenkörbe mit Lambre?
quins, umgeben von Vögeln auf Blumenzweigen und Bandwerk.
SCHLESIEN, UM 1725. Höhe 25 cm.
129 SECHS LIKÖRGLASER.
Trichterform auf kleinem Standring. Geschnitten. Bandwerk mit Girlanden
und Fruchtbüscheln. Fuß in Silbermontierung.
SCHLESIEN, UM 1725. Höhe 6 cm.
130 WEINKANNE.
Glas. Enghalsform mit vergoldeter Silbermontierung. Mit Olivenschliff. Sterne
rosetten, der herzförmige Deckel aus Bergkristall. Die Montierung mit schmaler
gezackter Ranke aus Akanthusblättern, als Heber ein Bogenschütze in Um?
rahmung von Akanthuslaub. — Mit Sprung.
BÖHMEN, ANFANG 18. JAHRHUNDERT. Höhe 27,5 cm.
131 ENGHALSKRUG.
Glas. Der Hals mit Facetten, die Leibung mit Kugel und OUvenschliff. Silber:^
montierung mit Marke C S.
BÖHMEN, 1. HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. Höhe 20 cm.
132 WEINKANNE.
Glas. Enghalsform, geschliffen, auf beiden Seiten Stern mit eingesetztem rotem
Glasmedaillon mit Vergoldung. Vergoldete Silbermontierung. Mit Marken:
A G D ; die andere Marke undeutlich.
BÖHMEN, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 29,5 cm.
VI.
EUROPÄISCHE PORZELLANE
Nr. 155—146
48
'
133 KOPPCHEN MIT UNTERTASSE.
Bemalt mit Vogel, Blumenstaude und Zaun in Unterglasurblau. Uberdekoriert
in bunten Emailfarben und Gold mit Früchten und Blumen. Breiter Golds:
Spitzenrand. Schwertermarke.
HAUSMALER in der Art von MEYER PRESSNITZ, UM 1750. Auf unter,
glasurblau bemaltem Meißener Porzellan. Höhe 4,5 cm, Durchmesser 13 cm.
134 TEEBUCHSE.
Rechteckig, bemalt in Eisenrot und Gold mit einem Vogel auf Päonienzweig
und anderen Päonienzweigen, nach ostasiatischem Vorbild. Ohne Marke.
MEISSEN, UM 1735. Höhe 11 cm.
135 GEFASS MIT HENKEL.
Auf drei Klauenfüßen. Bemalt in Emailfarben und Gold mit Päonienzweigen im
„Aritastir*. Unterglasurblaue Randborte. Schwertermarke mit Kreuz.
MEISSEN, UM 1735. Höhe 9 cm.
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136 RUNDE PLATTE.
Bemalt in Unterglasurblau, Korallenrot, Gelb und zweierlei Grün und Gold mit
Blütenzweig auf Felsen und Insekten. Randborte Korallenrot mit Gold.
Schwertermarke.
MEISSEN, UM 1735. Durchmesser 34 cm.
137 GROSSE KUMME.
Mit reliefiertem Flechtwerkrand. Bunt bemalt mit Fruchtstücken und einzelnen
Früchten. Schwertermarke.
MEISSEN, UM 1750/55. Durchmesser 26 cm.
138 ZWEI SAUCIEREN.
Doppelt gehenkelt. Die eine mit reliefiertem Flechtwerk, die andere mit ähns
lichem Rand. Beide bemalt mit farbigen Blumenbuketts und Streublumen. Blau»
marke Schwerter bzw. Schwerter mit Punkt. — Ein Henkel gekittet.
MEISSEN, UM 1755/65. Länge 23 cm und 24 cm.
139 VIER TEETASSEN MIT UNTERTASSEN.
Bemalt in Purpur und Gold mit dem chinesischen Hürdenmuster bzw. chinesic»
renden Blumen. Schwertermarken.
MEISSEN, UM 1755/65. Höhe 5 cm und 4 cm, Durchmesser 13— 11,5 cm.
140 ZWANZIG OBSTMESSER.
Die Griffe mit farbiger Blumenmalerei. Zwei davon nicht montiert.
MEISSEN und BERLIN. Länge 19 cm.
51
141 GROSSES SPEISESERVICE.
Bestehend aus 174 Teilen:
24 Suppenteller, Durchmesser 23 cm,
58 flache Teller, Durchmesser 24 cm,
20 Dessertteller, Durchmesser 24 cm,
11 ovale Platten, Länge 35, 37,5, 42 und 47 cm,
11 runde Platten, Durchmesser 26, 30, 34 und 38 cm,
2 runde Dessertplatten, Durchmesser 30 cm,
3 runde Kompottschüsseln, Durchmesser 23 cm,
4 dreieckige Schüsseln, Länge 28 cm. Breite 24 cm,
4 ovale Deckelschüsseln, Länge 26,5 und 21 cm,
2 Suppenschüsseln, Durchmesser 24 cm,
1 Punschbowle, Durchmesser 26,5 cm,
2 Eistöpfe, Höhe 24 cm.
2 runde Dessertkörbchen, Durchmesser 24 cm,
2 ovale Dessertkörbchen, Länge 25 cm.
1 Sauciere, Länge 23 cm,
1 Löffel dazu, Länge 20 cm,
4 Salzfässer, Länge 8 cm,
2 Senftöpfchen, Höhe 12 cm,
2 Pfeffer? und Salzschalen, Höhe 13 cm,
18 Messerbänkchen, aus Rocaillen gebildet.
Bemalt mit Blumenbuketts in Grau, Rosa und Grün. Die Henkel und Griffe der
Gefäße gebildet aus Astwerk mit Stechpalmen. Der Rand der Geschirre neu?
glatt, der Dessertteller, ^Platten und ^Körbchen „königsglatt**. Alle Teile mit
Zeptermarke.
BERLIN, UM 1775. Die Senftöpfchen und die Pfeffer? und Salzschalen
19. Jahrhundert.
Tafel XXXII.
144 TABAKDOSE.
Hochrechteckig mit Reliefdekor: Rocaillen und Spaliermuster. Bekrönung
Blume. Blaumarke Zepter.
BERLIN, UM 1765/70. Höhe 18,5 cm.
145 DREI TEETASSEN MIT UNTERTASSEN.
Gerippt. Bemalt mit chinesischem Hürdenmuster in Purpur und Gold.
Zeptermarke.
BERLIN, UM 1770. Höhe 5 cm, Durchmesser 13,5 cm.
146 HOHE BAUCHIGE VASE.
Mit Ochsenblutglasur. Marke Zepter.
BERLIN, 19. JAHRHUNDERT. Höhe 75 cm.
142 ELF TELLER.
Mit bunter Blumenmalerei.
BERLIN, ENDE 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 23 cm.
143 TEESERVICE.
Bestehend aus Kanne, Teebüchse und sechs Tassen mit Untertassen. Bunt be?
malt mit Blumensträußen und Streublumen. Randornament in hellem Purpur.
Kanne und Büchse mit plastischer Blüte als Knauf. Zeptermarke.
BERLIN, UM 1765/70. Kanne Höhe 12 cm, Teebüchse Höhe 13 cm, Tasse
Höhe 4,5 cm, Untertasse Durchmesser 13 cm.
Tafel XXXII.
52
53
'
VII.
OSTASIATISCHE PORZELLANE
Nr. 147-180
1
147 KLEINER STEILWANDIGER NAPF.
Weißlicher Scherben, glasiert in Grün, Braun und Weiß. Innen mit weißen
Flecken auf bandförmig geflossener grüner und brauner Glasur. Außen ähnlich
glasiert auf Relief dekor: Kleinere und größere, konzentrisch angeordnete
Blüten. — Repariert.
CHINA, T'ANG.DYNASTIE, 10.— 12. JAHRHUNDERT.
Durchmesser 10 cm, Höhe 3,6 cm.
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i
148 BAUCHIGE DECKELVASE.
Bemalt in Unterglasurblau und den Farben der „famille verte". Der Grund mit
korallenrotem Spiralornament, durch blaue Horizontalstreifen in vier Zonen ge»
teilt. Darüber Pferde, Blüten und Wolkenbänder in Blau, Rot und Grün. —
Etwas ausgebessert.
CHINA, 1. HÄLFTE 17. JAHRHUNDERT. Höhe 39 cm,
Tafel XXXIII.
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l
149 ZWEI VASEN.
Die eine bauchig, die andere in Flötenform. Korallenroter Fond mit aus«
gespartem Rankenomament, dazu stilisierte Päonien in den Farben der „famille
verte". — Die bauchige Vase ohne Deckel, mit kleinem Loch.
CHINA, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 24 cm und 24,5 cm,
Tafel XXXIII.
150 EIN PAAR FLASCHENKÜRBISVASEN.
Blaumalerei: Blütenzweige, Behangmuster und Gitterwerk.
ausgebessert.
CHINA, 17. JAHRHUNDERT. Höhe 15 cm.
Tafel XXXIV.
Die eine Vase
151 FLAKON FÜR ROSENWASSER.
Gelber Fond, ausgespart kleine Felder mit Blaumalerei: Palmettenformen und
Lanzettblätter. — Repariert.
CHINA, 17. JAHRHUNDERT. Für den Export nach Persien. Höhe 19 cm.
Tafel XXXIV.
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i
152 VASE.
Möglicherweise Unterteil einer Wasserpfeife. Mit Blaumalerei: Blumen, von
dichtem Rankenwerk umgeben, stilisierte Blätter am Hals.
CHINA, 17. JAHRHUNDERT. Für den Export nach Persien. Höhe 20 cm.
Tafel XXXIV.
51
153 ENGHALSKRUG.
Blaumalerei. Auf der Leibung Chinesen im Garten, auf dem Hals stilisierte,
aufwärtsstehende Blumen. — Scharte am Rand ausgebessert.
CHINA, 2. HÄLFTE 17. JAHRHUNDERT. Vorbild für die Delfter und
Hanauer Krüge. Höhe 24 cm.
Tafel XXXIV.
154 BAUCHIGE VASE.
Blaumalerei. Vier schildförmige Motive mit gemalten und ausgesparten Blüten
und herabhängenden Bändern, dazwischen lange gebogene Zweige.
CHINA, UM 1700. Höhe 37 cm.
155 EIN PAAR INGWERTÖPFE.
Bemalt in Unterglasurblau, Rot und Gold mit Paradiesvogel, Fabeltier und
Goldfasan zwischen Päonienzweigen. — Die Deckel fehlen.
CHINA, UM 1700. Höhe 22 cm.
Tafel XXXIII.
156 BAUCHIGE VASE.
Blaumalerei. Drei unregelmäßige Felder mit Vögeln auf Blütenstauden bzw.
mit Chrysanthemenzweig, getrennt durch breite blaue Flächen mit „ge»
sprungenem Eis"; darin ausgespart Blumenranken. — Deckel fehlt.
CHINA, UM 1700. Höhe 26 cm.
Tafel XXXIV.
157 VASE.
Blaumalerei. In acht oben spitz zulaufenden Feldern alternierend stehende
Damen und Tischchen mit Geräten. Die Vase oben abgeschliffen, mit europäi«
schem Schraubverschluß aus Zinn.
CHINA, UM 1700. Höhe 24 cm.
Tafel XXXIV.
158 TELLER.
Puderblauer Rand, in der Mitte sternförmige Reserve, bemalt mit Blütenstaude
in Blau und verbranntem Rot. Unterseite mit „cafe au lait"«Glasur. Blaumarke.
CHINA, UM 1700. Durchmesser 21 cm.
Tafel XXXIII.
159 BAUCHIGE VASE.
Vielleicht Unterteil einer Wasserpfeife. Mit Blaumalerei: Chinesin mit zwei
Dienerinnen mit Fächern; HeiHge auf Wolken; dazwischen Wolkenbänder. Mit
ursprünglich nicht zugehörigem kleinen Deckel.
CHINA, UM 1700. Höhe 20 cm.
Tafel XXXIV.
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160 BAUCHIGE VASE.
Blaumalerei. Vier Rundfelder mit Blüten, dazwischen Wolkenbänder, am Hals
Bäume und Insekten. Der Rand mit europäischer Silbermontierung. Blaumarke.
CHINA, UM 1700. Höhe 18 cm.
Tafel XXXIV.
161 EIN PAAR ENGHALSVASEN.
Blaumalerei: Drachen und Wolkenbänder.
CHINA, UM 1700. Höhe 22 cm.
Tafel XXXIV.
Die eine Vase beschädigt.
162 TELLER.
Blaumalerei. Im Spiegel Rehe, am Rand Vögel und andere Tiere.
CHINA, I.HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 19.5 cm
Tafel XXXIII.
163 TELLER.
Blaumalerei. Im Spiegel Blumenkorb, am Rand Behangs und Gittermuster mit
Blüten.
CHINA, I.HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 23 cm.
164 EIN PAAR TELLER.
Blaumalerei. Im Spiegel Chinesin und Knabe im Freien, auf dem Rand
Kirschblütenbaum und zwei Frauen im Garten, in sechs durch Ornamente ge«
trennten Feldern.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 23,5 cm.
165 BAUCHIGE DECKELVASE.
Blaumalerei. Durch Streifen in Felder aufgeteilt, jedes Feld zeigt eine Pflanze
in einem Gefäß. Blaumarke: Blatt.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 23 cm.
166 KOPPCHEN MIT UNTERTASSE.
Blaumalerei. Koppchen mit sechs Bogenfeldern mit Pflanzen, darüber Flecht«
werk und zwei Figurenszenen, Untertasse mit zwei Figuren. — Gekittet.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 4 cm, Durchmesser 11 cm.
167 KLEINE KURBISVASE.
Schokoladebrauner Fond, vier runde Reserven mit stilisierter Blüte in
Blaumalerei.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 13,5 cm.
Tafel XXXIV.
5^9
168 TELLER.
Blaumalerei. Im Spiegel Reiher, am Rand Glücks.symbole.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 20 cm.
169 KLEINE KURBISVASE.
Fond „cafe au lait". Vier Reserven mit Blaumalerei. — Hals angekittet.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 13 cm.
Tafel XXXIV.
170 KLEINE KÜRBISVASE.
Blaumalerei. Blumenzweige.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 11 cm.
171 ENGHALSVASE.
Blaumalerei. Vogel auf Ast, Schwertlilien und Felsen, auf dem Hals Zweige und
Insekten.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 40 cm.
172 RUNDE PLATTE.
Blaumalerei. Spiegel und Rand mit dichten Päonienranken.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 39 cm.
173 RUNDE PLATTE.
Blaumalerei. In der Mitte Rundfeld mit Päonie, umgeben von Blumenborte,
darum angeordnet vier rautenförmige Reserven mit blühenden Pflanzen.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 40 cm.
174 EIN PAAR TELLER.
Blaumalerei. Im Spiegel Fasan, zwei Enten und Kiefer, auf dem Rand Ranken»
borte, der untere Rand mit Blumenzweigen.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 26 cm.
175 ZWEI PLATTEN.
Blaumalerei. Die eine Platte zeigt im Spiegel zwei Rehe unter Kiefer, auf dem
achtteiligen Rand Blumen und Insekten, die andere zwei Enten am Wasser und
Fruchtstücke und Blumen auf dem ebenfalls achtteiligen Rand.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 26 cm und 27 cm.
176 TELLER.
Bemalt in den Emailfarben der „famille verte" mit Blumenstaude mit roten
Blüten. Rand mit Blumenborte.
CHINA, I.HÄLFTE 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 22,5 cm.
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60
177 VIERSEITIGE FLASCHE.
Bemalt in den Emailfarben der „famille rose" mit Päonienzweigen und Vögeln
auf Kirschblütenästen.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Höhe 26 cm.
178 PLATTE UND ZWEI TELLER.
Bemalt in den Emailfarben der „famille rose". Im Spiegel zwei Fasane und
Päonienstauden, am Rand Blütenzweige. Rotgoldene Ornamentborte an der
Kante.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 35 cm und 23 cm.
179 EIN PAAR TELLER.
Bemalt in den Emailfarben der „famille rose". Im Spiegel Päonienzweige, am
Rand Gitterwerk und Blumen.
CHINA, 18. JAHRHUNDERT. Durchmesser 22 cm.
180 FLÖTENVASE.
Bemalt in Unterglasurblau, Rot und Gold mit Tempel zwischen Kirschblüten^
zweigen, unten Büffel, am Fuß und Hals Blumenborte.
JAPAN (Imari), 18. JAHRHUNDERT. Höhe 39 cm.
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\\'t)llener Knüpfteppich.
Kaukasus, um 1700,
Wollener Knüpfteppich.
Kleinasien, 16, Jahrhundert.
Wollener Knüpfteppich.
Kleinasien, um I7cx>.
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1*2^*5*
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Doppelhenkelige Vase. Florenz,
2. Viertel 15. Jahrhundert.
Cirosse Kanne, Majolika.
Florenz, 1523.
Doppelhenkelige V^ase. Florenz,
2. Viertel 15. Jahrhundert.
November-Versteigerung bei Paul Cassirer-Hugo Helbing, Merlin.
AI.TK ZKlCHNinVOKIV UXU K T l/l> K K AUF nvin ]?IAKKT
iM-T r-
(
I'aduaner Meister des
15. Jahrhunderts. Ori
ginal Feder/eichnun>^^
Vorkauf eines west-
deutschen Schloss-
besitzes bei liollstein
»S: I'uppel, Berlin.
Baldung-firien. Alte
Frau, l^riginal Zeich-
nung in Kreide und
grüner Tusche.
Hollstein & I'uppel,
Herlin.
A. van Oyck, Kopf ewies trauernden Engels.
Auktion K.uilbach bei Helbing, Mvinchen
Ersuchen von Firmen, gegen Bezahlung int r edafcf 1 onellen Teil genannt zu werden, sind zwecklos und lindfn keine Beantwortung.
Für unverlangt eingereichte Manuskripte, Photographien und Modeile kann von der Redaktion keine Haltung übernommen werden.
Alle KechtK auf sämtliche Artikel und Bilder sowie den i^esaniten Inhalt vorbeballen. Schriftleitung EugeoSzatmari, Berlin. Verantwortl. Redakteur für den Mudon Hpiegel: K u t b e t z, Berlin. — Fiir
den Kunst-SpicK»'l: AdolphDonatb, Berlin. — Für Bridge: A. H. Z e 1 z, Berlin. — Für Inserate; Bruno Wendland, Fichtent'rund/Nordb. — Vcrlig u. Kupfertiefdruck von Rudolf Mossein Berlin.
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^^/^-yA^l^ /C^yt^ /^/-^-m^t/m:^^ Korrektur 3. I. 19 10.
:Xi.JAHROANO, Nr.ft' BERLIN JANUAR 1910
AMTLICHE BERICHTE AUS DEN^-^
KÖNIGL. KUNSTSAMMLUNGEN
ERSCHEINEN MONATLICH • PREIS DES JAHRGANGS 5 MARK, DER EIN- ^f^^Vj
ZELNEN NUMMER 50 PF. ♦ O. GROTESCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG ^^^"^-'^^
Abb. 42
EIN SIPPENRELIEF AUS DER WERK-
STATT DES MEISTERS DES ULMER
HOCHALTARS
Unter den jüngsten Erwerbungen der Museen
auf dem Gebiete deutscher Plastik findet sich ein
Relief der heiligen Sippe (Abb. 42). Auf einem
Throne mit hoher Rückenlehne sitzen, einander
zugewandt, links Maria, das nackte Kind auf
dem Schöße, das in der Linken einen Apfel hält
und die rechte Hand segnend erhebt, rechts die
1909/10
hl. Anna, im Begriff, das Kind zu sich herüberzu-
nehmen. Hinter dem Throne stehen links Joseph,
rechts die drei Männer der Anna. Das Relief
ist durch vorzügliche Erhaltung der alten Fassung
ausgezeichnet und gewinnt ein besonderes Inter-
esse durch seine kunstgeschichtlichen Beziehungen.
Es lassen sich nämlich zwei nahe verwandte Dar-
stellungen des gleichen Themas nachweisen, ein
Sippenrelief im Bayerischen Nationalmuseum zu
München (Katalog VI, 1896, Nr. 1247 Taf. XXIV)
und die rechte Hälfte eines ebensolchen in der
elEi .4525
^^
91
AMTLICHE BERICHTE AUS DEN
92
Lorenzkapelle zu Rottweil. Der eingehende Ver-
gleich ergibt eine Reihe von Zügen, die in je zwei
der vorhandenen Exemplare übereinstimmen, wäh-
rend sie in dem dritten fehlen. In dem Berliner
und Münchener Exemplar entsprechen sich der
Perlrand der Thronlehne, der Knopf des Kissens,
die Armstellung des spitzbärtigen Mannes und die
Körperhaltung der hl. Anna. (Der Vergleich muß
sich auf die in Rottweil allein erhaltene rechte
Hälfte beschränken.) Dagegen fehlt dem Mün-
chener Relief die rechte Hand des dicken Mannes,
die dem Berliner und Rottweiler gemeinsam ist.
Das Faltenmotiv im Mantel der Anna oberhalb
des Kissens, die Blätterstellung im Kapitell des
Thronpfostens geht ebenfalls in diesen beiden
zusammen. In dem Münchener und Rottweiler
Exemplar endlich stimmt der Faltenwurf des Man-
tels der Anna in einigen Hauptmotiven und der
Typus des spitzbärtigen Mannes überein. Diese
in ihrer Gesamtheit unmöglich zufälligen Über-
einstimmungen zwischen je zwei der vorhandenen
Exemplare lassen keine andere Deutung zu als
die eines allen drei Reliefs gemeinsamen Vor-
bildes, von dem sich jede der erhaltenen Be-
arbeitungen in verschiedener Weise und in ver-
schiedenem Grad entfernt Ob dieses voraus-
zusetzende Urbild allerdings ebenfalls ein pla-
stisches Werk gewesen, bleibt zweifelhaft und
wird sogar in hohem Grade unwahrscheinlich,
wenn man sich die Entstehungsmöglichkeit der
drei Reliefs veranschaulicht. Daß das Original
lange genug in der Werkstatt gestanden habe,
um es mehrfach zu kopieren, daß das Bedürfnis
hierzu bestanden habe, solange das Original in
der Werkstatt verblieben, ist ganz unwahrschein-
lich, ebenso wie die Annahme, daß zufällig drei
so gleichartige Reliefs nebeneinander in Arbeit
waren. An ein Modell als gemeinsame Grund-
lage zu denken verbietet sich darum, weil für die
Benutzung solcher in den deutschen Bildschnitzer-
werkstätten kein Anhalt gegeben ist. Dagegen
sind mehrfach Zeichnungen von plastischen Ar-
beiten erhalten, die als Entwürfe angesehen wer-
den dürfen. Das ursprüngliche Vorhandensein
einer solchen Zeichnung, die in der Werkstatt ver-
blieb und für neue Bestellungen wieder Verwen-
dung fand, erklärt am besten die Entstehung der so
nahe verwandten Arbeiten ebenso wie deren ge-
genseitige Übereinstimmungen und Abweichun-
gen. Zuerst ausgeführt scheint das Münchener
Relief zu sein, das somit der ursprünglichen Ab-
sicht des Meisters am nächsten käme. Es ist
von sorgfältiger Arbeit, und die komplizierte Fal-
tenanlage des Mantels der Anna ist hier am ein-
gehendsten durchgebildet. In dem Rottweiler
Relief ist dieser Faltenwurf gleichsam abkürzend
wiedergegeben. An Qualität wird dieses kaum
hinter dem Münchener zurückstehen, aber es ist
weniger streng, melodiöser in der Linie, gefälliger
in der Schwingung und dürfte das jüngste sein.
Das Berliner Exemplar steht an Feinheit zurück,
die Proportionen der Figuren sind zu kurz, die
Hände etwas derb. In der Gesamthaltung ent-
fernt es sich weniger von dem Münchener und
hat mehr den Charakter einer Wiederholung
als das Rottweiler, das eine freie Bearbeitung
des Themas von der Hand eines gefühlvollen
Schnitzers genannt zu werden verdient. Als Ent-
stehungsort der Gruppe ist Ulm anzunehmen.
Sie entstammt offenbar der Werkstatt desselben
Meisters, von dessen Hand das Berliner Museum
bereits einen vorzüglichen Altar, ebenfalls mit
der Darstellung der heiligen Sippe, besitzt. Dieser
geht mit dem jetzigen Hochaltar des Ulmer
Münsters nahe zusammen, und es lassen sich
eine ganze Reihe anderer Schnitzwerke anschlie-
ßen, von denen Marie Schuette in ihrem Buche
»Der schwäbische Schnitzaltar« (Straßburg 1907,
S. 121) eine vorläufige Zusammenstellung gegeben
hat. Unsere Reliefs sind bisher in diesem Zu-
sammenhang nicht erwähnt, doch steht die enge
Beziehung außer Frage. olaser
ÄGYPTISCHE ABTEILUNO
»DENKSKARABÄEN«
Nicht ganz so bekannt wie manche andere
Dinge, deren Begriffe sich dem Laien bei der
Nennung des Namens Ägypten ohne weiteres
einstellen, aber doch wohl eine der bekanntesten
Arten ägyptischer Altertümer, sind die Skarabäen,
Käfer aus Stein oder Fayence, auch wohl aus
Metall oder Glas, meist hübsch blau oder grün
glasiert und unter dem Bauche mit einer Platte,
die Schriftzeichen, Darstellungen oder Ornamente
trägt (Abb. 43).
Zu Tausenden sind sie schon in allen Sammlun-
gen und immer noch werden sie auf Schritt und
Tritt dem Reisenden angeboten, leider immer
mehr vermischt mit Fälschungen, die entweder
ganz modern sind oder zwar echte Stücke, deren
Glasur aber in sehr geschickter Weise neu auf-
gefrischt ist.
Die Steinschneidearbeit an diesen Käfern steht
gewöhnlich nicht sehr hoch, was nicht ausschließt,
daß wir auch ganz vortrefflich gearbeitete Stücke
haben. Die Darstellungen zeigen meist bloße
Silhouetten, aber die Anordnung der Zeichen ist
oft sehr gut und auch in der Verbindung von
Naturtreue und Stilisierung in der Käfergestalt
zeigen die Ägypter ihre viel bewährte Meister-
schaft.
Die meisten Skarabäen sind wohl einfach Siegel
gewesen, viele haben, wie wir sicher wissen, als
Amulette oder auch Schmuckstücke gedient. Alle
sind der Länge nach durchbohrt und wurden dreh-
bar in einem Fingerring (s. Jahrgang XXX Nr. 11
Abb. 165) oder an einer Schnur getragen. Das
Q3
KÖNIOL. KUNSTSAMMLUNGEN
Q4
Abb. 43
Abb. 46
Abb. 44
Abb. 45
Abb. 47
Abb. 48
Abb. 49
Abb. 50
Abb. 51
Abb. 52
Fehlen der Bohrung sondert zwei Gruppen aus,
die wir hier beiseite lassen wollen, die großen
steinernen Käfer, die man der Mumie auf die
Stelle des Herzens legte, beschrieben mit einem
Spruch, der das Herz beschwört, beim Toten-
gericht nicht gegen seinen Herrn sich zu erheben
(Abbildungen und Übersetzung der Inschrift im
Handbuch: Die ägyptische Religion 2 S. 161), und
zweitens die kleineren Skarabäen, die man in den
Binden der Mumie verteilte. Diese sind meist
unbeschrieben, oft ist auch die Unterseite der
eines Käfers getreulich nachgebildet.
Wie die Ägypter darauf gekommen sind,
Schmuckstücken und Siegeln die Form von Käfern
zu geben, läßt sich schwer sagen. Wir wissen,
daß eine Form des Sonnengottes diesen in der
Gestalt eines Käfers zeigte und gewiß haben die
Skarabäen damit etwas zu tun, denn sie zeigen
genau denselben Käfer, den Ateuchus sacer,
eine Mistkäferart, die mit ihrem geheimnisvollen
Schaffen an der Mistkugel, in der sie ihre Eier
verbirgt, die Phantasie der Ägypter angeregt hat.
Die Sitte wird aber, wie meistens, mehrere Wur-
zeln haben. In letzter Zeit haben die Funde aus
der vorgeschichtlichen Zeit und aus dem Beginn
der wirklichen ägyptischen Geschichte wiederholt
Kettenglieder und Schmuckstücke in Form, wenn
auch nicht des Ateuchus, so doch eines Käfers
gebracht. Man mag vielleicht, wenn man etwas
rationalistisch deuten will, annehmen, daß die
Ägypter der Urzeit wirklich einmal die glänzenden
Käfer als Schmuck getragen haben, oder lieber,
daß Steinstückchen durch ihre Naturform die An-
regung zu weiterer Ausgestaltung gegeben haben.
Jedenfalls wird es so sein, daß aus der Gewohn-
heit, Steine in Käferform zu tragen unter Hinzu-
treten der erwähnten mythologischen Bedeutung,
der steinerne Skarabäus entstanden ist.
Fertig ausgebildet liegt dieser Typus sicher erst
gegen das Ende des alten Reiches, also etwa um
2500 V. Chr. vor, und noch Jahrhunderte hat er
mit der älteren Form des Siegels zu kämpfen, dem
Siegelzylinder. Noch zur Pyramidenzeit herrscht
der Siegelzylinder durchaus, bis ins mittlere Reich
(um 1900 V. Chr.) kommt er häufig vor und selbst
später noch gelegentlich, dann allerdings wohl
durch die Berührungen mit den Euphratländem
zum Leben erweckt. Sie haben ja diese in
Ägypten absterbende Siegelform bis nahe an un-
sere Zeitrechnung beibehalten.
Die Form des Käfers wechselt ebenso wie die
Art der Gravierung der Zeichen in Kleinigkeiten
vielfach, je nach der Mode der Zeiten. Einmal
liebt man es, die Teilung des Brustschildes und
der Flügeldecken anzugeben, ein andermal wieder
nicht, kleine Ornamente werden angebracht, oder
gar der Rückendes Käfers noch mit Inschriften
versehen, ja, wir finden bisweilen den ganzen
Käfer durchbrochen gearbeitet. Auch die Dar-
stellungen und Inschriften auf der Unterseite der
Käfersteine sind von der verschiedensten Art, die
Anzahl der bekannten Typen fast unübersehbar.
^5
AMTLICHE BERICHTE AUS DEN
Q6
auch noch nie einigermaßen vollständig zusam-
mengestellt. Am wichtigsten sind die Königs-
namen, die den Skarabäen für gewisse Perioden
der ägyptischen Geschichte fast dieselbe Wichtig-
keit geben, wie sie anderswo die Münzen haben.
Viele Könige sind uns nur von Skarabäen her
bekannt. Die Namen von Privatleuten mit ihren
Titeln finden sich besonders auf den meist gut
geschnittenen Skarabäen des mittleren Reiches
(um 1900 V. Chr.). Zu jener Zeit und im An-
fange des neuen Reiches (um 1500 v. Chr.) treten
hübsche Kombinationen glückbringender Zeichen
(Abb. 44), vor allem aber reizvolle Ornamente
aus Blumen, Spiralen, Haken und Flechtbändern
auf, durch die diese Skarabäen in der Kunstge-
schichte eine große Rolle spielen wegen der oft
diskutierten Berührungen mit den" Ornamenten
der griechischen Inselwelt (Abb. 45—48). Etwa
um dieselbe Zeit kommen sogar reine Genre-
szenen vor, wie das Bild der reisenden Familie
(Abb. 49). In späterer Zeit nehmen
Götternamen und magische Zeichen
und Worte, ja ganze Gebete, immer
mehr überhand. Es ist für uns oft
recht schwer, wenn nicht unmöglich,
deren Sinn zu erfassen.
Im neuen Reiche, um 1500 v. Chr.,
fangen die Ereignisse des öffent-
lichen Lebens an, sich auf den Ska-
rabäen bemerkbar zu machen. Der
Name des Königs erhält Zusätze
wie: »der die Fremdländer nieder-
wirft« oder »der Herr des starken Armes«.
Dazu kommen Darstellungen, die den König
im Kampfe zu Fuß (Abb. 50) und zu Wagen
(Abb. 51) oder im Gebet vor den Göttern
zeigen, oder wie er vom Fenster seines Palastes
aus seine Getreuen belohnt (Abb. 52). Schon
dabei wird man oft an bestimmte Ereignisse
denken müssen. Sicher ist das, wenn z. B. auf
einem Skarabäus Thutmosis III. genannt wird:
»der Herr der Denkmäler im Tempel des Amon«
oder »dessen Obelisken im Amontempel Dauer
haben«. Diese Worte können doch nur auf die Be-
endigung größerer Bauten oder auf die Errichtung
von Obelisken Bezug haben. Ein Skarabäus, der
den König nennt: »der Kadesch niederwirft«, ist
gewiß nach dem Fall dieser wichtigen nordsyri-
schen Festung gefertigt und ausgegeben worden,
nicht anders wie man Skarabäen mit der Auf-
schrift: »Isis schenke ein gutes Neujahr« (Abb. 53)
sich gewiß zum Jahresfeste gegenseitig geschenkt
hat. Unter Amenophis III. (um 1400 v. Chr.) hat
diese Sitte den größten Umfang angenommen.
Nicht nur in kurzen Worten, sondern in ausführ-
lichem Text, dem von Denksteinen ähnlich, sind
auf großen, oft bis 1 1 cm langen Käfersteinen
Ereignisse verewigt, die die besondere Freude des
Königs erregt haben. Wie später Denkmünzen
Abb. 53
werden sie vom Könige zur Erinnerung an seine
Beamten und Freunde verschenkt worden sein, hat
sich doch einer dieser »Denkskarabäen« sogar
bei den Ausgrabungen in der palästinensischen
Stadt Geser gefunden. Fünf verschiedene Typen
dieser großen Skarabäen Amenophis* III. sind bis
jetzt bekannt. Vier davon sind jetzt, zum Teil
in mehreren Exemplaren, in unserer Sammlung
vorhanden. Um die Fassung der Inschriften zu
veranschaulichen, sei von dem einen (Abb. 54) der
ganze Text übersetzt: »Es lebe der Horus, der
starke Stier, der durch Wahrheit glänzt, der Herr
der beiden Diademe, der die Gesetze befestigt, der
die beiden Länder beruhigt, der Goldhorus, groß
an Armkraft, der die Asiaten schlägt, der König
von Ober- und Unterägypten, der Herr der beiden
Länder Neb-mat-re, der Sohn des Sonnengottes
Amenophis, dem Leben geschenkt sei, und die
große Gemahlin des Königs Teje, sie lebe. Ihr
Vater heißt Juje, ihre Mutter heißt Tuje (nun
erst beginnt der eigentliche Inhalt) :
Sie ist die Gemahlin des starken
Königs, dessen Südgrenze nach Kare
(in Obernubien), dessen Nordgrenze
bis Neherin (Nordostsyrien) reicht.«
Gewiß ist dieser Skarabäus zur Hoch-
zeit des Königspaares ausgegeben.
In seinem 1 I.Jahre hat der König für
diese seine Gemahlin einen großen See
zu Lustfahrten angelegt. Nach dem
Datum und der langen, oben übersetz-'
ten Prunktitulatur des Königs heißt es
in der Inschrift unseres eben jetzt neuerworbenen
Skarabäus (Abb. 58) : Seine Majestät befahl einen
See zu machen für die große Gemahlin des
Königs, Teje, in ihrer Stadt Zerucha. Seine
Länge beträgt 3700 Ellen, seine Breite 700 Ellen.
Seine Majestät feierte das Fest der Schleusen-
öffnung am 16. des 3. Monats, wo Seine Ma-
jestät auf ihm fuhr in seinem Königsschiff »die
Sonne glänzt«.
Kurz vorher war dem Könige eine schöne und
auch politisch wichtige Gabe aus dem fernen
Syrien zugegangen. Der im 10. Jahre ausgegebene
Skarabäus, dessen einziges Original unsere Samm-
lung besitzt (Abb. 56), berichtet nach der langen
Titulatur des Königs und, wohlgemerkt, auch der
Königin Teje, so: »Kostbares (es ist das Wort
gebraucht, das immer die Kostbarkeiten, die aus
fremden Ländern kommen, bezeichnet), das seiner
Majestät gebracht wurde: Kilugipa, die Tochter
des Fürsten von Neherin, Sutarna, und die ersten
ihrer Haremsdamen, 317 Frauen.« Es handelt
sich um eine Heirat, die auch in der keilschrift-
lichen, in Teil Amarna gefundenen Korrespondenz
zwischen dem ägyptischen König und den asia-
tischen Fürsten eine Rolle spielt. Das Land, das
ägyptisch Neherin heißt, nennen die einheimischen
Urkunden Mitanni.
113
KÖNIOL. KUNSTSAMMLUNGEN
114
ZUR FRAGE DER FLORABÜSTE IM KAISER-FRIEDRICHMUSEUM
IV
ERGEBNISSE DER FORTGESETZTEN TECHNISCHEN UNTERSUCHUNGEN
ZWEITES OUTACHTEN DES GEH. REOIE-
RUNOSRATES DR. A. MIETHE, PROFESSORS
AN DER KGL. TECHNISCHEN HOCHSCHULE
BERLIN (PHOTOCHEMISCHES LABORATO-
RIUM)
Die Frage, ob die von Lucas hergestellte Pho-
tographie der Florabüste diese Büste in ihrem
jetzigen Zustand der Bemalung darstellt oder
nicht, bzw. ob die Photographie des Lucas nach
einem unbemalten Gipsabguß der jetzigen Büste
hergestellt ist, zu entscheiden, kann auf folgende
Weise ausgeführt werden.
Um festzustellen, ob die Bemalung der damali-
gen Büste der jetzigen gleich war oder ob über-
haupt eine solche existierte, ist es notwendig, die
Aufnahme unter genau denselben Bedingungen
und mit demselben photochemischen Material
vorzunehmen, wie es von Lucas benutzt worden
ist. Die Betrachtung und Untersuchung der Lucas-
photographie ergibt, daß die Aufnahme auf Jod-
silberkollodium hergestellt wurde und auf einem
Albuminpapier kopiert ist, welches auf richtigem
photographischen Rohpapier präpariert worden
ist. Da der Kollodiumprozeß in England etwa
in den Jahren 1854—55 sich allgemein eingeführt
hat, so könnte man die Aufnahme bis auf diese
Zeit zurückdatieren. Die Präparation von Albu-
minpapier dagegen auf eigens dafür hergestelltem
Rohstoff und mit einer Schicht, wie sie der Lucas-
photographie entspricht, dürfte nicht vor 1859 in
England eingesetzt haben, so daß man also aus
diesem Gesichtspunkt die Lucasphotographie nicht
früher als 1859 datieren kann.
Um die Frage nach der Bemalung der Büste
zur damaligen Zeit zu lösen, wurde von der
jetzigen Florabüste eine Aufnahme mit Jodsilber-
kollodium hergestellt, um daraus Schlüsse über
die Farbenwirkung der jetzt vorhandenen Farben
auf diese Plattenart ziehen zu können. Speziell
sollte festgestellt werden, ob die Haarfarbe der
jetzigen Büste, die Färbung der Blumen im Haar
und die Färbung des die linke Schulter bedecken-
den blauen Gewandes schon damals bestand, was
sich auf der jetzigen Photographie dadurch zeigen
würde, daß die Helligkeitswerte dieser Farben
sich genau so wiedergeben wie auf der alten.
Das Resultat dieser Untersuchung ist im folgen-
den zusammenzufassen:
Die Tonwerte der Haarfarbe, der blauen und
grünen Blumen und Blätter im Haar und des jetzt
blauen Qewandes der Büste stimmen auf der
Lucasschen Aufnahme mit der jetzigen Aufnahme
wesentlich überein, speziell ist mit Sicherheit als
festgestellt zu betrachten, daß die Haare die
jetzige Farbe bereits wesentlich besaßen, wenn
auch ein Teil der Farbe bei der jetzigen Büste
durch Abgreifen lichter geworden sein mag.
Ebenso ist die Identität der Färbung der blauen
Blumen im Haar von damals mit der jetzigen
Färbung als sicher zu betrachten. Das gleiche
gilt von dem blauen Gewand. Zu Lucas' Zeiten
sind also diese Teile der Büste genau so bemalt
gewesen, wie sie jetzt bemalt sind. Ob die jetzt
auf den unbekleideten Teilen der Büste befind-
lichen weißen Farbspuren schon zu Lucas' Zeiten
vorhanden waren, und wann die Büste diesen
Farbüberzug erhalten hat, der jetzt zum größten
Teil entfernt und nur noch in vielfachen Spuren
zurückgeblieben ist: 'diese Fragen kann der Be-
fund der neuen photographischen Aufnahme nicht
entscheiden. Festzustellen ist nur, daß die Farb-
spuren, die sich jetzt auf den unbekleideten Teilen
der Büste befinden, auf der Lucasschen Photo-
graphie nicht wiedergegeben sind; speziell an
der linken Halsseite und in der Nähe des Ohres
sind jetzt erhebliche Farbspuren vorhanden, welche
auf unserer neuen Aufnahme deutlich sichtbar
sind, auf der Lucasschen Aufnahme hingegen zu
fehlen scheinen.
Charlottenburg, den 15. Dezember 1909.
gez. MiETHE
GUTACHTEN SR. EXZELLENZ DES WIRKL.
STAATSRATES PROF. DR. RAEHLMANN
(WEIMAR)
Zur Untersuchung der Farbe der Flora-
büste wurden mir Teilchen der Oberfläche der-
selben — vom Blau des Gewandes, vom Braun
des Haares und von der scheinbar unbemalten
Körperoberfläche — von der Direktion des
Kaiser-Friedrich-Museums zur Verfügung gestellt.
So klein sie sind, so genügen sie doch voll-
kommen, um eine Reihe von Fragen, die sich
an die Farbe knüpfen lassen, zu erledigen, andere
aber der Entscheidung näherzubringen.
Ich untersuche die Teilchen mit dem Mikro-
skop nach einer jüngst in der Museumskunde
(Band V, Heft 4 S. 208 — 222) beschriebenen Me-
thode und prüfe gleichzeitig geeignete, d. h. mi-
kroskopisch genügend charakterisierte Teile auch
mikrochemisch.
115
AMTLICHE BERICHTE AUS DEN
116
A. DAS BLAU DES GEWANDES
a) Untersucht man kleine Bröckel des blauen
Gewandes, indem man ein frisch gebrochenes
Stückchen mit der Bruchfläche nach oben auf
die Kante stellt, so sieht man bei etwa sechzig-
facher Vergrößerung, daß körnige, splitterige,
mit scharfen Ecken und Kanten versehene Stück-
chen blauer Farbe in einem weißgrauen,
speckigen, homogenen, durchscheinen-
den Medium suspendiert sind, derartig,
daß zwischen den Farbstoffteilchen über-
air das erwähnte Medium sichtbar ist.
Zwischen dieser relativ dicken, den blauen Farb-
stoff enthaltenden Lage und dem Wachs ist
stellenweise, d. h. wo die Beschaffenheit der
Bruchfläche es zuläßt, eine grauweiße Unterlage
in Form einer dünneren selbständigen Schicht
vorhanden. An dunkelblau gefärbten Stellen
findet sich außerdem unter dem Blau eine ziem-
lich mächtige braune Zwischenlage, die das Blau
vom Wachse trennt.
ß) Legt man ein Stückchen mit blauer Ober-
fläche in Äther, so trennt sich die Farbschicht im
Zusammenhange, indem das Wachs sich in Äther
löst, vom Wachsgrunde. Man erhält jetzt eine
zusammenhängende, ziemlich dicke Farbschicht,
welche auf der Rückseite eine grauweiße Ober-
fläche von blättriger bis feinkörniger Struktur er-
kennen läßt.
Wird ein Partikelchen dieser vom Wachs ab-
getrennten Farbschicht auf dem Objektträger mit
einem Tropfen destilliertem Wasser über der
Gas- oder Spiritusflamme erhitzt, bis das Wasser
aufkocht, so trennen sich in der Regel von selbst
oder bei leichter Verschiebung der Teile zwei
Schichten voneinander, eine untere weiße, die dem
Wachs aufgelegen hat, und eine obere blaue.
Die erstere, weiße, besteht aus zwei mitein-
ander gemischten Substanzen, einer grobkörnigen
bis großblasigen und einer retikulär feinkör-
nigen (200 fache Vergrößerung). Beide Sub-
stanzen sind farblos und durchscheinend. Die
obere blaue (dickere) Schicht enthält in dem er-
wähnten diaphanen speckigen Medium die blauen
Farbkörper und außerdem vereinzelte klumpige
Gebilde von rein weißer Farbe (Bleiweiß?).
Diese blaue Schicht ist also als zusammenhängende
dicke Schicht sowohl in Äther als auch in kochen-
dem Wasser erhalten geblieben.
y) In der weißen, dem Wachs aufliegenden
Schicht wird die großblasige Substanz auf Jod-
zusatz blau (Stärkereaktion!). Sie besteht also
aus Kleister, die ihr zugemengte zweite Substanz
ist weich und biegsam, nicht schmelzbar und in
Alkohol, Äther, kochendem Wasser sowie in
verdünnter Salzsäure unlöslich. Sie verhält sich
optisch, unter dem Mikroskop, wie die Eiweiß-
körper, wird, wie diese, durch Jod und auch
durch Pikrinsäure gelb gefärbt; wird beim Er-
hitzen braun und entwickelt dabei einen deut-
lichen Geruch nach »verbranntem Hörn«.
Die weiße Substanz besteht also vorwiegend
aus Eiweiß. Bei 60 — SOfacher Vergrößerung
sieht man in derselben feinste Fäserchen von
Flachs, die offenbar zugemischt sind, um die
Schicht besser mit dem Wachs zu befestigen.
S) An einzelnen dunkelblauen Farbstückchen
findet sich bei sonst gleichem Verhalten unter dem
Blau eine verhältnismäßig dicke braune Schicht.
Sie besteht aus einem Gewirre von braunroten,
verästelten, wergartig verflochtenen Fasern, von
denen weiter unten die Rede sein wird.
Diese Schichtung — Blau auf Braun-
rot — ist in ihrer Technik sehr ähnlich
dem Schichtenbau altitalienischer Tem-
perabilder! Sie findet sich auch auf
Tafelbildern in der altdeutschen und
altniederländischen Kunst bis ins XVIL
Jahrhundert.
Wird ein solches dunkelblaues, braun unter-
legtes Fragment mit verdünnter Salzsäure auf
dem Objektträger erhitzt, so fallen beim Ver-
dunsten der Salzsäure braunrote bis dunkelbern-
steinfarbige Bröckel aus. In der Umgebung des
Stückchens liegen eine Anzahl bei 120facher
Vergrößerung deutlich erkennbarer spießförmiger
Kristalle — von Bleichlorid ! — Daneben finden
sich in viel reichlicherer Menge kristallinische
kurze Säulen — Gipskristalle! — Die Farbschicht
enthält also neben dem erwähnten Medium Zu-
sätze von Bleiweiß und Gips!
Der blaue Farbstoff verhält sich nach seinem
Aussehen und seinem chemischen Verhalten, so-
weit sich derselbe in den kleinen Stückchen
prüfen läßt, wie Smalte!
Die Art, wie die blauen Partikel in
dem Medium verteilt sind, dasAussehen
dieses Mediums und auch sein optisches
und chemisches Verhalten ist überaus
ähnlich demMedium und den Farben der
blauen Schichten auf den Tafelbildern
des Marco Basaiti, die ich von den ober-
italienischen Meistern um 1500 aus meinem Ver-
gleichsmaterial herausgreife, sowie auch der
blauen Schicht der Gewandteile von Holzfiguren
der vorhergehenden Epochen.
B. DAS BRAUN DES HAARES «
stellt eine verhältnismäßig dicke Schicht vor, die
bei auffallendem Licht tief braun aussieht, bei
durchfallendem Licht aber hellrötlichbraune bis
goldgelbe Farbe'^besitzt.
a) Bei 60— SOfacher Vergrößerung zeigt diese
Farbenschicht eine Zusammensetzung aus baum-
artig verästelten Fasern, die ein Netzwerk von
stellenweise sehr regelmäßigem Gefüge formieren.
Bei 200facher Vergrößerung sieht man an ge-
eigneten dünnen Stellen im durchfallenden Lichte
117
KÖNIOL. KUNSTSAMMLUNGEN
118
die typische Struktur des Pilzmyzels, feine zarte
Fasern, die durch ihre Verflechtung ein zierliches
Netzwerk herstellen, und in diesem sieht man
deutlich die charakteristischen Algenzellen.
ß) Durch diese Eigentümlichkeiten charakteri-
siert sich die Substanz als ein organisches Ge-
bilde, welches in die Gattung der Flechten gehört.
Tatsächlich handelt es sich um die im
Mittelalter in der Malerei, besonders
der Tempera viel verwendete Flechten-
art der Orseille (Roccella).
Diese Flechte (Roccella tinct.) wuchs besonders
in Italien, an den Mittelmeerküsten sowie auf den
Kanarischen Inseln.
Sie wurde in Wasser abgekocht als teig-
artige Masse oder, zu Pulver zerstoßen,
in der Malerei viel verwendet, diente
später aber fast ausschließlich nur zu
Zwecken der Zeugfärberei*).
y) In und zwischen den Maschen des Gitter-
werkes, welches durch die Verästelung der
Flechtenfäden gebildet wird, liegen eine Menge
größerer und kleinerer unförmiger Brocken und
Schollen von tief braunroter Farbe, außerdem
aber Körner und Schollen eines schön roten
glänzenden, ganz durchsichtigen Farbstoffes, der
wahrscheinlich Krapp ist. — Derselbe findet sich
stellenweise in ganz groben Stücken dem Braun
beigemischt.
Das Ganze ist in einem zarten homogenen,
durchscheinenden Medium eingebettet. Bei 200-
facher Vergrößerung hat letzteres eine feinkörnig
granuläre Beschaffenheit.
S) Wird die braune Schicht, mit Äther vom
Wachs getrennt, in Wasser auf einem Objekt-
träger gekocht, so fallen eine Menge kristallinischer
kleiner Teilchen und Kristalle aus — Salze.
e) Wird das Stückchen mit Salzsäure erhitzt,
so entstehen beim Verdunsten der Säure eine
Menge Gipskristalie und vereinzelte Kristalle von
Bleichlorid. Es ist also vorwiegend Gips und
auch Bleiweiß der braunen Farbe zugesetzt bzw.
unter derselben verwendet worden.
Auch der braune Farbstoff der Orseilleflechte
hat sich in Salzsäure teilweise gelöst und ist in
Form von braunen bis rötlichgelben Bröckeln
ausgefallen.
Das zurückbleibende Stück ist aber immer noch
im Zusammenhange geblieben. Es sieht jetzt im
auffallenden Licht dunkel graubraun aus, zeigt
aber bei durchfallendem Lichte noch immer eine
schön rotgelbe Farbe.
^) Ich habe mich vergeblich in den hiesigen Farbenhand-
lungen und Apotheken bemüht, um Orseille zu erhalten, habe
aber dann durch Vermittelung des Herrn Dr. phil. Hoffmann
eine Probe von der Firma Oehe in Dresden erhalten. Wir
haben uns von der Identität des Farnstoffes im Haar der
Flora mit der Orseilleflechte überzeugen können.
C. DIE WEISZE FARBE DER FREIEN KÖRPEROBER-
FLÄCHE DER BÜSTE
a) Schon bei 40facher Vergrößerung zeigt sich
auf der Oberfläche der kleinen Stückchen eine
hellweiße, glänzende, glatte Decke, welche in
ziemlicher Dicke dem Wachs aufliegt; stellenweise
ist diese Deckschicht leicht rosa gefärbt. An eini-
gen Stellen sieht man teilweise vom Weiß ge-
deckt, teilweise frei vorragend, große Klumpen
einer homogenen, durchsichtigen, glänzenden, ro-
ten Farbe sowie eine Menge gleich gefärbter klei-
ner Farbteile in der weißen Decklage. Die Farbe
ist wahrscheinlich Krapp. Krapp, schon bei Plinius
(rubia) als Farbstoff erwähnt, wurde in der alten
Kunst, in Substanz grob verrieben (Schollen, Bröckel,
Körner), dem Medium zugesetzt, während die
spätere Kunst denKrapp *fast substanz-
losverrieben« und daher im Medium viel
feiner und regelmäßiger verteilt, bzw. im
Medium gelöst, verwendet.
ß) Wird ein Fragment mit Äther behandelt,
so löst sich die weiße Schicht stückweise vom
Wachsgrund ab.
Wird das Stückchen in heißem Wasser gekocht,
so entsteht rings um dasselbe ein dicker Wall
von weißen punktförmigen Teilchen, Salzen. Die
Oberfläche des Stückchens ist weißrosa geblieben,
aber weniger glänzend geworden.
y) Wird Salzsäure zugesetzt, so entsteht keine
wahrnehmbare Kohlensäureentwickelung. Die
weiße Schicht zerfällt. Es entstehen zahlreiche
Gipskristalie und wenige Bleichloridkristalle. Bei
Zusatz von Jod entstehen spärliche goldgelbe Kri-
stalle von Jodblei.
Es ist also Bleiweiß in der weißen Schicht.
Vorwiegend besteht dieselbe aber aus Gips.
Von dem Stückchen weißer Decksubstanz sind
außer den kristallinisch ausgefallenen Teilen
amorphe feinkörnige Massen zurückgeblieben —
die Bindesubstanz für die ermittelten Teile.
D. ALLGEMEINES ÜBER DIE BEMALUNG DER BÖSTE
Die Teilchen, welche mir zur Untersuchung
dienten, stammen von den verschiedensten
Teilen der Büste.
Es stand also zu erwarten, daß ihre Unter-
suchung ein vollständiges Bild der künstlerischen
Behandlung der Farben liefern würde. Das ist
aber nur zum Teil der Fall gewesen, denn es
zeigte sich, daß auf einzelnen Stückchen nur noch
Spuren von Farben oder halb erhaltene Schichten
derselben vorhanden waren.
a) Stellenweise ist die Farbe offenbar künstlich
entfernt; man sieht Spuren der Abreibung bzw.
des Abkratzens der Farben. Besonders an den
vom >Körper< stammenden Fragmenten läßt sich
erkennen, daß der Körper mit einem rosa
Kolorit überzogen war, welches aber stellen-
119
AMTLICHE BERICHTE AUS DEN KÖNIOL. KUNSTSAMMLUNGEN
120
l
weise fehlt, so daß die Wachsoberfläche freiliegt.
An einem Fragment fand ich auf der Oberfläche
des Wachses nur ein winziges Flächenteilchen
des unter C. a beschriebenen Farbenüberzuges.
Dieses, schön rosa gefärbt, saß wie eine Insel
mit deutlich sichtbaren Bruchkanten auf der
Wachsoberfläche.
An mehreren kleinen Teilchen ist die weiße
rosarot gefärbte Schicht aber in ganzer Ausdeh-
nung des Stückes erhalten.
Es läßt sich also aus dem mikroskopi-
schen Befunde der Schluß ziehen, daß
die vom Gewand freien Teile der Büste,
Hals, Nacken, Gesicht, ursprünglich mit
einem zarten rosa Fleischton bemalt ge-
wesen, daß aber die Farbe von größeren
Flächenteilen entfernt worden ist.
Das Blau des Gewandes ist ebenfalls stellen-
weise von der Oberfläche der Büste durch Kratzen
und Waschen entfernt worden.
ß) Die Art der Malerei ist an den kleinen
Stückchen noch deutlich zu erkennen.
Je nach dem beabsichtigten Effekt ist das Blau
hellgrauweiß oder dunkelbraunrot unterlegt. Die
grauweiße, ziemlich dicke Schicht dieser Unter-
legung besteht vorwiegend aus Eiweiß.
An einem größeren, etwa 1 cm Quadrat messen-
des Stückchen sind regelmäßige Eindrücke in der
Wachsoberfläche vorhanden, muldenförmige Ver-
tiefungen, die durch ebenso viele vorspringende
Leisten bzw. Vorragungen getrennt sind. Sie sind
an den Enden durch eine querlaufende Leiste
begrenzt. Das Ganze bildet ein Linien-
muster, welches offenbar die Verzierung, viel-
leicht die Borte des Gewandes, vorstellen sollte.
Auf diesemMuster ist die Malerei eine
besonders sorgfältige und in der Tech-
nik eigentümliche.
Die vorspringenden Leisten zwischen den
Furchen sind hellblau, die zwischenliegenden
Furchen sind dunkelblau gehalten. Das Hell-
blau derLeisten ist, wie erwähnt, gelb-
grau bis weiß unterlegt, das dunkle
Blau in den Furchen hat die unter A. a
erwähnte braune Unterlage.
Das Hellblau auf der Höhe der Leisten zeigt
einen stellenweise noch gut erhaltenen Überzug
(Lasur) mit einem durchsichtigen gelbgrauen
Farbstoff.
Die Details dieser Malerei sind ziem-
lich sorgfältig gearbeitet und zeigen
eine Technik, welche der altitalienischen
Temperatechnik des XV. und XVL Jahr-
hunderts und auch der gleichzeitigen
altdeutschen und altniederländischen
Kunst als Malmethode eigen ist.
y) Einzelne Stellen auf den von mir unter-
suchten Proben weichen aber im Farbenauftrage
völlig von dem geschilderten Typus ab. Es finden
sich nämlich auf mehreren Bruchstücken Stellen,
wo die geschilderten Schichten fehlen, wo das
Wachs direkt freiliegt, aber auf seiner Oberfläche
eine Menge blauer Farbenteilchen zeigt, die auf
der obersten Wachsschicht festhaften, offenbar
aufgestreut und dann mit einer dünnen Wachs-
schicht überzogen sind. Hier ist offenbar die
Malerei ausgebessert worden. Wie ausgedehnt
diese Restauration bzw. Übermalung der Büsten-
oberfläche gewesen ist, läßt sich den kleinen
Teilchen, die ich untersuchen konnte, nicht ent-
nehmen. Nur die Tatsache, daß eine Übermalung
stattgefunden hat, ist an den Befunden im Blau
des Gewandes sichergestellt. Es läßt sich aber
nicht entscheiden, ob die Hand, welche diese
Ausbesserung vornahm, dieselbe ist, welche von
der Oberfläche am Körper der Büste die Gips-
bekleidung mit der roten Farbe abgewaschen
bzw. entfernt hat.
S) Was die Technik des Auftrages der Farben
angeht, so ist es von vornherein klar, daß die
Farbe des Haares, der Orseilleteig, nicht mit dem
Pinsel aufgetragen sein kann. Dieses Material ist
vielmehr entweder direkt mit der Hand und den
Fingern oder einem spachtelartigen Instrument
aufgetragen und mehr »modelliert als gemalt«
worden.
Auch die von Gewand freie Körperoberflächc
ist wohl in ähnlicher Weise mit der dünnen Gip«-
Schicht, welcher die rote Farbe zugemischt war,
überzogen worden. Eine kompliziertere Technik
ist dagegen bei der Malerei der Gewandung zur
Anwendung gelangt, indem hier zwei, stellen-
weise drei Schichten verschiedener Farblagen
übereinander angebracht sind, um in ihrer Ge-
samtheit bestimmte Wirkungen der Farbentiefe
und Sättigung hervorzubringen.
Die in der beschriebenen Malerei m-
tage tretende Technik läßt erkennen,
daß der Autor der Büste ein ebenso
technisch geschulter Maler als guter
Bildhauer gewesen sein muß.
Wie die auf der Büste zur Anwendung
gelangte Maltechnik, die Schichtung der
Farbenlagen, das für die Renaissance-
kunst charakteristische durchscheinende
Medium usw., so sind auch einzelne der
verwendeten Materialien in den letzten
anderthalb Jahrhunderten in der Mal-
kunst meines Wissens nicht mehr ver-
wandt worden.
So legt die Malerei auf der Büste, auch
unter der dicken Schmutzkruste, welche
sie bedeckt, noch heute Zeugnis ab für
die Kunst des alten Meisters, der sie ge-
schaffen hat.
Weimar, den 23. Dezember 1909.
gez.« Raehlmann
Gedruckt in der Reichsdruckerei.
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Großdruckerei Lothar Woeller • Frankfurt am Main
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Vver auf das unendliche Gewirr der Geschichte zurüdc-
blickt, auf den dunklen, von Lichtreflexen glitzernden
Strom der Entwicklung aus Ideen, Interessen, Handlungen
und Ereignissen, und es nicht wissenschaftlich tut, sondern
als Dichter, dem kommt das Wort „Narrenweisheit" als
zutreffendes Symbol in den Sinn.
Der deutsc'ne Meister des mehr als bloß erzählenden
historischen Romans, Lion I-euchtwanger, der Autor des
„Jud Süss", der „Häßlichen Herzogin", der „Josephus" -Tri-
logie, des „Goya", hat das Wort für sein jüngstes Werk
„Tod und Verklärung des Jean -Jacques Rousseau" gewählt.
Lion Feuchtwanger hängt der Vernunft in der Geschichte
an; er glaubt an ihren endlichen Triumph. Aber er sieht,
was war und was ist. Und so stellt er es — ein neues Groß-
gemälde mit allem Licht und allen Schatten — - um jenen
Philosophen und Schriftsteller dar, der wie kaum ein
zweiter, ohne daß er es eigentlich wollte, durch seine
immer mehrdeutigen Theorien den Lauf der gesellschaft-
lichen Entwicklung bis heute mitbestimmt hat. Rousseau
war weise und ein romantischer Narr; was aus seinen
Lehren entstand, damals schon, als er noch lebte, und erst
recht nach seinem Tod, gibt dieser Roman. Die Entschei-
dung, ob es vollends in tragischer Narrheit ausgehen oder
doch noch zu Einsicht und Weisheit führen mag, ist noch
immer nicht ausgetragen.
Wenn Feuchtwanger „philosophiert", so tut er es nur „im
Grunde", aus dem seine Gestalten sich lebendig erheben;
alsoauf dichterische Weise. Auch dieser sein Romandrückt
so das Wesen einer Zeit aus — dramatisch bewegt, mit allen
Spannungen abenteuerlichen Lebens und Sterbens. Bis
Rousseaus Leichnam ins französische Pantheon überführt
wird, geschieht höchst Merkwürdiges. (Ist er eigentlich, im
Einvernehmen mit dem ihm nahestehenden Weibervolk,
ermordet worden ?) Gröfkes und Kleinstes, Erhabenes und
Schäbigstes, Ideale und Interessen schlingen sich ineinan-
der und schaffen das Gewebe einer Epoche, in der wir
Heutigen noch wurzeln.
Feuchtwanger ist nicht davor zurückgeschreckt, sich dies-
mal in seiner Sprache der romantischen Denk- und Aus-
drucksweise jener Zeit zu bedienen. Ein eigenartiger
Schmelz „Achtzehntes Jahrhundert" liegt über dem Werk.
Da es aber die Schwelle des neunzehnten Jahrhunderts ist,
an die es uns führt, wird unser Mit Vollzug möglich gemacht;
es ist — wieder einmal — eine erstaunliche schriftstelle-
rische Leistung.
Wir sind heute sehr geneigt, nach allen Erfahrungen, die
wir gemacht haben, den Titel dieses Romans zu verstehen :
„Narrenweisheit". Wenn wir das Buch gelesen haben, sind
wir vollends davon überzeugt, daß er zu Recht besteht —
und uns eine Aufgabe setzt: der Vernunft doch zum Sieg
zu verhelfen.
»
/
LION FEUCHTWANGER
GOYA
oder
DER ARGE WEG DER ERKENNTNIS
Jloman
6i2 Seiten, Qanzleinenband
Cayetana, Herzogin von Alba, grausam und
kindlich gütig, hochfahrend und doch von Sehn-
sucht nach der Ursprünglichkeit des Volkes
verzehrt; ihr Leibarzt Peral, Mann vollendeter
Formen, undurdisiditiger Kosmopolit; Maria
Luisa, die Königin, gierig wie ein Raubvogel, geil,
verstandesscharf; Manuel Godoy, der bedenken-
lose Günstling, den sie aus der Tiefe holt und
zum Infanten und Fürsten des Friedens macht;
starre Granden, gesdimeidige Abbes, gesdiwät-
zige Liberale, pedantisdie Bürger, treue Freunde,
fanatische Dienerinnen, erbarmungslose Intri-
ganten: das istdiedüsterprunkende,die groteske,
die strahlend heitere, die tausendfarbige Welt
Spaniens, die Goya, der größte Maler des Landes
seit Velasquez, in seinen Werken nadigebildet,
die ihn selbst gebildet hat. Sein Dämon hat ihn
zum unerbittlidien Portraitisten des Hofes, seines
Volkes und seines Landes gemadit. Keinen
Augenblick lockert sidi die kaum ertragbare
Spannung, in der Werk um Werk des kraftstrot-
zenden, bauernschlauen, kecken Mannes entsteht.
„Einer, der so tiefen Blickes sieht, der ist gefähr-
lidi ..." So lastet immer über ihm die Drohung
der Inquisition, lähmend und tiefsten Schauder
aufrührend. Nur eine verwegene politische Bur-
leske wird ihn retten. In unausweichliche Tragik
aber mündet dieses Leben, das rückhaltlos dem
Gesetz einer Glück und Zerstörung erfüllenden
Liebe unterworfen ist.
Man legt dieses Budi nicht gleichgültig aus der
Hand. Sein Zauber ist nachhaltig. Seine Figuren
bleiben der Vorstellung des Lesers vertraut, wie
nur höhere Wirklidikeit es vermag: die höhere
Wirklidikeit der Kunst und die der Leidensdiafl.
FRANKFURTER VERLAGSANSTALT
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LION FEUCHTWANGER
NARRENWEIS HE IT
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TOD UND VERKLÄRUNG
DE S J EAN - JACQUES ROUSSEAU
ROMAN
FRANKFURTER VERL A G S AN S TA LT
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NARRENWEISHEIT
ODER
TOD UND VERKLÄRUNG
DES JEAN-JACQUES ROUSSEAU
Copyright 1952 by Pazifische Presse. Los Angeles / Alle Rechte der
deutschen Ausgabe bei der Frankfurter Vcrlagsanstalt GmbH., Frank-
furt am Main/ Schutzumschlag: Gerd Aretz, Werkku nstschule Wupper-
tal / Satz und Druck von Johannes Weisbecker. Frankfurt am Main /
Bindearbeiten; Karl Hanke, Düsseldorf
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Große Menschen sind Meteore, die sich selbst
verzehren, um die Welt zu erleuchten,
Napoleon
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WERKE DESSELBEN VERFASSERS:
Gedichte:
PARCIVAL. DIE FRÜHEN GÄRTEN
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Dramen :
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CATHERINA, GRÄFIN VON ARMAGNAC Schauspiel
ASSÜS, FITNE UND SUMURUD
Trauerspiel
Theater in Prosa:
DER DEUTSCHE GRAF
Komödie
GIULIA DIE AMERIKANERIN
(In Vorbereitung) ,
(
Übertragung:
D'ANNUNZIO, FRANCESCA DA RIMINI Tragödie in Versen
DIE ORESTIE
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DES AISCHYLOS
ORESTEIA
Deutsch
von
Karl VollnioeUer
S. FISCHER, VERLAG, BERLIN
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•» «««M ^
Alle Rechte vorbehalten. Den Bühueu gegenüber Manuskript, Das
Recht der Aufführung ist nur von S, Fischer, Verlag, Berlin W„
Bülowstraße po (Theaterabteilung) zu erwerben.
fo Exemplare sind auf handge schöpf teni Büttenpapier abgezogen,
numeriert und in Ganzpergament gebunden, Preis jo Mark für
das Exemplar, direkt vom Verlag,
• **
Die vorliegende Arbeit ist nicht bestimmt mit
irgend einer der vielen vorhandnen Uebertragungen
des Aischylos in Wettbewerb zu treten. Sie ent-
stand vor Jahren auf Wunsch und Anregung einer
grossen deutschen Bühne. Ihre Endbestimmung
ist Aufführung, ihr Character Compromiss. Wort,
Rhythmus und die wenigen Zusammenziehungen
sind durch Rücksicht auf das Sprechvermögen
lebender Schauspieler und auf das Ohr heutiger
Zuschauer bestimmt. An grundsätzlicher Treue
gegen das griechische Wort wurde das äusserste
angestrebt, an philologischer Arbeit soviel als Ge-
duld und bescheidne Kräfte vermochten. Der zu
Grund gelegte Text ist der KirchhofFsche.
ZUEIGNUNG:
f
->
Auf wirren Gleisen und metallnen Schienen
Rast jetzt die Zeit (blüht noch der ewige Baum?
Reift noch die Saat?) und wie aus schwerem Traum,
Herrscher und Sklaven, stöhnen die Maschinen:
Verstummter Mund, Gefährte der Gefährten,
Bruder vom Purpurmeer und goldnen Strand!
Weckt dich noch nachts der Duft messenischer
Weinst du noch so des Nachts
Gärten?
wie hoch am
Rand
Rings Wüstenei von Schnee und Bogenlampen!
Aus dieser Welt von Hammer, Glas und Stahl
Steig ich noch einmal zu den goldenen Rampen
Der hohen Burg? Ja wird uns noch einmal
Des Gottes Stimme aus geweihten Mauern:
Die jäh uns rührt und wild erbeben macht.
Mehr als Verbannter Leid und bleiches Trauern. .
— Kannst du noch weinen? Kannst du noch er-
schauern?
Der heiligen Schlucht du weintest im Getön
Des fernen Wildbachs und der niedern Blitze.
Ja, galt ein Tag dir wieder gross und schön
Seit jenem Tag, da wir der Götter Sitze
Im Morgen schauten, schimmernd rot und grau.
Mittags am Berg und greisen Quell gerastet
Und spät in Abendtempeln, tot und blau.
Der Erde Nabel gläubig fromm betastet.
Oder ist dies die Nacht? Ist dies die Nacht?
AGAMEMNON
i.« t
f >
Vollmoellcr, Orcstie
AGAMEMNON
PERSONEN
WÄCHTER
CHOR ARGIVISCHER GREISE
KLYTAIMNESTRA
HEROLD
AGAMEMNON
KASSANDRA
AIGISTHOS
Vor dem Palast der Atriden zu Argos. In der Mitte des Hinter-
grunds die königliche Pforte, zu der v^enige flache Stufen führen.
Zu beiden Seiten reichen niedrigere Flügelgebäude bis in den
Vordergrund In dem so begrenzten Vorhof Altäre und Götter-
bilder. — Ende der Nacht. Auf dem flachen Dach des Unken
Flügels die zusammengekauerte Gestalt des Wächters.
ERSTE SCENE ^
WÄCHTER.
Gebt Götter doch ein Ende dieser Mühn,
Die wie ein Hund auf Atreus Dach gelagert
Ich nun in jahrelanger Wacht ertrug,
Die reisigen Sterne lernend und beschauend.
Die uns den Sommer bringen, die den Winter:
Glänzende Herrscher, luftige, strahlende.
Und ihren Aufgang und den Untergang.
So späh auch diese Nacht ich nach dem Schein
Des Feuers aus, das Kunde uns von Troja
Und Siegesbotschaft bringe, nach Geheiss
Und Hoffnung der männischen Königin.
— Hut ich mein nachtumschauert Lager so,
Das nass von Tau, von Träumen nie besucht,
%•
M
— 4 —
(Denn statt des Schlummers steht die Furcht bei mir
Es möchten schläfrig mir die Lider sinken)
Und singe oder trällere mir ein Lied,
Den Schlaf mit Gegenzauber zu belisten,
So kommt mir Weinen nur und schweres Seufzen
Um dieses Haus, das einst sehr wohl bestellt.
Er richtet sich etwas auf und späht aufmerksamer nach den
fernen Bergen.
Kam doch zur Zeit jetzt aus den Dunkel brechend
Mühsale endigend die frohe Flamme ! —
Triumph ! Jo ! Jo !
Willkommen o Nachtleuchte! Jungen Tag
Erweckst du uns und Reigentänze viele
In Argos um des unerhörten Glücks.
Er eilt in die Bühne hinab und quer über den Hof zur Türe des
^ Frauensaals im rechten Seitenflügel.
Dem Weibe Agamemnons ruf ichs zu,
Dass sie vom Lager springend Freudenschreie
Entgegenjauchze diesem Fackelstrahl
(Da die Stadt Ilion gefallen ist
Wie der leuchtende Bote uns verkündet).
Selbst will zuvörderst ich im Reigen tanzen:
Denn menier Herrschaft Schicksal wandte ich
Mit diesem Glückswurf einer Feuerwache.
Werd' es mir, Gott, des heimgekehrten Herrn
5
Geliebte Hand in dieser Hand zu drücken
Mehr sag ich nicht. Der Mund ist mir versiegelt.
Ja hätten Mauern Stimme, sagten die's
Am deutlichsten. Es mag mich leicht verstehen
Wer darum weiss. Den andern bin ich stumm.
Er verschwindet in der Tür, Es wird langsam Tag. Chor
argivischer Greise von rechts.
ZWEITE SCENE
CHOR. SPÄTER KLYTAIMNESTRA.
CHORFÜHRER.
Vor zehen Jahren erhoben den Heereszug
Um Helena die beiden gewaltigen '
Herren des Zwillingsthrons und Szepters
Racheschnaubend, mit tausend Schiffen,
ERSTER GREIS.
Des Atreus Söhne. So wie ein Geierpaar,
Dem man die Brut aus felsigem Nest geraubt,
Schreiend am Himmel kreist mit schweren
Grimmigen, tönenden Flügelschlägen:
ZWEITER GREIS.
Und einer wohl der oberen Götter hört,
ApoUon oder der berghütende Pan,
Zeus selber hört den Schrei und schickt dem
Frevler hinab die späte Erinys.
■" «..^4«
■V.-;-;j.i:
7 —
DER ERSTE.
So sandte Zeus die rächenden Könige
Das Gastrecht sühnend gegen den Räuber aus,
Brechende Knie und Lanzensplittern
Mord und Ringen und Kampf erregend
DER ZWEITE.
Dem Danaervolke und auch dem Troischen Heer.
Wir aber schleppen hier unser zermürbtes Fleisch
Ruhmlos am Stecken, zittrigem Laube gleich
Und um Nichts tüchtiger als Kinder :
Im Tag umwandelnd ein Traumbild.
Während des vorigen sind Klytaimnestras Dienerinnen mit
Krügen und Opferkörben in feierlichem Aufzug aus dem Frauen-
gemach getreten, haben die Spenden bereitet , die Altäre ge-
schmückt und die Feuer entzündet. Bei den letzten Worten des
Chors erscheint die Königin selbst auf der Sch^welle des Frauen-
gemachs und wendet sich den Altären zu.
ff
CHORFÜHRER.
Doch sag uns, Königin, Tochter des Tyndaros,
Was, Klytaimnestra, ist dir zum Heil geschehn,
Welch neue Botschaft heisst dich gläubig
Rings die festlichen Opfer bereiten.
ERSTER GREIS.
Für alle Götter ja, himmlische, untere,
Die Stadtbeschirmer und für die Hüter der Flur
Seh ich entzündete Altäre
Zucken die Flammen durch Wohlgerüche
ZWEITER GREIS.
Genährt und gesänftigt mit dem heiligen Oel.
— Nun steh uns Rede, wo es dir billig scheint.
Verscheuch und nimm uns quälender Zweifel Last,
Die schon im Leuchten deiner Opfer
Zu hellerer Hoffnung sich lichten.
Klytaimnestra antwortet mit einer abwehrenden Geberde und
fährt schweigend in der Opferhandlung fort.
r,' • ■ ■ • .
' CHOR. '
Zeus! Zeus! - -i - .
Wer er auch immer sei ' • - . . >
Welcher Ruf ihm genehm
m
Betend nenn ich ihn so. ^ ^ .
Wie ich ihn suche
Wie ich ihn fasse -^ ' '
Er nur sich selber vergleichbar.
Wo sind die Mächtigen hin
Kampfeswütig und stolz?
Kaum dass man weiss dass sie waren.
Und der ihnen gefolgt,
Fand seinen Sieger er nicht? .....
Zeus besinge im Liede
Sieh und unendliche Weisheit ist dein.
., \. .
%
— 8 —
Der den Sterblichen Pfade wies
Alles Gedankens, der das Leiden
Hat zur Lehre gesetzt.
Oft vor die schlummernde Seele
Treten die Schatten Erinnrung und Qual:
Mancher lernt, der nicht zu lernen dachte.
Preist der Himmlischen Vorsicht denn,
Die das heilige Steuer halten.
So der ältere König dort,
Der achaischen Schiffe Führer,
Schmähte den Seher nicht.
Beugte sich dem stürzenden Schicksal,
Da die darbende Flotte
Fahrtlos hungernd gen Challds lag,
Tatlos die Völker
An den strudelreichen Oertern von Aulis.
Wehten die Winde vom Strymon her
Hemmende, dörrende, hafenstürmende.
Siechten die Männer
Barsten die Schiffe
Rissen die Taue ^ . . •
Schmolz die Blüte
Des Heers im harren dahin. . .
Doch als des bitteren Sturmes
— 9 —
k
Bittrere Linderung
Kalchas den Fürsten genannt,
Artemis Groll und Gebot,
Siehe da stiessen sie schmerzlich die Szepter zur Erde
Atreus Söhne und hielten die Tränen nicht.
Sprach der ältere Herrscher so :
Schwer ists gegen das Schicksal zu stehen.
Schwerer noch,
Ein leibeigenes Kind zu schlachten,
Zier des häuslichen Herds.
Vaterhände am Altar besudeln
Mit jungfräulichm Blut,
— Wo ist grösseres Uebel —
Oder die Schiffe verraten?
Oder die Bünde brechen?
Windstillende Opfer, Tochtermord
Heischen sie laut. Doch wehrt es
Themis selber. Und nun helfe mir Gott.
Doch wie er einmal dem Joch der Not sich gebogen,
Treibt er sein Herz in frevelnden Umschlag,
Unheilvoll, unrein
Sinnt er die schändliche Tat.
Denn zum Frevel treibt ja der übelratende
Irrwahn den Menschen
:)
11
lO
Hat er erst einmal gefehlt.
Opfern die Tochter will er mit eigener Hand
Rachefahrt um ein Weib zu befördern,
Schiffen zur Lösung.
Ihrer Bitten nicht, kindlichen Klagen nicht
Nicht des jungfräulichen Alters
Achteten die Kriegrischen da.
Heisst der Vater nach dem Gebet die Diener
Wie ein Opfertier sie vornübergebogen
Auf den Altar heben, ge wänder umweht.
Heisst den Mund ihr, den schöngebildeten,
Aengstlich verschliessen, V
Fürchtend, es möchte ihr letztes Wort noch dem eignen
Hause ein Fluch sein.
Lag sie gezügelt lautlos und stumm,
Fielen die safranfarbnen Gewände,
Sendet sie jedem der Opfrer noch
Mitleidflehender Blicke Geschosse,
Schön sie, wie Maler die Schönheit gebildet,
Stumm wie ein Bild :
Sie die dereinst doch im heimischen Männersaal
Oftmals sang an den prächtigen Tischen,
Rein des Vaters dreimalgeweihtes erhabnes
Schicksal berühmend.
^
— 1 1 —
Was geschah, sah ich nicht, sag ich nicht an.
Fruchtlos nicht blieben des Priesters Werke.
Dike jedoch wägt Leidenden zu
Tiefres Erkennen. Und künftges Geschehn
Wird sich entschleiern, ob froh wir's,
Ob wir's mit Seufzen erwarten :
Kommen wird es, erfüllt mit dem steigenden Strahl.
Heilende Lösung seis, wie auch dein Flehn gewiss,
Fürstin, die du alleiniger Hort jetzt bist
Apias Erde.
CHORFÜHRER.
Ehrfürchtig nah ich, Klytaimnestra, deiner
Fürstlichen Macht, da Huldigung gebührt
Dem Weib des Herrschers, dessen Thron verwaist ist.
Sag an, ob du schon sichern Glücks gewiss
Ob nur in froher Hoffnung Opfer zündest.
Und schweigst du, sei dein Schweigen selbst geehrt.
KLYTAIMNESTRA.
Mit froher Botschaft, sagt ein alter Spruch,
Steigt aus dem Schoss der Nacht die Morgenröte.
So schickt euch an das grosse Glück zu hören
Grösser als alles Hoffen : Ilion fiel.
CHORFÜHRER.
Dein Wort, zu unerhört, erfasst ich nicht
!'
12
KLYTAIMNESTRA.
Ilion ist unser. Sprach ich deudicher?
ERSTER GREIS.
Freude durchschauert mich. Sieh meine Tränen.
KLYTAIMNESTRA.
Für deine Treue zeugt dein feuchter Blick,
ZWEITER GREIS.
Doch hast du sichres Zeugnis solcher Dinge ?
KLYTAIMNESTRA.
Gewiss. Es sei, die Gottheit trüge selbst.
DRITTER GREIS.
Vielleicht ehrst gläubig du ein Traumgesicht?
KLYTAIMNESTRA.
Nie traut ich meinen Sinnen, wenn ich schlief.
VIERTER GREIS. ■
Erregte dich ein schweifendes Gerücht?
KLYTAIMNESTRA.
Gibst du mir die Vernunft von einem Kinde?
FÜNFTER GREIS.
Doch wann geschah der Stadt Erstürmung dann?
KLYTAIMNESTRA.
In der Nacht, die den heutigen Tag gebar.
I
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V
— ^3 —
SECHSTER GREIS.
Und wer tat dir so rasche Botenreise?
KLYTAIMNESTRA.
Hephaistos selbst. Vom Ida brach der Glanz
Von Wart zu Warte neue Glut erweckend:
Auf Lemnos flammt das Hermesvorgebirge.
Von ihm empfängt die ungeheure Fackel
Des Zeus Berg Athos. Weithin übers Meer,
Dass Lust am fremden zitternden Geleuchte
Die Fische nach des Meeres Rücken treibt,
Strahlt seine Fichte, golden, eine Sonne
Den Botenstrahl dem Berg Makiston zu.
Dort schläft der Späher nicht und ohne Zaudern
Schickt über des Eurlpos Strömung er
Den Wächtern auf Messaplon das Zeichen.
Die haben längst zur Antwort dürre Heide
Türmend geschichtet und schon loht der Stoss.
Die rüstige Flamme läuft um nichts verdunkelt
Wie Mondschein über die äsopische
Ebne den Zacken des Kithäron zu,
Aufs neue neue Flammenpost entfachend.
Die Hüter weigern nicht ihr das Geleit
Entsenden mächtiger sie, als sie gekommen.
Nun stürzt sie über den Gorgopis-See
II
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I!
Zum Aigiplankton, herrisch weitre Zehrung
Zur Reise heischend, ohne Aufenthalt.
Der Wächter lässt anschürend die gewaltge
Prasselnde Säule aus dem Holzstoss schiessen,
Ueber die Wasser des Saronischen Meers.
Von da entstürmt von da zuletzt gekommen
Zum Arachnaion, unsrer nächsten Warte,
Erreichte sie das Dach der Königsburg,
Echte Urtochter jener Idaflamme.
— Solches die Ordnung meines Fackellaufs,
Von Flamm auf Flamme folgend schön erfüllt.
Und Siegerin die erste wie die letzte.
Dies sei zum Pfand und Zeichen euch der Botschaft,
Die unser Herr aus Troja mir gesandt.
CHORFÜHRER.
Den Göttern sei hernach der Dank gebracht.
Doch deine Kunde fremd und wunderbar
Wünscht wieder ich und noch einmal zu hören.
KLYTAIMNESTRA.
Achaier hausen heut in Ilion.
Wild Schreien, dünkt mich, gellt jetzt durch die Stadt.
Wie Oel und Essig, ewig feindlich sich.
In ein Gefäss gerührt doch nie sich mischen,
So tönt wohl dort der Sieger und Besiegten
— 15 —
Vermengt Geschrei, im Schicksal tief getrennt:
Die einen über Leichen hingestreckt
Erschlagener Verwandten, greiser Väter,
Kinder die, ach, aus nicht mehr freiem Mund
Verstört der toten Lieben Los bejammern.
Die andern, nüchtern nach durchkämpfter Nacht,
Treibt Hunger durch die Stadt, nach Mahlen lüstern.
Wie sie der Zufall bietet. Ohne Wahl
Liegen sie jetzt in der Besiegten Häusern,
Erlöst von Frost und Kot und Tau des langen
Feldlagers, ohne ausgestellte Wachen
Und ohne Furcht des Feinds und sorgenlos.
— Wofern sie nur die stadtbeschirmenden
Gottheiten ehren des erkämpften Landes
Hoff ich, erliegt der Sieger nicht dem Sieg.
Hüte das Heer vor der Begierde sich.
Das heilige aus Gewinnsucht zu betasten.
Denn Not ist ihm der Götter Schutz zum zweiten
Umlauf der Doppelbahn: zur Wiederkehr.
Mh versteckter Bedeutung.
Und kehren heim sie ohne Göttergroll,
Wie leicht geschiehts, dass Blut Erschlagener
Erwacht und dräut — wenn sonst kein Unheil kam.
Mit verändertem Ausdruck.
I ,
— i6 —
Es spricht zu euch ein Weib mit Weiberworten.
Bedenkts nicht weiter. Sei das Ende gut.
Sie wendet sich wieder der Opferhandlung zu und tritt während
der folgenden Verse des Chors in den Palast zurück.
CHOR.
Allwaltender Zeus und o freundliche Nacht,
Uns Erwerberin herrlichsten Ruhmes,
Die um Ilions Türme das Fangnetz warf,
Dass Keiner den haschenden Maschen
Kein Mann und kein Knabe entschlüpft,
In der grossen Knechtschaft Garn
Und gemeinem Schicksal gefangen.
Dich verehren wir, Zeus, gewaltiger Hort
Des Gastrechts du, der solches vollführt.
Der seit lang schon den Bogen gespannt hielt
Aufs Haupt des Verführers, der Atreus Haus
Und gastlichen Tisch
Durch des Weibs Entführung geschändet.
Was Hess sie den Bürgern: Schilde hämmern,
Speere schärfen, Schiffe bemannen,
Was brachte sie Ihon als Morgengabe :
Tod. Und so durchschritt sie die Tore
Leichten Fusses mit der entsetzlichen Last.
— 17 —
Klagten die Seher des Hauses da:
Wehe dir Haus, Haus! Wehe den Fürsten!
Wehe dir Bett und der Buhlschaft Spuren,
Schweigen zornlos, Schweigen voll Schmach!
Weichster aller verlassenen Männer.
Sehnsuchtverzehrt nach der Fernen herrscht er
Bald nur ein Schatten noch bleich im Palast,
Schön gemeisselter Bilder
Anmut vermeidend.
Da sein Lager verlassen steht,
Floh Aphrodite.
Zur Kümmernis zeigen Traumbilder sich dann
Und Schemen ihm zu trügender Freude.
Ja eitel wähnt er das Glück zu schaun:
Es zerrinnt ihm unter den Händen das Bild
Und nie besucht es zum zweitenmale
Auf Flügeln die Pfade des Traums.
So ist im Haus und am Herde das eine Leid,
Da ist ein andres viel schwerer als dies :
Allen die ausgezogen von Hellas
Starrt aus dem Haus der Zurückgebliebenen
Duldende Trauer nach.
Vieles nagt an der Verlassenen Herzen
Wohl weiss jeder was er dahingegeben,
Vollmocller, Orestie %
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— i8 —
Doch was zurückkehrt
Jeglichem Hause, das ist nur des Kriegers
Rüstung und Asche.
Grimmer Wechsler der Wahlstatt Ares,
Der im Speerkampf die Wage hält !
Von dem Troischen Blachfeld
Wägt er den Lieben der Heimat zu
Schwere tränenbefeuchtete Asche:
Der Helden Staub
In schöngeordnete Krüge füllend. ,_ .
Da rühmen sie wehklagend des einen
Kampfesmut, des anderen männlichen Tod
Um das fremde Weib. Und verstecktes Murren,
Neidvoller Verdruss .
Umschleicht die herrischen Atreussöhne.
— Sie aber die Jugendschönen
Wohnen in ihren Gräbern dort
• . •' ' •
Unter Ilions Mauern,
Fremd in besiegter Erde, die ihre Sieger bedeckt.
m
— 19 —
DRITTE SCENE
CHOR. WÄCHTER. SPÄTER DER HEROLD.
DER WÄCHTER.
Wie zu Anfang auf dem Dach erscheinend.
Bald wird nun offenbar, ob die beredten
Leuchten der Nacht und Fackelwechselscheia
Die Wahrheit brachten oder ob ihr Licht
Falsch wie ein Traumbild unsern Sinn berückte.
Dort seh ich einen Herold vom Gestade nahn
Oelzweigbekränzt. Der aufgewühlte Staub,
Des Kotes dürrer Bruder, ist mir Bürge,
Dass der mit Menschenstimme zu uns redet
Und nicht mit Bergesbrand und Feuerrauch,
Entweder mehr uns noch zur Freude treibend
Oder — doch dieses Oder sei uns fern.
Der Herold Talthybios kommt atemlos und staubbedeckt von
links. Er eilt ohne den Chor zu beachten auf die Altäre des
Hauses zUy sinkt in die Kniee und küsst den Boden.
HEROLD.
O Heimat, Argos, meiner Väter Land!
So kehr ich heim im Strahl des zehnten Jahrs,
Da manche Hoffnung brach, der einen froh:
Der ich schon lang verzagt, in deiner Erde
Dereinst bestattet und gestillt zu sein.
Sei Erde mir gegrüsst, gegrüsst du Sonne,
(
20
1
Du Zeus, des Landes Herr und Pythier du,
Dess Bogen uns hinfort nicht mehr bedräue,
Da Feindschaft uns genug vor Ilion ward.
Sei wieder Heiler uns und Retter jetzt,
Herrscher Apollon! Auch die andern alle
Die Marktbeschirmer ruf ich an und dich
Hermes, den Boten, aller Boten Hort,
Und euch Heroen, die geleitenden:
Empfanget gnädig, die der Speer verschont!
Heil euch, der Könige Wohnungen, traute Dächer,
Ihr heiligen Sitze und besonnten Steine
Der Götter, wollt wenn je euch freundlich zeigen
Bei eures Königs später Wiederkehr.
Ja wie ein Licht erscheint er euch zur Nacht,
Euch und dem Volk von Argos: Agamemnon.
Empfangt ihn wohl, wie ihm Empfang gebührt,
Der Ilion umgrub mit des Rächers Zeus
Gewaltigem Karst, dass brach die Ebene liegt
Und jeder Keim vertilgt und jeder Same.
Der Troja unter solches Joch gebeugt,
Naht euch, ehrwürdig, glückgesegnet, mächtig
Und aller Menschen würdigster zu nennen
In dieser Zeit. Denn Paris nicht noch Troja
Kann grössrer Tat als Strafe sich berühmen:
Schuldig erkannt des Raubs und der Entführung
,)
2 1
Verloren alles mit der Beute sie
Und ward der königliche Stamm vernichtet.
Zwiefach gebüsst der Priamideii Schuld.
CHOR.
Heil dir und Freude ! Herold der Hellenen.
HEROLD.
Ja Freude! Wills ein Gott jetzt, sterb ich gern.
CHOR.
Hat dich der Heimat Sehnsucht so gequält?
HEROLD.
Ihr seht es jetzt an meinen Freudentränen.
CHOR.
So litt das Heer am gleichen süssen Weh?
HEROLD.
Wie meint Ihr das ? Sagt es mir deutlicher.
CHOR.
Liebend Verlangen nach den Liebenden.
HEROLD.
Habt Ihr uns denn, wie wir das Land ersehnt?
CHOR.
So dass wir oft im dumpfen Herzen seufzten.
HEROLD.
Woher befiel zu Haus euch solche Not?
22
'fi
I
II
CHOR.
Lang lernten Schweigen wir als letztes Mittel.
HEROLD.
Wart Ihr bedrückt, derweil der König fern war?
CHOR.
Wie du gesagt: Wir stürben gern und willig.
HEROLD.
Ja Preis dem Ausgang! Freilich fügt' im Lauf
Der überlangen Zeit sich manches günstig,
Andres ungünstiger. Wer, als die Götter
Allein, erfreut sich ungetrübten Glücks.
Von Ruderdienst und Wachen könnt ich reden,
Sparsamer Landung, kargem Schlaf — ja welche
Stunde von welchem Tag blieb unbeseufzt.
Doch auf dem Festland ward uns ärgres noch.
Das Lager hatten wir hart an den Mauern
Des Feinds, vom Himmel nieder und herauf
Aus feuchtem Grund vom Tau verfolgt, die Kleider
Zerfault, zerfetzt, das Haar voll Ungeziefer.
Soll ich vom Winter sagen, mit erfrornen
Vögeln und Sturm und Schnee vom Ida her?
Von Sommerschwüle, wenn das starre Meer
Mittäglich, wellenlos, in Schlaf gesunken?
Wozu noch klagen, wo doch alle Not
Vorüber ist. Vorüber auch den Toten,
')')
5?
1?
— 23 —
Die des Erwachens Sorge ledig sind
(Und wahrlich Grund sich des zu freuen haben). •
Doch wozu denk ich der Erschlagenen,
Was soll mir, der ich lebe, alter Jammer?
Wahrlich mich dünkt, es ist zum Jubel Grund.
Uns, die wir wiederkehrten mit dem Heere,
Wiegt schwer die Heimkehr und das Leid wiegt leicht,
Die rühmend wir zur Sonne sprechen dürfen,
Weit hergezogen über Meer und Land :
Aus Trojas Beute weiht das Heer von Argos
Den Göttern diese Stücke, in den Tempeln
Von Hellas aufgehängt als Kriegstrophäen.
Wer solches hört, wird unsre Stadt verehren
Und die Heerführer und des Gottes Huld, : .,'\ ;
Der dies vollflihrt. Und hier bin ich am Ende.
Klytainwestra ist während der letzten Worte auf der Scirwelle
des Palasts erschienen. Der Herold sieht und begrüsst sie,
Sie tritt auf die oberste Stufe der Treppe.
VIERTE SCENE •
KLYTAIMNESTRA. HEROLD. CHOR.
• • KLYTAIMNESTRA.
Gejauchzt vor Freude hab ich lange schon
Beim Strahl des ersten nächtigen Gesandten
Von der Stadt Troja Fall und Untergang.
Da sprach wohl mancher spottend : Um ein Feuer
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Glaubt sie, dass Ilion gefallen sei,
Nach Weiberart mit Hoffnungen sich blähend.
So schien ich vielen eine Schwärmerin,
Dennoch gebot ich Opfer. Und auf meinen,
Des Weibes Ruf stieg ringsum durch die Stadt
Heiliges Jauchzen an der Götter Sitzen
Und Brand und Weihrauch frommer Opferer.
— Nun brauchst du weitres mir nicht kundzutun.
Bald kann von meinem Herrn ich alles hören.
Jetzt sorg ich nur, ihm würdigen Empfang
Und Willkomm zu bereiten, denn was gab es
Süsser für eine Frau als jenen Tag,
Wo sie dem Mann, den Götter aus der Schlacht
Ihr heimgeführt, des Hauses Türe öffnet.
Sag dieses meinem Herrn: Er möge eilen
Zur Stadt, die ihn ersehnt. Sag, es erwarte
Ein frommes Weib ihn, wie er es verlassen,
Ein Wachthund, allen feindlich, ihm nur treu.
Und sonst in allem gleich. Sag ihm, ihr Siegel
Sei ihm nach langen Jahren unversehrt.
Sie tritt in den Palast zurück. Der Herold ab.
CHOR.
Wer hat so bedeutungschweren Namen
Helene dir verhängt.
Wenn der nicht, der uns verborgen
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— 25 —
Das Geschehende vorsieht
Und die Zunge der Menschen lenkt.
Helena, die uns heerumstritten
Tausend Helden zur Hei gesandt
Und Fürsten und Städte und Schiffe,
Seit von dem bräutlichen
Purpurlager sie floh,
Mit Riesenschwingen des Westwinds fahrend.
Und hinter ihr her auf schwanker Fährte
Der Schwärm schildtragender Jäger gejagt.
Den Kiel nach dem Strand des blätterbeschatteten
Simois treibend
Zu unendlichem Bluten und Ringen.
So kam sie hin zur Feste von Ilion
Wie Meeresstille lächelnd und spiegelklar,
Ein köstlich geschmücktes Bild des Reichtums,
Den Augen ein tödlich Geschoss,
Eine siegende Herrin der Liebe.
Doch war der Brautfahrt bitteres Ende
Ihr auszurichten verhängt,
Da zu Zwiespalt und Hader
Der rächende Gastgott
Sie selber geleitet in Priamos Haus
Hochzeitlich bekränzte Erinys.
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_ 26 —
Von grauer Vorzeit ward überliefert uns
Uralter Spruch: Das zum Himmel getürmte
Glück eines Menschen zeugt selbst sich Erben und Sohn:
Doch die Kinder des Glücks
Heissen Jammer und Elend mit Namen.
Anders denk ich: Die Tat des Bösen .
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1 ■ /
Zeugt neue Sprossen
Vom selben Stamm.
Doch des Gerechten Haus . ■ -
Ist ewig segenbeschattet.
Dike strahlt auch in rauchgeschwärzten
Hütten der Not, die Gerechten segnend,
Doch von den goldenen Stühlen hebt sie sich weg,
Wo die Hand befleckt ist und dreht die Blicke
Zum frommen Herde, verachtend den Schein
Unlauteren Reichtums, welchen die Menge preist,
Und ein jedes zum Ziele geleitend.
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Von Zinks der Wagen des Königs. Darauf Agamemnon mit
Kassandra. Er macht am äussersten Ende der Bühne halt.
FÜNFTE SCENE
AGAMEMNON. KASSANDRA. CHOR. ■
SPÄTER KLYTAIMNESTRA.
CHORFÜHRER.
Heil König und Herr und troischer Sieger,
*
Atreus Geschlecht!
Wie begrüss ich dich wohl, wie ehr ich dich recht,
Nicht mit tönendemV^ort und bescheidner auch nicht,
Als Stunde und Augenblick fordert.
I ERSTER GREIS.
Als den grossen Heerzug du rüstetest
Um des Weibes willen (ich hehl es dir nicht)
Erschienst auf gefährlichen Bahnen du mir
Und unbesonnener Steurer am Tag,
Da die Männer zu stärken du Opfer getan.
Zum Tod sie der Heimat entführend.
• ' • ZWEITER GREIS.
Nun hast dus vollbracht und wir freun uns des Endes
Weiter nicht richtend, freudig doch ernst. ^
Später erkenne dein forschendes Auge, . ;
Wer Treue gehalten, wer Treue brach,
Deine Stadt und dein Volk dir bewahrend.
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— 28 —
AGAMEMNON.
Erst ziemt mir Argos und die heimischen
Gottheiten fromm zu grüssen, die uns Helfer
Zur Heimkehr waren und uns Recht verschafft
An Priamos. Vor ihnen sprach kein Redner
Den Handel durch: sie legten Schlacht auf Schlacht
Als Stimmstein uns in Trojas blutige Urne
Einmütig richtend. Kranke Hoffnung nur
Sass an der Gegner Stimmgefass, das leer blieb.
— Rauch kündet weither, wo einst Troja stand.
Fluchwinde wehn. Kaltende Aschen blasen
Des alten Reichtums fetten Qualm empor.
— Den Göttern ewige Huldigung zu weihen,
Ist uns Gebühr, da so den Uebermut
Des Raubs vergalt und um ein einzig Weib
Die ganze Stadt zertrat das Tier von Argos,
Des Rosses Frucht, die schildbewehrte Schar,
Zum Sturm geduckt bei der Plejaden Sinken:
Die dann den Wall ersprang, ein wilder Leu
Am warmen Blut der Fürsten satt sich leckend.
Den Göttern dies als Erstlingsgruss. — Was sonst
Die Stadt und Tempel angeht, wollen bald wir
Im offnen Rat erwägen, was gesund
Zu weitrer Dauer und Bestand befestend.
Doch wo es Arzt und Arzenei bedarf,
— 29 —
Werden mit Brand und Schnitt wohlwollend wir
Des Uebels Wucherung zu hemmen streben.
— Eingehend nun zum Haus und heiligen Herd
Heb ich die Hand den Göttern, die zur Ausfahrt
Mich leiteten und jetzt zurückgeführt.
Nike, Geleiterin! Sei mir ferner treu.
Wie er sich anschickt vom Wagen zu steigen ^ tritt Klytaiinnestra
aus dem Palast. Sie steht einen Augenblick stumm und unhe-
iveglich. Dann spricht sie zum Chor gevcandt.
KLYTAIMNESTRA.
Bürger von Argos ihr und Aelteste!
Wenn ich vor euch nicht schamhaft bin, von Liebe
Und Zärtlichkeit zu reden, so bedenkt
Die Zeit bricht Scheu und Rücksicht. Sagen will ich,
«
Was Trübsal ich am eignen Leib erfahren.
Derweil mein Herr vor Ilion verzog.
Traurig ists ja für eine treue Frau,
Einsam und ohne Mann im Haus zu bleiben
Und fort und fort verfolgt von Unglücksboten:
Kommt einer, ist auch schon ein andrer da.
Mit schlimm und schlimmremRuf das Haus erfüllend.
Und hätt so viele Wunden mein Gemahl,
Als man mir Kunde zugebracht, empfangen.
War er durchlöchert wie ein Fischernetz.
War er so oft gefallen, als Gerüchte
— 5°
\t
Ihn totgesagt, so könnte er, ein neuer
*
Geryon, dreier Gräber sich berühmen,
In jedem Leibe einzeln umgebracht.
Um solcher Schreckgerüchte Jaaben oft sie
Den Hals mir aus der Schlinge lösen müssen
Die ich, den Tod ersehnend, mh: geknüpft.
Drum steht dein Sohn nicht hier, wie sichs wohl ziemte,
Deiner und meiner Liebe Unterpfand,
Orestes. Du verwundre dich dess nicht.
Ihn hält bei sich im Haus dein treuer Blutsfreund,
Strophios, der Phoker, der mir doppelte
Gefahr entgegenhielt: Die deine erstlich
Vor Ilion, und dann, es möchte Volkswut
Den Rat der Alten überwältigen
(Wie ja der Mensch gern auf Gefallne tritt).
Gemäss der Wahrheit nenn ich diese Gründe.
— Mir aber sind der Tränen strömende
Quellen versiegt und blieb kein Tropfen mehr.
Es schmerzten mich die spätgeschlossnen Augen
Vom Weinen und den ewig unfruchtbaren
Nachtwachen um dein Feuer. Aus dem Schlaf
Störte mich schon das Summen einer Mücke,
Die ich im Traum mehr deiner Leiden sah
Als meines Schlummers Zeit umfassen konnte.
All dies bestand ich, treuer Wachthund dir.
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— JI —
Jetzt grüss ich frohen Mutes dich, des Schiffes
Rettendes Seil, des hohen Daches Pfeiler,
Wie eines greisen Vaters einzig Kind,
Ein Land, erschienen den verzweifelten
Seefahrern, wie ein blauer Tag im Winter,
Dürstendem Wandrer der ersehnte Quell.
Ja solchen Willkomm acht ich deiner würdig. . ;
Sie tritt die Stufen herab und tut ein paar Schritte auf ihn zu.
Fern sei der Neid der Himmlischen. Genugsam
Ward Leid uns schon beschieden. Teures Haupt,
Steig aus dem Wagen. Doch mir soll dein Fuss
Den Staub nicht rühren, Herr und Held von Ilion.
— Was säumt ihr Mägde, da es euer ist
Auf ebnen Weg die Teppiche zu schütten? —
Nun kleidet sich in Purpur dir der Pfad
Ins unerhoffte Haus. Und Dike leitet.
AGAMEMNON.
Tochter der Leda, meines Hauses Hütrin!
Nach meinem Fernsein massest du die Rede /
Und massest lang. Bedenke doch, dass Lob
Aus fremdem Mund nur ein erwünscht Geschenk ist.
Und wolle nicht zu Weibereitelkeiten
Mich locken! Denk, ich bin doch kein Barbar,
Dem man am Boden Huldigungen stammelt.
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— 32 —
Und ruf mit deinem Purpur nicht den Neid
Auf mich herab. So ehrt man Götter nur.
Wie könnt, ein Sterbhcher, ich ohne Scheu
Den Fuss auf diese Prachtgewebe setzen ?
Als Menschen ehre mich und nicht als Gott.
Höher als deine buntgewebten Decken
Stellt mich mein Ruhm. Fern sein von Uebermut
Ist schönste Göttergabe und zu preisen,
Wer seine Tage still beschliessen darf.
Wo solches mir gelänge, war ich glücklich.
KLYTAIMNESTRA.
Sag alles, aber folge meinem Wunsch.
AGAMEMNON.
Wisse, ich andre meinen Willen nicht.
KLYTAIMNESTRA.
Hast dus gelobt und fürchtest nun die Götter?
AGAMEMNON.
Wenn etwas, ist mein Weigern hier Vernunft.
KLYTAIMNESTRA.
Was tat wohl Priamos nach solchem Sieg ?
AGAMEMNON.
Er wandelte vielleicht auf Purpurdecken.
— 33 —
KLYTAIMNESTRA.
Was willst dann du der Menschen Tadel scheun?
AGAMEMNON.
Der Vielen Stimme ist am Ende mächtig.
«
KLYTAIMNESTRA.
Wer unbeneidet, ist der neidenswert?
AGAMEMNON.
Streit anzuheben steht dem Weibe schlecht.
KLYTAIMNESTRA.
Doch steht's dem Sieger, einmal nachzugeben.
AGAMEMNON.
Begehrst du solchen Sieg in unsrem Streit?
KLYTAIMNESTRA.
Du hast die Macht. Sei willig der Besiegte.
AGAMEMNON.
Wenn du denn willst, so lass die Sohle mir
Ablösen, meines Fusses treue Sklavin.
Und schreit ich dann hinein auf Purpurtüchern
Treffe kein böser Blick von oben mich!
Ja Scheu erfüllt mich mit dem Fuss zu schänden
Den Reichtum golderkaufter Teppiche.
— Davon genug. Empfange freundlich nun
Die Fremde hier, die mit mir kam. Die Milden
Vollmocller, Orcstie 3
— 34 —
Sieht auch die Gottheit milden Auges an.
Und keiner ging freiwillig je ins Joch.
Diese, von vielen Schätzen auserlesen,
Ward mir vom Heer geschenkt und folgte mir.
Er steigt vom Wagen,
Wohlan ich will mich deinen Worten beugen
Und schreite über Purpur zum Palast.
Geht auf die Pforte des Palastes zu.
KLYTAIMNESTRA.
Noch ist das Weltmeer. Wer erschöpft es je ?
Es nährt noch vielen Saft des Purpurs uns
Stets neuen, viel Gewände drinn' zu färben.
Dein Haus, o Herr, hat Ueberfluss daran.
Dank sei den Göttern. Mangel lernt es nie.
Viel dieser Decken hätt' ich zu zertreten
t
Gerne gelobt, wo mir ein Götterspruch
Als deines Hauptes Lösung dies befohlen.
Sie reicht ihm die Hände.
Wo Wurzel ist, rankt sich das Laub ums Haus
Schatten hinbreitend vor dem heissen Hundsstern*
So du, zum heimatlichen Herd gekehrt,
Bedeutest Sommerwärme mir im Winter, -
Und wiederum zur Zeit, w^enn Zeus den Wein
In herben Beeren kocht, w^ird kühl das Haus sein :
Da ja sein Herr und Haupt zurückgekehrt.
— 35 —
Sie stehen jetzt beide im Portal. Sie lässt Agamemnon voraus-
gehen und hält einen Augenblick inne.
Zeus, Zeus! Vollender! Gib die lang erflehte
Vollendung jetzt. Ja denke der Vollendung.
Beide treten in den Palast.
CHOR.
Woher doch, dass fort und fort
Dies Schreckbild, das keiner rief, keiner bat.
Mit Tönen des Grauns die ahnende Seele umflattert.
Und woher, dass mein zagend Herz
Die Schatten nicht abtun mag
Wie böse Träume, dass neue Zuversicht einzieht —
Und schwanden doch Jahre, seit Tauwerk und Kiel
Im aulischen Sande tatenlos morschten,
Bis endlich der Griechen gelöstes Heer
Die Schiflfe bestieg.
Und ward ich doch selber jetzt
Mit eignen Augen der glücklichen Heimkehr Zeuge.
Was klingt mir noch immer aus Tiefen des Herzens
Saitenscheues,
Selbst gezeugtes erinysches Lied?
Woher Mut und Hoffnung entsunken?
Nicht irrt meine Seele und wird nicht umsonst
In bangen prophetischen Wirbeln getrieben. —
3*
- 3^ -
Noch fleh ich, es möchte dies alles, ein Schein
Und Trugbild ins Nichts zerfliessen.
Wo zu üppig Gesundheit erblüht,
Droht Verderben, denn Wand an Wand schon
Wohnt ihr der Nachbar, zehrende Seuche,
Und fährt zu glücklich des Menschen Geschick,
Droht dem Schiff die verborgene Klippe.
Wo wägende Sorge dann
Einen Teil der lastenden Schätze
Weise ins Meer versenkt,
Sinkt nicht das ganze Haus,
Wenn auch von Leid besucht,
Geht nicht das Fahrzeug zugrunde.
Spendet doch Zeus uns reichhche Gift aus dem jährigen
Schosse der Flur,
Des Hungers Nöte verscheuchend.
Doch wo zur Erde verströmt das dunkle
Blut der Ermordeten, w^elche Beschwörung
Ruft es zurück?
Hat doch den Meister und Arzt,
Der die Toten erweckt
Des Gottes Vorsicht vernichtet. —
Stünde nicht götterverhängt.
Göttlich geordnet, ^
/ .
• .»
— 37 —
Schicksal Schicksal umgrenzend da
Auf das gerichtete Mass,
Hielte mein Herz die drängenden Worte
Nimmer mehr auf. '
Bange pocht es im Stillen jetzt
Schwermutbrütend, der Hoffnung bar.
Aus der brennenden Seele -
Das erlösende Wort zu finden.
Klytalmnestra kommt aus dem Palast zurück und geht auf
Kassandra zu^
SECHSTE SCENE
KLYTAIMNESTRA. KASSANDRA. CHOR.
KLYTAIMNESTRA.
So komm auch du Jetzt. Dich Kassandra, mein ich,
Zeus meint es gut mit dir, dass du im Haus '
Teilnehmen darfst am Opfer mit den andern
Mägden und nahe stehn am Brandaltar. ^
So komm herab vom Wagen, lass den Hochmut.
Man sagt ja, auch Alkmenes Sohn ertrug es.
Verkauft zu sein und Sklavenbrot zu essen.
Und wem dies Los verhängt in einem Hause
Von altem Reichtum, der mag glücklich sein.
Denn die seit kurzem erst in Wohlstand kamen,
Sind hart und grausam gegen ihr Gesinde.
Bei uns wird dir, was recht und billig ist.
Kassandra scirweigt.
- 3» -
CHOR.
Dir gilt das wahre Wort, das sie gesagt.
Da du verstrickt im Netz, verschlägt es wenig,
Ob du dich sträubst, ob du ihr willig folgst.
KLYTAIMNESTRA.
Wenn sie nicht nur Barbarenlaute kennt r i \
Lschern)
(Die man nicht mehr versteht als Schwalbenzwit-
So überredet sie gewiss mein Wort.
CHOR.
Folg ihr. Das beste rät sie, was zu raten.
Gehorch ihr und verlass den Wagensitz,
Kassandra sdrcoeigt,
KLYTAIMNESTRA.
Ich habe keine Zeit, hier aussen weiter
Zu säumen. Drinn' im Haus am Hochaltar
Stehn schon die Lämmer uns zur Opferung,
Die wir schon lang nicht mehr dies Glück erhofften.
Wenn dein unkundig Ohr mich nicht versteht,
Heb mir zum Zeichen wenigstens die Hand!
Kassandra steht unbevoegt,
CHOR.
Ein Wortausleger war der Fremden not.
Scheu ist sie wie ein frischgefangen Wild.
KLYTAIMNESTRA. .
Ja rasend ist sie, schnödem Trotz g.ehorchend
^
— 39 —
Und frischgefangen freilich, gleich der ganzen
Heimischen Stadt, trägt sie noch nicht die Zügel,
Bis sie den Starrsinn blutig ausgespien. —
Ich will mit weitrem Wort mich nicht entehren.
Tritt in den Palast.
CHORFÜHRER.
Geh, Unglückselige, steig herab vom Wagen
Versuch, dem Zwang gebeugt, das neue Joch.
Pause, Kassandra sieht zum erstenmal auf und erblickt im
Porhof das Bild des uoege geleitenden Apollon.
SIEBENTE SCENE
KASSANDRA. CHOR.
KASSANDRA.
O Gott du. O Schicksal du. Oh.
ApoUon! ApoUon!
ERSTER GREIS.
Was schreist so graunvoU du zu Loxias?
Er ist der Gott doch nicht der Traurigen.
KASSANDRA.
O Gott du. O Schicksal du. Oh.
Apollon! Apollon!
ZWEITER GREIS.
Nochmals entweiht ihr Schrei den reinen Gott,
Dem doch nicht ansteht. Jammernden zu helfen.
j'
— 40
AI —
KASSANDRA.
Apollon! Apollon!
Wegegott I Wehegott mir: .
Zum zweitenmal, dass du mich ganz vernichtest!
DRITTER GREIS.
Ist's nicht, als prophezeit sie eignes Unglück?
Der Geist des Gotts ist ihr ins Joch gefolgt.
KASSANDRA.
Apollon! Apollon!
Wegegott! Wehgott mir:
Zu welchem Haus hast du mich nun gebracht!
VIERTER GREIS.
Zum Hause der Atriden, wenn du dieses
Noch nicht gehört. Und dies ist wahrlich so.
KASSANDRA.
Ha. Ha.
Ja gottverhasstes Haus. Wissende Höhle
Des Brüderblutes, der tödlichen Stricke.
Mordhaus. Von Schaum und Geifer glänzt der Flur.
ERSTER GREIS. ^hund.
Scharfwitternd scheint die Fremde wie ein Schweiss-
Sie spürt nach Mord. Und Mord wird sie entdecken.
J
/
KASSANDRA.
Ha. Ha.
Sind das nicht sichre Zeichen. Seht die Kleinen,
Wimmernd im Blute! Die man geschlachtet,
Die man gebraten, die der Vater ass. '
ZWEITER GREIS.
Wir kennen deinen Ruf als Seherin. .
Hör auf. Hier ist der Ort nicht für Propheten.
«
KASSANDRA.
Wehe euch. Wehe. Was sinnt sie nun aus.
Was für neuen entsetzlichen Jammer,
Und finstres Unheil brütet sie dem Haus.
Den Freunden heillos unerträglich Weh.
Und keine Hilfe mehr.
DRITTER GREIS.
Was sie jetzt wahrsagt, kann ich nicht verstehen.
Das frühre wohl. Spricht doch das Land davon.
KASSANDRA.
Weh Unselige ! Führst du's nun aus.
Lockst den Gemahl, der dein Lager teilte, ,,,
Zum erquickenden Bad — wer sprach es zu Ende.
Und doch ist's bald getan. Schon recken Hände,
Reckt sich die Mörderhand. ^
VIERTER GREIS.
Noch kann ich nicht verstehn. Aus dunkeln Rätseln
Verstrickt sie uns in Sprüche, dunkler noch.
— 4^ -
KASSANDRA.
O Grauen, graunvoll! Was zeigt sich dort!
Garn und höllische Netze.
Und dort, das Beil, ihr Bettgenoss und Helfer
Zum Mord. Und da, des Hauses alt Gespenst
Frohlockt zum grässlichen Opfer.
CHOR.
Dunkel ins Herz zurück tritt mir das Blut
Stockend wie dem gefallenen Kämpfer
Mit des versinkenden Lebens Scheinen.
Und rasch und nah der Tod.
KASSANDRA.
Wehe. Seht doch! Haltet den Stier
Weg von der Kuh! '
In Tüchern fängt sie falsch den Schwarzgehörnten.
Er stürzt. Er stürzt ins Wasser hin der Wanne.
So versteht ihr den Trug nun des Bads ?
CHOR.
Kam von den Sehern je Kunde des Heils
Sterblichen Menschen? Von Angst nur und Not
Reden die dunkeln Orakel und wecken
Uns Furcht vor ihrem Spruch.
KASSANDRA.
O mein, der Armen, schmerzliches Jammerlos.
Das eigne Leid nun schütt ich in Klagen hin:
^
— 43 —
Da mein nichts andres harrt als mitzusterben,
Wozu hast du mich, Gott, hierhergebracht?
CHOR.
Was für ein Wahn verwirrt, was fiir ein Gott
Treibt dich zu jammern
In dumpfen Leidlied um dein Geschick?
Wie die bräunliche Nachtigall, klagenfroh,
Itys, Itys rufend ihr gramumblühtes
Leben beklagt.
KASSANDRA.
O Los der Sängrin, schmetternde Nachtigall!
In leichte Federn hüllten die Götter dich.
Süss rinnt dein Leben hin in süsser Klage.
Mein harrt der Schlag von doppelschneidigem Beil.
CHOR.
Von wannen strömt doch, von welchem Gott
Wahn dir und Qual,
Dass du mit grässlichen Lauten
• «
Schreckgesang in hochstimmigen Tönen dröhnst?
Und von wannen ward Kunde des göttlichen Pfads dir.
Prophetische Kunst?
KASSANDRA.
O Paris Hochzeit, Fluch aller Lieben du!
Weh des Skamandros heimische Wasser ihr:
' / ■
— 44 —
An euren Ufern wuchs ich vor Zeiten wohl
Fröhlich empor.
Jetzt sing ich meine Sprüche am Kokytos
Und Acherontischen Gestaden bald.
CHOR.
Was sprichst du weiter durchbohrende Worte noch.
Selber ein Kind ja müsst es verstehn.
Mir blutet die Seele vom mördrischen Biss
Deines grässlichen Jammers um grässlich Geschick,
Schaurig dem Ohr zu vernehmen.
KASSANDRA.
O Nöte, Nöte, der so zertretnen Stadt!
Des Vaters stadtbeschirmende Opfer all
An tausendhäuptig weidender Rinderschar,
Die nicht gefrommt.
Da unsre Stadt doch litt, was sie erlitten.
Und ich — bald klebt mein heisses Blut am Stein.
CHOR.
In gleichen Tönen redest du fort.
Ein schlimmer Dämon drängt dich und treibt
Zum Liede der Trauer zum Liede des Tods.
Und dunkel das Geschick.
KASSANDRA.
Wohlan nun soll mein Spruch nicht mehr verhüllt
Aus Schleiern schauen wie die keusche Braut.
\\
— 45 —
Nein klar und hell, ein kühner Morgensturm,
Soll er der Sonne Strahl entgegenbrausen,
Dass Gischt und Schaum von noch viel herbrem Weh
Zum Lichte brande. Nichts von Rätseln mehr.
Doch ihr bezeugt mir, dass unfehlbar ich
Die Spur der alten Frevel ausgewittert.
Denn nimmer weicht aus diesem Haus ein Chor
Eintönigen Misstons, (denn sein Lied ist Fluch)
Und voll und trunken, mehr und mehr berauscht
Vom Menschenblute, schwärmt er im Palast,
Nicht zu verbannen: Der Erinyen Sippe.
Da sitzen sie am Herd und singen sie
Die graue Urschuld und verfluchen wechselnd
Den Schänder der des Bruders Bett betrat.
Sagt fehlt ich oder traf ich's? Bin ich eine
Falsche Wahrsagrin, schwärmend Bettelweib?
Verschwört euch doch, dass niemals ihr zuvor
Von dieses Hauses Schuld und Fluch vernommen.
CHOR.
Könnt' solchen Eid nach Wahrheit ich beschwören.
Was frommt' es uns? Doch wunderbar, dass du.
Fern überm Meer geboren, fremden Landes
Schicksale nennst, als hättest du sie erlebt.
KASSANDRA.
Apollo hat die Gabe mir verliehen.
- ^6 -
CHOR.
Aus Liebe wohl zu dir, der Sterblichen?
KASSANDRA.
Einst hätte dies Geständnis mich beschämt
. CHOR.
Raum ist im Glücke nur für Zartgefühl.
KASSANDRA.
Er drang und drängte, Glut und Liebe atmend.
CHOR.
Und du gewährtest ihm die letzte Gunst?
KASSANDRA.
* '
Versprach dem Gott sie und betrog ihn dann.
CHOR.
Doch schon mit seiner Seherkunst begabt?
KASSANDRA.
Schon hatt ich Ilions Untergang verkündet.
CHOR.
Und wie entgingst dem Zorn des Gottes du?
KASSANDRA.
Mir glaubte niemand mehr seit jener Zeit.
CHOR.
Wir glauben nur zu sehr an deine Sprüche.
.
— 47 —
KASSANDRA.
Gott. Gott.
Schon dreht mich wieder der Begeisterung Wut
In fürchterlichen Wirbeln. Weh mir. Wehe!
Seht ihr, dort kauern auf dem Hause sie
Die Kleinen, seht, wie fahle Traumgebilde
Die Kinder, die des Vaters Bruder schlug,
Ihr eignes Fleisch zum grausen Mahl in Händen,
Gekrös und Leber — fürchterliche Last —
Zur Schau gestellt, davon der Vater ass.
Für die sinnt Rache jetzt dem heimgekehrten
Krieger ein feiger Löwe, der zu Haus
Sich auf dem Lager wälzte. Weh mir. Wehe !
Und er, der Heerfürst, Ilions Zertrümmrer,
Er kennt der geilen Hündin Zunge nicht,
Die wedelnd ihm die Hand geleckt und lächelnd
Und tückisch, wie das Schicksal, ihn verdirbt.
Welch grässlich Unterfangen: Seinen Gatten
Erschlägt das Weib. Wie nenn das Untier ich?
Heiss ich sie Natter, heiss ich Skylla sie,
Die in den Klippen haust, Verderb den Schiffern,
Ja Höllenmutter, unbarmherzigen Mord
Den Liebsten schnaubend. Hat sie nicht gejauchzt
Grad wie ein Krieger bei des Kampfes Wende?
Ihr nahmt's für frohen Heimkehrjubel nur.
_ 4» -
Ihr glaubt mir nicht. Was ändert's. Das Verhängnis
Schreitet heran. Bald werdet jammernd ihr
Nur allzuwahr die Prophezeiung heissen.
CHORFÜHRER.
Thyestes Mahl von eigner Kinder Fleisch
Verstand ich und erschauerte, entsetzt,
Die Wahrheit ohne Hüllen zu vernehmen.
Zu allem andern fehlt der Schlüssel mir.
KASSANDRA.
Des Agamemnon Tod verkünd ich euch.
CHORFÜHRER.
Verhüt es Gott. Unselige, welch ein Wort.
KASSANDRA.
Ein Wort das auch kein Gott verhüten wird.
ERSTER GREIS.
Wenn es erfüllt. Doch nie wird sichs erfüllen.
KASSANDRA.
Ihr denkt an Beten. Drinn' denkt man an Mord.
ZWEITER GREIS.
Durch wessen Hand soll solche Tat geschehn?
KASSANDRA.
So habt ihr meine Sprüche nicht verstanden?
DRITTER GREIS.
Die Tat verstand ich w^ohl, doch nicht den Täter.
— 49 —
KASSANDRA.
Und dennoch red ich der Hellenen Sprache.
VIERTER GREIS.
Wie die Orakel, die doch dunkel sind.
- * KASSANDRA.
Ah. Ah. Wie Feuer brennts. Das Fieber fasst mich.
Weh. Weh, Apollon. Wehe dir und mir.
Da ist die Löwin, die vom Wolfe sich
Beschlafen liess, derweil der Löwe fern war.
Sie bringt mich Arme um. In ihren Trank
Wird, Hexe sie, auch meinen Tod verrühren.
Sie wetzt dem Mann das Schwert und wird noch prahlen
Dies sei der Lohn weil er mich hergebracht.
— Was trag ich noch zum Hohn mir diese Dinge,
Den Stab, die Priesterbinden um die Stirn?
Ich will euch, eh das Ende naht, zertreten.
Fort, weg von mir! Und dies mein letztes Wünschen:
Seid einer andern noch zu Schmuck und Fluch!
Seht her. Apollon selbst tut von mir ab
Das priesterliche Kleid. Er sah ja lange
In diesem Schmuck von Freunden und von Feinden
Einmütig mich verlästert und gehöhnt.
Wahnsinnige gescholten, Bettlerin,
Und arm, verfolgt und hungernd — ich ertrug es.
Vollmoeller, Orestic 4
— JO —
Jetzt hat der Seher mich, die Sehende
Dem tödUchen Geschicke zugeführt.
Statt heimischen Altars wird mir der Block
Darauf als Opfer ich geschlachtet werde.
Doch sterbe ich fürwahr nicht ungesühnt:
Es wird, Vergelter auch für mich, erscheinen
Der Muttertöter, der den Vater rächt.
Der heimatferne Flüchtling naht und wird
Des Hauses Frevel bis zum höchsten führen.
Schon gilt der Götter grosser Eid. Es ruft ihn
Des toten Vaters ausgereckter Arm.
— Wozu mein weichlich Jammern, da ich doch
Mit angeschaut, wie Ilion geschehen.
Was ihm geschah, und wie der Veste Volk
Ganz ausgerottet ward, nach Götterratschluss.
Sie steigt jetzt erst vom Wajren und macht einige Schritte gegen
den Palast zu.
So geh auch ich dem Tode zu. Ich grüsse
Dies Tor das mir das Tor zur Unterwelt.
Nun fleh ich nur um einen guten Schlag
Dass ohne Zuckung ich im leichten Flusse
Des Lebensbluts das Auge schliessen mag.
CHORFÜHRER.
O Weib, so unglückselig du als weise.
Du sprachst genug. Doch wenn so ganz gewiss
— 51 —
Dein Los du kennst, was schreitest wie ein Schlachttier
Ergeben du dem Opfersteine zu.
KASSANDRA.
Was half Entrinnen, wo die Zeit vollendet.
CHORFÜHRER.
Und doch gewinnt, wer eben Zeit gewinnt.
KASSANDRA.
Der Tag ist da. Es war umsonst zu fliehen.
ERSTER GREIS.
Dein Mut gerade ists der dich verdirbt.
KASSANDRA.
Des Menschen letzter Trost: ein mutig Sterben.
ZWEITER GREIS.
Dies ist die Sprache nicht der Glücklichen.
Kassandra geht die Stufen zum Palasttor hinauf, Sie hält einen
Augenblick inne,
KASSANDRA.
Weh Vater. Weh, um dich und deine Kinder.
Sie tritt "wie von einem prötzltchm Grauen erfasst von der
Türe weg,
ERSTER GREIS.
Wovor erschrickst du so und weichst zurück?
KASSANDRA.
Ha.
r,
|i|i
l!)
— 52 —
ZWEITER GREIS.
Was schreist du so vor Graun und Abscheu auf?
KASSANDRA.
Die Halle atmet Mord und Blutgeruch.
DRITTER GREIS.
Das ist der Opferduft von den Altären.
KASSANDRA.
Ein Odem wie von Gräbern weht mich an.
VIERTER GREIS.
Nennst du der Fürstin syrischen Weihrauch so?
KASSANDRA.
Es sei. Ich gehe, drin mich auszujammern
Um meinen Herrn und mich. Seis denn getan.
Wendet sich nochmals um.
Ja Freunde.
Nicht beb ich wie im Laub der Vogel bebt.
Aus Furchto Ich sterbe. Doch ihr, denkt an mich
Wenn jenes Weib um mich, das Weib, verröchelt
Und für den Mann ein Mann, der Mörder, sinkt.
Dies sei mein Teil am Gastrecht nach dem Tode.
ERSTER GREIS.
Mich schmerzt, Unselige, dein Seherlos.
I
— 53 —
KASSANDRA.
Noch einen Spruch und letzte Totenklage
Heb ich mir an. Beim Abendscheidestrahl •'
Fleh ich, die Götter mögen, Rächer mir
Den feigen Schlächtern diesen Mord vergelten.
An einer Sklavin allzuleicht verübt.
O Menschenschicksal! Menschenglück: ein Schatten
Reicht dich zu trüben. Menschenqual: ein Schwamm
Löscht dich wie Schrift auf einer Tafel aus.
Und dies scheint mir weit schmerzlicher denn alles.
Sie tritt in den Palast,
ACHTE SCENE
CHOR.
Ward einer jemals am Glücke satt
Der sterblichen Menschen? Wies einer es je
Von der Schwelle des reichen Palastes und rief:
Nicht herein hier. Glück ! Nicht herein hier !
Dem gaben die Götter, Ilion zu stürmen,
Priamos Stadt,
Dem schenkten sie gnädig gesegnete Heimkehr.
Und wenn der das Blut der Väter nun büsst
Mit Tod den Toten die Sühne bezahlt,
Vergossenen Bluts Vergeltung,
Wo leugnet noch einer des Dämons Neid,
Der solches Schicksal vernommen.
'V
\
\f.
I
— 54 "
STIMME DES AGAMEMNON
aus den Innern des Palasts,
Sie mordet mich. Ah- Ah. Zu Tod getroffen.
CHORFÜHRER.
Seid still. Es schrie jemand, zum Tod verwundet.
STIMME DES AGAMEMNON
halb erstickt
Mord, Mord! Nun gibt sie mir den zweiten Streich.
ERSTER GREIS.
Dem Jammern nach, ist alles schon vorüber.
ZWEITER GREIS.
Sag jeder rasch, was wir am besten tun.
ERSTER GREIS.
Am besten ists, wir schreien's durch die Stadt
Und rufen alle Bürger hier zusammen.
ZWEITER GREIS.
Nein, stürmen wir die Tore und erweisen
Die frische Tat am noch gezückten Schwert.
DRITTER GREIS. .
Gewiss. Das nächste ist, wir müssen rasch
Und schleunig handeln. Nur nicht zaudern jetzt.
VIERTER GREIS.
Wie klar: Dies ist der erste Schritt, das Banner
Der Tyrannei in Argos zu erheben.
I»
— 55 —
FÜNFTER GREIS.
Schon säumt ihr. Die da drin sind tätig jetzt
Und treten unser Zaudern dann mit Füssen.
SECHSTER GREIS.
Ich weiss nicht was ich raten soll. Wer handelt
Muss auch zuvor erwägen was er tut.
SIEBENTER GREIS.
Bedenken wirs. Denn ist der König tot,
So werden wir mit Worten ihn nicht wecken.
ACHTER GREIS. .,
So sollen feig wir unser Dasein schleppen
Und herrschen lassen, die das Haus geschändet?
NEUNTER GREIS.
Nein. Unerträglich. Lieber sterben wir.
Besser als solche Herrschaft ist der Tod.
ZEHNTER GREIS.
Sind das Beweise: Stöhnen und ein Schrei,
Dass ihr schon ruft, der König sei erschlagen ?
ELFTER GREIS.
Eh wir uns so erregen, prüfen wir.
Vermutung ist noch lange nicht Gewissheit.
ZWÖLFTER GREIS.
Dem stimm ich bei. Zuerst ist uns Gebühr *
Zu schauen, wie es um den Fürsten stehe.
Wie sie sich anschicken in den Palast zu dringen, werden die
\
I
■>■■■
!
- Si -
Torflügel weh geöffnet Auf der Schwelle erscheint Klytaimnestra
ilas Beil in der Hand, Im Innern erblickt man die Wanne, das
Tuchy den toten König und die Leiche der Seherin.
NEUNTE SCENE
KLYTAIMNESTRA. CHOR.
KLYTAIMNESTRA.
Von vielem neulich zeitgemäss gesprochnen
Sag ohne Scham ich jetzt das Gegenteil.
Wie kann man Feinden, die sich Freunde nannten,
Zur Antwort ihrer Feindschaft hoch genug
Für jeden Sprung das Netz des Todes spannen!
Der Kampf war wohl und lang vorausbedacht, '
So kam auch Sieg zu der gesetzten Zeit.
Hier schlug ich ihn. Hier steh ich, und ich leugne
Die Tat nicht ab. Und hört wie sie geschah:
Ein faltig weit Gewand, fast wie ein Netz,
Werf ich ihm um — verhängnisvolles Prunkkleid —
Dass er den Schlag nicht fliehn noch wehren kann.
Dann trefP ich zweimal ihn und zweimal stöhnt er
I I
Und streckt die Glieder. Wie er niederliegt,
Geb ich den dritten Schlag ihm noch und weih ihn
Dem unterirdischen Zeus zum Gastgeschenk.
So liegt er da und röchelt und bespritzt .
Mit scharfem Blutschaum, den er von sich schnaubt.
Und dunkeln Schauern mich des roten Taus,
\
y
— 57 —
Nicht minder mir ersehnt, als linder Regen
Dem Saatfeld, wenn der Keim im Boden schwillt.
— Dies nun ist so. Freut euch ihr Greise dess.
Wenn ihr euch freuen könnt. Mich lasst frohlocken!
Wärs Sitte, einem Toten Freudenopfer
Zu weihn, hier war es Recht, ja zweimal Recht,
Da er, der uns den Kelch mit vielem Fluch
Zum Rand gefüllt, ihn selber leeren musste.
CHOR.
Wir Staunen über deine freche Zunge
Die an des Mannes Leiche so sich rühmt.
KLYTAIMNESTRA.
Versucht mich als ein leicht verschüchtert Weib.
Wohlan, ich sprach es aus mit festem Herzen,
Auf das ihrs wisst. Und Tadel oder Lob
Verschlägt mir wenig: Dieser, Agamemnon,
Der mir vermählt, starb hier von meiner Hand
Li rechtlicher Vollstreckung. Dies ist so.
CHOR.
Welch entsetzliches Gift, o Weib,
Lieh dir der Erdschoss,
Hast aus dem Schaum du des Meeres geschöpft.
Das solcher Wut du verfielst und der Menschen Fluch,
Schändend du, mordend du. Flieh aus der Stadt verbannt
Hass und Greuel den Bürgern!
V
- 5« -
KLYTAIMNESTRA.
Nun sprecht ihr da von Stadtverbannung mir
Und öffentlichem Hass und Fluch des Landes.
Und gegen den hier wisst ihr keine Schuld,
Der leichten Sinns, als wärs nur grad ein Lamm
Aus seinen tausendköpfigen wolligen Herden,
Das eigne Kind, die Frucht von meinen Wehn,
Hinschlachtete für Wind und gutes Wetter?
Möchtet ihr den nicht aus dem Land verbannen,
Zum Lohn der Untat? Wie gestrenge Richter
Seit ihr gerade mir! Ich sage euch
— Und drohen kann ich auch, so gut wie ihr —
Erst überwindet mich und dann befehlt!
Doch wenn es umgekehrt ein Gott verhängte.
Lernt ihr gewiss mir noch Besonnenheit.
CHOR.
Wie du dich brüstest,
Weib, mit Worten des Uebermuts:
Vor dem vergossenen Blut rast noch dein Geist
Ueber den Brauen noch glänzen dir Tropfen Bluts,
Unbereut, ungesühnt. Einst aller Freunde bar
Büssest du Schlag noch mit Schlag.
KLYTAIMNESTRA.
Ich denke, Furcht soll diesem Haus nicht nahen,
So lang mir noch des Herdes Flamme schürt
^
<►
— 59 —
Aigisthos, mir wie bisher wolilgesinnt,
Und kein geringer Schild für meinen Mut.
Vernimm denn meinen feierlichen Schwur
Bei allen Rächern meines Kindes, Dike,
Ate, Erinys, denen dieser fiel —
Sie hebt das Tuch von der Leiche.
Da liegt er, dieses toten Weibes Schänder,
Der Chryseiden Buhlgesell vor Troja.
Da liegt auch die gefangne Seherin.
Seht! Seine Kebse, das Prophetenweib,
Die, treue Bettgenossin, selbst das Scliiffsdeck
Mit ihm geteilt — bei Gott, nicht ungestraft.
Da liegt sie, die nach Schwanenart zuletzt
Noch eine Totenklage sich gesungen,
Sein Liebchen, das er selbst mit zugeführt
Ein üppig Beigericht zu meiner Lust.
ERSTER HALBCHOR.
Weh uns, kam doch der Tod
Schmerzlos und rasch und ersparend
Schleppenden Siechtums Last.
ZWEITER HALBCHOR.
Brächt uns unendlichen Schlaf,
Ewigen. Da dieser Stadt -^
Treuester Hüter im Staub Hegt.
t
— 6o —
Der die Kriegsnot trug um des Weibes willen
Und vom Weib das Leben verlor.
KLYTAIMNESTRA.
Nicht wünschet das Los euch des Todes herab,
Durch solches gebeugt.
Und wollet die Schuld nicht auf Helena häufen,
4
Als habe allein sie die Seelen verderbt ''
Der vielen achaischen Männer, dem Land
Unsagbaren Jammer bereitend.
CHOR
tritt um die Leiche des Königs.
I
Mein König und Herr, wie wein ich um dich!
Aus liebendem Herzen wie sag ich die Klagen !
In Fäden und Netzen
Der hässlichen Spinne liegst du verstrickt,
Grässlich erschlagen.
ERSTER HALBCHOR.
Oh Erde, decktest du Erde mich,
Eh diesen ich sehn muss, im silbergetriebnen
Sarge gebahrt.
ZWEITER HALBCHOR.
Wer bringt zu Grab ihn und wer beklagt ihn !
Willst du es tun, Weib, die ihn erwürgt hat?
Willst du den Toten jetzt mit Jammern ehren,
w
— öl —
Mit falschem Liebeswerke die grausen
Taten beschönend ?
KLYTAIMNESTRA.
Ich hab ihn gefällt. Ich hab ihn erschlagen.
Ich werd ihn begraben. Was gehts dich an?
Jammern freilich wird keiner um ihn.
Nur Iphigeneia, sein Töchterchen, wird,
Froh wie sichs ziemt,
Den Vater begrüssen an der strömenden Furt
Des Acheron, um den Hals die kindlichen
Arme ihm schlingend.
CHOR.
Weh. Weh.
Wie wein ich um dich, mein König und Herr!
Aus liebendem Herzen wie sag ich die Klagen!
In Fäden und Netzen
Der hässlichen Spinne liegst du verstrickt,
Grässlich erschlagen.
Aigisthos mit bewaffnetem Gefolge von rechts,
ZEHNTE SCENE.
AIGISTHOS. CHOR. KLYTAIMNESTRA.
AIGISTHOS.
O holder Lichtglanz du des Rachetags.
Nun freilich glaub ichs, dass die Götter droben
Hochher der Menschen Schuld und Greuel schaun.
i
li
— 6i —
Da ich von der Erinyen Kleid verhangen
Den Mann da liegen sehe, mir zur Lust,
Die väterlichen Missetaten büssend.
Denn sein Erzeuger, Atreus, damals Fürst
In Argos, trieb Thyestes meinen Vater,
Der doch sein Bruder war, von Haus und Land
Aus Eifersucht um Macht und Königtum,
Als später, heimgekehrt, am Hausaltar
Schutz suchte der unseHge Thyestes,
Ward ihm erspart, mit seinem Blut der Heimat
Boden zu färben. Aber dieses Manns
Verruchter Vater bot mehr eifrig ihm
Als freundlich Gastschaft, wie zum Heimkehrfest
Das Fleisch der eignen Kinder ihm bereitend. , •
Die Füsschen nämlich und gezackten Hände
Verbarg er unter andrem Fleisch verteilt.
Das weniger kenntlich. Und der isst davon,
Arglos, zum Fluche einem ganzen Stamm.
Dann, wie er das Entsetzliche erkannt.
Schlägt er zu Boden hin und würgt den Mord
Mit Heulen von sich, Pelops Haus und den
Entweihten Tisch mit schwerem Fluch verfluchend.
Drum seht ihr diesen Mann jetzt hingestreckt
Und mich als seines Mords gerechten Werker.
Denn er verjagt mich, da ich noch in Windeln
I
- 6} -
Getragen ward, des Vaters dreizehnt Kind.
Erwachsen hat mich Dike heimgeführt
Und ich hab ihn ereilt, aus sichrer Ferne
Des ganzen Anschlags Knoten für ihn schürzend.
Nun sterb ich gerne, da ich diesen hier
Gefangen seh in der Vergeltung Stricken.
CHORFÜHRER. ^
Verächtlich ist Hochmut bei schlechter Tat.
Doch wenn du zugibst, dass du ihn gemeuchelt
Und ausgeheckt den jammervollen Mord,
So, mein ich, wirst du schwer im Volksgericht
Dir Fluch und Steinigung vom Haupte wehren.
AIGISTHOS.
Nun drohst du, unten tief beim Ruder hockend.
Mir, der am Steuer doch das Schiff regiert.
Ihr alle sollt mir spüren, wie es tut
Im späten Alter noch Vernunft zu lernen.
Ja, auch für euer Greisentum sind Hunger
Und Ketten auserlesene Wunderärzte.
Seid ihr denn sehend bUnd? Ich sag euch, locket
Gegen den Stachel nicht. Es reut euch sonst.
ERSTER GREIS
zu Klytaimnestra,
Und du Weib, die du heimgekehrten Streitern
■ _ 64 -
Auflauerst, deines Ehbetts Schänderin,
Hast dir den Mann, den Feldherrn uns erschlagen !
*
AIGISTHOS.
Auch diese Worte werden dir noch Heulen
Eintragen. Denn von Orpheus bist du völlig
Das Gegenteil. Er riss mit Lied und Worten
Die Menschen hin. Du wirst von deinem Bellen
Selbst fortgerissen. Doch bald zähm ich dich.
ZWEITER GREIS.
Du also willst nun Herr in Argos sein
Und warst zu feig, du, der den Mord gestiftet,
Mit deiner eignen Hand den Schlag zu tun.
AIGISTHOS.
Das Trugwerk kam von selbst dem Weibe zu.
Ich war als alter Feind ihm ja verdächtig.
Mit seinen Schätzen aber herrsch ich wohl
Ueber euch alle. Wer mir nicht gehorcht >.
Den will so schwer ich zäumen wie ein wild
Und ungeberdig Füllen und der Hunger,
Mit Dunkelheit vereint, macht bald ihn weich. :
ERSTER GREIS.
Warum hast du Feigherziger den Fürsten
Nicht selbst erschlagen, sondern dieses Weib,
Des Landes Aussatz und der Götter Greul,
- 65 -
Musst ihn dir töten? Doch Orestes lebt
Und kehrt dereinst mit göttlichem Geleit,
Ein schauerlicher Rächer euch erscheinend.
AIGISTHOS.
Von dem Bekenntnis schau jetzt gleich die Frucht.
Auf denn, ihr Lanzenträger, tut das Werk!
CHORFÜHRER.
Ihr Freunde auf und fest das Schwert gefasst.
AIGISTHOS.
Das meine schwing ich, furchtlos vor dem Tod.
ZWEITER GREIS.
Wohl nennst den Tod du. Nun entscheide Schicksal.
Sie dringen auf Aigisthos ein, den sein Gefolge umringt hat,
Klytaimnestra tritt zwischen die Kämpfenden,
KLYTAIMNESTRA
Liebster, bereit uns neue Uebel nicht!
Was schon an Leid geschah, ist reiche Ernte.
Genug des Jammers nun, genug des Bluts.
Geht denn, ihr Greise, heim zu eurem Herd,
Eh Unheil folgt. Heisst wohl, was hier geschehn.
War dies der Uebel letztes, trüg ichs willig !
AIGISTHOS.
So sollen die hier straflos freche Worte
Dem Schicksal trotzend mir entgegenspein?
Vollmoe Her, Orestie c
i
— 66 —
KLYTAIMNESTRA
zum Chor.
Der Klugheit fehltet ihr und eurem Herrn !
ERSTER GREIS.
Kroch man in Argos vor dem Feigling je?
AIGISTHOS
von Klytaimnestra zurückgedrängt.
Ich werd euch später noch zu packen wissen.
ZWEITER GREIS.
Nicht wenn Orestes in die Heimat kehrt.
AIGISTHOS.
■
Hoffnung, ich weiss, ist der Verbannten Speise.
DRITTER GREIS.
Ja Schake, prasse, schände! Noch ist's Zeit.
AIGISTHOS
schon unter der Palasttür.
Merkts euch, die Torheit zalol ich schwer euch heim.
VIERTER GREIS.
Blähe dich auf: ein Hahn bei seiner Henne !
KLYTAIMNESTRA
zu Aigisthos,
Hör nicht ihr töricht Bellen. Ich und du
Werden vereint fortan dies Haus bestellen.
Sie führt ihn ins Innere des Palasts.
ENDE
DAS TOTENOPFER
\
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\n
PERSONEN
ORESTES
PYLADES
CHOR KRIEGSGEFANGNER FRAUEN
ELEKTRA
DIE AMME DES ORESTES
KLYTAIMNESTRA
AIGISTHOS
DIENER
DAS TOTENOPFER
Am Grab des Agamemnon zu Argos.
ERSTE SCENE
ORESTES. PYLADES.
ORESTES.
Hermes im Erdgrund — in dess Obhut jetzt
Mein Vater ruht — sei du mir Hort und Helfer
Zur Rückkehr in mein überkommenes Land!
— An diesem Hügel rufe ich den Vater
Um Segen und Gehör. Schon weihte ich
Heut früh dem heimischen Flussgott eine Locke,
Dem Nährer meiner Jugend, Inachos.
Jetzt eine zweite dir zur Toten gift,
Vater, den ich beim Grabgang nicht bejammert,
Dem ich zur Trauer nicht die Hand gereckt.
Er bemerkt in der Ferne Elektra und den Chor der Dienerinnen.
Was seh ich dort? Was soll die dunlde Schar
Von schwarzgewandeten, verhüllten Frauen,
Die diesem Orte nahn? Wie deut ich das?
Hat neuer Tod das Königshaus besucht?
Kommen dem Vater sie zur Totenfeier
_ 70 —
Mit Guss und Trank, der Seelen Sänftigung?
So ist^s. Mir dünkt, ich seh auch meine Schwester
Elektra dort, durch Trauer ausgezeichnet.
— O gib mir, Zeus, des Vaters Los zu rächen.
Sei du mir Helfer und Verbündeter! —
Lass uns zur Seite treten, Pylades,
Dass dieses Zugs Bedeutung wir erfahren.
Tritt mit Pylades beiseite.
I
ZWEITE SCENE
ELEKTRA. CHOR DER DIENERINNEN.
CHOR.
Wir kommen vom Hause, wir tragen zum Grabe
Die Opfer der Toten und Schlagen der Brüste /
Ist unser Geleit.
Es weist noch die Wange blutdunkele Streifen,
Die Furchen der Nägel. In endloser Klage
Weidet das Herz.
Zerrissen, zerschlissen die linnenen Tücher
Von schmerzlichen Händen, des Busens Umhüllung
Vom Grame zerfetzt.
— Denn nächtlich erhob sich das Schreckbild des Hauses
Ergrimmend vom Schlafe mit gellendem Schreien
Zur Mitte der Nacht.
— 71 —
Im innersten Herzen uns Schauer erweckend
Und Aengste und Blässe, brach dumpfes und dröhnend
Ins Frauengemach.
Beschworen die Seher die göttliche Deutung:
Es zürnen im Abgrund und grollen die Toten
Den Mördern ergrimmt.
CHORFÜHRERIN.
Mit falscher Sühnung, nichtiger Huldigung
(Weh, Erde! Erde!) heisst sie uns opfern jetzt,
Die Frevlerin. (Mir stockt das Wort im Munde.)
Wo ist denn Lösung für vergossenes Blut?
ERSTER HALBCHOR.
Wo immer Blut zur Erde verschüttet ward
Gerinnt ein Mordmal, das nie und nie verlöscht.
Das Schicksal spart geduldig sich den Täter,
Bis reif das Gift der Krankheit aus ihm bricht.
ZWEITER HALBCHOR.
Wo einer Jungfrau keusches Siegel verletzt.
Hilft Sühne da? Und wüschen die Wasser all.
Der Erde Ströme eingedämmt m einen.
Die rote Hand, die Hand des Mörders rein?
CHOR.
Wir aber, wir Armen, durch Götter und Schicksal
/
I
— 71 —
Der Heimat verlustig, vom häuslichen Herde
In Knechtschaft geschleift,
Das Tun unsrer Herren, dem Zwange gehorchend,
Ob recht es ob schlecht es, wir müssen es loben,
O bittres Geschick.
Wir bergen die Schauer verstohlener Tränen,
Den Fürsten beweinend, von heimlicher Trauer
Und Schmerzen bereift.
ELEKTRA.
Des Hauses Dienerinnen, treue Fraun,
Die ihr beim Opfergange mich begleitet.
Wollet mir freundlich nun Berater sein,
Mit welchen Worten, welcherlei Gebet
Ich diese Spenden meinem Vater weihe!
— Sag ich im Namen meiner Mutter etwa:
'Geweiht dem Gatten von dem treuen Weib'?
Das wag ich nicht. Doch sagt, wie Sprech ich sonst.
Wenn ich den Weihguss auf den Hügel schütte?
Sag ich den alten Spruch, wie viele tun:
'Vergelt es dem, der diese Kränze sendet'?
Vergelten? Doch hier hiess' vergelten: Mord!
Schweige ich schmählich, wie er schmählich ja
Und lautlos fiel, und schütt' den Erdtrank hin
So weggewandt, als göss' ich Unrat aus,
t
^
— 73 —
Und schleudre das Gefäss von mir und gehe ?
— Sagt ihr mir denn, wie ich ihn ehren soll.
CHORFÜHRERIN.
Bring ihm den Trank im Namen aller Treuen,
ELEKTRA.
Wen nenn ich anders dann als euch und mich?
CHORFÜHRERIN.
Denk nach, ob du sonst keinen Treuen weisst.
«
ELEKTRA.
Wen zählt ich anders noch in diesen Kreis?
CHORFÜHRERIN.
Orestes. Wenn er gleich uns ferne weilt.
ELEKTRA.
Wohl hast du mich und recht zur Zeit erinnert.
CHORFÜHRERIN.
Und dann gedenke fluchend auch der Mörder.
ELEKTRA.
Doch sündige ich dann vor den Göttern nicht?
CHORFÜHRERIN.
Sollt' man dem Bösen böses nicht vergelten.
Elektra kniet am Grabe nieder.
ELEKTRA.
O Herold du der Götter und der Toten,
/
— 74 — •
Nächtiger Hermes, sei du Bote mir,
Dass mein Gebet bis zu den Untern dringe,
Die zürnend schaun auf meines Vaters Blut,
Zur Erde selbst, die jegliches geboren
Und nährt und wiederum als Keim empfängt.
— Dies Opferwasser so den Toten sprengend
Ruf ich dich Vater : Vater, hilf uns du.
Mir und Orestes, zu des Hauses Herrschaft.
Jetzt irren wir im Leben wie verkauft
Von unserer Mutter, die den Mörder sich,
Aigisthos, hat zum Manne eingetauscht.
Ich bin gleich einer Magd. Orestes darbt.
Vom väterlichen Gut verbannt. Und sie
Prassen in Wollust jetzt in deinen Schätzen.
Es mög' Orestes glücklich wiederkehren,
Das fleh' ich, Vater, und du höre mich.
Mir aber gib, dass ich unsträflicher
Als meine Mutter sei und frommen Tuns.
So viel für uns. Doch unsern Feinden, fleh ich,
Möge dein Rächer, Vater, bald erstehn.
Der wieder tötet, die getötet haben.
— Mit solchem Flehen giesse ich den Trank.
Doch ihr lasst lauten Klageruf erblühen
Im Totenpäan, wie der Brauch es will.
Während sie den Wein ausgiesst spricht der Chor.
75
CHOR,
Lasst rinnen die Zähren,
Ertöne die Klage,
Töne und sterbe
Dem Herrn, der starb.
Zur Stätte der Schmerzen,
Zum Hügel der Ehren,
Wir schütten die Güsse,
Wir sühnen die Schuld.
Höre uns, hör uns,
Herr und Gebieter du.
Hör unsre Klagen
Aus trübem Gemüt.
Weh uns ! weh, wehe uns ! weh !
Wann naht er dem Hause,
Der Lanzenschwinger,
Der Rächer, der Sieger,
Den Bogen in Händen,
Und treffende Pfeile
Zum Kampfe befingernd.
Die Schärfe des Stahles
Am Griffe gefasst.
- 7^
77
ELEKTRA.
Sich aufrichtend.
Zum Vater drangs. Die Erde schlürft es ein.
Sie bemerkt auf dem Grabhügel die Locke des Orestes,
Nun Steht mir bei in einer neuen Sorge.
CHORFÜHRERIN.
Sprich doch. Erwartungsvoll pocht mir das Herz.
ELEKTRA.
Hier find ich diese abgeschnittene Locke.
CHORFÜHRERIN.
Ist's eines Mannes, ist es Mädchenhaar?
ELEKTRA.
An Farbe ist es völlig gleich dem meinen.
CHORFÜHRERIN.
Wär's von Orest ein heimlich Weihgeschenk?
ELEKTRA.
Gewiss. So ist sein Haar. So müsst es sein !
«
CHORFÜHRERIN.
Wie hat er es gewagt, hierher zu kommen ?
>
ELEKTRA. . '
Er sandte seinem Vater diese Spende.
CHORFÜHRERIN.
Nur um so trüber macht uns, wenn du recht hast,
Und nimmer er zum Heimatlande kehrt.
?
.
ELEKTRA.
Auch meine Seele wogt in Aengsten auf.
Mein Herz ist wie von einem Pfeil durchschossen.
Und durstige, ungehemmte Tropfen stürzen
Aus meinen Augen mit dem grossen Strom,
Beim Anschaun dieser Locke. — Ja, wo wäre
Sonst einer noch, der sich zu ihr bekennte?
Und ganz gewiss schnitt nicht die Mörderin
Dies Haar sich ab, die falsche Mutter, die
Uns Kindern höchst unmütterlich gesinnte.
Doch darf ich deshalb schon dem Wahne trauen,
Es rühre dieses Pfand von meinem liebsten
Bruder Orestes — wenn der Wahn auch süss.
Ach!
Könnte sie zu mir sprechen, diese Locke,
Als eine Botin mich vom Zweifel lösen,
Dass mit Gewissheit ich ausspeieii kann.
Wenn sie von eines Feindes Haupt geschoren,
Dass sie, wenn mir verwandt, mittrauerte.
Das Grabmal schmückend und den Vater ehrend.
— Die Götter fleh ich an. Sie wissen ja,
In welchen Stürmen wir, wie arme Schiffer
Umirren. Soll von ihnen Rettung nahen,
Wächst leicht aus kleinem Keim ein grosser Stamm,
Sie bemerkt am Boden die Fusstapfen der beiden Freunde,
/
h
- 78 -
Und hier, die Tritte! Seht, ein neues Zeichen!
Von gleichen Füssen und den meinen ähnlich,
Dort die von ihm, dort des, der mit ihm kam.
Der Ferse Abdruck mess' ich und des Spanns;
Sie stimmen überein mit meinem Fusse,
Mein Herz zerspringt. Mein Geist verfinstert sich.
OresUs und Pylades sind bei den letzten Versen aus ihrem Ver-
steck getreten. Sie bemerkt sie jetzt erst, erschrickt beim Anblick
der fremden Gesichter und tritt einen Schritt zurück.
DRITTE SCENE
ORESTES. PYLADES. ELEKTRA. CHOR.
ORESTES.
Fleh zu den Göttern, dass sie alles dir.
Wie diesen Wunsch an mir, erfüllen mögen.
ELEKTRA.
Und was erlangt ich denn von ihrer Huld?
ORESTES.
Es steht vor dir, den du so heiss erflehtest.
ELEKTRA.
Ich kenn dich nicht. Du sinnst wohl auf Betrug.
ORESTES.
Das war, als wollt' ich selber mich betrügen.
ELEKTRA.
Verspottest du in meinem Elend mich?
— 79 —
ORESTES.
So spottet ich ja über eignes Leiden.
ELEKTRA.
So bist du's wirklich? Nenn ich dich Orestes?
ORESTES.
Nun du mich leiblich siehst, kennst du mich nicht.
Und vorher, wie du meine Locke nur
Und meines Fusses leichte Spur bemerktest.
Flogst du empor und glaubtest mich zu sehn.
Da sieh den Schnitt, an den die Locke passt,
Schwester, auf meinem brüderlichen Scheitel.
Sieh diesen Mantel, deiner Hände Werk,
Den Saum und Einschlag und der Tiere Bilder . .
Sie umarmen sich.
Bezwinge deine Freude. Fasse dich.
Denn bittere Feindschaft droht uns von den Nächsten.
ELEKTRA.
O süsse Sorge deines Vaterhauses,
Betränte Hoffnung auf bewahrten Samen,
Kraft, die des Vaters Reich zurückgewinnt !
Du süsses Auge, vierfach teuer mir,
Denn sieh, hinfort muss ich dich Vater nennen
Und Mutter (denn die Mutter hass ich), dir
Fliesst alle Liebe zu. Du bist mir Schwester
Statt jener, die sie grausam schlachteten.
8o —
— 8i —
1
Mein Bruder bist du, der mir Recht verschafft
Einzig in aller Welt. — Nun helfen Recht
Und Kraft und Zeus, der höchste, dir zum Werke.
ORESTES.
Zeus, Zeus, schau du auf uns und unsere Not.
Sieh die verwaiste Brut des starken Aars,
Der in den Ringen und Umwindungen
Der bösen Schlange umkam. Blasser Hunger
Quält die Verlassnen, denn sie sind zu schwach,
Des Vaters Beute nach dem Nest zu tragen.
So sieh uns hier, verwaist und vaterlos.
Mich und Elektra, diese meine Schwester,
Beide vom väterlichen Haus verjagt.
Wenn du nun eines solchen Opfrers Kinder
Wie meines Vaters, der dich hoch geehrt,
Verderben lässt, wer soll dir künftig opfern?
Wenn du des Aars Geschlecht vertilgt, wer brächte
Den Menschen noch dein Zeichen? So wird dies
Geschlecht, wenn du es ganz verdürrst, dir nimmer
Altäre richten an den Opfertagen.
So hilf uns. Und mit kleiner Mühe hebst
Dies Haus du auf, das jetzt so tief gestürzt.
CHORFÜHRERIN.
O Kinder, letzter Stern und Hoffnung ihr
Des Hauses, schweigt, dass niemand euch belausche,
Der dann, ihr Lieben, alles hinterbringt
Den Herrschern. — Ah, erlebt ich's, ihre Leichen
In Qualm und Feuer noch verbrannt zu sehn.
ORESTES. '
Des grossen Pythiers Spruch wird mich nicht täuschen,
Der mir dies Unternehmen auferlegt, ''
Mich laut aufrufend und entsetzliche
Qual meinem brennenden Gemüte dräuend^
Wo ich des Vaters Mörder nicht verfolge.
Die ich in gleicher Weise töten soll.
Entrüstet jede andre Busse weigernd.
Am eignen Leibe, sprach er, würde ich
Der Feinde Schonung sonst zu büssen haben.
Und wies die Uebel alle, die aus Gräbern
Der Toten dröhn und Fluch und Krankheit mir:
Aussatz, der scharfen Zahns ins Fleisch sich wühlt.
Des Körpers frühre Schönheit ganz verzehrend.
Und der die Haut bedeckt mit weissem Schorf,
Und andre Plagen der Erinyen viel.
Die ungerächtes Vaterblut erzeuge.
Der Unterirdischen finsteres Geschoss,
Der Toten des Geschlechts, die Rache fordern.
Sprach er, treibt, hetzt, verjagt von Stadt und Haus
Mit ehrner Geissei dann den Schmachbeladnen.
Und solchem ist kein Anteil mehr am Krug,
VoUmocller, Orestic 6
<ai L
— 8z —
Am Guss nicht mehr der ausgesprengten Spende.
Vom Altar treibt der unsichtbare Groll
Des Vaters ihn und Gastschaft beut ihm keiner,
Bis ehrlos, freundlos, wenn die Zeit erfüllt.
Verdorrt, verzehrt er bösen Tods gestorben.
— Wer weigert solchem Spruch Gehorsam wohl?
Und wollt' ich's: nach Vollendung schreit die Tat.
Denn, viele Triebe treiben hier vereint:
Des Gottes Wort, Zorn um des Vaters Tod,
Es spornt die bittre Armut selbst mich an.
Auf dass nicht Argos ruhmbedecktes Volk,
Dess' Heldenmut einst Troja überwunden, .
Jetzt zweien Weibern untertänig sei.
Ein Weib ja ist er. Bald wird er's bewähren.
CHOR.
Ach, erlebt ich es doch.
Flammende Lieder zu sagen.
Liegt der Mörder erschlagen.
Liegt verröchelnd das Weib.
Was verhehl ich es noch!
Weg mit feigem Betrüge:
Schäume vom rauschenden Buge
Rollender, grollender Hass!
ELEKTRA.
Wann, allmächtiger Zeus,
- 83 -
Reckst du die Hand zum Werke,
Ihre Häupter zerschellend.
Hellend das Land?
Helft mir zum Rechte I — Hört,
Erd' und höllische Mächte !
CHORFÜHRERIN.
Todestropfen zur Erde gesprengt
Müssen andere Tropfen stillen,
Mord ruft die rächenden Geister zuhauf.
Die um der früher verblichenen willen
Neues Unheil auf altes laden.
ORESTES.
Auf ihr Herrscher der nächtigen, grossen
Reiche, ihr mächtigen Flüche der Toten,
Schaut die Neige von Atreus Stamm,
Vom Hause verscheucht,
Verzweifelt, Verstössen.
ELEKTRA
zu den Frauen.
Was sollen wir sagen?
Und wie ihn erschüttern?
Nennt ihm die Plagen all',
Die wir erlitten,
Die sie uns tat.
Sollen wir's tragen noch.
4
'I
vi
— 84
Frommte beschönen noch?
Wilder als Wolfsgemüt
Ist unsrer Mutter grimmiges Herz.
CHOR.
Wir schlugen die Schläge, wir sangen die Sänge,
Wir hielten die Bräuche der Klagefrauen
Von Kissia wohl.
Es flogen die Fäuste von jeglicher Seite,
Von unten von oben, ein Regen von Schlägen,
Darunter erdröhnte das schmerzlich getrofl^ne
Unselige Haupt.
ELEKTRA.
Feindliches Weib, weh!
Rasende Mutter, weh!
Wie man im Feld die Toten eingräbt.
Ohne Bürgergeleit,
Ohne Trauergepräng,
Ohne Klagelied hast du den Gatten verscharrt.
CHOR.
Grausam erschlagen, grausam bestattet.
Verstümmelt hat sie ihn, dass ihr es wisst.
Des Sohnes Leben auf ewig zerstörend noch.
Tat sie, ersann sie (hörst du? so höre doch!)
Deinem Vater die letzte Schmach.
- 85 -
ELEKTRA.
Ihr redet vom Vater, Wer redet von mir?
Verlacht, verachtet lag ich im Winkel,
Weggesperrt wie ein bissiger Hund.
Zu lachen verlernt ich, doch hielt ich^s zu Ende
Mein einzig Ergötzen: strömende Tränen,
Heimlich geweint.
Nun weisst du's. Nun denke daran.
CHOR.
Das Ohr durchbohre
Und dringe das Wort dir
Ins innerste Mark.
Nun weisst du's. Und unter dem Boden
Wartet der Tote.
Nun gilt kein Zaudern, nur treffen und Schlag.
ORESTES.
Nun habt ihr mir alles
Schande und Schmach mir genannt.
Weh.
Des Vaters Schändung
Soll sie mir büssen,
Das helfe die Gottheit,
Das helfen mir diese Hände :
Ich will es vollenden — und sterben.
Alle treten im Kreis um Orestes zusammen.
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— 86 —
■
ORESTES.
Geist meines Vaters, steh den Deinen bei.
ELEKTRA.
Vater, vernimm auch meinen Ruf durch Tränen.
CHOR.
Hör uns, steige zum Licht,
Hilf uns wider die Feinde.
ORESTES.
Kampf gegen Kampf jetzt, und Recht gegen Recht.
ELEKTRA.
Ihr Götter, auf, zum endhchen Gerichte.
CHOR.
Schauer durchrinnt mich
Bei solchem Beten.
Gebete wecken,
Was lauert und schläft.
Die beiden Geschwister treten auf den Grabhügel, Der Chor
umringt sie und singt:
Eingestammter Verderb,
Hässliches, schwärendes Mal,
Grässlicher, kläglicher Schlag:
Weh, unsäglicher Jammer !
Weh, unerträgliche Qual !
- 87 -
Aus dem Geschlechte selbst
Kommt dem Hause der Retter
Wächst der Wunde das Heil :
Von blutiger Schneide, von scharfem Beil.
Hört uns, untere Götter !
ORESTES
an das Grab klopfend,
O mein unköniglich erschlagener Vater,
Hilf du zur Herrschaft mir in deinem Reich!
ELEKTRA
ebenso.
Mir, Vater, hilf zu Hausstand und Gemahl,
Wenn wir den Mörder dir getötet haben!
ORESTES.
Dann sollst du reiche Totenmahle haben.
Doch sonst bleibst ungeehrt du, wenn den andern
Toten der fette Opferbrodem steigt.
ELEKTRA.
Auch ich will dir von meiner Mitgift dann
Am Tag der Hochzeit reiche Spenden tun,
Dein Grab vor allen andern Gräbern ehrend.
ORESTES.
Gib, Erd, ihn los, dass er mich kämpfen sehe 1
ELEKTRA.
Persephoneia, gib uns Kraft und Sieg!
Ulj iil mmmmmin
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— 88 —
ORESTES.
Denk, Vater, an das Bad, drin sie dich schlugen.
ELEKTRA.
Denk an das Netz, das sie für dich erfand.
ORESTES.
Die Fesseln, nicht von Erz, drin sie dich fing.
, ELEKTRA.
Die schmähHch ausgesonnene Umschlingung.
ORESTES.
Ruft solche Schmach dich nicht vom Schlafe, Vater?
ELEKTRA.
Hebst du nicht auf zu uns dein teures Haupt?
ORESTES.
Heiss die Vergeltung selber mit uns streiten,
Gib, dass wir sie mit gleichen Listen fahn,
Wenn du in uns noch einmal siegen willst.
elektra!
Hör, Vater, du mein letztes Schreien. Sieh
Die Küchlein hier auf deinem Grabe sitzen :
Erbarm des Knaben und des Mädchens dich.
ORESTES.
Und lass des Pelops Samen nicht erlöschen,
Dass du nach deinem Tod noch weiterlebst.
A
^\
- 89 -
ELEKTRA.
Kinder sind ja der Toten Namensretter.
Wie Korke sind sie an den Fischernetzen
Und halten hoch das Garn vom Meeresgrund.
ORESTES.
Erhör uns. Denn wir jammern ja um dich.
Dir selbst zum Heile sollst du uns erhören.
CHORFÜHRERIN.
Dass ihr so lange klagt will ich nicht tadeln,
Nun ihr dies dürre Grab mit Tränen ehrt.
Zu Orestes.
Doch da du nun zur Tat dein Herz gerichtet
Trau deinem Dämon und vollende sie.
ORESTES.
I
Es sei. Doch eine Frage erst, die nah liegt.
Was schickt sie diese Spenden? Wess Gebot
Heisst spät sie noch das Unsühnbare sühnen,
Dass sie dem Toten so verächtliche
Gaben gesandt? Wo finde ich den Sinn
Von dem Geschenke? Deckts etwa die Schuld?
Und schüttet einer seine ganze Habe
Für eines Menschen Blut: Ja reicht' das hin I
Sag du mir denn, was du darüber weisst.
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— 90 —
CHORFÜHRERIN.
Ich weiss darum, da ich's mit angesehn:
Von Träumen und Erscheinungen geschreckt,
Schickt die Verruchte uns mit diesen Spenden.
ORESTES.
Weisst du denTraum? Kannst du ihn mir beschreiben?
CHORFÜHRERIN.
Ihr däucht', dass eine Schlange sie gebar.
ORESTES.
Und weiter dann. Wie endete der Traum?
CHORFÜHRERIN.
Sie legt das Tier in Windeln wie ein Kind.
ORESTES. '
Mit welcher Nahrung aber nährte sie's?
CHORFÜHRERIN.
Ihr war, sie reiche selbst dem Tier die Brust.
ORESTES.
Und blieb ihr Busen heil vom Schlangenzahn?
CHORFÜHRERIN.
Der Milch vermengt strömte geronnen Blut.
ORESTES.
Nimmer ist solch ein Traum bedeutungslos.
>
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4
— 91 —
CHORFÜHRERIN.
Hell schrie sie vor Entsetzen auf im Schlaf.
Viel Fackeln, die schon ausgelöscht zur Nacht,
Flammten im Hause auf der Herrin wegen.
Und nun schickt sie durch uns den Totentrank,
Davon der Schrecken Stillung sich erhoffend.
ORESTES.
So wünsch' ich, bei der Erde und dem Grab
Des Vaters, dass der Traum sich mir erfülle.
Und meine, dass dies ganz so kommen muss:
Denn wenn die Schlange, die demselben Schoss,
Wie ich, entsprungen und in meine Windeln
Gewickelt ward, jetzt aus der gleichen Brust,
Die mich genährt, sich Bkit sog mit der Milch,
Dass jene ganz entsetzt vor Schrecken aufheult.
So muss sie, die solch Graungezücht gebar.
Gewaltsam sterben. Ja, der Wurm bin ich.
Ich will sie töten wie*s der Traum verkündet
Und euch ruf ich zu Zeichendeutern an.
CHORFÜHRERIN.
Also gescheh' es. Aber sag uns noch,
Welch Teil am Werke du uns zugewiesen.
ORESTES.
Hört mich: Du, Schwester, geh ins Haus zurück
u
I
!l
— 91 —
Und lass sie nichts vom Vorgefallnea merken,
Dass wie mit Arglist sie den Edeln schlugen,
Durch List sie sterben in demselben Garn,
Dies hat uns ja der Pythier zugesagt,
Apollon, dessen Sprüche nie getrogen.
— Ich selber komme wie ein fremder Wandrer
Ans Burgtor dann, mit diesem meinem treuen
Freunde und Waffenbruder Pylades.
Und beide reden wir in Phokermundart
Wie man am Abhang des Parnassos spricht.
Da wird wohl kaum ein Pförtner freundlich uns
Auftun, denn ganz im Argen liegt dies Haus.
Wir warten ruhig, bis sich einer zeigt.
Der am Palast vorübergeht und spricht:
Wie lässt Aigisthos Fremde vor dem Tor stehn
Wo man doch weiss, dass er zu Hause ist?
Hab ich dann erst die Schwelle überschritten
Und find ihn sitzend auf des Vaters Thron
Oder tritt selbst er vor und richtet mir
Den Blick ins Antlitz — dess versichr' ich euch,
Eh er nur sagt: ,wess Landes und woher?'
Tu ich ihn ab mit dem geschwinden Stahle.
So wird Erinnys, der es nie an Mord
Gemangelt hat, den dritten Bluttrank trinken.
Zu Elektra.
tf I
9
— 93 —
Du hab auf jedes Ding im Hause acht,
Dass alles sich nach Plan und Absicht füge.
Zum Chor.
Und euch ermahn ich, wahret eure Zunge,
Schweigt, wo es not, und sprecht zur rechten Zeit.
— Das andre leg ich in des Gottes Hände,
Der mich zu diesem Kampf berufen hat.
Ab mit Pylades,
CHOR.
Es nährt die Erde der reissenden Schrecken viel, -
Viel Ungeheuer die tiefen Buchten der See,
Den Sterblichen feind.
Es stürmen hoch im luftigen Räume gehängt
Die himmlischen Wetter. Und das Gevögel der Luft,
Des Feldes Getier, sie kennen das Toben
Stürmender Windsbraut.
Doch wer mass je die wagende Kühnheit des Manns,
Wer hat je des trotzigen Weiberherzens
Vermessene Brünste erschöpft.
Die zum menschlichen Elend gesellt sind.
Brunst beherrscht die weibliche Art,
Brunst zersprengt den geweihten Verein
Bei Menschen und reissenden Tieren.
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4^
V
— 94 —
Und höre ein jeder,
Der flatternden Sinns nicht und Torheit voll,
Welche Brandtat dem eignen Sohn zum Verderben
Die unglückselige Mutter
Althaia geübt.
Da sie das schwärzliche Scheit entzündet.
Das einst dem neugeborenen, wimmernden
Kinde die grauen Mütter
Zum Altersgenossen
Und Lebensmasse
Und Endziel der Tage gesetzt.
Und hassen s wert auch
Die Skylla, blutige Tochter sie,
Die dem Feind zu Gefallen
Den teuren Helden verriet, \
Durch des kretischen Minos köstliches, goldgefasstes
Halsband verführt.
Denn da Nisos, ihr Vater, ruhig atmend
Im Schlaf lag, schnitt listig die Hündische ihm
Der Unsterblichkeit Locke ab und Hermes
Raubte die Seele.
Vor allen Greueln ragt der lemnischen Weiber
Männermord, dem keiner lebend entrann.
— 95 —
Und mit Recht möcht' einer die Freveltat hier
Lemnische heissen. Von Göttern verdammt.
Sinkt ein Geschlecht in der Menschen Gedanken.
Ehrte man noch, was den Göttern verhasst ist?
Sprech ich nicht recht ? ^
VIERTE SCENE
Verwandlung, Der Palast in Argos. — Später Abend.
ORESTES. PYLADES. DIENER. ,
ORESTES
;;;/V Pylades von links auftretend.
He, Pförtner, auf! Am Hoftor wird geklopft.
Ist niemand da? Auf, sag ich, auf! Ist niemand
Daheim? Und jetzt zum drittenmal: macht auf.
Wenn bei Aigisthos noch Gastfreundschaft gilt!
STIMME DES DIENERS.
Ich höre schon. Wer seid ihr? Und woher?
ORESTES.
Geh, meld' mich deiner Herrschaft. Sag, ich komme
Mit grossen Neuigkeiten. Spute dich.
Schon führt die Nacht ihr schwarz Gespann herauf
Und um die Stunde ist's, wo Wandrer gerne
Bei gastlichem Gehöft vor Anker gehn.
— Schick jemand von der Herrschaft selbst heraus.
Gut, wenns die Hausfrau ist. Der Herr noch besser.
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- 96 -
Denn Rücksicht macht die Worte doch nur dunkel,
Und Mann zu Mann spricht frei und deutlicher.
Klytaimnestra mit Gefolge aus dem Frauensaal,
FÜNFTE SCENE
KLYTAIMNESTRA. ORESTES. PYLADES. CHOR.
KLYTAIMNESTRA.
Sagt, Fremdlinge, wess' ihr bedürft. Es bietet
Das Haus euch, was ein Gast erwarten mag:
Ein warmes Bad, geziemende Gewandung
Und die Erquickung weicher Lagerstatt.
Liegt mehres euch noch an, das Rat erheischt,
So sind da Männer, denen gern ich's melde.
ORESTES.
Ich bin ein Fremder, aus dem Phokischen,
Von Daulis. Wie ich jetzt mit meinem Ranzen
Gen Argos wanderte — denn hierher wollt ich —
Traf unterwegs ich einen Unbekannten,
Und als wir, einer nach des andern Ziel,
Uns ausgefragt, sprach Strophios von Phokis
— So nannt er sich — , mein Freund, dieweil du doch
Nach Argos gehst, so melde dort den Eltern,
(Behalt es wohl) Orestes sei gestorben.
Und bring Bescheid mir, wenn du wiederkehrst.
Ob seine Asche ich den Seinen senden,
I
— 97 —
Ob ich ihn dauernd hier bestatten soll.
Jetzt ist sein Staub in einem ehernen Krug
Nach feierlichem Totenfest verschlossen.'
KLYTAIMNESTRA.
Weh mir! Von Grund aus nun und ganz zerstört!
Uralt, unseliger Dämon dieses Hauses,
Wie spähst du aus, was doch geborgen schien.
Und triffst mit sichern Pfeilen das Entfernte.
Wie hast du ganz von Kindern mich entblösst!
Nun auch Orestes, der zum Glücke doch
Dem Schlamme des Verderbens fern geblieben!
Er, schönster Freuden und des Heils Gewähr,
Lächelnde Hoffiiung — und du löschst sie aus.
ORESTES.
Mit bessrer Botschaft hätt' ich wohl gewünscht,
In ein so hochbeglücktes Haus zu treten
Und Gastschaft zu empfangen, denn wer hegte
Dem Gastfreund bessre Wünsche als der Gast.
Doch hätt ich gottlos mich genannt im Herzen,
Wo ich dem Hause dies nicht angesagt.
KLYTAIMNESTRA.
Nicht weniger soll dir werden, was dir ziemt.
Noch sollst du minder uns willkommen sein.
Wenn du nicht, bracht' ein andrer doch die Kunde.
Vollmoellcr, Orestic 7
M
4
1,
I i
— 98 -
— Doch nun ist's Zeit, dass ihr, vom langen Weg
Erschöpft und matt, das nötige erhaltet.
Zum Diener.
Du fuhr den Fremden in die Gästehalle
Und seinen Freund und Weggenossen mit.
Lass ihnen reichen, wess' der Leib bedürftig,
Und rieht es bestens aus. Du stehst dafür.
— Ich gehe diese Nachricht kund zu tun
Dem Herrn des Hauses. Denn an treuen Ratern,
Die uns in diesem beistehn, fehlt es nicht.
Der Diener geleitet Orestes und Pylades durch das Haupttor in
die Halle. Klytaimnestra kehrt in den Frauensaal zurück.
CHORFÜHRERIN.
Auf, Freundinnen, auf!
Ihr Dienenden all, nun erweiset, wenn je.
Der Gebete Kraft für Orestes!
CHOR.
O heilige Erde, o heiliger Hügel,
Dem Herren der Schiffe zum Grabe geschüttet,
Dem fürstlichen Toten zum Male erhöht.
Nun helft uns und hört: *'
Es helfe uns Peitho mit Ränken und Listen,
Es helfe uns Hermes, der untere, nächtige,.
Helfe den beiden und leite im Streite
Das tötliche Schwert.
Die Amme Kilissa aus dem Frauengemach.
%
IL
i=<ifc.
— 99
SECHSTE SCENE
AMME. CHOR.
ERSTE DIENERIN.
Die Fremden haben Unheil scheints gebracht,
Da kommt laut weinend des Orestes Amme.
ZWEITE DIENERIN.
Wohin so rasch, Kihssa? Was geschah,
Dass du so aus dem Hause läufst und jammerst?
DIE AMME.
Die Herrin will, ich soll ihr den Aigisthos '
Schleunig herrufen, dieser Fremden wegen,
Dass er herkomme und die neue Botschaft > . <
Aus ihrem Munde höre, Mann vom Mann. 1
Und vor den Dienern sieht sie finster drein j -
Und hält das Lachen noch. Ihr ist ja alles '
Zum besten ausgeschlagen. Doch für uns •
Ist's hart genug, was diese Fremden brachten.
Aigisthos freilich wird sich höchlich freun.
Wenn er's erfährt. Oh weh mir! Gott, mein Gott!
Dass doch von jeher soviel Bitterkeit
In diesem Haus mir auszutrinken ward.
Und immer neues Leid und neues Herzweh.
So schlimm wie diesmal aber war's noch nie.
Das andre hab ich immer noch getragen —
• I
II
1'
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i .
I
— 100 —
*
Doch jetzt! Orestes . . hu . . mein Herzenskind,
schluchzt
Das ich genährt, wie's von der Mutter kam.
Und Unruh nachts und Schrein und hin und her
Und Sorgen ohne End. Und das jetzt alles
Umsonst! Da zieht man so ein Kleines auf
In seiner Unvernunft. Da hilft das nichts.
Es redet ja noch nicht, so ein Wickelkind,
Wenn's essen, trinken oder wässern möchte.
So ein kleiner Magen ist recht eigensinnig.
Da heisst's erraten und oft gehts dann schief.
Glaubs wohl, dann heisst es tüchtig Windeln waschen,
Und ein Geschäft heisst Wäschrin sein und Amme.
Die doppelte Hantierung hatt' ich immer.
Seit ich das Kind vom Vater überkam.
Jetzt hör ich, armes Weib, das Kind ist tot,
Und muss noch zu des Hauses Schänder laufen,
Der sich im Herzen freut, wenn er's erfährt.
CHORFÜHRERIN.
Wie, sagt sie, soll er kommen? Mit Gefolge?
AMME.
Mit seinen Lanzenträgern, sagte sie.
CHORFÜHRERIN.
Beileib, sag dem Tyrannen nichts davon !
(
lOI
Nur er allein soll kommen, zum Gespräch,
Ganz unbesorgt. Geh rasch und freue dich.
Die Botschaft macht oft ein verschwiegenes Wort.
AMME.
Ihr scheint recht frohgemut bei diesen Dingen.
CHORFÜHRERIN.
Mag sein, dass Zeus dem Leid ein Ende setzt.
AMME.
Jetzt wo Orestes, unser Hoffen, tot ist?
CHORFÜHRERIN.
Geh hin und sag und tu wie ich gesagt.
Die Götter sorgen, wie sie sorgen wollen.
Amme ab nach rechts.
ERSTER HALBCHOR.
Zeus, erhöre mein Flehn,
Du der seligen Götter Vater!
Wollest Gelingen verleihn.
Wollest Erfüllung geben,
Sieg des Rechtes zu sehn,
Da fürs Recht vv'ir einzig bitten und schrein. —
Wahre sein Leben. , * ;
CHOR.
Wollest ihn über die Feinde stellen,
Zeus !
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— I02
Wollest ihn gross und herrlich erhöhn,
Zeus !
Dass er einst zweifach und dreifach
Dir's mit dampfenden Opfern löhne.
ZWEITER HALBCHOR.
Die im innersten Haus
Ihr die gehäuften Schätze behütet,
Geister, freundliche, hört:
Helft der vergangenen Greuel geronnenes
Blutmal lösen in frischem Blut.
Und der alte Mord zeuge nicht weiter.
ERSTER HALBCHOR.
Und du, Herr der delphischen Kluft,
Herrscher ApoUon. .
Gönn diesem Haus, das Haupt zu erheben, ,,
Lass es der Freiheit Licht .
Nach dem Dunkel der Knechtschaft erblicken.
ZWEITER HALBCHOR. '
Du vor allen Göttern geschickt.
Kühner Tat Gelingen zu geben,
Hilf uns, der Maja Sohn!
Listiger Hermes, verschleierter Worte volL
Nacht und Schatten legst um die Augen du
Und täuschst auch am strahlenden Tage.
!l* » J > l. l ".llM.t, !*- ."
— 103 —
CHOR.
Wir Frauen aber scheuchen mit Schreien dann
Die feindlichen Geister und stimmen ein kräftiges
Zauberlied an.
Mit Zithern und Zymbeln klingen wir, singen wir
Glück blüht für Argos heut.
Glück auch für uns.
Unheil fliehe von dannen!
Doch du, wenn die Stunde genaht,
Wappne mit Mut dich, o Sohn!
Wimmert sie 'Kind' dann, 'mein Kind',
Dröhn ihr ins Ohr 'denk des Vaters'
Und vollstrecke die Tat.
Atgisthos von rechts.
SIEBENTE SCENE
AIGISTHOS. CHOR.
AIGISTHOS.
Da bin ich denn. Man ruft mich, schickt mir Boten.
Ich höre, fremde Männer seien da,
Mit neuer Botschaft, keineswegs erfreulich,
Vom Tode des Orestes : Dies ein neuer
Blut'ger Verlust dem Haus, das doch genug
Von frührem Mord entgliedert und zerfleischt ist.
Nenn ich es wahr und glaube ich daran?
/
lO.
Sind's Weiberreden nur, der Furcht entsprungen,
Die in den Lüften flattern und vergehn?
Könnt ihr darüber etwa Auskunft geben ?
CHORFÜHRERIN.
Wir hörten wohl darum. Doch geh hinein
Und frag die Fremden selbst. Was nützt mein Wort,
Wenn drin du's Mann vom Mann erforschen kannst.
AIGISTHOS.
Ja, sehn will ich den Fremden und ihn prüfen,
Ob bei dem Tod er selbst zugegen war.
Ob er nur dunkle Kunde weiterträgt.
Und meinem Scharfblick soll er nichts verbergen.
Er tritt durchs Haupttor in den Palast.
CHOR.
Zeus! Zeus! Wo find ich die Worte!
Gebet und Beschwörung, wie heb ich sie an?
Gib du Erhörung,
Gib du der Treue das rechte Wort!
Jetzt fällt der Schlag, jetzt entscheidet der Stahl,
Vom Männerblute gerötet, ,
Ob, völlig vertilgt, Agamemnons Geschlecht
Für immer verschwinde.
Ob der Rächer Feuer und Flamme entzünde
Der Befreiung jetzt, und die Herrschaft der Stadt
-^
t
— lOJ —
Mit des Vaters Schätzen erwirbt. —
Zu solchem Ringen betritt jetzt den Plan
Mit zweien Feinden der göttliche Kämpfer,
Orestes. Ihm bleibe der Sieg!
STIMME DES AIGISTHOS
aus dem Innern des Palastes.
Weh, weh mir! Weh!
CHOR.
Hörtet ihr? Hört!
Was nun? Ist's drinnen zu Ende?
CHORFÜHRERIN.
Kommt mit zur Seite, bis dies ganz vorbei,
Dass wir nicht unnütz hier Verdacht erwecken.
Denn jetzt beginnt des Kampfes letztes Stück.
Der Chor tritt zu beiden Seiten ab. Die verdunkelte Bühne bleibt
einige Augenblicke leer. Dann stürzt der Diener aus der Mittel-
tür des Palastes in den Hof.
ACHTE SCENE
DIENER. SPÄTER KLYTAIMNESTRA.
DIENER.
Weh mir! Man hat den Herren umgebracht.
Weh! Und noch einmal weh! Und noch einmal!
Aigisthos ist ermordet!
Er lauft an die Tür des Erauensaals und pocht.
Macht doch auf!
I I
— io6 —
Macht rasch und tut den Balken von der Tür
Des Fraungemachs. Jetzt braucht es starke Arme.
Doch schliesslich hilfts dem Toten auch nicht mehr.
Jo! hailoh!
Red ich zu tauben? Schlaft ihr alle denn?
Schrei ich umsonst? Wo ist denn Klytaimnestra?
Was säumt sie? Ja mich dünkt, jetzt liegt ihr Nacken
Bald auf dem Block für den gerechten Streich.
Klytaimnestra öffnet die Tür.
KLYTAIMNESTRA.
Was ist geschehn ? Was schreist du so durchs Haus ?
DIENER.
Die Toten morden die Lebendigen.
KLYTAIMNESTRA.
Weh mir.' Dein Rätselwort versteh ich wohl.
Durch List, wie ich getötet, fall ich nun.
Auf] Geb mir einer rasch das Mordbeil her.
Ich will doch sehen, wem der Sieg verbleibt.
So weit ist es nun schon mit uns gekommen.
Orestes und Pylades aus dem Mitteltor.
•^
— 107 —
NEUNTE SOENE
ORESTES. PYLADES. KLYTAIMNESTRA. DIENER.
ORESTES.
Dich eben such ich. Der dort hat sein Teil.
KLYTAIMNESTRA.
Aigisthos, weh, mein liebster Freund erschlagen!
ORESTES.
Dein Liebster? Wohl, im Grab sollst du mit ihm
Zusammen liegen und ihn nie verlassen.
KLYTAIMNESTRA
ihre Brust enthlössend.
Halt ein, mein Sohn, aus Scheu vor dieser Brust,
An der du ehmals sanft und süss entschlummert.
Von der du einstmals süsse Milch gesaugt!
ORESTES
"wendet sich ab. Zu Pylades»
Was tu ich, Pylades! Verschon ich sie?
PYLADES.
Wo bliebe dann des Loxias Verheissung
Und pythisches Orakel und dein Eid?
Mach alles dir zum Feind, doch nicht die Götter!
ORESTES.
Ich fühl es: Du hast recht und mahnst mich wohl.
Zu Klytaimnestra,
\
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— 109
Du, komm ! Dass ich dich neben dem dort töte,
Den du vor meinem Vater ja geliebt.
KLYTAIMNESTRA
in die Knie sinkend.
Ich nährte dich. Nun lass mich bei dir ahern !
ORESTES.
Du bei mir wohnen? Meines Vaters Mörd'rin?
KLYTAIMNESTRA.
Das Schicksal, Kind, trug Schuld an jener Tat.
ORESTES.
So wird es wohl die meine auch verschulden.
KLYTAIMNESTRA.
Weh, achtest du für nichts der Mutter Fluch?
ORESTES.
Der Mutter, die den Sohn ins Elend stiess?
KLYTAIMNESTRA.
Ins Elend — nein, in ein befreundet Haus.
ORESTES.
Zwiefach verkauft des freien Vaters Sohn.
KLYTAIMNESTRA.
Wo ist der Kaufpreis dann, den ich empfing?
ORESTES.
Ich schämte mich, mit Worten ihn zu nennen.
KLYTAIMNESTRA.
So sprich doch auch von deines Vaters Schuld.
ORESTES.
Schilt nicht den Krieger, da im Haus du sassest.
KLYTAIMNESTRA.
Ja, schwer genug die Trennung von dem Gatten
ORESTES.
Des fernen Mannes Mühsal nährt das Haus.
KLYTAIMNESTRA.
So willst du wirklich deine Mutter töten?
ORESTES.
Nicht ich, du selber, Weib, gibst dir den Tod.
KLYTAIMNESTRA.
Gib acht du vor der Mutter grimmen Hunden!
ORESTES.
Wie flieh ich die des Vaters, lass ich dich?
KLYTAIMNESTRA.
Kalt bist du meinen Bitten wie das Grab.
ORESTES.
Des Vaters Schicksal wirkt das deinige.
KLYTAIMNESTRA.
Weh, ich gebar und säugte eine Schlange.
I lO
— III
/l
ORESTES.
Nun wird das Graungesicht des Traumes wirklich.
Du tatst das Unrecht und nun leid es auch!
Er schleppt sie in den Palast. Pylades folgt ihm. Der Chor tritt
von beiden Seiten auf die Bühne zurück.
ERSTER HALBCHOR.
Spät trat die Vergeltung in Priamos Haus,
Schwer schreitend die Göttin der Rache.
Und spät betrat Agamemnons Palast
Das Löwenpaar zum doppelten Mord:
Zum Ziele gelangt der flüchtige Sohn, »
Von Orakeln geführt,
Von den Göttern selber geleitet.
CHOR.
Nun jubelt und jauchzt ob des Hauses Errettung
Von Uebel und Schande, von frechen Vergeudern,
Den Würgern und Schändern, von heillosem Los.
ZWEITER HALBCHOR.
Der den tiefen Spalt am Parnassos bewohnt,
ApoUon der Seher, beim Nabel der Erde,
Hat listigen Betrug
Und spätes Verderben entsendet. —
Hat Göttergebot je zum Frevel geführt?
Drum ehrt die himmlischen Herrscher!
CHOR.
Erschienen das Licht,
Zersprungen die Ketten!
Du Haus der Atriden,
Lang lagst du darnieder.
Nun hebe das Haupt.
ERSTER HALBCHOR.
Bald naht die alles versöhnende Zeit,
Die Schwelle beschreitend, sobald vom Herde
Die Greuel gescheucht
Mit Reinigung, Weihen und Sühnen.
ZWEITER HALBCHOR.
Ach erlebten die Zeit wir .
Der friedlichen Ruhe, ,
Ach käme der Tag bald
Des fröhlichen Rufs:
Die finsteren Geister, sie weichen !
Die Mittcltür des Palastes öffnet sich. Orestes tritt, das Schwert
in der Hand, auf die Schwelle. Am Boden erblickt man die
Leichen des Aigisthos und der Klytaimnestra, darüber gebreitet
dasselbe Gewand, unter dem Agamemnon erschlagen ward
Diener mit Fackeln beleuchten die Scene. Während des folgenden
drängt sich das Volk von Argos in den Palasthof.
r\
T 12 —
ZEHNTE SCENE
ORESTES. PYLADES. CHOR DER BÜRGER VON ARGOS.
ORESTES.
Da seht ihr nun des Lands Tyrannenpaar,
Des Vaters Mörder, des Palasts Verwüster,
Die stolz vereint jüngst auf dem Throne sassen,
Sind jetzt vereint am Boden, wie ihr seht,
Mit gleichem Schicksal und den Eiden treu:
Denn sie verschworen sich zum Tod des Königs,
Wie jetzt zum eignen. Und der Schwur war gut.
Er hebt das Mordgrjoand von den Leichen und zeigt es den Um-
stehenden.
Schaut an, ihr Zeugen dieser blutigen Tat,
Das Tuch der Tücke, meines Vaters Falle,
Drin sie mit Hand' und Füssen ihn verstrickt.
Da, breitet's aus, zeigt es im Kreis herum
Das Menschennetz, damit's der Vater sieht —
Er hält inne.
Nicht meiner. Nein, er, der vom Himmel her
Dies anschaut: dass er am Gerichtstag einst '
Mir dieser Tat Gerechtigkeit bezeuge
An meiner Mutter. Von Aigisthos schweig ich.
Dem Schänder ward nichts weiter als sein Recht.
— Und dieses Weib, die solchen Greul ersann
Dem Mann, von dem sie Leibesfrucht getragen,
— 113 —
(Einst teuer ihr, und jetzt ihr schlimmster Feind)
Wie dünkt sie euch? Nenn ich Muräne sie?
Schlange, die durch Berührung, ohne Biss,
Schon faulen macht: so teuflisch, so verrucht.
Auf das Tuch 'weisend.
Und das! Wie nenn ich es? Gebt mir ein Wort.
Nenn ich's Wolfsfalle, heiss ich's Totenhemd?
Sargdecke? Schweisstuch? oder Jäger netz,
Fussschling und Reusse? Ja so ein Geweb
Stund einem Räuber an, einem der Fremde
Ins Haus sich lockt und tötet und beraubt,
Und so sein Leben fristet. Solch ein Ding,
Hätt er's, könnt ihm wohl reichen Fang verschaffen.
Ein Blick fällt meder auf die Leiche der Mutter. Er macht eine
Bewegung des Abscheus.
Doch so ein Weib, wie die, zur Hausgenossin!
Ihr Götter! Lieber sterb ich kinderlos.
Ein Schauer packt ihn. Er vergräbt das Gesicht in Händen.
CHOR.
Weh des entsetzlichen Werks!
Weh der schaurigen Toten I
Weh.
Nun sprosst schon Leiden dem, der leben blieb,
Vollmocllcr, Orcstic 8
»
- 114 —
ORESTES
'wieder das Gewand ergreifend.
Hat sie's getan? Hat sie es nicht getan?
Der Fleck bezeugt mir's von Aigisthos Schwert,
Der Blutfleck, mit dem Tag des Mords gealtert.
Der viele Farben im Gestick zerfrass . .
Bald lob ich mich. Bald steh ich klagend da
Und starre auf des Vaters Mordgewand,
Mein Tun und Leid und ganz Geschlecht bejammernd
Und mit dem Aussatz dieses Siegs befleckt.
I .
CHOR.
Kein Sterblicher lebt sein Leben in Ruh
Und sorgenlos bis ans Ende.
Weh.
Und ist Trübsal nicht da, so kommt die Trübsal gewiss.
ORESTES
mit deutlichen Zeichen beginnender Zerrüttung.
Und dass ihr wisst . . Was noch? Ich weiss nicht mehr.
Wie wilde Rosse reissen aus der Bahn
Mich willenlosen die entfesselten
Gedanken. Und im Herzen will die Furcht
Ihr Lied anheben schon und grause Tänze.
Drum hört, so lang ich noch bei Sinnen bin:
Zu Recht, sag ich, hab ich dies Weib erschlagen,
Die Vatermörderin, der Götter Greul.
— 115 —
Den Zaubertrank, daraus ich Mut gewann,
Reicht mir ApoUon selbst, der mir verhiess:
Führt' ich die Tat aus, werd ich frei von Schuld sein.
Doch liess ich sie . . nicht nenn ich euch die Strafe,
Fliegt doch kein Pfeil so hoch, als er gedroht.
— So seht mich hier, gerüstet und geschmückt!
Mit diesem Kranz und Oelzweig walle ich
Zum Ort des Erden-Nabels, Loxias Feld,
Zum Feuer, das 'das ewige^ genannt wird.
Das Mutterblut zu fliehn. An seinen Herd
Hat mich Apollons Wille selbst entboten.
Indessen wollet ihr Argeier mir
Bezeugen, wie die Unglückstat erwachsen.
Ich ziehe flüchtig, irr, des Lands verbannt,
Ein Muttermörder — und mein Leben lang
Und nach dem Tod werd ich den Namen haben.
CHOR.
Du hast gerecht getan. Nun öffne nicht
Den Mund zu Lästerung und bösem Fluch.
Du hast dem Schlangenpaar den Kopf zertreten.
Du hast das Land von Argos ja befreit.
ORESTES.
Ha. Ha.
Seht ihr die Weiber dort? Gorgonenhaft
8*
" ii6 —
In Schwarz gehüllt, das Haupt von vielen Nattern
Umzingelt. Meines Bleibens ist nicht mehr.
CHOR. *
Welch Wahnbild schreckt dich, aller Söhne treuster?
Auf, fass dich! Fürchte nichts! Dein ist der Sieg.
«
ORESTES.
Ah, diese Qualen sind kein Wahngebild.
Ich weiss, das sind der Mutter grimmige Hunde.
CHOR.
Vom Blut, das frisch an deinen Händen raucht,
Hat dieser Taumel deinen Geist befallen.
«
ORESTES.
ApoUon hilf! Sie nahn von allen Seiten.
Aus ihren Augen sintert böses Blut.
CHOR.
Eins bleibt dir: Sühnung. Rührst du an den Herd
Apollons nur, so sinken alle Qualen.
ORESTES.
Ihr seht sie nicht. Ich aber seh sie wohl.
Ich kann nicht mehr. Sie jagen mich von hinnen.
Es stürzt nach links davon.
« •
ENDE
PERSONEN
DIE PYTHIAS
APOLLON
ORESTES
DER SCHATTEN DER KLYTAIMNESTRA
CHOR DER ERINYEN
ATHENA
CHOR DER GELEITERINNEN
DIE EUMENIDEN
Vor dem Tempel des Apollon zu Delphi. Morgendämmerung.
Zwischen den Säulen der Vorhalle erblickt man die greise pythische
Seherin mit Stab und Lorbeer, die Arme zum Gebet erhohen.
\
ERSTE SCENE
DIE PYTHIAS.
Zuerst von allen Göttern ruf ich betend
Die Erde an, urältste Seherin.
Themis sodann, die nach der Mutter, heisst es.
Als Zweite auf dem heiligen Stuhle sass.
Sie liess zum dritten dann das Sehertum
Freiwillig einer anderen Titanin,
Der Phoibe, die es zum Geburtsgeschenk
Dem Gotte gab, der nach ihr Phoibos heisst.
— Er schwang von Delos See und Klippe sich
An Pallas segelreichem Strande landend
Und kam von dfort nach des Parnassos Hang:
Von des Hephaistos Kindern fromm geleitet,
Die ihm die Pfade bahnten und zuerst
Ihm hier der Landschaft rauhen Boden zähmten.
Und wie er ankommt, huldigt ihm das Volk
\<i
i
120
IZ I
Samt Delphos, jener Zeit des Landes König,
Und Zeus, mit Kraft und Weisheit ihn begeisternd,
Setzt ihn als vierten ein auf diesem Stuhl.
Des höchsten Vaters Mund ist nun Apollon.
— Vor allen Göttern preist d i e mein Gebet.
Auch Pallas ruf ich, die im Vorplatz steht,
Die Nymphen alle der koryldschen Höhle,
Da Vögel nisten und Gottheiten gehn.
Des Bromios ist der Ort, Ich denke sein.
Wie er anfülirend rasende Mänaden
Den Pentheus einem Hasen gleich erlegt.
Des Pleisthos Quellen und Poseidons Macht
Ruf ich und ihn den Allvollender Zeus:
Dann mag ich gotterfüllt zum Stuhle treten.
Lasst Götter diesen Eingang glücklich sein.
Vor andern ! Sind Hellenen da, so kommen '
Sie nach dem Los, wie unser Brauch, herein.
So wie der Gott mich lenkt, ertönt mein Wort.
Sie tritt ins dunkle Innere des Tempels. Nach einigen Augen-
blicken kommt sie mit Geberden des Entsetzens zurück.
O Graun, zu sagen! Grauen anzuschaun!
Es treibt mich wieder aus des Gottes Haus.
Nicht feststehn kann ich und auch nicht entfliehn.
Die Hand am Stabe trägt mich, nicht der Fuss:
Der Schreck macht Alter hilflos wie ein Kind.
\
i
— Ich tret ins kranzbehangne Heiligtum,
Da seh ich einen Mann am Steine kauern.
Wie ein Unreiner, der Entsühnung heischt:
Voll Blut die Hände und das frische Schwert,
Und hält vom Oelbaum einen schlanken Zweig,
Den er mit lichter Wolle breitem Band
Sorglich umwunden. Ganz so sah ich ihn.
Und um ihn schlafend eine fremde Schar
Von Weibern rings auf Sesseln hingesunken.
Von Weibern sag ich, nein, Gorgonen eher
Und wieder anders als Gorgonen doch.
Die sah gemalt ich, wie dem Phineus sie
Das Mahl wegrauben. Diese Weiber hier
Sind flügellos, doch schwarz und schauerlich.
Laut atmen sie mit ängstlichem Gestöhn
Und aus den Augen träuft es widerwärtig.
Auch ihre Tracht ist nicht die Tracht der Tempel
Noch ziemlich für der Menschen Wohnungen.
Nie sah von solcher Sippe ich ein Volk,
Noch darf ein Land sich rühmen, solch Gezücht
Schadlos und ohne Fluch genährt zu haben.
— Des weitern mag des Tempels starker Herr
Selbst Fürsorg haben, der Gott Loxias.
Er ist Ja Seher, Helfer und Prophet
Und hat der andern Häuser viel entsündigt.
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1 11
Die Pythias enteilt {ittrch die Vorhalle. — Das Dunkel im Innern
des Tempels beginnt sich langsam zu lichten. Man erblickt nach
und nachy "wie aus dem Rauch hervortretend, den grossen weissen
bienenkorbjörmigen Stein, der den Nabel der Erde darstellt^ mit
Binden und Fruchtgewinden geschmückt. An ihn geklammert
Orestes mit Scfrwert und Oelzweig und im Kreis um ihn hockend
die Gestalten der schlafenden Erinyen. Im dunklen Hintergrund
werden plötzlich die beiden Gottheiten, Apollon und Hermes,
sichtbar.
ZWEITE SCENE
APOLLON. HE RMES. ORESTES.
CHOR DER ERINYEN.
APOLLON.
Nie will ich dich verlassen: bis zum Ende
Dir fester Schirm und nah dir, wenn schon fern,
Und nimmer will ich mild sein deinen Feinden.
Schau her, wie sie im Schlaf gebändigt sind
Die Rasenden : Abscheuliches Gezücht -
Ergreister Jungfraun, denen niemand sich,
Kein Gott vermischt, kein Mensch und auch kein Tier.
Zum Arg geboren hausen sie im argen
Düster des Tartaros, im Unterreiche,
Ein Greul den Menschen, wie den Himmlischen.
— Doch du entflieh und lass nicht nach im Lauf!
Durchs weite Festland werden sie dich hetzen,
Durch Länder, die du rastlos irr durchschweifst,
I
Y
— 12} —
Durch Meer und See und flutumrauschte Städte:
Doch du ermatte nicht in Flucht und Mühn
Und kommst zur Stadt der Pallas du, so raste
Am alten Bild und halt es fromm umfasst.
Denn dort will Richter ich und Mittler dir
Und schlichtend Wort in diesem Streit erwecken
Und sollst der Qual für immer ledig sein.
Ich hab dich ja zum Muttermord getrieben.
ff
ORESTES.
Du Fürst Apollon kennst des Rechtes Pfad,
Drum wolle mein zu denken nie vergessen.
Sieh, deine Macht ist mir der Rettung Pfand.
APOLLON.
Vertrau auf mich und lass von aller Furcht.
• \
* ' • ■•
Zu Hermes.
Und du, mein Bruder, Hermes, teures Blut
Von einem Vater, hüt ihn wohl und sei
Geleiter ihm, wie du Geleiter heisst.
Führ meinen Schützling. Denn Zeus selber elirt
Das heilige Schutzamt, das er ausgeliehen.
Die Gestalt des Gottes verschwindet. Hermes fasst Orestes bei
der Hand, durchschreitet mit ihm den Kreis der Erinyen und
führt ihn nach links durch die Vorhalle davon. — Es erscheint
der Schatten der Klytaimnestra.
I ■ W » .i ■•■
124
DRITTE SCENE
DER SCHATTEN DER KLYTAIMNESTRA. CHOR.
DER SCHATTEN.
Ja schlaft nur! He, helft ihr mit Schlafen mir?
So ganz missachtet ihr mich? Und doch fehlt es
Mir für die Tat, die selber ich getan.
An Schmähung nicht im Kreis der andern Toten.
Verachtet bin ich und — ich sag es euch —
Der andern Schatten schwerster Vorwurf drückt mich.
Doch, da mir selbst das grässlichste geworden
Von meinen Nächsten: Ja da grollt kein Gott.
Und schlug mich doch die Hand des Muttermörders.
Sie entblüsst ihre Brust.
Da schaut in eurem Geiste meine Wunden :
Im Schlaf ist ja das innre Auge hell.
Habt ihr nicht Opfer viel von mir geschlürft,
Weinlose Spenden, nüchtern Sühngetränk
Und mitternächtiges Mahl an meinem Herd
Zur Stunde, wo man sonst nicht Göttern opfert —
Und seh nun alles dies in Staub gestampft!
Schon ist er frei und flieht wie eine Hinde.
Ja mitten aus dem aufgestellten Netz
Entsprang er leicht und lacht euch Hohn dazu.
Hort mich! Ich red um meine Seele ja!
i
— 125 ~
Habt Einsehn, Göttinnen vom Reich der Nacht.
Ich ruf euch: Ich, der Klytaimnestra Schatten.
DIEERINYEN
stöhtieu im Schlaf.
DER SCHATTEN.
Ihr stöhnt im Schlaf. Der Flüchtling läuft und flieht.
Ja meine Feinde finden freilich Helfer !
DIEERINYEN
Stöhnen ^wieder.
«
DER SCHATTEN.
Ihr schlummert wohl. Was geht mein Leid euch an.
Derweil der Mörder flieht, der Muttermörder !
DIEERINYEN
ächzen "xieder.
DER SCHATTEN.
Ihr ächzt und schlaft! So rafft euch endlich auf!
Was wirkt ihr denn, wenn ihr nicht Unheil wirkt ?
DIEERINYEN
ächzen lauter.
I
DER SCHATTEN. '
Schlaf und Ermattung, ein verschworen Paar,
Haben die alte Drachin überwältigt.
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I 26
127
DIE ERINYEN
im Schlaf.
Fassihn! Fass, fass ! — Fasst ihn ! Fasst.fasst! — Passt
[auf!
DER SCHATTEN.
Im Traum verfolgt mit Bellen ihr das Wild
Dem Jagdhund gleich, der auch im Schlaf noch jagt.
Was macht ihr? Auf! Tut ab die Müdigkeit,
Denkt des Verlusts, den dieser Schlaf euch bringt.
So spürt ihr nicht gerechten Vorwurfs Geissei
Der jeden Redlichen mit Stacheln sticht?
Auf! Schnaubt ihm blutigen Odem nach zur Fahrt,
Dörrt ihn mit eurem Hauch und innren Feuer!
Auf! Auf! Zermürbt ihn mit erneuter Jagd.
Der Schatten verschwindet. Die Führerin der Erinyen fährt
empor und rüttelt die andern aus dem Schlaf.
CHORFÜHRERIN.
Wach auf! Ich weck dich. Weck die andern dul
Du schläfst? Auf, auf! Weg mit dem Schlummer.
— Lasst sehn, ob die Erscheinung eitel war.
ERSTER HALBCHOR.
Weh, Schwestern! Weh! O Unglück. Ach und Weh!
ZWEITER HALBCHOR.
Ja, Ach und Weh, das wir umsonst ertragen.
ERSTER HALBCHOR.
Verwünschtes Unheil traf uns, schmerzlich, kläglich:
O unerträglich Weh!
Vom Netz entschlüpft ist uns das Wild und flieht!
ZWEITER HALBCHOR.
Vom Schlaf belistet, weh ! Der Fang verloren.
ERSTER HALBCHOR.
O Sohn des Zeus: Zum Hehler wardst du, Gott!
ZWEITER HALBCHOR.
Du junger Gott trittst uns, die alten, nieder.
ERSTER HALBCHOR.
Des Flüchtlings hütest du, des gottverruchten!
Den schlimmen Sohn, den Muttermörder,
Stiehlst du uns weg, du, du! Und willst ein Gott sein.
ZWEITER HALBCHOR.
Ja, wer heisst solches Tun, gerecht getan.
CHORFÜHRERIN.
Aus Träumen drang ein Schmähruf zu mir und hat
Gleich dem Rossesporner mich aufgescheucht.
Den schweren Stachel
• # - ■
Bis in Herz und Nieren mir treibend. ,
Des Geisslers, des Henkers, des Peinigers Schlag
Fühl ich mit eisigen Schauern.
CHOR.
Ja solches fügen die neuen Götter uns zu :
Mit Willkür herrschen sie, ohne Gebühr und Recht.
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1
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II
— 128 ~
Da seht den Stuhl besudelt mit Blut
Zu Häupten, zu Füssen,
Den Nabel der Erde von Blutschuld befleckt,
Mit verpestendem Morde beladen.
Mit solchen Greueln schändest du dir deinen Herd,
Nach eigenem Willen, Seher, nach eigenem Wunsch,
Da die Menschen du scheust vor der göttlichen Satzung
Und der uralten Mören Herrschaft zerbrichst.
Uns wardst du verhasst und jenen rettest du nicht.
Und flöh er zum Erdschoss, fand er doch nimmer Erlö-
Verflucht, verdammt wird endlich auch er '- ^ '
Dem blutigen Vergelter begegnen.
Apollon tritt mit Pfeil und Bogen aus dem Hintergrund des
Tempels hervor,
VIERTE SCENE
APOLLON. CHOR.
APOLLON.
Hinaus, gebiet ich. Weg aus meinem Tempel!
Entweicht aus diesem Seherheiligtum:
Eh ich von goldner Bogensehne euch
Eine beschwingte blanke Schlange schnelle.
Und ihr vor Schmerzen schwarzes Menschenblut
Ausspeit und Brocken eingeschlungnen Mords.
Fort! diesem Haus ziemt eure Nähe nicht.
— I 2p —
Geht hin zum RichtpJatz, wo man köpft und blendet,
Sucht Orte, wo man metzelt, wo von Kindern
Unreife Frucht man tötet, wo entmannt,
Verstümmelt wird, gesteinigt, wo Gepfählte
Vor Schmerzen laut aufheulen - wisst ihr nun.
Nach was für Augenweide euch gelüstet?
Ihr Gottverruchten I Eure Missgestalt
Bezeugt es ja. Für solche Brut ist Raum ^^
In Klüften der blutdürstigen Leun und nicht.
Am Seherherd, den ihr mit Greueln schändet. -
Nun fort! hinaus, du hirtenloser Schwärm.'
Ja, solcher Herde würd ein Gott sich schämen.
CHORFÜHRERIN.
O Fürst Apollon, hör auch unser Wort!
Nicht nur mitschuldig bist du dieser Tat,
Nein, du hast sie bewirkt und ganz verschuldet:
Dein Spruch gebot dem Fremden Muttermord.
- . APOLLON.
Gebot ihm seines Vaters Tod zu rächen.
CHORFUHRERIN. ' ^
Dann stellst du dich zum Schützer frischen Mords.
APOLLON.
Ich hab ihn selbst sogar hierherbeschieden.
Vollmoeller, Orcstie
1
— 130 —
CHORFÜHRERIN.
Und wir sind sein Geleit. Was schmähst du uns?
APOLLON.
Nicht ziemts euch diesem meinem Haus zu nahn.
CHORFÜHRERIN.
Dies ist uns Amt und ward uns aufgetragen.
APOLLON.
Was für ein Amt? Beschreibt mir diese Würde.
CHORFÜHRERIN.
Von Haus und Herd zu jagen Muttermörder.
APOLLON.
Mörder des Weibs, das ihren Mann erschlug?
CHORFÜHRERIN.
Das ist kein Mord am eignen Fleisch und Blute.
APOLLON.
Fürwahr, dann sind verächtlich und für nichts
Des Zeus und Heras Ehesatzungen,
Verächtlich Kypris, durch das was du sagst,
Von der den Menschen alle Süsse kommt.
Das Lager ist für Mann und Weib geweiht,
Vom Recht bewacht und heiliger denn Eide.
Wenn ihr den Gattenmördern milde seid,
Die Tat nicht rächt und zornlos sie beschaut,
So jagt ihr auch Orestes ohne Recht !
Doch hier soll Pallas Schiedsgericht entscheiden.
— 131 —
CHORFÜHRERIN.
Glaub nicht, dass jemals von dem Mann wir lassen,
APOLLON.
Jagt ihm nur nach und mehret eure Müh!
CHORFÜHRERIN.
Du sollst mit Worten unser Amt nicht schmälern.
APOLLON.
Nicht als Geschenk nahm ich ein solches Amt.
CHORFÜHRERIN.
Am Thron des Zeus magst du ein Grosser heissen.
Uns ruft das Mutterblut ; wir stürmen rächend
Dem Mörder nach und jagen unser Wild
Die Erinyen ab.
APOLLON.
Und ich will rettend bei dem Flüchtigen stehen,
Denn furchtbar ist bei Göttern und bei Menschen
Des Schützlings Fluch für den, der ihn verriet.
!/
— I}2 —
FÜNFTE SCENE
Verwandlung. Die Burg von Athen. Im Vordergrund ein altes
Steinbild der Athena Polias, das Orestes umschlungen hält.
ORESTES. SPÄTER CHOR DER ERINYEN.
ORESTES.
Herrin Athena, auf des Loxias Wort
Komm ich hierher. Empfange gnädig mich,
Der schuldig ich, doch nicht mehr ungesühnt.
Schon ward die Hand gereinigt, stumpf der Makel
In manchem Haus und menschlichem Verkehr.
So über Meer und Festland hingeflohn.
Dem Seherspruch des Loxias getreu,
Komm Göttin ich zu deinem Haus und Bild.
Hier will ich bleiben und mein Recht erharren.
Chor der Eumeniden von rechts.
CHORFÜHRERIN.
Voran! Da haben deutlich wir die Spur.
Folgt nur den stummen Zeichen der Verrätrin !
So wie der Schweisshund ein verwundet Reh
Spüren wir ihn am Blutgeträufei aus.
Schwer keucht die Brust uns von dem langen Lauf.
Den ganzen Erdraum haben wir durchjagt
Und über Meere hin dem Schiffe nach
Führt' uns die Jagd mit unbeschwingtem Flug.
— 133 —
— Hier hat er irgendwo sich hingeduckt.
Ich wittre süss Gedüft von Menschenblut.
CHOR.
Spähe, spähe !
Schaut wohl aus.
Schaut euch um,
Dass er nicht
Heimlich flieht
Ungestraft, der Muttermörder.
Sie entdecken Orestes am Bild der Pallas. ^
Seht ihn dort!
Neu gestärkt.
Um der Unsterblichen Bildnis gewunden,
Will er des Frevels
Rechenschaft tun.
Nimmermehr!
Mutterblut in Staub gespritzt
Keiner bringt es zurück,
Weh,
Sobald es die Erde befeuchtet.
Bezahlen sollst du's. Aus lebendigem Leib
Schlürfen wir uns den rötlichen Opfersaft
Holen wir uns den Trank, den keiner sonst trinkt.
Lebend ausgedürrt führen wir dich \
Nieder, wo dich des Muttermords Qualen erwarten.
• ^ ^- m
I
— I
34
ORESTES
Das Unglück ward mir Lehrer und ich lernte
Die rechte Zeit, wo reden sich geziemt
Und wo zu schweigen. Doch in dieser Sache
Treibt mich ein weiser Meister an zum Wort.
Schon schläft das Blut und schwindet an den Händen^
Hinweggespült des Muttermordes Makel,
Die frische Blutschuld ward an Phoibos Herd
Entsündigt mit dem Blut der Opfersäue. '
Lang war' die Rede, zählt ich alle auf,
Die ohne Schaden Umgang mit mir pflogen.
Es macht die Zeit ja alternd alles rein.
So ruf, gereinigt ich, aus reinem Munde
Athena, dieses Landes Herrin, an.
Weile sie fern im Lande Libyen,
WeiP an des Triton heimischen Wassern sie,
Beschaue sichtbar oder im Gewölk
Hinschreitend sie, der Freunde sichrer Hort
Und trotziger Feldherr, die phlegräische Ebne —
Sie komme (denn ihr göttlich Ohr vernimmt mich
Ob sie auch fern) und löse mich vom Fluch !
CHORFÜHRERIN.
ApoIIons nicht und nicht Athenas Macht
Werden dir helfen, dass du nicht entblössc
Hinfahrest und der Freude Ort verlernst,
— 135 —
Ein blutlos Opfer und gespenstischer Schatten!
— Du redest nicht? Verabscheust Worte jetzt.
Du Schlachttier, uns gemästet und geweiht?
Lebendig sollst du uns zur Labe sein.
Nun höre unser Lied, das bannt und bindet!
ERSTER HALBCHOR.
Wohlauf! Empor, zum Reigen ! Wohlan !
Den grässlichen Chor
Zu schlingen zu singen, dem Menschengeschlecht
Zu weisen das Amt,
Dess unsere Schwesternschaft waltet.
ZWEITER HALBCHOR.
Das wir immer geübt, wir wahren das Recht,
Denn die sündlos die Hände heben, •
Sie verfolgt kein Groll, und nimmer getrübt
Fliesst ihnen das Leben dahin.
Doch wo einer in Blutschuld, wie jener, verdammt
Die geröteten Hände verbergen möchte,
Da erscheinen wir, für die Getöteten zeugend,
Und erpressen die Busse des Bluts.
ERSTER HALBCHOR.
Mutter, die uns gebar,
Urnacht, die uns der Welt,
Kindern des Dunkels und Lichtes
Zum Gerichte gestellt.
- 136 -
nz
ZWEITER HALBCHOR.
Hör o Mutter die Schmach:
Sieh, der kühne
Letosohn entführt uns das Wild,
Muttermords rechtliche Sühne.
CHOR.
Ertöne ums Opfer
Beginne die Weise:
Der Seele Betörung
VerStörung der Sinne
Und Bann dem Verstände,
Gluthauch verzehrend.
Feuer verheerend
Sonder Leyer —
Leise, leise.
Das Lied der Erinne.
ERSTER HALBCHOR.
Es spann uns dies Los
Mit ewigen Fäden
Die unerbittliche Möre zu:
Den Pfaden und Spuren
Des Mörders zu folgen,
Bis frevelbeladen
Der Erde er heimfällt —
Doch im Tod auch wird er nicht frei.
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CHOR.
Ertöne ums Opfer
Beginne die Weise:
Der Seele Betörung
VerStörung der Sinne
Und Bann dem Verstände
Gluthauch verzehrend
Feuer verheerend.
Sonder Leyer —
Kreise, kreise
Das Lied der Erinne.
ZWEITER HALBCHOR.
Von Anbeginn
Ward dies zum Amt uns verhängt,
Nur an die Himmlischen
Rühren wir nicht.
An frohen Mahlen
Ward uns kein Teil,
Der Feste und Feier
Weisse Gewände
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Sind uns versagt.
CHOR.
Uns ward der Häuser Sturz,
Uns der Geschlechter Brand !
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- U8 -
Wir hetzen den Mörder,
So rasch er, so stark er.
Wir werfen ihn nieder.
Wir schlürfen sein Blut.
CHORFÜHRERIN.
Der Menschen Herrlichkeit wie sie schimmert und glänzt
Im Licht des Aethers, sie schwindet kläglich dahin,
Da wo wir Schwarzgewandeten landen,
Da wo wir tanzen den schaurigen Tanz.
CHOR.
Hochherstürmend
Setzen des Fusses
Wucht wir nieder
Und bringen dem Läufer
Verhängnis und Fall :
CHORFÜHRERIN.
Stürzend schon versieht er des Sturzes sich nicht,
(So umhüllt ihn die Schuld mit nächtigen Schwingen)
Ob auch der Menge tausendzüngig Geraun
Von düstern Schatten über dem Hause flüstre.
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CHOR.
Wir sind die Starken,
Wir wissen die Pfade,
Wir schauen das Ende,
4
— 139 —
Wir denken der Schuld.
Die Schaurigen sind wir,
Die Unerweichten,
Der Rache lebend,
Durchziehn wir die Oeden,
Die götterverlassenen,
Im nächtigen Moder
Der pfadlosen Reiche,
Für Blinde und Sehende
Unsichtbar,
Und wo ist einer.
Der nicht erschauert
Der nicht erbangt.
Hört er die Satzung
Die uns das Schicksal
Und Götter verhängt:
Unverbrüchliche Würde
Durch Alter geheiligt.
Nicht mangeln uns Ehren,
Obschon wir dort unten
Im Sonnenfernen
Dunkel der Schlünde
Wandeln und gehn.
Atbena erscheint.
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— I4.0 —
40
SECHSTE SCENE
ATHENA. ORESTES. CHOR.
ATHENA.
Von fernher hört ich einer Stimme Schall,
Da am Skamandros ich mein Land beschaute,
Das mir der Griechen Häuptlinge und Fürsten
Als reiches Teil der Beute ausgesondert
Und mir mit Boden, Halm und Frucht geweiht,
Dem Volk des Theseus zur erlesnen Gabe.
Von dorten trug mich Kraft des Fusses nicht
Und Schwingen nicht, nein die geschwellte Aegis.
Nun seh ich fremde Gäste hier im Land,
Mit Schrecken nicht doch mit Verwunderung.
— Wer aber seid ihr? Sprecht. Euch alle mein ich.
Dich Fremdling, der mein Bild umklammert hält,
Euch die ihr ungleich jedem Samen scheint,
Göttinnen nicht, wie sie die Götter schauen
Und ungleich auch der Sterblichen Gestalt.
CHORFÜHRERIN
Tochter des Zeus, vernimm in wenig Worten :
Kinder sind wir der grauenvollen Nacht
Und 'Flüche' heissen wir im Unterreiche.
ATHENA.
So kenn ich euren Namen und Geschlecht.
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'ta
— 141 —
CHORFÜHRERIN.
Vernimm denn weiter, welches unser Amt.
ATHENA.
Gewiss, wenn ihr es klar benennen wollt.
CHORFÜHRERIN.
Den Mörder jagen wir von Haus und Herd.
ATHENA.
Wo endet für den Täter dann die Jagd?
CHORFÜHRERIN.
Da wo die Freude nimmermehr zu Haus ist.
ATHENA.
So hetzt auch d e n d a schnaubend ihr zur Flucht ?
CHOR.
Er wollte ja der Mutter Mörder werden.
ATHENA.
Vielleicht im Zwange einer höhern Not?
CHOR.
Gibt's Stachel, scharf genug zum Muttermorde ?
ATHENA.
Zwei sind zu hören. Einen hört ich nur.
CHORFÜHRERIN.
Verhör ihn denn und fälle selbst den Spruch.
i!
— 142 —
ATHENA.
So übergebt ihr mir des Streits Entscheidung?
CHORFÜHRERIN.
Gern leihen Würde wir dem Würdigen.
ATHENA
zu Orestes sich ivendend.
Was hast du Fremdling hierzu nun zu sagen?
Nenne dein Land, dein Schicksal und Geschlecht,
Dann wehre ab die vorgebrachte Klage,
Wenn deines Rechts gewiss an meinem Bild,
Das du umschlingst und meinem Herd du sitzest:
Ein frommer Frevler, wie Ixion war.
Auf alles dieses gib jetzt klar Bescheid.
ORESTES.
Herrin Athena, lass ein schwer Bedenken,
Das du zuletzt genannt, zuerst dir lösen.
Ich bin kein Frevler mehr. Kein Frevel fleckt
Von meiner Hand auf dein umklammert Bildnis.
Und solches nenne ich zum Zeugnis dir :
Stumm sei der Mörder, also wills der Brauch,
Bis ihn durch Manneshilfe sühnend Blut
Von einem jungen Opfertier besprengte.
So bin ich längst in andrer Wohnungen
Mit Opferblut und Wasserguss gereinigt.
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{
— H3 —
Damit nehm ich die Sorge dir vorweg.
Und nun sollst meine Abkunft du erfahren.
Mein Land ist Argos. Meinen Vater kennst du,
Ihn, der der Schiffe Heer um sich geschart,
Durch den du Troja stürztest: Agamemnon.
Schmählichen Tod fand er nach Haus gekehrt,
Denn ihn erwürgte meine schwarzgesinnte
Mutter in einem bunten Fanggeweb,
Und ward das Bad zu seines Mordes Zeugen.
Als ich dann heimkam, denn ich war verbannt.
Erschlug die Mutter ich, ich will's nicht leugnen.
Zur Rache für des teuren Vaters Tod.
Doch diese Schuld trägt Loxias mit mir.
Der meinem Herzen grause Qual verkündet.
Wenn so ich mit den Schuldigen nicht verfuhr.
Du richte denn, ob ich zu Recht gehandelt.
Wie er auch sei: ich ehre deinen Spruch.
ATHENA.
Zu gross ist dieser Handel, dass ein Mensch
Ihn richten möchte, noch steht mir ein Spruch
Und Urteil zu am Mörder und den Rächern.
Zumal da du entsündigt schon gekommen.
Ein Schützling, der das Haus nicht mehr befleckt:
So muss ich, da du rein bist, dich empfangen.
Doch auch die Kläger weist nicht leicht man ab
— H4 —
Und siegen sie nicht ob in dieser Sache,
Bringt leicht das Gift, das ihrem Hass entträuft,
Dem Lande böse, grauenvolle Seuche.
Und so verhält sich dies : Gefährlich ist
Empfangen oder den Empfang verweigern.
Doch da die Klage einmal vorgebracht,
So wähl ich für den Mord geschworene Richter
Bewährt in Rechtlichkeit, im Eid ergraut,
Und stifte dies Gericht für alle Zeiten. •
— Ihr schafft indes euch Zeugen und Beweis
Und sorgt für Eide zu des Rechts Bekräftung,
Ich w^ill der Bürger edelste erlesen
Und komme dann und ende diesen Streit.
Ab.
CHOR.
Es stürzen die Sitten
Es wankt die Zeit,
Siegt der Muttermörder
Obsiegt jetzt die Schuld,
Solcher Spruch
Löst den Menschen die Hände
Zu gleicher Tat
Und fortan bedroht
Die mördrische Kindeshand
Mit blutigem Stosse die Eltern.
— 145 —
Nicht folgt mehr der Tat dann
Der Groll von unsrer
Menschenhütenden Rächerschar:
Frei geben den Mord wir
Und spüren wird es
Wer andern des Nächsten
Uebeltat klagt-
Wo ist Lindrung des Jammers?
Kein sicheres Heil mehr! Umsonst
Rät ihm der Leidgenosse.
Rufe dann keiner mehr
Wenn Frevel ihn traf,
Klagend solch Wort:
O Rache! o Recht! O Stühle ihr der Erinnen!
Bald seufzt ein Vater
Bald ächzt eine Mutter so
Jammernd ob frischer Wunden —
Denn der Herd des Rechts ist gestürzt.
Vollmoeller, Orestie
10
i
146
t
SIEBENTE SCENE
Verwafjdlung. Der AreshügeL Athena erscheint mit den Areo-
pagiten^ die auf den hergerichteten Richterstühlen Platz nehmen,
Orestes und die Erinyen stehen als Angeklagter und Kläger je
auf einer Seite der Bühne, Im ^weiteren Kreise drängt sich das
Volk von Athen.
ORESTES. CHOR. ATHENA. SPÄTER APOLLON.
ATHENA.
Auf Herold, ruf zur Ordnung nun das Volk,
Ertöne die tyrrhenische Drommete
Mit Menschenhauch beseelt weit übers Land
Und schlag mit lautem Schall ans Ohr des Volkes.
Denn da der volle Rat sich nun versammelt
Ist Stille not, auf dass die ganze Stadt
Jetzt meine Satzung ewiger Geltung höre
Und dieser Streit sofort geschlichtet sei.
Trompetenstoss, Apollon erscheint neben Orestes,
CHORFÜHRERIN.
Apollon, schalt wo deines Amtes ist.
Doch welch ein Teil hast du an diesem Handel?
APOLLON.
Zuerst als Zeuge komm ich: Dieser hier
Floh in mein Haus und sass an meinem Herde
Und selber hab ich ihn vom Mord entsühnt.
'
— H7 —
Dann als Mitangeklagter, da ich Ja
Des Muttermordes Ursach.
Zu Athena.
So eröffne
Den Streit du weisheitsvoll und end ihn du.
ATHENA
zu den Erinyen.
Euch denn das Wort. Ich öffiie das Gericht.
D^nn spricht der Kläger gleich und ganz zu Anfang
Führt er am besten in den Handel ein.
CHORFÜHRERIN.
Viele sind wir, doch unserer Worte wenig. ,
Zu Orestes.
Antworte unsern Fragen Wort für Wort.
Sag denn zuerst: Erschlugst du deine Mutter?
ORESTES.
, ♦
Ich habe es getan. Das leugn' ich nicht.
CHOR.
Schon haben wir im ersten Gang gesiegt.
ORESTES.
Ihr rühmt euch, ehe noch der Feind am Boden.
CHORFÜHRERIN.
Nun sag uns weiter: Wie erschlugst du sie?
10*
II
— 148 —
ORESTES.
Ich traf sie in den Hals mit meinem Schwerte.
CHORFÜHRERIN.
Wess Rat und Weisung führte dich zur Tat?
ORESTES.
Des Gottes Spruch, der selbst mir Zeuge ist.
CHORFÜHRERIN.
Der Seher trieb dich an zum Muttermord?
ORESTES.
Zwiefacher Untat Greul befleckt' sie ja. '
CHORFÜHRERIN.
Wie das? Erkläre dies vor deinen Richtern.
ORESTES.
Sie würgte ihren Mann und meinen Vater.
CHORFÜHRERIN.
Doch wars kein Blutsverwandter, den sie schlug.
ORESTES.
Ich aber bin vom Blute meiner Mutter?
CHORFÜHRERIN.
Hat sie nicht unterm Gürtel dich getragen?
Frevler! Du leugnest deiner Mutter Blut.
ORESTES.
Nun zeuge du mir und beweise du,
— 149 —
ApoUon, ob ich sie mit Recht getötet.
Denn dass ich es getan, verleugn' ich nicht.
APOLLON.
Vor euch denn Sprech ich, Pallas Hochgericht,
Nach Wahrheit und als Seher, der nicht trügt.
Denn niemals kam ein Wort aus meinem Mund,
Das einen Mann, ein Weib, ein Land betraf,
Und das mein Vater mir nicht eingegeben.
Bedenkt, wie schwer dies wiegt. Ich mahne euch,
Dem Willen meines Vaters euch zu beugen
Denn mehr als Zeugeneid ist Zeus Gebot.
CHORFÜHRERIN.
Zeus selber, sagst du, gab den Spruch dir ein.
Der dem Orestes ward: Des Vaters Tod
Zu rächen und der Mutter nicht zu schonen?
APOLLON.
Dies sag ich euch und merkt wohl auf mein Wort :
Die Mutter gibt dem Kinde nicht das Leben,
Wie man wohl sagt. Sie nährt den jungen Keim.
Das Leben zeugt der Vater. Sie bewahrt es
Als Pfand, wie einem Gastfreund, wenn ein Gott
Es nicht versehrt. Und habt zum Merkmal dies :
Man kann auch ohne Mutter Zeuger sein.
Zum Zeichen hier die Tochter selbst des Zeus,
.*. V.-.
'-^:>
— 150 —
Die nicht im dunkeln Mutterschoss gereift:
Ein Spross wie keine Gottheit je geboren.
Zu Athena,
Ich höhe, Pallas, wo ich nur vermag
Dein Volk und deine Stadt und ihre Macht:
So sandt ich diesen Flüchtling in dein Haus,
Dass er dir Treue allezeit bewahre
Und du ihn dir zum Bundesfreunde machst,
Ihn und die nach ihm. Und dies gelte ewig
Und Kind und Kindeskind sei treu dem Bund.
ATHENA
z«w Chor.
Soll ich die Richter nun nach Recht und Treu
Abstimmen lassen? Habt ihr ausgesprochen?
CHOR.
Verschossen haben unsre Pfeile wir
Und harren jetzt auf dieses Streits Entscheidung.
ATHENA.
Hört denn die Satzung, Bürger Attikas,
Ihr heut zum ersten Mal der Blutschuld Richter:
Es soll in Zukunft unveränderlich
Im Volk des Aegeus mein Gericht bestellen
Auf diesem Hügel, wo die Amazonen
Heerlager hielten, bei dem Rachezug
Gegen den Theseus und den sie der Burg
Entgegentürmten, eine neue Feste.
— 151 —
Hier opferten dem Ares sie, davon
Des Ares Hügel dieser Fels genannt wird.
Es walten Furcht und Ehrfurcht denn verschwistert
Dem Unrecht wehrend hier bei Tag und Nacht.
Wo solche Hoheit rechtlich ihr verehret,
So habt ein Bollwerk ihr für Stadt und Land,
Wie keines sonst von allen Menschenvölkern
Vom Skythenland bis nach des Pelops Reich.
Fern von Bestechlichkeit sei dieser Rat,
Ehrwürdig, strengen Sinns, setz ich ihn ein,
Friedvollen Schlummers immerwachcr Schirmer.
— Solches die Losung, die ich meiner Stadt
Für alle Zeiten gebe. Jetzt erhebt euch
Fasst euren Stimmstein denn und richtet recht.
Denkt an den Eid. Ich habe ausgesprochen.
APOLLON
zu den Richtern,
Ihr hörtet alles nun. Wenn ihr den Stein
Zur Urne tragt, denkt eures Schwurs, ihr Richter.
Der erste Areopagit erhebt sich und wirft seinen Stein in eine
der beiden Urnen.
CHOR.
Denkt, dass wir schaurige Besucher sind
Des Landes, die ihr nicht beleidigen dürft.
Der zweite Areopagit tut wie der erste.
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I
I
— 152 —
APOLLON.
Ich sag euch, ehret meinen und des Zeus
Orakelspruch und raubt ihm nicht Erfüllung.
Der dritte desgleichen.
CHOR
zu A pol Ion.
Du rührst an Blutschuld. Dies steht dir nicht zu,
Denn du befleckst so deine Seherwürde.
Der vierte Areopagit stimmt ab und so je einer zwischen jeder
Antwort der Kläger und des Gottes.
APOLLON.
So hat im Rat mein Vater auch gefehlt,
Als er Ixions ersten Mord entsündigt?
CHOR.
Gewiss. Und wird uns nicht das volle Recht,
Werden wir furchtbar einst das Land besuchen.
APOLLON.
Alle Gottheiten, alte so wie junge.
Verachten euch. Und mir verbleibt der Sieg.
CHOR.
So triebst dus einst in Pheres Haus : den Mören
Zwangst Leben du für einen Toten ab.
APOLLON.
Ist es nicht recht, dem Frommen beizustehen
Vornehmlich wo um unsern Schutz er fleht?
•«•*.
— 153 —
CHOR.
Die alten Mächte hast du einst gestürzt.
Mit Wein betörtest du die grauen Mütter!
APOLLON.
Bald werdet ihr, vom Richterspruch besiegt.
Den Geifer ausspein der uns doch nicht schadet.
CHOR.
Der Jüngre höhnst und schmähst du uns die Alten
— Wir warten bis der Richterspruch gefällt
Noch zweifelnd, ob der Stadt wir grollen müssen.
Die Areopagiten haben jetzt alle abgestimmt.
ATHENA
einen Stimmstein ergreifend.
Mir steht im Streit die letzte Stimme zu
Und diesen Stein werd ich Orestes geben.
Denn keine Mutter hat mich je geboren
Und immer lob ich mir den Mann. (Nur freilich
Zur Ehe nicht. Des Vaters bin ich ganz.)
So liegt mir wenig an des Weibes Schicksal,
Die ihren Mann, des Hauses Herrn erschlug.
Orestes siegt, sind nur die Stimmen gleich:
Nun schütte rasch die Steine aus den Urnen
Der von euch Richtern, dem das Amt gebührt.
ORESTES.
Phoibos ApoUon, wem wird nun der Sieg?
■^-'^-"'T ---*- ^-^---^■^--^■.-.
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>
- 154 —
CHOR.
O schwarze Nacht, Urmutter, schau hernieder.
ORESTES.
Nun gilts den Strick mir oder neues Licht.
CHOR.
Uns gilts Bedrückung oder Ehr und Würden.
APOLLON
zu den Richtern, die unterdess die Steine auf ein Brett
ausgeschüttet haben.
Jetzt Freunde zählt die Steine sorglich ab,
Dass bei der Sondrung keiner Unrecht leide.
Ein Stein, der fehlt, mag grosses Unheil bringen,
Ein Steinchen mehr rettet ein ganzes Haus.
ATHENA
legt ihren Stimmstein zu den andern.
Er ist nach Recht von Blutschuld freigesprochen
Denn gleich ist jederseits die Stimmenzahl.
Bewegung unter Volk und Richtern. Apollon ist verschwunden.
ORESTES.
«
O Pallas, meines Hauses Retterin!
Du gibst mich Flüchtigen der Heimat wieder,
Und bald spricht man bei den Hellenen jetzt:
Argeier ist er wieder und er herrscht .
Aufs neu im Haus der Väter durch Apollons
— 155 —
Und Pallas Huld und durch des Allvollenders
Und Retters Zeus: Er wog des Vaters Los
Und schützt mich vor den Klägern meiner Mutter.
Nun zieh ich heimwärts, doch ich will zuvor
Dem Lande hier und deinem ganzen Volk
Für ewige Zeit mit mächtigen Eiden schwören:
Nie soll ein Heerfürst meines Volkes euch
Mit Kriegsmacht nahen und bereitem Speere.
Heil dir, o Göttin und du Volk der Stadt!
Mag dir der Feind im Kampfe nie entrinnen.
Heil euch und Speeresglück und Waffenruhm !
Ab.
ACHTE SCENE
ATHENA. CHOR.
CHOR.
Weh, neue Götter!
Die alten Satzungen
Brächet ihr nieder
Und stahlt uns das Recht.
Wir litten Entehrung und grollen!
Weh!
— Gift und Geifer
Unrechts Entgelt
Traufen wir nieder:
Moose, Flechten
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- 156 —
Tilgen, würgen
Laub und Früchte,
(Rache, Rache!)
Kahl die Ebne,
Todesseuchen,
Totenmäler
Streuet dem Land !
ATHENA.
So hört auf mich und tragt es ohne Groll.
Nicht unterlegen seid ihr: Gleiche Stimmen
Ergab die Zählung, euch zu keiner Schmach.
Zeus selber legt ein leuchtend Zeugnis ab.
Denn da den Spruch er gab, bezeugt er eben
Dass des Orestes Tat nicht sträflich sei.
Darum verhängt in eurem Grimme nicht
Unfruchtbarkeit, das Land mit Gift beträufend
Das alle Saat zerfrisst, zerstört, verödet.
Und ich verspreche und gelobe euch
Im Schoss der Erde Sitz und Heiligtümer
Mit immer fettbeglänzten Opfertischen
Und steten Ehrungen der ganzen Stadt.
CHOR.
Weh, neue Götter!
Die alten Satzungen
Brächet ihr nieder,
— ^57 —
Und stahlt uns das Recht.
Wir litten Entehrung und grollen.
Weh!
Gift und Geifer
Unrechts Entgelt
Traufen wir nieder:
Moose, Flechten
Tilgen, würgen
Laub und Früchte
(Rache, Rache!)
Kahl die Ebne,
Todesseuchen,
Totenmäler
Streuet dem Land!
ATHENA.
Mit nichten seid entehrt ihr, Göttinnen!
Drum macht mir nicht im Zorn dies Land zur Wüste.
Auch dürft ich Zeus vertraun — brauch ichs zu sagen
Und von den Göttern kenne ich ich allein
Den Schlüssel zum verwahrten Haus der Blitze.
Doch des bedarfs ja nicht. Ihr folgt mir wilHg
Und geifert nicht aus unheilvollem Munde
Giftge Verderbenssaat aufs Land herab.
Sänftet die schwarzen Wogen eures Zorns,
Denn hochgefeiert sollt ihr bei mir wohnen.
^\
_- 15« -
Wenn ihr dann einst die Erstlingsfrucht geniesst
Des weiten Gaus, geweiht für Kindersegen
Und Ehglück euch, dankt ihr mir noch dies Wort.
CHOR.
Wir das erdulden?
Weh!
Urgewalten, Ur weise wir
Sollen verächtlich
Wie Ungetüme
Unter der Erde hausen ?
Höre Mutter
Den Schrei der Wut!
Mutter Nacht!
Es raubt uns die Würden
Und macht uns zunichte
Der Götter Trug.
ATHEN A.
Den Zorn verzeih ich euch. Ihr seid die Aeltern
Und darum auch erfahrener als ich.
Doch einige Einsicht hat mir Zeus verliehen
Und das sag ich vorher: Zieht ihr von hinnen
In andres Land, sehnt ihr euch noch zurück.
Denn grösser noch und ehrenreicher ist
Die Zukunft dieses Volks. Euch aber wird
Ehrung und Sitz beim Hause des Erechtheus,
— 159 —
Der Männer und der Frauen Feierzüge,
Wie ihr sie niemals anderswo empfingt.
Dies biet ich euch als schöne Gabe denn:
Wohltuend, wohlgelitcen, wohlverehrt
An diesem frommen Lande teil zu haben.
CHOR.
Wir das erdulden
Weh!
Urgewalten, Urweise wir
Sollen verächtlich
Wie Ungeheuer
Unter der Erde hausen?
Höre Mutter
Den Schrei der Wut,
Mutter Nacht!
Es raubt uns die Würden
Und macht uns zunichte
Der Götter Trug.
ATHENA.
Nicht werd ich müd, zum Guten euch zu reden,
Dass ihr nie sagt, es habe euch, die Alten,
Die jüngre Göttin und dies Volk der Stadt
Schmachvoll, ungastlich aus dem Land getrieben.
Nein, wenn der Peitho Macht ihr Ehre gebt
Und meines Mundes Trost und Lindrungsworten,
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— 1 60 —
So bleibt ihr hier. — Und wollt ihr denn nicht bleiben,
So könnt auch füglich niemals ihr die Stadt
Mit Groll und Zorn, das Volk mit Unheil treffen.
Euch steht ja frei, Anteil und Eigentum
Und ewige Ehrung hier im Land zu haben.
CHORFÜHRERIN.
Wie ist der Sitz, den du uns geben willst?
ATHENA.
Sorglos und kummerfrei. Nehmt ihr ihn an?
CHORFÜHRERIN.
Gesetzt, wir tun's, was leihst du uns für Macht?
ATHENA,
Ohn euren Segen soll kein Haus gedeihen.
CHORFÜHRERIN.
So hohe Würde willst du uns verleihn?
ATHENA.
Wer euch verehrt, des Glück erhöhen wir.
CHORFÜHRERIN.
Und bürgst du dessen uns für alle Zeiten?
ATHENA.
Kann ich verheissen, was sich nicht erfüllt?
CHORFÜHRERIN.
Ja schon gewinnst du uns. Der Groll entschwindet.
— t6i —
ATHENA.
So wohnt im Land und werbt Verehrung euch.
CHORFÜHRERIN.
Wie sollen wir des Landes Segen singen?
ATHENA.
Singt alles was zur schönen Feier ziemt
Vom Schoss der Erde, aus des Meeres Feuchte
Vom Himmel her. Singt reiner Lüfte Wehn,
Dass sonnigen Hauchs sie diese Flur besuchen,
Des Bodens und der Herden üppige Frucht,
Die immerdar den Bürgern reich gedeihe,
Segnet den Samen mir im Mutterschoss.
Den Frevler aber treibt aus diesen Gauen,
Denn gleich dem guten Gärtner halt ich gerne
Von dem gesunden Stamm die Fäulnis fern.
Soviel für euch. — Jedoch im leuchtenden
Kampfspiel des Ares will ich selbst die Stadt
Zu Ruhm und Sieg und steten Ehren fuhren.
. ' CHOR.
So nehmen der Pallas
Gastschaft wir an
Die Stadt zu ehren,
Der Götter Hochburg,
Des Zeus und des mächtigen
Ares Warte,
VoUmocUer, Orescie
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Des griechischen Altars
Hütria, der Himmlischen
Hort und Juwel.
Segenswünsche,
Gnädige, freundliche
Künden wir nun:
Wehen nimmer
Sengende Winde,
Den Oelbaum verdürrend
Durch unsere Gunst.
Nimmer schleichen
Brand und Fäule,
Mehltau, Seuchen,
Der Feldfrucht Feinde,
Der jungen Rebe
Augentod.
Fette Schafe
Nähre die Erde
Mit ZwiHingslämmern
Zu ihrer Zeit.
Aus reicher Ader
Schenke der ßergschacht
Der Götter Gabe
Das weisse Metall.
- i6? -
ATHENA.
Höret, hört, ihr Hüter der Stadt,
Welch Glück euch die hohe
Gottheit verheisst,
Die mächtig im Himmel
Und unter der Erde
«
Und bei den Sterblichen ist.
CHOR.
Welke nie
In früher Blüte
Der Jünglinge Kraft,
Lasst euch beschwören
Hohe Mören, die ihr uns Schwestern seid.
Gebt den Jungfraun
Bräutliche Freuden,
Götter der Ehen ihr,
Mächte des Rechts :
Jedem Hause
Mitgenossen
Jeder Stunde
Jedem Frommen
Segensreich:
Allwärts von allen gepriesen.
ATHENA.
Was sie so huldreich
II
— 1(^4 —
- i6, -
Dem Lande verheissen
Entzückt mein Herz.
Es sei gesegnet
Der Peitho Auge
Die Wort mir und Lippe gelenkt,
CHOR.
Bürgerzwist,
Blutiger Uebel
Nimmersatt,
Brause nie durchs Land.
Tränke nimmer den Staub
Entzweiter Bürger
Dunkles Blut,
Das Wechselmorde
Und Rachetaten
Und finstere Greuel heischt.
Freude nur
Mögen sie tauschen
Einmütig im Lieben,
Einig im Hass:
Denn dies wird Völkern zum Heile.
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ATHENA.
Des Weisen Bitte
Findet den guten Pfad:
Schon aus der Schaurigen
Grauenantlitz
Seh grosses Heil ich
Den Bürgern erblühn.
Wenn ihr die Freundlichen
Freundhchen Sinnes
Mit Frömmigkeit ehrt,
Wird Stadt und wird Land
Mit des Rechtes Glanz euch geschmückt sein.
CHOR. .
Heil euch und Blüte des Glücks
Heil euch Bewohner der Stadt,
Die nah dem Hause
Des Zeus ihr wohnet,
Die teuer ihr
Seiner teuren Tochter seid.
Der Zug der Prtesterinnen und GeleiterifinetJ erscheint mh
Krügen^ Opfertieren und brennenden Fackeln.
ATHENA.
»
Heil auch euch. So schreit ich voran,
Die geweihten Gemächer beim festlichen Licht
Des geleitenden Zugs euch zu weisen.
Bei heiliger Opfer dampfendem Blut
Wallt nieder zur Kluft und des Unheils Fluch
— i66 —
Bannt fest in den Grund, doch was Segen verheisst
Entsendet herauf uns zum Siege.
Zum Zug.
Nun führet sie heim, ihr Kinder der Stadt,
Des Kranaos Stamm,
Geleitet die neuen Genossen!
CHOR.
Heil euch und Freude zumal
Göttern und Sterblichen,
Die der Pallas
Stadt und Veste beschliesst!
Wofern ihr nur unsre
Genossenschaft ehrt,
Soli kein Schlag des Unheils euch treffen.
ATHENA
an die Spitze des Zuges tretend.
Ich stimme ein in euren Segenswunsch
Und will in heller Fackeln Feierglanz
Euch zu den unterirdischen Oertern führen
Mit diesen Dienerinnen, deren Hut
Mein Bild vertraut ist. Ja des Landes Auge,
Der Theseuskinder auserlesene Schar
Von Männern, Frauen und von Greisinnen
Tritt her in purpurwallenden Gewanden.
Zum Volk.
-^ 167 -
Nun betet an und lasst die Lichter flammen,
Dass holdgesinnt euch eures Landes Gäste
Zum Segen sei'n und Heil für alle Zeit.
CHOR DER GELEITERINNEN.
Wandelt zur Wohnung ihr Hehren, Geehrten
Greisen Töchter der Nacht im festlichen Zug.
HEROLD.
Schweig andächtig, o Volk der Stadt!
CHOR,
Tief in den heiligen Klüften der Erde
Werden euch Ehren und Opfer und stetes Gebet.
HEROLD.
Schweig andächtig, o Volk ringsum!
CHOR.
Huldvoll und gnädig und freundlich dem Lande
Wandelt, ihr Hehren, und freut euch im Schreiten
An der geleitenden Fackeln Strahl.
HEROLD.
Nun jauchzt und jubelt zum Festlied.
CHOR.
Weihguss und Flamme wird nimmer euch mangeln.
— i68 —
Solchen Bund mit dem Volke Athenas
Haben Zeus und die Mören bestärkt.
HEROLD.
Nun jauchzt und jubelt zum Fesdied.
ENDE
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Druck von W. Drugulln in Leipzig.
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ERICH MARIA REMARQUE
Der schwarze Obelisk
Inflation in Deutschland, neue
Dollarkurse für das deutsche Geld
morgens und mittags, nur am hei-
ligen Sonntag ist Pause. Man rech-
net in Millionen und zahlt ohne
Zahlungsfrist, und man lebt wei-
ter. Erich Maria Remarque schil-
dert in seinem Schwarten Obelisk
diese Zeit in der ihm eigentüm-
lichen, kritischen Genauigkeit, mit
dem grotesken Hintergrund ihrer
finanziellen Manöver, fixiert das
erste nationalistische Donnergrol-
len, einen ersten politischen Mord,
Gesinnungsfeste, die sich nicht kor-
rumpieren lassen, und Gesinnungs-
lumpen, die mit den alten und
schon wieder neue Uniformen rei-
sen, damit die Dummheit kein Ende
nimmt.
Es ist dennoch kein politischer
Zeitroman, wenn auch kein Roman
ohne Politik, was mit diesem
neuen großen Werk Remarques
vorliegt. Vielmehr bietet diese reich
fazettierte Geschichte, die uns der
Grabsteinhändler Ludwig erzählt,
das Ganze einer deutschen Stadt
in den Jahren nach dem ersten
Weltkrieg, mit ihren Vereinen, den
heimlichen Bordells, ihren Kneipen
und vielartigen Menschen, die so
großzügig wie verschlagen sein
können und die vor allem anderen
ungeschminkt menschlich sind, in
all den alltäglichen Szenen be-
lauscht und geschildert, die das
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menschlidie Leben ausmachen und
die es schön machen.
Der Handel mit Grabsteinen stößt
das Tor dieser Welt nach der
Todesseite hin auf, und der Tod ist
eine Währung, die beständiger ist
als das rasch bedruckte Papier. Re-
marques Darstellung erreicht hier
eine Kraft des dunklen Humors,
der in solch realistischer Unbefan-
genheit in unserer Literatur selten
ist. Doch Ludwig weiß noch einen
anderen Ausgang aus der provin-
ziellen Welt der scheinbar unver-
änderlichen, oberflächlich dumpfen
Kleinstadt. Als Orgelspieler in einer
Irrenanstalt lernt er Isabelle ken-
nen, ein junges Mädchen, das selt-
same Weisheit aus dem schwindeln-
den Abgrund gewinnt, den das
Jetzt und Hier der Welt nur wie
eine brüchige Borke deckt, die jedem
Menschen einmal, wenn auch nur für
Augenblicke bricht. Isabelle weckt
in Ludwig die Liebe, eine Liebe, die
ihn nie wieder in seinem Leben, was
auch kommen mag, in den Schlaf
des satten gedankenlosen Genusses
wird zurückfallen lassen.
Remarque hat in dieses farbige,
szenenreiche Buch die volle Erfah-
rung des eigenen Lebens gegeben,
die Gedanken seiner dunklen Stun-
den und das Lachen seiner hellsten
Lebensfreude. Er ist dem Spiel sei-
ner Phantasie bis in die vergnüg-
lichste Verstrickung, aber auch bis
zur bitteren, entschiedenen Anklage
gefolgt. Der schwarze Obelisk steht
als dunkler Spiegel in diesem Werk,
leibhaftig und rätselhaft, wie dieses
reiche Buch selbst.
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Copyright 1947 by
Eduard^ Kaiser Veriag K. G., Klagenfurt
Drude und Blnbandi Bugen Ketterl, W^len 18, Kari Bedigasse 16
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WANGER
LION PEUG
Mit seinen weltberühmten
und in höchsten Auflagen verbrei-
teten Büchern Jud Süß, Die häß-
liche Herzogin, seiner Josephus-
Trilogie, seinem Rousseau -Buch
Narrenweisheit und seinem Goya
hat sich Lion P'euchtwanger den
Titel eines Großmeisters des histo-
rischen Romans verdient. Seinem
neuen Werk liegt das tragisch-bal-
ladeske Thema von der Liebe des
spanischen Königs Alf onso VIII. zu
Raquel Ibrahim, der schönen Toch-
ter seines ehrgeizigen Finanzmini-
sters Jehuda Ibn Ezra, der Jüdin
von Toledo, zugrunde - das schon
Lope de Vega und Grillparzer ma-
gisch angezogen hat. Das Schicksal
des berühmten Liebespaares, das
Feuchtwanger vor dem bewegten
Hintergrund des spanischen Mittel-
alters dramatisch entwickelt, ist be-
stimmt von den Mächten der Poli-
tik und der Kirche. Haß und Miß-
trauen einer Welt unversöhnlicher
Gegensätze zwischen Mauren,
Christen und Juden, einem aufstre-
benden Bürgertum und den ver-
führerischen Idealen der kastiliani-
schen Ritterschaft zerstören den
Liebestraum im Lustschloß LaGa-
liana in Toledo, an den sich der Kö-
nig völlig verloren hatte. Feucht-
wangers Kunst entwirft leiden-
/
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1^
schaftliche Menschenbilder und
verwebt das Erhabene und Niedri-
ge der Historie zu einem Gobelin
von farbiger Dichte. Jerusalem ist
gefallen, ein neuer Kreuzzug be-
reitet sich vor, die Liebe des Königs
fällt seiner historischen Aufgabe
und der Staatsraison zum Opfer.
Ein Herz verdorrt. Sinnlos tapfer
wirft sich Alfonso in die offene
Feldschlacht von Alarcos und er-
leidet eine demütigende Nieder-
lage. In seiner Abwesenheit erfolgt
die blutige Abrechnung mit der
schönen Jüdin und ihrem Vater,
die sich bewußt und nicht ohne
Hoheit dem Mord stellen.
Wie im Jud Süß offenbart sich in
diesem thematisch verwandten,
großartigen Zeitgemälde die er-
staunliche Geschichtskundigkeit
des Autors. Auch diesmal wieder
sind uns die Menschen einer fer-
nen politisch-problematischen Ver-
gangenheit unmittelbar nahege-
rückt, ihre Auseinandersetzungen
und Entscheidungen gewinnen eine
hohe Aktualität in einer Gegen-
wart, die vor den gleichen Fragen
steht: „Frieden um jeden Preis"
oder „Krieg, um dem Feind zu-
vorzukommen".
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