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Full text of "Musikalische studienköpfe"

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2)ct§  9^ec^)t  ber  Überfeijmtg  tfi  Vorbehalten. 


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Jtran?  Xtsjt 

6ew  § 6 e et  C 

6 er  ^Snrf  wo  fear. 

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M unter  allen  fünften  be§  9taumS  unb  ber 
ßeit  bie  Xonfunft  oljne  grage  bie  bettorsugtefte 
ber  ©egemoart,  jo  fann  es  nidft  SBunber  nehmen, 
toenn  aud)  bie  grauen,  benen  unfre  fortfdjret= 
tenbe  Qät  eine  nmdjfenbe  33ett)ätignng  am  öffent» 
licken  Seben  einräumt,  fid)  an  ber  pflege  berfelben 
neuerbiitgS  emfig  Beteiligen . 3ft  bod)  bie  SRufif 
rett  eigerttlit  bie  ®unft  be§  ©emiitfjS,  fpridjt  fie 
bod)  wie  feine  anbere  bie  Seele  ber  Seele  ans. 
2Iuf  frei  fdjöpferifdjem  ©ebiet  jmar  barf  fidj  ber 
weibliche  ©eniuS  nur  befdj  eibener  ©rfolge  rühmen. 
®ie  eigentlich  geftaltenbe  Straft , bie  Spontaneität 
ber  ©rfinbung  unb  beS  combinatorifcfien  SSermögenS 
fdfeinen  ifjm,  menn  nidjt  oöllig  oerfagt , fo  bot 
in  jn  fargem  SUJafje  oon  ber  Statur  »erliefen,  um 
mirflid)  grofje , fjeroorragenbe  Seiftungen  in  biefer 
Stidjtung  nitf)t  tton  oornljerein  auSjuf d) liefen. 


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& 


VII 


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Seine  ©omponiftin  fiat  je  epodjemadienb  ober  gar 
bahnbredjenb  gemirft,  feine  ihren  SEBeg  burcf)  um 
»ergängfidje  Saaten  bezeichnet.  So  »erhängnifj* 
»off  eS  aber  für  bie  grauen  erfd^eint , tpre  §anb 
na  cf)  jenen  am  f)öd)ften  madjfenben  mufifafifdien 
2 or beeren  ans§rtftrecferr , ein  um  fo  ergiebigeres 
9tuf)meSfefb  bietet  fid)  ihnen  als  auSübe nben 
Sünftferinnen  bar.  3n  bie  fperrfdjaft  über  bie 
Stimme  unb  einzelne  Snftrumente  tfjeifen  fie  fid) 
»offberedjtigt  mit  bem  ftarfen  ©efdjledjt,  unb  am 
©fa»ier  zumal,  bem  mobernen  SiebfingSinftrument, 
auf  bem  fie  fefbftänbiger  unb  unabhängiger  als 
auf  jebem  anbern  ifjre  Sunft  geftenb  ju  machen  »er= 
mögen,  ringen  fie  »ereint  mit  jenem  um  bie  ißafme. 
5fn  Steife  ber  bie  Sbee  repräfentirenben  Sompofi» 
tion,  eröffnet  fid)  ihnen  in  .ber  bie  SBermirffidjung 
berfefben  »ertretenben  SSirtuofität  ein  unbeftrittener 
SßirfungSfreiS.  9fidjt  afS  ob  ifjnen  innerhalb  bie= 
feS  festeren  jebe  fdjöpferifdie  Xhätigfeit  benommen 
fei.  8m  ©egentpeif.  „®er  23irtuoS",  — fo  formm 
firt  Sigjt,  ber  größte  aller  SSirtuofen,  feine  $or= 
berung  an  benfefben  — „fcpeinbar  nur  Interpret 
eines  fremben  SßerfeS,  muff,  inbem  er  burcp  bie 
SDarftetfungSf orm , bie  er  einem  gegebenen  Stoff 
»erfeipt,  baS  Sbeaf  nad^fcfiafft , mefcpeS  berfefbe 
feiner  Seele  »orpieft,  eben  fo  fepr  ißoet  fein  mie 


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SDMer  uttb  23ilb£)auer,  bie  ja  aud)  gleicfjfant  bie 
Statur  nur  in  tfjrer  SiBeife  öortragen,  gewiffermafjett 
au§  ben  üftotenbüctjern  be§  Sd)öpfer§  tiom  Statt 
fingen.  . . Stidjt  paffitie  Wienerin  ber  ßompofition 
ift  bie  Sirtuofität,  benn  »on  it)rem  §aud)e  fjängt 
Sieben  nnb  Stob  be§  itjr  antiertrauten  getriebenen 
ftunftwerfeS  ab ; fie  fann  e§  int  ©tanj  feiner 
Sdjönfjeit,  grifcfje,  Segeifterung  wiebergeben,  ober 
es  tierbretjen,  tierunfdjönen,  entftelten.  Sie  SJiaterei 
ift  feine  fnedjtifdje  ftofflidje  Steprobuction  ber  9ia* 
tur,  nnb  eben  fo  tierfjätt  fidj  bie  SSirtuofität  jur 
erfinbenben  Sonfunft.  . . Set  Sänger,  ber  burdj 
baS  SBort  genau  beftimntten  Stusbrud  wieberp* 
geben  tjat , barf  ba§  tnenfdb)ltdE)e  Sßort  fo  wenig 
wie  ber  Porträtmaler  ben  ptjpfioguomifdjen  2tu§= 
brud  in  grober  ©enauigfeit  wiebergeben.  Seibe 
Ijaben  fid)  mit  bem  ©fjarafter  ber  Perfon  — beS 
2ßort§  — ba§  fie  tiergegenwärtigen  fotten,  p 
burdjbringen,  um  ifjrer  Interpretation  ba§  Sieget 
geiftiger  SBa^rtjett  aufpbrüden." 

Sorübergetjenb  wie  bie  ©egenwart  freitief)  ift, 
im  ©egenfaij  p bem  für  bie  Sfadjwett  fdjaffenben 
ßomponiften,  Sinter,  fötaler,  Sitbner,  Strdjiteften, 
bes  SSirtuofen  Stufgabe,  ob  if)m  aud)  fein  anbereS 
Problem  at§  jenen  tiom  ,,©ott  ber  ®unft,  ber  aud) 
be§  3Bettatt§  ©ott  ift",  gefegt  warb.  Um  fo  ge* 


'S*. 


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IX 


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rechtfertigter  gewifj  erfcf)eint  e§,  uns  (auf  ©rmtb 
authentifcffen,  non  ben  ©efdfitberten  faft  ausnahms* 
tos  fetbft  empfangenen  SOlateriat§)  bie  SBtlber  ber 
fjerüorragenbften  Äünftterinuen  unferer  Xage,  beren 
©aben  nur  für  un§,  bie  SJiitmett,  leben  unb  bie 
bie  ©päterfommenben  nur  au§  ber  ßeitgenoffen 
ßeugnif?  fennen  werben,  ju  ü er a n f c£) a nt i cf) en  unb 
ihnen,  benen  „bie  9iad)wett  feine  dränge  flicht", 
ben  3°ff  unfere§  ®artfes  in  feiten  5U  entrichten. 

October  1882. 


Xa  läara. 


fe. 


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3 n 1)  ö 1 1. 


Seite 

(Slara  @d)umann 1 

@ofie  Center 19 

21nna  SD^eJjIig 33 

3)lat9  43 

$auline  gidjtner=(Srbmann3börfer 55 

Saura  ^a^rer^appolbt 75 

Sityelntine  (Oaub^anmbt) 89 

Arabella  ©obbetrb 99 

(Srifa  2ie=9?iffen 109 

Sngeborg  üon  23ronfart 125 

Annette  (gffipoff^Sefd^etigft) 145 

$era  Sitnanoff 161 

2Büma  9?eruba=^orman 177 

$auline  2>iarbot=©arcia 187 

S)efiree  5Xrtot 213 

gelia  £rebelli 233 

21belina  $atti 249 

(Sfyriftine  ^iBfon^ougaub 273 

Sftarie  2öüt 287 

Amalie  Soadjim 313 

^aultne  2ucca 325 

Marianne  23ranbt * . . 347 

Sdjerefe  SBogl 367 

21malte  9Jfaterna 379 


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XI 


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ps^^lir  finb  im  Kemanbljau^faale  ju  Seidig.  Sie 
berühmten  claffifc^en  SDtufifraume  prangen 
tjeute  — mirfdjreibenben  24.  Dctober  1878 
— in  Weiterem  Seflglan^e*  Krün^  unb  93lu* 
rnengeminbe  fangen  fjernieber;  umfränjt  fielen  Kla* 
merfeffel  nnb  glügel,  unb  bie  alte  Snfd^rift  ju  Raupten 
be§  Drdjefterg,  ba$  »Res  severa  est  verum’  gaudium« 
fietjt  einem  feftlicf)  erregten  Sßublifum  in  § 9tngeficf)t. 

2Bem  tno£)I  bie  feltene  freier  gilt?  Ser  Koncertjettel, 
ber  tjeute  and)  ein  geftgemanb  angelegt  unb  neben 
bem  lorbeergefdjmüdten  Soppelmebaißon  Stöbert  unb 
Klara  @d)umann’3  bie  3;af)re3äaI)Ien  1828  unb  1878 
nennt,  giebt barauf SIntmort : Klara  Sd)it man it’§ 
gotbene^  ®ünftt  er  Jubiläum  begehen  mir*  Sa  ift  fie 
fetber,  bie  (Gefeierte ! Sa3  £>aupt  mit  bem  milben  fiu* 
nenben  2tu3brud  ein  menig  geneigt,  ba§  §aar  tmm 
erften  Steif  be§  2eben3minter3  ftfjon  geftreift,  fo  grüfd 
fie  ein  taufenbftimmiger  Subeiruf , ein  SSIumeitregen 
ofjne  Knbe.  $n  biefer  SShtmenfpenbe,  biefent  $ubeR 
ruf  fafd  ba§  mufifaüfdje  Seipjig  feinen  San!  für  bie 
Kaben  eiltet  falben  3aljrf)unbert§  jufamnten*  Stimmt 
e3  un£  SSunber,  menn  bie  SSegeifterung  jept  jur  fetten 
flamme  auflobert? 

3üt)ft  bie  nod)  immer  a fö  Krfte  iljreä  Kleicben 
oeretjrte  ®ünftlertn,  bie,  non  bem  SoppeInimbu£  ber 
fjinterlaffenen  Kattin  unb  ®unftgefät)rtin  eineg  unferer 

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getiebteften  Sonbidjter  umftoffen,  Bott  unBertümmerter 
Üraft  unb  ©nergie  nodj  if)re§  Berufes  waltet,  bie 
ebetften  Schöpfungen  unferer  Swngenien  in  reinem 
Sichte  wieberäuftrapten,  nicf»t  Bon  je  ju  ben  beBorjug» 
teften  (Säften  im  (Sewanbpaufe?  Unb  ift  fie  nicEjt  oben* 
brein  nacp  (Seburt  unb  ©rjiepung  ein  Seipjiger  ®inb? 
|>at  bie  alte  SOtufifftabt  nic^t  iljre  ©inbpeit  unb 
Sugenb,  ihr  erfte§  Siebet  unb  ©hegtücf,  Wie  bie  ©nt» 
wicftung  ihrer  ®ünftterfcf)aft  mit  angefeljen  unb  er» 
fcfjeint  fomit  at§  berufenfte  ,3eugtn  it)rer  fünftterifchen 
SSefenpeit  unb  ihrer  £riumppe? 

9tocp  jenfeit§  ber  mufifatifcpen  (Stansperiobe  Seif»5 
jig§,  bie  fie  peranfommen  feilen,  mit  burcpteben  unb 
fcbmücten  helfen  fottte,  fiel  atterbing§  ©tara’§  (Seburt. 
SBefcf) eibenere  33tiiten  nur  trieb  ba§  SJtufif  leben  bafetbft, 
at§  fie  am  13.  September  1819  bem  befannten  ©ta= 
Bierpäbagogen  griebricp  SBiecf  at§  erfte§  ®inb  in  bie 
SSiege  gelegt  warb.  ®er  SSater  fetbft,  ber,  feine  ©ar» 
riere  at§  |>au§Iehrer  beginnenb,  eine  mufifatifcpe  $n» 
ftrmnentenpanbtung  unb  Seipanftatt  am  Drt  begrünbet 
patte  unb  überbem  at§  ©lauierteprer  tpätig  War,  patf 
an  feinem  Steile  bie  mufifatifcpe  S3itbung  in  Seipjig 
förbern.  SSon  ipnt  unb  feiner  erften  (Sattin,  SDiarianne 
geb.  Xromtil , bie  atö  ©taBierfpieterin  unb  Sängerin 
in  ben  (Sewanbpauöconcerten  wieberpott  unb  erfolg» 
reicE)  ipr  Sicpt  teucpten  tiefj  — fie  nermäptte  fid^  fpäter 
nact)  erfolgter  Trennung  Bon  ipm  mit  bem  Sötufif» 
teurer  S3argiet  in  Berlin,  bem  SSäter  be§  ©omponiften 
SSotbemar  SSargiel , wäprenb  SSietf  mit  ©tementine 
gecpner  in  Seipjig  einen  ^weiten  ©pebunb  fc£)Io§,  bem 
bie  ^ianiftin  SOlarie  SSSiecf  *)  entftammt  — erbte  ©tara 


*)  £)iefelbe  mürbe  fcom  93ater,  mit  bem  fie  bi$  ju  feinem  $obe  in 
$>teSben  §ufammenlebte,  gleid)faü$  $ut  ßünjHerin  auSgebilbet.  3n 


cutcfj  bie  tonfünftlerifdje  Begabung.  SBäfirenb  itjrer 
aKererften  2ebenSjaf)re  geigte  fie  freilidj  feine  fonber* 
ficken  Slnlagen.  Saunt  aber  0 erriet!)  fie,  fünf  !yaf)re 
alt,  muftfalifdfeS  f£alent,  als  ifjr  SSater  fie  fofort  in 
feine  fünftlerifdfe  gucfjt  naf)m  unb  nacf)  ber  if)m  eigen* 
tfjümlicfjen  ämecfmäffigen  9ftetf)obe  mit  fo  glücflic|em 
©rfolge  im  ©laöierfpiel  unterrichtete , baff  fie  bereits 
nacf)  tiier  Safjren  ©oncerte  tion  ÜDiojart  unb  Hummel 
ausmenbig  mit  Drcf)efter  ju  fielen  öermocfjte  unb  ben 
erften  ©cfmitt  in  bie  Öffentlicfifeit  magen  burfte.  Sn 
einem  ©oticert  ber  ißianiftin  Sßertlfaler  aus  ®raj,  am 
20.  October  1828,  erfdfien  bie  Sfteunjäfjrige  gum  erften 
ÜOiale  in  bem  berühmten  SJiufiffaale  i^rer  Sßaterftabt, 
um  mit  Salfbrenner’S  öierljänbigen  SSariationen  über 
einen  Sliarf cf)  aus  „SDtofeS“  (Op.  94)  ju  bebütiren.  @ie 
trug  biefetben , in  ©emeinfcfjaft  mit  ©milie  9teicf)olb, 
einer  Schülerin  ifjreS  23aterS,  laut  einem  S3ericf)t  ber 
„3ftfgemeinen  mufifalifcfjen  Leitung"  üom  Stoüember 
1828  „mit  allgemeinem  unb  üerbientem  SSeifatt"  tior, 
unb  bie  Sritif  äufjerte  an  gleicher  ©teile  über  jene  erfte 
Seiftung : „Unter  ber  Seitung  itjreS  mufif erfahrenen, 
bie  Sunft  beS  fßianofortefpiels  moI)I  tierftelfenben  unb 
bafür  mit  Siebe  fef)r  tfjätigen  S3aterS  bürfen  mir  tmn 
ifjr  bie  größten  Hoffnungen  liegen.“ 

Um  bie  $eit  if)rer  ©rftlingSerfolge  mar  eS,  als 
Dtobert  ©cf)umann  — SEUufifer  im  Herren,  feines 
SeicfjenS  aber  bajumal  nod)  ©tubent  ber  9tecfjte  — 
jnerft  in  ilfr  Seben  trat  unb,  burcf)  itjre  üirtuofen 
Seiftungen  befeuert,  iljren  SSater  um  feinen  Unterricht 
bat.  ßum  erften  ÜDtal  begegneten  fic^  it)re  ©cf)icffalS* 

feinem  <3inne  päbagogifd)  mirfenb,  fjat  fie  fic^  burd)  Verausgabe  feiner 
(Stubien,  mie  burd)  ^unftreifen  in  2)eutfd?Ianb,  föu^anb,  (Sngtanb, 
ffranfreid),  Statten  befannt  gemalt  unb  tturbe  in  ben  testen  Sauren 
namentlid)  in  £)änemarX,  ©d)foeben  unb  üttormegen  t?ieXfacf?  gefeiert. 


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ftcrne.  ®odj  junädjft  nur  borübergefjenb,  ba  ber  SRutter 
(Sebot,  bie  gortfefzung  feiner  juriftifcEjen  Stubieu  ber= 
tangenb  , Schumann  int  fJrütjjatjr  1 829  nad)  tpeibet» 
Berg  trieb.  Slnberttjatb  3at)r  fpäter  aber,  nachbem 
ihm  injtbifchen  28ied’§  Autorität  jum  (Srreidjen  feiner 
SBünfdje  nnb  (Sr  f affen  be§  erfet)nten  &ünftterberuf§ 
bertjotfen,  lehrte  er,  unbbie§mat  bauernb,  wieber  nnb 
niftete  fidf  at§  fein  tpau§genoffe  fo  nah  at§  ntöglid)  bei 
feinem  Söleifter  feft.  *)  (Sr  brachte  mehr  ber  jugenbtid) 
frifdjett  (Stemente  nnb  mit  ihnen  eine  neue  poetifdje 
Seben§ftrömung  in  ba§  einem  fünftterifdjen  Söerfefjr 
gafttidj  offen  ftetjenbe  tpau§  — getbifj  eine  mot)(tt)ätige 
Anregung  für  (Stara , bie  oott  ber  eifernen  tpanb  be§ 
üßater§  ftreng  genug  geführt  marb.  SieSlnftrengungen 
ber  Arbeit  lernte  fie  frühzeitig  lennen.  So  lang  ihre 
phpfifctjen  Kräfte  ausreichten  tpett  man  fie  am  (Stabier 
feft.  3U  ©pieten  unb  (Srbotungen,  mie  fie  fonft  ba§ 
SinbeSgemütt)  ergötzen,  lieh  man  ihr  fo  toenig  ÜDhifze, 
bah  fie,  toie  Si§jt  in  feinem  poefiebotten  9tuffa£  über 
(Stara  Schumann  erjä^tt,  **)  fetbft  bie  furjen  Slugett* 
btide,  trenn  fie  ihre  Siebtinge , junge  Kätzchen,  an 
benett  fie  befonbere§  SBofdgefatten  hotte,  einmal  tieb= 
fofte,  fid)  heimlich  hinter  be§  2$ater§  dtüden  abftehten 
muhte.  „®urdj  biete§  Spielen  ober  üietmehr  trotz  be§ 
bieten  Spietenä",  fagt  Si§Jt,  „aber  ertoudjg  it)r  juteüt 
ftatt  Überbruh,  toie  man  e§  moht  glauben  möchte,  bas 
innere  SSerftänbnih  beffen,  ma§  fie  fpiette.  SSott  ba 
au  berfudjte  ihr  ®eift  immer  höher  tu  bie  geheimen 
^Regionen  ber  ißoefie  auftoärtd  ju  bringen." 

3u  improbifiren  unb  componiren  hotte  (Stara  fdjon 

*)  ©ine  au^Qcfü^rterc  Scbcnöffijje  Robert  ©cfyumann’S  fiefyc  in: 
ßa  OJtara,  TOuftfal.  ©tuMcnföpfe.  I.  5.  Qlufl.  Seidig,  ©törniM 
unt>  ©untrer. 

**)  ©cf.  ©Triften,  IV.  Seidig,  25reitfopf  unb  gärtet.  .1882. 


im  jepntett  Snt)re  angefangen.  ©ompofitionSuuter* 
ricpt  beim  i£t)oma§cantor  Sßeintig  unb  fpäter  bei  §ein= 
rief)  Sorn  gab  it)rem  ftf>öp>ferifc£)en  Srieb  9taf)rung  unb 
Regelung.  (Sin  Xt)ema  öon  itjr  liegt  bereits  einem 
ber  frülfeften  SBerfe  iRobert  Stf)uinann’§  (ben  Sw= 
promptuS  Op.  5)  ju  (Srunbe  — ba§  erfte  .ßeicfjen  fei* 
ner  ibeetten  Hinneigung  §u  ipr , wetdfeS  nadf  aufsen 
brang. 

„Sa  icf)  Seute  fenne",  fcfireibt  er  1833  üon  itfr, 
„bie  fidj  fd)on  auf  ba§  nädjfte  SRat  freuen,  Wenn  fie 
eben  ©tara  gehört  Ratten,  fo  frag’  idf,  Wa§  bemt  ba§ 
Sntereffe  für  fie  fo  tauge  näf)r.t?  Sft  ba§  3ßunber= 
finb,  über  beffen  Secimenfpannungen  man  ben  Sopf 
fdjüttett,  obwot)!  oerwunbert  — finb  e§  bie  fcfjwierigften 
Sdjwierigfeiten,  bie  fie  fpietenb  atS  ©(umcnfetten  in’S 
ißubtifum  jurüdfdjtingt  — ift  eS  oietteicfjt  einiger  Stotj, 
mit  bem  bie  Stabt  auf  bie  ©angeborene  fietjt  — ift'eS 
baS,  baff  fie  uns  baS  Sntereffantefte  ber  jüitgften  Seit 
oorfüfjrt  in  fürjefter?  — Set)  weif?  eS  nicf)t:  icfi  meine 
aber  einfach,  eS  ift  ber  (Seift,  ber  jwingt."  Unb  an 
aitberer  Stette  tjeijft  e§:  „Sie  30g  frü^jeitig  ben  Sfi§* 
febteier  ab.  SaS  Sittb  fiet)t  rüf)ig  auf,  — ber  ältere 
SRenfct)  würbe  üietteicEjt  am  (Statt 5 erbtinben.“ 

Sodj  itictjt  Sdfumann  unb  Seipjig  allein  freuten 
fief)  an  ©tara’S  aufbtüljenber  Sünftterfdfaft ; Später 
ÜSiect  fäumte  niefjt , feinem  ®inbe  bie  2Bett  unb  ber 
Sßett  fein  ®inb  ju  geigen.  Sie  @lfj;ät)rige  fcf)on  fütjrt 
er  f)inauS  ttnb  befriebigt  berichtet  er  in  bie  Heimat*) 
„weites  Stttffefjen"  fie  unb  er  fetber  at§  if)r  SBitbner  itt 
SreSben  madfen.  „Stber  ict)  bin  ängfttief)",  fügt  er 
f)inju,  „baff  bie  ©f)rett  unb  StuSjeidjnungen  auf  ©tara 


*)  t>.  3K  cjd)  g ne  t , 3t-  ÜBiccf  unt>  feine  6eiien  Södjtei.  Seipjifl, 
9JUttf)e$,  1 S75. 

k - . ^ 


ST 


einen  fc^Iitrtmen  Kinfluß  üben  fönnten.  3Jterfe  icf) 
etmag  3tad)tf)eiligeg,  fo  reife  icf)  fogteirf)  ab,  bamit  fie 
mieber  in  bürgerliche  Drbitung  fommt ; benn  icf)  bin 
ju  ftolj  auf  ihre  9fnfprucfj§Iofigfeit  itnb  oertaufcße  bie= 
felbe  um  feine  @hre  ber  SSelt." 

3m  näcfjften  3af)re  (1831  — 32)  geht  eg  meiter 
nach  SBeimar,  ®affel,  graitffurt  a.  31t.  unb  Parig. 
„34  hoffe  Klara  foü  ung  feine  Scpanbe  in  Parig 
machen,“  tieifst  eg  in  einem  ung  üorliegeuben  unge= 
brucften  Briefe  Sßied’g  an  feinen  bort  lebenben  Sclima* 
ger,  SOtafer  Sechser  (aug  Gaffel,  Dom  17.  3toüember 
1831  batirt).  „®ie  Urtßeile  Spol)r’g  unb  üieler  an* 
beren  ebfen  unb  u n p a r t ei i f cf) e n Senner , mo  ber  fürcf)= 
terlicfje  3teib  feine  Stoße  fpielt  — bringe  ich  oHe  mit 
unb  mir  maßen  nun  fefjen,  mag  Kßopin,  pijig, 
fpünten,  Salfbrenner  u.  21.  ju  einer  mufifalifchen 
pianiftin  (icf)  habe  nie  eine  gefannt  außer  ber  üerftor* 
benen  Spgmanomgfa  in  Petergburg)  fagen  merben, 
bie  in  ber  großartigen  gielb’fchen  Schule  ebenfo  üon 
mir  auggebifbet  morben,  afg  in  ber  SBieiter  unb  neue» 
ften  franjöfifcf)en,  bie  üerhältnißmäßig  eben  fo  gut 
oom  SBlatt  fpielt,  Partituren  lieft,  pfjantafirt  unb 
componirt." 

3n  SBeimar  faßt  ©oetf>e  — mie  früher  in  Seipgig 
fc£)on  Paganini,  ber  ißm  eine  gfanjenbe  $ufunft  meif* 
fagte  — ein  tiefeg  3«tereffe  für  bag  munberbare  Sinb . 
3um  ®anf  für  bie  greube,  bie  ißm  ißr  (Spiel  bereitet, 
fenbet  er  „ber  geiftreichen  Klara  SSiecE“  fein  SBilb.  3n 
Gaffel  lernen  fie  Spoßr,  in  Parig,  tion  mo  fie  bie 
Kpolera  nur  ju  f cf) ne  11  oertreibt,  211ejanber  oon  §um* 
bolbt,  33tenbelgfof)n,  Slteperbeer,  Salfbreitner  unb  ben 
eben  bort  concertirenben  Kljopin  fennen. 

gür  beg  Seigeren  Kompofitionen  faßte  SSiecf  üon 
21nbeginn  ein  fo  lebßafteg  3ntereffe , baß  er  in  üer* 


fdfiebenen  mufifalifehen  Seitfehriften  eine  S'ritif,  ober 
tote  er  feXbft  fagt,  eine  äftfeetifche  Stljapfobie  über  Op.  2 
beröffentticf)te.  2)ie§  Sariationenloerf  unb  anbere 
(Schöpfungen  be§  polnifehen  3tomantifer§  machte  Gltara 
juerft  in  roeiteren  Greifen  befannt.  Auch  Seetl)oben’§ 
Sonaten,  Sach  unb  Stenbelöfohn  nimmt  fie  nun  in 
ihr  ©oncertrepertoire  auf,  ba§  fidf  bisher  im  SBefent» 
liehen  auf  Srabourftücfe  bon  §erj,  Jftaifbrenner,  SDto» 
freies  befchränft  hatte.  Um  bei  SRieffdj  ©efang,  bei 
©apellmeifter  Steiniger  Snftrumentation  jtt  treiben, 
nahm  fie  1833  einen  ha^jät)t:tgen  Aufenthalt  in 
Sreöben,  too  fie  u.  A.  bie  Sefanntfcfeaft  mit  ber  fie  in 
hohem  Sftafee  begeifternben  Sdjröber=2)ebrient , bie 
fcfion  in  ihrem  ©oncert  in  ißari§  mitgetoirft  hatte,  er* 
nente ; bann  liefe  fie  fict)  in  ihrer  Saterftabt  mit  Seriot 
unb  Sauline  ©arcia  gemeinsam  hören.  ®en  ©rften 
unb  ©röfeeften  in  ihrer  ®unft  burfte  fie,  bie  Sugenb» 
licfee , fiel)  fdfon  gefeüen.  Salb  pflücfte  fie  ficb)  in 
Serlin  unter  Spontini’ö  ©önnerfchaft,  halb  in  Sariö, 
halb  in  Sra9  unb  ÜBien  neue  Sorbeeren.  SÖteinte 
9teHftab,  ber  allmächtige  feitifer  ber  preufeifefeen 
£>auptftabt,  auch  bebauernb : „Schabe,  bafe  fie  in  beit 
|)änbeu  eine§  Saterö  liegt,  ber  folrften  Unfinn  bon 
Kfeopin  fpielen  läfet",  ba§  „bebeutenbe  latent“  ber 
Spielerin  mufete  er  hoch  anerfemten.  Auch  3eti§  be* 
ftätigt,  melcf)’  „lebhafte  Senfation"  fie  an  ber  Seine  er» 
regte.  Unb  an  ber  Sonau  boüenbö  feierte  fie  Siege 
über^  Siege.  ®ie  ®aiferin  bon  Defterreid)  ernannte 
fie  ju  iferer  Sammerbirtuofin  — eine  @hre  - bic  biö 
baffen  noch  feiner  Auölänberin  toiberfalfeen  war — unb 
bie  Ariftofratie  jog  fie  begierig  in  ihre  Greife.  „£ie 
Soeten",  bezeugt  Si§jt,  ber  fie  hörte,  „erfannten  in 
biefer  anmutfeigen  ©rfdfeinung  eine  Tochter  ihres 
Saterlanbeg.  Sie  ftreuten  S^len  unb  ©efättge  bor 

k M 


fie  f)tn  unb  feierten  biefen  93enjamin  it)re§  Stammet, 
ber,  mit  fdjmeifenbem  getfttraüen  93Iid  umfjerfdjauenb, 
feltfam  lädjelnb  einer  fdjmeigenben  -Jiajabe  glidj , bie 
im  Sanbe  ber  fßrofa  fidj  unfjeimtid)  fütjlt*"  ©o  befang 
©rtttpanjer  fie  itnb  itjren  SSortrag  boit  93eetf)oben’3 
F-moll-@onate: 

„Kin  Sunbermann,  ber  Seit,  be§  Sebent  fatt, 

©d)tof3  feine  ßauber  grollenb  ein 
3n  feftnerraabrtem,  bemantbartem  ©darein, 

Unb  raarf  ben  ©djliiffel  in  ba§  9)ieer  unb  ftarb. 

©ie  äftenfdjlein  müben  ftc^  gefdjäftig  ab,  — 

Itmfonft!  fein  ©perrjeug  löft  ba3  Ijarte  ©cblofi 
Unb  feine  gauber  fdflafen  rate  ibr  Reiftet. 

(Sin  ©djäferfinb,  am  ©tranb  be£  $tere§  fpielenb, 

©ieb)t  ju  ber  baftig  unberufnen  Sagb. 

©inmrall,  gebanfenlo£,  raie  üttäbdfen  ftnb, 

©entt  fie  bie  raeifjen  ginger  in  bie  glut 

Unb  fajst  unb  bebt  unb  bat’3.  — K3  ift  ber  ©dflüffel ! 

Stuf  fpringt  fte,  auf,  mit  böber’n  §er^en§f plagen: 

©er  ©djrein  blintt  raie  au3  klugen  ibr  entgegen. 

©er  ©dflüffel  pajü,  ber  ©edel  fliegt,  ©ie  Keifter, 

©te  fteigen  auf  unb  fenten  bienenb  fid) 

©er  anmutbreidjen,  unfd)ulb3t)olIen  §errin, 

©ie  fte  mit  weiten  gingern  fpielenb  lenft." 

®a§  mar  Klara  2ßied’»  letzte  SKäbdjenreife.  Um 
mibcrftef)tid),  übermädjtig  mar  bie  feit  langem  gemeint 
gehaltene  Siebe  jmifdjen  if)r  unb  Robert  ©dfumann 
rnittlermeile  an»  ©ageälidjt  getreten*  ®aj3  er  in 
it)r  feine  SJhtfe  gefunbett,  ba3  berrietfjen  fd)on  bie 
©djmärmbriefe  an  „Kfjiarina"  in  ber  bon  iljnt  gegrünt 
beten  „Plenen  ^eitfcfjrift  für  SKufil";  bie  „®abib^ 
bünblertänse",  ber  „Kantebal",  bie  Fis-moll-®onate, 
bie  „Sreigleriana",  bie  „£mntore3fe",  bie  „-Jiobetletten" 


10 


w 


unb  „SRadEjtftüdEe"  gaben  eg  tötteitb  oor  alter  SBelt  fmtb 
unb  erjätjtten  eg  Sebent,  ber  jn  hören  uerftanb  nnb 
ber  „inneren  Stimme"  laufdjte.  Unb  Klara  t)atte  bent 
füllen  äftattn  mit  bem  tief  gegrünbeten  Sicfjtergemüth 
ihr  §erj  gefdjenft;  fie  mar  fein,  trotj  beg  heftigen 
Sinfprud)g  beg  Saterg,  ber  fein  ®leinob  mit  eifere 
füchtigen  Süden  hütete  unb  non  einer  Serbinbung 
Seiber,  ba  er  it)re  gufuuft  nicht  genügenb  gefiebert 
glaubte,  nur  unter  ber  Sebingung  eineg  längeren 
2luffcf)ubg  etmag  t)ören  mollte.  2Bie  tonnte  gleidjmol)! 
fein  SSille  trennen  nnb  augeinanber  Ratten,  mag  fid) 
bod)  unaufhaltfam  ju  einen  trachtete,  mag  bie  Statur 
felber  für  einanber  beftimmt  nnb  gefdjaffen  I)atte? 
©d)merjltd)e  Sümpfe  tonnte  er  ben  Seiben  motjl  bereit 
ten,  feinen  ©egen  tonnte  er  ber  äBa^I  feineg  Sinbeg 
oermeigern;  aber  er  tonnte  nicht  tjinbern,  baf$  fie  enb= 
lief)  ®anf  bent  Seiftanb  ber  ©erid)te  erreichten,  mag 
er  felber  ihnen  ^artnäcEig  oorentljielt,  baf$  fie  otjne 
feinen  ©egen  jurn  Slltare  traten.  Stt'bcr  Sirdje  ju 
©d)önefelb  bei  Seidig,  ant  12. September  beg  S(*hre£ 
1840,  empfing  it)r  Sunb  bie  SSeifje  Don  oben.  Unb 
ber  ©egeit  beg  ^pimmelg  mettigfteng  fehlte  ihrer  Sl)e 
nicht. 

„Shre  ®efd)ide",  fagt  Sigjt,  „erfüllten  fid)  in 
biefer  unter  bem  ©egengftrahl  ber  Sitnft  erblühten 
gegenfeitigen  Siebe  unb  fortan  „„lebte  er  bichtenb  unb 
fie  bidjtete  lebenb.""  Kg  mar  feine  gliidlidjere,  feine 
harmonifdjere  Sereinigung  in  ber  Sunftmelt  benfbar, 
alg  bie  beg  erfinbenben  SJtanneg  mit  ber  augführenbett 
©attin,  beg  bie  Sbee  reprafentirenben  Komponiften 
mit  ber  iljre  Sermirflidjung  uertretenben  Sirtitofiit. 
Seibe übten  bieSmtft  nach  oerfdjiebetten  aber  gleich  be* 
beutenbeit  Dichtungen  aug.  Suterpreten  begfelbeit  poc* 
tifefjen  ©efühlg,  flauten  unb  oerfüitbcten  fie  bagfetbe 


11 


SSorltilb  be§  Scfjönen , maren  fie  üon  bemfetben  9tb= 
fd^eu  gegen  Sriöiate§  in  berSunft,  üon  berfelben  <£f>r= 
furdjt  für  gleiche  (Sigenfcpaften  erfüllt.  £>anb  in  §anb 
getjenb,  trugen  fie  gleiche  dränge  unb  gleiche  ißatmen, 
ernteten  fie  gleichen  23eifatt ; benn  ipn  ober  fie  bettmn* 
bern  Reifst  SSeibe  bettmnbern , bie  in  üerfcpiebenen 
jungen  aber  int  bjerrlidEjften  (Sinftang  fangen.  Sie 
Stnnaten  ber  Sunft  tnerben  SSeiber  ©ebädjtnijj  in  feiner 
83ejief)ung  trennen  unb  ifjre  kanten  nicfjt  tiereinjett 
nennen  fönnen,  biegufunft  tnirb  mit  einem  golbnen 
Schein  beibe  Häupter  umtoeben , über  beiben  (Stirnen 
nur  einen  Stern  erglänzen  taffen,  mie  and)  ein  be* 
rütjmter  Söilbner  unferer  Beit*)  bie  Profite  be§  um 
fterblicfien  ißaareg  fdjon  in  einem  SJiebailton  öer* 
einigt  pat. " 

SSatb  gaben  fie  üon  bem  nacf)  langen  Sümpfen 
errungenen  ©lüd  banfbar  aucp  nacp  aufjen  Sunbe. 
§atte  er  ipr  furj  jutior  fcpon  feine  erften  Sieber,  bie 
„SJtprtpen",  at§  föftticpe  Srautgabe  bargebradjt , fo 
fangen  fie  nun  öereint  bie  „Btnölf  ©efänge  au§ 
9tüifert’§  SiebeSfrüpting"  (Op.  37),  bie  erften  berebten 
Beugen  ipre§  jungen  (Spegtüifö , bie  ipnen  ber  Sicpter 
fetber  mit  bem  poetifcpen  Sanfelgrufj  topnte: 

„Sang  ift’8,  tang, 

@eit  tc()  meinen  SiebeSfrüpling  fang; 
lus  ^erjensbrang, 

SBie  er  entfprang, 

23erflang  in  ©infamfeit  ber  fiiang. 

Sroansig  3apr 

Sßurben’g,  ba  f)ört’  id)  E»ier  unb  bar 
®er  SBogelfcpaar 


*)  tfUetfcper. 

= M 


12 


Sinen,  ber  flar 

$fiff  einen  £on;  ber  bortl)er  mar. 

Unb  nun  gar 

$ommt  im  einunbsroansigften  3af)r 
Sin  SBogetpaar, 

SD^ac^t  erft  mir  flar, 

S)a(3  nidjt  ein  £on  verloren  mar. 

9Reine  Sieber 
©ingt  Ujr  mieber, 

$D?ein  Smpfinben 
klingt  if)r  mieber, 

9Mn  ®efüf)l 
33efdjraingt  ifjr  mieber, 
deinen  grüfjling 
bringt  if)r  mieber, 

SDftcfj,  mie  fdjön 
Verjüngt  ifjr  mieber. 

Sftefymt  meinen  2)anf,  menn  aud)  bie  SDßelt, 

Sie  mir  einft,  ifjren  norentplt !" 

2ln  eigenen  ©omüofitionen  — nteift  für  ©lattier 
unb  ©efang  , bod)  barunter  an dj  ein  ©oncert  mit  0r* 
cfjefter,  ein  Xrio  unb  ^omansen  für  $ianoforte  unb 
©eige  — neröffentlitfjte  ©lara  int  Saufe  ber  $eit 
23  opera  unb  einiget  ofjne  DpuSjaljl  ©rfdjienene*  *) 


*)  3m  Sanken  (laut  51.  SDorffet)  ftolgenbeS : 

Op.  1.  4 Polonaises  p.  Pfte.  Seidig,  £ofmeifter. 

Op.  2.  Caprices  en  forme  de  Valses  p.  Pfte.  Sbenb. 

Op.  3.  Romance  variee  p.  Pfte.  Sbenb. 

Op.  4.  Yalses  romantiques  p.  Pfte.  (Sbenb. 

Op.  5.  4 Pieces  caracteristiques  p.  Pfte.  Sbenb. 

2)arau$  „^eyentanj".  2öien,  £a$Unger. 

Op.  6.  Soirees  musicales  p.  Pfte.  Seipjtg,  £ofmcifter. 

£occatina  — 23attabe  — Nocturne  — ^otonaifc  — 
2 SDtajurfaS. 

k 


13 


316er  and)  ba£,  ma§  if)r  ©atte  fdfuf,  bnrdflebte  fie 
treutid)  mit  if)m,  unb  an  feinem  Streben  nad)  bem 
tpödfften  nat)m  fie  Xlfeit.  „<St  mar  iffr"  — mie  gerbi* 
nanb  Ritter  in  bemegter  Siebe  am  ©rdbe  Stöbert  @d)u= 
mann’3  bezeugte  — „mie  ber  Xodjter  berSSater,  mie 
ber  Sörartt  ber  Bräutigam , mie  bem  Siinger  ber 
SDteifter,  mie  bem  ©laubigen  ber  ^eilige."  3tl§  tiebe= 
ootte  SSermittterin  ftanb  fie  jmifdjen  bem  in  feine 


Op.  7.  ©rfie3  (Soncert  (A-moll)  f.  Vfte.  m.  Drd).  (Stent. 

Op.  8.  Variations  de  concert  (Pirat  de  Bellini)  p.  Pfte. 
SBien,  §>a3tinger. 

Op.  9.  Souvenir  de  Vienne.  Impromptu  p.  Pfte.  SÖien,  ©pina. 
Op.  10.  ©d)er^o  f.  ^3ftc.  Seipjig,  Vreitfopf  unb  Partei. 

Op.  11.  3 Romances  p.  Pfte.  VBien,  ©pina. 

Op.  12.  3 ©ebid)te  au3  Dtütfert’3  Siebe^früfyting  für  1 ©ingftimme 
m.  Vfte.  Seipjig,  VreifEopf  unb  Partei. 

(QIucE>  in  9tob.  ©djumann’S  Op.  37  beröffentt. 

Op.  13.  6 Sieber  f.  1 ©ingft.  m.  Vfte.  (Sbenb. 

Op.  14.  2me  Scherzo  p.  Pfte.  ©benb. 

Op.  15.  4 Pieces  fugitives  p.  Pfte.  ©benb. 

Op.  16.  3 Vrätubien  unb  $ugen  f.  Jßpe.  ©benb. 

Op.  17.  £rio  f.  tßfte. , Viol.  u.  Vcetl.  (G-moll)  ©benb. 

Op.’  19  I iinb  niä?t  wWemn- 

Op.  20.  Variationen  über  ein  $tjema  bon  Dt  ob.  ©djumann  f.  fßfte. 
Op.  21.  3 Vornamen  f.  Vfte.  ©benb.  [©benb. 

Op.  22.  3 Otoman$en  f.  9ßfte.  u.  Violine.  ©benb. 

Öp.  23.  6 Sieber  au3  3ucunbe  bon  Otoftet  f.  1 ©ingft.  mit  fßfte. 
©benb.  , 

©abenjen  $u  Veettjoben’S  ©tabierconcerten  Op.  37  unb  58.  Seip^ig, 
fftieter*Viebermann. 

„Siebe3$auber"  bon  ©eibet  für  1 ©ingftimme  m.  Vianoforte.  Seip$ig, 
©djubertf)  u.  ©o. 

Sinbante  u.  VEegro  f.  Vfte.  ©benb. 

„Stm  ©tranb"  f.  1 ©ingft.  m.  Vftc.  ©benb. 

'SDie  bei  Vreüfopf  unb  §ärtel  in  Scipjig  erfdjeinenbe  ©efantmt* 
auSgabe  ber  Sßerfe  Otobert  ©ejumann’^  mirb  bon  ©tara 
fyerauSgegeben,  unb  aud)  mit  einer  Viograpbie  tfyreö  beworbenen  ©atten 
ift  fie  feit  ben  testen  3af)ten  befcfyäftigt. 


w 


bräunt»  unb  ©ebantenwett  oertieften,  fchweigfamcn 
Spanne  itnb  bem  praftifcfjen  Seben , ber  Stuffenwett. 
Bon  ber  ftilten  tpeimftätte,  bie  fie  fidf  atg  SDtittetjnmft 
harntonifchen  bänglichen  ©tiicfg  juuächft  in  Seidig, 
bann  in  (Sregben  — oon  1844  feig  1850  — unb  jit- 
te|tin  (Süffetborf  gegrünbet,  30g  fie  i£)tt  and)  jeit= 
toeitig  mit  in’s  SBeite  |inau§;  in  Stufftanb,  wie  in  ben 
üerfdjiebenften  ©egenben  ®eutfcE)tanbg,  öfterreid)§  unb 
betrieb  ertaube,  a ((erwarte  (Jriumphe  mit  if)m  feiernb. 
(Sur cf)  feinen  ©eniug  empfing  ber  ifjre  feine  eigenttidffte 
hödjfte  2Beit)e.  SBeit  über  bag,  wag  ©tara  SBiecf  einft  war, 
Wud)g  ©tara  Schumann  hittaug.  Stng  ber  „lieblichen 
üötufenffnetgenoffin  warb  eine  weitjetiofte , treu  pffiefe = 
tige  rtnb  ftrenge  fßriefterin."  Sie  offenbarte  ber  SBett, 
Wag  in  feiner  Seele  erftungen  , unb  raftete  nicht,  big 
fie  feinen  tieffinnigen  Etaüierbichtungen  ein  immer  atfe 
gemeinereg  SSerftänbnifä  erfdftoffen.  So  war  ifjre  @t)e 
ein  gegenfeitigeg  fetigeg  ©eben  unb  Stehmen , fo  War 
ihre  ©röfse  fein,  feine  Slnerfennitng  ihr  SSerbienft. 
konnte  eg  im  !3tthre  1846,  aig  Beibe  SBien  befugten, 
wie  fpangtief  erg䣻£t , noch  gefcEjeljen , baff  man  Oon 
ihm  nur  atg  Oon  bem  „SDtann  ber  ©tara  SBied"  fpradj 
unb  bei  einem  tpofconcert  ficfi  eine  hohe  Sßerfon  nach 
©tara’g  ißrobuction  mit  ber  hutböotten  $rage  an  ihren 
©atten  wanbte : „Sinb  Sie  auch  mufifatifdfj?"  fo  lernte 
bie  SBett , Sanf  ber  treuen  ©attin  Bemühungen , affe 
malig  erfennen,  wa§  fie  in  ihm  befafj. 

Unb  bem  erwählten  Berufe  blieb  ©tara  treu  in  guten 
Wie  in  böfen  (Jagen.  2ttg  wertige  3fahre  nad)bem 
Stöbert  Schumann  fein  bigfjerigeg  oorwiegenb  freieg 
®ünftterteben  gegen  eine  amtliche  SBirlfamfeit  in 
(Sitffetborf  ocrtaufdfjte,  ftdf  im  gebruar  1854  an  ihm 
bag  furdftbarfte  ©efd)id  erfüllte,  atg  Sranffieit  beg 
ßeibeg  unb  ber  Seete  ben  reichen  ©eift  in  geffetn 


ÄL 


M 


15 


w 


fcfitug,  bi§  nad)  jtoei  trauriger  Suf)re  grift  ber  mit=, 
leibigeSob  ba§  umnad)tete®afein  enbete,  ba  erhob  fid) 
bie  Sdfmerjgebeugte  „mit  ber  2Biüen§ftärfe  berSJtutter, 
mit  ber  Vegeifterung  ber  ®ünftlerin , mit  ber  unge* 
brochenen  Siebe  p bem  ©ahingefchiebenen",  um  ba§ 
ißriefterttjum  feiner  Sunft  in  feinem  Sinne  p bollen* 
ben.  2ll§  feine  SSittme,  bie  if)r  §eim  bon  ©üffelborf 
medffelnb  nad)  Verlin  (bon  1857—1861),  nad) 
Vaben=Vaben  (bis  1873),  fobann  tbieber  nach  Verlin 
(bi§  1878)  unb  enblid)  nach  $rantfurt  a.  ber= 
legte,  mo  fie  nod)  gegentoärtig  an  ber  ^od^’fcEjeit  |>od)= 
fd)ule  für  SJtufil  ixnterric£)tet , trat  fie  bon  neuem  in 
bie  28elt. 

„SSenn  fie  ben  ©reifuff  be§  Tempels  befteigt"  — 
fo  hören  mir  Si§jt  fie  fcfjilbern  — „fpridjt  nid^t  mehr 
bad  SSeib  p un§.  Sie  unterhält  un§  al§  ®id)terin 
meber  bon  irbifdjer  8eibenfd)aft  unb  ftürmifd)em  ®antpf 
menfd)lid)er  @efd)ide,  nod)  überzeugt  fie  un§  burd)  bie 
®üt)nl)eit  ihrer  SInreben,  unb  nod)  meniger  bemirbt  fie 
fic^  um  Sympathien.  (Sine  untermürfige,  glaubend 
unb  efjrfurd)t§bode  ©emeilfte  be§  bel^tjifc^en  ©otteS, 
bient  fie  mit  fdjauernber  ©emiffen§treue  feinem  (Sul* 
tu§.  3üternb,  and)  nur  ein  Sota  be§  p fünbenben 
Sprud)e§  p berlieren , eine  Sylbe  falfdj  p betonen 
unb  fo  pr  fd)ulbigen,  trügerifcben  Snterpretin  p 
merben,  bepingt  fie  it»r  eigene^  ©efüb)I.  ®ie  Orale! 
al§  unbefted)lid)e  Vermittlerin  unb  treue  Stu§legerin 
p berfünben,  entfagt  fie  ben  eigenen  (Singebungen. 

Unb  fo  febjr  ift  fie  bott  9Inbad)t  beherrfcpt,  baf)  ba§  be= 
meglidjere  menfdflidje  (Slement  bor  biefer  objectiben 
Snterpretation  ber  Snnft  faft  gänjlid)  prüdtritt.  ®a= 
gegen  mirb  SUemanb  itjr  ben  Vorrang  in  ber  ergrei= 
fenben  SBappit  abgeminnen,  mit  meldier  fie  bie  burd) 
botleS  Verftänbnif)  geheiligten  SJteifter  borträgt." 

& M 


16 


p—  -w 

„Selten  wirb  wieber  wie  fie  eine  grau  ihr  ganzes 
inneres  Seben  in  bie  ®unft  übertragen,  um  nur  noch 
in  ihrem  (Gebiet  ju  fügten  unb  ju  genießen.  (Sine  bor» 
wurfsfreie  SSottenbuttg  cfjarafterifirt  {eben  Xon  biefer 
fanften  teibenben  Sibylle,  bie,  §immefsbüfte  att»= 
menb,  mit  ber  (Srbe  nur  noch  burch  ihre  £t)ränen  ber» 
bunben  bleibt."  Unb  an  anberer  Stelle  heilst  eS : ,,©S 
finb  fd)on  öfter  Söemerfungen  über  bie  ©ewiffent>aftig= 
feit  gemacht  worben , mit  Wetter  grau  Schumann  itjr 
öffentliches  Auftreten  borbereitet : Wie  fie  bie  %a* 
ftatur  burchfpürt,  wie  fte  jeben  £on  prüft,  beffen 
Wenn  and)  richtiger  ®fang  hoch  bie  gewoffte  fftefonanj 
unb  gärbung  nicht  bottftänbig  t»ergiebt ; Wie  fie  forgt, 
baff  ihr  Sih  nicht  um  baS  Oeringfte  ju  f)oc^  ober  ju 
niebrig  fei ; Wie  fie  nicht  allein  fange  Stunben  auf  bem 
ißiano , baS  fie  fpiefen  fott , übt , um  affe  feine  gein» 
heiten,  Schwächen  nnb  SSorjüge  fennen  ju  fernen,  fon» 
bern  womögfid)  in  bem  betreffenben  Sofafe  fefbft  ihre 
Übungen  madht,  nur  um  abjufaufdjen  wie  in  beffen 
Sffuftif  jeberSfccorb,  jebeS  Slrpeggio,  jebeS  ShtfchWeffen 
unb  2fbnehmen  ber  Sonffuten  wirft.  3Bir  fönnen 
barin  nur  eine  -Jiothwenbigfeit  ihres  SBefenS  fetjen, 
eine  Sottfequenj  ihrer  äftetfwbe , ihrer  Sluffaffung  bon 
Üt'unft,  33erufS treue  unb  Schwierigfeit  ber  fünftferifchen 
SebenSaufgabe  erbficfen.  Sie  erlaubten  ihr  nicht,  ihrer 
bon  ber  (Sunft  beS  SfugenbfidS  unb  jufäffiger  Stirn» 
mung  abhängigen  perfönfichen  SSegeifterung  ju  ber» 
trauen;  fie  überzeugten  fie  biefmehr,  baff , um  ber 
SBürbe  ber  S'unft  treu  ju  Bleiben,  man  ju  jebem  ihrer 
gefte  mit  bemfefben  (Srnft , mit  berfefben  SCßeilje 
fchreiten  muff.  gn  jeber  tpinfidjt  mafeffoS , ift  fie 
burdf  anbauernbe  Sorgfaft,  (Snergie  beS  SBitfenS  nnb 
aScetifdfe  Eingebung  ju  einer  ÜJteifterfdjaft  gefangt, 
bie  fie  gewiffermaffen  afs  unfehlbar  ftempeft." 

Sfc-  ^ 


ßa  IDiara,  6tut>ienföpfe.  V.  17 


2 


w 


„Stnbere  bicEjten  — fie  ift  eine  ®icf)tung“,  fdjreibt 
©djumann  bon  Slara,  beredter  mit Sftedjt  nac£)rüfimt, 
baff  fie  inmitten  oder  Sriumpfje  ftet§  ba§  „einfache, 
waitirijaftigfte,  edjtefte  Sßeib,  bie  aufopfernbfte  SJtntter, 
bie  getreue  greunbin“  bleibe.  SBerlioj  nennt  fie  bie 
„@rfte  unb  ©injige",  unb  2i§§t  fügt  |inju : „SBenn 
aucfj  SJiete  metjr  Särm  machen,  SBenige  geben  fo  biet 
SDlufif."  Siafjejn  brei  Satjrjetwte  finb  bergangen,  feit 
Si§jt  jene  SBorte  fdjrieb ; aber  fie  fjaben  Üjnen  nidjtS 
bon  itjrer  boHen  (Rettung  geraubt.  9It§  bie  berufenfte 
SSermittferin  ber  unter  ifjren  Stugen  entftanbenen,  biel* 
facf)  für  fie  fetber  gebauten  unb  burdj  fie  admätig 
populär  geworbenen  ©dwpfungen  i£>re§  (Satten  wie 
ber  ctaffifdjen  ÜDteifterWerfe  bemunbern  wir  fie  nod) 
f»eute  unb  eljren  unb  lieben  in  if»r  mit  £>an§  bon 
23ütoW’§  Sßorten  bie  „nod)  immer  unenttljronte  Königin 
ber  (£tabierfpieterinnen." 


&.  SB 


18 


2 


w 


fcE) eint  burdf  ©tara  Schumann  bie  ältere 
ißianiftenfcbule  auf  ba§  ^eröorragenbfte 
repräfentirt , fo  nimmt  unter  ben  SSer= 
treterinneu  ber  mobernen  Schute  (Sofie 
ßjtenter  bie  erfte  Stelle  ein.  §at  ihr  botf)  bie 
£)öc£)fte  pianiftifcbe  Autorität  ber  SBett , granj  SiSjt, 
ben  oberften  Slang  juerlannt.  Xurcfj  nnb  burcb  ntufi* 
fatifdjen  Staturettö , if)r  ganje§  Sehen  nur  an  ihrem 
^nftrument  oerbringenb,  mit  aß’  ihren  Sntereffen 
einzig  ber  ®unft,  ber  fie  ficb  getoibmet,  jugemanbt, 
ßat  fie,  mie  mob't  leine  anbere  ihrer  ©taöierfdfmeftern, 
fidj  einzig  in  biefer  concentrirt,  if»r  gefammte§  ©e= 
nnitt)ä5  nnb  @eifte§teben  auSfctßiefiticb  in  if»r  aufgeben 
taffen.  „ Sofie  SDtenter  ift  ba§  ©tatiier  fetber.  Stidft 
fie  fpiett  ba§  ©tatiier,  fonbern  ba§  ©tatiier  fpiett  fie", 
foß,  toenn  ber  ißarif er  »Voltaire«  (188 1)  recht  berichtet, 

Siäjt  über  feine  Siebting§  = ©tatiiertocfjter  geäußert 
haben.  Spiet  in  ber  t£bat  ift  ihr  jebe  tecbnifcbe 
Scfjmierigleit,  nnb  märe  e§  bie  unerbörtefte,  fie  fpottet 
ihrer,  mie  bie  ©tafticität  nnb  nie  oerfagenbe  S'raft 
ihrer  £anb  jegticher  SInftrengung  fpottet.  ©ine  big 
in’§  ©injetnfte  ptaftifcb  auSgemeiffette  ’Xec^nil , ein 
männlicher  ©rnft  in  Söemättigung  bes  geiftigen  XbeitS 
ihrer  Stufgaben,  babei  ißoefie  unb  SSärme  ber  ©m= 
pfinbung,  ©tanj  unb  Sener  ber  Xarfteßung,  ein  bin* 

- & 


21 


reifjenbe§  Temperament,  ba§  aucp  Beim  füpnften  Sicp» 
gepentaffen  ber  Scpönpeit  nnb  ber  2tnmutp  feine 
(Srenje  ecpt  meibticp  nie  Berührt  nnb  üornepm  ftet§  bie 
äußere  fftupe  maprt,  ein  großer,  urträftiger  gug  ber 
SSirtuofität , ber,  miberfprucpStiott  genug,  mit  Scpo» 
nung  be§  jarteften  Tetaife  fiep  paart,  eine  üppige 
güHe  unb  SarBengeBung  be§  Ton§ , bie  jeber,  aucp 
ber  teifeften  Ökfüpfötütance  gerecht  mirb  unb  für  bie 
gegenfäptiepften  Stimmungen  ftets  ba§  entfprecEienbe 
©otorit,  bie  rechte  23eteucptung  Bei  ber  §anb  pat,  eine 
eigentpümticp  fcpneibige  fftpptpmif,  bie  an  23ütom’§ 
(Srunbfap : „Snt  Stnfang  mar  ber  Sftpptpmug"  gemapnt: 
ba§  ift  bie  Signatur  ber  SSirtuofin  unb  genialen  ÜDtu» 
fiferin  jugleidp , at§  metcpe  Sofie  ÜDtenter  oor  un§ 
pintritt, 

2tuperft  imputfioen  SBefeus,  Batb  parmto§  peiter, 
Batb  ju  tiefer  Scpmermutp  geneigt , baBei  grunbepr» 
ticpen,  marinen  nnb  tieBenSmürbigen  (Semütp§,  gab 
fie  fiep  tion  je  ganj  unb  au§f(ptiepticp  , mit  ecpt  fünft» 
terifeper  (Sinfeitigfeit  ber  Srfüttung  ipre§  23erufe§  pin. 
Spre  gange  geiftige  Sraft , ipr  ganzes  (Smpfinben  lei» 
tete  fie  in  ben  einen  Strom.  2Ba§  SInbere  gern  alJ 
Sdpmucf  be§  8eBen§  pflegen,  ba§  tiep  fie  füpt.  23er» 
feptoffen  BtieB  ipr,  ber  SDtufiferin,  ber  Sinn  für  bie  oer» 
fepmifterten  fünfte.  Sie  Begnügte  fiep,  ipre  Stnmutp 
unb  Scpönpeit  ber  Bitbenben  Sunft  at§  Stoff  gu  teipen. 
Ter  ißoefie  unb  Siteratur  BtieB  fie  fremb,  ipren  (Seift 
an  guter  Seetüre  gu  erfrifepen , feptt  ipr  ba§  23ebürf= 
itip.  Setbft  ©oncert  nnb  Tpeater  toefen  fie  nur, 
meitn  fie  ÜluperorbentticpeS  Bieten.  SBeber  am  23er» 
fepr  mit  ber  Statur  noep  am  (Senup  ber  (Sefettigfeit  ift 
ipr  ?$reube  gegeben,  niept  im  Umgang  mit  perüorra» 
genben  ÜJtenfcpen  fuept  fie  Anregung  unb  Srpotung. 
Sicp,  gumal  feit  fie  manepes?  Seib  erfapren,  in  ßurücf» 


22 


p—  ^ 

gejogenheit  gefattettb , ein  nur  mätjrenb  ber  Sauer 
ihrer  Steifen  abmechfetungSbotteS , int  Übrigen  t)ö<hft 
ruhiges,  gleichförmiges  Seben  füljrenb,  f)ab  f^e  ctufser 
ihrer  Kunft  nur  eine,  bon  Standjen  freilich  abfonber» 
tidj  gefcfjoltene  ißaffion : ihren  bierbeinigen  §auSge= 
noffen  unb  (Gefährten,  ben  Kater  Klep,  mie  SiSjt  ihn 
um  eines  fdjmarjen  gtecfS  auf  feiner  Stafe  mitten  ge» 
tauft.  @r,  ber  fie,  mie  fie  fagt,  nie  ärgert,  niemals 
fränlt,  geniefit  ihre  ganje  Siebe,  auf  alten  ihren 
SSanberjügen  ift  er  ihr  treuer  ^Begleiter.  Sein  ptjo» 
tograptjifcheS  (Gonterfei  mirb  neuerlich  in  Kopenhagen 
Oerfauft,  ats  märe  nicht  feine  §errin  fonbern  er  ber 
grofje  SßirtuoS.  gn  alten  |>auptftäbten  (SuropaS  ift 
Ktep  fcfjon  eine  poputäre  ißerfönticf)feit.  (Gefiet  eS 
hoch  feiner  (Gebieterin  enbtidj , nacf)bem  fie  fi<h  jahre- 
lang um  ütuSbreitung  ihres  StuhmS  menig  ober  nicht 
bemüht  — bis  1879  noch  tonnte  man  fie  faft  nur  in 
Seutfchtanb,  ber  ©chrneij,  ^ottanb,  Öfterreich  unb 
Ungarn  — , bie  mufitotifche  SBett  gtatienS,  graut» 
reiche  Sngtanbs,  ber  pprenäifchen  fpatbinfet,  <3fan» 
binatiienS , SänemarfS,  StufjtanbS  neuerbingS  ju 
beugen  ihrer  Künftterfchaft  aufjurufen.  9Jtit  einem 
State  ftang  nun  ihr  Starne  bon  ben  Sippen  atter  9ta» 
tionen  mieber,  als  ber  (Srften  ipreS  (Gleichen  flocht 
man  ipr  atterorten  Kränke,  mo  man  fie  hörte.  2öo  — 
fo  fragte  man  fidj  erftaunt  — tjat  biefe  Steifterin,  in 
ber  man  bie  @djüterin  SiSjt’S  unb  Saufig’S  ertannte, 
injtoifchen  gelebt,  mo  unb  mie  ift  fie  grof?  gemorben  ? 

(Gut  mufifatifcfiett  gmrtommenS  ift  ©ofie  Sienter. 

Shr  SSater  mar  ber  einft  gefeierte  unb  berühmte  SSio= 
toncettift  gofef  Stenter  in  Stündjen.  2tud)  bie  Stutter, 
SBithetmine  geb.  Siepolb , mar  tonfünftterifch  bean» 
tagt.  23on  ihrem  Später,  ber,  einer  ber  erften  Beamten 
beS  gürften  bon  föohenjottern^edpngen , ats  Kom» 

te-  M 


23 


p=— — — — =TJ5 

ponift  bitettirte,  f)atte  fie  Suft  mtb  Siebe  jur  SJtufif 
überfommen.  Sn  if)rer  Sugenb  fang  fie  häufig  in 
®ird)en*  itnb  £>ofconcerten  ber  Keinen  fftefibenj,  unb 
nur  an  ifjrer  Sdjeu  bor  einer  Stinftter*  ober  Speater* 
carriere  fdjeiterte  be§  funftfinnigen  gürften  SBunfdj, 
it)r  eine  grünblidfe  Stüdbitbung  geben  ju  taffen.  SSon 
neun  Sinbern,  meldie  itjre  6tje  mit  Sofef  SJtenter  feg* 
neten,  Hieben  nur  jmei,  bie  am  29.  S«ti  1846  ge* 
bereue  Sofie  unb  tpre  jüngere  Sdjmefter  ©itgenie*), 
am  Seben.  gtoei  ältere , nitfjt  minber  at§  Sofie  be* 
gabte  Sdimeftern  , metcfje , bie  pflege  ber  S'unft  auf* 
gebenb,  ficE)  früf)  üertjeirateten  unb  batb  barnadj  ftar* 
ben,  nannten  nod)  au  Sofien^  erfter  ©rjie^ung  tljätig 
SHjeit.  Sie  SMobien,  bie  fie  bon  ihnen  hörte,  fpielte 
ihnen  bie  vierjährige  Steine  fdjon  frifdjmeg  nach. 
Spielten  fie  etmad  bon  SCtio^art  ober  Schubert,  fo  rief 
fie  and  bem  Stebensimmer  herüber  : „Dt),  bö§  ift  aber 
fthött,  bö§  fpief  noch  a mal!" 

93id  jum  fiebenten  Sahre  liefs  ber  SSater,  ber  fein 
ganje§  ©tüd  im  latent  feines  ®inbe§  fanb,  ben  Un* 
terrietjt  beSfebben  auäfdjtiejjtidfj  burcf)  bie  älteren 
Sdimeftern  leiten.  ®ann  übergab  er  feinen  Siebling 
Sigmunb  Sebert’y  — be»  jetjt  an  ber  Stuttgarter 
3Jtufitfd)ute  mirfenben  SD^eifterS  — lunbigen  £>änben. 

Stur  turje  $eit  ober  tarn  if)tn  beffen  trefftidje  gülfrung 
teiber  ju  ftatten,  benn  eine  fernere  Grrfrantung  Sofef 
SJtenter’d  bebang  einen  Stufenttjalt  im  Süben,  unb  bie 
ganje  gamitie  gab  it)m  batjin  ba§  ©eteite.  So  trat 
für  Sofie  eine  Unterbrechung  oon  anberttjatb  Sehren 
im  Sernen  ein.  Stad)  ber  Stüdfefjr  mar  motjt  Viel  bon 
ber  SBaht  eined  Sef)rer§  bie  Stebe,  ba  be§  SSater§ 

*)  «Sie  Btlbete  ficX>  gIeid)faH$  $ur  Gtanicrfptelcrin  au$,  tnad)te  fiefy 
irietfadj  unb  bortJjeilijaft  in  (Soncerten  befannt  unb  iji  in  it>rer  23ater* 
fiabt  9Mnd)en  je^t  Uornnegenb  päbagogifdj  ttjätig. 


24 


unüberminbtidje  dtbneigung  gegen  ÜDiufiffdjuten  ben 
33efud)  einer  folgen  für  fein  Sinb  tion  tiorntjerein 
nu§fcE)to^ ; baS  tägtidj  fidj  fteigernbe  Seiben  beS 
Sranfen  aber  lärmte  bie  (Energie  feiner  ©ntfdjtüffe  — 
Sofie  blieb  of)ne  Unterridjt  fo  lang  ber  SSater  lebte. 

(Sanj  unfgftematifcfj  toar  eS  gteidjermeife  unt  bie 
©rutiblage  iljrer  ütügemeinbitbung  befteüt.  ®ie  erften 
(Stementarfenntniffe  ben  Sdjmeftern  banfenb,  Ijatte  fie 
bann  tiorübergeljenb  eine  Sdiute  befugt,  fpäter  tüitrbe 
iljr  toieberunt  ein  §auStet)rer  getjatten : furj , nadj 
feiner  3tid)tung  regetrecEit  gingen  bie  erften  SSil- 
bungSjafjre  beS  genialen  ®inbeS  Ijin.  (Sin  (Stüd,  bafs 
eS  felber  ben  regften  £rieb  jum  Sernen  in  fidj  trug. 
Seinen  unermüblidjen  gteifj  am  ©tatiier  beobadjtenb, 
fagte  ber  feibenbe  SBater,  bem  baS  untierfennbare  £a= 
ient  auf’§  tüärmfte  ant  §erjen  lag,  ju  feiner  (Sattin : 
„(Seit  grau,  auf’s  Soferf  giebft  Stdjt,  in  beut  ®inb 
ftedt  ’maS!"  Unb  als  ber  arme  ®ranfe  im  Stymf  1S56 
feine  Singen  für  immer  fdjlofj*),  ba  gelobte  bie  nodj 
nidjt  jefjnjä^rige  Sofie  ber  ÜOiutter,  „redjt  fleißig  ju 
fein , benn  fie  mode  eine  grofje  ©tatiierfgielerin 
merben." 

ÜJlun  mürbe  fte  bocfj  ber  iDiündjner  S0JnfiffcE)uIe 
übergeben,  gutiörberft  marb  ißrofeffor  Seonljarb, 
bann  difjeinberger  iljr  Sefjrer , ber  fidj  tiief  tion  iljrer 
Begabung  tierfpracfj.  gurn  großen  Sumers  feiner 
Schülerin  nur  tiertaufdjte  er  halb  ben  ©tatiier=  mit 
bem  ©omjmfitionSunterridjt ; fie  muffte  fidj  in  gutes 
®olb  einen  ©rfaf$  für  ifjn  fudjen.  gnbeffen  mätjrte 
and)  biefer  nur  furje  geit.  grattj  Sadjner’S  diatlj 
mieS  fie  an  griebridj  diieft,  unb  unter  beffen  forgtidjer 
Scitung  trieb  iljr  latent  atSbalb  fcfjönfte . 33lüten. 


*)  ftar  1808  geboren  unb  ftarb  fomit  48  3af)re  alt. 

w*  M 


25 


¥ 


SBaS  ein  ungeregelter  BitbungSgang  an  it)r  berfäumt, 
baS  braute  fie  nun  mit  nmnberbarer  Stafdjbeit  ein. 
Saum  fünfzehn  Satire  alt,  legte  fie  bor  bem  jßubtifum 
itjrer  SSaterftabt  im  Soitcert  ber  mufifatifcben  2tca* 
bemie  unter  Sad)ner’S  Direction  baS  erfte  gtänjenbe 
Seugnif?  ilfrer  jungen  Sünftterfdjaft  ab.  S^e  @rft= 
tingSgabe , Sßeber’S  ©oncertftüd , marb  ibjr  mit  rau* 
fdjenbem  93eifaIX  gelotjnt.  9ioc£)  im  fetben  Sabre  ber* 
anftattete  fie  unter  ber  eljrenben  Beseitigung  Sad)5 
ner’S  als  Drcbefterteiter,  im  großen  ©aale  beS  DbeonS 
ju  übtündjen  ein  fetbftänbigeS  ©oncert,  beffen  (Stabier* 
nummern  fie  fämmtticb  auSwenbig  ffiiette,  wie  itjr 
(Sebäditnifj  it»r  in  biefer  SBejieljimg  bon  je  unbebingten 
©efiorfam  teiftete.  Die  ermutbigenbe  Stufnabme, 
tr»eld^e  bie  aucf»  in  if»rer  äußeren  Grrfdjeinung  überaus 
anmutt)ige  jugenblidje  Debütantin  fanb,  war  nur  baS 
Borfpiet  weiterer,  fid)  immer  fteigernber  (Srfotge. 

Sbre  erfte  Sunftreife  führte  fie  in  Begleitung  ber 
energischen , fürforgtidjen  Sbhitter  nadf  Stuttgart  unb 
ber  Schweig ; fpäter^in  fam  fie  nadj  Srantfurt.  2tm 
10.  Sanuar  1867  aber  feierte  fie  in  SeipgigS  ctaffifctjen 
SDZufiftialten  mit  SiSgt’S  jweiter  SrangiStuS  * Segenbe 
einen  weithin  fdjattenben  ©ieg.  (Sr  war  feit  früher 
Sugenb  itjr  fwdjfteS  IünftXerif(f)e§  Sbeat,  ber  Sönig 
unb  Sttteinberrfdjer  ber  ißianiften ! 2ttS  f»albe§  Sinb 
noch  fiatte  fie,  ba  er  einmat  für  wenige  Dage  in  ihrer 
§eimat  berweitte , einen  Befudj  bei  ibnt  gewagt,  unb 
blieb  es  für’S  ®rfte  auch  bei  oberftädt»Iid^er  Befannt* 
fcfjaft , fie  foüte  ibm  fpäter  näher  treten.  (Sinftweiten 
hatte  fie  burdj  BütoW,  feinen  großen  Schüler,  befj 
Sehre  unb  Beiffnet  fie  in  München  bietfättig  förberte, 
wenigftenS  inbirect  bon  ihm  gelernt.  9tun  fdjrieb  fie 
tübn  SiSjt’S  tarnen  auf  itjre  Sahne,  unbelümmert  ba= 
rum,  bb  man  hier  unb  bort  bietteidjt  baS  ober  jenes 


st 


26 


lieber  gehört,  beifälliger  ausgenommen  haben  mürbe. 
(Sin  fefter  lünftterifdfer  (Hjaratter  mit  feijr  entfcfiiebe- 
nen  @runbfä|en , ging  fie , ma§  beim  ^Beginn  ihrer 
Karriere  hoppelt  in’§  @emid)t  fiel,  üon  §au3  au§  if)re 
eigenen  SBege ; bie  9tüdfid)t  auf  ben  (Sffect  ltnb  (Sr* 
folg,  auf  itjren  eigenen  S3ortt)eil  beftimmte  fie  nic£»t ; 
fie  fpielte , ma§  ifjr  fetber  intereffant  unb  fpmpathifch 
mar.  So  feilte  fie  auch,  at§  fie  einige  SEodjen  nach 
ihrem  erften  Auftreten  im  Seidiger  @emattbf)au§  an 
fetber  Stelle  im  fßauliner=(Soncert  mitmirlte,  ba§  t)ier 
noch  nid)t  gehörte  Fis-moll=(£oncert  be§  früh  tierftor* 
benen , öon  Schumann  fo  marm  gepriefenen  Norbert 
SSurgmütter  auf  ba§  Programm  unb  ermarb  fid)  burd) 
biefe  aparte  2Bat)t  ben  befonberen  SDant  ber  SÖiufifer. 

2lt§  bie  fettene  ®raft , bie  man  in  Seipjig  in  if>r 
erlannte , brauste  fie  auch  in  S3erliit  nicht  auf  Slner» 
fennung  ju  märten.  Sind)  bort,  mo  fie  menige  SDtonate 
fpäter,  im  Slpril  erfdjien,  erfreute  man  fid)  einmüffjig 
itjrer  „bie  fcfjmierigften  Stufgaben  bemättigenben  %td)< 
nit,  ber  Startjeit,  ft'raft  unb  Sdfünheit  it>re§  SSortragS, 
ber  ©efunbfjeit  unb  Sßatüriidjteit  ihrer  geiftigen  Stuf» 
faffung."  SSon  entfdjeibenbfter  93ebeutung  aber  mürbe 
ber  SöefucE)  93erlin§  für  fie,  iitbem  er  if)r  jur  S3elannt= 
fdjaft  mit  (Sari  häufig  @etegent)eit  bot.  SSöttig  über» 
mättigenb  mirtte  bie  phänomenale  SSirtuofität  be§  be» 
reit§  ju  öottenbeter  Störung  unb  ju  einer  in  ifjrer  Slrt 
einzigen  (Sröfje  gelangten  (Statoiergeniu§  auf  fie,  unb 
beljerrfcht  tion  bem  heifsen  Sßunfdje,  ihm  na^jueifern, 
iljn  öieöeicht  gar  ju  erreidjen,  marb  fie,  in  ber  man 
felbft  fcEjon  eine  SMfterin  erlannte,  bie  Schülerin  beS 
über  2lße§  öon  il)r  bemunberten  unb  üerehrten  SJtan» 
ne§.  S)ie  gortfetjung  ihrer  (Sr folge  im  (Soncertfaat 
menn  nicfit  gänjlich  unterbredfenb , fo  bodj  fe^r  me» 
fentlid)  einfdfräntenb,  taufchte  fie  jmei  ^öhre 


fünftterifcfien  9tuf)m§  für  gmei  Satire  be§  tjingebenbften 
urtb  angeftrengteften  Stubium§  ein,  — gehörten  bodj 
gehn»  bi§  gmötffiünbige  Staöierübungen  für  fie  gur 
SageSorbnung.  ©old)’  BefjarrltcEie  Strenge  gegen  fid) 
felber  trug  in  SBerbinbitng  mit  bem  tiefen  ©inftuf?  be§ 
genialen  Set)rer3  reiche  ginfen:  ein  neue§  @mpfin= 
bung§teben  toaste,  toon  ibjm  gerufen,  in  ihr  auf;  erft 
jeijt  Befeelte  fid)  ihre  ®unft  mahrhaft,  erft  je|t  warb 
Sofie  Sftenter  gang  fie  fetbft.  Unb  Staufig  mar  ni(f»t 
nur  ftotg  auf  feine  fcEjöne  ©d)üterin,  bie  größte  unb 
tiefte,  bie  gu  leiten  it>m  befd)ieben  mar;  er  hoffte  aud), 
fo  fagte  ntan,  fie  nod)  ntit  anberen  33anben  at§  benen 
be§  Sef)rer§  an  fid^  gu  feffetn  unb,  nadjbem  er  in  feiner 
©pe  menig  ©tüd  gefunben , fid)  mit  if)r  ein  beffereö 
gu  grünben.  tJrug  er  fit^  in  SBaprpeit  mit  folgern 
SBunfcpe,  fo  nahm  er  if)n  mit  fid)  in  fein  früpe§  @rab, 
inbef?  Sofie  bie  (Sepeintniffe,  bie  fie  feiner  f'unft  ab= 
getaufcpt,  mit  ber  eigenen  Snbiüibuatität  tiermahtt, 
ber  SBett  fünbete.  Spre  SDceifterfcfjnft  ift  ein»  ber 
fcpönften  SSermäcptniffe,  ba§  er  un§  fjinterlaffen. 

Si^odE)  mäffrenb  fie  bei  häufig  ftubirte,  mar  Sofie 
tiom  dürften  toon  §opengottern,  — bemfelben,  bem 
eiuft  itjr  ©rofjtoater  mütterticE) erf eit§ , mie,  üor  Antritt 
feiner  ÜDtüncpner  Stellung,  au cp  if)r  SBater  gebient  unb 
ber  aud)  ben  gefänglichen  töeftrebungen  ihrer  SDtutter 
epebern  feine  protection  gefcpenft  hatte  — gur  $of* 
pianiftin  ernannt  morben.  Stuf  feinem  Iftutjefi^ 
Sömenberg  in  ©cptefien , mo  er,  feine  Siebting§lunft 
at§  feiner  Kenner  foftegenb , fich  eine  eigene  Stapelte 
erften  9tange§  fjtett  unb  für  bie  attfonntägtidjen  ©on- 
certe  ftet§  bie  tieften  fünftter  gemann,  oerbrad)te  fie 
einen  Sßinter  (1868 — 69).  Sort  auch  lernte  fie  ben 
SSiotoncettiften  SDatoib  Popper,  einen  auSgegeidpneten 
Vertreter  feine§  Snftrumente§,  mie  e§  it»r  Später  ge* 

&-  M. 


28 


mefen,  lernten,  unb  am  4.  ^mti  1872  reicftte  fie  iljm 
in  Sßien,  mo  er  al§  erfter  Solo=Bioloncet(ift  am  fjof= 
operntfjeater  ttjätig  mar,  fre  §anb.  Sa§  ®lücf  aber 
toollte  itjre  Bereinigung  nicht  fegnen ; fiebert  Safjre 
fftäter  trennten  fitf)  Beiber  Sßege  für  immer,  mie  e§ 
fcfieint. 

Big  jum  3at)re  1877  lebte  Sofie  in  SBien,  feit 
frem  erften  Auftreten  bafelbft  im  gebruar  1869  ber 
Siebling  be§  bortigen  ißublifumg;  im  SDtai  1874  and) 
Dom  ®aifer  bon  Dfterreid)  jur  fe'amnterpianiftin  er* 
nannt,  melcfje  Sfire  fie  nur  mit  SXara  Schumann 
feilt.  8e  nadjbem  f re  ni(f»t  fetjr  fefte  ©efunbljeit  e§ 
geftattete,  mar  fie  biel  ober  menig  auf  Steifen;  über 
Seutfflanb,  Öfterreich,  bie  Sfmeij,  fpoßanb , Un* 
garn,  Siebenbürgen,  Stuntänien , bie  ruffiff  en  Dft* 
feeprobtnjen,  ®alijien  gingen  fre  Siele  für’g  ©rfte 
nidjt  IjinauS.  fpulbigungen  fammelte  fie  ein , umhin 
fie  f am.  Sie  Bertreter  ber  berff  iebenfien  mufifaliff  en 
Stiftungen,  bie  Stimmführer  ber  Steften  mie  ber 
Sinfen  einigten  fif  frieblif  in  ihrem  greife.  Bon 
ben  Sippen  be§  ftreng  conferoatitien  (Sumpreft  mie 
Oon  benett  feineg  Slntigoben,  beg  SiSjt*  unb  Sßagner* 
Jperolbg  Stif  arb  ißoljl  Hingt  gleif  eg  Sob  beg.  alle 
bpnamiff  en  Sfattirungen  beherrfcfjenben  Slnfflagg, 
„ber  ®raft  unb  gertigfeit,  um  melfe  fie  bie  meiften 
ihrer  männlichen  Berufggenoffcn  beneiben  fönnten, 
ber  marm  empfinbenben , auf’g  lebenbigfte  geftalten* 
ben  Snnerlif  feit , mit  ber  fie  fidj  ber  Snbibibualitat 
ber  einzelnen  Smmponiften  anfdjmiegt."  „Sie  inter* 
gretirt  Beethoüen  nift  minber  ftilooll  alg  Gfopin 
unb  Sigjt,“  hebt  $ol)l  herbor.  „2Senn  fie  aber  Sigf’g 
Sßerfe  mit  befonberer  Borliebe  jum  ©oncertbortrag 
mahlt,  fo  hai  fie  ein  bolleg  Steft  baju,  ba  fr  feine 
ißianiftin  hierin  gleidjfommt." 


29 


r 


■> 


2Bar  Sofie  Center  bem  munberbaren  SJiufifgeift 
ßigjt’g  jutior  nur  mittelbar,  burcp  feine  Scpute  unb 
bie  fßerfönticpfeit  feiner  großen  jünger  23ütom  unb 
häufig,  nape  getreten,  fo  bot  fiel)  ipr  in  SSien  unb 
mepr  uoep  in  fßeft,  n>o  fie  päufig  öermeitte,  auep  bie 
erfepnte  ©etegenpeit  jur  unmittelbaren  93erüprung 
mit  bem  ÜDieifter  ber  ttJieifter.  9imt  fdpöpfte  fie  birect 
aug  ber  Duette , aug  ber  in  ber  Sanft  beg  mobernen 
©tatiierfpietg  atte  pöpere  ©rfenntnifi  fto§  unb  fließt. 
Smmer  unb  immer  mieber  lernte  fie;  im  raftlofen 
Streben  nur  fanb  fie  93efriebigvtng  unb  ©tüd.  Unb 
muffte  ipre  ec£)te  ttftufifnatur  ipr  nietjt  auep  bie  marme 
Speitnapme  unb  Spmpatpie  beg  üttianneg  ertneden, 
ber  mit  ber  greigebigfeit  beg  mapren  ©enieg  unb 
üftenfcpenfreunbeg  feine  Sanft,  fein  faft  unbegrenjteg 
fünftlerifcpeg  Vermögen  toon  je  in  ben  Sienft  SInbrer 
ftettte,  bamit  fie  feinen  Sfteieptpunt  mit  iprn  tpeitten 
unb  groff  mürben  an  feiner  ©röffe  ? Spürte  er  toiet= 
teiept  aud)  in  Sofie  ÜÖienter  einen  ülbglanj  beg  bämo= 
nifepen  Seuerg , bag  unter  feinen  §änben  aug  ben 
haften  gtüpt  unb  fprüpt  unb  bie  §örer  mit  Stügematt 
in  ben  Sreig  feineg  ©mpfinbeng  bannt?  2Bie  fepr  er 
fie  mürbige , bezeugte  er  auep  öffentlich , inbem  fid) 
bag  Spiet  feiner  gauberpänbe  bem  ipren  oereinte, 
unb,  mie  'einft  in  Berlin  an  Saufig’g  unb  fpater  in 
Sonbon  an  Sftubinftein’g  Seite,  faff  fie  in  fßeft  neben 
granj  Sigjt  im  ©oncertfaat  am  fjtüget,  pödjfte  Gpren 
feiernb. 

©anj  naep  ber  ungarifepen  §auptftabt  öertegte  fie 
im  Sapre  1877  ipren  SBopnfip.  Ser  Jpaugpattungg* 
forgen  mübe , feptug  fie  im  ipotel  ipr  Duartier  auf. 
Sa  pauft  fie  noep  je|t,  fobatb  fie  niept  auf  fünftte» 
rifepen  SBanberungen  begriffen  ift.  3um  ©tittteben, 
mie  ermäpnt,  öon  SRatur  geneigt,  burep  mancherlei 


& 


30 


Kämpfe  unb  Seiben  im  §ang  bagu  beftärft,  mieb  fie 
e§  jahrelang,  itjrert  Steifen  eine  größere  2tu3bef)nung 
gu  geben.  Stur  nad)  Dften  fenfte  fie  mieberpoft  it)re 
Stritte  unb  fieff  ficf)  in  Sßarfdfau  unb  St.  fßeter§= 
bürg  af§  „bie  erfte  febenbe  fßianiftin"  frönen.  gana= 
tifdj  pufbigte  man  it»r  gumaf  in  ber  mufiffiebenben 
©garenftabt.  Stad)  iprem  SSortrag  ber  Don  Si§gt  für 
©faöier  übertragenen  Sanntfäufer  = Dutierture  (im 
SIprif  1880)  fannte  bie  SSegeifterung  feine  ®rengen. 

Sn  Sdjaren  tierfammefte  ficf)  ba§  fßubfifutn  auf  ber 
Strafe,  um  ifjr  nod)  im  SBagen  bie  entfjufiaftifdjften 
Düationen  bargubringen,  fobaff  bie  ißofigei,  in  foIcE)’ 
itngemöpnfidier  geräufcfjöotler  Scene  eine  9Zit)iIiften= 
Sfffaire  öermutfienb,  in  ernftfidje  Unrupe  gerietf). 

2i§gt’§  energifcffer  gufprud)  mar  e§,  ber  Sofie 
SOfenter  enbfid)  beftimmte,  and)  ben  europäifdien  Sü= 
ben,  Söeften  unb  korben  in  ba§  SBereicE)  itjrer  2Ban= 
berftüge  gu  gieren , nacfjbent  mieberpofte  Anträge  gu 
einer  ©ofbreife  über  ba§  SBeftmeer  eine  abfepnenbe 
©eantmortung  üon  ipr  erfahren  patten.  3um  etften 
'SJtafe  fpiefte  fie  benn  gn  beginn  be§  Snp*e3  1881  in 
Sforeng,  fobann  in  ©egentoart  ipre§  3Jteifter§  in  Storn 
unb  barauf  in  Steapef,  unb  fam,  mit  itafienifcpem 
Sorbeer  reidE)  gefcpmüdt,  nacp  $ari§  unb  Sonbon. 

9ftö  „Sömin  ber  Saifon"  fab»  fie  fiep  pier  mie  bort  ge* 
feiert,  unbefcpreibficper  @ntpufia§mu§  begleitete  i£»re 
cfaffifcpen  mie  ipre  mobernen  ©fabier*ißrobuctionen  in 
ben  Concerts  populaires  mie  in.  St.  Snnte§*§aff. 

Stuf  einem  ipr  bi§  bapin  frembeit  Serrain  and) 
geigte  fie  ficf)  in  ber  nädpftfofgenben  Saifon,  im  SSinter 
1881 — 82.  Stun  freuten  fiep  Spanien  unb  ißortugaf, 
Sänemarf  unb  bie  ffanbinatiifcpe  ^pafbinfef  ber  93e= 
fanntfdpaft  ber  feftenen  Sünftferin.  Sn  Sbpenpagen 
mufften  an  ben  Sagen  ipreä  5luftreten§  ©jtragüge  bie 

M, 


31 


/ 


w 


SCftaffert  ber  ^örfuftigen  f»er6eifüfirert , unb  auc£>  in 
©ffriftiania  unb  ©tocflfofm  erntete  — fo  fdfrieb  man 
— „feit  fftubinftein  fein  ®ünftfer  fofcf)’  ptyramibafen 
Söeifatt»"  SOiit  eigener  £>anb  fdfmücften  bie  Könige 
non  SDänemarf  unb  Sctgoeben  bie  beinunberte  Tteu 
fterin  mit  ber  Perbienftmebaitte  unb  bem  gofbenen 
®reuj  für  ®unft  unb  Sßiffenfdjaft.  ®ann  tnieberfioften 
ficfj  in  HftoSfait  unb  Petersburg,  Paris  unb  Sonbon 
ifjre  früheren  Siriumpfje.  S55ie  fönnten  fie  if)r  aucf) 
fehlen ! ©ine  „leibhafte  @rajte,  mit  tnarm  fdifagenbem 
£>erjen , t»eiter,  fctjergfjaft,  non  bejaubernber  Slnmutf) 
unb  untoiberftefiiidfer  SiebenStoürbigfeit , eine  ebenfo 
nottenbete  Pirtuofin  als  grojfe  ec^te  ÜDiufiferin“,  fo 
c^arafterifirt  ber  feine  S'unftfenner  StmbroS  ben  Steb= 
fing  SiSjt’S,  unb  Pitbinftein  nennt  ©ofie  SJienter  „bie 
2ftfeinf)errfdferin  aller  haften  unb  £)  errett."  Pebarf 
eS,  tno  fo  getnidjtige  Stimmen  reben,  nocf)  Weiteren 
^eugniffeS  ? 


32 


2a  üftara,  Stufcienfcpfe.  V. 


3 


r 


|oit  bern  regen  ÜDtüfifbetrieb  in  unferent  fang» 
unb  ttangreicfeen  beutfcfeen  SSaterfaitb  giebt 
bie  3afet  unb  Srequenj  ber  SCRufitfc^uten 
berebte  Sunbe.  So  biet  ihrer  finb , fie 
warfen  unb  mehren  fic^  fort  unb  fort  unb  ftreuen  itjre 
fegnenbe  Saat  freigebig  weithin  and)  aufeerfeatb  ber 
©renjen  ihrer  ipeimat  au§.  S«  befonberen  (Sferen 
unter  unferen  beutfcfeen  ©ottferüatorien  aber  ftefet  feit 
langem  ba§  ju  Stuttgart , wie  benn  aucfe  bie  rufem» 
gelröntefte  unter  feinen  Schülerinnen  : 3t n n a iöt  et) » 
I i g mit  in  borberfter  9teifee  unter  ben  gegenwärtigen 
SSertreterinnen  be§  (nabierbirtuofentfeumg  ftefet.  2)er 
Drt,  bem  biefetbe  ihre  tünftterifche  3tu§bitbung  banft, 
fah  fie  am  11.  Suni  1847  auch  tn’§  Sebett  treten. 
33on  ihrem  SSater,  ber  at§  ©feorfänger  Ootte  breifeig 
Safere  lang  an  ber  Stuttgarter  93üfene  wirlte , würbe 
fie  in  bie  3lnfang§grünbe  ber  Xonfunft  eingeweifet. 
^Sann  führte  fie  Zweigte , ber  Seiter  eine§  SDtufifinfti« 
tuteg,  weiter.  Stt  beffen  ißrüfuug§concert  trat  fie  im 
$0tai  1857  mit  einem  teilten  SSariationenwer!  Don 
£>.  Jpers  jum  erften  SJtat  öffentlich  feerüor.  2)em  an» 
wefenben  ^ßrofeffor  Sebert  fiel  bag  rfefetfemifcfee  (Sefüfet 
auf,  burcfe  ba§  fie  fid)  üou  iferen  ÜDtitfcfeüterinnen  unter» 
fcfeieb.  (Sr  fragte  einen  ber  neben  ifem  Stefeenben,  wer 
bieg  Sinb  fei?  6in  gtücfticfeer  .Qufatt  fügte  eg,  bafe  ber 
Gefragte  gerabe  ber  Steinen  SSater  War , ber , erfreut 


35 


3' 


w 


über  ba§  Sntereffe  be§  I)oc^attgefe^enen  SDtufifpäba» 
gegen,  nun  um  bie  freunbtid)  gewährte  (Srtaubnifj 
nadjfudjte,  fein  Urtf)eil  be§  genaueren  einljoten  ju 
bürfen.  ®ie§  gefc^af»  batb  barauf.  ißrofeffor  fiebert 
tonnte  itjrrt  freilich  nic^t  oertjetjten,  baff  bie  nutfifalifctje 
unb  tec£)nifc£)e  2Iu§bilbung  feiner  £od)ter  oom  fünft» 
lerifdfien  ©tanbpunft  öiet  ju  wünfdjen  übrig  taffe,  unb 
at§  ber  ißater  it)m,  unter  fjinWeiS  auf  feine  äufjerft 
befdjeibenen,  burd)  eine  jafjlrei^e  Samitie  nur  p fef)r 
in  Stnfpruch  genommenen  ÜDtittet,  ben  SBunfd)  aus* 
fpradf , it)m  felber  ben  Unterricht  be§  ®inbe§  in  bie 
§änbe  p geben , wufjte  ber  menfd)cnfreunbli<f)e  SJJu» 
fiter  aud)  bafür  Statt).  6r  betoog  ben  bamatigen  SSor» 
ftanb  unb  materiellen  (Srünber  be§  erft  feit  wenigen 
Sßodjen  beftetjenben  GfonferbatoriumS,  Dr.  SSrachntann, 
ber  ^einjährigen  3tnna  StJlefjtig  eine  ffrreiftette  p geben, 
wetdje  Sergünftigung  fie  benn  auch  burch  aefjt  Satjre 
bi§  p ihrem  Slbgang  aus  ber  Slnftatt  genofj.  Shte 
gefammte  fünfilerifdje  StuSbitbung  banft  fie  fomit, 
ihrem  eigenen  .Qeugnifj  pfotge',  ißrofeffor  fiebert , bei 
bem  fie  and)  noch  in  ben  testen  Sahren  jeitweife  ftu» 
birte  unb  beffen  treffliche  Sehrmethobe  bei  ihr  bie 
fdjönften  ffrüdjte  jeitigte. 

®em  sj3ubtifnm  ihrer  SSaterftabt  gab  fie  tion  ihrer 
fortfdjreitenben  ®ünftterfd)aft  alljährlich  öffentlich 
®unbe.  3Jtit  bem  Sat)re  1861  begann  fie  fobann  and) 
p Heineren  SluSftügen  bie  gtüget  p heben.  Sn 
Karlsruhe  hörte  man  fie  in  einem  ©oncert  unb  am 
grofstjerjogtidien  <pofe,  batb  barauf  aud)  in  ®armftabt. 
Sn  einem  DbeonSconcert  unter  ffranj  fiadjner’S  fiei» 
tung  machte  fie  fict)  1864  perft  in  SJtündjen  befannt 
— überall  erntete  fie  entfdjiebenen  Söeifatt,  unb  gtän* 
jenb  genug  lautete  auch  fiadjner’S,  in  einem  Briefe  an 
ben  SSorftanb  ber  SJtufiffchute  Dr.  Saifjt  auSgefprodje» 

& 


36 


neö  geugnih : „Site  Sünftterin  erften  Stanged  muff  ich 
unbebirtgt  grüutein  äRef)Iig  anerfennen,  bie  mit  aite= 
gebitbetfter  Xedfnif  Wohtthuenbe  Sßcirme  ber  Empfin* 
bung  unb  fetbftänbige  fünftterifcheSluffaffung  mit  bem 
feinften  (Sefchtnacf  uitb  einem  feinfühlenden  latente, 
bie  Intentionen  unb  @igentf)ümtict)feiten  eineö  ®unft= 
Werte  im  Stile  wieberjugeben,  üerbinbet." 

S^idflt  minber  erfolgreich  Oertief  if)r  ®ebüt  im 
Seipjiger  (Sewanblfauö,  beffen  anfprucfteüott  fritifcheö 
fßublifum  fie , nad)bem  eine  württembergifdje  Staate* 
unterftü|ung  fie  ju  einer  Steife  nach  Storbbeutfdjtanb 
in  ben  Stanb  gefegt  fwtte,  am  26.  Sanuar  1 865 
burcf)  ihre  Seiftungen  höchtichft  überrafchte.  „Sie 
nimmt  burd)  ba8,  Wa§  fie  tarnt,  nicht  allein  eine  f)er= 
üorragenbe  Stelle  unter  ben  fßianiften  weiblichen  ®e* 
fdjtechte  ein , fonbern  bie  Slriftofratie  beö  gefammten 
©taoierfpiete  mu|  ihr  bie  9teif)en  öffnen.  ®ie  Un= 
fetjtbarfeit  ihrer  ®e<hnif  ift  fo  groß , bah  auch  ba§ 
fdjärffte  unb  feinfte  Dhr  währenb  ihrer  fämmttichen 
Verträge  nicht  ben  teifeften  2ref)l  unb  ÜDtatet  wirb 
haben  entbecfen  fönnen ; babei  täfft  ihre  Stitebauer  unb 
®raft  gait/,  ihr  ©efcptecht  bergeffen,  unb  ihrem  ganjen 
mufitatifchen  ®arftettung§üermögen  ift  bewuffte  Sicher* 
heit  unb  objectioirenbe  SBerftänbigteit  eigen.“  So  täfft 
fich  ber  ftrenge  ®ritifu§  ber  „Signale“  ber  neuen  ®r* 
fcheinung  gegenüber  bernehwen , bie  fich  -mit  biefem, 
auf  einem  anerfannt  fdjwierig  ju  gewimtenben  ®errain 
errungenen  Grrfotg  einen  Freibrief  erfpiette,  ber  ihr 
atte  weiteren  Pforten  öffnete.  Studf  in  ^Berlin  begrüßte 
man  in  ihr  atebatb  eine  „auf§  reidjfte  auögeftattete, 
burch  bie  forgfättigfte  $ucht  unb  Übung  nach  jeher 
Stidjtung  £)tn  geftärte  unb  gefräftigte  fiinftterifche  . 
Statur."  £pier  wie  in  SBeimar  unb  anberenorte 
wünfchte  man  fie  atebatb  audh  bei  §ofe  ju  hören,  unb 

ifc:  . ' 


37 


r 


Sintig  SBillfettn  namenttid)  fagte  i'ljr  titel  Sd)meid)el* 
f>afte§*  2Bo  immer  ba§  fc^Iic£)te  acf)tjei)nj;ät)rige  3Mb* 
dEjen  erfcfiien , fie , bie  „mit  fjotben  EJönen  fam“,  mar 
überall  mitlfommen. 

®ie  gleidfe  Steife  mieberl)otte  fie  mälfrenb  ber 
näcEjften  Saf^e  unb  befjnte  biefetbe  nun  aud)  bi§  nad) 
(Jnglanb  au§.  Sfm  ©ucceff  in  ber  atten  f)|ü^armo* 
nifdfen  ©efettfd^aft  ebnete  if»r  bort  alle  SBege ; in  allen 
erften  Soncerten  mar  atebalb  itjre  3)titmirfung  be* 
gef)rt.  Um  üon  bem  (Sroffmeifter  be3  ©laoierffnete 
nod)  bie  testen  SBeitjen  ju  empfangen,  ftubirte  fie 
1869  mehrere  3Jto'nate  bei  öi§gt  in  SBeimar.  ®ie  ganje 
28elt,  ba§  füllte  fie,  ftanb  iljr  je|t  offen.  Sdfon  im 
£>erbft  barauf  oerfudjte  fie  itjr  (Sttid  jenfeitd  be§ 
Öcean§  in  3torbamerifa  unb  fjielt  auf  bem  bi§  batjin 
nod)  menig  bebauten  unb  um  fo  ergiebigeren  9tuf)me§= 
felb  eine  reiche  (Srnte.  SSier  SSinter  Ifinburd)  concer* 
tirte  fie  bafetbft ; einmal  ac£)t  3Jtonate  lang  mit  %f)eo* 
bor  EJt)oma§  unb  beffeit  öortrefftic£)em  Drdfefter  reifenb, 
fpäter  aud)  an  bett  lüften  be§  füllen  2Bettmeere§,  im 
(Solblartb  ©attfornien,  San  Francisco,  Sacramento, 
ißortlanb  nnb  anbermärü  iEriumpfm  feiernb,  mie  faunt 
eine  ißianiftin  üor  ober  nad)  if)r.  Setbft  ber  Sommer, 
ben  fie  bajmifcfjen  in  ®eutfd)lanb  pbradfte,  fanb  fie 
auf  einer  Hournee  mit  Uttman  tfjätig.  Sie  feierte 
nid)t.  3tad)  ber  Stüdlelfr  üon  Stmerifa  (1873)  mar 
fie  batb  in  beutfdfen  Stabten  unb  an  beutfdjen  £>öfen, 
batb  in  ben  ruffifcljen  OftfeefiroDinjen,  balb  in  Öfter* 
reict),  Ungarn,  Stätten,  imtlanb  unb  Belgien  ju  (Safte. 
Sn  3MiIanb  Junta!,  mo  fie  auf  (Sintabung  ber  Societä 
clel  Quartetto  mit  ^eermann  au§  Sranffurt  uub  Soff* 
mann  au§  33aben  %rio  fpiette  — fie  ift  ja , ma§  in 
unferer  Seit  nicfft  t)od)  genug  anjufddagen  ift , aud) 
eine  feine  ®ammermufiff)neterin  — erlebte  fie  einen 


A 


38 


W V 

ungepeuren  ©rfolg.  ©ine  begeifterte  Slufnapme  be= 
reitete  man  ipr  aucp  in  ben  Concerts  spirituels  ju 
33rüffel,  unb  in  ©nglanb,  Wofelbft  fie  aßwinterlicp  für 
mehrere  SJlonate  einjufepren  pflegte , gehörte  fie  feit 
iprem  erften  Söefucp  ju  ben  au§erwäplten  Sieblingen 
be§  ißublifumS.  Stßentpalben  geniest  fie  pope  ©pren, 
wie  benn  jwei  beutfc^e  ffürftinnen , bie  Königin  bon 
SBürttemberg  unb  bie  ©ropperjogin  üon  SBeimar,  bie 
SSielgef eierte , üon  ißublifum  unb  ®ritif  gleicp  att§= 
napm§lo§  Slnerfannte  aucp  (1866)  mit  bem  Xitel  iprer 
fpofpianiftin  fdpmücften. 

3pre  Programme  jeigen , gleich  benen  (Sofie 
Sßlenter’S,  bie  Sßietfeitigfeit  ber  neueren  Scpule.  Die 
tarnen,  SSad),  Seetpoüett,  SBeber,  Schumann,  ©popin, 
Si§jt,  IRubinftein  behaupten  in  ipnen  bie  üornebntfte 
Stoße.  $n  jeber  Stilgattung  ift  fie  ju  £>aufe,  ber 
claffifcpen  wie  ber  mobernen  Sticptung  Wirb  fie  gteicf) 
gerecpt.  Db  Wir  eine  93acp’ftpe  Suge , ober  ipr  Sieb= 
ling§ftüd,  tpapbn’3  grajiöfe  F-moll-9Sariationen,  ober 
eine  ber  itngarifcpen  9lt»apfobien  Si§jt’§,  ober  wa§  im» 
mer  üon  ipr  pören,  wir  rniffen  nirgenb§  bie  fünftlerifcpe 
SSotlenbung , bie  jeber  iprer  Seiftungen  ba§  ©epräge 
giebt.  3n  ber  pertenben  Scala,  bem  Waren  Drißer, 
ben  meifterlicpen  Dctaüenläufen  unb  Doppelgriffen 
läuft  ipr  wopl  leine  iprer  ®unftfcpweftern  ben  Slang 
ab.  fpinter  jener  pöcpft  entwicfelten  Decpnif  aber  tre= 
ten , bei  aßer  inneren  ©ebiegenpeit  iprer  ©aben, 
geuer , Scpwung  unb  Seibenfcpaft  jurütf.  Stnua 
SOtepIig  Wirlt  nidpt  faScinirenb  wie  bie  genialere 
Sofie  Silenter.  !ypr  feplt  ba§  Tämonifdpe,  ba§  ge» 
waltfam  ißaclenbe,  Unwiberfteplicpe  ber  ©mpfinbutig 
unb  ber  DarfteßungSweife.  !ypr  gleichmäßig  ritpigeS, 
urgefunbe§  Temperament  läßt  feine  Slufregung  in  un§ 
mtffommen.  SJtan  fönnte  fagen,  baff  au§  iprem  Söor» 


39 


W : “ — 

trag  meljr  fein  tedinifdjeg  al§  feelifcfieg  ©efüfjl  fpredje. 
Streng  objectiü,  mel)r  benfenb  alg  btc^tenb  t>erf»ä£t  fie 
fic^  gegenüber  bem  ju  beutenben  ®unftmerf,  hierin 
ettna  mit  bemfelben  Siebte  häufig  (nämlicfj  in  feinen 
fpäteren  Salden)  öergXeicEjbar , mit  bem  man  Sofie 
latenter  einen  meiblidjen  9tubinftein  nennen  fönnte. 

3m  Serbft  be§  ^atjreg  1879  mürbe' 2lnna  ÜDteljlig 
bie  3reube  ju  Sljeil,  i£)re  jüngere  Sdjmefter  33ertt)a 
— and)  eine  Schülerin  Dr.  Sebert’g  — in  bie  Öffent* 
licEjteit  einjufültren.  2Bie  fie  in  fdjönem  Samilienfimt 
bie  reichen  materiellen  (Srträgniffe  ifjrer  &nnftt£)ätigfeit 
freigebig  mit  iljren  Angehörigen  tljeilte  unb  ihren  (£1= 
tern  ein  forgenfreieg  Seben  fdjuf,  fo  füllte  nun  auct)  ihr 
9iut)m  ihrer  Scfymefter  bie  23at)n  bereiten.  Unb  oer= 
Ijeifjunggboll  genug  lief?  fid)  biefelbe  an.  Ser  glän= 
jenbe  ©rfolg  eineg  tion  93eiben  gemeinfam  in  itjrer 
SSaterftabt  tieranftalteten  ©oncertg  (im  Dctober  1879) 
mieberljolte  fich  in  rljeinifcfien  unb  norbbeutfdjen 
Stabten  mie  am  f)reuf;ifd)en  $ofe,  mo  fie  fid)  mäljrenb 
ber  erften  IDtonate  1880  hören  liefen.  Sd)on  ftellten 
jaljlreidje  englifdje  ©ngagementg  eine  lange  Solge 
meiterer  glüdlidier  ©rgebniffe  in  nalje  21ugfid)t  — ba 
brad)  bie  fo  üielöerfpred)enbe  ©arriere  plöjjlicf)  ab. 

©in  ÜDtagbeburger  Kaufmann  93runner , ber  fie , alg 
fie  bafelbft  concertirten,  fennen  lernte,  gemann  fid)  bie 
achtjehnjährige  Söerttja  ju  eigen,  unb  oor  ber  Äunft 
gab  fie  ber  Siebe  ben  Sßreig. 

SBalb  aber  folgte  and)  bie  ältere  Sdjmefter  iljrem 
Söeifpiel.  83on  ber  Steife  nacf)  Sonbon,  mofelbft  fie  bie 
©rfüllung  ber  eingegangenen  SSerpflicfjtungen  nun 
allein  auf  bie  Schultern  genommen  hatte , lehrte  fie 
alg  23raut  in  bag  ©lternl)aug  jurüd.  Auf  ber  Surd)* 
reife  in  Slntmerpen  in  befreunbetem  Saufe  öermeileitb, 
fanb  fie  in  bem  bort  anfäffigen  Kaufmann  3alf  ibven 

' - ' ffll 


40 


P" ^ 

lünftigen  ©ental)!.  21n  iljrem  (SeburtStage , bem 
11.  Sunt  (1880)  feierte  fie  in  (Segenmart  ber  braut* 
lidfen  ©djmefter  unb  bereu  Bräutigams  im  Familien» 
freife  iljre  Berlobung.  Sßie  in  ben  Brautftanb  ging 
if)r  ©djmefter  Bertha  and)  in  bie  Gct)e  tioran.  2I1S 
21nna  ÜDielflig  am  10.  Sluguft  grau  galt  tnarb,  mar 
aucl)  baS  brei  Sßodjen  früher  öermäfylte  ißaar,  baS 
bagu  öon  ber  §ocf)geitSreife  gurücflelirte , Selige  iljreS 
(SlücfS. 

®er  Ausübung  ber  ®unft  als  Beruf  entfagte  bie 
üielbemunberte  ÜDieifterin  feit  fie  fiel)  in  21ntmerf>en 
eine  neue  fpeimat  grünbete.  2)od)  bie  flanggemolinten 
£)änbe  rulfen  nidjt,  unb  an  gefttagen  ber  E'unft,  mie 
in  ber  frönen  ÜDiaiengeit  1881,  mo  eS  grang  SiSgt  in 
Slntmerpen  mit  allem  (Slang  gu  feiern  galt , bemäffrt 
fie  gern  ibjre  erprobte  ÜDladft  über  baS  Snftrument, 
beffen  <£onüermogen  gu  offenbaren  ifjr  mie  SBenigen 
gegeben  ift. 


41 


IST 


|te  golbtte  beräSunber  unb  ber  23unber= 
finber  ift  tiorüber.  Sem  mobernen  9teali§= 
mu§  ift  ba§  Sntereffe  an  bert  fünftlerifdjen 
Sreibf)au§hfIanjenohnegefunbe2eben§fraft 
abfjanben  gefommen,  unb  für  eine  fur^e,  nur  §u  feinet! 
ficf)  tierflüd)tigenbe  grüljreife  bünlt  if)n  bie  lebend* 
lange  ÜDtittelmäfjigfeit , mit  ber  fie  jumeift  erfauft 
mirb,  ein  untierhättnifjmäfjig  £)of)er  ißreid.  3n  mie 
augenfälligem  Sßiberfhrud)  bie  einftigen  SSertjeifsungen 
ju  ben  fpäteren  Seiftungen  biefer  finblicfjen  SBunber 
aber  and)  gemeinhin  §u  fielen  pflegen,  ÜÖtart)  ®rebd 
gehört  ju  jenen  feltenen  91udnaf)men , bie  und  tion 
feiner  ber  (Srtoartungen , melche  fie  tion  früf)  an  er* 
regten,  bie  ©rfütfnng  fcfjutbig  blieben.  2Bad  fie  tier* 
fpratf) , bad  tjat  fie  auch  gehalten  , unb  bied  bebeutet 
nit^t  menig , benn  machte  fie  nicht  fdjon  im  jarteften 
Stlter  tion  fict)  reben  ? SRocf)  betior  fie  fpredjen  fonnte, 
fang  fte,  bie  am  5.  Secember  1851  ju  Sredben  ®e* 
borene,  bie  tion  ber  ÜOfutter  gehörten  SJtelobien  nad), 
unb  bie  erften  unficfjeren  ©djritte  bed  ®inbed  fction 
lenften  ficf)  bem  ißianoforte  ju,  beffen  Saften  Söne  51t 
entlüden  ihre  hödjfte  greube  mar.  ®aum  hatte  fie  bad 
brüte  3ahr  erreicht,  ald  bie  Butter,  bie  ju  jener  ßeit 
nod)  ber  Sredbner  33üf)ne  angehörenbe  gefeierte  fädj* 
fif<he  £>ofopernfängerin  211ot)fia  geh.  SOlic^atefi,  mit  iljr 
ben  (Slatiierunterridjt  begann,  melchen  ber  SSater,  §of* 


45 


sr 


capellmeiftcr  (Jarl  ©rebg , jimädjft  baburcf)  förberte, 
baff  er  allerlei  Meine  anregenbe  ©labierftüde  für  feinen 
Siebling  componirte , big  er  mit  bem  fiebenten  Sabre 
beg  Se|teren  benfelben  in  bie  eigenen  £>änbe  nahm. 
Sie  ©Itern  blieben  benn  auch  bie  augfdiliefilidien 
SSilbner  ber  ihrem  ©inbe  tierHeljenen  aufjergewöbn» 
IidE)en  Begabung , unb  unter  ihrer  Dbljut  trmrbe  bie 
©leine , bie  fidj  auch  in  ber  ©djule  burcb  Sleifl  unb 
©ifer  augjeicbnete  unb  immer  bie  beften  geugniffe  mit 
tjeimbrac^te,  allmälig  grofj  iu  ber  SDtufif. 

SüSie  fie  bie  SDtutter  beim  Stubium  ihrer  Partien 
fcfjon  bon  früher  Sugenb  an  bjäufig  auf  bem  ©labier 
begleiten  muffte,  fo  trugen  and)  iljre  puppen  bte 
Stamen  ber  ihr  mof)lbelannten  Stollen.  Sa  gab  eg 
eine  Sibeg,  Sljucena,  Drtrub  it.  f.  w.  unb  alle  — 
9 Jtarp  bewahrt  fie  jum  Sf)eil  big  auf  biefen  Sag  — 
waren  getreulich  nach  iDiamag  ©oftümen  gefleibet. 
Obwohl  mit  einer  fjübfdien  Stimme  begabt,  gehörte 
bod)  ihre  Sieblinggneigitng  bem  ©labier.  frntte  fie, 
launt  hier  Saljre  jä£)lenb , bereits  Heine  @tüdcf)en,  in 
ihrem  fünften  ^alfre  fd)on  S.  33urgmüller’g  25  ©tuben 
(Op.  100)  mit  überrafdjenber  SkUlommenbeit  aug= 
Wenbig  borgefpielt,  fo  burfte  bieSteunjährige  fid)  ohne 
SSeforgnifi  in  ber  „©ocietät“,  eiper  großen  Sregbner 
fßribatgefellfchaft , hören  taffen , liier  burd)  bie  Stein* 
beit  unb  ©raft  itjreS  §lnfd)lagg , ben  SBotjttaut  unb 
bie  Sülle  ifjreS  Soneg  93ewunberung  erregenb.  Sw 
barauffolgenben  Sdfw  (1862)  trat  fie  jum  erften  9)tale 
öffentlich  in  einem  21bonnement=©oncert  in  Steifen, 
1863  auch  iu  ihrer  SSaterftabt  in  einem  eigenen,  mit 
ber  föniglidien  ©apelle  beranftalteten  ©oncert  auf. 
Sag  Cis-moll-©oncert  bon  Stieg,  eine  Jßtjantafie  ihre« 
Skterg  über  „Sucrejia  Skrgia",  eine  S3ad)’fd)e  Suge 
(A-moll) , SBeber’g  »Perpetuum  mobile«  unb  Slnbereg 


46 


^ -,i 

ftanben  auf  ihrem  Programm  unb  mürben,  (aut  einer 
$ritif  ber  „®regbner  9tad)richten",  menn  auch  nicht 
immer  mit  ber  nötigen  „fftuf)e  in  ber  gleichmäßigen 
®empobemegung",  fo  boct)  „mit  überrafdjenb  Oolllont» 
mener  -ißräcifion  unb  Reinheit  in  ber  ®ed)nif  unb, 
mag  noct)  mehr  ift,  mit  einer  Sicherheit  unb  echten 
©mpfinbung  oorgetragen,  mie  fie  fonft  nur  bei  be» 
jahrten  ©ünftlernaturen  anjutreffen  ift." 

Sßenige  SSochen  fpäter  mürbe  SDtart)  auch  in  2eip= 
jig,  mo  fie  in  einem  ©oneert  ber  „©uterpe"  fpielte,  auf 
bag  beifälligfte  aufgenommen.  Smrner  meitere  Greife 
umfehrieben  Pon  ba  an  ihre  fünftlerifchen  SBanberun* 
gen  unter  ber  Eput  ber  ©Itern.  3n  Hamburg,  Bremen 
unb  Sonbou  erregten  ihre  Seiftungen  (1864)  Sluffeßen, 
unb  mie  juüor  fchon  ber  fädjfifche  $of,  fo  oerlangte 
nun  auch  ber  englifdje  bie  jugenblidje  Sünftlerin  31t 
hören,  bie  bag  Problem  löfte,  „Siitb  unb  Süeifterin 
zugleich  ju  fein“  unb  fidj,  ihrer  oorjeitigen  ©ntmid* 
lung  jum  ®roß,  in  fchöner  üftatürlidjleit  gleichmäßig 
meiter  entfaltete. 

SSon  ®pe,  bem  Sirector  ber  Royal  italian  Opera 
in  ©oöentgarben,  gleich  auf  üier  3aßre  mit  ber  S8e» 
bingung  engagirt,  alljährlich  im  SCRai  ‘ für  fünf  big 
fieben  ÜJtonate  jur  Sftitmirfung  in  feinen  ©oncerten 
nach  Sonbon  ju  tommen , lehrte  fie  in  ben  nädjften 
Sahren  regelmäßig  nach  ©nglanb  jurüd,  bereifte  aber 
and)  ®eutfd)lanb , Dfterreid)  unb  in  ©efeflfdjaft  beg 
belannten  Smprefario  Ußmann  unb  ber  Sßatti  1867 
auch  Stalien,  Sübfranfreid)  unb  ißarig.  Shre  Stubien 
feßte  fie  baneben  eifrig  fort , ja  fie  fanb  bei  attebem 
noch  SJiuße,  auch  ben  ©efang  ju  pflegen  mtb  bie  ißr 
oom  §immel  oerließene  angenehme  unb  umfangreiche, 
menn  auch  nicht  befonberg  ftarfe  Stimme  — einen 
hohen  Sopran  — augjubilben.  SJtit  großer  Seicßtig» 


47 


feit  fernenb,  ftubtrte  fie  al§  fünfzehn jähriges  SD^äbcEjen 
ba§  jugenbfidie  gad)  — Slgatfje,  Sütargaretlfe,  ißa= 
mittet,  fogar  (Slfa  — uttb  trat  and)  al§  (Sängerin 
roieberf)o£t  in  ©oncerten  an  bie  Öffent£ic£)feit.  lynbefj 
ftanb  fie  fpäter,  al§  ©efunbbeit  unb  Stimme  unter 
ben  ülnftrengungen  ifjrer  Reifen  litten,  mieber  f)ierbon 
ab  unb  befd^ränfte  fid^  auf  bie  Gcrfolge,  bie  if)r  al§ 
Elabierfünftlerin  blühten.  Sie  maren  unb  finb  in  ber 
X^at  reief»  unb  auffergemöhnlid)  genug : erachtete  man 
fie  bo«f>  fdjon  mit  noc £)  nicf)t  bodenbetem  fünfzehnten 
Saf)re  (1869)  be§  £itel§  einer  föniglid)  fäehfifcfjen 
©ammerbirtuofin  tbertf).  211§  „ber  jüngften  Trägerin“ 
berfelben  überreizte  ihr  fpäter  (1873)  ber  fjersog  bon 
(£oburg=($otha  aud)  bie  SJiebaitle  für^unft  unb  SBiffen- 
fdjaft,  ju  ber  mehrere  Satire  barauf  (1879  unb  81) 
aucf)  bie  Könige  bon  Sßürttemberg  uttb  Sadffenbie  ihren 
fügten,  mä!)renb  fich  bie  menfd)enfreunblid)eSünftlerin 
al§  Sof)n  für  ihre  Bemühungen  junt  heften  ber  im 
beutfZ 5 franjöfifZen  Kriege  Bermunbeten  and)  ba§ 
facf)fifZe  ®rittnerung§frettj  ermarb.  dlad)  ißragerSon* 
certen  (1869)  jttnt  Sfjrenmitglieb  be§  „Berein§  jur 
Beförberung  ber  SEonfunft  in  Böhmen"  ernannt,  holte 
fie  fief)  1869  unb  70  bie  ffulbigungen  £ollanb§  unb 
Belgiens.  SJfad)  ben  Sfufjntegfräujen  ber  neuen  SBelt 
berlattgenb,  ging  fie  bann  in  Begleitung  ihrer  Bhttter 
über  ben  Dcean,  bom  Dctober  1870  bi§  -jum  Suni 
1872  bafelbft  bertbeilenb.  !yn  fünf  ©oncerten  ber 
dtilgfon  führte  fie  fich  gleich  nad)  ihrer  ülnfunft  in 
Stem^orf  ein  unb  ftettte  fic£)  barauf  in  Bofton  unb 
ißt)ilabefpl)ia  bei  Gelegenheit  ber  bort  abgehaltenen 
Beethoben*  unb  anberer  ÜOhtfiffefte  bor,  ttm  eigene 
Slcabemiett  unb  if$ianoforte=9tecitafö  folgen  ju  laffen. 
5Rahe  an  ztoeitjunbert  ©oncerte  in  ben  Bereinigten 
Staaten  rühmten  fief»  ihrer  SDütmirfitng.  So  mürben 


48 


w 


toätjrenb  eine?  fiebenmonattid)en  9leifeengagementS 
mit  Stjeobor  Sf)omaS’  Drdjefter , baS  fie  junächft  in 
alte  an  ber  ®üfte  gelegenen  Stabte  oon  Augufta  bis 
hinab  nach  9ieW=DrteanS,  nnb  nach  einer  Sat)rt  nad) 
9)iemp^i§  auch  in  bie  inneren  Staaten  führte,  WödjenU 
tid)  nicht  weniger  als  fed)§  ©oucerte,  überbem  eine 
SKatinee  nnb  oft  noch  eine  SonntagSauffütjrung  unter 
ihrer  Settjeitigung  oeranftattet.  Sa  bei  reifte  man 
tägtidj  bi§  §u  oierjetjn  Stunben.  ®urj  oor  ^Beginn 
ber  fßrobuctionen  angefomtnen,  50g  man  oft  fofort 
nach  Söeenbigung  berfetben  Weiter , um  bie  9iad)t  t»in= 
burd)  bis  jum  nädjftfotgenben  ©oncertabenb  wieberum 
untertoegS  ju  fein.  2ttS  einzige  ©rhotungSfrift  bei 
fo  unerhörten  Anftrengungen  mußten  eine  SEBod£)e 
wafirenb  beS  SBeit)nad)tS= , brei  Sage  wätjrenb  beS 
DfterfefteS  genügen.  3n  ©hicago  würbe  bie  ©efett» 
fdjaft , ftatt  ju  concertiren , Beuge  beS  entfe^lidjen 
93ranbungtüdS.  ÜOiit  ÜDiutfe  nur  entlam  fie,  auf  offener 
Straffe  Staub , Dualm  nnb  tpiije , fetbft  junger  nnb 
Surft  auSgefeijt,  ba  alte  fpötetS  eben  niebergebrannt 
waren  ober  in  Stammen  ftanben.  Am  Abenb  beS 
SageS  erft  f»otte  fie  ein  ©ifenbatjnjug  oon  ber  Uit= 
gtüdSftätte  ab,  um  fie  nad)  St.  ßouiS  ju  bringen,  wo, 
nad)  lanm  überftanbenem  Scfjreden,  bie  Sortfe|ung 
ihrer  ©oncerte  erfolgte. 

So  ungeheuren  Strapazen  unb  Aufregungen  mußte 
enbtid)  um  fo  gewiffer  ein  emßfinbiidier  9tüdfd)tag 
folgen,  als  bie  rafttofe  junge  Sünftterin  ficfi  auch  nad) 
ihrer  ©nbe  $uni  1872  erfotgenben  9tücffehr  nad) 
©uropa  nidjt  bie  nötf)ige  Unterbrechung  ihrer  Stetig* 
feit  gönnte.  SBieber  concertirte  fie  in  Seutfdjtanb 
ftheitS  mit  Uttmann,  ttjeitS  fetbftänbig)  unb  tpottanb; 
f ef)rte  jeboch  oon  bort  (1873)  franf  in  bie  §eimat  ju= 
rüd , bitrch  ein  heftiges  Aerüenfieber  monatetang  au 


M 


8 a Sftara,  Stubicnfö^fc.  V.  49 


4 


23ett  mtb  £>au§  gefeffett.  ©rft  im  §erbft  1873  oer* 
mochte  fie  ihrem  Berufe  tion  neuem  ju  folgen.  @r 
führte  fie  im  nädjften  Safjr  nach  ©ngtanb,  mofetbft  fie 
at§  einer  ber  gefeiertften  unb  mittfommenften  @äfte 
feitbem  alljährlich  öom  Januar  bis  2Iuguft  iJjren  2tuf= 
enttjatt  nimmt.  Sa  fpenbet  fie  bntb  mit  ^oadjirn, 
^ßiatti,  SReruba , Straufj  u.  21.  gemeinfam,  in  ben 
Monday  unb  Saturday- populär -concerts,  batb  in 
&'amntermufif*Soireen  unb  Pianoforte-recitals , batb 
in  ben  pf)iIt)armonifct)ett  unb  Crystal-palace-©oncer= 
ten  in  Sonbon,  batb  in  SDiandjefter,  Sitierpoot,  Sub* 
tin  unb  anberen  Stabten  ilfre  traben. 

Seit  erften  St)eit  beS  SBinterS  benützt  fie  anberweit 
jit  ®unftauSftügen  , toie  fie  fttf)  benn,  ifjre  ©rfotge  in 
2)eittfd)ianb  baneben  unabtäffig  fortfeljenb , 1873  im 
SSerein  mit  bem  Sioloncettiften  griebricf)  ®rü|mad)er 
in  Oft*  unb  Ußeftpreufjen,  1876  in  ben  ruffifdjen  Oft* 
feeproüinjen,  1879  in2ßarfd)au  neuegreunbe  ermarb. 
3u  unmittfommener  9tuf)e  faf)  fie  fid£)  injmifchen  oer* 
urteilt,  als  eine  in  SBarfcEjau  junt  Stusbrudj  font* 
menbe  ©rtrantung  be§  jmeiten  Ringers  ihrer  tinfen 
§anb  , mieberf)otte  fchmerjhafte  Operationen  nad)  fid^ 
jieljenb , fie  natjeju  ein  3at)r  üon  ihrem  Snftrument 
fern  tjiett.  2tod)  nicht  genefen,  fc^tugitjr  (am  16.  SEßai 
1880)  berSob  beS$aterS,  beS  geliebten  Oberhauptes 
ifjrer  mit  grofjer  Smtigfeit  unter  fid)  üerbunbenen 
Familie,  eine  neue  fcljmerjtiche  SBunbe.  ©rft  1881 
erfchien  fie,  nad)bem  fie  fiel)  int  September  1880  ge* 
legenttid)  eines  ©oncerteS  ber  SreSbner  Siebertafel 
jum  erften  SDMe  mieber  öffentlich  am  ©taüier  gegeigt  unb 
fobann  mit  @rü|mac£)er  in  Sänemarf  unb  Schieben 
gefpiett  hatte,  mieber  jur  Saifon  in  Sonbon,  bieSmat 
befonberS  heräft$  unb  begeiftert  empfangen.  ©S  mar, 
fo  fagt  fie  fetbft,  „ats  mottte  ihr  Seber  feine  befonbere 


<X£)ei£ua£>me  an  bem  33orgefaHenen , ferne  Sreube  an 
itjretn  SBieberfomtnen  funbgebett."  Sie  felber  „mußte 
fidf  überwiuben",  um  ben  antheilüollen  Säuberungen 
beg  Sßublifuntg  gegenüber  ihre  Ruhe  ju  behaupten. 
Sn  ii)re  g emo  bitte  Xfjütigfeit  trat  fie  feitbem  tut  eher 
eitt.  Sbre  Serien  uerbrittgt  fie  meift  im  §au§  ber 
ÜDiutter,  in  ber  fäd)fiftf)en  §eimatftabt,  tuofetbft  fie  and) 
am  21.  Dctober  1881  ibr  taufenbfteg  ©oncert  in  feft* 
lieber  SBeife  (unter  Rtitwirfung  Somhitn’g).  üeranftal* 
tete.  280Ö  gerechten  ©)anfeg  fcEjä^t  Sregben  bentt  auch 
in  ibr  einen  ber  glänjenbften  Sterne  au  feinem  $unft= 
bimmel. 

©ine  ©ßrenftelte  itn  Greife  unferer  beften  23irtito= 
finnen  ift  9RaTt)  ®rebg  in  SBahrljeit  nicht  ftreitig  §u 
machen.  SBollftänbige  Söeljerrfchung  ber  Sechtüf,  eine 
— tueil  uon  Stimmungen  unb  nerUöfer  (Erregtheit 
unangefochtene  — faft  unfehlbare  Sicherheit  ber  Jpanb 
bezeugen  ihre  9Reifterfd)aft.  ®urdjfid)tige  Klarheit, 
©lafticität  neben  Sraft  unb  Rugbaner,  eine  getuiffe 
einfache  Solibität,  bie,  unbefdbjabet  aller  Sorgfalt  unb 
miitutiöfer  Seinfjeit  ber  ^Durcharbeitung,  jeben  gefudj' 
ten  ©ffect,  jebeg  Raffinement  uerfchmäht,  babei  ein 
äußerft  bigereter,  bie  S5)entlicE)feit  nie  fc^äbigertber  ©e= 
brauch  beg  Sßebalg  unb  ein  ©ebädjtniß , bag  ihr  ein 
Repertoire  öon  ettua  jmeißunbert  SRufifftücfen  claffi» 
fcfjer  unb  mobertter  SReifter  in  jebem  Rugenblide  ju 
©ebote  fteHt:  bieg  finb  bie  ©igenfdjaften , bie  ihre 
®ünftlerfd)aft  groß  gemacht.  Sie  würbe  noch  größer 
fein , gefeilte  fich  jenen  noch  ein  Sßlug  an  Sreiljeit  ber 
Ruffaffunggweife,  an  innerer  SSärme  ingbefottberc. 
Ron  merllidj  inbiuibuell  gefärbter,  fubjectiüer  21ug= 
legung  ber  reprobneirten  SBerfe  f)ätt  fie  fich  fern. 
©leid)Wol)I  ftef)t  fie  benfelben  weniger  referüirt  unb 
felbftlog  alg  Rnna  SRehlig  gegenüber.  Sitte  gefteigerte 


51 


4* 


w 


^ßoefie  beS  SluSbrudS  t»at  fie  ofjrte  3toeifet  öor  if>rer 
nif  t rninber  als  fie  felbft  berühmten  ©enoffin  tiorauS, 
ob  f rem  rifig  fügten  Naturell  auf  bie  infpirirte 
Sßeife  fern  liegt,  bie  ©ofie  SDtenter’S  intpulfibent 
‘Jemperament  entfprift.  Stimmt  fie  bof  jwiffen 
Reiben  etwa  eine  äi)ntif  e SDtittelftellung  ein,  Wie  jwi* 
fc^en  Stubinftein  unb  häufig,  ben  SSertretern  ber  einzig 
in  SiSjt  öodfontmen  geeinigten  extremen  Stiftungen, 
£)attS  oon  Stülow.  ®of  bieS  fetbftrebenb  nift  öer» 
gleif  SWeife  unb  nur  ganj  int  Sillgemeinen.  3m  93e= 
fonberen  ftefjen  fif  93eibe  unöerWanbt  unb  gegenfäjfif 
genug  gegenüber.  ®er  ff  neibigen  ©f  ärfe  uub  über» 
ragenben  ©enialität  feiner  Sauft  »Statur  tritt  in  fr 
eine  harmlos  ausgeglichene,  mit  fid)  unb  ber  SBelt  in 
nötiger  Übereinftimmung  tebenbe  Sraueninbiöibualität 
entgegen , wie  fie  fid)  beutlif  ff  on  in  frem  Spiele 
funbgiebt.  ®a  giebt  eS  feine  Rolfen  nof  liefen ; 
©türme  unb  Seibenff  aften  bewegen  fie  nid) t,  Kummer 
unb  Kämpfe  fanben  nof  nift  ben  SBeg  ju  fr.  Stur 
üorübergetjenb  einmal  umbunfelte  fif  f re  SebenS» 
fonne , unb  was  fie  an  ernfterem  ©f merj  fcnieben 
erfahren,  war  wenig  metjr  als  bie  naturgemäße  Xren» 
nung  beS  ®inbeS  üom  Skter,  ben  ein  günftigeS  ©e» 
ff id  fr  bis  ju  ben  äufferften  ©renjen  beS  menff lif en 
SllterS  erfelt.  3m  Übrigen  hat  ein  tieferes  äßet)  fte 
Seele  wot)t  faum  geftreift.  3hr  Sßefeu  ift  ju  in  fif 
befriebigt,  fr  ©eift  nif t tief  unb  fff fliegenb  genug 
geartet,  als  bah  fie  ben  SSotlenbungSbrang  gröberer 
Üünfttergenien  ringettb  in  fif  burffämpfte,  als  bah 
fie  ben  ßwiefpalt  jwiff  en  3beat  unb  Söirflif  feit,  jwi» 
ff  en  Sßollen  unb  können  leibttoU  an  fif  erfunbete. 
Reiter  offnen  SSlideS  ben  ©rffeinungen  ber  Statur 
unb  beS  SebenS  jugeWanbt , freut  fie  fif  finblifen 
Sinnes  an  Stlumen  unb  ^hieren,  pflegt  gern  in  häuS» 

Ife- ' . m 


52 


ip. 


iZ 


lieber  ©title  geiebnenfunft  unb  meibtidfe  Arbeiten  unb 
befd)äftigt  ficb  ab  unb  ju  mit  beit  Siteraturerjeugniffeu 
ber  öerfdjiebenen  Sänber,  mit  betten  fie  fünftterifdje 
Schiebungen  unterhalt  unb  beren  Sprayen  fie  fid)  ge= 
läufig  ju  eigen  machte.  Dbenan  in  ihren  ßeben§be= 
bürfniffen  aber  ftefjt  itjre  ®unft,  bie  ÜDtufit  „2Benn 
id)  mich",  fagt  fie  fetber , „baran  erfreuen , an  mir 
fetber  tabetn  ober  toben  !ann  — benn  ber  toafire, 
ftrebenbe  Äunftter  ift  ja  faft  nie  mit  fid)  ganj  ju= 
frieben  — bann  bin  id)  am  gtüdtidiften ! " tOtögen  ihr 
aud  biefem  (Stüd  nod)  biet  gotbene  grücfjte  reifen ! 


53 


■ 

■ 


w 


Ser  SBien  mtb  bieäßiener  einigermaßen  fennt, 
bent  ift  aucß  bon  bem  tebenbigen  ÜDJufitfinn, 
ber  ißnen  innetooßnt,  ®mtbe  geworben  unb 
er  begreift,  baß  bie  größte  (Sßocße  nic£)t 
nur  ber  beutfcßen , fonbern  ber  Sonfunft  überhaupt 
ficß  gerabe  auf  biefem  Soben  beließen  mußte.  Sie 
üöfufif  liegt  ba  fojufagcn  in  ber  Suft ; alte  Suft  ftrömt 
in  ber  greube  am  ®Iang  jufammen  unb  fcßeint  ficß  in 
ißr  aufjulöfen.  23on  21Iter§  ßer  ßat  e§  ber  ®eniu§ 
ber  Sontunft  mit  SBiett  borjug§Weife  gut  gemeint. 
Spießt  nur  bie  fperoen  unter  ben  feßopferifeßen  Son» 
geiftern  lebten  unb  feßufen  ißr  §errticßfte§  in  ber  ton» 
reicßeit  Sonauftabt,  audj  bie  großen  SSirtuofeit  erftan» 
ben  un§  ba  guerft : mie  bie  ©tuet,  §ai)bit,  ÜOiojart, 
53eetßoben,  ©cßubert  erwueßfen  aucß  bie  Kummet,  ÜDio» 
fcßele§,  Sßatberg,  Si§jt,  fpenfelt  bort  31t  ißrer  ®röße. 

3tncß  einer  ber  beften  toeibtießen  9tebräfentanten 
be§  gegenwärtigen  SSirtuofentßum§  ift  un§  bon  ba  ge» 
fommen:  ißauline  gießtner  ift  einliebenSWürbigeä 
SBiener  ®inb.  9^ic£)t  bon  ißren  (Sltern  empfing  fie  ben 
tarnen,  bem  fie  in  ber  ®unftwelt  ju  gutem  ®lang  ber» 
ßatf:  bie  am  28.  Suni  1847  Geborene  ßieß  juerft 
Sßautine  Dprawitl.  Sa  fie  feßon  in  friißefter  IHnbßeit 
bie  Butter  berlor,  ber  in  engen  SSerßättniffen  lebeube 
SSater  aber  für  brei  ®inber  ju  forgen  ßatte,  naßm  ißre 
Siebtingötante , bie  $rau  eines  tooßlßabenben  Sabril» 


befitjerg,  fie  ju  ficf)  unb  aboptirte  fte  rtacf»  einigen 
fahren.  2Iuc£)  ihren  kanten  übertrugen  ihr  itjre  pflege* 
eitern,  benen  fie  Sltteg  ban!t.  SSon  tiier  fö'inbern,  bie 
fie  befaßen,  blieb  ibjnen  feineg  erhalten ; fo  genofi  benn 
ißautine  itjre  reiche,  ungeteilte  Siebe,  ©lüdlicf)  mar 
bie  ÜDtutter,  bie  felbft  fefjr  fcljön  fang , alg  fic^  bei  ber 
kleinen  bie  erften  Spuren  mufifatifcber  Steigungen 
geigten  unb  fie  fünf  ober  fedfg  3af)re  alt  alle  Seier= 
faften  = ÜMobien , bie  fie  tförte , auf  bent  Slabier 
mieberjugebeit  oerfucftte.  Ser  $8ater  freilicb)  moflte 
für’g  Srfte  nichts  baüon  toiffen,  baff  fie  „SJtufif  lernen" 
folle ; boct)  fanb  ba§  lernbegierige  @inb  für  feine 
ÜDtufifliebe  in  ber  ÜDtutter  eine  unt  fo  bereitmiüigere 
^elferSfjelferin  : fjinter  bent  Stücfen  beg  SSaterg  toarb 
if)nt,  alg  eg  fieben  ^alfre  jälflte,  eine  ©laoierlefjrerin 
engagirt.  Stur  bauerte  bie  Sreube  nicEjt  lange.  Stach 
Verlauf  eineg  fjalben  Salfreg  fünbigte  bie  Seherin  ber 
SOtutter  an , baff  fie  ihrer  Schülerin  „nichts  met»r  ju 
lehren  oerntöge,  ba  if>re  Siteratur  erfdföpft  unb  bie 
Meine  ißauline  eine  ma|re  Stotenfrefferin  fei , bie  nicht 
genug  SteueS  befame!"  Unb  allerbingg  befdfulbigte  fie 
bie  letztere  niif)t  mit  UnrecEjt. 

Sa  überrafcf)te  ber  Safer  eineg  Sageg  fein  ®inb 
aut  ©laoier  unb  mar  burdf  bag  offenfunbige  Salent 
begfetben  feinet!  für  feine  SieblingSneiguitg  gemonnen. 

Sr  fetber  führte  it)m  nun  einen  Sefjrer  ju,  ber  in  Sßiett 
alg  „brillanter  Salonfpieler"  galt.  Sie  oberflächliche 
SXiufif , bie  biefer  ing  |>auS  brachte , mar  jeboch  nirf)t 
nach  bent  ©efeftmaef  ber  Meinen  ißauline.  So  tapfer 
fie  auch  ctHe  Schmierigleiten  ber  il)r  oorgelegten  Salon* 
ftücfe  übermanb  , ju  ihrer  eigenen  Sreube  befefjäftigte 
fie  ficf)  banebeit  felbftänbig  hoch  mit  befferer  SDtufif, 
unb  alg  fie,  neun  3ohre  eilt,  ficb)  in  einem  Soitcert  bor 
fünfhunbert  3uf)örern  mit  einigen  Salonpiecen  eine 

fe.  M 


58 


erftaunlicEje  Singerbratiour  befunbeitb,  tjören  tief?, 
magte  fie  fic^i  habet  aud).  mit  bettt  felbft  einftubirten 
Vortrag  pon  S£Ro§art’§  C-moll-fßf)antafie  t)erau§.  3 b r 
mutiger  gleit  blieb  nidtjt  unbetot)nt.  SSotjt  mef)r  at§ 
jef)nmat  mürbe  fie  nad)  Veenbigung  ber  ißfjantafie 
Ijertiorgerufen,  ja  fdjtietftdj  auf  einen  blumenbefräns* 
ten  Setjrtfeffet  gehoben  unb  int  <SaaI  fjerumgetragen, 
mobei  e§  Vouquetä  unb  Vonbon§  für  bie  finbtidje 
Virtuofin  regnete.  S)ie  ec^te  Sieben§mürbigteit  unb 
fpntpatf)ifd)e  SSärme , mit  ber  bad  SBiener  fßubtifum 
bem  Zünftler  für  gelungene  Seiftungen  ju  banfen 
pflegt,  lernte  fie  eben  früt^eitig  fennen. 

Sie  SItern  maren  natürlich  ftotj  über  biefen  @rft= 
ting§erfotg , unb  fidjerlic^  tjcitte  itjrem  tatentbotten 
Siebting  bie  (Sefaljr  gebraut,  at§  SSunberfinb  burd) 
bie  SBett  geführt  ju  merben  unb  bamit  einer  ernfteren 
SCuäbitbung  bertuftig  ju  geben,  f»ätte  nidjt  eine  bebenf= 
Iicf>e  (Srfranfung  fßautine’S  bafür  geforgt,  bat  fie 
monatelang  ihrem  lieben  Stabier  gänglid^  fern  bleiben 

muffte. 

Sine  ber  erften  Sinterungen  ihrer  SBiebergenefung 
mar  ber  Sßunfd),  ba§  SBiener  ©onferbatorium  befugen 
ju  bürfen.  Sa  bie  Sttern  gteidjmobl  tein  rechtes  Qu= 
trauen  ju  einem  fotcE»en  „(Sefammtftubium"  butten,  in 
beffen  Ötefolge  fie  bie  §atbbilbung  fürsteten , lamen 
fie  überein , ficj)  bei  einer  ber  erften  mufif=pabagogi= 
fc^eu  Stutoritäten  3Bien§ , -jSrofeffor  Sbuarb  ^ßirftjert, 
9tatf)3  ju  erholen.  SDiit  (Stunben  überhäuft,  tonnte 
biefer  jmar  bie  mufifatifcfie  Steine  tro|  atlen  3n= 
tereffe§  nidjt  augenblidtid)  jur  Sd)  uterin  avtnetjrnen, 
empfaf)t  aber  §ur  Vorbereitung  für  ben  nad}  Slbtauf 
eine?  3af)re§  fetbft  meiterjufütjrenben  itnterridjt  in 
©taüierfpiet  unb  Harmonie  fßrofeffor  fOtattt)iaä  SBeijj. 
©ent  hätte  auch  fßrofeffor  <Sfima,  ber  fie  mitttermeite 


59 


hörte,  fie  jur  (Schülerin  gehabt,  unb  93eibe,  er  unb 
SBeih  , erboten  fic£) , fie  unentgeltlich  ju  unterrichten ; 
$auline  ober  entfdfieb  fich  für  ben  letzteren  unb  hot 
ihre  in  finblichem  Snftinft  getroffene  Sßahl  nie  ju  be= 
reuen  gehabt,  ©in  ernfteS , fhftematifcheS  Stubium 
begann  je|t  für  fie , unb  als  ber  Seljrer  fie  nad)  ber 
beftimmten  grift  an  Sßirfljert  überlieferte , erfreute  fie 
fid)  auch  beffen  üoUfter  3ufriebenl)eit.  „Sch  hin9  mit 
großer  Siebe  unb  Verehrung  an  biefetn  liebenSwür« 
bigen  ©haralter,  ber  nebft  feiner  gebiegenen  Sehr« 
methobe  auch  fonft  noch  alles  Schöne  unb  ©rljabene 
in  mein  junges  ©emüth  ju  hflanjen  beftrebt  war", 
fagt  fie  felbft  in  töejug  auf  ißirfijert,  beS  im  grühjahr 
1881  oerftorbenen  trefflichen  ÜDteifterS  noch  über  baS 
©rab  hinaus  bantbar  gebenlenb. 

Sie  War  aber  auch  eine  eifrige,  fleißige  Schülerin, 
unb  ba  es  aufjer  ber  SÖtufif  noch  bieleS  Rubere  $u  er« 
lernen  gab  — benn  ihre  ©Itern  liefen  ihr  bie  befte 
©rjiehung  ju  'XhetI  werben  — fo  muhte  fie  bom  frühen 
ÜOlorgen  bis  in  bie  fpäte  -Kacht  gefdjäftig  fein.  Shr 
SieblingSftubium  bilbeten  bie  SSacfi’fcfien  §ugen.  $on 
einer  Stunbe  jur  anbern  lernte  fie  ju  ißirfhert’S  gröfs« 
tem  ©rftaitnen  meift  fedjS  bis  fieben  unb  fpielte  fie 
ihm  auSWenbig  bor.  ®aS  ftärfte  auch  ihr  ©ebächtnifj 
ungemein.  3Bar  fie  hoch  ju  jener  3eit  im  Staube, 
boit  fämmtlichen  ißrälubien  unb  $ugen  aus  Sadi’S 
„wohltemherirtem  ©labier",  fowie  bon  allen  Sfeetlw« 
ben’fchen  Sonaten  (nur  Op.  106  unb  111  auSgenom« 
men)  jebWebe  fofort  auS  bem  ©ebächtnifj  borju« 
tragen.  S3ei  ben  jährlichen  Prüfungen  , bie  ißirllfert 
mit  feinen  Schülern  unb  Schülerinnen  beranftaltete, 
that  fie  fid)  benn  auch  rtterflicf)  hertwr , unb  bie  3ei= 
tungen  machten  auf  ihr  Talent  aufmerffam.  So  gingen 
etwa  fünf  Saljre  ber  Stubien  unter  Obhut  beS  SeljrerS 

■ -'jm 


60 


inS  Sanb  : ba  ftettte  er  bie  Srage  an  fie , ob  fie  Woftt 
Suft  unb  50lutt)  in  ficf)  fütjle , nun  mit  einem  fetbftän» 
bigen  ©oncert  herauSptreten?  Sin  freubigeS  Sa  Würbe 
it)m  pr  Antwort,  unb  furje  Seit  barauf , eS  war  im 
Aobentber  1865,  gab  ißauline  gidjtner,  unter  Sethei* 
ligung  gerbiitanb  Saub’S,  im  alten  ÜDtufitüereinSfaate 
unter  ben  i£uchtauben  it)r  erfteS  ©oncert  in  ihrer 
Vaterftabt.  Shr  3)ebüt  üertief  fo  gtücftid) , baß  fie 
fdjon  tuerpfp  £age  fpäter  ein  jweiteS  ©oncert  folgen 
taffen  tonnte,  welches  fi <ft  ber  SDtitWirfüng  ÜDiarie 
Söitt’S,  ber  nochmaligen  gefeierten  ißrimabonna  ber 
Söiener  §ofoper,  rühmte.  ißubtifum  unb  Sritif  tieften 
an  SeifaltSWärme  nichts  ’p  wünfcften  übrig  , unb  auf 
©intabungen  pr  93etf)eitigung  an  auswärtigen  ©on* 
certen  brauchte  fie  nicht  p Warten.  Auch  in  ißrag, 
in  Sriinn  unb  anberwärts  War  ber  ©rfotg  nicht  min* 
ber  günftig. 

Sn  ber  nädfften  Saifon  (1866 — 67)  fdjon  fah  fie 
fidh  p ben  berühmten  Sammermufif  * Soireen  öon 
|>ettmeSberger  unb  Sanb  atS  SJiitWirfenbe  pgepgen. 
SOiit  erfterem  ftubirte  fie  fämmttiche  ©tattier*Viotin* 
Sonaten  oon  Sach,  SJiojart,  Seett)oben,  gleich  bieten 
mobernen.  Swmer  um  Stteftrung  ihres  Könnens,  um 
Ausbreitung  unb  Vertiefung  ihres  SSiffenS  bemüht, 
naftm  fie  bei  ÜDtarie  SBitt  (Sefang*,  bei|>ofcapettmeifter 
®effoff  ©ompofitionS-'Unterricht ; nicht  ©tabierfpieterin 
allein,  SDtufiferin  Wollte  fie  gern  fein  unb  werben. 
(Singen  bie  Quartette,  Sonaten  u. 'bergt.,  bie  atSStu* 
bien  unb  Scftüterarbeiten  entftanben,  Wot)I  auch  toum 
über  biefen  $wed  hinaus : in  einer  Anjatd  bon  Sie* 
bern,  bie  fie  fpäter,  pnt  STIjeit  erft  nach  it)rer  Vertjei* 
ratung , üeröffenttidjte*) , reiften  iftr  nochmals  bie 

*)  ©e$  eängcrä  SBunfdt  f.  1 6ingjl.  m.  ?Pfte.  fflien,  ©ottljarb. 

1870. 


61 


w 


grüßte  btefer  Übungen*  Sftelj rere  berfelben  haben  in 
Öfterreitf)  greunbe  gefunben*  ^amentlid)  jtnei,  ba£ 
innig  empfunbene  „gm  tiefften  gnnern"  (aus  : SSier 
Sieber.  §ft*  2)  unb  ba3  £)übfcf)e  ©djlummerlieb 
„©djlaf,  bn  liebet  ®inb",  üerbienten  aber  and)  bei  un£ 
in  ®eutf^Ianb  gefangen  unb  gehört  ju  tnerben. 

2tudj  al§>  SSer^Iünftlerin  £)at  fitf)  *ßaulitte  gidjtner 
jutneilen  in  befdjeibener  SBeife  üerfudjt*  §ier  ein  ©e= 
bidjt , ba§  fie  in  erfter  gugenb  fd)rieb  unb  baS  , tro| 
geringen  poetifdjen  SBertfje^ , bod)  bie  SBärme  it)re§ 
6mbfinben§  neranfd)aulid)t : 

Sftein  klarier. 

2) u  bift  erroäb)It  ba£  Seben  mir  §u  mürben, 

©ramrolle  ©tunben  liebreid)  mir  p türmen: 

2)enn  fyab’  id)  einen  tiefen  ©c^mer^  in  mir, 

©o  flag’  idj’§  meinem  ©ott  auf  bem  Planier! 

Oft  finb  e§>  ernfte,  feierliche  klänge, 

Oft  büft’re,  melandjolifdje  ©efänge;  — 

3n  beinen  £önen  tann  id)  miebergeben, 

2öa§  id)  gefügt,  wa§>  mid)  enttäufdfjt  im  Men! 

3) odj  nicht  allein  wenn  Srübfinn  auf  mir  ruht 
Söirb  mir’3  in  beiner  lieben  Sftäbe  gut, 

Slud)  bann  wenn  froh  unb  leidjt  mein  ©inn 
3iel)t  mid)’§  p meinem  glügel  fyn. 

3u  iljm  laff’  ich  mid)  fdjer^enb  nieber 
Unb  fpiele  heitre,  muntre  Sieber, 

2)a§  Hingt  fo  luftig,  frifd)  unb  rein,  — 

Id),  fönnt’  id)  immer,  immer  frö^lid)  fein!  — 


$)rei  Sieter  (Söeljmutf) , Skrgleid),  ÜMn  §ödjjie$).  SBien, 
©ottfyarb.  1870. 

ßttei  ©cbid)te  ton  £.Singg.  £)reSten,  UUe^.  (ftrütjer  Seidig, 

©eiij.) 

23ier  Sieter.  2 $fte.  (££>enb. 

„©cfylaf,  tu  liebet  ßint",  in  $räger’£  „$>eutfd)e  ^unft  in  SBitt 
unt  Siet''  fccröffenttid)t. 

• JB 


62 


F 

SüBie  eg  bod)  einfad),  fdiön  unb  ouferbaulid)  Hingt, 
Senn  man  ein  inniges»  ©ebet  in  beinen  Xönen  fingt! 
©ebet  ift  Xroft.  ®tum  roilt  idj  meinem  greunbe,  bem 

©lauter, 

Xreu  bleiben  bi«  an’S  ©nbe,  für  unb  für! 

£)ierf)in  itnb  bortlfin  fcfiott  War  bie  jugeitblidjc 
Sünftlerin  auggeflogen  unb  lehrte  eben,  alg  bag  !yal)r 
1867  fict»  ju  ©nbe  neigte,  tion  einer  biefer  fitrjereit 
©jrcurfionen  fjeirn,  alg  fie  fßirffjert  gegenüber  fdfüdjtern 
ben  2Bunfd)  äußerte,  nun  eine  etWag  größere  Steife 
ju  unternehmen.  ftßie  erftaunte  fie  aber,  ba  er  er» 
Wiberte:  er  f)abe  bereits  barüber  nadfgebadjt  unb 
Wolle  fie  — nad)  Stufflanb  f^icfen ! Stile  föebenfen, 
bie  fie  augfpracf),  nad)bem  fie,  anfangg  ftumnt  tior 
SSerWunberung,  enblic^  ÜBorte  fanb,  Ralfen  51t  nichts. 
,/2)u  getjft  nacf)  Stufflanb  unb  madjft  mit  Dbeffa  ben 
SInfang",  lautete  bie  Sofung.  Unb  babei  blieb  eg. 
©orglidf  t»atte  ber  Öetjrer  feiner  Spulerin  fdjon  bie 
S3al)n  bereitet ; fie  brauste  nur  51t  fommen , um  fidf 
fjulbigen  ju  laffen.  211g  „§elbin  ber  mufifalifdien 
©aifon“  gefeiert , mit  Sympathien , bie  man  itjrer 
Sünftlerfdiaft  Wie  it)rer  anmutf)ig  liebengwiirbigen 
fßerfönlidjleit  barbrad)te,  überfc£)iittet , gefiel  eg  it»r  in 
ber  Xl)at  berntaffeit  in  Dbeffa,  baff  fie  tiolle  jwei  10to» 
nate  bafelbft  tierweilte , tiiele  ©oncerte  gebenb  unb  in 
anberen  mitwirfenb , in  golge  beffen  jebocf)  ben  beab» 
fidftigten  fBefucl)  ÜDtogfaug  ganj  tierfäumte  unb  auch 
in  fßetergburg  tierfpätet  eintraf.  Stur  §u  einem  ©on» 
cert  mit  fpenri  SBieniaWgfi  brachte  fie  eg  bort  unb 
fpielte  bann  nod)  mit  SSiltjelmj  in  einer  Duartett» 
(Soiree  im  laiferlidfen  Schlöffe.  ,ßu  Weiterem  laut  eg 
nic^t  mehr. 

fölinber  günftig  bagegen  als  in  Stufflanb  unb  an» 
berWärtg,  führte  fid)  fßauline  f$id)tner  in  Seipjig  ein. 


03 


33om  ®irectorium  ber  ®ewanbf)auSconcerte , bem  fie 
ftcf)  im  §erbft  1869,  mit  Sdjumann’S  „ft)mpf)onifd)en 
©tuben",  üorgeftellt  t)otte,  erhielt  fie  toenige  SSoc^en 
fpäter  bie  telegrapt)ifc£)e  ©inlabung , an  Stelle  ber  er» 
franften  Stau  S>d)untann , fofort  mit  33eetl)oüen’S 
Es-dur-©oncert  einjutreten.  $ung  wie  fie  War,  bie 
Tragweite  eines  ©rfolgS  im  (SewanbljauS  fennenb, 
wagte  fie,  troll  eines  bebentlid)  angefdiwoltenen  Singers, 
nid)t,  abjuleljnen.  Sie  reifte,  befarn  bie  ganje  Stacht 
^inburd)  ©iSumfdiläge  unb  fpielte  anbern  XagS 
(28.  Dctober)  mit  aller  SelbftüberWinbung,  beren  fie 
fällig  war.  Selbft  mit  fiel)  unjufrieben , erfuhr  fie 
bod)  feitenS  beS  IßublifumS , jumal  nad)  ben  Solo» 
ftüden,  eine  freunblidfe  21ufna^me.  Sie  ®ritif  aber, 
ber  oermutt)lid)  baS  öerliängnifwolle  fpinberniff  unbe» 
fannt  blieb , urteilte  unnadffiditig  unb  natfm  eine 
„unfertige  SSiebergabe  beS  93eetl)0ben’fcl)en  ©oncerteS" 
ju  ißrotofod.  ©aff  mehrere  ber  beften  SJlufifer  unb 
ißäbagogenöeipjigS,  wie  9Jtofcf)eleS,  SSenjel,  Dr.  ißaul, 
nidjtsbeftoweniger  bem  SBiener  ©afte  unb  feiner  prä» 
beftinirten  SKufifnatur  ib»r  lebenbigeS  $5tttereffe  be» 
jeugten  unb  erhielten,  burfte  ifjm  woljl  ein  £roft  bei 
bem  obwaltenben  SOli^gefcfjitf  fein. 

@egenfät$lid)  genug  oerfjält  fitf»  ju  ben  Seipjiger 
Urttjeilen  eine  83efpred)ung  ber  Sßiener  „Blätter  für 
üötufif  unb  ®unft"  oom  8.  ÜDtärj  1870,  worin  man 
iJSanline  Sidftner  als  „bie  befte  ©laoierfpielerin,  weldie 
23ien  fjeute  aufjuweifen  l)at",  bezeichnet.  31n  itjr , fo 
tjei^t  eS  „ift  alles  gefunb  , bie  ®raft , bie  Sedinif , bie 
Sluffaffung , ber  ®efd)mad,  baS  ©ebäc^tni^,  aus  Wel» 
d)em  fie  baS  ganje  Programm  fpielt.“  ©ine  neue,  tief» 
gelfenbe  Anregung  war  ihrer  lünftlerifd)  empfänglichen 
Statur  aHerbingS  mittlerweile  burdf  bie  perfönlidie  SBe» 
fanntfefiaft  mit  Stau*  SiSjt  geworben.  Sie  felbft  er» 


dfarafteriftifdj , wie  fie,  um  bie  erfte  Begegnung 
mit  bem  großen  SEReifter  bauernb  feftjüfialten , fid) 
gteicE)  auf  bem  Ütüdweg  tion  feinem  §ötef  ju  ifjrer 
Sßofjnung  in  SBien  „pf)otograf>f)iren“  fieff,  2fudj  mit 
Si§jt’§  SERufe  Warb  fie  um  biefe  $eit  burdf  ben  9Ser= 
fefjr  mit  Sranj  SertiaiA  feinem  Stüter,  unb  Xljeobor 
Soreffo,  einem  ifjrn  auf§  Wärmfte  antfängenben  genia* 
len  SRufiter , ber  teiber  früf)  tion  Rinnen  muffte,  toer= 
traut.  Sei  teuerem  ftubirte  fie  eingeffenb  ade  größeren 
Sigjt’fdfen  ©fatiiercontpofitionen , unb  af§  fie  im  3)e= 
cernber  1870  fidf  in  ißrag  mit  bem  A-dur-(£oncert 
unb  ber  „Ungarifcfien  ißfjantafie"  einen  großen  (Srfofg 
gewann , fanbte  fie  alte  if)re  Sorbeerfränje  nadf  ißeft 
mit  ber  Sitte,  Si§jt  bort  auf  einige  Xage  befugen  ju 
bürfen.  (Sie  Würbe  mit  edft  ßiäjt’fdier  2ieben§Würbig= 
feit  wittfommen  gefielen  unb  war  „übergfüdfidf",  ein 
paar  SBodjen  „mit  ifjrent  Sbeaf“  jufammen  fein  unb 
tion  if)nt  fernen  ju  fönnen. 

Sfffjäfjrficlf  befudfte  fie  feitbem  2i3jt  in  SSeimar, 

Wo  fie  aud)  im  Sdfwe  1872,  ebenfo  Wie  1873  in 
Xarmftabt,  jur  gro^erjogfidjen  ®ammerpianiftin  be= 
förbert  würbe,  wäfjrenb  ber  Sürft  tion  Sdfwarjburg* 
Sonberdlfaufen  fie  mit  ber  gotbnen  ÜÖfebaitfe  für  S’unft 
unb  Sßiffenfdfaft  becorirte.  2tucE)  af§  £>ofpianiftin  be§ 
Königs  tion  ^annotier  fungirte  fie,  wenttgfeid)  fie  offi» 
ciett  nie  biefen  Xitel  trug.  £>odj  fjatte  fie,  Wie  fie 
fefbft  fagt , nie  einen  anbädjtigeren  $uf)örer  peit 
bfinben  Iftünig,  beffen  f^amilie  fie,  af§  fie  in  2Bien  unb 
Dberöfterreid)  lebte,  faft  tägfid)  ju  ficf»  fub. 

Sängere  3eit  f)inburd)  fpiefte  fie , tffeifil  au§  Se=  . 
geifterung  unb  Serefjrung  für  ben  SBeimarer  ÜOleifter 
unb  feine  SBerfe,  tfjeifö  Weif  if)r  bamit  überall  ber 
gröfjte  (Srfofg  lohnte , aucf)  öffentfid)  faft  nur  ßiäjt. 
•Kannten  and)  ifjre  Heineren  SortragSftüde  affe  mög» 


8a  9ftara,  «Stubicnföpfc.  V.  65 


5 


lidjett  kennen,  iit  bett  größeren  Hummern  He§  fte  nteift 
iljm  baS  Sßort.  (piefi  man  fie  boef)  toäljrenb  ber  UE» 
mann='£ournee,  bie  fte  im  Januar  1872,  mit  ber  ÜDion» 
belli,  Sibori  unb  bem  Florentiner  Duartett  als  £>aupt» 
magneten,  burtf»  Aorbbeutfdjlanb  unternahm,  aUge» 
mein  bie  „fftljapfobiftin",  ba  fie  an  feinem  Abenb  eine 
ber  SiSjt’fdjen  Sftljapfobien  ju  bringen  berfäumte. 

SSiel  concertirte  fie  in  öfterreidjifdjen  unb  beutfdjen 
§auptftäbten  unb  an  beutfdjen  fpöfen. 

Selbft  jur  ©ommerjeit  raftete  fie  nidjt.  3u  ben 
großen  ©urfjauSconcerten  in  SBieSbaben,  ©mS  unb 
S3aben»93aben  riefen  fie  ba,  meift  bei  Antoefenljeit 
,,atlerf|öc£)fter"  (Säfte,  ©inlabungen.  Sn  23aben»93aben 
lernte  fie  im  Sommer  1873  fjanS  bon  23ulotb  fen» 
nen,  ber  bantals  baS  fdjnteidjelfjafte  SBort  non  itjr 
fagte , fie  fei  „eine  ber  wenigen  ißianiftinnen , bie 
unter  bie  ©labierfpieler  gehören.“  @r  tt)ut  if)r  feit= 
bem  and)  bie  ©fjre  an,  fie  „unter  bie  weifjen  Stäbinnen 
ju  zählen,  bie  eine  SSeetbjotien’fcEje  Sonate  ju  fielen 
buffen."  Aodj  1881,  wäljrenb  eines  Aufenthaltes  in 
SBien  unb  ißeft,  bjat  er  fetbft  biet  SSeetfjoben  wie  fpäter 
audj  SJrafjmS  mit  itjr  ftubirt,  nnb  fie  barf  auf  bie  An» 
erfennung  unb  Freunbfdjaft  beS  „iftitterS  of»ne  Furdjt 
unb  Sabel“,  wie  man  beit  bietgefürdjteten  ftreitbaren 
Zünftler  genannt,  mit  Fug  unb  9tedjt  ftolj  fein.  @r 
Ijintbieberum , ber  immer  nur  Anbere , nie  fidj  felber 
f pielt,  barf  in  ißauline  Fidjtner  eine  feinfinnige  Suter» 
(pretin  feiner  ©labierfd)öpfmtgen  fdjäfjen.  2So  tjörte 
man  beifpielStneife  feine  »Lacerta«  fo  leidjt  unb  färben» 
fdjillernb  über  bie  Saften  gleiten,  als  unter  ifjren  §än» 
ben  ? And)  ütubinftein  unb  fftaff  gehören  ju  ben  Sun  ft» 
genoffen  , mit  benen  fie  biel  unb  genufjreidj  berfeljrte, 
Wie  beS  ©inen  D-moll-,  beS  Anbern  C-moll-©oncert 
§u  ibjrert  beliebteften  3tepertoireftüden  jäljlen.  Staff’S 


» ' % 

bekannte  Suite  Op.  162  ift  ipr  jugeeignet,  unö  eine 
fßpantafie  für  §mei  Elabiere  trägt  bie  SBibntung : „3ln 
9Ka£  unb  ißauline  Erbmanngbörfer"  — beutt  mit 
einem  anbern  -Kamen  bertaufepte  ißaulitte  Sicptner  ja 
ben  ipren,  ober  fie  berbanb  it)n  bentfelben  boep  ju 
flangbollem  Söunbe. 

Sm  September  1873  mar  eg,  alg  bie  bielbegeprte 
aSirtuofin  auef)  nadp  Sonbergpaufen , ber  fürftlicp 
Scpmarjburg’fcpen  iftefibenj,  fam,  um  bort.  getegenttict) 
einer  Sigjt^eier  be§  SKeifterg  A-dur-Eoncert  — bag 
fie  fepon  tängft  „bag  meine"  nannte  — unb  feine  „Un= 
garifepe  fßpantafie“  ju  fpielen.  ®a§  Ergebnis  mar 
ein  Subei,  mie  man  ipn  an  felber  Stelle  noep  niept 
gehört  paben  moüte.  Sntmer  unb  immer  mieber  mürbe 
ber  (Gefeierte  gerufen , unb  immer  unb  immer  mieber 
muffte  feine  Snterpretin  mit  il)tn  erfepeinett.  Eg  mar 
ein  f)ob»er  SErimnpp  für  biefelbe.  Hub  fie  feierte  gleicp» 
jeitig  in  ber  Stille  noep  einen  anbern  Sieg.  3Agg 
barauf  rnaepte  bie  fßrinjeffin  bie  Sörautmerberin  für 
ipren  Jpofcapeömeifter  — unb  etje  ber  näcftfte  SKonat 
berging , patte  fßauline  ipr  §erj  unb  ipre  bielbermö» 
genbe  tpanb  9Kap  Erbmanngbörfer  angelobt,  ber  alg 
Drcpefterfüprer  ipr  bereits  im  Eoncert  bottfte  93emun» 
berung  ablb.cfte  unb  fiep  auep  alg  Xonfeper  eineg  fidj 
immer  mepr  berbreitenben  iftufeg  erfreute*).  „Erb» 
manngbörfer  pat  ung  bie  ffücptner  burep  Sift  megge» 
rafft",  mipelteu  bieSBiener,  auf  benSigjt»  unb  9taff» 
Eultug  iprer  Sanbgmännin  anfpielenb ; aber  ungern 


*)  „^rinjeffin  ,,^c^necvt>ittc^en"f  „Sraumfönig  unb  fein 

Sieb",  „0etinbe".  „©onnenfdjeindjen"  für  <Soto,  (£f)or  unb  Drdjeficr, 

„$>e3  ^aifertyeereS  iftomfafyrt"  für  Mnnerdjor  unb  Ordner,  bie  9iar* 
ciß*Cuberture,  eine  23ioIinfonatc  unb  ein  (Stabiertrio  finb  neben 
reifen  Glabierftüifen,  Siebern  unb  DJiännerdjören  bon  feinen  beröffent* 
litten  Gompofitionen  befonberä  ju  nennen. 

pu  - — - — M 


07 


fallen  fie  fie  fdjeiben.  Uitb  mürbe  etma  if»r  bie  Streu = 
mtng  bon  ifjrer  lieben  fdjönen  ©aterftabt  leidet?  0f)ne= 
f)in  bafetbft  gern  unb  fjäuftg  concertirenb,  mar  fie  im 
lebten  ©Sinter  nod)  befonber§  freigebig.  S3ei  öerfctjie= 
benen  Oelegenbeiten  tiefj  fie  fidf  fjörett  nnb  gab  enb= 
lief)  am  20.  iDiärj  1874  ein  „atterleiUeS  2fbfc^ieb§' 
concert." 

2iü’  bie  Sorbeeren,  bie  fie  fidf  mälfrenb  ii)rer  furjen 
Saufbalfn  berbient , faf)  fie  ficb  ba  nod)  einmal  jum 
Oranje  gemuttben.  Si)r  ©onterfei  mürbe  titf)ograpf)irt 
unb  beim  Siuggang  in  jaf)Ireid)en  ©jempiaren  ber» 
lauft.  ®ie  ®ritifer  metteiferten  in  Sobreben  auf  itfr 
©pief,  unb  man  berfpract),  baff  fie  „afö  grau  @rb» 
mann§börfer  gleidjertneife  miüfommen  fein  merbe,  at§ 
fie  e§  ai§  gräutein  Sidjtner  gemefen." 

£>a§  mar  iljr  Slbfdjieb  bom  ißnbiifum.  Unb  am 
5.  SJiai  napm  fie  SCbfcpieb  bon  itjrer  SJiäbtfienjeit  unb 
bon  ber  Heimat,  ber  ftolgeften  ©tabt  am  ftoljeften 
beutfdjen  ©trome.  Unb  bie  neue  Heimat,  für  bie  fie 
bie  alte  batpngegeben?  @o  Hein  unb  befdfeiben  fie 
mar,  fie  machte  bem  bermötjnten  SBiener  ®inb,  ba§  ju 
@nbe  ÜDtai  1874  bafeibft  feinen  Sinjug  fjielt,  bod)  ein 
freunbticpeS  ©eficf)t,  unb  bie  ®unft,  bie  bort,  feit  !fjaf)r= 
jefjnten  emfig  gepflegt,  jetH  unter  ber  tput  ©rbmannö» 
börfer’§  blüfjte,  forgte,  baff  ipnt  fjeimifc^ie  ßüfte  ent» 
gegenmepten.  ®ie  ÜDiufif,  bie  ber  ®ünftterin  SebenStuft 
mar,  brauchte  fie  and)  tünftig  nic^t  ju  entbehren,  and) 
f)ier  ging  batb  ipr  ganje§  SDafein  auf  in  ber  fdjönen 
S'unft,  unb  einen  fruchtbaren  ©oben  fap  fie  iprern  23ir» 
fen  gegönnt.  S)ie  fünftterifdfen  (Srunbfä|e  ipre§  hatten 
tpeilenb,  mie  er  nidft  nur  an  bie  lobten,  fonbern  and) 
an  bie  Sebenben  gtaubenb , unterftüfjte  fie,  at§  feine 
treue  ©enoffiit  unb  SDtitarbeiterin,  ipn  in  bem  berbieuft» 
botten  ©eftreben,  ber  gonfunft  ber  © e g e it  m a r t in§» 


befonbere  itt  SonberSljaufen  eine  fixere  Ipeim*  unb 
Sdjirmftätte  §u  grünben.  ®er  mufifliebenbe  gürft 
faurnte  niefit , bie  junge  grau  §ofcapetlmeifterin  and) 
als  Ipofpianiftin  in  ißflidjt  ju  neunten  unb  ihr  burdf 
häufige  .gofconcerte  unb  regelmäßige  winterliche  mufi* 
falifche  SonntagS=@oire'en  üielfältige  (Gelegenheit  jur 
Ausübung  ihrer  pianiftifdjen  ÜDleifterfdjaft  ju  geben. 
Unb  alles,  wag  fie  brachte,  mochte  es  211teS  ober  3Jio= 
berneS  fein , warb  gern  gehört ; feinerlei  SSorfchrift 
beengte  ihre  Sßaljl  bei  gufammenftellung  ißrer  ißro- 
gramme.  (Ganje  Slbenbe  fpielte  fie  nur  Söeethoben, 
nur  SSach  unb  §änbel,  nur  (Kljopin  jc.,  ebenfo  wie 
auch  rhr  (Gatte  in  feinen  renommirten  2ohconcert=ißro* 
grammen  niemals  beeinflußt  ober  befcfjränft  Würbe. 
SBaS  aber  würbe  in  biefeit  „Sohconcerten",  beren  ad* 
fommerlich  20  — 2.5  unb  jWar  meift  im  greien  unb 
ohne  (Kntree  ftattfanben,  nid^t  alles  ju  (Gehör  gebracht ! 
®aß  grau  (KrbmamtSbörfer,  tioll  burdj  unb  burch 
mufilalifchen  gntereffeS,  wie  fie  war  unb  ift,  nicht  nur 
allen  biefen,  fonbern  auch  fäntmtlidjen  ^ofconcerten 
unb  ©horanfführungett  mit  ihren  groben  ihre  leben5 
bige  X£)eilnahme  fchenfte  unb  ju  ihrem  eignen  (Genuß 
für  fid)  felbft  noch  alle  Sßerle  eingeßenb  mit  ipülfe 
ihres  Cannes  ftubirte,  führte  fie  jum  SSefits  einer 
Siteraturfenntniß , bie  unter  ihren  claüierfpielenben 
(Kolleginnen  wohl  ihres  (Gleichen  fudjt.  21ber  auch  auf 
bie  Weitere  (Sntwidlung  ihres  Spiels  gewannen  bie 
großen  mufterhaften  ord)eftralen21uffül)rungen  wefent-- 
licken  (Kinftuß.  Sie  jerglieberte  ficf»  alles  feiner,  ge5 
wiffenljafter , trachtete  nadj  anberen  (Sffecten  in  ber 
Sdjhttirung  unb  legte  jeher  ißhrafe  ein  beftimmteS 
gnftrument  unter,  fobaß  fie  fich  fdjließlich  jebeS  £on= 
ftüd  ordjeftral  buchte.  (Srfdnen  ein  neues  (KlaOiercon* 
cert,  fo  ftanb  ihr  fofort  bie  üortrefflidje  (Kapelle  jur 


69 


w % 

Verfügung,  um  e§  §u  probtren  uub  fennen  ju  lernen. 
Semgemafj  mürbe  aud)  ifjr  Repertoire  ein  äufjerft 
reicf)f)aftige§  unb  öieffeitigeä. 

Sie  atfjätjrticf)  mieberfeprenbe  grojje  September? 
feier  in  Sonderkäufen , bei  ber  man  augfdjfiefjficfj 
einen  Rteifter  auf  ba§  Programm  fe|te  unb  fo  im 
Sauf  ber  gafjre  Si§jt,  33eetf)oüen,  Sdjumann,  Rubin? 
ftein , Raff  ber  Reipe  nacb)  feierte , mie  §mifd)enburdj 
bie  SJiufiffefte  in  §affe,  Srfnrt,  Rrnftabt  nahmen  mit 
©apeffe  unb  ©apeffmeifter  aucf)  bie  ©apeffmeifterin 
toieffadj.in  Rnfprucf).  gfjren  jmeimafigen  Urlaub  im 
Safjre  aber  benutzte  grau  ©rbmannäbörfer  fleißig  ju 
©oncertreifen.  gu  bester  Seit  pflegte  fie  mit  befon? 
berer  Rortiebe  bie  Sbammermufif  unb  beranftaftete  mit 
Sonber§f)äufer  Kräften  Srio?<Soireen,  bie,  ifjren  fünft? 
ferifdfen  (Srunbfätjen  treu,  afterfei  Reue»  brachten  unb 
affentfjafben  febfiaftem  Sfuffang  begegneten,  häufig 
aud)  folgte  fie  mit  iprem  (Satten  ©infabmtgen  ju  ©on= 
certen , bei  beneit  er  fid)  birigirenb  betätigte.  Sa§ 
mar  bann  ftet§  ein  f)armonifdje§,  für  53eibe  „perrfidjeg 
gufamtnenmirfen.“  ,,gd)  münfdje",  fagt  fie  fefber, 
„jeder  ©offegin  einen  fofdjen  Dirigenten  jitm  ÜDtann." 

Safj  fie  aud)  ba§  gufammenfpief  auf  jmei  ©fabieren 
gern  mit  ifjm  pflegte,  fonnte  man  namentfid)  bei  ben 
Rfatineen,  bie  affmonatfid)  in  iprem  tpaufe  ftattfanben, 
erfahren.  So  berfdjieben  aud)  ifjrer  Leiber  Sdjufe 
mar  — er  mar  auf  beut  Seipjiger  ©onferbatorium  unb 
bei  Riet)  in  bie  Sepre  gegangen  — ben  öoffen  fünft? 
ferifc£»en  ©inffang  tief;  ipr  Rfiteinanber  nie  bermiffen. 

Sen  SSerfen  ifjre§  Siebfing§meifter§  Si§jt  mürbe  babei 
immer  eine  beborjugte  Steffe  eingeräumt.  ®am  ber 
SBeimarer  Rfeifter  bann  fefber  nad)  Sonber§f)aufen  — 
unb  jeber  Sommer  bradjte  fofcfje  „gofbne  Sage"  — fo 
nafpn  e r ben  ißfatj  am  gfügef  neben  feiner  epemafigen 


70 


w 


Schülerin  ein.  SItS  fotdje  bemäljrte  fie  fic£)  bann  mot)t 
ju  feiner  greube,  tnenn  fie  — mie  einft  in  einem  §of= 
concert  — bei  Vortrag  bon  <Saint=(3aenS’  Variationen 
über  ein  Veett)Oben’fdjeS  Sbjema  it)m  alte  Veränberum 
gen  unb  Slbmeidjungen , bie  er  tjinein  intforobifirte, 
getreutief)  nactjfpiette,  ober  ein  anbermat  im  ißrima* 
Vifta=2efeit  feiner  ^ejameron-Variationen,  oI)ne  jebe 
öorfjerige  Verftänbignng  halb  ben  erften,  batb  ben 
^weiten  ^ianopart  fpiette , fdjnett  erratt)enb  , baff  ber 
SJteifter  bie  größten  ©djmierigheiten  beS  if»r  unbe* 
bannten  SBerheS  in  feiner  gütigen  SBeife  ftetS  auf  fein 
£f;eil  nehmen  motte. 

SS  mar  ein  „mufihatifdj  ibeateS  öeben"  in  bent 
Keinen  ©onberSfyaufen  , eine  gtücttictje,  befriebigungS* 
reiefje  .Seit  für  baS  ®ünftterpaar,  an  beffen  SBirhen  fict) 
jene§  hnüpfte.  Stber  fie  enbete  nur  attjubatb.  Sine 
SrbmannSbörfer  feinbticb)  gefinnte  ffofpartei  öerteibete 
i f) m burcf)  bösmittige , berteumberifd)e  lyntriguen  bie 
tiebgemorbene  £f)ätigheit , unb  atS  ber  alte  gürft  bie 
^Regierung  niebertegte,  erbat  audt)  fein  ^ofcapetlmeifter 
feine  Snttaffung. 

2tm  4.  3uti  1880  führte  er  in  einem  großen  Sot)= 
concert  im  Stjeater , baS  SiSjt  mit  feiner  Stnmefentjeit 
beetjrte , ben  Sactftod:  jum  testen  SO^ate  — ein  pom» 
pöfer  Stbfdjtufj.  Saut  genug  betonte  fein  te|teS  ißro= 
gramm  noef)  einmal  fein  bünftterifdjeS  StaubenSbe» 
benntnifj.  ®ie  neubeutfdje  getane , bie  er  bis  batjin 
bräftig  gefdjmungeit , er  ffiett  fie  tjoef)  bis  jurn  testen 
Stugenblicf , fo  lange  er  feines  ÜtrnteS  mattete,  ©eine 
Sattin  fpiette  „itjr“  A-dur-Soncert.  2Sie  baSfetbe 
einft  itjr  Sntree  gemefen,  fo  mar  eS  nun  and)  if)r  9Ib= 
fd)ieb  in  @onberSt)aufen ! 

ittoef)  einmal,  am  nädjften  Xage  bei  einer  Sftatinee 


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71 


w 


in  ihrem  §aufe  unb  einer  SIffemblee  Bei  ber  ißrinjeff, 
mürben  SJleifter  unb  ©djülerin  mitfammeu  gehört  — 
bann  mar  alles  öorbei ! 2iSjt  !ant  nid)t  mieber  nad) 
(SonberSbaufen , unb  ba§  Sünftlerpaar,  baS  ibn  oft 
als  (Saft  gefdfen , Bract)  feine  gelte  bort  ab  für 
immer. 

!ynt  SBinter  1880 — 81  fpielte  ißauline  SrbmannS* 
börfer  tfier  unb  bort  auf  beutfdfem  Soben,  üerBanb 
fidf  mit  Sölaj  ©tägemann  ju  einer  Tournee  burcb  Oft* 
preuffen  unb  trat  nach  fieBenfätjriger  ißaufe  mit  einem 
felbftänbigen  ßoncert  mieber  üor  baS  ißublifum  ihrer 
Saterftabt.  23ie  ebebern,  fo  f)utbigte  man  ber  Beliebten 
SanbSmännin  toon  neuem;  bie  alten  @gmfiatl)ien 
maren  il)r  treu  geblieben.  21ucb  bie  ihren  Ratten  fic^ 
um  nichts  oerminbert.  SBof)l  brofjte  bie  alte  $eimat, 
fie  in  ben  Sann  ju  nehmen  unb  mieberum  ganj  an 
fiel)  jit  feffeln ; bodE)  Seipjig  ermieS  fic£>  als  geeigneterer 
SRittelpunft  für  fernere  Engagements;  als  Zünftler 
füllten  fiel)  5Dta£  unb  ißauline  ©rbmannSbörfer  eben 
boef)  mehr  nadf  ®eutfcl)lanb  gehörig.  @o  fiebelten  fie, 
bie  ^ßiortiere  ber  neuen  ÜDtufif , fid)  benn  in  ber  alten 
iDtufilftabt  an,  unb  am  22.  $tai  1881  ftellte  5rau 
ißauline  fic^  in  einem  großen  Drd)efter=93enefij*©on* 
cert  im  SOfeater  ben  Seidigem  als  Seipjigerin  oor. 
9tur  ab  unb  ju  t»atte  fie  fidf,  feit  ihrem  erften  ®ebüt 
im  (Semanbl)aus,  in  ber  „Suterpe"  gezeigt ; nun  gab  fie 
mit  bem  A-dur-©oncert  SiSjt’S  if)re  ißarole  aus.  ®er 
©rfolg , ben  fie  feierte , entfprad)  ihrem  tarnen  unb 
9tul)m.  ©aff  man  in  ii)r  eine  ber  erften  ÜDieifterinnen 
ilfreS  SnftrumenteS  §u  bemunberit  Ijat , baS  bat  nun 
aucl)  baS  Sorum  ber  Seidiger  fOlufilOerftäubigen  ooll* 
ftimmig  beftätigt.  ©ine  in  allen  ©tilgattungen  be* 
mäbrte  2ed)nif,  ein  Sortrag,  ber  mtS  halb  burdf  Srit* 
lanj,  halb  burdf  Seibenfdjaft,  halb  burdf  21nmutl)  unb 


72 


(Sefül)tSinnigfeit  gewinnt,  habet  eine  utäunlidfe  ®lar= 
tjeit  unb  ©dfärfe  her  fßbrafirung  unb  9tf)t)tl)mifirung, 
etwas  ©tarfgeiftigeS  mit  einem  SBorte  fennjeidinen 
iljre  lünftterifdfe  2trt.  Unitierfell  wie  it)r  ©piet  unb 
iljre  gan^e  fünftterifdfe  Silbung  ift  i^r  ^Repertoire,  baS 
alte  bebeutcnberen  (Soncerte  tion  93atf»  bis  auf  bie  (Se= 
genWart,  nidft  minber  alle  einfdftägigen  Sßerfe  ber 
Üammermufif=£iteratur  umfaßt.  SJiag  immerhin  baS 
©d)Wergewid)t  ilfrer  ÜReigung  auf  ©eiten  bet  mobernen 
äRufif  liegen,  mag  eS  fie  brängen,  „ben  fortfdjteitenben 
(Seift  ber  3eit  bei  ben  glügetn  ju  greifen  unb  feft  ju 
hatten“,  fie  wirb  bem  potpphonen  (Sewebe  Sadf’s  ftets 
nic^t  minber  als  ber  gtänjenben  $actur  SiSjt’S  geregt 
werben  — bem  Saifer  Wirb  fie  immerbar  geben,  WaS 
beS  ®aiferS  ift.  Sei  adern  ©dfwunge,  alter  Segeifte» 
rung  ift  ihrem  ©piel  ein  reftectitier  3ug  eigen,  unb 
ein  SBiener  ©ritifer  fpradj  untängft  aus,  bafj  bei  il)r 
tion  ÜRaitietät  leine  Siebe  fei.  UnS  heutigen  freilich  ift 
bie  alte  SEugenb  ctaffifdfer  Sorjeit  gemeinhin  abfianben 
gefommen,  unb  wenn  Siidjarb  SBagner  fagt,  baf?  „baS 
Hunftwerf  ber  t)öd)ften  SilbungSepodie  ni<f»t  anberS 
als  im  SeWufftfein  probucirt  werben  fönne",  fo  gilt 
bieS  itidjt  minber  tion  bem  freijufdjaffenben  als  tion 
bem  nadfjufdfaffenben  Sunftwerf.  ißautine  $id)tner 
ift  eine  tiottbewufft  ftfjöfofenbe  unb  fpenbenbe  ÜRatur. 
SRit  einer  ®ntfd)loffent)eit  unb  Energie,  tion  ber  itjre 
weibticf»  jarte  @rfd)einung  nichts  algten  läfft,  get)t  fie 
if)ren  Rieten  ttad).  Stiles  in  Slllent  ift  fie  eine  ®ünft= 
lerin,  bie  allenthalben,  wo  fie  and)  wirft,  als  ein  (Se= 
winn  für  baS  ®unftleben  ju  betrauten  ift.  @ie  wäre 
eS  and)  für  Seipjig  geworben  — ihre  erftwinterlic^e 
X^ätigfeit  bafelbft  bezeugte  eS  — fjätte  fie  t)ier  eine 
bleibenbe  (Stätte  gefunben.  9tun  aber  hat  bie  rnt)m= 
tiode  Serufung  iljreS  (Satten  an  Siicotai  Stubinftein’S 


Ä 


73 


©teile,  ctt§  Setter  ber  (ütoncerte  ber  ÜDtufitgefeßftfiaft 
unb  ißrofeffor  be§  (£onferüatorium§  in  3Ro§!au,  fie 
Xeiber  nidjt  nur  bern  atten  SJtufifcentrunt , fonbent 
SDeutfdftanb  überhaupt  entführt»  $Diötf)te  fie  un§  nirfjt 
baiternb  fern  bleiben ! 


w 


S war  in  ben  lebten  SDlaitagen  beS  SalfreS 
1870,  beS  bunbertfcprigen  ®eburtSjal)reS 
unfereS  größten  beutfpen  DongeniuS,  als 
SBeintar,  bie  alte  ÜDtufenftabt,  ben  artberen 
Stabten  unfereS  SBaterlanbeS  npmreip  ooranging  mit 
ber  Sei«  feines  SSeetlfooenfefteS.  2$om  „Slllgemeinen 
beutfpen  iDatfitüerein"  Deranftaltet , Dort  SiSjt , beffen 
SSorfiijenben,  organifirt,  burfte  fip  baSfelbe  ber  S0lit= 
Wirlung  einer  fettenen  Gclite  Don  Zünftlern : Wie  SiSjt, 
häufig,  Saiut=SaenS,  Saffen,  3)cart)  ftrebS,  .'pettme§= 
berger,  Daoib,  @ömbel,  ©rüijmaper,  ißautineSöiarbot» 
®arcia,  211ot)fe  ®rebS=£Dlipalefi,  (Seorg  §enfpel,  Don 
SJtilbe,  rühmen.  Den  Seftgäften,  bie  in  SiSjt’S  enge» 
rem  Greife  üerfetjrten , fiel  unter  feinen  Spulerinnen 
ein  äufjerft  jartgebauteS  brünettes  ÜDläbpen  auf, 
beffen  DöCtig  finblipeS  SluSfelfen  fein  fiebjeffnicprigeS 
weiter  Sügen  ftrafte.  233of»b  deiner  t)ätte  ifjtn  mef)r  als 
breijefjn  3al)re  juerlannt.  ®leipWof)l  üerriepen  bie 
bunfetn , ernft  £>Iicfenben  Singen  ein  ert)öf)teS  (SeifteS* 
leben , unb  wer  bei  groben  unb  Sluffüfjrungen  ben 
Gsinbrud  ber  SJlufif  auf  baS  oermeintlipe  ®inb  beob* 
aptete,  fonnte  watfrnet)men,  mit  Welp’  lebenbigem  in- 
neren  Slnpeil  baSfelbe  ben  oerfpiebenen  lünftlerifpen 
Darbietungen  folgte.  Daff  ber  SÄeifter  Don  if»r,  ber 
kleinen  — Saura  ®alfrer  nannte  fie  fip  — 
©roffeS  erwartete , baff  er  i|r , beren  erfte  Spritte  in 

fc-  M 


77 


bie  Öffentlidjfeit  er  fdfon  feines  SntereffeS  vuertt)  ge= 
galten  Ifatte,  befonbere  Xtfeitnalfme  jumenbe,  baS 
fatjert  itnb  mufften  mir  alle.  §at  fie  mitttermeite  feine 
(Srmartungen  erfüllt  ? 353er  mar  fie,  unb  maS  ift  auS 
if)r  gemorben? 

®aS  mufifatifdfe  Öfterreicf)  ift  Sanra  Üfalfrer’S 
fjeimatfanb.  Sn  fötiftefbad) , einem  Meinen  S0larft= 
ffecfen  bei  353ien,  mürbe  fie  am  14.  Januar  1853  ilfren 
Gütern  gefcfienft.  ®er  SSater,  ein  fmfferer  Seamter 
bafetbft,  bemerfte,  fetber  fef>r  mufifafifcf),  bie  Suft  unb 
Anlage  feiner  ®ocf)ter  jur  SJtufif  unb  fieff  iffr , nadf* 
bent  fie  baS  jettnte  Salfr  erreicht,  Güabier*  unb  ®ene= 
rafbaffunterridjt  ertfjeifen.  -Jiidjt  entfernt  jebocf»  fam 
eS  ifjtn  in  ben  Sinn , eine  Güabierfpieferin  bon  ffradj 
aus  ilfr  ju  machen.  „Sebigfid)  jum  SSergnügen",  er= 
jälfft  bie  ^ünftterin  fetber,  „faßte  icf)  etmaS  Güabier* 
fpiefen  lernen  unb  im  Übrigen  mirtfjfdfaftfid)  tüdftig 
erlogen  merben , mie  eS  überhaupt  in  Öfterreicf)  mefjr 
atS  anberSmo  gebräud)fid)  ift.“ 

(Sin  $af)r  tuug  b»atte  bie  Untermeifung  bei  Sofef 
unb  Submig  ($fpann  gemäfjrt  — SSeibe  Sdfuffefjrer 
am  Ort  unb  tüdßige  SOfufifer , inSbefonbere  erfterer, 
ber  atS  örganift  33orpgfid)eS  teiftete  — ba  erltärten 
biefe  ben  Gütern,  baff  fie  ifjrer  @d)üfertn  nichts  mefjr 
ju  teuren  bermödßen.  bereits  fpiefte  fie  aßeS,  maS 
man  iffr  borfegte , prima  vista  unb  improbifirte  auf 
SSertangen  über  jebeS  beliebige  ®f)ema.  ÜDtit  lauter, 
nid)t  rnefjr  ju  überfjörenber  Stimme  gab  fidf  ber  an= 
geborene  33eruf  pr-Suuft  in  bem  tafentboßen  ®inbe 
funb.  ®effen  StuSbitbung  ot)ne  SBeitereS  p betreiben, 
maren  bie  Gütern,  ob  aud)  mofjffituirt , gfeidjmofß 
nic^t  bermögenb  genug  ; erforberte  biefefbe  bod)  um  fo 
größere  Opfer,  als  fie  in  feiner  (Mrofiftabt,  feinem 
SDtittefpunft  ber  ®unftpffege  lebten,  ber  bie  geeigneten 


Sehrmittet  uitö  Stnftatten  barbot.  Um  Statt)  unb  Ur» 
ttjeit  oon  Slutoritäten  einjuhoten , reiften  fie  bemnadj 
mit  ber  elfjährigen  Saura  nach  SSien.  Sort  marb  fie 
bem  §ofcapettmeifter  9tanbt)artinger  borgeftettt,  ber 
fich  unter  Stnberem  ihre  unter  Seitung  Sofef  ©fpann’d 
gefertigten  ©omfwfitionen  öorffneten  tief).  ©icfittidf) 
Don  it)ren  Smprobifationen  namentlich  iiberrafcEjt,  ber» 
antafjte  er,  baff  bie  Meine  Sünftterin  nach  ©cfwnbrumt 
befohlen  mürbe,  mofelbft  fie  berSaiferin  ©tifabett)  bon 
öfterreich  im  Söeifein  bed  gefammten  §ofed  ihre  jwötf 
©omfwfitionen  unb  eine  freie  ißhantafie  über  bie  öfter» 
reid)ifd)e  23otfdt)hnine  bortragen  burfte.  Samit  war 
ihr  ©tüd  gemacht ; fpiette  fie  ficf)  bod)  mit  ihrem  brei» 
ftünbigen  ©oncert  oöttig  in  bie  ©unft  ber  hohen  fai» 
fertidjen  grau  ein.  SSon  ihr  getiebfoft  unb  mit  .ßuder» 
wer!  befdjenft,  bon  ber  ©rjljerjogin  ©ifeta  fetbft  am 
2Irm  in  beren  ©fnetjimmer  geführt,  um  fich  bort  ader» 
tjanb  fperrlidjleiten  audjufuchen,  Wie  fie  badSinbedljerj 
erfreuten , fah  fie  ihrem  unb  ihrer  iOtutter  ©tüd  über 
bie  wiberfat)rene  ©fjre  bei  ber  Heimfahrt  nod)  burd) 
bie  Eröffnung  bed  ^wfcapettmeifterd  bie  Srone  aufge» 
fe|t,  baff  ©rgherjogin  ©ifeta  eine  ©ompofition,  Welche 
ihr  befonberd  gefiel,  jur  SBibmung  angenommen 
habe*),  3hre  SRajeftät  fetbft  aber  bie  Soften  ber  Wei» 
teren  Studbitbung  ihred  mufttalifchen  ©chüjdingd  tragen 
wolle.  Sie  nötfiige  ißrobe  bor  ber  ißrüfungdcommif» 
fion  bed  ÜBiener  ©onferbatoriuntd  Warb  atdbatb  abge» 
legt.  @ie  hatte  bie  fofortige  Aufnahme  Saura’d  in  bie 
Studbitbungdctaffe  bedißrofeffor  ^ofef  $ad)d,  wie  ihre 
ÜberWeifung  an  fpofcapeümeifter  Seffoff  für  ©om^o» 
fition  unb  ©ontrapunft  jur  gotge. 


*)  toar  eine  ^tyantafie,  bie  bei  ^ctsünger  in  2öien  erfcfyien. 


®rei,  ftrengent  ©tubium  gemeinte  Scttjre  tiergingen. 
©>ie  mürben  ber  fleißigen  @djüterin  mit  bem  erften 
5ßrei§  im  ©tatiierfpiet  nnb  in  ber  ©ompofition  getonnt. 
§atte  fie  in  ben  @Pnferöatoriuntg=(£oncerten  jcEjon  bes 
öfteren  mitgewirft , fo  ftettte  fie  fidj  gelegentlich  eine» 
int  f.  !.  |>ofoperntf)eater  tieranftatteten  28of)ttf)ätig= 
feitgconcertg  im  2lprit  1869  and)  einem  größeren  ißubtü 
tum  tior  nnb  erfpiette  fidj  mit  Stenbetgfoljn’g  G-moll- 
ßPncert  unter  ißrocf)’§  Seitung  einen  raufdjenben 
Srfotg.  SGSic^tiger  atg  bie  taute  Sluggeidjnung  ber 
Stenge  aber  mar  if)r  ber  Seifall  grang  Siggt’g,  ben  fie 
fidj  mit  ifjrer  Seiftung  gemann.  2>er  grofje  Steiftet*, 
ber  fidj  gufältig  unter  ben  Slnmefenben  befanb , fanbte 
ber  jungen  Debütantin  barnadj  eine  fitberne  gebet* 
gum  ©ontponiren,  im  ©eteit  ber  SBorte : 

„Siebe  erftauntidje  Sünftterin ! 

(Empfangen  ©ie  bieg  Meine  @rinnerung§geid)en  an 
bie  ©tunbe,  mo  mid)  Sfm  aufjerorbenttidjeg  latent  fo 
freubig  überrafdjte,  unb  feien  Sie  ber  aufrichtigen 
SSot)tgemogenf)eit  tierfidjert , mit  metdjer  Stjnen  uer= 
bleibt 

15.  ütprit  1869.  SJBien.  g.  Siggt." 

Den  ©rebitbrief  für  bie  Äunfttoett , ber  iljr  bamit 
tion  ber  bjöcfjften  Snftang  im  ©tatiierfpiet  auggefteltt 
mar , fäumte  bie  jugenbtidje  Sirtuofin  nicht , atgbatb 
eingutöfen.  2tu§  bem  ©onfertiatorium  trat  fie  jejjt 
au§,  fidj  in  ©emeinfdjaft  itjrer  (Sttern  itnb  if»rer 
jüngeren  ©djmefter  gu  größeren  SPncertreifen  rüftenb. 
Sn  SBiett  fetbft  uod)  gab  fie  in  ben  erften  ganuartageit 
1870  unter  Stitmirfung  ißopper’g  ein  erfteg  fetbftän= 
bigeg  ©oncert.  Sfm  ttäd)fte§  $ict  mar  ißrag,  mo  bag 
©djidjat  fie  gum  erften  State  mit  itjrem  SJiener  Sanbg» 

ikf 


mann  uttb  fpäteren  hatten,  ©buarb  Ütappofbi,  jufant» 
ntenfüljrte,  mit  bem  oereittt  man  fie  am  10.  lyanuar 
fjörte.  ®a§  eine  ©oncert,  ba8  fie  ju  geben  beabfidp 
tigte,  tierfünffadjte  ficf) ; bie  ißrager  würben  nicfjt 
mübe,  fie  ju  bewunbern.  ,,©ie  fomrnt,  fie  fpieft,  fie 
fiegt"  — fo  feiert  Dr.  21.  SB.  2lmbro8 , ber  belannte 
SJinfifgele^rte , fie  in  ber  „S3of)emia“*),  „unb  af8  ba8 
erfte  ©oncert  ju  ©nbe  ift,  jiefjen  bie  ißrager  mufifafi» 
fd)en  Patres  conscripti  in  ißroceffion  gegen  ba§  Sitnft» 
ferjimmer  unb  geben  ber  iftotiije  itjren  ©egen.  Saitra 
Saurer  ift  fein  mufifafifcfjed  SBnnberfinb,  Wofjf  aber 
ein  finblidjed  SBunber  tion  einer  ÜDtufiferin.  ©ie  plan* 
bert  fo  lieb  unb  tiertraut  mit  bem  gewaltigen  (Seifte 
23eetf)Otien’8,  mit  bem  geniaf  = pfjantaftifdjen  '©dju* 
mann,  bem  ©cfjwärmer  ©fwpin,  af8  Ratten  biefe  (Senien 
einft  an  iljrer  SBiege  geftanben.  SBa8  wafyrfjaft  über» 
raffen  mu| , ift  ba8  tiefe , wafjre , niefit  etwa  einge» 
lernte  SBerftänbnifj , womit  bie  junge  Sünftferin  bie 
tierfdjiebenften  Slufgaben  ju  löfen  weife.  ®enn  überall 
Wef)t  jener  (Seift,  ber  febenbig  macfjt,  ber,  wo  ifjn 
nic^t  (Sott  gegeben , burd)  fein  ©cafenfpiefen  unb  fein 
©tübenfdjarwerfen  fferbeisujaubern  ober  $u  erfefwn 
ift.  ©8  finb  bie  2Iit§erwä£jften  unter  ben  Zünftlern, 
benen  biefer  (Seift  in  fo  reidjem  SJiafee  jit  SOjeif  wirb. 
Unb  man  barf  oijne  Weitered  fagen : grüulein  Safjrer 
ift  auf  ifjrem  (Sebiete  eines  ber  jum  2UIerf)öcf)ften  be» 
fä^igten  unb  berufenen  Talente.  ©8  wirb  wof)f  nidjt 
fange  bauern,  fo  wirb  man  ÜÖJart)  Srebs,  Sofie  äßen» 
ter  unb  Saura  Sa f) rer  af8  gfänjenbeS  SDreigeftirn  gern 
mit  einanber  nennen.  3ft  je|t  uuwiberftefjfid)  be» 
jaubernb,  biefeS  anmuff)ige  Sinb  mit  liebfidjem  ©rnft 


*)  22.  3anuar  1870. 


fia  üftara,  Stubicnföpfc.  Y.  81 


mtb  fo  anf:prud)3tog,  at§  öerftefje  fi(^  atte§  üon  fetbft, 
am  ißiano  at§  oerftänbnifmotte  Snterpretin  93eetJ)o= 
öen’§  unb  @d)umann’§  gu  erbtiden , fo  mirb  bei  fort» 
gefegtem  ©tubinnt  in  brei  bi§  bier  ^atjren  nodj 
jene  Steife  unb  tßottenbung  bagu  fommen,  burdj 
metdje  ber  Sünfttcrin  bann  ber  t)öd)fte,  reidjfte  ®rang 
ficEjer  ift." 

®er  geteerte  gorfdjer  ermie§  fidj  at§  ftuger  ©elfer, 
unb  „ber  (Sotte§funfe  mirftidjen  (Senie§",  ben  er,  mie 
oor  ifjm  Si§gt  unb  2Inbere , in  ber  jungen  fßianiftin 
erfnnnt,  ftraljtte  batb  in  immer  fetterem  (Stange. 
Seipgig,  S)re§ben,  Söerlin,  Stettin  freuten  fidf  an  fei» 
nem  erften  Seud)ten.  Sn  9teu » ©tretijs  tub  fie  ber 
medtenburgifdie  $of  eine  SSodje  lang  gu  (Safte.  £äg» 
tief)  muffte  fie  fidj.  batb  beim  (Srofjtjcrgog , batb  bei  ber 
(Srofjljergogin  , batb  bei  ber  Epergogin  ©arotine  tjören 
taffen,  unb  bei  ber  Stbreife  trug  fie  einen  gangen  Stibe» 
tungentjort  gotbenen  (Sefdjmeibe§  gur  ©rinnerung  mit 
fidj  tjinweg.  2>ie  (Srofjljergogin  tief?  burdj  eine  iljrer 
^ofbamen  aud)  Saura’g  Söitbnifj  maten , unb  beim 
9tbjd)ieb3concert  im  |>oftt)eater  gab  fie  eugeitfjänbig 
ba§  ©ignat  gu  einem  Stumenregen,  ber  bie  Gefeierte 
überfdjüttete. 

©o  täfelte  bad  (Sttid  fd)on  2aura’3  erften  SBegen. 
®od)  mar  fie  ftug  genug,  itjm  nid^t  btinbtingg  ttacfjgu» 
jagen  unb  fidj  borgeitig  mit  Eoncertiren  gu  übermüben. 
(Sin  längerer  Slufenftjatt  in  SBeimar  feiste  im  2tpril 
be§fetben  Saf)re§  iljrem  SSeiterftuge  bortäufig  (Sren» 
gen , ob  er  and)  feine§meg§  Stufje , fonbern  bietmetm 
erneute  ülrbeit  für  fie  bebeutete.  Unter  2i3gt’§  unber» 
gteicfjtidier  $üf)rung  mar  fie  — mir  begegneten  iljr  be= 
reit§  in  SBeimar  — mehrere  ÜKonate  lang  mit  unge» 
teurem  Steife  an  iljrer  fünftterifdjenSSerboltfommnung 
tljätig. 


W • ” 

■ 

@o  lange  ber  ÜDteifter  in  SBeimar  berweifte,  gettoft 
fte  ben  SSorjug  feiner  Unterweifung.  2HS  er  bann 
aber  „!3tm=2fthen"  wieberum  ben  Stüden  fefjrte , ben 
korben  mit  bem  ©üben  bertaufcfjenb , nahm  aud)  fie 
int  herein  mit  ihrer  gamitie  lieber  ifjr  unterbrochenes 
Sßanberfeben  auf.  Saftete  bod)  auf  ihren  zarten 
Schultern  fcEjon  bie  ©arge  für  bie  (Sjiftenj  ber 
gen.  SDer  beutfdj'franzöfifche  Srieg,  ber  fünftterifcfjen 
Unternehmungen  nicht  günftig  tnar,  trieb  fie  in  bie 
gerne.  Sie  festen  Stufitanb  auf  itjr  Programm,  eine 
lange,  toeite,  erlebnisreiche  Steife.  SJtehr  benn  zwei 
Satfre  waren  fie  unterwegs,  ©ie  befugten  SBarfchau, 
Petersburg,  SDtoSfau,  ®iew,  Dbeffa,  bereiften  33efs= 
arabien  ttnb  bie  Srim.  SSom  Stfow’fdien  ÜOteer  bis 
hinauf  nach  ginntanb,  @ftf)fanb,  Surtanb,  Siebfanb  tc. 
liehen  fie  feine  ber  gröberen  unb  Heineren  ©täbte  un= 
berührt.  Sn  ®tew  fahen  fie  fidj  Wiber  ihre  Slbfidjt 
auf  berhängnifsboße  SBeife  gefeffett.  ®ort,  wo  eben 
baS  fchwar?\e  QJefpenft  ber  Stjotera  umging,  würbe 
Saura  mit  ÜDtutter  unb  ©djwefter  bon  ber  ntörberifchen 
Sranflfeit  befaßen.  ®ie  SJtutter  fiel  ihr  pr  SSeute 
unb  fanb  it)r  ®rab  in  frember  ®rbe,  inbefs  bie  Su- 
genbfraft  ihrer  ®inber  gtücEticf)  bie  auch  ihnett  brohenbe 
Gefahr  befiegte. 

@ine  längere  Paufe  gönnten  fidj  bie  Steifenben  nur 
in  ©t.  Petersburg.  ®urd)  ben  medfenburgifchen  £>of 
an  bie  ©ro^fürftin  Katharina  empfohlen , fpiefte  bie 
Mrtftterin  berfdjiebene  SJtate  am  faifertichen  §of,  bon 
ber  bamalS  noch  untiermähtten  Xod)ter2ffejauber’SlI., 
ber  felsigen  ^erjogin  bon  ©binburg , burch  befonbere 
fputbbeweife  ausgezeichnet.  2fud)  bie  23efanntfd)aft 
2lbotf  §enfeft’S,  Stubinftein’S,  S)abiboff’S,  Senj’,  u.  21. 
War  ein  (Gewinn  beS  Petersburger  2fufenthaftS. 

®ie  ßahl  ber  bon  Saura  Wahrer  auf  ruffifchem 

k 


83 


6* 


w 


23oben  gegebenen  ©oncerte  beläuft  ficf)  auf  rneljr 
. benn  gmeifjunbert ; eine  um  fo  beträchtlichere  Stjätig- 
feit,  afS  if)r  nur  in  Petersburg  unb  ÜDfoSfan  (in  ben 
SJhtfifoereinSconcerten)  bie  SDiitmirfung  eines  £)r* 
djefterS  §u  (Snte  fam,  mäljrenb  fie  an  ben  übrigen 
• £>rten  — ba  ficf)  in  9lufsfanb  geeignete  Prüfte  gur  33e= 
tfjeitigung  fdjtoer  auftreiben  laffen  — fidf  faft  aus» 
fdjfiefüct)  auf  fic^  fefber  angetttiefen  faf)  unb  baS  Pro* 
gramm  meift  gang  aus  eigenen  Kräften  beftreiten 
muffte.  ®abei  machte  fie  if)re  Sunft  oieffadj  mofjf* 
tfjätigen  gtoecfen  bienftbar.  Sn  feiner  UnioerfitätS* 
ftabt  g.  S3.  üerfaumte  fie,  für  bie  armen  ©tubenten  gu 
fpiefen.  3)er  (SntfjufiaSmuS,  ben  fie  baburcf)  erregte, 
fam  if>r  jebocf)  ttjeuer  gu  fielen.  StfS  fie  in  SDorpat 
im  ©ebrange  ben  SBagen  beftieg,  fielen  ifjre  fdjönen 
fdjtoargen  f5iec£)ten  einer  räuberifdjen  tpanb  gnm  Opfer. 
(Sebicfjte  in  ben  XageSbfättern  fpieften  auf  ben  feit* 
famen  Siebftafjf  an.  2Ber  aber  ber  gogfabfdjneiber 
aus  SBegeiftenmg  gemefen,  baS  nutzte  unb  oerrietf) 
deiner. 

Söalb  nac(j  ifjrer  £>eintfef)r  nacf»  Seutfdjfanb  (1873 
foßte  bie  junge  ®ünftlerin  and)  ben  SSerluft  if)reS 
SSaterS  beffagen.  2)oc£)  fdjon  im  barauffotgenben 
Safjre,  nadjbem  fie  im  Sommer  nodj  bei  Dr.  §anS 
üon  23üfott)  in  ©afgungen  unb  Siebenftein  bie  festen 
58eetf)oüen’fd)en  Sonaten  ftubirt,  oertraute  fie  if)r 
Seben  ber  güfjrung  eines  Sfnberen  an  unb  reidjte  im 
September  1874  (Sbuarb  fftappolbi , bem  aitSgegeid)* 
neten  (Zeigen fünftler  unb  Profeffor  beS  Rotieren  93io* 
linfpiels  an  ber  berliner  tpodjfcfjufe  für  üühifif,  beffen 
33efanntfdjaft  fie  in  Soadiim’S  £>aufe  erneuert  fjatte, 
itjre  |>anb. 

2)aS  S)uo,  baS  ficf»  in  ifjnen  gufammenfanb , liefe 
an  Harmonie  nichts  gu  loünfdjen  übrig.  SJian  feöre 

& M 


84 


^ 

nur  bag  ®ünftterpaar  in  feinen  tiereinten  ßeiftungeit, 
bie,  atg  entfprängen  fie  einer  ütßufiffeete,  bie  einfeit» 
tidjfte  ©efüftgmeife,  bie  gleite  ©ebiegentjeit  betun» 
ben ! ©g  giebt  Vertreter  feineg  lynftrumenteg,  bie  f)in» 
reifjenber,  eteltrifirenber  atg  9tappotbi  mirfen.  ÜUiefjr 
t)of)e  Sntettigenj  unb  rufyige  SIbgeftärtfjeit  atg  ©lut 
unb  ßeibenfd)aft  ber  ©mpfinbung  ffjricEjt  aug  feinem 
(Spiet,  unb  feine  eminente,  an  Soac^im’S  SSorbilb  ge» 
reifte  £ed)nif  tierteitet  it)n  nid£)t  jur  teifeften  ©onceffion 
an  ben  ©ffect,  nidjt  jur  geringften  ©igenmädjtigfeit 
ober  Stiluntreue  gegenüber  bem  barjuftettenben^nnft» 
merf.  @g  ift  bag  ebet  Stittiotte  feiner  Steprobuctionen, 
mag  mir  jutiörberft  an  it»m  fcfjäjjen.  ®iefer  feiner 
fünftterifdjen  2Irt  ift  bie  feiner  ©attin  tiermanbt.  2tud) 
it)r  gef)en  §erj  nnb  ißtjantafie  nicfjt  burcf)  mit  bem 
fortmäfrenb  madjen  ÜDiufiftierftanb , ein  ftarfer  SBitte 
jügett  unb  regiert  itjr  bebeutenbeg  können.  So 
fdfmiegt  fid)  itjre  9tatur  fjarmonifd)  ber  beg  ®at» 
ien  an. 

3f)re  |>aupttt)ätigteit  befdjräntte  bie  junge  j$rau 
feit  ifrer  23ermäf)tung  tebigtid)  auf  bag  ©tatiier. 
Sfjren  ißftidjten  atg  §au§frau  unb  SDiutter  t)ingegeben 
— fie  fdjenfte  ifyrem  ©emaljt  jmei  Sötjne  unb  jmei 
Xöcfjter  — gab  fie  fottmt)!  bag  früher  mit  ©ifer  betrie» 
bene  eigene  Schaffen  (fie  fdjrieb  mefrere  ©tatiierfonaten 
unb  tjauptfädjtid)  jaftreid) e jjmgen , beren  einige  in 
SBien  preiggetrönt  mürben),  atg  aud)  311m  größten 
£t)eit  bag  Unterridjterttjeiten  auf.  3>m  -6  erb  ft  1877, 
atg  Stappotbi,  tro|  alter  93emüt)ungen  iptt  an  Sertiit 
ju  feffetn,  auf  befonberen  SBunfd)  beg  mufittiebenben 
®önigg  tion  Sadjfen  einer  efjrentiotten  ^Berufung  atg 
„erfter  ^ofconcertmeifter"  nacf)  ®regben  folgte,  fiebette 
fie  mit  ifjnt  bat)in  über.  Sdjnett  genug  mactjte  fid) 
ipr  reidjeg  Sttufiftatent  bie  ($unft  ber  35regbner,  benen 


k 


A 


85 


fie  fidj  §unäcf)ft  in  ben  üon  Sftap^otbi  unb  (Srütjmacfier 
üeranftalteten  Xriofoireen,  wie  fpäter  in  ifjrett  eigenen 
Koncerten  üorfüljrte,  ju  eigen.  2Bie  fefjr  aud)  ©önig 
Sllbert  if)re  ü n ft£ er f d} a f t ju  fc£)ätjen  tonnte,  gab  er  itjr 
im  SJiai  1879  burd)  iljre  Ernennung  jur  föniglid) 
fädjfifdjen  ©ammerüirtuofin  funb. 

@o  glid^  audj  wäljrenb  ber  dtunbjüge,  bie  fie  nun 
gemeinfam  mit  itjrem  ®emaf)t  nad)  ©openljagen,  2Bar= 
fdfau,  Sßien,  SKündjen,  Snglanb  (1878,  79  unb  81), 
an  bie  £öfe  oon  grebengburg  _ ggeimar,  Sdtedlenburg, 
Sarlgrutje,  Berlin  u.  f.  m.  unternahm,  jebe  ifjrer 
lünftlerifdjen  ßeiftungen  einem  Xriumplje.  2Bo  fie 
aud)  erfdjeint,  ber  Krfolg  !ann  ifjr  nic^t  fetjlett.  £ed)- 
nif,  Sonbilbung,  SSortrag , adeg,  wag  eben  ben  S5ir= 
tnofen  madit,  ftempelt  bie  Meine  grau  jur  SOJeifterin . 
®ie  ^>Iaftif(f»e  güde  iljreg  „(Slodentong",  bie  rl)t)tf)= 
mifdje  Sdjärfe,  bie  überjeugenbe  ©larlfeit,  Energie 
unb  2lu§bauer,  ba§  üortjerrfdjenb  SBideng*  unb 
©eifteifräftige  iljreg  Spietg  ift  bie  ©ritit  ju  greifen 
nid)t  mübe  geworben.  dtidft  allein  bie  Stimme  ber 
ißreffe  unb  beg  ißublifuntg , aud)  bag  gewichtigere  Ur= 
t£)eil  ffrranj  ßigjt’g , Slbolf  fpenfelt’g  unb  £>ang  üon 
SSülow’g  weift  it)r  benn  aud)  eine  Stelle  in  erfter  9teil)e 
ber  gegenwärtigen  ^ßianiftinnen  an.  Sl)üe  „ftauneng* 
wertlje,  auf  bag  grünblidffte  auggebilbete  £ed)nit, 
üerbunben  mit  iljrer  mufitwiffenfdjaftlid)  entwidelten 
Sntedigenj  befähigt  fie",  nad)  §ang  oon  33ülow’g 
geugnif?,  „wie  leine  ibjrer  Kolleginnen  ber  (Gegenwart 
jur  Söfung  ber  fdjwierigften  unb  ebelfteu  Slufgaben 
üorjuggweife  ber  claffifdjen  Xonfitnft“,  wie  benn  ber* 
felbe  iöleifter  fie  belobte , baff  iljr  unter  ben  heutigen 
ißianiften  beg  ftarfen  wie  beg  frönen  ©efd)led)tg 
©einer  33eetf)0üen’g  Op.  106  nacfjfpiele. 

diod)  ift  bie  junge  ©ünftlerin , bereit  frilf»geitige 


w 


Vermählung  au§gebef)nteren  Reifen  fürerft  ein  3«l 
feiste,  nidft  ju  einer  ihrer  Vebeutung  angemeffenen 
Verbreitung  if)re§  9iuf3  gelangt;  aber  fie  £)at  — fo 
bebünft  un§  — noch  einen  langen  9iuhine§n>eg  tior 
fidf.  2Köge  it)r,  gleid)  bem  ®eniu§  ber  Sunft,  and)  bei* 
be§  @tüd§  roeitertjin  ^otb  fein! 


87 


w 


erfen  wir  bett  SSIid  hinaus  über  bie  Erenjen 
unfereS  bevttfc£)en  23aterlanbeS  uttb  jielien 
aud£)  bie  bem  SluSlanb  entftammenben  ober 
im  SluSlattb  lebenbett  83irtuofinnen  in  ben 
JSreiS  nuferer  Betrachtung,  fo  fetien  wir  vffrrantreich, 
©nglanb , Norwegen , Bufflanb  iljre  berühmten  Ela* 
Oier=9tebräfentantinnen  aufweifen.  9iur  bie  alte  §ei= 
mat  ber  SJtufif,  Italien,  fann  f{^  feinet  ftertiorragert- 
ben  ÜRamenS  rühmen  unb  läfjt  fid)  fiierin  tton  bem 
unmufilalifdien  Englanb  befchämen,  Wenn  freilich  ba* 
fetbft  and)  eine  granjöfin , Wie  in  granlreich  eine 
Seutfdje,  bie  weibliche  Elaöierfunft  an  erfter  Stelle 
oertritt.  S'licEtt  ber  Geburt  nach  gehört  SBilhelmine 
Elauft'Sjartiabt),  bie  gefeiertfte  ißianiftin  jen= 
feitS  beS  SRheinS , unferem  Diachbarüolf  an.  ÜRür  in 
golge  ihrer  Berljeiratung  h®ben  wir  fie  an  baSfelbe 
üerloren,  ob  fie  auch  in  ©efinnung  unb  Ift'unftridjtung 
Don  ganzem  §erjen  beutfcf)  geblieben.  Seutfdj  ift  ber 
ibeale  3ug,  bie  feelenüoüe  Sßeife  ihres  Spiels,  hinter 
ber  ihr  üon  mancher  21nbern  überboteneS  üirtuofeS 
können  ficf»  erft  in  ^Weiter  Sinie  geltenb  macht.  Sie 
Einbürgerung  beutfdfer  ®unft  im  fremben  Sanbe  auch 
ift  bie  Aufgabe,  bie  fie  fid)  gefteüt,  unb  Wenn  heute 
bie  ÜÖJeifterWerle  unferer  claffifdjen  Sonfiirften  in= 
mitten  eine§  ißubtitnmS , bem  bie  innerliche  21rt 
unferer  oaterlänbifdjen  ®unftübung  feiner  Statur  nach 

& ■ M 


91 


w 


fern  oietfüttig  (Srunb  unb93oben  gewonnen  fabelt, 
jo  f>at  fie  baran  nad)  Kräften  mitgearbeitet. 

2ttS  Xoc£)ter  eines  in  ißrag  tebenben  Kaufmanns 
warb  SBithelntine  Staufs  bafetbft  am  13.  ®ecember 
1834  geboren.  Sie  war  üier  Satire  alt,  atS  itjre 
Stiutter,  eine  ftuge,  bie  tOiufit  tiebenbe  grau,  fie  einft 
betaufctjte , wie  fie  üerfud)te , einen  SDlarfdj , ben  eine 
üorüberjiehenbe  SOlititärcapetle  gefpiett  bjatte,  auf  bem 
Slaüier  nadfjufpieten.  Sofort  würbe  befcE»toffen,  baS 
fid)  bamit  lunbgebenbe  latent  ber  Meinen  auSbitben 
ju  taffen,  unb  fo  warb  fie,  nadfbem  fie  jwei  Satire 
lang  oon  untergeorbneter  Maft  im  Ipaufe  Unterweis 
fung  genoffen , ben  erfahrenen  £änben  Sofef  fßroffdj’3 
anoertraut,  beffen  Siebting  fie  batb  würbe  unb  in 
beffen  Sttufifinftitut  fie  alten  ihren  Ü0titfc£)üterinnen  in 
furjern  ben  9tang  abtief.  SItteS,  was  fie  geternt, 
üerbanft  fie,  bem  eigenen  ßeugnifj  jufotge,  auSfchtrefj* 
tief)  biefem  Selfrer. 

Snt  Sahre  t849  war  eS , als  fie  fich  mit  ihrer 
ütftutter  — ber  $ater  War  bereits  1843  geftorben  — 
auf  bie  erfte  Mmftwanberfdiaft  begab.  SDtit  großem 
SBeifatt  fpiette  fie  am  §ofe  ju  ®reSben  unb  1850  auch 
im  Seipjiger  ®ewanb£)auS,  oon  StttofctjeteS  ob  ihrer  3Siet= 
feitigleit  betobt  unb  atS  „neuer  Stern"  am  ißianiften= 
himmet  bezeichnet.  SDann  ging  fie  weiter  nach  $8raun- 
fchWeig,  Raffet,  granffurt,  Hamburg,  bis  fie  1851 
über  ben  Ütfwin  nad)  $ariS  fam.  Sn  einem  Soncert 
Suttien’S  unb  in  einer  üon  iöertioj  birigirten  Drdjefter= 
tOiatinee,  in  wetcher  fie  baS  erfte  Seettjooenfche  Son= 
cert  oortrug , führte  fie  fid)  auf  baS  üortheitt)aftefte 
ein,  unb  bie  Mitif,  fo  bezeugt  getiS,  „War  einftimmig 
im  Sobe  btS  zarten  unb  gtänjenben  latentes".  Sen 
ißtan,  ein  fetbftänbigeS  Soncert  zu  oeranftatten,  ocr* 
eitette  inbeffen  teiber  ber  ptbtjtiche  Xob  ber  ÜDtutter. 


k 


p“ ";i=  ^ 

©in  ©lüd , b'af?  bie  hülflofe  SBaife  in.  ber  berühmten 
(Sängerin  ©aroline  Üngljer  * Sabatier  bie  liebreichfte 
Stü|e  fanb.  93ei  i£)r,  in  Sour  be  garge§  bei  ÜDiont* 
petlier , f)ieit  ficb)  Sßilhelmine , bereit  ©efunbijeit  felbft 
erfdfüttert  War,  mehrere  SJionate  auf.  ©rft  1852 
füllte  fie  fiel)  jur  gortf eijung  ihrer  fünftlerifdjen  ©ar= 
riere  fähig  unb  gab  am  2.  gebruar  ib)r  erfte§  ©oncert 
in  ber  franjofifdien  ipauptftabt.  Ser  glänjenbe  ©r* 
folg  beleihen,  ber  fofort  noch  einige  weitere  ©oncerte 
jur  SoXge  hatte,  ftellte  ben  Sftuf  ber  ®ünftlerin  ein-  für 
allemal  feft. 

©ine  nicht  minber  günftige  2Iufnal)me  erfuhr  fie 
einige  fölonate  fpäter,  int  Slpril,  in  Sonbon,  Wo  fie  mit 
ihrem  erften  öffentlichen  $ ortrage  an  Stelle  ber  er-- 
Iranften  Sttabame  fpiepel  eintrat.  Sed)§  ©oncerte 
jog  bie§  erfte  Sebüt  auf  englifdiem  Sieben  nach  fid), 
unb  abwedjfelnb  in  fßariö  unb  Sonbon  trat  fie  and) 
Wäljrenb  be§  nädjften  3ahre§  auf. 

©rft  im  Januar  1854  toar  fie  mieber  in  Seutfdh* 
lanb.  3n  Seipjig  brachte  man  bem  Uftäbchen,  mit  bem 
tiefen  mufilalifdjen  ©femüth , ba§  mit  ben  einfachen 
Mitteln  rührt,  begeiftert,  hinreiht",  Serenaben  bar. 

Sie  Sritif  erlennt  ihr  „tiollenbete  Sicherheit,  grifdje, 
Zartheit,  Sraft,  Seele"  ju  unb  nennt  fie  einen  „Sieb* 
ling  ber  ©ötter  unb  SRenfdfeit".  Sludj  ber  berliner 
fReöftab  fdfjreibt  oon  ihr  : „Shr  SSirtuofenthum  pflanjt 
bie  reine,  echte  glamnte  ber  Schönheit  auf  ben  Slltar 
ber  @unft  unb  barnm  ftraljlt  e§  nicht  nur,  fonbern  er* 
wärmt".  Snöbefonbere  preift  man  ihre  58ad)*  unb 
Seethooen*58orträge ; hoch  fteljen  and)  fOJenbel§fohn, 

. Schumann , fetter , ©hopin , Si§jt  auf  ihrem  fReper* 
toire.  ÜRidft  minberer  31nerfennung  begegnet  ihr 
„poetifd)e§  Spiel"  im  beutfehen  fRorben,  in  Hamburg, 
Sübed,  Siremen  unb  am  fRlfein.  Sann  labet  fie 

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93 


W " «5 

©ngEanb  unb  tu  ber  nädfftenSaifon,  1854 — 55,§ot= 
lanb  ju  Beugen  itjrer  Xriumplfe.  1855  ift  fie  in 
ißrag , SBien  unb  ißeft.  Söegrüfft  man  fie  an  bet* 
j)onau  aucE)  junäd)ft  mit  einer  gewiffett  Burüdtfattung, 
i£)re  feine  weibüdfe  Statur  gewinnt  fid)  and)  bort  Wie 
aEEentlfaiben  halb  greunbeunb  fiegt  über  aEEeDppofition. 

Söauernb  wählte  fie  ißari§  ju  if)rem  3tufentfjatt, 
nadfbem  fie  fid)  am  12.  SJtai  1855  mit  bem  ungari» 
fdjen  Sdfriftftetter  unb  ißubticiften  griebrid)  Sjar» 
nabt),  ber  at§  ©efanbtfdfaftgfecretär  unter  f offutlj  nad) 
granEreict)  getommen  War  — er  würbe  bem  beutfdfen 
Sftufifpubtitum  üorjug§weife  burd)  feine  ©orrefpon» 
beugen  in  ben  „Signalen“  belannt  — oermälftt  Ejatte. 

Stur  bet)uf§  fürjerer  f unftreifen  nad)  2)entfdEjEanb, 
EpoEEanb  unb  ©ttglanb  üerlieff  fie  feitbem  bie  neue  §ei= 
mat.  So  Ejörte  man  fie  1858  in  Sonbon,  1860  in 
föln,  Seipjig,  Hamburg  unb  Jpannooer,  1865  in 
föln  jum  nieberrEjeinifdfen  SOtufiffeft , Wie  fpäter  in 
SBafel,  foblenj  unb  granffurt  a.  ÜDt.,  1866  in  ©ent 
unb  23rüffeE,  1871  in  Sonbon,  bat)in  fie  Wäbrenb  be§ 
beutfdj=franjöfifd)en  Krieges  für  längere  Bett  überge» 
fiebelt  War.  Sw  Übrigen  befdjränfte  fie  fid^  barauf, 
ben  ißarifern  ben  ©enuf)  ifyrer  fünftterfdfaft  ju  ©ute 
lommen  ju  laffen  unb  nur  au§nat)m§Weife  bann  unb 
wann  in  einigen  franjöfifdfen  ißroüinjiatftäbten,  wie 
93orbeau£,  §n  fpieten.  Sie  ift  nicf)t  fonbertid)  freigebig 
mit  il)ren  Spenben,  unb  mancher  SBinter  ging  bafjin 
olfne  baff  fic^  bie  beliebte  fünftierin  and)  in  ißari§ 
öffentlicE)  am  ©Eaoier  jeigte.  35arum  Wuffte  man  e§ 
iffr  hoppelt  ®anf,  wenn  fie  fid^.  Wie  bie§  juweilen  ge» 
fdfalj,  mit  ©Eara  Schumann,  ober  ben  ©ebrübern 
SJtüEIer,  ober  filier  unb  !yoad)im  ju  gemeinfamen 
Seiftungen  Oereinte , ober  and)  mit  felbftänbigen  ©on= 
certen  Ejeru  ortrat. 

fr-  — ^ 


94 


w 


^5 


Sftacp  Rector  aSertiog’  Meinung , ber  fie  bie  ©rfte 
unter  ben  ißianiftinnen  nannte,  beftept  i£)re  Überlegen» 
heit  weniger  in  ihrem  herrlichen  latent  ber  2Iu§füf)5 
rung , at§  in  ihrem  tiefen  SSerftänbnife  alter  9)ceifter= 
werfe  unb  in  ber  getüiffenbjaften  poetifcfjen  Xreue, 
Welche  fie  bei  beren  SSorfüfjrung  jeigt.  Steppen  fetter, 
ber  in  if»r  eine  gefdjätjte  Interpretin  feiner  eigenen 
©tabierpoefien  bereprt , fagt  bon  tpr  nacf)  Sßiebergabe 
©hopin’fcper  Stücfe:  „SprSortrag  war  unbefdtjretbticf», 
Slnmutp  war  mit  ®raft,  gierticpfeit  mit  2tu§brucf  ge= 
paart.  Sie  Cis-moll-@tübe,  biefe  reijbott  poetifcpe 
©Köpfung  ©popin’3,  Hang  Wie  eine  gtücHicfje  Smpro» 
bifation , mit  ber  ®tarpeit  unb  ©tut  ber  augenbticf» 
tidjen  ©ingebung  Wiebergegeben.  Sie§  fcpeint  mir  ba§ 
pöcpfte  2ob,  ba§  man  bem  reprobucirenben  ®ünftter 
jotten  tann".  *)  Unb  Samcfe  ändert  in  einem  ißarifer 
33erid)t  an  gleicher  Stelle**):  „Stau  Sjarbabp  pat 
ipr  fcpöne§  latent  ganj  unb  gar  ber  ernften  ctaffifcpen 
StJtufif  pgewenbet , welche  fie  benn  and)  mit  boß= 
enbeter  ^ünftterfcpaft  borträgt.  3«  ber  Haren,  einfach» 
natürlichen  Sßeife  itjrer  SBiebergabe  bereitet  bie  beutfcpe 
Sünftterin  ber  beutfcpen  ftunft  neue  unb  gtänjenbe 
Triumphe."  9?icpt  btenbenbe  SSirtuofität  giebt  ihrem 
Spiet  aucf»  heute  nocp  feinen  9teift,  nid£»t  ju  Triumphen 
ber  Secpnif  labet  fie  un§  ein.  Sie  ift  feine  SSirtuofin 
großen  Stit§;  ba§  innige,  Slnmutpbotte  ift  ipr  tReicp ; 
ebte§  ÜDtafs,  SBeiblidffeit,  ©rajie  unb  Snnerticpfeit  be= 
jeicpnen  ihre  2Beife.  Sie  wirft  nicpt  imponirenb  unb 
eteftrifirenb,  fie  nimmt  nur  gefangen  burdf  if»re  fcptichte 
ißoefie,  wenn  fie  auf  ben  fitbertönigen  gHigetn  tßtepet’3, 
bie  ©hopin  borjugSWeife  liebte , bie  SSerfe  fpiett,  bie 
ihrer  gnbibibuatität  entfprecpen. 


Signale.  1859.  üftr.  17.  **)  Signale.  1863.  $cfcr. 


95 


w 


9tod)  fort  unb  fort  gefeiert  unb  bei  jeber  ihrer 
öffentlichen  Seiftungen  freubig  begrübt,  gewährt  ihr 
felbft  gleichwohl  ihr  Stuftreten  in  ber  Öffentlich5 
feit  au|er  ber  inneren  Söefriebigung  wenig  greube; 
leibet  fie  bod)  unfägtich  öon  Stngft  unb  Slufregung,  fo= 
batb  fie  üor  ba§  ißubtifum  tritt,  Setbft  bie  Eewofjn5 
heit  oermochte  biefe  neroöfe  Erregtheit  nicht  ju  min» 
bern ; fo  oft  fie  im  Eoncertfaat  erfdjeint , wieberhott 
fich  bie  gleiche  ißein.  SOJag  ihr  Spiet  fid)  noch  f° 
burdjfichtig  unb  fidjer  barfteden,  fobafj  man  nidE»t§  öon 
ber  fieberhaften  Unruhe  ihres  Tunern  fpürt : bie  ihr 
Staheftehenben  Wiffen,  wa§  fie  leibet  unb  mit  wetten 
Sümpfen  fie  jebe  fünftterifche  Ediat  erfauft.  Schrieb 
un§  hoch  ihr  Eatte,  „er  mache  fid)  eine  orbentlidje 
wiffenSfad)e  barauS , fie  ju  einem  Eoncert  ju  übe x- 
reben."  Slber  nicht  etwa  bie  Sorge  um  Beifall,  ober 
um  Mangel  an  SBeifatt  ift  e§,  was  fie  babei  erregt ; e§ 
ift  üietmehr  eine  franfhafte  Surdjt , ben  eigenen  Sin* 
forberungen  nicht  $u  genügen. 

SWehr  unb  mehr  entfagte  fie  benn  auch  int  Saufe 
ber  Satire  beu  ^ulbigungen,  bie  man  tl)r  im  Eoncert» 
faat  entgegenbrachte.  ®ent  beutfdjen  Sitnftteben  blieb 
fie , ob  auch  Söeften  beutfcher  Sunft  im  StuStanbe 
Wirfenb , feit  nahezu  jWei  Sahrjehnten  fern , unb 
außerhalb  ber  franjöfifchen  |iauptftabt  lieh  fie  fich 
fdjon  feit  langem  nicf)t  mehr  hören.  Sie  gog  e§  üor, 
ihre  fünftterifche  Sraft  burch  |>eranbitbung  jüngerer 
latente  §it  berwertt)en.  Si§  auf  biefen  £ag  noch  ift 
fie  eine  gefucfjte  unb  geliebte  Sehrerin.  Stncf)  burd) 
Verausgabe  älterer  Etaüierwerfe  hat  fie  fich  SSerbienfte 
erworben.  Ein  Eoncert  (F-moll)  üoit  ißhütpp  Erna« 
nitel  Sach*)  - fDtüie  eine  Slnjatd  Reinerer  Stüde  öon 


*)  $ür  (Slabiet  allein.  £eip§ig,  @enff.  1S65. 


96 


r 


©cartatti,  fRameau,  ©ouperin  u.  9t.,  wie  man  fotc^e 
au§  ifjren  Soncertprogrammen  fannte , oeröffentticpte 
fie  in  eigener  Bearbeitung.  *) 

®a§  §au§,  ba§  fie  im  Bouteüarb  SüiateSt )erbe§  be= 
wopnt , ift  ein  ©ammetpunft  be§  mufifatifcpen  £eben§ 
in  fßari§.  ©aftticp  ftepen  feine  'Spüren  ben  Sunftge* 
noffen  offen,  unb  Seiner  wopt  ift  e§ , bem , feprte  er 
ein , nicpt  barin  tnopt  geworben  Wäre ; ber , ging  er 
pinweg,  nicpt  oon  ber  tieben§würbigen  Sünftterin,  bie 
er  at§  ©attin,  tpaugfrau  unb  ÜDiutter  Watten  unb  neben 
iprem  Satent  ipre  perföntidpen  unb  päu§ticpen  Sugem 
ben  entfalten  fap,  ben  (Sinbrucf  eine§  waprpaft  par» 
mottifcpen  9Befen§  mit  fiep  fortgenommen  pätte.  iyept 
freitiep,  naepbem griebriep  ©jarüabp  am  2.  föiärj  1882 
ben  ©einen  burep  ben  Sob  entriffen  Warb , ift  e§  ftitt 
geworben  in  ben  fonft  tebenerfuttten  kannten  unb 
Srauer  ift  ber  büftere  ©aft  be§  §aufe§.  Sie  fDtufen 
jebo«t£)  werben  nicpt  barau§  entftiepen  fo  lange  2Bitpet= 
mine  ©tauff  barin  gebietet. 


*)  (Slaoierjlitcfe  au3  ben  (Soncert  * Programmen  oon  2ötll)elmine 
S^atOabl)  geb.  (Stau§.  3 £fte.  ßeipjig,  Senff. 

I.  Sonate  oon  $)om.  Scartattt  — ßlrte  oon  ^ergolefc  — Les 
niais  de  Sologne  Oon  Olameau.  II.  ©aitfatbe  oon  (Styambon nietet 
— La  de  Croissy,  (Courante  o.  $r.  (Xou:perin — ©aootte  o.  Sftameau. 
III.  Sonate  Oon  $>om.  Scarlatti  — Sonate  oon  33eneb.  Üftarcetto  — 
9toman§e  oon  $atbaftre. 


&L= 


ßa  Sftara,  <Stut>icnföpfc.  Y.  (J 7 


. 


7 


ong,  long  ago,  bag  afte  fdjottifdfje  SSoO§= 
lieb , fommt  itng  in  ben  (Sinn , wenn  mir 
ber  üöteifterin,  in  ber  ©ngtanb  feine  erfte 
pianiftifdje  (Stoffe  öereljrt  unb  beren  9tufjm, 
wie  ber  feiner  ifjrer  fünftterifdjen  SdjWeftern,  bucfiftäB = 
lieben  Grrbbad  umfreift : ÜDlrg.  2trabeüa  (Sobbarb 
gebenfen.  üttabjeju  brei  S^vjefjnte  ja  Ijaben  fitf»  twd» 
enbet,  feit  man  fie  in  ®eutfdjtanb  junt  erften  unb  ein» 
jigen  SJiate  gehört , fobafj  nur  ben  älteren  unter  uitg 
nodj  eine  perfon£ic£)e  (Srinnentng  an  fie  oerbtieb , ber 
jüngere  Xtjeit  ber  gegenmürtigen  ÜDiufif»  (Seneration 
aber  fie  nur  eben  betn  Stauten  nadj  fennt.  Sßarttm 
fam  fie  nur  eiumat  unb  nie  toieber  ? Sermifjte  fie  bei 
ung  bie  (Saftfreunbfdjaft,  bie  fie  fidj  in  frembeit  Bönen, 
unter  ben  fernften  Epimtuelgftridjen  unferer  Gerbe  bar» 
geboten  faf),  ober  gelüftete  eg  ifjrent  fünftterifdjen  @f>r» 
geij  meljr  nadj  ben  lauten  §utbigungen  ber  Sötfer 
Slfieng,  Stuftratieng  unb  3(metifa§  atg  nadj  bem  Sei» 
fad  beg  mufifgebilbetften  Sotfeg  ber  Gürbe  ? 

Stidjt  bag  britifdje  Snfetreid) , fonbern  bie  franjö» 
fifd)e  Sretagne  ift  Strabeda  (Sobbarb’g  Heimat.  §ier 
erblicfte  fie  ju  <St.  Serüan  im  ^a^re  1840  bag  öicf»t 
biefer  SSett.  Saft  üott  ber  SSiege  an  fdjon  offenbarte 
fic^  itjre  Siebe  unb  Sefäljigung  jur  ÜDtufif;  beim  faum 
üier  unb  ein  fiatbeg  Safjr  war  fie  alt,  alg  fie  in  einem 
2Sot)ttf)ätigfeitgconcert  eine  ißljantafie  über  Sötotiüe  aug 


„®on  Suctn"  mit  fo  biel  ißräcifion  mtb  Sßerftärtbni^ 
bortrug,  baf?  Sitte,  bie  fte  Rotten,  fie  mie  ein  SBunber 
anftaunten.  33alb  nach  biefer  erften  glän^enben  Sunb= 
gebung  ihrer  f5ät»igfeiten  fiebelten  itjre  ©Itern  nach 
ißariS  über  unb  übergaben  fie  ber  mufilalifdjen  ©r= 
jiehung  ®alfbrenner’S.  ®ocl)  ber  StuSbrucf)  ber  9te= 
bolution  1848  unb  bie  burd)  biefelbe  beranlafjte  2luS= 
manberung  ber  gamilie  nach  Sonbon  machte  bem 
Unterricht  ein  frühes  ©nbe.  3l)n  fetjte  nun  SigiS= 
munb  Balberg  fort,  beffen  £ieblingSfd)ülerin  fie 
lange  Beit  fjtrtburt^  mar.  üötit  Stolj,  fo  erjäl)lt  man, 
rühmte  ftch  ber  gefeierte  SSirtuoS , jmei  ißianiftinnen : 
ÜDiarie  ißletjel  unb  Slrabetta  ©obbarb  — »une  Pleyel 
en  herbe«,  mie  er  fie  ju  nennen  pflegte  — gebilbet  ju 
haben. 

SllS  achtjähriges  ®inb  bereits  fpielte  bie  Setjtge* 
nannte  bor  ber  Königin  SSictoria,  als  breijefinjährigeS 
magte  fie  fich  rnuthig  als  Suterpretin  £ummefS  unb 
anberer  SOieifter  in  Her  Majesty’s  Theatre  oor  bie 
Öffentlichfeit-  SllS  fie  bann  ein  fpäter  in  einem 
ber  ißhilharmonifchen  ©oncerte  unter  ©irection  £iitb= 
paintner’S  auch  mit  SBiebergabe  ber  ©laffifer  epcettirte, 
mar  ipre  Stellung  unter  ben  heroorragenbften  ißia» 
niften  begrünbet.  ©in  33efud)  beS  ©ontinents  bradjte 
ihr  in  Berlin,  Seipjig,  ißaris  unb  anberen  Drten  nur 
bie  oottgüttige  SSeftätigung  beffen.  Sn  Seipjig  fdjrteb 
SJtofcheleS  ©nbe  1854  bon  ihr,  ber  er  fcfjon  als  IHnb 
in  ißariS  eine  glanjenbe  Brunft  prophezeit  hQtte  - m 
fein  £agebutf)  *) : „Sie  beherrfdjt  bie  größten  Schmie* 
rigfeiten  mit  bemunbernSmerther  Stühe  unb  ©leganj, 
unb  ihr  Stnfdjlag  ift  flar  unb  h^tt  mie  eine  ©lode. 
§ier  fanb  fie  bie  gebührenbe  Slnertenmtng  unb  mirb 


*)  ScBcn.  I.  Öeipjig,  5Dun<fer  u.  §umMot.  1S72. 


JA 


102 


» ■* 

überall  aud)  bem  ftrengften  Sunftricfjter  gefallen." 

(Sine  SSefprecfjung  beS  ©ewanbhauS=(SoncerteS  üom 
11.  Fanuar  1855  hebt  tjerüor,  baß  fie  „mit  burchauS 
unanfechtbarer  Xedjnif  unb  Harem  SSerftänbniß"  bei 
„glänjenbftem  ©rfolg“  fpielte.  (Siner  ber  beften  unb 
geiftüodften  unter  öeipgigS  ÜDtufilern,  ber  unlangft  (1880) 
öerftorbene  (Srnft  Ferbinanb  SBenjet  — ein  intimer 
Freunb  SKenbelSfohn’S  unb  Sdjumann’S  — aber 
äußerte  noch  furj  öor  feinem  S£obe,  baß  er  SKenbelS* 
foßn’S  D-moll-ßoncert  nie  öoüenbeter  als  bajumal 
öon  Arabella  ©obbarb  hörte  unb  jwar  ebenfowoljl 
nach  ber  oirtuofen  als  nach  ber  poetifdjen  (Seite  unb 
nach  öer  SÖlacfit  unb  ©röße  ber  tonlidjen  ©eftaltung 
hin.  ®aß  fie  bie  ©rfte  war,  bie  eS  unternahm,  baS 
SRiefenWerf  unter  SBeeHjotienS  Sonaten,  B-dur,  Op. 

106,  öffentlich  unb  jwar  in  muftergültiger  SBeife  tior= 
jufüßren , trug  ihr  namentlich  au<|  iftellftab’S  £mlbi= 
gungen  ein. 

So  brachte  fie  ben  Sorbeer  auS  ber  Frernbe  mit  in 
baS  Sanb  jurüd,  bas  ihr  jur  ^Weiten  Heimat  geworben 
unb  bafelbft  fie  fiel)  im  Fuhre  1859  mit  SDaüifon,  bem 
einflußreich ften  unb  angefeljenften  mufifalifdjen  £ri= 
tiler  SonbonS,  oermählte.  ®urd)  bie  »Times«  unb  bie 
Oon  ihm  rebigirte  »Musical  world«  begrüubete  er  ihren 
Sßeltruf  unb  geftaltete  ihre  Stellung  in  (Snglanb  halb 
$u  einer  unanfechtbaren.  SSerlautet  hoch  fd)on  1858  in 
ben  Seipjiger  „Signalen  für  bie  mufifalifdje  SBelt",  baß 
er  „neben  ißr  Wenig  anbere  ißianiften  gelten  laffe",  unb 
in  einem  Feuilleton  ber  SBiener  „treffe"  fdjreibt  IpanS» 
lief  (im  Februar  1864)  gerabeju:  „Frau  ©obbarb 
(§errn  2>aöifon’S  junges  unb  fdjöneS  SSeib)  ift  be* 
fanntlid)  tion  SaOifon’S  ©naben  bie  erfte  unb  einzige 
ißianiftin  in  ©roßbritannien ; Wer  neben  ißr  glänjt, 
ift  ber  fritifdjen  SSeßme  oerfalleu." 


f —TS? 

SSie  bem  auch  fein  ntocfjte , ja  fo  wenig  man  ficfj 
einen  SJiangel  an  SSärnte,  eine  gemiffe  acaöemifcfje  &üf)le 
unb  öorherrfdjenbe  Söerftanbe^mäfjigfeit  bei  ihr  oer= 
bellte,  man  lieb  ficf)  in  (Snglanb  bie  pianiftifct)e2IIIeitt= 
Ijerrfchaft  2lrabella  ©obbarb’S  gern  gefallen ; ja  man 
rühmte  fiel)  ihrer  als  eines  »veritable  Champion«,  ber 
„bie  @f>re  beS  mufifalifcffen  (SnglanbS  allen  fremben 
Sinbringlingen  gegenüber  aufrecht  halte."*)  SaS  eng* 
lifdje  ißublifum  liebt  in  if)r  fein  mufifalifcljeS  Schob5 
ftnb,  auf  baS  eS  mit  hödjftem  Stolje  blictt,  unb  in  ben 
©oncerten,  bie  fie  burd)  iljre  SDlitwirlung  toertferrlicffte, 

— in  ber  alten  unb  neuen  ^ß^il^armonif^ert  @efe(I- 
fefjaft,  ben  93irmingt)amer  SDtufiffeften , ben  Crystal- 
Palace-Concerts,  ben  Monday-Popular-Concerts  unb 
oielen  ißrobinjial5@oncerten  — feierte  man  fie  neben 
iljren  ruljmgefrönteften  auSlänbifcfien  Sunftgenoffen 
als  „Stern  erfter  ®röbe.“ 

SftichtSbeftoWeniger  gelüftete  eS  fie  nach  anberen 
frentbartigeren  guhörerfreifen , it ad)  einem  fühnerat 
Unternehmen,  als  eS  je  jubor  eine  ®ünftlerin  gemagt : 
fie  fabte  ben  $lan  jit  einer  mufilalifchen  ©roberungS* 
fahrt  um  bie  SGßelt.  3 m Februar  1873  nahm  fie  in 
einem  groben  »Farewell-Concert«  Slbfdjieb  öon  ihren 
Sonboner  Verehrern , um  fich  birect  nach  Sluftralien 
einjufchiffen.  3hr  erfteS  $iel  war  SJlelbourne.  Ster, 
wo  fie  mehrere  SDtonate  oerweilte,  wie  in  Sibnep, 
SSriSbane,  Slbelaibe  unb  anberen  gröberen  (Stabten, 
begegnete  fie,  fo  oft  man  fie  wäljrenb  ipreS  2lufent* 
palteS  in  ber  ßolonie  hörte  unb  fah , beit  lauten  2IuS* 
brächen  eines  unbefchreiblichen  (SnthufiaSmuS.  Sßeiter 
nach  Sofien  fegelnb,  lanbete  fie  auf  ©eplon ; ba  ipr 
jeboch  baS  SHima  oerhängnibboll  51t  werben  brohte, 


*)  Times,  1 1.  gc'&r.  1873. 

& ^ 


104 


*■ ' ■* 

»erlieft  fie  eS  auf  Sftatfj  ber  Är,’,te  fdjon  nad)  ihrem  erfteu 
Eoncert  unb  begab  ficft  nad)  üötabraS,  bei  ihrer  Anfunft 
bafelbft  »oit  ber  Elite  ber  ©tobt  unb  bem  (Statthafter 
feierlich  empfangen.  3it  ber  itjr  jur  Verfügung  geftett* 
ten  S3anfetȤatle  beS  teueren  gab  fie  fedfS  Goncerte, 
bereu  jebeS  eine  .ßufiörerfchaft  öon  jweitaufenb  Per» 
fönen  faftte  — eine  ,ßahl , bie  anberwärtS  fogar  noch 
um  baS  3tü^efa<he  übertroffen  würbe.  ®arnad)  feftte 
fie  ihren  Saüumphäug  nad)  Saitgalore , Sombaft  unb 
Ealcutta  fort,  an  welch’  le|terem  Drte  man  — fo 
fchreibt  ber  »Englisliman«,  eine  bortige  Leitung  — in 
„ihrem  Söefuch  ein  widrigeres  Ereignis  als  bie  An» 
funft  irgenb  eines  gefrönten  fmnpteS"  erblidte.  Steht 
großartige  Eoncerte  »ermochten  ber  allgemeinen  Se» 
geifteruitg  hier  nicht  genug  51t  tfjmt,  unb  in  fold)’  auf» 
reibenben  Seftftrubel  fanb  fie  fid)  f)ineingeriffen  unb 
ju  beffen  SJtittelpunft  gemacht,  baft  fie  enblicft  ermübet 
bie  glud)t  ergriff,  ihre  Strafe  nad)  Gljitta  weiter  »er» 
folgenb. 

Sott  ^ongfong  unb  ©hangai  auS  befucfite  fie  ÜDta» 
nilla,  bie  Philippinen,  ©ingapore  unb  Sataöia,  bort 
als  Eaft  beS  EouüerneurS  in  beffen  ©ommerpalaft  in 
Suitenjorg  beherbergt , fowie  beim  Abfdfieb  burdj)  ein 
großes  Eoncert , baff  ihr  bie  Singebornen  gaben,  ge» 
feiert.  SBofjin  fie  fam,  wetteiferten  Surften  unb 
Potentaten  mit  bemSolfe,  ihr  einen  feftlidhen  Ern» 
pfaug  unb  Aufenthalt  ju  bereiten.  3)ajwifdjen  fehlte 
eS  aud)  nicht  an  Abenteuern  bebenflidjfter  Art.  Auf  ber 
Steife  ton  Saoa  nach  Auftralien  litt  fie  in  ber  Stahe 
oon  2mwnSbilIe  Schiffbruch  unb  muftte  jwölf  ©tunben 
im  offenen  33oot  umhertreiben,  gutn  <Slüd  würben 
aud)  ihre  Juwelen  unb  ihr  waftrenb  biefer  Steife  er» 
worbetteS  Serntögeit  bis  auf  einige  Imnbert  Sofia  rS 
gerettet. 


M 


W = = ? ^ 

Stadf  einem  jtüeimonatlichen,  äufjerft  einträglichen 
Stuf enttjatt  in  Steufeelanb  lehrte  fie  über  Storbamerifa, 
mo  fie  in  Kalifornien , ben  bereinigten  Staaten  unb 
Kanaba  noih  ihre  Triumphe  concertirenb  Oermehrte, 
fi<h  aud)  in  San  Francisco  anfaufte  — toie  fie  gleicher* 
ioeife  in  Sluftralien,  Sonbon  unb  boulogne  Krunb* 
befijjerin  ift  — , um  einige  hanberttaufenb  S5olIarS 
reicher,  1876  in  bie  Heimat  jurücf. 

®er  Sntpfang  bei  ihrem  erften  öffentlichen  SBieber* 
erfdjeinen  nach  brei  unb  einhalbjähriger  Slbtoefenljeit 
in  berSt.  $ameS’  $aß  ju  Sonbon  lonnte  nicht  toärmer 
fein,  begeiftert  begrüßte  baS  ißublifum  feinen  Sieb* 
ling,  unb  alle  Zeitungsberichte  — man  üergleiche  bei* 
fpielStoeife  »Daily  Telegraph«,  »Observer«,  »Daily 
News«,  »Hörnet«,  »Examiner«,  »Illustrated  London 
News«,  »Court  Circular«  in  ihren  ^Referaten  öont  14., 

15.,  18.  unb  21.  Dctober  1876  — ftimmen  überein, 
baf?  fie  unübertroffen  unb  ihre  Stellung  bon  feinem 
ihrer  injtoifchen  gehörten  Stibalen  auSjufüHen  fei. 

SJtan  preift  fie  als  im  befij}  „jloeier  rechten  ,'Dänbe“, 
eine»  „poetifcpen  21nfchlagS,  eines  gefangreicheit,  fraft* 
unb  auSbrucfSOollen,  fhmpathifdjen  ShneS,  einer  per* 
lenben  'Secfyrtif , eines  reijenbeit,  bie  rechte  bertheifung 
Oon  Sicht  unb  Schatten  gemährenben  bortragS."  SDtan 
nennt  fie  bie  „glänjenbfte  bertreterin  englifcher  ®unft 
in  ber  §eimat  toie  in  ber  grembe",  bie  bacf)  unb 
£änbel,  SRojart  unb  beethooen,  Rummel  unb  SDto* 
freies,  SBeber  unb  Khopiit,  SRenbelSfofm  unb  Stern* 
bale  bennett  gleidjertoeife  gerecht  toerbe. 

Db  man  fie  mit  Stecht  ober  Unrecht  alfo  rühmt, 
baS  ju  beurteilen  gab  fie  unS  jüngeren  inSeutfchlanb 
leiber  feine  (Gelegenheit.  Stur  bei  ben  ißarifern  lieh 
fie  eS  fich  angelegen  fein,  ipr  Slnbenfen  im  SRärj  1877 
mit  beethoüen’ften,  SDtenbelSfohn’fchen,  Khopinfdjen 


w 


unb  Siäjt’fdfen  ©ompofitionen  wieber  aufjufrifdfen. 
Snt  Übrigen  warb  fie  feit  ber  §eintfef)r  bon  itjrer 
Sßettumfegetung  nur  in  Sonboit  unb  ben  ettglifdjett 
^robin^en  gehört.  Senn  bie  §änbe  in  ben  ©djojj 
ju  legen , ba§  fommt  ifjr , bereit  feine  S3itbung  unb 
©pradigeWanbtfjeit  ntan  anerfennenb  |erbort)ebt,  and) 
fjeute  nodj  nicfft  bei.  Ser  reid^e  ©rtrag  ber  ©otb= 
unb  9tuf)me§ernte , bie  fie  gehalten , bünft  ber  uner* 
mubtidien  ®ünftterin  feilt  Stntafi,  fid)  borjeitig  müßigem 
(Senuffe  f)iitjugeben , unb  ba§  SBebürfniff  itacf)  9M)e 
fdieint  fie  nidjt  ju  fennen,  bereit  ©tim  ein  ®ran$  um» 
grünt , ju  bent  ade  (Segenben  ber  ©rbe  ben  ßorbeer 
geliefert. 


107 


. 


■ 

■ 

■ VI 

. 


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att  fennt  ba§  oft  wiehert)  otte  SBort , baff  bie 
befte  grau  biejettige  fei,  üon  ber  ntan  am 
Wenigften  ffaricfit.  ©o  Wenig  ba§fetbe  im 
Slttgemeinen  auf  bie  Sünftterin  SInwenbung 
leibet  unb  itjrer  ÜRatur  uatf)  leiben  fann , eine  unfrer 
tjerüorragenbften  ißianiftinnen  tjat  e§  ficf»  gteic£)roo£)l 
augenfcf)einlicf|  jum  ©runbfatj  gemacht  unb  mit  allem 
(Sifer  barnacf)  geftrebt,  baf?  ifjr  9tame  fo  Wenig  at§ 
möglich  üon  anberen  Sippen  genannt  werbe  — ober 
mü|te  nach  bem  ÜDiafjftab  ihrer  ®unftleiftungen  ber 
üftame  @rifa  Sie  Riffen  fic^  nicht  einer  ungleich 
Weiteren  Verbreitung  erfreuen , at»  bie§  in  SBaprpeit 
ber  gatt  ift?  Sie  ift  eine  äufjerft  eigenartige  gnbiüi= 
buatität,  biefe  norbifdje  Srifa.  @chticf)t  unb  befdjeiben, 
wie  bie  Vturne,  beren  ÜRamen  fie  trägt,  oerbirgt  fie  fit^ 
lieber  im  fcEiattigen  2>unfet  at§  bafj  fie  tjeroortritt  an 
ba§  t)ette  Sic^t  ber  Öffentlicfjfeit.  2tlter  (Stanj  ber 
Virtuofencarriere  biinft  ifjr  reijtoS.  ®ie  tauten  §utbi= 
gungen  ber  iDtenge  taffen  fie  eben  fo  Hilft  at§  ber 
gteifjenbe  (Sotbtotm , ben  fie  bem  Sünftter  barbringt ; 
ja  man  fagt,  baft  retigiöfe  ©crupet  it)r  fogar  ernfU 
tjafte  Vebenten  erregten,  bie  Vatjnen  ber^ünftterin  ju 
Wanbetn.  2lt§  eine  if)r  üon  ber  SSorfefjung  aufertegte 
ißftidlt  nur  betrachtete  fie  bie  2tu§bitbung  unb  2tu§* 
iibung  einer  ®raft , mit  ber  fie  oor  Stnberen  begnabet 
worben.  Unb  fie  natjm  e§  ernft  mit  (Srfültung  biefer 


lti 


M 


W~~  — — ■ * 

ißfticpt.  2Ba§  fie  erreicht,  ftettt  fie  in  bie  Steife  ber 
beften  SlReifterinnen.  ©g  ift  mapr,  iprer  ©pietmeifc 
mangelt,  trop  einer  ipr  angeborenen  rnerfmürbigen 
tecpnifcpen  Seicptigfeit,  ber  eigentliche  öirtuofe  ®tan§ ; 
bag  SBort  ©ffect  ift  ipr  fremb,  nnb  öon  btenbenben 
Sßirfungen  täfst  fidf  bei  ipr  nic^t  fpredjen.  Spre  tiefe 
Snnerticpfeit  ift  eg,  bie  ihrem  Spiet  feinen  beften  ffteij 
öerteipt.  !ypre  “Sedinif  erreicht  nicht  ben  ©ipfetpunft.  . 
©ie  mirb  non  ber  mancher  ihrer  ©otteginnen , bie  fie 
burdf  beftänbigere§  ßufammenteben  mit  ihrem  gtüget 
confequenter  pflegen  nnb  erjiepen , atg  ©rifa’g  ©e= 
funbpeit  nnb  SSerpättniffe  bie§  geftatteten,  übertroffen ; 
aber  fie  ift  öon  fcpöner  fRunbung  nnb  2tbgeftärtpeit. 
£)pne  befonbere  pppfifcpe  Sraft,  opne  erhebliche  ©röfse 
nnb  förperticpe  SDtacipt  be§  Soneg,  ift  bocp  ipr  ©piet 
feberjeit  eineg  bebeutenben  ©inbrucfeg  ficper.  ©ine 
fettene  geinpeit  nnb  ©teganj  jeicpnet  ipren  2tnfcptag 
and  nnb  macht  fie  üorjuggmeife  jur  ©popin»@pieterin 
gefcpidt , atg  metcpe  fie  fiep  in  ©eutfeptanb  befonberen 
. SRüpm  ermarb.  5Räper  jeboep  als  ber  epeentrifepe,  batb 
teibenfcpafttiip  gtüpenbe,  batb  fcpmärmerifdj  fentimem 
täte  ißote  ftepen  iprem  §erjen  unfere  beutfepen  $8acp 
nnb  ©eetpoüen ; ben  ernfteften , erpabenften  ltnferer 
©onbiepter  menbet  fiep,  eparafteriftifep  für  ipre  2Irt 
■Jtatur,  ipre  Sßapt  mit  Vorliebe  ju.  ©abei  ift  fie  niept 
einfeitig ; auep  ©cpubert , SDienbetgfopn , ©cpumann , 
Sigjt,  23rapmg,  ipr  Sanbgmann  ©böarb  ©rieg  u.  2t. 
ftanben  nnb  ftepen  neben  ben  genannten  StReiftern  auf 
iprem  ^Repertoire.  ©urdp  feinen  ©eminn  aber  ift  fie 
fematg  ju  beftimmen,  SRufif,  bie  ipr  niept  jufagt,  ju 
interpretiren.  ÜRicpt  2Itteg  mtb  niept  immer  fpiett  fie 
gteiep  gut,  baju  ift  ipr  Söefen,  fo  fepr  fie  naep  Dbfecti» 
üität  ftrebt,  ju  fubfectiö,  öietteiept  gu  meibtid)  geartet 
nnb  — mag  bieg  immerpin  eine  ©cpmäcpe  unb  Un* 

& : M 


112 


TS 

tiottfommentjeit  fein  — ju  mächtig  bem  (Sinftuff  tiou 
gufättigfeiteit  unterworfen.  StertiöS,  tion  jartcnt  Sör= 
perbau  unb  nidft  eben  fefter  (Sefunbljeit,  ban!t  fie  ficf» 
felbft  oft  itjre  Seiftungeit  am  toeitigften  unb  ift  ifjnen 
ber  ftrengfte  Stifter.  Qeber  einzelnen  berfelben  aber 
Ijaftet,  fei  eS  in  guten,  fei  eS  in  minber  gtüdtid)en 
©tunben,  baSßkpräge  beS  ©etbfterlebten  an;  Stnmutf) 
unb  feetifdfe  Sßärme  beS  23ortragS , ißoefie  ber  Stuf* 
faffmtg,  fddidfte  ®ebiegenf)eit,  2Baf)rf)eit  nnb  Stobteffe 
beS  SluSbrudS  finb  it)r  unauSbleiblict)  ju  eigen.  SllteS 
in  Stttem  genommen  offenbart  förifa’S  gefammte  fünft» 
terifd)e  28efenf)eit  eine  Harmonie  unb  Steife,  Wie  fie 
nur  ber  SluSftufs  eines  oöttig  tjarmonifdjen  Innern  ift. 

3BaS  fie  fetber  Wüitfcfit:  baf;  bie  tion  if)r  jur  SDar» 
ftetlung  gebrachte  SDtufif  nicEjt  nur  ben  ©inbrud  äußerer 
®langfd)önf)eit  Ifertiorbringen , fonbern  ben  SluSbrud 
eine§  ebten  (SeifteS  üergegenmärtigen  fotte , baS  er» 
fdteint  in  ber  Xfyat  bei  i£)r  tiod  erreicht.  Strenge  reli» 
giöfe  Stnfdfauungen  unb  ©ruubfätje  fielen  mit  ilfrer 
l?unftrid)tung  in  gufammenfjang ; bürfte  man  bodf 
als  baS  SJtotto  ilfreS  ßebenS  bejeidjnen , waS  fie  un» 
längft  in  baS  Sttbum  eines  SSertegerS  fcfjrieb : 
fudfe  in  Sittern,  and)  in  meiner  ®unft,  bem  tperrit  ju 
bienen". 

Sticht  ju  ben  friit»  enttoidetten  Staturen  gehörte 
@rifa.  Sßälfrenb  ifjrer  erften  ®inbf)eit,  bie  fie  in 
SoitgStiinger,  einer  fteinen  norWegifdjen  ©tobt  un» 
fern .Stfriftiania,  mofetbft  fie  am  17.  Januar  1845 
geboren  Warb,  tierlebte,  nafjm  man  feine  auffattenbe 
Begabung  bei  if)r  iualfr.  Slufserorbenttid)  fdgneigfam, 
rutjig  unb  in  ficf)  gefetjrt  jeigte  fie  fic£( ; fiel)  fetber  nn= 
betoufft  aber  naf)m  fie  bie  (Siubrüde  ber  ausgeprägt 
geiftigen  Sttmofplfäre  beS  ©IternfjaufeS  in  fid)  auf. 

S5on  33ater  unb  ÜJhttter  — ber  SSater  war  Slbtiocat  — 

k ' & 


Ca  9ftara,  Stubicnföpfc.  V.  113 


r 


erbte  fie  trefflidje  ©igenfdjaften  be§  ©eifte§  uttb  §er= 
jen§.  Söeibe  ©Itern  traten  ungewößnlid)  nutfifalifd) 
unb  literarifcß  angelegt  unb  pflogen  in  intern  gaft- 
freien , ®unft  unb  SBiffenfcßaft  allzeit  offen  fteßenben 
§eim  einen  lebenbigen  SSerfetjr  mit  ßeroorragenben 
Beuten.  Die  Söult,  $8jörnftjerne  Söjörnfon  unb  anbere 
fünftlerifcße  ©roßen , 3otta§  Sie,  @rifa’§  SSetter,  bet 
fpäter  ißre  ältefte  ©cßwefter  jur  ©attin  naßm , geßör= 
ten  jit  ben  täglichen  ©äften  be§  §aufe§.  Sßren  ein5 
geßenben  unb  eifrigen  ®i§cuffionen  über  bie  oerfcßie5 
benften , itjre  Sntereffen  berüßrenben  fragen  iiörte 
©rifa  fcßon  in  früher  Sugenb  31t.  Schöpften  and)  i£>re 
älteren  ©cßweftern  naturgemäß  babei  ßößeren  ©eminn 
— it)r  poetifcßer  unb  fimfilerifcßer  ©inn  tnarb  bod)  un5 
Wiüfürlicß  früßjeitig  baburcß  angeregt , unb  in  feiten 
wucߧ  unb  reifte  fie  ißrent  fpäteren  S3eruf  entgegen. 
Sen  erften  SJlufifunterricßt  empfing  fie  bon  ißrer 
ÜJtutter  unb  ißrer  älteren  ©cßwefter  ^ba,  bie  fpäter 
nach  bereit  Sobe  SJintterfteKe  an  ißr  oertrat  unb,  felbft 
eine  ber  angefeßenften  ÜDtufifleßrerinnen  ©ßriftiania§, 
entfd^eibenben  ©influß  auf  @rifa’§  mufifalifdje  ©nt» 
tnidelung  gewann,  ©itte  fo  treue  ©efäßrtin  war  fie 
berfelben , baß  fie  fogar  al§  ©rifa  ficß  nacßmalg  einen 
eigenen  §erb  grünbete , ißr  ftüßenb  unb  ßülfreicß  jur 


ißre  ßäu§Iicßen  Wie  fünftlerifcßen  Qn= 
auf  biefen  Sag  fort  unb  fort  mit  ißr 


©eite  blieb , 
tereffen  bi§ 
tßeilenb. 

Sm  fünfjeßnten  Saßre  ftanb  ©rila , al§  ber  $ater 
ftarb  unb  bie  gonülie  ißren  SSoßnfiß  nad)  ©ßriftiania 
oerlegte.  9tun  warb  £>alfban  Sjerulf , ber  befanntc 
norwegifcße  ©omponift,  ißr  Beßrer.  klaren  Elidel  er= 
fannte  er  fcßon  al§  er  ba§  junge  üftäbcßeit  jum  erften 
SDtale  ßörte,  ißre  große  Begabung.  „Sßren  tarnen 
wirb  bie  SBelt  einmal  ßören!"  fagte  er  31t  SO^arie  iölicß, 


114 


ber  Sreunbin , bie  fie  begleitete.  Sn  ber  Spat  gab  fie 
fdjott  bamat§  2Itte§,  ma§  man  ipr  bortegte,  mit  fo  biet 
ßeicptigfeit  unb  ©icperpeit  mieber,  baff  ®jerutf  erft 
nacpbent  fie  einige  feiner  eigenen  SJtanufcripte  mit 
gleicher  gertigfeit  borgetragen  patte,  ju  überzeugen 
toar , bafs  fie  Dom  Statte  fpiete.  2tucp  Dte  Sud  be* 
jeigte  biet  Speitnapme  an  iprem  Satent.  Sr  führte 
feine  junge  ßanbärnannin  zuerft  in  bie  Dffentticpfeit 
ein : benn  in  einem  feiner  Soncerte  trat  fie  zum  erften 
ÜÖMe  bor  ba§  ißubtifum  iprer  Heimat,  ©ie  mittfaprte, 
tiebenSmürbig  unb  fetbftto§  bienftmittig  wie  fie  mar 
unb  ift,  bamit  einfad)  bed  ®ünftter£  SBünfdjen  — e§ 
mar  ipr  ja  niept  gegeben,  mit  einem  „itiein"  zu  antmor» 
ten , menn  Sentanb  etma§  non  ipr  erbat.  Sparafte» 
riftifcp  äußerte  fiep  Sjerutf  einmal  über  fie  zu  iprer 
©cpmefter : „ ©age  icp  ipr,  fie  fotte  biefeS  ober  jene§ 
fpieten,  ma§  e§  auep  immer  fein  mag,  fo  fragt  fie  niept, 
ob  e§  für  fie  pafft  ober  niept ; niept , ob  fie  ed  zu  be= 
mattigen  bermag  ober  niept,  fie  tput  e§,  eben  meit 
icp  fie  barum  bitte,  ttnb  menn  icp  fie  bäte,  burep  ben 
©epornftein  zu  gepen,  fie  mürbe  fiepertiep  ja  fagen  unb 
e§  berfuepen.“  @o  tarn  fie  einmal,  um  Spopin’g  ißpan= 
tafie=Surpromptu  zu  entteipen,  zu  bem  Seprer.  „3Ba§ 

motten  Sie  bamit?"  fragte  ®jerütf Scp  merbe  e§  in 

Dte  Sut(’§  Soncert  fpieten"".  „2Botten©ie  im  Soncert 
fpieten?"  „„Sa,  benn  Dte  Sntt  bat  miep  barum"". 
„ SSarum  aber  mäpten  Sie  bann  biefe§  ©tüd,  ba§  @ie 
noep  nie  gefpiett  paben?  §eute  ift  Sonner§tag  unb 
am  ©onnabenb  ift  ba§  Soncert!"  „„SBeit  Dte  Sütt 
münfepte,  bafj  icp  e§  fpiette.  S<P  pabe  ipm  auep  niepts 
babon  gefagt,  baff  icp  e§  nodj  niept  gefpiett  pabe.  SDtir 
bleibt  ja  morgen  ein  ganzer  Sag , baran  zu  üben ! " " 
Sjerutf  töcpette  nur  — er  fannte  feine  ©cpüterin  unb 
tiefs  fie  gemäpren. 


115 


Sin  Sal)r  lang  ging  Srifa  bei  i £) nt  in  bie  Sef)re. 
Sann  trieb  ber  SBunfch , ficf)  unter  einem  beutfchett 
Öefjrer  p üeröotllommnen  unb  ihre  SluSbilbung  burd) 
Stntjören  guter  ÜDZufil  p förbern,  fie  nad)  ^Berlin.  Sie 
trat,  als  eine  ber  meiftüerfpredjenben  Kräfte,  in  Kul* 
laf’S  Slcabemie  ber  Xonhmft  ein.  Sa  itjr  injmifchen 
ber  Sob  aud)  bie  ÜDZutter  raubte,  ber  Statt)  ihres  Sltei* 
fterS  aber  fie  entfliehen  auf  bie  fünftlerifdje  Saufbat)n 
mieS,  oermeilte  fie  ftatt  eines  SBinterS,  mie  fie  anfangs 
geplant,  öier  »olle  Safjre  bafetbft,  mäfjrenb  ber  testen 
Hälfte  ibjrer  ©tubienjeit,  ba  fie  fidj  barauf  angemiefen 
fat),  gleichzeitig  als  Setjrerin  in  Kuttaf’S  Slnftalt  mir* 
fenb.  jeher  ber  atijährlid)  in  ber  Slcabentie  ftatt* 
finbenben  öffentlichen  Prüfungen  trat  fie  auf  unb  tier* 
abfdjiebete  ficf)  am  Snbe  itjreS  ^Berliner  SlufenthalteS, 
am  19.  Slpril  1866  mit  einem  eigenen  Soncert  im 
©aale  beS  ©cttaufpielljaufeS.  Ser  Srfolg  liefj  nichts 
p münfctjen  übrig.  „3n  ber  fünftlerifdfen  SOZitgift  ber 
Spielerin"  — oerjeidpete  bie  Kritil  in  ibjren  21nna* 
len*)  — „gehören  namentlich  eine  forgfältige , ben 
feinften  Sontouren  ber  Slufgabe  fich  anfdfmiegenbe  SBe* 
hanblung  beS  SonS,  mufterhafte  Klarheit  unb  Sauber* 
feit  ber  ffiguration,  enblid)  eine  bis  in  ben  fleinften 
Shell  burcfjfichtige  Öllieberung  beS  SSortragS“. 

SSon  ber  gleichen  Ölunft  getragen  mar  ihr  Srfdjei* 
neit  in  ben  Soncertfälen  ihrer  norbifcheit  ^eimat.  3n 
Shrifttania , Kopenhagen,  ©todljolm  erregte  fie,  als 
bie  erfte  ißianiftin,  beren  man  fid)  int  Storben  rühmen 
fonnte , 21uffel)en , ja  in  ber  fdjmebifchen  fpuptftabt 
fal)  fie  ficf)  pnt  @hrenmÜ9^e^  *>er  böniglicften  mufifa* 
lifchen  ülcabemie  ernannt.  1868  ftubirte  fie  auch  eine 
Zeitlang  in  ißaris  unb  concertirte  in  biefem  mie  im 


*)  Signale,  1866. 


116 


W~  — 

barauffolgenben  Saljre  in  Sonbon.  Sidj  in  einem 
doncert  unter  protection  ber  Pringeffin  oon  3Sale§, 
an  bie  fie  burcf)  beit  fdjmebifdjen  ©önig  unb  ben 
bänifdjen  ©ronpringen  empfohlen  war,  bei  ben  ©ng= 
länbern  einfütjrenb,  fati  fie  fiel)  batb  in  bie  ariftofra* 
tifdien  ©reife  gezogen,  benen  fie  freigebig  if)re  ©unft 
gunt  Söeften  gab,  ofjne  fid)  üon  ber  2lrt  ihrer  (Sefellig* 
feit  fonberlid)  angegogen  gu  fühlen.  ©in  mufifalifd)e§ 
©rlefmifj  jebod^  banft  fie  Sonbon,  ba§  fie  fetbft  al§ 
ba§  größte  if)re§  Sebeit§  begeidjnet:  bie  perfönlidje 
Söefanntfcfjaft  mit  S«tnp  Sinb.  ©in  93rief  £mlfban 
©jerulf’§  bahnte  if)r  ben  SSeg  gu  ber  großen  Sänge» 
rin,  beren  menfchlidje  toie  fünftleriftf)e  Snbiüibualität 
fie  mit  IföcEjfter  SSereftrung  unb  93etounberung  erfüllte, 
®ie  Sieber,  bie  ihr  jene  oorgefungen,  toaren  bie  erfte 
föiufif,  bie  fie  ate  in  üolter  Harmonie  mit  itjrer  eige» 
nen  Stiftung  fteljenb , hörte , unb  bie  fie  al§  eine 
it)rem  eigenen  (Seifte  oertoanbte  anfpradj. 

©rifa  felbft  pflegte  eine  geitlang  eifrig  ben  (Sefang. 
2ll§  eine  ©ranffjeit  ber  §anb,  tioit  ber  fie  in  (Saftein 
Teilung  fuc^te  unb  fanb,  fie  über  3df)re§frift  am  ©la» 
üierfpiel  üerl)inberte,  ergab  fie  fiel)  gang  bem  Stubium 
beg  (Sefangg.  3n  (Sefellfdjaften,  in  größeren  unb  flei» 
neren  ©reifen,  in  benen  man  fonft  it)r  ©laöierfpiel  be= 
mnnberte,  hörte  man  fie  nun  alg  Sängerin,  unb  toenn 
fie  aud)  alg  fotd^e  nidjtg  eigentlich  23ebeutenbeg  gab, 
fo  üerlief)  bod)  tf)r  feltener  Vortrag  ber  ©einen  aber 
jungfräulich  reinen  Stimme  einen  eigenen  gauber. 
ÜDZit  befonberer  SSorliebe  fang  fie  neben  Sdiumann’g 
Siebern  biejenigen  ©jerulf’§,  (Srieg’g  unb  anberer  ihrer 
norbifchen  ©omponiften,  bie  fid)  freuten,  ihre  (Sefänge 
oon  ihr  toiebergegeben  gu  hören.  Seit  fie  ben  (Sebraudj 
ihrer  §anb  mieber  gemontten  aber  oerftummte  ihre 
Stimme,  um  fortan  nur  noch  be§  Sonntagg  in  ber 


117 


w 


®ird)e  unb  bei  ber  attabenbtidien  §au§anbad)t  ju  er= 
Hingen. 

Sn  ihrer  Heimat  öiet  mit  Unterric£)tertf)eiien  be= 
fdjäftigt,  war  @rifa  aucf)  einen  SSinter  tjinburd)  — e£ 
war  int  Satire  1870  — at§  Sefjrerin  am  ©onferöato* 
rium  ju  Kopenhagen  tbjätig , wo  fie,  burd)  ©abe  be= 
rufen,  bie  Siede  be§  erfranften  ißrofeffor  SBinbing 
erfe|te.  2tud)  bie  Pforten  be§  Seipjiger  ©ewanb= 
f)aufe3  öffnete  if)r  juerft  be§  bänifdjen  5Dteifter§  (£m= 
pfetitung.  Unb  if)r  erfte§  ©rfdjeinen  bafeibft  fcfjon 
glich  einem  Siege.  2It§  fie  fidj  am  14.  Secember  1871 
mit  (£f)opin’§  Fmoll-Goncert  bem  öon  ben  Zünftlern 
gefürchteten , weit  mit  feiner  Slnerfennung  nicht  eben 
oerfchwenberifchen  ißubtifum  öorftettte,  gewann  fie  ba§= 
fetbe  fo  üottftänbig , bah  man  fid)  fofort  für  jwei  wei= 
tere  Güoncerte  ihrer  SJtitwirfung  öerfidierte.  ®ie  mufi= 
fatifihe  ißreffe  pries  mit  fettener  Übereinftimmung  bie 
Xrefftichleit  ihrer  Seiftungen , bie  tünftterifdje  Steife, 
ba§  fetbftänbige , burch  Seben§erfat)rungen  geläuterte 
Kunftbewuhtfein  ber  jungen  btonbtodigen  ÜÖteifterin ; 
ja  fie  fpradj  ba§  bebeutung§fd)Were  SBort  au§,  bah 
(Srifa  Sie  an  Stara  Schumann,  bie  &laüierf)eilige  ber 
Seipjiger,  erinnere.  „Sft  Sine  unter  ben  ctaüier* 
fpietenben  Künftterinnen",  twifst  tut  „ SDtufifatifchen 
23od)enbtatt"  (28.  Suni  1872),  „welche  berufen  ift, 
ganj  bie  §öt)e  biefer  unöergteid)tid)en  grau  ju  errei* 
dien  , fo  ift  e§  gewih  jene  jüngere  Künftterin.  Sie  hat 
wenige  Künftterinnen  be§  Statiierfpiet§  neben,  noch 
wenigere  aber  über  fid)." 

(Sintabungen  über  Sintabuugen  riefen  fie  nun  nach 
beutfchen  Stabten,  nach  §ottanb  unb  ber  Schweif  2Bo 
man  fie  hörte,  reihte  man  fie  ben  beften  ihrer  ®enof= 
finnen  an.  Schmeichelhafte  Anträge  tarnen  ihr  öon 
alten  Seiten  entgegen;  bocf)  wie§  fie  biefetben,  fobalb 

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» “TU 

fie  ihre  Setbftänbigfeit  ju  gefätjrben  brottten , unent* 
megt  jurücf.  Setbft  bie  öocfititg  einer  (Sotbreife  nach 
Stmerifa  ijatte  für  fie  nidjtö  23erfüf)rerifcf)e§.  Stützen 
$erjen§  lernte  fie  biefetbe  ab. 

3m  3ahre  1874  grünbete  fie  fidf  ein  ftitle§  jurücf= 
gezogenes  (Stücf,  inbem  fie  bie  (Sattin  eine§  prafti* 
cirenben  SIrjte§ , Dr.  £>§car  Riffen  in  ©friftiania , 
mürbe,  hinter  bem  S3eruf  ber  ipau§frau  unb  SJintter 
trat  je|t  ber  ber  ®ünftterin  jurücf , um  fo  mehr  ate 
ifjre  fcproache  (Sefunbljeit  ihrer  ®unfttf)citigfeit  ohnehin 
natürliche  Sdjrattfen  aufertegte.  Stfö  (Srmerb§quelte 
brauchte  fie  biefelbe  junt  (Stücf  nicht  ju  nuöen ; ba§ 
lebhafte  ^rttereffe  it»re§  (Semat)t§  aber  erhielt  ihre  $8e= 
jiehungen  jur  ®unft  attjeit  lebenbig , unb  at§  ba§  S3e* 
bürfnifj,  ÜÖiufif  ju  t)örert  unb  perföntict)  au^nübeit, 
fie  im  SSinter  1876  — 77  mieber  ju  einer  Steife  in’d 
Studtanb,  nach  ®eutfchtanb,  £>ottanb,  SSetgien,  ®äne* 
mar!  unb  Sdfmeben  brängte,  gab  er  ihr  babei  ba§ 
(Seteite,  ihren  fünftterifdjen  $mecfen  feine  tüiffenfd£)aft= 
liehen  öerbinbenb. 

Stücf)  1881  gab  fie  beit  ® openf)agenern,  bie  in  it)r 
tängft  ihren  erfanden  Siebting  feiern,  mieberum  (Se» 
tegenheit,  fid)  an  ihrem  Spiel  ju  erfreuen;  in  (£b>ri= 
ftiania  unb  ben  normegifcheit  Sßroüinjiatftäbten  aber 
faitn  mau  fie,  fobatb  ihre  (Sefunbheit  fich  babei  nicht 
eben  hiubertict)  ermeift,  attmintertich  hören.  (Sehen  oft 
auch  gan^e  fOtonate  in’ 3 Saitb,  ohne  bah  fie  nur  ihre 
Ipanb  auf  ben  fjlügel  fetjt,  ihr  Spiet  üerräth,  fobatb 
fie  at§  ®ünftterin  hertiortritt,  feine  naclftheitige  9tücf= 
mirfung  beffeit.  3ebe§  neue  Stuftreten  ift  für  fie  felbft 
„ein  mat)re§  ffreft"  unb  erfüllt  fie  mit  einer  fettfam 
feierlichen  Stimmung.  3hren  Setuf  unb  ihre  Stettuug 
bem  SSubtifum  gegenüber  nimmt  fie  fo  ernft,  bah  fie 
beim  Seginit  ihrer  SSorträge  oft  mit  grober  Stngftticf)5 

m,  JE 


119 


jß  " % 

. feit  ju  fämpfen  fjat  imb  fic^  meift  auf  ifjre  Snfpiration 
öerfaffen  muff,  bie  fie  benn  aucf)  faum  je  im  Stidfe 
fäfft , fo  grofie , fid)  felbft  bisweilen  unbewußte  2fn» 
fotberungen  fie  an  fie  ftettt.  Elfarafteriftifdj  bafür  ift 
beifpiefsweife  SofgenbeS : 93on  ber  ©irection  einer 
f)otfänbifdjen  Eoncertgefetffd)aft  ergäbt  fie  einft,  waf)= 
renb  fie  in  ®eutfd)fanb  reift , ein  Programm  mit  ber 
Anfrage  jugefanbt,  ob  fie  an  bem  bezüglichen  Eoncert» 
abenb  baSfefbe  ju  fpiefeit  bereit  fei,  ober  irgenb  welche 
Sfbänberung  baran  51t  treffen  wünfdje.  Sn  bemfetben 
finbet  fid)  unter  anberem  eine  ber  Heineren  CTompofi= 
tionen  Sdjumann’S  öergeic^net , wefdfe  fie  fjinreicfjenb 
51t  fennen  meint,  um  fie,  fobatb  fie  biefefbejtod)  ju= 
oor  einmal  auf  fftoten  burdjnimmt,  fpiefen  ju'fönnen. 
®enug , fie  ergebt,  ifjrer  fftatur  gemäfj,  feinen  SBiber» 
f^orucE).  Snbeffen  reift  fie,  ber  Sfngefegenljeit  nidjt  wei= 
ter  gebenfenb,  tion  Drt  ju  0rt  unb  erreicEjt  in  Sofge 
einer  23erfpätung  erft  am  felben  fSfbenb,  an  bem  baS 
Eoncert  ftattfinben  foll,  bie  betreffenbe  fjolfänbifdje 
(Stabt.  SntSSagen,  ber  fie  jum  Eoncertf)au§  füfjrt, 
erft  ruft  ifjr  bie  Srage  ber  Sdfwefter , wag  fie  tion 
fteineren  Stüden  fpiefen  Werbe,  bie  Sadje  in  baS  ®e» 
bädftnifj  jurüd . offne  baf)  fie  ifjrer  SSertegenfieit  ber 
Sdfwefier  gegenüber  SfuSbrud  giebt.  Snt  Sünftfer» 
jimrner  angefommeit,  forbert  fie  fofort  ein  Programm. 

2>a  ftefjt  in  ber  SOfat  ba§  erwähnte  Stüd.  Einiger» 
maffen  befangen  fetjt  fie  fid),  wie  bieS  ifjre  ©ewofjnljeit 
ift,  an  ben  Dfen,  fpieft  eS  auf  bem  ®nie,  geljt  es  in 
©ebaitfeit  burd)  — bleibt  aber  jebeS  ÜOtaf  bei  ein  paar 
Harmonien  fteden,  auf  bie  fie  fid)  fdffedfterbingS  nidjt 
befinnen  fann.  Sd)feunigft  fdjidt  fie  in  oder  Stifte  §u 
einem  fOiufifafienljänbfer  — bod)  bie  ffioten  fommen 
nid)t  meljr  redjtjeitig  in  ifjre  frnnb  : fie  muff  tior  ba§ 
fßubfifum  treten  otjne  über  bie  oerfjängnifjtiotfe  Steife 


120 


im  klaren  ju  feilt.  So  fpiett  fie  beitn,  unb  fieße  ba, 
bie  Snfpiration  !ommt  ißr  ju  |>ütfe  mtb  trägt  fie  fieg* 
reic^  mtb  oßne  fjefit  über  jebe  Ungemißßeit  ßinmeg. 
Scßmefter  3ba  freilich  faß  iitbeß  in  peintiotter  Stngft 
baneben.  „ 2Bie  in  aller  Sßett ",  ßerrfcßte  fie  nacß  be* 
enbetem  Spiet,  bon  ber  erlittenen  Stufregung  bebenb, 
(Srifa  an , „ mie  in  alter  SBett  fonnteft  bn  nur  barauf 
fommen,  bie#  Stücf  ju  müßten?  Sn  ßaft  e§  ja  nie* 
mat§  in  beinern  Seben  gefpiett?"  3n  SSaßrßcit  ßatte 
fie  e§  bi§ßer  nur  ooit  Stgatße  (Srößnbaßt,  ißrer  Sanb§* 
männin  unb  üunftgenoffin,  geßört.  Jpatte  (Srifa  biefe 
mit  ficß  fetbft  bermecßfett?  (Senug,  ißr  (Senie  ßatte 
ißr  gtüdjicß  über  bie#  gefäßrticße  Spiet  ßinmegge* 
ßotfen.  — 

3ßr  Seben  im  Sägticßen  ift  feßr  rußig  unb  prücf* 
gezogen,  ißrem  (Satten,  ißren  linbern , ißrem  §aufe 
unb  — nicßt  ju  bergeffen  — ben  Strmen  gemeißt.  Sie 
liebt  e§,  ißre  Seit  in  einer  faft  gefcßäftämäßigen  SSeife 
ein^utßeiten.  (Sin  paar  Stunben  mibmet  fie  tägticß 
bem  Unterricßtertßeiten.  Sie  ift  befonber§  begabt  ab? 
Seßrerin , unb  ißre  Scßüterinnen  ßängen  ißr  mit  gro* 
ßer  SSereßrung  unb  Siebe  an.  2tn  einigen  Sagen  ber 
SBocße  empfängt  fie  jn  beftimmter  Stnnbe  SSefucße; 
an  einem  gemiffen  Sage  aber  fteßt  jur  fetben  Seit  ißr 
£au§  ben  Strmen  offen.  Sie  ift  ungemein  gütig  unb 
tiebemsmürbig  gegen  biefetben.  Socß  giebt  fie  nicßt 
btinbling# , fonbern  läßt  e§  fidß  lieber  biet  Seit  unb 
SOJüße  foften,  um  bie  SSerßättniffe  jebe#  (Sinjetnen  auf 
ba§  genanefte  ju  unterfucßen,  beöor  fie  ißre  (Saben 
au#tßeitt. 

So  ßat  fie  ficß  buriß  ißre  menfcßticßen  mie  fünft* 
terifcßen  (Sigenfdßaften  bie  Siebe  unb  Söemitnberung 
ißrer  Sanbäteute  in  reicßem  SÖiaße  gemonnen.  S8ei 
greub’  unb  Seib,  bie  fie  treffen , fcßtt  el  nicßt  an  53e* 

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121  . 


w 


weifen  beffen.  Sie  finben  ein  taufenbfättig  Sctio  in 
Anbeter  föerjeit.  Stt§  Stuöbrud  ber  Serefjrung  if)re» 
eigenen  @5efcf)tecf)t3  warb  itfr  an  if)rem  §odheit§tage 
tion  ben  ®anten  be§  2anbe§  einer  ber  fdjönften  (£on= 
certftügel  3teinmat)’§  at§  Srautgefdjenf  bargebraiijt. 
SSätjrenb  einer  lebensgefährlichen  ^ranftfeit,  bie  fie 
oor  mehreren  Safjreit  befiel , aber  war  e»  ertjebenb  ju 
fet)en , wie  Sitte  wetteiferten,  itjr  itjr  SJtitgefütjl  ju  be= 
geigen , wie  §ocfj  unb  fftiebrig , Sttt  unb  3ung , 93e= 
fannte  unb  Unbefannte  fidh  in  ®unbgebung  ifjrer 
Xheilnahttte  unb  Iraner  gteidjerweife  erfinberifdfj  er» 
wiefen.  Sei  ben  öon  itjr  öeranftatteten  Gfoncerten  rei» 
djen  fetbft  bie  geräumigften  SoMe  nicht  au§,  bie  ÜDtaffe 
ber  fidh  tjerbeibrangenben  .ßuljörer  §u  faffen,  unb  ihrer 
finb  Siete,  bie  mit  ungefülltem  Sertangen  wieber  tjeirn» 
feljren  muffen.  §ineingeff»iett  unb  gelebt  tjat  fie  fidh 
eben  in  biefperjen  ihres  Sollet,  ba§  in  itjr,  rein,  ebet 
unb  geniat , wie  fie  ift , eine  ber  erften  Srauen  be§ 
Sanbeg  ehrt.  2)ie  fchöne  Übereinftimmung  , in  bie  fie 
itjr  Seben  mit  ilfrer  ®unft  gebracht,  barf  ihr , ba§ 
ift  gewifj , manche  ihrer  ^unftfdfweftern  neiben ! Sn 
fwetifdjer  SBeife  fdjitberte  benn  auct)  iljr  Sanb§mann 
Sjörnftjerne  Sjörnfon  (Srifa  Sie’»  ®ünftterfctjaft  wie 
folgt*)  : 

Sie  an  StorblanbS  gelfenroüfte, 

Über  buchtenreiche  füfte 
©onne  mübe  gebt  jur  9tüfte 
Unb  ftd)  über  Sälber,  hatten 
Seife  malen  blaue  ©«batten 
Unb  mit  Stbenbrotb  fi«h  gatten: 


*)  ©ie  freie  beutfdje  Überfclpung  ift  non  Simitbe  ©erwarb  in 
Seidig. 


k 


M 


122 


©o  meigt  Du  mit  fügen  Dönen 
9Menb  2ltleg  oerfdjönen, 

Siegt  unb  Dunfel  gu  oerfögnen, 

Dag  mir  mitempfinbenb  laufegen 
deiner  äftelobien  ^aufegen 
Unb  ent^üdte  SBlide  taufegen. 

glügel  gaft  Du  gleicg  Sibellen, 

Drägft  ung  gin  §u  ©een  unb  Duellen, 
©cgaufelft  ung  auf  äfteeregmeHen, 

Unb  alg  ob  Dein  (Seift  fie  riefe 
Unb  Dein  ©aitenfpiel  fie  fdgüfe 
Daucgen  Snfeln  aug  ber  Diefe. 

Unb  bie§  ©egaffen  ogne  ©nben, 

Diefeg  monneoolle  ©penben 
Danten  mir  ^roei  SJtäbcgengänben ! 

Sgr  gegeimnigoolleg  Seben 

Unb  igr  Daften,  ©egmingen,  ©egmeben 

Seig  ung  goeg  empor  gu  geben. 

SUleg,  mag  mir  tief  empfinben, 

Sag  mir  agnen  nur,  niegt  jtnben: 
Deine  Äunft  oermag’g  ju  fünben. 
Unfer  ©offen,  ©egnen,  3^gen, 
greub’  unb  Suft  unb  Seib  unb  Klagen 
tannft  Du  ung  in  flängen  fagen. 

Dag  igr  ©egen  Dicg  umminbe 
(Saben  ©Item  Dir,  bem  $inbe, 

Sn  bie  Siege  Slngebinbe, 

Die  alg  ^acgflang  burdg  Dein  Seben 
Dicg  oerflärenb  noeg  umfdjmeben, 

Dicg  mit  ©lücf  unb  ©lanj  umgeben. 


123 


$ater§  ©eift  Uel)  ®ir  bie  ©Zwingen, 
Stuf  §utn  §öd)[ten  l)in3ubringen 
Unb  nur  ©d)öne3  anjuflingen. 

Sa§  in  ifyrer  ©eele  blühte, 

^3flan§te  tief  ®ir  in’§  ©emütlje 
9)?utter3  fromme  ^er^en^güte. 

£>olbe  Saub’rin  oljne  gef)le, 

Sungfrau  mit  ber  $inberfeele, 

3)ie  idj  ®otte§  §ut  empfehle, 

$DHt  $urora’§  ginger  male 
Un§  bie  Seit  im  rof’gen  ©trafyle, 
25lonbe  9Jlaib  nom  ©lommentfyale! 


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1 


ärdjengteicf),  wie  ein  für  furje  grift  in  bic 
Sßirfliddeit  getretenes  IfoI)e§  fünftlerifd)e§ 
lybeal,  gemahnt  ben  einftigen  Slugen»  unb 
D^renjeugen  ber  SiSjt’fdjen  9Jlufifferrf<f)aft 
in  SBeimar  bie  geit,  ba  ber  „tauberer  tion  ber  Sitten» 
bürg"  bafelbft  nod)  ben  ©apettmeifterftab  fdjwang  unb 
3Im  = Sitten  nad)  einer  ©podje  Ijöcbften  bid)terifd)en 
©lanjeS  aud)  eine  mufifalifdje  SBbüte  feltenfter  SIrt 
feierte.  9tief  nic£)t  baS  SKufiffcepter  beS  gewaltigen 
ÜDtanneS,  Wie  einft  ber  ÜDtofeSftab  aus  tobtem  ©eftein 
ba§  lebenbige  SBaffer,  t»ier  einen  neuen  Sonquell  in’S 
Seben?  ©etbftf c£) öpf erif er  ©eniu§,  itnnacf)al)mlid}er 
Interpret  ber  üongeifter  ber  S3ergangenf)eit  unb 
(Gegenwart  am  ©latiier  Wie  im  Drdjefter,  lefjrenb 
unb  leitenb,  fdfaffenb  unb  reprobucirenb  neue  Dffen» 
barungen  tiinbenb,  bie  eigene  ©röfje  für  ba§  nod) 
Unbefannte  ober  53erfannte  einfefjenb  unb  fo  bem 
©wigen  wie  bem  geitlidfen  in  feiner  Sanft  jit  feinem 
ungefdjmälerten  9ted)t  berlfelfenb : crffob  er  bie  alte 
fädffifdfe  SJZufenftabt  ju  einem  Stittelpunft  nutfifa» 
lifdfen  Sehens  unb  einer  neuen  poetifirenben  Sanft» 
ridftmtg,  ju  einem  ,3iel=  unb  SBallfalfrtSort  aller  ftre» 
benben  mitftfalifdfen  ©eifter.  3«  feinen  güffen  fitjenb, 
in  bunter  ffteilje  um  ifjn  tierfammelt  faf)  man  fie  ba 
Sitte,  bie  Präger  ber  öornefpnften  mufifalifdien  Slamen 
unfrer  Xage.  S)ie  SSeften , bie  bie  tjeutigc  ÜOtufifwelt 


nennt  unb  tennt,  fie  gingen  bei  ifjm  in  bie  Setjre, 
ober  erfuhren  bod)  für  längere  ober  fürjere  3eit  feine 
(Saftfreunbfdjaft.  §an§  tion  Söütow  unb  Xaufig , tion 
S3ronfart  unb  ®tinbwortt),  fßrudner  unb  SabaSfopn, 
goadjim  unb  Saub,  9tement)i,  SDamrofdj,  33ieujtemp§, 
®orneliu§,  Sräfede,  Staff,  Saffen,  S5ral)m§,  Stubin* 
ftein,  SBagner  unb  SSerlioj,  fie  wufjten  unb  wiffen  Sitte, 
wa§  fie  Si»jt  unb  feiner  tebenfpenbenben  Sßirtfamfeit 
in  SSeimar  bauten.  Unitierfett  toie  ber  SDZeifter  fetber, 
ber  bie§  neue  i^unftleben  Wedte , aber  muffte  audj  ber 
®rei§  berer  fein,  bie  ficf)  um  itfn  fdjarten.  SDtänner 
ber  2Biffenfd)aft,  SBidjter,  ÜDtater,  33üf)nenfünftter  — 
e§  fei  t)ier  nur  an  (Senetti,  Bretter,  Stautbad),  Stiet* 
fcEiet,  fwffmann  tion  gattergleben,  $ebbet,  Stuerbad), 
greptag , Sltfreb  SO^eifsner , 2>ingetftebt , Stoquette, 
Stanf,  ®enaft,  tion  ÜDtitbe’d , Sawifon,  ®etirient, 
fßautine  SSiarbot  erinnert  — ntifcfjten  fict)  unter  bie 
SÖtufiter,  alte  feinen  unb  fdjönen  ©elfter  waren  Witt* 
fommen  auf  ber  „ Stttenburg ",  Wo  mit  Si§jt  jugteicE» 
atö  §errin  be§  §aufe§  gürftin  ©arotine  tion  Sßittgen* 
ftein  — eine  grau  tion  f)ot)er  geiftiger  Söebeutung  — 
tpof  f)iett. 

hinein  in  biefe  tion^unft  unb  (Senie  burcpftrömte, 
tion  geift*  unb  anmutpreidfen  grauen  belebte  Sttmo* 
fppäre  trat  — im  Sommer  1858  war  e§  — eine  junge 
^unftnotiise:  eine  bocpgewacpfene  adjtjepnjäprige  33ton* 
bine  tion  tiornepmer  @rfd)einung,  beren  garte,  burcp* 
fic^tige  Scpönpeit  unb  blaue , ein  wenig  tüpt  btidenbe 
Stitgen  bie  Storbtänberin  auf  ben  erfteu  23tid  erfemten 
tiefen,  gttgeborg  Start  nannte  fie  fiep  unb  at§* 
batb  tegitimirte  fie  fid)  in  SSaprpeit  at§  eine  ber  Star* 
ten,  bie  e§  wagen  burften,  ben  oberften  §errn  unb 
SJteifter  be§  ©tatiierfpiet§  um  bie  ©unft  feiner  Unter* 
weifung  ju  bitten.  Sludp  als  ©omponiftin  ftettte  fid) 


128 


\W  - ' m 

it)m  bie  warm  ©mpfofjtene  oor.  Sie  bradjte  atterljanb 
©etbftgefdjriebeneS,  barmtter  eine  Slnzalfl  üon  ©tarier* 
fugen  mit.  Silit  mochte  es  feltfam  bebünfen,  baff  bie 
jugenblictje  iDüibd)enp£)antafie  ficfi  innerhalb  ber  ftreng* 
ften  ®unftform  gefalle;  üietleidjt  and)  Wollte  er  fidj 
oergewiffern,  ob  fie  ofjne  frembe  Söei^iilfe  fdEjaffe,  ge* 
nug , er  Ifiefi  ifjr,  eine  neue , üon  ber  SBeimarer  Suft 
gezeitigte  guge  ju  fdfaffen.  Sticfd  lattge  währte  eS,  ba 
legte  fie  it)m  biefetbe  auf  baS  ©laüier.  ©igent)änbig 
fpiette  er  fie  burd),  bann  fdfaute  er  bie  ©omponiftin 
läcfjelnb  an : „§m,  Sie  fefjen  gar  iticf)t  barnacl)  aus !" 
meinte  er.  „Sinn  id)  bin  redjt  frot»,  baff  idj  nicE)t  wie 
eine  $uge  auSfelje ! " lautete  bie  fd^neUe  ©rwiberung. 

Sie  fc^Iagfertige  SlntWort  beluftigte  ben  ÜDleifter  ber 
rebenben  Sunft : @d)ön*Sttgetwrg  gehörte  halb  ju 
feinen  erflärten  Sieblingen.  „ Söer  weif; , üielleidft 
werben  @ie  nocl)  bie  (Seorge  ©anb  ber  ÜOtufif!"  fagte 
er  it)r  einmal  in  feiner  liebenSWürbig  aufmunternben 
SSeife.  Sind)  feinen  ©djütern  ttjat  eS  bie  äftitfdjüterin 
an ; halb  fcliWärmten  fie  alle  für  bie  blonbe  ©djwebin, 
bie  nad)  SBeimar  lam,  bamit  fid)  if»r  ©djidfal  bort  er* 
fülle.  Unb  weit  fam  fie  b»er. 

Sm  .'perlen  beS  ^eiligen  ruffifc^en  dteidiS,  in 
©t.  Petersburg , ber  ©jarenftabt , ftanb  Sageborg’S 
SSiege.  Sort  begrüßte  fie  am  24.  Sluguft  (baS  ift  am 
12.  rnffifdier  .geitredjnung)  im  Satire  1840,  um  mit 
IpanS  üon  Pütow  ju  reben,  jum  erften  SJlale  „baS 
Sunfet"  biefer  SESett.  ©teid)Wot)t  war  9tufjlanb  nid)t 
i£)re  eigentliche  §eimat.  ©djwebifdje  ©Itern,  bie,  ob* 

Wol)t  feit  langen  Satiren  bafetbft  angefiebett,  fdfwe* 
bifc^e  Untertanen  oerblieben , gaben  tpr  baS  Sehen. 

Sf»r  eigentliches  Paterlanb  f»at  fie  bis  auf  biefen  Sag 
not  nicht  mit  Singen  gefefjen.  Ser  aus  ©todlfolm 
gebürtige  Pater,  Dtto  2Bitf)elm  ©tarf,  gehörte  jur 

__ __J 


ßa  ÜDZara,  StuMenföpfc.  V.  129 


9 


ruffifdjen  SaufmannSgilbe  unb  war  SDiitglieb  beS 
fdjwebifdjen  SirdfenratfieS  in  Petersburg,  wo  er  nod) 
gegenwärtig  als  Priüatmann  lebt.  ®ie  oor  fünf  3a£)5 
ren  geftorbene  SDlutter,  SJiargarettje  (Slifabetf)  geb. 
Ddermann,  war  bie  Xocfjter  eines  fdjwebifdjen  f>aupt= 
ntannS,  ber,  nadjbem  er  feinen  2tbfdjieb  genommen, 
fid)  in  ginntanb  nieberlie^  unb  eine  ber  Södjter  beS 
SanbeS  pm  SBeibe  nahm.  ©ine  einzige,  um  jwei 
Satire  ältere  Sdjwefter,  Dtioia  — fie  öertjeiratete  fidj 
fester  an  einen  ruffifdjen  Dberft  fdjwebifdjer  2lbftant= 
mung , (Sraf  ©ronijjelm  — , unb  ein  P etter,  ber  im 
§aufe  mit  ben  Sdjweftern  erjogen  würbe,  waren  bie 
dtefäfjrten  üon  Sngeborg’S  S'inbfieit.  Surd)  ba§  Piotin= 
fpiel  ber  SOlutter , bie , otjne  je  Unterricht  gehabt  p 
tjaben , ja  ohne  audj  nur  bie  fjloten  p lernten  , atteS 
nadj  bem  (M)ör  fpiette,  burd)  baS  Stötenfpiel  beS 
PaterS , bie  fdjwebifdjen  Sieber,  wetdje  bie  §auSf)äU 
terin  ütbenbS  pr  (Suitarre  fang , empfing  baS  Sinb 
feine  erften  mufifalifchen  Gtinbrüde.  Unb  frühzeitig 
fdion  erwarte  in  if)m  bie  Suft  pr  ®mtft  ber  SEöne ; 
benn  als  bie  neun  Sahre  alte  ©djWefter  ben  erften 
ßlaüierunterridjt  ermatten  foltte , für  ben  man  Snge= 
borg  nodj  p jung  eradjtete , bat  fie  fo  lange  unb  in= 
ftänbig,  bis  fie  ben  ©ttern  bie  ©rtaubnifj  pm  Pegimt 
ber  Sftufitftunben  abrang.  @djon  in  ber  erften  Section 
meinte  bie  Setjrerin : „ SDie  Steine  fdjeint  öiet  latent 
p fabelt",  unb  efje  ein  halbes  Sat)r  tierging,  Tratte 
fie  bie  ältere  @d)Wefter  bei  Weitem  überflügelt,  Üant 
fie  and)  nic£)t  gar  tiiel  jum  Üben;  benn  Unterricht 
unb  Schularbeiten  in  bem  Penfionat , baS  fie  mit  ber 
Sdjwefter  gemeinfam  befudjte , gaben  itjr  tjinreidjenb 
p tf)un  — fie  lernte  unter  Slnberem  fünf  (Sprachen : 
fRuffifd^,  SdjWebifdj,  granpfifcfj,  S)eutfdj  unb  Stalie= 
nifdj  — fie  machte  beffenungeadjtet  fo  überrafdjenbe 


i—  “* 

Sortfdjritte,  baff  ti)r  3Sater,  umfomehr  afS  fie  mit  bem 
achten  S<ihre  and)  bereite  afferlfanb  SOJelobieu  unb 
ffeine  £änje  ju  comboniren  anfing , fi«f)  nach  einem 
geeigneten  Sefjrer  für  fie  umfaf).  SBei  23af)f  beS  fe|te» 
ren  §og  er  einen  anSgejeid)neten  ®ifettanten,  AicofaS 
öon  SDiartinoff  ju  fRattje,  ber,  ein  ehemaliger  Offizier, 
jit  ben  erften  ffamitien  Petersburgs  gehörte  unb,  mit 
SiSjt , SEfjatberg , Aboff  §enfeft  befreunbet , mit  allen 
bebeutenben  Zünftlern  in  Serbinbung  ftanb.  Obgleich 
er  fonft  feinen  Unterricht  erteilte,  intereffirte  if)n, 
nacf)bem  er  Sngeborg  gehört , baS  ©bief  beS  jetjnjäf)* 
rigen  ®inbeS  bergeftalt , baff  er  fie  jur  ©chüferin  an» 
nafjm.  Auch  bei  feinen  ©ftern,  mit  beiten  er  pfammen 
lebte , war  fie  mit  ihrer  @cf)Wefter  halb  Wie  ®inb  im 
Haufe.  ®ie  ©tunben , in  benen  fidj  ber  alte  £err  oon 
äftartinoff,  ein  oieffeitig  gebitbeter  unb  gelehrter  ÜDJann, 
mit  ihr  befcEjäftigte , jähft  fie  ju  ben  intereffanteften 
ihre§  SebenS.  SDfufifafifcfie  ©enüffe  eröffneten  fich  ihr 
burch  ben  Umgang  mit  ber  gamifie  mannigfaft.  Sn 
ber  itafienifchen  Ober  abonnirt,  nahm  biefetbe  bie  eif» 
rige  ^nnftjüngerin  häufig  mit  in  ihre  Soge , unb  fo 
hörte  fie , ba  in  Petersburg  bie  beften  unb  berühmte» 
ften  itafienifchen  ©änger  unb  Sängerinnen  engagirt 
Würben,  oft  unb  gut  fingen. 

®aS  elfte  S<*hr  f>a^e  Srcgeborg  erreicht,  afS  fie  bei 
Eonftantin  $eder,  einem  trefflichen  ©faüierfbiefer  unb 
©omboniften,  auch  Harmonielehre  P ftubiren  begann, 
unb  bieS  mit  fo  gutem  (Srfolg , ba|  fie  fcfjon  ein  Sßhr 
fpäter,  als  fie  ihr  erfteS  Gbncert  im  ©aale  beS  ©rafen 
®ufcf)efeff»PeSborobfo  oeranftaftete , eine  eigene  Heine 
©omgofition  für  Orcfjefter,  bie  oon  ihrem  Sefjrer  in» 
ftrumentirt  Worben  War,  §itr  Aufführung  bringen 
fonnte.  $aS  ©rfte,  was  fie  öffenttidh  ffiefte,  waren 
bie  Preciofa»i8ariationen  Oon  ÜDfenbefSfofm  unb  5£>?o» 


9* 


131 


fdjeled  für  jrnei  ©tatoiere  mit  Driijefterbegteitung.  2tm 
jmeiten  ©taöier  mar  itjr  ÜDteifter,  oon  SKartinoff , it)r 
Partner.  ®a§  ißubtifum  mar  freigebig  im  93eifaII= 
fpenben,  uttb  bie^ritif  fpradj  fic£)  fefjr  günftig  au§,  ber 
Debütantin  atte§  @cE)öne  für  bie  3ufunft  meiffagenb. 

ffortan  gab  fie  alljährlich  ein  großes  ©oncert  mit 
Drdjefter , babei  ©hren  unb  in  reifer  Sütte 

einfatnmelnb.  33iet  bemunbert  mürbe  bie  ©eifte§gegen= 
mart  unb  Sicherheit  be§  bierje^njätjrigen  9Jtäbcf)en§ 
gelegentlich  eine§  biefer  ©oncerte,  ba§  im  Sweater 
SOtictjet  ftattfanb.  Sie  fpiett,  nom  Drdjefter  begleitet, 
©Ijopin’d  E moll-©oncert  frei  au§  bem  ©ebächtnifj,  at§ 
ptöhtidj  eine  Saite  reifjt  unb  in  ben  benachbarten  ®ai» 
ten  bernet)ntbar  ju  Wirren  anfängt.  -Jtiemanb  fommt, 
bie  Störung  ju  entfernen;  fo  aber  mit  bem  tauten 
©eftirr  fann  fie  nicht  meiter  fpieten.  ®a  hilft  fie  ficf), 
fdjnett  entfdjtoffen,  fetbft.  ÜDtit  ber  rechten  fjanb  reifjt 
fie  bie  ©aite  Ijeraud  unb  mirft  fie  hinab  in’d  ißarquet, 
mit  ber  Sinfen  inbeffen,  ohne  herauf  ju  fommen,  mei» 
ter  fpietenb.  Sn  einer  SSiertetminute  geht  ba§  atted 
oor  fidj,  fie  fetbft  meifj  faum  mie ;'at§  aber  ber  fritifdje 
SDtoment  tiorüber  ift,  bricht  ba§  gefammte  ißubtifum 
in  tauten  Subei  au§. 

Snt  §aufe  ihrer  ©ttern,  in  bem  bie  Ijerborragenb» 
ften  Zünftler  au§  unb  ein  gingen , mürbe  möcfjentlid) 
einmal  ÜDfufif  gemacht,  unb  fo  fanb  bie  junge  SSirtuofin 
©etegenheit,  oft  oom  S3tatt  ju  begleiten  unb  fidj  eine 
grofse  ©emanbtheit  im  prima- vista-Sefen  anjueignen. 
Da§  ©omponiren  mürbe  baneben  nicht  bernadjtäffigt; 
mie  benn  iljr  fdjöpferifdjeS  latent  mehr  noch  ihr 
reprobuctiöeg  bie  Stjeitnahme  Stnton  9tubinftein’§  er» 
regte,  ber  fie  in  ihrem  jehnten  Safme  f ernten  lernte 
unb  ihr  big  auf  biefen  Sag  eiu  marmer  Sreunb  ge» 
blieben  ift.  Jpatte  fie  fdjon  mit  breijetjn  Suhren  brei 


-_ä 


132 


r 


(Stuben,  eine  £arantede  unb  ein  Siocturne  für  piano« 
forte  öeröffenttidjt , fo  fcßrieb  fie  ein  paar  Saßre  fpäter 
(Sonaten,  Sugen,  Sieber  unb  bergteicßen.  ®abei  trieb 
fie  aucß  atterßattb  förderliche  fünfte  unb  Übungen. 
Sßäßrenb  ber  Sommerzeit,  bie  fie  regelmäßig  auf 
Ptartinoff’S  ©ute  am  Stettmftranb  jubracßte,  lernte  fie 
Schwimmen,  Peiten,  Pittarbfpieten,  unb  ihre  Sterben, 
bie  früher  fo  empftnbftdj  maren,  baß,  afö  fie  mit  neun 
Saßren  jum  erften  Pta!  Strio  fpiette,  ber  gufammen« 
ftang  ber  Snftrumente  fie  oßnmäcßtig  macßte , fräftig« 
ten,  ißre  ©efunbßeit  ftäßtte  ficß. 

Saft  auSfcßfteßftdj  oerfeßrte  Sngeborg  in  ben  muß!» 
gebitbeten  Steifen  ber  ßoßen  ruffifcßen  3triftolratie , 
beren  auSertoäßlter  Siebting  fie  toar.  ©ent  fcßmüdte 
man  mit  ißrem  latent  bie  gefedigen  Sefte-  @o  naßm 
fie  bei  ber  ©roßfürftin  ©onftantin , bie  ißr,  mie  fpäter 
bie  ©roßfürftin  ifetene,  ißre  befonbere  ©unft  sumanbte, 
an  einer  bramatifcßen  Sarfteltung  Stßeil , melcße  jur 
Seiet  be§  ©eburtStageS  be§  ©roßfürften  in  ißrem 
Sommerfcßtoffe  ;$uPamtott>gf  bei  Petersburg  ftatt  fanb. 
©ine  Operette  »Arlequin  prestidigitateur« , bie  ©raf 
Sodoßub , ber  namßaftefte  ber  bamaligen  ruffifcßen 
Scßriftfteder,  für  Sngeborg  gefcßrieben  unb  bie  ©arl 
Semp  in  Piufif  gefeßt  hatte,  tarn  babei  mit  !yngeborg 
als  ©otombine  jur  Puffüßrung. 

2ÜS  Scßaufpielerin  unb  Sängerin  and)  trat  fie 
ißrem  fpäteren  ©ernaßt  £>an§  öon  Pronfart  juerft  ent« 
gegen,  at§  furj  juüor  bie  Puffüßrung  beSfetben  Stiicfes 
ißn,  beffen  pianiftifcße  SDteifterfcßaft  Petersburg  foebeu 
betounberte,  im  §aufe  be§  Sürften  ©atißin  unter  ben 
©äften  faß.  SDocß  erft  nadjbem  fie  ficß  fpäterßin  in 
SBeimar  toieber  begegneten , fottten  fie  einanber  näßer 
treten.  §inauS  in’S  SBeite  brängte  fa  Sngeborg’S 
Sünfttertrieb ; ßinauS  in’S  SluStanb  aud)  toieS  fie 


M 


f — «r 

Sftartinoff’g,  be§  2el)rer»  unb  ffreunbe§,  fürforgticffer 
IRatt).  (Sr  tjatte,  bei  2tue>brud)  be§  &rimfriege§  wieber 
in  bie  Slrmee  eintretenb,  feine  ©dfülerin  ber  ntufifali* 
fdjen  0bf)ut  Slbolf  fpertfelt’S  übergeben.  -Jiacf)  nalfeju 
jweijä^rigen  ©tubien  unter  gütfrung  be§  ate  Sbmpo* 
nift,  Virtuos  unb  ißäbagog  gleidjerweife  berühmten 
ÜDteifter§  glaubte  er  nun  ben  rechten  Beitpunlt  für  fie 
getommen,  mit  ber  SBett  unb  bem  Sünftteben  and) 
auffertjalb  9tu^tanb§  in  23ejiefjung  p treten.  SOlit 
feinen  (Smpfeijlungen  auSgerüftet,  ging  fie,  tion  SJiut* 
ter  unb  ©djwefter  geleitet , pnädjft  nacfj  Seutfdjlanb 
unb  wanbte  fid)  bort  bem  SRittelpunlt  einer  neuen 
lebenSfräftig  aufbtüfienben  ®unftfcf)ule  p : fie  fam 
itad)  Sßeimar,  um  fid)  begeiftert  benen  p tiereinen, 
bie  ficf)  um  Sranj  2i§jt’§  gaffne  fdjarten. 

Bwei  ©ommer  tiermeilte  fie  bei  if)tn , ber  ilfrer 
®ünftlerfcfjaft  bie  teijte  SSolleubung  gab  — nad)  ifjren 
eigenen  Sßorten  eine  für  fie  unbergefjtid)  fcfföne  unb 
genuffreidje  B^t-  SJlit  ben  ©dföpfungen  ber  größten 
XonbicEjter  alter  Briten  madfte  fein  untiergleid)lid)e§ 
Sefjrgenie  fie  befannt.  „©eine  Seitung",  bezeugt  fie 
felbft,  „f)at  mich  tior  lünftlerifdjer  ©infeitigfeit  be= 
waf)rt,  unb  ba§  Söeifpiel  biefer  trmnberbaren  ftünffler* 
natur  lehrte  micf),  ba§  ©djöne  in  ber  SDtufit  überall 
p fudfen  unb  in  micf)  aufpnefjmen , gleidjtiiel  welcher 
Sflidftung  i£»r  ©cfjöpfer  angefjörte".  2luf  ba§  ©latiier* 
fpiet  legte  fie  je|t  ba§  |>auptgewid)t,  nur  beider  würbe 
eine  ©onate  componirt.  23ei  ben  allfonntäglicf)  auf  ber 
eilten  bürg  ftattffabeuben  SDtatineen  war  fie  oftmals 
bie  Sluäerwäfjlte,  bie  mit  bem  SDteifter  tiierfjäitbig  unb 
auf  jwei  ßlatiieren  tiom  SSlatt  Rieten  burfte.  Bwifcf)en= 
burc|  bebütirte  fie  and)  beifpofe,  im  Sßinter  1858 — 59 
and)  im  Seidiger  @ewanbf)au§,  in$re§ben  unb  fßari§. 

Sin  berS'ünftlerfafjrt,  bie  Si§jt  unb  bie  ©einen  in  ben 

:d 


134 


W~  ^5 

erften  Sunitagen  1859  nacf)  Seipjig  jur  Xonfünftler* 
oerfantntlung  führte,  bereit  folgenreiche^  Srgebnifi  bie 
(Sriinbung  be3  „ SlUgemeinen  beutfdjen  3Jhtfifberein£  “ 
toar,  nat)tn  fie  XE) eil.  Unter  ber  ,3af)I  ber  Übrigen  toar 
audj  ber  it)r  fdjon  üon  ^ßetergburg  tjer  befannte  §an§ 
oon  Sronfart,  ein  feiner  Klatnerf vieler  nnb  SontpO' 
nift , ber  alz  einer  ber  beüorjugtefteu  jünger  ßi§jt’§ 
fidf)  nnt  biefe  geit  toieber  in  SBeintar  aufljielt.  gf)n 
uafjnt  @djön=Sngeborg  in  if)ren  93amt,  nnb  halb  nacf) 
iffrer  9tücffet)r  nacf)  Sßeimar,  am  15.  ^nn i,  fpracf)  fie 
ba3  Sßort,  ba§  if)r  Sebett  an  ba3  feine  battb. 

D fcpnfter  ©ag  oon  allen  frönen  ©agen, 

©a  idj  mein  §eil,  mein  §immelreidj  errungen, 

©a  ©idj  mein  2lrm  gum  erften  umfdüungen, 

©en  erften  $uf$  idj  bebenb  öurfte  magen! 

2öie  id)  ©idj  liebe,  fann  fein  SSort  ©ir  fagen; 

©od)  habend  meine  Sieber  ja  gejungen, 

©ie  febnfudjtSooll  ^ur  @eele  ©ir  gebrungen, 

SBerfünbenb  böcf)fte§  ©lüdf  au§  tiefften  Klagen. 

Unb  alle  Blumen,  bie  im  Sen§  erblühen, 

ülftödjt’  idj  für  ©id)  §um  buft’gen  ©traufi  oerbinben, 

2fu§  allen  @ternen,  bie  im  Sitter  glühen, 

Sin  ftrablenb  ©iabern  um’3  §aupt  ©ir  minben  — 

! fel’gen,  fdjönften  SoE)tt  für  ruf)lo§  üftuben 
3n  ©einem  lieberollen  23lid  nur  finben ! 

@o  feiert  ber  Sräntigam  bie  geliebte  S3rant , nnb 
biefe  eine  93Inme  au3  bem  ©onettenfranj , ben  er, 
®id)ter  unb  SKufifer  jugleidj,  für  fie  gettmnben,  $eugt 
berebt  genug  oon  bem  ®füd , ba3  er  in  ifjrent  SSefi^ 
gefunben. 

Sljre  Sünfttercarriere  feilte  fie  für  3 Srfte  fort  unb 
lieft  fid)  juoörberft  in  Petersburg  unb  Paris  appfau* 
birett.  21n  letzterem  Drt,  mo  fie  aufter  SRoffini  unb 

s fc.  M 


135 


W~.  " 

Stüber  aud)  Stidjarb  SBagner  lernten  lernte,  ben  ißro* 
Ben  unb  Stuffüprung  feines  „SEannbäufer“  bafetBft  be* 
fd^äftigten , mar  ipr  ba§  ©tüd  faft  nocp  mepr  at§  bet 
itjrem  erften  Befucpe  im  borpergepenben  3<*pre  t»otb, 
obmopt  man  ipr  fcf»on  bamatS  in  SBort  unb  Bitb, 
poetifcp  ttnb  materifcp  — fetbft  in  ©aricaturen , mie 
bie§  bajumat  in  SßariS  ÜOtobe  mar  — geputbigt  patte. 
©efunbpeitSrüdficpten  nötfjigten  fie  fobattn,  ipre  con* 
certirenbe  tEpätigfeit  mepr  at§  t£)r  fetbft  ermiinfcpt  fam 
auf  ®anjig  (ben  SlufentpattSort  bon  Bronfart’S  fframi* 
tie) , Seipjig , mo  ipr  Bertobter  bie  ©irection  ber  @u= 
terpe  fiifirte,  unb  Sömenberg,  ben  Stupefip  be§  dürften 
tpopensotterndpecpingen,  gn  befcpränfen. 

SDie  beiben  teptgenannten  Orte  blieben,  aufjer  einer 
gtänjenb  bertaufenben  Steife  in  bie  Dftfeeprobinjen, 
aud)  in  ber  näcpften  Saifott  bie  mefentticpen  Stätten 
ipreS  SBirfenS.  SieSmat  jebod)  fapen  fie  Sngeborg 
unb  |>an§  als  gtiidticpeS  ©pepaar:  am  14.  Septem* 
ber  1861  patten  Beibe  ju  Königsberg,  bapin  Bronfart’S 
Bater  mitttermeite  berfept  morben  mar,  ipre  Bermäp* 
tung  gefeiert.  Sie  Sommermonate  meift  in  ber  Samitie 
beS  SJtamteS  berbringenb , bertebten  fie  ben  SBiitter 
1862 — 63  in  SreSben,  unb  |>anS  bon  Bronfart  ber* 
anftattete  ba  unter  SJtitmirlung  feiner  ©attin  eigene 
2tbonnement*©oncerte  (Spmpponie*  unb  Kammerntufil* 
auffüprungen) . !ym  näcpftfotgenben  Sapre  aber  trat 
er  atS  tpanS  bon  Biitom’S  Bacpfotger  bie  Seitung  ber 
„ ©oncerte  ber  SDtufiffreunbe  “ in  93erlin  an , unb  mit 
ber  preufjifcpen  Stefibenj  bertaufcpten  fie  nun  bie  fäcp* 
fiftpe.  SBäprenb  iprer  §meiminterticpen  Stiebcrtaffung 
bafetbft  tief?  fiep  bie  junge  3rau , naepbem  fie  fiep  in 
einem  ber  bon-  iprem  ©atten  geleiteten  ©oncerte  mit 
SiSjt’S  Bearbeitung  ber  Scpubert’fdjen  C-dui-tßpantafie 
einen  erften  bitrcpfcptagenben  ©rfotg  erfpiett,  mieber* 


136 


f)oft  öffentfidj  f)ören.  2lud)  in  beit  ®onner§tag*@oireen 
ber  Königin  unb  bei  ber  fmtftfinnigen  ißrinjeffin  grieb» 
rid)  Karl  fpiette  fie  be§  Öfteren , üon  beiben  fjotjen 
grauen  wie  üon  ber  Sronprinjeffin  mit  ifjrer  befonbe* 
ren  unb  bauernben  Kunft  befdjenft. 

giir  ba§  eigene  ^mftrument  auSfdjfiefjfidj  fiatte 
Sttgeborg  — begreif  tief)  bei  ber  SSirtuofin  — jitnäcbft 
gefdiaffen.  ©ie  fjatte,  af§  umfängfidffte  ibjrer  bisherigen 
Arbeiten,  fidb)  jufefjt  and)  ein  Slaüierconcert  (mit  ör» 
djefter)  in  bie  ginger  gefdjrieben , ba§,  af§  fie  e§  hier 
unb  bort  (unter  anberem  in  fpannoüer  unter  Soadjim’ä 
©irection)  öffentticf)  üorfüfirte,  jwar  ifjre  SSirtuofität 
in  f)ette§  Sid)t  fe|te,  ob  feiner  „ftarf  3Bagner=futurifti» 
fdjen  gärbung",  feiner  gactur  tc.  aber  üon  ber  Sritif 
üieffadf  bemängelt  Würbe,  ©eit  bem  3af)re  1864  wen» 
bete  fie  fid)  nun  audj  ber  (Sefangcompofition  •$«.*) 


*)  Veröffentlicht  mürben  hon  (Sompofitionen  3.  h.  Pronfart’S  : 

3  (Stüben,  1 Tarantella,  1 Nocturne  für  Vfte.  Petersburg,  Pernarb. 
6 rufftfehe  Sieber  (hon  Sermontoff) . Petersburg,  3oI)anfen.  [1855. 
Sorelety  für  1 ©ingft.  mit  Pfte.  SOtainj,  ©d)ott. 

3 Sieber,  §annoher,  CRaget. 

4 (Stahierftütfe.  Ptainj,  ©d)ott. 

PioIin*9toman$e  mit  Pfte.  Söeimar,  Äüfyn. 

3 :patriotifd)e  Sieber.  ü)tainj,  6d)ott. 

Jpurral)  ©ermania".  Ptännercfyor.  £annoher,  ©cfylüter. 

„5tennft  bu  bie  rotfye  Otofe  nicht".  Ptännerdior.  Söeimar,  $üfyn. 
Äaifer*PHIf)elm*Ptarfdj  f.  Drd).  (ober  Pfte.).  Pcrlin,  Pote  u.  Pod 

5 Sieber  (herfd)iebener  Dieter).  DIbenburg,  ©djulje. 

Op.  8.  6 Sieber  (hon  9Jiir$a  ©djaffty).  Seidig,  ikaljnt. 

Op.  9.  3 Sieber:  »Hafisa«  (hon  5)tirja  ©d)affh).  (Sbenb. 

Op.  10.  6 Sieber  (hon  $r.  Pobenftebt).  (Sbenb. 

Op.  11.  5 2öeil)nad)tSlieber  (h.  Otto  3acobi).  DIbenburg,  ©dmljc. 
Op.  12.  6 Sieber  (hon  $r.  Pobenftebt) . DIbenburg,  ©djufye. 

Op.  13.  Notturno  1 

Op.  14.  (Siegte  > f.  Pceü.  m.  Pfte.  Seidig,  Preitfopf  u.  Partei. 
Op.  15.  Otoman^e  J 

Op.  16.  3ert)  unb  Pätell),  Dper  in  1 Slot.  Seidig,  $af)nt. 


137 


w 


Über  bie  engen  Sormen  be§  Sieben,  nach  benen  fie  p» 
twrberft  gegriffen , brängte  e§  fie  af§bafb  p breiteren 
©eftaftungen  t)in.  3ßa§  fonft  in  ißoefie  unb  SDtufif 
bern  weiblichen  @eniu§  fern  liegt : bramatifc^e  (Mufte 
regten  fid)  in  if)t.  öhrein  Verlangen  nad)  einem 
Dperntejct  entfprach  ber  SJortefer  ber  Königin , Sega» 
tionSratfj  Sieber , unb  fo  entftanb  auf  (Srunb  feines 
®ebid)t§  bie  breiactige  Oper : Göttin  tion  @ai§, 

ober  Sina3  unb  Siane". 

SBie  auf  bie  mufifatifcffe  Sntwidfung  feiner  ©attiu 
im  Stögemeinen  fiat  §an§  üon  Sronfart  auch  auf  biefeS 
SBerf  üief  (Sinffufs  gehabt.  ©efbft  Sfutor  herüorragen» 
ber  ©ompofitionen  — wie  be§  fd^önen , Sngeborg  ge» 
wibmeten  ©faüierconcertg  *) , um  beffen  SManntwerben 
ficf)  §an§  twn  Süfow  groffe  SSerbienfte  erwarb , bed 
Xrio§  für  ßdatiier,  SSiofineunb  Selfo**)  unb  ber„$rüf)5 
lingSfotjarrtafie“  für  Drdfefter***),  bie  ficf»,  gfeich  affen 
feinen  Arbeiten,  burd)  Stobfeffe  ber  Gcmpfinbung  unb 
be§  3fu§brnd§  anSjeichnen  — ftanb  er  ifjr  mit  Statt) 
unb  Xfiat  pr  ©eite  unb  tief?  iffr  fein  SSiffen  unb  feine 
(Erfahrung  p @5ute  fommen.  üDtit  wie  tiiefem  Geifer 
bie  Geomponiftin  aber  auch  an  ihrer  Oper  f^uf'  ^er 


Ungebrucft  Mickn  : 

2),ie  ©öttin  oon  SaiS,  ober  SinaS  unb  Siane,  Oper  in  3 Mieten. 

2 Sonaten  für  $fte. 

$ugen  be$gl. 

Fantaisie  melancolique  p.  Piano. 

12  5Unbertieber  ton  (£lau3  ©rotf). 

(Soncert  für  Q3ftc.  mit  Drcfyefter. 

Mehrere  öiebert>eftc. 

2 Sdjmebifcfye  Sieber  (STeyte  oom  §od)fel.  $önig  oon  Sdjtoeben). 

Äönig  §iarnc.  Oper  in  3 Steten  unb  1 SJorfpiet.  $cpt  oon  $riebrid) 
23obenftebt  unb  £an$  o.  23ronfart. 

*)  Seip^ig,  $ti£fcf).  **)  lüiündjen,  Stibl. 

***)  Seipjig,  SSrcitfopf  unb  gartet. 


138 


ir  — 

EUangel  an  §aitblung , ber  bent  Xej;t6ucf)  anhaftete, 
beraubte  biefetbe  üon  ücrntjerein  alten  bramatifchen 
ßebenS,  machte  fie  für  ihren  tBütinenberuf  ungefctjicEt. 
Eiirgenb  ift  fie  auch  über  bie  SBretter  gegangen.  Etur 
eine  Slufführmtg  am  ©taüier  hat  fie  im  frünprinjttctjen 
IßataiS  in  Berlin  erlebt. 

göret  ESirtuofentaufbafjn  fat)  gngeborg  früher  als 
fie  mol)!  ahnte  ein  $iet  gefegt,  töatb  nach  betn  öfter* 
reicf)ifd)en  Kriege  mürbe  ihr  (Satte  üom  ®önig  üon 
tßreuffen  jum  gntenbanten  be§  tpaitnoüer’fchett  $of* 
tbeaters  ernannt,  unb  ba  bie  grauen  preufjifcher  Dffi* 
jiere  unb  ^Beamten  nicf)t  öffentlich  at§  Sünftterinnen 
auftreten  bürfeit,  muffte  auct)  fie  in  gufuitft  üer  öffeut* 
ti^en  EtuSübung  ihrer  ®unft  entfagen.  gn  ihrem 
§aufe  nur , bei  beit  möchentiichen  EUatiiteen  bafetbft, 
in  beiten  bie  erften  Kräfte  bc§  DüdjefterS  unb  ber 
Dper , jumeiten  auct)  be§  ©cfjaufpielS , mit  fremben 
(Säften  unb  ben  EBirthen  metteiferten , ober  auct)  hin 
unb  mieber  in  ©ottcerteit,  metche  für  mot)ttf)ätige  ober 
auSermät)tte  fünftterifcf)e  gmecfe  gegeben  mürben, 
tonnten  ihre  greunbe  fic£)  fortan  no(|  an  ihrem  ©piet 
erfreuen.  @o  trat  fie  gelegentlich  ber  Etnmefenheit 
EUeifter  ßigjt’ä , beffeit  EÜitmirfung  ben  üon  ber  gtt* 
tenbanj  üeranftatteten  ©oncerten  5 um  SÖefteu  be§ 
©ifenadjer  93acf)*®enfmat§  (1875)  unb  be§  SBapreuther 
Unternehmend  (1876),  mie  ber  1877  infpamtoüer  ab* 
gehaltenen  Xontünftterüerfammtuug  be§  „Etttgemeinen 
beutfchen  EUufifüereiitS“  höc()fteit  (Stanj  üertieh , um 
ber  ©hre  feiner  ißartiterfdjaft  theithaftig  ju  merben, 
mieber  auS  ihrer  gurücfgejogenheit  herüor.  ®ic  ihrer 
gnbiüibuatität  gegenmärtig  am  meiften  äufagenbeit 
©omponiften  finb  nach  ^hrer  eigenen  EtuSfage  93a<h, 
'-Becthoüen , ÜBrahmS , ©bopiit  unb  SiSjt.  Ekrftänb* 
uiffootteS  ©ingehen  auf  bie  Intentionen  ber  üerfcf)ie* 


139 


r> 


benen  bon  ihr  borgeführten  Tonfdjöpfer,  ertergifc^e§ 
(Srfaffen  ifjrer  Stufgabe  in  geiftiger  tute  pf)l)fifdf er  53e« 
gielgung  unb  meifterlidje  Tedjnif  Werben  ifjr  je|t  tute 
bormald  mit  9ted)t  nachgerühmt.  3hr  figurirteS  (Spiel 
indbefonbere  ift  leidet  unb  glängenb,  ihrem  (Sefang 
fäme  t)in  unb  Wieber  etWa§  mehr  Sßärrne  gu  ©tatten ; 
e§  ift  bie  füttere  Temperatur  i^re§  rtorbifctjen  Statu« 
rell§,  bie  fict)  ba  geltenb  macht. 

©eit  grau  bon  93ronfart  auf  ihre  pianiftifcpe  Tf)ä« 
tigteit  al§  93eruf  9Sergitf»t  teiftete,  legte  fie  ben  Schwer« 
punlt  ihrer  fünftlerifcpen  S8etf)ätiguug  auf  ba§  Gom« 
poniren  unb  h<*t  auch  in  biefer  Sejietiuug  manchen 
fdiönen  Srfolg  gu  bergeidinen.  Teutfdfe  unb  ruffiftfje 
Sieber,  Gdabierftüde,  eine  23iolin«9tomange  mit  ißiarto« 
forte  mürben  beröffentlidjt.  211§  bei  2tu§brucf)  be§ 
frangöfifcpen  Krieges  1870  itjr  (Satte  al§  freiwilliger, 
unb  gWar , ba  er  einer  fytngerlätjmuug  halber  feiner« 
geit  nidft  gebient  hotte,  al§  gemeiner  ©olbat  in  bie 
Strmee  eintrat  unb,  gum  Unteroffizier  auSgebilbet,  fic£> 
bei  bem  testen  StuSfatt  bor  SJieh  ba§  eiferne  Sreitg  er« 
Warb,  um  au§  atten  ©efecEjten  unb  ©djlachten  am 
(Snbe  unberletgt  mit  bem  Dfjigiergbegen  al§  ©econbe« 
tieutenant  heimgufehren,  begehrte  ihre  patriotifcbje  93e= 
geifterung  nach  einem  mufifatifchen  2Biberf)aII.  Trei 
ber  ®aiferin  gemibmete  „patriotifdje  Sieber",  gmei 
SJtännerdwre  unb  ber  ®aifer«2öiIhelm«!iDtarfd)  mit  bem 
bie  beutfdfe  frau  ben  wieberlehrenben  Truppen  beim 
©ingug  — er  mürbe  bei  ber  feftborftellung  im  $of« 
theater  1871  aufgeführt  — ihr  SSittfommen  gurief, 
reiften  it)r  al§  frucpt  biefer  bewegten  Seit.  Tartu  lieff 
fie  ihrem  erften  Dpernberfudj  einen  zweiten  folgen. 
Sie  affociirte  ficf)  mit  (Soethe’d  (Seniit§  unb  felgte  fein 
©ingfpiel  „^erp  ttnb  SBätelp"  in  SJtufif,  bie  alte,  ein 
bolle§  3al)rhunbert  gählenbe  Tidjtitng  ber  mobernen 


kc 


140 


93iU)tie  jurüdgeitmuteub.  Unter  be§  ihr  befreunbeten 
ßbuarb  Saffen  Seitung  erblidte  baS  einactige  Sßerf  int 
(5riit)ioI)r  1873  in  Sßeimar  jurn  erften  Riale  baS 
ßampenlicht.  ©ann  nannten  eS  nad)  bent  erfolgreichen 
Vorgänge  31m*21thenS  and]  ©arlSruhe,  Vaben*Vaben, 
SdjWerin,  ©affet,  SBieSbaben,  Vraunfdfweig,  £>anno* 

Der , Königsberg , Rtannheim  in  if)r  Repertoire  auf. 

£>at  e§  mit  feinen  bent  Singfpiel  entfpredfenben  Hei* 
nen  geraten  and)  mehr  im  Salon  als  inmitten  beS 
anfprud)St>ollen  RafjmenS  ber  Mutigen  Opernbütjne 
feine  eigentliche  tpeimat : eS  hflt  bocf(  auch  auf  biefer 
unleugbares  ©lüd  gehabt.  Ruch  bie  Kritif  enthielt 
; ber  grauenarbeit  ihre  Riterfennung  nicht  üor.  ,,©ie 
Rlufif",  fdjreibt  Ricparb  Pol)I  nad)  ber  Vabener  Sluf* 

. führuitg  1874,  „ift  burchauS  gett)ät»It ; man  befinbet 
fid)  hier  in  guter  mufifalifcher  ©efellfdjaft , meld)e  bie 
Popularität  um  feben  Preis  nicht  fud)t.  ©ie  melo* 
bifcfie  ©rfittbung  ift  frifcf» , nobel  unb  anfpredfenb , bie 
Rrbeit  gemanbt,  bie  guftrumeutation  (für  Heines  Cr* 
chefter)  fein  unb  mirffam.  VefonberS  anerlennenS* 
werth  ift  bie  fixere  ©inhaltung  beS  ©efepeS  ber  bra* 
matifchen  Steigerung.  Heiner  ßiebfornt  beginnenb, 
nehmen  bie  folgenben  Stüde  immer  größere  ©inten* 
fiotten  an ; baS  ginale  (bie  werthtioüfte  Rümmer  beS 
ganjen  SBerfS)  ift  fehr  breit  unb  wirfungSöotl  auSge* 
arbeitet.  gtt  gewiffem  Sinne  geht  bie  Rtufif  hier  über 
ihren  Stoff  hinaus ; allein  biefeS  Streben  nad)  gröffe* 
rett  formen  ift  ber  entgegengefepten  Richtung  ent* 
fdfieben  borju^iehen  unb  ein  beweis , bah  grau  oon 
Vronfart  and)  bebeutenbere  Rufgaben  mit  ©lüd  ju 
löfen  befähigt  fei." 

©ie  ©ewähltheit  unb  Vornehmheit  ber©onfprad)e, 
bie  ber  eben  angeführte  Krittler  an  „Serp  unb  Vätelp" 
hertiorhebt,  ift  nicht  mittber  ben  Heineren  Rrbeitett  ber 

& 


141 


©omponiftin,  wie  ihren  Siebern  unb  ©eff oftiiden,  eigen. 
Sßier  ganje  tpefte  ber  erfteren  (Op.  8,  9, 10,  12)  fdjrieb 
fie  auf  33obenftebt’fd)e  Sejte.  ©tuen  ü offen  Sieber» 
ftraufj , barunter  manche  SBtöte  öon  recEjt  apartem 
Sitft , toanb  fie  bem  ifjr  in  3reunbfd)aft  oerbuttbenen 
Siebter  aus  feinem  eigenen  ©arten  jufammen.  Sie 
SMobif  barin  ift,  unbefchabet  beS  noblen  gugS,  Warm» 
blutig,  entgegenlommenb.  SJtan  felje  fiel)  nur  : „3$) 
fühle  beinen  öbem"  Op.  8,  „9?eig’  fdjöne  ®noSpe  bich 
ju  mir“  Op.  9,  „ÜDJir  träumte  einft  ein  fdföner  Sraum" 
Op.  10,  beS  SRä^eren  an.  ©injelneS,  j.  33.  ©uleifha 
Op.  8,  fönnte  leicht  populär  werben. 

Sluch  ben  bramatifdfen  Neigungen  feiner  Iprifcpen 
33unbeSgenoffin  erwies  fid)  ber  Sinter  beS  „SOtirja 
Schafft)“  gefällig : er  willfahrte  ihrem  93egel)ren  nach 
einem  neuen  Dpernbud).  Sang  fudjten  33eibe  öergeb» 
lid)  nach  einem  ihnen  jufagenben  ©toff,  ba  fcljlug 
ipanS  öon  33ronfart  einen  öon  ihm  felbft  p eigenem 
©ebraucf)  gebicfiteten  Dperntept  „S'önig  §iarne",  ber 
eine  alte  bänifcfie  ©age  in  felbftänbiger  StuSgeftaltung 
bel)anbelte,  jur  Umarbeitung  öor.  Sbee  unb  Sichtung 
fanben  33obenftebt’S  SBeifall,  ben  bramatifchen  Slufbau 
ber  leideren  behielt  er  bei,  gebürgt  unb  umgebidjtet  lieh 
er  bann  bas  ©anje  in  feinem  SBerf  „@infef)r  unb  Um» 
fchau“  erfdieinen.  3n  eben  biefer  Raffung  gab  ihm 
Sngeborg  öon  33ronfart  als  Dper  in  brei  Steten  mit 
einem  SSorfpiel  feine  muftfalifcEje  ©eftalt,  nur  manches 
ißoetifdje , WaS  fid)  ber  ©ompofition  beffer  fügte,  aus 
bem  Sejt  ihres  ©atten  herüberitehmenb.  Sie  §aupt» 
unb  Sitelpartie  Würbe  ©chott , bem  £>elbentenor  ber 
fbannoüer’fchen  33ül)ne,  in  bie  ®ehle  gefdfrieben , ber 
bem  2Berf  üiel  lyntereffe  fdjeufte  unb  ber  Slutorin 
burch  alterlei  componijtifd) » gefängliche  9lathfd)läge 
nützlich  würbe.  ÜOtit  großer  Begeiferung  fdjitf  biefe, 


142 


laut  iljrem  eigenen  ^eugnif;  an  it)rer  Dp  er , wetdje 
gegenwärtig  bis  auf  einen  Df)  eit  ber  Snftrumentation 
üottenbet  üortiegt.  ,,Sd)  fann  fagen",  äußert  fie  fetbft, 
„baff  idj  jeben  Dact  mit  Suft  unb  Siebe  getrieben 
tjabe.  Sd)  Wäre  ja  aucf)  tängft  fertig.  Wenn  mein  Seben 
nid)t  ein  fo  üietfeitigeS  fein  müfjte  unb  id)  nic£)t  nur 
bie  geit  ber  ÜDtufif  wibmete,  bie  mir  meine  attberen 
fßftidjten,  wetcfje  für  mid)  obenan  fielen,  übrig  taffen." 

Der  ©rjiefyung  ber  beiben  ®inber,  bie  iljr  ber 
^nmmet  fdjentte , gab  fie  fid)  mit  alter  (Sorgfalt  t)in. 
Sie  fjat  bie  greube,  bie  mitfifatifdje  ^Begabung  ber 
©ttern  auf  bie  Dodjter  ©tara  SBilfjetma  (geb.  1864) 
Wie  ben  Sotjn  gri|  (geb.  1868)  oererbt  §u  feljen  unb 
fie  bei  S3eiben  pflegen  unb  entwidetn  fjetfen  ju  bürfen. 
Drei  unb  ein  t)atbe§  Saf)r  att , fang  ba§  Död)terd)en 
fdjonmit  feiner  Stimme  bie®inbertieber,  bie  tOtama  für 
baSfetbe  componirt  fjatte , unb  ein  t)atbe§  3apr  fpäter 
üerfudjte  e§  fid)  mit  ber  SJtntter  bereits  in  jweiftim* 
migen  ©anonS  unb  fe|te  bie  jweite  Stimme  immer 
correct  unb  fidjer  jur  ®enugtt)uung  berfetben  ein. 

grau  Sngeborg’S  Steigungen  wie  itjre  Stellung 
bringen  e§  mit  fid) , bafj  ifjre  gefetXigen  greuben  fid) 
meift  um  einen  fünftterifdjen  SJattetpunft  bewegen. 
So  War  fie  aucf)  am  tpofe  be§  in  £annoüer  refibiren* 
ben  fßrinjen  Sttbred^t , wo  fie  unb  it)r  ($emaf)I  31t  ben 
gern  gefetjenen  (Säften  jätjten , be§  Öfteren  ats  ißia= 
niftin,  Sdjaufpieterin  unb  ©omponiftin  — ju  bem 
Suftfpiet  „9tm  ©taüier"  fdjrieb  fie  fid)  fetbft  bie  einju* 
tegenben  Sieber  — tfjätig ; ja  fie  betrat  in  teuerem 
Stüd,  in  einer  Dilettanten  = Stuffüfjrung  ju  mitbem 
,ßwed,  1881  fogar  bie  fönigtidje  93üf)ne.  Der  üon 
it)rem  ÜDtann  geleiteten  ft'unftanftatt  weit)t  fie  it)v 
üotteS  gntereffe.  Sn  ben  erften  SJatftfern  ber  ^eit: 
SiSjt,  üon  93ütow,  Stubinftein,  9Sraf)m§,  Soadjim, 


» • * 

t)ere£)rt  fte  bie  greunbe  if)re§  §aufe^  Unb  fo  and) 
in  bem  Keinen  intimen  ®rei§  Sttufifliebenber  unb 
=93efät)igter , bent  bie  einft  als  ©opljie  Stelle  ge* 
feierte  SSaronin  Knigge  jur  Qicrbe  gereicht,  pflegt  fie 
bie  Sunft,  ber  fie  iljr  Seien  gemibmet.  Srfd)eint  fie 
aui)  feiten  nod)  im  Soncertfaal,  Sßobenftebt  fjielt  im 
„Sftadjlaffe  be§  Sttirja  Schafft)“  i£)r  [93ilb  am  Klarier 
— unb  jtnar  n ad)  SSortrag  bon  Eljopin’S  G-dur- 
üftocturne,  auf  beffen  Sftittelfafc  fic£)  bie  SInfangS* 
geilen  begiefjen  — in  beit  fdjönen  Werfen  feft  :*) 

3)u  lodft  ben  Mang 
9DWt  bolbem  3™anÖ 
$u3  leifem  0d&laf  fjeroor, 

Unb  betner  §anb  entftrömt  Eefang, 

SSe^aubernb  §er§  unb  Dijr. 

2)er  Mänge  glut  fdjmillt  an  gum  SWeer 
Unb  ftimmt  ba§  halb  leidet,  halb  fcbroer, 

Unb  taufenb  0terne  fpiegeln  dar 
3n  bie) er  glut  ftd&  rounberbar. 

Unb  au§  ben  SBogen  rounbermilb 
Sluffteigt  mir  mand)  geliebte^  iBilb. 

0o  mogft  bu  in  ben  £önen  fort, 

Unb  au£  bem  2öoI)lIaut  atijmet  griebe, 

Unb  jeher  Xon  mirb  mir  gum  2öort 
Unb  2Bort  unb  2ßort  eint  fidf)  ^um  Siebe. 

0o  fprang  bie§  Sieb  au§  beinen  §änben 
Um  raieber  ftd)  $u  btr  gu  menben, 

2)a  ^CUeS  mieber  bat)in  ftrebt 
Sot)er  e§  !am,  moburd)  e§  lebt. 

*)  Unter  bent  Xitel  »Agni«,  ba$  ift  umgefefyrt  3nga,  tt>ie  3nge* 
borg  gettöfynltd)  genannt  mirb. 

— 


144 


i'a  ata,  Stuticnfcpfc.  V. 


10 


F 


* 


aenige  Sahrjefinte  erft  ift  eS , feit  bie  SBett 
üott  ber  eigentt)ümtid)en  9)tufifbegabung 
beS  ruffifcfjext  VotfeS  Stotij  nimmt,  Slucf) 
bticft  bie  SJtufifpftege  im  (Zarenreich  in  ber 
Xf)at  auf  feine  tangere  Vergangenheit  jurücf.  3hr 
juttgeS  ®afein  banft  fie  inSbefonbere  ber  energifcfjen 
SCrbeit  jweier  Sünftter , bie,  fdjtummernbe  Kräfte 
mccfenb , ißftanä*  unb  ißftegfchuten  ber  Xonfunft  tn’S 
Seben  rnfenb,  fetbft  burct)  Selfre  unb  Veifpiel  Untier* 
gteichtidjeS  wirfenb , einen  bisher  fünftterifcfj  fteriten 
Voben  ju  einem  fruchtbaren , reich  ergiebigen  um* 
fcfiufeu.  Unberechenbar  finb  bie  S)ienfte,  bie  Stbotf 
fpenfett  unb  Stnton  Stubinftein  in  biefer  Ve^iehung  ber 
ruffifchen  Station  geteiftet.  Dber  wirb  nicht  in  Stufj* 
tanb  gegenwärtig  bur<hfcf)nittlich  fetbft  beffer  atS  in 
®eutfcf)tanb  ©tatiier  gefpiett,  finb  nicht  mehrere  ber 
talenttiotlften  unb  urfprüngtichften  Xonfcfjöpfer  unferer 
Xage  ruffifchen  (SeblütS  ? Settfam,  im  Sanb  beS  9ti* 
tjiliSmuS  unb  beS  SpnamitS,  ber  footitifcfjen  Schrecfen 
unb  ®ataftropf)en  blüht  bie  gartbefaitetfte , entpfinb* 
famfte  ber  fünfte  unb  entfenbet  ihre,  jünger  unp 
Sängerinnen  ätS  berebte  geugen  ihres  @5ebeif)enS  unb 
Voten  beS  Schönen  in  alte  Steiche. 

Unter  ben  Virtuofinnen , bie  StufjtanbS  mufifati* 
fchen  9tuf)m  in  bie  Sßeite  hinaustragen , h<U  Segen* 
wärtig  fein  Stame  befannteren  Solang  atS  ber  Slnuette 


147 


10' 


W— 


@ffif)off*Sefchetig!h.  SSott  ihrer  ®ünftlerf<f)aft 
fingen  unb  fagen  bie  alte  unb  bie  neue  SBelt,  unb  bodj 
gehört  fie  erft  feit  1872  ber  Dffentlidfleit  an.  3nt 
ginge  tioKgog  fie  ihre  ©roberungen  unb  grünbete  ficf) 
einen  SBeltruf. 

®er  1 2 . gebruar  1851,  baS  ift  ber  3 1 . Januar  ruf* 
fifcffer  Beitredfnung,  ift  Slnnette  ©ffipoff’S  (Geburtstag, 

©t.  Petersburg  ttjre  Heimat,  gfjr  ®ater,  ,§ofratl)  int 
ruffifcffen  ©taatSbienft , war  ber  ©ingige  in  ber  ga* 
ntilie,  ber,  Wenn  er  auch  nicht  eigentlich  mufilalifcl)  gu 
nennen  war , bocb»  eine  groffe  Vorliebe  für  ÜUtufif  an 
ben  ®ag  legte ; benn  Weber  bie  Hftutter  noch  bie  brei 
anbern  (Gefdfwifter  geigten  irgenb  welche  Begabung  ober 
befonbere,  über  bie  bem  Utuffen  gemeinhin  angeborene 
SKufiHiebe  t»irtau§get)enbe  Zuneigung  für  bie  ®on* 
funft.  ®er  SSater  fäumte  benn  auch  nicht,  als  fiel)  in 
einem  211ter  tion  fedfS  bis  fieben  gat)ren  baS  Talent 
feines  ®inbeS  burdf  ein  eminentes  (Gehör  unb  mufifa* 
lifdfeS  (Gebächtnifj  gu  ändern  begann , eS  in  ben  Sin* 
fangSgrünben  ber  ÜSJtufif  belehren  gu  laffen.  ©onber* 
liehe  fftefultate  ergab  biefer  erfte  Unterricht  — 28ieS= 
fjolsfh  hieh  ber  ßehrer  — gunächft  nicht.  ®ie  Heine 
2lnnette  fgielte  eben  nur  gu  eigenem  unb  gu  PapaS 
Vergnügen.  Shre  Begabung  aber  begeugte  fict)  halb 
tior  einem  Weiteren  3uf)ör erlreife,  inbem  fie  eines 
®ageS,  nach  Seenbigung  eines  Heilten  öffentlichen 
©oncerteS,  bem  fie  gufäßig  beigewohnt,  unb  nach  ©nt* 
fernung  ber  ÜÜtehrgat)!  ber  Slnwefenben  an’S  ©latiier 
ging  unb  baS  foeben  im  ©oitcert  (Gehörte  mit  fo  nie! 
(Gefchicf  nachffüelte , bah  fi<h  ein  beWunbernbeS  ülubi* 
torium  um  fie  fammelte,  welches  bem  SSater  bringenb 
bie  ernfte  mufifalifche  SluSbilbung  feiner  Tochter  an* 
rieth-  ®agu  fam  es  tior  ber  £>anb  nod)  nicht,  gtt* 
gwifchen  übergab  man  fie  gemeinfchaftlicf)  mit  ihrer 

fc = Ü 


14S 


a* . 

älteren  ©djwefter  einem  £Otäbchen*ißenfionat,  Wofetbft 
man  it)r  allerlei  Senntniffe  in  tuiffenfdEiaftticEjen  @egen= 
ftänben  wie  in  ber  franzöfifcljen  Sprache  beibrad)te. 
5)a  bie  finanziellen  SSerf»äItniffe  ber  gamilie  zurück 
gingen,  muffte  fie  jeboch  bie  2tnftatt  noch  tior  Sotten» 
bung  ihrer  ©rztetjung  wieber  üertaffen. 

®a§  mufifalifche  latent  be§  elf»  big  zwölfjährigen 
äJJabcheng  wucherte  nun  wieber  in  witber  SBeife.  Sei 
angenehmem  Stuwern  unb  angeborener  ©ra§ie  ber  öer* 
Wohnte  Siebtittg  höherer  gefettfchafttidjer  Steife,  fpiette 
fie  zur  Unterhaltung  2lnberer,  wag  itjr  eben  unter  bie 
,*pänbe  tarn  unb  entwickelte  fomit  fdjon  frühzeitig  jene 
erftauntidje  Sirtuofität  im  üftotentefen,  bie  fie  toietteidjt 
Oor  allen  ihren  Kolleginnen  augzeidjnet  unb  worin  fie, 
nach  bem  Urttjeit  itjreg  Seljrerg , bie  Koncurrenz  ber 
bebeutenbften  Sünftter  ihres  gacfjg  nicht  zu  fdjeuen 
braucht.  S)a§  ®echnif<he , bag , wag  man  ©chute 
nennt,  freilich  Würbe  ebenfo  Wie  bie  geiftige  Sluffaffung 
baneben  um  fo  mehr  öernactjläffigt,  atg  ihr  Sater  — 
ber  ©inzige  unter  ben  Shrig£lt  - ber  £iuen  günftigen 
©inftufs  auf  fie  übte  — in  biefer  $eit  in  eine  lang» 
wierige  fdjwere  Sranfljeit  öerfiel  unb  fie  ficfj  bamit  faft 
ganz  atteirt  übertaffen  blieb,  fßtan*  unb  ziettoS  mufi» 
cirte  fie  weiter.  Zugleich  mit  einer  heUftingenben,  rei» 
nen  unb  hübfdjen  ©opranftimme  begabt,  fang  unb 
fpiette  fie,  wie  unb  Wo  man  Wollte.  §eute  fang  fie 
ruffifche  SRomanzen , morgen  fpiette  fie  ben  ganzen 
„Sauft"  tion  ©omtob  nach  bem  ©efjör ; bann  Wieber 
ein  it)r  im  Df)r  trugen  gebtiebeneg  Sruchftüd;  einer 
öiSzt’fchen  Shapfobie,  bazwifchen  einen  ober  recht  öiete 
SSatzer  unb  ißolfen  üonStraufj  — ein  bunteg  SDurcf)5 
einanber  oon  SfJtufif , wie  eg  ihr  eben  burdj  ben  Sopf 
ging,  @enug,  bie  ©efatjr  tag  nahe,  ganz  tut  ®itettan» 
tigmug  ftecfer.  zu  bteiben.  3 um  ©tüct  erbot  fic£)  ein 


149 


reicher  Kaufmann,  SiamenS  Utin,  ber  bie  begabte  (£ta* 
üierfpieterin  hörte,  bie  Soften  ifjrer  2tuSbitbung  in 
bem  erft  feit  einigen  Sauren  beftelfenben  fßeterSburger 
(£onfertiatorium  ju  tragen,  unb  am  1.  September  trat 
Annette,  ba  berSBater  tion  bem  ebetfinnigen  SInerbieten 
frenbig  (Gebrauch  machte,  in  bie  3Rufiffcf)ute  ein.  2tn* 
fängticf)  ber  SBorbereitungSctaffe  tion  SSittoing  einge* 
reitjt , ging  fie  bereits  nach  wenig  ÜDionaten  ju  (£art 
oan  5trf,  einem  früheren  (Stüter  Sfjeobor  Sefdfetizfg’S 
über.  3U  jener  8eit  fcfjou  lernte  ber  teuere,  it)r  fpä* 
terer  ©atte,  fie  fennen  unb  war  fofort  über  ifjr  bebeut* 
fameS  “Satent  im  klaren.  Streit  STceiftern  aber  machte 
bie  geniale  ©ctjüterin  tiiet  p fcfjaffen.  2>er  arme  «an 
2lrf  würbe  ber  Aufgabe,  fie  jn  unterrichten,  wenig  frof), 
unb  oftmals  ftagte  er  feinem  einftigen  öefjrer  feine 
Stoth  unb  welche  SRüfje  es  itfrn  fofte,  bie  SSiberfpenftige 
jum  (Stubium  beSjenigen  ju  bewegen,  beffen  fie  gerabe 
am  meiften  beburfte. 

®afj  feine  Etagen  nur  ju  gerechtfertigt  waren,  ba= 
tion  fonnte  Sefdjetizft)  ft  cf)  perföntief)  überzeugen,  ats  er 
eines  XageS  bei  Schaltung  einer  Setjrftunbe  im  Gon* 
fertiatorium,  burcf)  „heftiges  Gtatiierpaufen"  im  Sieben* 
Zimmer  geftört,  in  baSfetbe  eintrat,  um  ben  Stüljeftörer 
jur  Drbttung  zu  «erweifen.  ®enn  wen  fanb  er  ba* 
fetbft?  „Siiemanb  anberen"  — fo  hören  Wir  it)n  felber 
- — „atS  Fräulein  SInnette  (Sffipoff , wetdje  «or  einem 
fie  anftaunenben  ®reiS  ihrer  Kollegen  unb  Kolleginnen 
bie  befannte  fedfifte  Dctaöen*9ihapfobie  tion  SiSzt  in 
erbarmungStofer  SSeife  burdj  ®icf  unb  S)ünn  abbrafch, 
obwot)t  fie  fich  bamatS  mit  ber  richtigen  Kpecution  ber 
C-dur-@cata  nicht  in  brillanter  SSeife  abfinbeit  fonnte. 

®afj  bie  ©ünberin  bei  biefer  (Gelegenheit  ernftticfi  tion 
mir  gefefjotten  würbe  (eS  war  baS  erfte,  aber  nicht  baS 
tefste  SRat) , brauche  ich  iuotjt  nicht  tierfidjertt  zu  müffen ; 

b. , M 


<F 


baff  idf  aber  bamit  einen  bteibenben  ©inbrud  auf  fie 
t)erüorgebrad)t  tjätte,  bann  idf  nicf)t  behaupten." 

Sdfon  ju  biefer  geit  fang  bie  jugenbtidfe  Annette 
im  ©ffor  ber  ruffifcffen  SJtufifgefettfcffaft  fomofft  bei  ben 
Übungen  at§  aud)  bei  ben  Aufführungen  mit,  unb 
man  tonnte  ilfre  t)ette  unb  burdfbringenbe  Stimme 
leicht  beim  ©intreten  ber  Soprane  f)erau#f)ören , ju 
beren  Stüfce  fie  burd)  iffr  au#gejeid)nete§  ©efför  unb 
iffre  mufifatifdf e Statur  berufen  mar.  Anton  Stubin» 
ftein,  ber  bajumat  ©irector  be#  ©onferoatorium#  unb 
Dirigent  ber  ©oncerte  ber  ruffifdfen  SDlufifgefeltfctjaft 
mar,  fpradf  Sefcffetijtt)  gegenüber  fogar  bie  Anficfjt 
au#,  baff  er  ba#  Sftäbdjen  meit  et)er  jur  Sängerin  at# 
jnr  ©taüierfpieterin  quatificirt  fjatte ; eine  Meinung, 
ber  teuerer  jebodfi  ni<f»t  beitreten  mochte , ba  er , mie 
er  fagt,  „in  itjrer  Stimme  nic£»t  ben  Steij  finben 
tonnte,  beffen  fdjtiefftid)  eine  Sängerin  erften  Stange# 
bebarf  — benn  at#  ®ünftterin  jmeiten  Stange#  moüte 
id)  mir  fdfon  bamat#  bie  Heine  fpeje  nidft  für  bie  3«= 
tnnft  oorftetten.“ 

.guSteufatjr  1866  naffrn  Sefdfetiätt)  Annette,  na^5 
bem  fie  juoor  ein  ©jamen  in  ber  SSorbereitunggctaffe 
gut  beftanben  unb  bamit  „anftänbige  gortfcffritte  in 
Anfdjtag  unb  XecEjnif"  aufjumeifen  fiatte , in  feine 
©taffe  auf.  ffreitid)  mar  e#  it)r  nod)  fetjr  menig  ©ruft 
mit  bem.  Stubium,  unb  „e#  muffte  bie  größte  Strenge 
geübt  merben,'um  fie  jur  correcten  Ausführung  menn 
aud)  nur  be#  fteinften  Stüde#  ju  bringen  unb  fie  an 
©inffattung  oon  Stit  ju  gemötjnen.  ®ie  ©taffiter 
maren  it)r  bamat#  fo  äümtidj  ein  ©räuet."  So  rutjig 
unb  anfdfeinenb  paffib  fie  fid)  if)rem  SJteifter  gegenüber 
toertjiett  — fie  jeigte  fid)  ba  gerabeju  fchtoeigfam  unb 
tieff  febmeben  fßormurf  offne  ein  Anjeicffen  innemof)* 
nenben  ©ffrgeije#  über  fid)  ergeben  — fo  tott  unb  über» 


M 


mufflig  tt>ar  fie  itjreit  ©ottegen  unb  ©otteginnen  gegen» 
über,  fobafb  fie  ficf)  unbeobachtet  füllte  ober  glaubte. 
SnSbefonbere  fjatten  bie  talentfofen  unb  geiftig  unbe» 
gabten  biel  boit  if)ren  Redereien  ju  erbufben.  ©feiet)» 
wof)f  berftanb  fie  ficf)  berart  bei  Sitten  in  IRefpect  $u 
fefeen,  bafe  ®einS  fie  je  ju  berratljen  magte.  Sei  alle» 
beut  waren  ifjre  gortfdjritte  bodj  fo  bebeutenb,  bafe  fie 
bei  ber  erften  Satjresfa'üfung  mit  einer  ber  erften 
Seetfjoüen’fc^en  Sonaten  einen  grofeen  ©rfolg  baoon» 
trug.  ©r  würbe  folgenreich  für  fie;  gewann  er  ibjr 
hoch  baS  lebhafte  ^mtereffe  ber  ©rofefürftin  fpelene, 
bie  als  fßräfibentin  ber  ruffifdjen  $0cufifgefetlf<f)aft 
unb  ißrotectorin  beS  ©onferbatoriumS  babei  anwefenb 
war.  Stuf  baS  eingefjenbfte  erfunbigte  fid)  biefelbe  bei 
Sefdjetisft)  nach  feiner  neuen  Schülerin  unb  tiefe  ficf) 
oon  ifem  fein  in  ben  üblichen  ißrüfungSliften  über  fie 
abgegebenes  ©efammturffieif  borfegen.  ©S  lautete 
charafteriftifcfe : „®iefeS  SRabchen  hat  ben  »Teufel  im 
Seib  unb  fann  eine  grofee  ftünftlerin  werben,  wenn  eS 
gelingt,  Drbnung  in  ihr  Sßefen  hineinsubringen." 

Son  Stunbe  an  blieb  bie  »Hjeilnahme  ^er  h°^en 
grau  Slnnette  jugewanbt.  Sa  ba  bie  festere,  wie 
Sefchetiglt)  ihr  Wagte , wäfjrenb  ber  Sommerzeit,  bei 
feiner  Slbwefenljeit,  unter  bem  ©influfe  einer  gänzlich 
unmufifalifchen  Umgebung  — ber  Sater  war  mittler» 
weile  geftorben  — regefmäfeig  IRücffchritte  ’öu  machen 
pflegte,  fühlte  fie  ficf)  fogar  bewogen,  fie;  nadjbent  baS 
britte  SahteSejamen  bie  bottgültige  Seftätigung  bon 
Öefchetijfh’S  erftem  Stusfprucf)  gebracht , im  Sommer 
1869  naife  Sfcftt-  bem  gewöhnlichen  gerienaufentfiatt 
ihres  SOieifterS,  ju  fefeiefeu.  Unter  ber  auSfdjliefeficfjen 
©inwirfung  beS  borjügliifeen  SünftlerS , ben  beengen» 
ben  $amilienberf)ältniffen  entrüdt,  inmitten  einer  Ijerr» 
licfeen  §ochgebirgSnatur,  entwicfelte  fie  fiel)  geiftig  unb 


152 


förperlicp  in  glüdlicper  Stöeife.  gu  eben  jener  .geit 
auc£)  leimte  in  iprem  fonft  für  lalt  geltenben  §erjen 
juerft  ein  ©efütjt  warmer  Zuneigung  unb  Siebe  ju 
bem  Spanne  empor,  bem  fie  fo  SSieteS  banfte,  unb  in 
iprem  ©ein  unb  ®en!en  gegenüber  ber  ®unft  gab  fiep 
ein  peilfamer  Umfepwung  lunb.  @o  fcpnett  blühte  jept 
ipre  jugenblicpe  ®ünftlerfcpaft  auf,  baff  Sefcpetijfp  eS 
noep  beüor  ber  (perbft  Oerging  Wagen  Eonnte,  fie  in 
einem  Eoncert  beS  ©aljbitrger  SfiojarteumS , für  Wel= 
cpeS  man  feine  eigene  ÜDlitwirfung  erbeten  patte , an 
feiner  ©teile  auftreten  ju  (affen.  3«  (Segenwart  iprer 
popen  fßrotectorin,  ber  (Sropfürftin  §elene,  erfpielte  fie 
fiep,  waprenb  ipr  Seprer  als  Drcpefterbirigent  fungirte, 
mit  Epopin’S  E-moll-Eoncert  ipren  erften  grofjen 
öffentlidpen  Erfolg.  3pm  gefeilte  fiep  binnen  furjern 
ein  ^Weiter,  als  fie,  naep  Petersburg  äurücfgefeprt,  fiep 
im  Stoüember  in  einem  grofjen  Slbonnementconcert  ber 
ruffifepen  Sftufifgefettfepaft  mit  Söeetpoben’S  G-dur- 
Eoncert  pören  liefs ; in  ber  f£pat  ein  um  fo  epren* 
oottereS  E)ebüt  für  fie , als  bisper  noep  nie  eine  bem 
Eonferüatorium  noep  angepöreitbe  ©cpülerin  ju  gleicper 
Epre  gelangt  War. 

3pr  SluStrittSepamen  aus  Sefdjetijlp’S  Eiaffe  be= 
ftanb  fie  im  SDiai  1870  mit  ÜDlenbelSfopn’S  G-moll- 
Eoncert  mtb  felbft  gelernten  ©oloftücfen  unter  nage* 
peuerem  EntpufiaSmuS  ber  3urp  unb  beS  ifSublilumS, 
ber  fiep,  als  fie  ein  Sitten  unbefannteS  fcpwierigeS 
©eperjo  Oon  SaSloWSlp  brillant  Oom  Sölatte  laS  unb 
ben  lepten  @ap  aus  ©cpumann’S  Ouintett  mafelloS 
tranSponirte , noep  fteigerte , fobafj  ipr  bie  bis  bapin 
noep  niemals  oerliepeite  golbene  Stttebaitte  einftimmig 
juerlannt  Würbe.  Ein  3apr  fpäter,  itacpbem  fie  fiep 
auep  bei  Söeenbigung  beS  tpeoretifepen  EurfeS  ber 
Eompofition,  Snftrumentation  :c. , unter  güprung 

■&- — = M 


w 


3aremba’§  im  ©ontrapunft  ’unb  Qofiannfen’3  in  ber 
Harmonie , nidjt  minber  bewährt , trug  fie , au§  bem 
©onferöatorium  anäfcffeibenb , ifjr  ootte§  ®iptom 
baöon. 

Sinn  gog  fie  t)inau§  in’3  Söeite.  Qm  ©ommer 

1871,  al§  ber  ÜDteifter,  bem  fie  nidft  allein  ifjre  fünft* 
lerifdfe  ©rgietjung,  fonbern  überhaupt  eine  fjöfjere  unb 
ernftere  Stiftung  if)re3  ganzen  3Befen§  banft , ingwi* 
fdjen  and)  ber  Qüfjrer  unb  ©efäfirte  if)re§  £eben§  ge* 
worben  War,  fjörte  man  fie  in  23aben*23aben  auf 
beutfdfem  Sobett  gum  erften  fötale.  Qfjre  erfte  felb* 
ftänbige  i'unftreife  aber  unternahm  fie  im  Januar 

1872,  wo  fie,  mit  93raunfd)Weig  unb  §annooer  begin* 
nenb , in  Seipgig  (unb  gWar  in  ber  ©uterpe  Wie  im 
©ewanbf)au§)  unb  unmittelbar  barauf  aucf)  in  Berlin, 
fötagbeburg  unb  3Ro§fan  aKfeitig  al§  ©taöiertatent 
oberften  9tange§  bewitlfommnet  würbe.  frntte  man 
fd)on  im  ötoüember  1871  au§  fßeter§burg  gefdjrieben : 
„Qrctuleüt  ©ffipoff  ift  im  S$oHbefit$  aller  berjenigen 
©igenfcfjaften,  bie  einen  oollenbeten  Zünftler  gieren", 
fo  einigte  man  fic^  and)  in  Seipgig  unb  Sertin  im  Um* 
fet)en  über  bie  „männticfje  fßraöour  unb  StuSbauer,  bie 
SSerüe  unb  ©ragte“  ber  äünftlerin.  „Sötan  fiat",  befräf* 
tigt  Dtto  ©umprecfft,  „bei  if)r  ben  wofdtfjuenben  ©in* 
brucf,  baff  fie  mit  if)rem  gefammten  Renten  unb  @m= 
pfinben  bei  ber  @acfie  ift , baff  ber  barguftedenbe  Qn* 
ijatt  wirf  lief)  ifjre  ©eele  erfüllt.  Qm  ©egenfap  gu  ben 
meiften  ©laöierfpieterinnen  fcfjeint  ifjre  Ötatur  niefits 
£atbe§,  3Serfcf)Wommene§,  Unfertige^  gn  bulben." 

©oncerte  in  SSien  unb  fßeft  (1878),  wo  £i§gt  ber 
jungen  SSirtuofin  bie  freunblidifte  21ufnat)me  bereitete, 
wiebertjotte  Steifen  nad)  £>odanb,  ©ngtanb  unb  fßari§, 
ben  Dftfeeprooingen , Belgien  unb  ©)eutfd|tanb  be* 
feftigten  in  ben  nädfften  Qalfren  (1874 — 76  ifjren 


Jt 


154 


f(fmetC  gewonnenen  Stuf.  Sechs  bolle  Monate  — bom 
Dctober  1876  bis  jum  Suni  1877  — bertoeilte  fic  in 
21merifa,  itnt  (für  ein  Honorar  boit  lOOOOO  Francs, 
Bei  freier  Station  für  fich  nnb  it)re  Begleitung)  in  1 06 
©oncerten  t£)ätig  ju  fein.  Seit  it»rer  9tücffel)r  bejeicf)5 
nen  wieberum  alle  |>auptftäbte  ©uropaS  Stationen 
il)reS  SiegeSwegS. 

©)eS  Sängeren  unterbrochen  nur  tourbe  ihre  emfige 
öffentliche  Xljätigteit  - al§  Annette  int  SJtai  1878  am 
£pphuS  lebensgefährlich  crfranfte.  Schmer  nnb  lang» 
fam  nur  erholte  fie  fich , nnb  ba  gleichzeitig  auch  Se= 
fchetizft)  bott  einem  langmierigen  SBechfelfieber  befallen 
Warb , faxten  fie  ben  ©ntfchlufi , it)r  £>eim  auS  bem 
ungefunben  ruffifchen  ®lima  hinweg  nach  2öien  ju  ber= 
legen,  wofelbft  er  fid)  fchon  im  borhergehenben  Sahre 
in  bem  neu  creirten  ©ottage*Berein  in  2Bäf)ring  eine 
Heine  Billa  als  Sommerferienfii}  erworben  haHe- 
dtid)t  leichten  §erjenS  freilich  nahm  er  2lbfcf)ieb  bon 
feinem  21boptibbaterlanb , Wo  er  biele  Qahre  gelebt 
nnb  gewirft  nnb  im  ©ecember  1877  fchon  fein  ruffi* 
fiheS  Siuiftlerjubiläum  feftlich  begangen  had£  - wo 
mehr  als  taufenb  Schüler  beiberlei  (iefchlediteS  ihm 
ihre  mufifalifdje  Bilbung  banlten.  Unb  and)  Slnnette 
fiel  bie  Trennung  bon  ber  Heimat  fchwer.  ®ocf)  Wur= 
ben  fie  halb  auf  bem  neuen  Boben  heimifd)  unb  nifte» 
ten  fich  in  ber  9täh£  jenes  geweihten  ©rbenfledS  an, 
in  welkem  Beethoben  unb  Schubert  neben  einanber 
ruhen.  91ud)  ihnen  gegenüber  berleugnete  SBien  nicht 
bie  alte,  faft  magifdje  3tnziehungSfraft,  bie  eS  bon  je 
auf  ben  9Jtufi!er  inSbefonbere  übt.  ©>em  ©omponiften 
Sefdjetijft)  etwieS  eS  fich  gaftfreunblid)  gefinnt,  ittbem 
eS  fein  Dpernunicum : „Z>k  erfte  Saite“,  baS  in  2BieS= 
haben  unb  SRaitnheim  fchon  warme  2lufuahtne  gefun= 
ben,  auf  bie  Bretter  feiuer  erften  Opernbühne  rief. 


Unb  ebenfo  mangelt  eg  beut  ißäbagogen  unb  Sötrtuofen 
Ttic^t  an  Gelegenheit,  feine  bemälfrte  Sunft  beg  SSeite* 
ren  ju  üben,  ©ct)üter  aug  aßen  Sänbern  fammetn  fich 
in  feiner  2tu§bitbunggctaffe  um  if)n ; ja  beit  fettenen 
(Stabierfpieter,  ber  er  in  SBaffrffeit  ift,  lernt  bie  aufjer* 
ruffifcfje  Sßett  jefjt  eigentlich  erft  fennen , iitbem  fie 
tt)af)rnimmt,  bafs  bie  SSirtuofität  SInnette  (Sffipoff’g  bie 
ihres  (Satten  unb  Sefjrerg  teinegmegg  berbuntett. 

Sf)r  Sicht  Xä^t  bieSünftterin  inbeffen  nicht  minber 
tjeß  atg  einft  bon  Stufßanb,  fo  jetß  bon  Öfterreith  aug 
teuften.  Tie  ©cffmeij,  §oßanb,  Teutfcfßanb,  Ütufh 
taub,  (Sngtanb,  Storbitalien , ÖfterreidE) , granfreidf 
hörten  unb  fatjen  fie  atg  gefeierten  (Saft,  ©eit  1880 
machte  fie  auch  Portugal,  ©cfßegmig^otftein,  @<hme= 
ben,  Ungarn,  Stumänien,  TänemarE  (bie  Regenten 
ber  beiben  letztgenannten  Sauber  hefteten  if)r  bie  9D(le= 
baiße  für  Sunft  unb  SSiffenfc^aft  an) , bie  fie  big  ba= 
hin  noch  nicht  kannten,  ihrer  Sun  ft  tributpflichtig . 

Ter  korben  unb  ©üben,  Dften  unb  SBeften  boten  ihr 
ihre  Sränje  bar.  SBo  wirb  fie  ihre  nächften  pftücten  ? 

Sßag  bie  biel  erprobte  üßiactß  unb  SBirlung  ihres 
©piefS  bebingt , ift  nicht  bag  Tetait , bie  Beinarbeit 
in  ihren  Seiftungen  — hier,  ibie  in  befonberen  te<h= 
nifdjen  gorcen , bem  Trißer,  bem  Dctabenfpiet  ober 
bergteithen,  !ann  it)r  manche  (Soßegin  ben  Stang  ab= 
taufen  — eg  ift  bietmef)r  bie  Totalität , bie  gefammte 
Tarfteßunggtoeife  unb  bag  Temperament,  bag  aug 
ihr  fpricEß.  Slßeg , mag  fie  giebt , trägt  bag  (Sepräge 
einer  mufifatifc^en  lynbibibuatität , einer  fetbftänbig 
mattenben,  überfprubetnb  fpielfreubigen  Statur.  (Sin 
fingenber,  tongefättigter  Slnfchtag , eine  mertmürbige 
Sltuglettraft,  metc^e  bie  gertigfeit  unb  Stugbauer  ihrer 
Mein  gebauten  f>anb  miterftüpt,  ein  mcifterpafter  iße= 
baigebrauch , eine  männliche  (Snergie  ber  Stuffaffung 

& M 


156 


unb  beg  Stusbrucfg , ein  burcf)  mit  SSorliebe  ange» 
wanbte  fdjarfe  Eontrafte  nocf)  gefteigerter  btenbenber 
©tan^  ber  garbengebung  eignen  ber  füfjnen  ißianiftin, 
bie  ein  berliner  Äritifer  nidjt  mit  Unrecht  einer  auf 
fcfjäumenbem  ©treitrofj  eintjerftürmenben  SSaltiire  tier» 
glicE) . 2tm  nädjften  unter  aßen,  bie  fie  interpretirt, 
ftef)t  itjrer  ©ubjectitiitcit  Efjobin,  iljr  „@f>eciat»§ei* 
iiger" ; näcfjft  ifjm  tftobert  (Schumann.  Studj  SSeber 
mag  fie  gern,  unb  fein  Eoncertftücf  gilt  atg  eine  iljrer 
impünirenbften  Seiftungen,  SSeit  meniger  tiertraut  at§ 
jene  romantifdjen  ©eifter  blieben  it)r  big  jur  ©tunbe 
nocf)  bie  ctaffifcfjen  dtiefengröfjen  23ad)  unb  Söeetfwticn. 
®üt)t  unb  fremb  ftefjt  fie  bem  alten  Drgetgeniug  gegen» 
über,  unb  bem  Es-dur-Eoncert  unfereg  gemattigften 
i£oni)erog  bleibt  fie  an  £iefe  ber  Empfinbung  unb 
©röfje  beg  ©tilg  nodfj  SSieteg  ftfjulbig.  Sßer  fagt,  ob 
eg  itjr  tro£  adern  gtänäenben  Egprit,  ja  tro|  einem  un» 
tierfennbar  bicfjterifdjen  Element  in  ifjrern  ©piet  nid)t 
an  Snnigfeit  unb  Siefe  gebricht , um  in  bag  Stderfjei» 
tigfte  ifjrer  Sunft  einpbringen ; ober  ob  eg  iljr  tiietmeljr 
bei  june^menber  innerer  Steife  getingen  wirb,  aitcf)  in 
ben  ©eift  unferer  erfjabenften  ctaffifcfjen  SDteiftermerfe 
tebenbiger  Ijinein  ju  wadjfen?  Sind)  bei  bem  ifjrem 
Sßefen  gernertiegenben  fommen  ifjr  ja  if»re  ftatiifcfje 
Etafticität  unb  bag  wunberfame  2tneignunggtatent  ju 
ftatten , bag  ifjr  tion  dtatur  jur  tdtitgabe  geworben. 
Eben  bie  fabelhafte  Seidjtigfeit , mit  ber  fie  lernt,  er» 
Hart  bie  ©röfje  if)reg  mufifatifcfjen  9tepertoireg , bie 
nad)  bem  Urtljeil  Sefd)etijH)’g  nur  tion  bem  Sütow’g 
übertroffen  Werben  bürfte.  ©teidjwoljl  btidt  bie  junge 
SSirtuofin  auf  eine  untieHjättnifjmäliig  furje  öffenttidje 
Saufbafm  jurücf.  begann  fie  biefetbe  bodj  erft  mit 
iljrem  21.  !yat)re,  wä^renb  Slnbere,  wie  dtnbinftein, 
Etara  ©djumann  2c.  fdjou  in  friitjefter  Sinbljeit,  unter 


157 


befter  Seitung  unb  aCCer  ©uttft  ber  mufifalifdien  Ser* 
£)ättniffe  bie  ©ftrabe  betraten.  ©taunenSmerth  ift  bie 
©djneßigfeit,  mit  ber  fte  eine  Sompofition  pr  concert* 
reifen  Sßiebergabe  in  fidj  aufnimmt,  @o  ftubirte  fie 
beifpielStoeife  bie  E-moll-$uge  toon  tDtenbelSfoljn  (mit 
bem  ©horal)  in  einem  2mg  binnen  tiier  ©tunben  put 
öffentlichen  (felbftDerftänblich  auStoenbigen)  Sortrag 
für  ein»  ihrer  Petersburger  ©oncerte.  Sierjeljn  2age 
pflegen  ihr  pnt  ©inftubiren  ihres  Repertoires  für  ein 
ganjeS,  meift  aus  fünfzehn  bis  achtzehn  neuen  ©tüden 
beftefjenbeS  ©oncert  p genügen.  Sn  Amerifa  ermög* 
licf)te  fie-  es,  fi<h  für  ifjre  pei  testen  öffentlichen  33or= 
träge,  mäffrenb  fie  baneben  mit  anberen  ©oncerten 
nod)  üottauf  befc^äftigt  mar,  ad)tjef)n  Piecen  ameri* 
tanifc£)er  ©omponiften  in  einigen  2agett  p eigen  p 
machen.  UnbebenHid)  auch  burfte  iljr  ©atte  unter 
anberem  einft  in  Petersburg,  inbeft  fie  nod)  auf  Rei* 
fen  mar,  eine  ©hopiit=©oiree  für  fie  anlünbigen  unb 
fed)S  ©ompofitionen  — barunter  baS  2rio  — in  baS 
Programm  aufnehmen,  bie  fie  ptior  nod)  nie  gefpiett 
hatte,  obgleich  if)D  p bereu  ©tubiurn  nicht  meljr  als 
üier  2age  Srift  tierblieben. 

©in  ©eljör  unb  ©ebädjtniff  ber  fettenften  Art  finb 
bie  natürlichen  Helfershelfer  biefer  ihrer  munberbaren 
AneignungSfraft.  AIS  in  Sonbon  in  einer  ©efettfdjaft 
tion  Zünftlern  ein  englifcher  üöiufifer,  ber  ein  Don 
ihm  für  üier  Hänbe  arrangirteS  Drcfiefterftüd  feiner 
©ompofition  mit  ihr  Dom  Statt  fpielte,  ihr  fein  @r= 
ftaunen  über  ihr  auSgejeidjneteS  Sefen  beS  fehr  fdpe* 
ren  ©tüds  auSbrüdte,  fpielte  fie  ihm  fofort  baS  ©anje 
peiljänbig  ans  bem  tiierf)ättbigen  Arrangement  tior. 
Roch  attiet  Sahre  barnad)  aber,  als  Sefdhetigtt)  in 
Petersburg  einmal  pfäßig  biefer  bantalS  tiielbemun* 
berten  2f)at  gebad)te,  feüte  fie  fich  au  ben  glitgel  unb 


reprobucirte  bei»  Scherjo  au»  bem  betreffenbeit  SSerf 
frei  aug  bem  ©ebächtniff. 

@einegmegg  auf  bag  (Gebiet  ber  ÜOtufit  allein  be» 
fcfjränft  fidf  inbejj  if)re  ®abe  teichteften  Sluffaffeng. 
®ie  beutfefje  Sprache  erlernte  fie  in  einem  big  gm  ei 
Sauren  ot)ne  Selber,  nur  bitref»  ben  Umgang  mit  Sefdfe* 
tijfp  unb  beffen  SMannten , geläufig  genug , um  fie 
jiemtid)  fetjterlog  fpredfen  unb  fc^reiben  ju  fömten. 
®urch  jmeimonattidhen  Unterricht  im  (Sngtifchen  be* 
reitete  fie  fidf  auf  ihre  amerifanifefje  Steife  tior,  unb 
naef)  fedfg  SJtonaten  beg  Stufent£)atteg  in  ben  23ereinig* 
ten  Staaten  lehrte  fie  im  tiollen  münbticf)en  unb 
fcfjriftticEjen  33efi|  ber  Sprache  über  ben  Dcean  jurüd. 
lyn  ben  tiier  tion  ihr  beherrfdften  Sprayen  lieft  fie  tiiel 
unb  gern,  unb  treu  hält  ihre  (Erinnerung  feft,  mag 
einmal  ihre  Slufmerffamleit  feffelte,  jumal  ißoetifdjeg. 
Shre  (Eontierfation  ift  grajiög,  pitant,  oft  funfen» 
fprühenb  roie  ihre  Kmnfprache.  Stile  mathematifdie 
SC3iffenfc£)aft  lehnt  fie  ab  — fie  liebt  nicht  ju  jät)ten, 
menn  eg  fidE)  nicht  um  SDtufif  tjanbelt.  dagegen  offen» 
hart  fie  päbagogifd)eg  Talent,  nicht  allein  in  ihrer 
Sunft,  mie  fie  benn  ihre  beiben  ®ittber  — einen  ®na= 
ben  unb  ein  SDtäbdien  — felbft  in  Sittern  unterrichtet. 
Sogar  für  meiblid)e  unb  bängliche  Slrbeiten  geigt  fie 
@efd)id.  Sind)  hier  fehlt  il)r  nicht  bie  fie  djaratterifi» 
renbe  „leichte  £>anb". 

Sie  ift  eben  genial , biefe  Slnnette  (Sffipoff , mie 
menige  ihrer  Kolleginnen , unb  bie  ßeid)tigteit  itjreg 
Sönnettg  unb  ßerneng  bürften  fie  ihr  öietteid)t  alte 
neiben.  ©erabe  biefer  SSorjug  aber  birgt  feine  <$e= 
fahr,  er  fönnte  ihr  bei  minberer  (Energie  mot)t  gar 
jum  SSerlfängnifj  merben.  SBem  bie  Statur  bie  SJtütJen 
ber  Slrbeit  fpart  unb  bag  (Erreiihen  alg  unmittelbaren 
ißreig  hinter  bag  Streben  feljt,  für  ben  liegt  mohl  bie 


JT"  “ 

SSerfudfung  naf)e , feine  affju  ftrengen  Sfnforberungen 
an  fidj  fefbft  ju  ftetten  unb  fic^  ba§  Seifte  no<f)  feidfter 
ju  ntacffen.  2fud)  öon  Annette  Effipoff  f)at  ntan  in 
feister  Seit  mannigfacf)  Behauptet , baff  fie  fid)  ni<f)t 
alfjubief  melfr  um  Erweiterung  ifjreg  ^Repertoire* 
müfje,  fonbern  au§pruf)en  Beginne  auf  ben  errun» 
genen  Sorbeeren.  23  ir  unferntf)eif§  fjaBen , af*  wir 
in  einem  ber  SSiener  Eefelffcf)aft§concerte  im  Januar 
1882  Efwpin’ö  F-moll-Eoncert  in  ebenfo  fein  poeti= 
fc^er  af§  öirtuo§  Brillanter  SBiebergaBe  öon  ifjr  gärten, 
feinerfei  Einbuße  an  ifjrem  reichen  pianiftifcfjen  23er= 
mögen  wafjrgenommen,  unb  in  ber  £f)at,  nidfjt  atfein 
um  ber  ®unft  fonbern  au  cf)  um  ber  Stünftferin  fefber 
willen  müßten  Wir’§  Beffagen,  wenn  bem  attber§  wäre. 
2)enn  nidjt  in  beriRufje,  fonbern  im  raftfofen  ©Raffen 
unb  Streben,  in  ber  ftrengen,  unerbittlichen  ©etbft= 
jucfjt  liegt  be§  ®ünftfer§  SBefriebigung  unb  fein  Efticf. 


& X 


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M 


£a  SMara,  Stutienfcpfc.  V. 


11 


as  wufjte  bie  Sunftwett  im  weiteren  Sinne 
nod)  cor  wenigen  Sagten  üon  SSera  %i* 
manoff,  ein  9?ame,  ber  fjeute  ju  ben 
beftberufenen  int  Steidje  beS  pianiften* 
tpumS  jätjtt?  S«  Petersburger  unb  berliner  Sadj* 
freien  nur  nannte  man  bie  Trägerin  beSfetben  fdjon 
oor  mef)r  aES  einem  3af)rjcf)nt , ba  fie  faunt  noa) 
bie  ®inberfdjuf)e  ausgetreten,  unb  bie  SDlufifgeitungen 
öffneten  it)r  if»re  ©patten,  ein  aufgelfenbeS  GHanj» 
geftirn  am  S3irtuofenf)immeE  in  ifjr  weiffagenb.  @ie 
Ifat  bie  Propheten  if>reS  iRufjmS  nicbjt  Sügen  geftraft, 
unb  WaS  fie  bereinft  tierfprad),  baS  begann  fie  frühzeitig 
burcf)  i£f)aten  einptöfen.  Db  aud)  bie  jüngfte  unter 
ihren  torbeergefrönten  Kolleginnen,  barf  fie  mit  ber 
9)tef)rsaf)l  berfetben  bocE)  ungefdieut  in  bie  ©djranfen 
treten. 

$u  ben  fettenen  ®aben , bie  i!jr  tmn  9tatur  junt 
Stngebinbe  geworben , freilich  gefeilt  ficf)  bei  itjr  bie 
Smgenb  eines  Steiges,  ber  jur  Srpotung  oon  ber  2lr* 
beit  nach  neuer  Slrbeit  greift , ber  fid)  nie  genug  tlfut, 
fid)  mit  feinem  Ütefultat  jufrieben  giebt  unb  baS  93 d ft = 
brachte  immer  an  bem  Gewollten,  baS  Krreidjte  an 
bem  Unerreidftgebliebenen  mifft.  ©o  leichtlebig  unb 
fcEjeinbar  of>ne  {eben  tieferen  fpitttergrunb  fid)  if»r  per= 


[&L 


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163 


11* 


j*—“  "■  -’X. 

föntidjeS  SBefen  giebt , fo  ernft  ift  fie  in  ihrer  ®unft, 
in  ihren  iünforberungen  an  fidf  felbft.  Sin  Stüd,  baff 
ihr  bei  fo  energifdj  rafttofer  Sfjätigfeit  eine  geftäfjtte 
Sefunbbeit  ju  ftatten  fommt , bie  if)r  erlaubt , ihrer 
pfjtlfif^en  dtatur  mögtichft  menig  ju  gemäfiren,  um  if)r 
um  fo  mehr  abjuforbern.  S§  ift  neben  ber  moratifdjen 
zugleich  eine  förderliche  ®raft  in  bem  jungen  btonben 
SOläbc^en  tfjätig  , um  bie  fie  monier  üdiann  beneiben 
bürfte.  2tderbing§  f»at  fie  and)  ba§  Seben  frühzeitig 
in  bie  @d)ute  genommen , unb  bie  Strbeit , bie  je|t  bie 
greube  unb  Senugttjuung  iljre§  3)afein§  ift,  b»at  fie 
at§  ißflidjt  fennen  gelernt  fdjon  ju  einer  Zeit,  ba  2tn= 
bere  noch  unbefangen  unb  t)armlo§  genießen  unb  if)re§ 
®inbf)eit§gtüd3  in  filtern  2tic^t§tt)un  frot)  merben 
bürfen. 

Sera  Sitnanoff  ift  oornehmer  Slbfunft ; itjreSttern 
gehörten  bem  ruffifd)en  2fbet  an.  Ser  Sater  beKeibete 
atd  Sicegouüerneur  einer  tßroOinj  eine  angefetjene 
©tedung.  Son  it)m  erbte  Sera,  bie  Kfm  am  6.  gebr. 

1855  nad)  ruffifcbier  Zeitrechnung,  ba§  ift  am  18.  ber 
unfern , in  Ufa,  einer  Keinen  ©tabt  im  Ämtern  9tufs= 
tanb§ , af§  erfte§  ®inb  geboren  mürbe , bie  tonfünfK 
terifche  Segabung , metdje  feiner  gangen  Samifie  eigen 
mar,  obgleich  fein  Stieb  berfetben  bi§t»er  bie  SDiufif 
oon  Serufgmegen  getrieben  h<KK.  Sine  munberbare 
ÜDiadd  übten  bie  Söne  oon  früh  an  auf  lebhafte 
®inb.  SBenn  nid)t§  ba§felbe  gur  9tuf)e  ju  bringen 
oermochte,  Staüierffnet  befänftigte  e§  fdjned  unb 
miegte  e§  in  fieberen,  feften  ©ddmomer.  Srei  ^alfre 
faum  jähtte  bie  Keine  Sera,  ba  fang  fie  fdjon  mit 
reiner  Stimme  ade  ÜMobien,  bie  fie  hörte,  ober  fudjte 
fie  fidj  auf  ben  Saften  be§  Staoierd  jitfammen.  @o 
Kein  auch  ihre  Jpänbe  maren , fo  gefd)idt  unb  efaftifd) 
ermiefen  fie  fich  hoch ; ja  fo  unmiberftefdicf)  bezeugte 


104 


w 


1 


ficf)  tf»r  natürlicher  SDrang  jur  SOcnfif , bafj  man  nicht 
anber§  fonnte,  at§  im  fünften  Satire  mit  ifjr  fcfjon 
fhftematifdhen  Unterricht  ju  beginnen.  Siicfit  lange 
hatte  fie  benfelben  genoffen,  ba  ftarb  ber  Später.  SSier» 
unbjwanjig  S«hre  oft-  mit  tiierlft'inbern,  beren  ättefteS, 
Sera,  fünf  Satire  gä’htte,  beren  jüngfteg  aber  am  Sage 
nach  bem  £ob  it)re§  (hatten  auf  He  SBett  tarn,  faitb 
ficf)  bie  SDiutter  at§  Söitttne  atteinftetjenb.  Shr  ®er* 
mögen  ging  ju  ©runbe.  Stuf  Sera  unb  ihr  latent 
richteten  ficf)  je^t  ihre  ganjen  Hoffnungen : biefe  muhte 
nun  fleißig  fein , fortan  für  ficf)  unb  ihre  Samitie  ar- 
beiten. gum  ®tücf  befafs  man  einen  oortreffticfien 
Sehrer  am  Drt.  Subwig  SowitjK),  ein  ejütirter  ißote, 
braute  Sera  fo  fchnett  tiorWärt§ , bah  fie  mit  neun 
Satten  ihr  erfte§  ©oncert  geben  unb  ber  ÜDtutter  ihre 
erften  1000  9tubel  tierbienen  fonnte.  SSar  fie  auih 
noch  fo  Kein , bah  man  fie  auf  einen  h°hett  ©tut)t 
fe£en  unb  eine  befonbere  Sorrichtung  für  ba§  ißebal 
anbrittgen  muhte,  ba  fie  te|tere§  nicht  mit  ihren  Süffen 
ju  erreichen  tiermochte,  mie  fie  benn  auch  teine  Dctaoe 
ju  greifen  im  ©tanbe  ttrnr , fie  brachte  e§  hoch  fertig, 
SDtojart’fche  ©oncerte  au§tnenbig  mit  Drcf)efterbegtei= 
tung  ju  fpieten,  unb  bie  unbegreifliche  ®unftfertigfeit 
ber  Keinen  Hänbe  mnrbe  tiom  ißubtifum  wie  ein 
SBunber  angeftaunt,  inbeh  auch  bie  Sritif  ihre  „Freiheit 
unb  Ungenirtheit  in  ©piet  unb  Haltung"  Wohlgefällig 
hertiorhob. 

So  tioltfommen  gelang  biefer  erfte  Serfucf) , bah 
man  batb  baranf  auch  ben  ißtan  ju  einer  Keinen  ©on= 
certreife  fahte.  Son  SDtutter  unb  Sehrer  geleitet,  weK 
eher  teuere  batb  am  jweiten  ©tatiier,  batb  at§  Dr* 
chefterbirigent  neben  it)r  wirfte,  trat  Sera  in  tierfcßie* 
benen  ißrotiinjiatftäbten  tior  ba§  ißubtifum , unb 
überall  gab  e§  reichliche  @innaf)men , babei  wertt)tiotte 


k 


M 


165 


W~  "l 

(Gefchenfe,  foftbaren  (Golbfchmucf  neben  Spielzeug  unb 
^ucferwerf  für  bie  finblicife  SSirtuofin.  SSerfü^rerifc^ 
genug , juntal  in  auf  bie  Inappen  9Serb)äit= 

niffe  ber  Samilie , erfd)ienen  fernere  2Bieber£)oIungen 
foldfer  Reifen ; bod)  ber  Seljrer , ber  fc^äbli^  jer» 
ftreuenbe  (Sinftüffe  für  feine  Schülerin  fürchtete,  machte 
ein  ernfteS  ununterbrochenes  ©tubium  jetd  jur  ^Sfticfjt. 
Seiber  führten  bie  mangelnben  Mittel  berSJiutter  f(f»ort 
mit  Pera’S  elftem  SebenSjahre  eine  abermalige  Unter» 
bredfuitg  herbei.  Slufjer  ©tartbe,  bie  SluSbilbmtg  ihrer 
Xoditer  beS  Weiteren  ju  beftreiten , muffte  fie  eS  mit 
®anf  begrüben,  als  eine  Petersburger  gamilie,  (Ge» 
neral  PafilewSfi  unb  bie  ©einen,  fidf  beS  begabten 
SinbeS  annafjmen  unb  ifjm  mit  ber  Heimat  in  ihrem 
§aufe  pgleicf)  bie  (Gelegenheit  jurn  Söefu<f»e  beS 
Petersburger  ©onfertiatoriumS  barboten.  Peirn  @in» 
tritt  in  bieS  le^tere  fteltte  ber  bamalige  ®irector  beS» 
felben,  Slnton  Stubinftein,  Pera  baS  geugniff  aus,  baff 
fie  als  „fabelhaftes  Talent  ju  ben  größten  Hoffnungen 
berechtige." 

2lber  auch  baS  ©onferüatoriitm  behielt  bie  auSer» 
lefene  Schülerin  nicht  lange.  Perljältniffe  nöthigten 
bie  SDiutter,  fie  nach  Perlauf  eines  halben  Sabres 
fcf)on  mieber  git  fid)  juriidjurufen,  unb  in  Ufa  unter 
beS  erften  SehrerS  Seitung  ftubirte  fie  nun  abermals 
weiter,  wenn  auch  nur  für  lurje  geit ; benn  wieberum 
fcfjlug  fid)  if)r  Petersburger  Protector , (General  Pafi» 
leWSfi  in’S  Piittel  mit  bem  ebelfinnigen  Angebot,  bie 
Soften  ihrer  SlnSbilbung  ju  tragen,  bafern  bie  SDiutter 
mit  ihr  in  baS  SluSlanb  gehen  Wolle.  IJtubinftein’S 
Patfj  wieS  fie  nach  Perlin  ju  (£arl  häufig.  $iefer 
hatte  fie  faum  gehört  unb  in  feine  3ud)t  genommen, 
als  er  fie  nach  SPeimar  ju  Sranj  SiSjt,  feinem  ge» 
liebten  SDIeifter,  führte,  bamit  auch  er  fein  Urteil  über 

' ä 


166 


w 


fie  abgebe,  gum  erften  SOiale  Begegnete  ba  23era  bem 
großen  DJtann,  ber  nadfmats  ber  Süfjrer  unb  gütig  Be* 
ratfjenbe  greunb  i()ter  ®ünftterfd)aft  werben  joltte.  $Wei 
unb  ein  B<dbeS  Saf)r  ber  ©tubien  üerbradjte  fie  unter 
ber  2tgibe  SEaufig’S.  SßoBt  gebaute  bie  SJiutter  fid) 
nad)  StBtauf  eine§  tnieber  Beimjuwenben.  SDod) 
ber  Se()ter  wollte  feine  ©dfüterin  nidjt  üon  fid)  taffen, 
©r  erftärte  fid)  Bereit,  „feine  fteine  9TcanS"  — fo  nannte 
er  fie  — in  fein  f>auS  ju  nehmen  unb  aus  eigenen 
Kräften  für  ifjre  f ünftferifcfje  unb  a ((gemeine  ©rjieBung 
ju  forgen.  ®a  btieb  benn  bie  ÜDlutter.  Unb  and)  als 
bann  üon  Stufjtanb  ^er  burd)  bie  ©rojffürftin  geleite 
beS  Öfteren  an  i()n  bie  ülufforberung  gelangte,  feine 
PftegebefoBtene  an  baS  Petersburger  ©onferüatorium 
abjutreten,  weit  eS  WünfdjenSWertB  fei,  ein  fotcfjeS 
latent  im  SSatertanbe  auSjubitben  unb  jit  Begatten, 
ging  häufig  nidjt  barauf  ein.  ©r  broBte  feinem  Sieb» 
ting  Wot)t  mandjmat , if) rt  üon  ficf)  weg  unb  nad) 
Petersburg  ju  ftf)iden , Wenn  er  mit  Üjm  nidjt  äufrie* 
ben  war.  ®odj  nur  fetten  gab  SSera  it)m  baju  2ln= 
tafj ; benn  WaS  fie  ber  SRutter  Bei  beginn  ber  berliner 
öe^rjat)re  getobt  fjatte : fid)  mit  altem  gteifj  itjrer  ge= 
liebten  S'unft  ju  wibmen,  baS  Biett  fie  getreu(id).  2tdjt 
©tunben  unb  metjr  nod)  tägtidj  fafj  baS  bierjet)njäf)rige 
®inb  am  Stüget  feft.  SDiodjie  fein  Xemiperament 
immert)in  nodj  fo  feurig  unb  tebenbig  fein  — bie  9J£u= 
fit  Biett  a(te  unruBigen  ©eifter  in  itjm  gebannt , unb 
unermübtid)  tag  eS  feinen  Übungen  ob.  ©o  finbtidB 
bie  Steine  mit  iBren  furjen  Leibern , iBren  tang  über 
ben  tftüden  Berabfattenben  ticf»tbtonben  gtedjten  auS= 
fcEjaitte,  iBren  ptafe  am  Snftrument  naBm  fie  mit  ber 
guüerfidjt  unb  Süf)ttBeit  eines  ÜÖteifterS  ein.  ®abei 
gab  fiiB  ein  überrafdjenber  ©ruft  beS  ©mpfinbenS  bei 
iBr  tunb.  33efennt  bodj  eine  iBrer  älteren  @tubien= 


te= 


M 


167 


W~  "Tt 

genoffinnen,  bie  Stmerifanerin  ÜDiifj  9fmb  gat)  *) , 
»little  TimanofF s«  (öeftänbnifj , baff  fte  itatf)  einem 
(Soncert  Saufig’§  bie  ganje  S'iacfit  ttic^t  jefjtafert  fonnte, 

I)abe  iljr  felbft  bie  ©cbamrötbe  in’§  (Sefidjt  getrieben, 
bet  fie  ifyre§  eigenen  ungeftörten  <SdE)Iaf§  gebaute. 

S3ei  atlebem  oerfubr  ber  geniale  Setjrer  au§nebntenb 
ftreng  gegen  feinen  Bögling.  Sie  it)m  eigene  nerüöfe 
$aft  unb  Ungebulb,  bie  feinen  ©cbüfern  oft  ju  fdjaffen 
machte,  mitberte  fidj  aitcE)  i£)r  gegenüber  trot$  feiner 
SSorliebe  für  fie  nicht.  SJfit  Sob  üertoöbnte  er  fie  fei* 
ne§toeg§,  unb  fein  Sabel  blieb  if)r  nicht  erfpart.  (Sin 
troefened  „@0!"  — fo  ergäb)lt  ÜDiifj  Sat)  ab?  £>bren= 
jeuge  — lohnte  beifjnefdtüeife  ihrem  gfanjüotten  S3or= 
trag  üon  (Sfjoftin’l  großer  A-moll-(Stübe,  mätjrenb  er 
fpäter  Sfnberen  gegenüber  befannte , baff  er  felbft  fief) 
nicht  beffer  bamit  abjufinben  im  ©tanbe  fei.  Um  fo 
rücftfaltiofer  pflegte  ber  ShtSbrucf  feiner  Unjufrieben* 

I)eit  ju  fein.  ftören  toir  ÜDfifj  gab  eine  jener  ©eenen 
fefutbern ! 

„Sie  geniale  Heine  Simanoff  braute  if)m  eine 
©cbitbert’fcbe  ©onate , üon  ber  Saufig , aus?  ber  2trt 
feinet  S3enet)men§  ju  febfiefjen,  eine  ganj  befonbere 
Sfuffaffung  fjdben  muffte.  SCRit  gemolfnter  gertigfeit 
begann  Simano  ff  fie  ju  fpiefert ; fie  batte  offenbar  jebe 
fdEjtaflofe  Spinnte  feit  ber  testen  ©tunbe  auf  ba§  ©tu* 
biunt  berfetben  üertoanbt.  Sodj  toar  fie  noch  niibt  toeit 
auf  ber  erften  ©eite  gelommen , a(§  er  fie  innet)atteu 
tjieff  unb  an  ihrem  9fu3brucf  allerlei  au§feijte.  Sßon 
neuem  begann  fie , bodj  .mit  feinem  befferen  (Srfofg. 

2fucb  ein  britteS  SDfaf  blieb  er  unbefriebigt,  obfefjon  er 
fie  ein  ©tücf  loeiter  geben  fieff.  $eben  5fugenbticf 
jebotb  unterbrach  er  fie  in  ber  beftigften , rüäficf)tS= 


*)  Music  Study  in  Germany. 

--M 


108 


lofeften  SBeife.  $d)  Wäre  an  ihrer  Stelle  fidjerfid)  in 
sdjränen  abgebrochen , hoch  tJimanoff  errötete  nur 
über  itnb  über.  23on  einer  Sfpfefbfiite  fcffeen  fie  itjr 
Sncarnat  gu  borgen,  häufig  tnitrbe  inbefe  immer  auf= 
geregter  nnb  tief  fie  in  feiner  llngebutb  gange  Seiten 
überfpringen.  „Spiele  hier!"  fagte  er,  unbufbfant  auf 
eine,  eine  halbe  ober  gange  Seite  weiter  ffenau§  tiegenbe 
Stelle  beutenb.  „8ch  fann  ba§  nicfjt  hören!  Spiele 
Weiter ! (£§  ift  gu  fd^tec£)t  um  e§  anguhören !“  — Snb» 
fid)  fuhr  er  mit  ber  £>anb  üf)er  bie  9ioten  nnb  rief  wie 
bergweifefnb  au§ : „Üinb , e§  liegt  eine  Seele  barin, 
fpürft  bu’§  benn  nicEit , e§  liegt  eine  Seefe  barin!" 
Ximanoff,  bie  Weber  eine  Seefe,  nod)  Srfatjrung  genug 
fiat,  um  eine  fofcfje  gn  erheudjefn,  hatte  öon  bem,  wag 
er  meinte,  augenbfidfid)  feinen  rechten  begriff.  Statt 
nnb  geläufig  wie  immer  futfr  fie  in  ihrem  Spiele  fort, 
big  Xaufeg  eg  nic^t  länger  ertragen  fonnte  nnb  bie 
Sioten  gufcfefug.  SOiidE).  berührte  biefe  mir  neue  Scene 
äufeerft  unangenehm , benn  gern  f)öre  ich  Simanoffg 
Keine  Ringer  über  bie  haften  hufehen.  9ftag  fee  nun 
eine  Seefe  hoben  ober  nicht,  ihre  attgeit  accurate  gier» 
liihe  Spanier  nnb  ein  gewiffeg  Stwag  in  ihrem  gefun» 
ben  fteinen  Seffent  faffen  mich  faum  nad)  Seele  ber» 
fangen." 

$afe  er  in  bem  tafentboffen  Stäbchen  eine  birtuofe 
Sröfee  aufergog , war  bem  reigbaren  ibeafiftifdfen 
Äünftfer  fefbftrebenb  erfidfetid)  genug,  liefe  er  hoch 
auch  nadfbem  er,  feiner  fdfwanfenben  Sefunbhcit 
halber,  feine  Schüfe  aufföfte,  SSera  ttod)  ferner  pri» 
batim  ein  feafbeg  Safer  feine  Unterweifung  gu  Sitte 
fommen,  fie  gu  ihren  nädjften  Soncertunternehmungen 
borbereitenb. 

Scfeon  im  $erfaufe  ihrer  Stubien  bei  if)tn  hatte  fee 
im  üftobentber  1870  ein  erfteg  SDebiit  auf  bag  gfiid» 


k 


169 


tidjfte  beftanben.  Sn  einem  bon  ber  renommirten  ®e* 
fangtet)terin  Sennt)  SOletjer  im  Slrnim’fdien  ©aal  ber= 
anftatteten  2Bohtthätigfeit§concert  trug  bie  günfsehn* 
jafjrige,  bttrcE)  ein  ißrefto  bon  ÜDtenbetSfohn  unb  2i§jt’3 
@ o mm ern a c£)t§ träum = ißt) atttafi e ba§  ißubtifum  in  einen 
Wahren  „23eifatt§j)aroj;i§mu§"  berfetjenb,  ben  ißrei§ 
be§  SIbenb§  babon.  „(SHeic^  nach  ben  erften  Stccorben 
mar  e§  jmeifetto§ , baff  man  e§  tjier  mit  einem  ganj 
ungemöhntidjen  latente  p tfjun  habe,  ba§  in  bortreff* 
lieber  Sdpte  fic^  herrlich  entmidett  Ijat  unb  p großen 
Grmartungen  berechtigt.  ®ie  junge,  fräftige  Iftnffin 
bearbeitete  ben  93ecf)ftein’fc£)en  §Iüge£  mit  einer  iftraft 
unb  Energie , um  metcfje  fie  mancher  fdjmächtiche  ißia* 
nift  mit  Stedjt  beneiben  mürbe ; mit  einer  9Irt  naiben 
£ro|e§  feilte  fie  fid)  bor  ba§  Snftrument  t)in,  at§  ob 
fie  p itjm  fagen  moHte:  ,,„bir  mitt  id)  fdjon  jeigen, 
mop  bu  ba  bift,  bu  mufft  mir  gehorchen  unb  menn  bu 
bid)  auch  noch  fo  fetjr  fträubft!"“  S«  bem  SDtenbete* 
fohn’fchen  ißrefto  bemnnberten  mir  befonber§  bie  per* 
ienben , fauberen  Saufe,  metdje  bie  junge  fßiaitiftin 
fpietenb  p i£age  förberte,  unb  in  ber  Si§jt’fd)en 
@ommerna(ht§traum='ißhantafie  überrafchte  un§  bor 
adern  bie  Steife  ber  Sluffaffung." 

@o  taffen  fid)  bie  „Signale"  über  bie  erfte  öffent* 
liehe  Seiftung  ber  ®ünftterin  auf  beutfdjem  93oben  ber* 
nehmen.  2lucf)  ®umf>recht,  Gnget  unb  anbere  fbäupter 
ber  berliner  lü'ritif  ftimmen  in  ihrem  Sobe  überein 
unb  fagen  ber  „eminenten  SSirtuofin"  eine  „thatenreidje 
3ufunft“  borau§.  Stt  SS5a£>r£)eit  tiefj  biefetbe  nicht  auf 
fich  märten.  Stach  faurn  erfolgtem  Stbfdjtufj  ihrer 
, Stubienjeit  bei  Saufig  trat  fie  in  einem  grofjen  Gon* 
cert  pm  föeften  be§  ©uftab=S£bo£f)S3=9Serein§  mieberum 
bor  bie  £>ffenttid)feit , bie§mat  bie  .Sühörerfdjaft  mit 
9tubinftein’§  brittem  Goncert  unb  einer  Valse-caprice 

fc.  • • • 


W . ” % 

iljreg  Sef)ter§  entljufiaSmirenb.  Sie  SCnmefentjeit  be§ 
letzteren  fjatte  fte  fidj  habet  berbeten.  9Bie  bor  feinem 
SQJertfdEjen  fonft  fürchtete  fie  ficfi  bor  tfjnt.  @o  ruijig 
ttnb  unbefangen , frei  bon  allem  Sampenfieber  fie  aß* 
jeit  üor  bag  fßubtifum  trat  itnb  tritt , bor  bem  Urtljeit 
be§  fo  ljocfj  tion  if>r  bereiten  SDleifterS  bangte  if)r 
munbertidj.  Um  fo  gtüdtidjer  mar  fie  bann  freilich,  at§ 
fie  erfuhr,  er  fei  trof;  be§  SSerboteS,  tjinter  einer  ®äute 
berftedt,  i£>r  3uf)örer  gemefen  unb  feine  Heine  $£Rau§ 
fjabe  fict)  feine  boße  gufriebeufieit  ermorben. 

9tadj  Vorgang  ber  beutfdjen  ©rfotge  blieben  and) 
bie  ruffifcfjen  nidjt  au§ ; benn  Ijinmeg  bon  bem  lieben 
Setjrer,  ber  bafb  barauf  feiner  tjotjeu  fünftterifdjen 
unb  päbagogifdfert  Sßiiffion  gattj  entriffen  merbeu  unb 
ben  fie  nimmer  mieberfefien  foßte,  muffte  fie  jejjt.  3f>r 
9Beg  führte  fie  f)eim  nadj  ßtufjtanb.  ßtadj  fßeter§burg 
mar  itjre  gamitie  mitttermeile,  um  ber  ©rjieijung  if»rer 
brei  jüngeren  ©efcEjmifter  mißen,  übergefiebett.  Safjin 
ging  aud)  fie,  um  fidj  bon  iljren  2anb§teuten  feiern  ju 
faffen.  5n  einem  @t)mpt)onie*©oncert  ber  ruffifdjen 
SRufifgefeßfdiaft  unb  £ag§  barauf  in  einem  großen 
Soncert  Sabiboff’g,  be§  berühmten  SSiotonceßtften,  im 
Sweater  fteßte  fie  fidj  bor  unb  gab  eigene  ©oncerte, 
bereu  fftefultat  nidjt§  ju  miinfdjen  übrig  tiefj. 

.Qmifdjett  bem  Stu§tanb  unb  ber  Heimat,  bie  feit* 
bent  93era’§  jäf»rlicfie  ©oncerte  ju  iljren  beften  Uitnft* 
genüffen  jäf)tt , tijeilte  fie  fortan  ifjrett  Stuf  enthalt. 
@djon  im  Secember  1871  mar  fie  mieber  in  fßrag, 
bort  unb  in  SBien,  mo  fie  fidj  im  Januar  1872  in 
einem  felbftänbigen  ©oncert  [preit  liefs,  begeiftert  auf* 
genommen;  für  fertig  aber  ljiett  fie  ficf)  fetbft  aud)  jeijt 
ttod)  !eine§meg§.  9Kit  aßen  Kräften  nadj  Ijödjfter  95er* 
boßfommnung  ftrebenb , genofj  fie  bietmeljr  um  biefe 
3eit  nod)  brei  iötonate  fjinburcE)  Stubinftein’S  Unter* 


171 


Reifung , mährenb  biefer  at§  Dirigent  ber  9)iufifoer= 
einS=©oncerte  1872  in  SSien  öermeitte,  unb  ftebelt 
fidf  feit  1875  auch  int  Saufe  feben  ©ommerS  in  2Bei= 
mar  an,  fo  lange  ber  kufentftatt  SiSjt’S  bafetbft 
mät)rt , um  aus  Selfre  unb  23eifpiet  beS  unerreichten 
SJteifterS  fjotjen  (Setoinn  unb  ebetfte  ©enüffe  ju 
fcf)öpfen»  SaS  ift  ifjre  ©rtfotung  üon  ben  2tnftrengnn= 
gen  beS  SßinterS,  toenngteid)  fie  aud)  toährettb  biefer 
Sinfiejeit  tagtäglich  acht  bis  jrnölf  ©tunben  am  ©taüier 
tt)ätig  bleibt.  3f)re  ftäl) lernen  Heroen,  ihre  urträftige, 
ed)t  ruffifche  (Sefunbheit,  bie  auS  ihrem  jugenbfriftf»en, 
anmutfjig  btühenben  Pufferen  fpridjt,  ertauben  es  it»r 
ungeftraft.  Unb  fie  lennt  lein  f)öb>ere§  ®ebot  als  für 
ihre  ®unft  ju  ftreben  unb  ju  leben  — unb  jugteid) 
burdf  ihre  ®unft  ihrer  gamitie  ein  behagliches  Safein 
ju  bereiten.  SJian  muh  ihre  treue  Sürforge  für  bie 
lyhren  lennett,  um  Sera  Simanoff  nid)t  nur  ju  be* 
wunbern,  fonbent  auch  ju  fchä^en  unb  ju  lieben. 

üftidft  gering  and)  finb  begreiftidjertoeife  bie  ‘än- 
forbernngen , bie  SiSjt  an  eine  fotche  ©chüterin  ftettt. 
@o  machte  fie  ficf)  5.  23.  im  ©ommer  1877  auf  feinen 
Sßunfdf  9tubinftein’§  jmeiteS  ©oncert  (F-dur),  baS  fie 
bis  bafiin  noch  nicht  gefpieft , binnen  üier  Sagen  fo 
oottftänbig  ju  eigen,  bah  fie  es  ihm  am  fünften  Sage 
ausmenbig  oorjufpieten  unb  am  fechSten  Sage  in  einer 
feiner  SJtatine'en  mit  gtanjenbem  ©rfotge  üorjutragen 
oermochte.  SaS  jufriebene  Sädfetn  beS  SJieifterS,  mit 
bem  er,  fetbft  am  jtoeiten  ©laoier  bie  Drdjefterpartie 
fpietenb,  bie  Seiftung  feiner  ©chüterin  begleitete, 
mochte  ihr  tt>of)t  "ber  tiebfte  Sohn  für  biefetbe  fein. 
(Steicherioeife  überrafdfte  fie  ihn  im  ©omnter  1881, 
als  er  nach  einer  oiertägigen  ütbioefentjeit  heintfef)rte, 
burdf  Sorfithrung  oon  Subinftein’S  erftem  ©oncert, 
mit  beffen  ©tubium  fie  fid)  ixtjiüifc^en  befcffäftigt  hatte. 


©bopin’3  B-moll-@onate  mitbemSrauermarfch  Op.  35 
— ein  t>eriif)inte§  Jtepertoireftücf  iRubinftein’S — , $Ru= 
binftein’S  ©uite,  feine  „Seonore"  ntit  ihren  riefigen 
©chwierigfeiten  , bie  fie  letzthin  in  i£)r  ^Repertoire  auf* 
genommen , fiitb  gleich  unzähligem  anberen  ebenfalls 
baS  IRefuItat  toeniger  Sage;  ja  ju  ber  teueren  be= 
hauptet  fie  nur  gtoötf  ©tunben  beburft  ju  haben.  2BaS 
fie  irgenb  intereffirt  — gteic^öiet  ob  GHaffifcheS  ober 
ÜRoberneS,  h)enn  fie  auch  befonberS  ju  (Hjopin,  SiSjt, 
IRubinftein  neigt  — baS  macht  fie  fidj  ntit  eitergifdbent 
Sifer  WiberftanbSloS  ju  eigen.  SDafj  ibr  bei  ber  ®lein= 
beit  ihrer  bon  ÜRatur  für  baS  ©laüierfpiel  nicht  günftig 
gebauten  fpanb , bie  faurn  eine  Heine  SRone  ju  greifen 
oerntag,  bermehrte  ©cbtoierigleiten  erwadjfen,  Himntert 
fie  Wenig.  2BaS  ihr  an  ©pannlraft  mangett,  erfeijt  fie 
an  ©lafticität.  Sludj  Weifj  fie  fidj  ju  helfen  unb  mit 
ber  gleichen  SBirfung  öieleS  anberS  auSjufüljren,  als 
eS  gefchrieben  ift.  »Je  ne  sais  comment  vous  ferez 
pour  adapter  la  »Sonnambula«  ä vos  petites  mains ; 
eiles  devront  se  promener  sur  les  toits  ä la  ma- 
niere  des  somnambules«  fdjrieb  ihr  SiSjt  einmal,  als 
fie  ihm  feine  @onnambula=ißbantafie  als  ben  neneften 
©egenftanb  ihrer  ©tubien  unb  als  eine  ißrogrammnum* 
nter  feiner  nächften  SRatinee  anlünbigte.  Sa  wie  oft 
war  „23era  SSeriffima“  bie  „Sierbe"  biefer  SERatineen, 
mit  benen  baS  mufilalifche  Sßeimar,  feinen  (§5ro^f)er§og 
an  ber  ©pitje,  in  SiSjt’S  §eim , ber  ibt)llifd)en  „§of* 
gärtnerei“,  bie  fommerlichen  ©onntage  feierte!  Unb 
wen  falj  unb  hörte  man  ba  nicht  alles ! SBelcb  ein 
SReicbthum  fünftlerifdjer  33ilbung  flofs  ba  nicht  jufam* 
men  unb  fanb  in  ÖiSjt  feinen  SRittelpunft ! 93ülow  unb 
häufig,  fRubinftein,  ©aint=@aenS,  ©auret,  ißauline' 
SSiarbot , ©ofie  SRenter,  ©räfin  ©djleiniü,  grau  oon 
SRoudjanoff,  ißinner,  garentbSU),  ©charwenla,  — ja 


wer  nennt  fie  ade,  bie  wedjfetnb  mit  bem  SDteifter  felber 
freigebig  ibjre  ©aben  fpenbeten  unb  unS  mit  Sang  nnb 
Slang  erfreuten , inbeß  burdj  bie  offenen  fünfter  oom 
©arten  herein  fftofen=  unb  Drangenbuft  brang  unb 
bie  fjotjen  Sinben  ber  SMtiebere*2tltee,  bie  alten  SBaum* 
riefen  be§  claffifcfjen  IßartS  unS  frifcfje  Süfftung  ber= 
über  fächelten,  wenn  brihnen  bie  Temperatur  ber  $8e= 
geifterung  atlju  ßod)  ju  fteigen  brotjte.  SBoljt  War  baS 
fcflön  unb  bocf)  ift’S  nun  — ba  jene  üötatineen,  wie  eS 
fdjeint,  auf  immer  üerftungen  unb  ibjr  SSeranftatter  fie 
nidjt  rneßr  fortjufelen  geneigt  ift  — audj  üorbei  unb 
gehört  nicf)t  meljr  ber  ©egenwart,  fonbern  ber  ©e- 
fcf»i(f)te  an , bie  eS  unter  bem , was  SiSjt  feiner  geit 
gegeben,  tierjeicßnen  wirb. 

TaS , wa§  ber  ÜDteifter  feinen  Sdjülern  gab  unb 
nodj  fortwäljrenb  giebt,  aber  gewahren  unb  erleben 
wir  nod)  tägtid).  SSiel  ift  eS  and},  was  SSera  Timanoff 
itjrn  banft.  SSBenn  fie  bon  jebem  ibjrer  brei  großen 
Seßrer,  ben  größten,  bie  bie  Sßett  befeffen,  etwas  ats 
©rbe  unb  ©igentßum  empfing : bon  Taufig  bie  frpftaß* 
fjelte  Tedjnif,  bon  Ütubinftein  bie  Ißlaftif  beS  Tons, 
fo  beeinflußte  SiSjt  inSbefonbere  bie  fpirituette  ©eite 
itjreS  SpieitS,  jenes  tiefere  mufiMifdje  Sßefen,  baS 
nocß  über  ber  birtuofen  Seiftung  ftetjt.  2BaS  fie  ficß 
ba  im  S3unbe  mit  ben  ©aben  ber  Statur  burdj  Seßre 
unb  SSeifpiel  ju  eigen  gewonnen:  bie  Saat  emfigen 
ÜDtüßenS  unb  nie  ermübenber  Arbeit , fie  ift  ißr  nun 
jur  gotbenen  ffrudjt  gereift.  Ter  füßne  Scßwung 
ißreS,  wenn  nidjt  fonberlidj  feeten»,  fo  bodj  tempera» 
mentboüen  Spiels , itjr  wuchtiger  unb  babei  fammt* 
weicßer,  gefangreicßer  Ton , iljre  padenbe  SRßptßmifi* 
rung,  itjre  nicßt  nur  in  ißrer  Speciatität,  bem 
Staccato , fonbern  nacß  jeber  Stiftung  ßin  treffließ 
entwidette  Tecßnif  mit  einer  meßr  als  weibficßett  Sraft 


\jfr ■ « 

unb  StuSbauer , ^aben  fie  nicht  attenthatben , Wo  fic 
fid)  geigte , taute  SInerfennung  gefmtben?  SJlod)te 
ficf ) aud)  t)ier  unb  bort  auf  gatijifdjem  unb  ungari* 
fdjem  Soben  bie  teibige  fßotitif  in  bie  rein  fünft» 
terifcfien  fragen  mifcfjen  unb  man  ber  SDtufiferin  ifjre 
ruffifdje  Stbftammung  entgelten  taffen , e§  btieben 
bie§  bocf)  eben  nur  üereinjette  gälte.  ®am  e§  in  ®r a» 
tau,  ba§  SSera  auf  ihrer  großen  Sournee  (1878)  mit 
©auret,  bem  ausgezeichneten  (Seiger,  berütjrte,  auf  ber 
(Straffe  unb  im  ©oncertfaat  ju  fo  feinbfetigen  Semon» 
ftrationen,  baf]  fie  faum  angefjört  mürbe  unb  bie  Äritif 
ficf)  bis  jur  ^Behauptung  üergaff,  „baS  GtXaoier  freifdje, 
quiefe  unb  fdfreie  unter  ihren  Ringern“,  febaff  SSera 
ihrem  entrufteten  SSegteiter  alten  (SrnfteS  ben  SBorfdqfag 
machte,  fic^  non  itjrn  ju  trennen ; unterfagte  beifpietS» 
meife  and)  bie  Dbrigfeit  einer  Meinen  ungarifdjen  Stabt 
au§  eitet  fftuffentjafj  bas  Stuftreten  ber  .tüuftterin , fo 
rief  baS  an  anberen  Orten  um  fo  bemonftratitiere  Düa» 
tionen  tjeroor.  Stn  ber  ferbifdjen  (Srenje  begrüßte  man 
fie  unter  anberem  (1879)  mäprenb  ihrer  doncertreife 
mit  fE&ercfhta  Seibt,  einer  ©djüterin  ^ettmeSberger’S, 
an  ben  Stohnpöfen  mit  feierlichen  Slnfpracpen , oon 
benen  bie  (Sefeierte  freiticf» , ba  fie  in  ferbifdjer  gnitge 
gehalten  mürben , nicht  baS  SJiinbefte  oerftanb ; ja  in 
(Sffegg  an  ber  Sonau  überreichte  man  ii»r  gar  eine 
ruffifdje  reidjgeftidte  gähne , bie  auffer  Stamen , Ort 
unb  Saturn  bie  Snfdjrift  trug : „Ser  norbftaüifd)en 
®ünftterin  bie  fübftaoifcpen  greunbe".  Stud)  bie  ruf* 
fifche  23otfSf)hmne  mottte  man  ihr  fpieten  taffen,  hätte 
fie  fetber  eS  fidj  nid)t  aus  Stüdficpt  für  bie  Ungarn 
Oerbeten.  (Serabe  in  ben  potnifdjen  unb  ungarifdien 
£>auptftäbten  Sßarfdjau , Semberg , fßeft  tjntbigte  man 
ihr  übrigen^  am  feurigften.  Stur  fetten  burfte  fie  fid) 
über  Ungafttichteit  beftagen.  SiSjt’S  SBort:  »Votre 

...  — 


w 


talent  est  de  force  ä convertir  meme  les  Turcs«, 
womit  er  ihre  Söeforgniffe  fcfjort  1876,  als  fie  mit 
Slglaja  Drgeni  unb  93erff)a  §aft  concertirte , beruhigt 
fjatte,  bewährte  fid). 

93i§  jum  golbenen  Jporn  hinab  ging  fie  allerbingS 
für’S  (Krfte  noch  nic£)t.  Sie  50g  eS  bor,  bie  f»otIänbi= 
fd)en  Stäbte  (1878  unb  1881),  ißariS  (1877)  unb 
Soitbon  (1880,  81  unb  82)  ju  erobern  unb  ifjre  Siege 
in  ©eutfdjlanb  unb  Uiufjlanb  (im  ©üben  Wie  im  9tor= 
ben)  fortjufeijen. . Sind)  Slnterifa  ftrecfte  bie  fpanb  nad) 
ilfr  auS ; bod)  blieb  if)r  junädjft  nod)  in  (Europa  genug 
ju  ttjun.  3m  Sommer  1879  fpielte  fie  bei  bem  twm 
„Slßgemeinen  beutfdjeit  SJtufif  herein“  beranftatteten 
SßieSbabener  SJlufiffeft  unb  im  barauffolgenben  föerbft 
jum  (Geburtstag  ber  ®aiferin  in  SSaben  = 53aben , Wo 
itnfer  beutfdjer  ftatfer  fid)  mit  ber  ruffifdjen  ftünftlerin 
in  ihrer  Sprache  unterhielt.  9c od)  früher  fd)on,  gelegent* 
lieh  feines  (Kuraufenthaltes  in  @mS  (1876),  hotte  fie 
ihrem  (Kjar  911ejanber  II.  ihre  mufifalifdje  |>ulbigung 
bargebradjt  unb  in  einer  auf  feinen  93efe£)l  eigens  für 
fie  oeranftalteten  Soiree  bor  ihm  gefpielt.  2ludj  bei 
SCHac  9Jtal)on , bem  weilanb  ißräfibenten  ber  franjofi* 
fcfjeu  Uiepublif,  ftanb  fie  in  befonberer  (Gunft,  unb  ber 
SBeimarer  Ipof,  bei  bem  fie  ein  gern  gefeljener  (Gaft  ift, 
ernannte  fie  im  Dctober  1880  jur  gro^tjer^raglicEien 
®ammerpianiftin.  So  jung  fie  ift,  fie  trägt  fd)on  ber 
Sf)ren  biele  auf  ihren  Schultern.  2llS  1881  bie 
(Koncertgefellfchaft  »Sempre  crescendo«  in  Serben  ihr 
50 jähriges  Subiläum  feierte,  nal)m  fie  bie  jugenblidte 
50?eifterin  unter  ihre  @f)renmitglieber  auf.  SSir  wüßten 
auch  für  S3era  Simanoff  S immer  hoher  ftrebenbe  ®ünft= 
lerfdjaft  fein  richtigeres SJiotto  als  »sempre  crescendo«. 


=JÜ 


w 


M. 


öa  üftara,  Stufcicnföpfc.  V. 


12 


wei  Satire  ftttb  eS,  ba  üb  erraffte  ber  Sötann 
ber  Überrafclfungen , §an§  oon  Vütow, 
inbem  er  ber  mufifatifchen  SJcenfcbbeit  wie» 
ber  einmal  einen  feiner  eben  fo  berühmten 
als  ob  if)rer  SarfaSmen  gefürchteten  Steifebriefe  unb 
»Strtifet  jum  SSeften  unb  bamit  allerlei  ernfte  fragen 
ju  benfen  gab,  bie  SSett  mit  ber  SOcittfjcitimg  , baff  es 
einen  „Stioaten  Soadjim’S"  gebe.*)  „®eS  Sinnigen 
einziger  Stiüat“,  fo  fjtefs  eS , „lebt  in  ©ngtanb , biefer 
©r  ift  eine  Same  unb  biefe  ®ame  twifst  SBitrna 
Steruba-Storman."  SDen  Süngften,  mit  ber  mufi» 
fatifchen  ©hronif  minber  Vertrauten  unter  nnferen 
beutfdjen  ©oncertbefuchern  Hang  ber  Stame  jiemticf) 
fremb  an’S  Dfjr.  28ar  bie  Trägerin  beSfetben  auch 
nicht  gerabe,  Wie  Vütow  meint,  für  baS  Sanb  ber 
SDtufit  „nur  tegenbenhaft"  — benn  noch  im  3<*hre  18  74 
hatte  man  fie  beifpietSWeife  in  Seipjig  gehört  — fic 
war  hoch  eine  fo  fetten  begrüßte  ©rfcfjeinung  in  unferen 
StRufifhatten  geworben,  war  bem  Oatertänbifchen  £on= 
teben  feit  langem  fo  fern  gerüdt,  bafj  bie  bitteren, 
Vetefeneren  ber  SBifjbegier  ber  jüngeren  ju  §ütfe 
tommen  unb  fie  belehren  mußten,  baff  aus  einem  einft* 
maligen  Sßunberfittb  SSitma  SZeruba,  ba§  fich  ju  ©nbe 
ber  oierjiger  Sat)re  baheim  unb  im  VuStanb  feinen 


*)  „£tc  ©etgenfec."  Signale  1S80,  9?r.  16. 


179 


12* 


w 


erften  Stupm  erftricpeit , jene  äBunberfrau  gereift  fei, 
bie  at§  „©eigenfönig  öott  Stpolto’3  ©naben"  fiep  int 
„Steicp  ber  optifdpen , nicpt  aber  ber  atuftifcpen  Siebet" 
iprett  Spron  erbaute.  „Sie  ©eigenfee"  tauft  fie  §an§ 
tion  VütoW  unb  befennt  fid)  non  ipren  Seiftungen 
„eteftrifcp  gepacft."  „fjrrau  9teruba’§  Secpnit  ju  prei* 
fen",  fagt  er,  „wäre  eben  fo  abgefcpmacft  ate  materia= 
tiftifcp.  SBer  fpricpt  non  Soacpim’3  9Jtecpani3mu§  ? 
Ser  ©eift , bie  Seele , ba§  Seben , bie  Sßärme , ber 
Stbet , ber  Stil , bie  au§  ber  innigften  Vertiefung  in 
ba§  ®unftwerf,  au§  bem  tiebeüoltften  Slufgepen  in 
bemfetben  fid^  entfattenbe  |>ocp'Vtüte  ibeater  3nbiöi= 
buatität , bie  oerftärte  Stuferftepung  bes  Subject§  als 
Sopn  für  feine  Eingebung  an  ba§  Dbject , barin  liegt 
ba§  ÜDtadptgepeimnif  biefer  Zauberin  über  bie  bergen 
ber  $upörer.  Sarin  ift  fie  grop  unb  rein  wie  Soacpim, 
barin  ift  fie  fo  einzig  Wie  ©r.  Sag  ift’§,  Wa§  be= 
wirtt,  bap  man  ipr  ntepr  at§  »talent  hors  ligne«,  baf; 
man  ipr  ©enie,  atfo  Valentin  pöcpfterißotenä 
jujuerfennen  pat." 

Stuf  eine  tange  Steipe  lünftterifcper  Stpnen  blicft 
SBitma  Sieruba  jurücf.  Ser  erfte  als  SSiotinfpieter  be= 
fannt  geworbene  Stepräfentant  ipre§  9iamen§ , ber  ju 
Stoffip  in  Vöptnen  gebürtige  Sopamt  SprpfoftomuS, 
weift  bi§  in  bie  erften  3apre  be§  üorigen  Saptpunbert§ 
pinab.  $u  ^ra9  für  SDtufif  erjogen , oertaufcpte  er 
fpäter  bie  bortige  Speatercapette  mit  bem  ®tofter  unb 
ftarb  als  ißrämonftratenfermöncp  im  Strapofer  Stifte. 
Sein  jüngerer  Vruber  Sopann  ©eorg  griff  gteicpfatt§ 
jur  ©eige,  componirte  aucp  Stüertei , ging  auf  Steifen 
unb  folgte  1750  einem  Stuf  nacp  Sre§ben,  fiep  nacp= 
mat§  nur  ber  Stugbitbung  feiner  Söpne  Subwig  unb 
Stnton  griebridp  wibmenb.  Ser  Vritnner  Somorganift 
Sofef  Steruba , ber  um  ein  tiotte§  Saptpunbert  jünger 


ä 


y\ 

War  alS'jeneS  erftgenaunte  Srüberpaar,  War  äBilma’S 
Sater.  Son  ber  mufifalifchen  Samilienbegabung  erbte 
jebeS  feiner  fünf  föinber  fein  X^eiL  SSeitauS  am  reich = 
lidfften  bamit  gefegnet  aber  Würbe  bie  am  29.  3Mrj 
1839  geborene  SBilma,  ber  fcf)on  üon  aüererfter  ®inb=- 
beit  an  ber  Fimmel  öoüer  Zeigen  iiittg.  ®aum  üier 
Sabre  alt,  begann  fie  bereits  tiont  Sater  ju  lernen, 
mit  bem  Sogen  umjugeben , unb  fo  fehltet!  unb  ficfjer 
gewöhnte  fie  fiel)  il)n  $u  fiitjren , baff  man  bie  @ech§5 
jäbrige  nadj  2Bien  fc£)ic£te , bamit  fie  bei  einem  guten 
SDleifter  in  bie  Selfre  gebe.  Sin  Sal)r  öer  ©tubien  bei 
Seopolb  Sanfa  befähigte  fie,  fidf  öffentlich  hören  ju 
laffen.  äftit  ihrer  älteren  Sd)Wefter  SImalie  trat  fie 
1846  im  Salon  Streicher  auf  unb  gab  fobann  im  ®e= 
cember  beSfelben,  wie  im  Sanuar  beS  barauffolgenben 
SahreS  brei  Soncerte  im  alten  SBiener  SDinfifoereinS* 
faal , beren  brittem  Sennh  Sinb  bie  ®hre  ihrer  SÖtit* 
Wirlung  fchentte.  911S  bie  Sd)Weftern  im  Sluguft  in 
Saben  bei  2Bien  ein  oierteS  Soncert  oeranftalteten, 
hatte  fidf  auch  ein  Sruber,  Sictor  mit  tarnen,  als 
aSioIoncefffpieler  {»ittjugefuttben*  Sßilnta , „ber  Heine 
geigenbe  Sngel" , erregte  ebenfoöiel  ©tjmbatbjien  als 
Sewunberung.  „S)ie  weit  über  ihren  Sehren  ftefjenbe 
ütuffaffung , bie  tiollenbete  Sorm  beS  SortragS , bie 
Feinheit  ber  Sntonation  überhaupt  unb  ber  feine,  fräf* 
tige  £on,  ben  fie  ber  Keinen  ©reioiertelgeige  entlocfte", 
fanben  bie  lautefte  21nerfennung. 

■JtorbwärtS  giehenb , fegte  bie  ftinber  = StriaS  ihre 
Srfolge  in  Seipjig,  Serlin,  Hamburg  unb  anberen 
Stäbten  fort.  Sn  Sonbon  führte  fiel)  SSilma  am 
11.  Suni  1849  bei  ben  ißhiliwrmonifern  mit  einem 
Soncert  Seriot’S  ein , bie  nächften  Sal)re  fallen  fie 
üorjugSWeife  in  Sinfflaub.  ®ie  Sücfe , bie  ber  in  5)3e= 
terSburg  erfolgenbe  Sob  beS  SruberS  in  baS  @e* 


fcf)Wifter  = iXrio  riß,  warb  burd)  ben  (Eintritt  eine§ 
Zweiten  Kruberg,  granj,  jdwell  Wieber  ergänzt;  ja 
burcf)  Slnfnahme  ber  jüngeren  ©djWefter  Sparte  al§ 
zweite  SStoIiniftin  erweiterte  fic£)  ba§  Gnjemble  fogar 
eine  3eitlang  junt  Buartett.  5Ba§  ®treidj=5Eerzett,  ba§, 
at§  Slntalie  jid)  bann  oorn  Glaüier  jurüdjog,  übrig 
blieb,  erwarb  jid)  in  ©djweben,  Norwegen  unb  ®äne= 
rnarf,  im  leipziger  GewanbljauS,  wo  SSilnta  am  23. 
Dctober  1862  mit  3Jienbel3jof)n’§  Goncert  itjren  @in= 
jug  hielt,  wie  allenthalben , wo  e§  jid)  ^^o^wcirte, 
zahlreiche  greunbe.  ®ann  löjte  ficf)  ba§felbe  auf. 
©ie,  bie  bie  erjte  Violine  fpielte,  fchlofj  einen  anberen 
Sunb  unb  folgte  am  27.  Januar  1864  bem  Gompo= 
nijten  unb  jdjwebijdien  'pofcapellmeifter  Subwig  9tor= 
man  alg  Gattin  nadf  ©todholm.  ©djwefter  ÜJtarie 
janb  fpäter  in  ber  fdjwebifchen  §auptftabt  in  bem  §of* 
opernjänger  2lrlberg  ihren  SebenSgefährten,  unb  auch 
ben  Sruber  fjranj  hielt  ©lanbinaüien  fejt  — in  ber 
^openljagener  Gapelle  eröffnete  fid)  ihm  ein  lang» 
jähriger  28irfung§frei§.  3mmer  wieber  aber  fanben 
jid)  bie  ©ejcfjWijter  51t  gemeinjamen  fünftlerifdjen  ßei= 
ftmtgen  jufammen.  2ln  bem  oon  Sßilma  gegrünbeten 
Sammermufifoerein , ber  bem  SKufifleben  ©todf)oIm§ 
jur  hohen  $ierbe  gereichte , betheiligte  and)  ÜDiarie  jich 
jahrelang  auf’3  eifrigjte,  unb  al§  bie  ältere  ©djwefter 
fpäterfjin  ihre  Xljätigfeit  ganz  naih  Sonbon  berlegte, 
oereinigte  jich  ihr  iwrt  wieberunt  granz  oI§  treuer  Ge= 
nojje. 

®er  Gewohnheit  alljährlicher  Steifen  entjagte 
SBilma  auch  im  Storben  nicht.  Kopenhagen,  Seipzig, 
ihre  Saterftabt  Srünn , granffurt,  ®öln  unb  anbere 
£>rte  hörten  jie  in  biefem  unb  jenem  Saljr.  Grofj= 
artigen  Grfolg  hotte  1868  ein  Sefudj  in  ißariä.  „Shre 
weibliche  Grazie,  ihre  ungezwungene  gewanbtc  Sogen* 


Sfe. 


182 


* " 

füfjrung,  ihre  unoergleichliche  ©orrectljeit , if)r  auSge= 
jeidjnet  reiner  Stil,  ihre  erftaunlidje  Sicherheit  unb 
ißoefie"  erwedten , laut  ffetig , erttf» ufiaftif cf» e 33ewun= 
beruttg.  Sie  war  „ber  ©lern  bet  großen  ©efellfchaft", 
fpielte  beim  Saifer  in  ben  Suilerien , in  ben  SalonS 
ber  gürftin  SRetternidj , im  Conservatoire , bei  fßaS= 
beloup , in  eigenen  ©oncerten , ohne  baff  man  fidj  an 
i£)t  fatt  ju  hören  oermod)te.  SRidjt  minber  beeilte  man 
fidj  in  2lmfterbam , fRotterbam , SBritffel,'  iljr  bie  ge» 
bütjrenben  ©Ijren  $u  erweifen.  3n  Sonbon  üodenbS 
erbaute  man  fidj  berart  an  it)rer  Mnftlerfdjaft , baf? 
man  fie  ^infort  nicht  meljr  entbehren  wollte.  Slls  ber 
eble,  feetenbode  (Sefang  ibjrer  (55eige  am  17.  SRai  1869 
nad)  jmanjigfähriger  fßaufe  baS  ißublifum  ber  ißtjil» 
harmonifdjen  ©oncerte  wieber  entjfidte,  ba  inaugurirte 
fie,  otjne  es  felbft  ju  ahnen,  bamit  eine  Xtjätigteit,  ber 
fie,  wie  eg  ben  Stnfcfjein  tjat,  wofjl  nun  lebenslang 
angeboren  Wirb.  So  Oiel  Sd)Wierigfeiten  bem  $or= 
,fc£)lag  SSieujtempS’,  ben  SBinter  über  in  Sonbon  ju 
bleiben  unb  in  ben  Monday-  populär  -concerts  bie 
ißrimgeige  ju  übernehmen , anfangs  iljrerfeitS  begeg= 
treten , fie  trat , als  fie  fidf  enblidj  baju  bereit  finben 
liejjj , hiermit  in  einen  SBirfungSfreiS  ein , ber  fie  halb 
ganj  unb  bauernb  in  fßflid)t  unb  Sßann  nahm. 

3 eben  Sßinter  unb  Srüljling  wibmet  fie  feitbem 
bem  englifdjen  üERufifleben,  fa  and)  ihren  SSohnfi| 
oerlegte  fie  fchtiefjlidj  nadf  Sonbon.  Sie  Populär-,  bie 
Philharmonie-  unb  Crystal-Palace-concerts,  bie  Re- 
citals oon  ©hartes  fern  Ile  rühmen  fidj  ihrer  als  einer 
ihrer  öotnehmften  Iträfte , unb  ihre  &'ammermufif= 
SSorträge  mit  fßiatti,  fRieS  unb  Berbini,  ober  mit  Spalte 
nnb  ihrem  Sruber  graitj  gehören  ju  ben  auSerlefen* 
fteu  tonfünftterifdjen  ©enüffen  ber  Shemfeftabt. 
Sprach  93ütow  eS  boc£)  noch  uutängft  aus,  bah  fidj 

flO  vjs! 

XW. - -*)l» 


ÄT"  ^ 

nidE)t§  SSottenbetereS  benfen  taffe  als  5.  33.  ber  $8or= 
trag  üon  SöralfmS’  H-dur-Srio  burcf)  baS  letztgenannte 
Zünftler  Kleeblatt.  Ser  friifje  beginn  wie  bie  lange 
Sauer  ber  Sonboner  (Eoncertfaifon  berauben  unS 
Seutfdje  freilitf)  letber  beS  SSorjugS,  beS  toeibtidjen 
Soadfim  in  nuferen  (Eoncertfälen  öfters  frof)  ju  wer* 
ben.  9tur  $u  üereinjelten  Sütalen,  wie  1874  in  Seipjig 
unb  granffurt,  1877  in  SSien,  1878  in  ißaris,  1879 
in  §oöanb  unb  Süffelborf,  1880  unb  81  in  SBien, 

^Seft , ®öln,  tpannoüer,  Söertin , SreSben,  ißrag, 
Srieft , braute  fie  fid)  auf  beut  Kontinent  Wieberum 
glaiqti dH  in  (Erinnerung. 

211S  lünftlerifdjen  (55 ef Sorten  iljrer  Dorlebten  Sour* 
nee  fiatte  ficlf  §anS  Don  33üloW,  ber  iüuftre  Saufpatlfe 
ber  ©eigenfee,  in  Storbbeutfdfknb  angetünbigt.  (Eine 
unjeitige  (Srfranfung  beS  fDieifterS  betrog  uns  jebocf) 
teiber  um  eine  fötufilerbauung  fo  fettener  21rt.  21n 
feine  ©teile  trat  (EljarleS  .Salle , ber  als  (Elaoierfpieler 
unb  Sirigent  eben  fo  gefcfjaijte  als  um  baS  SDtufifwefen 
(SttglanbS  oerbiente  greunb  ber  Sünftlerin , unb  an 
beffen  ©eite  erntete  fie  jefct  mie  jenfeitS  fo  audf  bieS* 
feits  beS  (EanalS  ge^iemenbe  Sriumplfe.  Sie  SSielfei* 
tigfeit,  bie  man  mit  Htedft  als  SaHe’S  Sugenb  preift  unb 
bie  er  in  gleidf  liebeüotler  pflege  ber  claffifd^en  wie 
ber  wertvollen  moberneit  Sonwerfe  im  Snfelreid)  be= 
funbet , erfannte  man  nun  aud)  in  SBilma’S  beutfd)er 
§eimat  als  einen  ber  SBorjüge,  bie  f i e fdjmücfen.  Sn 
ber  an  Soacffim  gemalfnenben  ©tilooHenbung,  mit  ber 
fie  33ac£)  23acf)ifci)  - 33eetl)oöen  93eetl)oöenifdj . ©rafftnS 
33raf)ntSifcf)  fpielt,  Sebent  baS  ©eine  gebenb  unb  iffn 
in  feinem  inbioibueHeit  (Seifte  reprobucirenb ; in  ber 
fie  c^arafterifirenben  „(Eorrectlfeit  rticfit  bloS  beS  33ucf)* 
ftabenS,  fonbern  beS  (SeifteS"  gewahrte  ntan  ferner 
eins  ber  Slttribute  il)rer  lwl)en  SJteifterfdjaft-  9ticf)t  ber 

^ M 


184 


F 


fouberäne  ©tanj  unb  bie  SJSottSommentieit  iijrer  Sedp 
nif,  bie  frpftattljelle  IReintjeit  if)re§  £on§,  bie  erftaun» 
litfie  ©emanbttieit  itjrer  Söogenfütjrung  erftären  bie 
grofje,  tiefgeljenbe  SBirtung  itjrer  Seiftungen , fonbern 
metjr  at§  ba§  2ttte§  ifjre  innerft  mufitatifdje  Statur. 
S3ei  männticfjer  Sraft  unb  tüei6ficf)er  ©rajie,  bem  brit- 
tanteften  ißaffagenfpiet  bie  fünfte  ©antitene  berbin* 
benb,  bei  ebter  ©infadjfjeit , ®eufct)f)eit  unb  $>urcfp 
geiftigung  be§  2tu§bru<f§ , bem  ©ffect  bietmeljr  au§ 
bem  SJBege  getjenb  at§  itjn  fncfjenb , ift  fie  bie  berföm 
perte  ißoefie  auf  ber  Sßioline , eine  lünftterin  bon 
©otte§  ©naben , mie  mir  auf  itjrem  Snftrument  jur 
Stunbe  eben  nur  biefe  einzige  befijjen. 

2lt§  SSieujtempg,  „ifjr  Anbeter  unb  33emunberer", 
nodj  lurj  bor  feinem  tEobe  ba§  Urttjeit  feiner  „Sßitma 
cariffima"  über  fein  bestes  SBerf,  fein  fecfjftc»  ©oncert, 
in  ba§  er  „alt  fein  können,  feine  ©rfatjrung  unb  feine 
Seele  fjineingetegt“,  fomie  gteidjjeitig  ifyre  Steinung  er* 
bat,  „ob  fie  e§  für  mertt)  fjalte,  ibjrert  Stamen  ju  tragen", 
ba  träumte  er  — mie  er  in  feinem  testen  Briefe  fcfireibt 
— bon  „itjrern  bejaubernben  Spiel“  unb  bon  bem 
©tücf,  feine  ©ompofition  bon  itjr  borgetragen  ju 
t)ören.  @§  mar  it)in  niefit  mefjr  ju  erleben  beftfjiebext, 
baf?  fein  itjr  at§  oeuvre  posthume  gemibniete§  28  er! 
unter  iljrem  23ogen  lebenbig  marb , baf?  e3  ifjre  2Sie= 
bergabe  abette.  2>enn  2Bitma  Steruba  gehört  ju  jenen 
bornefpnen  Mnftternaturen,  bie,  bei  alter  Breite  gegen 
ba§  ®unftmerf , ba§fetbe  gern  in  eine  t)öf)ere  Sphäre 
rücfen.  2Benn  e§  aber  matjr  ift,  ma§  ©tjarteS  fpatte  einft 
fagte : baf?  fie  „nidjt  bto§  mit  jebem  ^fa^re , fonbern 
mit  jebem  Stuftreten  fdjöner  fpiett“,  fo  müffen  mir  mof)t 
mit|)an§  bonS3ütom  fragen:  „2Bofottba§nocf)enben?" 


185 


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tarnt  barüber  ftreiten,  ob  ber  au!füf)reube 
Sünftter , beffen  Graben  für  bie  Öffentlich 
feit  berftummten,  obfdjon  er  noch  unter  uni 
weilt,  mit  größerem  Strebte  all  ber  (Segen» 
rnart  ober  ber  Sergangentjeit  angetförenb  $u  betrachten 
fei ; benn  ntetjr  all  fein  S)afeiit  Weifen  feine  Seiftungen 
bem  herborragenben  Sftenfchen  feinen  ißlaij  in  ber 
SDtenfchheit  unb  in  if)rer  <Sefc^ic£)te  an.  SBenn  aber 
fein  ©enie , bal  bon  nieten  ber  ÜDtittebenben  noch  in 
feiner  eigenften  @pt)äre  genoffen  unb  gefeiert  warb, 
ficfj  bei  SBirfen!  in  feiner  Sunft  unb  für  feine  S'unft 
nod)  feinelWegl  böttig  begeben , fonbern  balfetbe  nur 
auf  anbere  ©ebiete  übertragen  t)at,  in  benen  el  ber 
2tttgemeinf)eit  nod)  fort  unb  fort  ju  ©ute  fontrnt , fo 
bürfen  wir  eine  foldfje  fünftterifdie  ©röfse  wotjl  in  ber 
Xtjat  nicht  unberechtigt  all  eine  für  unfere  Sage  noch 
ihre  bolle  ©ettung  behauftenbe  in’!  Stuge  faffen  unb 
ben  Steil  ber  ©egenWärtigen  mit  ihrem  Silbe  fd)müden. 

gür  ißautineSiarbot»©arcia  nehmen  wir 
bie!  Stecht  in  Slnfprud).  ©ine  ber  gtänsenbften  bra» 
matifchen  ©rfdjeinungen  alter  Beiten,  in  ber  bornehmen 
©ruppe  ber  Sßafta,  SÖtatibran,  @c£)röber  = SDebrient, 
Stiftori , Stächet , ÜOtarie  (Seebad)  nach  Siljt’l  SBorten 
eine  ber  ©rften;  babei  burdj  Sietfeitigfeit  ber  Se*- 
gabung,  bie  ihr  bie  ^errfcfjaft  über  bie  berfcf»iebenften 
Üunftftite,  ben  tragifchen  unb  heitern,  ben  itatienifcfsen. 


& 


franjöfifcßen  unb  beutfcfjert , ben  getragenen  unb  colo* 
rirten  ©efang  gleichmäßig  geftattet,  burd)  Diefe  unb 
Steicßtßum  mufifatifdßer  unb  allgemein  geiftiger  ©it= 
bung  fetbft  im  Greife  jener  2Iu§ermäßtten  ßerüorragenb, 
unter  ben  heutigen  aber  oßne  ©rbin  unb  Nachfolgerin : 
entfagte  fie  jmar  fdjon  feit  langem  ber  Darbietung 
ißrer  unbergteicßticßen  Sitnft  in  töüßne  unb  ©oncert* 
faat,  beffenungeacßtet  aber  bürfen  mir  und  aitcE)  heute 
nod)  ißred  23efiße§  rühmen  unb  fie  mit  Stotj  §u  ben 
Unfern  jäßten.  Denn , mocßte  immer  bie  3eit , bie 
tßrannifcße  (Gebieterin  , ißren  Dribut , ben  fie  deinem 
erläßt , einforbern  unb  einer  Stimme  Scßmeigen  ge* 
bieten,  beren  unbegreifliche  SSirtuofität  unbStudbritcfd* 
gemalt  tior  jmötf  Saßren  nocß  bie  2Sett  tn  Staunen 
berfeßte,  bad,  mad  fie  groß  gemacht:  bad  ©eßeimniß 
einer  und  meßr  nnb  meßr  bertoren  gegangenen  maßr* 
haften  unb  fcßönen  ©efangdfunft  bemaßrt  fie  noch  un' 
gefcßmädhi  unb  tßut  ed  bereitmittig  benen  funb,  bie 
oon  ihr  ju  lernen  begehren.  9Itd  erfte  Stimmbitbnerin 
ber  ©egenmart,  bie  unbeftritten  oberfte  Autorität  ißred 
f5ac£)§ , pftanjt  fie  bie  öon  SSater , trüber  unb  Scßme* 
fter  ererbte  Drabition  unb  Scßitte  fort.  SSiete  ber  ge* 
feiertften  Sängernamen,  bie  mir  heute  nennen,  mürben 
groß  unter  ißrer  ißftege. 

Docß  auch  mit  anbern  Säben  ift  tßautine 
tßiarbot  bem  heutigen  SJtnfilteben  oertnüßft:  fie  ßat 
ficß  auch  aitf  tonfcßößferifdiem  ©ebiete  Sorbeeren  ge* 
ßftücft,  unb  menn  biefe  bie  ©omßoniftin  auch  unber* 
gteicßticß  farger  urnmuchern  atd  bie  Sängerin  unb 
Seßrerin  — mie  ben  grauen  nun  einmal  im  iöereieß 
ber  ißrobuction  nur  fpärtieße  ©rfotge  geheißen  — fo 
fießt  fie  ficß  boeß  unter  ißren  ®unftfcßmeftern  bergebend 
naeß  berjenigen  um  , bie  ißr  aueß  in  biefer  töejießung 
ben  9tang  ftreitig  ju  machen  oermöcßte.  £>at  fie  aneß 


190 


— ^ 

eben  fo  wenig  atg  fie  alle  eine  Wirftid)  grofje  compofi» 
torifc^e  Xtjat  ju  ftierjeidinen , feeffere  unt?  gerechtere 
©omponiftenfreuben  atg  ber  genialen  Sc£)Wefter  ber 
SJtatibran  tjat  bag  ©Ui cf  nodj  immer  feiner  Stnberen 
gegönnt. 

ÜDtorijs  .‘pauptntattn  erffärt  in  einem  feiner  an  fei» 
iten  ^Beobachtungen  fo  reichen  Briefe  bie  auffaltenb 
geringe  compofitorifcfje  SEtjätigfeit  ber  Sänger  baraug, 
baf?  beren  perföntidje  Statur  of»nef)in  in  itjre  Seiftung 
gelegt  werbe.  Sw  ©egenfatj  ju  ©tatiierfpieter  unb 
©eiger  ift  ja  ber  Singenbe  fetbft  fein  Snftrument. 
Stid)t  wie  biefe  bebarf  er  eine?  ÜOtebiumg , muff  er  erft 
einem  fremben , aufjer  it)m  ftef»enben  Körper  Seben 
unb  Seele  teifjen.  Sßag  er  giebt  ift  fo  ju  fagen  fein 
eigen  Steift  unb  S3tut , ein  Stücf  feineg  förpertidjen 
unb  feetifdjen  Sebeng,  unb  in  feinem  Sltfjem  ftrömt  er 
fein  Sntterfteg  aug.  SSenn  bieg  tiorn  Sänger  im  Stil» 
gemeinen  gilt,  wie  tiiet  meljr  non  einer  ©efangggröfje, 
beren  bramatifdje  ©eftattungen  tion  je  mit  überwätti» 
genber  iütacfjt  wirften ! SBetdjeg  ÜDtafj  fdjöpferifdjer 
Üraft  tierbraud)te  fßautine  SSiarbot  wotjl  bei  Verleben» 
bigung  ifjrer  bramatifdjen  ©Ijaraftere , beren  manchen 
fie  offne  jebegSBorbitb,  rein  aug  fidj  fetbft  Ijeraug  fdjuf. 
beren  jeben  fie  aber  um  neue  feine  3üge  bereicherte ! 
„SJtan  fann  mit  Stedjt  bag  franjöfiftfje  »eile  cree  son 
role«  auf  fie  anwenben",  bemerft  Sötofdjeteg.  „Sft  eg 
bod)  oft , alg  empfinge  fie  beg  Somponiften  Strbeit  atg 
Sto^wateriat  unb  tierarbeitete  eg  erft ; atg  tierftänbe 
man  ben  ©baraftcr , ben  fie  perfonificiren  witt,  erft 
burct)  if)re  ®arftettung."*) 

Sn  met)r  atg  einer  SBejieljung  fpottete  fßautine 


*)  Wof c^ete^’  öcbcn.  II.  Scipjtg,  2)un(fcr  u.-^umMot.  1S73. 

p. — -----  ^ 


W ~ * 

SSiarbot  ber  bon  berKatur  gemeinhin  gefegten  ®<hran* 
fen  uttb  ©efe|e.  SCRit  einer  burd)  Schönheit  nicht  be= 
fonberS  ausgezeichneten,  ben  ©inffüffen  beS  SfimaS, 
lote  ber  -Kerben  ttnb  Stimmungen  merffid)  untermor* 
fenen  Stimme  öerricEjtete  fie  SSunber  ber  ©efangS* 
funft,  erreichte  fie  SBirfungen  höchfter  Strt.  SBeit  über 
bie  herföntmlichen  jeittic^en  ©renjen  hinaus  belauft» 
tete  fie  itjre  fouberäne  tperrfdjaft  über  it»r  Organ  ; tote 
mof)f  feine  anbere  ihres  ©teilen  berftanb  fie  SBudjer 
p treiben  mit  einem  ihr  feineSmegS  überreich  berlie|e= 
nett  ©timmcapitaf.  Kicht  in  ©inem,  in  Stttent  faft 
toar  fie  grofi,  maS  fie  in’S  SBereic^  ihrer  Xtjätigfeit  pg. 

Sie  gehört  noch  p jenen  fpontanen,  uniberfeü  be= 
gabten  unb  gebildeten  Katuren,  bie  in  ttnferer  auf 
Steifung  ber  Strbeit  unb  ©ntmidetung  bott  @peciati= 
täten  gerichteten  ,ßeit  ju  ben  immer  fetteneren  ©rfcheü 
nungeit  toerben.  ©ine  ©efangSbirtuofin,  metche,  jebem 
©tit,  jebem  Sbeal  gerecht  merbettb,  bon  ber  ©efdjichte 
ber  Sitnft  unter  ben  Unübertroffenen  genannt  mirb, 
eine  im  tragifctien  ißathoS  mie  in  ber  feichtgefdjürjten 
Somit  gteict)ermeife  bollfommene  barftefterifdje  Sraft, 
eine  ©fabier*  unb  Orgeffpieferin,  bereit  fiel)  ihr  SCUeifter 
SiSzt  afS  ©chüferin  nicht  ju  frönten  braucht,  eine 
KJufiferitt , bereu  ficheres  ißartitur*  unb  prima-vista- 
©piel  fammt  ihrem  feinen  0>hr  manchem  ©apetlmeifter 
ju  ftatten  fäme;  eine  ©omponiftin  bon  ©rajie  unb 
Originalität , eine  Sehrmeifterin , ber  mir  feine  anbere 
pr  ©eite  p ftellen  haben,  mit  einem  SESorte:  eine 
grau  bon  ©enie  unb  ©efehrfamfeit , bereu  geiftreidje 
Knmnth  im  33nnb  mit  einer  fetbft  SßiffenfchaftficfieS 
umfaffettben  fiterarifchen  SSitbiutg  unb  tiefget»enben 
Senntnifj  febettber  unb  tobter  Sprachen  ihr  bie  greunb* 
fchaft  bieler  ber  bebeutenbften  ÜDiänner  unb  grauen 
ihres  3af)rjiuttkertS  gewann , fo  ftanb  unb  ftef)t  $au= 


p ■ m 

tine  SSiarbot , 93ewmtberung  Ijeifcfjenb , tor  unferen 
33tic!ett. 

2ltS  ©lieb  einer  fpanifcpen  gamitie , in  ber , wie 
bei  ben  Sernet’S  in  grantreidj,  ben  Dftabe’S  in  gtan» 
bern,  ben  Stobbia’S  in  gtatien , bie  (Genialität  erblich 
fd^ien,  nmrbe  SOcicf) ettc  gerbinanbe  ißautine  ©arcia  ant 
18.  guti  1821  §u  ißariS  geboren,  unb  in  ber  ®ircf)e 
©t.  9toch  bafelbft  empfing  fie  ton  itjren  ^atpen , bem 
befannten  ©omponiften  gerbinanb  ißaer  unb  ber 
giirftin  Kantine  ©atiijin , i£>re  Taufnamen.  ®er 
Weltberühmte  ©angmeifter  Scannet  bet  ißoputo  ©arcia 
— nact)  Si^ät’S  geugnifi*)  „ber  oottfommenfte  SEppuS 
eines  paffionirten,  feurigen,  an  latent  unb  Straft  un» 
erfcpöpfticpen  ©ängerS  oott  ißpantafie  - SBärrne  unb 
fünftterifcper  ©ewatt“  — War  ihr  Sater.  Sind)  ihre 
SOtutter,  goaquiita  ©itdjej,  War  eine  Oorjügtidje  93iih' 
nentünftterin , unb  ihre  reiche  Segabung  hatte  lange 
geit  bem  9Jtabriber  iEpeater  jur  gierbe  gebient.  SOdit 
jwei  älteren  ©efdjwiftern  theitte  ißautine  baS  elterliche 
©rbtpeil  mufifatifchen  ©enieS.  Stuf  ben  Sruber  93t  a= 
nuet  übertrug  fiep  beS  SaterS  päbagogifdEje  ®nnft,  fein 
Seprerruhm;  ber  ©tanj  feines  ©ängertatenteS , feine 
unb  feiner  ©attin  fchaufpieterifche  ©aben  feierten  in 
ber  um  breitet) n gapre  älteren  ©cpwefter  93caria , bie 
ficf)  als  93tatibran  bie  SSett  eroberte,  erneute , fiep  Oer» 
jüngenbe  Xriumppe.  ©inen  pellen  ©traptenfepein 
warf  biefer  btenbenbe,  nur  ju  batb  wieberum  er» 
töfepenbe  ©tern  über  ber  jüngeren  ©cpwefter  Äinbpeit. 

®a  ißautine  faum  brei  gapre  gäptte,  fammette  93iaria 
fcfion  bie  erften  §utbigungen  ber  ißarifer  ein.  93tufif= 
unb  Süpnentuft  fog  bie  Steine  fepon  mit  ihren  erften 


*)  ©efammeltc  Schriften.  III.  $aulinc  $tarbot'©arcia.  Seidig, 
23reitfopf  u.  gärtet. 


Jä 


ßa  üftara,  Stubicnföpfe.  V.  193 


13 


Athentjügen  ein , unb  bie  fie  nmgebenbe  fünftlerifclje 
Atmofpljäre  blieb  biefelbe,  ob  and)  ber  Sdjauhlah 
wedjfelte.  Vach  fahrender  Sänger  Art  tuar  ©arcia  mit 
ben  Seinen  batb  h ier,  batb  bort.  2Bie  er  fidj  früher, 
batb  in  feiner  fpanifchen  Heimat,  batb  in  Surin,  Vom, 
Neapel,  ißari§  wedjfelnb  als  Senorift,  als  Sirigent 
unb  ©omponift  SBeifatI  unb  Vuljm  erworben  bjatte , fo 
Oertaufdjte  er  1824  nun  feine  let^tjäf^rige  Sßirtfamfeit 
an  ber  ißarifer  italienifctjen  Oper  mit  einer  gleichen  in 
Sonbon , feine  glorreich  gebeiljenbe  ©efangfdjule  nach 
bem  Snfetreid)  oerpftanjenb,  wofetbft  auch  feine  Sodj* 
ter  Vtaria  fic£>  ifjre  erften  93üi»nenfrän§e  üerbiente. 
Soch  and)  h ier  War  feines  VIeibenS  nicht  lang.  Schott 
nach  SatjreSfrift  trieb  e§  itjn , fein  ©lud  in  ber  neuen 
Sßelt  ju  üerfudjen.  SBaS  er  fncfjte,  fanb  er  -freiEid^ 
nic^t.  Abenteuer,  bunte  Wedjfetooße  ©rlebniffe,  An  er* 
lennung  unb  ©hren  würben  ihm  jur  ©enüge;  bod). 
baS  ©lüd  jeigte  fitf)  ihm  Eaitnifch  gefinnt.  Sein  Unter* 
nehmen  einer  itaEieniftEjen  Dper  in  9fEew=^)orE  fchEug 
junächft  nicht  minber  fehl  als  bie  Verheiratung  9Va* 
ria’S  mit  bem  Sranjofert  Vtalibran,  burd)  beffen  oer* 
meintlichen  Veichthum  fie  ber  Vebrängnifj  ihres  VaterS 
oergeblidj  anfjuljelfen  gehofft  hatte.  Vach  furjer  nn= 
glüdlidjer  ©he  lehrte  bie  Sünftterin  ju  ihrem  eigenften 
Veruf,  ber  Vüf)ne,  jurüd.  Schien  ©arcia  auch  mitt* 
terweite  baS  ©lüd  günftiger  — bie  Schäle,  bie  er  aus 
VeW*jJ)orf  unb  bem  ©olblanb  Vtejifo  mit  heirnjufüh* 
ren  gebacht  hatte,  feilten  ©uropa  nicht  fehen.  Schon 
im  Vegriffe,  baf)in  jurüdjufehren,  würbe  er  mit  feiner 
gamilie  auf  bem  SBege  üonVera*©ntä  ton  einer  Väu* 
berbanbe  überfallen  unb  auSgeplünbert.  600  000 
yrancS,  baS  Vefultat  eines  mehrjährigen  Aufenthalts, 
fielen  berfelben  jur  Veute , ja  felbft  ton  feiner  ®unft 
Warb  noch  ein  Sribut  geforbert.  Ser  Veraubte  muhte, 


194 


p ^ 

mochte  er  fid)  gegen  bas  unerwünfdfte  Snblifum  ftrau» 

6en  wie  er  wollte , üor  ben  Kangburftigen  Spieffge» 
feilen  noch  eine  ißrobe  feines  ©efangS  jum  Scften 
geben  — eine  (Scene , bie  in  ber  ©rinnermtg  feiner 
Sodfter  Sauline  unanSlöfddich  lebenbig  blieb. 

So  üielgeftaltige  ©inbrüde,  Silber  unb  ©rfalfrun» 
gen  fteigerten  bie  geiftige  frühreife  ber  letzteren  unb 
beflügelten  ihre  ohnehin  gtütjenbe  (SinbilbungSfraft. 

9tadi  jeber  Sichtung  ^in  begabt,  erfaßte  fie  bei  ber  il)r 
ju  it^eil  werbenben  forgfältigen  @rjief)ung  alles,  waS 
man  ihr  teerte,  mit  fo  lebhafter  Shantafie,  fo  ent» 
gegenfommenbem  Serftänbnifi,  baff  man  fdjwer  ju  er» 
fennen  bermod)te,  welches  unter  biefer  SSielbjeit  non 
Talenten  baS  auSgefprodjenfte  fei,  Welch’  eigentlichen 
Seruf  it)r  bie  Satur  oorgejeidjnet  habe.  SBie  ffoietenb 
erlernte  fie  frembe  Sprachen,  it)re  Segeln  erriet!)  fie 
inftinftiö.  Auffällig  begabt  geigte  fie  fid)  auch  für  Sta» 
lerei,  für  baS  ißorträtiren  inSbefonbere.  Sicher,  wie 
it)r  2tuge  bie  djarafteriftifdjen  @igentf)ümlic£)feiten  eines 
Seben  erfaßte,  gab  ihre  §anb  fie  im  Silbe  wieber. 
Sicht  minber  ttjat  fie  fid)  im  Slabierfpiel  fierüor,  nad)» 
bem  fie  burd)  SSarcoS  Sega , ben  Drganiften  an  ber 
SeW»ff)orfer  Satbebrate,  ben  erften  Unterricht  empfan» 
gen.  2llS  achtjähriges  ®inb  bereits  biente  fie  bei  ben 
©efangftunben  beS  SaterS  — nach  ihrer  Südfeljr  bon 
SSepifo  nad)  SflriS — als  Segleiterin,  unb  „ich  glaube, 
icp  profitirte  babei  mel)r  nod)  als  bie  Stüter  felber", 
fdireibt  fie  unS.  Snbirect  lernte  fie  fortwäljrenb  oon 
beS  SaterS  Setjre  unb  Seifpiet , obgleich , laut  ihrem 
eigenen  geugnifj,  bie  SOlutter  ihr  einziger  ©efangmeifter 
War.  Snbefs  gab  ficf»  ©arcia  augenfcheinlid)  mit  ben 
grüdjten  biefer  5Setf)obe  jufrieben,  betraute  er  bodj 
feinen  Keinen  Qiebling  mit  ben  fdjwierigften  Aufgaben. 

2lls  er  im  Saljre  1829  mehrere  SaIon»Dperetten  fcfjrieb, 

L 


M 


bie  er  bon  @cf)ütern  in  feinem  $aufe  aufführen  liefe, 
betam  auch  ißauline  ifjre  Sollen  barin  guert^eilt. 
„Di) ne  mich  im  ©efang  51t  unterrichten",  erjätjtt  fie 
uns,  „comfwnirte  er  bod)  für  mich  unb  tiefe  midf  ©tüde 
fingen , bie  fdjwieriger  finb  ats  atteS,  was  irf)  feitbem 
gefungen  fwbe.  S<h  befitje  fie  nod^  unb  bewahre  fie 
ats  foftbaren  ©chatj". 

Sin  mehrjähriges  ©tubium  beS  StabierfpietS  unter 
Stnteitung  9Jtet)fenberg’S  brachte  fie  fo  weit,  bafe  granj 
SiSjt  fie  at§  ©chüterin  annahm.  Sn  Soncerten  ihrer 
©djwefter  9Katibran  trat  fie , bierjehn  ober  fünfzehn 
Satire  alt,  ats  ißianiftin  bor  bie  Öffentlid^feit , bie 
Srfte,  bie  Shatberg’S  grofee  9KofeS«  unb  Hugenotten« 
ißhantafien  in  Belgien  unb  2)eutfcf)tanb  fpiette.  Shren 
teilten  5tnfchtag,  bie  ootlfommene  Stbrunbung  ihrer 
ißaffagen  rühmte  SiSjt  nach  Sahren  ttoch,  ßt§  fee,  pbä« 
tubirenb  unb  ptjantafirenb,  ihre  bocaten  Soncertbor« 
träge  mit  reijenben  Singebungen  am  Stabier  einteitete. 
Unb  9)tofcheteS  fc^reibt  1858:  „2tts  fie  ein  93eett)oben’= 
fdjeS  £rio  mit  Begleitung  bon  £>abib  unb  tftieh  fpiette, 
rnertte  man  ihr  bie  ©ängerin  nicht  an , bietmehr  er« 
fehien  fie  mir  ats  ein  twdjgefchähter  Sottege."*) 

■Kur  bie  erften  Srfotge  ihrer  ©djwefter  ats  ißiani« 
ftin  aber  erlebte  SKaria  iOcatibratt.  2ttS  ißautine  ©ar« 
cia  in  bie  9teit)e  ber  grofeen  Sängerinnen  eintrat,  war 
ber  fangreiche  93t unb  ihres  fdjWeftertidjen  93orbitbeS 
fdjon  berftummt,  unb  bie  SBett  betrauerte  ben  borjei« 
tigen  9tiebergang  eines  ihrer  teuchtenbften  ©eftirne. 
2)er  9Kann  jebod),  beffen  Siebe  bie  SJerftorbene  wäh« 
renb  ihrer  testen  SebenSjahre  noch  begtüdt,  bem  fie 
furj  bor  ihrem  Snbe  noth  bie  §anb  gereicht  hade : 


*)  $u3  £ef>en.  II.  £etp§ig,  Wunder  u.  1873. 


w 


©hartes  be  33eriot,  ber  als  3ftiöa£  ißaganini’S  gefeierte 
©eigenfünftler,  gab  an  tfjrer  ©teile  ber  jungen  Sdjwe* 
fter  beim  erften  Stritt  in  bie  ©oncertarena  baS  ©e= 
leite.  2llS  bie  fechjehnjährige  Ißauline  am  15.  Secbr. 
1837  in  SBrüffel,  wofelbft  fie  nacf)  bem  Sobe  üon 
SSater  unb  ©cfjwefter,  gang  ihren  ©tubien  fjingegeBen, 
mit  ber  ÜÖtutter  lebte,  in  einem  auch  oom  $of  befucti= 
ten  Sol)ttl)ätigfeit§concert  junt  erften  Sftal  ihre  ©e= 
fangSfunft  öffentlich  glänzen  lieft,  erllang  neben  ihrer 
Stimme  93eriot’§  üielbewunberte  ©eige.  2lndj  auf 
Steifen  begleitete  fie  iftr  Schwager,  unb  als  fie  1838 
im  Theätre  de  la  Renaissance  bie  erfte  iprobe  Oor  ben 
ißarifern  beftanb,  gierte  fein  Stame  neben  bem  ihren 
baS  Programm.  Sie  fabelhafte  Schulung  ihrer 
Stimme  trat  ba  fcfjon  bei  Vertrag  ber  nach  Sartini’S 
»Trille  du  diable«  eingerichteten  »Cadence  du  diable« 
an  ben  Sag.  SaS  fcheinbar  für  ©efang  Unmögliche 
machte  fie  möglich,  alles,  waS  fie  wollte,  baS  fonnte 
fie  auch-  geglichen  Slttforberungen  erwieS  fief)  iftr  öom 
breigeftridjenen  C bis  jutn  fleinen  F herabreicbenber, 
ausgiebiger  SDtejjofopran  willig;  muftte  er  fief)  nicht 
auch  ©jopin’fche  Sttajurfen,  ©oncert=@tüben,  genüg 
baS  SBiberftrebenbfte  aneignen?  !yn  ftrenger  ^ucht 
hatte  fie  ihn  gewöhnt,  ihr  nicfttS  ju.  oerfagen.  Sie 
fchwierigften  ©olfeggien  componirte  fie,  burch  contra* 
punftifetie  ©tubien  bei  Steicha  ftie^ü  befähigt,  für  fieft 
felbft.  ©ie  felber  war  iftr  unerbittlichster  Sefjrer. 
©chwierigfeiten  gu  befämpfen  War  ihr  unabläffigeS 
bemühen , unb  bie  Schärfe  ihres  ©eifteS , itjr  feiner 
©efehmaef,  iftr  aufs  -ööhfte  gerichtetes  lünftlerifcheS 
Streben  führten  fie  auf  bie  §öl)e  ber  SDteifterfchaft. 

©eorge  Sattb,  iftre  greunbin,  ber  ißauline  ©arcia 
bei  Schöpfung  einer  ihrer  ebelften  Stomanbicfjtungen, 
„Sonfuelo",  als  SSorbilb  biente,  fcfjitbert  fie  als  „eine 


197 


p- " - — * 

jener  feXtenen  gtücftidjen  Naturen,  für  wetdje  bie  2tr= 
beit  ein  (Senujj,  ttmfjre  9tut)e,  ja  ein  unentbetjrftdber 
SXormatjuftanb  ift  unb  benen  bie  Untljätigfeit  eine  er» 
mübenbe  Slnftrengung . ein  trantfjafter  Jjuftanb  fein 
würbe,  Wäre  fie  if)nen  überhaupt  möglich.  2lber  fie 
lernten  bie  Untljätigfeit  nicht.  Scheinbar  ntüfjig,  ar» 
beiten  fie;  iljr  träumen  ift  fein  infjaltlofeS,  e§  ift  öiel= 
mef)r  ein  Sßadjbenfeu.  SBemt  man  fie  wirfen  fiefjt, 
fo  meint  man  if)r  ©Raffen  wa^rjune^men,  wäbrenb 
fie  nur  ba§  fc£»on  ©eftfjaffene  offenbaren.“  3br  äufje» 
re§  SBefen  aber  jeidjnet  fie  in  ben  SBorten:  „®ie§ 
bteidje,  ftitte  unb  auf  ben  erften  93‘Iicf  glanjlofe  Singe» 
ficfjt,  biefe  abgerunbeten  unb  ungezwungenen  93ewe» 
gungen , biefe  ftaunenswertlje  Sreitjeit  oon  alter  unb 
jeber  Sbquetterie  — wie  umgewanbett  unb  tierftärt  er» 
fc^eint  ba§  altes?,  Wenn  fie  fid^  im  (Sefang  oon  ihrem 
eignen  ©eniu§  Ijinreifjen  täfjt." 

fpingeriffen  wie  fie  fetber  füllten  fiel)  auch  bie 
£örer  bon  ihrem  ®enie,  unb  at§  fie  am  9.  9Kai  1839, 
im  Sitter  bon  ae^tgetjn  Satiren,  auf  engtiftfjem  23oben, 
ba§  ift  in  Her  Majesty’s  Theatre  ju  Sonbon,  at§ 
®e§bemona  in  9toffini’§  »Otello«  iXtre  ttjeatralifcbe 
Saufbaljn  eröffnete,  ba  begrüßte  man  in  itjr  eine  ber 
§öct)ftgeborenen  im  Steidje  ifjrer  ®unft.  Die  gefä£>r= 
tiefje  9Xad)barfct)aft  ber  erften  eurojoäifc^en  ®efaitg§= 
fräfte:  9Xubini’§  at§  Dtetto,  £amburini’§  at§  Sago, 
Sabtactie’»  at§  (Stmiro , berfdjtug  if>r  nichts ; fie  er» 
f)öf)te  nur  ben  Triumph  ber  Debütantin,  in  ber  mau 
bie  ecEjte  Tochter  jene§  (Sarcia  erfannte,  bei  beffen 
bämonifdj  leibenfd^afttic^er  SBiebergabe  be§  Dtetto 
einft  fein  eigen  Steifet}  unb  S3tut,  SJtaria  SJtatibran 
at§  $)e§bemona  ernfttidj  für  ifjr  Öeben  gegittert  batte. 

Sludj  bie  ed)te  ©cbwefter  jener  Sbühoerbtidjetten  er» 
lannte  man  in  if»r,  beren  ®e§bemona  noch  in  Sitter 


198 


_=  = 

öerjen  lebte,  beten  fiolbe  Stimme  unb  oergöttertc 
i'imftterfctjaft  unüergefsficb  unb  unerreichbar  fd)ien. 
SBieber  auferftanben  glaubte  man  bie  Sßielbemeintc 
unb  frönte  ihre  (Srbin  unb  Sftacbfofgerin  bereitwillig 
mit  ben  drängen,  bie  nadj  jener  einen  Stirn  feiner 
anbern  mehr  ju  gebühren  fdjienen. 

2öar  Maria  Mafibran  einft  ber  Siebling  ber  eng» 
fifdjen  Striftofratie  gewefen,  jo  überjcfjüttete  biefefbe 
nun  auch  ihre  Sdjwefter  mit  ©unftbeweifen.  SSieber» 
f)oft  entbot  auch  bie  Königin  jie  ju  fidj , um  fidj  an 
ihrem  ©efang  ju  erfreuen.  Sieg  über  Sieg  feierte  bie 
ooüenbete  mufifafifcfje  SSifbung  unb  egceptionetfe  Dr» 
ganifation  ber  jungen  Künftferin , gfeidjtiief  ob  fie  fidj 
al§  iSragöbin  ober  at§  Weiterer  ©eniu§  geigte ; benn 
aucfj  in  9toffini’§  fonnigften  Snfpirationen : in  »Cene- 
rentola«  unb  »Barbiere«,  bewährte  fie  ihre  Meifter» 
fdiaft.  Stellte  2i§jt  ifjr  niefit  swanjig  Satire  fpäter 
noch  ba§  3engrtiB  au§,  baff  „unter  allen  fjodjgefeierten 
unb  reijenben  Ütofinen,  bie  er  bemunberte  unb  ap= 
pfaubirte,  nicht  eine  fei,  welche  ißaufine  SSiarbot  in 
©efang  unb  Spiel  bie  ißafme  ftreitig  machen  fönne"? 

hinter  ber  SSegeifterung  ber  ©ngfänber  bfieb  bie 
ber  Sranjofen  nid)t  jurücf,  af§  ißaufine  ©arcia,  burdj 
Soui§  SSiarbot  bem  Theätre  italien  gewonnen,  am 
9.  Dctober  beöfefben  Saf)re§  öor  ben  ißarifern  erfc^ien. 
Snmitten  einer  Sünftferöereinigung , welche  bie  ©rifi 
unb  ißerfiani,  fftubini,  ßabfadje,  Xairtbitrini  ju  Mit» 
gfiebern  jäfjfte  unb  beren  ©feidien  bie  SSeft  Don  beute 
nicpt  mehr  befijst,  nahm  fie  bei  SBiebergabe  9toffini’» 
jeher  SBerfe  bie  Sfuöjeidinungen  entgegen,  mit  benen 
man  ihrer  jungen  ©röfje  ben  gebübrenben  ^off  ent» 
richtete. 

SIffreb  be  Muffet,  ber  nod)  öor  furjem  in  feinen 

Sfa-  -- jd 


199 


wr—  — — “ — ^ 

berühmten  „Stangen  an  bie  SRatibran"*)  flagenb  aud= 
gerufen  hatte : 

„Sßad  wir  an  beinern  frühen  ©rab  beweinen, 

3ft  nid)t  bie  Äunft,  bie  bir  fo  ganj  gehört, 

3tein,  beine  Seele  machte  bidj  und  wertl). 

SBad  funft  war,  wirb  an  dtnbern  aud)  erfdjeinen, 

Der  öerjendton  nur,  ber  jurn  bergen  bringt, 

Die  Seele  ift’d,  bie  feiner  wieberbringt". 

er  fang  nun  bon  ißautine : 

„Sltan  fage  nidjt,  bie  Duelle  fei  oerfiegt, 

Die  bie  Unfterblidied  und  fpenbet, 

Der  §intmeldfunfen,  nod)  o erglomm  er  nid)t, 

3c od)  warb  und  Srbifdjen  bie  ©ottljeit  nidit  entfrembet, 

3lod)  ftraptt  und  beined  ©eniud  reined  Sicht!" 

„2>ie  ißoefie  unb  SJtufif  in  ißerfon",  Wie  ©eorge 
©anb  ißauline  ©arcia  genannt,  gab  fie  bon  bem 
9teict)tt)inn  ipred  gefänglichen  unb  barftetterifdjen  3Ser= 
mögend , bon  ber  SSietfeitigteit  iljred  ©enied,  bie  fie 
für  jeben  Gl)aratter , jebe  (Situation  unb  Stimmung 
bie  rechten  Slöne  finben  tiefj,  batb  ganj  ©uropa  ®unbe. 
iltoch  nicht  neunzehnjährig,  berbanb  fie  fid)  im  Steril 
1840  mit  Souid  SSiarbot,  bem  geiftreidien  ®unft- 
Schriftfteller  unb  energifdjen  Vertreter  ber  rabifaten 
ißreffe,  bem  ©rünber  ber  »Revue  independante«,  ju 
. glüdtidier  @he  unb  begab  fid)  mit  ihrem  ©atten,  ber 
bon  ber  bid  bafjin  geführten  ©irection  ber  itatienifdjen 
Oper  jurüdlrat,  für  Satire  auf  Steifen.  Statien,  <3pa= 
nien,  Seutfdjtanb,  iftufitaub,  ©ngtanb  fudjten  fie  auf, 
unb  bie  £>auptftäbte  unfered  ©rbttjeitd  mit  ihren  bor= 
nehmften  Greifen  wetteiferten,  ber  betuunberten  Sän= 
gerin  eine  ft)mpatt)ifdhe  unb  begeifterte  Stufnaljme  §u 


*)  Nouvelles  poesies.  Paris. 


200 


P'  ^ ■ * 

bereite«.  Sn  SSerlin,  too  bie  furj  juDor  über  alles. 

SDtaß  gefeierte  Sennp  Sinb  nocß  in  frifcpeftem  ©ebäcpt» 
niß  ftanb,  blieb  man  ber  ungleich  größeren  bramati* 
fcpeit  Begabung,  ber  genialeren,  großartigeren  Statur 
ber  romanifcpen  &üttft  lernt  bie  if)r  gebüßrenbe  entßu* 
fiaftifcße  Slnerfetutung  ebenfotoenig,  als  in  SBien  unb 
äRabrib,  in  Petersburg,  ÜDioSfau  unb  Sonbon  fcßulbig. 

9Jtit  welcßem  SDtaßftab  man  fie  aucf)  rneffen  mocßte, 
neben  feiner  anberen  ©röße  erfcßien  bie  ißre  Heiner, 
©anj  befonberS  impouirte  beit  23erlinern  ein  füßneS 
SBagftiicf  ißreS  toeltberüßmten  ©afteS.  Sie  Sluffüßrung 
oon  „Stöbert  ber  teufet"  ift  geplant,  unb  Pauline 
SSiarbot  mitt  bie  Sllice  fingen.  2)a  erfranft  ptö^IicE», 
unmittelbar  oor  SSeginn  ber  SSorftettung  bie  9Sertre= 
terin  ber  SfabeHa,  ffräuleut  £ucjed.  SJiart  ift  in 
äußerfter  SSerlegenßeit.  3)ocß  fiepe,  Srau  SSiarbot  er» 
fcßeint  als  rettenber  ©eniuS.  Sie  erbietet  fidj  oßne 
SßeitereS,  beibe  Stollen  fofort  ju  übertteßmen  unb  füßrt 
bie  Stiefenaufgabe  mit  glänjenbem  ©elingen  bnreß. 

SSon  SReperbeer  §ur  Stepräfentantin  feiner  SibeS 
auSerforen,  bereu  ©reirung  er  feiner  ©eringeren  an» 
tiertrauen  wollte,  geigte  fiep  Pauline  SSiarbot  enblidß 
ißrer  SSaterftabt  wieber.  Stur  einmal,  im  3aßre  1842, 
mar  fie  feit  iprer  erften  SBirffamfeit  bafelbft  im  Theätre 
italien  wiebermtt  erfeßienen.  SJiit  alternben,  ober  un» 
üollfommen  auSgebilbeten  Kräften  patte  man  fiep  mitt» 
lermeile  begnügen  gelernt.  3)ie  großen  ©efangSfünftler 
begannen  auSjufterben,  unb  bie  an  ipre  Stelle  traten, 
bezeugten  fiep  als  unreeptmäßige  ©rben.  „Seit  Stof» 
fini’S  Dpern  mepr  unb  mepr  tion  ber  SSüßne  üer» 
feßroinben“,  fagt  SiSjt  in  feinem  bereits  citirten  geift» 
reiepen  ©ffap  über  Pauline  SSiarbot,  „geben  fiep  bie 
Sänger  nießt  mepr  bie  SRüße  fingen  ju  lernen.  @S  ift 
gar  niept  mepr  bie  Siebe  baooit,  eine  fleißige,  Stiftung 

k $ 


201 


p ' % 

erftrebenbe  Arbeit  Wäljrenb  ber  Sugenbjeit  bem  öffent* 
liefert  Auftreten  ooraugefjen  31t  (affen.  Gin  paar 
Sa()re  fcf»etTtert  übergenug  jitrn  ©tubium,  ja  ein  paar 
SÖionate,  eine  fReifje  üon  gegebenen  unb  genommenen 
©tunben  finb  bem  SJieifter  unb  ©c^üter,  ja  auch  bem 
ißubüfunt  31t  feinem  eigenen  Schaben,  £)in(ättg(icf) 
augreidjeitb.  ®a§  Siegfantmachen,  ba§  Silben,  ©tär* 

!en  unb  Seljerrfchen  be§  Drgan§  ift  faft  eine  ©age  ge* 
worben.  Saper  fommt  e§,  bafj  ba§  ißublifum,  an  guten 
(Sefang  nic^t  mehr  gewöhnt,  nur  nach  frifdjen  ©tim* 
men  oerfangt,  unb  biefe  einer  admäligen  reifen  Si(* 
bung  ermangelnben  Stimmen  itjre  ffrrifcfje  ba(b  ein* 
büfjen,  unb  ba§  Sublifum  nun  üie(  länger  mit  oer* 
borberten  Stimmen  fief)  begnügen  muff , al§  e§  an  ber 
griffe  Genufj  fartb.“  „Gc§  möchte  fcf»tperfic£)  ein  diame 
3u  fittben  fein",  fjeifjt  e§  weiter,  „ber,  wa§  S0lett»obe 
unb  Sßirtuofität,  Gefühl  unb  Stitsbrucf  gegenüber  jeber 
Seiftung  betrifft,  neben  ber  ©djwefter  ber  SJMibran 
and)  nur  genannt  werben,  gefdjweige  benrt  mit  ifjr 
wetteifern  bürfte.  Sei  ifjr  bient,  wie  bei  allen  grofjen 
Sortragenben , benen  ba§  (jeilige  Seuer  ber  ißoefie 
nicht  mangelt,  bie  Sirtuofität  nur  3 um  rfikbntcf  ber 
Sbee,  ber  Gebauten , beö  Gpara!ter§  eiltet  SfSerfe# 
ober  einer  Sftode.  ®ie  SSirtuofität  ift  nur  baju  ba,  bafj 
ber  Zünftler  ade»  wieberäugeben  im  ©taube  ift,  wa§ 
in  ber  Sauft  311m  rfu»brucf  lommt.  Sueppt  ift  fie  un* 
entbehrlich  unb  fanit  nicht  genug  gepflegt  werben." 

3e|t  enblidj  lehrte  nun  bie  fönigüdje  ©ängerin, 
bie  mit  ber  grofjen  t£rabition  ber  Vergangenheit  ben 
ßauber  ihrer  genialen  3mbiüibua(ität  üerbanb , nad) 
langer  rfbwefenpeit  nach  s$ari§  3urüd,  um  ben  ihr  ge* 
3iemenben  tß(a|  an  granfreidjä  erfter  Dpernbühne  ein* 
3itnehmen.  ®er  16.  2lpri(  1848,  ber  bie  erfte  2(uf* 
füfjritng  be§  „Propheten"  in  ber  Opera  brachte,  beben* 

& M 


202 


*■ 

tete  für  beit  ©omponiften  mtb  bie  Scßöpferin  bei*  SibeS 
einen  großartigen  Triumpß.  ©nblofe  äßieberßolungen 
beS  SCBerfeS  mürben  ju  einer  ®ette  oon  (Siegen.  Sind) 
inSottbon,  in  Berlin,  Seipjig,  Petersburg,  überall 
moüte  ntan  biefe  gibeS  ßöreit.  2öar  fie  nicßt  in  ber 
Tßat,  mie  SJtoßßeleS  rüßmt,  „bie  Seele  ber  Dper,  bie 
ißren  großen  ©rfolg  moßl  jur  tpälfte  ißr  üerbanft'i" 
Paße  an  jmeißunbert  SJial  fang  ffrau  Piarbot  bie  an= 
ftrengenbe  Partie.  SQlit  Staunen  aber  naßmen  bie 
granjofen  maßr , baß  bie  unübertroffene  Interpretin 
Poffini’S  uub  ber  Italiener  überhaupt,  .bte  fie  biSßer 
auSfcßließlicß  in  ißr  gelaunt,  ficß  in  beut  gemifcßten, 
bramatifdE»  effectreicßeren  Stile  SPeßerbeer’S  nicCit  mim 
ber  groß  ermeife.  Tann  füßrte  fie  aucß  ©ounob,  betn 
ißre  Protection  mit  ber  für  fie  gefcßriebetten  »Sapho« 
bie  Pforten  ber  Opera  öffnete,  ißren  SanbSleuten  oor, 
um  ficß  enblicß  aucß  als  Permittlerin  ber  beutfcßen 
©laffifer  eine  neue  (Glorie  oor  ißneit  §u  geminnen. 

3m  PoOember  1859  mar  eS,  als  ©aröalßo,  ber 
Tirector  beS  Theätre  lyrique , baS  „SSagniß",  mie 
Perlioj  ficß  auSbrüdt,  itnternaßm,  ©lud’S  „DrpßeuS", 
ber  feit  brei  Saßr^eßnien  oon  ben  Parifer  Püßnen 
üerfcßmunben  mar,  mieber  auf  bie  Scene  ju  rufen, 
©r  üerficßerte  fiiß  ßierbei  jmeier  mäcßtiger  Perbünbe= 
ten.  Perlioj  felbft,  ber  leibenfcßaftlicße  Pereßrer 
©lud’S,  oon  bem  bie  SBieberaufnaßme  beS  naßeju  ßum 
bert  Soßoe  alten  SPeiftermerfS  anSging,  unterzog  ficß 
ber  notßmenbigen  Pearbeitung  unb  Peinigung  ber 
burcß  Pacßläffigfeiten  beS  ©omponiften.  beim  Piebem 
fcßreiben  unb  ©orrigiren,  mie  burcß  ilnbermtg  unb 
.ßufäße  grember  arg  eutfteüten  unb  oerunfäuberten 
franjöfißßen  Partitur,  inbem  er  jugleicß  bie  urfprüng* 
ließe  SeSart  ber  für  2Bien  gefeßriebenen  Oper,  berjm 
folge  eine  Pltftimme  ber  Träger  ber  Titelrolle  ift, 


203 


ar 


wieber  fjerftettte.  Sur  Sarftettung  bieder  leiteten  aber, 
tion  ber  ber  (Srfolg  be§  (Sanken  wefentti(|  abt)üngt, 
faub  ftc£)  fßautine  SSiarbot  Willig.  SBas  fie  bomit  er= 
reicfjte,  war  eine  ber  untiergefftidiften  ©roffttjaten  im 
©ebiete  ber  barfteöenbeu  Sunft.  iöertioj  füllte  fid) 
burd)  biefebbe  an  ißouffin’fdfe  ©eftatten  unb  aniife 
9tetief§,  an  £t)eofrit’§  nnb  iBirgit’s  ißoefie  erinnert. 
„®ad  ift  @ri)abeit[)eit  in  ber  ühunutt) , ba»  ift  ba§ 
Siebe§=Sbeat , ba§  ift  götttic^  fd^ön !"  ruft  er  t)inge= 
riffen  au§.  „Sfwe  Begabung“,  fo  fc£)ibbert  er  grau 
23iarbot*),  „ift  eine  fo  tiottfommene  unb  mannigfah 
tige,  if)re  meifterbjafte  2)arftettung§funft  berührt  gteidj* 
jeitig  fo  tierfdjiebene  Snnftfragen,  fie  tierbinbet  both 
fommene  ®urcf)bitbung  mit  einer  fo  genialen  Selb» 
ftänbigfeit  ber  2tuffaffung : baff  fie  un§  pgteidj  in 
©rftaunen  unb  in  tftütjrung  tierfeijt ; bafj  fie  gleichzeitig 
p überragen  unb  fßnpreifjen,  p intßoniren  unb  p 
überjeugen  weif? ! Sffjre  mufterfjaft  gefdjutte  Stimme 
tion  au§nat)m§weife  großem  Umfang  tierftelft  fie  nicht 
nur  tiottftänbig  fünftterifd)  p beßerrfdfen,  fonberit  fie 
befifd  auct)  bie  ßeutptage  aufferorbenttid)  fetten  ge» 
worbene  Sanft  einer  tabettofen  ißfjrafirung  im  getra» 
genen  ©efang.  Sie  tiereinigt  einen  unwiberfteßtidjen, 
atte§  mit  fid)  fortreiffenben  Schwung,  ein  unfefjtbar 
pnbenbe§  $euer  ber  Segeiftermtg  mit  tieffter  ©npfin» 
bung  unb  einer  faft  beweinen§wertf)en  ©abe,  bie  un= 
gefjeuerften  Seetenfdfmerjen  prn  tioftfommenften  2Iu§» 
brud  p bringen.  Sw  ©eberbenfpiet  weif?  fie  ftet§  ba§ 
fdfönfte  9Jcaf?  p hatten;  itfre  tßtaftif  ift  eben  fo  ebet 
at§  Waf)r,  unb  ihr  ftet§  bramatifd)  wirffanieb  SJiierten» 
fpiet  wirb  in  ben  ftummen  Scenen  nod)  au§bruddtioIIer 


*)  ©efammeUc  Schriften,  $)cutfd)c  QluSg.  fcon  fö.  ^of)L  ßetpjig, 
§cinje.  1865. 


204 


r 

al§  ba,  tt>o  e§  nur  gut  33erftärfung  beS  mufifalifchcn 
2luSbrudS  bient." 

Sie  SBirfung  beS  in  fo  ibealer  Sßeife  tnieber  be= 
lebten  „Dr^euS"  mar  benn  aud)  eine  ungeheure. 

(Sine  golge  non  mehr  benn  fjunbert  SBorftellungen  üer» 
mochte  bie  Sheilnafime  unb  33egeifterung  ber  fßarifer 
nicht  ju  erfd£)öpfen.  Sold)  glänzenbeS  (Srgebnif?  legte 
ben  Serfucf)  ber  flteuermedung  aucf)  eines  anbern 
©Indien  SBerfeS  nafje,  unb  int  Dctober  1861  folgte 
bem  „Drf»l)euS"  — bieSntal  auf  bent  fßoben  ber  Opöra 
— feine  jüngere  Schmefter  „fttlcefte".  fttudj  jur  fötei» 
fterin  ber  „faft  unnahbaren  fftoHe"  ber  theffalifdjcn 
Königin  machte  fich  fßauline  Siarbot,  um  einen  neuen, 
öielleidjt,  mie  föerlioj  meint,  ihren  fdjmierigften 
‘Sriurnfth  ju  oerjeichnen,  ber  fich  einen  öoHen  SGBinter 
hinburch  fortfeiste.  fötan  mürbe  nicht  mübe,  bie  ebenfo 
grojje  Sdicmffnelerin  als  Sängerin  in  ihr  ju  betoun» 
bern,  bie,  ohne  non  ber  Statur  bnrch  Schönheit  ber 
güge  beoorjugt  ju  fein,  hoch  bnrch  bie  hinburd)leuch* 
tenbe  innere  Schönheit , bnrch  baS  heilige  Seuer  beS 
©eitieS  öerllärt  unb  geabelt  marb.  Sie  oollenbete 
fßlaftif  ihrer  Stellungen,  melche  ihre  tiefe  Senntnijs 
ber  Slntife  unb  ber  föieiftergebilbe  beS  cinque-cento 
oerrieth,  erregte  baS  (Sntjüden  ber  93ilbf)auer  unb 
fötaler,  mie  ihr  ©efang  ben  fötufifer,  bie  fßoefie  ihrer 
flluffaffung  unb  ©eftaltung  ben  Sichter  mit  SBegeifte* 
rung  erfüllte.  £aben  nicht  auch  bie  Vertreter  aller 
fünfte  fie  einmüthig  gefeiert  unb  ihr  mit  fßinfel  unb 
fDteifjel,  in  Sßorten  unb  Sönen  ihre  §ulbigungen  bar» 
gebracht?  §aben  nicht  be  fDtuffet  unb  Surgenem  fie 
befungen,  (George  Sanb  unb  SiSjt  ihr  93ilb  mit  poe» 
tifher  ?jeber  gezeichnet,  mie  2lrt)  Sdjeffer  eS  in  Farben, 
fOtiüet  eS  im  fötarmor  feftf)ielt?  §aben  fÖteperbeer, 
öourtob , föcrlioj  nicht  für  fie  gefdjrieben , nannten 

- ...  ■ M 


205 


xy  

'ffr  ^ 

neben  itjnen  allen  nid)t  SRoffini,  ©fmpin , ©fjorlet), 
Setacrois,  Stbelaibe  fftiftort  im  33unb  mit  ben  SRäm 
nern  ber  Sßiffenfdjaft : $enrt)  SRartin,  SRenan,  SRanin 
unb  bieten  anberen  fic^  ilfre  greunbe?  SSSie  biet  Se* 
geifterung,  greunbfdfaft,  33eret)rung  unb  Siebe  tjäuft 
fid)  nicfjt  im  Safein  ber  bemunbernSmerffien  grau, 
bereu  eitt^ufiaftifcEje  Eingabe  an  baS  gbeat  nur  in 
ifjrer  SöerufStreue , beren  umfaffenbe  SSitbung  nur  in 
ifjrern  ©enie  ilfreS  ©teilen  t)at ! 

„gn  ifjr  ©piet  mie  in  itfren  ©efang  legt  fie  itjr 
ganjeS  SBiffen,  it)ren  ganjen  ©eift,  itjre  ganje  ©eete 
unb  erreicht  fo  bie  f)öd)fte  ©tufe  ber  fünftterfdfaft", 
fcfireibt  Stjeobore  ißettoguet*),  inbem  er  tjinjufügt: 

„bie  Uniberfatität  itjreS  ©enieS,  itjre  23ottfomment)eit  in 
jebem  ©tit , jeber  fRotte  madjt  fie  ju  einem  Unicum  in 
ber  ©efdiidjte  ber  ©anger."  SBar  fie  nidjt  in  SBatjrfieit 
gleich  grof?  als  ÜRorma  unb  iRofine,  als  gibeS,  ats 
©onnambuta  mie  atS  Sonna  Stnna?  SSSie  fetten  ©ine 
aucf)  mof)t  ift  fie  ©oSmofmtitiu,  unb  menn  Stnbere  ber 
SluSbitbung  unb  fünftterifcf)  boltenbeten  SSiebergabe 
eine§  ifjneit  eingeborenen  nationalen  ©tementeS  ifjre 
©röffe  banfen,  fo  tjaben  ju  ißautineSSiarbot’S  3Reifter= 
fdtiaft  bietmetjr  berfdfiebene  Sänber  unb  ißötfer  itjre 
©abeit  unb  ©inftüffe  beigefteuert.  „SRit  ibrent  fpani* 
fdjen  ÜRaturett",  tjören  mir  SiSjt,  „itirer  franjöfifdfen 
@rjie[)ititg  unb  itjren  beutfdfen  ©t)mpat()ien  bereinigt 
fie  bie  ©igenfjeiten  berfdjiebener  -Rationalitäten  berart 
in  fid),  baff  man  feinem  beftimmten  23oben  einen  auS= 
fdftiefftidien  Stnfprud)  an  fie  jugeftetfen , bietme^r  bie 
fünft  „,,baS  SSatertanb  itirer  freien  23a  ff  t unb  Siebe"" 
nennen  möchte.  Sie  itjrem  23tut  bererbte  fiibtid^e  ©tut 
ibentificirt  fie  burdf  ©eburtSredjte  mit  ber  itatienifdien 


*)  Les  hommes  du  jour.  Paris. 

& J 


206 


p— — — — — ' — 

Sd) ule,  tuelcfje  beit  braufenbeu  Schaum  ber  Seiben» 
fdfaft  in  üodent  (Srgufj  über  beu  feingefdfnittenen  Stanb 
bes  53ed)erS  (jtrtaubj’trönten  läfft,  welker  bie  ®unftform 
bebeutet  mtb  Weniger  juitt  ^itfic^beroa^ren  ba  ju  fein 
fcfjeirtt,  als  jum  Überfprubeln  beS  beranfdfenben  ©ran» 
feS  in  ein  feuriges,  aufgeregtes  Slubitorium.  ®raft 
ihrer  üoHenbeten,  mit  männlichem  (Seifte  bewältigten 
Stubien  f)at  fie  burdf  6roberungSred)t  fidf  in  ben  er» 
babenen  Stegionen  ber  ®unft,  f)od)  über  ben  Tälern 
unb  ben  ihnen  eigenen  Suftftrömungen,  eingebürgert, 
bereu  greub  unb  Seib,  bereu  Süllen  unb  Streben  ber 
großen  ÜDtenge  immer  unzugänglich , immer  ein  (Se= 
beimnifs  bleibt,  Wo  aber  bie  (Sind,  SSad)  unb  Söeetlw» 

Den , Wo  bie  Stiefen  Raufen,  bie  im  üorauS  auf  bie 
Modularität  beS  SeierfaftenS  Merjidjt  letften.  So 
wirb  ficf)  and)  fdfwerlid)  eine  oorjüglidjere  ©arftellerin 
jur  Stneignung  eines  Stils  finben , ber  mit  weniger 
oerjeljrenber  Seibenfdfaft  unb  miitberer  6rl)abeul)eit 
als  in  ben  Schulen  beS  SübenS  unb  StorbenS  liegt, 
ben  Steij  ber  einen  mit  bem  (Sel)alt  ber  anberen  in 
einem  glüdlidjen  (SflefticiSmuS  ju  üerbinben  ftrebt. 
©urcff  dlafticität  beS  ©alenteS  unb  Schnede  bramati» 
fcfjer  Intuition  war  fie  üon  Statur  auS  baju  berufen 
ben  ©eftalten  5)tet)erbeer’S  ihren  pdjftert  SluSbrud, 
if»r  üollfteS  Stelief  31t  oerleifjen". 

SSor  allen  Nationalitäten  unb  in  allen  Stilgat» 
tungen  bjatte  fidf  bie  ©od)ter  (Sarcia’S  als  |)ödjftbe* 
rufene  bewährt ; in  ffranfreid)  wie  im  SluSlanb  — in 
©nglanb  b)örte  man  fie  üon  1848  bis  1858  alljährlich, 
auch  in  ©eutfdjlanb  War  fie,  jumal  gegen  Snbe  ber 
fündiger  Sabre,  ein  häufiger  (Saft  — gab  eS  feinen 
gefeierteren  Sängernamen  als  ben  ihren  : nun  30g  fie 
fid)  üom  öffentlichen  Scbauplalj  jurüd,  fich  nur  noch 
l)in  unb  Wieber  im  (Soncertfaal  jeigenb.  Unterrichten 

k m 


207 


w — « 

unb  ©omponiren  füllten  tion  je|t  ob  in  erfter  Sinie 
ipr  Seben  au§. 

SSon  ißari§  tierfegte  fie  1863  ifjr  tpeimtoefen  nacp 
33aben*93aben  , bent  £iebting§aufentpatt  ber  bort  au§ 
alten  Sanben  jufammenftrömenben  Äünftter , bereit 
iDtittetpunft  fie  halb  bitbete.  5 nt  taufcpigen  Stpat  ber 
0o§ , ttio  fiep , tnte  int  SBinter  unb  ?5vü£)jat)r  an  ber 
©eine,  bie  elegante  Sßett  @uropa§  9tenbeä*toou§  gab, 
tüo  fiep  „ganj  ißarig,  ba§  fritiote  iuie  ba§  intelligente, 
ba§  fociale  toie  ba§  tünftterifcpe"  jufantmenfanb,  muffte 
aud)  bie  SJhtfif,  bie  jitr  Unterpattung  entboten  lottrbe, 
international  fein.  S3erfioj,  (Sounob,  SpontaS,  geti* 
eien  2)atiib,@aint=©aen§,  Dffenbacp,  bie  ipre  Opern  auf* 
führten,  Stubinftein,  Grfara  ©cpumann,  23rapnt§,  gean 
23eder,  gofepp  unbStmatie  ^oacpint,  ©todpaufen,  93ü* 
loto,  ülofenpain,  SSieurfemp§  forgtenfürifteiiptpumunb 
SJtannigfattigfeit  ber  (Senüffe.  2)a§  SSirtuofentpum 
fanbte  feine  Vertreter,  männticpe  unb  tüeibtirfje , in 
©cparen  ; ipm  gehörte  int  ÜDtufifteben  33aben*S3aben§ 
ber  Sötoenantpeit.  Sind)  in  ber  SSitta  S3iarbot*©arcia 
erfupr  e§  pertiorragenbe  pflege;  tjatte  bocf»  bie  tperrin 
berfetben,  tiiete  Sernbegierige  na<f»jief)enb,  eine  form* 
licfje  SSirtuofenfcfjnle  bafetbft  errichtet.  SBie  früher  im 
fßarifer  ©alon  ber  geiftreicpen  grau , bie  and)  in  ge* 
fettiger  Söejiepung  ntepr  ju  geben  at§  ju  empfangen 
gemöpnt  ift , tonnte  man  ba  bei  ben  atttüöcpentticpen 
ntufifalifcpen  ÜDtatineen  bie  @tite  ber  ®unftwett  tiereint 
fepen  unb  p breit  unb  neben  ben  ertefenen  (Saben  ber 
SDleifterin  and)  bie  iprer  ©cpülerinnen  empfangen, 
©etbft  ber  pöcpfte  gefettfcpaftlicpe  ©tanj  feptte  biefen 
fünftterifepen  ^Bereinigungen  nicpt.  SDcifctjten  fidj  bocp 
®önig  unb  Königin  tion  fßreufsen,  ©rofspersog  unb 
(Sroffperjogin  tion  93aben  gern  unb  päitfig  unter  bie 
(Mabenen. 

Sfc.  M 


Stuf  einem  eigene  erbauten  Stjeater  gab  cs  and) 
SSorfteüungen  Keiner  Operetten,  ju  benen  3man  Sur» 
genew , ber  geniate  Sreunb  beS  §aujeS , ben  Sejt, 
grau  SSiarbot  fetbft  bie  üDiujit  gefdjrieben  t»atte.  jfür 
bie  ©Hüterinnen  unb  Itinber  ber  ©omponijtin  be» 
ftimmt,  jeher  ber  üortjanbenen  Kräfte  genau  angepajjt, 
tarnen  ba  »Le  dernier  sorcier«,  »Trop  de  femmes«, 
»L’ogre,  conte  de  fees«  §ur  Aufführung,  als  grajiöfe, 
formfeine,  ebenfo  jangbare  ats  bantbare  Sftufit  nid)t 
umfonft  um  S3eifatt  merbenb.  „Ser  fetjte  tauberer", 
üon  tftidjarb  ißoljt  in’S  Seutfdje  übertragen,  tterfudjte 
bann  and)  in  SSeimar  unb  Karlsruhe  (1869  unb  70), 
Wie  fpäter  in  tftiga  fein  tpeit.  Sod)  reichte  jein  (Srfotg 
auj  jenen  größeren  Sütjnen  an  ben  im  engeren  Greife 
nidtit  hinan.  Atte  brei  SBerte  blieben  ungebrudt  unb 
märten,  jammt  einer  Anjaf)!  Sieber,  Suette,  Serjette, 
©höre,  metd)e  bie  SJiappe  ihrer  Urheberin  birgt , ber 
SSeröffentlidjung.  23ieteS  Anbere  bagegen : atomanjen 
unb  Sieber,  ©taüier»  unb  SSiotinjtücfe,  $5nftructitoe§  zc. 
janbte  jie  in  bie  SBett  hinaus , unb  jinb  aujjer  if>ren 
©ejangfdjutert  namentlich  itjre  Arrangements  Gnjopin’* 
jdjer  3)cajurfen,  beren  SSortrag  jtetS  ju  ihren  bettmn» 
bertften  Koncertteiftungen  gehörte,  unb  öier  bei  ©eitj 
erfchienenepitanteSieber,  bie  jie  1870  beim  Seethoüen» 
fejt  in  SSeimar  mit  großem  Krfotge  jang  (barunter  üor» 
jugSmeife  baS  Sefiree  Artot  gemibmete  äujjerft  aparte 
„Ser  (Gärtner"),  in  Seutfddanb  betannt  gemorben*). 


*)  23eröffentUd)t  lourbc  bt^er  oon  $auline  SSiarbot : 

Album  de  12  Romances , illustre  par  Ary  Scheffer.  Paris, 
Troupenas. 

6 Pieces  pour  Piano  et  Yiolon.  Paris,  Gerard. 

Polonaise  ä 4 mains.  Paris,  Gerard. 

Album  russe  de  12  melodies.  Petersburg,  Johansen.  Leip- 
zig, Breitkopf  & Härtel. 

— M 


Sa  9Jtara,  ©tubicnföpfc.  Y.  209 


14 


„9taf)e  33ermanbtfcfjaft  mit  ©l)opin,  fjarmonif(f)e  gehn 
'ficiten , gragiöfe  Originalität“  rüfjmt  Sigjt  it)rem 
fc£)öpferifd|en  latent  nacff. 

Sem  betfaglidfen  21ufentf)alt  ber  Sünftlerin  in 
23aben=$8aben  machte  ber  2Iu§bruct)  be§  beutfc^=fran= 
jöfifcfjen  Striegel  ein  öorfcfjnette§  @nbe.  2(ts  ©attin 
eineg  granjofen  fal)  fie  ficEt  gelungen,  Seutfc£)lanb 
1871  §u  öerlaffen  unb  if)r  2Sefi|tt)um  bafelbft  auf^u* 
geben*  ©ie  teerte,  nacfjbem  fie  im  ÜDiai  1870  nodf  ein 
le^te§  ÜDtal  in  SBeimar , im  -Jtotiember  mieberfiott  in 
2Bo|ltt)ätigleit§concerten  nodj  in  Sonbon  öffentlich  ge= 
fttngen,  nun  bauernb  an  ben  Ort  itjrer  (Geburt  juriict. 
S0le£)rere  3af)re  lang  mar  fie  al§  ©efanggprofeffortn 
am  Conservatoire  in  ißarig  tfjätig.  Sa  it)r  jebocf)  bie 
hier  üblicfje  Unterricl)t§meife  nid^t  gufagte,  bie  öerfcfji e= 
benen  lötetfjoben  ber  öerfdjiebenen  @efang§meifter  öcm 
ber  Opera  comique  unb  ber  Opera  ibjr  tiielmefm  für 


2d  Album  russe.  Petersburg,  Johansen.  Leipzig,  Breitkopf  & 
Härtel. 

4 Lieder.  Leipzig  et  Weimar.  Seitz. 

6 Mazurkes  de  Chopin  arr.  p.  la  voix.  Paris,  Gerard.  Leipzig, 
Breitkopf  & Härtel. 

6 Melodies.  Paris,  Heugel. 

Ecole  du  chant  classique,  en  6 livraisons,  contenant  une  choix 
d’airs,  duos  et  trios  des  maitres  de  toutes  les  ecoles,  avec 
prefaces,  nuances,  annotations  p.  P.  Y.  Paris,  Gerard. 

Recueil  de  melodies  de  Manuel  Garcia  (pere),  arr.  avec  ac- 
compagnement  de  Piano. 

Canzonetta  de  Haydn  (tiree  d’un  quatuor),  arrang.  p.  la  voix. 
Paris,  Heugel. 

Une  heure  d’etude,  en  2 parties.  Paris,  Heugel.  Berlin, 
Bote  & Bock. 

6 Melodies.  Paris,  Heugel. 

Trois  recueils  de  Yalses  de  Schubert , arr.  ä 2 voix.  Paris, 
Ge'rard. 

Danses  hongroises,  arr.  ä 2 voix.  Paris,  Maho. 

Une  30ne  au  moins  de  Me'lodies.  Petersburg,  Johansen. 

k.  ■ 


210 


p . “* 

bie  Stimme  itnb  beren  ÜCuSbitbung  oerberbticf)  er= 
fcf)ienen,  legte  fie  itjrStmt  bereits  1864  mieber  nieber, 
um  in  notier  Uuabt)ängigfeit  toie  junor  ifjren  päbago= 
giften  Seruf  ju  üben.  2tucf)  als  Seherin  mar  if)r  ber 
©rfotg  in  t)ot)em  ©rabe  günftig,  unb  ihrer  Schule  jum 
großen  Sth^t  banleit  bie  erften  beutfctjeu  unb  frentb= 
länbifchen  Sühnen  ihre  beften  Kräfte.  ®efiree  Strtöt, 
'älgtaja  Drgeni,  SJiariamte  Sranbt,  Bianca  SBiancEji, 
ÜDiarie  Schröber=Hanfftängt,  Serttja  ©hnn,  9ftatt)ilbe 
SBecfertin,  SKagbatene  ÜDturjahn,  Stnna  Söffe,  bie  in 
Sonboit  gefeierte  2Intoinette  Sterling,  ÜDtathilbe  ißhit5 
tipS,  ber  amerifanifche  Stern,  bie  Silbaut^Sauchetet 
an  ber  fontifchen  Dper  in  ißaris,  bie  35uoioier,  metdfe 
bie  Hauptrolle  in  ÜDiaffenet’S  »Herodiade«  creirte,  unb 
niete  SInbere,  fie  holten  fich  bei  ißautine  Siarbot  ihre 
fünftlerifche  Steife.  Stuch  bie  Succa,  SmeroSctii, 
STcarte  Siro  be  ÜDtarion,  bie  jebt  in  Station  Surore 
macht,  ftubirten  eine  Seitlang  bei  ihr.  SSer  jählt  unb 
nennt  fie  alle,  bie  aus  Setehrung  unb  Sorbitb  ber 
aufferorbenttichen  grau  ©eminn  fcpöpften  ? ©in  ©enie 
mie  fie  fetber  freilich  hat  fie  nicht  mieber  heranjubitben 
uermodjt,  fetbft  an  ihren  Siubent  — brei  Töchtern  unb 
einem  Sohn  nererbte  fie  ihre  mufitatifche  Segabuitg  — , 
fo  tatentnott  fie  finb,  nicht. . So  barf  bie  SBett  fich 
immerhin  in  ©ebutb  faffen,  bis  fie  eine  jmeite  Siarbot» 
©arcia  ihr  eigen  nennt ! 


* 


211 


14* 


f—  - — — —tw 


in  eigentümliches  Qrttereffe  gemährt  eS,  bei 
^Betrachtung  ber  mannigfaltigen  Zünftler» 
inbitiibuatitäten  ben  duetlen  ihrer  Sega* 
bmtg  nachjugehert  unb  baS  Stugenmerf 
barauf  ju  richten,  ob  ihnen  biefelbe  als  gamitienerb* 
gut,  ober  üietmehr  ats  freies  perföntic^eS  iRaturge* 
ftenf  jufiel.  Senn  menn  mir  in  uns  atten  nicht  nur 
eine  in  uns  felber  murjetnbe  Snbiüibuatität,  fonbern 
jugteich  baS  Sftefuttat  beS  SafeinS  nuferer  2thnen  unb 
Sorettern  ju  erfennen  hüben,  menn  in  einem  Seben 
üon  uns,  mie  in  altem  (Geftaffenen,  neben  bem  -Jiatur* 
gefeß  ber  Sererbung  jugtcict)  baS  beS  SerättberungS* 
tiermögenS  tätig  ift,  fo  lohnt  es  mof)t  ber  SJiühe  51t 
fragen,  metdjeS  biefer  beiben  Siaturgefe^e  fit  im 
SebenS*  unb  ©ntmicttungSgange  biefeS  unb  jenes  her* 
öorragenben  9Jienften  ats  baS  mättigere  ermies. 

Srei  (Sigenftaften,  bieSefireeStrtot  oorjugS* 
meife  turatterifiren , mürben  ihr  ats  gamitienber* 
mädjtniß  in  bie  SSiege  gelegt.  SJiit  bem  oornehmen 
©inn  beS  abtigen  fran^öfifd^en  ©eftf)lecE)t§  Strtot  be 
ÜDiontagnt),  bem  fie  entftammte,  überlam  fie  and)  baS 
bemfetben  fton  burt  mehrere  (Generationen  eingebo* 
rene  mufifatifte  (Genie,  Son  ben  beiben  (Großmüttern 
toätertiter*  unb  müttertiterfeitS,  mette,  beibe  Seutfdje 
t>on  Geburt,  bem  frangöfifd^en  Samitienbtut  ein  ger* 
manifteS  Element  juführten,  aber  erbte  fie  bie  Siebe 


215 


jST"  ~ ”** 

für  beutfcf)e§  SBefeit  unb  beutfcfje  Sunft,  bie  fie  §eit= 
lebend  fo  warnt  betätigt. 

SOhtfifer  nott  Beruf  waren  fdjon  Bater  unb  (Srofj* 
nater.  2)a§  ariftofratifcf)e  f>aupt  be§  Urgrofsöater§ 
fjatte  in  ber  @cf)reclen§zeit  ber  franjofifc^en  Steöolution 
unter  bent  Söeit  ber  (Suillotine  geblutet,  ©einem 
©obn,  ber  fict)  afleirt  auf  ficf)  fetbft  geftettt  fab,  mufite 
bie  Sunft  al§  |>anbwer!,  al§  Broberwerb  bienen.  (Sr 
würbe  Drcbeftermufifer , tpornift  bei  ber  SSrüffeler 
Dper,  wie  fpäter  fein  ©obn  2>efire.  2)ocb  nicht  biefer 
allein , atf  feine  Sinber  waren  mufilbegabt.  (Sine 
£od)ter  Souife,  al§  ©ängerin  berühmt,  ats  ©d£»önbeit 
beWunbert,  bebütirte  mit  achtzehn  fahren  in  Bari§, 
ftarb  aber  frühzeitig  babin.  (Sin  anberer  ©obn,  lyofef, 
gewann  fic^  mit  feiner  (Seige  9tubm  unb  Beicbtbum. 

®efire,  ber  Bater  unferer  »desiree  cantatrice«,  machte 
fid)  als»  SKitglieb  be§  föniglidjen  Xbeaterorcbefterg  unb 
ber  IwfcapeÖe,  wie  auch  al§  fwrnlebrer  am  (Sonfer= 
tiatorium  ju  Trüffel  feiner  Sun  ft  oietfättig  nützlich- 
$ocb  nicht  an  bem  Drt  feines  2Birfen§  unb  bauernben 
21ufentl)alt§,  fonbern  in  ißari§,  bal)in  er  in  Begleitung 
feiner  jungen , ben  Slrbennen  entftammenben  (Sattin 
eine  ©efc^äftSreife  unternahm,  würbe  ihm  — am 
12.  Suni  1839  war  e§  — feine  geniale  £odjter  ate 
erfteS  Sinb  geboren.  SRan  bitte  i|re  Slnfunft  auf  ber 
Sßelt  erft  fpäter  erwartet.  9tun  muhte  fie  mit  einem 
wenig  gaftlidjen  (Smpfang  auf  ©trob,  zwifcben  ben 
eier  leeren  SBänben  eine§  ^immer§ , ba§  man  ihrer 
oon  ihrer  Bieberfunft  überrafdjten  ÜRutter  auf  ber 
(Sifenbabnftation'  einräumte,  fürlieb  nehmen.  (Srft 
fecf)S  ÜDtonate  fpäter  lehrte  SDefiree  mit  ben  (Sltent  in 
ihrer  rechtmäßigen  Heimat  ein,  um  ihr  bis  .jum 
fechjehnten  Saßre  auSfc^lie^licE)  anzugehören  unb  ihre 
(Srzieljung  bafelbft  zu  empfangen. 

k-  - M 


216 


SSorjeitig,  Wie  t£)r  (Eintritt  in  öie  SSett,  mar  aud) 
ihre  (Sntwidtung.  Salb  teufte  fie  als  SSunberlinb  bie 
5lufmerffamfeit  auf  fid) . 5ölit  fieben  Satjren  ftfjon  trat 
fte  in  ba§  ©onferüatorium  ein,  unb  noch  nicfjt  elf 
Safjre  alt,  trug  fie  in  Harmonielehre  unb  prima-vista- ' 
Sefen  in  aßen  Scfftüffetn  ben  erften  ißreiS  baüon.  3113 
SSierjefinjä^rige  üertiej?  fie  bie  ütnftatt  Wieber,  nod» 
bebor  fie  baS  Stubium  be§  OefangS  begonnen,  ittur 
auf  ©tabierfpiet  unb  itatienifdje  Spraye  hatte  fic^  ber 
Unterricht  erftrecft ; aufferbem  aber  toar  it»r  au  cf)  ba§ 
gtämifch,  granjofifcf)  unb  ©ngtifd)  geläufig  geworben, 
wie  itjr  fetteneS  Spradjtatent  ficf)  fpäterf)in  aud)  baS 
Spanifcfje  unb  ®eutfdie  aneignete.  Grft  in  Soubon 
erwachte  bie  Sängerin  in  ihr.  Shr  ©nfel  ®f)arte§ 
föaitgnieb,  ber  at§  Skater  ber  Königin  bort  lebte, 
nahm  fie  in  fein  £>au§.  ^um  erften  iDtate  hörte  fie  ba 
bie  itatienifche  Dper  mit  ber  SSiarbot,  ber  fßofio  unb 
©rifi,  mit  SJiario,  Sabtacfje  unb  Xamburiiti,  unb  be* 
griff,  wie  fie  fetbft  fagt,  „bah  man  Wof)t  mit  @mpf  in  = 
b u n g fingen  f ö n n e , jubörberft  aber  mit  ÜDt  e t h o b e 
fingen  gelernt  haben?*  muffe".  SBiefe  SÖtethobe  eignete 
fie  ficf»  fetbft  bei  ißautine  Siarbot  an.  Sechsehn  HJio= 
nate  (1856  unb  1857)  ging  fie  bei  ber  genialen  9CRei= 
fteriu  ttjeitS  in  Sonbon,  ttjeitS  in  fßariS  in  bie  Sd)ute, 
um  fetbft  at§  Stteifterin  barauS  beroor^ugehen.  ©in 
erfte§  $ebüt  im  Salon  ber  Königin  üon  Grngtanb, 
gelegentlich  ber  3lnwefenheit  be§  betgifdjen  ®önig§, 
gtüdte  auf’S  33efte.  Sie  fang  bann  mehrfach  in  ben 
SatonS  ber  engtifchen  SIriftofratie  unb  trat  in  93rüf= 
feter  Gioncerten  juerft  üor  bie  Dffenttidffeit.  Surj 
barauf,  im  Januar  1858,  hatte  man  fie  bereits  für 
bie  grofje  Dper  in  $ari§  gewonnen.  2Bo  fie  einft  baS 
Sicht  ber  SSett  juerft  erbticft , foftte  fie,  fo  Wollte  e§ 
eine  günftige  Rügung,  nun  auch  jum  erften  SOtat  üor 


M 


217 


2? 


F 


bem  Sicpt  ber  Sampen  erfcpeinen.  Stuf  SEBunfcp  50Zet)cr= 
Beer’S,  ber,  nacpbetn  er  fie  faunt  gehört,  fie  pr  Snter» 
pretin  feiner  §ibe»  auSerfor,  führte  fie  ficft  mit  bem 
„ißroppeten"  ein.  @o  ferner  bie  fftotte  für  bie  jungen 
©cputtern  be§  acptjepnjäprigen  SDiäbcpenS  fcpien,  fie 
Bemättigte  biefetbe  bocp  fiegreicp  unb  erfang  fiep  aucp 
at§  »Favorita«,  at§  SStancpe  in  §atepp’£  neuer  Dp  er 
»La  magicienne«  unb  ata  »Sapho«  in  ©ounob’S  gteid)» 
namigem  SBerf,  ba§  ber  Somponift  eigens  für  fie  um» 
gefcprieBen  unb  gefürjt  patte,  grofje  Srfotge.  ®ie  2tn» 
ftrengung  mar  jebocp  ju  gemattig  für  bie  jngenbticpe, 
nocp  nicpt  genugfam  geftäptte  (Stimme.  Sprer  @e» 
funbpeit  bropte  ernftticpe  Sefapr,  unb  ba  bie  SDirection 
auf  ben  33orfcptag  eines  Sngagements  mit  Perminber» 
ter  SöefcEjäftigung  nicpt  eiuging,  fap  ®efiree  Strtöt  fiep 
nacp  Stbtauf  eine§  QapreS  genötpigt,  bie  Opera  jit  Per» 
taffen.  Sine  Srpotungreife  nad)  ber  ©cpmeij  unb 
Statien  Bemtpte  fie,  um  Pei  Samperti  in  SDtaitanb  nod) 
einige  @ecco»9Jecitatipe  ju  ftubiren ; bann  füprte  fie 
ipr  (Stern  nacp  Seutfcptanb,  nacp  Söertin. 

.Qiemticp  tüpt  mürbe  bie  ißrimabonna  ber  itatieni» 
fcpen  Dperngefettfcpaft  ßorini’S  im  SSictoriatpeater  im 
Januar  1860  empfangen;  bo<p  im  ©türm  Pefiegte  fie 
bie  §erjen  ber  Sunftfreunbe.  ©eit  fpenriette  ©ontag 
patte  leine  ©ängerin  einen  äpnticpen  SntpufiaSmuS 
pier  erregt,  tütan  fcpmärmte  für  „bie  Ptonbe  gtaman» 
berin",  unb  menn  man  in  ber  ißarifer  Dper  bie  leiben» 
fcpaftticpen  Accente,  bie  StuSbrudSmacpt  ipreS  munber« 
Polten  fammtrneicpen  SDtejpfopranS  Pemunbert  patte, 
fo  ergöpte  man  fiep  in  SSertin  an  ber  teilten  Steganj 
unb  fpietenben  Srajie , mit  ber  fie  bie  unmögtiepften 
gieratpen  unb  Saufeteien  ber  metfepen  ÜDtufif  rnieber» 
gap.  SängftPertraute  Seftatten , mie  Sftoffini’S  Sieb» 
tingSfinb,  bie  fede  tRofine  im  „SSarBier",  bie  „Sene» 


K 


21S. 


rentota",  „iftegimentstocfeter",  „Sonnambuta",  mitfetc 
ifere  üott  ecfeter  ©mpfinbung  befeette  23irtuofität,  ifjrc 
feine  ®arftettungS=  unb  ©fearafterifirungSgabe  mit 
neuen  btüfeenben  Üteijen  ju  umfteiben.  Stucfe  ben  iäb 
teften  SSeräcfeter  beS  italienifcfjen  ©efangS  50g  fie  mibcr» 
ftanbStoS  in  ben  .gauberfreiS  itjrer  fünftterifdfeen  Sn- 
biöibuatität ; erfcfeienen  bocfe  fetbft  bie  teicfetmiegenbften 
fßrobucte  in  iferer  geift=  unb  gemütfetiotten  SBiebergabe, 
iferer  tebenfprüfeenben  Stetion  berebett,  über  fid)  fetbft 
emporgefeobeit.  Sn  Sparen  toatlfa^rte  man  in’S  SSic= 
toriatfeeater.  „28er  uod)  niefet  in  ber  itatienifefjen 
Dfeer  mar,  fiifett  fiefe  bottftänbig  biScrebitirt  in  ber 
eleganten  ©efettfefeaft",  f d) reibt  ©rnft  Soffaf , ber 
ÜDtann  beS  eleganten  Feuilletons. 

Slucfe  ber  §of  nafem  bie  Statiener  in  feinen  befort- 
bereu  ©c£)itt3 - Ser  fßrinj=9tegent,  ber  jetzige  beutfefee 
Saifer,  oerfäumte  fetten  eine  ifjrer  SSorftettungen  unb 
tiefe  fie  beS  öfteren  in  feinen  Soireen  fingen.  Seiner 
SSorliebe  für  iferen  ftrafetenbften  Stern,  Sefiree  Strtöt, 
aber  ift  er  unb  feine  ©etnafelin  treu  geblieben : feit  22 
Saferen  bringt  bie  gefeierte  Sünftterin  attmintertiefe 
einige  SBtonate  in  ©erlitt  ju,  um  ifere  Sfeätigfeit  ba« 
fetbft  auSfcfetiefeticfe  bem  ©enufe  beS  SaiferfeaareS  unb 
feines  fmfeS  §u  mibmen.  Sängft  trägt  fie  auefe  ben 
©ferentitet  feiner,  mie  beS  SaiferS  üon  Öfterreicfe, 
Santmerfängerin. 

Sie  fetber  feeimette  inbefe  ber  beutfdje  ©oben  teb= 
feaft  an.  „Saum  einen  ÜDtonat  featte  iefe  in  Seutfcfetanb 
gelebt",  fefereibt  fie  fetbft,  „fo  füfette  iefe,  bafe  feier  meine 
eigentticfee  fünftterifefee  §eimat  fei,  unb  bantm  feabe  iefe 
fie  auefe  nie  mieber  bauernb  bertaffen  mögen.  Sie 
gtänjenbften  Stnträge,  bie  fiefe  mir  in  ÜDiaitanb, 
SKabrib,  Stmerifa  unb  anbertoärtS  boten,  mieS  itfe  bon 
mir,  unb  menn  iefe  auefe  neben  ber  fßatti  unb  Succa  in 


21!) 


©obentgarben  in  Sonbon  unb  iftufilanb,  jumeilen  aucf) 
in  Belgien  fang  — im  (Srunbe  f»at  fid)  bocff  meine 
ganje  ©arriere  in  2)eutfd)tanb  abgefpielt  unb  idf 
Ijoffe,  fie  and)  ba  ju  befcfftieffen." 

Sn  ber  £f)at  bergiitg  feit  itjrem  erften  SSefucfj  fein 
Safir,  mo  fie  nic£)t  beutfdje  Süfte  afffntete.  Sie  fang 
überall , faf)  ficf)  attermürtS  — fetbft  bei  beit  fjatbmiU 
ben  SSötfern  Slfieitg  — umtjutbigt ; bocf)  bie  Bedungen 
aller  §auptftäbte  ©uropag  machten  fie  bem  SSaterfanb 
ber  edjten  f)ot)en  ®unft  nidjt  ungetreu.  So  biel  fie 
manbernb  umfjerjog  unb  bieg  rufjfofe  UrnfjerfdjmeU 
fen  and)  nacf)  ifjrer  Sermäfjtung  mit  fOtariano  be 
ißabida,  bem  2lbföntmling  einer  fpanifdjen  9lbel§= 
famifie,  ben  bie  lanterfte  Segeifterung  unb  augge» 
fprodjenfter  93eruf  für  bie  ®unft  jur  Stugbilbung  fei= 
ne§  frönen  23ariton§  unb  §ur  Sülfne  getrieben  fjaite, 
fortfüljrte , S3erliit  bfieb  ber  fefte  ißunft  inmitten  alter 
Ünftetfjeit  ifjreS  Sebeng.  SSie  nad)  ifjrem  „SBafjnfrieb“ 
— fo  nannte  fie  jüngft  fdjerjenb  i|re  bon  ifjrern  Dnfel 
Qofef  ererbte  SSitta  in  Sebreg  — , tno  fie  einft  (am 
15.  September  1869)  itjre  §od)3eit  feierte,  wo  iljre 
®inber  geboren  tourben  unb  mo  fie  attjcHfrlid)  eine 
^eitlang  ber  Ütufje  pflegt,  lefjrt  fie  aud)  nad)  ber  beut* 
fdfen  §auptftabt  anjätjrlid)  jurüd.  §ier  in  itjrer 
jmeiten  §eimat  brachte  fie,  bie  gran^öfin,  felbft  bie 
3eit  mäfjrenb  beg  beutfd)=franjöfifd)en  Krieges  ju,  i()r 
SSefitjtfjum  in  Sebreg  irtbefi  für  Unterbringung  ber 
ißermunbeten  jur  Verfügung  ftellenb.  Sie  fingt  unb 
fprid)t  auf  uitferen  S3üf)nen  unfere  Sprache,  nnb  ifjre 
®iitber:  bie  fdjmarääugige  ©armen  unb  bie  blonbe 
Sola,  merben  bon  einer  beutfcfjeu  ©rjietjerin  gebilbet. 
Sie  fprec^en,  fd£»reiben  unb  fingen  beutfd),  „bamit  fie 
früher  atg  ifjre  SJtntter  mit  ber  if)r  fo  lieben  Sprad)e 
bertraut  merben.“ 


220 


SBetdj  treff lief)  e Rermittterin  beutfdjer  Äunft  and) 
bürfeit  mir  in  SDefiree  Strtot  fcpä|en ! Sine  Smitbef  jdjc 
Strie,  eind  unferer  Sieber  — ntan  ben!e  nur  an  33en» 
bet’d  toiel  gefungened  „SEBie  Berührt  miep  ttmnberfam" 
— üon  ipr  gu  pören,  gehört  gu  ben  audertefenften 
geingenüffen.  3«  intern  ein  patbed  tpunbert  Partien 
untfaffenben  Repertoire  üon  fonft  unb  jept  ift  bie  beutfepe 
©per  burep  Rtogart  (mit  Somta  Rmta  unb  ^erlitte, 
(Gräfin  unb  ©ufanne) , SBeber,  Stotom,  bie  italienifd^e 
öon  ißergotefe  unb  Simarofa  bid  gu  SSerbi  unb  ben 
Sebrübern  Ricci,  bie  frangöfifepe  üon  Rteperbeer  unb 
Sluber  bid  SSiget,  Dffenbacp  unb  ißoife  oertreten.  Sine 
für  nur  gtoei  ißerfonen  getriebene  £>per  bed  tepteren : 
»Bonsoir  voisin«,  fang  fie  mit  iprem  Satten  gemein» 
fam  am  preupifepen  §ofe,  mo  fie  mit  ber  Succa,  Dr» 
geni  unb  §arrierd » SBippent  gufamnten  fiep  gur  2tb» 
medjdtung  and)  einmal  gu  ein  paar  mufiMifcpen 
©epergen  Dffenbacp’d  perabtiep. 

,ßu  ®aiferd  Seburtdtag , beffen  mufifatifepe  §eft» 
foften  fie  feit  Satiren  mefenttiep  beftreitet,  pat  fie 
immer  eine  befonbere  Sabe  bereit.  3)a  fepmuggette  fie 
and)  eine  iprer  Siebtingdopern : SSiget’d  jept  überall 
eingebürgerte  „Sarmen",  guerft  in  ESeutfcptanb  ein, 
loenngteicp,  ba  man  fiep  ber  2tufnapme  berfetben  ab» 
geneigt  geigte,  gunäepft  unter  frembem  Ramen.  Spre 
geniale  2)arftettung  ber  ESitetrotte,  bie  peute  noep  gu 
ipren  aparteften  Seiftungen  gepört,  gemann  bem  pitan» 
ten  2Berf  bed  ®aiferd  33eifatt  in  fo  popem  Srabe,  bap 
er  fofort  bie  Smfcenirung  in  ber  Epofoper  befapt.  Dft 
auep  gefepiept  ed,  bap  bie  mufifatifcp  fein  gebitbete 
Sünftterin  mit  iprem  atd  ©änger  unb  ©cpaitfpieter 
gteiep  epcedirenbeit  Semapt  fidp  aud  biefem  ober  jenem 
Dpernfragment  unb  einem  improöifirten  Sept  bie  bad 
beutfepe  Reicpdoberpaupt  feiernbe  geftoper  eigenpänbig 


121 


W «j 

gufammenftedt.  Spr  bietfeitigeg  Talent  ertoeift  fiep 
eben  gur  Söfung  ber  berfcpiebenartigften  Aufgaben  ge= 
fcpicft.  Übernapm  fie  bocp  einft  aucp  in  einer  uitgari» 
fcpen  Cp  er : ©rfet’S  »Hunyadi  Laszlo«,  eine  ißartie 
(bie  (Sara  üötaria)  in  ungarifcper  ©pracpe ! 

gür  bie  ungarifdpe  ©odegin,  bie  barnats  an  iprer 
©eite  fang : SSilma  non  SSoggenpuber,  ttmrbe  übrigens 
biefe  ÜÖlitwirfung  fotgenreicp  ; bapnte  ipr  niept  Sefiree’S 
©mpfeptung  ben  SBeg  nacp  Seutfcplanb  unb  an  beffen 
größte  Cpernbüpne?  ©ine  tiebensmürbigere , pütfs* 
bereitere  ftunftgenoffirt  als  bie  SOleifterin  Strtot  gab  eS 
faunt  je.  SBie  SSieXen  pat  fie  freunbticp  bie  fpanb  ge= 
reicht  gum  SSormärtSfommen.  ©pracp  niept  aucp  f i e 
baS  entfcpeibenbe  SBort,  baS  ÜDtarie  äßitt  auf  bie 
93ät)ne  mieS?  ©rfupren  nicXjt  nocp  in  jiingfter  3eit 
ipre  SanbSmännin  SSertpa  SBalbi  unb  bie  ißotin  Sota 
Söeetp  ipre  teprreicpe  Süprung  ? SJiit  perborragenbem 
latent  unb  Steigung  für  baS  Unterrichten  begabt,  ge= 
bricpt  es  ber  immer  Xpätigen  nur  an  $eit  unb  Stupe, 
fiep  ber  33itbung  junger  latente  in  auSgebepnterer 
SBeife  gu  toibmen.  Sie  befepränft  fiep  im  (Sangen  unb 
(Srofjen  barauf,  burep  ipr  SSeifpiet  gu  mirfen.  9$on 
iprem  wunberbar  meiepen  2onanfa|,  iprer  eblen  $on= 
gebung,  boit  iprer  in  ber  ©otoratur  mie  im  getragenen 
(Sefang  gteiep  meifterpaften  Xecpnif,  bon  ber  entinen» 
ten  tperrfepaft,  mit  ber  fie  ber  Stimme  fetbft  gu  einer 
3eit,  tbb  bie  Statur  ipre  (Saben  gurüctgugiepen  pflegt, 
noep  gebietet,  bau  bem  ©Sprit  unb  ber  Stobteffe  iprer 
gangen  fünftterifepen  (Seftattungen  (eS  fei  pier  nur  an 
ipre  Stofine,  StmneriS,  Slgucena  erinnert)  fönnten  mopt 
uapegu  ade  ipre  gegenmärtigen  ©odeginnen,  fetbft  bie 
beften  niept  ausgenommen,  lernen,  ©ntfagt  fie  aber 
einft  iprem  Süpnenberuf  — unb  fie  meint,  fie  toerbe 
beS  beftänbigen  SSanbernS  in  niept  gu  ferner  $eit 


222 


miibe  merbeit  — fo  ftellt  fidf  bie  raftlofe  ®ünftlerin 
bag  „ißrofefforat"  jur  meiteren  Sebengaufgabe.  2Bie 
möchte  fie  and)  leben  ohne  SIrbeit  für  ihre  ft'unft  ? 
Sßelcf)  reifer  Eeminn  inmitten  einer  Seit  ber  ©e= 
fanggoermilberung  aug  ber  auggebreiteten  Sehrtfjätig* 
feit  einer  iOceifterin  erfteben  mürbe,  in  ber  mir  eine 
ber  lebten  un§  noch  oerbliebenen  Vertreterinnen  öolt* 
enbeter  Schule  unb  mabrer,  echter  ÖSefanggfunft  ber* 
ehren,  ergiebt  ficb  üon  felbft.  Sie  bornehmften  ÜDtufif» 
fdiulen  Europag : Vrüffel,  SSieit,  Sbtogfau,  ißeterg* 
bürg,  granffurt  a.  9Ä.  ’tya'btn  benn  aucb  fdfoit  bie 
$anb  nach  ifm  auggeftredt  unb  berfud)t,  fitf»  folcb  be= 
gebren§mertbe  ®raft  ju  fiebern.  Sodf  Sefiree  SCrtbt 
def)t  bor,  fich  ihre  Selbftänbigfeit  ju  mal)ren  unb  ficb 
bie  freie  2lugmaf)l  berer,  bie  fie  begabt  unb  §u  einer 
fd)önen  berechtigt  glaubt,  borjubefjalten. 

„Senn“,  fdjreibt  fie  ttng  felbft,  „bie  Sünftlerlaufbabn. 
ift  ein  ißarabieg  für  ben,  ber  auf  ber  £>öf)e  ; “6er 
eine  §öile  für  ben  SOlittelmä^igen.  gef)  bilbe  mir  9e' 
miff  nicfit  ein,  aug  meinen  (Schülerinnen  Engel  ju 
bilben  — hoch  Elüdlidje  menigfteng  möchte  icf» 
madfeit." 

(Sie  felbft  gehört  ju  ben  Elüdlichften,  Veborjug* 
tefteu  in  ber  Äurtft  mie  im  Seben.  Slug  ihrem  ganjen 
SSefen  fpricfjt  innere  Vefriebigung  unb  Harmonie. 

Sßer  bie  SHinftlerin  in  ihr  ehrt,  barf  auch  bie  grau  in 
ihr  lieben.  ®ein  Schatten  heftet  ficb  an  bie  reine 
(Glorie,  bie  ihre  Stirn  umfliegt,  unb  bie  Siebe  jum 
Schönen  bat  fie  ber  Siebe  jum  Euten  nie  abmenbig 
gemacht.  Unb  ift  fie  nicht  gleidfermeife  geiftreicb  unb 
liebengmürbig  im  perf ältlichen  Verfehl  alg  ihre  fünft» 
lerifdfe  Erfcheinung  bebeutenb  ift? 

güngft  bebütirte  fie  auch  al§  Schriftstellerin,  in* 
bem  fie  „Erinnerungen  an  ihre  EoncerUSournee  im 

fc ^ 


®aufafu§",  bie  fie  mit  ihrem  (Ratten  uitb  bem  ^)Sia= 
niften  Sternberg  üom  ©ecember  1879  bi§  ÜDtärä  1880 
unternahm,  üerßffentlichte.  *)  Semen  mir  fie  bemt 
auch  öon  biefer  ©eite  fennen,  unb  hören  mir  fie  i£)re 
mefentticEiften  Srfebniffe  bort  fc^ilbern ! 

„2M<f)en  Gmtbetjrungen,  Sfitühfefigfeiten  unb  ©e» 
fahren  mir  entgegen  gingen",  fo  fcbjreibt  fie,  „baoon 
Ratten  mir  feine  2t£)nung.  ®er  Beginn  unfereö  fünft» 
lerifcfjen  9tomabentf)um§  mar  inbeffen  Weiterer  Statur. 
Sn  ber  ©tabt  Sfifabethgrab,  mo  mir  unfer  erfte§  Sott» 
cert  gaben,  mottte  e§  ber  Sufalf,  baff  mir  einen  ©aat 
erhielten,  in  meldfem  am  öorlferigen  Sfbenb  ein  S§ca= 
moteur  feine  „Sauberfünfte"  trieb.  2U§  ich  nun  ganj 
argfoei  auf  bie  Sftrabe  trat,  unb  mein  «Una  voce  poco 
fä«  intonirte,  ba  — mefdfe  Überrafchung ! — erhoben 
}u  gteidE»er  Seit  etma  ein  ®u|enb  Sanarienüögef  ifjre 
Stimmen  unb  begannen  ju  jmitfchern  unb  ju  trillern ; 
mäfjrenb  eine  Stnjahf  größerer  Bögef  — eine  redete 
f5 1 ü g e I begXeitmtg  — unruhig  baju  mit  ben  gtügefn 
fc^Iug.  SSSie  ficf)  fjerangfteüte,  fjatte  unfer  Borgänger 
öon  feiner  Sauberfoiree  feine  Bögef  im  ©aale  öer» 
geffen,  mefdfe,  in  einer  Scfe  im  lläfig  pfacirt,  eine 
afferbing§  unüorhergefef)ene  Bereicherung  unfere§  fßro» 
gramm§  unternahmen.  SBelcEjen  Sffect  ba§  oietftim» 
mige  Soncert  machte,  fann  man  fid)  bettfen.  Unter 
allgemeiner  |>eiterfeit  mürben  bie  freimiUig  SKitmir» 
fenben  au§  bem  ©aafe  entfernt,  morauf  ba§  Soncert 
ungeftört  feinen  Fortgang  nahm. 

Bon  ©tabt  p ©tabt  ging  e§  nun  meüer  bie 
SBfabifamfaS  im  ®aufafu§,  öon  ba  bie  Straffe  @ru» 
finSfi  SBacjeni  ®aroga , mefdfe  öon  grauenboßer 


*)  ßetoinäfp,  33or  tcn  (Souüffen.  II.  Berlin,  $ofmann  & ßomp. 

1882. 

k M 


224 


p ' — % 

Sdjönf)eit  ift,  nadj  giftig.  50tan  fäljrt  biefeit  2Beg 
mit  ber  Sßoft ; auf  ber  einen  Seite,  bic  ed)t  afiatifcf) 
burd)  fein  ©elänber  gefdjüfct  ift,  ein  mehrere  fpnbert 
Klafter  tiefer,  gälpenber  Slbgrunb,  auf  ber  anberett 
gen  |>immel  ftrebenbe,  fcfjnee*  unb  eiSbebedte  Seifen, 
tiefer  SBeg,  in  ben  Seifen  genauen,  fdfier  enbloS  bis 
pr  Spitze  fid)  fd)längelnb  unb  fo  fdjmat,  baff  nur  ein 
SSagen  pr  9iotf)  fßlafs  fjat,  wirb  an  ben  gefäf)rlid)ften 
Stetten  non  ben  fßoftiüonen  mit  ber  rapibeften 
SdjneHigfeit  befafjren.  ©on  3eit  p 3eit  bläft  ber 
®utfdjer  in  fein  £>orn , um  (Sntgegenfommenbe  p 
rnarnen,  bie  bann  an  einer  etwas  breiteren  Stelle 
Jpalt  machen,  bis  Sener  tiorüber  ift. 

SBir  tfatten  nun  ungefähr  bie  Hälfte  biefeS  SßegS 
prüdgelegt,  als  fid)  frtö^Iid)  ein  Sturm  erifoß,  baff 
mir  glaubten,  bie  Seifen  würben  über  uns  pfammen» 
ftürjett.  ©on  feiner  Station  wollte  man  unS  Weiter 
beförbern,  ba  man  überall  ben  Sturj  tion  SaWinen  be= 
fürchtete.  Sod)  unfere  ©oncerte  waren  für  beftimmte 
Sage  bereits  annoncirt ; fo  fallen  Wir  unS  genötigt, 
tro|  ber  fdfredlidfften  ©efa^ren  mit  groffen  ©elbopfern 
unfere  Steife  fortpfeften.  Sa  fuhren  benn  wir  oier  im 
Splitten  bafjin,  auf  Strof)  gelagert  Wie  bie  Säiber 
unb  woI)I  and)  mit  ber  ©npfinbung,  als  ging’S  birect 
pr  Sdflad)tbanf,  ftumm  unb  ergeben  in  unfer  Sd)id= 
fal ; wäf)renb  ber  Sutfdjer,  mit  einer  SJtiene,  bie  beut= 
lid)  fpradj : wir  finb  oerloren ! ben  ©lid  fortwäfjrenb 
auf  bie  Seifen  gerietet,  oon  Wo  ber  Sdjnee  auf  unS 
Ifernieberpfaden  brofjte,  (Gebete  nturmelnb  fid)  be= 
freute,  bann  wieber  auf  bie  bampfenben  ißferbe  ein- 
tlieb , bie  baljin  fauften , als  Würben  fie  üon  böfen 
(Seiftern  getrieben.  Sap  baS  Reuten  beS  Sturmes, 
baS  ©raufen  ber  ©ergftröme,  — eS  War  eine  fdfauer*  " 
lidfje  Safjrt ; unfer  Seben  (fing  an  einem  Setbeit , icf) 

- M 


ßa  üftara,  Stufcienföpfc.  V.  225 


15 


W — Hü 

£)atte  eS  bem  Sdjuije  beS  £>öcf)ften  empfohlen  uttb 
backte  nur  an  meine  armen  Einher  in  ber  gerne  . . . 
(Snbliß),  o gubel ! erblißten  mir  ein  ©ebäube  auf  ber 
$öf)e,  — es  mar  baS  ißoftljauS.  SSir  fßjöpften  fri= 
fcf)en  ÜDtutf),  ber  ®utfdjer  i)ieb  mit  erneutem  (gifer  auf 
bie  Stoffe  ein,  gtiicflicfi  Ratten  mir  baS  ißoftI)auS  er* 
reicht  unb  mir  mareit  eben  im  begriff,  burß)  baS  Sf)or 
jn  fahren,  als  ein  (Setöfe  entftanb,  fo  furchtbar,  als 
ob  bie  SBelt  aus  ben  gugen  ginge,  — eine  Sarnine 
mar  tjeruntergeftürjt  unb  f>atte  ba§  ißoftf)auS  oer= 
fcfȟttet.  SSelc^e  Situation ! 2ln  eine  gortfefjung 
unferer  galfrt  mar  nun  nictß  ju  benfen.  .Qmei  Sage 
maren  mir  genötigt,  im  5J$oftI)auS  jnjubringen,  ein 
Staunt,  in  meldjem  eine  maijrfjaft  peftilensialifdje  Suft 
£)errfcf|te  unb  alles  toott  Sßjmuü  ftarrte.  §arte  Bretter 
bienten  unS  als  Sagerftätte ; felbft  ber  aßerbefc£)eibenfte 
Somfort  fehlte,  unb  maS  baS  Slßerfctßimmfte,  eS  gab 
nichts  ju  effen!  Sn  einem  unbefßjreiblißjen  ©efäft 
mürbe  uns  bie  fogenannte  ,,3)tat) I^eit"  aufgetragen, 
ein  entfeißiß)  auSfetjenber  unb  fürßjterlict)  riedfenber 
9Jtifd)mafß),  baju  für  uns  aße  ein  ÜDteffer  unb  eine 
(Sabel.  2Iber  felbft  bie  £mnbe,  benen  mir  baS  ledere 
(Serictß  überlaffen  mußten,  liefsen  baSfelbe  unberührt. 

Sorf)  ba  ber  ißoftfterr  mit  großem  Stolje,  beibe  2lrme 
in  bie  Seiten  ftemmenb,  unS  ju  mieberfiolten  SDtalen 
oerfic^erte , bei  ilfnt  fei  SlßeS  in  ooßfommenfter  Drb* 
nung  unb  Steinzeit,  fo  mußten  mir  mof)I  fßßiefßid) 
brau  glauben. 

(Snblict)  mar  ber  2Beg  frei  unb  mir  fomtten  unfere 
Steife  fortfe|en.  0f)ne  nennenSmerttjen  Unfaß  langten 
mir  am  folgenben  Sage  in  Siftis  an,  mo  mir  fßjon 
mit  33eforgnifi  ermartet  unb  mit  Segeifterung  aufge* 

■ nommen  mürben.  Ü3on  ba  ging  es  naß)  (Sitbaisf,  mo 
unS  ein  aßerliebfteS  Abenteuer  begegnete.  Stm  Slbenb 

L * 


226 


beg  ©oncertg,  atg  uufer  ^nxprefario  fid)  gur  ©ontrote 
an  bie  ©affe  begab,  erfdjien  ein  Heineg  ÜDiäbdjen  non 
neun  ^safjren  in  ber  Sradft  ber  <£fdjerfeffinnen  unb 
oertangte  fcE)üc£)tern  nont  ©affirer  ein  93iIIet  in  ber 
erften  fRei^e.  .Sperr  ®enig  *)  backte,  bie  kleine  fei  nie!' 
teidjt  barnact)  gefdjidt  worben ; ju  feiner  SSertounberung 
jog  aber  bag  ®inb  ein  groffeg  Xud)  Iferüor  unb  jätftte 
fünf  fRubel  in  lauter  Meinen  ®opefenftüden  auf  ben 
Sifcf),  worauf  fie  mit  bem  Söiltet  gang  ftotj  in  ben 
Saat  ging  unb  ficf)  fetbft  in  bie  erfte  9teif)e  fe|te,  9tun 
fjatte  ber  Symprefario  bie  SSeranftattung  getroffen,  baff 
bag  Programm  beg  jweiten  ©oncertg  wäfjrenb  einer 
ißaitfe  beg  erften  unter  ben  3uf)örern  jur  Sßertfjeilung 
getaugte.  SCRit  2f)ränen  in  ben  Stugeu  ging  bag  Sinb 
jum  ®affirer  unb  bat  if)n,  biefen  Stein,  einen  Swrfig, 
einftweiten  an  ©etbegftatt  anjunefjmen  unb  iffr  bafür 
ein  bittet  für  bag  jweite  ©oncert  ju  referüiren.  3unt 
erften  ©oncert,  fagte  bie  Steine,  fjabe  fie  jwei  ÜDtonate 
üorf>er  geit  gefjabt,  bie  fünf  Stubet  fopefenweig  in- 
fammenjufparen,  um  bie  großen  Zünftler  ju  tjören; 
aber  bag  jweite  fomme  ifjr  ju  fd)netl  unb  fie  müffe 
morgen  erft  taufen,  bag  (Selb  aufjutreiben.  Statür* 
tid)  befafjt  id),  atg  id)  bag  (55efcf)id)td)ett  erfuhr,  baff 
bem  ®inbe  ein  Stillet  grätig  tierabfotgt  werbe,  unb  id) 
barf  oerfidjern,  baff  eg  mir  eine  watjre  greube  madfte, 
atg  id)  am  Slbenb  beg  ^weiten  ©oncertg  bie  Keine 
®unftentf)ufiaftin  wieber  oor  mir  in  ber  erften  Steitfe 
fat).  - 

Stuf  ®ameeten  ging  nun  bie  Steife  weiter  nad) 
Orofno  unb  Xpmintfantfdjura.  2Bir  waren  genötigt, 
ung  für  jwei  Sage  ju  öerproüiantireit,  benn  in  ben 


f)  $)cr  3mpre[avio  ber  Tournee,  ein  faiferl.  ruffifdjcr  Kammer* 
j mufifuä. 

I 


& 


M 


wüften  Stegenben,  bitrcf)  bie  ber  SBeg  utt§  führte, 
Ratten  Wir  feine  (Stätte  menfcEjlic^er  Stnfiebtung  §u  er» 
warten,  iftur  fcfjrittweife  tarnen  wir  in  ber  fengenben 
§i|e  borwärt§,  waren  aber  fonft  heiter  unb  guter 
Singe,  Se  tiefer  wir  in  ba§  Sintere  2lfien§  t)inein  ge» 
langten,  befto  intereffanter,  rontantifdEjer,  abenteuer» 
licEjer  geftattete  fic^  unfere  gatjrt.  2tt§  id)  in  $i§tar 
au§  bem  ®ünftteräimmer,  unt  ju  fingen,  auf  bie  ©ft» 
rabe  trat,  prallte  ich  bor  Sdfred  jurüd;  idf  befanb 
mich  bem  fettfamften  ißubtifum  gegenüber.  9Ran 
benfe  fid)  ben  Saat  gefüllt  mit  einer  Verfammtung  in 
pf)antaftifdier  Srad)t,  tf)eit§  in  oerfdmürte  ißet^e,  tfjeits 
in  grofie  Sücfjer  gefüllt,  auf  bem  tpaupt  eine  hohe 
Värenmütje,  um  bie  ÜDtitte  be§  Seibe§  ein  breiter  Stürtet, 
in  welchem  ein  9tiefenmeffer  unb  jwei  ißiftoten  fteden, 
unb  in  ber  tpanb  eine  ßanje.  So  geljt  ba§  ißubtifum 
in  ®i§tar  in’3  ©oncert.  Sabei  applaubirt  man  nid)t, 
fonbern  brüllt,  at§  wären  witbe  Siliere  lo^gelaffen. 
Sro|bent  Programme  im  Saat  üerttjeitt  würben,  blieb 
ba§  ißubtifum  hoch  auf  feinem  ißta^e,  at§  b.a§  ©oncert 
ju  ©nbe  war.  Sßir  waren  in  Verlegenheit ; mit  biefer 
(5SefetCfcE)aft  war  nid)t  ju  fpa^en.  S<h  fing  noch  einige 
Sieber;  ba§  ißubtifum  btieb  fi|en.  SDtein  Statte  fang 
noch  einige  SXriett;  unfere  Zuhörer  brüllten  oor  ©nt» 
jüden  unb  rührten  fid)  nicht  bont  $tede.  SBir  Veibe 
empfahlen  un§  sans  adieu,  unb  tperr  Sternberg  ging 
an’§  ©taoier.  Dt)ne  Unterbrechung  fpiette  er  atte§ 
burcheinanber : SSatjer,  SRärfcfie,  ©tuben,  bi§  brei 
Uf)r  3Rorgen§,  unb  at§  er  enbtid)  jum  Srütjftüd  nad) 
tpaufe  tarn,  erzählte  er  uu§  tachenb : „Sch  habe  heute 
im  ©oncert  fetjr  biet  ©tabier  ftubirt." 

Sie  Vewolfner  biefer  martiatifd)en  Stabt  begnüg» 
ten  ficf)  aber  nicht  bamit,  un§  ihren  Veifatt  in  bto§ 
ptatonifcfjer  SBeife  au§jubrüden.  2lm  Sdjtuffe  be§ 


228 


Jff  ' " - ■ ■ . 

jweiteit  SoncertS  erfcfjien  eine  Deputation , um  mir 
in  Slnerfennung  meiner  fünftleriff  en  SSerbieufte  einen 
alten,  mit  {oftbaren  Steinen  befehlen  §elm  aus  bem 
14.  Qatjrfiunbert  ju  überreifen.  91IS  Wir  in  ber  fot= 
genben  Stabt  Derbent  ahnungslos  bei  ber  etwas  frag* 
würbigen  Mittagstafel  fafjen,  entftanb  auf  ber  Strafe 
ein  furf tbarer  Samt ; brüüenb  unb  fyeulenb  wäljte 
fif  ein  Menff  enftrom  ju  unferem  £>ötel.  Srff  recft 
fprangen  wir  auf,  um  naf  ber  SSeranlaffung  biefeS 
DumultS  ju  feljen.  21ber  Wir  blieben  nicfjt  lange  in 
Ungewiffeit.  Sin  S t ä n b f e n Wollte  baS  SSolt  oon 
Derbent  ber  „großen  Sängerin"  bringen.  Der  mufi* 
faliff  e ©erutfj,  ber  unS  bereitet  würbe,  erhielt  jebof 
einen  nif  t ganj  befriebigenben  2lbff lufs ; benn  als 
baS  §eulen,  welfeS  Sefang  bebeuten  follte,  immer 
lauter  unb  bie  Segeifterung  bei  meinem  Slnblid  immer 
ftürmiff er  Würbe,  erffien  plöfif  ein  Drupp  berit* 
tener  Äbfafen  auf  ber  Söilbflftf  e,  Welfer  bie  Menge 
auSeinanber  trieb. 

SS  mag  inbef?  tjier  bemerlt  werben,  baff  auf  einer 
wie  niebrigen  Stufe  ber  Sultur  biefe  afiatiff  en  9Söl= 
ferff aften  auf  nof  fteljen  mögen,  fre  mufifaliffe 
Smpfänglif  feit  unb  namentlif  if)re  Vorliebe  für  Se* 
fang  bof  aufjerorbentlif  entwidelt  finb.  Sn  Welfer 
urwüf  figen  SESeife  fif  biefe  Smpfinbungen  ju  äufjern 
fuf  en,  baoon  jeugen  einige  SSorfontntniffe. 

Sn  93uccu  erffien  ein  falber  SBilber  an  ber  ®affe 
unb  naf)tn  ein  SBillet  für  fünf  Ütubel.  9caf  ber  jwet* 
ten  Kummer  ging  er  mit  Dtjränen  im  Sluge  IjinauS 
unb  legte  bem  ®affirer  ff  Weigenb  einen  503tubelff  ein 
fit.  Stuf  bie  grage  beS  §errn  Denis,  was  eS  bamit 
folle,  erwiberte  ber  Dff  erfeffe : „Sür  mein  S3illet."  911S 
itjm  nun  barauf  entgegnet  würbe,  baff  bieS  ja  bereits 
bejaft  fei,  rief  er  mit  lebhaftem  S'opfff  ütteln : „0 

— • ...  M 


229 


nein,  mein  §err,  für  fünf  Stubet  fd»äme  icf)  midj,  fo 
grofje  Seute  ju  fjoren!"  . . . 

. . . ©inen  ganj  eigentümlichen  ©fjarafter  fjatte 
aber  eine  Dtiation,  bie  uns  in  Drenburg  ju  Xtjeil 
Würbe.  Ser  Goittierneur  fjatte  uns  ju  Gfjren  ein 
Siner  gegeben , wäfjrenb  beffen  eine  ^ofafencapeüe 
bie  mufifafifcfjen  iponneurS  machte  (übrigens  ein  9ta* 
bicatmittel,  um  ©obffcfimerjen  ju  befommen).  2Bäf»' 
renb  ber  Safet  änderte  icE)  gegen  unferen  freunbtid»en 
SBirtf)  unter  anberem  meine  Bewunberung  ber  afiati» 
fd»en  ißferberace. 

Ser  Goutierneur  tierfdjwanb  für  wenige  Stugen* 
blide,  unb  nach  einer  Biertetftunbe  etwa  würben  bie 
gtügetthüren  beS  ©aafeS  weit  geöffnet,  unb  ein  Siener, 
einen  herrlichen  Straber  am  gügel  füf»renb,  erfdjien 
tior  meinem  ißta|e.  „3>ch  bin  entgädt",  fagte  ber  Kie= 
benSwürbige  §auSf»err , „baff  unfere  fßferbe  3f)ten 
SöeifatC  finben.  Sch  bitte  @ie,  fötabame,  biefen  gab)= 
men  Araber  jur  Grinnerung  an  uns  SSitbe  entgegen 
nehmen  $u  Wollen !" 

@o  fjatte  id»  benn  auch  meinen  Araber.  Sa  bie 
Begleitung  biefeS  BierfüfjferS  auf  unferer  Goncert* 
Sournee  uns  für  bie  Sauer  aber  bod»  wof»f  etwas  um 
bequem  geworben  wäre,  fo  engagirte  icf»  bei  feiten 
einen  fDiaitn,  burdj  ben  id»  mein  Drenburger  „Stnbem 
fen"  nad»  ißariS  beförbern  lief». 

ÜDtittterweite  f»atten  wir  nad»  mannigfachen  Grleb= 
niffen,  beren€>d»itberung  jebocf»  ju  weit  reichen  würbe, 
unfere  9tüdreife  angetreten.  Unfer  2öeg  führte  unS 
über  SiftiS  wieber  ben  gefürchteten  GrufinSfi  Sßaijeni 
Saroga,  unb  abermals  foüten  wir  einer  grofjen  2e= 
benSgefaijr  entgegengehen.  Sie  SahreS^eit  war  in= 
5Wifd»en  weit  tiorgerüdt  unb  fein  Sag  tierging  of»ne 
bie  fjeftigften  ©türme.  9ttS  wir  nun  jene  getfenftrafje 

m*  - — M 


230 


PT“ 

batjinfuhren,  tiielt  unfer  SBagen  ptöfctich  ftitl.  Stuf 
unfere  Srage  nach  ber  23erantaffung  ertoiberte  bei* 
®utfcf)er,  bie  33efd)äbigung  eine§  9tabe§  mache  eine 
Reparatur  erforbertidj.  Sßir  mochten  etwa  jetjn  9)ii» 
nuten  ber  gortfefsung  unferer  3raf)rt  entgegengefehen 
haben,  at§  wir  mit  einem  SJiate  ein  bonnerähnticheil 
Sradjen  tiernahnten,  neröenerfctjütternb  unb  (Entfetten 
erregenb,  fobafj  Wir  bauten,  unfer  te|te§  ©tünbtein 
fei  gefotnmen,  um  fo  mehr  at§  un§  faft  gleicfigeitig 
©anb»  unb  Steinmaffen  mit  furdjtbarfter  (Gewalt  in’3 
@efic£)t  gefdjteubert  würben,  baf?  wir  heftig  btuteten. 
Ser  ®utf<her  betreute  ficf»  unb  meinte,  ein  ©tücf  get» 
fen  fei  wahrfdjeintich  fjerabgeftürst.  SSott  ber  9Jaid)t 
biefe§  ©turje§  fann  man  fid)  einen  begriff  machen, 
Wenn  i dj  bemerfe,  bafj  wir  tion  ber  betreffenden  ©teile 
eine  SBerft  entfernt  waren.  Sem  $ufatt,  bafj  wir 
burdj  bie  Sleparatur  be§  9iabe§  in  unferer  SBeiterfatjrt 
aufge^atten  würben,  Ratten  Wir  aber  unfer  Seben  ju 
banten.  Dljne  jenen  Umftanb  würben  Wir  ohne  .Qwei» 
fei  jene  ©d)reden§fteüe  in  bem  SJioment  be§  ©turjeä 
paffirt  haben  unb  tion  ben  ^erunterfattenben  Stein» 
cotoffen  unfehlbar  jerfc^mettert  worben  fein  . . . 

Sodj  bie  SSorfefjung  Ijatte  un§  erfidhttidj  in  ifjrert 
@dju|  genommen,  ©tücttid)  erreichten  Wir  bie  ©ta» 
tion  . . . 

Unfere  tiiermonattiche  (Eoncert»Sournee  war  ju 
(Enbe,  unb  ber  (Erfolg  War  gtcmjenb  über  atte§  (Er» 
warten.  Sölit  banferfütltem  §erjen  nahmen  wir  2tb» 
fdjieb  tion  einanber.  Sie  f>ärteften  ©trapajen  hatten 
wir  ertragen,  (Entbehrungen  alter  Strt  hatten  Wir  er» 
buXbet,  Wiebertjott  befanben  Wir  itn§  in  größter  Seben§= 
gefahr,  unb  bennoch  preife  ich  ba§  @efd)id,  ba§  mid) 
auf  biefe  Steife  geführt  unb  ba§  uit§  fo  wunberbar  er» 
hatten." 


fc. 


231 


w •% 

<Bo  anmutfjig  toeiis  fie  fcfjrifttidf  mtb  münblicf)  ju 
Räubern,  bie  große  ®ünftlerin , fo  amüfant  mit^u* 
tßeilen  au§  bem  fReicf)±£)um  be§  ©elbfterlebten.  Unb 
ber  SJtufif  üfrer  (Sprache,  mag  fie  fingen  ober  reben, 
laufest  man  gern ; mie  SJiinuten  fließen  bie  ©tunben 
in  ißrer  (SefellfcEjaft.  Sem  @§prit,  ber  (Srajie  unb 
Oefdfmeibigfeit  ber  granjöfin  paart  ficE)  in  itjr  beutfdfe 
®emütt)§tt)ärme , beutftfier  (Srnft  ber  ®unftbilbung. 

©o  öerfeßiebene  (Elemente  ben  in  granfreid)  geborenen, 
in  Belgien  unb  ©nglanb  erlogenen,  mit  Seutfißtanb 
blutl*  unb  waf)toermanbten  öiebting  aller  Sänber  unb 
SSölfer  beeinflußten,  fie  gleichen  firf)  ßarmonifcf)  in  ißnt 
au»  unb  erfaßen  nur  bie  eigene  Stngiet»ung§Iraft,  bie 
fein  SSefeit  au§iibt.  SBir  lernten  unter  ißren  beutfdfen 
unb  fremblänbifcßen  ^unftfdimeftern  leine  jugleidf  oor= 
neßmere  unb  geminnenbere  Statur  als  Sefirce  Strtot. 


jfe.  M 


232 


er  Mannte  (Berliner  SDiufifer  unb  Sritifer 
©uftab  ©ngel  bezeichnet  in  bent  2lrtifel 
„2llt"  in  ÜDienbel^Sieißmann’S  bortrefflidjem 
„SJiufifalifchen  (£onberfation§le£ifon"*) 
nor  nnb  9llt  al§  „bie  ibealften  (Stimmgattungen,  meil 
fie  bie  ©£treme  bereinigen,  inbent  in  jenem  auf  ber 
©runblage  männlicher  ®raft  ein  Slbglanj  weiblicher 
ßartljeit  erfcEjeint,  mätjrenb  biefer  auf  ber  ©runblage 
toeibltdjer  Sölilbe  bie  männliche  (Snergie  noch  ju  ihrem 
Siechte  lomnten  läßt."  S)em  gegenüber  Xie^e  fich  tüofiX 
bie  entgegengefeßte  9lnfid)t  nicht  unberechtigt  geltenb 
machen , baß  bie  bollfommenere  Stimmgattung  biel» 
mehr  biejenige  fei,  Welche  ihr  eigentümliche!  SBefen 
rein  unb  unbermifcht  bewahrt  unb  bie  natürlichen 
©egenfäße  männlicher  unb  weiblicher  ^rtbibibualität 
fo  boü  entfnredjenb  jurn  2lu!brud  bringt,  wie  bie! 
burdj  (Sopran  unb  Baß  ober  Bariton  gefchießt. 

(Sin  müßige!  beginnen  gleidjtuohl  tbäre  e!,  eine 
Bangorbnung  unter  ben  Stimmgef<hled)tern  aufju* 
ftetten , beren  jebe!,  fein  felbftänbige!  $>afein!red)t 
bon  ©otte!  ©naben  beßauptenb , zugleich,  fobalb  e! 
ber  $anbreid)ung  aller  Kräfte  ju  einem  fiinftlerifdjen 
(Snfemble  gilt,  al!  naturgemäßer  Präger  ber  £ar= 
monie  bem  ©anjen  gleidjerweife  bienlid)  unb  unent* 


*)  11  33be.  ^Berlin,  Cppenfyctnt  1870 — 79. 


235 


r- 


beßrlidj  ift.  3umeift  tüirb  bie  ©pmpatf)ie,  bie  per* 
föntidje  Neigung  ficf)  ba§  entfdjeibenbe  IXrtfieil  barüber 
anmaßen,  tnefcfjer  unter  ben  Stimmgattungen  ber 
fjößere  ?ßrei§  gebüßte,  unb  in  ber  Xb»at  ntan  ßat  ju 
oerfcßiebetten  $eiten  batb  biefe  batb  jene  beüorsugt; 
toecßfefnb  tüte  bie  fetten  felbft  tüar  aucf)  bie  ©unft,  bie 
man  ber  einen  ober  anbern  fcßenfte.  So  fiel  in  ber 
atten  italieitifc^en  Opera  seria  bem  fEenor  ftetS  ber 
Sötüenanfßeif  ju.  ©aß  unb  Bariton,  auf  ben  niebereren 
©oben  ber  Opera  buffa  üertniefen,  fanben  im  Staßmen 
ber  ernften  Dper  faurn  fßfaß  unb  famen  minbeftenS 
afs  fpauptcßaraftere  ni(f»t  in  $rage.  drft  Stoffini,  ein 
greunb  jener  tieferen  Stimmlagen  unb  felbft  ein  au§* 
ertefener  ©aritonift,  feßte  fie  affmäfig  in  ißre  natür* 
ticken  Stecßte  ein.  ©benfo  tnar  in  ber  ©or=9toffini’fcßen 
Opera  seria,  ja  felbft  nocß  im  »Tancredi«  unb  in  attbe* 
ren  Dpern  be§  ißefarefer  ÜDteifterS,  ber  ©ontraaft  ber 
beüorjugte  Präger  ber  tneibficßen  fpauptpartie ; ntodjte 
biefefbe  ficf»  immerl)in  — tüie  beifpiefsweife  noch  in 
fötojarfs  „fEttuS"  — in  ÜDtännerffeibern  üerfteden, 
tnäßrenb , banf  einer  ßäßficßen  ©ergetnaftigung  ber 
Statur,  ÜDtättner  ben  ©opran  fangen.  Slucß  fiter  griff 
tüieberunt  Stoffini  entfcfieibenb  ein.  SDer  atfmäcßtigen 
^»errfcbiaft  ber  »primi  unb  secondi  uomini«  auf  ber 
©efangSbüßne  feines  ©aterlanbeS  mit  entfc£)Ioffener 
fpanb  ein  ©nbe  macßenb,  fteftte  er,  üon  feiner  für  feine 
nacfjmafige  ©attin  Sfabefta  ©ofbranb  gefcßrtebenen 
»Elisabetta«  an , nie£ntef)r  naturgemäß  bie  tueibfidje 
©opranftimme  in  ben  ©orbergrunb  ber  Dper.  SDtit 
einer  jmeiten  Stolle  im  bramatifcßett  ®unfttt>erf  mußte 
ficf)  ber  2fft,  tnäßrenb  er  im  Dratorium  unb  in  ber 
fircßficßen  üOtufif  ber  ©cßtoefterftimme  ftets  gfeicßbe* 
recßtigt  jur  ©eite  blieb,  fortan  meift  begnügen,  unb 
auSnaßmStoeife  nur  — tnie  in  ber  ffibeS  im  „ißro* 


Sl_ 


236 


p|eten",  in  ber  ÜCjuceita  int  »Trovatore«  — fat)  er 
fidj  eine  anfpruchStmllere  Aufgabe  juertheitt,  bie,  alter» 
bingS  §unäc^ft  für  eine  StuSnahmSerfcheinung  ge» 
fdjaffen,  über  fein  eigentliches?  Siebiet  ^inau§griff  nnb 
mit  ber  Xiefe  beS  StttS  jugteich  bie  Jpötje  beS  Sttejs o» 
fopranS  bebang. 

Su  jenen  2luSermäf)tten , bie  fief)  ungeftraft  über 
bie  Strengen  iljreS  eigentlichen  2Itt»93erei<f)S  hinaus  in 
tjohere  Ütegionen  magen  bürfen,  bie  heute  eine  2ttt=, 
morgen  eine  ©opran»ißartie  übernehmen,  auf  Sßunfcfi 
auch  übermorgen  atS  ©tettöertreter  eines  SEenorS  ein» 
jufpringen  bereit  finb,  gehört  .Qetia  Xrebetti — 
eine  nnferer  gefeiertften  ÖtefangSgröfjen  im  ülttgemei» 
neu,  imiöefonberen  bie  größte  Stttiftin  ber  Stegenmart. 
@cfjöne  Stttftimmen  finb  fetten,  man  pflegt  fie  atS  be» 
fonbere  Stäben  ber  23orfef)ung  hoch  anäufdjtagen.  llnb 
fchön  mar  bie  ihre , ja  fie  fudjte  ihrer  Seit  an  @cf)ön» 
heit  ihres  Stteicljen,  nnb  noch  heutigen  SEageS  fehen 
mir  unS  üergebenS  nach  einer  ihr  ebenbürtigen  9Zacf)= 
fotgErin  um.  2ßar  eS  — jumat  ihre  fünftterifcfien 
ßeiftungen  burcE)  Stnrnuttj  nnb  ©djönheit  ber  äußeren 
©rfcheinung  mächtig  gehoben  mürben  — ben  ^Berlinern 
ju  üerbenfen,  bah  fie  öor  22  gatmen,  atS  Setia  Sre» 
betti  jum  erften  SJfate  in  J5pree»2tthen  erfd^ien , it)r 
enthufiaftifd)  jujubetten  nnb  ber  SSett  ihr  Entlüden  in 
fchmungreichen  SBorten  fünbeten? 

Sntereffant  ynb  lehrreich  ift  eS,  »vergangenen  Seiten 
an  ber  §anb  atter  Seitungen  nachjugehen.  SERit  un» 
mittelbarer  Srifdje  noch  hatten  fie  Sinbrücfe  feft,  bie 
tängft  oermeht  unb  Oertebt  finb  unb  auS  ben  alten 
93tättern  hoch  mieber  aufteben  mie  mit  frifc^em  Dbem. 
Verjüngen  mir  benn  bie  SBett  unb  unS  mit  ihr  für 
eine  turje  ©tunbe  unb  teben  unS  um  jmei  Sahrjehnte 
prücf  in  bie  Sßergangenljeit! 


3m  lebten  SSiertet  be»  3al)re§  1860  burfte  fitfi  bie 
©tabt  ber  ^nteüigenä,  wie  man  bie  £auptftabt  ißreu= 
f?en§  mit  fftecfjt  genannt,  be§  23efi£e§  zweier  italieni= 
fcfjer  Opern  erfreuen.  Sie  Sorini’fdje  ©efedfdjaft  im 
2Sictoriatf)eater  mit  Sefiree  Slrtot  al§  ©onne  unb 
SJiittelpunft , war  ben  berliner  SJtufilfreunben  fcfyon 
feit  ber  lejjtbergangenen  ©aifon  lieb  unb  Pertraut  ge= 
Worben.  Sie  @efellf<f)aft  2)terelli’§,  bie,  inbefj  bie 
beutfdje  Oper  feierte,  im  föniglidjen  Opernljaufe  ifjren 
©i|  aufgefd)lagen  b»atte,  fonnte  trot>  it)re§  ariftofrati* 
fdjen  ißobiuntg  nidjt  entfernt  mit  jener  riüalifiren.  Sa 
fünbigte  bie  Sirection  mit  9toffini’§  »Semiramide«  ba§ 
Auftreten  einer  Slltiftin  Pom  töniglid^en  Sljeater  in 
SCUabrib  al§  SIrface  an,  „Weldje  alle§  bisher  (5Jeb)örte 
weit  ijinter  fid)  laffe.“  „@emirami§“  — behauptet 
Srnft  ^offat,  ber  pifante  ißlauberer  in  ben  „Signalen" 
— „@emirami§  War  nie  eine  SieblingSoper  ber  93er= 
liner ; aber  eine  tüchtige  Slltiftin  lann  fie  bi§  an  bie 
Pforten  ber  IpöÖe  loden.  Se  fdjnurrbartiger  bie 
Stimme  in  ben  tiefen  Sljorben  Hingt,  befto  rafenber 
tobt  ber  SBeifaß,  befto  meljr  Wütfjet  ba§  SSolf  Por  @nt= 
Juden." 

Unb  fie  lam , bie  ©epriefene.  3elia  Srebelli 
nannte  fie  fiel) ; bocf)  Ijatte  mit  biefem  iljrem  welfdien 
tarnen  if>re  Slblunft  rticf»t§  gemein.  ffranjöfifdjer 
©Hern  ®inb,  ju  ißari§  im  Saljre  1838  geboren,  fyatte 
fie  burdj  Umleitung  ifjre§  Familiennamens  ©illebert 
(nur  mit  £>inweglaffung  be§  21nfang§bud|ftabenS)  ib»ren 
®ünftlernamen  gebilbet.  klingt  er  ftjmbolifcf»  an  «tres 
belle«  an , fo  ftrafte  bie  ©rfdjeinung  ber  Sängerin 
biefe  ©pmbolil  reicht  öiigen.  ßweifelloS  tjatte  it)r  bie 
Statur  bie  üünftlerlaufbal)n  oorgefdjrieben.  Stur  tjatte 
3elia,  mufilalifd)  in  feltener  SBeife  beanlagt  unb  bie§ 
in  aller  Sriifje  befunbenb , if)ren  $8entf  junädjft  im 


w 


©laoierfpiel  gefugt.  Scpon  erntete  fie  mit  fecpjepn 
Sauren  ipre  erften  belangreicpen  ©rfolge  am  ©laöier, 
afö  i£)r  SJleifter  ptopticp  in  iprer  Sepie  einen  nodp 
größeren  ©cpap  afe  in  ipren  funftfertigen  tpänben  ent* 
becfte.  SSier  SSapre  ber  Sepre  bei  grancoiö  SBartel  in 
ißarig  ftatteten  fie  mit  bem  tecpnifcpen  Stüftjeug  ber 
Sängerin  aug,  unb  im  3apre  1859  empfing  fie  auf 
bem  ÜOtabriber  föniglicpen  Speater  bie  SSüpnentaufe. 
Seine  (Geringeren  al§  SDUtrio  unb  bie  (Grifi  üertraten 
'$atpenfteüe  bei  iprem  ©intritt  in  bie  Sunftmelt;  botp 
erfolgreicp  bepauptete  fie  fiep  in  ber  gefäprlicpen  Sllacp* 
barfepaft  ber  berüpmten  (Gen offen.  Sem  erften  Sebüt 
im  »Trovatore«  folgten  bie  Partie  be§  ißagen  in  ben 
„Hugenotten“,  bie  Siofine  im  „SBarbier“,  »Cenerentola« 
unb  Drfini  in  „Sucrejia"  mit  ©rgebniffen,  melcpe  ipr 
alle  2Bege  öffneten.  Unb  ipr  erfter  SBeg  füprte  fie  aug 
bem  fepönen  ppantafiereiepen  ©üben  pinauf  in  unfern 
oom  füplen  SSerftanb  beperrfepten  beutfepen  9?orben, 
oon  ber  fonnigen  ©tabt  am  SDIanjanareg  an  bie  nücp» 
ternen  Ufer  ber  Spree.  Sa  mar  fie  benn ! 

23on  norbbeutfeper  Süple  unb  -Jlücpternpeit  fpürte 
bie  frembe  Signora  gteicpmopl  menig.  5Dian  beraubte 
fiep  im  (Gegentpeil  OöIIig  an  ipren  Sönen,  unb  niept 
fparfamer  alg  jenfeitg  ber  ißprenäen  bie  p einblütigen 
Spanier  fpenbeten  ipr  bie  berliner  Sanf  unb  Stpplaug. 
„Sa8  ißublifum  überfepüttet  bie  neue  ©rfepeinung  mit 
93eifatt“,  piep  eg  fepon  naep  iprer  erften  Seiftung  alg 
SIrface.  SJIan  begrüßte  in  ipr  „eine  ber  peröor* 
ragenbften  SUtiftinnen , eirtS  ber  reiepften  Säten te  ber 
(Gegemuart.“  „Spr  brittepalb  Dctaoen  umfaffenber 
©ontraalt“,  lautet  eine  ^Berliner  ©orrefponbenj  ber 
„Signale",  „imponirt  gleicp  beim  erften  Soit  burep 
üppige  güüe  unb  blüpenbe  (Gefunbpeit.  ben  t>er= 
fepiebenften  Sagen  geporept  bag  Drgan,  opne  auep  nur 


M 


239 


bie  geringste  2tuftrengung  ju  oerratfjen,  bie  Intonation 
bleibt  ftet§  glocfenrein,  aucf)  nidjt  ba§  leifefte  Tremolo 
trübt  bie  ttare  Tonftut  — unb  mit  fo  überfc£)Wäng= 
licken  Mitteln  berbinbet  bie  Sängerin  eine  ungetoöf)n= 
ticEje  bramatifclje  ^Begabung". 

@twa§  jurücflfaltenber  äußert  ®offaf : „Qn  gittte, 
Umfang^  unb  Timbre  be§  Drgan§  ift  2lf)niicf)feit  mit 
ber  2lrtbt  oorfjanben,  nur  ift  teuere  ber  Trebelti  an 
Temperament  unb  33üt)nenerfaf)rung  überlegen.  Tie 
2trtöt  weifc,  baff  eine  ®ünftlernatur  in  ben  widftigften 
Momenten  juweiten  alte§  magen  mufi  um  aße§  ju 
gewinnen;  bie  TrebeHi  ftef)t  noef)  mit  einem  gufj 
am  ißiano  if>re§  üDtaeftro  unb  fingt  metjr  concert* 
mafsig,  tjödjft  correct,  aber  noct)  ein  wenig  grün  im 
2tu§brmJ.  Tocf)  fefjlt  e§  nietjt  an  gtücEticf»en  SDtomen* 
ten,  in  benen  fidf  bie  einftige  Steife  unb  Süfjigfeit  be§ 
23ortrag§  atjnen  läßt". 

Stäubern  bie  (Gefeierte  als  Stofine  in  Stoffini’S 
Steifterwerf  ben  Stufjrn  ifjreS  erften  TebütS  nod)  mädftig 
gefteigert,  lefen  wir  aus  berfelben  geber  in  ber  „9Jlon= 
tagSpoft" : „Ter  SSorratf)  ber  jur  Verfügung  ber 
geuiltetoniften  ftebjenben  ßobfprüc^e  ift  erfctwpft,  mtb 
fcf)on  brotjt  bie  ©efaf)r  für  einen  unüorfidjtigen  Sdjrift* 
ftetler,  ber  StacEie  einer  großen  unb  obenbrein  einflufs= 
reifen  Partei  ju  oerfallen,  wenn  er  baran  ju  erinnern 
wagt,  bafj  noef)  nietjt  alles  in  bem  (Sefange  ber  reijen= 
ben  Ä'ünftterin  fertig  entwicfelt  ift  unb  einige  (Stjren- 
bejeigmtgen  für  bie  SSotlenbung  anfjufparen  feien. 

2Ber  aber  wollte  ben  SDtufiffreunben,  bie  fiel)  am  ©e= 
fang  betagter  SSögel  mübe  gefjört  ffaben,  bie  fjreube 
oerleiben,  if)r  ötjr  in  biefem  Silbergeriefet  füffer  Töne 
ju  haben,  baS  olfne  Dual  ber  Stnftrengung  unb  ber 
Steflepon  in  bie  anberen,  trüberen  Stimmen  unb  3n= 
ftrnmente  rinnt,  Wie  ein  reiner  SSergqueü  in  einen  au 

Sfr  — 4^ 


240 


allerlei  ittieberfditägen  reichen  Strom  ? Diefe  ruhige 
Stage  ber  ^otben  Stimme,  mie  fie  fetbft  burdf  bie 
heiterften  SCtcetobien  Hingt,  ift  ber  mächtige  Sauber  ber 
Drebetti." 

gmmer  üerhängnifjüolter  aber  übte  biefer  Sauber 
üon  SBodfe  ju  2Bod)e  feine  ÜD!ad)t.  „SDtan  ffnett  nid)t 
mehr  l’hombre"  — fpottet  Sofia!  über  bie  itatienifdfc 
Sranffieit  — „man  ifft  nicf»t  metir  einen  Keinen  |>afen= 
braten,  man  fpricfit  niefit  metir  üon  ißotitif ; man  muff 
mit  ber  grau  unb  ben  Döcfitern  in  bie  itatienifdje 
Oper  getjen  unb  reben  bi§  in  bie  9?adft  üon  ber  itatie* 
nifctjen  Dfmr ! geh  fage  glfnen,  e§  Reifet  in  Berlin  : 
»Trebellum  omnium  contra  omnes«.  Sie  Senner  unb 
Sunftfreunbe  an  ber  Stifte,  ift  bie  gaf)lung§fäf)ige 
SBeüötferung  fortmätfrenb  untermeg§  nadf  einem  ber 
beiben  Stfeater  unb  über  nicf)t§  toirb  fo  üiet  gebrochen 
at§  über  bie  Stbatgifa  ber  Strtbt,  bie  itiorma  ber  Sa* 
grange  unb  bie  Stjucena  ber  Drebetti.  Seit  gennt) 
Sinb  üon  ben  23rettern  gurüdgetreten  unb  ben  $ßia= 
niften  ®otbfd)mibt  geheiratet,  haben  mir  feinen  ahn* 
ticfien  mufifatifdjen  ißaro;rismu§  erlebt." 

@enug,  mie  meitanb  ba§  hei^9e  römtfdje  fReicE)  in 
©hibettinen  unb  SSetfen,  fo  fpattete  fid)  je|t  ^Berlin 
in  gmei  ^eertager,  auf  beren  Bannern  „ipie  Strtbt ! " unb 
„§ie  Drebetti !"  gu  tefen  ftanb.  Denn  für  ben  Stern 
Sorini’g  ober  3Jieretti’§  brach  geber,  fo  tauge  ber  itatie* 
nifc^e  Sängerfrieg  mährte,  feine  Sange.  Dabei  fc^metgte 
man  f)ier,  man  fdfmetgte  bort,  hüben  unb  brüben  ging 
man  molftig  auf  im  ©enufj  am  frönen  Stange. 

@rft  mit  ©nbe  be§  gaf)re3  gog  ^Beruhigung  ein  in 
bie  aufgeregten  (Semütfier.  Die  Sorinianer  gmar  be* 
hauf»teten  noch  länger  ba§  getb,  bod)  SDieretIi’§  (Mefett* 
fd^aft  befdftoff  ihre  Darbietungen,  gn  einer  SDiatinee 
im  Dpernhaufe  geigte  fich  ©ignora  Drebefti  gunt  teütcn 


ßa  901  ata,  «StuMcnföpfe.  V.  241 


1(> 


Ü0lale,  unb  matt  regiftrirte  gemiffenpaft  84  23ouquetS, 
bie  ber  „bom  ißublifum  als  Ginget  öere£>rten"  Sängerin 
ju  Süfjen  flogen. 

Spre  näcpfte  §auptftation  mar  ißaris,  ipre  §ei= 
mat.  Sin  ber  italienifepen  Dp  er  bafelbft  lief;  fte  fiep 
für  mehrere  SJloitate  feffeln.  ©in  glänjenber  Srfolg 
Btiet»  auep  pier  nicEjt  aus ; boep  mar  bie  Semunberung, 
bie  man  ipr  jollte,  feine  ganj  ungetpeilte.  hinter  ber 
germanifepen  33egeifierung  blieb  bie  romanifepe  jurücf. 
„Sie  pat"  — fagen  Suttner’S  „^ßarifer  Sfijjen"*)  — 
„eine  fetjr  fepöne  Stimme  unb  ift  eine  angenehme  @r= 
fepeinung.  Slber  mir  fönnen  niept  in  ben  berliner 
(SntpufiaSmuS  einftimmen.  Sn  ben  popen  Sagen  läfjt 
ipre  Stimme  ju  münfepen  übrig  nnb  über  ipre  Schule 
märe  autf»  mampeS  ju  fagen.“ 

Sn  boHer  Übereinftimmung  mit  ber  berliner  be» 
^eugt  fic£)  bagegen  bie  Seipjiger  ®ritif.  Sie  gipfelt, 
al§  ÜDleretli’S  Xruppe  mit  iprer  tpelbin  im  SHai  1861 
bie  alte  ÜDlufifftabt  befugt,  in  bent  geugniff : „Sräu» 
lein  Srebelli  beperrfept  bie  ganje  GSefangStecpnif  als 
tioßenbete  SDieifterin“.  Stucp  93reSlan,  ®reSben  pul» 
bigen  ipr  gleicpermeife,  unb  als  berSSinter  1861  mie» 
ber  feinen  ©injug  pätt,  pat  Berlin  auep  feinen  Sieb» 
fing  mieber.  SDtan  finbet,  baf?  „bie  Stimme  an  Sßeicp» 
peit,  Scpmelj  unb  Süfiigfeit  noep  erpeblicp  gemonnen“ 
pabe;  niept  nur  in  35epanblung  beS  piano  unb  mezza 
voce,  fonbern  in  „allem  Xecpnifdpen  überpaupt"  nimmt 
man  einen  bernerfenSmertpen  Sortfcpritt  mapr,  unb 
bennodp  miß  fiep  baS  DpernpattS  bieSmal  nur  mäfsig 
füllen,  ber  23efucp  bleibt  ein  fpärlicper ; niept  fonber» 
liep  gaftlicp  §eigt  fiep  jept  SSertin  feinem  bermöpnten 
Scpofjfinb.  Serrancpt,  mie  Stropfeuer  üerflogen  ift 


*)  „Signale",  1861. 

te. 


242 


w ^ 

ber  üorjätjrige  @ntf)ufiaSmuS.  $runt  fc^erjt  audj 
Soffaf : „®aS  junge,  mufifatifch  trefflich  gejaulte  unb 
üon  ber  dlatur  reich  auSgeftattete  SBefen  war  in  ber 
lebten  Saifon  ber  Abgott  ber  fcdfeggirenben  weiblichen 
Sugenb,  ber  tugenbljaften  äftfjetifchen  ÜDiütter,  ber  ge= 
müti)lid)en  ©reife  üon  gutem  ©efchmacf.  ®ie  Sünber 
üerweigerten  ber  ©d£)önt)eit  ihrer  Stimme,  ber  (£or= 
recffjeit  beS  SortragS  nict)t  ade  Slnerfennung,  aber  fie 
üermifjten  eben  jenen  weltlich  fünbfjaften  Slnflang 
beS  Organs,  ohne  ben  es  nun  einmal  feinen  Stern 
erfter  (Sröjje  in  ber  Söühnenfunft  giebt.  ®ie  liebliche 
Signora  ift  mit  ihrem  gejammten  ^Repertoire  Wieber* 
gelehrt,  eS  fehlt  baran  nicht  eine  ÜRote,  aber  eS  ift  auch 
feine  -Rote  hinjugefommen,  itnb  baS  befrembet  unferen 
dRitbürger." 

fperber  unb  unoerblümter  tautet  ber  Spruch  ber 
Sritif,  al§  ßelia  Xrebedi,  nachbem  fie  im  fferbft  1862 
nochmals  in  Berlin  gehört  Worben  war , erft  nach 
längerer  ißaufe  1865  baljin  jurücff  ehrte.  „®ie  Stimme 
hat  nichts  üon  ihrem  Sdjmelj  unb  ihrer  jfüde  üer= 
loren,  ihr  ©reScenbo  unb  2)ecreScenbo  befiid  benfelben 
finntichen  gauber  tüie  früher,  ihr  ißiaito  bie  gleiche 
einfchmeichelnbe  Süfsigfeit.  SSerfagt  aber  ift  ihrem 
dRunb,  bem  fo~üppiger  Sßohttaut  entquidt,  nicht  adein 
bie  Sprache  ber  Seibenfdjaft,  fonbern  felbft  ber  reine 
dlaturlaut  wirfticdjer  ©mpfinbung.“  — fpatte  man  fich 
gleichwohl  nicht  für  fie,  ber  man  jetjt  fperjenSWärme 
unb  SBefeeltheit  abfpracf),  bie  hoch  bem  £one  erft  fein 
befteS  Seben  leihen , üor  wenigen  Sahren  ooheSu  bis 
jur  £runfenf)eit  erhi|t? 

Snbeffen  hotte  bie  Sünftlerin  auch  an  anberen 
mafjgebenben  Stätten  für  SluSbreitung  ihres  dtuhmS 
geforgt.  2Bie  fie  ficE)  in  ben  fpauptftäbten  beS  Weft= 
liehen  (Suropa,  in  ißaris,  2lmfterbam,  Trüffel,  unb 


243 


16* 


¥ 


fpäter  28ien  Kränze  minben  lieh,  fo  fam  fte  1862  and) 
nach  Sonbon  unb  gemann  fiel)  in  Her  Majesty’s 
Theatre,  inmitten  einer  ©efetlfcfjnft,  meldje  bie  9?a= 
men  'XietjenS , ©rajinni,  (Siuglini  tc.  aufzumeifen 
batte,  einen  unmittelbaren  unb  DoIIftänbigen  (Srfolg. 
Sbt  2)ebüt  tnar  baS  (Sreignih  ber  ©aifon.  2IIS  fie  im 
nädjftfolgenben  Salme  mieberfefmenb,  an  fetber  ©teile, 
mit  ber  2lrtot,  ber  ‘SietjenS,  ber  2Hboni  — beren 
Nachfolgerin  fie  tnarb  — im  Punbe,  ihre  Kunft  Ieud}= 
ten  liefe,  fam  fie  als  junge  Stau  : it)r  (College  in  Her 
Majesty’s  Theatre,  ber  Xen orift  NIeffanbro  23  ettini, 
mar  injmifiben  itjr  (Satte  gemorben.  21m  9.  SJtarz 
1863  in  ber  ^ircEje  St.  Roch  ju  Paris  mürbe  fie  ihm 
angetraut.  Sfmern  IpeiratScontract  miberfitbr  bie  6f)re, 
Don  fRoffini  eigenbänbig  mit  unterzeichnet  ju  merben, 
unb  mit  bem  alten  ©chman  Don  Pefaro  mobnten  jabl* 
reiche  fünftlerifd)e  unb  literarifdje  Notabilitäten  ber 
Permäf)Iung  ber  gefeierten  ©ignora  bei. 

Pereint  fammelte  nun  baS  ©ängerpaar  in  allen 
£intmelSgegenben  unfereS  SBelttfjeilS  (Solb  unb  23 eh 
fall  ein.  §eute  in  Nom,  morgen  in  äöarfdjau,  bann 
in  Petersburg,  Kopenhagen,  PtoSfau,  Paris,  Sonbon, 
bulbigten  Peibe  bem  fahrenben  ©äugertbum.  SSie 
ßelia  Trebedi  fchon  früher  in  Perlin , mo  man  ihr 
gleich  bei  ihrem  erften  Pefitche  Ueffeln  anjulegeit  oer= 
fudjte,  fich  mit  ber  liebenSmürbigen  Srllärung  flügel- 
frei  zu  erhalten  muhte,  bah  fie  fich  für  ben  ebeln  beuh 
fd)en  (Sefang  noch  nicht  reif  genug  fühle,  fo  führte  fie 
auch  mit  ibimem  (hatten  gemeinfam  ihr  ÜBanberleben 
meiter.  21m  beftänbigften  noch  fettete  fie  fich  an  S°n' 
bon,  mo  fie  nachmals  auch  anfäffig  mürbe  unb  fich  ein 
eigenes  §auS  ermarb,  baS  fie  gegenmärtig  and)  als 
SBittme  bemohnt.  Sn  Her  Majesty’s  Theatre  — 
SonbonS  zweiter  Dperrtbübne,  bie  fidj  Zu  ‘)e,n  avifto* 

M 


244 


fratifdjen  Coventgarden  wie  Unter»  junt  öberbaitS 
»erhält  unb,  Wäljrenb  jenes  in  erfter  Sinie  bitrd)  erfte 
23irtuofenfräfte  glängt,  in  einem  oielfeitigeren,  and) 
bie  beutfdje  öfter  mehr  berüdfiddigeuben  ^Repertoire 
if)re  Starte  fndjt  — t)örte  man  fie  3at)r  unt  Sa^r. 

SBie  bie  ißatti  unb  Succa  ©tr.  ®tje  nnb  feiner  Royal 
Italian  Opera,  blieb  bie  Srebelli  neben  Sljerefe  Siet» 
jene,  ber  fid)  fpäter  SCiriftine  SRilSfon  als  erfter  (Stern 
gefeilte,  ©er.  ©laplefon  nnb  Her  Majesty’s  Theatre 
treu.  2lucb  als  ein  23ranb  baS  alte  tpauS  (1869)  in 
Ulfdie  legte,  tbeilte  fie  baS  Snterimifticum  ber  Oper 
im  St)ceum»Sbeater  unb  Drurylane.  Sie  wibmete  ifjr 
bis  ju  i|rer  1882  erfolgenben  SSerfcbmeljung  mit 
©pe’S  S3übne  beftänbig  tljre  ®raft  unb  ging  nun  erft 
an  bie  teuere  über,  wofelbft  fie  bereits  1881  nebenher 
tbätig  gewefen  war  unb  unter  anberent  ©ubinftein’S 
„Sämort“  mit  aus  ber  Saufe  gehoben  hatte. 

öb  auch  hinter  bem  Sreigeftirn  ißatti,  ©ilsfon, 
Succa,  baS  in  ber  italienifd)en  unb  franjöfifchen  öfter 
noch  immer  bominirt,  erft  in  ^Weiter  ffteib)e  genannt, 
an  Stimmreij  Wie  an  SluSbrudSgewalt  unb  mufilali» 
fdjer  (Eigenart  gegenwärtig  mehr  benn  jemals  jenen 
nad)ftef)enb,  behauptet  fie  hoch  innerhalb  ihres  eigent» 
liehen  (Gebietes  als  Stltiftin  unangefochten  ben  erften 
9tang.  211S  Wir  fie  im  ganuar  1874  gelegentlid)  ihres 
Ullmann^SelbjugeS  in  Seipjig  hörten,  fiel  unS,  wir 
bürfen  eS  nicht  Perhehlen,  bie  nicht  fonberlid)  pornehme, 
etwas  materialiftifche  SBeife  auf,  in  ber  fie  ihr  noch 
immer  fonoreS  mädjtigeS  örgan  behanbelte.  2tud) 
ihrem  SSortrag  war  ber  ihr  ehemals  nachgerühmte 
feine  (Sefdpnad,  baS  eble  ©Zafj,  baS  ihn  auSjeid)' 
nete,  abhanben  gefontmeit.  Sem  Sffect,  ben  fie  fonft 
uerfdjmäbte,  fcbjien  fie  jejjt  nadjjitgehen  — mit  einem 
Sßort:  if)re  ®ef)le  bünfte  nnS  mufifalifcher  als  ihre 

...  ^ 


245 


r 


(Seele.  Uttb  bennod)  fetten  wir  un§  öergebenS  nad) 
einer  Rnberen  um,  bie,  tute  einft  feitet  (Trebetti  an 
ber  großen  Rtboni  Siebte,  fo  an  itjre  Stelle  ju  treten 
berufen  Wäre.  28o  Wäre  bie,  bie  fie  ju  erfeßen  oer* 
möchte? 

(Sine  nom  Iteinen  F bi§  jum  jtoeigeftricEjenen  A ju 
feftöner  Kbenmäßigfeit  ausgeglichene  Stimme  üon 
eigenti)ümticf)  fatter  Rttfarbe,  bereit  treffliche  Schute 
itjrer  Krtjattung  ju  ftatten  tommt,  eine  fettene  (8ir= 
tuofität,  unfehlbare  Reinheit  ber  Intonation,  baju 
bramatifdte  (Begabung  : baS  ift  ba§  reid^e  fünftterifefje 
ÜRateriat,  mit  bem  bie  Sängerin  bauernber  unb  uit* 
begrenjter  ats  bieS  gemeinhin  bei  ihren  Kolleginnen 
ber  Satt  ju  fein  pflegt,  fdfattet  unb  waltet.  Kitt 
äufjerft  mannigfaltiges  Repertoire,  baS,  ber  tragifcften 
Wie  ber  fomifchen  Oper  gleidjerweife  gerecht  werbenb, 
bie  Ramen  Kimarofa,  Roffini,  SDonijetti,  (Berbi,  Rio* 
jart,  SBeber,  StotoW,  Rteperbeer,  Kounob,  Xhoma§, 
SBiget  umfdjließt  — bie  (Titetrotte  in  „Karmen“  bitbet 
einen  ihrer  neueren  (Triumphe  — macht  fie,  wo  immer 
fie  einfehrt,  jum  witttommenen  (Büfinengaft.  Künft* 
lerifche  (Bertegenlfeiten  bereitet  fie  Wot)t  nie ; wo  aber 
Rubere  fie  bereiten,  ba  leiht  fie  gern  hütfreid)  itwc 
(Tienfte.  So  trat  fie  einmal  in  Riga,  wo  es  am  (Tenor 
fehlte,  ats  ©raf  Rtmaöiöa,  in  Rewcaftte  ats  (Tamino 
in  ber  „ßanberftöte",  in  Sonbon  in  ber  »Traviata«  ats 
Oaftone  ein. 

Ruch  dts  Koncert*  unb  Dratorienfängerin  fterüor* 
ragenb,  wirfte  fie  bei  ben  engtifdjen  |>änbet*  unb  an* 
bereu  RZufitfeften  toietfach  mit.  Regelmäßige  Koncert* 
unb  Dpern*2öanberjäge  unternahm  fie  unter  Sülfrung 
beS  (Baffiften  (BehrenS  feit  1876  attjährtich  nach  Sfan* 
binaöien,  wo  man  ihr  freigebig  (Blumen  unb  SBeihraudj 
ftreute.  Sn  Kopenhagen,  ju  beffen  gefeiertften  Käften 

Ift.  . 


246 


w 


* 


fie  gäi)It,  trug  fie  bon  ber  $anb  be§  Königs?  IS 77  bie 
SOJebaitXe  »Litteris  et  artibus«  babon,  nad)bent  ißr 
bor  (1876)  fcßon  ber^önig  bon  Schweben  feinen  SSer* 
bienftorben,  ber  Sönig  ber  -Jlieberlanbe  bie  große 
ÜDlebaitte  für  ftunft  b erließen  ßatten. 

23erlin,  bafelbft  fie  ficß  einft  ißren  SBeltruf  be= 
grünbet,  unb  5ßari§  begrüßten  fie  1878  unb  1880 
ft)mpatßifcß  Wieber.  ©ßrerbietig  fenfte  bie  ®ritif  bor 
ißr  bie  SBaffen  unb  falntirte : „3rau  Srebelli  ßat  im 
Saufe  ber  $toßre  nicßt§  bon  ißrern  tounberbaren 
(Stimmflang  eingebüßt;  au§  ber  großen  ®efang§* 
fünftierin  ift  aber  mit  ber  $eit  aitcß  eine  bramatifcße 
Straft  erften  5Range§  erftanben."  2)ie  berliner  er* 
tbärmten  ficß  wieber  für  fie,  bie  einft  ißre  reicßfte  ®unft 
genoffen.  2lucß  SBien  ßörte  fie  im  Saufe  ber  lebten 
Saßre  (1877,  78  unb  81)  meßrfadß  in  Dßern  unb 
Sbncerten. 

Sin  23efncß  ©eutfcßlanbd  fianb  neuerbing§  mie= 
herum  auf  ißrem  Programm,  ba  bereitelte  ißn  leiber 
eine  ©rfranfung  ber  ftiinftleriu.  23  tr  mürben,  bringt 
fie  ißren  ißlan  ju  glüdlicßerer  Stunbe  jur  21u§füßrung, 
fie  bobbeit  midfommen  ßeißen , moüte  fie  un§  ißre 
fünftlerifcßen  ®aben  bann  nicßt  nur  im  Soncertfaal, 
fonbern  in  ißrer  eigentlicßen  ©bßjäre,  bon  ber  SSüßne 
ßerab  reicßen. 


247 


o uerfdpieben  aucp  gemeinpin  ©efcfintacf, 
gungett  unb  Slnficpten  in  Sachen  ber  ®unft 
Wie  in  alten  Singen  finb,  auf  bie  grage : 
wetcpeö  wopt  bie  größte  ©efangötünftterin, 
bereu  fiep  bie  (Gegenwart  freue  ? wirb  man  peute  nur 
immer  bie  eine  Slntwort  in  Sereitfdjaft  paben,  wie 
au§  einem  SDtunbe,  Wirb  un§  üon  2111er  Sippen  ber 
9iame  Stbetinaißatti  entgegenftingen.  SBer  itjn 
aber  nennt,  bem  gept  e§  wie  Sonnenfcpein  über  § 
(Gefiept  unb  in  ber  (Srinnerung  noep  füptt  er  ben 
Räuber,  ben  biefer  Siebting  ber  Siatur  unb  ®unft 
auf  geben,  auep  ben  SBiberftrebenbften  auöübt.  (£ine 
Stimme  tion  potbeftem  Slangreij,  üon  befeettem  Stu §» 
brnef  unb  tiottenbet  üirtuofer  Scputung ; ein  Statu» 
reit,  ba§  ganj  SJinfif  ift,  ba§  an  @epör§feinpeit,  an 
Stuffaffungöleicptigfeit,  an  (Sebäcptniptreue  unb  in» 
ftinctitiem  Scpönpeitöfinn  feinet  ®teicpen  fuept ; ein 
bebeutenbeö  barftetlerifcpeö  Satent,  Scpönpeit  unb 
©rajie  ber  änderen  ©rfcpeinnng,  bie  lieben§würbigfte 
9rfatiirlicf)1£eit  be§  2Befen§,  bem  bie  tauterfte  @efang§* 
unb  Spietfreubigfeit  pell  au§  ben  Singen  lacpt  mtb 
teudptet:  ba  paben  Wir,  fo  Weit  bürre  SBorte  ba§ 
btüpenbe  Seben  ju  fepitbern  tiermögen,  ein  23itb  be§ 
beftridenben  (Sangen,  ba§  Slbetina  ißatti  peipt.  SDtan 
fragt,  ob  un§  bie  Sängerin,  bie  Scpaufpielerin,  bie 
fepöne  grau  am  eigentlidjften  gefangen  nimmt?  ©§  ift 


M 


251 


sr 


baS  untrennbare  fjarmonifcfie  ÜMteinanber , beffen 
Sßirfmtg  wir  atS  eine  überaus  i)armonifcf)e  empfinben. 

SKan  ^at  2Ibetina  ißatti  eine  9tacf)tigatt  in  Weib* 
tiefer  (Seftatt  genannt,  unb  in  ber  Xt)at,  fie  hat  jene 
f) ot)e  Stufe  erreicht,  wo  altes  Stinftticfie  aus  ber  ®mtft 
oerfchwuubeit  unb  biefetbe  jur  Statur  jurücfgefetjrt 
fdjeint.  2Bie  bie  SSöget  fingen,  bie  93tumen  buften, 
bie  Sterne  teuften,  weit  eS  eine  9totf)Wenbigfeit  ihrer 
9?atur,  fo  täfst  ein  innerer  füffer  Swang  i£)ren  Sippen 
SSotjttaüt  entfct)Weben ; fie  fingt,  weit  es  it)r  SebenS* 
bebürfnif?,  weit  fie  muff  unb  nicht  anberS  fann.  Sn 
if)rem  ©efang  ftingt  alte  Suft  unb  Seligfeit  auS,  bie 
fie  in  itjrern  23eruf  empfinbet.  SSaS  Sßunber  Wenn  fie 
barnit  eine  magnetifche  ®ette  um  beit  |wrer  fcEftingt? 
Unb  wie  fouüerän  fc^attet  fie  int  S8ereic£)e  ifjreS  hoffen 
fitberf)etten  Soprans , ber  fief»  mit  feinem  nicfjt  über* 
großen,  aber  nnfägticf)  fpmpafhifchen  ^tang  in  unfer 
Otjr  unb  §erj  fchmeichett.  ®aS  H in  ber  Xiefe, 
baS  breigeftridfene  F in  ber  |)öf)e  finb  feine  ©renjen, 
unb  innerhalb  berfetben  giebt  es  wotjt  feine  SSirtuo* 
fenfünfte,  betten  fie  nicht  fpieteub  unb  mit  tädfetnben 
Sippen  geböte,  Sotoraturen  unb  dritter,  Scateit  unb 
oerwegenfte  Sprünge,  Staccato  unb  Segato,  EreScenbo 
unb  SDecreScenbo,  atte  bpnantifcheit  Sctjattirungen  giebt 
fie,  ftetS  in  unfehlbarer  9teinf)eit  intonirenb,  in  ptafti* 
fetjer  ißoltenbung  wieber,  unb  iffrefühnen  ißaffagen,  ihre 
cofetten  XonarabeSfen  btenben  ben  überrafdhten  £>örer 
nicht  minber  als  ihn  ber  Sdfntetä  ihrer  Eantitene  ent* 
jiteft.  freilich  ift  fie  je|t  bie  einzige  nttb  Ie|te  San* 
gerin,  welche  noch  int  oottftänbigen  23efi|  ber  Xrabi* 
tionen  beS  Ütoffini’fchen  ©efangftitS  ftelft*).  unb  nicht 
umfonft  bejeidjnete  fie  SS.  öon  Senj,  ber  ruffifefje 


(Hoffini  felbji  jlubirte  if>r  bie  Partie  ber  „6emirami$"  ein. 


JA 


252 


■ ~~~~ 

SJhtfiffritifer  itnb  93eetf»oüen=©foffateur,  als  ben  ,,^§o= 
gattini  ber  SSo catöirtu ofität . ' ' 

Slbelina  ißatti  ift  feine  Sängerin  im  großen  Stil, 
gür  ba§  ^»eroifdje , £od)bramatifd)e  warb  Weber  ißrc 
äußere,  nod)  ißre  fünftlerifdfe  ißerfönlidffeit  gefcßaffen. 
2)iefe  Heine  jartgebaute  ©eftalt,  bteS  lieblicße  2Intlib 
unb  finblicße  SBefen , bieje  ßolbe  Ieicf)t6efdf»wingte 
Stimme  unb  gefammte  fünftlerifcße  ©igenart  fügen 
fidi  bem  weiten  dtaßmen  ber  großen  tragifcßen  Oper 
nid)t  naturgemäß  ein,  fie  oerlangen  nadf  einer  engeren 
Raffung  unb  Weifen  ißre  ©igentßünterin  bielmeßr  auf 
bie  SDarftetlung  beS  ^eiteren,  Sftaiben,  auf  ßalbernfte 
©ßaraftere  f)in.  ©reift  bie  reijenbe  ®iba  in  neuerer 
3eit  mit  Vorliebe  nacß  Aufgaben  entfliehen  bramati» 
fc^en  ©eßrägeS,  fo  entfpringt  foldje  Sßaßl  meßr  ber 
Saune  als  bem  inneren  ©ebot ; baS  ftarf  Seibenf(f»aft= 
ließe,  baS  Sragifcße,  ©ewaltige  geßt  über  i£>r  pf»t)fi= 
fcßeS  unb  pfßcßifdjeS  Vermögen.  @S  ftetjt  ißr  nicßt 
woßl  an,  auf  bem  ®otßurn  übfelßomene’S  einßerp» 
fcßreiten.  Sfire  §anb,  geraffen  bie  931umen  aufju» 
nehmen,  welche  ©egciftentng  üor  fie  fiinftreut,  oermag 
bie  tragifdße  SBaffe  nicßt  ju  regieren.  Sfw«  läcßelnbe, 
tßränenlofe  ®unft  fann  itnS  woßl  ergäben  unb  ent» 
jüden,  nicßt  aber  rüßren  unb  ergreifen.  2)aS  2In» 
mutbige  beftimmte  ißr  Statur  al§  eigenfteS  9feicß,  bamit 
fie  als  Königin  barin  ßerrfcße.  „Sßr  ©eitre  ift  Hein, 
bodj  fie  ift  groß  in  ißrem  ©enre“,  baS  geflügelte  SBort, 
baS  einft  bie  ©atalani  üon  §enriette  Sontag  gefßrocßen, 
leibet  and)  auf  ülbelina  ißatti  oolle  HnWenbung.  Sie 
ift  feine  groß  organifirte,  and)  feine  auf  baS  Sbealc 
gerichtete  Sünftlernatur.  9?icßt  Wie  etwa  ißauline 
©arcia,  !yennß  Sinb,  mit  bem  ßeiligen  ©rnft  beS  ißro» 
bßeten,  ben  eS  fpoßeS  unb  £)öcßfteS  ju  fünben  treibt, 
erfaßt  fie  itjre  fünftlerifcße  SCRiffion.  Sie  fingt,  weil  e§ 


W ' * 

ipre  2uft  unb  Sreube  ift,  weil  fie  bie  Statur,  iprer 
fetbft  faft  unbetoupt,  in  bie  2lrme  ber  ®unft  gelegt. 
Cinfeitig  tnie  itjre  Begabung  ift  auep  ipre  93itbung. 

Sie  Rotieren  Stagen  ber  ÜOtenfcppeit  taffen  fie  äugen* 
fdpeinticp  !att  unb  unberührt ; ja  £>an§ticf  erjäptt,  tnie 
er  nergebenä  nerfucpte,  nur  ba§  atterbefcEjeibenfte  tite= 
rarifcpe  Sntereffe  in  ipr  p tnecfen , tnie  ipr  feibft  für 
bie  fepticpte  ißoefie  eine§  Sßoj’fc^en  9toman§  jegtidpeg 
SSerftänbnip  mangelte,  ©efang  unb  33üpne , SBeifatt 
unb  ©etoinn : ba§  finb  bie  Stufen , um  bie  fiep  ipr 
Öeben  au§feptiepticp  bemegt.  2Ba§  fümmert  fie  tneiter? 

Slber  toopt  gerabe  in  biefer  Chtfeitigfeit  reifte  ipr  bie 
Srucpt  ber  SSottfommenpeit  in  iprer  lünftterifepen 
Sppäre.  SDiit  ber  ÜDlüpfat  be§  Sernen§  unb  ber  Strbeit 
auperpatb  berfetben  pat  fie  ipren  grajiöfen  S'opf  nie 
ernftpaft  befcptnert,  ja  feibft  ba  machte  e§  ipr  bie  gütige 
töorfepung,  bie  biefe  ppänomenate  Begabung  in  ipre 
®epte,  ba§  imputfioe  ntufiMifcpe  SSefen  in  ipre  (Seele 
pineinbitbete,  teicpt.  ©teicpfam  non  feibft  auep  eignete 
fiel)  ipre  angeborene  gungenfertigfeit,  oom  mufifalifd^= 
ften  Dpr  unterftüpt,  bie  Spracpett  an,  mit  benen  ipre 
Steifen  fie  non  früp  an  in  töerüprung  braepten.  &e= 
fällig  bereitete  ipr  eben  ba§  ©efepid:  ipre  33apn.  SßucpS 
fie  niept  auep  fepon  burep  (Geburt  unb  Sinbpeit  in  ba§ 
ipr  natürlidpe  Ctement  pinein,  in  bem  ipr  tnoptig  ift 
tnie  bem  Sifcp  im  SBaffer,  bem  Sßoget  auf  bem  tßaum? 

Stbetina  ^Satti  ift  ein  Speaterfinb.  Sie  33üpne, 
ber  ©ttern  tnanbernbe  §eimat,  ift  auep  bie  ipre ; bem 
lünftterifepen  ßigeunertpum  gepörte  bie  mufilbegabte 
Samitie  an.  Ser  au§  Catania  in  Sicitien  ftammenbe 
Satnatore  ißatti,  ber  tßater,  tnar  ein  tücptiger  Seno* 
rift.  *)  Seine  ©attin,  bie  Stömerin  Caterina  geborene 


*)  (Sr  ftarf)  im  2iugufl  1869  $u  $ari3. 

Sa 


254 


¥ “ " 

Kfjiefa,  Warb  unter  beut  bauten  itjreS  erften  (Satten 
töartUi  at§  Sängerin  in  Italien  fo  gefeiert,  baff  fie  — 
Wie  |>an§tid  in  feinen  Ifier  mannigfad)  benähten  30^it= 
Leitungen  über  Slbetina*)  erjäfjtt  — fogar  bie  Kifer= 
fucf)t  ber  (Srifi  rege  machte  unb  biefe  nief»t  wieber  in 
berfetben  Stabt  mit  itjr  auftreten  wollte.  üJtufifatifd) 
waren  alte  ibjre  Sin  ber.  Sie  ältefte  Softer  Amalie, 
bie  nadfmatS  ben  Smprefario  Strafofdf  heiratete,  be= 
fajf  eine  fcEjöne,  ilfr  leiber  nur  ju  halb  oertoren  gelfenbe 
ÜJtejjof obranftimme.  Sie  jWeite  SdfWefter  Sartotta 
bitbete  ficfi  jur  Statoierfpieterin  au§.  Srft  fpäter,  nadj= 
bem  man  audf  in  if»r  einen  Rolfen  Sopran  entbecfte 
unb  bie  ©rfotge  5tbetinen§  fie  aufforberten,  ilfrem  93ei= 
fpiet  ju  folgen,  tiertaufdfte  fie  bie  Karriere  ber  8nftru= 
mental*  mit  ber  ber  (SefangSbirtuofin,  at§  Wetdfe  fie 
aucf)  in  ben  beutf^en  Soncertfäten  bie  9tunbe  madfte. 
Ser  93ruber  Karto  enbtidj  warb  SSiotinift. 

2tu§  biefem  (Sefd)Wifter=Srio  warb  am  10.  gebr. 
1843  ein  Quartett,  afö  Stbetina  um  bier  Ulfr  9tad)* 
mittag^  — fo  befagt  ba§  Saufjeugniff  Sofef  Soffaba’S, 
SSicarS  ber  fßfarrfirdfe  junt  Zeitigen  Subwig  — ju 
SOtabrib,  Wo  bie  Kttern  wälfrenb  ber  itatienifcbjen  Sta* 
gione  fangen,  auf  bie  SBett  tarn.  2ln  ber  ©rjietjung  ber 
Süngften  mufften  bie  älteren  (Sefdfwifter  mitfjetfen,  als 
bie  ffamtlie  batb  barauf  nad)  9teW=?)orf  überfiebette,  unb 
faum  fünbigten  ein  trefftidfeS  (Sef)ör  unb  bie  fangeS* 
tuftigfte  ®ef)te  SlbetinenS  mufifatifdje  Begabung  an,  at§ 
bie  SdfWefter  Kartotta  itfr  im  SXabierfpiet,  ber  ©tief* 
bruber  Saritti  — ein  tüchtiger  Sänger,  ber  audf  fein 
Stieit  Oon  bem  gamitientatent  geerbt  fjatte  — im  (Se= 
fang  ju  Selfrern  beftettt  würben,  (Sans  fpftematifd), 
nid^t  fpietenb  ober  fprungweife  unterrichtete  ber  teuere 


*)  ÜJtufifalxfcfye  Stationen.  Berlin,  £ofnxann  & (Sorap.  1880. 


255 


<r 


feilte  Keine  Schülerin , bie , ein  fünfjähriges  ®inb, 
fdjon  tion  uuwibcrftefjfid)er  93cttfif=  ttttb  Xheaterfitft 
Befeffen  war.  geben  2lbenb,  fo  oft  bie  ÜDiutter  fang, 
fafj  fie  in  ber  Dper.  „gebe  ÜDiefobie,  jebe  ^Bewegung", 
ergäbt  fie,  „prägte  fidh  ntir  unöergefjfidj  ein.  SBentt 
icf)  bann,  nacfj  fpaufe  gefommen,  ju  93ett  gebracht  tnar, 
ftanb  ich  fjeintfidj  tnieber  auf  nnb  fpiefte  beim  Schein 
be§  SiadjtfämpchenS  alle  bie  ©eenen,  bie  icf)  im  STfjea» 
ter  gefefjett,  für  midj  nach-  Sin  rotljgefütterter  fOcantef 
meines  ißaterS,  ein  alter  geberfjut  ber  SOlutter  bienten 
mir  als  tiiefgeftaftigeS  Softiim,  nnb  fo  agirte,  tanjte, 
gmitfeherte  idj  — barfuß,  aber  romantifd)  brapirt  — 
affe  Dpern  burdj." 

„SineS  SlbenbS",  fo  berichtet  SlbefinenS  93iograpf) 
^fieobore  be  ®raüe,  *)  „nach  einer  2luffüf)rung  ber 
„ffforma“,  Weldje  ben  Darfteffern  SBeifatt  nnb  Söfttmen 
in  güffe  eingetragen  hatte,  macht  fid)  bie  eben  auS  bem 
Xfteater  f)eint^e^)ren‘5e  Sfbeüna  ben  Sfugenbficf  jtt 
ifhttje,  wo  ifjre  gamifie  bei  ber  Sfbenbmahheit  tier* 
fammeft  fi|t,  um  fief)  in  baS  Zimmer  ber  Butter  ju 
fcfifeidjen.  f?ier , Wo  fie  fief)  unbefaufdjt  nnb  fiefher 
glaubt,  hüllt  fidj  bie  faum  fechSjährige  kleine  fo  gut 
e§  eben  gehen  Wifi  in  ein  SSetttud),  fe|t  fid)  eine  Krone, 
eine  alte  Dropljäe  ber  ÜDlutter,  auf  nnb  ftimmt,  fid) 
öor  bem  Spiegel  feierlich  in  fßofitur  ftetlenb,  bie  @in= 
gangSarie  ber  fftorma  mit  bem  ganzen  @rnft  einer 
Debütantin  an,  welche  bie  3uhöver  in  ©ntjüdeit  jtt 
oerfe|en  erwartet,  fftad)  SBeettbigung  ber  SIrie  fpieft 
fie  fefber  ihr  2fubitorium,  Hatfcht  fid)  ungemeffenett 
föeifaff,  nimmt  fich  bie  Krone  öon  ber  Stint  nnb  Wirft 
fie  fid)  fefber  Wieber  ju,  um,  inbem  fie  biefefbe  auf = 
hebt,  bie  gragiöfeftc  Sßerneiguttg  ju  berfudjen,  mit  ber  je 


Biographie  cFA.  Patti.  Paris,  Castel.  1865. 


JA 


251  > 


■^1 


eine  ®ünftlerin  bent  ißublifutn  banMe.  So  fih  immer 
unb  immer  toieber  tierneigenb  unb  babei  mehr  unb 
mehr  zurücfweihenb , erreicht  fie  ertblicf»  bie  ©hitr, 
hinter  ber  bie  ÜDtutter,  bie  if)r  oerftot)ten  gefolgt  war, 
ficf)  tierborgen  unb  äße  ©etailS  ber  Scene  beobachtet 
hatte." 

gür  bie  §utbigungen  ber  SDienge  war  Slbelina  eben 
geboren,  unb  ben  SöeifatI,  bie  dränge,  Wethe  ber  %t-- 
genftanb  ihrer  erften  ©räume  Waren,  faf)  fie  fih  halb 
genug  in  SBirMihteit  gereiht.  Sßann  begann  je  eine 
Sängercarriere  fo  frühzeitig  als  bie  ihre?  freilich  „ber 
ütioth  gehorchenb , nidt»t  bem  eignen  ©rieb",  trat  baS 
®inb  zunächft  in  bie  Öffenttichfeit  hinaus. 

©er  Smprefario  ber  italienifhen  Dper,  welcher 
Saltiatore  ißatti  unb  feine  Gattin  angehörten,  machte 
Söanferott  unb  tierfchwanb,  ohne  bie  Shulb  ber  riicf = 
ftänbigen  (Sagen  ju  tilgen.  Sn  alle  SBinbe  tierftreute 
fih  bie  ©rupfe.  SJtit  bem  fehlenben  (SrWerb  aber  trat 
an  Stelle  ber  früheren  SSehaglichfeit  halb  fftott)  unb 
Sorge  in  Saltiatore  ißatti’S  §auS.  „(Sin  Stüd  nach 
bem  anbern  trug  er",  fo  erzählt  ülbetina,  „in’S  2eii)hauS 
unb  muffte  manchen  ©ag  nicht,  Wotion  Wir  am  nächften 
leben  würben.  Sh  aber  tierftanb  Wenig  tion  aüebem 
unb  fang  barauf  loS  tion  früh  fu3  Slbenb.  ®a  würbe 
ber  23ater  aufmerffam  unb  geriett)  auf  ben  (Sinfatl,  ih 
lönnte  mit  meinem  hellen  Äinberftimmhen  bie  Santilie 
aus  bem  fhlimmften  ©rangfal  retten.  Unb  ©ottlob ! 
ih  rettete  fie  auh." 

Sieben  Salme  alt,  betrat  baS  Meine  SBunber  „mit 
ber  ganzen  Suft  unb  Unbefangenheit  beS  ÄinbeS“  in 
■Jtew=j!)orf  ben  (Soncertfaal,  unb  „eS  gab  Bulauf  unb 
93eifatt  in  Sülle."  SSar  bie  (Soncertgeberin  auh  uoh 
fo  Mein,  baff  man  fie  auf  einen  ©ifdj  neben  baS  (£ta= 
tiier  fteüen  muhte,  bamit  bie  Buhörer  fie  nur  fehen 


fia  SDtara,  (Stubienföpfe.  Y.  257 


17 


tonnten,  lucir  fie  noch  fo  wollig  finbifdj,  baff  man  fie 
nidjt  offne  ifjre  ißuppe  auf  bie  (Sftrabe  f)erau§jubringen 
oermodjte:  ihre  gertigfeit  mar  Bereits  eine  fo  merf» 
mürbig  gereifte,  bafj  fie  mit  ben  fcljmierigften  Eotora» 
turarien,  itnb  jtoar  juerft  mit  »Una  voce  poco  fä«  au§ 
bem  „93arbier"  bebütirte,  ba§  fie  genau  mit  benfetben 
Verzierungen,  mit  benen  fie  e§  tjeute  noch  fingt,  au§= 
führte.  2ttt’  bie  oerpfänbeten  Kleiber  unb  <Sc^imutf= 
ftücfe  manberten  nun  juriict  in’§  §au§,  unb  mit  ber 
Sorge  fjatte  e§  ein  (Snbe.  Ter  Schafs,  ben  bie  gütige 
Statur  in  2tbetinen§  Reifte  gelegt,  trug  in  aller  grüfje 
fcfion  reiche  ginfett.  Sn  alten  §auptftäbten  ber  Ver» 
einigten  Staaten , an  ben  Ufern  be§  mejnfanifdjen 
tüteerbufenä,  auf  ben  Slntitfen,  an  ben  $eftaben  be§ 
füllen  0cean§,  mo  man  bie  Steine  umherführte,  fe|» 
ten  ficE)  bie  erften  ittem^orler  Erfolge  fort.  Slben» 
teuer,  Eefafjren  unb  Unbequemtiddeiten  gab  e§  mät)= 
renb  biefer  Steifen  jur  Genüge  ju  beftet)en.  Sange 
Strecfen  ber  entlegenen  unmirtf)ticf)en  Eegenben,  bie 
3tbetinen§  erfter  Sroberung§pg  einfchtofj,  fonnten  nur 
reitenb,  ju  fßferbe  ober  auf  SDtautthieren,  prüdgetegt 
merben.  (Sin  furchtbarer  Sturm  ereilte  fie  auf  bem 
SSeg  nad)  (Suba,  unb  in  Santiago  be  (Suba  unterbrach 
ein  (Srbbeben,  ber  üerfjcingnifmolle  Vorbote  einer  ent» 
fetstichen  ®ataftropf)e,  metdje  jmei  Tage  ff>äter  bie 
Stabt  in  einen  Trümmerhaufen  oermanbette,  Stbeti» 
nen§  Eoncert.  Söei  attebem  bemährte  ba§  neunjährige 
Sinb,  banf  ber  Sorgtofigfeit  ber  ®inbf)eit  unb  ber 
gläubigen  3uoerfidjt  auf  feinen  Stern,  einen  uner» 
fchüttertidjen  ÜDtutf) ; fobafj,  fo  er§äC)£t  ihr  Biograph 
be  @raoe,  „bie  Heine  §epe",  toie  man  bie  tapfere  Heine 
Sünftlerin  nannte,  ber  nicht  eben  fehr  anfgeHärten 
Veüötferung  ißortorico§  gerabep  at§  ein  übernatür» 
tid)e§  Sßefen  galt. 

5fc.  M 


25S 


»y*  — v" : 

$rei()iinbert  Goncerte  fjatte  Stbetina  im  Sauf  zweier 
2Bauberjat)re,  ohne  Sd)äbigung  ihrer  aufdfeinenb  jar= 
ten  unb  bocf)  fo  wunberbar  etaftifdfen  Stimme  gegeben. 

Stun  gönnte  man  if)r  einige  3abre  ber  Stutze  unb  3u= 
rüdgesogenffeit,  um  fid)  für  ba§  $iet  it)rer  SBünfdfe : 
bie  $8üf)ne,  oorjubereiten.  SSRittlertoeile  war  SCRorife 
. Strafofcf),  ein  Öfterreic^er,  ber  atd  Gtaöierfpieter  nacf 
Stew^orf  laut,  ber  ©atte  ihrer  Sd)wefter  unb  in  ®e= 
meinfcbaft  mit  Uttmann  Swprefario  ber  bortigeit  i.ta= 
tienifctjen  Dper  geworben.  Gr  feilte  groffe§  gutrauen 
in  feine  Heine  Schwägerin,  bie,  obwot)t  erft  fecEi^eljn 
Sabre  alt  unb  — Wie  fie  fid)  fetber  fcbitbert  — „ber 
gigur  nach  noch  ein  ®inb",  bei  brennenber  %tya\tx-' 
paffion  unb  ohne  eine  Stauung  bon  Sampenfieber,  nid)t 
tanger  mehr  mit  bem  Stuftreten  in  einer  Dper  warten 
wollte.  ÜDtod)te  fic^  Uttmann  aud)  junäcbft  noch  fo 
fef)r  bagegen  fträuben,  einer  Slnfängerin  gteid)  eine 
£>aubtrotte  §u  überlaffen  (bon  ^Weiten  Partien  wottte 
Stbetina  nun  einmal  nidfts!  böten):  e§  gelang  Strafofd) 
bocb,  bie  Siebenten  feines  Kompagnon^  ju  befcbwid)5 
tigen,  unb  am  24.  Stoöember  1859  ging  Stbetina 
Statti’3  Sonne  at§  »Lucia  di  Lammermoor«  ifi  SteW» 

|)ort  am  53übnent)immet  auf.  Sortan  war  if>r  Seben 
nur  ein  großer  Xriumbbäug  bur<b  bieSBett.  Stt§  Stofine 
im  „SSarbier"  unb  at§  „Sonnambuta"  börte  man  fie 
bann  noch  in  SteW=ft)orf.  (®ie  Stofine  blieb  übrigeng 
bie  einzige  Partie,  bie,  taut  ihrem  eigenen  geugnib, 
Strafofcf),  ben  man  für  ihren  erften  unb  augfcfjtiefj» 
tidien  Selber  bätt,  i^r  einftubirte,  wäbrenb  er  fid)  bei 
ihren  Steifen  in  Guro^a  barauf  befd)ränfte,  ihre  Stötten 
mit  it)r  ju  wieberboten.)  SltS  „9tad)tWanbterin"  and) 
erlebte  fie,  ttacbbem  fie  ba§  ncidjfte  Sal)t  auf  ©aftfpieH 
reifen  in  93ofton,  ißbitabetpbw  unb  anberen  großen 
Stabten  ber  Union  tterbracbt,  ihren  erften  bebeutfamen 

IIl  ••  M 


259 


17* 


(Srfolg  auf  europäifcber  @rbe.  2(m  21benb  iJjre§  erften 
GrrjcbeinenS  auf  bem  ©oüentgarben^’fieater  in  Bonbon 
— eS  mar  am  14.  SJiai  1861  — bem  englifdjen  ißu- 
blilum  noch  eine  üolßommen  unbefannte  (Sröfje,  „er* 
toaste  fie  am  anbern  SKorgen  Berühmt“,  mie  meilaub 
Sorb  23t)ron.  ®aum  jeljn  Minuten  batte  bie  anfangs 
fremb  unb  fühl  Smpfangene  auf  ber  S3üf)ne  geftanben, 
als  baS  tpauS  bon  bonnernbem  33eifall  mieberbröbnte, 
ber  fidj  im  Verlauf  beS  SlbenbS  noch  fortmäbrenb  ftei= 
gerte  unb  bei  jeber  folgenben  SSorftellung  (and)  als 
Bucia,  SSioletta,  .Qerline  („®on  Suan") , 3?lartt)a,  Sto= 
fine  jeigte  fie  fid})  mieberfmlte.  „Schon  bei  ber  jmeiten 
SSorftellung",  eS  in  einem  Sonboner  ülrtifel  ber 
„Signale"*),  „tnar  bie  Aufregung  fo  grof?  mie  einft, 
als  Sennt)  Sinb  unb  bie  211boni  miteinanber  metteifer* 
ten.“  „!3br  Segato",  fcbreibt  man  meiter,  „ftebt  bem 
Staccato  nad)  unb  öielleidft  fingt  fie  im  (Sanjen  etmaS 
ju  biel  mit  Jftopf*  ftatt  mit  SBruftftimme ; aber  ibr  2ln* 
fa|  ift  ausgezeichnet  unb  ibr  XriHer  unöergleic^licf). 
Sie  mirb  fcbmerlid)  je  als  tragifcbe  Sängerin  ejcelliren, 
als  Iprifcber  Sopran  aber  biirfte  ibr  gegenmärtig  91ie= 
manb  ben  iRang  ftreitig  mailen. " 

2We  tpauptftäbte  (SuropaS  trachteten  nun,  fid)  ber 
neuen  ^Berühmtheit  ju  öerficbern.  Siadjbetn  fie  im 
2>ecember  1861  in  Berlin,  barauf  in  Trüffel,  §oHanb 
unb  mieberurn  in  Sonbon  — mo  fie  feit  ihrem  erften 
©aftfpiel  bis  auf  biefen  £ag  aüjäfirlicf)  ben  gefeierten 
SUlittelpunlt  ber  Royal  italian  Opera  bilbet  — ihre 
Grroberüngen  fortgefefct  batte<  marb  fie  am  17.  9lo* 
Oember  1862,  faum  im  Theätre  italien  evfcbeincnb, 
auch  „baS  lybol"  ber  ißarifer,  bie,  ihrer  fcfion  im  ?ftüc£= 
gang  begriffenen  (Proben  Sllboni,  SUlario,  gre^olini 


*)  1861,  9tt.  41. 


V 


.v» 


260 


altgemach  überbrüffig,  jid)  oott  Gntjüden  beut  Steige 
biefer  frifdjen  Stimme  tjingabeit.  Stieb  bie  Segeifte» 
rung  ber  granjofen  auch  tjiitter  bem  tjodjgrabigen 
Fanatismus  ber  Söhne  SltbionS  jurücf,  bie  einen 
eigenen  G^trajug , eine  eigene  ©ampffcfjifffahrt  bon 
Sonbon  nach  fßariS  oeranftatteten,  um  bem  erften  Stuf» 
treten  if»re§  SiebtingS  in  ber  §auptftabt  FranfreidiS 
beijuwofpten:  über  ®attbtütigfeit  ber  ißarifer  burfte 
ber  festere  nicht  Magen,  mie  benn  gar  batb  baS  be» 
jeidjnenbe  Sonrnot  courfirte:  »Le  jeu  de  la  Patti 
triomphe  de  l’apathie  du  public.« 

„Sttan  fp  rieht  nur  noch  bon  Slbetina  tßatti",  fdpreibt 
Scubo,  ber  befannte  SJtufiffchriftftetter,  „bon  ihrer  Sin» 
mutt)  unb  lyugenb,  ihrer  fd)önen  Stimme  unb  ihrem 
wunderbaren  SnftinM,  ihrer  Srabour  unb  it»ren  SDtie= 
nen  eines  bezogenen  ®inbeS.  Statürtich"  — fo  geidEjnet 
biefelbe  Feber  baS  Silb  ber  Gefeierten  — „fie  ift  eine 
reijenbe  iß^fon  mit  itjrer  Meinen  ebenfo  fdtitanf»  als 
wohlgebauten  Geftatt.  SDtettr  noch  ots  Schönheit 
gtänjen  Geift  unb  Seben  in  ihrem  Slngefidjt.  ^hre 
* auSbrudSbotlen  $üge  finb  burth  jwei  fd)öne,  neugierig 
btidenbe  Stugen  erhellt  unb  baS  Ganje  bon  fchwarjem 
üppigem  <paar  gefrönt  . . . 2)iefe  Stimme  mit  ihrem 
gtänsenben  metattifdjen  Ximbre,  ber  baS  £>hr,  wie 
eteMrifdjeS  Sicht  bie  Singen,  trifft,  ift  bon  wunberbarer 
Gefchmeibigfeit,  unb  bie  junge  Sängerin  mad)t  bamit 
alles,  was  fie  Witt.  ®ie  biatonifche  unb  djromatifche 
Tonleiter,  Slrpeggien  alter  Slrt,  Staccato,  bie  gefätjr» 
tichften  Sprünge,  ber  Triller  jumat,  ben  fie  trefflich 
borbereitet  unb  wie  einen  Sidjtftraht  in  finfterer  Stacht 
lang  funfetn  tagt , alte  fünfte  ber  Socatifation  Werben 
burch  Sräutein  tßatti  mit  tädjetnben  Sippen  unb  ohne 
bie  minbefte  Stnftrengung  auSgefüfwt.  Sie  fingt  mit 
Feuer,  $ug,  jugenbtic^er  SBärme,  bie  ben  tpörer  fofort 

* 


261 


padt  unb  bienbet.  Sie  fptelt,  wie  fie  fingt,  mit  Sühn* 
heit  unb  ohne  bie  minbefte  Befangenheit.  Sie  ift  ftet§ 
boßfomtnen  bei  ber  «Sache,  ihr  ©efidft  fpridjt  fortmäh' 
renb  unb  geigt  immer  bie  ©efühlSnüance,  bie  gerabe 
auSgebritcft  merben  fott.  2lbetina  ißatti  ift  eine  fettene 
Drganifation , eine  ber  reidjften , üietüermögenbften 
Sünftternaturen.“' 

(Sleicf)  ber  ißrofa  be§  Sriti!er§  hu^bigt  ihr  auch  bw 
ißoefie  be§  S)id)ter§,  unb  ©harle§  ©otignt)  befingt  fie 
in  bem  Sonett: 

Es-tu  le  rossignol,  la  rose,  l hsirmome, 

Jeune  divinite  du  ciel  italien? 

Es-tu  l’amour,  l’esprit,  le  charme,  le  genie, 

Etoile  aux  eclairs,  don  de  lart  cecilien? 

0 diva  radieuse ! 6 musique  intime ! 

Tn  nous  suspends  ä toi  dun  celeste  lien. 

Tu  portes  dans  ton  eil  les  pleurs  d'Iphigenie, 

La  gaiete  de  Ninon  et  l’eclat  de  Tallien. 

Chante,  ö ma  Lucia;  chante  6 belle  Adeline! 
Tressaille  sous  ton  lys  et  sous  ta  mandoline, 
Respire  dans  ta  pourpre  et  dans  ta  floraison. 

0 brune  Adeline!  Comme  Venus  la  blonde 
De  la  pointe  du  pied  boit  l’ecume  de  l'oncle, 

Tu  sembles  une  fleur  qui  boit  une  chanson. 

2lucf)  in  Sßien,  Wo  bie  »divina  Adelina«  int  gebruar 
1863  eintraf,  um  mit  SQJeretti’g  ö^erngefettfdEjaft  bie 
gum  9Jtai  im  @arltf)eater  gu  gaftiren,  graffirte,  wie 
überall,  wo  fie  fid)  geigte,  gar  batb  ba§  „ißatti=3ieber". 
2Sar  man  bon  oornherein  auch  über  bie  gubringlicbe 
2Irt  ber  9tedame  miffgeftimmt,  bie  burdh  riefeugroffe 
2tnfd)taggettel  unb  mit  2Ibetiuen§  ßbnterfei  honbetnbe 
tpaufirer,  mit  hellen  'Srompetenftöfien  auf  ihre  (Srfdfei* 
uung  borbereitet  hotte ; moquirte  man  fid)  auch  tt>eib= 
Ii<h  über  bie  93equemli(f)feit  „ber  Keinen  ißatti“,  bie, 


. . * 

um  fidj  bie  Süiühe  ber  groben  ju  fparen,  ftets  Schwa* 
ger  Stratofeh  barin  für  fid)  fingen  unb  batb  Stmina, 
halb  9tofine,  halb  Sncia  ober  Merline  an  if»rer  Stelle 
fielen  liefe;  befannte  man  auch  unumwunben : „au§ 
ber  £iefe  fommen  ifere  ESone  nicht  unb  bringen  bafeer 
auch  nicht  in  bie  £iefe"  — ber  „ißatti*Schwinbet‘‘  trieb 
nicht  miitber  an  ber  Sonau  at§  juoor  an  ber  Xbentfe, 
an  ber  Spree  unb  Seine  feine  Sötüten.  Sa  wenig 
fehlte,  fo  hätte  ber  6ntfenfia§mu§  ber  SBiener  bie  jartc 
2)iöa  um’§  ßeben  gebracht.  2113  fie  einft,  nacfebem  fic 
at3  gute  fatfeotifcfee  ©feriftin  bei  einer  SDteffe  in  ber 
2tuguftiner!ircfee  Soto  gefangen,  in  iferenSBagen  fteigen 
Witt,  finbet  fie  fid)  ptöfeticf)  bergeftatt  umbrängt,  bafe 
fie  mit  jerriffenen  Steibern  unb  ofene  ihren  in  ben 
£>änben  ihrer  SSereferer  jurüdbteibenben  Schrnud,  ge* 
ftofeen,  faft  erwürgt  unb  vertreten,  in  ba§  benachbarte 
ißataig  SJiontecncuti  flüchten  mufe,  oor  Scfjred  faftofen* 
mächtig,  unb  mehrere  Sage  taug  unfähig  auf ju treten. 

©in  23ewei§  fettener  ©eifteSgegenwart  erwarb  ifer 
um  eben  jene  Seit  noch  erhöhte  Sfempatfeien.  93ei 
einer  SSorftettung  ber  „StacfetWanbterin"  gefcfeafe  e§,  bafe 
in  Sotge  eine§  ^tr>ifcf(enfalle§  ba§  Drcfeefter  ptöfetidj 
au§  bem  Xejt  tarn.  SDa  trat  2tmina  fcEjnett  entfdjtoffen 
an  ben  Souffteurfaften  oor,  fang  ihren  ißart  ohne 
Spiet  unb  fcEjtug  mit  ber  fmnb  fo  energifd)  unb  richtig 
ben  £act  baju,  bafe  ba§  Drdjefter  atSbatb  Wieber  in 
Harmonie  mit  ben  Sängern  War.  Ütaufchenber  Söeifatt 
lohnte  ber  jwanjigjäf)rigen  Sängerin  für  ihre  ©apett* 
meifterthat,  ohne  welche  bie  Scene  unrettbar  umge* 
worfen  Worben  Wäre. 

Sum  Sürftencongrefe , ber  im  Stnguft  1863  in 
granffurt  a.  $01.  tagte , tnb  man  „bie  SJiignon  ber 
ißrimabonnen"  ein,  ber  ©ataüorftettung  be§  „tBarbier" 
burch  ihre  SDlitWirfung  erhöhten  ©tanj  31t  tjerteifjcn, 

1 JS? 


263 


w 


~^4 


unb  bei*  (£rfte  ber  berfammeften  Potentaten,  Äaifer 
granj  !yofef  üon  Öfterreidf , ber  fie  fidj  f^äter  aucf) 
ju  feiner  Mmtmerfängerin  augerfor,  gab  ba§  (Signal 
ju  bem  fdfallenben  Slppfaug,  ben  if)r  fürftficfje  §änbe 
fpenbeten.  !ym  fetben  3a^r  fang  fie  aucf)  in  Surin 
unb  ÜDtabrib  unb  eroberte  ficf),  im  Übrigen  fcf)on  be= 
fannte  ©tragen  jictjenb , bantit  neue  Sänbergebiete. 
£>ocf)  wer  wollte  ihr  auf  affen  SSegen  folgen,  jeben 
ihrer  Triumphe  bezeichnen ? ©g  genügt,  ju  fagen, 
baff  man  if)r  an  einem  einzigen  Sfbenb,  bei  einer  2lb= 
fd)ieb§tiorfteüung  in  Neapel  (1877)  mehr  benn  taufenb 
Pouquetg,  barunter  bie  foftbarften,  mit  Schmucf  unb 
SJtafereien  bewerten , reichte , baff  man  in  Bologna 
ihren  -Kamen  mit  gotbenen  Settern  einer  üötarmortafef 
über  bem  £f)eaterportaf  eingrub  uub  fie  junt  SKitglieb 
ber  Academia  filarmonica  ernannte  — eine  Gfjre, 
welche  biglfer  nur  einer  grau:  SOiarie SCRalibran,  bor 
if)r  loiberfaf)ren  toar. 

§ezengfiege  feierte  fie  babei  fortwälfrenb  neben 
ben  fünftferifd)en,  inbeff  ifir  eigeneg  §erj  faftunb  un= 
bewegt  blieb  unb  fie  über  bie  (Schwärmereien  ihrer 
Verehrer  fpottete.  Saf;  ein  befgifdfer  Paron,  ber  if)r 
überafffn«  nadEjreifte  unb  auf  Schritt  unb  Stritt  folgte, 
ohne  baff  einer  feiner  fiebeflehenben  SSriefe  beantwortet 
warb,  bei  ben  Sonboner  ©ericfjten  eine  Mage  gegen 
ihren  Pater  unb  Schwager  anftreugte,  weif  biefefben, 
wie  er  infolge  einer  coquetten  SKpftification  feineren* 
gebeteten  bermeinte,  fie  in  tprannifcher  ©efangenfcffaft 
hielten,  gereichte  ihr  fehr  jur  Pefuftigung.  2heater= 
finb  bom  Scheitel  big  jur  ©ohfe,  nahm  fie  bie  @m= 
pfinbungeit  beg  fperjeng  nur  afg  ein  unterhaftenb 
Spiel,  unb  währenb  fie  biefe  anbere  in  Stammen 
fe^te,  fannte  fie  felber  bie  Stuben  unb  Seiben  ber 
„groffen  Paffion"  nur  auf  ber  Püfnte.  2lu<h  afg  fie 


k= 


Jt 


264 


aer 


am  29.  Suli  1868  in  Sonbon  in  ber  ©apelle  ber  9 te* 
bemptoriften=2$äter  ju  Elappam  bem  Stallmeifter  beS 
brüten  Napoleon,  SCRarquiS  be  (£au£,  angetrant  tuarb, 
bem  SRitglieb  beS  $tofeß»©lnbS  unb  XppuS  ber  Parifer 
»jeunesse  doree«  fomit  ben  23orjug  bor  bem  genialen 
fötaler  $>ore , feinem  feurigen  ItRitbewerber,  gebenb, 
fpratfj  nicpt  baS  £erj,  fonbern  bie  Sippe,  ber  bered)* 
nenbefßerftanb,  bielleiept  aud)  bie  (Sitelieit,  ber  bie  pope 
Stellung  beS  ©rwäplten  fcpmeicpelte,  baS  Sa,  baS  ipre 
2ßege  ben  feinen  berbanb.  „ÜEReine  Xocpter,  bu  begeht 
einen  bummen  Streif",  patte  fRoffini,  im  ^inblid  auf 
bie  beborftepenbe  23ermäplung,  wenige  Monate  öor 
feinem  £obe  ju  feinem  Siebling  gefagt.  „(Sine  Sän* 
gerin  Wie  bu  fann  nur  einen  ®önig  ober  einen  — 
Sänger  heiraten !“  SReun  Sap^e  fpäter  aber  fpielte 
firf)  in  ben  Parifer  ©ericpten  ein  Proceß  jwifdjen  bem 
Gfpepaar  ab,  ber  oiel  bon  fidj  reben  machte  unb  im 
Stuguft  1877  mit  bem  SluSfprucp  ber  Scpeibung  enbete. 
Ütofine  patte  mittlerweile  ipren  2llmabiba  gefunben: 
ein  Sänger,  ber  SEenorift  ÜRiccolini,  opne  ben  fübelina 
patti  feitbem  nie  mepr  auftritt,  warb  nun  ber  Sönig 
ipreS  Ifer^enS. 

Sie  felber  pörte  amp  als  SRarquife  nicpt  auf,  bie 
Königin  ber  Sängerinnen  ju  fein.  SP^  ®emapl,  ber 
Sopn  ber  ^erjogin  bon  SSalmp,  war  ber  Swprefario 
SlbelinenS.  3Bie  früper  Strafofcp  feinen  „©olbfifcp“, 
begleitete  nun  er  fie  auf  ipren  beftänbigen  Steifen  unb 
ftricp  für  fie  bie  Honorare  ein,  bie  fiep  ju  immer 
fcpwinbelnberer  §öpe  fteigerten.  Sie  ergiebigfte  (Srnte 
pielt  fie  in  Petersburg,  Wo  fie  feit  bem  Smum*  1869 
eine  fReipe  bon  Sapren,  abwecpfelnb  mit  Paris  unb 
Sonbon,  regelmäßig  jur  Spernftagione  fang  unb  wo 
man  fie  bereits  bei  iprent  erften  föefucp  feitenS  beS 
§ofS  unb  ber  Slriftolratie  fo  reiep  befepenfte,  baß  naep 


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W — 

ilfrer  Stüdfeljr  nad)  $ari§  bie  gurfdjaufteßung  ber 
mitgebradften  Siamanten  unb  anberen  Sitweten  Stuf» 
fet»ert  erregte.  Sfjr  Sdjmudfdfrein  birgt  Slngebinbe 
aßer  ißotentaten  SuropaS,  unb  ilfre  befannttid)  aus» 
ertefen  fdfönen  33rißanten  repräfentiren  einen  fo  f)of)en 
SBertf),  baff  fie  biefetben  wäfjrenb  ifjrer  Steifen  ftetS 
unter  befonberen  gaoti§eiti(f)en  Sdfufs  ju  ftetten  pflegt. 

Stidjt  minber  bewunbert  man  in  ißaris  unb  Wo  immer 
bie  berühmte  Sängerin  erfdjeint,  ben  Sefdfntad  unb 
9teid)tf)um  itjrer  Soitetten,  unb  bie  Ißatti»@£pofitionen, 
welche  ber  bon  it)r  befd^äftigte  9toben»Stutofrat  Sßortf) 
beranftattet,  bebor  er  baS  bei  it)m  SöefteXtte  an  bie 
Sigentfjümerin  abtiefert,  erfreuen  fid)  ftetS  beS  Sit' 
tereffeS  unb  .gutaufs  ber  frönen  SGßett.  Sludf  baS 
SanSfouci,  baS  fict)  Stbetina  erbaut : Sdftofj  Craig-y- 
Nos  in  SBateS , Wofetbft  fie  fid)  bie  aßjäljrlidfe,  turj 
bemeffene  Stutje  gönnt,  ift  mit  fürfttidjer  tßrad)t  anS» 
geftattet.  @S  gefällt  if)rer  Sänger»äJtaieftät,  als  toelcfje 
fie  fetbft  bon  ben  f)öd)ften  gefeßfdfafttidjen  Greifen  ge» 
feiert  unb  umlfutbigt  wirb,  fid)  mit  altem  Su£uS  ju 
umgeben. 

Sie  barf  wof)I  berfdfwenben,  bie  fdföne  Stbetina, 
ift  i£)r  bod)  baS  SrWerben  fo  teicfjt  gemacht.  Sin  in» 
biScreter  Step  orter  rechnete  ifjr  bereits  1877  nad),  bafj 
fie  feit  33eginn  ifjrer  Sfiätigfeit  auf  bem  Sfjeater  fid) 
nic^t  weniger  als  12,500000  Francs  erfuugen  Ifabe, 
unb  Weid)  reiche  (Sotbminen  eröffneten  itjr  nod)  bie 
testen  $yat)re ! 32  Spiet»  unb  Singabenbe  ergaben  bei 
itjrer  testen  Steife  burd)  bie  Union  eine  SluSbeute  bon 
160  000  SoßarS.  Sur  bie  fedfSmonatticlje  amerita» 
nifdfe  Sonrnee  bon  1882 — 83  aber  bebang  fie  fid), 
abgefeftett  bon  aßen  erbenftidjen  Steifebequemtidfteiten, 
at§  abenbtidfeS  Honorar  5000  SoßarS,  baS  finb 
2'2  000  Francs.  SItS  ber  Swprefario  bagegett  jögernb 

' . M 


266 


einmanbte,  baff  bie  geforberte  Summe  50  000  S)otlar§ 
pro  tDtonat,  alfo  ebenso  tiiet  atg  bag  ganp  3al)te§  = 
eintommen  beg  fßräfibenten  ber  bereinigten  Staaten 
betragen  mürbe,  entgegnete  fie  tadfenb : „ÜJhtn,  fo 
taffen  Sie  bod)  ben  billigeren  ijßräftbenten  fingen !“ 

2tud)  bie  fünftterifcfien  <$aben,  bie  fie  im  gefettigcn 
Greife  fpenbet,  ift  fie  getooffnt,  fid)  in  fürfttidfjer  SBeife 
getotpt  p fetfen.  (Sinem  fßarifer  banquier,  ber  itjr 
ein  foftbareg  ©ottier  atg  Slugbrud  feiner  Santbarfeit 
fanbte,  lieft  fie  fagen,  2trmbanb  itnb  Dfirgetjänge  feien 
mof)t  aug  berfefjen  bei  if)m  prüdgebtieben,  fobajf  ber . 
SJtäcen  if)r  and)  biefe  nadjträgtid)  p ffrüffen  legen 
muffte.  Sft  2tbetina  für  itjre  Seiftung  jebocf»  nitfjt  ooit 
bornfierein  einer  ®egenteiftung  fidfer,  fo  te|nt  fie  jeb»  i 
mebe  Singpmuttpng  mit  itjrem  tiebengmürbigften 
Säbeln  ab.  „bringen  Sie  auch  SDfufifatien  mit?" 
fragte  fie  ein  berliner  £>ofcapet(meifter , nadjbem  er 
itjr  eine  Sintabung  p einem  berühmten  Später  über» 
bradjt  b)atte.  „Sßie  gern  tt)äte  idj’g",  lautete  bie  2tnt= 
mort,  „aber  id)  tjabe  rnerfmürbigermeife  nur  auf  ber 
bü^ne  Stimme,  Stufjerljalb  beg  tXtjeaterS  bin  id) 
oöttig  ftimmtog." 

£ro£  iljreg  uuauftjörtidjen  Untermeggfeing  muffte 
2tbetina  fßatti  itjr  töfttidjeg  Organ  tior  Überanftrengung 
ftetg  forgtidj  p magren.  28ie  fie  ben  £on  fetbft  im 
b)öc£)ften  Stffect  nie  über  fein  natürlichem  ÜDiaff , über 
bie  (Sren^e  ber  Sdmntjeit  Ijinaug  fteigerte,  mic  fie  bem 
bramatifdfien  Ütugbrud  p Siebe  fidf  nie  eine  gefang» 
tidje  Übertreibung  geftattete,  fo  fiat  fie  and)  in  anberer 
beriet) mtg  ftanbXjaft  jebem  .ßutiiet  gemehrt,  „bciemals 
in  meiner  Karriere“,  äufferte  fie  jüngft  nod)  fetbft, 

„tjabe  idj  öfter  atg  brei  b?at  in  ber  SBodje  gcfungcu, 
uttb  biefer  borfidft  fdireibe  idj  meine  üieten  Satire  beg 
Qrrfotgg  p."  ®ie  fluge  SCRä^igfeit  nnb  fetbft  auf 

M 


267 


Steifen  ftreng  feftgeljaltene  Stegelrnäffigfeit  it»re§  SebenS 
fant  baju,  um  im  23unb  mit  einer  feltenen  @unft  ber 
Statur  iE)r  bie  Sfugenblichfeit  unb  (Slafticität  ber 
Stimme  unb  ©rfchetnung  ju  bemahren,  ohne  melcfje 
bie  groffe  Sängerin  eines  ihrer  mäcfytigften  Steije  be= 
raubt  fein  mürbe,  ©o  nahm  ihr  bie  gludft  ber  3^it 
nichts  t)inmeg  bon  ihrem  $8efi|e,  nur  reifer  geftaltete 
fidj  berfelbe  noch  mit  ben  ^sab>ren.  2Bo  man  fie,  mie 
in  S)eutfd)tanb  unb  Dfterreid),  feit  langem  als  (Saft 
entbehrt,  fanb  man  fie  allfettig  mufifalifcf)  unb  brama* 
tifct)  größer  gemorben  beim  Sßieberfehen.  3U  größerer 
Süße  unb  Schönheit  mar  ifjre  ©timme  namentlich  in 
ben  tiefen  tJönen  aufgebläht ; merflich  gereift  mar  ihre 
ganje  ®ünftlerfd)aft.  tpatte  man  1862  tmn  ißariS  ge* 
fdjrieben:  ,,©ie  hat  mehr  errathen  als  gelernt",  fo 
ftanb  fie  gehn  3al)re  fßäter  auf  ber  §öhe  unangefoch* 
tenen  SDteifterthumS , eine  in  ihrer  Slrt  bollfommene 
Srfcheinung.  SßaS  einft  bie  fran§öfifc£)e  S'ritit  fo  bitter 
an  ihr  getabelt,  maS  ihr  auch  £ine  bielbelachte  SSoSlfeit 
ihres  ©öttnerS  Stoffini  eingetragen  — er  meinte,  als 
fie  einft  feine  9tofinen*21rie  mit  ©trafofch’S  „33erjierun* 
gen"  oerbrämt  fang,  bieS  fei  nicht  auS  feinem  „93ar* 
hier",  fonbern  auS  bem  »Barbier  stracochonne« — : 
ber  SSirtuofemÜbermuth,  beffen  fie  fich  oftmals  gegen 
ben  ©omponiften  fcffulbig  gemacht,  menn  fie  feinem 
SSerf  allerlei  mißlürliche  Schnürte!  anl)ing,  jetjt  mar 
er  einer  gemiffenhafteren  Sichtung  ber  borgefchrtebenen 
Stote  gemidfen.  3hre  Beinen  Unarten  bon  fonft  maren 
üerfchmunben , unb  in  ber  auSerlefenen  Reinheit  beS 
SluSbrudS  fucifte  fie  fegt  ihren  beften  (Sffect.  „@ie  ift 
fo  oollenbet",  fcfmeibt  ©jarbabt)  1880  mährenb  ihres 
(SaftffnelS  in  ißariS  (mo  man  fie  nach  erfolgter  ©<hei* 
buug  1879  jum  erften  SDtal  unb  mit  bem  alten  ®nt* 
jiicfen  bon  ehemals  mieber  hörte) , — „bah  man  bei* 


rtafje  glauben  füllte,  fie  ermübe  ihre  33ewunberer  eben 
burd)  if)re  S3olIenbung." 

©egeu  (Sing  nur  lernte  fid)  bie  ®ritif  alter  Sänber 
einftimmig  auf:  gegen  bie  ©rweiterung  beg  Stollen» 
fad)g,  in  ber  fid)  Slbelina  ißatti  neuerbingg  gefiel.  So 
anerfennengwerffj  bag  Streben  ttad)  neuen  fielen  unb 
Aufgaben  fd)ien,  fo  reichte  bo«^  it)r  Söunfef) : „feine  blofse 
SSuffa  ju  fein",  ihre  SSorliebe  für  bag  groffe  tragifdfe 
©eure  nidjt  aug,  iljr  bie  SSebingungen  anjueignen,  bie 
allein  jur  Herrfdjaft  in  bemfelben  berechtigen.  2Bag 
half  alle  21rbeit  unb  ÜDtü he,  aller  SBiHen^tnang,  wo 
ihr  bie  Statur  non  üornherein  ben  5ßrei§  beg  ©elingeng 
unweigerlich  üorentfjalten  ? SSerlorene  Siebegmüh’ 
muhte  eg  fd)einen,  wenn  fie,  ton  ber  ber  Schöpfer  aud) 
ben  leifeften  Slnflug  Ijeeoifdien  SBefeng  fern  hielt-  alg 
»Giovanna  d’Arco«  mit  Helm  unb  §arnifd)  befleibet, 
an  ihr  tpelbentf)um  glauben  machen  Wollte.  Sie,  bie 
alg  Stoffini’g  Stofine,  alg  SJtojart’g  Merline,  alg  Sucia 
unb  SSioletta,  Storina  („Sion  ißagquale")  unb  Slbina 
(„Siebegtranf"),  alg  ©ilba  unb  2)inoraf)  auch  ben  faltblü» 
tigften  ftritiler  ju  enthufiaftifdfer  Sewunberung  ftimmt, 
fah  alg  Jungfrau  üon  Drleang  bie  SBaffen  ber  franjö» 
fifchen  -fßreffe  gegen  fidj  gefelfrt,  *)  unb  ihr  ©rfolg  fah 
einer  Stieberlage  ähnlich.  311g  ©lüira  in  SSerbi’g  ,,(£r» 
nani",  alg  Stalentine  in  ben  „Hugenotten",  alg  ©ret» 
dfen  im  „Sauft"  War  fie  um  wenig  glüdlid)er.  Sie 
fingt,  wie  Hanglid  ung  mittheilt,  bie  jwei  leijtgenann» 
ten  Stollen  mit  leibenfchaftlidfer  Vorliebe  — unb  ben» 
noch  fehlt  ihr  für  bie  eine  bie  aug  bem  Stollen  quel» 
lenbe  Seibenfdfaft , für  bie  anbere  bie  Snnigfeit  unb 
t£iefe  haft  unauggefprodjener  ©mpfinbung.  2)rum 
pfliiden  fich  in  9Jtet)erbeer’g  Dper  bie  Succa  unb  Sßilt, 


in  her  ©ounbb’S  Glfriftine  Rilgfon  unoergleidflich 
reichere  unb  gerechtere  Sorbeereit. 

(Sin  fanm  je  oerfagenbe§  ©ebädßniff  fteßt  Rbelina 
ißatti  ein  Repertoire  Don  34  Roßen  ju  (Gebote,  ohne 
bafj  fie  biefelben  ju  wieberlfolen  braucht;  benn  wa§ 
fie  einmal  gelernt,  bleibt  ihr  al§  eiferner  Seftanb  ju 
eigen,  ©ie  lernt  eine  neue  Roße,  inbem  fie  biefetbe 
jwei»  breimal  leife  am  Glarner  burdffingt ; einer  0r= 
dfefterprobe  bebarf  fie  nicht.  2luc£)  ihre  tägticfien  Übun» 
gen  nehmen , banl  ber  munberbareit  Schulung  i tfre§ 
0rgan§,  menig  3eit  in  Rnfprud)  — fie  befchränfen 
ficf)  auf  ein  l)albftünbige§  @olfeggien»@ingen.  Rie 
befragt  fie  ben  ©piegel  al§  Rathgeber  für  Übung  einer 
Riiene  ober  ©eberbe.  „®arau§  h0^  man  fid)  nur 
©rimaffen",  meint  fie.  3hreit  ©efang§part  ober  ben 
Glauierau§pg  ber  ju  fingeitbeit  Opern  führt  fie  auf 
Reifen  feiten  mit  fid).  Rur  Wenn  fie  eine  Roße  fahre» 
lang  nicht  gefangen,  wirft  fie  oor  bem  Ruftreten  einen 
Slid  hinein.  So  erjäl)lt  §an§Iid,  ber  fie  in  einer 
Rufführung  Don  „®on  ißagquale"  nach  bem  erften  Rct 
in  ihrer  ©arberobe  befuchte,  bafj  fie  plöfslid)  mitten  in 
ber  Gonüerfaiion  nach  einem  GIaüierau§äug  ber  £>per 
Derlangte.  „@ie  fchlägt  eine  ©teße  be§  jweiten  Rcte§ 
auf,  fingt  leife  jwei  £acte  unb  legt  ba§  Such,  in  ber 
angefangenen  GonDerfation  ununterbrodjen  f ortfah = 
renb,  bei  ©eite.  „2Sa§  War  ba§?“  fragte  icf).  „Ricf)t§. 
3>d)  tenne  bie  Oper,  in  ber  id)  Dor  einem  Salfr  julet^t 
aufgetreten,  üoßftänbig  au§wenbig;  aber  Dorgeftern 
habe  ich,  miß  ©ie  wiffen,  bie  „Sinba"  gefuitgen,  unb 
ba  fiel  mir  eben  ein,  baff  eine  ©teße  ber  Sinba  genau 
fo  anfängt,  wie  ein  ©ah  im  ^Weiten  Sinale  be§ 
„®on  ißalquale";  ich  wollte  nur  ber  Riöglid)feit  Dor» 
beugen,  etwa  in  ein  anbere§  Riotiü  ju  geraden." 
$ie3  ift  ber  einzige  Saß  einer  momentanen  Ilnficfier» 


ipr—  -* 

tjeit  if)re§  ©ebädftniffeg,  Oon  beut  ich  weif; ; er  fc^eirtt 
mir  eben  fo  fe£)r  für  biefeg  (Sebädjtnif;  felbft,  alg  ' 
für  bie  mufifatifche  ©eifteggegenwart  ber  Sängerin  ju 
fprechen." 

2Iud)  oon  ber  unfehlbaren  Sicherheit  itjre§  ©et)örg, 
ber  nie  getrübten  ffteinf)eit  ihrer  Intonation  führt 
©anSticf  ein  charatteriftifdjeg  93eifpiel  an.  „SJtan  gab 
in  SBien  jurn  S3enefije  ber  Sßatti  ben  „Sauft"  oon  ®ou= 
nob.  Stach  ^>er  „©chmudarie"  im  britten  Stet  erhebt 
ficf)  ein  minutenlanger  SIppIaug,  bem  eine  üodftänbige 
lange  Doationgfcene  folgt:  Oranje  fliegen  aug  ben 
Sogen  herab,  Stiefenbouquetg,  ja  ganje  Stumenlörbe 
fteigen  aug  bem  Drcfiefter  ju  ihr  empor;  ba§  atle§ 
wirb  in  jahttofen  SSerbeugungen  in  Empfang  genom» 
men  unb  enblid),  alg  ber  Spectafet  fcfton  ju  erlöfchen 
fdjeint,  ertönen  immer  mehr  unb  mehr  Stufe  nach  bem 
da  capo  ber  2Irie.  ®ie  ißatti  fefet,  ohne  bem  Drdfefter 
ein  3eic^eTt  ju  geben,  ben  Xrider  auf  H ein,  Oon  wet= 
djem  bag  wie  an  einem  99anb  in  bie  Sejt  hin» 

aufflattert,  — bag  Drd)efter  fällt  im  nächften  £act  ein 
unb  — fie  ftimmen  haarfcE)arf  jufammen.  $>ie  ge= 
räufdjooöe , ermübenbe  Unterbreihung  burd)  eine 
SSiertelftunbe  tonnte  bie  ißatti  nicht  irre  machen  in 
bem  freien  2tnfd)Iageu  beg  richtigen  Soneg.“ 

2luch  at§  Somponiftin  ift  SIbelina  aufgetreten, 
©efänge  auf  italienifcfjen  iJept : »II  bacio  d’addio«  unb 
»Speme  arcana«*)  für  eine  Singftimme  mit  ißiano» 
forte,  fowie  ein  SBaljer  für  Elaüier  »Fior  di  prima- 
vera«  würben  Oon  ihr  oeröffeutlicht,  bie  erfteren  auch 
juWeilen  in  Eoncerten  oon  iljr  gehört.  SDa  tw*  Üe 
neben  italienifdjen,  franjöfifdjett,  engtifdjen  unb  fpa= 
uifchett  Strien  unb  üütetobien  und  juweiten,  Wenn  fie 


*)  33rüffet,  6<fyott. 
*&=* 


271 


jr 

auf  beutfdiem  83oben  fang,  auch  ein  beutfdjeS  Sieb, 
wie  Sdert’S  ,,Sdw",  als  liebenSwürbige  Sabe  jugetheilt. 

Sie  SiebenSWiirbigfeit  i£)re§  fünftlerifdjen  unb  perfön* 
liehen  Naturells,  baS  ift  gewifi,  f»at  nicht  jum  gering* 
ften  Sfjeile  baju  mitgefjolfen,  if)r  neben  ber  33ewun= 
berung  and)  bie  Siebe  unb  93egeifterung  ihrer  guhörer 
in  allen  Sanben,  bieSfeitS  wie  jenfeits  beS  atlantischen 
DceanS  ju  getninnen.  SS  ift  wahr,  fie  macht  bem 
fßublifum  ben  §of.  SSoü  freunblidjen  Sntgegenfom* 
menS  nimmt  fie  auf  feine  Siebhabereien  unb  <Sc^tt)äcf)en 
3tüdfic£)t.  @ie  will  eS  gefangen  nehmen,  unb  fo,  in 
coquetter  ©rajie  mit  ihm  in  Sriüern  unb  Sabenjen 
plaubernb,  btenbet  unb  berüdt  fie  eS  §ugleic^  unb 
forgt,  baff  mit  ben  Dlfren  aud)  bie  Singen  nicht  leer 
auSgehen  beim  ©enuffe.  „SJtein  ißublifnm  liebt  mid) ; 
ich  muff  ihm  dtfo  frocf)  auch  etwas  ju  Siebe  thun“, 
äußerte  fie  einft  ju  einem  Vertreter  ber  franjöfifcfjen 
Sournaüftif.  *)  Sin  echtes  Sheaterfinb,  bebarf  fie  beS 
SSeifallS,  wie  ber  Suft  jum  Slthmen,  unb  jeber  Srfolg 
bereitet  ihr  eine  finbliche  Sreube.  „SebeS  Stuftreten", 
fagte  fie  einmal  in  Berlin,  „ift  eine  neue  Prüfung,  um 
fo  mehr,  wenn  man  Oor  einem  neuen  ißnblifum  fteht. 

SS  h^fet  fein  gatt§e§  können  einfeijen,  unb  ber  Slp* 
plauS  ift  nur  bie  S3eftätigung,  bah  bie  Prüfung  wieber 
glüdlicf)  beftanben  Würbe.  SSie  arm  Wären  Wir  bei 
aller  inneren  SSefriebigung  ohne  biefe  Söeftätigung  !" 

Sinn  bie  banfbare  SJtitwelt  ift  ihr  biefelbe  nicht 
fdfulbig  geblieben.  @ie  fchäbt  mit  §anSlid’S  SSorten 
in  Slbelina  ißatti  „bie  ibeale  SSerförberung  ber  italie- 
nifchen  Sftufif." 

*)  Guy  de  Charnace,  A.  Patti.  Paris,  Pion.  1868. 

fc  — ^ 


272 


— — — -f— «s 


dc£)  tjatte  Settnt)  Siitb,  bie  erfte  9Jteifter= 
fängerin,  bie  un§  Dom  Sorbett  gelontmen, 
nicf)t  ju  fingen  aufgeijört,  noclf  faßten  i£)re 
ÜJtadjtigaßentöne  int  Dffr  unb  §erjen  berer 
nriber,  bie  fie  mit  reinem  Sntjüden  fußten,  a(§  ber 
SSett  bie  Kunbe  üon  einer  neuen  „fdfmebifdfen  9tad)ti= 
gaß"  Warb.  St)  ri  ft  ine  9tiI§fon  nannte  fie  fiel), 
unb  üon  itjrer  Sdfönlfeit  üerlauteten  leine  geringeren 
SBunber  al§  üon  ifirer  (Stimme.  ®ie  ganje  SBett  fennt 
rnittlermeile  itjren  Stamen,  unb  bag  ißublifum  jtneier 
Srbtlfeite  t)at  ifftn  feinen  Storienfdfein  gewoben,  Ijat 
if)ren  fünftterifdjen  ißrobuctionen  frotßodenb  juge» 
jaudjjt.  ,3äf)It  fie  nidft  fjeute  ju  ben  Königinnen 
be§  (Sefangeg,  beren  SEöne  fic£)  in  Solb  üertnanbeln 
unb  51t  beren  lüften  bie  banfbare  ÜDtenge  freigebig 
ibjren  2of)n  niebertegt  ? §utbigt  man  nicf»t  aßertnege, 
wo  immer  fie  erfdjeint,  bereittoißig  ber  fettenen  2Ser= 
einigung  üon  latent  unb  Sdfönfieit,  bie  fidf  in  if»r 
uerförpert?  || 

Sine  gütige  5ee,  fo  fdfeint  eg,  fafj  an  beg  Kinbeg 
SBiege  unb  Warf  mtb  medjfelte  bie  2ofe,  Wie  eg  it)m 
frommte,  Sdßimmeg  in  Suteg  üerfelfrenb.  Ober  finb 
eg  nid)t  bie  hntnberfamften  Sontrafte,  bie  fid)  in  ilfrem 
öeben  abfpielen,  reifen  fid)  nicfft  bie  Sjtreme  menfd)= 
ticken  @(üd§ : Slrmutlf  unb  Sfteidjtljum,  S)unfett)eit 
unb  9htf)megglans  in  ifjrern  Sd)idfal  üerföfjnt  bie 


£anb  ? SSSertn  heute  ber  ©lief  ber  gefeierten  Sängerin 
bont  $Reicf)tt)um  unb  Supg,  bie  fie  umgeben,  jurücW 
fdfweift  jur  ©ürftigfeit  ihrer  öugenb,  ba  fie  bag  bittere 
©rob  ber  Strmutf)  aff  unb  mit  ihren  finbtic^en  &'nnft= 
teiftungen  bie  SDätbthätigfeit  Srember  anfprechenb,  ben 
®ampf  um’g  SDafein  in  aller  Srütje  fennen  lernte,  barf 
fie  wot)t  bie  freunbtiche  Rügung  einer  t)öf)eren  tpanb 
banfbar  erf  ernten,  inbefj  i£)re  ©ruft  bag  ertjebenbe  ©e= 
Wufstfein  fd)Wettt,  baff  fie  bie  Sfjren  unb  Süter,  beren 
fie  ficf)  gegenmärtig  freut,  ficf)  burd)  eigene  Straft  er* 
worben , baff  fie  ber  ©reig  ihrer  eigenen  energifcfjen 
Strbeit,  ilfreg  Steiffeg  unb  Strebeng  finb. 

iünben  füblidfen  ©renjen  ber  ffanbinabifcf)en§atb= 
infei,  in  beut  Weinen  ®orfe  fpuffabt)  bei  SBejjö,  jwi* 
fc£) en  ben  Seen  unb  Sßätbern  Smatanbg,  warb  £t)ri' 
ftine  -Jtitgfon  am  20.  Sluguft  1843  geboren  unb  in 
ber  £)rtgfcf)ule  auf  Soften  ber  Semeinbe  ergogen.  ®er 
geringe  Srwerb  beg  ©aterg  atg  Setbbauer  reifte  für 
bie  SBebürfniffe  ber  gamitie  nicht  aug;  itjr  älterer 
©ruber,  ber  atg  SDorfmufifant  mit  feiner  Seige  batb 
t)ier  batb  bort  jum  Sange  auff^iette,  muffte  bag  häng» 
tiefte  Sinfommen  mehren.  ©atb  fanb  er  in  ber 
Scf)tt>efter  eine  wittfommene  ©enoffin.  Sin  gröffereg 
Stücf  fannte  ®tein*St)riftine  nicht,  atg,  fobatb  ber 
©ruber  bom  £>aufe  fern  war  unb  fie  feineg  Snftru= 
menteg  Ijabfjaft  werben  tonnte,  alt’  bie  tOtetobien  gu 
wieberfwten , bie  ihr  feineg  Dtw  mit  Sicherheit  feft* 
hielt.  Sie  frühreife  ©irtuofin  oerftanb,  ihnen  einen 
eigentümlich  ergreifenbeit  2Iugbrucf  gu  geben.  Sieh 
fie  aber  ihre  finbtidtje  Stimme  erftingen,  fo  bewunberte 
man  bie  9teinf)eit  unb  5Dtacf)t  berfetben,  Wenn  freilich 
auch  Sh^füne  ©itgfon,  ber  nachmatg  ein  parterre 
bon  Surften  ©eifall  ftatfchte , ihre  erften  ©eWunberer 
inmitten  eineg  fcf)tic£)ten  tänbticfjen  f3ut)örerfreifeg 


276 


r “■* 

fucfeeu  mufete.  ,ßog  ^er  ®ntber  mit  feiner  SSiotine 
Sefteu  uitb  Safermärften  nacfe,  fo  gab  fie  ifem  babei  feäu* 
fig  ba§  (Geleite,  bie  melancfeotifcfeett  2}otfStieber  iferer 
§eimat  fittgertb  unb  feinem  Spiet  ifere  Stimme  oer* 
einenb,  um  ben  befcfeeibenen  ©rtrag  fotcfe  improüifirter 
©oncerte  in  bie  £>anb  ifereS  SkterS  ju  legen. 

Sa  wollte  eS  ber  gufatt,  bafe  ein  ebelfinniger 
Sunftfreunb,  Stbüocat  Dr.  Xornerfefettn,  ©feriftine  im 
SBoriibergefeen  fpieten  unb  fingen  feörte  unb  ben  Scfeafe 
entbedte,  ber  in  iferer  Sefete  nocfe  t)atb  oerborg  eit  rufete. 

©r  war  nicfet  fänmig  ifen  ju  f»eben.  SJiacfebem  er  ficfe 
fcfenett  bie  ©rtaubnife  ber  ©ttern  erbeten,  ifer  Sinb  oon 
einem  Sacfeüerftänbigen  mufitalifcE)  prüfen  ju  taffen, 
führte  er  baSfelbe  ber  funftgebitbeten  SSarottin  ßeu* 
befem  ju,  um  ben  SBertfe  feiner  ©ntbedung  oon  ifer 
betätigen  ju  taffen.  Sie,  bie  fetbft  efeebem  Sängerin 
gewefen  War,  tiefe  ifer  können  bereitwillig  ber  kleinen 
ju  ©ute  fontmen;  fie  ertfeeitte  ifer  ben  erften  Unter* 
riefet.  9tfö  fie  aber  fpäterfein  mit  ©feriftinenS  ©önner 
Xornerfejetm  überein  lam,  bafe  granj  93erwatb,  ber 
2)irector  be§  Stodfeotmer  ©onferüatoriumS,  bie  Unter* 
weifung  fortfefeen  fotte,  foftete  e§  feine  geringen 
Scfewierigf eiten,  ben  SBiberftanb  ber  Samitie  ju  über* 
winben.  SJlit  ÜDlüfee  unb  ÜRotfe  nur  waren  bie  ©ttern, 
bereit  ftotje  Strmutfe  ifer  Sinb  nicfet  oon  fiefe  taffen 
wollte,  ju  bewegen,  in  ba§  ©tüd  beSfetben  einju* 
willigen. 

^artnädiger  noefe  regte  ficfei  ifer  SSiberfprucfe,  als, 
nad)bem  ©erwatb  ba§  Seine  getfean , ein  2tufentfeatt 
in  ber  grembe  in  Stage  fam.  Sttrcfe  wofetfeabenbe 
Sreunbe  unb  SSermitttung  bei  Sättig  ©art  XV.  oon 
Scfeweben  gelang  eS  ber  werftfeätigen  53aronin  Seu* 
befem,  bie  nptfeigen  StRittet  feerbeisufdfeaffen.  fRacfe 
langem  Sträuben  aber  erft  gaben  bie  Sftifefon’S  nacfe. 


r 


Urtb  bocf)  mußte  bie  junge  Sünftterin  jeßt  hiuauS. 
2BaS  Schweben  ifjr  ju  lefjren  tiermochte,  baS  |atte  fic . 
gelernt.  Stuu  ging  fie  rtac£)  ißariS,  um  bort  in  ein» 
jetzigen  ©tubien  bei  SJtaffe  unb  breijätjrigen  ©tu» 
bien  bei  Söartet,  bem  berühmten  (1882  tierftorbenen; 
@d)ubert»©änger  unb  Sehrer  ber  Srebcßt,  ifjre  ge» 
fangtieße  StuSbitbung  zutioßenben. 

Stafcß  unb  untierfeßenS  blühte  ba§  Talent  Gßrifti» 
nettS  auf.  „Sie  gtief)"  — fagt  Souis  (Snautt  in  feinem 
il)r  gewibmeten  Stuffaß  in  ber  Revue  illustree  *)  — - 
„ber  freigebigen  Statur  itjrer  tiatertänbifeßen  ©efitbe, 
bie,  unter  ber  ©cßneebede  eines  langen  SßinterS 
feßtummernb,  ptößtieß  bei  bem  ermärmenben  ©onnen» 
ftraßt  erwachen.  Snt  SIßrit  oertraut  man  ißnen  beit 
©amen  an ; er  feimt  im  SJZai,  reift  im  Suni  unb  fpen» 
bet  im  £$uti  bie  gotbene  grueßt.“ 

SBelc^e  tierfeßwiegenen  ©ebanfen  unb  ehrgeizigen 
Hoffnungen  belebten  mot)t  wäßrenb  ihrer  2eßrzeit  ben 
(£ifer  ber  fcbjtoebifcEien  ft'ünftterin  ? 3ergtert  ihr  ihre 
träume  baS  todenbe  SSorbilb  Sennß  Sinb’S,  bie,  ber 
©totz  unb  bie  greube  ©todßotmS,  eben  auf  ber  Höhr 
ihres  StußmeS  ftanb  ? SBoßt  getobte  fie  fitß  in  ihrem 
Innern,  eines  SageS  als  eine  anbere  $ennt)  £inb  in 
bie  StBett  zu  treten ; aber  fie  tierbarg  bie  füßnen  unb 
heißen  Sßünfcße  ihres  Herzens  unter  ber  ruhig  fühlen 
Stußenfeite,  welche  bie  Schönen  beS  StorbenS  cßaraf» 
terifirt. 

2(m  27.  Dctober  1864  tßat  fie  als  »Traviata«  im 
Theätre  lyrique  ben  erften  ©cßritt  in  bie  Öffentlich» 
feit,  ©o  feßr  bie  Stoße  ber  in’S  SDZufifatifcße  über» 
feßten  ißarifer  „ßametienbame"  mit  bem  unberührten 
feufeßen  SBefen  ber  jungen  ©eßwebin  in  SBiberfprucß 


27S- 


) 27.  ÜKo&em'ber  18S0. 


ftanb , fo  wenig  man  ft  cf)  fetbft  öerpeptte , baff  ifjre 
Stimme,  ein  poper  Sopran,  bei  aller  Sdpönpeit  ber 
popen  £öne,  in  ber  tieferen  unb  ber  StRittettage  nocp 
ju  wünfdpen  übrig  tief; : ifjr  „feetentiofter  ©efang,  ipr 
mimifcpe§  latent"  nahmen  ben  fpörer  gefangen,  unb 
bie  Kritif  ftanb  nicfjt  an’,  ipr  „eine  gtanjenbe  3ufunft" 
ju  proppejeien.  SJRoc^te  ber  aufgepenbe  Stern  aucp 
ttod)  mie  unter  einer  Sftebetpütte  erf cf) einen;  f<f>on  fün= 
bigte  fiep  bei  ©priftine  9?itöfon  eine  SCRadtjt  be§  3S5iI= 
ten§  an,  bie,  ftarf,  peftig,  napeju  toitb,  tior  feinem 
fpinbernip  jurüdweicpt  unb  ib>re§  Siegel  gewif;  ift,  ba 
fie  }u  fiegen  fiep  oorgefept  pat. 

SSotiftänbiger  itocfi  at§  ber  Srfofg  ber  Sängerin 
war  — fo  bezeugt  (Snautt  abo  2Iugen=  unb  Dpren» 
jeuge  — ber  Srfotg  ber  grau.  ®en  einbrucfäfäpigen 
SEpeit  be§  fßubtifumS  überrafepte  bie  2Bürbe  iprer  £>at= 
tung,  bie  fidpere  ©teganj  iprer  ©rfepeinung.  5Üfan 
ftaunte  ob  be§  tabettofen  2tnftanbe§  be§  fdptidpten  ®orf* 
finbeS,  ba§  burep  feinertei  Ungetenfpeit  feine  fperfitnft 
tierrietp.  SDfan  bewunberte  bie  natürliche  Begabung, 
bie  fie  fepon  tiom  erften  Stbenb  an  ben  Königinnen  ber 
23üpne  gteidpftettte ; bie  — bie  Söefangenpeit  ber  ®e= 
bütantin  bemeifternb  — ficf)  be§  f£peater§  mit  bem 
Sfecpte  be§  @roberer§  bemächtigte  unb  ficf)  wie  in  einem 
fdpon  unterworfenen  9teicpe  bafetbft  bepauptete.  SRit 
Sßoptgefatten  üerweifte  ber  33ficf  auf  ben  in  iprer 
jugenbtidpen  Sdptanfpeit  nocp  unau§gebitbeten  gor* 
men,  auf  bem  btonben  §aar,  ba§  ipre  Scptäfe  wie  mit 
tieptgotbener  Krone  umgürtete,  auf  bem  weepfetnben 
garbenfpiet  biefer  gtänjenben  unb  bodp  füpten  Sappir* 
fttugen , bem  tion  feiner  gatte  ber  Seibenfcpaft  um* 
büfterten  ÜEliunb,  ber  poep  unb  füpn  ntobeHirten,  ntepr 
Kraft  afö  SJbitbe  offenbarenben  Stirn,  ben  fdpneeigen 
SBangen,  bie  fetten  eine  fanfte  fftötpe  färbte.  (£§  war 


etwa3  $arte3,  Qtefdpneibigeä,  2ttf)erifc£)e§  tu  Gfjrifttne 
9tit§fon’§  Srfdjeinung,  ba§  an  bie  SIfen,  bie  Unbi= 
neu  unb  ©treuen  gemahnte.  Unb  war  nicht  and)  % 
©efang  firenentjaft?  Socfenb,  üoß  bejaubernber  ©üffe 
— unb  bocf)  bi§  an’§  £erj  hinan? 

Sn  einer  phantaftifdfen  fftotfe , at§  Königin  ber 
3iad)t  in  SOlogarfS  „gauberftöte",  jeigte  fid)  bie  fdföne 
©chwebin  öier  SJionate  fpäter  ben  ißarifern  junt  j$wei= 
ten  ißtat.  Sin  9Iu§ruf  be§  Sntjitdend,  ungenteffener 
Seifaß  grüßte  gleicf)  bei  ihrem  Srfcfieinen  ihre  fieg= 
reiche  Schönheit.  „Sßtan  glaubte“,  fagt  Snautt,  „ein 
übermenfdjticfjes,  mit  wmtberfanten  $auberfräften  au§= 
geftattete§  Sßefen  tior  ficf)  ju  f et) eit  unb  taufdjte  ftau= 
nenb  ben  Srpftaßtöncn  ifjrer  Stimme,  bie  fict)  rein  unb 
fieser  in  für  Stnbere  fetten  erreichbaren  tpöhen  bewegte.“ 
©eit  biefem  'Jage  trat  St)riftine  -Jtiföfon  in  bie 
9teit)e  ber  ißarifer  $8erüt)mtt) eiten  ein.  Jag§  jutior 
noch  foura  genannt,  war  nun  ihr  ßtarne  auf  Stßer  Sip= 
pen;  in  aßetpimmefegegenben  rufenb,  btie§  Santa,  bie 
iaunifdje,  mit  ooßen  SBangen  in  ihre  gotbene  Jrompete. 
Satb  mißgönnte  bie  erfte  SOiufitöütjtte  Stanfreid)§  bem 
Theätre  lyrique  feinen  gefeiertften  ©tern  unb  gewann 
ihn  fid)  fetbft  ju  eigen,  um  mit  feiner  jugeubtidfen 
Schöne  ber  Opera  neue  2tnsief)ung§fraft  ju  oerteihen. 
Salb  bewarben  fid)  Sngtanb  *)  unb  Stmerita,  ruffifdie 
nnb  beutfdje,  öfterreidfifche  unb  ungarifdje  ©täbte, 
Jäuemarf  unb  ©fanbinatien,  Setgieit  unb  Spanien 
um  bie  ®unft  i£jre§  93efuch§,  unb  fie  fahen  fie  äße  at§ 
Jriumphatorin.  J)er  9M)m  §og  ihr  twran,  begeifterte 
Sewunberung  50g  ihr  tpnterbrein ; fie  warb  neben 


*)  Sic  trat  am  8.  3uni  1867  jum  ctjicn  Sftat  in  Her  Majesty’s 
Theatre  in  £onbun  auf  unb  fang  feitbem  fafl  afljäijtlid)  nneber  auf 
biefer  23üf>nc  ober  in  £>rurtylant\ 

& ä 


280 


— ■ — — — ■ — ■ — » 

Abetina  ißatti  bie  gefeiertfte  ber  jur  $eit  actiüen 
Sängerinnen.  „Sie  Sage  ber  Sinb  fdjeinen  wieber* 
jufef)rett,  fo  oft  fie  auftritt,  fo  gefüllt  fittb  bte  Sweater 
t>om  eteganteften  ißubtifum",  fdjreiben  engtifctje  $et= 
tuttgett.  Ser  Referent  eines  in  Snbtana  erfcfjeinenben 
93Iatte§  aber  üerftieg  fict)  — bejeic^nenb  für  bte  en= 
tf)ufiaftifd)e  Stimmung  jenfeits  be§  £>cean§  — ju  bem 
nicfjt  eben  gefdfmadootten  Sitt)t)rambu§ : „Sie  tarn  toie 
ein  tfelter  Sonnenftralft  unb  fiel  auf  bie  Stanfen  be§ 
^ritiferbjergenS  toie  bie  toogenbe  SDtufit  ferner  2Saffer= 
fälle  auf  ein  S3eet  jerbrüdter  Stofen." 

dürften  unb  (Stoffe  ber  Srbe  legten  itjr  itjre  SM 
unb  Drben  freigebig  ju  Hüffen  unb  tfutbigten  itjren 
fReijen,  inbem  fie  fie  mit  (Sotb  unb  (Sbetgeftein  fdftnüd» 
ten.  Saifer  unb  Könige  etfrten  if»re  ®unft,  unb  an 
ifjren  Safein  toar  fie  ein  gern  gefetjener  (Saft.  Sn= 
mitten  aller  Sriumpfye,  bie  fie  erlebte,  alter  Sdjä|se, 
bie  fie  fammette,  aber  oergafj  fie  ber  Armutf)  if)rer 
Sugenb,  ber  befdfeibenen  Anfänge  itjrer  Sünftterfdjaft 
nidjt.  Sftoe  fdjtidjte  Epeimat,  bie  SSertoanbten  unb 
ffreunbe  itjrer  fiinbf)eit  fucfite  fie  banfbar  toieber  auf, 
unb  bie  2Bof)Itf)aten,  bie  ifjr  einft  ertoiefen  toorben, 
oergatt  fie  reidftid).  SRit  ifjrer  tunftfertigen  Setfte  toie 
mit  itfrer  offenen  Epanb  toar  fie  immer  bereit  $u  tjetfen 
unb  bie  Stott)  ber  Armen,  Oranten,  oom  Ungtüd  §eim» 
gefugten  — gteidjoiet  toetdjer  Station  fie  angeboren 
mochten  — nacf)  Kräften  ju  füllen.  So  f»at  fie  bei» 
fpietStoeife  für  bie  fdjtoebifdjen  Armen,  für  bie  engti» 
fdjen  feanfent)äufer,  für  bie  Abgebrannten  C£f)icagoS , 
für  bie  fßarifer  Association  des  artistes  musiciens  et 
artistes  dramatiques,  für  bie  Übcrfctjtoemmten  in  Spa» 
ttien  fürftticfje,  Summen  geopfert.  And)  au§  itjrett 
®ngagement§  pflegte  fie  nic£)t,  toie  Anbere  in  erfter 
ßinie  eine  (Setbfrage  ju  machen  — unb  bennod)  ftoffen 

Sw.  - ■■■  ■•*>« 


281 


W «5 

if)r  Sölitttonert  ju.  <Sie  braute  fie  bem  Sttamte  iljrer 
2Baf)l,  bem  jungen  tßarifer  Financier  EJEugufte  ERou* 
jaub,  bem  fte -am  27.  SuEi  1872  in  Soubon  in  ber 
Sßeftminfterfircfje,  unter  einem  ©Ijrengeteit  ber  ©ödfjter 
ber  2Eriftofratie  be§  8anbe§  ifire  fpanb  reifte,  aE§  9Rit= 
gift  su.  ©aneben  al§  föftlid)fte§  iljrer  ®leinobien  ben 
mafeEEofen,  bon  feinem  Hauet)  getrübten  Eftuf,  ben  fie, 
bie  „norbifcEje  SSeftalin",  fidj  inmitten  ber  fßerfudjungen 
itjrer  ftünftterEanfbat)n  ju  betoaljren  gemußt  tjatte. 

Stirer  fünftterifcfien  ©tjätigfeit  lebte  fie  aucE)  nadj 
ifjrer  EBermäljtung  fort,  SranfreicE),  bie  Heimat  iljre§ 
©atten,  tnarb  aud)  bie  itjre;  mar  e§  boctj  aucE)  bie 
SBiege  iE)re§  ÜtuljmS.  2Eudj  nadjbem  ifjre  jat)retange 
SBirffamfeit  an  ber  grofjen  öfter  iffr  @nbe  erreicht 
Ejatte,  beEjiett  fie,  menigften§  für  einen  ©tjeit  be§  Sutj5 
re§,  iljren  feften  Slufenffjatt  in  Eßari§  bei.  bEieb 
feEbft  nadj  bem  frühen  ©ob  be§  feinen,  EiebenSmür» 
bigen  SEngufte  ERoujaub  (er  ftarb  im  EDiärj  1882  ber 
EÜtitteEfmnft  für  bie  Sunftreifen,  bie  fie  nacE)  allen  Epim- 
meE§ridjtungen  führten. 

Qn  mannigfacfier  (Seftatt  gab  fie  ber  SESeEt  ®ete gen« 
fjeit,  fie  in  iljren  Seiftungen  ju  bemunbern.  Sie  fang 
batb  SRojarfS  ©onna  ©Ebira,  (Gräfin  unb  ©Eiernbin, 
baEb  SRartlja,  Dftljelia  unb  ©retdjen,  ©e§bemona, 
ÜIRatljitbe  im  ,,©elE"  <3emiranti§,  Sncia,  Seonore  im 
„©roubabour",  baEb  SRignon,  SEEice,  bie  ©tfa  im 
„Soljengrin",  EBatentine  in  ben  „Hugenotten“  unb  EERar* 
garita  in  „SRefiftofete“ ; bie  eine  iljrer  Snbibibuatität 
entfftredjenbe  9MEe  begreiftidjermeife  mit  größerer,  bie 
anbere  mit  geringerer  tßolEEommentjeit.  ©ie  fRid)* 
tung  itjrer  Begabung  ift  eine  jiemtid)  eng  umgrenjte, 
unb  mie  einerfeitö  ba§  ©räumerifdj*fßoetifcE)e  ber  ©tfa, 
geljt  anbererfeit§  ba§  Hoct)bramatifcf)e,  Seibenfctjaftlicfie 
ber  SSateutine  über  iljr  Vermögen,  ©e»  fiinftEerifdjen 

I 

Sft-  M 


Gcrnfteg  mtb  ©tilg  ober  entbehrt  feine  ifirer  Sei* 
ftungen. 

Sind)  bei  ben  großen  |)änbet=3eften  unb  onberen 
engtifdjen  Oratorien  »Stuffüfjrungen  Wirfte  fie  häufig 
mit.  SSielfacf),  and)  bei  ifjrent  SSefud)  in  ®eutfd)tanb 
(1878),  tno  fie  nur  Berlin,  bie  Steidjgfiauptftabt,  ten* 
benjiög  überging,  trat  fie  im  Soncertfaat  auf,  unb  p 
Wie  ungezählten  fötalen  prte  man  fie  in  amerifanifdjen 
(loncerten ' ^t)r  fBortrag  fdjluebifcfjer  Sieber  pinnt 
gehört  p ben  (Sinbrücfett,  bie  deiner  »ergibt.  3m 
gefetligen  Greife  aud)  gefcf»iet)t  eg  Wollt,  baff  fie  tjier 
unb  ba  pr  SSioline,  bem  in  ifirer  ®inbf)eit  geübten 
3nftrumente,  greift,  ober  pr  (Guitarre,  auf  ber  fie 
ficE)  wäprenb  ipreg  fpanifdjen  Slufenttjatteg  pr  fDtei» 
fterin  gebitbet.  ©djart  fid)  pr  SIbwedjgtung  ein  firtb* 
tidjeg  Stübitorium  um  fie,  bie  ®inberfreunbin,  fo  üer» 
fe|t  fie  bagfetbe  burd)  ifjre  fßfeiffunft  in  Ghttpcfen,  bie, 
fo  Reifst  e§,  in  ber  Spat  ipre  ganj  aparten  Steife  t)at. 

gür  tebengüotte  Stuggeftattung  gemiffer  brama* 
tifcfjer  Aufgaben  eigenttfümtid)  begabt,  fjat  ©priftine 
Stitgfon  jeher  ber  üon  if»r  bargeftettten  Stötten  ipren 
befonberen  ©tempet  aufgeprägt  unb  aud)  ba,  loo  eg 
ficfy  nicht  um  eine  wirftidje  Steufdjöpfung  panbette,  Wo 
Stnbere  ifjre  SSorgängerinnen  Waren , neue , über» 
rafcfjenbe  ($5efid)tgpunfte  entpüttt.  @o  wirfte  (Sou* 
nob’g  (Sretdjen  in  ifirer  SBiebergabe  mit  bem  ootten 
Steij  ber  Steutjeit,  obgteid)  eg  nicf)t  Wie  Oppetia  unb 
pm  £f)eit  aud)  fötignon  — welche  fßartie  ber  (£om* 
ponift  eigeng  für  fie  itmfdirieb  — üon  itjr  ereirt  wor» 
ben  ift.  Sitte  brei  Stollen  bezeichnen  ben  ©ipfet  ifirer 
Seiftnngen  auf  ber  93üt)ne ; bie  meiften  Sränje  aber 
Würben  tpr  atg  Dpbetia  gewitnben. 

®en  Gcrfotg  ber  „§amtet"  genannten,  fdjwäddidjen 
mitfitatif(f»en  fDcofaif  üon  Slmbroife  Xpomag  bei  iprer 


283 


erften  9Sorfüf)rung  in  ber  Opera,  am  9.  ÜDiärj  1868, 
ihren  jahrelangen  23eftanb  im  Repertoire  biefer  93ü£)ne 
banft  biefelbe  an  erfter  ©teile  ber  wunberbaren  3nter= 
pretation  ©priftine  RitSfon’S.  Rn  jenem  Rbenb  trat 
fie  in  ben  Benitp  ihrer  ft'ünfttertaufbapn  ein.  tpöper 
fonnte  fie  nicpt  mehr  fteigen,  lauter  fonnte  ber  3ubet 
nicht  an  ihr  Dpr  bringen ; begeifterungStrunfener  fah 
fie  fiep  niemals  feiern  — niemals  aber  auch  patte  fie 
ihre  gauberfünfte  üerfü£)rerifc£)er  geübt.  RlS  Dppetia, 
fo  fdjeint  eS,  wirb  fie  baS  eigenfte  Rbbilb  ihrer  felbft 
jurüdtaffen.  SOlit  welcher  Rotte  auch  patte  fie  ber  fie 
bewunbernben  Rienge  ihr  23itbnifj  tiefer  unb  unauS* 
Xöfc^lic^er  eingeprägt?  Talent  unb  ißerfönlicpfeit  ber= 
einigten  fich  pier  3ur  öotten  SBirfung,  um  eine  in  ihrer 
Rrt  einzige,  ibeate  unb  bocp  wahre  (Seftatt  ju  fc^affen, 
bie,  ©pafefpeare’S  fpetbin  über  bie  ®unft  beS  ©ont= 
poniften  weit  hinaus  oertebenbigenb , bennocp  ganj 
©priftine  RitSfon  war. 

($5anj  fie  fetber,  eine  burcpauS  eigenartige  3obibi= 
bualität,  bie  fiep  jeber  ©taffificirmtg,  jebem  SSergleicp 
entjiept,  ift  ©priftine  RitSfon  bis  auf  biefen  Dag  ge= 
blieben.  SBeber  für  baS  jöodjbramatifdje  nod)  für  baS 
^eitere  angelegt,  oertritt  fie  auch  ™ ©otoraturfaep 
unb  als  tprifepe  Sängerin  nur  ein  fpecietteS,  fiep  auf 
ben  engen  ®reiS  einiger  ipr  befoitberS  jufagenber 
Rotten  befcpränfenbeS  (Benre.  Der  bei  Ruffaffung  unb 
Durchführung  biefer  Rotten  pett  ju  Dage  tretenben 
3nbioibuatität  in  SSerbinbung  mit  einer  unmittelbaren 
©inigung  oon  (Sefang  unb  Spiet  banft  fie  ipre  $8e= 
beutung  ats  SSüpnenfängerin.  3a  iprem  (Sefang  ift  eS 
niept  bie  bottenbete  oirtuofe  Decpnif,  nicpt  bie  aus 
einer  ÜRifcpung  itatienifeper  unb  franjöfifcper  ©cpute 
peroorgegangene  Sunft,  woburep  fie  wirft,  fonbern 
bietmepr  bie  beftridenbe  ©dpönpeit  unb  eigentpümtidje 

& ^ 


284 


Süfjigfeit  ihrer  Stimme,  bie  uns  fetbft  jejst,  nacf)bem 
if)re  gugenbfrifcfie  bereits  mcrf(icf)  üon  ihr  getrieben, 
gefangen  nimmt.  3hrem  weichen  unb  ausgiebigen, 
babei  muftergüftig  ausgeglichenen  h°hen  Sopran, 
ber  noch  gegenwärtig  me|r  als  jwei  unb  eine  £)atbc 
Dctaoe  bis  jum  breigeftricbenen  D umfpannt,  früher 
aber  noch  um  einige  £öne  höher  hinauf  reichte,  ift  ein 
munberfamer  ©fangreij  eigen,  ein  Seefenton,  ber  ju 
ihrer  norbifcf)  fühlen  Statur  in  feftfamen  ©egenfap 
tritt.  Shr  2wn  Hingt  an  unb  für  fidj  befeeft,  toäljrenb 
ihr  Vertrag  mehr  non  fdjarfem  ©unftüerftanb  afS  üon 
(Smpfinbung  unb  Snfpiration  beherrfetjt  wirb.  So 
täufdjt  uns  bie  SBärme  beS  ©inen  oft  über  bie  ®üf)te 
beS  Slnbern  hinweg.  ®enn  ihre  §erfunft  auS  bem 
faften  Sforben  hot  ©fwiftine  S^itSfott  51t  feiner  geit 
üerfeugnet.  ®aS  geuer,  baS  fie  entfachte,  hot  fie  fefber 
nie  tierfengt;  rein  unb  füfjf,  Wie  bie  Htmofpt)äre  ihrer 
§eimat,  erhieft  fie  je  unb  je  bie  Suft,  in  ber  fie  atf)5 
mete.  SJiag  in  ber  £hat  i|re  bfenbenbe  (Srfdjeinung, 
ihre  nornehme  Schönheit  unb  Orajie  audj  nicht  auS 
Weitefter  gerne  mehr  an  baS  Sorffinb  oon  einft  ge* 
mahnen,  baS  üftorbfanbSfinb  Wirb  ©einer,  ber  fie  ge* 
hört  unb  gefehen,  jemals  in  ihr  üerfennen  ober  üer* 
geffen. 


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285 


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S ift  nicht  fdfwer,  fie  ju  jeictinen,  benn  fie 
fteift  bor  mir  in  greifbarer  Sebenbigfeit, 
ÜDtarie  SSitt,  bie  grofse  JftÜinftlerin.  StudE) 
Eenne  ich  fie  non  innen  unb  bon  auhen,  wie 
greunbe  einanber  fennen  unb  foweit  man  eine  ®ünft» 
ternatur,  bie  im  lebten  ©runbe  bod^  unberechenbar 
bleibt,  eben  Eennen  Eamt.  9M)e  fielen  aber  muh  man 
ihr,  um  fie  ju  lieben;  auS  ber  gerne  lernt  fidfj  baS  ihr 
gegenüber  nicht.  Sticht  ju  ben  ©rfcheinungen  gehört 
fie , welche  bie  Sympathien  unwittfürticf)  gefangen 
nehmen ; nidft  bie  beneibete  Sötitgift  ber  Schönheit  legte 
ihr  bie  SorfeEptug  in  bie  SSiege.  StarE , ja  über» 
Eräftig  bitbete  bie  Statur,  ihrer  mehr  groff  atS  fein 
organifirten  gnbibibuatität  entfprecheub , bie  gönnen 
ihrer  ©eftalt,  unb  and  ben  ausgeprägt  reatiftifdfen 
Sinien  ihres  StnttibeS  fpric£)t  mehr  SßittenSEraft  als 
SlnmutE).  ©nergifd)  Wölben  fidf  bie  bunften  Srauen 
über  bem  eigenartig  fchitternben,  metanchotifdj  btiden» 
ben  Stugenpaar,  unb  ein  $ug  bon  Sitterfeit  nnb  Ser» 
achtung  fpiett  oft  um  ben  teibenfdjafttichen  ÜDtunb,  ber 
bon  heimlichen  Kämpfen  erzählt  Wie  baS  Sluge  bon 
ungezählten  Xhränen.  2Ber  ÜDtarie  SBitt  fieht  nnb  fie 
fingen  hört,  ber  füfjtt  eS  unfchwer  heraus,  bah  fie  ben 
ißreiS  ihrer  Eünftlerifchen  ©rohe  bitrd)  ein  einfameS,  an 
trüben  ©rfaf)rungen  reiches  Seben  zahlt,  unb  nicht  alt» 
Zunahe  braucht  man  ficf)  mit  ihr  zu  berühren,  um  ge» 


M 


Sa  SJfara,  Stufcicntöpfe.  Y.  2S9 


l'.l 


tegenttid)  einen  heftigen  Sluäbrucfj  bon  SebenStwh  bon 
benfetben  Sippen  ju  üernepmen,  bie  ju  anberer  Stunbe 
einen  Sonfegen  wonnigften  2Bohtftang§  über  un§  au§* 
Jütten.  Stu§  fettfamen  @Segenfä|en  mifc^t  fidb»  ihr 
ÜEBefen  jufammen.  Salb  parmlog  fröhlich,  ja  heiter 
bi§  jur  Stu§getaffenf)eit,  batb  tobeStraurig  bi§  jur 
Serjweiftung , halb  unerbittlich  energifcf)  unb  confe* 
quent,  batb  fcfjtnad^  unb  tenffam  wie  ein  ®inb,  heute 
f)au§f)ölterifd)  wie  ein  ©einiger,  morgen  mit  boßen 
$änben  gebenb,  je|t  egoiftifdj,  bann  aufopfernb,  ein* 
mal  mtbeugfam  ftarren  @inne§ , ein  anbermat  ba§ 
weidjfte  ®emütt)  offenbarenb  — fotct)  wunbertiche 
SBiberfprüche  bitbeten  Statur  unb  Seben  in  itjr  nur  ju 
einbrud§fäf)ige§  §erj  {»itteitt.  Smmer  aber  giebt  fie 
fidj  ganj  at§  bie,  bie  fie  ift.  Sou  ber  ®unft  ber  ge* 
feßfdjafttichen  Süge  unb  §eud)etei  ^at-  fie  Wenig  er* 
lernt,  ungefdjminft  jeigt  fie  ihre  Steigungen  unb  21b* 
neigungen.  Sw  Seben  wie  in  ihrer  Sunft  trägt  fie 
ba§  £erj  auf  ber  Bunge.  2tm  wenigften  aber  ift  fie 
gewißt,  ficf)  fetber  ju  befdjönigen,  ihre  ©djwädjen  unb 
Sehter  in  ein  günftige§  Sicht  ju  rüden,  unb  wer  fie 
au»  ihren  eigenen  SBorten  fennen  lernen  Wüßte,  würbe 
fich  eine  wenig  jutreffenbe  Sorfteßung  bon  ihr  bitben. 
®en  (Schein  ju  meiben  unb  ju  fürchten  hat  fie  nie  ge* 
lernt.  Offen  unb  rüdhatttoö  giebt  fie,  teibenfchafttidj 
wie  fie  ift,  ihr  Smpfinben  auch  ba  fmtb,  100  bieSBett* 
fitte  lehrt,  e§  ju  berfchteiern.  2Ba§  fragt  fie  freilich 
nach  SBettftugheit,  fie,  bie  nicht  anftef)t,  bie  gtänjenb* 
ften  Sorttjeite  um  eines?  SßunfdjeS,  einer  Sbee  wißen 
in  bie  Schande  ju  fdjtagen  — weit  fie  ficf)  fetbft  ihre 
SBett  ift? 

Sticht  fo  teidjt  unb  einfach  gteidjWotß  at§  man 
meint,  beurtheitt  fich  bie  Stünfttcrin,  bie  fich  f°  allf5 
richtig,  fo  fdßidjt  unb  unberfteßt  jeigt,  bah  fetbft  ber 


oberftäd)Iichfte  SSIicE  itjr  SBefen  mühelog  p erfaffeit 
glaubt.  Um  if)r  gerecht  p werben,  um  bie  gütte  tiott 
©utherjigfeit , bantbarer  Sweue,  anfprudjätofer  Sie» 
bengwürbigfeit  unb  fünftterifdjer  ©ewiffenfjaftigfeit, 
bie  bie  geniale  grau  fcEjmücft,  gaitj  p erfunbeu,  be= 
barf  eg  genauerer  Sefanntfdfaft.  9tid)tgbeftoWeniger 
gehört  eg  p ihrem  StRifegefcEjitf , häufig  in  fatfdfem 
Sicht  betrachtet,  ja  fetbft  in  ihren  fünjtlerifdjen  Sei» 
ftungen  oft  nid^t  nach  Serbienft  gewürbigt  p Werben. 
Gin  Seipjiger  Sritifer,  ber  eg  jweifettog  reblicf)  mit 
feinem  Berufe  meint,  fagte  mir  einmal,  er  fönne  nidjt 
an  bie  Sßafjrfjeit  ihrer  Gtnpfinbung  bei  SDarftettung 
28agner’fd)er  ©eftalten,  ingbefonbere  ber  SBrünrttjitbe, 
gtauben  — unb  bocfj  ging  ihre  ganje  (Seele  auf  in  ber 
SBiebergabe  bief er  Partie,  bie  if>r  mie  feine  anbere  an’g 
Öerj  geworfen  ift.  „SJiein  ungtüdfetigeg  ©efidjt  trägt 
Scf)ii(b  baran“,  entgegnete  fie  mir,  atg  ich  gelegentlich 
ber  mir  unbegreiflichen  Sinterung  gebachte.  „SBäre 
ich  fdjön  — fie  tnürben  fidjertid)  Stile  an  bie  @c£)tt)eit 
meine§  Gmpfinbeng  unb  meiner  Segeifterung  gtauben !" 

Solcher  Ungeredjtigfeiten  hat  ficf)  bie  Sritif  — auch 
bie  Wot)lmeinenbe  — itjr  gegenüber  mannigfach  fdfut» 
big  gemacht,  unb  bemtocE)  burfte  einer  ber  angefehenften 
ber  Sßiener  SJiufifreferenten  in  feinem  Slbfcf)iebgWort  an 
bie  aug  ber  faiferlidjen  §ofoper  Sdjeibenbe*)  fragen: 
„SBetche  beutfdfe  Sühne  Weift  eine  Sängerin  auf,  bie 
ber  SSiener  Äünftlerin  auch  uur  an  bie  Stirne  reicht?" 

üftocfj  heute  lann  bie  Antwort  auf  biefe  grage  nicht 
anberg  atg  negatio  tauten.  3Bo  Wäre  bie  Stiüatin,  bie 
an  ©lanj  unb  ©röffe  beg  Drgang,  an  Sietfeitigfeit, 
an  SSirtuofität  im  cotorirten  wie  bramatifdien  ©efang, 
an  Stthemfütte,  an  Sraft  unb  Zartheit  pgteid)  ben 


*)  2öiencr  ftrcmbenMatt.  >DZär$  1878. 


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* 


SBettfampf  mit  ifjr  magen  mödite?  gft  man  nic£)t  längft 
baritber  einig,  bafj  itjr  Sonmaterial,  phänomenal  mie 
e§  ift,  an  @d)önl)eit  unb  Umfang  nid)t  allein  auf  ber 
beutfden,  fonbern  auf  ber  euro^äifcEjert  S8ü£)ne,  ja  in 
ber  gattjen  fingenben  Sßett  ber  ©egenwart  nic^t  feiltet 
©teilen  f)at?  Siefe  Stimme,  beren  unoerminberte 
gitgenbfrifde  ber  Regeln  ber  Statur  fpottet,  ift  fie 
nidt  fürwahr  ein  SSunber,  wie  bie  ganje  Zünftler* 
laufbaljn  SDtarie  SBilt’d  unb  Junta!  ifjr  fpäter  (Eintritt 
in  biefetbe  eine  ber  wunberbarften  ©rfdeinungen 
bleibt,  weide  bie  ®unftgefdidte  fennt? 

2U§  armer  Seute  ä'titb  laut  Sttarie  Siebenthaler 
am  30.  gattuar  1833  in  Sßien  auf  bie  28e!t.  Sie 
©Itern  würben  i!)r  fdon  in  ben  erften  Seben§ja!)ren 
entriffen.  Sei  einer  in  SBien  graffirenben  ©pibemie 
fanb  ber  SIrjt  Saron  Pratobeöera  ba§  ®inb  am  Sterbe- 
bett ber  SJiutter , einer  armen  £w!jerin,  unb  bradte 
bie  oerlaffene  Söaife  ju  feiner  Sdwefter,  grau  Sre= 
mier,  bie  mit  ihrem  ©atten  gemeinfam  fie  an  ®inbe3= 
ftatt  annafim  unb  ihr  eine  forgfältige  ©rjiefjung 
geben  lieft.  Sie  Pflegemutter  entflammte  fef)r  ange= 
f ebener  gamilie.  gftr  Pater  war  a!§  erfter  gurift 
feiner  geit  berühmt,  einer  ihrer  Srüber  wibmete  a!§ 
guftijminifter  unb  fpäter  itieberöfterreidifder  ©eneraU 
Sanbe§f)auptmann  bem  Staat  feine  Sienfte.  3hr 
©atte  Sremier  betrieb  leinen  eigentliden  Seruf ; pri= 
oatifirenb  ttjeilte  er  mit  grau  unb  Pflegelinb  feinen 
Stufentfialt  jwifden  Stabt  unb  Sanb. 

ÜII3  ®inb  be§  Sollet,  be§  mufifatifden  fanget 
luftigen  SBien,  fjatte  iDtarie  aud  feinen  lebenbigen 
SJtufiffinn  geerbt.  Sdubert’g  Sieber,  bie  fie  in  frühe» 
fter  ®inbl)eit  twn  ber  Butter  fingen  fjörte,  wedten  ju= 
erft  it)re  Siebe  ju  ben  Säuen.  SDtit  jarter  wunber» 
fü^er  Stimme  begann  fie  felbft  ju  fingen,  unbewußt, 


292 


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tute  ber  Sßoget  fingt.  SOJan  wufjte  nid)t,  wer  it)r  jene 
Keinen  Sieber  lehrte,  mit  benen  fie  bie  Hörer  ju  ®fj rä» 
nen  bewegte.  Suttner  ober  trällerte  nnb  jwitfdjerte 
fie,  bie  fdjwierigften  Koloraturen  erfcfjienen  nur  Wie 
ein  Sfietjeug  ihrer  Keinen  Reifte,  at§  ntüffe  e§  fo 
unb  nid)t  anberS  fein. 

Stuf  ba§  Gtaüierfpiet  warf  fie  fidj  mit  Seibenfdjaft 
unb  machte  batb  grofje  Sortfdjritte  barin,  Wie  fie  beim 

' bis  auf  biefen  ®ag  eine  treffliche  ijSianiftin  ift.  Shr 
ganzer  Sinn  aber  war,  obwoljt  ihre  Stimme  nod)  im 
fed)jef)nten  S^hre  äufjerft  fdfwadf  war,  auf  ben  ©efang 
gerichtet,  unb  als  fie  nun  gar  Smnt)  Sinb  hörte, 
ging  ihr  ganjeS  träumen  unb  Sehnen  bahin , eine 
gröle  Sängerin  ju  Werben.  Stur  fingen,  fingen  Wottte 
fie.  Stuf  S3ätte  unb  anbere  SSergnügungen,  Wie  fie  ber 
Inbegriff  ber  ffrreuben  anberer  junger  SDtäbdfen  finb, 
wollte  fie  gern  oerjichten ; nur  $u  einem  berühmten 
©efangmeifter,  fo  flehte  fie,  fotlte  bie  ÜDtutter  fie  füf)5 
ren.  $wei  SDtonate  lernte  fie  bei  einer  ©efangStefjrerin, 
ba  gab  bie  ÜDtutter  ihrem  ®rängen  nadj  unb  tiefj  fie 
öon  ißrofeffor  ®unt,  einer  ju  jener  .Qeit  in  SSien  fehr 
gefeierten  Gapacität,  prüfen.  ®aS  Stefuttat  lautete 
für  fie  öernichtenb.  ®ie  SBorte:  „S BaS  wotten  Sie 
fingen,  mein  ®inb,  Sie  hflöen  ja  feine  Stimme!" 
fnidten  mit  einem  SDtate  atT  ihre  Hoffnungen.  SBaS 
half  eS , baf?  ihr  bie  Sötutter  jum  ®roft  feinen  ©e= 
riitgeren  als  Serbinaitb  Saub , ben  großen  ©eigen» 
fünftter , engagirte,  bamit  fie  über  SSeethoüen’S  33io= 
tinfonaten  ihre§  vereitelten  SBunfdjeS  üergeffe?  So  gern 
fie  Gtaoier  fpiette,  bie  inftrumentate  ®unft  that  ihrem 
Serben  hoch  nicht  rechte  ©enitge  — bie  SJtufif,  bie  in 
ihrer  Seete  lebte,  oertangte  fein  anbereS  SDtebium  at§ 
bie  Stimme. 

Gin  für  attemat  fc^ien  ihr  bie  ®ünfttercarriere 

I fe. * 


293 


w 


berfagt,  iJjr  Siebting§gebanfe  unerreichbar  — fo  »11= 
tigte  bie  Steunäepnjäprige  benn  in  eine  anbere  nüdj» 
ternere  Saufbapn  ein  unb  reichte  bent  Ingenieur  Sranj 
SSÖilt  ipre  §anb.  2)ie  Stellung,  bie  er  ipr  ju  bieten 
ijatte , tnar  eine  fetjr  befdjeibene.  Sein  gefammte§ 
Sapre^einfommen  belief  fiep  nicpt  pöper  at§  ba§  Spiet» 
ponorar,  ba§  fie  nacpmats?  für  einen  einzigen  2Ibenb 
empfing.  ®od)  non  Statur  anfprudj§to§  unb  fparfam, 
früpjeitig — weit  bon  ben  SBopttpaten  Srember  tebenb 
— ben  Söertp  be§  @etbe§  erfennen  ternenb,  baju 
wirtpfcpaftticp  tücEjtig  erlogen , in  ber  ®ocpfunft  wie  in 
weibticpen  tpanbarbeiten  geübt,  berftanb  fie  at§  finge 
§an§frau  and)  ba§  Sßenige  ju  ratpe  §u  palten,  ja  fid) 
bon  bem,  wa§  ibjre  ißftegeettern  juftenerten,  fogar  nod) 
einen  Keinen  Sparpfennig  ju  erübrigen.  SSSeit  pinber» 
ticper  at§  bie  (Snge  it)r e§  päu§Iidpen  §erbe§  aber  war 
iprent  epeticpen  ©tüd  bie  gänjticpe  SSerfrf)iebent)eit  bon 
Seben»auffaffung  unb  iEenbenjen,  bie  fiep  gtoifcEjen  itjr 
unb  iprent  (hatten  gettenb  machte.  ,8u  einem  regten 
(Sinbernepmen  wollte  unb  fonnte  e§  bbn  Slnbeginn 
jwifcpen  Seiben  nic^t  fommen.  Unb  biefer  burcp  ifjre 
Staturen  begrünbete  gwiefpatt  gbicf)  fic^  nicpt  au§  im 
Saufe  ber  geit.  (Sr  würbe  nur  fcproffer,  füptbarer 
mit  ben  Satiren. 

®ie  (Geburt  einer  2wcpter  änberte  niepts?.  Salb 
barauf  warb  SBitt  bon  2tmt§wegen  bepuf§  SluSftedung 
neuer  Strafen  nacp  ©atmatien  gefanbt  unb  feine 
©attin  gab  ipm  bapin  ba§  (Geleite.  2>a§  war  eine 
romantifcpe  (Spifobe  iprer  (Spe.  SK§  »strega«  ober 
»sorciera«,  wie  man  fie  nannte,  jur  2tbwecp§Iung  aud) 
at§  SDtortafin  berfteibet,  ftreifte  fie,  bon  iprent  ÜDtann, 
wenn  fie  ipm  bei  feinem  Seruf  nic£)t  folgen  fonnte, 
mutterfeetenattein  jurüdgetaffen , in  ben  SSitbniffen 
ber  batmatinifcpen  Serge  um  per.  Sw  SSatbe,  am 


294 


r 


braufenben  33ergftrom,  am  $Dteere3ufer,  am  tofenben 
SBafferfatI  übte  fie  ifjre  Stimme.  2>er  vertraute  Um* 
gang  mit  einer  großartigen  Statur  gab  ißrern  Senten 
nnb  Müßten  einen  früher  nie  geahnten  Seßwung  itnb 
ißr  bi^ßer  jo  Weicßer  ©ßarafter  ftäßfte  ficß  an  ben  ©nt* 
beßrungen  unb  ©efaßren,  beiten  fie  öiele  SStonate  ßin* 
burcß  in  ben  unwirtßticßen  ©egenben  au§gefe|t  war, 
bergeftalt,  baß  fie  alg  ein  ööCtig  oevänbertcS  Sßefeit 
enbtieß  wieber  ßeimfeßrte. 

Saßre  be§  2eiben§  folgen.  Sieben  lange  (yaßre 
fämpft  fie  mit  einem  SSruftübet,  ba§  fie  ißre§  feßten 
©fücfe§  ber  Söefcßäftigung  mit  ber  SDtufif,  beraubt. 
Stießt  meßr  fingen,  nießt  meßr  fpreeßen  fann  fie,  nur 
noeß  ftüftern.  2Ber  glaubt  e§  ßeute,  wenn  er  bie  §it« 
nengeftatt  ber  großen  Sängerin  betraeßtet?  ®ocß  ißre 
ftarfe  Statur  bleibt  am  ©nbe  boeß  Siegerin ; fie  geneft 
Wieber,  unb  mit  ber  rücEfeßrettben  ©efunbßeit  btüßt 
aueß  ißre  Stimme  wieber  auf  unb  entfaltet  ficß  ju  fet* 
teuer  SÜraft  unb  Scßönßeit.  33afb  Wirb  ißr  ba§  3im- 
mer  ju  eng,  fie  üerfangt  naeß  größeren  Stäumen : Eon* 
certfaal  unb  Sircße  öffnen  ficß  ißr.  SBo  man  fie  ßört, 
bewunbert  man  ißr  örgan,  ißre  mufifalifeße  ©ntpfin* 
bung,  Wenn  aueß  ißr  ©efang  noeß  ben  feineren  fünft* 
lerifeßen  Seßfiff  öermiffen  faßt.  ®a  ßört  fie  (im  Saß« 
1863)  Dr.  ©änöbaeßer,  ein  üielfeitig  gebilbeter  SJtit* 
fifer  unb  gegenwärtig  ber  erfte  ©efaitgfeßrer  SSienö, 
unb  maeßt  ißr  ben  gern  angenommenen  SSorfcßfag,  mit 
ißm  ernftließe  Stubien  ju  beginnen.  ®a§  über* 
rafeßenbfte  Stefuftat  bfeibt  nießt  au§.  ®ie  früßer  bitet* 
tantifeße  9lrt  ißre§  ©efange§  tierwanbeit  fieß , banf 
forgfamer  Sßfiege,  in  eine  eeßt  fünftterifeße  SSortragö* 
weife,  waßrenb  bie  glücfticßfte  Staturanfage  jebe 
(^rfnniprinfpit  w Tprfimf  fpiefenb  übcrwiiibet.  Scßou 
befferc  ©oncertfängerin  at§  fie. 


295 


Sn  Dftern  1865  fingt  fie  gemeinfam  mit  Seftree  Slrtöt, 
bereu  lebenbigfte§  ^ntereffe  fie  bereits  juüor  al§  So» 
liftin  in  33acp’§  ißaffion  erregt,  in  einem  großen  S5urg» 
tpeater»(Eoncert.  Surcp  bie  tieben§würbige  Sünftterin 
aufgeforbert,  fie  ju  befucEjen,  fingt  fie  ipr,  bon  ®än§= 
bacper  begleitet,  bie  grofje  Slrie  au§  „gibelio“  unb  ben 
befannten  Sßatjer  (8enäano’§  bor.  „Unb  mit  biefem 
(Kapital  in  ^Ijrer  Sepie  gefjen  Sie  nicpt  auf  bie  S3üpne?“ 
ruft  bie  Strtot  ftaunenb  au§,  nacpbem  fie  geenbet.  „Sn 
meinem  Sitter  ift  e§  ju  fpcit  nocp  anpfangen , aucp 
feplt  mir  ba§  ©ebäcptnifj  für  ba§  SSort! " lautet  bie 
(Entgegnung,  au§  ber  bie  IjeimlicEje  Sepnfucpt  nadp  ber 
SSiitjne  bo«ä)  beutlicp  perau§  Hingt.  „9iun  mit  biefen 
Mitteln  läfjt  fiep  2tUeS  lernen,  unb  nicEjtS  ift  p fjpät. 
Scp  fage  Spnen,  menn  Sie  nicht  pm  Speater  qepen, 
fo  ift  e§  nub  gaulpeit!" 

®a§  pnbet  wie  ein  23tip  in  ibjrer  Seele,  unb  Wa3 
fie  bisher  nur  in  ipren  SBünfcpen  unb  Sräumen  be» 
fcpäftigt,  ba§  reift  nun  pm  (Sntfcplufj,'  pr  Spat.  Sille 
SSelt  rätp  ipr  ab.  SJcan  berladEjt  bie  Sporpeit  ber 
Sweiunbbreifjigjäprigen,  bie  ba  beginnen  will,  wo  Sin» 
bere  tängft  auf  ber  £öpe  ber  SReifterfcpaft  ftepen.  Spre 
Samitie  tepnt  fiel)  einmütig  auf  gegen  ifjren  SBitlen. 
(£3  fommt  p päu§ticpen  Scenen , ipre  ißflegeeltern 
gieren  bie  §anb  bon  ipr  ab.  Seine  Unterftüpung, 
feine  Speitnapme,  nur  Spott  unb  §opn  nocp  paben 
bie  ipr  Stäcpftftepenben  fortan  für  fie.  Sie  mutpige 
grau  bietet  beut  Scpwerften  Srop.  SJiit  jener  (Ener» 
gie,  bie  ben  ©runbpg  ifjreS  SBefen§  bitbet,  wirft  fie 
fid^  auf  bie  Slugfüprung  i^reS  (Entfdpluffe3,  unb  um 
bie  (Erfahrung  eine®  friifjer  felbft  ber  S3üpne  ange» 
porigen  SStanneä  für  ipr  Sorpaben  p benupen , be» 
ginnt  fie  bei  ^ßrofeffor  (Earl  SCRaria  SBolf  bie  unmittel» 


baren  bramatifchen  Sorftubien.  21m  1.  ÜOtai  1865 
I nrirb  fie  feine  Sdfülerin.  Sin  fleineg  Sapital , bag 
fie  aug  mülffam  Srfpartem  jufammengebracht , einen 
frönen  Srißant , bag  Seffent  ihrer  Pflegemutter, 
ihr  einjigeg  ®leinob,  opfert  fie,  um  bie  Soften  für  ben 
Unterricht  §u  erzwingen.  Streng  gegen  fidj  felbft, 
oerfagt  fie  fiel)  SC  11  eg.  Selbft  bie  S'aiferfentmel  jum 

Sttorgenimbif?  erfc^eint  if>r  alg  öerbotener  Sugug ; 
feben  ®reujer  barbt  fie  ficti  ab , nur  bag  eine  erfetjnte 
$iel  oor  Slugen.  Sie  ftubirt  ben  ganzen  dag,  unb 
fo  mangelhaft  eg  um  ihr  SBortgebächtniff  beftetlt  ift, 
fie  tro|t  ber  Statur  bag  Unmögliche  ab  unb  erzwingt 
eg,  traft  eifernen  fjleijjeg  unb  unglaublicher  Slugbauer, 
im  Saufe  Weniger  SDtonate  ihrem  Sopf  ein  Steper* 
toire  ber  größten  Stollen  aufjubringen.  Sinnen  fecf)§ 
Stochen  bereite  hat  fie  bei  wöchentlich  brei  Unterridjtg* 
ftunben  ihre  erfte  Partie,  bie  Storma,  fertig  ftubirt; 
bann  folgen  Sontta  Slnna  unb  Sibelio.  50tit  allen 
brei  Stollen  wagt  fie  ein  erfteg  ®ebüt  in  Sraj,  ba  ber 
Statt)  ilweg  Sehrerg  ihr  einen  Serfudf  auf  einem  flei= 
nen  CSSfeater  anempfiehlt.  So  betritt  fie  im  ®ecember 
1 865  alg  S)onna  Slnna  im  „®on  Suan“  jum  erften  SJtal 
bie  Sühne,  unb  über  aU’  ben  Spott,  bie  ^ttaeifet  unb 
Sebenfen , bie  gegen  ihren  fünftlerifdfen  Seruf  unb 
bie  Serecfftigung  ihrer  oerfpäteten  Sühnenlaufbahn 
laut  geworben,  feiert  fie  unoerweilt  einen  glänjenben 
Sieg.  Sa  bag  Unerhörte  gefdjieht.  Saum  hört  fie 
Spe,  ber  ©irector  beg  Soöentgarben=Xheaterg  in  Son* 
bon,  alg  er  fie,  bie  unerfahrene  Anfängerin,  bie  auf 
ber  Sühne  erft  fojufagen  ftehen  unb  gehen  lernen  muß, 
ba  ber  Soncertfaal  bigher  ihre  augfdfjliefflidhe  §eimat 
gewefen,  für  bie  nädffte  season  an  bie  erfte  Sül)ne  ber 
SSelt  engagirt.  SJtit  einem  Sprung  fdjwingt  fie  fiep 
an  bie  Seite  ber  Patti  hinauf  unb  wirb  iljre  Sollegin. 

^ 

297 


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Spre  Stedung  neben  ben  größten  (Sängerinnen  ber 
3eit  ift  gewonnen. 

Sind)  Berlin  bewirbt  fic^  um  bie  mit  einem  Scptag 
berühmt  (beworbene.  Sw  SJtarj  1866  gaftirt  fie  an 
ber  Spree  auf  Engagement,  aucp  fjier  als  ®onna  2tnna 
beginnenb.  Scpon  ift  ber  Vertrag,  ber  fie  mit  einer 
(Sage  üon  2000  Spätem  für  brei  Sapre  an  bie  Ver= 
tiner  Dper  binben  fod,  ausgefertigt  unb  mit  iprer 
Unterfcprift  öerfepen,  ba  tritt  ein  ungeapnteS  §inber= 
nip  bajwifcpen.  Eine  Vergiftung  burcp  ®optenga§ 
bringt  in  ber  dtacpt,  wetcpe  iprem  britten  Auftreten 
oorangept,  ipr  öeben  in  äuperfte  (Sefapr.  9tur  burcp 
3ufad  pört  ipre  .gimmernacpbarin  im  §btet  bie  Ver= 
fucpe  ber  fcpon  patb  Vewupttofen,  bie  Sanfter  einp* 
fcptagen,  unb  ruft  eitenbS  §ütfe  perbei,  fobap  ipr  nocp 
recpt^eitig  dtettung  fommt.  DbwopI  an  ben  folgen 
biefeS  Unfalls  fcpwer  teibenb,  befielt  fie  barauf,  iprer 
Verpfticptung  gemäp  am  nädfften  Stbenb  ben  gibetio 
p fingen.  Sa§  ftrenge  Verbot  beS  2trjte§  adein, 
wetcper  erflärt,  bap  fie  ben  Sob  baoon  paben  tönne, 
beftimmt  fie,  bie  Vorftedung  abpfagen.  §ierin  er* 
btidt  ber  iyntenbant  tion  hülfen  einen  Stntap,  ben 
Eontract  mit  SKarie  SBitt  nicpt  p ratificiren,  unb  baS 
Verliner  Engagement  töft  fiep  fomit  in  — Kopien» 
ftoff  auf. 

Eine  tiefe  Sntmutpigung  bemächtigt  fiep  in  gotge 
beffen  ber  fonft  fo  ftarten,  widenSfräftigen  grau. 
Scpon  ift  fie,  fampfeSmübe,  entfeptoffen,  bie  faum  be= 
gonnene  Speatercarriere  ein  für  ademat  aufpgeben, 
ba  fügt  e§  baS  (Stüd,  bap  (Spe  in  Vertin  anwefenb 
ift.  Uncrfcpüttert  pätt  er  an  bem  mit  ipr  gefeptoffenen 
Vertrage  feft;  fie  mup,  mag  fie  tooden  ober  niept,  mit 
ipm  it ad)  Sonbon.  9It§  ißrimabonna  in  eine  Zünftler* 
gefedfepaft  eintretenb,  ber  (SefangSfterne  wie  9lbetina 


fßatti,  Saure,  ©rajiani,  Siarini,  SDtario  angeboren, 
erfdfeint  fie  at!  Slorrna  put  erften  State  in  ©ooent» 
garben,  um  einen  feit  ber  ©tanjjeit  ber  ©rifi  nic£)t  er» 
t)örten  ©rfotg  baüonjutragen,  ber  if)r  and)  bei  ifjren 
weiteren  Atollen  at!  Satentine  in  ben  „Hugenotten" 
unb  Seonore  im  „tEroubabour"  treu  bleibt.  Smtbig 
fjeifft  man  in  „Signora  Sitba“  — fo  nennt  fie  fid)  — 
bie  „miirbige  9tad)fotgerin  ber  ©rifi"  Wittfommen,  ja 
»Times«  fteßt  fie  ber  Statibran  an  bie  Seite  unb  be» 
geicfjnet  ifjre  Stimme  at!  „eine  ber  gtänjenbften,  Wetc£)e 
bie  jetjt  lebenbe  ©eneration  getfört."  Sei  Hofe  fingenb, 
oon  ber  Striftofratie  gefugt  unb  au!geseicf)net,  öom 
großen  ißubtifum  enttfufiaftifd)  gefeiert,  oon  ber  treffe 
mit  2obe!erf)ebungen  überfcbiüttet,  ift  fie  bie  He©© 
ber  Saifon,  bereu  tEriumpfje  weit  über  ben  ©anal 
tjerübertfaHen. 

©rreic^t,  oott  erreicht  erfdfeint  nun  ba!  ,giet  jatfre» 
langen  Streben!  unb  Seinen!.  Sie,  bereu  9tame 
nod)  Oor  furjem  ber  Äunftwett  auffertfatb  SEßien! 
fremb  an’!  Dfjr  ftang,  Wirb  je^t  neben  ben  ©röfjten 
ifjre!  ©teilen  genannt  unb  erfüllt  bie  erfte  Dpern» 
bübjne  ber  SBett  mit  ibrent  Sftufjme.  9tt!  bteibenbe! 
‘Eerrain  ilfre!  SBirfen!  unb  itfrer  ©rfolge  bietet  fid)  it)r 
bie  te|tere  benn  and)  bar.  Unter  gtänjenben  Sc» 
bingungen  fudjt  ein  Antrag  ©ge’!  fie  für  Safjre  t)in» 
au!  au!fd)Iiefitid)  an  bie  itatienifdje  Df»er  ju  feffetn ; 
eine  Saufbatjn  ftetft  if»r  offen,  tote  fie  gtanj»  unb  ge» 
toinnreidjer  faum  gebadjt  Werben  fann.  SBonacf)  2ln» 
bere  aber  at!  nad)  einem  Jjöcfiften  ©tüde  begierig 
greifen  würben,  ba!  Weift  Starie  SBitt  unentwegt  oon 
ber  Hanb.  ,,Sd)  bin  eine  b e u tf  d)  e ®ünftterin",  fagt 
fie  „unb  Witt  e!  bteiben.  5tu!  oottem  HerJen  unb 
©emütt)e  fjerau!  fann  idf  nur  in  meiner  beittf  offen 
Spradje  fingen!" 


290 


w 


So  blieb  fie  beim , nur  gaftfpiet§n?eife  in  bett 
Qapren  1867  unb  68,  1874  unb  75  jur  italienifdjen 
Stagione  nacp  Soubon  jurüdfeprenb,  ber  oaterlänbi» 
festen  @efangdbüpne  treu.  @d  focE»t  fie  wenig  an,  baff 
fie  ipr  Seutfcptpum  in  SSenebig,  Wo  fie  im  Jperbft  1866 
einige  Niale  bie  Norma  fang,  buffen  muffte  unb  fie 
ed  bort,  iprer  Nationalität  palber  — ed  War  furj  nacp 
Abtretung  SSenetiend  an  fßiemont  — ju  einem  rechten 
(Srfolg  um  fo  weniger  bringen  tonnte,  ald  ipr  oben» 
brein  bei  ber  erften  21uffüprung  am  Stpluff  bed  erften 
Necitatibd  bad  ÜOliffgefcpid  paffirte , bei  ben  Sorten 
»Pace  v’intimo,  e il  sacro  vischio  io  milto«  ftatt 
vischio  (Stiftet)  fischio  (gifepen)  audsufpreepen , wo» 
für  fie  ein  pelled  (Mäcpter  firafte.  ®aff  man,  wäprenb 
bie  ganje  übrige  ©efeHfcpaft  total  audgejifept  würbe, 
fie  fernerhin  rupig  anpörte,  war  ftltled,  womit  bie  9Se= 
netianer  bie  Seiftungen  ber  bentfepen  Siinftlerin  epr» 
ten.  (Sine  monatelang  wäpreitbe  Sranfpeit,  ju  ber 
fie  fic£)  burdf  eine  peftige  (Srfältung  in  ben  Sagunen 
ben  Seim  gepolt  patte,  war  fcpliefflicp  noep  bad  fcplimme 
Nadffpiel  bed  benetianifepen  Sntermejäod. 

®en  ipr  natürlicpften  unb  aitgemeffenften  SBobeit 
fanb  NZarie  Silt  enblicp  in  iprer  SSaterftabt.  5)ie  ed 
bidper  nur  ald  ©oncertfängerin  gefannt  unb  geliebt, 
fap  Sien  nun  ald  berüpmte  SBüpnenfängerin  wieber. 
Staunenb  überjeugte  man  fiep,  baff  fie  bie  Staffel  bom 
©oncertfaal  jur  93üpne  im  f51uge  emporgeftiegen,  unb 
fäumte  nid)t , fiip  ipre  (Sröffe  jum  eigenen  Nupme  ju 
fiepern.  Saum  bebütirte  fie  am  8.  SOlärg  1867  ald 
Seonore  im  „Xroubabour"  in  ber  £ofoper,  fo  War  and) 
fepon  ipr  (Sontract  ald  prima  donna  assoluta  unter» 
jeiepnet.  Sonnte  ber  S£riuntpp  bed  mittpigen  Siener 
Sinbed  in  ber  Spat  ooUftänbiger  fein?  Unb  immer 
ntepr  wuipd  9Narie  Silt  in  bie  ©unft  ber  Siener 


M 


300 


w~  " — *s 

tjinein , immer  ntef)r  burften  ficf)  biefetben  §u  itjrem 
SBefi^e  ©liitf  tnünfdfen.  Sßeidjer,  toärmer,  Kräftiger 
entfaltete  ficf)  ifjre  Stimme  non  gatjr  p Qaftr.  Sie 
3eit  naf)m  itjr  nicfjtg  tion  ilfrem  Vermögen,  fie  metfvte 
eg  nur.  (Stänsenber  itnb  üietfeitiger  bitbete  fictj  it)r 
latent,  if)re  ©efanggtedpif  aug.  Sind)  in  ber  Sar» 
ftettung,  in  ber  fie  p Slnbeginn  Sieteg  fdptbig  blieb, 
erwadfte  attmätig  mef)r  bramatifdieg  Seben,  unb  menn 
fie  aucf)  tjeute  nod)  atg  Sdjaufgieterin  fjinter  ber 
Sängerin  tuef  entlief)  prücfbteibt,  fo  muf  ifjre  ©rfcfjei» 
nitng,  toetcfje  fie  barauf  t)inweift,  metjr  nur  anpbeuten 
unb  im  (Sroften  p jeidfjnen,  ein  gut  Stfeit  ber  Ser» 
anttnortung  beffen  übernehmen.  Sabei  bemättigt  fie 
bie  öerfdjiebenartigften , entgegengefetsteften  Stufgaben 
mit  gleicher  Sottfommenf)eit.  So  fang  fie  bei  @röff» 
nung  be§  neuen  Dperntjaufeg  im  5Dlai  1869  an  gtoei 
tjintereinanber  fotgenben  Stbenben  bie  Sonna  Stoira 
unb  bie  Sonna  Stnna  im  „Son  guan"  — ein  mufifati» 
fclfeg  fpetbenftücf , bag  bie  ßapettmeifter  für  unaug» 
fütjrbar  erttärt  hatten  unb  bag  fie  gerabe  begfjatb  p 
öoltfüt)ren  unternahm.  Salb  erging  fie  ficf)  atg  Königin 
ber  fftadjt  in  beit  höcfjftett  Siegionen  if)reg  gtodenreinen 
Sopraneg ; batb  ftieg  fie  atg  Ortrub  in  bie  Siefen  ber 
Sttttage  hinunter.  Sßechfetnb  fingt  fie  in  ben  „tpuge» 
notten“  bie  Satentine  unb  bie  Königin,  im  „Stöbert" 
bie  ißrinpffin  unb  bie  Sttice,  in  „@urt)antf)e"  bie 
Sitetrotte  unb  bie  Gcgtantine.  Senn  it)r  eigenttidjeg 
gelb  f bag  bramatifcfje , eg  rnirb  if)r  p eng  — auch 
bag  ©ebiet  beg  cotorirten  ©efangeg  mit!  fie  fiel)  er» 
obern.  Ser  ßufatt  öerfjitft  iifr  gefällig  bap.  Sttg 
anfangg  ber  fiebriger  gatjre  bie  Sotoraturfängerinnen 
üöiurgfa  unb  Stabatingtt)  itjre  Snttaffung  oou  ber 
Sßiener  Oper  nehmen,  ofpe  bafi  fic^  ein  geeigneter  @r» 
fa|  für  fie  finbet,  erbietet  ficf)  SDiarie  SBitt,  ber  Sirec» 

k m 


301 


w 


tion  aug  ber  SßertegenCjeit  gu  Reifen.  So  mifjtrauifch 
ttRufifer  mtb  fftecenfenten  ihrem  Unternehmen  p= 
jehauen,  fo  wenig  fetbft  ihr  für  ben  großen  heroifchen 
(Stil  gefdjaffeneg  SDZateriat  ber  Seidftigfeit  ber  Solo* 
ratnr  Vorfdjub  gu  teiften  fcheint : fie  ftubirt  unter  Sei* 
tung  (Sängbacher’g  nun  (£oIoraturj)artien  unb  be* 
währt  fidh  autt)  füer  halb  atg  HReifterin,  burdj  latent 
unb  SSitten  ihren  fftottenfreig  „faft  in’§  Unbebingte“ 
erweiternb.  $at  in  2Bahrf)eit  ber  fonft  nicht  eben  Iob= 
bereite  Sßiener  Speibet  nicht  recht,  Wenn  er  fagt: 
„SBettn  fie  fingt,  fann  grau  SBitt  2ltteg,  wag  fie  Witt"  ? 
Sa,  tna§  tonnte  fie  benn  nicht?  bürfen  Wir  fragen. 
2Ug  fölogart  * Sängerin  in  „Son  guan",  „gigaro", 
„(Sntführung",  „Sauberflöte"  unübertroffen,  ein  öiet 
belobter  „gibelio",  feiert  fie  in  ber  italienifchen  Wie  in 
ber  fraitgöfifchen , in  SBagner’g  wie  in  SSeber’g  unb 
SJieherbeer’g  Dper  gleiche  Sriumphe*  2Mb  nennt  man 
bie  Sonna  SInna,  halb  bie  tttorma,  halb  bie  Voten* 
tine  in  ben  „Hugenotten"  bie  ißerte  unter  ihren  tttotten, 
unb  mit  ben  SSienern,  bie  beifpietS weif e bie  Sietjeng, 
Softer,  Suftmann,  fßatti,  Succa,  tttitgfon  atg  9fteprä* 
fentantinnen  letztgenannter  Partie  hörten,  fM  man 
ihr  atterwärtg  unter  atten  Vertreterinnen  biefer  tttotten 
bie  ißatme  guerfannt.  Um  ihrer  ganzen  Sünftterfcfjaft 
inne  gu  werben  aber  muh  man  ihr  auch  bei  Söfung 
tteinerer  Slufgaben  folgen.  Sic  ©utamith  in  ®otb* 
marl’g  „Sönigin  tion  Saba",  bie  Vertt)a  im  „ißrobhe» 
ten"  rücft  fie  in  ein  tiöttig  neueg  Sidjt  unb  tierleiht 
ihnen  eine  ungeahnte  Vebeutung,  wie  benn  auch  3tu* 
binftein  eg  augfbrach , er  habe  bei  SBiebergabe  ber 
Vertfja  erft  SRarie  SBitt’g  SReifterfchaft  eigentlich  ^ens 
neu  gelernt. 

Surdf  Vebeutfamfeit  unb  Vietfeitigfeit  ber  Sei* 
ftungen  bie  befte  $ierbe  unb  feftefte  Stüfee  ber  Dper, 


302 


erwarb  fie  ficf)  faum  minber  große  SSerbienfte  um  ba§ 
Koncertwefen  ihrer  Vaterftabt.  2ll§  Sieber»  wie  al3 
Dratorienfäitgerin  gleicherweife  herüorragenb,  gab  fie 
jeber  großen  Stufführung  ben  rechten  (Glanz,  gleidjbiel 
ob  Veetljoben’g  neunte  Sßmphonie  UIt^  große  S^effe, 
ober  Shuntamt’S  „Sauft"  ober  „ißeri",  (papbn’ä  Dra» 
torien  ober  (Golbfhmibt’g  „fieben  SEobfünben",  Verbi’S 
ober  23rahm§’  Siequiem  auf  bem  Programme  ftanben. 
SBer,  ber  fie  gehört,  fönnte  beifqoiet§Weife  ihre  wunber» 
bare  SluSfüßrung  be§  Solo§  im  fünften  Säße  be§ 
letzterwähnten  2Berfe§  je  bergeffen,  Wo  bei  bem  Wie 
au»  himmtifcf»en  fernen  hera^Hin9en‘5en  „SBieber» 
fehen"  ungezählte  Singen  thränenfeucfjt  erglänzten? 
Sliemal»  wirb  au§  bem  (Gebäcl)tniß  ber  SBiener  bie 
(Erinnerung  an  all’  jene  großartigen  oratorifchen  Sei» 
ftnngen  fcßwinben,  Welche  in  ber  „Säcilienobe“  boit 
fpänbel  gipfelten,  „grau  SBilt",  fctjreibt  (Ebuarb  |>an§» 
lief  bei  biefer  (Gelegenheit,  ,,fcf)tug  mit  ihrem  ißart  nicht 
nur  ihre  Vorgängerin,  foitbern  alle  benfbaren  9iiba» 
linnen.  SBirflih  erinnern  Wir  un§  feiner  Seiftung  im 
Dratorienfacl) , Welche  an  impofanter  SBirfung  mit 
jener  ber  grau  SBilt  in  ber  Säcilienobe  ju  oergleihen 
wäre.  Siebft  einer  ungewöhnlichen  Sraft  unb  31u§= 
befjnung  ber  Stimme  forbert  biefe  Partie  ooHfommene 
SJteifterfhaft  auf  zwei  feiten  bereinigten  (Gebieten  : im 
, breit  au§haltenben  getragenen  (Gefange  unb  in  bir» 
tuofer  Koloratur.  Veibe  Slnfprüdje  erfüllt  $rau  SBilt 
in  eminenter  SBeife.  (Gerabeju  fjinreißenb  War  ber 
(Glanz  unb  bie  i’raft  ihrer  Stimme  in  bem  lebten  mit 
Sljor  unb  Drgel  wetteifernben  Solo.  Sll§  fie  bie 
leßte  Stelle  fang : ,,'sDoh  weß’  Stimme  gleicht,  o weihe 
Sunft  erreicht  ber  Drgel  Slang  V ba  brängte  fih  Sftan» 
hem  bie  improbifirte  SlntWort  auf  bie  Sippen:  „®ie 
3hre,  Stau  SBilt,  bie  3hre'“ 


303 


w 


Sag  Sftajj  ihrer  Stnforberungen  an  ihr  Vermögen 
War  unb  ift  atterbingg  faum  geringer  atg  biefeS  lefetere 
fetbft.  9Kan  hat  bie  fparfame  grau,  bie  mit  bem  ©otb, 
bag  tt»r  ber  ©itberftang  ifjrer  Stimme  reid^Iidj  ein- 
trug,  fetjr  t)an§t)ätterifct)  umging , üietfadj  beg  (Seijeg 
gediehen.  (Sing  jebod)  ift  gewif : mit  ihren  fünftleri* 
fcEjen  (Sabeit  übt  fie  bie  greigebigfeit,  ja  bie  $erfd)Wen= 
bung  beg  Üteidjen,  ber  ficf)  eineg  unerfd^öpflicEjen  S3e- 
fitjeg  bewußt  ift.  S55etd^e  it»rer  Kolleginnen  Wof)t  tnagte 
eg  mie  fie,  ungeftraft  an  einem  unb  bemfetben  Sage 
SSormittagg  im  Koncert  in  ben  „$5ab)reg§eiten'‘ , Slbenbg 
im  Sheater  in  ben  „Hugenotten",  ein  anbermat  früh  in 
ber  33eethotien’fcf)en  D-dur-50ieffe,  am  SIbenb  in  ber 
„Sübin“  §u  fingen  ? 2Bie  oft  auch  ha*  fie  ung  im  grenn* . 
begfreig  mit  ein  paar  Sutsenb  Scfjumannfcher,  Si§§t’= 
fcher,  granj’fdher,  @ cf) u 6 er t’ f cf) e r Sieber  befcheuft,  bar* 
unter  mit  Vorliebe  ©efänge  aug  ber  „SBinterreife",  bie 
ihr  für  bie  hödjften  Offenbarungen  in  Siebform  gelten. 
9?ur  ber  im  Sdjmerj  Gereifte  fönne  fie  in  ihrer  ganzen 
Siefe  oerftehen  unb  nachbidjten,  pflegte  fie  ju  fagen. 
Ob  fie  wolft  Semanb  ergreifenber  ju  interpretiren  oer= 
mag  atg  fie?  greitid)  fie  hatte  bem  Sdpnerj  tief  itt’g 
Singe  gebtidt,  atg  bem  oertrauten  Sreuitb  einfam 
bnnfter  Sage  unb  Mächte.  Sie  SJtadjt  bie  Heräen  §u 
rühren  mit  ihrer  ®unft  ift  ihr  mie  SBenigen  gegeben. 
Unb  hoch  ift  eg  nur  bie  burct)  bie  munberbare  2Seich= 
heit  unb  9)tad)t  ber  Stimme  getragene  fdjtichte  SSahr= 
heit  ber  Smpfinbung,  woburdj  fie  wirft,  teilte  Spur 
Oon  Sentimentalität  mifdjt  ficf)  ihrem  (fiefange.  Saju 
ift  ihr  ©mpfinbunggfeben  j$u  ftarf  geartet , ju  leiben* 
fchafttid),  aud)  ju  gefunb.  9Jtit  ber  ihr,  wie  üieten 
echten  ®ünftternaturen,  eigenen  Siaiüetät  erfaßt  fie  ihre 
Stufgabe,  oertieft  ficf)  mit  üotter  Hingebung  in  ben 
fünftterifdjen  ©egenftanb  unb  bringt  i()n  ohne  oieteg 


304 


W 

©rübeln  mit  iferett  gewaltigen  pfepfifdjen  Mitteln  junt 
Stugbrud.  ©ie  benlt  nictit  baran,  je  einen  ©ffect  ju 
f udjen , ber  ja  üon  felbft  iferen  Seiftungen  folgt.  Sft 
fie  bod)  burcfeaug  impulfiü,  ein  ©inb  beg  Slugen£»lic£§, 
bag  feinen  ©ingebungen  unb  einem  genialen  Snftinlte 
gläubig  oertrauen  barf.  Sebt  nicfet  aud)  eine  güße 
üon  SJtufif  in  iljr,  ja  ift  fie  nicf»t  burdj  unb  burdj  mu= 
fifalifdj  ? ©in  Si§ät’fd)e§  Sieb , bag  fie  nie  juüor  ge= 
ijört,  nodj  gefeljen,  nimmt  fie  jur  §anb  unb  giebt  bag 
compücirte,  bie  feinfinnigfte  Interpretation  fjeifc^enbe 
SEongebidjt,  üom  SBIatt  lefenb,  im  Slugenblicf  alg  fer* 
tigeg  ©unftgebilb  wieber.  Sft  fie  boc^  im  ©taube, 
eine  ganze  SBagner’fdje  Partie  oljne  Begleitung  ju 
fingen , fo  fidler  unb  poerläffig  ift  iljr  ob  feiner 
©djärfefprüdjwörtlidj  geworbeneg  mufilalifdjeg  ©eljör. 

SfJJit  iljrem  Seferer  am  ©laüier  eine  neue  Partie  ftubi* 
renb,  lommt  iljr  plöfelid)  ein  Auftrag  in  ben  Sinn, 
ben  fie  ber  ©ödjin  ju  geben  bergeffen  tjat.  Bitten  in 
einer  pjrafe  ftürjt  fie  Ijinaug ; bodj  bie  Debatte  fpinnt 
fid)  über  ©rwarten  aug  unb  eg  bauert  lange  big  fie 
Wieber  eintritt.  ©nblidj  lommt  fie,  unb  oljne  einen 
Slccorb  abzuwarten  fefet  fie  genau  im  felben  Xone  ein 
unb  füljrt  bie  abgebrochene  ißferafe  ju  ©nbe.  SBaljrlidj 
man  weife  nidjt,  foH  man  bie  SBoljllautgfülle,  bie  un^ 
bebingte  ffolgfamleit  unb  unbegrenzte  Slugbauer  biefer 
Stimme  ober  bie  .fjerrfcfeaft  unb  ©enialität , mit  ber 
ifere  ©ignerin  fie  meiftert,  mefer  bewnnbent ! 

©eine  gröfete  ©ängerin  Ijod)  zu  Ijalten  unb  fid) 
itjreg  33efifee§  ju  freuen,  baran  liefe  bag  banfbare 
SBien  eg  benn  aud)  nidjt  fefelen.  $>er  §of  geigte  nidjt 
mit  ©unftbeweifen,  ber  ©aifer  fefete  (1869)  iferem 
Slameit  bag  ißräbicat  feiner  ©ammerfängerin  üoran, 
bag  ißublifum  nannte  fie  feinen  Siebling.  ®ie  93üfj= 
nenbirection  gab  ifer  ifere  SBertfefdjäfeung  burdj  ent' 

& M 


8a  SDtara,  6tut>ienföpfe.  V.  305 


20 


fpredjenbe  (Sagen  funb.  9tur  bie  f ritif  erwie§  fid)  itjr 
itic£)t  fonbertict)  tiolb ; ja  einer  ber  SSiener  93ericE)t= 
erftatter  ftanb  nicht  an,  fie  einft  at§  „ba§  rtottjtoenbige 
Übel  be§  Dpernt)aufe§"  ju  bezeichnen.  (Serecfjtere  9In» 
erfennung  wiberfutjr  ihr  ton  ©eiten  ber  auswärtigen 
ißreffe,  fobatb  fie  als  (Saft  frember  ©täbte  erfct)ien. 
®er  berliner  (Sumpredht  greift  fcf)on  bei  ber  erften  ®e» 
fanntfctjaft  mit  itjr  at§  ®onna  2Inna  im  Safjre  1866 
i£)re  „öon  ber  Statur  überreif  auSgeftattete,  mit  alten 
rein  mufifatifctjen  Obliegenheiten  Wot)t  öertraute 
©timme,  ben  ootten  unb  echten  ©opran,  ber  nocf»  ein 
gutes  ©tücf  ber  breigeftricbienen  Octatie  fein  eigen 
nennt,  tion  febem  herben  ober  trübenben,  nicfjt  ju 
fchönem  ftang  aufgetöften  unb  getänterten  (Stement 
gänjlicf)  frei  bleibt“  unb  unS  „fetbft  beim  t)öc£)ften 
fraftaufwanb  ben  peinlichen  (Sinbrucf  ber  Stnftrengung 
fpart,  noch  int  teifeften  ißiano  feine  Klarheit  unb  fei» 
nen  (Stanz  betoahrt."  gür  tEonbitbung,  Intonation, 
(Sotoratur,  für  Stiles  finbet  er  nur  SBorte  beS  SobeS. 
Stuch  ber  ,'oauptüertreter  ber  Seipziger&ritif,  Dr.  Oscar 
iJSaut,  nennt  ihre  ^Durchführung  ber  ®onna  Stnna» 
Partie  „eine  ber  bebeutenbften  tEf)aten  auf  bem  (Se» 
biete  ber  reprobuctiüett  fünft,“  nnb  nach  SDarftetlung 
ber  Storrna  im  ÜDtai  1878  fctjreibt  er:  „(Sine  Sängerin, 
Welche  im  gortiffimo  unb  im  ißianiffimo  atte  Montagen 
im  getragenen  (Sefang  ebenfo  betjerrfcht  wie  im  leichten 
tEonwettenfpiet  beS  cotorirten  S3ortragS,  welche  batb  mit 
ber  tOtacht  ihres  Organs  bie  gewichtigften  Slccente  in 
ber  (Sntfeffetung  ber  hofften  Seibenfcfjaft  herauswirft 
unb  ben  3uhörer  burdi  bie  (Sröfje  beS  tEonS,  burct)  bie 
(Sewatt  ihrer  ÜOtittet  im  bramatifchen  StuSbrucf  über» 
wättigt,  batb  aber  auch  in  ben  zarteften  Otüancirungen, 
im  hingehaudhten  ftagetaut  Wie  im  feetenöotlen  Sin» 
unb  Stbfdiwetten  beS  ftangeS,  ihre  fünftterfdfaft  in 


#■  a 

oollenbetfter  gorm  eutwicfelt:  eine  fotcfje  Sängerin 
wirb  fantn  mit  einer  anbereit  bergticljen  werben  fön» 
nen,  felbft  wenn  ntan  geltenb  machen  will,  baff  baS 
Xremoliren,  biefe  in  Seipjig  nicht  gebilligte  Sßiener 
9)fanier,  aus  ber  SSortragSWeife  noch  hinweg  ju  wün» 
f<hen  wäre."  (2luch  gegen  itjre  namentlich  bei  leiben» 
jcf)aft£ic£)en  ütccenten  oft  etwas  grelle  garbengebung  in 
ben  höheren  Xönen  erwies  man  fich  in  Seipjig  ent» 
pfinblidj.)  fRic^arb  >J$ohl,  ber  befannte  mufitalifdie 
Sdjriftfteller  in  33aben»33aben,  aber  hebt  bie  „erftaun» 
liehe  ©raoour  unb  anbererfeits  Zartheit"  fjerbor,  mit 
ber  „bie  phänomenale  Sängerin  ihre  gewaltigen  SÖiittel 
beherrfcht."  „Shr  mezza  voce“,  fagt  er,  „ift  noch  be» 
wunbernSWerther  als  ihr  bis  in  bie  höchften  Sagen 
reichenber  pradjtooller  bramatifcher  3mn,  bie  (Sewanbt» 
heit  ihrer  Koloratur  bei  folgern  URaterial  gerabeju 
einzig  baftehenb.“  3m  großen  tragifchen  Stil  wie  im 
jarteften  Siebe  fdjeint  fie  ihm  gleich  beWunbernSWertf), 
felbft  bem  Unbebeutenben  haucht  fie,  fo  meint  er,  eine 
Seele  ein,  unb  hoch  hat  ..feine  Sängerin  bon  ähnlichen 
Qualitäten  Jemals  weniger  ®unftreifen  gemacht,  weni» 
ger  jur  Segrünbung  unb  2tuSbreituug  ihres  StufS  ge» 
than.“  3)ie  ffeinen  fmlfSmittel  ber  3tectame  berfchmät)t 
fie  ftolj,  unb  um  bie  Kunft  ber  ®ritif  hat  fie  nie  ge» 
buhlt.  3)urcfj  fich  felber  allein,  fo  Wollte  fie,  foHte  ihre 
®unft  wirfen ; benn  fo  anfprudjiStoS  unb  befdheiben  fie 
ift,  ber  SDlacf)t  ihres  UalenteS  bertraut  fie  mit  bem  be» 
redftigten  fünftlerifchen  Setbftgefühl,  baS  fich  eines 
bon  oben  empfangenen  hohen  ®uteS  bewußt  ift.  gür 
50lel)rung  ihres  9£ul)mS  nach  auffen  hin  hat  fie  felbft 
burcf)  ©aftfpiele  unb  Soncertreifen  wenig  Sorge  getra» 
gen.  9iur  einige  fübruffifche  unb  beutfehe  Stäbte  — 
rheinifche  unb  fchtefifche  SWnfiffefte  berherrlichte  fie  Wie» 
berfjolt  burch  ihre  SJiitwirfung  — würben  auffer  ber 


307 


20' 


ff  * 

ettgtifcEjen  SJtetrofwle  geugen  it)ver  gefänglichen  (Srofj= 
traten,  bie,  ba  fte  bie  alljährlichen  Vuljemonate  rneift 
in  3iirit<Jg e§ogenf» eit  unb  Sftaturftille  ju  tierbringen 
liebt,  im  Übrigen  auf  Öfterreid)  befd)rän!t  blieben,  fo 
lange  fie  ber  Vüf)ne  ihrer  SSaterftabt  angehörte. 

Elf  3al)re  war  9Jcarie  SESilt  mit  ihrer  „foutieräneu 
Stimme  unb  (SefangSfeele"  ber  Stolj  beS  SBiener 
SJtufiflebenS.  Sa  entfagte  fie  freiwillig  ber  beneibeten 
Stellung,  bie  Erfte  auf  ber  erften  (SefaugSbüljne  beut» 
föher  Bunge  5U  fein.  So  bringenb  tierlangte  fie  nad) 
Söfung  ihre§  fidj  mit  ben  Salden  immer  unglüdlicfier 
gefialtenben  EljebunbeS,  bafj  fie  felbft  auf  bie  horte 
Vebiitgung  ihres  (Satten  einging,  auf  jebeS  öffentliche 
91uftreten  in  SBien  fernerhin  ju  tierjichten  nnb  bie 
Summe  tion  100  000  (Sulben  gerichtlich  ju  hinterlegen, 
um  bie  Einhaltung  biefer  tion  it)r  pgeftanbenen  Ve= 
bingung  ju  geltiährleiften.  Vergeblich  waren  bie 
Bemühungen  ber  Dpernbirection , bie  „utxerfe^liche“ 
®ünftlerin  bnrch  namhafte  Erhöhung  ihrer  ohnehin 
glän^enben  (Sage  ju  f eff  ein ; tiergeblich  auch  bie  ®e= 
monftrationen  beS  ißublilumS  unb  ber  ®ritif,  welche 
letztere  offen  auSfprach , baf?  „ihr  Slbgang  einer  üer= 
ftörung  beS  StepertoireS  gleite.“  91m  17.  ÜDlärj  1878 
nahm  fie  als  Valentine  in  ben  „Hugenotten“  tion  „ihren 
lieben  Söienern"  9lbfdjieb,  unter  VeifadSftürmen  unb 
Dtiationen,  wie  fie  baS  lötafs  beS  Herkömmlichen  weit 
iiberfchritten. 

Steuer  erlauft  hatte  fie  bie  erfehnte  Freiheit,  unb 
für  ben  fie  tioll  befriebigenben  lünftlerifdjen  9SirfungS- 
freis  in  ihrer  fdjönen  Heimat  taufchte  fie  bie  $rembe, 
baS  fahrenbe  Virtuofenthum  ein.  Sn  Seipjtg , ber 
alten  claffifd)en  ÜDtufifftabt,  badjte  fie  junächft  feften 
Suff  ju  faffen.  Um  eben  biefe  Beit  bereitete  man  ba= 
felbft  eine  (Sefammtaufführung  tion  SSagner’S  „9Ube= 


[tk 


M 


30s 


Tfäf  — ' ' . 

lungeitring“  üor.  3)ie  Sßiebergabe  ber  Vrüitnpilbe» 
Partie  in  „SBalfüre",  „Siegfrieb“  unb  „©ötterbamme» 
rang",  biefe  größte  unb  fdpwierigfte  Aufgabe,  bie  je 
einer  bramatifcpen  Sängerin  gefteÖt  worben,  reifte  bie 
Energie  unb  ©d^affenStnft  ber  für  Sßagtter’g  Scpöpfun» 
gen  §ocpbegeifterten  : fie  trat  in  ben  Seipjiger  Vüp» 
nenöerbanb  ein.  5)rei  Stonate  — ein  nnglaublicp 
für, 5er  Zeitraum — genügten  i£)t  pr  Bewältigung  ber 
riefigeit  Aufgabe,  unb  int  September  1878  führte  fie 
fiep  mit  ber  glanpolfen  (ffeftaltung  biefer  Stoffe  auf 
bem  neuen  ©oben  ifjrer  üpätigfeit  ein.  ®er  Stoffe 
iprer  bramatifcpen  Steiftertpaten  fcplofj  ifjre  Brünn» 
pilbe  fiep  würbig  an,  ja  fie  barf  üielleicpt  alg  bie  grofj» 
artigfte  001t  affen  bejeiepnet  werben.  Stögen  bie  an» 
bereit  Vertreterinnen  ber  fßartie  — Slmalie  Staterna, 
Sperefe  Vogl , §ebwig  Reicper»lftinbermann  an  iprer 
Spipe  — ben  niept  p itnterfcpäpenben  Borpg  ber 
$ngenb  unb  Scpönpeit,  bie  ©rfte  iitgbefonbere  auep 
ein  betaiffirtereS  feibenfcpaftficpereS  Spiel  üor  Starie 
SBilt  öorau§  paben : gefanglicp , bag  ift  gewifj , föft 
feine  ipre  Aufgabe  fo  fiegreiep  unb  walfürenpaft,  mit 
fo  big  pm  fepten  Sone  unüerminberter  (Gewalt  unb 
SBopffautgfüCfe.  Um  p erfennen,  Wie  bie  wunberbare 
Slugbauer  iprer  Stimme  fefbft  ber  unerpörteften  Sin» 
ftrengung  fpottet,  pöre  man  ipre  Sobtenflage  an  Sieg» 
frieb’g  Bapre,  bie  ganje  granbiofe  Scpfufsfcene  ber 
„©ötterbämmerung“.  GrgifteinSriumpp,  ben  fie,  optte 
bie  Harmonie  ber  ©efammtwirfung  nur  im  Seifefteit 
p fcpäbigeit  unb  fefbftmäctitig  peroorptreten,  über  all’ 
bie  entfeffelten  Stäcpte  beg  Drdjefterg  feiert.  2Bo  bie 
®raft  ber  Slnberett  ermattet , ba  wäcpft  bie  ipre  nur 
itocp  ntepr.  Sreijepnmal  fang  fie  wäprenb  einer  ein» 
jigen  Saifott  (1878 — 79)  in  Seipjig  ben  gefammten 
©pelug,  bag  ganje  übrige  fepr  reiippaltige  Repertoire 

XW. 


;109 


nebenbei  auf  ifyrett  ©futtern  tragenb.  28er  tput  i£)r 
baS  nad)  ? 

2)aS  Seipjiger  pubtifum , bem  bie  unmittelbare 
©mpfängtidffeit  ber  fübbeutfdfen  unb  SBiener  2trt  ab» 
gefjt,  befunbete  ber  fettenen  ftünftterin  gegenüber  benn 
auct)  fid)  immer  fteigernbe  ©pmpatfiien.  ©S  mar  itjr 
9tut)m,  fid)  biefetben,  bie  if>r  nicht  freimütig  entgegen» 
gebracfjt  mürben,  ©d)ritt  für  Sd)ritt  ju  erobern.  Saum 
aber  mar  man  gemat)r  gemorben,  maS  man  an  itfr  be» 
faff,  als  fie  Seip^ig  fcfjon  mieber  ben  tRüden  feprte. 
©cpon  mit  ©nbe  2Rai  1879  gab  fie,  ba  bie  2)irection 
be§  StabttpeaterS  bie  contracttid)  feftgefe|ten  SSebing- 
ungen  unerfüllt  tieff,  itjre  Stellung  mieber  auf.  2tn» 
träge  öertocfenbfter  2trt  tarnen  if)r  oon  alten  ©eiten 
entgegen.  Paris,  ttRaitanb,  Petersburg,  Sonbon, 
5Rem»Porf,  ©tjicago,  ©incinnati  bemarben  fid)  um  bie 
rufjmgefrönte  Sängerin.  ®ie  Siebe  jn  beutfcper  ®unft 
unb  beutfdiem  Sanb  aber  trug  and)  je|t  mieberum  ben 
Sieg  baüon  über  alte  Sodungen  nad)  auffen,  fo  gtän» 
jenb  fie  fein  mochten.  20  000  ttRarf  bot  man  if)r  in 
$Rem»Porf  nod)  untängft  für  jmei  ©oncerte  — ein 
§onorar,  mie  eS  motjt  nod)  feine  Sängerin,  bie 
Patti  ausgenommen,  empfangen.  Sie,  beren  über» 
groffe  ©etbtiebe  man  gern  geifsett , fctitug  eS  gleich» 
mütpig  aus. 

gür  mehrere  SRonate  altjätjrtidj  tief)  fie  fid)  bis 
junt  Satjre  1882  in  Smanffurt  am  SRain  feffetn,  mo 
fie  im  October  1880,  in  ©egenmart  beS  beittfdfen  Sai» 
ferS,  ats  ®onna  Slnna  baS  neuerbaute  prächtige  Sperrt» 
pauS  inaugurirte.  ©in  af)nti<heS  2Serpättni|  banb  fie 
mehrere  3<d)re  t)inburc^  an  Peft,  mo  man  fie  sunt 
©hrenmitgtieb  beS  ütationattpeaterS  ernannte  unb 
ebenfo  mie  in  ffrranffurt  unb  atterorten,  mo  fie  gehört 
marb,  cntfmfiaftifcf)  feierte. 


310 


w 


3n  ißrer  §eimat  blieb  fie  inbeß  unöergeffen.  ®a§ 
Slnbenfen,  ba§  fie  fttf)  fdjeibenb  tion  „ißren  lieben 
SSienern"  erbeten,  e§  blieb  ißr  treu  gewahrt,  unb  üor 
bem  (Stans  ber  Sterne,  bie  gegenwärtig  am  SBiener 
•Dpernßimmet  ftraßten,  erbleichte  nictjt  bie  ©rinnerung 
an  bie  Sonne , bie  eßebetn  bafelbft  geleuchtet.  iftocf) 
üerßattte  nid£)t  bie  Stage  ob  ißre§  tiorjeitigen  Unter» 
gang§.  S)a  gelang  e§  einer  neuen  einflußreichen  £$n= 
tenbanj,  fie  mieber  aufget)en  p machen  unb  bie  |>in» 
berniffe,  bie  iOiarie  SEBitt’S  Auftreten  in  ißrer  SSaterftabt 
entgegenftanben,  fiegreid)  p beheben.  Unglaublicher 
Subet,  unbegrenzter  @nttjufia§mu§  begrüßte  im  ÜOiai 
unb  !yuni  1882  bie  Sangentbehrte,  Unerfeßtiche,  fo  oft 
man  fie  faf)  unb  t)örte.  SJian  fdiwetgte  mieber  im 
SBuuberftang  biefer  königlichen  Stimme,  „ber  fdjönften 
unb  größten  nuferer  geit",  mie  S)efiree  Slrtot  fie  noch 
jiingft  genannt.  ®em  3ait^er  einer  unmiberfteßticßen 
Sfaturtraft  gab  man  fid)  mittig  t)in,  unb  alte  ©abinet» 
ftüde  ihrer  (Sefangöfunft  begehrte  man  tion  neuem  p 
genießen.  SBirb  SBien  fid)  ben  Schaß,  ber  ißnt  in  bie» 
fer  Sängerin  geboren  warb,  nidjt  nur  üorübergeßenb, 
fonbern  bauernb  mieber  p eigen  machen? 


311 


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ennt  matt  beit  -Kamen  3 o a d)  i nt , fo  wirb 
bie  Sßorftetlung  eine»  in  feiner  3trt  ^»ödftften 
in  un§  febenbig,  baS  93ifb  be§  (GeigerfönigS 
fteigt  bor  unS  auf,  be§  an  (Grüfte  unb  $or» 
neftmfteit  ber  Seftanbtung  feines  SnftrumenteS , an 
©tiftreue  in  SSiebergabe  ber  öerfdfiebenen  Kceiftcr» 
werfe  bon  feinem  ber  (Gegenwärtigen  (Srreidften,  ober 
gar  Ubertr  offen  eit.  9(6  er  attcf)  bie  grau , bie  feinen 
Kamen  trägt,  repräfentirt  ein  (GröftteS  in  iftrer  SBeife. 
SUlinbeftenS  fann  unfer  beutfcfjeS  SSaterfanb  fiel)  jur 
©tunbe  feiner  größeren  Oratorien»  unb  Sieberfängerin 
af§  Sfntafie  Soadiim  rühmen,  nnb  Wenn  bie  claffifdfe 
ÜKufif  auf  if)rem  §eimatboben  ifjre  gefte  feiert,  wenn 
man  ben  föerrf  öfter  im  oratorifeften  ffteid^,  ben  efjerneit 
SCongeift  §änbef§,  ober  ben  ergaben  tieffinnigen  ®e= 
baftian  93acft,  ben  fteftrften  Vertreter  fireftfidfter  ÜKufif, 
citirt,  um  mit  tpren  Wie  für  bie  ©Wigfeit  gefdfaffeiten 
(Gebifben  eine  ftunbert»  unb  taufenbföpfige  SSerfamm» 
fung  ju  erbauen,  ba  trägt  man  ©orge,  fieft  ber  ÜKit» 
Wirfung  nuferer  efaffifeften  Sängerin  ju  berfieftern. 

Kicftt  einer  auSerfefenen  SSirtuofität  banft  Kntafie 
Soacftim  it»re  fünftlerifcfte  ©tetfung.  Sie  weift  in  bie» 
fer  SSejieftung  Slnbere  über  fieft.  (Groft  aber  mad)te 
fie  bie  ©iefterfteit,  mit  ber  fie  baS  Söerei«^  iftreS  ®ön* 
nettS  unb  beffen  (Grenzen  erfennt ; bie  ftrenge  ©efbft» 
jueftt,  mit  ber  fie  fieft  innerhalb  biefer  ©eftranfen  ftält 


315 


— — — — — — 

unb  fitf)  nie  oerftattet,  ficf»  Siele  unb  2Iufgaben  ju 
ftetten,  bie  au  cf)  nur  um  Haaresbreite  über  biefelben 
hinaus  lägen,  bie  nicht  in  üoHfomntener  Harmonie  mit 
ihrem  Vermögen  ftänben.  Hinaus  - in  Serbinbung 
mit  einem  fein  auSgebilbeten  Stilgefühl,  ermucf)S  bie 
Soltfommenheit  ihrer  Seiftungen,  bie  mir  an  it>r  be» 
mnnbern.  ®ie  fmhe  ÜRobleffe  unb  Stilöotlenbung, 
melcffe  bie  Sünftlerfcfjaft  iljreS  ©atten  dfarafterifirt,  fie 
ift  aud)  ber  ihren  fclföneS  9Sorred)t.  2SaS  SBunber,  ba 
fie  fiel)  an  feinem  SSorbilb  gebilbet , ba  fie  neben  iffnt 
erft  ju  ihrer  eigentlichen  ©rohe  empormuc£)S ! $>er  eble 
munberüolle  Slang  ihrer  Stimme  felbft  gemahnt  an 
feinen  ©eigenton , nur  bah  biefer  märmer,  feuriger, 
inniger  Hingt.  SBenn  unS  an  ben  mafellofen  ©aben, 
bie  mir  Slmalie  SoadE)im  banfen,  jumeilen  ©inS  noih 
ju  müttfehen  übrig  bleibt,  fo  ift  es  ein  unmittelbarerer 
Herjfchlag,  eine  gefteigerte  innere  SBärrne.  fßlaftifdf, 
monumental,  mie  aus  SJtarmor  gefügt,  tritt  unS  jebe 
einzelne  ihrer  fünftlerifcffen  Seiftungen  entgegen ; mef)te 
unS  nicht  bei  allem  feufcheit  Stbel  manchmal  eine  ge» 
miffe  marmorne  Süfjle  auS  ihnen  an,  fie  mürben  noch 
unmiberftehlicf)er  ju  unferem  Heräen  fprecfjen.  Db 
bieS  natürliche  SDiSpofition,  ob  eS  oielmel)r  ein  ftreitg 
feftgehalteneS  Sunftprincip , baS  bem  ®urcf)bruch  beS 
fubjectiüen  ©mpfinbenS  im  Sunftmerf  mehrt,  bamit 
bieS  letztere  möglichft  rein  unb  unberührt  üoit  ber 
©igenart  beS  iDtebiumS  jur  ©rfcheinung  fomme? 
Sern  liegt,  baS  ift  gemiff,  bem  meiblidfen  SÜSefen  im 
SHlgemeinen  folch»  felbfttofer  DbjectioiSmuS , unb  nur 
menige  unter  ben  grauen  befenuen  fidf  ju  ihm.  Siel» 
leicht  feine  entfcEjiebener  als  bie  Sünftlerin,  tion  ber 
mir  reben. 

SlaueS  Slut  fließt  in  21malie  $oac£)im’S  Slbern ; 
fie  entftammt  einem  alten  2tbelSgefcE)lerf)t , baS,  im 


31« 


SS  ■ ■ '* 

elften  Saprpunbert  auS  Saufen  in  ©teiermarf  eingc* 
manbert,  in  Sraiit  unb  Unterfteiermarf  grojie  Sänbe* 
reien  unb  (Süter  befap.  2lmaIienS  (Sropoater  jebodf 
oerjicptete,  nacpbetn  er  beim  ©taatsbanferott  fein  Ser* 
mögen  eingebüpt,  auf  baS  „Son"  öor  feinem  Samen. 

21ucp  ifjr  Sater,  granj  SSap  ©cpneemeip,  begab  fiep, 
übgleicf)  er  bie  ©ocpter  eines  altariftofratifcpen  $aufeS, 
eine  geborene  SinbeS  bon  Sinbenau  aus  ©dplefien,  jur 
©attin  naptn,  feiner  abeligen  Sßorretfjte.  3pm,  ber 
in  bem  fteirifcpen  Starburg  bie  ©tede  eines  SJtagift* 
ratSratpeS  belleibete,  marb  2lmalie  am  10.  93t ai  be§ 
SapreS  1839  geboren.  ÜDtufifalifdp  toaren  beibe  (Sltern; 
fie  gelten  barauf,  bafs  audp  ipre  Minber  ade  fritfigeitig 
bie  tönenbe  ®unft  pflegten.  @o  erhielt  and)  21malie, 
bei  ber  fiep  fepon  in  früpefter  ®inbpeit  eine  fräftige 
Stimme  jeigte,  (Sefangunterridpt,  fo  gut  er  eben  in 
ber  Meinen  Stabt  ju  paben  mar.  3epn  bis  elf  Sapre 
alt,  bemältigte  fie  bereits  fepmierige  ©oli  in  Steffen 
unb  ftubirte  fleifjig  DJto^art’fdpe  Dpernarien  unb  an* 
bere  claffifcpe  ©efangSmerfe.  Sine  bauernbe  Unter* 
breepung  erlitten  ipre  mufifalifepen  ©tubien  felbft  naep 
bem  in  SImalienS  jmölftem  3'apte  erfolgenben  ©ob 
ipreS  SaterS  niept ; nur  energifeper  unb  fpftematifeper 
noep  mürben  fie  fortan  betrieben.  9Jcit  ber  fangeifrigen 
©oepter  unb  bereu  ©cpmefter  fiebelte  bie  Stutter  naep 
©ra§  über,  unb  in  bem  bortigen  (Sonfertiatorium,  baS 
bamals  unter  Seitung  beS  Operncapedmeifter  (Seorg  Ott 
ftanb,  fanb  bie  erftere  nun  Stufnapme.  Sei  einer  fepr 
mufifalifepen  ©ame,  Srau  oon  granf,  empfing  fie  neben* 
bei  nodp  ißrioatnnterricpt.  Stit  ipr  ftubirte  fie  Opern* 
Partien  — benn  bie  pecuniären  Serpältniffe  madpten 
eS  münfcpenSmertp , baff  2lmalie  fobalb  als  irgenb 
möglidp  büpnenreif  merbe.  Überrafcpenb  fdpned  fefjon 
ftanb  fie  oor  biefem  Sefultat.  @ie  patte  eben  ipr  üier* 


jefjnteS  3ai)r  erfüllt,  als  fic£)  if>r  ein  (Sngagement  nach 
Xroppau  in  Sdjteften  Bot,  welches  fie,  üoit  itjrer 
StRutter  Begleitet,  unter  Bern  ißfeubonpnt  SCmatie  SBeifs 
anttaf)nt.  StlS  Slbalgifa  in  „Storma“  führte  fie  fid) 
ein.  ®ann  fang  fie  alle  „jugenblicffen“  Partien : Slnn^ 
djeit  im  „greifchütj",  Saline  im  „3ra  ®iaoolo"  unb 
wie  fie  alte  Ifeiffen. 

(Sin  halbes  Satjr  nur  Blieb  fie  in  (Sroppan ; bann 
oertaufchte  fie  if»reit  bortigen  SßirfungSfreiS  mit  einem 
größeren  in  bem  fiebenbürgifchen  fiermannftabt.  Sticht 
.nur  fwcbbramatifche  Partien,  au  di  erfte  Stollen  in 
Singfpiel  unb  ißoffe  würben  il)r  t»ier  übertragen.  93ei 
ihrer  „leibenfcf»aftlic^en  Eingabe  an  ihren  SSeruf"  aber 
war  il)r  baS,  wie  fie  felbft  fagt,  gerabe  wiUfommen. 
Sie  freute  feine  Stnftrengung,  feine  9CRüt»e  unb  arbei» 
tete  Sag  unb  SRac^t,  um  ben  Slnforberungen  ber  ®i= 
rection  ju  genügen.  So  muffte  fie  einmal  in  einem 
Spectafelftüd  bie  Stolle  eines  (SauBftummen  über» 
nehmen,  ber  alle  mögliche  grofje  (Sreigniffe  nur  burd) 
©eberben  ju  fdjitbern  hat.  ISaubftumme  wohnten  ber 
SSorftellung  Bei ; fie  folgten  mit  Subet  ber  SDarfteöung 
unb  liefen  nach  SSeenbigung  berfelben  ber  Bewunberten 
^ünftleriu,  fehr  jn  ihrer  ©enugthuung,  fagen , „fie 
hätten  Stiles  öerftanben.“ 

Sluch  §ermannftabt  Beherbergte  Slmatie  SBeifj  niefit 
über  ein  halbes  Sahr.  ®aS  ühea^r  würbe  trot}  ber 
Stnftrengungen  ber  ©irection  Banferott : bie  junge  ißri= 
mabonna  muffte  ficf)  fammt  SJtutter  unb  Sdjwefter 
nach  einem  anberen  Unterfommen  umfchauen.  Sie 
Brauste  eS  nicht  lang,  auch  nicht  weit  ju  fuchen;  fie 
fanb  eS  in  28ien.  ®aunt  ftellte  fie  fid)  bem  Sirector 
beS  nunmehr  längft  non  ber  sBilbftädje  oerfdiwunbeiten 
Sär n 1 1) n er t f) o r = dl) ea terS , SuliuS  ßoritet,  üor,  als  er 
fie  Sofort  für  fieben  £saf)re  an  feine  33üf)ne  feffelte. 


31S 


Sieben  lange  Satire ! 2Bie  bitter  beflagte  fie  int  Saufe 
berfetben,  bie.  eine  Summe  fünftterifdier  Seibeit  unb 
Prüfungen  in  fid)  fdjloffen,  auf  ben  itjr  fo  UDrtt)eiU|aft 
erfcfjeinenben  Vertrag  eingegangen  ju  fein ! „$urch 
unglaubliche  Sntriguen"  mürbe  $)irector  (Sornet  batb 
barauf  geftürgt ; be§  auSbauernbften  gleifseS  ungeacf)» 
tet  aber  gelang  e§  ber  bon  if)m  gemonnenen  Sängerin 
nid)t,  in  ein  it)r  contractlid)  in  2Iu§fid)t  geftettteS  erfteS 
gad)  boräubringen.  2ßieberf)oIt,  bod^  immer  öergeb» 
(ich,  bat  fie  um  if»re  (Sntlaffung.  SttufiMifd),  mie  fie 
mar,  jugleid)  über  ein  großes  Stepertoire  berfügenb, 
mar  fie  für  alle  fogenannten  „bertorenen  ißoften“  oor* 
trefflict»  ju  gebrauchen.  Sobatb  eine  Sängerin  er» 
franfte  ober  in  irgenb  einer  ißartie  nicht  genügte, 
muffte  SImalie  at§  bequemer  Südenbüffer  bienen, 
freilich  mürben  bie  SSertreterinnen  ber  erften  Partien 
meift  fchnett  mieber  gefunb  bei  ber  9?achrid)t,  baff  jene 
fie  am  Stbenb  erfe|en  foltte.  (Sin  fcfdimme»  Regiment 
fjerrfcfjte  eben  bajumat  im  faiferlid^  föniglichen  §of» 
oherntheater.  „S3iet  be§  Sntereffanten“  faf»  bie  miber 
SSerbienft  gurüdgefetite  bantalS  tjinter  ben  (Soutiffen 
fich  abfpieten,  unb  ein  gutes  Stüd  ^heatergefdiichte 
erlebte  fie  leibOod  genug  mit.  Setbft  ben  befdjeibenen 
Xroft  eines  auSmärtigen  ©aftfpietS  aber  mißgönnte 
man  ihr,  unb  nadibcnt  fie  einmal  mährenb  eines  93e= 
fud)S  in  (fkaj  als  Stjucena  im  »Trovatore«,  atS  Stofine 
im  „barbier"  unb  als  „Sucrejia"  lebhaften  SSeifaft  ern» 
tete,  ber  auch  burd)  bie  Berichte  ber  SBiener  Leitungen 
miberftang,  marb  ihr  hinfort  jeber  Urlaub  confequent 
oermeigert.  (Senug  bie  Sd£me,  bie  Stmalie  Sßeifi  in 
bem  fd)önen  lebenStuftigen  SSien  oerbrachte,  maren 
„eine  Schmer^enSseit"  für  fie,  noch  erhöf)t  burch  beit 
SSertuft  üon  SERutter  unb  Schmefter.  SSott  ba  ab  ftanb 
fie  gattj  allein ; lebt  bod)  ihn  einziger  93rubcr  feit  bent 


319 


w — — — — — — — — ^ 

Safjre  1848,  burcf)  ba§  SBettmeer  üon  if)r  getrennt,  in 
Stmerifa. 

Sticht  über  Sltanget  an  SBefc^äftigung  fjatte  fte  in 
Sßien  ju  Hagen.  $ür  bie  beutfcfje  wie  für  bie  itatie- 
niftfje  Oper  üerwenbbar,  ftanb  fie  manchen  SJtonat 
ni(f)t  weniger  ate  breifügmat  auf  ber  Süt)ne  — wenn 
freilich  auch  fetten  in  bebeutenben  Stötten,  gatime  im 
„Oberon“,  bie  Königin  im  ,„8weifampf",  Stbatgifa  in 
„Storma“,  wetd)’  teuere  fie  itatienifd)  fang,  btieben  bie 
größten  Stufgaben,  mit  benen  man  fie  betraute. 

Site  (Srtöfung  begrüßte  fie  e§  bemgemäji,  ate  enb= 
lid)  it)r  (Eontract  ju  (Enbe  ging  unb  fidj  it)r  in  §anno- 
oer  bie  Stugfidjt  auf  eine  it)r  angemeffenere  'Sdjätigfeit 
eröffnete.  ®d)ort  fjatte  fie  fetbft,  tief  niebergebrüdt 
unb  mut^to§,  wie  fie  war,  an  ihrer  Begabung,  ihrem 
®ünftterberuf  ju  jweifetn  begonnen,  unb  „eigentlich 
nur  um  tior  fich  fetber  eine  SJSrobe  abjutegen“,  trat  fie 
auf  ber  Steife  nach  Storbbeutfdjtanb  in  Sinj  en  passant 
ate  gibe§  im  „Propheten",  ate  Stofine  im  „Sarbier" 
unb  Storneo  in  Settinite  „Stomeo  unb  !yutie"  auf.  ©er 
gtänjenbe  (Erfolg  tieg  itjre  (Erwartungen  weit  hinter 
fidf  jurüd,  unb  oott  neuen  33tutf)e§  begann  fie  im 
Stprit  1862  ifjr  ($aftfpiet  an  ber  ^attnoberaner  §of= 
büt)ne.  Stach  brei  Partien,  fo  war  e§  oereinbart,  fottte 
bie  ^ntenbanj  fich  entfcheiben,  ob  ber  ®aft  üom  fot= 
genben  |>erbft  ab  ber  Sühne  angehören  fotte.  SBät)' 
renb  berißrobe  jur  erftenSorftettung,  nach  bem  jweiten 
Stet  be§  „ißropheten"  aber  bereite  brachte  ber  bamatige 
Sntenbant  ©raf  tßtaten  Stmatie  SBeifj  bie  witttommene 
Sotfdjaft,  bah  ba§  (Engagement  nod)  öom  fetben  Sage 
an  in  ®raft  treten  fönne.  Schon  bei  ihrem  erften  Stuf- 
treten  lieh  ihre  Slufnahme  beim  ißübtifum  itnb  §of 
an  §erjtid)feit  nid)te  ju  wünfhen , unb  immer  war= 
mer  unb  ftjmfoathif^ier  gestatteten  fich  ihre  Schiebungen 

& M 


320 


* • —M 

im  Verlaufe  be§  ^aljreiS,  in  bent  fie  in  tpannoüer 
tptig  war.  SOlit  ©enugtljuung  fal)  fie  fid^  wieber 
grofje,  bebeutenbe  Aufgaben  gefteüt  — fie  freute  fidj 
wieber  iljrer  ®ünftterfd)aft.  Uttb  audj  ülnbere  freuten 
fid)  an  ifjr.  2U§  auf  Soadfint’ä  Sßeranlaffung  unb 
unter  feiner  Tirection  ©lud’§  „Drpl)eug“  im  ülpril 
1863  auf  ber  fjannoöerfdjen  Stülpte  feine  SBieberauf- 
erftetjung  feierte,  ba  floffen  bie  33eridjte  in  beutfdjcu 
SDZufifseitungen  üom  Sobe  be§  „öoHenbeten  ©aitjen" 
über,  ba§  Slmalie  SSeifi  an  Stimme,  Vortrag,  ©r= 
fdjeinung  unb  Spiel  in  ber  Titelrolle  oergegenwärtigte. 
llitb  über  itjre  SBiebergabe  be§  „Sibelio"  la§  man  in 
ben  „Signalen“ : „93oll  Tiefe  unb  Seibenfcfyaft,  atljmete 
ber  23ortrag  überall  bie  SBeilje  edjter  ®unft,  unb  ebenfo 
trug  ba§  Spiel  burdjweg  ba§  (Gepräge  eblen  3Rafie§ 
unb  wahrer  Sünmutl)." 

9I1§  fjibelio  aud)  fagte  fie  am  31.  SDlai  1863  ber 
93ül)ne  Sebewolft,  um  fic^  am  10.  lyuni  lyofef 
!yoad)im  — „bem  Prince-consort  ber  Königin  ber  S«' 
ftrumente“,  nad)  93ülow  — ju  oermäljlen,  ber  ju  jener 
3eit  al§  ©oncertbirector  be§  ®önig§  oon  §annotier  in 
beffen  Dfitefibeng  lebte.  Ungern  genug  faf)  man  bie  be= 
liebte  Sängerin  öom  Theater  fdjeiben,  unb  and)  iljr 
würbe,  fo  bezeugt  fie  felbft,  „ber  2Ibf<f)ieb  fcf)Werer  al§ 
wol)l  irgenbwer  aljnen  modjte.  Tod)  fjielt  id)  e§  für 
eine  ÜJlotljwenbigfeit,  ber  SSüfyne  ju  entfageit ! Sftod) 
jahrelang  fämpfte  id)  ben  fd)Weren  Sümpf , unb  felbft 
|eute  nocfj  lebt  ber  SBunfdj  in  mir,  nod)  einmal  einem 
ber  großen  Ijerrlidjen  ©ebilbe , weldje  gerabe  bie 
beutfdje  Oper  befijjt,  Seben  ju  oerleifjen.  Slber  be§ 
SBeibeS  Seben  ift  ja:  ©ntfagung!" 

©inen  ©rfajj  für  ba§  §ingegebene,  „wenn  and) 
nidjt  einen  fie  üodfomnten  auäfüllenben",  fanb  fie  im 
©oncertfaal.  SSon  iljrem  SBirfen  bafelbft  erft  batirt 

fe- 


Sa  ÜDfara,  StuMenföpfc.  V.*  321 


21 


w ~ * 

gteic^tuofȣ  bie  weite  Verbreitung  iljreS  DtufS,  iljre 
europäifdE»e  Verüt)tntf)eit.  Satte  fie  and)  fd)on  bei 
itjrem  erften  Vefnd)  im  Seipgiger  ©ewanbfjauS  (am 
19.  Februar  1863)  als  gräulein  SBeiji  auf  einem  i£>r 
fremben,  anerfannt  anfprudjStooden  Voben  Vubltfum 
unb  ®ritif  ju  ungewöhnlichen  VeifadSäufjerungen 
angefeuert : bie  mufitalifcfje  Vielt  im  weiteren  Sinne 
lernte  fie  erft  als  grau  goadjim  tennen  unb  fdjäijen. 

©rft  an  ber  Seite  beS  fjerrlidjen  Zünftlers , ber  if)r 
SebenS*  unb  Jdunftgefäljrte  warb , ftieg  fie  auf  ber 
Staffel  ber  SJteifterfdjaft  1)51)  er  unb  fjölfer,  ftieg  fie  ju 
jener  ©röjje  empor,  bie  wir  fjeute  an  if)r  bewunbern. 
gmmer  geläuterter  unb  ibeeder  bezeugte  ficf)  bie  Scfjön» 

Seit  ifjreS  gottbegnabeten  DrganS,  immer  auSgeglidje» 
ner  in  allen  Sagen  bis  in  bie  tiefften  ©fjorben  hinab. 
üldeS  dßateriede  ftreifte  es  ab,  burdjweg  Karte  es  ficf), 
wie  ©umpredjt  fagt,  „jurn  reinen  2Biberf)ad  beS 
©eifteS."  gmmer  mafjtioder  nnb  ftiloodenbeter  and) 
geftalteten  ficf)  Vortrag  unb  SluSbrud.  28o  man  bie 
glodentönige  mächtige  Slltftimme  Ijörte,  blieb  man  il)r 
nirgenb  ben  Tribut  begeifterten  ©anleS  fcfiulbig.  ©r= 
Hang  fie  twdenbS  neben  goadjim’S  3aubergeige,  be= 
griifjte  man  foldf  feltene  Sunftüereiuigung  als  geftge* 
nufj.  IXnb  wie  tiiele  foldjer  gefte  bereitete  baS  Zünftler» 
paar  ben  greunben  ebler  ®unft!  SBie  oiele  Sorbeeren 
unb  Volmen  wudjfen  Veiben  üereint  auf  iljren  SBegen ! 

gn  oorneljmer  fünftlerifdjer  ©efedfdjaft  geigte  fid) 
Slmalie  goadjim  ftetS.  ©ab  if)r  nid^t,  wie  bieS  bod) 
meift  gefdjal) , if)r  ©atte  baS  ©eleite , fo  gefedten  fid) 
if)r  ©lara  Sdfumann,  Stodfjaufen,  bie  XietjenS, 
genug  Sinb  unb  anbere  mufifalifdfe  ©röfjen  als  ©on= 
certgenoffen.  21riftofratifd)  unb  apart  aucf)  erwies  fie 
fid)  toon  je  in  ber  SBaljl  ifjrer  VortragSftüde.  Vergeffene 
unb  oergrabeneXonfleinobien  Vadj’S,  SättbefS,  ©lud’S 

Hi 

-*>» 


322 


•% 

rief  fie  iuieber  an’§  Sicf)t ; Sieber  Sdfubert’3,  bie  juoor 
mofß  niemals , ober  bod»  feiten  im  ©oncertfaal  er» 
Hungen  — mie  „©olma’3  ®Iage",  „ÜDiemtton“,  ,,Su» 
leifa"  — medte  fie  tnieber  auf.  (Schumann  unb  granj 
unb  jurnal  itjre  greunbe  93rucE)  unb  23raf)m§  fingt  fie 
mit  Vorliebe.  3Son  if)r  mu|  man  be§  legieren  „Silfap» 
fobie",  „ÜJtainadit",  „SSon  einiger  Siebe"  ic.  f)ören,  um 
bereu  mufilalifdien  unb  poetifcfjen  23oßgeI)aIt  ju  er» 
griinben.  9ieuerbing§,  mo  fie  tmrjug§meife  „Sieber» 
abenbe"  ju  neranftalten  liebt,  erfreut  fie  and)  bittet) 
SSiebergabe  ganzer  ©fielen.  93eetI»oüen’§  „2ln  bie  ferne 
(Seliebte“,  Sdjubert’3  „StJcüIIerlieber“ , Sdjumann’S 
„grauenliebe  unb  »Seben",  ba§  |»errlid)fte , ma§  mir 
auf  biefern  (Gebiet  befitjen,  reicht  fie  ba  al§  immer  miß» 
lommene  Spenben  in  muftergültiger  SBeife  bar. 

2II§  goad)int,  nad)  bem  9iegierung§medjfel  in 
fiannoüer,  1868  feinen  2BoI)nfi|  nad)  Berlin  neriegte 
unb  er  bort,  al§  ißrofeffor  in  ben  Senat  ber  föniglidjen 
Slcabemie  ber  fünfte  unb  halb  barauf  jurn  S)irector 
ber  neubegrünbeten  acabemifdjen  £>od)fd)uIe  für  SDiufif 
berufen,  eine  neue  umfaffenbe  STlfätigfeit  entmidelte, 
gemann  bie  preufsifdje  §auptftabt  aud)  in  feiner  (Sattin 
eine  freubig  begrüßte  fünftlerifd)e  ®raft.  2)a§  §au§ 
be§  gefeierten  ißaared,  ba§  fecf)g  ®inber,  brei  Knaben 
unb  brei  iDtäbdjen,  gegenmärtig  anmutig  beleben, 
marb  ber  ÜRittelpunft  eines?  füttftlerifd)  mie  gefeßfdjaft» 
lief»  ausermäplteit  föreifeä.  ßhtr  im  Sommer  mirb  e§ 
für  einige  ißionate  ftiß.  ßiaturfreuben  unb  Iänblic£»e 
gurüdgejogenlfeit  treten  bann  an  bie  Steüe  be§  be» 
megten  fünftlerifc£»en  £reiben§,  unb  bie  fjübfdfe  „SSiüa 
goaepim",  bie  ber  tonreidje  ßReifter  fid^»  im  93ergfrieben 
Salzburgs,  angefid)t§  ber  perrlicpen  gefte  unb  bes  ei§» 
übergoffenen  SBapmann,  in  Sligen  erbaute,  bietet  ein 
traulid)  §eim  für  fommerlidfe  ßtupe.  2Iu§  bem  Salon 

IV,  orfl 

— «Sk 

21* 


323 


y ' ' t* 

ju  ebener  @rbe  überfdjüttet  ben  ju  guter  ©tunbe 
SSorüberfommenben  bann  oft  ein  Sonfegen,  ber  feine 
©dritte  tjemmt  uitb  if)n  anbädjtig  tauften  läfst.  ©ans 
unberfehenä  genieist  er  ein  §au§concert,  toie  e§  ber» 
gebend  feines  ©teilen  fudjt. 

ÜDtan  fann  Stmatie  3oad)im  biet  nnb  boeb  nie  ge» 
nug  hören.  @ie  f»at  in  alten  bebeutenben  ©täbten 
Seutfd)tanb3  unb  Öfterreic£»S , §ottanb§  nnb  ber 
©cbweis,  wieberbott  and)  in  Sonbon  unb  fßariä  ge» 
fungen,  unb  atterwärt§  grünten  it»r  friftfje  SBtätter  für 
ihren  fftubmeSfrans.  ©etbft  tbo  fidf  unferen  bentfdjen 
Sieberfdfäben  (Singang  unb  SJerftänbnifj  fdfwieriger 
erfebtiefjen : bei  unferen  fftadfbarn  jenfeitS  be§  fRfjeinS, 
eroberte,  fo  tjeifft  e§,  „iffr  t)errtid)er  SSortrag  beutfdjer 
Sieber  alte  §erjen."  Sen  öfteren  (Sintabungen,  ihre 
®unft  and)  in  fftufjtanb  teuften  ju  taffen,  toiberftanb 
fie  bisher , ba  fid^  it)r  fdfon  bei  einer  Soitrnee  nach 
©Sweben  ba§  norbifdfe  Stirna  fo  feinbtid)  erwie§,  baf; 
fie  erfranfte.  Über  bie  ruffifdfen  Oftfeeprobinjen  tjat 
fie  fid)  bentnad)  bis  beute  noch  nic£)t  binau§gewagt.  Um 
fo  lieber  half  unb  hilft  fie  ben  ©tanj  ber  rbeinifdjen, 
wie  ber  medtenburgifeben  unb  bjolfteinifd^en  fDiufiffefte 
erhöben.  Senn  in  träger  Stube  gefättt  fid)  Stmatie 
Soacf)tm’g  ernfte  Sfünftternatur  nicht. 

„2Ba3  ich  fünftterifd)  anftrebte?“  — mit  biefeit 
^Sorten  fddiefd  fie  bie  un§  gegebenen  ÜDtittbeitungen 
— „e§  war  immer  ba§  $öcbfte  nnb  mein  Sbeat  flog 
ftets  höher  unb  höher!  2ßa§  id)  erreichte?  2Sie  wenig 
ift  ba§ ! §abe  id)  aber  nur  einmal  einem  ÜUtenfeben 
ba§  Schöne  unb  @bte  näher  gebracht  — fo  t)dbe  i<b 
nicht  bergebtief)  gerungen!" 


324 


w 


ine  togifcpe  ©onfequenj  nuferes  Zeitalters 
beS  ©ubjectiüiSmuS  uitb  ©peciafiSmuS  finb 
bie  ©peciafitäten  and)  im  S3ereidj  ber  ®e= 
fangSfunft,  öon  benen  bie  uniöerfetlere 
S3ergangenf)eit  wenig  wufjte.  2HS  f^ecififc^fte  @pecia= 
lität,  afS  inbiüibuefffte  Znbiöibuafität  unter  ben  ©än* 
gerinnen  unferer  Sage  aber  hat  Dfjne  §rage  Sßa ult  n e 
Succa  ju  gelten,  ©mpfängt  bie  SSirtuofität  über» 
fjaupt  öon  ber  Snbiüibuatität  beS  ®iinftferS  ihren 
Stempel  unb  erfdjeint  um  fo  intereffanter,  je  mehr  fie 
ein  Sfbbifb  feiner  Eigenart,  feines  Innenlebens  ift, 
fo  wirb  ißauline  Succa  atS  eine  ber  intereffanteften 
Sunfterfdjeinungen  betrachtet  Werben  muffen.  SOian 
fann  über  bie  33ered)tigungf  über  baS  ©djönfjeitSmaf} 
ihrer  Sluffaffung  unb  Sarftedung  biefer  unb  jener 
dtotte  ftreiten;  über  bie  Sefonberpeit,  baS  ©eift  reich» 
Sigentpümtidje  ihrer  Süpnendjaraftere  fann  man  nicf)t 
wohl  jweierfei  Meinung  fein.  3Ipart  ift  bie  Heine 
ffrau  mit  bem  SSotlbluttalent , ben  bfiijenben  2fugcn 
unb  ber  geläufigen  fdjfagfertigen  Zunge  immer;  fie  ift 
attgeit  pifant  unb  intereffant.  ©apriciöS,  Wie  fie  in 
ber  ®unft  unb  im  Seben  öon  ©runb  aus  ift , im  $ße» 
wufjtfein  ihrer  Originalität  auch  ein  Sßagnifj,  eine 
Übertreibung  nid)t  fdjeuenb,  bie  fie  bie  feine  Sinie  ber 
@d)önf)eit  oft  unbebenffid)  überfpriitgen  laffen,  hat  fie 
ftets  eine  Überrafduntg  für  uns  bereit , unb  es  ge» 


w 


währt  eilten  abfonberticben  ffteij,  bent  eigenartig  fed> 
genialen  SSurf  ihrer  Seiftungen  ju  folgen.  Sin  echtes 
Üinb  unferer  reatiftifcben  Seit,  ftefjt  fie  mit  beiben 
Süfjen  auf  bem  Soben  ber  2Birfli<f)teit ; fie  erfaßt  unb 
porträtirt  bie  SSett  unb  bie  3Kenfcf)t)eit  toie  fie  ift,  nicht 
im  milben  SBiberfdjein  einer  oerftärenben  ®unft.  SBer 
Silber  ibeateren  (SeprägeS  öon  ber  Sühne  herab  ju 
flauen  begehrt,  wirb  fit  fermer  mit  ißautine  Succa’S 
fc^arf  reatiftifcben  Darbietungen  befreunben.  Sie  liebt 
grelle  Siebter  unb  Statten,  unb  je  fcfjtagfräftiger  unb 
energifcEjer  fie  §u  djarafterifiren  unb  ju  cotoriren  (Se= 
tegen£)eit  finbet,  befto  mehr  fii£)tt  fie  fidj  in  ihrem  Sie» 
mente.  Son  Statur  jur  Soubrette  gefdjaffen,  jur  Dar» 
ftettung  genrebitbti^er  giguren  bitrcb  ißerföntiebfeit 
unb  Stimme  b)ingeit)iefen , bat  fidj  ihre  reiche  (Seftat* 
tungSgabe  gbeicf»VDobI  auch  eine  2lnjaf)t  bramatifdjer 
Partien  in  üirtuofer  SBeife  jn  eigen  gemacht.  Die 
berjtofe,  bämonifebe  Sarmen,  bie  mitbe  Setica,  bie 
auSgetaffene  fjrau  Slutt) , bie  ben  fßoftilton»  (Satten 
übertiftenbe  SSJZabeteine , bie  trotzige  Sßiberfpenftige 
fiitb  beifpietSWeife  in  ihrer  2Bieberga6e  C££)arafter6itber 
oon  hoher  Soltenbung.  Sticht  ba§  febtietjt  Statürticbe, 
ba§  mafstioH  Gehaltene,  foitbern  ba§  fc£)arf  ÜÖtarfirte, 
ba§  Dutrirte,  Sjtreme  fteht  ihr  ju  (Sefidjt-  tpöljer 
ftitifirten,  ebteren  (Seftatten,  toie  Donna  Stnna,  bleibt 
jie  SieteS  fcf)tt£big . Sbre  fcf)öpferifcE)e  Sraft  Iaht  fie 
auch  ba  nicht  im  Stidf» ; boc£)  it)r  ureignes  Sereicb, 
barin  fie  toie  ber  gifcb  im  SBaffer  fdjeint,  liegt  nach 
jener  Seite  bin  - wo  fie  ihrer  mutwilligen  Saune 
ober  ihrem  überfchäumenben  Demperament  bie  3ügel 
fcfjiejjen  taffen,  mo  fie  mehr  ober  weniger  fid)  fetbft 
fpieten  barf. 

Sn  bem  ftarfen  $ug  biefer  fßerföntidjfeit  liegt  ihre 
SOZac^t , welche  gefängliche  unb  bramatifebe  Segabmtg 


äf  — — ' : 

nur  einbrittglicf)  uuterftübeu.  So  ftjmpatfjifcf)  uni  ber 
bunfte , warm  gefättigte  Slang  ihrer  fcpnen  Stimme 
and)  tjeute , Wo  ihre  Sttüte  öorüber,  noch  immer  trifft, 

Weber  au!  biefetn  Slang,  noch  au!  einer  üottenbeten 
©efangltedfnif  itnb  53raüour,  bereu  ficf»  bie  naturati» 
ftifcfje  SSilbung  ber  Sängerin  nicht  rühmen  fann,  er» 

Märt  fid)  ber  ,§auber,  ben  bie  (Gefeierte  üon  je  auf  bie 
§orer  aulgeübt.  Ter  ©efang  ift  ifjr  mehr  nur  ÜDtittel 
bei  Stulbrudl,  unb  nur  im  Tienft  bei  Tramatifchen 
offenbart  er  fein  Vermögen.  @1  ift  mit  einem  SBort 
ihre  iöü^nenüirtuofität , bal  in  ©efang,  Tarftettung 
unb  ißerföntichfeit  jufammentreffenbe  ©anje,  Wal  ihr 
fotcb’  feittene  SSirfunglfraft  fidfert  unb,  wenn  el 
auch  o^ne  Zweifel  ebtere  Sunfterfcfjeinungen  all  bie 
ihre  giebt,  if)r  bocf»  bie  gtänjenbften  Triumphe  ge* 
wann , welche  eine  beutfdfe  Sängerin  ber  ©egenwart 
ju  bezeichnen  hat. 

©in  itatienifc^er  SSater,  bal  ift  ein  oenetianifcf»er 
Sube , ber  bei  feiner  SSerfjeiratung  bal  mofaifcfie  S3e» 
fenittnifj  mit  bem  dfriftlidjeu  bertaufdjte,  unb  eine 
beutfdje  Butter  gabenißaulineSucca,  bie  am  26.  SIpril 
1841  im  ^eiteren,  lebenlfrolfen  SBieit  bal  Sicht  ber 
Sonne  jum  erften  ÜDlale  begrüßte,  bal  Seben.  Drien* 
taIifch*romanifdiel  unb  germanifchel  23Iut  mifcf)te  fich 
fomit  in  ihren  Stbern ; um  bie  SRifchung  aber  noch  pi* 
fanter  ju  machen,  gefeilte  fich  — bafern  ißaulineSucca, 
bie  el  felbft  erjählte,  fich  nicht  etwa  in  einer  Üttpftifi* 
cation  gefiel  — ein  ©lement  apartefter  2Irt : Oon  einer 
afrifanifchen  2Imme,  einer  üötutattin,  fog  fie  bie  SRitct) 
ber  frommen  Tenfunglart  ein.  SSunbert  uni , wenn 
wir  bie  fomit  au!  alten  brei  ©rbtlfeilen  ber  alten  SSelt 
äufammenftiefsenben  Duetten  fennen,  bal  ber  Meinen, 
äierlidj  gebauten  ©eftalt  innewohnenbe  Temperament, 
bal  ißifant  = ©apriciöfe  ihre!  iftaturettl?  ÜSunbert  e! 

M 


329 


w 


unS , baff  SQ^etjerBeer  in  if)r  bie  präbeftinirte  tfteprä* 
fentantin  feiner  „Stfrifanerin"  erfannte? 

Sn  ber  Sirene  gewann  fid)  baS  Talent  beS  ÄinbeS 
feine  erften  greunbe.  33  om  ©hör  ber  ©artSlirche  berat, 
beren  Regens  chori  Sofef  tRupredjt  juerft  ißautinenS 
33egabung  wahrnat)m  uttb  if)r  ben  erften  Unterricht 
erteilte , half  i£)re  jugenbticE»e  Stimme  bie  anbädftige 
©emeinbe  erbauen.  2ttS  fie  aber  eines  Sonntags  beim 
StuSbteiben  ber  Sotiftin  baS  Sopranfoto  in  einer  ÜDto* 
jart’fc^en  SÖteffe  übernahm , ba  ftaunten  bie  Slnwefen* 
ben  über  ben  2Bof)ttaut  eines  DrganS , bie  Stnrnutf) 
eines  33ortragS , beren  9tut)m  nachmatS  weitläufig 
Werben  fottte.  Sn  SRidfarb  2ewp  unb  Otto  Ufdmtann 
empfing  bie  mufifatifche  Steine  behufs  höherer  2IuS* 
bitbung  fpäter  ihre  weiteren  Selfrer;  ba  inbef?  bie 
engen  33ert)ättniffe  ber  ©ttern  lein  langes  foftfpietigeS 
Stubium  geftatteten,  trat  bie  günfgehnjährige,  frifd)* 
weg  gur  ißrajiS  übergehenb,  1856  in  ben  Dpernchor 
beS  Särnthnerthor^heaterS  ein.  StufmerffameS  33e* 
obachten  ber  an  ber  faifertid)en  Dper  wirlenben 
Sühnengröpen  trug  ihr  bei  frühreifer  Sntettigeng  er* 
wünfdfte  grudjt.  33ot  fid)  ihr  auch  un  ber  SSiener 
£ofoper  faum  ©etegentjeit , ihr  können  gu  geigen: 
benn  trotj  ber  empfet)tenben  ^inweife  competenter 
Sftufifer  unb  ^ritifer  auf  baS  bitbungSfähige  latent 
oerftanb  fid)  bie  9tegie  nicht  bagu,  fie  mit  einer  beben* 
tenberen  Stufgabe  gu  betrauen,  unb  bie  33rautjungfer 
im  „Sreifchüh"  blieb  ihre  größte  Seiftung,  — fie  arbei* 
tete  fich  i*oc£)  mit  ber  ©nergie  ber  wahren  ^Begabung 
fchnett  genug  auS  ihrer  bunften  ©horiftenefifteng  her 5 
auS.  ©in  Sebitt  atS  ©toira  in  33erbi’S  „©rnani"  er* 
warb  ihr  (am  4.  September  1859)  im  gtuge  bie  Spm* 
pathien  beS  Dtmüher  ißubtifumS , unb  atS  fie  ein 
halbes  S«hr  fpäter  in  $rag  auf  ©ngagement  gaftirte, 

J 


330 


W -TM. 

gögerte  man  ftpon  na  cf)  iprer  erften  SSorftettung  als 
SSafentine  in  beit  „Hugenotten"  ntc^t,  ben  Vertrag  mit 
if)t  abgufcpliefjen.  Sie  Anfängerin  opne  Stuf  unb 
Stauten  warb  bie  ißrintabonna  ber  Frager  SBiiptte,  unb 
baS  untierpoplene  ÜDtifjtranen,  mit  bent  ipr  baS  ißubli» 
tunt  gunäcpft  entgegenfam , wanbette  fiep  alSbalb  in 
eben  fo  offenfunbige  Vorliebe.  @o  wenig  ipreErfcpei» 
nttng  für  bie  Valentine  ober  gar  für  bie  Storma , als 
Welcpe  fie  fiep  an  jweiter  ©teile  präfentirte , geeignet 
war,  ja  fo  fepr  bie  Keine,  fetbft  nocp  palb  finblicpe 
ißriefterin  mit  ben  ®inbern  an  ber  §anb  bie  ©pottluft 
rege  rnacpte,  fie  fang  ficf)  bodp  nidjtSbeftoWeniger  in 
bie  (Gunft  ber  Hörer  unwiberfteplicp  pinein , unb  als 
man  fie  am  1.  April  1861  an  bie  ^Berliner  Hofoper 
abgeben  rnufste,  ba  bettagte  man  ben  SSertuft  beS  ori» 
gineilen  (Genies , als  welcpeS  ber  prettfjifdpe  (General» 
intenbant  Oon  Hülfen  fie  51t  finben  unb  gu  gewinnen 
gewußt  tjatte. 

®ein  (Geringerer  als  SDteperbeer  patte  bie  Anre» 
gung  gu  iprem  Engagement  gegeben,  ©eit  langem 
fcpon  fap  fiep  ber  ©cpöpfer  ber  „Hugenotten"  naep  einer 
Helbin  für  feine  „Afrifanerin“  um,  beren  Partitur,  in 
feinem  ißulte  toerfcploffen , bereits  feit  Saprett  beS 
SebenbigwerbenS  auf  ber  33üpne  parrte.  Sn  ber  tem» 
peramentüollen  SSienerin  glaubte  er  nun  bie  Stecpte 
gefunben  gu  paben , unb  er  napm  fie  fofort  in  feinen 
mäeptigen  ©cpup  unb  ftanb  ipr  mit  Statp  unb  praf» 
tifeper  UnterWeifung  fo  pülfreiep  gur@eite,  bafi  fie  ipn 
banfbar  als  ipren  eigentlichen  Seprer  unb  SDteifter  be» 
geiepnet.  SOtit  Vorliebe  auep  löfte  fie,  „ein  waprer  Sa» 
oib  (Garrid",  wie  er  fie  nannte,  ftets  bie  Aufgaben 
feiner  S'unft.  ©eine  SSalentine  unb  Alice,  93ertpa  unb 
gibeS  unb  üor  allem  ©elica,  bie  fie  unter  feiner  Sei» 
tung  ftubirte,  gepörten  gu  ipren  betoorjrigteftcn  Stollen. 




33t 


w 


©leicperweife  üerbiente  fie  fitf»  nacptualS  Stoffini’S  uub 
Slitber’S  warnten  Stntfjeü  unb  SSetfaH ; tüte  beim  audj 
beS le^teren Spielopern ; „Ser  fcpwarje  Somino",  „gra 
Siaüolo",  „Sie  ®ronbiamanten",  „Sarlo  23roScpi", 
batt!  tftrer  genialen  SSiebergabe,  wieberum  eine  fefte 
Siede  int  berliner  IRepertoire  fanben. 

2Bie  tnenig  Sängerinnen  üor  ipr  faf)  fiel»  ißauline 
Succa  in  Berlin  gefeiert , unb  pöper  unb  pöper  ftieg 
fie  in  ber  allgemeinen  ©uitft  empor.  Sem  ®önig  unb 
feinem  tpofe,  ber  Slriftofratie,  bem  ißublifum  unb  ber 
®ritif  — irrten  Sillen  tbjat  fie  es  an  unb  fie  Sille  wett= 
eiferten,  bem  Keinen  Siebling  ju  pulbigen,  ipn  ju  üer= 
göttern,  ju  oerwöpnen.  |>ief  eS  fepon  naep  ipretn 
erften  Sluftreten  als  Valentine : „gränlein  Succa  im= 
ponirte , weil  fie  in  Slllern  mit  üoller  Sicperpeit  auf* 
trat;  man  faf)  ein  HareS  SBodett  unb  eine  unbebingte 
fterrfepaft  beS  SBiüettS  über  baS  ÜÜlaterial“,*)  fo  üer= 
fepaffte  fiep  biefe  itjre  Energie  unb  SBiltenSperrfcpaft 
halb  auep  anberweit  Geltung.  Sie  bereits  im  0cto= 
ber  1863  unter  bem  Sitel  einer  föniglicpen  Kammer» 
fängerin  auf  SebenSjeit  engagirte  primadonna  capric- 
ciosa  Warb  bie  Sprannin  ber  berliner  Dper  nnb  iprer 
gntenbanj.  geber  Saune  bnrfte  fie  ungeftraft  fröp= 
tten,  jebeS  (SefepeS  mutpwillig  fpotten.  Spr  Säcpeln 
ober  Stirnrunjeln  genügte,  um  jeglicpen  SBiberfprucp 
ju  befepwieptigen.  Sie  ttjat.  Was  ipr  gefiel,  fang  ober 
fang  niept , je  naepbent  es  fie  freute.  Ser  Sntenbanj 
gegenüber  üerpflicfjtete  fie  fiep,  bis  Dftern  1866  gräu= 
lein  Succa  ju  bleiben.  SllS  jeboep  ein  tapferer  Seut= 
rtant,  iöaron  SIbolf  üon  Stpaben,  ipr  waitfelmütpig 
§erj  beftürmte,  oerlobte  mtb  oermäplte  fie  fiep  fonber 
Söebettfen,  unb  ber  ernfte  üDtacptpaber  beS  gaprpum 


*)  Signale  1861.  April. 


332 


bertä , ifjr  greitnb  unb  ©önner  ©raf  Snsmavcf , mar 
ber  fettere  ©aft  il)rer  ^»oc^geitfeier  unb  brachte  ben 
feftlidien  Xrinffprucf)  auf  „ben  SSerfaffer  unb  bie  Iper» 
au§geberin  unfrer  Succa",  baS  ift  auf  SSater  unb  9Jcitt= 
ter  ber  jungen  S3aroniu,  au§.  Bitten  in  itjre  erften 
'Jriumphe  als  „Slfrifanerin"  fiel  if)re  Trauung  — fie 
fanb  am  25.  9totiember  1865  burtf)  ben  ißrobft  ber 
St.  tpebmigSfirdje  in  il)rer  2Bof)nung  in  ber  SSictoria* 
ftrafje  ftatt , — unb  um  be§  2orbeer§  mitten , ben  fie 
al§  Sefica  auf  ifire  Stirn  tjäufte,  tiergab  man  ifjr 
gern,  baff  fie  fid)  eigenmächtig  unb  tiorjeitig  aud)  mit 
ber  ÜDigrte  gefdE»mücft.  üftacf)  einer  ißaufe  tion  meitig 
Sagen  fjörten  bie  berliner  if)r  Sd)o§finb  in  feiner 
neueften  Stoffe  af§  „grau  Succa"  mieber,  unb  fie  blieb 
ihnen  af§  fofdje  nid^t  minber  lieb  af3  fie  e§  juttor 
gemefen. 

,Qum  SBeftruf  patte  fiel)  rnitttermeite  ifjr  Socatrutjm 
ermeitert.  ©eit  fie,  tion  2)tegerbeer  empfohlen,  311= 
erft  im  !yufi  1863  auf  berSBeltbiHjne  be§  Sonboner 
©Dtieutgarben=^eaters  af§  SMentine  unb  ©retten 
it»re  fief)  ate  „Sffrifanerin"  nochmals  (1865)  noef)  me» 
fentHcf»  fteigernbe  SSirtungstraft  and)  bei  ben  @ng= 
länbern  3af)r  um  $ahr  bemäljrte,  feit  fie  fid)  meiterf)in 
aud)  in  SBien,  93rüffel,  Petersburg  unb  allen  grofsen 
©täbten  Seutfd)lanbS  gleidjermeife  als  Siegerin  er» 
mies , mar  ibjre  Stellung  neben  SIbelina  Patti  unb 
©firiftine  Stilsfon , ben  gefeiertften  Sängerinnen  ber 
©egenmart,  gemonnen.  Stur  in  Paris  fjörte  man  fie 
nie.  So  gern  äfteperbeer  feine  „Slfrifanerin",  bie  fie 
in  Sonbon  unb  Berlin  jur  erften  Sarftetlung  braute, 
auch  in  Paris  tion  it)r  creirt  gefeljen  hätte,  fie  für ct)» 
tete,  baf?  ihr  beutfdjer  SIccent  im  franjöfifcfjen  ©efang 
ben  ©rfolg  beeinträchtigen  fönne,  unb  fteftte  ben 
fdjmeicf)etl)afteften  Einträgen  ein  nncrfrfjüttct'licCjc* 


w ~n 

Stein ! entgegen.  So  war,  als  beS  SOZeifterS  lang  p= 
rüdgehalteneS  SllterS*  unb  SieblingSfinb  erft  nad) 
feinem  Sobe,  am  28.  Slpril  1865,  feinen  Sühnen* 
geburtStag  in  ber  franpfifdjen  |>auptftabt  feierte,  nicf»t 
ißauline  ßucca  bie  e r ft e Trägerin  betreiben,  ob  fie 
aucfrbie  rufjmgefröntefte  warb  *) . 

Segeljrt  mürbe  fie  oon  allen  Seiten.  Sa,  bort, 
überall  oertangte  man  barnadj,fiepbewunbern.  Ser 
SSicefönig  non  %ppten  üerfudjte,  fie  nad)  bem  9Zätt»feC= 
lanb  Slfrifa,  ein  ober  ber  anbere  finge  Speculant,  fie 
nad)  ben  ©olbgefitben  SlmerifaS  p loden.  „Sie  oom 
®önig  üon  ißreufjen  lebenslänglich  engagirte  Dftreidje* 
rin",  wie  fie  fid)  fdjerjenb  nannte,  aber  füllte  fiel)  an 
ber  Spree  behaglich  aufgehoben. 

konnte  — ob  biefer  unb  jener  giirft  fie  and)  be= 
corirte , bie  begeifterten  ffrranffurter  it>r  fogar  -baS 
(Sljrenbürgerredjt  erteilten — man  fie  irgenbwo  fana* 
tifc^er  oerehren , als  fper  - tt)D  ij)re  ©rfdjeinung  fction 
hinreichte,  tldeS  p eleftrifiren , wo  ganje  SZäcfjte  hin* 
burdj  oor  bem  jebeSmaligen  Auftreten  be§  SieblingS 
ein  unabfeljbareS  ÜDtenfdjengebränge  ber  Eröffnung 
ber  Saffe  harrte?  (Sine  geil  faum  je  poor  erlebten 
©langes  banfte  ihr  bie  SerlinerDpernbüIjtte,  unb  mit 
ber  Sljeaterfaffe  um  bie  Sßette  profperirten  bie  Silber* 
hanblungen  unb  oljotographifchen  SltelierS.  SaS  Ser* 
langen  nach  ihrem  Porträt  war  faum  p füllen.  Stenn* 
taufenb  (S^emplare  muffte  allein  ber  5ßh°f09raPh  ®raf 
binnen  furjern  liefern.  Sdjmerjlichft  mifjte  man  baS 
allgemeine  $bol,  als  nach  SluSbrudj  beS  beutfdj*fran* 


*)  (Ein  f^ätercö  (Engagement  an  ber  Opera  (IS 74;  mad)te  fie,  ba 
bie  treffe  fie  al$  „erbitterte  $einbin  $ranfreid)$"  angriff  unb  bie  5ln* 
banger  ber  üftiläfon , mie  e3  bie§  , gegen  fie  agitirten  , mieber  rücf  * 
gängig,  obtnobi  bereits  ade  $tä|c  für  bie  erfte  2>orftedung  bcfieUt 
maren,  unb  man  if)r  mit  allgemeiner  Spannung  entgegenfab- 


k 


M 


334 


jöfifdjeit  Krieges  eilte  fdfmere  SSermunbmtg  Sfaron 
Sftßaben’S  feine  ©attin  nad)  ißont  a ÜDfouffon  ju  feiner 
pflege  rief,  uitb  als  man  fidf,  nadfbem  fie  barnacf) 
eine§  SmdftercßenS  genefen , nacf)  faft  einjähriger  @nt= 
beßrung  enblicß  beS  fdjönen  SSoßllautS  ißrer  Stimme 
mieber  freute,  ba  begrüßte  fie  ein  Sßittfommenfturm 
unb  Sölumenregen  oßne  ©nbe. 

„gr.  Succa"  — fcßreibt  Sßilßelnt  £appert  beneid)* 
nenb  im  „ÜDlufiMifdjen  SBocßenblatt"*)  — „biefe  fieben 
Sucßftaben  bebeuten  meßr  als  bie  fieben  Opern  fölo* 
jart’S,  meßr  atS  bie  fieben  SBeltmunber;  fie  miegen  bie 
fämmtlidjen  SSerfe  ber  fieben  SBeltmeifen  auf.  Sin 
ißläßcßen  im  „Dlßtnp"  gilt  heute  meßr  als  ber  fcßönfte 
Sperrfiß  in  einem  ber  fieben  $immel.  grau  Succa 
fingt  jum  erften  ÜDlale  mieber  nadf  einer  ißaufe  üoit 
11  50lonaten.  Sie  allein  ift  es,  melcße  „gigaro“  unb 
„Sott  guan“  in  ßugopern  oermanbelt  ßat.  Sie  21n= 
jießungSfraft  biefer  grau  ift  unerhört;  meil  burcß  fie 
nie!  eingenommen  mirb,  barf  fi<h  bie  fßrimabonna 
and)  nie!  ßerauSneßmcn.  gm  ©efüßle  ißrer  21ttmad)t 
troßt  fie  bem  Stabe  beS  SapettmeifterS , ebenfo  mie 
beit  9?oten  beS  Somponiften;  fie  fcßredt  üor  feinem 
Sonflicte  jurüd,  baS  fßublifum  nimmt  fßartei  ju  ißren 
©uuften,  unb  bie  ®ritif  ebenfalls,  fei  eS  and)  nur  um 
beS  lieben  griebenS  mitten . Sßäre  grau  Succa  außer 
Staube,  eine  fcßmierige  Stelle  ju  iiberminben,  man 
mürbe  jeßumal  lieber  ben  Somponiften  „öerbeffern", 
ehe  man  .gumutßungen  an  bie  Sängerin  magte.  SItteS 
unb  gebeS,  maS  ber  Keinen tperrin  beliebt,  mirbjubelnb 
beflatfcßt  unb  unitacßaßmlic|  fdjön  gefunben ; baS  ift 
eine  nadte  Sßatfacße,  fo  meit  bei  uns  batioit  überhaupt 
nod)  bie  IRebe  fein  barf.  grau  Succa  ift  eine  Soubrette 


*)  1871.  17.  SDlärj. 


Jt 


335 


w 

comme  il  faut,  aber  nicht  mehr.  Som  ©efang  Witt  ich 
nicfjtg  Übles  fagen,  aber  in  ber  21uffaffung  ber  Lotten 
unb  im  ©piel  tritt  nadfgerabe  eine  bebenfliche  Sor* 
liebe  für  ba§  Sanale  ftörenb  ju  Sage.  211S  .gerline 
mag  fie  im  „($5aftl)auS  bon  Serracina"  nach  ©efaüen 
fdjalten  unb  malten , im  „Son  Suan“  fotlte  fie  bocf) 
mehr  ÜÜJtaf?  hatten , itnb  meldje  Slltotria  treibt  fie  in 
„gigaro’S  fmchjeit" ! Sie  SluSfteuer  für  ihren  ©herils 
bin  maiht  ftettenmeife  ben  (Sinbrud,  als  fei  fie  bon 
^elmerbing , nnferem  beliebteren  Socalfomifer,.  be= 
jogen.'1*) 

„Sie  fdjlägt  unfrer  ©efd)madsbilbung  SBunben“, 
Reifst  es  bon  anbrer  ©eite.  fpier  unb  bort  mirb  eine 
unjufriebene  Stufjerung  barüber  taut , bah  bie  S8erli= 
ner  Dper  „nur  ben  9taf)men  für  einzelne  Perfönlid)s 
teiten  abgebe." 

21n  ihrer  bisherigen  Unumfchränltheit  litt  Pauline 
Succa’S  §errfchaft  gleichmohl  einige  (Sinbuffe,  feit  8fta= 
thitbe  SDtallinger  fiel)  1869  ben  Plitgliebern  ber  §of= 
oper  beigefeCCte.  (Siferfüdjteleien  §toifc£)en  ben  beiben 
Primabonnen  hatten  ©treitigfeiten  unb  Parteinahme 
für  bie  eine  ober  anbere  jur  ffolge , unb  im  3anuar 
1872,  mährenb  einer  SSorfteÜung  beS  „gigaro",  in  ber 
SBeibe  als  ©herubin  unb  ©ufanne  auf  ber  Sühne 
maren,  fam  es  ju  öffentlichen  Semonftrationen.  Sur  cf) 
^ifdieu  berleijt,  »erlief  Gtfierubitt  bie  ©eene.  „Sch  bin 
mir  feines  Unrechtes  bemufjt  unb  fehe  nid)t  ein,  meS= 
halb  ich  uiijh  beleibigen  laffen  fod!“  rief  er,  auf  bie 
Sühne  jurüdgerufen , furjhiu  unb  energifchen  SoneS, 


*)  3nt  ©egenfaij  ffierju  t^ebt  §an3tt(f  in  2öien  $n?ci  3af>re  fpater 
(1874)  toieltneffr  ifyre  biäcrete  25ef)anblung  be3  dberubin  unb  ber 
Unc  fyerfcor  unb  ba£  fie  nad)  Seiten  beS  äußeren  djfecteS  t>in  für  ben 
Sßiener  ®efcüma(f  elfer  ju  ttenig  al$  $u  uiel  tf»uc. 


336 


bem  ^ublifunt  ju  — itnb  beibe  Ütiöatinnen  reitfiten  if)r 
EnttaffungSgefucf)  ein.  E§  würbe,'  fo  ungern  man  fid) 
baju  entfdflof} , SÖlatfiitbe  SRattinger  bewilligt,  it)r 
Eontract  warb  getöft,  unb  ju  Dftern  1872  fdtfeb  fie 
au§  bem  Verbanb  ber  Dp  er  au§  (um  befannttid)  fcfioit 
im  3a|r  barauf  öon  neuem  in  benfetben  einjutreten) . 

Stuf  bie  (Seite  be§  älteren  SiebtingS  ftettten  fitf)  tpof, 
3ntenban§,  bie  ÜDiajorität  be§  $ßubtifum§.  SB  er  mochte 
an  eine  Trennung  non  itjrn  benten,  wer  an  eine  Ver* 
tiner  Dper,  ber  er  nid)t  jum  beften  Sd)ntud  ge= 
reitfite? 

Unb  bennod)  plante  bie  Vergötterte,  beren  man 
fic^  bauernb  oerfidfert  ju  haben  glaubte , im  Stillen 
Sreubrud)  unb  §hitf)t.  Statt,  nachbem  fie,  wie  all* 
jährlich , jur  Seafon  in  Sonbon  gefungen  unb  itjre 
fommerlidie  Erholung  in  'Sfdjl  gefnnben  hatte , nach 
bem  Drt  tpre»  öertragämäfjigen  28irten§  jurüdjufef)^ 
ren,  fc^iffte  fie  fief)  bielmehr,  ein  Engagement  in  2Ime= 
rifa  eingetjenb,  mit  bem  beginnenben  September  fammt 
®inb  unb  Ettern  in  Siberpoot  nach  9iew=2)orf  ein. 

„SBenn  Sie  biefe  feiten  erhalten"  — fdjreibt  fie  in 
einem  bont  31.  Stuguft  au§  Siberpoot  an  ben  9tebac= 
teur  be§  Vertiner  „3rembenbtatte§"  gerichteten  offenen 
Vriefe  — „bin  id)  tängft  über’m  SDteere ; botf)  tann  id) 
nicht  fc^eiben  non  einer  Stabt , bie  meine  §eimat  ge= 
worben  war,  fo  fefir , baff  idj  bie  alte  ganj  oergeffen 
hatte , otjne  Stbfdjieb  ju  nehmen , offne  meine  Erünbe 
anjugeben  einem  ißublitum  gegenüber,  ba§  mich  ftet§ 
berwöhnt  unb  mit  Eüte  überfdjüttet  hat.  2>er  Ee= 
banle  ift  mir  unerträglich  , bap  man  wirftidj  glauben 
fönnte,  idf  bertaffe  be§  Eetbe§  wegen  Vertin.  Seber 
ru^ig  2>enfenbe  wirb  ficE)  wof)t  fetbft  fagen,  bafj,  wenn 
bie§  ber  Erunb  wäre , id)  nicht  jeffn  Sahre  hätte  ju 
Warten  brauchen ; aber  ich  gebe  5hnen  bie  heilige  Ver= 

fc-  . ä 


5a  2Kata,  Stufcienföpfe.  "V.  337 


22 


fidferung , baff  nid)t  alle  „Sd)ä£e  QnbienS“  ntidE»  ber* 
modjt  fjätten , eine  Stabt  ju  öertaffcn , an  ber  icf)  mit 
ganjem  §erjen  Ijänge.  Unmögfid)  fann  id)  ntid)  aber 
äf)nlid)en  Vorgängen  wieber  auSfejsen , wie  ben  ber* 
gangenen  SBinter  bon  einer  Partei  arrangirten , offne 
meinen  tarnen,  bem  icf)  mit  ©otteS  §üffe  einen  fo 
guten  ®fang  berfcfjafft  tjabe',  ju  bejubeln.  $0tan  ftette 
mir  jur  Seite  wen  man  Witt ; id)  werbe  nie  einen  Sßett* 
eifer  mit  ben  SDtittefn,  wefcfje  bie  Statur  mir  berfiefjen, 
fdfeuen ; §u  Sntriguen  unb  SSefeibigungen  werbe  icf) 
micf)  niemals  fiergeben,  bagegen  berftefie  id)  and)  nicf)t 
ju  fämpfen , um  jo  weniger,  afs  icf)  mid)  aucf)  feines 
23ergef)enS  bem  fßubfifum  gegenüber  fdjufbig  weif). 
Sd)  f)abe  alle  Schritte  getfjan , aus  meinem  ©ontract 
entfaffen  ju  werben ; man  I)at  eS  mir  abgefdffagen,  eS 
ift  bieS  troftfoS  für  mid),  ba  mir  Berlin  baburd)  ber* 
. fdjfoffen  ift,  — änbern  fann  aber  nicfjts  meinen  ©nt* 
fd)fufj.  SOteine  ©f)re  als  ütünftferin  ift  ju  tief  berfe|t 
unb  bie  mir  feinbfidfe  ©fique  ju  wenig  wäf)ferifcf)  in 
ilfren  SKittefn , afS  baf;  id)  midi  nochmals  benfefben 
Snfuften,  bor  benen  mid)  fein  SOienfc^  bewahren  fann, 
auSfe|en  fottte.  ®arum  bitte  id)  Sie  fjersfid),  fperr 
iftebacteur,  meinen  lieben  Berlinern  meinen  innigften, 
aufridftigften  ®anf  für  atte  Siebe  unb  ©üte,  mein  f)erj* 
fidjfteS  SebeWofjf  jujurufen.  fßergeffen  fonnen  wir 
unS  Sitte  wof)f  nie,  aber : 

,,©S  war  fo  fcfiön  unb  muffte  bocf)  berget) n." 
(SDtein  Sieb.) 

Stun  leben  Sie  wol)f  zc. 

fßauline  Succa." 

®arauf  erfolgte  feitenS  ber  ©eneraf  = Sntenbantur 
ber  fönigfidfen  Sdfaufpiefe  in  33erfin  unterm  17.  Sep* 
tember  1872  eine  fBefanntmadjung  nad)ftef)enben  Sn* 
^afteS : 


33S 


„Siachbem  bie  königliche  kamnterfängerin  grau 
Succa  auf  ein  (Sefuch  unt  ©nttaffung  juerft  feitenS  ber 
Unterzeichneten  93erwattung,  fobann  auf  eine  ginnte» 
biateingabe  non  gleichem  gnlfatt  audf  3ttterf)ö(f)ften 
Ort§  abfcE)Iägig  fteftf)ieben  worben , hat  bie  genannte 
künftterin  in  einem  unter  bem  31.  Sluguft  b.  g.  au§ 
Sitierfwol  an  ben  (Seneralintenbanten  ber  königt. 
Schaufftiete  gerichteten  Schreiben  bie  beftimmte  ©rftä» 
rung  abgegeben , baf?  fie  nic^t  Wieber  in  ihr  ©ngage» 
ment  bei  ber  königt.  Öfter  jurücffehren  werbe.  Sa 
nun  mit  bem  15.  b.  ftß.  ber  contractlidfe  Urlaub  ber 
grau  Succa  abgetaufen  unb  fie  fetbft  jum  SBieberein» 
tritt  in  bie  ihr  obtiegenben  SBerftflicEitungen  nicht  er» 
fdfienen  ift,  fo  fietjt  bie  (Seneratintenbantur  ber  königt. 
Sctjauffnele  fic£)  ju  ihrem  93ebauerw  tierantafft,  bie 
königt.  kammerfängerin  grau  Succa  hiermit  für  con» 
tractbrüchig  ju  erftären." 

©rft  nad)bem  ber  gtüdjtting  fich  herbeitief?,  bie 
burch  ben  ©ontractbrucf)  tierwirtte  ©ontientionatftrafe 
ju  jahten,  Würbe  ihm  1873  „mit  2Hterhöcf)fter  (Senet)5 
migung  bie  ©nttaffung  au§  bem  SSerbanb  ber  königt. 
Öfter  gewährt.“ 

5tber  auch  bie  Söfung  anberer , ihr  täftig  gewor» 
bener  Söanbe  begehrte  fßautine  Succa  im  Sanbe  ber 
greiheit.  Sie  üiecfjte  einer  Bürgerin  ber  ^Bereinigten 
Staaten  erwerbenb,  erlief  fie  1873  ein  (Sefud)  um 
Sdfeibung  tion  ihrem  (Satten , um  nach  erwünfchtem 
©nbe  mit  ber  |tanb , bie  fie  biefetn  entzog , einen 
anbern:  ÜDtajor  a.  S.  23aron  ©mit  non  Sßatttwffen 
nannte  er  ficf),  zu  begtüden. 

93öttig  to§getöft  non  ber  beutfchen  Heimat,  ber 
neu  gewonnenen  greiheit  froh,  nernahm  ber  entflohene 
Singtioget  bie  ktage,  bie  ber  Spötter  „klabberabatfch" 
ihm  über’£  SJteer  nachrief : 


339  22* 


„Sreulog  bift  bu  entflogen 
Sen  fernften  Golfern  ju, 

Seit  über  beg  Dceang  Sogen, 

Su  böfeg  23öglein  bu! 

§aft  mit  bir  fortgejogen 
@ar  mandjes  ^öerjens  9tub’! 

©o  fdjön  pat  feine  gelogen 
llnb  feine  gefungen  roie  bu!" 

Snbefi  man  aber  in  Berlin  fcfgnollte  uttb  grollte 
unb  ben  Sßerluft  ber  originellften  bramatifdfen 
fanggfraft  ber  (Gegenwart,  bie  — modjte  man  ficfi 
immerhin  gegen  ifjre  Schwächen  nic£)t  öerblenben  — 
bocf)  ein  fjauptfactor  beg  bortigen  ntufifalifchen  Sebeng 
gewefen  war,  nicht  öerfcpmerjen  fonnte,  entbehrte  fie 
auch  bei  ben  Slnterifanern  nitf)t  bie  gewohnte  9ltmo= 
fpfjäre  wärmfter,  ja  gliiljeubfter  SBegeifterung.  Unb 
fie  oerfcl)mäf)te  nicht,  au§  berfelben  Kapital  ju  fdflagen. 

S)er  Vertrag,  ben  fie  mit  üöiaj;  SKareijef,  bem  ®irector 
ber  italienifdfen  DperngefeUfchaft  in  -Jiew  = ?)orf  unb 
(Senior  ber  amerifanifdfen  Smprefarii,  abgefcploffen, 
fünnte  in  ber  Spat  ben  gefteigertften  fßrimabonnen» 
Slnfprüdjen  genügen.  S3ei  oiermaligem  Sluftreten  in 
berSBocpe  ein  abenblicpeg  Spielponorar  öon  200  ^3funb 
Sterling,  bag  ift  4000  SJcarf,  nebft  Upeitung  beg  Über» 
fdfuffeg  einer  gewiffen  (Einnahme ; baju  ein  fafhiottableg 
fpaug,  Sienerfdjaft  unb  ©quipage  jur  Verfügung,  fo= 
wie  freier  Unterhalt  ifjreg  £augftanbeg  — wag  wollte 
felbft  ißauline  Succa  mehr?* 

illew = Dorf,  bag  fßarabieg  ber  Triumphe  enropäi» 
fdjer  S'unftgröhen tfjat  fein  ÜOiögticpfteg , fie  für  ben 
SSerluft  ber  ©tut  ft  „ihrer  lieben  berliner"  fcpablog  ju 
halten.  Sie  feierte  ©rfolge,  benen  fiep  nacpUbo  Dracf)* 

: .rf 


340 


üogel’g  .Seugitih*)  „Weber  bieSeitnp  ßinb’g,  noch  Et)ri* 
ftine  Stitgfon’g  mit  beit  aufgetöften  Xurcoife  * Stttgen, 
ber  fetten  Ehorfnabenftimme  mtb  ber  gefrorenen 
ßeibenfdiaft  annäherten“,  obfdjon  fie  fidj  ben  ©oben 
„erft  erfämpfen  itnb  ber  tölpelhaften  ülteclame  unb  we* 
niger  atg  mittetmäfjigen  Umgebung  gegenüber  bag 
ganje  EeWidjt  it)re§  fünftterifchen  Eotteggnabentt)umg 
in  bie  SSagfdjate  werfen  muhte."  3hre  „ganje  unb 
üoUe  lynbiüibuatität",  bie  „Energie  iljreg  bramatif^en 
Stugbrudg“,  „ihre  in  frifdjem  ©ruftlaut  fchwetgenbe 
Stimme,  bag  feetenüottfte  alter  Drgane"  finben  in 
©racfjüoget  einen  berebten  Stnwatt,  einen  begeifterten 
SSortfüt)rer  ber  allgemeinen  ÜDteiitung  — unb  mit  bem 
ibeeCten  Erfolg  geht  ber  materielle  |>anb  in  §anb. 

X'ie  Sünftterin  fetber  fchitbert  mittlerweile  in 
einem  ©rief,  ben  fie  1873  in  ihre  ©aterftabt  an  ihren 
einftigen  fiehrmeifter  Ufcfjmann  fanbte,  ßanb  unb 
ßeute  ttic£»t  fonberiich  fcftmeichelhaft.  ,,©on  bem  ßanbe 
fetber,"  tjeiht  eg  barin,  „fann  itf)  Sh1«11  nod£)  nicht  üiet 
fchreiben,  weit  ich  fetbft  nod)  nicht  tiiet  gefetjen  höbe 
unb,  wie  mir  fcheint,  auch  nicht  üiet  tpe*  int  Storben 
Stmerifag  ju  fetjen  ift.  Stewart  fetbft  ift  eine  cotof* 
fate  Stabt  mit  einer  ÜDtittion  Einwohner , bie  mehr 
ober  minber  ben  Einbrud  unermübticher  Eewerbg* 
thätigfeit  wedt.  ©efettfdjafttidje  Xournitre , 9tut)e  im 
©erfehr , ÜOtähigfeit  im  Eenuh  geiftiger  fowie  realer 
Statur  muh  atterbingg  erft  einem  ^weiten  Eotumbug 
jur  Entbedung  öorbehatten  bleiben ; hoch  bie  übten* 
fdjen  haben  fetjr  üiet  Eetb  unb  taffen  eg  üttnbern  nic^t 
fchwer  werben,  wetcf)eg  p üerbienen.  iyebenfattg  tann 
ich  nur  in  jeher  ^infidjt  mit  meinem  Erfotge  pfrieben 
fein.  ®ie  erften  jwei  ÜOtonate  haben  mir  bie  fchöne 


ä 


:)  Signale,  1872. 


Summe  öon  44000  SoöarS  eingebracpt,  maS  gleicf»= 
bebeutenb  mit  58000  Skatern  ift.  SSenn  baS  Grnbe 
bem  Anfang  gleicht , fo  f»offe  icp  nacp  jmei  SaifonS 
meinen  fepnfidjften  Sßunfcp  auSfüpren  unb  ber  SSü^rtc 
SSatet  fagen  ju  fömten.  S<P  fepe  Sie  SSeibe  bariiber 
tacken,  unb  bocp  ift  eS  fo ! Scp  fann  Spnen  nicpt  fagen, 
mie  fefig  idj  ben  Sag  fein  merbe,  an  bem  icp  biefetn 
eingebilbeten  (Sind  entrinnen  merbe  tönnen , an  bem 
icp  mirHicp  für  nticp  ju  leben  beginnen  fann,  nicpt  nur 
immer  an  ben  Sopran  benten  nutfj , mit  bem  idj  be= 
paftet  bin,  unb  ber  ganj  entfliehen  bie  größte  Sorge 
meinet  Sehens  mar  unb  teiber  and)  ift ; benn  icp  fann 
Sie  oerficpern  , id)  tebe  mie  eine  (befangene  pier , ba 
baS  ®tima  fo  fcptedjt  ift,  baff  id)  es  ftets  büfjen  muff, 
menn  id)  jemals  bie  Supnpeit  pabe,  meine  9?afe  tmr 
bie  Xfjiire  ju  fteden." 

3tn  pifanter  2fbmecpfefung , mie  fie  bie  Sünftterin' 
liebt,  feptte  eS  jum  (Stüd  aud)  iprem  amerifanifcpen 
Sfufentpaft  nicpt.  Setjr  jur  Söeluftigung  gereifte  eS 
ipr , baff  fogar  bie  IRotfjfjäute , eine  (Sefanbtfdpaft  ber 
Siou£,  ifjr  bei  iprer  Slnmefenpeit  in  Stern  »f!)orf  ipre 
Stufmartung  machten.  Sie  tub  bie  Söpne  ber  Sßilbnifj 
ju  fic^.  SSierfpännig  famen  fie  tiorgefapren.  Ser  9te» 
gierungSageni  übernahm  bie  SBorftettung , inbem  er 
gteidjjeitig  als  Sofmetfcp  biente.  „§ier  ift  running 
antelope,  50iabatne  Succa !"  „§au !“,  lautete  bie  93e» 
grüfjung  beS  SSorgefteftten , mäprenb  er  ber  ißrima» 
bonna  bie  §anb  fdjüttette.  „|>au!"  antmortete  aud) 
fie,  ben  ©ruf?  beS  Sioug  fo  getreu  afs  mögticp  nacp» 
apmenb.  „§ier  ift  the  grass!"  ging  eS  meiter,  bis  bie 
(Gefeierte  bie  9tunbe  gemacht  patte.  Stacp  Snbianer» 

2lrt  fauerten  bie  (Säfte  auf  bem  gupboben.  Sen 
©pampagner , ben  fie  ipnen  reicpen  tief? , ftürjten  fie 
mit  üietem  S3epagen  pinab.  Sn  angeheiterter  Stirn» 

fc  - * 


342 


¥ "”Sj 

müng  gaben  fie  fobann  einige  groben  ibjres  ©efangeS 
jum  Söeften.  211S  Sohn  für  ihre  rtitf»t  eben  euphonifche 
©abe  erbaten  fie  fid),  baff  and)  SrauSucca  ihnen  etmaS 
tiorfinge.  „9tur  ettoaS  re<f»t  Seb^afteS  !'*  riet!)  berSoU 
metfdjer.  So  ergötzte  fie  benn  mit  ber  Sdjmudarie 
auS  ©ounob’S  „Sauft“  bie  Dljren  ber  SBilben  unb  be= 
jauberte  fie  nic^t  minber  als  fie  ben  blafirteften  ®unft= 
fenner  ju  bejaubern  gemohnt  mar. 

Ungleid)  meniger  günftig  als  im  erften  Satfr  ge= 
ftalteten  fid)  bie  ®unfttierl)ältniffe  im  SSinter  1873  bis 
1874.  Ser  berliner  S^adjtigatt  machte  feist  bie  fcfjme* 
bifdje  ©oncurrenj,  unb  eine  jmeite  9tem»|)orfer  Dpern* 
gefettfdjaft,  bie  Strafofd)  mit  ©tfriftine  SJtilSfon  an  ber 
Spitse  in’S  Selb  fdjidte,  fdjmälerte  ber  Dper  SÖtaretsefS 
ben  ©rfolg.  SaS  Sarnieberliegen  beS  JjaubelS , nn- 
glüdliche  finartgieble  ^uftänbe  tarnen  t)inju,  um 
tünftlerifd)e  Unternehmungen  oon  oorntjerein  mit  ©e= 
fatjren  ju  bebrohen.  SRic^tSbeftotoeniger  müßten  SJ3au= 
line  Succa  unb  ihr  Otebenftern  Sima  tion  SßlurSla  tion 
einer  oon  SDtarefset  tiorgefdßagenen  Sftebuction  ber 
©agen  nichts  hören.  Sie  befdßoffen  tiielmef)r,  auf 
eigene  §anb  mitfammen  unter  bie  Sheaterbirectoren 
ju  gehen  unb  nadf  51itflöfung  ber  bisherigen  ©efeß= 
fdfaft  mit  ben  mefentlichften  (flementen  berfetben  ben 
Kubanern  italienifdje  Dpern  üorjufingen. 

Sie  ©röffnung  beS  in  .fsabanna  gepachteten  Sacon* 
SlfeaterS  mit  ber  „Sonnambula“  lieh  fid)  am  18.  Se» 
cember  1873  oerheifsungStioß  an.  Socf)  nur  ju  halb 
melbete  fid)  Unjufriebenlfeit.  Sen  §abamtefen  bünf= 
ten  bie  greife  ju  hoch,  bie  Seiftungen  felbft  ber  beiben 
Sßrimabonnen  nid)t  entfpredjenb ; fie  marfen  ihnen 
Mangel  an  Schule  tior.  51m  ©nbe  fpielte  SSeiben  mie= 
ber  bie  @iferfud)t  fdflimme  (Streiche fie  meigerten  fid) 
tiereint  aufjutreten.  Snt  gleichen  25erl)ältnifs  mit  bcm 


343 


93efuc£)  ber  SSorfteüungen  itafjm  aucf)  bie  Sinnafjme 
ab.  Sie  gjlö^tic^e  (Sntwertfjung  be£  Papiergelbes  ber= 
fdjfimmerte  nod)  bie  Sage ; turj  als  am  Sdduf?  ber 
Saifon  ©£)or  unb  Drd)efter  iffre  ßafdung  forberten, 
and)  ber  Sf)eaterbefi|er  wegen  contractwibriger  &ür= 
jung  ber  Saifon  auf  dntfd)äbigung  Wagte,  fafjenSucca 
unb  SJiurSfa  fidf  gezwungen,  ben  fid)  auf  9000  SoHarS 
betaufenben  Sdjaben  ju  tragen.  Sie  greuben  beS 
SfjeaterbirectorS  beS  Weiteren  ju  foften,  gelüftete  eS 
Routine  Succa  nicfit.  Stadj  einer  Steife  9fbfd)iebSbor= 
ftellungen  in  -Kew^porf,  tno  fie,  bieSmat  als  (Saft  non 
Strafofdj’S  (Sefettfcfjaft,  wieber  ben  gewohnten  (£ntf)u= 
fiaSmuS  erregte,  teerte  fie,  mitbem  Sorbeer  ^weierSBeW 
ten  gefdfmüdt,  im  (Sommer  1874  nad)  (Suropa  junid. 

Qn  it)rer  Sßaterftabt  fang  fie  im  Sltobember  1874 
juitt  erftenüDJat  wieber  in  beutfdjer  Sprache,  unb  jwar, 
ba  bie  wiberredjtlictie  Söfung  ifjreS  berliner  PertragS 
fie  äunädjft  non  ber  £wfbüf)ne  auSfd)lof3,  in  ber  fonti= 
fcbien  Oper,  bis  bie  Vermittlung  beS  if)r  wofffge» 
neigten  beutfd)en  Ä’aiferS  if)t  batb  aud)  bie  erfte  2Ssie= 
ner  (SefangSbüfjne  öffnete,  gortan  erfreute  ficf)  if)re 
§eimat  ifjrer  befonberen  Pebcrsugung.  ßwifdienburd) 
in  beutfcfjen , fwftänbifcfien , fcffweijerifdien  unb  itati= 
enifcfjen  Stabten,  in  Sörüffet,  Petersburg,  ÜDioSfau, 
SJiabrib , yiiföa,  Sonbon  itjre  Sriumpfie  ntef)renb, 
fefjrte  fie  Safw  um  nad)  SBien  jurüd.  nad)= 
bem  fie  am  7.  !yuni  1877  in  Prag  atS  Palentine  in 
aller  Sorm  oom  Sfjeaterleben  Slbfdjieb  genommen, 
um,  toie  fie  fagte,  „in  ber  Stabt,  in  ber  fie  ifjre  Sauf» 
baffn  eröffnete , fie  nun  aucf)  befinitib  ju  befcfjfiefsen," 
Wäfjfte  fie  ben  frönen  Drt  itjrer  (Seburt  ju  ifjrem 
bauernben  SBoffnfiij. 

SJtit  bem  Scheiben  bon  ber  23üf)ne  aber  war  eS 
nid)t  fo  ernftfid)  gemeint,  ,ßu  feft  tjatte  fie  in  ber  bret= 


344 


(ßfr 


^S)K 


tenten  23ett  ber  lyßufionen  SBurjet  gefcptagen,  ju  fepr 
waren  ipr  Scpein  unb  ©ein  in  eiitanber  gewacpfeit  unb 
eine  Xpätigfeit  jwifcpen  Sampenficpt  unb  ©oufiffen 
jurn  iöebütfnifj  geworben , als  baff  fie  ber  fügen  @e= 
wopnpeit  berfefben  entfagen  mocpte.  2BaS  fie  einft 
perbeigefepnt,  fie  tierfcpmäpte  eS,  nun  9iatur  unb  $Ber= 
pättniffe  eS  ipr  Ieic£»t  gewährten.  SP*e  Stimme,  ein 
über  äwet  unb  ein  palb  sDctaüen  bis  jum  breigeftric£je= 
nen  C gebietenber  Sopran,  feiftet  it»r , obfcpon  er  in 
ber  §>öpe  an  SBeicppeit  eingebüfft,  autf)  gegenwärtig 
itocp  mittigen  ©eporfam.  ®ie  leidste  23ewegficpfeit  unb 
23eröe  itjreS  Spiels,  bie  ©fafticität  unb  drajie  iprer 
©rfcpeinung  bleibt  ipr  unoerfeprt  treu ; bie  Sipatfraft, 
bie  bie  grope  Meine  ®iüa  üon  jet)er  auSgejeicpnet,  öer» 
fagt  ipr  bis  in  bie  neuefte  $eit  bei  (Erweiterung  ipreS 
opnepin  reichen,  an  fedjsig  fRotten  umfaffenben  9teper» 
toireS  nicEyt  ihre  bewährte  §üffe.  2Bie  juoor  in  ittieper» 
beer’S  unb  Sfuber’S  Dpern,  bie  fie,  Wie  erwähnt,  mit 
Vorliebe  fang,  in  §afeop’S,  ©ounob’S,  SEpomaS’, 
®onijetti’S,  SSerbi’S,  äRojart’S  unb  Slnberer  SBerfen, 
erprobte  fie  nun  aucp  afS  SOlabeleine  im  „ißoftitton", 
atS  9tejia  im  „Dberon“,  als  „©armen“,  als  ,,2Biber» 
fpenftige“,  als  ©reichen  im  „ttftefiftofefe“  ipr  (Sitücf. 
9htr  im  33uub  mit  SBagner’S  Kßufe  blühten  ipr  feine 
iftofen  — mit  ifjrer  (Eifa  fügte  fie  iprem  9tupmeSfranj 
fein  neues  93Iatt  ju.  Um  fo  erfolgreicher  war  ein 
beim  93efudj  beS  beutfepen  SaiferS  in  3fd)t  1882  wie» 
berpotter  SSerfucp  als  Sßanbf  im  „Sßerfprecpen  pinter’m 
§erb",  wo  fie,  auf  bie  mäeptige  Sftitpüffe  ipreS  ®e» 
fangS  in  ber  §auptfacpe  t>eräirf»tenb,  nur  ipre  fepau» 
fpieferifepen  ®aben  jur  (Seftung  braepte. 

Scpon  im  Srüpjapr  1876  jur  Kammer  fängerin 
ber  öfterreiepifepen  SRajeftät  ernannt,  trat  fie  jwar  ben 
SOiitgfiebern  berföofoper  niept  bei,  boep  wibmet  fie  ber» 


345 


W~  H 

fetben  Sapr  aus  Sapr  ein  in  ber  ©igenfcpaft  eines 
($5afteS  in  perüorragenber  SBeife  ipre  2)ienfte.  ®aS  Seft= 
fpiel  („Sn  ber  £ eintat") , baS  1879  bie  fiXberne  |>ocpjeit 
beS  SüiferpaareS  feierte,  ber  äRojarUCrpctuS  1880,  ja 
napeju  jebe  feftticpe  ©etegenpeit  fanb  unb  finbet  fie 
unter  ben  SJtitwirfenben.  Stucp  im  ©oncertfaat  fpenbet 
fie  ab  unb  ju , wenn  fie  in  ber  „©ebertamte",  ibjre 
immer  gern  empfangenen  ©aben. 

teuere  Sodungen  in  ferne  SBetten  gingen  uner= 
pört  an  ipr  oorüber.  Sßieberpotte  ameritanifcpe  §tn* 
träge  feptug  fie  aus,  unb  einem  Sluftratier,  ber  ipr  für 
jwötf  Monate  ber  Xpätigteit  eine  SJiittion  SDottars 
anbot,  antwortete  fie  mit  ber  fie  cparafterifirenben 
berben  Dffenpeit,  bie  fo  nieten  Stnefboten  baS  SDafein 
gab:  „S<P  pabe  genug,  warum  fott  icp  noep  fo  üiet 
Silber  aus  Stuftratten  importiren  V‘ 

Sn  ^Berlin  begrüßte  man  nad)  langem  (Sntbepren 
am  7.  Stprit  1880  ben  atten  unüergeffenen  Siebting 
wieber  im  DpernpauS.  ®er  Sßunjep  beS  ®aiferS  patte 
ipn  bapin  gerufen.  „Saft  närrifcp“  Oor  Sreube  nnb 
©ntjüden  geberbete  fiep  baS  ißnbtifnm  beim  SBieber» 
fepen ; ein  tRaufep , ein  ©etirium  bemäiptigte  fiep  ber 
baS  £>auS  füttenben  erregten  SJerfammtung.  S9egeifte= 
rungSauSbrüepe  alter  Slrt  tiepen  bie  Keine  Stau  taum 
ju  SBorte  fommen.  ®ie  S3ertiner  fargten  niept  mit 
93eweifen  beffen,  bap  fie,  „wie  faum  ©ine  oor  unb 
fieper  ®eine  naep  ipr"  fiep  bie  Spmpatpien  Sitter  ju 
erwerben  gewupt  patte. 

Unb  „triumppat“,  wie  ber  erfte  Stbenb  iprer  3ßie= 
berfepr,  war  and)  ber  ipreS  StbfcpiebS.  Sie  oertröftete 
fcpeibenb  ipre  Sreunbe  „auf  SBieberfepen !“  ®ocp  foll 
fie  ipr  SBort  bis  p biefem  Slugenbtid  eintöfen. 

fo-  M 


346 


w 


it  bem  ©eitie  im  Sunbe  maltet  eine  geheim' 
nißüolle,  nennen  mir’§  göttliche , nennen 
mir’§  bämonifd)e  ®raft,  unb  mem  e£  ju 
eigen  gegeben  marb,  beit  treibt  fie  mit  2111= 
gemalt  ju  beffen  ©ntfaltung  unb  Setlfätigung  l)in. 
£)a§  9ted)t  be£  2>afein§  malert  fie  bem  ©eniu§;  al§ 
fiegreidfe  ©efährtin  ermeift  fie  ficfi  im  S'ampf  mit  ben 
9Sert)ältniffen,  unb  ibjrer  Ungunft  fpottet  fie,  mie  ba§ 
au§  ©ott  ©eborene  alleg  Srbifdjen,  ÜDienfdjlichen  fpot* 
tet.  2Bo  immer  ber  ®ampf  jtoifchen  9tatur=  unb  2JZen= 
fdfengebot  burchfodften  mirb , bleibt  jnm  §eile  ber 
®unft  ba§  innere  ©elfeiß  ba§  jmingenbere,  übermüd)* 
tige,  üor  bem  ber  oon  außen  fferantretenbe  SBille  früher 
ober  fpäter  meidfen  mu|.  Sßer  freilich  bie  äßadjt  be§ 
©influffe§  ermißt,  ben  §erfommen  unb  ©rjiefjvutg, 
SErabitiorten  unb  Seben§gemol)nl)eiten  be§  £mufe§  unb 
ber  gamilie  naturgemäß  üben,  ber  mirb  aiu|  ba§  21uf= 
gebot  törperlic^er  unb  geiftiger  föraft  ju  ermeffen  oer= 
ftefjen,  ba§  allein  jurn  erfolgreichen  SBiberftanb  gegen 
biefe  oon  früh  an  mirtfamen  ©emalten  befähigt.  9tur 
eine  große  Segabmtg , ein  Xalent  ober  ©enie  oon 
©otteö  ©naben  öoKbringt  e§,  ihren  SannfreiS  ju 
überfd^reiten  unb  fid)  bie  freiere  Sphäre  ju  erobern, 
bie  feinem  SBefen  ©efeß  unb  iftothtoenbigfeit  ift. 

Sn  ÜJiarianne  Sranbt,  ber  größten  2lltiftin, 
meldfe  bie  beutfcEje  Sühne  ber  Sefetjeit  befaßt,  betoun» 


ä 


349 


bent  wir  eine  fold^e  mutfjig  auSbauernbe  Kämpferin, 
ein  fo  tapfer  fiegenbeS  ©enie.  2Beit  abfeitS  tagen 
fünftterifche  iöebürfniffe  unb  ©epftogenfjeiten  bent 
Saufe , barin  fie  — SJiaria  2fttna  ©ifcfjof  tautet  if)r 
eigentlicher  9tame  — ant  12.  September  1842  in  ber 
SSiener  SSorftabt  SRargarettjen  geboren  ttrnrbe.  Satte 
auch  ber  SSater , eines  in  ber  guten  atten  Seit  fcf)txetl 
reich  geworbenen  93anbfabrifanten  Sohn , in  früheren 
Satiren  burch  Umgang  mit  Zünftlern  unb  namentlich 
SJtatern,  bie  im  elterlichen  Saufe  öerfefjrten,  manches 
fünftterifd)  2Inregenbe  in  fidh  aufgenommen : jur  Seit, 
ba  Sltarianne  ihm  ats  erfteS  ®inb  einer  ^weiten  ©he 
geboren  mürbe,  mar  jegliches  fünftterifche  ©tement 
tängft  untergegangen  im  nüchternen  Treiben  beS  ©e* 
fchaftShaufeS,  baS , theitS  burch  grofje  SSertufte,  theitS 
in  Sotge  beS  bem  SSater  mangetnben  ©efchäftSgeifteS, 
fich  nicht  auf  ber  Söt)e  hatte  haften  fönnen,  ju  ber  eS 
ber  ©rofjöater  gebracht.  Arbeit,  Arbeit  Dom  frühen 
ÜDiorgen  bis  jum  fpäten  9tbenb  mar  bie  ißarote  beS 
SaufeS,  in  ber  auch  bie  SOlutter,  bie,  ats  SBaife  oom 
©ropüater  SÖifc£)of  auf’S  einfachfte  erjogen,  mehr- 
©nergie  uub  inbuftrietten  Sinn  ats  ihr  ©atte  befajs, 
ihre  befte  greube  unb  ©enugthuung  fanb.  SQ^ufitalifcf) 
gebitbet  mar  feinS  ber  ©ttern,  feinS  hatte  eS  auch  uur 
jur  ®enntnifj  ber  üftoten  gebracht.  So  hett  unb  üott= 
tönenb  bie  Stimme  ber  SRutter  in  ihrer  SDiabchenjeit 
burch’S  SauS  ftang,  für  aU’  bie  Sieber  unb  SBeifen,  bie 
fie  fang , hatte  fie  feinen  anberen  8ef)rmeifter  gehabt 
atS  ihr  gutes  ©ef)ör,  baS  Stiles , was  ihr  Dt)r  uur 
irgenb  auffiug,  treu  bewahrte,  ©in  ernftereS  mufifa» 
tifcheS  Stubium  bünfte  ihr  bentgemäfj  auch  bei  ben 
Sinbern,  bie  fd)Iicht  bürgerlich  erlogen  werben  fottten, 
überftüffig,  unb  praftifdj,  wie  fie  mar,  beftärfte  fie  bie 
©rfatjrung , bah  ein  fiebenjühriger  ©latiierunterricht 

Sfe.  ■ M 


350 


bei  SÖtarianneS  älterer  ScfeWefter  aus  erfter  ©fee  fein 
weiteret  fftefultat  ergab,  als  bafe  biefe  fiel)  allenfalls 
mit  einem  Sßaljer  leiblich  abfattb,  in  bem  ©ntfefetufe, 
bei  iferem  eigenen  Siitbe  ben  2ujuS  eines  ©laöierlefe» 
rerS  ju  fparen.  ©aff  Marianne  eben  fo  öiel  leben» 
bigen  Xonfinn  an  ben  Sag  legte  als  er  itirer  Scfewefter 
mangelte,  blieb  gänjlicfe  aufeer  Serücfficfetigung.  SDtocfete 
fie  immerfein  ben  ganzen  Tag  fingen  unb  trällern  unb 
fitfi  naefe  tperjenSluft  alle  SMobien  auf  bem  ©latiier 
jufammenfuefeen : fein  aufmerffameS  Singe  unb  Dfer 
waefete  über  ben  erften  finblicfeen  ®unbgebungen  ifereS 
bereinftigen  SerufS. 

SJtan  liefe  fie  in  ©otteS  Stauten  breijefen  Safere  alt 
werben,  beöor  man  fiefe  entfcfelofe,  fie  §um  Regens 
chori  in  ber  Sorftabt  ÜDtargaretfeen  in  bie  ©ingfefeule 
ju  fefeiefen,  bamit  er  ifer  bie  Serattnife  ber  Stoten  bei» 
bringe.  Sßie  fie  in  ber  Scfeule,  ber  Siebling  aller 
Seferer,  leiefet  begriff  unb  eifrig  arbeitete,  fam  fie  auefe 
in  ber  SDtufif  fcfenellen  ScferitteS  üorwärtS.  @S  wäferte 
niefet  lange,  fo  üertraute  man  ifer  bie  Sopranfoli  in 
ber  ®ir<fee  an.  SllS  fiefe  bann  ifere  Stimme  mefer  naefe 
ber  Tiefe  entwidelte,  trat  fie,  nun  ttotn  alten  Stupreefet, 
bem  Regens  chori  ber  ©artSfirefee,  einer  ber  fcfeönften 
unb  gröfeten  ®ir<feen  SBienS , geleitet,  jum  Sllt  über. 

Sluefe  einen  ©latiierleferer  featte  man  ifer  mittlerweite 
enbliefe  jugeftanben.  Tie  $eit  jum  Üben  freilict»  warb 
ifer  färglicfe  jugemeffen.  „Stur  SlbeitbS,  naefe  beS  TageS 
SJtüfe’  unb  ißlage"  fanb  fiefe  ein  ©tünbefeen,  Wo  fie  fiefe 
an’S  ©taöier  flüefeten  unb  — ©atonftücfe  fpielen  burfte, 
ba  Tonleitern  unb  ©tüben  ben  müben  ©Itern  feine 
Dferettweibe  bereiteten.  Slm  ©laüier  ju  fingen  aber 
War  ifer  anfangs  im  ipaufe  ftreng  unterfagt.  ’ „©in 
orbentlicfeeS  SSürgermäbcfecn“,  fo  meinte  man,  „bürfe 
fiefe  niefet  mit  berlei  unnüfeen  Tingen  befaffen.“  Sei 

fo-  M 


351 


bei*  Arbeit  bagegen,  fei  e§  be§  ÜD?orgen§  mit  bem 
Söefen  in  bei  §anb,  ober  am  iJiätjtiftf),  ober  am  „SSafcf)5 
tag",  mo  fie  fotzen  muffte,  beim  §erb,  fonnte  fie,  fooiet 
fie  wollte,  ihrer  ©angegfuft  (genüge  fljun. 

6§  gab  ja  feine  häusliche  SSefdijäftigung,  bie  fie  — 
gleich  bei  älteren  ©chwefter,  bie  if)r  ooranging,  unb 
ben  jüngeren  beiben,  bie  ifjr  folgten  — nicht  erlernen 
unb  ausüben  muffte , bamit  fie  bereinft  eine  brauch5 
bare,  gut  bürgerliche  §au§frau  abgebe.  SUchtSbefto» 
toeuiger  mar  bie  $orfteßung,  baff  fie  nach  ber  SDJutter 
SSorbilb  einft  auch  Gefährtin  irgenb  eines  gabri= 
fanten  äuSerlefen  fein  foße,  wenig  nach  ihrem  Sinn ; 
fie  ftimmte  fo  gar  nicht  mit  bem  überein , was  fie  in 
ihrem  Innern  ftürmen  unb  wogen  fühlte,  ©o  fern 
ihr  auch  noch  ber  (gebanfe  an  eine  fünftlerifche  (Ear= 
riere  tag , benn  bem  engbegrenjten  (geficfßSfreiS  ihrer 
Familie  galten  bie  „Xheaterhrinjeffinnen"  atS  eine  tief 
oerachtete  ÜDJenfchendaffe,  unb  nur  „ooß  2fbfcheit  würbe 
man  baran  gebacht  haben,  eine  XodE»ter  beS£>aufeS  auf 
fo  abfcf)üffiger  93af)n  ju  fehen" : fo  Waren  hoch,  feit  fie 
mit  fiebjehn  fahren  bie  (genüffe,  welche  ©djauffiief 
unb  Oper  bieten,  juerft  aus  eigener  Slnfchauung  fen» 
nen  gelernt,  lebhafte  (belüfte  nach  2Bieberhofung.ber= 
artiger  greuben  in  ihr  rege  geworben.  ,8ur  93efrie= 
bigung  berfefben  brängte  eS  fie,  ficE)  felbftänbig  ju 
machen  unb  auf  bie  eigenen  jungen  güffe  ju  fteßen. 
Sen  fßfan,  eine  ©djufe  für  SCeiberoerfertigung  ju  er= 
richten , miffbißigte  inbeff  bie  ßRutter.  SSon  einem 
gefdjäftlichen  Unternehmen  woßte  fie,  Wofß  baitf  ber 
eigenen  (Erfahrungen,  nichts  wiffeit.  „@ieb  ©ing= 
ftunben",  rietf)  fie.  2ÜS  fie  aber,  SftariannenS  Gin= 
wanb  unzulänglicher  Üt'enntniffe  gegenüber,  auf  bie 
Unmöglichfeit  hinwies,  bei  ben  foftfjnefigen  ©tubien 
zweier  @öt)ne  noch  baS  Honorar  für  einen  renommirten 


.§&= 


p 

©efangEef)rer  ju  erfdjmingen,  irnar  ber  ©ntfdjluf;  it>rer 
£ocE)ter  fdjneEE  gefaxt : bie  SJJittet  ju  it)rer  ESEuSbilbung 
moIEte  fie  ficf)  fetbft  oerbienen.  3n  berf  eiben  Stnftatt, 
tt)o  iljre  <ScE)tDefter  nod)  lernte , oerbingte  fie  ficE)  als 
Seljrerin  im  ®leibermad)en , barin  fie  auSreidjenbe 
gertigfeit  befafj.  SBar  fie  bereits  1861  bem  GEEjor  beS 
ju  jener  Seit  unter  Jperbecf  florirenben  „SingoereinS" 
beigetreten,  ber,  mit  ©onferbatorium  unb  „(Sefellfdjaft 
ber  EDtufilfreunbe“  in  Serbinbung  ftetienb , if)r  halb 
audj  bie  33ermenbung  für  (Solopartien  in  ben  ©efefl» 
fdjaftSconcerten  oermittelte,  fo  trat  fie  im  !yat)re  1862, 
nun  jmanjig  3af)te  alt,  mit  ©intoißigung  ifjrer  SEtern 
als  Sdjülerin  in  baS  SBiener  ©onferüatorium  ein.  2) er 
(SefangSprofefforin  Sttarfdjner  jugetEjeilt,  naEjrn  fie 
nebenher  nod)  italienifdjen  unb  2)eclamationS=Ünter= 
rictjt,  SEEEeS  in  ber  SEbfidjt  unb  Hoffnung,  ficE)  binnen 
SaljreSfrift  bie  für  eine  ©efangletjrerin  erforberlidjen 
®enntniffe  anjueignen.  Höljer  Ijinauf  gingen  bajumat 
ifjre  SBünfdje  unb  Hoffnungen  nod)  nidjt. 

„@S  war“,  fagt  fie  felbft,  „eine  Ejarte  geit,  ba  id) 
täglich  öier  Stunben  Unterridft  im  ®Ieibermad)en 
geben  mufjte,  aud)  meine  Arbeiten  im  Haufe  nic£)t  ber* 
nadjlaffigen  burfte  unb  breimaE  bie  2Bod)e  fünf  Stun* 
ben  ©onferbatorium  Ejatte.  3d)  fdjEief  barnaES  !aum 
hier  bis  fünf  Stunben  unb  ftanb  im  Sommer  um  brei 
UE>r,  im  SBinter  jmifdjen  EjaEb  oier  unb  Ejalb  fünf  Xlfjr 
auf.  33on  bem,  toaS  icf)  mir  burd)  Unterrichten  ber* 
biente,  jatjlte  id)  baS  ©onferbatorium ; mar  eS  bocf) 
fd)on  eine  grofje  SBergünftigung , bafj  man  mir  über* 
Ejaupt  bie  Jjeit  baju  tief).  Sd)  mad)te  bamaES  foE* 
genbeS  Sprüchlein,  baS  meine  Slnfdjaitung  ber  Sadje 
djarafterifirt : 

SOtein  Siebfter  beifet  ©efang; 

2)em  bleib’  id)  treu  mein  lebenlaitg, 

te-  M 


ßa  9)1  a x a,  (stiifrienföpfe.  V.  353 


23 


Unb  meine  greunbin,  bie  Srfjneibetei, 

Die  fjab’  id)  immer  nebenbei." 

Unb  bennod)  lant  gar  halb  bie  ^eit , wo  fie  „bie 
greunbin  ©djneiberei"  für  immer  t>erabfd)iebete,  um 
fid)  „bem  Siebften  ©efang"  ganj  unb  tiöllig  ju  er» 
geben,  güljrte  bod)  ber  Simmel  felber  fie  burd}  ein 
abfoitberlid)  ©reignifj  bem  erfeljnten  ,ßiele  näfjer. 

SOiit  ber  grofsen  ©eene  ber  Stedja  au§  £>aleüt)’§ 
„Sübin"  trat  SJiarie  Bifdjof  — fo  nannte  fie  fid)  ju 
ber  ^eit  nodj  — in  ber  ©onfert>atorium§prüfung  im 
guli  1863  eben  auf,  al§  ein  heftiges  (Gewitter  plöfs 
lief)  loSbrad}  unb  ben  §immel  öerfinfterte.  Dunfle 
9tad)t  warb  e§  mit  einem  SOlale  im  ÜDiufifbereinSfaal ; 
man  muffte  für  fünfflidfe  £elle  ©orge  tragen.  gudenbe 
Nötige,  groüenbe  Donner  bilbeten  bie  lebenbige  Deco» 
ration  unb  Begleitung  ju  ben  SSorten  ber  Slrie : „Die 
9tad)t  unb  i£)re  ©djreden,  be§  fernen  Donnert  Stollen, 
o ©ott,  wie  fürdjterlid) !“  2Bar  e§  ein  SBunber,  wenn 
bie  Bortragenbe  fid^  mitten  hinein  geriffen  füllte  in 
bie  Situation,  öon  ber  fie  fang  ? war,  al§  würfen 
bie  Bli§e  ben  günbftoff  in  iljre  eigene  ©eele ; in  lidjter 
glamme  loberte  ba§  it>r  eingeborene  bramatifdje  geuer 
empor.  Der  ©oncertfaal  oerwanbelte  fid)  ilfr  jur 
Bülfne,  bie  fünftlerifdje  Aufgabe  geftaltete  fid)  il)r  jum 
©rlebniff.  ©elbft  fjingeriffen,  rifj  fie  and)  ba§  ißubli* 
lum  in  ungewöhnlicher  SSeife  mit  fid}  fort.  Dafj  fie 
auf  ber  Bühne  ihren  eigentlichen  naturgemäßen  Bobeu 
habe,  barüber  war  feiner  ber  §örer  im  Zweifel,  bie, 
ergriffen  üon  biefem  leibenfdiaftbefeelten  ©efang,  ber 
Offenbarung  be§  neuen  machtöollen  Dalente§  laufdj= 
ten.  „@ie  müffe  jum  Sweater" : bal)in  einigte  fid)  ba§ 
Urtfjeil  ber  mit  Beifall  nicht  fargenbeit  uielföpfigeit 
Berfammluug,  Doch  Weber  bie  Debütantin  nodh  if)re 
©Itern  nahmen  fich  ba§felbe  fonberlidj  ju  fersen. 


& 


ä 


354 


<*— ~ — S 

Ratten  fidj  nicfjt  auch  bie  Überrebunggoerfucfie  ißrer 
Seßrerin , bie  juerft  auf  ifire  bramatifdje  Vegabung 
aufmerffam  geworben  war,  feit  langem  fruchtlos  er» 
wiefen?  Sßunberlid)  wiberftreitenbe  ©ntpfittbungen 
befämpften  fid)  in  ber  jungen  Sängerin.  UnWiber» 
fte£)Iic^  angejogen  unb  abgeftoßen  jugleitf»  füllte  fie 
fid)  non  ber  baS  ßeben  wiberfpiegelnben  ®unft  unb 
bem  if»r  anßaftenben  äußerlichen  2tp^>arat.  £roß  aller 
lebhaften  bramatifchen  Smpulfe  beßerrfdjte  fie  ein 
tiefer  S&iberwiße  gegen  ba§  Xßeatertreiben , unb  in» 
mitten  beleihen  ju  ftet)eu  bäuchte  iljr,  ber  auS  engen, 
ffeinlichen  SSertjäXtniffen  §erau§gewad)fenen,  gleiche» 
beuteub  mit  moralifdiem  Untergang. 

2lu§  bem  glänjenben  ©rfolg  ber  Prüfung  ben 
©Itern  gegenüber  Uüglidj  ÜDZunje  ju  prägen,  oer» 
fäumte  fie  gleichwohl  nicht.  2Ba§  fie  errang,  war  bie 
©rlaubniß , noch  ein  jweiteS  gaßr , bel)uf§  weiterer 
2lu§bilbung , auf  bem  ©onferoatorium  ju  ftubiren. 

®em  £>anbwerf  teerte  fie  nun  ben  fftüden,  fich  ganj 
ber  S'unft  ju  wibmen.  Sie  hing  bie  profaifdje  Schnei» 
berei  an  ben  fftagel , nahm  bafür  ©laöier»  unb  @e= 
fangfdjülerinnen  unter  ihre  glügel  unb  feßte  bie  Ve» 
fcßäftigung  mit  biefen  aud)  fort,  als  fie  1864,  burch 
Verleihung  ber  filbernen  föiebaüle  „für  Talent,  gleiß 
unb  Sittlicßfeit"  auSgejeicßnet,  bie  9)tufiffd)ule  oerließ. 

Sem  eigenen  Stubium  entfagte  fie  bamit  noch 
leineSwegS.  ißrioatim  genoß  fie  aud)  ferner  grau 
9Jiarfct)ner’§  Veleßrung,  unb  ba  fie  nun  auch  in  ©on» 
certen  unb  Vereinen  öfters  gehört  Warb,  mehrten  fid) 
bie  Stimmen,  bie  lauter  unb  immer  lauter  ißren  Vüß» 
nenberuf  beglaubigten.  Sa  fpracß  enblid)  ß.  21.  Bell» 
ner , ber  befannte  SSiener  ÜÜhtfiffritifer , baS  entfdiei» 
benbe  SSort.  Vor  feinem  berebten  Beugniß,  baß  fie 
Wie  SSenige  §ur  Vüßne  gefdjaffett  fei,  baß  er  felbft  fie 

ä 


355 


23* 


— M 

für  biefelbe  oorbereiten  motte , mufjte  am  (5nbe  aud) 
ba§  fjartnädigfte  SSorixvtJjeit  meinen,  ©djritt  für 
Stritt  befiegte  er  jeglichen  SSiberftanb , ftubirte  fei» 
nem  ©djüijting  mehrere  Partien  ein  unb  vermittelte 
ipm  ein  erftes  fcenifd)e§  Auftreten. 

©o  mar  e§  in  ber  Spat  fein  SBerl  unb  SSerbienft, 
baf?  bie  faft  Sünfunbärnansigjaprige  mit  einem  erften 
SBerfurfi  at§  fftecfja  am  4.  Januar  1867  in  Dtmüp  in 
bie  23üpnentaufbapn  eintentte.  Um  im  galt  be§  Mifh 
Iingen§  ben  ©ttern  unb  fiep  fetber,  namentticp  vor 
ifjren  ©cpüterimten , benen  fie  ipr  SSorpaben  geheim 
piett,  eine  93efcpämung  ju  erfroren,  griff  fie  nacp  ber 
bequemen  Ma§fe  ber  Ütnonpmität.  Sem  Mäbcpen- 
namen  itjrer  Butter : 33ranbftetter,  unb  iprem  eigenen 
SSornamen  Maria  5tnna  entlehnte  fie  ben  tarnen 
Marianne  SSranbt,  unter  beffen  ©dpup  fie  ben  erften 
fotgenfcpmeren  ©cpritt  au§  bem  engen  Stieben  ipre§ 
|>aufe§  pinau§  auf  bie  gefürchteten  Bretter  magte. 
©otcper  33orficpt  pätte  e§  inbeffen  nicht  beburft ; benit 
ber  erfte  Sßerfucp  gtücEte  auf’§  befte  unb  hatte  batb 
meitere  groben  ihres  Sonnen§  at§  Sljucena  unb  $a» 
tentine  an  fetber  ©teile  jur  Sotge.  Ser  fetbft  gemailte 
•Karne  aber  gefiel  feiner  Srägerin  beffer  at§  ber  ipr 
Vom  ©dhidfal  befcperte;  auch  fapen  bie  (Sttern  ipre 
i^ünftlerfcpaft  unter  einem  anberen  -Kamen  lieber : furj 
für  bie  Sunftmett  mar  unb  blieb  fie  fortan  Marianne 
Siranbt  unb  gemann  fiep  at§  foldhe  9tupm  unb  Spren. 

Iftafdh  unb  unaufpattfam  führte  nun  ihr  2Beg  empor 
jur  ipöpe.  Spreu  erften  mirftiepen  Sriumpp  errang 
ihr  halb  uacp  bem  Dtmüper  Sebüt  ein  ®aftfpiet  in 
®tagenfurt  at§  Komeo.  @o  fcpeu  unb  ängftticp  ipr 
aucp  in  SricotS  unb  Männermam§  ju  Mutpc  mar,  fo 
fepr  fie  and)  ber  entfepte  2tuSruf  iprer  93rüber:  „2Ba§, 
fo  mittft  bu  vor’§  ißitbtifum  gepen,  Marie?  Sa  bift 

& 


350 


fr  • « 

bu  uitfere  @cf)Wefter  nicht  mehr!“  oon  oorutjeretn  um 
alle  Unbefangenheit  gebracht  hatte : bag  ißublifum  mar 
unermüdlich  in  33emeifen  feines  SBohlgefaHeng , mol)l 
mehr  alg  jmanjig  SDtat  jubelte  eg  ben  fchüchternen 
Stomeo  h^or,  ber  gar  nicht  an  fein  (Slücf  glauben 
mollte  unb  eg  bocfj  noch  nach  Sahnen  ftauneub  erfuhr, 
mie  tief  unb  nachhaltig  ber  (Sinbrucf  feiner  noch  an* 
fängerifchen  Seiftung  gemefen. 

gefthatten  für  nahezu  ^5a£)resfrift  lief?  fich  ÜDtari* 
anne  im  Sani  1867  in  ber  fteirifdjen  fpauptftabt. 

®ort  auch  trat  fie.  nachbent  fie  biStjer  bramatifctje 
Sftezzofopratt* Sollen  gefungen,  in  bag  Slltfah  über. 

®a  ihr  jebodj  menig  fünftlerifche  SSefriebigung  aug 
einer  Shätigleit  ermuch§,  meiere  fie,  unzulänglicher 
Stubienjeit  zufolge,  nöthigte,  mit  halbfertigen  Sei* 
ftungen  üor  bag  ißublilum  zu  treten , fdjlug  fie-  eine 
ihr  angetragene  SSerlängernng  beg  ©ontracteg  mit  oer* 
bofofoelter  (Sage  aug.  Sn  einen  ermeiterten  Sßirfungg* 
freig  hiuaug  brängte  eg  fie,  unb  fo  machte  fie  fidb»  benn, 
einen  Vertrag  mit  bem  Hamburger  Stabttljeater  in 
ber  Xafhe,  am  13.  ülpril  1868  — eg  mar  am  ©har5 
famftag  — „nicht  ohne  gittern  unb  gagen  zum  erften 
total  ganz  allein  auf  ben  SBeg  in’g  Slttglanb." 

„Sn  Berlin“  — fo  hören  mir  fie  felbft  — „machte 
ich  Nachtruhe  unb  mollte  ben  bamalg  fo  berühmten 
Slgenten  Stöber  auffudjen,  ber  gegen  mich  in  §am* 
bürg  intriguirt  hatte,  ohne  mich  Su  lernten.  @r  etn* 
hftttg  mich  mit  ben  ^Sorten : „SEag  motten  Sie  in 
Hamburg?  S <h  habe  bort  bie  Sieht  oorengagirt.  Sie 
lommen  niht  an.“  Sh  ermiberte : „Sttein  Slgent  hat 
mir  gefagt,  fingen  Sie  nur  bort,  man  mirb  Sie 
bann  fcfjon  engagiren!“  Stöber  oerlangte  nun,  ich  fotle 
ihm  oorfingen,  unb  ba  idf  ben  „Segen"  aug  bem  ztoei* 
teu  9lct  beg  „ißropheten“  gefuitgeit  hatte,  tourbe  er 

Sfr - 


357 


gteicf)  ganj  freunbtict)  unb  fagte : „Sieben  &inb,  Sie 
toerben  nic£)t  nacf)  Hamburg  gefeen , Sie  toerben  in 
Berlin  engagirt  inerben."  Sd)  inar  tnie  Oom  Bonner 
gerüfert.  (Sr  fdfedte  mict)  gteid)  in’S  SBureau  beS  Sn» 
tenbanten,  id)  follte  unt  ein  Ufer  im  Dpernfeaufe  ißrobe 
fingen  — unb  um  f»atb  jtoei  Ufer  featte  icfe  einen  2tn» 
trag  für  Berlin  mit  1800,  2000  unb  3000  Ratern 
auf  brei  Satire." 

„SBie  baS  Rtäbcfeen  aus  ber  grembe  erfd^ien  fie. 
SJtan  toufete  niefit  toofeer  fie  tarn,  unb  Riemanb  featte 
iferen  Ramen  bisfier  gehört.  (Sine  fcfetanfe,  feofee  ®e= 
ftatt  mit  bleichem  2Inttife , nid^t  frönen , aber  beben» 
tenben  $ügen , ftugen , fpäfeenben  2lugen , feaftig  in 
Spracfee  unb  SSetoegung"  — fo  fcfeitbert  fie  ein  Rügen» 
unb  Dferenjeuge  jenes  entfdfeeibenben  ißrobemorgenS*), 
inbem  er  feinjufügt:  „Sie  featte  faum  gefdfetoffen,  als 
ifjr  ba§  Drcfeefter  tnie  auS  einem  ÜÜtunbe  Söeifaft  §u= 
rief."  So  blieb  es  benn  babei : SJtarianne  93ranbt 
ging  nicfet  nacfe  Hamburg  ; ats  Racfefotgerin  Sofennna 
SBagner’S  unb  (Steonore  be  Rfena’S  bot  ficfe  ifer  in  ber 
norbbeutfdfeen  ^auptftabt  bie  angemeffenere  Stellung. 
„Scfe  fanb  micfe  fetbft",  fagt  fie  befdfeeiben,  „nocfe  fiel  ju 
unfertig  für  fotcfee  (Sfere  unb  featte  audfe  tnirMid^  tnieber 
fearte  $eit,  bis  icfe  einigermaßen  33oben  feier  getnann. 
®odfe  ging  eS  tangfam  nortnärtS,  unb  feabe  id)  beSfeatb 
immer  bie  gleiche  3)antbarfeit  für  baS  berliner  $ubti» 
tum,  baS  micfe  fo  toofettootlenb  üon  ben  fdfetoacfeen  Sei» 
ftungen  an  nortnärtS  fommen  tiefe.“  Sfer  Repertoire 
toar  atterbingS  junäcfeft  nocfe  befcferänft,  erft  attmätig 
aucfe  mufete  fie  ficf)  bie  nötfeige  Routine  getninnen  unb 
in  ber  bunten  SBett  ber  (Soutiffcn  nöttig  feeimifcfe  tner» 


*)  6.  ©.  tReif.  OflufifatifcbeS  ÜEBodicnMatt.  IX.  Saljtg.  91*.  1. 


358 


<ß  . '* 

beit.  Sam  ihr  bod^  aud)  nicht  einmal  ber  33ortf)eiI 
öfterer  Anfdjauung  non  früher  ^er  51t  ©ute,  ba  fie  faft 
nod)  nid)tg  gehört  unb  gefehen  hatte,  af§  fie  fetbft  bie 
Süfjne  betrat. 

„2lf§  fie  bie  (Sgfantine  jurn  erften  Sftafe  fingen 
fodte",  berichtet  it>r  Söiograph  im  „SJiufifafifchen  3Bo= 
chenbfatt",  — „eine  Stoffe , bie  fie  fpäter  fo  bemun= 
berngmürbig  gab,  baff  ein  büf)nenfunbiger  9Jtann  bem 
Sdfreiöer  biefer  Beden  öerfidferte , feine  ber  nieten 
itjm  befannten  Sängerinnen  reiche  if»r  barin  big  an 
bie  Snie,  — tnar  fie  nod)  auf  ber  (Senerafprobe  un= 
fieser.  „ÜJlit  meiner  (Sur^antfie  ging  eg  nicht  nief 
beffer",  erjätilte  ung  SJtatf)ifbe  ÜDtalfinger , „unb  afg 
mir  mit  einanber  nach  £>aug  fuhren,  ba  haben  mir  erft 
um  bie  SBette  geteuft,  bann  f»at  fie  mir  gerätsen,  mie 
id)  nod)  in  ber  3tad)t  ftubiren  fottte.  3cf)  ^abe  if)t 
Sttutf)  äugerebet,  unb  fdffiefifid)  mürbe  mieber  gemeint. 

Aber  am  anbern  Sage  ging’g  bod^i !" 

Aug  ber  genialen  Anfängerin  entmidette  fid)  in 
Serfin  bie  SOteifterfängerin , beren  Stuf)  nt  meltfäufig 
gemorben.  Unabfäffig  an  ihrer  tßernodfommnung  ar= 
beitenb,  emfig  bemüht,  fort  unb  fort  nid)t  allein  f>raf= 
tifcf»  fonbern  and)  ftyftematifdj  ju  fernen,  oermanbte  fie 
itjre  Urfaub^eit  im  Sommer  1869  unb  1870  ju 
Stubien  bei  ißaufine  33iarbot=@arcia  in  93aben=93a= 
ben.  Sene  bejeichnete  fie  afg  eine  ihrer  begabteften 
Schülerinnen , unb  fie  fetbft  befennt , „ber  genialen 
grau  oief  öon  bem,  mag  fie  fönne,  ju  oerbanfen.“ 

3m  fofgenben  3afm  ftubirte  fie  fobann  bei  (Sdert  in 
Berlin  itafienifdje  ißartien,  fid)  für  ihre  breimonatfid)e 
SJtitmirfung  am  ©oüentgarben  * Sweater  §u  Sonbou 
mäfjrenb  ber  Seafon  1872  Oorbereitenb.  Bu  itjrcr 
eigenen  (Senugtfjuung  oerfief  jebod)  bag  engfifdfe  ©aft= 
fpief  nicht,  ba  in  (Srmaugefitng  eineg  tpefbentenorg  bie 

& ' ^ 


359 


s21uffüf)rung  bott  „ißrophet"  unb  „Sohengrin",  für  bie 
fie  in  erfter  Sinie  engagirt  war,  unterblieb.  Stur  al» 
Sttiira  unb  ein  einzig  SDtal  als  ffibelio  hörte  ntan 
fie  in  Sonbon.  Ungeachtet  be§  @rfo!g§,  ben  fie  babei 
erntete,  aber  fclßofj  fie  für  ein  nädjfteä  Qa^r  mit  @pe 
nicht  wieber  ab. 

Statt  beffen  war  fie  nahezu  ein  Salfr,  bont  grüh5 
ling  1873  bi§  1874,  auf  Steifen,  ihren  grofsen,  in 
■©erlitt  gewonnenen  Stuf  burch  faft  aße  großen  ©täbte 
®eutfcf)lanb§  unb  nach  ihrer  £>eiwat  tragenb.  Smtri* 
guen  hatten  ihr  bie  ©erliuer  Steßung  oerteibet,  fobafj 
fie  ihre  (Sntlaffung  au§  berfetben  erbat  unb  empfing. 

2ll§  injWifdhen  1874  „Sliba"  bem  Stepertoire  ber  £>of* 
oper  eingereiht  Werben  foßte  unb  ber  lyntenbanj  teine 
21mneri§  jur  Verfügung  ftanb , rief  ntan  SJtarianne 
©ranbt  unter  günftigeren  ©ebingungen  benn  jubor 
jurücf.  93eftänbiger,  treuer  Statur,  be§  2Banberleben§ 
iiberbrüffig,  an  bem  ihr  liebgeworbenen  2Birfung3frei§ 
hängenb,  fehrte  bie  fcfimerslic^  ©ermifjte  wieber,  um 
im  Stpril  1874  bie  21mneri§  für  ©eutfcfßanb,  im  fei* 
ben  SJtonat  be§  näclfftfolgenben  Sal)re§  bie  Seah  in 
Stubinftein’S  „Sßtaccabäern"  ju  creiren. 

SBeit  haßten  bie  Triumphe  burch  bie  föunftwelt, 
bie  fie  in  beiben  Partien,  ptna!  in  lefßerer,  wolß  ber 
anfprucf)3boßften,  bezüglich  be§  Umfangt  wie  ®ehalt§, 
bie  einer  Slltiftin  je  §u  Xheil  geworben,  feierte.  Slu§ 
Stubinftein’§  eigenem  SDtunbe  wiffen  wir,  wie  hoch  er 
ihre  SBiebergabe  feiner  Seah  fteßt.  Schlechthin  al§ 
„ibeal“  bejeidfnete  er  fie,  unb  feine  Slttbere,  fagt  er, 
fei  neben  ihr  §u  nennen. 

Zugleich  bramatifche  unb  @oloratur=Sängerin,  be* 
herrfc^t  fie  bie  claffifcfje  unb  romantifdfe  beutfdje,  bie 
italienifdje  unb  franjöfifche  Dper  mit  gleicher  Sicher* 
heit.  SJtan  höre  fie  al§  0rpheu3,  Slptemneftra,  gurie 

fc.  ' M 


360 


bei  Raffel,  ®onna  ©loira,  all  @g£antine  mtb  3Rar= 
garere  (iit  Schumann’!  „(Senooeoa") , all  Sljucena, 
SJlabbalena,  Vomeo,  Drfitto,  all  SSatentine , gibeS, 
Selica,  Vecha,  Dberpriefterin  („Veftatin") ! Sin  ihren 
gibetio  oornehmtich  wirb  Stiemanb,  ber  iljn  faf),  offne 
innere  Gsrgriffenheit  jurücfbenfen.  SßeicE)’  treue,  wert» 
tf»ätige  Vefennerin  unb  Slnljättgerin  aber  war  fie  allzeit 
bem  Sunftwerf  SBagtter’S!  (Üefjören  nicht  Stbriano 
unb  ©lifabetf),  Drtrub  unb  Vrangäne  feit  langem  ju 
ben  Sieben  ihre!  ^Repertoire!?  3f)re  Sarftedung  ber 
Drtrub  50g  bereit!  im  (Sommer  1870,  mäf)renb  ber 
SRufterüorftetlungen  SBagner’fcher  Opern  in  SBeimar, 
mo  man  fie  all  bie  erfte  Vertreterin  biefer  Volle  in 
$eutfcl)lanb  prie! , ßi!jt’S  lebhafte!  gntereffe  auf 
fich,  ba!  ifjr  feit  jener  3eit  itnoerminbert  jugewaubt 
blieb. 

Stl!  wäl)renb  ber  Vapreuttjer  geftfpiele  int  Stuguft 
1876  bie  Darftellerin  ber  SBaltraute,  grau  gaibe, 
plötzlich  am  „Siegfrieb'^Xag  fjeifer  warb,  lernte  ÜDlari* 
anue  Vranbt  über  5Racf)t  bie  Partie,  um  fie  an  Stelle 
jener  bei  Stuffüfjrung  ber  „@ötterbämmerung"  Sag! 
barauf  ju  übernehmen,  „greilicfj  war  meine  Seiftung 
auch  barnach“,  fagt  fie  felbft  in  ihrer  tieben!Würbig 
befcheibenett , oon  Selbftgefätligleit  hintmelweit  ent= 
fernten  Sßeife.  Slnbere  aber  bachten  anber!  unb  banf= 
ten  ihr  ihre  echte  Sünftlerthat  beffer  all  fie  felber. 
Obenan  SCReifter  SBagner.  @r  erfal)  fie  neben  Slmalie 
SRaterna  jur  erften  Vepräfentantin  ber  Suttbrt)  in 
feinem  Vühnenweihfeftfpiel  „ißarfifal".  ©rofjeS,  33e= 
beutenbe!  erwartete  er  bei  ßöfung  biefer  fc^wierigften 
aller  gefangticf)5bramatifchen  Stufgaben  üon  Slnbegimt 
oon  ihr.  Schon  beim  btojjen  Vorlefen  ber  Partie,  bie 
fie  im  Sommer  1881  in  Vapreuth  oorbereitenb  mit 
ihm  burchnahm , befannte  er  fiep  auf!  1)  öd) fte  über» 

k ' M 


361 


tafelt ; atf  feilte  Intentionen  fanb  er  oon  it)r  erfaßt 
unb  jum  2tu§brud  gebracht.  ®er  fonft  fo  fcfjwer  §it 
befriebigenbe  SOleifter  bejeicfjnete  ifjre  bamat§  erft  in 
ber  Stntage  fertige  Seiftung  nidft  nur  at§  eine  geniale, 
fonbern  at§  eine  unüergteic£)tid)e  — unb  bürfen  wir 
Sitte , bie  wir  nun  itfre  ®unbrt)  in  S3at»reutl)  gefetjen 
unb  gehört,  fein  Urtlfeit  nicf»t  frenbig  unterfdjrciben  ? 
@o  £reffli(f)e§  audj  2lmatie  SJiaterna,  bie  berühmte 
©dföpferin  ber  23rünnf)ilbe,  in  ber  gleichen  fftotte  bot, 
ööttig  anfcfjaulicl)  unb  toerftänbtief»  trat  un§  ba§  rätf)fel* 
unb  wiberfprud)§botIe  gauberweib,  bie  „Urteufetin", 
bie  fid^  in  eine  büfsenbe  SJiagbalena  oerwanbett,  erft 
in  SJiariamte  23ranbt’3  3)arfteKung  entgegen.  2ln 
geinfjeit  ber  pft)(f)otogifc^en  Aufarbeitung,  an  bärno» 
nifc^er  Sraft  unb  ©enialität  ber  gefammten  ©eftattung 
gab  fie  nid^t  leidft  ju  Übertreffenbe§ , unb  wenn  ifjre 
buntlere,  gtanjlofere  <3tintmfarbe  bem  ©itberftang 
oon  Stmalie  3Jiaterna’§  Stimme  an  finntidjem  Räuber 
nad)ftet)t,  fo  ift  bafür  ba§  ©eiftige,  ba§  ©eetifdfe  ber 
Partie  bei  if)r  in  um  fo  entfdfiebenerem  Übergewicht, 
deinen  $ug  läfft  fie  fidf  entgegen,  ber  bie  @tarfeit  unb 
33eftimmtt)eit  if)re§  fdjarf  umriffenen  ©barafterbitbe? 
förbern  fönnte.  Ü0iit  alter  itjr  ju  ©ebote  ftefjenben 
Seibenfdfaft  unb  bramatifdjen  SBat)rf)eit  ftattet  fie 
ba§fetbe  au§.  ©in  ootte§  !yat)r  — wir  hörten  e§  oon 
ilfren  eigenen  Sippen  — oertiefte  fie  fidf  in  ba§  ©tu* 
bium  ber  ißartie ; in  it)r  gef)eimnif5üotte§  Sßefen  lebte 
fie  ficf)  oöttig  ein,  um  fobann  ber  natjeju  fertig  in  if»r 
au§gereiften  ©eftalt  mit  be§  Sidftercomponiften  per* 
fönlid^er  ©inwirlung  bie  tetjtc  SSottenbung  ju  geben, 
©o  ju  itjrem  eigenen  Steift  unb  93Iut  geworben,  tra* 
ten  be§  SOJeifterg  Intentionen  un§  lebenbig  in  it)r  ent* 
gegen,  unb  Oon  ber  2ßeif)e  be§  9lugenbtid§,  ber  3n= 
fpiration  getragen , geftaltcte  fie  oor  itnfercn  93tiden 


* 

ein  SJieiftergebitb , für  baS  ttjr  Sitte , bie  eS  geflaut, 
bteibenbett  ®anf  itnb  eine  unauStöfcf)ti(f)e  (Erinnerung 
fdjutben. 

ttttan  tjat  gefagt,  wer  bie  grofje  Sdjröber=®ebrient 
in  itjrer  guten  ,ßeit  getannt  habe,  finbe  SOtarianne 
23ranbt  itjr  congeniai  unb  ebenbürtig,  Zweierlei,  baS 
ift  gewifj,  hatte  bie  bramatifihe  ©röfje  ber  Vergangen» 
heit  bor  ber  ber  ©egenwart  borauS : an  Schönheit  ber 
perföntidjen  (Erfdjeinung  wie  ber  Stimme  tönntc  bie 
jüngere  ficf)  mit  ber  älteren  Jfturtftfdjwefter,  !äme  fie 
wieber,  nimmermehr  meffen.  Um  fo  fdjwerwiegenber 
freitid)  nur  erfdjeirtt  baS  SSort,  baS,  troj3  ber  ungleichen 
äußeren  ttiaturgaben , 93eiben  bie  gleiche  SD^ad^t  ber 
SBirfung  juerfennt.  Um  bieleS  beftedjenberen,  impo» 
fanteren  SBühnenerfdjeinungen,  größeren  unb  fcfjönereit 
Stimmen,  atS  wir  fie  in  üüiarianne  93ranbt  berförpert 
finben,  finb  wir  mannigfach  begegnet.  9Zicf)t  im  Hang» 
liehen  Steige  it»re§  DrganS,  baS,  unbefdjabet  feines  Um» 
fangS  nach  ber  §öhe  hin  — fteigt  bom  Keinen  G 
bis  gum  breigeftridjenen  D hinauf  — feine  bunHe, 
warme  SHtfarbe  bewahrt,  liegt  bie  twn  ihr  auSgetjenbe 
ttJiacht ; eS  ift  baS  ©eiftige,  baS  burct)  unb  burd)  ©e» 
fühlte  unb  durchlebte,  baS  eminent  dramatifdje  ihres 
©efangeS , WaS  ihn  für  unS  fo  wirfungSbott  macht. 

3n  ber  drantatiferin  geht  bie  Sängerin  auf , ja  um 
biefer  Witten  fdjeint  jene  nur  ba  gu  fein.  So  paart 
ficf)  bei  ihr  eine  fettene  Jperrfchaft  über  bie  Stimme  mit 
©rö^e  unb  Seibenfdjaft  beS  (EmpfinbenS  unb  bewun» 
bernSWerttjer  ©eniatität  in  Stuffaffung  unb  durch» 
fiihrung  ber  entgegengefetgteften  ©haraftere , ohne  bah 
fie  babei,  Wie  biete  ihrer  (lotteginnen  im  93üf)nenberuf, 
im  Bereich  ber  reinen  Sprit  unheimifdj  bliebe.  (ES 
giebt  Sieber,  bie  man  nicht  fdjöner  atS  boit  ihr  hören 
tarnt.  2Bie  biel  danf  unb  Scifatt  hat  fie  ficf)  nicht 

. M 


363 


W~  — — * 

aud)  al§  Sieberfängerin  int  ©oncertfaal  wie  in  s$riDat» 
(reifen  üerbient ! 2)enn  fie  ift  freigebig , eingebenf 
beffen,  bafj  fie  nie!  ju  geben  f)at. 

Unb  biefen  8d)a|  an  Dielfeitiger  2eiftung§fäf)igfeit 
unb  feltener  ^utiertäffigfeit  liefs  ficf>  bie  berliner  |>of» 
oper,  bie  if)n  iljr  eigen  nannte,  entgegen ! dreimal 
t)atte  üötarianne  33ranbt  Anträge  ber  SBiener  Dper 
abgelebt.  @ie  tjatte,  fo  freubig  e§  fie  betnegte,  baff 
ifjre  glänjenben  ©rfolge  bafefbft  int  $uni  1880  ttocff 
bie  testen  SebenStage  iJfrer  tränten  ÜDtutter  Derflärten, 
ber  Soduttg  wiberftanben,  al§  ®ünftlerin  auf  ber  fjöJje 
be§  9tut)me§  i£)rer  fjeiteren,  frönen  Sßaterftabt  bauernb 
wieber  anjugelwren , um  in  bem  ifjr  an’§  fferj  ge» 
wadjfenen  2Birfung§frei§  Derbleiben  ju  tonnen.  Sie 
(jatte  gebaut,  Berlin , bafetbft  fie,  bie  mitftfalifcf), 
fprac^ticE)  unb  literarifd)  (jotf»  (Mebilbete,  in  SBefen  unb 
SBanbel  allfeitig  nad)  SSerbienft  ©eadftete,  ein  begehr* 
ter  ©aft  ber  f)öcE)ften  ®efeltfd)aft§freife  geworben  War, 
uic£)t  tnefir  ju  oertaffen.  fpatte  bod)  aud)  föäifer  2Stl= 
l)elnt  it)r  burdf  bie  (Ernennung  jur  ®ammerfättgerin 
1879  feine  befonbere  Setzung  fnnb  gegeben.  2Idein 
Sntriguen,  Wie  fie  fctjon  1873  wiber  fie  gefdfäftig  ge» 
wefen,  trieben  Don  neuem  if)r  garftig  Spiel;  ifinen 
muffte  fie  weicffen.  2>em  Dom  ®aifer  bereite  bewillig» 
ten  leben§läitglicf)en  ©ontract,  ben  fie  erhalten  füllte, 
würbe  eine  ^laufet  angefügt , bie  ilfre  fünftlerifdje 
Stellung  berart  befc^ränfte,  baf?  fie  nid)t  barauf  eilt» 
gefjen  ju  tonnen  ertlärte.  SBa  man  fidf  gleic^wof»!  ju 
feiner  Slnberung  fterbeiliefj , fa()  fie  ficf)  gezwungen, 
mit  Slblanf  i()re§  ©ontracted  am  1.  SDlai  1882  fiel)  Don 
ber  föniglidfen  Oper  ju  oerabfe^iebett.  211§  3nbe§,  mit 
ber  fie  ficf)  einft  f)ier  eingefülfrt,  freute  man  fid)  am 
29.  2lpril  il)rer  f'ünftlerfdjaft  jum  lebten  SJtale  unb 
gab  it)r  bttref)  ein  faft  erbrüdeitbe§  Übermaß  Don  0Da» 

$ 


364 


W — — — — ^ 

tionen  bemonftratiü  genug  funb , wie  tief  man  ihren 
aSerluft  beflage. 

33on  neuem  nahm  fie  ihr  früheres  SBanberleben 
mieber  auf.  ©ie  fang  in  ÜDiündjen,  SBien,  in  Soitbon 
bei  ißotlirti*9tichter’g  beutfcfiem  0pernunternef)men,  in 
SBatjreutt),  Seipgig  nnb  berpflichtete  ficE) , auch  bei  2Bt* 
gelo  Reumann  § manbernbem  Stidfarb  SBagner^heater 
periobifd)  tbätig  ju  fein.  „(Ein  fefte§  (Engagement",  fo 
äußert  fie  fiel)  Be^üglicfj  ihrer  ferneren  ißläne,  „nehme 
icf)  n i cb) t met)r  an,  nnb  nad)  ein  paar  fahren  ®aft= 
fpielen  fefjre  id)  ber  Söätine  ben  SRüden.  Sie  testen 
(Erfahrungen  tjaBen  mir  ba§  Theater  grünblich  ber* 
leibet.  Sßenn  ich  & erlebe,  merbe  ich  bann,  wag  id) 
jiterft  werben  follte : ©efanglehrerin.  Tenn  bag  Thea* 
ter  fann  nur  bem  ganj  genügen,  ber  pm  ®omöbianten 
geboren  ift;  mir  brachte  eg  immer  mehr  ©chmerjen 
alg  ffrreuben , wenn  ich  e§  flU1h  ben  einzigen  Drt 
anbererfeitg  fdjähen  mufj,  wo  fich  meine  fünftlerifcfie 
Snbibibualität  ganj  entwideln  formte ! " 


365 


w 


|ft  unb  mit  Siadjbrud  tjat  SRidjarb  SBagner 
e§  au§gefprod)en,  baff,  toährenb  er  bei  fei» 
nett  fünftterifcfjen  Unternehmungen  „ber 
Xüdjtigteit  unb  bem  StRutf)  nuferer  Xtjeater* 
rütjrer  äufjerft  fetten  begegnete",  ihm  feine  treueften 
SKithetfer  „im  Kampfe  gegen  bie  5ffentticE)c  Theater» 
meinung  tion  fe  au§  ben  Seihen  ber  ©änger  unb 
SJiufifer"  erftanben,  baff  er  „rnahre  görberung  feiner 
Siete  ftet§  nur  bei  ben  ®ünfttern",  ben  natürlichen 
Prägern  unb  ©tüpen  ber  Jft’unft,  gefunben  habe.  Sitte 
groffe  ©d)ar  für  ibeate  Stufgaben  begeifterter  ©änger 
unb  ©ängerinnen  jumat  fammett  fief»,  mit  jebem  Sapre 
fiep  mehrenb,  um  bie  gapne  be§  größten  unb  beutfcpe» 
ften  9Jiufi!er§  ber  Segentoart  unb  erwirbt  fich,  inbem 
fie  jenen  mit  üotter  Eingabe  bient,  bie  höhere  Sotten» 
bung  be§  eigenen  ®öntten§  unb  bamit  Sut)m  unb 
Stans  be§  Samen§  bafür  jutn  ißrei§.  Siegt  e§  bocp 
im  treuen  Sienft  unb  ißrieftertpum  ber  Jftüuft , bah 
ba§  Opfer  feiner  fetbft  reiche  äinfen  trögt  unb  man  für 
ba§  , toa§  man  giebt,  unöergteicplich  h oberen  Semitttt 
jurüdempfängt.  äRandje  unferer  beften  unb  ange» 
fepenften  SefangStünftter  hat  2Bagner’§  Seniu§  erft 
auf  ihre  eigentliche  Sahn,  auf  ben  SBeg  ju  Sröfje  unb 
Siipm  getoiefen.  ©ahen  Wir  nicht  eben  jept  mieberum 
japtreicpe  ©terne  fich  um  bie  ©ontte  oon  Sagreuth 
fcparen,  um  üon  ihr  erhöhte  ßeucf»tfraft  51t  borgen  unb 


Öa  DJJara,  6tufrtcnföpfc.  Y.  369 


24 


in  ihrem  Slbgtanj  ftrat)tenber  benn  ^noor  ju  er* 
feinen? 

Ungern  b<*ben  mir  bort  ein  ©ängerpaar  tiermifet, 
ba§,  mo  e§  2Bagner’§  ®unft  neue  ®ränje  ju  erringen 
gilt,  fonft  ftet§  tioranjufcbreiten  pflegt  int  eblen  2Bett= 
ftreit  unb  ba§  e§  bent  ©icbtercomponiften  tion  je  burdj 
fetbfttofe  Eingebung  lohnte , bafj  bie  ^Berührung  mit 
feinem  (Seniu§  e§  juerft  auf  bie  §öt)e  ber  S?leifter= 
fcpaft  geführt.  brauet  tut»  bie  SSerbienfte  Epeinridb 
unb  Sperefe  23ogt’§  nicpt  ju  fcbmätern,  ba^  ipre 
eigenen  iEriumpbe  mit  benen  SBagner’g  jufammen» 
fieten ; benn  feine§meg§  tierbürgt  noch  toar  ipnen  ber 
s$rei§ , ba  fie  um  ifjn  ju  ringen  begannen.  9Kepr 
3tueiflern  unb  (Segnern  ate  (Staubigen  noch  begegne* 
ten  bie  Offenbarungen  ber  neuen  Sßagner’fdfen  Sünft, 
at§  fie  bie  Söegeifterung  ber  SBeiben  entjünbete  unb  fie 
fiep  biefetbe  fjinfort  junrSeitftern  erforen.  Sbr  (Staube 
an  ba§  Sbeat,  ba§  bie  ÜDtenge  fctjmätjte,  et)e  fie  e§  be* 
wunbern  lernte , aber  trog  fie  nitf»t ; e§  mar  ba§  3ei* 
eben,  in  bem  fie  fiegen  füllten. 

2In  ben  Ufern  be§  (Starnberger  @ee§,  in  ber  tänb* 
tieften  ©title  be§  ©d)utt)aufe§  ju  £u|ing,  mo  ipr  SSater 
in  unermübticber  Arbeit  ber  fpetanbitbung  ber  ternbe* 
bürftigen  Sorffugenb  obtag , bat  £berefe  95ogt,  ober 
Xfjerefe  £bonta,  mie  ibr  tötäbebenname  tautet,  ihre 
<Seburt§ftätte;  bort  btiette  fie  am  12.  Stotiember  be§ 
3abre§  1845  jum  erften  ^Diate  in  biefe  SBett  unb  bie§ 
Sehen  hinein.  ®ort  auch  Übermächte  ihr  SSater,  !yacob 
Xboma,  tiott  Siebe  unb  ©orgfatt  bie  erften  Stufferun* 
gen  ihrer  mufifatifeben  ^Begabung.  Sie  Seicfjtigleit, 
mit  ber  fie  ba§  mufifatifebe  3tbc  erlernte,  ihre  ©toper* 
beit  im  Stotentefen  unb  ihre  ftare  Stimme , bie  batb 
jur  §reube  ber  geifttidf»en  Herren  unb  ihrer  (Semeinbe, 
für  fedf§  baprifebe  ^renjer  pro  üöteffe,  ©onn*  unb 


fcs. 


M 


370 


gefttagS  auf  bem  Sljor  ber  Xuginger  Sirene  ertönte, 
ioedten  in  ihm  bie  Hoffnung , baff  in  feinem  Xöditer» 
tein  eine  tüchtige  Sängerin  ^eranttJactjfe.  Stuf  alle 
gatte  fottte  es , fo  tnünfc|te  er , einer  f)öt»eren  SluSbit» 
bung  tfjeitfjaftig  merben.  2)od)  nicht  lange  btieb  eS 
ifjm  oergönnt,  toie  in  Sittern,  fo  auct)  in  ber  Soufunft, 
ber  gufjrer  feines  SiebtingS  ju  fein,  griff)  nat)m  if)n 
ber  Xob  oon  beffen  Seite  t)inmeg,  wätfrenb  ber  un= 
gtüdtidje  SluSgang  eines  fünfzehnjährigen  ißroceffeS, 
in  gotge  beffen  baS  Weine,  feit  oiertjunbert  Sauren  im 
Sefif)  ber  gamitie  Stjorna  befinbtidje  Öfonomiegut  an 
bie  Sird)e  oertoren  ging,  Summer  unb  flftifjgefchid  ber 
Seinen  nod)  erhöhte. 

®eS  fürforgtidjen  SaterS  toie  beS  oätertidjen  S3e» 
fiheS  oerluftig , erbarmungslos  Oon  tpauS  unb  ipof 
oertrieben,  fat)  bie  junge  Sßaife  fid)  burd)  ben  gebiete» 
rifdien  ^toaitg  ber  Serljäftniffe  jutn  energifdjen  Sr» 
ftreben  beS  fjietS  gebrängt,  baS  ju  erreichen  bem  Sater 
nid)t  befdjieben  toar,  baS  aber  fein  Sot)n,  Sefjrer 
Xt)oma  in  Stgmphenburg,  an  feiner  Stelle  weiter  oer» 
folgte.  SIlS  treuer  Sruber  fid)  ber  Sdjtoefter  annef)5 
meub  , brachte  er  bie  Vierzehnjährige  auf  baS  Sonfer* 
oatorium  ju  ÜDtündien,  um  fie  unter  Seitung  fperger’S 
unb  tpaufer’S,  beS  ®irectorS  ber  Stnftatt,  bafetbft  im 
Sotogefang  auSbitben  ju  taffen.  Sin  oierjätjrigeS 
Stubium  reifte  fie  jur  fertigen  Sünftterin,  atS  welcher 
fid)  ihr  bereits  im  3al)re  1864  ein  Sngagement  an 
baS  §oftheater  in  SartSrutje  barbot.  ®od)  nur  ein 
gatjr  lang  gereichte  ihre  grofje  unb  fdjöne  Stimme, 
ihr  hoheg  bramatifdjeS  latent  ber  groffherzogtidien 
©ühne  zur  gierbe.  ®eit  fettenen  Schah  eignete  fid)  bie 
iöMnchener  Dfjer  an.  ÜÖZit  offenen  Slrnten  fah  fief) 
Sljerefe  Xhoma  gteid)  bei  ihrem  erften  Stuftreten  atS 
Safitbe  in  „Teufels  3lntf)eit",  im  ®eeember  1865,  hier 

& ■* 


371 


24* 


aufgenommen.  Seitbem  blieb  fie,  als  Sängerin  wie 
als  Sdjaufpieferin  immer  fiöfjer  fteigeitb  auf  ber 
Staffel  ber  SReifterfdjaft,  ber  Siebbing  ber  Sfar*2Üt)e= 
ner,  unb  ihrer  Dper,  afs  beren  ißerfe  man  fie  f^ä|te, 
Wahrte  fie  unöerfetjrt  Sireue.  2fud)  ihre  Sermäfjtung 
machte  fie  berfetben  nicf)t  abwenbig ; war  er  bocb  ein 
SJtüncfjner  .fittb,  ihr  Softege  Heinrich  tßogf,  ber  fie  im 
Dctober  1867  als  glücEtic^er  ©atte  beimfiifjrte.  ÜRur 
fefter  wuchs  fie  t)irtein  in  ihren  93üf)nenberuf  an  ber 
Seite  beS  f)err^^ett  ©ängerS,  ber  in  if)r  bie  waf)föer= 
wanbte  Statur,  bie  gfeidjftrebenbe  ®unftgenoffin  er= 
fannt  batte,  unb  mit  bem  tiereint  fie  erft  ben  ©ipfef 
ber  Sünftferfdjaft  erffomm. 

SSSie  fie  in  einem  batjrifc^ert  Sdjufbaufe  erlogen, 
afS  Sobn  eines  £auSnteifterS  an  ber  Sd)ufe  ber 
Sltüncbener  SSorftabt  2Iu  jum  Sebrer  beftimmt  unb  als 
fofcber  bereits  in  2fmt  unb  SBürben  ftefienb , batte  er, 
tion  einem  unwiberftebficben  inneren  ©ebot  getrieben, 
bie  Scbufftube  mit  bem  £beater  tiertaufdjt  unb  gleich 
bei  feinem  erften  SBübnentierfud)  als  SJtaj  im  „grei- 
fcbü|"  (am  5.  Stotiember  1865)  bie  Söerec^tigung  biefer 
SBanbfung  feftgeftefft.  2Iucb  ben  beweis  feiner  SSief* 
feitigfeit  blieb  er  nid)!  fcfiulbig*  ©enie  unb  Sfeifj  tier= 
baffen  ibm  im  Zeitraum  tion  wenigen  fahren  ^u  einem 
Repertoire,  baS,  ungefähr  bunbert  Stoffen  umfaffenb, 
an  Steidjtbum  Wobf  bemfenigen  aller  feiner  beutfdjen 
Stitiafen  ben  Stang  abfäuft.  $on  entfdjeibenber  SBe= 
beutung  für  ihn  würbe  inSbefonbere  ber  ©inffufj, 
Wefcber  ju  eben  jener  3eit  bes  ^Regierungsantritts 
®önig  Subwig’S  II.  Stidjarb  SBagner  auf  baS  9Rün<be- 
ner  SRufif leben  eingeräumt  warb.  SXcit  Seib  unb 
Seele  gab  er  fid)  in  ben  ®ienft  ber  23agner’fd)en 
®unft.  ®ie  ScfiWierigfeit  ihrer  Rufgaben  galt  feinem 
fünftferifdjen  ©fjrgeij  nur  als  Sporn,  feinem  ebfeit 


(Streben  atS  toftnenber  ißreiS,  unb  in  atten  £eitor* 
Partien  üon  Sßagner’S  fÜtufifbrameu  betüäftrte  er  fieft 
atS  Sieger. 

Sftrem  (Satten  gteieftgefinnt,  babei  bureft  fein  f8ei= 
fpiel  angefeuert , tieft  Sfterefe  93ogt  ficf)  an  (Sifer  unb 
93egeifterung  üon  iftm  nieftt  befcftämen.  §atte  fie  ficE) 
atS  SSenuS  unb  Drtrub , atS  (Stfa  mtb  Stfteintoeftter 
fcfton  mit  SBagner’S  (SeniuS  nafte  befreuubet , fo  trat 
fie  iftm  atS  Sfotbe  nocft  um  üieteS  näfter,  ja  bie  nocft 
nieftt  trierunbjtoanäigjäftrige  Sängerin  teiftete  atS  fotefte 
bie  gröftte  biSfterige  Sünfttertftat  iftreS  SebenS. 

®ie  Scfticffate  üon  „ftriftan  unb  Sfotbe“,  üietteieftt 
ber  geniatften  unter  beS  SDicfttercomponiften  Scftöpfun* 
gen , finb  befannt.  ÜDtan  toeift , baft  biefetbe , ber 
Scbtüierigfeit  ber  Srtetrotten  ftatber  als  „unmögticft" 
üerfeftert , üiefe  Saftre  nacft  iftrer  SSotfenbung  üergeb» 
tieft  ber  bramatifeften  fßertebenbigung  ftarrte,  bis  2ub= 
tüig  Seftnorr  üon  ©arotSfetb  unb  feine  (Sattin  bie 
ruftmreiefte  Stufgabe  gtanäüott  belüättigten  unb  baS 
Sßerf  enbtieft  — eS  tüar  am  10.  Suni  1865  — jur 
(Senugtftuung  feines  fönigticften  ißrotectorS  Subroig 
üon  23aftern  auf  ber  fDtüneftener  ^ofbüftne  feinen  (Se= 
burtstag  feierte.  SDoeft  nieftt  lange  freute  eS  fieft 
feines  SebenS.  @in  neibifefter  Sbb  raffte  ben  ebiten 
Sänger  batb  barnaeft  ftintoeg ; fein  Stnberer  mottte  an 
feine  Stelle  treten  — toieber  famen  lyaftre  beS  Seftmei» 
genS  für  „Sriftan  unb  Sfotbe.“  ®a  naftmen,  toaS 
fein  jtüeiteS  beutfcfteS  Sängerpaar  toagte,  enbtieft  §ein- 
rieft  unb  Xfterefe  SSogt  mofttgemutft  auf  iftre  jungen 
Scftuttern.  Xapfer  erftärten  fie  fieft  im  £saf)K  1869 
jur  SBieberaufermecfnng  beS  ffttoierigen  SBerfeS  bereit, 
unb  batb  barnaeft  marb  eS  in  SBaftrfteit  unter  |>anS 
üon  SJütotü’S  „einziger"  Seitung  mieber  tebenbig , um 
ber  Stfüneftener  Dper  feitfter  bauentb  atS  eines  iftrer 

* 


ä 


" ” " ; 

fettenften  Schmudftüife  ju  oerbleiben.  Satjrelang  war 
ber  Genufi  beS  ejxeptioneßen  ÜDtufilbramaS  auSfchliefi* 
lief)  an  bie  SDtitWirfung  be§  genialen  SSoglpaareS  ge* 
Inüpft.  Sßad)  SDlüncfien  muffte  tnanbern,  wer  bei  ben 
ab  unb  ju  ftattfinbenben  Sßieberholungen  feiner  frot) 
werben  wollte , unb  jebe  biefer  nur  in  langen  Raufen 
Wieberfet)renben  Slufführungen  galt  bengremtben  unb 
Kennern  be§  „Triftan"  at§  geft , ju  bent  man  fie  aus 
aßen  Gegenben  TeutfctitanbS  fjerbeiftrönten  fat).  Grft 
fpäter,  nacf)bem  ingwifcE»en  (SSaftf^iele  SBogl’s  inSBeimar 
(1874  unb  75)  — wie  nadfmals  in  Königsberg  — 
„Triftan"*23orftelIungen  auef)  außerhalb  äJiiinchens  er* 
möglicfit  Ratten , als  nadf  langem  Sägern  wenigftens 
bie  SBübjnen  tion  23erlin  unb  Seidig  ihre  Kräfte  an  ber 
gewaltigen  Stufgabe  erprobten , bot  fidf  auef)  fftorb* 
beutfeptanb  erwünfdjte  Gelegenheit  jur  Söetanntfcfjaft 
mit  bem  wunberfamen  SBerfe.  Tod)  Weber  Stiemann 
unb  grau  oon  SSoggenlfuber,  nodf  Seberer  unb  §ebwig 
ifteicher^inbermann,  bie  berliner  unb  Seipjiger  23er* 
treter  ber  Titelrollen , oermochten  bie  hurmonifche 
Schönheit  unb  SBirfungSmacht  oon  33ogl’§  Oereinter 
Seiftung  ju  erreichen.  Srn  „Triftan“  an  erfter  Stelle 
finb  unb  bleiben  fie  baS  „unoergleichlicheSünfilerpaar", 
baS  £>an§  oon  SSüloW  in  ihnen  würbigt,  unb  baS 
ber  9Mnchener9ticf)arb3Bagner*23erein  nach  einer  Stuf* 
führung  ber  Dper  am  28.  guni  1872  mit  ben  S3erfen 
feierte : 

„§eil  bent  ebten,  echten  ßünftlerpaare, 

®a§  äum  hofften  gluge,  gleich  bem  Stare, 

©eine  tunft  auf  mächt’gen  glügetn  fdEnoirtgt ; 

9teu  ju  fchaffen  lang  entbehrte  SBonnen, 
föabt  3hc  tüfm  ein  Stiefenroert  begonnen, 

©rop  unb  meifterlicb  Sbr’s  heut’  oollbringt. 


fr~  ■* 

9113  ung  „Sriftan"  einften^  faum  geboren, 

(Schien  er  fd&merglidöft  ung  algbalb  oerloren, 

Sa  ber  ©elb  in’g  ©djattenreid)  entrüdt, 
heften  ©ang  ibjm  fd^uf  ein  tönenb  Seben ; 

9ld),  bag  eigne  muj3t’  fo  frü^  entfdjroeben, 

Unb  mit  i£)m  fc^ien  aud)  bag  Serf  gerftüdt ! — 

Sod)  eg  brang  bie  ijeijre  „ernfte  Seife" 

Sief  in  eineg  Sünglingg  23ruft;  bie  leife 
Mahnung  bat  fein  $ünftler£)er§  erfannt, 

§at  nad)  raftlog  mannhaft  ernftem  ©treben 
9tun  ber  beutfdjen  Äunft  jurüdgegeben. 

Sag  für  eraig  fdjien  aug  ii)r  oerbannt. 

Unb  bie  mutige  ©attin,  bie  er  freite, 

Syrern  Sriftan  treu  3folb’  gut  ©eite 
stimmt  an  feinem  9?uljm  fie  gleidjen  Sfjetl; 

9flag  brum  l)eut’  in  (Sureg  Sirfeng  ©allen 
Saut  beg  ©er^eng  Sanfegruf  erfdiailen: 

©eil  (Sudj,  Sriftan  unb  Sfolbe,  ©eil!" 

Sie  Steife  ber  Sagner’fcfjen  Siebegpaare,  in  bereu 
Siebergabe  23eibe  i^reg  ©leiden  futfjen , oerooßftcin* 
bigen  Sofjengrin  unb  Stfa,,  ©igmunb  unb  ©igtinbe, 
©iegfrieb  unb  S3rüuub)ilb.  2luch  ^Sarfifal  unb  ®unbrt) 
ttrnren  ihnen  gugebacE)t  — toarunt  eutfagteu  fie  aug 
eigenem  Antrieb  beu  @f)reu,  bie  93at)reuth  für  fie 
bereit  tjielt?  ®urs  oor  beginn  ber  fßroben  nahmen  fie 
ifjr  tängft  gegebeneg  Sort  jurüd,  toeil,  toie  man  fagt, 
ber  SUieifter  im  Unmutt)  über  bie  „moralifche  Sertoir* 
rung  berSlioatitäten",  ihnen  bag  non  ihnen  bebungene 
Vorrecht,  bie  Sollen  ju  „creiren",  nid^t  jugeftanb- 
Entgegen  Sagner’g , ftf)on  burd^  93iUigfeitgrücfficf)ten 
gegen  fein  „oietgtiebrigeg  Sünftterberfonat1*  geboteneg 
$rincib,  bie  S3efe|nng  ber  ^auptbartien  bei  jeher  2tuf* 
fü^rung  toechfetn  ju  taffen,  begehrten  fie  bie  aug* 

■L-  A 


375 


w 


fdüiefftidie  Vertretung  i£}rer  Stötten  mätfrenb  ber  erften 
Vorftettungen.  ©em  fonnte  unb  mottte  ber  ©idfter» 
com^onift  nid)t  genügen.  So  famen  mir  ^3arfifal= 
SBaftfaJjrer  um  bie  greube,  VogF§  aud)  in  be§  SDieifterd 
neueftem  SBerfe  gu  ffören.  ©aff  in  feinen  ^änben  bie 
©itetpartie  ju  bottfommenerer  SBirfung  gelangt  märe, 
atä  e§  burd)  bie  gegenmärtigen  Stepräfentanten  ber= 
fetben  gefdfaf),  erfdieint  atterbingä  jmeifetlofer,  at§  ob 
in  grau  SSogl  bie  redfte  Sunbrt)  erftanben  märe? 
gmar  ftetft  e§  un§  nic£)t  an,  bon  borntferein  ein  Urzeit 
über  eine  nodf  ungeborene  Seiftung  abjugeben.  ©od) 
büntt  un§ , baff  ber  ©ünftterin  SBefen  ba§  bämonifdfe 
(Element  fern  liege,  baff  bie  mitbe  2eibenfd)aft  unb  ber= 
jelfrenbe  (Stut,  ba§  fengenbe  geuer,  bie  au§  Slmatie 
SDtaterna’3  unb  Marianne  Vranbt’§  ®unbrt)  empor* 
toberten,  i|r  nidft  gegeben  feien,  unb  menn  fd)on  bie 
SSiener  Sängerin  tfinter  bem  Siebliitg  ber  berliner 
an  bramatifdfer  2tu§brud§gematt  prüdbtieb,  fo  tjätte 
fid)  X^erefe  SSogl  mof)I  biel  melfr  nocf)  al§  jene  einer  if)r 
frembartigen  Aufgabe  gegenüber  gefunben.  @ntfprid)t 
bod)  aud)  bie  (Slfa  beffer  at§  bie  Drtrub,  bie  Siglinbe 
beffer  at§  bie  Vrünntfitb  .itjrein  eigenften  ttiaturett,  ja 
giebt  fie  bod)  in  beiben  melfr  tprifdfen  Partien  Un= 
übertroffene§,  mälfrenb  grau  ttfiaterna  gerabe  at§  bie 
bämonifcffe  (Sefätfrtin  ©etramunb’3,  at§  bie  fjerotfcpe 
Softer  SCdoater»  itjr  unbeftritten  SöefteS  teiftet.  Sind) 
grau  Vogt  ift  eine  auäertefene,  berühmte  S3rünnf)ilb, 
unb  mir  miffen  ttttandien , ber  ilfr  at§  foldfer  bor  ber 
Vapreutfier  unb  jeber  anbern  ©arftetterin  bie  $atme 
reicht,  mie  itfr  bemt  an  Sd)önf)eit  ber  (Srfdfeinung,  an 
tttobteffe  unb  ißoefie  feine  unter  ifjnen  ben  Stang  ftrei* 
tig  mac£)t.  Sie  fiat  itfre  befonbereit  Vorzüge,  unb 
menn  beifpiefömeife  Sfmafie  ÜDtaterna’§  Stimme  an 
(Stans  unb  tfetter  grifcfje  gegenmärtig  etma»  oor  if)r 


376 


üoraus  ßat,  fo  ift  grau  Sogt  bafür  bie  größere,  bie  fßfte» 
matifcß  gebitbetere  Sängerin.  Slteiftertid)  beßanbett  fie 
ißren  äußerft  fßmpatßifcßen,  jugteicß  meicßen  unb  mäcß» 
tigen  Sopran , ber , jegtidjen  Slugbrudeg  fäßig , ben 
§örer  mit  eigener  (Sematt  berührt.  Stur  motte  fie  mit 
ißrem  Steicßtßum  nicßt  attju  tierfcßmenberifcß  umgeßen 
unb  ißr  foftbareg  Snftrument  meßr  benn  bigßer  oor 
Überanftrengmtg  unb  (Srmiibung  maßten , bamit  ber 
fcßon  ju  fcßminben  broßenbe  Stütenfcßmetj  ißm  nicßt 
üor  ber  geit  abgeftreift  merbe. 

Snt  §erbft  1878,  baut  ißren  Serbienften  um  bie 
SJtüncßener  Stibetungen»2luffüßrungen,  jur  tönigticß 
baßrifcßen  ®ammerfängerin  ernannt,  meßrte  Sßerefe 
Sogt  bei  ben  immer  mieberfeßrenben  ÜDtufterüorftet» 
tungen  Sßagner’fcßer  Dperit , mie  at§  Strmiba  unb 
SStebea , atg  gibetio,  SImnerig , ®enot>eba  (in  Scßotä’ 
,,($oto")  je.  in  ber  Stöße  unb  $erne  ißren  Stußm.  3n 
Seidig  unb  Sertiit  (1880  unb  81)  atg  „ibeatfte  Stfa", 
atg  Sigtinbe  unb  Srünnßitbe  ßocßgefeiert,  faß  fie  ficß 
aucß  bei  Steumann’g  Stuffüßrungen  ber  Xetratogie  in 
Sonbou  (im  SDtai  1882)  in  ®emeinfcßaft  mit  ißrern 
®emaßt  ben  erften  ißreig  unter  ben  Sängern  juer» 
fannt.  Sßrten  Seiben,  fo  befannte  man,  gebüßte  ber 
Sömenantßeit  am  gtängenben  (Gelingen  be§  füßnen 
Unterneßmeng.  Stimmt  eg  und  SBunber,  baß  ber  eße» 
matige  Seidiger  Dpernbirector , ber  nun  mit  feinem 
Sticßarb  2Bagner=Sßeater  bie  SSett  burcßjießt,  bie 
SSerfe  beg  Saßreutßer  SJteifterg  nacß  atten  fMmmetg» 
gegenben  üerbreitenb,  ficß,  inbem  er  meßrere  ber  gtän» 
jenbften  Stamen  ber  beutfdßen  Dper  feinen  Rieten  ge» 
fettte , ber  SScitmirfung  Sogt’g  in  erfter  Sinie  ju  üer» 
ficßern  tracßtete?  @g  gelang  ißm,  ba  ®önig  Submig’g 
tpulb  ben  erforberticßen  Urlaub  gemäßrte , fie  für  bie 
Sauer  feineg  Sßanberjugg  an  ficß  ju  feffetn  unb  fornit 


feinem  Unternehmen  ben  Schmucf  eine§  Sünftler» 
f>aare§  ju  gewinnen,  mie  wir  ein  jweiteä  auf  gleichem 
©ebiete  nergeblich  fuchen. 

Sind)  ba§  fßritiatleben  SBeiber  bietet  ein  harmoni- 
fdjeS  S3ilb.  §anb  in  §anb  mit  ihrer  Siebe  jur  äunft 
geht  bie  Siebe  jur  Statur,  junt  Sanbleben.  Sie  grei= 
heit,  bie  ihr  93eruf  ihnen  gönnt,  genießen  fie  im  §rie= 
ben  be§  frönen  SanbbefiijeS , ben  fie  fidE)  in  ber  9täf)c 
oon  Sufjing,  unfern  Slferefe  83ogl’§  Heimat,  am  berg- 
umranbeten  See  erwarben.  Sa  galtet  fie,  inbeff  itjr 
©atte  tanbwirtt)fct)afttichen  Sorgen  unb  ritterlichen 
fünften  na<hgef)t , ftiU  al§  gefc^äftige  £>au§frau , ober 
tummelt  ihr  Stoff  als  bie  furcfjtlofe  St  eiterin,  als  welche 
Wir  fie  öon  ihrem  fühlten  füammenritt  mit  ©rane  her 
im  Sheater  fennen.  Überall,  wo  fie  waltet,  im  tpaufe 
unb  auf  ber  33üf)ne,  ficf)  geliebt  unb  bewunbert  ju  fehen, 
ba§  ift  Sherefe  $Bogl’§  gliicflicbe§  So§. 


#'  ' ^ 


ben  rrmfifatifctiert  geiertagen  non  23at>» 
||2|ig||  reutf) , ba  man,  unter  2tntt)eitnaf)me  ber 
jjjfll  gtänjenbften  geftberfammtung,  SBagner’g 
ISallilll  „Siibetungenring"  au§  ber  Xaufe  fjob,  war 
e§,  at§  idf  2tmatie  Sftaterna  jum  erften  SJRat  björte 
unb  bitrd)  fte  einen  ber  tiefgef»enbften  Sinbrüde  ent» 
pfing,  bie  idf  bem  gelungenen  ®rama  überhaupt  ban!e. 

Sb  re  Sfteufctjöpfung  ber  95rünnt)itb  war  eine  £t)at  fo 
genialer  2trt,  baff  fie  bie  SBiener  Sünftterin  mit  einem 
©cfjfag  in  bie  9?cif)e  ber  erften  bramatiftfien  Sänge» 
rinnen  ftettte  unb  ilfr  einen  feften  s$Iai3  in  ben  SBüdfern 
ber  ®unftgefct)icf)te  lieferte.  SJtit  bem  tarnen  be§ 
©icbtercomponiften  unb  feine§  größten  2Berfe§  ift  nun 
ber  if)re  für  alte  Sutunft  tierfnüpft,  unb  ber  Nimbus, 
ben  fie  fief)  in  23at)reutt)  gewonnen , bleibt  if>r  unoer» 
äuffertiif)  ju  eigen,  fetbft  wenn  fie  ju  fingen  längft  auf» 
gehört  paben  Wirb. 

2tn  ifirer  SBiege  würbe  Slmalie  SJiaterna  ni(f»t§ 
gefungen  bon  einftiger  (Sröffe  in  ber  SBelt  be§  fdfönen 
©d]eitt§  — befdfeibene  23ert)ättniffe  waren  e§,  bie  it)re 
Sinb^eit  umgaben.  Sw  fcE)Iict|ten  ©diutbaufe  be§ 
fteirifdjen  $orfe§  ©t.  Georgen  an  ber  ©tiefing,  wo» 
fetbft  fie  am  10.  Suli  1847  itjre  ülugen  bem  Sebett 
öffnete,  wuct)§  fie  auf;  tjier  erftangen  itjre  erften  Sie» 
ber.  ®enn  baff  ba§  ®ittb  tOiufif  in  ber  ®ef)te  unb  in 

V», 

■■  — -^K 


ber  ©eete  trug , äußerte  ftcf>  batb.  Sie  fdjtoierigften 
Dpernarteu  unb  ©oti  aud  §at)bn’d  unb  SCRogarfS 
tDieffen  fang  bie  Steine  fo  correct  unb  fidfer,  atd  rnüffe 
ed  fo  fein : fotdf’  gute  grüdjte  trug  ber  mufifalifdje 
Unterricht  bed  SSaterd  fdfon  in  alter  grülfe.  2Bad 
SBunber,  baff  mau  auf  ben  (Sebanfeit  fant,  ber  tatent* 
tiotten  SJtati  eine  orbenttidfe  mufifaltfdfe  ©rjietjung  ju 
geben?  $u  biefem  gtoede  trat  fie,  jtoötf  gat)re  alt,  in 
ben  SJtufiftierein  ju  @raj , eine  SDtufiffdfute  ein , auf 
welcher  auch  ©caria,  ihr  nachmaliger  SBiener  Gottege, 
foeben  feine  ©tubien  beenbet  tfatte.  daneben  feilte  fie 
itfre  @efattgübungen  unter  Seitung  bed  Gapettmeifter 
9te|er  fort,  ftubirte  fleißig  mit  ber  an  ber  (Srajer 
töütjne  fetjr  beliebten  Sängerin  Seopotbine  tpofmann, 
bie  (Sr§^ergog  fbeiitricf)  oon  Dfterreirf)  fpäter  ju  feiner 
@entat)tin  machte,  unb  mirtte  b)äufig  in  Goncerten  mit. 
töei  einer  Stufführung  bed  erften  Stcted  aud  „Sofien* 
grin",  bei  ber  bie  ißrimabonna  bed  (Srajer  Xheater§, 
öartmann  (fe|t  atd  grau  gottmaper  in  Raffet  ttjätig) 
bie  fßartie  ber  Gtfa  tiertrat,  fang  bie  breigefjnjä^rige 
Stmatie  bie  Drtrub  unb  ergriff  bamit  juerft  Sefitc  üon 
einem  (Gebiet,  für  bad  fie,  tuie  für  fein  anbered,  be* 
ftimmt  erfcheint.  Sa  ftarb  ptöijtid)  — ed  tuar  im 
gafjre  1863  — ber  SSater,  unb  bie  SJtittet  jur  gort* 
fepung  ihrer  fünftterifctfen  Studbitbung  oerfiegten  b)ier= 
mit.  Stmatie  muffte  @raj  unb  bie  tOtufiffdiute  tier* 
taffen.  Ser  Serfuch  ifjred  ätteften  33ruberd , fie  in 
einer  ber  SBiener  Dpernfcfjuten  unter  nur  einiger* 
rnaffen  möglichen  SSebingungeit  unterjubringen , fc|ei* 
terte  — ein  für  attemat  tierfdjtoffen  fd)ien  itfr  ber  er* 
fetjnte  SSeg  jur  fünftterifchen  Saufbahn.  3 um  @tüd 
bot  fidf  it)r  im  .fpaufe  eined  ihrer  törüber  ju  @t.  ißeter 
bei  Seoben  wenigftend  tiorübergelfenb  eine  3uftucf)td* 
ftätte  bar.  $sn  tt)irtf)fc^aftlicd)en  Gingen  tt?ob)Ierfab(ren,  ja 


w 


fie , wie  fie  fetbft  jagt,  mit  „befonberer  Seibenfdjaft" 
betreibenb,  fiebette  fie  gem.einfchaftütf)  mit  ber  ÜEitutter 
jum  trüber  über,  um  jeinern  £au§wefen  oorjufteljen. 

©rft  at§  jpäter£)in  eine  (Sattin  in’§  §au§  fam , jogen 
Seibe  wieber  oon  bannen , um  itjre  f)aug£»älterifc^en 
Xugenben  einem  aitberen  ber  Srüber  ju  ©ute  fommen 
ju  baffen , ber  injwifchen  in  ber  fteirifcfyen  tpauptftabt 
eine  Slnftettung  gefunben  biatte  unb  ihre  jjütfe  be= 
gehrte. 

Seicht  jwar  machte  man  ber  jungen  Sängerin  in 
St.  ißeter  ba§  jfortge^en  nicht.  Xie  ©emeinbe  wottte 
ihren  Siebbing , bejfen  ©efang  ber  all  jo  nn  täglichen 
Sircbenmujif  ib)te  bejte  SBeitje  gab , burdjauä  nicht 
mijjen.  „Sie  tonnten  nic£)t  mehr  beten  ohne  if»ren  ©e= 
jang,“  jagten  fie  alle.  3a  bie  ^3farr=$5nfaffen  machten 
it)r,  um  fie  an  it)r  befcf)eibene§  ®orf  ju  jeffebn , jogar 
ben  wohlgemeinten  Sorfdjlag,  „ib)r  burdj  ©oltecten 
eine  2lrt  ©efjatt  ju  üerfcfiaffen."  2tt§  e§  aber  bejjen- 
ungeachtet  @rnft  mit  bem  jfortjieljen  tnurbe,  gab  e§ 
einen  rüfjrenben  Sbbfc^ieb,  wobei  Stirnen  über  %t)xä* 
nen  ftojjen. 

Xie  jicfj  in  ©raj  barbietenbe  ©ebegenb»eit  jur  Sßer= 
Werbung  unb  3(u§bitbung  ihrer  Stimme  muffte  ber 
eijrigen  Sunjtjiingerin  fetbftüerftänbtich  bodjmittfom» 
men  jein,  unb  fie  fäumte  nicht,  oon  berfetben  SSortbjeib 
ju  äietjen.  3 nt  Umfeljen  janb  fie  fid)  at§  Sotijtin  für 
bie  93htjifaujjitt)rungen  breier  ®irdjen  engagirt , and) 
für  Soncerte  üietfättig  in  Slnfpruch  genommen ; elfe  fie 
ed  ahnte  aber  oerwanbette  ficfj  ber  Sdjauptah  ihrer 
Xhätigfeit  — au§  ber  Stirdie  hinweg  warb  fie  birect 
auf  bie  Sühne  gerufen.  2tt§  Xirector  Sjernib  im 
3ahre  1864  ©raj  mit  einem  ^Weiten,  bem  Xhatia» 
Xt)eater  befcfjenfte , gewann  er  2lmatie  SDiaterna  jur 
erften  Sängerin.  So  betrat  fie  ate  j)anbwerf§burfch 

& j£ 


3S3 


2tnton  iit  ©itppe’S  „gtotte  93urfc£)e"  pm  erften  SO^al 
bie  Sretter , bie  bie  SSelt  bebeuten.  @ie  jeigten  fitf) 
i£>r  am  erften  2tbenb  mit  93ütmen  überbedt , bie  man 
ber  beliebten  ©oncert»  unb  Sirdjenfängerin  fo  frei* 
gebig  geftreut  hatte,  bafs  itjr  3fufj  über  einen  tebenbigen 
Seppid)  bat)infcf)ritt.  Unb  ofjne  ©dheu,  at§  fei  fie 
fdjon  längft  an  bie  eigentümliche  Suft  gemöhnt,  bie 
bor  unb  hinter  ben  ©outiffen  meht,  fanb  fie  fich  in  bie 
neue  9totte;  fo  unbehaglich  eSifjr  and)  in  ben  SRänner* 
fteibern  p HRuthe  mar , ihr  gtüdticher  lynftinft  half 
ihr  barüber  hinmeg.  @o  fdhnett  gemann  fie  fich  bie 
©unft  beS  ißubtifumS,  bah  fdfmn  nach  Verlauf  ber 
erften  hier  SSocfjen  ber  Sirector  au§  freiem  Antriebe 
ihre  monatliche  ©age  bon  45  auf  100  ©utben  erhöhte 
unb  ihr  not  aufjerbem  ein  93enefij  mit  500  ©utben 
pgeftanb,  p bem  man  bie  fünfunbjmanjigfte  23or= 
ftettnng  bon  Dffenbadj’S  „fdjönen  SBeibern  bon  ©eor= 
gien“  beftimmte.  Senn  Operetten  bon  Dffenbadfj, 
©uppe  unb  ma§  an  bergteidjen  leichter  Sßaare  eben 
gang  unb  gäbe  mar,  bitbeten  baprnat  ihr  ^Repertoire. 
„Sie  fchöne  tpetena“  $.  23.  fang  fie  nicht  meniger  at§ 
130  9Rat.  Sie  ©rajer  lonnten  nicht  mübe  merben, 
ihren  Siebting  in  biefer  9totte  p hören.  Sodfj  blieb  er 
ihnen  leiber  nur  lurje  3eit  erhalten.  3m  Safme 
fdjenlte  Stmatie  SRaterna  bem  ©chaufpieter  ©art 
griebrid)  in  ©raj  ihr  §er§  unb  ihre  §anb , unb  batb 
nad)bem  fie  fich  einen  eigenen  häuslichen  §erb  gegrüm 
bet,  that  fich  ihn  auch  eine  neue  §eimat  auf.  SaS 
©arttheater  in  SBien  machte  bem  ©ra^er  Stjatiatheater 
ba§  junge  ©Ijepaar  abfpenftig , unb  in  „Ser  £>e};e  bon 
S3oiffh“  erfang  fidh  Seait  9lmatie  ihren  erften  ©rfotg 
auf  SBiener  23oben.  Sie  burfte  mit  bemfeiben  pfrie» 
ben  fein.  ©dfon  in  ber  ©eneratprobe  erregte  fie  9tnf= 
fehen ; ja  man  ertjibte  fich  bermafjen  für  fie,  baff  man 


3S4 


w 


ftcf»  in  Sßetten  entlief? , ber  ©uccefj  ber  neuen  @önge= 
rin  inerbe  ein  aufjerorbentlidjer  fein , bocp  weit  inet)r 
atd  jur  Operette  Werbe  fie  fiep  jur  Oper  quatificircn. 

■JticptisbeftoWeniger  Warf  fie  bei  ber  Stuffüpruitg 
ein  fleined  9tecitatiö  — ba§  (Sittjige,  wad  fie  int  erfteu 
Stete  ju  fingen  tjatte  — üor  tanter  Aufregung  total 
um.  2Bar  ed  betn  ®irector  ®reuntantt  ju  oerargett, 
baf?  er  im  gwifcpenact  ganj  auffer  fidj  ju  ipr  fatn  unb 
fie  ftepenttid)  bat,  ftd)  äufammettäunepmen  unb  bie 
Hoffnungen,  bie  man  auf  fie  gefe|t,  itictit  ju  ©cpan* 
ben  Werben  ju  taffen?  Unb  fie  nafjm  fiep  jufantmett. 
©iport  bie  erfte  Slrie  im  jWeiten  Stet  rief  entpufiafti* 
fcpett  33eifatt  perbor.  (Sin  ®acapo  nutzte  bem  anbertt 
folgen , immer  unb  immer  wieber  nutzte  fiep  bie  ®e= 
bütantin  seigen , bid  enbticp  ber  ®irector  fie  mit  ö)e= 
Watt  non  ber  SBütjne  pinwegjog,  um  ben  gorberungett 
bed  ißublifumd  ein  @nbe  ju  machen.  9ttd  aber  aut 
©cptuf?  bed  ©tüded  in  ®reumann’d  Partie  bie  SBorte 
oorfamen:  „©efegnet  fei  ber  ®ag,  ba  btt  in  unfer 
§aud  famft!"  ba  begrüßte  man  baritt  eine  wiltfom» 
mene  Slnfpietung  auf  bie  (Gefeierte,  unb  ein  allgemein 
ner  $ubet  bracp  and. 

®ad  war  Stmatie  SDiaterna’d  (Sntree  in  SBiett.  Uttb 
ben  toerpeiffungdreicpen  Stnfang  ftrafte  ber  Fortgang 
iticpt  Sügen.  ®aum  war  ipr  bie  tion  üerfcpiebeiteit 
®unftfreunben  audgefprocpene  SJteinung  befannt  ge= 
worben,  baf?  fie  ju  pöperen  bramatifcpen  2lufgabett 
atd  ju  ber  bisher  audfiptiefflicp  gepflegten  friootett 
Operette  berufen  fei,  atd  fie  bad  ©tubiutn  oon  Opern* 
Partien  unter  StnWeifung  ißrocp’d  begann.  ®aitit  eitte 
fie , bad  Urtpeit  einer  Stutorität  einjupoten,  uttb  bc* 
fragte  Hofcapettmeifter  CSffer  unt  feine  Stnfidft.  Saut 
berfetben  untertag  ipre  ^Begabung  für  bie  Dper  feinem 
^Weifet.  93eftimmte  @ffer  ipr  botp  fcpott  batttafe,  atd 


M 


Sa  9Jtara,  «StubienfÖpfe.  V.  385 


25 


er  fie  jurn  erften  SDtate  tjörte , im  (Stillen  eine  9totte 
(bie  gurie  be§  §affe§  in  Gtud’§  „Ütrmiba"),  für  bie 
fie  ilfnt  au§erlefeit  fctjien  unb  in  ber  fie  in  ber  SOfat 
fpäter,  at§  nad)  iffrem  ©intritt  in  ba§  §ofoperntf)eater 
bie  Oper  in  ba§  fftepertoire  aufgenommen  marb,  2tu§= 
gezeichnetes  leiftete. 

©inftmeiten  bereitete  fie  fiel),  baneben  ben  Sßflidjten 
ihres  ©ngagementd  obtiegenb,  auf  einen  fpäterett 
höheren  3ßirfung§frei§  bor.  ©in  Gaftfpiet  „mit  unter* 
tegtem  SSertrag"  aber  marb,  mätjrenb  fie  itoc£)  ein  Satyr 
an  ba§  ©artttyeater  gebunbeit  mar,  mit  ber  unter 
2)ingetftebt’§  Sirection  ftetyettben  taiferlidjen  Dp  er  be* 
reitS  abgefetytoffen.  ©§  umfafste  brei  Sorftettungen 
berfctyiebenartigften  Genre§ : „S>ie2lfrifanerin",  SSerbi’S 
„SEJJaStenbaU”  unb  „gibetio.“ 

SOlit  nicht  geringer  Spannung  fatyen  bie  SBiener 
Xtyeaterfreunbe  bem  erften  ©rfdjeinen  ber  Operetten* 
fängerin  im  anfprudjSbotten  SKatymen  be§  Opern* 
haufeS  entgegen.  Ser  Sprung  bon  ber  SSorftabt**  auf 
bie  §ofbütyne  mar  ju  jäh  unb  gemagt,  at§  bafs  nictyt 
9^eib  unb  3meifet  ihn  mit  fetyeten  Stielen  begleiteten. 
SSie  brei  Satire  früher,  bei  ber  Generalprobe  bor  ityrem 
erften  Auftreten  im  ©artttyeater , fo  bitbeten  fict)  and; 
jetd  mieberum  förmtictye  Parteien  für  unb  miber  fie, 
um  il)r  einen  glänjenben  ©rfotg  ober  ein  ectatante§ 
gia§co  ju  meiffagen.  3U  teuerem  fam  e§  inbeffett 
gtüdlictyertoeife  nicht.  Sie  Setica,  afe  metdje  grau 
iäJiaterna  * griebricty  am  2.  Stprit  1869  jum  erften 
SOiate  ein  ityr  neue§  Serrain  betrat,  gemanit  ityr  „ftür* 
ntifctyen  2Ipptau§."  „S'arn  aucty,‘‘  — fagt  Dr.  §etm  im 
„iötufif  atifetyen  Sßoctyenbtatt'1  *)  — „ntand)e§  in  Gefang§* 
tectynif  unb  Spanier  nod)  etma§  naturatiftifch , fetbft 


1880.  $Rr.  33. 


386 


probinäiett  fterauä,  fo(  jerftreute  boct)  ber  ©tanjeffect 
ber  pradjtbott  üppigen,  bad  grofte  £au§  fouberän  be* 
Ijerrfdfenben  Stimme,  fowie  ba§  eminente,  bon  einer 
impofanten  gigur  nnb  auPbrudabotten  SJJimif  geför= 
bcrte  Tarftetlungdtatent  alte  Siebenten ; bor  altem  aber 
warb  e§  fofort  ftar,  baft  man  e§  mit  einem  feftr  ftarfen 
Temperamente  ju  ttjun  tjabe , Wetdjed  für  bie  Siütjne 
Wie  gefcftaffen  fei  unb  Wetd)e§.  inbem  e§  fid)  bon  feiner 
Stotte  ju  bem  Ütudbrud  ftiirmifdjer  ßeibenfdjaft  fort* 
reiften  taffe,  felbft  ba§  tßnbtifum  mit  fief)  fortreifte." 

iftadfbem  fie  am  britten  2tbenb  itnb  jwar  oftne 
borftergeftenbe  Drcftefterprobe  ben  gibetio  gefangen, 
naftm  Tingetftebt  fie  unberjügtid)  in  ben  SSerbanb  ber 
faifertieften  Dp  er  auf.  Ten  bie  tefttere  jierenben 
fertigen  ©röften  tOtarie  SBitt,  Suife  Tuftmann,  SSertfta 
©fjnn  gefeilte  fief»  nun  bie  Werbenbe,  um  iftre  Um» 
wanbtung  bon  ber  ßoeatfängerin  jur  fßrimabonna  an 
iftrer  Seite  ju  oottenben.  $on  iftnen  ternenb,  boc^ 
babei  iftre  botte  (Sigeutftümticftfeit  bewaftrenb,  Wuftte 
fie  „bitrcft  iftr  gtüt)enbe§  Temperament , iftre  bon  bem 
2prifd)=Sentimentaten  abgefeftrte  ftot§=^eroif(f»e  Gat- 
tung unb  bie  iftr  ju  ©ebote  ftetfenben  cinbringticften 
bramatifdfen  Stccente"  batb  eine  ganj  aparte  Stettung 
an  ber  SBiencr  §ofoper  einjuneftmen. 

Sftre  Antritts  rotte  at§  SDtitgtieb  ber  letzteren,  ben 
gibetio,  fang  fie  am  7.  9J?ai  nod)  im  alten  tpaud  am 
©ärntftnerttjore.  2tfe  bann  gegen  ©nbe  be§fetbcn 
SJconata  ber  neue  fterrtidje  Sunfttempet , ben  man  ber 
bramatifeften  ÜDtufif  am  SRing  errietet  ftatte,  mit  jwei 
„Ton  guan"  = 2lbenben  eröffnet  Warb,  fang  fie  bei  ber 
^weiten  SSorftettung  (am  25.  ÜDtai)  bie  ©tbira,  unb 
^War  nad)  unmittelbarem  SBorauggang  bon  töiarie 
Sßitt,  Wetcfte  biefetbe  Partie  am  borftergeftenben  Stbcnb 


387 


25* 


388 


*ör " ! — 1 

gbeate  getreu  in’§  Seben  ju  rufen  tiermöge.  3um 
erften  SJtate  feörte  er  mofet  bamalö  ben  Stauten  Slmatie 
SJtaterna , ber  gtuei  gafere  f pater  ber  marmornen  ®e= 
benftafet  am  Safereutfeer  geftfpietfeauö  mit  gotbenen 
Settern  eingegraben  marb.  Salb  barauf  mürbe  er  ifent 
rnieber  bitrcf)  ben  Saffiften  ©caria  in’§  ©ebädfenif; 
prüdgerufen , at§  biefer  ifem  feine  Sanbömännin  für 
bie  nocfe  immer  tiergebticfe  gefugte  Srünnfeitb  in  Sor» 
fcEjIag  bracfete.  SBagner  tierlangte  fie  ju  fetjen , 51t 
feören,  unb  birect  tion  Sonbott  fomtnenb , mo  fie , um 
feinem  Sßttnfcfee  ju  genügen , ein  ficfe  ifer  eben  bar» 
bietenbeö  Engagement  an  Her  Majesty’s  Theatre  un» 
bebentticfe  fahren  tiefe,  traf  fie  im  grüfejafer  1874  in 
Safereutfe  ein.  Er  featte  feine  feette  greube,  at§  er  fie 
erbtidte.  „Stein,  fie  ift’S  nic£)t , fie  ift’S  nicfet!"  rief  er 
mit  fröfetidfer  Stimme  feiner  ©attin  ju.  Serftaub  fie 
aucfe  nicfet  fogteicfe  ben  ©inn  feiner  SBorte,  fcfenett  Härte 
ficfe’3  auf,  bafe  ficfe  feine  ©enugtfeuung,  fie  einer  ißfeoto» 
grapfeie,  bie  er  tion  ifer  gefefeen  unb  bie  fein  SDtifefatten 
erregt  featte,  fo  unäfenticfe  ju  finben,  in  biefem  5Iu§» 
ruf  Suft  gemacfet  featte.  3U  guter  ©tunbe  !am  fie 
iiberbem.  ®ie  Eintoeifeung  be§  „SBafenfrieb",  SBag» 
ner’§  neugebauter  fcfeöner  SSitla,  fottte  am  Stbenb  feft» 
lidfe  gefeiert  merben.  Unb  grau  SDtaterna  meifete  ben 
Säufting  mit  bem  ©ang  ber  Elifabetfe.  „®icfe,  tfeeure 
Irntte,  grüfe’  icfe  mieber!"  Hang  e§  mit  fitbertöniger 
Stimme  burdfe  bie  meiten  funftgefcfemüdten  Staunte. 
Stun  mnfete  SSagner,  bafe  er  feine  Srünnfeitb,  bie  taug» 
gefucfete,  enbtidfe  gefunben. 

©etroft  tegte  er  benn  bie  fcfemierigfte  aller  bisfeer  egi» 
ftirenben  Dpernpartien  in  ifere  £>anb . Uttb  mit  Seib  unb 
©eete  fang  fie  ficfe  feittein  in  biefetbe,  bie  31t  ocrf  örpern  unb 
tebenbig  ju  befceten  bie  SJtiffion  iferc§  Scbcttö  merben 
fottte.  Sie  fcfetummernbe  Srünnfeitb  juerft  crmedt,  ifer 


389 


3F  * 

Steifdj  unb  S3Iut , (Seift  unb  flammenbeg  Seien  oer» 
liefen  ju  fjaben,  bleibt  f$rau  $Dtaterna’§  unfterbtid)e§ 
SSerbienft.  S33ie  fie  felber  mit  iljrer  Aufgabe  mud)3  unb 
mit  tftiefenfctjritten  oorioärt§  fdjritt,  ba§  offenbarte  fid) 
fdfoit,  at§  fie  bei  ben  im  SJtärj  unb  Stprit  be§  barauf» 
fotgenben!3at)re§  ju  Sunften  be§  93apreutf)er  geftfpietä 
oon  SBagner  in  Sßien  unb  Berlin  geleiteten  großen 
„Sötterbämmerung§“  * ©oncerten  ben  SDtonolog  ber 
93riinnf)itb  an  ©iegfrieb’§  SeidEje  fang.  Sa  mo^te  ber 
üöteifter  feine  3Baf)i  tootjt  greifen ; beim  at§  fc^on  beim 
erften  biefer  Soncerte  bie  SBegeifterung  be§  ißublifumS 
ifjn  jmang , feinen  (Sefübjteu  in  bantenben  2B  orten 
5tu3bru<f  ju  geben,  ba  führte  er  bie  Interpretin  feiner 
©riinnbitb  oor  unb  fprad)  e3  au§,  baff  er  ftolj  barauf 
fei,  biefe  Sünftterin  empfangen  ju  tjaben. 

3mmer  enger  fd)ür§te  fid)  feitbem  ba§  93anb,  ba§ 
bie  barfteltenbe  Sängerin  mit  bem  fcfjaffenben  ®iinft» 
ter  üerfnüpfte.  !ym  Sommer  1875  riefen  bie  3eft= 
fpiet»33orproben  fie  für  mehrere  Sßodjen  nad)  23at)» 
reutt).  Sann  folgten  im  9loüember  1875  unb  ÜDiärj 
1876  bie  Sßiener  Stuffütjrungen  oon  „Sanntjäufer" 
unb  „Solfengrin"  unter  Sßagner’3  Seitung  — ein  Sauf 
be§  Sidjtercomponiften  für  ba§  Dperninftitnt , ba§ 
il)tn  bereitwillig  feine  93rünnf)itbe  lief).  Unb  nun  im 
Utuguft  1876  bie  Seftjeit  felber  in  bem  Meinen  $Bat)= 
reutt),  ba§  S'aifer,  Könige  unb  dürften,  bie  potitifd)eu 
unb  tünftterifd)en  SKadjtljaber  Suropaä  bei  fid)  ju 
Safte  fal) ! 2Bie  fjaben  fie  atte  fie  einmütt»ig  bemun» 
bert ! SSSie  oereinigten  fief)  alle  bie  oerfdfiebenen  9tid)» 
tungen  unb  Meinungen  ber  taufenbtöpfigen  2Ser= 
famntlung  im  greife  ber  Sängerin,  welche  bie  riefen» 
grofse  Aufgabe  mit  fooict  Eingebung  unb  Scnic  töftc ! 
Sctbft  bie,  roctdfe  bem  Slünftwerf  ber  .Qufunft  gegen» 
über  eine  oppofitionetle  Stellung  cinnaljmcu , faitbcn 


390 


nur  Sßorte  be§  Sobe^  für  fie,  bie  bie  fjerrlidjfte  ®e* 
ftaft  bcr  Sßagtter’fdjen  SOiufe  oor  unfern  ® liefen  in's 
Tafeiit  rief,  fie  frei  unb  ofjne  anbere§  SSorbifb  af§ 
ba§jenige  nerförperte,  ba§  in  ber  Seele  if)re§  Sdjöpfcr§ 
lebte.  ©rfdjeint  ber  „Ning  be§  Nibelungen",  Wie  jebeg 
edjte  S'unfttoerf  at§  ein  @an^e§,  beffen  einzelne  @lie= 
ber  fic^  mit  gebieterifdjer  Sogif  unb  ©onfequenj  in 
einanber  fügen,  fo  bafj  ifjrer  feines  unwefentfidj  ober 
entbefjrfidj  wäre;  fjinterfiefj  ba§  gefammte  Seftfpief 
auef)  bemgemäjj  beit  erfjebenbett  ©inbruef  einer  fünft* 
ferifdjen  'Xfjat,  bei  ber  jeber  ©injefite  ber  Ntitbetfjei* 
figten  nadj  Ntafjgabe  feiner  Kräfte  unb  feiner  Aufgabe 
mitwirfte  am  ©dingen  be§  ©anjen,  fo  bafj  ber  9JJei= 
fter  bie  Eingabe  2111er  auSnafjmfoS  rüfjmenb  unb  ban* 
fenb  anerfennen  burfte : auf  bie  Tarfteffung  ber  tpef* 
bin  fällt  bod)  ba§  Sdjwergewidjt ; mit  ifjr  ftetjt  unb 
fällt  bie  SSirfung  beS  gewaltigen  TrarnaS. 

Trum  wofjf  bem  SNeifter , baff  er  fotc£»e  Nteifter* 
fängerin  fattb  ! ©§  fjat  ofjne  .Qweifef  größere  ©efangS* 
füitftferinnen  gegeben  af§  2lntalie  ÜNaterna  unb  giebt 
beren  auefj  fjeute  nodj.  Nicfjt  bie  ®unft  unb  Scfjufe 
ifjrer  Stimme  madjt  iljre  ©röfje  au§.  Naturafiftin, 
wie  fie  oon  §au§  au§  war , ofjne  fonberfidje  Neigung 
für  beit  eigentfidj  birtuofen  ©efang,  gab  fie  ifjre  mefjr 
metatfifefj  fjefftönenbe  af§  wei^e,  mefjr  beftimmte  unb 
fdjneibige  af§  ftjmpatfjifdje  Stimme  — Sopran  unb 
Nfejjofopran  jugfeidj  — ganj  in  ben  Tienft  ber 
bramatifdjen  ®unft.  |>ier  fjat  fie  mit  ifjrer  ftro^en  * 
ben  ®raft , itjrent  fübficfj  fjeifjbfütigen  Temperament 
ifjr  eigentliches,  ifjr  auSfdjfiefjfidjeS  (Sebiet.  2lnt  gröfj* 
ten  ift  fie,  Wo  nidjt  ber  abfofut  mefobifdje,  fonbent  ber 
Spredjgcfang  fjerrfcfjt,  wo  fie  ifjre  wunberbare,  ber 
ntannigfaftigften  Nfobufation , be§  wedjfefbottften 
©mpfiitbungSauSbrudeS  fäfjige  Tecfamation  entfalten 

k M 


391 


fann.  Xa§  eben  macpt  fte  in  SSerbinbitng  mit  iprem 
meifterftdieit  Spiel  jur  2Bagiter=Sängerin  par  excel- 
lence.  Am  beften  freilitf»  ftepen  i£jr  and)  unter  ben 
SSagner’fcpen  Kparafteren  bie  peroifcpen,  tragifcpen, 
grof  ftitifirten  311  Q5efic£)t.  gür  bie  mepr  fprifcpen 
Partien  — mie  ©fifabetp  — festen  ipr  bie  meidperen 
Xöne,  tnie  ipr  beim  and)  af§  Sieberfängerin  feine  Sor= 
beeren  macpfen.  $on  übermäftigenbem  SluSbrud  aber 
ift  ipr  (Sefang  in  beit  pödpften  bramatifcpen  Accenten ; 
mir  fitsten  uit§  ba  midenloS  fortgeriffeit  bon  feiner 
(bemalt.  @0  ift  fie  afs  SSenuS  gaitj  Seibenfcpaft,  afs 
Drtrub  ganj  Xärnon,  af§  23rüitnpilb  ganj  baS  Götter» 
finb  mit  bem  marmfüpfeitben  Accnfcpenperjett , baS 
SBeib  mit  ber  |>efbenfeefe,  ba§  bie  Sitnben  feinet  ®e= 
fcpfedjts  in  reiner  Suffe  fiipnt. 

Xabei  päft  fiel)  Sfmafie  ÜÖiaterna  bon  (Sinfeitigfeit 
fern.  9Iudp  als  treffücEje  (Sgfantine  (in  „föurpantpe") , 
Sfrmiba,  ©fectra  (in  „Sbomeneo") , 2fiba,  Königin  bon 
Saba,  ÜDiebea  pat  fie  — mit  fiier  nur  einige  perbor* 
ftedfenbe  neben  ipren  früper  ermähnten  fRotfen  anjufit^ 
ren  — in  Sßien  uitb  anbernortS,  mo  fie  gaftirte , mit 
9ted)t  bon  fid)  reben  gemaept.  Xurcp  Reifen  förberte  fie 
bieffaep  bie  Ausbreitung  i£)re§  iRupmS;  i£jre  größten 
©rfofge  aber  gemann  ftefief»  mit  ober  bitrd)  ben  Scpöpfer 
ber  „Aibefungen".  Unb  mie  ipr  ipre  groffe  Sapreutper 
Xpat  51t  aff  bem  begeifterten  Xanf  ber  auSerfefetteit 
geftberfammfung  and)  mandperfei  ©unftbejeignngen 
fiirftficper  Häupter  eintrug  — ber  ®önig  bon  kapern 
berfiep  ipr  bie  gofbene  SubmigSmebailfe,  ber  §erjog  bon 
Meiningen  baS  gofbene  Serbienftfreuj  mit  ber  ®rone, 
ber  ®aifer  bon  Öfterreicp  ben  Xitel  feiner  Kammer* 
fängerin  — fo  mar  ipr  affertbärtS  baS  (Sfiid  borjugS» 
meife  günftig,  mo  immer  fie  baS  Samter  beS  Sapreu= 
tper  SfteifterS  entfaltete.  2ln  ben  Xriumppen , bie  er 


392 


* . ^ 

im  ÜDtai  1877  beim  2Bagner=f5eftiüat  in  Bonbon  feierte, 
nafjm  fie  at§  ©tifabetf),  Drtrub,  Sfolbe’  Siglinbe 
unb  93riinnb)ilb  and)  im  ©oncertfaat  Tljeit.  Tannbradj* 
ten  if)r  bie  ©efammtauffüljrungen  ber  Tetralogie  in 
2Bien,  Seipjig  unb  Berlin  (1879,  1880  unb  81),  toie 
nacf)  Sdjtufj  ber  (enteren  bie  SSorfteUung  be§  „Sotjen* 
grin"  an  ber  berliner  |>ofoper  neue  ©tjren.  $ont 
Stpril  bi§  jum  Suni  1882  (fielt  fie  in  Slmerifa,  ba§ 
fie,  anstelle  ber  ben  efirentiotlen  Slntrag  abtetfnenben 
StKarie  SBitt,  für  bie  großen  SJiufiffefte  ju  9iem-'?)ort, 
©fjicago  unb  ©incinnati  engagirte,  eine  golbene  ©rnte. 

2lt§  Söagner  aber  im  lyuti  unb  Stuguft  feine  ©etreuen 
mieberum  um  ficfi  oerfammelte  unb  ba§  93üf)uenweit)feft= 
fpiet  „ißarfifat"  jurn  erften  9JM  lebenbig  marb,  creirte 
bie  £>eimgefet)rte,  mie  einft  bie  93rünnf)itb,  fo  nun  im 
Sßettftreit  mit  Marianne  SSranbt  aucf)  bie  Sunbri) . 

Sind)  bie  feltfame  33otin  be»  ©rat§  füllte  — fo  wollte 
e§  ber  SQleifter  — burd)  fie  jvterft  Sieben  unb  ©eftatt 
empfangen , unb  wenn  ibr  aud)  itjre  Snbioibuatität 
nid^t  geftattete,  bie  it)r  frentbartige  wiberfprud)§üotte 
Stufgabe  mit  ber  gleichen  SSottfommenfjeit  ju  töfen, 
mit  ber  fie  einft  bie  §etbin  be§  „5JiibeIungenring§"  iit’3 
Tafein  rief,  oon  neuem  bocE)  Ijat  fie  fid)  in  (öapreutf) 
at§  eine  jener  2lu3erwät)tten  bezeugt,  benen  ber  bra* 
ntatifrfje  ©eniu§  bie  Stirn  gefügt. 


üfr,  M 

2)rucf  uon  35reitfopf  unb  Partei  in  Sctyjtg.