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MYTHOLOGISCHE
BRIEFE
VON
yoHANN Heinrich Foss
u
ERSTER BAND.
Afx^ liiyxfLUi agtrac» my»99* AAxBetsep
PlNDAH. ap. St^k
* *. ••
KÖNIGSBERG,
BEI FRIEDERICH NICOLOV1U8.
M D C C X C I V.
As 14-
.h .
Wie feiten urtheilt ein Beurtheilcr fremder Werke
nach der ftcen^n Frage : *« Welche Fehler h^ mein Mit-
•«bürger begangen f nnd was ift, die Urfache davon f
**Hat diefer, redlich betrachtet, feine Sache v^eiter gebracht f
*< wodurch ifts ihm gelungen \ und was lieht andern Mit*
«* bürgern itoch zurück?,. Und doch ift diefe Frage die
einzige billige, näzliche und gerechte; fonft urtheilen nur
X>espoteu und Sklaven.
Herders l^Yufe %ur Beforderuft^ der Hunta-
.7
VORREDE.
JL-iS war feit lange mein Wunfch, der
Ueberfezung Homers, woran ich fieb»
zehiiL Jahre gearbeitet, wo nicht einen
durchgehenden Kommentar, doch we-»
nigftens einige Unterluchungen ober
Homers Götterlehre, Weltkunde und
Länderkenntnis, über die Sitten der Zeit»
und die vornehmften Einrichtungenf
auch über die Art feiner Darftellung,
anzuhängen.
. Ein eigenes- Schickfal will, daf^
wohin ich aUch deö Schritt wende, mii^
1^"'
yiu VORREDE-
• Sie werden fdion atifftehen, die
flrengen Urtheiler; denen kein Anfehn,
der Perfon gilt, :und das unabwendbare
Endurtheil ausfprechen, wer Wahrheit
fachte, Qiit ?ifer und geradeqi Sinn^
und wer nach teufchender Gleifee
Ichlich.
' Auch niein Nachfolger wird zu be-
richtigen, zu ergänzen , zu widerlegen
^finden. Er behandle mich eben fo ge-
recht ftir Veruntreuung der Wahrheit,
eben fo billig und fanft für Schwächen
bei gutem Willen, als ich meine Vor-
gänger behandelt zu haben mir bewufst
bin.
^^^m
INHALT
fies ertkcn Bandes,
BR. I. Wo die neaere Aafklärong der Slteft^ii Fabeliehre
za finden fei? Vielleicht in dem Handbuche von
Hermann ^ Stelle an« i^eynens Vorrede.
BR. IL Diefe Vermutung betätigt. Abrede gemeinfchaft« ^
lieh zu uotepfuchen , wie es mit der gerübmt^i^ Auf*
2 klärung hefc|i3^en fei r . .
BR. IIL Ueber die' Methode» in der Behandlung der
FfLbtel vom Afltereo Eum Neueren fortzugehen , on^
ihre allegoriiche Deutung. Der rohe Grieche be- i
lebte C^egenftande der Nütur und Sittlichkeit zu
Gottheiten , welchen er zum Theil vergötterte Vor-
fahren nnterfchob , ohne den einzelnen Handlungen
derfelben Deutung zu geben. Diefe Gottheiten au-
mählich veredelt, fchon bei Homer. Spätere Um«
^. deutung von Phllorophen, Prieftcrn, Grammatikern,
nicht in die ältere Vorftellnng einzuuiifchen.
*5
X INHALT.
IR. IV« Des Hermanni^fchen ^än(!fcrächs ?tan and Aus»
fuhrung aus Heyntfchen Vorlefungen« ^ Cew^eis die
aiyftJichen Deutungen von Jupwer, Juno» Apotto,
Oceanus u. a. Beim Oceanus Heyneiis Unkund^
der alten Geegrafiej, die. ik« -^u einem ungegrön«
deten Tadel Virjgils verleitet. Jene Deutungen
find (chon be^ Katalis Kbmes und Benjamin
Hederich«
BR« V. Ueber die Quelle dicfer myftilchen Deutung.
Heynens Aeofserung von den orfifctien Hymnen.
Bemerkungen über OrfeusV dte Orfiker und die.
ihnen beigelegten Schr,iftcn^
BR. VU UhzdlängUchkeft d^r ' Abftufungen i homertfche
Fabeln, lyrifche» tragifche ,"]iach Hermafuss eignem
GeftätidnlfTe. . Selbfi jenemapgelhaft ausgeführt»
iR. vir. Ob' die' Verfchied^nlieit der Drchtarten auf die
Fabel f^Ibft Ernüuß habe^ Heynens Urtheil über
Homer. Ürfachen der allmählichen' Veränderung
der FabeK . '
BR. VIIL Was ik> Behandlung der alten Fahel^hre 2»
thun übjrig fei«. ...
SR. IX. \irunderliche Eintheilüug der Mythen sack dem
Lokal. Des Vorredners Belchönignn^
INHALT. XI
BR. X. Sogar die HennanBifchen Antrüge am Homer
find Co rwtckwidng ah nacUäflig. Preiiuui%ab«
aus der alten Geografie.
SR. XL Der Tadel fiUt aaf dea Vorradaet imd BemtheW
lei xurück«.
^R. Xn. Der Benrtheiler bat dte ^riefime Bach aicbt
gele&n. Auffallende Fehler ia den ^aoptgotthen
f tei> und anf den erfien Seke& ApoUo ah Maat.
Helenes yioadfpn, Heliot mit feiacai Vater H)r*
perioaverwechfelt.. 1xJiat»>9 altpclas^iici^e Fa(ä*
- flugcl dea-Hdones.
fiR. XIII. Viderfegung der voa Heyae aacBgeQ)r«cllenta
'fiehaoptmig Wmkelaiatais » dafi die äicel^ftn Grie-
cheiF'ihre Gottheitea fich geflügelt vergefteüt. Die
• Fabel Y«a der Flocht der 66cter var Ty(bn aad |
Ihrer Versrafndkmg xft «lerft bei Piadar.. Aach Fan»
der hl dicfer Fabel vorkomme i, akhc altpelasgilck»
ibndera ttea»
BR« XIV. Denkmiäer tob geffugehen. Gottheiten bei
Winkelmann auch neuer. Solen der Pallas von
ihm fdHchlich firr Füfsflfigef gehaltem Dlefe Fitf».
flügeJ giebt Heyne , von Virgih Aaslegern verleitet»
Atni homerifchcn Hermes.
XH INHALT.
W« XV. Ob des Perfeps geflügelte Solen in Herakles
Schilde eigemliche gewefen? pb er lie von Hermet
erhatten? Nach der älteften Fabel nicht von ihm»
fondern von den Nymfen. Erläuterung diefer
•r Fabel, «ämTheil aus der' alten VGTeltkunde. An*
merkung über den älteften EridanuSf and deflen
fpätere Geftalt. Veränderung der Fabeln mit Er-
weiterung der ^eltkünde.
BR. XVr. Ueber das Alter des homerifchen Hymnus an
Hermes. Alcäus nicht Vcr&üer» obgleich Pau-
fanias ihm einen ähnlichen : an Hermes beilegt.
Die Fabel vom Rinderraub verfidbieden erzihU.
BR. XVII. Bereife iHr das Jüngere Alter diefes Hymnuf
aas Fabel und Sprache. Geflügelte Mören. Ab-
dämmung der Selene vom Pallas. Verbrennung
der Häopter und F^fse beim Opfern. Zveileibige
Kentauren. . Hermes Fried^näft^ Hoinerifche
* , VC^örter mit veränderten Begciffien. Abfchweifung
über voÄvTffovoQ. Doch zeugt. für das Alterthum
wffoßzrovf Vieh. Homcrifche Begriffe mit anderen
Ausdrücken.
BR. XVIII. Pes Hermes Solen werden in diefem Hymnus
^ 0avix?.» genannt, welches Won zuerft bei den
alten Komikern vorkommt. Nachrichten yon den
INHALT. xm
Sandalen unci Blauten. Der HomerMe Cinäthaf»
Aefchylus Zeitgenoft, ift vahrfcheinlich 4er Ver-
faffer.
SR. XIX. Hermes, altFeldgott« tmg gemeine .Sandalen;
als GötterheroJd bekam er fcbvebende Solen, aber
uiigeflägelte. Der orßCche Hymnus an Hermes ift
neu , an Spraches und Sitten. Ungeflugelt Gnd die
So!en noch bei Aefchylus; gefiägelt vielleicht bei
Euripides, gewifs bei Ariftofanes. .Der Nike nnd
des Eros Btflügelnng neu« und von Mahlem«
Neuer Beweb fiir die Aechcheit des homcrifcbeii.
llymnns an ApoUon»
BR. XX Homers Götter tragen Solen» zur iiberaatnr*
liehen Fortfchwingang oder zur Pracht. So «nch
die Menfchen des älteften Zeitalters nn^ befchabt
zum Schmuck oder eines Bedürfiiifles vegen, fooft
barfufs;
BR. XXI. Barfüfsigkeit geehrt, noch in fpätereti Zeiten.
Schabe Zeichen der Weichlichkeit.
BR. XXII. Homers Gotter bewegen (ich fort , nicht
fchwebend, fondern in ungeheuren Schritten auf
Land, XT^aifer und Luft. Diefen Gang erkennen
die ältellen Ausleger; den Flug erträumte Hiliodor«
XIV INHALT.
Heynens Wlderlprach mit fich felbft. Bereife:
Pofeidon, Here^ Hermes, Apollon^ felbft Iris:
deren BeiA^rort , goldgeflügek , nur Schnelle der gol-
denen Solen meint.
BR. XXIII. Auf WalTer gehen die Götter leichter als auf
Luft. Daher der Umw<g des Hermes vom Berge
Olympos nach Ogygia. Der Luftgang gehört aus-
fchliefsend den Göttern s Sterblichen ward der WslC-
fergang fchlechthin , jener nur durch ein göttliches
Zaubermittel verliehn«
BfU XXIV. Lnfcfchritte bei den folgenden Dichtern bis
zu den fpäteften heraW ^Sogar die geflögelteu Götter
fchreiten auf Schvs'uugfolen.
BR. XXV. Anwendung «uf . Aefchylus. Des Okcanos
Töchter hihreu im Flügclwagen , weil <ile Mafchi-
uenkunft den Lufcfchritt auf Schwungfolen noch
nicht verftattete. Auch Athene. Beiläu^ vom
breiteren Strome Okeauos der damaligen V^elc«
.« tafel.
BR. XXVL Wie Virgil» Götter fortkommen, ift ans
ihm allein nicht zu erkennen. Noch bei fpäteren
Dichtern fchreiten fle durch Luft und Waller.
.. Auch auf Münzen, gegen Leillogs Meinung. Grofse
Schritte.
INHALT. XV
BR» ^CXVH. ^aram Merkar bei Virgfl über de» Atltt
nach Karthago geht. Taraeb und Lei&ng löfen
XU wenig« Heyne nichts. Die Götter wohnten
nach der fpäteren Vorftelhiug auf der Höhe dei
Uimuielsgewölbet. Zwei Pforten des Himmeli»
die öftlicfae und wefiiiche. Merknr geht dafch die
aihcT9 we^Jche.
BR. XXVIII. Hooiert Götter fahren« w^nn der VTtg weit
oder gefahrvoll ift, oder zur Pracht. Beiipiele»
Heynens Aenderuug im Homer ans Unknnde. Bei.
Späteren fahren fie öfter. Schnelligkeit dci Götter^
fbbrwerks aber Erde, Meer und Ijift. Auch bei
fpäteren Schciftflellern und Bildnern.
BR. XXÜC Der VTagen magifche Ldcbtfgkeit doirch die
Kund des Hefäftos. Defien ^erke belebt. Ehonce
Befchlag der nnflerblichen Rolfe. Auch die halb-
göttlichen fchnell, doch weniger. Daher gcfiedene
genannt, und von Bildnern mit Fittigen bezeicbnet,
BR. XXX. Zens als Stier auf dem Meere wandelnd» in
Gedichten und Kunfh»/erken. Ob hier mit Recht?
Auf alten Denkmälern auch Poftidons Rofie, die
Kereideti, der goldene Widder.
BR. XXXI. Die llteften Harpyen wegra^ende Göttimxeu
in fchöner weiblicher Geftalt. Die Harpye Podarge
XVI INHALT.
gebiert füllen, in eine State verwandelt. Mehr
folche Gebarten aus Vervandlangen. Heynens
tialbvögel find nea, Hermanns Pferde falfcb. Bei
Hefiodus Heynens Aenderang abgewiefen. Flügellos
find dit Harpyen noch bei Theognis; geflügelte und
häfslichc tTeiber bei Aelchylus auf einem Gehiählde.
Die Eamcniden beflügelt zaerft Earipides; die Gor-
gonen ein Bildner bei Paafanias.
BR. XXXII. Die älteften Künlller bildeten alfo die Har-
pyen nicht nach der Vorftellang bei Virgil , die
Heyne für die einzige hält. Ob Sofokles fie Aüt den
ftymfalifchen Vögeln verwechfclt. Branks und Hey-
nens Aeifderungen widerlegt. Geftalt der ftymfali-
fchen Vögel. Beftimmang der Lesart und. Er klär ung^
der Stelle. Sofokles ift der FlugelgeftaU nicht
geneigt,
BR. XiXIII. Neuere Harpyen als Raabvögel, zuerft bei
Ariftofanes und Anaxilas , der fie mit anderen Tbier«
göttern zulninmengeftellt. Echidna. Skylla» bei
Homer Drachin, dann Jungfrau und Halbjungfrau
mit mannigfaltiger Umbildung. Sirenen, iu Men-
fchengeftalt bei Homer, fpäter geflügelt, und end-
lich mit Vogelfüfsen. Die Harpyen, als Raubvögel
mit allerlei Veränderungen, auch als OhreuleHk
Selbft bei AjfoUonius anders als bei Virgil.
INHALT. XVII
BR> XXXIV« Verftiideraog der Fabel des Fmeas. Bei
Aefchylui deffen Mahl von den Harpjren nnr weg«
geraft^ fpäter Terrchlongien tuid bcfadeh« Ekelhaftes
<3emäkle des ApoUonias, fchwach bcfchönigt von
Lcffiitg , gar nicht von Heyne. Des lezteren Urthefl
über Virgiis nad Homers Cjrkiopenfclunaus. Urfäche
d«r ipätereti Verunftalrang der boien Gottheiceo,
fo wie der Veredelung der gaten. Hirpyea Töchter
des TySbu bei Valerios Flaocas,
BIL XXXV^ Winde, bei denilteften flägellos. BeiHefio»
das nar drei von/himmlircfaer Abkanft. Der Oft and
^ie Mitteiwinde Söhne des erdgebohrnen Tyfoeus^
Eorus aach fpäter nicht göttlich verehrt, dunftrcich
und ftunnbriitgend. Tyfon Wirbelwind. Boreat
iroch iaafend bei Tyrtäas$ mit Schiangenfiifsen auf
dem Kaften des Cypfelas , daher vermatiich fliegend.
Geflügelte Winde in den orfifchen Hymnen. Auf
dem Tharm des Andronikas acht Winde , gleichge-
Raltet, mit Flugein. Zefyros mit geflugeheu Schli«
fen bei FhiloHrat. Gefiügelt Ovids Notus, Japiter
Piavius auf Antonins $eule, 2etGis und Kalais nebil
andern Boreaden bei Pindar and Späteren. Bo/eaden
im Wettlaufe beüegt bei älteren Argonautikem.
Winde vx Rofswagen bei Earipides «nd rdmifdien
Dichtern. Cerdas and Heynens Erklärung einer
S«elle des Horaz widerlegt.
XVIII INHALT.
BR. XXXVI. Pegafus« nicht erwähnt Ton Hotner. B«i
Heiiodas ftiirmender Luftvaudler. Geflügelt genannt
i. y bei Pindar, dargefteUt bei Euripides. Bei ihm, wif
bei Heflbdus , Zeus Donner tragend ; auch von Zeus
dcrEos gefchenkt. Weide der Götterthlere. Sternbild
£ies Pferdes Pegafus. Dies ohne Flügel Aefanlich-
, keit des Pegafus mit anderen Götterrofren. Auch
^uf Münzen zuweilen ung^flögelt, Co wie nicht
jedes geflügelte Rois Pegafus.
BR« XXXVII. Goldener Widder. Abftammung. Fell
golden bei Hefiodus und Pherecydes, fchimmernd,
purpurn bei anderen. Wandelnd durch Meer und
durch Luft bei Dichtern, durchs Meer auf einem
heckulanifcheu Gemähide. Ohne Fitrige. Efelein
der Götter im Gigitntenkampf luftwandelnd« fpäter
beflügelt; doch flügellos als Sternbild.
ER. XXXVIII. Leflings feeiftimmuug und Unheil über die
Mittel der bildenden Kunft, fchwere Körper als
fchwebende ia zeigen. Uebergang zuf Betrachtung
der fämtiichea Flügelgötten
I.
XlrnftlMifte Antwort, Lieber. Der Auftrag kSmmt
von treuni O ^^ in London, tiem die Sache am
H6r2en liegt;
Er loa 2uföll!g In deutfchen Zeitfchriften von
. dem anerwarteten Lichte, das neulich bei uns über
die Wtefte Mythologie der Griechen verbreitet
worden , doch leider noch immer nicht zn den
benachbarten Völkern gedrungen fei* Diefen be-
daurenden Ausruf fand er, fo oft ein ausländifchea
Werk über Gegenftände der Mythologie, fogat
ans Pohlen,. wie neulich der Fall war» auch Ubri«
gens nicht ohne Beifall, angeäseigt wurde } und
dabei eine lebhafte Salve von JUytkmf PUtofo^
phemem und tthnlicben Modewörtern. Der fault
firleffchreiber kam in Bewegung, \^nd bat mich in
einer langen E^iOel am Nachweifang des Lichte
Er habe die genaa&teften «Schriften der Sehnte»
die jeso den Ton angebe, doch xiemiich ^ ken*
nen gemeint; aber gerade das Haupthtti^ft ii|
welchem fUr feint LieblingBWidenfefaa& ein (^
nnerwartetiea Licht ftrale» fei ahm üitcfat .Vorg<»
kommem. i . : s
a MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
Was foll ich ihm fagen, ich Einfiedler im
Winkel Deutfchlands! Es kann heller Tag auf
Höhen und Ebenen fein , eh ein verftoblener
Schimmer in meine Waldklaufe dämmert Sie,
Weltkundiger, müflen mir aushelfen.
Ihr Vorfchlag , das Handbuch der Mt^thotogie
jvon Martin Gottfried Hermann^ zwei Bände von
3787 ^i'^d 1790, nebfi zwei Forreden vom Herr^
Hofrath Heyne, als das neu erfchienene Licht zu
empfehlen, ift luftig genug. Aber er kennt
fchon das Geheimnis der Pofie,^
Sogar argwöhnet er, dafs unfere Wortführer
mit ihrem unerwarteten Lichte nichts anders, als
.jenen hüpfenden Dunftflimmer, wie er fich aus-
drückt, gemeint haben. Nur weifs er nicht recht,
ob er die Herren eines zu fpafshäften Ernftes, oder
eines zu ernfthaften Spafses, bezichtigen foll.
Das Hermannifobe Lehrbuch, fagt er, habe
äurch feine feltfame Anlage und Ausfahrung ihqi
ein paar augenehme Stündchen gemacht; wahr^
(bbeinlich auch anderen. Sieh felbft überlaiTfsn^
hätte das Werklein gewifs in ftiller Verborgen-
heit feinen natürlichen Gang vollendet Aber die
enpreifenden Vorreden, und die Nachhalle davon
ans aHen kritifchen Hanfi^ lind GUden, fcfaeiaeti
ihm nicht blofs ein mitleidige^ LädhcUi , fondem»
damit nicht der Unkundige geteufcht,^«md def»
Geift der Unterfuchufg gehemmt werde» eine
ERSTER BRIEF« |
warnende Rüge zu verdienen« Ich will Ibiieni
was er über die erfte Vorrede fagt^ beilegen. Ift
die Befchuldigung wahr, fo • • • I Nein, fie kann
es nich{ fain* Wer würde fo plump betriegen^
oder betrogen werden ?
Alfo gefchwhide das rechte Bach ! Zwei ge^
bundene Exemplare: denn ich bin ielbft neu«
gierig,
BEHAGE
aus dem Briefe des Herrn O * *.
bie haben den Vorredner, den Herrn HofraA
Heyne, doch mit Bedacht angehört? Es verlohnt
fich, ihn noch einmal zu hören.
**Der Verfaffer hatte vor vUUn Jahren aof
^^mrinenLekrßunden den Gedanken gefafst: Wenn
''die Mythologie recht follte behandelt werden^
<<fo müfle man nicht alle JZiitalter, alle Arim
'^voH Dichter (n), mit den Erklärungen ^mü
''Träumen der Grammatiker, in Eines werfen,
^^noch weniger, nach dem Gebrauch der neueren
**mythologifchen Werke, Erklärungshypothefejij
** einer fremden Art beimifchen; fondern erft di^
"Mythologie der HtUm Zeiten , infonderh^il
** Homers, aus^ziehen und abhandeln; dann köuu^
"man zu den Fabeln der Lyriker und der Tra^i^
" ker fortgehen , und fo endlich Licht und Ordnung
"in eine Art der Ikenntnifle brin|pen, weiphe gt •
'A a ' >
4 MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
^^mdniglich ein verurörrtngs Chaos au« gÄüd
<* heterogenen Theilen ift. Dieren Gedanken hatte
^•cr nachher ßr fich aufzuführen gefacht, und
^•fchickte mir feine Arbeit 2ur Einficht äü. So
•'unerwartet mir es war, eine folche Ausführung
!<2u fehenii fo wenig voraus eingenommen ich an
H^die Prüfung ging; fo fand ich doch bald in Aet
*« Ausführung, fo vielen Fleiß ^ IVakl und gefim^
^*des Unheil 9 dals ich, felbft bei einigen Mängeln
<«in der Darßeüung und im Ausdruck^ dieNüz-
•'Hchkeit der Arbeit nicht verkennen konnte. Ich
«chatte dabei das Vergnügen, doch endlich einmü
f'dii^ Bahn gebrochen zu fehen, da(s eine ver*
^'nünftige Mythologie in die Hände der Studieren«
^'den gebracht werden kann» Sieimmer voükom*
^^fnenerzn machen» ift eine /^|c/t/#rr Sache u. f. w. f^*
• Wir gutmütigen Deutfcheri, vor welcheii
einer mit folöhen Vorreden , nicht nur uhgeftraf^
fondern za feinem Vortheile, erfchieinen darf!
Wer nur mit einigem Gefühle des AnftKnd!«
gen, ich will nicht fagen« mit der holdfeligeo
Scheu, die den Griechen zur Natur gewordea
war, vor einem ehrwürdigen Volke auf trit, der
pfleget fonft, v/ie erhaben an Einücht er immer
fei, dennoch die gehäilige Lehrermiene Sorgfältig
zu vermeiden, oder zur ianften Freundlichkeit
eines Mitlemenden zu mildern« Ich halte dafür^
ioie hoch fehr ^iariaXT^ Deutfchgriecfaeh^ denen
KaSTEH BUIBF« f
allein Wir unfereBUdong und nnftren Stand imter
geiftreichen Völkeni verdanken, find es weniger
dnrcb, was fie gefagt» als wuz dorchden gefitteten
fiürgerton ausRom und Äthen^der^als vor Gleichen;
Iraim^tig mit Achtung und Glimpf redet , und fo
writ von der fcblelchenden Höfliehkeit, wie von
dem zuplumpendenBaqernftoI^, iich entfernet» ;
Und jener Mann, der immer Artigkeit und
Befcheidehfaeü: und Humanität im Munde führt»
ftellt ficb da öffentlich in feinem akadendlbfaefi
Prunke hin., um Jemand» der iicb felbft nieiik
empfehlen kann, durch fein trockenes Lehrecv«
s^ugnis zu eDKpfelilen: ier Verfaffer habe vmt
vieliU: fahren aus Seinen Likrflunden imen Ge^
dankm aufgefaßt ^ durch dsfftm fürfich virfuekta
Ausführung er jext in einer bisher ganz verwdr^.
vemn WiJfenfAafi Bahn brechet Den dttftereit
Jemand erhebt er 2um Meifter aHer bisherigen
Mythologen, von den träumenden Grammatikern
bis zu den neueren Hypotbefenerfindern ben^i^
und läfst uns nachdenken: was Elr, deiTen vor^
vielen Jahren hingeworfene Gedanken, von ekiem^
wenig für fich eixmehmenden 2^örer auch man«»,
gelbaft ausgeführt, Licht und Ordnung imChaos^
zu (cbaffen beftimmt waren, was Er f^fi;, fajge*
ich, der Lehrer unferes Lehrers, aus feinem Stoffe
zu fi:hafFea vermocht hätte, wenn nicht andere
noch wichtigere Gefchäite Ihn abhielten l ' ^
A3
f MYTHOLOGISCHER BRIEFE I« B.
•i'. Bei fliefem Überfchwänglichen Vomehmthuii,
Dirarum verhehlte der Mann den wefentlichen An-t
tbeiif den er felbft auch an der Ausführung hat?
Glaubte er dadurch befcheiden » oder fogar edel«
shütig gegen den Enlipfoblenen 212 erfcheinen?
Und berechnete er, der' im Stillen zu «wirken
gewohnt ift> wie fehr diefer Schein die JubeltOM
Öer Anhänge erhöhn würde?
« Ks blieb ja dem ungeachtet kdn Geheimnis^
daist äufserdem au%efafsten Gedanken, woraus
der Entwurf: des Ganzeh fich entfpaon » auch d^i
wefentliche Inhalt ^. zumal <]es erften Bandei^
wenn wir die poflierlichen Auszüge dus Homer
abrechnen ,. üftft einzig und aliein aus Herrn
Heynens Schriften nicht nur^ fondem — o wiß
gutmütigen Deutfchen ! — aus einem fchteekt
mackgefchriebenin KoOegium über die griechifcken
AUerthümeTi wörtlich entlehnt worden fei»
Das lebhafte Völklein der Anhänger fand alfo
mit froher Beftürzunjg das gefamte Licht wieder,
^as jedem einzelneil in feinen glfickHchften Stun-^
den über die Mythologie gefchimmerit hatte; un^
Von allen Richterftühlen und Ausrüferbühnen ward
Erleuchtung Deutfchlands, Erleuchtung Europa'sy
«uspofaunt.
.^ Dafs 4ocb keiner den groben Betrug aufdeckt^
itmd die £hre des deutfchen Namens rettet!
ZWEITEir BRIBF. 7
IL
Wahrhaftig? Freund O** hätte den Fleck ge-
troffen? Sie wiiTen keinen anderen Inbegrif des
neuen mytbologifchen Lichtes ^ als das Herman«
nifcbe Handbüchjein» dem ja der Vorredner felbft;
das Verdienft, ein verworrenes Chaos gebahnt
ijsd erleuchtet 3u. haben» einrifnipe.
Nun kann ich aufathmen! Mir wir ctwiM
fchwul, es machte gsLUZ im .Verborgenen noch
irgend ein Licht ftralen, das meine bei Virgil^
Landbau (77. 323. ///. 271. 391, 7r,387), und'
in der Schrift über Vkgils Ton und Auslegung
(S. 60)» geäufserteq Zweifel an der gepriefenen
Erleuchtung befchämte.
Zwar hatte ich für mich einen Mann vbn Wie«
lands Gebalt, der in der Vorrede zu Lucians
Gö'ttergefprächen (B. 2. S. 6) die allegörirche
Auslegung der Fabeln , jezt Pkih/ophimagenumt^
als eine Neuerung des platonifchen Zeitalters, rikit
lucianifcher Laune in den Winkel ftellc Zwar
hatte ich auch in des berühmten Herrn Heyne fo
wenigen» als obenhin ftreifenden Auffäzen, und
beiläufigen Anmerkungen über die Mythologie^
nicht feit geftern mich umgefehn, undihnbeftfin-
dig, wo es giilt, entweder nicht zi^ Haufe, oder
auf dem fahlen Roffe gefunden. Befonder^ beim'
Apollodor^ wo jede Seite zum-Reden auffordert;»
A4
8: MTTHOI-ÖGISCHER BRIEFE I. B*^
durfte ich des Herau^eb^rsRedfeligkeifc Über Leie«
arten und Citabe, und feine Kax^lautheit Über dea
Ilibalt, da gleich wobt y was er noch «u weilen fich
entfallen liefs, mir keines weges nach güldenea
Worten ausfah,* für ein ßcberes Wabrz^ekJieii
iaken, der Prediger der Nphenphitofophimtt
getraue ficb felbft weder mit den Mythen ^ noch'
mit den Phitofofhemini Sq ganz aufs Reine ge^'
koomien za fein*
Doph beffer ift beiler: wir wiflen es nun von
der fieberten Hand« Bis zum Jahr 1787 tobte das
uralte Chaos der Mythologie in pfadlofer Ver-
wirrung; und nur feiten eimnal fahn wh: das ver-
meifene Abentheuer eines Streifzugeg hinüber
^rftaunt» wie doch ein Sterblicher^ gleich jenem
mütonifchen Helden (^Par. hß. 2, 948)2
0*irhix «VjfMf » tkrcutgh ßtaitt fough^ denfe^ $r rwm^ .
Däfdi Moor' ood Jahn» durch fiach, rauh, dicht bimI dinn^
Mit Haupt, Hand, Schvmg* und Fufs dea Weg Terfbig?,
Bald rchwiBimt, bald fiakt» bald ^atet» kreucht und fkkgt»
Aber im Winter vor der OftcrmefTe des Jahrs 1787
nach gemeiner Rechnung » jSebe I da gefqbsA das
Wunder der Wunder! Da vereinigten ficb zur
Ueherbrück^ng des chaotücbeo Aufruhrs zwei
mui 7oi; und (Panul. hfl. lo» 288 >
■■■ ■' "■ ■ ■ ' ■ whMt tl«e mct
T(^ s|^ 4W Aw», «o|[e«i«v CMifM <^«v#
JFVam U£k /if Jhügimg, TV azgre^tud fiü
V^atk tffi^ bit macc fetfific^ hU and dvyi
As^ with # tridtMt fimtf^ and fat'd it fn».
Deef ßfi'nini bfOb tbe mol§ iaarin^ß. vrt^ffft m
Over the foaming ieif hiih ardfd, a hU^
Cftength fradigimtS'^
fkk fkaä^
Teft oder (cbiaminig, das m ^ilicf Fkit
Auf vogt*^ nnä ab» znlaminen drängten fief^
AndSminciid beutcrretts. Den Schutt anii traf
Des Todes Stab» vcrfteiiicrB^, kalt wnd dinr.
XTie ein Tndent; erbarlbbt hfng altes ftfL
TfefViM%e!nd Kef ihr ungeheBres VCetk
Durch Schattmgetö(^, »nd hocbgeviUbcf ftanf
Die Brvckcy labg iiod eodlot*
Und vir ft&de/en hd>ea nichts weiter 20 Ami^
als ihr paffagi broad, fmooih^ MtAy » ineffenßwy
den breiten Pfad, bequem mnSfmftnndunamß^ßigp
welche Freund HetUf von feiner fcblängeliuieQ
Motter mit Namen und Kraft Jbeg»bt» bis au den
entlegenften Enden despelasgifthenUraltertbom«
hinauf bahnte ^ in bebagUcher Sorgloügkeit auf
und nieder zu v^en, und etwa eine vergeffen«
A^5 ^
tO MYTHOPpaiSCHER BR?BFE I. B,
VIBcke oder etil fcbadbaftes Gleis a«32CQfüllen« <^£«
*' immer vqH^omtneper zu mach?i) , ,, . fegt j'aHfeut
Heyne, **ift eine leichtere Sache.,,
Der Ton unfers O** ift Ihnen glelcKwöhl ein
wenig 2a grell. Sei das Gefammeke nur gut; was
am Woher liege, oder an des Vorredner^ unfchul-.
digem H^rzensergufs, der, ohÄe nun eben an Sich
zu denken i das Gute, wo ers find, billigte?
Das meine i/h auch. Mir gefällt der Kiinftler
nicht übel,, der mit gleicher Treuherzigkeit des
gelungenen fich freut, was auch die AngafFer
davon fchwazen mögen , als er das mislungene,
troz den grofsäugigen AngaflPern , ftillfchweigend
mit deni Quaft überftreicht. Auch würde O **,
wie fehr er treiFenden Ausdruck liebt, fich wohl
in Acht nehmen, d^s Ding öffentlich vor den
zarten Ohren der Höflicheif fo barfch einen Betrug
zu nennen. . . ^
Aber fchlau darf doch in der That die Erfin-
dung des Herrn Heyne genannt werden , da{s ei
die Siebenfachen eines alten Kollegiums, welches
er felbft der Welt vorzulegen za fcht|chtern war,
darch einen dunkelen Jemand in Umluif brachte;
vnd fie menfchenfreundlich, im Vertrauen auf dal
j^antim /a/ü der MiCwiffenden, als fremdes Ver*
Aieiiö: anpries. Was gut daran fehlen , ward nutt
einzig dem nnfichtbaren Werkmeifter zqge#
rechnet , und noch durch den Schein der Hebens*
2WBITER BtrCF. tf
wOrdigften Entänfserapg yerkliürt; alles mangel-
hafte hingegen gehörte der ftfimpernden Gerelletu
hknd. War das nicht piif&g genag angelegt t
Sie IXcheln.
Wie aber, Frennd, wcnns mit der ganzen
JErleuchtung und Babnung des mythologiTcben
Chaos nur Blendwerk w^e^? Wenn uns weder
der ausgeworfene Gedanke, er fei eigen oder wo
iufgeraft, noch die nach Hennann benannte Aus»
führung, wie ihr wahrer Urheber auch heifse,
iiur einen dnzigen Schritt torwSrts gebracht
hätte, fondem viehnehr aufgehalten und zurück«
gefezfc.
Doch das mögen andere ausmachen. Wir
beiden wollen dem Poffenfpiel, fo lange es währt,
gleichmütig zufehn, und zuweilen mit einem
ehrbaren Blick uns begegnen.
- Schicken Sie mir idoch, SiMita Ihnen gefällt^
iBsrCorpus delißi, dieHeynifche Vorlefung über
die griechifchen Altertbunier. Vielleieht ift di^
Sache fö arg nicht, als 0** fie vorftellt. Wollen
Sie auch feine Archäologie beilegen ? Mich deucht,
Sie verwandten ziemlichen Fleiß, in den Lehr-r
Äunden des Herrn Heyne es ja recht gründlich
zulernen, wie man die Alten — nicht verftehri
inOjGre. Andere hatten es früher weg.
X^er Gedanke 5 fagen Sie j . ^^f^. die Mytfaologltf
aus alten und neuen Begriffen gemifght fei, dif
man gehörig fcheiden und anordnen mfifle, war
doch fehr richtig. * » .
Vud fehr gemehi. Nur nicht gemeiner, al^
peulich der lermende Wunfeh ^ die Erdkunde dei^
liriecben nach der Zeitfolge geordnet 2U fehni^
Welchen Wunfeh man auf eben die Art, wieJezQ
die Mythologie, durch veranftaltete Auszüge aus
Jedem befondereu Schriffcfteller von Homer an,
in Erfüllung zu bringen fich treuhers^g ei^«
bildete,
Selbfl: der ehrÜche Natalis Comes hat die i|n*
Verächtlichen Vorröthe feines mythologifcheh
Speicners nach dem Zeitalter aufzufchichten ge-*
focht. Und ich Ceze hin^u , bedachtfemer' undf
richtiger i als Eteit üey ne. Depn [er läfst die die«
gorifche Deutung nicht als atUs PhihfofhenU^
Toranfchleicben, fondern befcbeiden nachfolgen» >
Wenn Herr Heyne fich darauf einfchrSnkte,
jedes Gottes^ z. B. Apollons Erfcheinung durchj
^en ganzen Homer einfach z^ befcbreiben, und
hieraus allgemeine Betrachtungen zu folgern;
wer wollte dagegen fein? Wer wollte nicht gernj^
auch wo die Folgerung zu gewagt fchiene, der
Einbildung ein wenig Spielraum geilatten? Wenn
aber Hefr Heyne gleich damit anfifngtt Apollcn
\jraf ein pelasgifches Symbol der Sonne; feine
Pfeile bedeuten Stralen , feine Haupthaare bedeu*
ten Stralen, fein Schwert bedeutet Stralen, und
vne die Bedeutungen weiter heifsen ; fo ift die
natürliche Frage? H^oher welßtfi du das? Und
die ftotternde Abtwort: Aug lj)äten orfifchen
Hymnen, die wohl untefgefchoben find; au^
l^äten Grammatlkfrn, deren Nachrichten doch
gleichwohl bis etwa 2u den Zeiten des Anaxa«
goras hinaufreichen mögen. Und folch ein Nach«>
deuter thut vorqehm gegen die Deutungen der
Grammatiker und der mitdeutenden Neueren l
<<Nim erft das AIce» ohd gehe flcum Neuen
<<fortt ,1 Dank fUr dm gütigen Satfa. Aber waa
ift älter, W9S weniger alt? <^£rft Homejr und
'^Heiiodus, dann die Lyriker, und darauf die Tra«
<<giker!,» O das wufsten wir sur Noth. Aber
wie? Homers bucbftäblicjier Sinn, oder ein
geheimer?
Sobald der Menfch von der nShrenden Eichel
2ur Eiche emporfah , und woh^rdie, und ef felbft
der elende , entftanden fei, nachdachte; drängt»
lieb ihm die finnlicheVorfteUung auf: AHes entftand
«US Erde , WaiSer und Luft. Woher diefe debnt
Aus der Sondefung einef unförmlich gewirreten
MaflTe von rohen UrftofFen> um- deren Entdehung
er fo wsnig, als um einen anfangslofen Sonderef,
14 MYTHOjLOatSCHER fillUFE I. B.
fich bekümmerte. So wirkfame Wefen dachte er
ferner ^ muffen in fich eine Urkraft und davon ab»
hängige Kräfte enthalten; und diefeinwohuende«
Geifter bildeten fich ihmalsPeFfoneninMenfcheB'»
geftalt. Daher die Gottheiten Gäa, Uranos, Pontos
famt ihren Zeugungen und Sipfchaften, und
der Altvater Chaos: ans deffen wüftem Tu#
multy durch den befreundenden Eros , zuerft die
Erdvefte als eine Scheibe über den Tartaros 9 famt
dem inwendigen Erebos und Schattenreiche, fich
formte, dann die Erde von felbft die wölbend«
Himmelsvefte und die Gebu-ge erhob , und um die
Mitte zur Faffung des inneren Meers fich fenkte*
Zu diefen göttlichen Fabelperfonen der Weltent-
ftehutig gefeilten fich andere der Erdkunde und
der Sittlichkeit: wie im Weflien am Eingang des
Erebos und des Tartaros derHerlbher des umkrel-
"fenden Weltftromes Okeanos, und die Begriffe
Jlacht, Tod und Schlaf, Träume, Schickfale, Krankp '»'
heiten und Plagen, als Perfonen gedacht; aih ^'
öftlichen Ende hinter Kolchis die Gottheiten des ^^
l,ichts und der Sonne. Die Kinder des Uranos und ^^
der Gäa , von dem AUeinherfcher Uranos zurück* ^
gefezt, kamen durch den jüngfl:en Kronos, deC , ;
feinen Vater zu entmannen fich erkühnte, zil '^
Aemtern der Weltherfchaft , und wurden von d^e^ ^^
zürnenden Vater Titanen, oder Ausfi:recker, ge* ^ ^'
nannt AberKwftOß, unter wddiem4iegoldeiW J'
Welt
BRITTER BRIEl*. ' 1$
Zeitbliihete,' ward wiederuin feiner Mishandlon-
gen wegen ^ von dem aufrührifchen Sohne Zetis
Überwunden , und mit den meiften der Titanen in
den Tartaros verftofsen: nur dem friedlichen Oke-
anos, dem Helio^, der EosundSelene, blieb ihre
Würde; in der anderen Aemter tfaeiltenf ch2Jeüs
Brüder und Kinder « dafs Zeus für KronosHerfcher
der Luft, Pofeidon ftatt desPontosMeerherfchef,
und Aidesan desErebos Stelle König desSchatte&-
reichs ward«
Diefelbigen» von Hefiodasnnd anderen, mit
wenigen Abweichungen^ erzählten Weltfabeln
des Alterthums waren alle vor Homer imUmlinf*
Wer nun jene filteften Erzählungen, weil Gegen-
ft^nde der Natur und der Sittlichkeit als handelnde
Perfonen auftreten, allegorifche nennen will, der
mag es; nur dafs er nicht jede einzelne Handlung,
die fie als Perfonen ausüben, aus den Eigenfchäf«
ten des Grundwefens deutele« Viel weniger noch
ift folches bei den jüngeren, aus vergötterten
Vorfahren der Verfcbiedenen Stämme allmählicli
erhöhten, Befiznehmem der alten Namrwürdeh
erlaubt: um deren Perfönlichkeit ich nicht einen
Pfifferling gäbe, wenn fie keinen Schritt thua
kannten « ohne was zu bedeuten. Am allerwcir
nigften finde der Unfug Statt, dafk man Umdeu«
tungen nachhoi^erifcher Jahrhunderte einmenge,
da Weltw<?isheji( und Prief^erf^haft» mit Woh^-
|6 MYTHOftiOGISCHfik BRIEFS t, B%
voifott jeae> dieTe mk Lift> den ailtviltrifcheii
Bildern der Anbetung eioen vemunftm^igerea
Sinn unterrcboben , und da vollende die, theiis
von der Myftik» tbeiU von der bitdeaden Kaaft, vefw
lüid^teti Göttergeftalten deo Graoiinatikem die
vriUkührUchfteo Einfalle entlockten.
Und W6iin 2U allen den Umbödmigen und
'Ümdeütungen der fpSteren Alten Herr Heyne
irbch Fehlgriffe der fpäteften Unterziehet
und, was das «rgfte ift, eigene TrSume fugti
%venn er nach def Befiegung der Titane» den
Helios durch den Apollo vom Sonnenwagen>
den Okeanos durch den Pofeldoa aus dem Meere
.verdrKngt wihnetv wenn er die fÄmtlicbenGott.
.heiten des Alterthums mit Flügeln, Schwänzen
und Hörnern, mit doppeltem GeTchlecht und uä-
tnäTstger Mi^nnUcfakeit ausftattet, und wieder dar^
ttuf los deutety und von Mythen und Pkilo/bphe»
fnm ichreit, und um Nachfchreier 2u erwecken»
Verbotene KUnfte anwendet: — foweifi man doch
^wahrlich nicht» ob mehr db Marktrcloeier^
^cheln des ^nwiilens verdiene^ oder die LekhU
glttubigkeit der wonaett^unkenen Anftauner%
> Die Gottheiten des alten Griechenlands ver«>
Valten die mannigfkltigen Be^i^irke der ^u(seril
Katnr und der fitdichen. Sie nehmen wohl £fgen-i
fchaften ihrer Verwaltung an , wie Pofeidon deg
'fiUrmifchen Mee^tSp Aides der gfaunvoUen Schat«
DRiTTfiR BRISP»
17
tenbchaufung, Afrodite -der Liebe, 9ir Ge&nht
des Kunflfl^ifees, Area des Schlachtengewfihlsj
aber fie find felbftändige, nach .Wiilkühr und
Laune 9 nicht nach fieifem Zwange der Amts-
pflicht , handelnde Perfonen» Die Feflelung det
Zeus, die hangenden Amboß» an.den FUfsen der
«ankfuchtigen Here, nnd die eheliche Vertrau*
lichkeit beider auf Ida, und nichts weniger, ald
allegorifche Griffiaffen, um ^ns, ich weife nichl^
Welche GtheimnüTe von der. obem und unteren
Luft, oder vom Stfeitfe der Elemente, anfchaulich
£u machen. W^ Ares und Afrodite unter dem Ne«
vorhatten, (der betrUbteHefäftos bezeuge es, und
der lüfterne Hermes!) war ernfthafter gemein^
.als ein fymbolifcher Theaterkuf^ »wifchen dea
Popanzen , Mut und Holdfeligkeit. ») Weder
Homer noch ein kosmogonifcher Vorgänger, den
man vorfchieben will, hat fo froftig gefinn-
bildert.
«PhilofoiAie der Vorwelt! fymbolifche Bü«
•*derfprache der pplasgifchen Waldn^enfcbent
f* Hüllen phyfifcher und moralifcher Dogmen aua
f orfifchen Myfterlen ! „ Das läfst fich vortreflich
anhören. Aber hat man denn wohl bedacht, was
' ■ ■% ■ ■■ ■ ' —7-; —
^) Dm Heyti( erklärt gtr das Ke» tut tin SIunbiM dai
philofophifcben Sazes, dafs. alles tat ^üi^¥ entftuulvtt
fcL Cmwu dk M, lf9^ f. i^k ■■ '
18 MYTHOLOGISCHBU BRlfiFfi 1. B.
das Tagen woUe^? Schon unter den Slteften Horden
einzelne und verbUndete Weisheitslehrer > aud
reiferen Völkern wahrfcheinlich, fo überweife^
dafs fie weit erhabnere und geiftigere Begriffe von
Vollkommenheit, als GemeiniSnn und Sprache
fogar 211 Mien vermochte, in vieldaitige Sinn«
bilder für das anftarrende Volk eiiokleideten, undi
imlnnerftetl derGeheimnifie> durch neue Worte
Vielleicht, oder durch Gebehrden, entrSzelten!
Welch eine Vofftellüngl Wo denn wÄe für ^na
derSchlUflel des geheimen VerftändniiTes? Suchen
\i^ir ihn bei fpHteren Weltweifen , iPrielbern und
Grammatikern? Oder IMfst ficb das Heiligthuiü
mit jedem einhakenden Wi^, mit dem erAen
fchiefen Einfall > aufdietrichen?
Freue fich ein anderer des ahhdungsvolien
Halblichtes, worin Ammen fo behaglich ift, und
Kindern! Wir erkennen auch hier den ftillen Gang
der Natur, die kaum werdendes, nur gewordenes
zeigt. Wir fehn, wie des halbthierifchen Eichel*
eifers, des unftäteh Jägers und Hirten, des rohen
Anpilanzers, des gefelligereii Bürgers , immer
weniger grobe Vorfiellungen von menfchlichef
und tibermenfchlicher Kraft, durch die klügeren
für jeden Zeitraum öffehtlich und ingehöim ge^
leitet, •aUgemach in geiftige Begriffe Von Tugend
imd Rechtfchaffenheit übergmgen. Wir glauben
mit dem weilen Xienofanes: Wie die Rinder^
DRITTER BRIEF. ^i^
die Löwen und die RoflTe, fals fie zu bilden ver«
möchten , die Götter als die voUkommenften ihrer
Gattung vöfftellen würden; fo habe fie auch der
Men(ch Von jeher fich felbft ähnlich an Zeugnng»
an Bau» an Pflege, an Gemütsart gefabelt: dafi
fie, "Wie an Geftalt den Aethiopen fchwarz, den
Thraciern blond and blauäugig, fo an Gefinnung
den Barbaren thierifch und wild, den Griechen
gemildert, aber doch leidenfchafdich, zu fein
fchienen. Man muls die feltfamften, die usbe«
. greiflichften Sprünge der Menfchenerziehung^
man mufs das Wunder einer Sonne um Mitterw
i^acht annehmen, oder es gelten laffen: da&, je
nachdem der Begrif des Edlen und des Guten fich
läuterte, auch der Adel der Menfchheit , der E}eld
und der Gott, laus fionlicher GewalHamkeit zq
weifer und wohlthStiger Macht fich erhoU
Schon vor Homer waren geheime Innungen^
die heller fafan, als die Gemeinen des Zeitalters»
Mögen fie. Mag auch Homer, wie aus feinem
Hymnus an Demeter zu fcMiefseii ift, mag Jeder
weifere dort durch rein^e Begriffe ton Gottheit
und Menfchenbefiimt^ufig erweckt oder geßäiicf
Worden fein. Sollen wir drunv jene vermutlichen
WohlthSt^ ihrer 2eit nach delt folgenden Gew
heimlehrern beurlheilen, denen des Lichts draulaen
zu viel ward, denen^ein ungeweiheter Sokratey
Dnruhe mkOM? ^^Uea wir, Wenn dtefr ibt
Ba
aO MYTHOLOGISCHER BRIBFE T. B.
neuen Lehren .der Wdtweisheit, als uralte Saznn-«
gen ihres Heiligthums, in angeblichen Hymnen
der Ordensftifter, troz dem Gelübde der Ver-
fchwiegeiiheit, öffentlich vortrugen , die Aecht-
heit ihrer OfFenbarungen auf Glauben annehmen?
Und foUen wir uns bereden , Homer . habe aus
folcher Belehrung den vorgefundenen wilden
Zeichen des Uebematürlichen einen gezSbmteren
Sinn 9 nur Mitgeweiheten verftändiich^ aufge-
drängt?
Homer und die ältcften Dichter haben die wlir-
digften Volksbegriffe ihrer Zeiten und Gegenden
ausgehoben, und durch des begeifterten Herzens
Licht und WSrme unmerklich veredelt. Sein
Zeus, obgleich noch ein Tyrann,^ der feiner rach-
lüchtigen Gemahlin, um den Frevel eines Einzi-
gen, die fromme Mos willig mit unwilligem
Herzen übergiebt (!!• 4, 43), erfcheiht doch
bi^reits auf dem. Wege zur milderen Menfchlich-,
keit Er erinnert die Unruhftifterin zwar, wie.
er wphl fonft mit der Qeifsel £6 gezüchtigt
(IL I, 567), oder in einerj alten Heraklee fie
mit Ambofsen an den FiUsen in der. Luft aufge-. *
hängt, und die helfenden Götter, auf die Erde
gefchleudert habe (II. 15, 18); aber es kömmt
doch nimmer zur That : ein Schwank des HefKfto^ .
«in verftelltes Wort der Argliftigen befänftigt ihn.
Woher diefe Milderung? Aus_4e9iJIerzen ,de«^ .
DRITTER BRIEF. il
«dien gefühlvollen Dichters. AUenfJialben leuch-
tet es entgegen y daft Homer göttlicher fei, ab
feine Götter und Götterföhne. Sein Ächillens
vollbringt keine Graufamkeit , ohne da& dex^
Dichter ein Ausdruck der Misbilligung : der
Schrecktiche ! er erfann fckHndHchen Frevel ! wie
unwillkUhrlich entßihrt Und vollends OdyiTeu^
Penelopeia, Telemachos, die Homer mit voller
Herzlichkeit darfteilte, wieviel würdiger wä-en
'fie, die Welt zu beberfchen, und Mufter der
Sterblichen zu fein, als die altvätrifchen Ideale
Von VoHfcommenhrft, die der ppferer anbetete,
und die ein Laie nur fanft zu berühreii wagte!
Siebtbar entwickelt fic}i bei Homer der Keim der
erhabenen Menfchlichkeit, die im Zeitalter der
Weltweißfaeit zur Blüte kam« und unfterbliclie
Früchte trug«
Nein, tadeln Sie mir nicht den ernffen
Strafton unferes O * ♦! VoU von fölchen- Gedan-
ken über üriprung, Fortgang und Umbildung der
Mythologie, die ich nur fchwach wiedergebe,
mit [welchem Ekel muiste er den armfeligen,
durch Gro&thun und Ränke erhobenen Rath
empfinden: **Geh von Homer zö den Lyrikern,
**dann zu dei^Tragikern, und fo weiter, bis da
«Lichfc baftJ,j Und ins Öhr gezifchelt: «Aber
<*lafs eine allegorifche Erkliirung, üb Phitoßh-
yfkemaf yoi^nfcbleideni,,
B3
ai MYTHQLQ0XSCHBiR BRIEFK I. B.
Im erften Bande demnach giebt Herr Hermann
4ie Mythen Homers und Heliods durch einander»
mit willkührlichenP/fi/q/oflrAw^ii gefpid^t; indem
er alles y was jene Dichter von Gattern, Helden
.und Menfchen erzählf haben , zur Mythologie
jr^hnet» aber dagegen um andere Fabeln de&
Jiomerifchen Zeitalters unbeforgt ift» Im zweiteii
.fchüttet er eben fo die JUtfthen der Lyriker aus
äen erhaltenen Fragmenten uns vor^ ohne nach
,ihrejQ Zeitgenof&n lieh nmzufehn. Und ehe er
^ocb an die S/Iyihen der Tragiker gekommen ift,
wird fchQO Yofi »Ue^ Seiten: {Jchit fMhi!
I^erufen.
m
1 hun Sie das, B4fter ! Selhft aus der Quelle ge^
fchöpft» \& der Trunk noch eins ib erquickend»
fiA au^ dem laolichen Weifaär, oder gar aus der
trS^D, geiammelten WafTergalle voll gefchwSnau
ter FrorchwQrmer. Dort oben im taoiendjähri«
gen Haindunkel wollen wir brüderlich einander
jsutrinken» und dem Genius des Gei^udels eine
jßlume auf den Fels I^en.
Aber wie ift das möglich, mein alter wackerer
Freund» dafs Si^ die gar 2a fonderbare Mühre mir
fo lange verhehlt haben? Da ftehen fie ja alle nach
der Reihe ^ d^ Hermannifchen Mythenphihfo^
pkimi über den ganzen olympifchei^ Hof! Jkk
VIEHTSR BRIEF. AJ
Stehen fie ja Uar und deutlich, mit den fdbig^
Gedanken und Wprten, in des Herrn Hofeiihs
Heyne Vorkfungen über dk^ grUchifchen Altir"
thümer^ ^lias AntiquüHUn genatmtp nack dem
Leitfadin des Lambertusi fiar/,£ln paar lu^c
Schreibfehler sd>gerechnet, die einem Scbnell-
fchreiber indefs, der alle$ mitnehmen wölken
doch getsxeza, verzeihen find.
Herr Hermann hat alfoaus feines Lehrers Lehf^
ftunden nicht blofs den rohen Gedanken» er hat
auch die Ausbildung des Gedankens, wenn gleich
etwas mangelhaft, aufgefafst; ''Man mtlfle nicht
«alle Zeitalter der Mythologie, alle Arten von
'^Dichtern, mit den erträumten Erkliinu^en der
''Grammatiker in eins, werfen, noch weniger,
<< wie die neueren Mythologen,, aus eigenem Gei^
<<him hinzutrilumen ; fondern erft die JÜteren
<' Fabeln, • infonderheit Homers, ausziehii und
4*abhandeUit i^nd dana zu den fpUeren foi^e«
♦«gehen. ,»
Natürlich wird fein Handbuch die Gottheiten
zuerft lauter und unverfälfcht ausziehn und ah-
bandeln, wie Homer »od Heflodus üe lang; und
nur etwa die Anzeige fich herajasnehmen, welche
Begriffe aua welchen des nächften Alterthums
veredelt zu fein fcheinen. Wofern man aber der
heiligen Sage bia ins entfernter^ Alterthum, fogar
bis zum ürl^ronge, nachzugtÜbeln fich eialäfst;
B 4 •
S4 l^YTHOLOaiSCHER BKUSFE I. Bä
^ fa wird dJe fbhtichteme VerniHtong bloß mit
allgemeinen Bemerkungen über aufdämmernd^
Menfcblichkeifc , »nd vorfichrigen Enträzielongen
der Äerftreneten Trümmer von Urgefchicbtö-^
alten Gebräuchen und Götfcerbödem, fich BerfaH
erfchmeicheln, keineswegs auf Q)ätere Ausfagea
deutender Weltweifen, Priefter und Graramatikerv
die man zu nennen iieh fchärntj» einen trozenden
J^ehrfas hinftellen.
' . t
Sein Lehrer hat ihn das anders gelehrt! Nicht
fcbtlchterne , nicht drdfte Vermutungen,' nein
die AusQ)rüche der' fj)|tteren Umdeuter leibliaftig^
treten in jedem Abfehnitte als uralte Philofopheme^
ohne Beweis, keck und unbefangen voran'; und
hinterher wird denn auch gemeldet , was Homer
nnd Hefiodus aus diefen uralten Sinnbildern der
Katar und der Sittlichkeit gemacht.haben*
^^ffupiierp oder^^«x, eio fejir ^ufammengc^.
**fezter Begrif : in der pelasgtfchen Religion ara
**Dodona die. Natur, in der orfifchen die obere
**Luft;philofophifcb betrachtet daahöchfteWefen;
"in Kreta ein hiftoxifehes Wefeni den Dichtern
"ein idealifches oder imaginäres Wefen; feiüe
"FeiTehmg bei Homer ein phyfifches Phänomen,
"ein Streit der Elemente, worin der Aether
**^ durch Briareust^.da& helfet,' durch eigene Kraft,
"obfieget Diefe Bilder , unter welchen ein phi-
"lofophifchkosmogopifcher Dichter feine Hypo*
VIKltTKR BRIEF. S$
^'tihefen ausgedruckt hatte, nabmHomeraTsHiftorie
«<m (eine Gedachte. Dahin gehört a»cti Jopitets
<< Kette» und die aufgehlUigte» von ihm gefchb«
.**gene Juna, u. £ w. »»
^^§unOf gried>ifcb Ber»^ wieder einfehrzir«
<<fiimmeögefezterBegrif: mderorfifcfaenReKgion
** die untere Luft, oder überhaupt Luft; inSamoa
^aos der pelasgifchen Religion die Königin der
« Götter r dan», mit der phönieifchen Vena«
«* Urania vermifcbt^ vorzüglich in Argofi» die
^ Natur; dann eine htofie Dkbtennafcbise zu
^feindfeligeni Gebrauch y von Homer aus alten
<<Herakleen veraUgemeiat, aurMafebinerie» wenn
^f etwas £U Verfatndern war. AUe diefe Ideen hafc
'^Horner in dier Er^ihlung von SiretnBeiiager aof
^^Ida» und von dem gedroheten Aufhangen und
<< Schlagen» unter einander gemifcht: wo» nacb
** der alten Naturpbilolbphie, die obere Luft> oder
"Jupiter» der Juno als unteren Luft zwei Am-
*^boise» nemlich £rddiinjQ:e und Meerdünfte y an
"die Füfse hXi^t^ Auch der Mythus» wo Juno^
"Neptun und Apollo (^denu fo miifle man fOr.
"Athene lefen) den Jupiter binden wollen» ift
"ein Saz der alten Philofophie Vom Streite der
"Elemente. Doch als feindfelige DichtermaTchinj»
"läfst iie Homer am.meiften üguriren. ,»
Ein blaues Wunder » was doch der Mann hinter
dein Schirm alles weifs» und wie er die altpUl«
' B 5
BB MTTHOlrdäiSCHER BRIEFE I.B;
Hlnus ymr ÖeriBher ' des utnringenderi'WeKiftroms,
^er nicht k&ge vor Herodot lieh zum Weltmeer
*Osdehnte^i niemals- des Mittelmeers; Pofeidon hin-
gegen war Herifcher des Mtttelmeers , niemals deis
«öfeisren Stwifts öäer Meers. •
. Sie halben genug? Nun bitte ich Sie! Dlefe
«ämlicheuiiiind ähnliche P/ii/o/opfcfm^, die jxiy&lm
icbeDiÄmbdfse Hiebt ausgenommen, finden fich
'iiUziUmal — rathenSie, wo !*-^ in der alten Polten-
dkammer dies ^talis Comes. - Nor freilich befchei*
^ener fowohly am Ende jeder Äbtheilung, zwei-
(fklnd \ und <3ime j>ausbackige Wörter; als' auch
/•VoUfiändiger. und gründliGber, mit Angabe der
j^äten Gewährsmänner. ^ Sogar in Benjamip
Hederichs mythologifchem Lexikon, das Sie fich
^inmer für Ihren Hermann eiotaufchen mögen, ift
^er allegorlfche Wuil ^ns Phurnutus, Heraklides«
JAofchopulus und dergleichen Männern , in einer
•angetoeffenen altlaunigen Sprache, mit der Auf*
Ychrift: Anderwtitig$ Deutungen: zuikmmenge*
Jbäuft worden.
dfin ilMlichen ErdkreFfe geglaubten Oceta* zur anderen
Hemiffare, nicht eben kuF zv^^ölf Monate , aber doch
für den Winter, gingen. ZvölF Monate, und Erd-
kugel, fchon vor Homer! Und diefes fo wichtig ange-
kündigte. Fhilofopfaem, ift gleich vohl dem Makrobias
( SüU 1 9 Z3 } entwandt wordin.
xVIERTJER BRIEF. - a^
O des tmvergleichliclien Mahiles» der «Bf die
Träume der Grammatiker , und auf d!e noch tbö^
richteren Erfcbeinwgen der Heueren MythologenL
vor Seinem Herman» , feitwärts ;Iierab2iiblickeift
fich anmafst! Ans dem verfchrieenesi Trödel der
alten und der neueften Grammatiker 'bepackt ec
felbft in aller Stille. feinen Yef trauten, erfindet
ihm für den bisherigen Namen Aüegorii dir Päbelm^
den prächtig ins Ohr tönenden : JPJdtofopkema dtr.
Mythen! und kömmt dann mit glek:hgiUtigec
Miene wie ein Fremder auf den M^kt, um dio
verlegene Waare als neumodifche za empfehlen»
V. ,-
lljine fo erfiatmliche Bekanntfchafl: im Innerften
der uralten pelasgifchen , orfifchen, pfaöniciibheo^
Sgj^ifchen Religionsgeheimniile , womit Herr'
Heyne vor feinen Lehrlingen fleh brfiftete.| hitte
doch wohl durch einige Belege follen gerecht*
fertiget werden ; 2umal er fonft mit fchimmem«*:
den Citaten ganz und gar nicht zn kargen pflegt«.
Schämte er üch , felbft vor feinen Lehrliiigen, miX<
SSeugen hervorzutreten y die Jahrhunderte jünger
als Homer, theila für abfichtliche , Umdeuter,;
tbeils für leichtgläubige Träumer bekannt, tlieUa.
des frommen Betrqgs.mehr als verdächtig find?
Wenigftens, als er in der Vorrede des Lehr-*
bochs feinen Gedanken^ dieMjj^tbdlogie vernünftig'
tm ter fiigt, ^eiib«batid«ltt, der Welt vorlegte, ymt
wr Über die Quellen jener vorhomerirchen Weis-
lieit eine franke ErkiSrang fcbuldig« Denn Tchie«.
nen die BrÜonlein des niyftlicfaen Erkenntniifes
fkm Mcht, oder mit achten Adern verfchTitteter
Urquelten ^vetmircht; to miifste die Läuterung
lier myftifchött Wbfel, ^10 vieHeicht ihren Mann
iBrforderte, bäßg vorausgehn vor den Fabeln des
liomerirchen Zeitalters«
Aber obgleich die Worte, Httefle Philöfophii,
P^arfteMngsarien der alten Wtlt^ Keime der Reli^
fgitmsbegriffe WffdPkUofophief faieund da fchallen;
fo nahm fich der Vorredwer wohl in Acht, feine
«igene Vorftellungsart hierüber zu entwirren.
.. Erft da der aweite Band des Mythenbochs,.
tS^ mit den orfifchen Hymnen anfingt, ihm das
Wort abnöl;higte, liefs der fcblaue Vorredner,.
mir wie im Vorbeigehn , nur gleichfam zut £nt-
Ibhuldigung des Herrn Hermann, dafs er den
alten Lyrikern folcherlei Hymnen voll nenplato-
nifcher Philofopbie vöranJchicke 9 £ch folgendes
verlauten:
' «Die orfifche :Hymne ift freilich ein fonder»
««baresGemifch. ßs liegt alte kQSfnogonifcy Fabel
«ÄaiÄ Grunde; das ift nicht zu leugnen» „ — *
Ulan fei doch fo gut, es ja nicht zu leugnen!
Sönft wird er böfe, und — fchweigt ! — "Aber
<f es ift ftoch fHfkr ffäUre neujpta^ifcke Verfiel^
FÜNFT&ft BttlSF. 31
''/Migirartdarintien kenntlich. ^ — Ei wirkHch? —
<< Manches fcbeint aus giwijfen Jnitiin entlehnt
** zu fein ; und obendrein FotksnUgüm und Super*
"flitum eigner Art. t, — Wie der Mann ahndet!
Zwar: au^ gewijfen Imtum konnten w^ auch
wohl rathen; das tragen iie an der Sdme, die
Hymnen der heiligen BrUderrchafL Aber oben«
drein J^olkmBgion eigtuer Art^ und SuperßUkm
[yr^ mag das noch befonders fein?.) wiedemm
rigmerJrt: daftehtmeinVerftandftille!— *«Wir
'* würden fie tiuf virdorbeue pUti>fophifchi Fahl
^< nennen.,, «^ Woraus der Ahndende fo viel
ächte Philo(ophemts der altkosmogonifchen Fabel
herausahnden darf> als in feinen Kram dienen!
Wir andern nennen üe lieber tinezu altir Myflik
gefabelti fuui Phihfopkk. — '' Der Vcrfaffer ift
« ti^eit entfernt den orfifchen Hymnen, die wiruock
^^katen, ein hohes Alterthum an^uweifen. ,» —
Die wir noch haben! — *^Aber die Idetn, tim
^ ThHt weuigßenSf fei aue aUeunrfifcheH Myfiertem
^^abgiteitet.^fr- Da ift das Loch! da will er
darchfchleichen! Nicht die Hymnen der frommen
Betrieger, die wir noch haben, nicht die hiUt er
fOr alt! Behüte! Aber die Ideen» — auch die
tucht alle; er IXikt fich handeln! --* einTfaeil we«
nigftens, nur die unentbehrlichften zu einfachen
Philofophemchen, dünken ihm aus alten orfifch'en
Uyftehen^ niobt etwa ^|eiLQß!esk, neui nitf ferne
3« MYTHOXrOaiSCHER BRIEFE U B,
het ableitet ! Freilich mit alferlei trüben Zaffizeny
die Ab«' ein geübter Interpret durch einen fimpel»
Handgriff darch ein Fiat, fcheidet und klärt. —
*<Eiae gewifl« FWg« wm Vcrfi^rngsart iäfet fich»
t^auch n^ch den Spuren, die poch ver Piato*t
*^'Zeittn her vctrhaadeÄ find, auffinden, „ -^ Ais ob
Er jemals im Ernft Jene Spuren verfolgt hätte!
ImErnft, fege ich: nicht um «ufeufinden, was
man fucht; ftmdern äu fuchen, was fich finde»
Als weiffagender Barde und Götterverföhner,
x^rie Thamyris, Mopfiis, Melampüs, wird der
Thracier Orfeus, ÄWar nicht von Homer, aber
von Pindaf ^Pyth 4, 313)» Aefchylus belmAri.
ftofanes (ra«. 1064), nnd Pherecydes belmScho-..
liaften des Apollomtfö (i, ^3) genannt: wahrfcheJn-
lieh ans Klteren Argonaatikern; denn Pherecydes
behauptete^, Wie gegen ehie herfchende Meinung,'
nicht Orfeus fei mltgefchift, fondern Phitemmon,'
der dem Schollaften tiomers (/f. ä^ 595) Vater
des Thamyris ift. Eben fo frith ftofsen wir auf
eine geheime tiefellfchaft von Orflkern. Herodot
(fi, 8^) «neidet, e\n Geweihter der orfifchen und
pythagorifchen Orgien dürfe nicht Iti wollenen^'
Gewände beftättet werden, wovon man eine h«t
lige Sage habe/" Plato gedenlct Xleg. 6) des orfi-
fchen Lebelis, das der Flelfchfpeife fiöh enthalte ;
und iCratyU) der ferklärung, daß d-wjaÄ,' der Leibi
den Kerket' der Vü&e&deh Seile andeute. Bei
FÜNFTER BUiEF, 33
Eoripldes K^lRf^oL ^953) ftraft Thefeni den
FrSmmImg, c^jr als Diener iles Orfeiis, mk
feeltofer Nahra&g fich bläht, ond in Verchnuig
dufifljger Forflielti fchwärint, laber den Lüften
fi:$hiiet. Schon jeet alfo mtcbten die Orfiker
Anbruche auf hohes AUberthurm, welche Eiui«
pides^ wie »lehfereii Wahn, .9ia£ der Buhne hin-
gehen lie&k Schwk'imende GehrJCuche verräth
auch der Ausdruck des £uripides (flic. 1267^
da&.DiiHsyfos bei den Thraciem weiflage: weU
cbes der Scfaoliaft auf da« Orakel des Orfens be«
Kidit; wofelbft der Dichter iAlc.^^ Heilungs^
mittel auf tbrakifchen Tafeln kannte, die Orfeag
der AltQ fchrieb, und die (^CgcU ^a) nntef
andern in Befchwl^rangsfort^^ bdcandeo, hxuk^
Werke von Orfcus nennt bereits Plato i^[on\
mit denen des Olympud und Thamyris, fogar
(ri^. Ä^ ein Gewühl Von Büchern, wonach dl6
Oriäker ihre Entlundigungen beforgten. Diefo
waren es wohl,, die J*an)bBch (üi^. Pytk. 34$
in dorifcher Mundart gefchrieben ä1i fein Ver-
fiebert* Aber fcbon AriftpteWs {mim. I, §•
gw. anim. d» i) bezeichnet fie als fogenän&t^
orftfche Lieder}, und nach Cicero tiMtdewt. Ty38)
leugnete er^ wie Dionyfius beim Suidas, die
Aechtbeit des Dichters Orfeus, und erklärte föf
den Verfaflet eines orfifchen Gedichts den Py^
tbaugoräer C^kojKs. ..Von md«re^ ^phpften^
C
^4 MYTHOLOGISCHER BRIEFE !• B,
tfie bis in die (l)Äteften Zeiten fich vervielfSltig*
ten> und Lehren» nicht nur der Weltweisheit>
Ibndern endlich (bgar der Bibel , f Ör orfirche
Ausgaben > werden mehrere Urheber bei den
Vorgängern des Suidas genannt» Daher eben
das verachtende StUifchweigen der Alten über
diefe Trugfchriften, bis zur Geburt Chrifti hin*
feb: däKlemens, ein Bewunderer der orlifcheÄ
Weisheit, filr ein Vorbild Homers (ßroin. 6
f. 618» 628) tind des Weltwei&n Heraklitus
(^i «24, 629) deh Aiisfehreiber derfdben zu
halten würdigte, und Athenagoras Oegat 15)
Inlc de» Märtyrer Juftin (tohort 16) noch
mehtfere aus Homer entwandte Verfe für einen
Eaüb des ^ten ttöbnfr» anfihn.
* Vielehe folge von Verftellungsart wäre hier
aufzufinden, die jenen nach uralter Allegorie
fpürenden Wunfch begünftigte? Wir finden, nur
wandelbaren Betrug, der fo fchlau nach jedem
ftetfchenden Winde fein byftifches ißewand zu
hängen wufste, wie in' irgend einer anderen
der pfäffifchen Öefellfchaften*
V ^«Di6 Schriften find* neu, ab«f die Ideen,
«ium Theil wenigftens, ftammen aus den alte-
«ftett. Myfterien tier Pelasger!\, Da diefeti
Schleichweg Herr Heyne einmal beGcbt hatte;
fo'konnteeifi freilich 'nicht mi^bil^en, da& fein
Grfgiti Hermdtin auch des DioDjrfins Hymnen
als Gedichte des lyrifcheii Zeitalters voll araltef
Philoropheme auszog ond abhanddte; ond dalSi
er obendrein and den Allegorien der Gramnuitiker
fo viel herauswitterte 9 als ihm nach Schimmel
des Alterdiums roch. Nur biftteo die beiden
wackeren F^orfcher anch ifar^ Phnrnnte nnd
Mofchopule eben fo ehrlich nennen, nnd gegen
die Hymnen des Kaüimachoa nnd des Proklot
nicht fprCide thun foUen«
Ift es XU hart, auf den Herrn Heyne din
trage des Gkero anamwenden: Ipfim mraif M
alias tnM ßrranf
VL
Still mir, ftitU Ich weirs ja, ^ie gern Sie alle«
amm Beften Icefaren^ tind liebe Sie dämm nicht
weniger; wenn Sie anch, was den gutm&Hgeti'
Pomponen^ leidht 2n begegnen pflegt, vor Gifer
den einen Theil 2u befchönigen , den Gegentheil
nnverfehns krankten* Nicht darin befteht ja die
Anklage, dafs ^der Mann nichts erfunden hat»
Wer konnte Ihm das zarnnten? gefezt anch, er
lebte nilcht in defm litteraHfchen Saifs nnd Braus;
wovon Sie ein*fb rbkrendestjenxfitüd^ entWerfta;
36 MYTHOjLOaiSCHfiR BRIEFE t. B.
Nein > dafs er , cht» mtht als ein paetr teüfcheüd^
Benennungen fUr veraltete Irrfale erfunden zu
haben /fich felbft als Erfinder einer wichtigen
Kenntnis jiusrief und ausrufen niachte^
Herrn Heynens Abftüfuttgeti: Homtifchi
Faheln, lyrifche Uni iragifchi: Wollen Sie alk
allgemeine Bezeichnung der Zeitfolge Verftehni'
lind dem Herrn Hermann die Schuld aüfWslzen>
äafe er .für Fabeln de& homerifchen Und hefiodi*
fchen Zeitalters nur fchlechtweg die Fabeln aud
Homer und Heii0dus> und ^Ur faj^n au^.der
lyfifchen Zeit, nur die >au^ d^n g^dammellieil:
^rucbftUcken der Lyriker, gegek^Mbew- .-^
Zu geben Verrpröchent fagen Sie! Denn
Vollftändig gegeben hat er nicht einmal die
Fabeln aus Homer, wie v/el fremdartiges er auch
mit der Schaufel fafste» gefchweige aus Hefiodus^
3eiden fehlt z, 'B> Päeon oder- Päon, der ahJer
von Apollon verfcbiedeae Götterarait, WQVpn. enj
CS« 25) kaum im Vorbeigehn . redet j beiden die.
Argonautenfahrt djirch den Faüs in den.Oceanus»
und durch den Triton ins Mittelmeeit^ di? fri^i-
Ijch > wie mehreres der Art , einen nac])denken<».
den Sucher erforderte 5, dem Hefiodus die Heftia,
obgleich üe in der Stammtafel des, Kronus ver«^
fai^ii^efi wkd, ja felbft die Latona mjlt ijiren Kin^
dero. . Pas köqnte noch.Jung^heii« . Aber» dafii,
Herr Hermann dit fXmtUcben Tragmente Hefiods»
die fo zahlreich srfs wichtig für Fabel und Erd«
kundef find» v^rnachtüiSgte $ das ift tsu arg. Im
Aösziige der homerifclien Hymnen, deren Aker
ihn nichts sttifkht, fehlt die Abftammiing der
Selene, im ©l-fees ihre Tochter Pandeia, Prla-
pu5» Adrofte^^ Doch wer wig fo etwas auf-
fttche^ ?
' Dem ungeachtet fbltea Sie dem Herrfi Her-
mann nicht Unrecht thun. Er verdient noch
immer das Lob , das ihm lein Lehrer in der Vor«
rede ertheilt» jenen Gedanken ans der Lefarihinde
wohl gef«^^^ und fogar» *i0Feiter gedacht za
Iiaben»
Der Lehrer, nm (feine Wledererifcheiiinng vor
dem zweiten Bande des Mythenbuchs zu ent-
fchnldfgen, veri5)r?chb uns für di<psmal mehrSe*
eeni^on als Vorrede^ Mit Uritifbhem Ernfte blickt
er auf den vorigen Band zurück, und bekennt^
dafs ihm die gefammdten M3^hen aus Homep
Hnd Heiiodus auch keinen Wunfch übrig lafTen.
Eben fo ft'renge beleuchtet er dranf die vorlie-
gende Mythenfammlung aus d^n Lyrikern, be*
klagt nur dabei die Dürftigkeit diefes Zeitalters
gegen das vorige,, weil^ ja aus der lyrifchen^
Diditerklafle fi> gar wenig anf un^ gekomjpc»
M\ mü £bhftmt ^ ficb felbft zu verheUen«
Ca
38 MYTHOLOGISCHER 0RISFE l.B.
ix^elcbe unabfehbai^ Menge, von Fabeln ans bei«
den Zeitaltern die Bruchf^Ucke anderer» z^vt^
Theil der felbigen , Ücbriftftell^ nocb darbieten,i
Bis zu den Lyrikern nun» meinet er, fei da«
Chaos gebahnt; die Fortfezung werde nnsver«
mutlich in die Fabel der Tragiker vi^fezem
"Vermutlich nicht! „• fagt auf der anderen
Seke der Verfafler» der bereits Unrath merkt«
<< Voraus fbllen gebn die Fragmente derfilteftea
<« Dichter und Gefchichtfchreiber , namentlich
f^des Stafinus, Arktinus, Lefpbes, Akufilaus,
«^Hekatäusy Pherecydes» Heilanikus und anderer^
<<Selbft den in diefem Bande gefammelten My«p
<*then der Lyriker hätten fie vorgehen foUen;
<< manche wtlrden dadurch mehr Ucht erhalten
*< haben, „
Ja wohl 9 ja wohU Mehr Licht, und eii|
ganz anderes Licht hätte die gefamte Fabelknnde
erhalten, wenn er einfach nach dem Alter, aber
voUftKndig, fie abgeftuft, und die Allegorie dea
späteren Umdeutern gelaiTen hätte! Mit wie
jTchwerem Herzen mag wohl der arme Mann»
da er das fchon fühlte, nicht nur auf jene wich*»
tigen Fragmente, vor allen desjenigen, den er
«US Scham nicht einmal nennen mag, des Hefio*
dus, zurtickgefibhaut haben; fondern, was noclie
mpfindiicher war, auf ein gaiu&ea «i^fphca (3»ir
/ /
SXCH5TEK BRIBF. 35||
dicht des lyrilchen Zeitalters, die orfifehe Ar«
gonaotik, die er beim Ausziehen der orfifcben
Hymnen beftändig in der Hand führte , mid .
dennoch , weil der ausgeworfene Gedanke feines
Lehrers nur Hymnen und Oden zuließ » nage*
nuzt aus der Hand legen mufste ! *
Vermutlich, weifsagen wir aus dielbm reo!«
gen Bekenntnis, giebt Herr Hermann deraifift
eine v^illige Umarbeitung, feines durch Irrldife
misleiteten und Übereilten Verfudis. Wenigftens
lä(st fleh Aicht abfehn , wie er fein verzogene»
Spiel, ohne auf allen Seiten gefcbb^en zu wer«^
deQ| fortlpieleu kann«
Was wir doch nachUfilig find ! Jener Gedanke'
ans derLehrftunde, dafs, um urQ)rtingliche und
umgebildete Fabel zn erkennen, man di4 ZHt^
folge der Erzähtir beobachten müfle, war ja
von der Zugabe begleitet: auch die rerfchiedm*
hnt der Dichtarten. '^Mao mUiTe niclic alle^
*^ Zeitalter 9 alle Arten von Dichtem 9 mit den
^'Einfällen der Grammatiker in eins werfen. „
Vielleicht wird es weniger darauf ankommen
da& die Lyriker fpiCtere Erzähler, als dalk die
C4
40 MYTHOtÖGISCHER BRIEFS I. B.
gitteren Erzähler zamTheü Lyriker finrf: Lyri-
ker, die vielleicht durch höhere Bcgeifterong
und Kunft die rohen IWährchen der bomerifchea
Einfalt mögeD geftubert und veredelt habe». —
Wahrhaftig* Hören Sie, wie Herr Heyne ift
fe: erften Vorrede ficb darüber erklärt»
**IKe Mythen haben freilich eine andere Ge^
^Rtit gewönne» , wie ße , bei der Ausbildung
^iind Verv^nkommnung der i>ich,tkufift » voo
•'.Dichter» beliandeh wnrde», welche fbhoQ
^Grundbegriffe vom f^efenttkhm 4er DichU
^kunfit vendem Eigentiiümlkken jeder Gattung^
^*uh4 Grundregeln vom Schonen wei Gefääigen^
**gefafet hatten, ,>
Armer Hon;ier! Der will dich beratisgebea
Uod erklären , der dir nicht einnml Grundbegrifft
W!» ^ef entliehen, der Dickümß läist ; der weder
deine Erdkunde , deine Begriffe von Erdkreis,,
Himmel und Unterwelt, verfteht, noch deine
Fabeln , poch die Einrichtung deiner Häufer,^
noch die Anlage deiner Gedichte, noch dieWörde
des Vortrags, die Tonart, die Gedankenreibung»
Shre Umfaffung und Rundung, den Versbau»
noch — ich weiß nicht, was er deryi eigentlich
▼erfleht! Er hat dirs lange gedroht, und die^
Drohung durch feine Herolde in alle vier Winde
•Qstrompetet! Noch neulich hüttsn wir jemaxiid»
«lEBfiNTTKR BKISK' ' 4f
'tet, wii^ iem Darios ftin Sltbive; Jfertf
mentot zurief, die ErftHIang dt9 Worts dem
großen Manm (fa drückte er fich a«s) m ikt
Gewiffm fcholL Jihex tröfte dich; noch bum
leb die Finger rUbrea^
WiV HBterbracben den Herrn Heynes Durch
die ^usbildiiBg^ alfi> ond VervofUtomiBRBng der
Plchtkunft , Bach dem rollen Waldfltoger Homer»
vard die Geftalt der Myäien verXxiderU VtH^
ging das zu? Antwort;
(<Da d9s Bkktergtnit Gegi»ßän(U verfangt
^^die einer Diehterbehandiung oder einer duiM^
^fclun Ausbildmg f^big find, nn«! eine Sprache
^«bedanf» welche ^niiiic/K Dai^fteUnmg befördert 9
*«fo ift eine ZaW Mytben in Dichterfabet über.
*• gegangen, weit fie znr DichUrbehan^ung
*' vorzüglich ge(bhickt war; und in die Dichter^
^*fpracke find mythifikt Bilder %ni Ausdrücke
"aufgcnonunen, verpflanzt und fo eingew*urzelt,t
**dafs fie nicht mehr auszurotten find» ,>
* Beim Himnie}! was M das? Nach Homer,
da man erft fühlte, was für Gegenftttnde und
was für eine Darfteliung die£Mchtknnft erfordere^
kamen nene Mythen in die Diditerfabel, und**
neue mytbifcbe Bilder und Ausdrücke in die^
OicbterTpra^?' Zum Beifpiel? In der zweiten
C5
4^ MTTHQJtpdIßCHea £rRlfiF£ ;. B.
l^Qr^ede ^ivi.der Punkt noch - einmal «bertihrt;,
4i3t wird uns w Licht anfgeb«tw
*<D;e Behandlungsart der if'abel durch die
** Lyriker Ift diejenige, weiche den lieber gang
•*zu der dramatifchen gemacht, und grofse l^er^
*^ändef^ngm in vielen Mythen veranlafst .hat.
*'Lifrifche Begeiflerungf Gßng dfr erhöhten Bifh
^^bildmgskraftf Regelf Naß und Zwang der
.**lyrifchen Poefie, .das Lokale und d^s Ferfänlichjß
«in Beziehung auf Götter, lielden» Sieger^
*♦ Opfer- und gottesdienftliche oder Kampffeier*
^^lichkeiten , lenkten den Dichter auf eigne Ab*
^Snderung und Behandlung der Fabel« Die
^ Fabel fängt nun an, imnier mehr und meht
««ein blofses Dkhtermateriak zu werden« »,
Sind Sie Uttger geworden? Ich um kein
Haar! So viel glaube ich ungefähr eins^ufehui
dafs bei Lyrikern lyrlfche Begeifterung z\x fein
pflege, auch Gang und Flug und Schwung der
erhdhten Einbildungskraft, und wa3 der Redens*
arten noch mehr ift; eben fo wohl Regel des
begeiferten Gangea, wovon Ibibft Dionylba die
taumelnden Dithyramben nicht entbindet; gen
w<^hnlicb auch Maf& der Strofe, und Zwijing den
Verfes, nicht minder Lokales und Perfönliche^
o4er Beziehung auf Ort, Qelegepheit und Per-*
ionen ; u^darch etwa eip PUidar, fo gut aU ein
Aotimachns oder Aefchylus» eine b^fendera
Stammrage von Lokris, von Aeghia» von Atheoi
eu befingen veranlalst ward. Aber wie daa
Eigenthttmlidbe von ii^nd einer Dichtart nicht
bloOi denTondeaGeßioges ftimme, fondem dit
gefangene Fabd felbft wefentlich nmündero ; wid
ein bekanntes VoIkamMhrcbenp je nachdem ein
Pherecydes und Hellanikus in gemeiner Rede e*
erzählte, oder ein Epiker nnd Hymnendichter
Im Hexameter, ein Mimnermus nnd TyrtSua im
elegifchen Verfe» ein Pindar nnd Archilochnt
nnd AlcSus nnd Sappho» bald ftOrmirch» bald
(anft, zur vieltönigen Lyra es iäng, immer
anders und anders, im Inneren fowoU als im
Aeufseren^ erfcheine; und wie dennoch drei
Abftufungen, epifckt tyrifch und dramatifck^
alle VeriiQdemngen, zugleich der Zeitfolge nnd
zugleich der Dichtarten, urnftifen: ** diefe
unbegreiflichen Dinge, wovon mir der Kopf
fcbwindelt, wird der Belebrer mit fidi felbft an^
einander wirren, und fich inswifcben wie der
fprucbreiche Sancho tr£U(en, wenn ihn» dhr
Worte den Verfiand Überliefern i Ihr verftebt oddi
idcht, «her der liebe Gott verftebt mich!
Der Mann hat iKuten gehört, aber nicht an«
ibblagen gefebn. Allerdings wimmelt es von
Niuerungen der i^Abel in dem Zieitranme swlfchejR
44 Bf YTXK>XOÜXSCHER BRIEFE: I.B.
^wJfchen Hefiödüs und den Tragikern ,* deti* er
vom zufällig größeren Nachlaffe der Lyriker
den lyrifchen zu- nennen beliebt. Viele der
Neuerungen kennen wir durch die Lyriker, viele
äuroh andere Veberbringer, Wer nahm tyrifehe
Fabeh je in anderem Sinne, als ruflifcben Thee^
beynifi^he Interpretation» oder Shnlicbes Tran^
fitogut?
Durch Irren , durch kühnere Fahrten und
Landhandel, wurden neue Küften, Meerbucbten,
Seiche tpit neuen Volksfagen bekannt. Der Welt
Enden zogen fich zurück. Die alten Weltwan«
derer, die Argonauten, lo, Herakles, Dionyfos
und die Helden von Troja, wurden jgeue Wege
zu neuen Abentheuern geführt ^ und mit
neuen Wanderern vermehrt. Gefelligerer Um«*
gang mit Fremden, da noch kein aus&hließendes
Heil erfunden war» mlA^hte Götter und Ge^
brauche. Rohe Stammgätter würden durch Ztt-
{älle zu Voljksgöttern. Hatte der Dichter die
Gottheiten meift ^urch Kräfte und Sitten unteiv
icfaieden: der Bildoer brauchte Abzeichen der
Ge&alt, Bezeichnungen des'> Gangs durch Luft
und Gew^ffer; er ward üppig, und that mehr^
Weltweife fUhUen in ßch felbil eine erhabnere
Gottheit, als' die Dämons d^r Akväter; fie
lehrten Vertrautere £m, d9S. Volk durch Uouteiw
SIEBENTKR BRIBF. 45
taDg> nicht ohne Gefahr» Priefter v^Snderten
ihr Ritual nach dem Geifte der Zeit; andere bil«
deten die G^itter zu Halbthi^ren» noch unge-
heurer^ als di^ der ansfchweifei;ulen Bildner, und
fiSherten fich den Profanen mit ungebetenec
EntÄiffefüng der fyniboli(chen Scheufale. Dcp
Ton der Zeit ward täglich verttadert, und hallte^
immer mächtiger und eindringender, auch aui
den Lyrikern. Doch Sie WüTen es ja, und Herr
Heyne bürt nicht»
vni.
Sie ge^en es mt^ den Vornehmen tjedanken det
Lehrftunde« def ein Chaos aufgeräumt haben
Will> dUch nuf als einen bieA)nnenen Ciedankett
zu Vertheidigeh. Doch bleiben Sie dabei, es
inüfTe noch ahders izulkmtnenhäng6n} ich m&ife^
bei dekh heften WüleH, die iSache» wie üe i&p
än^ufehh, doch noch irgend etwas überfehn
haben. Wie fonft to VieleÄ ^WÄckereh Männern
die handgreifliche HCüfchüng entgangen W5re?
Weil viele wackere Männer Wohl was andefei
SU thian haben, als jedem Kunftmache^ auf die
Fmger tn fehn. Weil Viele gar keinen Bemf
fttbleoy die SpielknCe aeo irren; nicht w^Q^gt
H6 MYTHOLCQtSCklBR BftlKFB I. B.
tiicb — verzeihen Sie, Befter! — gleich Ihfien^
Auf andere wackere Männer fich verlaOTen»
Geftehen Sie lieh nur, lieber Entfchuldiger:
es war kein Gedanke vom guten Genius» die
Fabel nach Zeitfolge und Dichtarten in home^
rifche, lyrifche und tragifche zu theilen, und
nebenher eine iaitpelasgifcbe voll Naturphüo*.
fophie aus berüchtigten Schlupfwinkeln ein*
iufchleifen.
Ein Lehrer, der mit redlichem Emft, jeder
Gleifse Von Herzen feind» nur Wahrheit zu er«
forfchen und zu verbreiten ausginge; htftte dafür
Ungefifhr folche Gedanken den befcheidenen
Lehrlingen In Gedächtnis und Hefte zu Meli
lÄvertraut: - *
«Der natürliche Wunfeh, ihr Jfiinglinge , da(s
<<erj[l die ältefte Geftalt der Fabel, und d^nn die
*<* allmähliche Umbildung gezeigt werde , fchelnt
^<euch wohl eben fo nacÜrlich ins Werk zu
^•richten. Ihr irrt, meine Kinder. Rlofs die
** nachgebliebenen Fabeln aus dem Zeitalter der
<* Homere und Hefiode s^u •fammeln und anzuord-
•*nen, ift Männerarbeit, Dafs ihr in eurem
*<Homer , in eureha Heiiodus , ddrch Hiilfo der
«♦Regifter herumwühlt, wie viel tdort Über jedeit
••Gott oder Helden, aus gemeinei* Volksfage
*M>der befonderer Dichtung, gefagt worden fei;
ACHTER BRIKP. 47
^iati ihr tins etwa ApoUons ganzen Anibeil an
**ier Handlung 3er Ilias, und die Schickfale des
^'OdyfTeus und aller Mithandelnden bis zn Iros
*<dein Bettler hinab atia der ganzen OdyjQTee» In
«nur längeren Regiftern vorfchaüfelt: damit \fk
<* wahrRch die Sache nicht abgcÖi'an. • Wir
•«brauchen und \i^unfchen eine Von allem Fi^md^
"artigen gef Huberte, aber ih fleh volliHCndTge
^Sammlung, nicht jQur aller bekaimteren Fabeln
"von Göttern tmd Götterföhnen, die" in den vor«
^«handenen Werken jener Slteften D^ter 6nt*
*»\(reder behandelt Worden, oder 2oAintg berQhrt
"und angedeutet; fotidem 2QgIeieh aller in allen
•'Brachftficken Terbörgenen» (b tn^le man denk
"tleiiodtis (felbft diefe noch» b Schande! liegen
«vernachteffigt!) ttnd fo viele 'fiiafa den nSchfteii
^^Zeitgenotkn und Nachrcbreibern d^s Hefiodus»
."einem KadfnQS> Akulllaus, EamelriSy Pherecy«
** des > und anderen , in deren erfter UmSndemn^
"die vorige Geftalt noch zo erkennen ift» z««
^eignet; wii^ brauchen, o merkt es, är kDnftI*
"gen Forfcher, eine voUftlCndige, mit tiefdrin»
"gendem Fleifs und Urtheil berichtigte und ^^
«ordnete Sarnndütig aller und jeder «Iteftett
"Volksfagen, atfch die ohne Namen der Urhebef
"erzählt, oder in alten Religionsgebräuchea,
"Götterbildniflen, Orakelfpröchen, aufbewahrt
^'worden. Diefe'miQ iosgefaa't «m allen, nuiü
4$ 1i{YT»[0:bpGI^CHER BRI^FJS un^
^^T-beU, wenig befuchten SckrifteÄ des Alter*
^^thuias*, vom fa^cbften bis 2utfi ]päte(ten h«rab>
]^<aiifzafucliea^ vom Rotte der Zeit -2urei^fge&i
''^ flach <km di^^len Gepräge zaeikexmen^ und
«jedem feiaf^idi «la^uweHenJ bedenkt, Fwun*
y^^Cf Welch ^^aen Mann ^ erfordere} Eisen
^^ Matm wahrlich^ .der bei forglofer fitufse und
^hiA^ngIi«hfrin> .weonaucli tiioht überfiulfigem
7*BHche^voiT-athv|, vieljäbrige Stetigkek ^mA
*^lMÜi^ gewandtes AtHidoagsverinägea, fet^^ea
^Scharffi5«f> /©röftbafte-, geg^ Scfaem.jofid
:<' Selbftheifc ^^jf^heode . Wabrhf itsliebe, ^^ä neht
f« als gemerpe fiegri^ vom. fortgimge derjgtie«
'««cfairchen Sittliciikeit, der Weltweisfaeit, ^eü
^<iKiYeitnerkt;<fp|rtrllckeBden£rd«- Dtid Öiiinnets*
^'kiHide> eioer.nocfa gap^ unafigebaiteteii^^ mi$
««felbft <ich heuctelfl^mcbtj) wepig bekaantoen
;.<WüreÄfc^/5t» die wohlrfnjf ebeR dje Aj:t zn
i^ergriiJadeii, fem., mischte ,: )af^-: yfMa di^fef ^lia»
.^verrcfaiedeoen, einander duppbkrevizeadeii, ftets
^sacwact^ndeii. SinwirkiUigep.auf Voiksglaub^a
!f<<»id Göttepdjeaft, tp fich vereiniget« Ords^ä
:>^ einer nnd der andere mich b^te, den ffieiAe^
«^viellc^cbt noch ^a fi^hwacbe , Darfi^ellnng , <J^
«'mit Mühe und Schweifs. 2i( eFobemlen> mit
ffAQSjdauren^ef: Kraft .anzubauenden Q^fildeiSf
f< nicht abfchreckte> fondern entflammte , zu
«^Vfeurigem. jSintfchla&p zu, kf^tg^ [hedsiQhtfyUfßf^
ACHTER BRIEF. 49
<' Ausführung ermunterte! 0 dais ich dleFrende
••erlebte, von einem meiner ehemaligen Zuhörer,
•*oder vielmehr Mitlemenden , war* es auch erft
•*als Greis, eingeführt zu werden in das gelobte
"Land, und die erften Einrichtungen des künftig
<< blühenden Staates, auch durch meinen Rath,
•^virenn gleich ohne thtftige Mitwirkung, lieh
" entwickeln zu febn ! „
Was meinen Sie, Trautefter? Würde einem
fo aufrichtig lehrenden Manne, ein Jüngling wie
Hölty, (ach er fank, ehe die Welt feiner
genofs!) fchon aus den erden Lehrllunden mit
Scham und Unwillen entronnen fein? (XJ. Mnf.
^783- St. 4. f. 344).
IX-
Wenn die Abtbeilung, homerifchf tyrifch^ tlnh
t/iaüfcht weder dem Urheber diefes Gedanken«^
noch dem Au^flihrer, fonderlich Ehre zu brin*
gen fcheint; wein von beiden gebührt unfer
Dank für die Mühe, dafs er jede Rotte Voo
Fabeln wiederum nach dem Lokale abfchaarte ?
Der Vorredner ahndet nichts gutes , indem
er diefen Einfiill in der erften Vorrede ganz mit
Stillfchweigen Übergeht, und am SchluiTe der
zweiten, für Recenfion ausgegebenen, mit
D
50 JMYTHOLOGISCHfiR BRIEFE I. B.
einer verlegenen Entfchuldigung, die nur nicht
tadelt^ ihn beurlaubt,
** Mythen ohne Lokal: Mythen von beflimm*
^*tem Lokal 9 in Europa 9 ^ßa, und Afrika. ,,
,Wie ordentlich, wie prachtvoll das klingt!
Der Verfaffer hatte wahrfcheinlich davon ge-
hört, diefe und jene Fabel fei durch befuchte
oder angefiedelte Fremdlinge eingeführt oder
verändert worden, diefe und jene aus einhelmi-
fchen Volksmährchen einzelner Gegenden ent*
ftanden. Aucfi erinnerte er fich, in feines Leh-
rers my thologifchen Bemerkungen , vorzüglich
beim Virgil und Apollodor; die pomphaften
Töne auf ifch: libyfche und Sgyptifche Fabel,
wo der griechifche Seefahrer ein Wunder aus
der fernen Aegyptus mid Libya erzählt hatte,
cyprifche Fabel, kretifche, ätoUfche, famothra-
cifche, — Warum nicht auch kolchlfche, eykld-
pifche, hyperborifche , äthiopifche?— mitwoli
luftigem Schauer behorcht zu haben. Gat^
dachte er, wir wollen fie alle nach der Heimat
In geografifche Ordnung ftellen.
^ Die Heimat zu erforfchen wird nicht da^
fchwerfte der Arbeit fein. Denn die alten Gott*
heiten des Weltalls: der Urvater Chaos mit fei-
ner Familie^ und alles, was die* Mutter Erd«
dem ilimmel^, dem Meere und .dem Täirtarus go-
JDf RUNTER BRIKF. 5I
babr, und die Gefcfalecfater des Oceanus nnd der
Titanen , auch Kronos noch , denke ich , mit
den SeiQigen: diefe gehören ja wohl dem Gan«
zen, und keinem befonderen Orte an. Wit
nennen iie alfo Mythen tJme Lokal.
Hingegen die jüngeren Götter unter demKro-
niden Zeus iamt ihren Sipfcfaaften» weil iie ge«
wohnlich die Ahnentafeln .der Helden anfangen,
können wir wohl mit den Helden und ihrem
Gefolge, felbft mit dem Bettler Iros und dem
trojanifchen Pferde, in Einen Rummel zujiäm«
men werfen. Nun fragen wir: in weichet
Gegend vorzüglich erfcheint der Gott oder Held
oder Bettler? und wenn mehrere Antworten fich
aufdrängen, entfcheidet der Würfel« Die ge-
fondenen Gegenden nun ordnen wir, wenil
steht nach Homers Welttafei» doch allenfals
nach unferem Cellarios; und wir bekommen
JUf/theH von bifiimmtem Lokid.
So erfand fleh ^ie finnreiche Anordnung,
welche im erften Abfcbnitt als artlos unter an«
dem die Hefperiden und Gorgonen, den Geryon,
idije Chimäre, die Sfinx, fogar die lemelTch»
Schlange, und den nemeiTphen Löwen, auch alle
Stromgötter der Erde, auch Circe und Aeetes»
den Atlas, und diesf ämtlichen Kinder des Kronus,
attfziUlltj aber fcboa aufzählend den güoft%9a
Da
51 MYTHOLOGISCHER BRIEi^E I. B.
Lefer zum zweiten Abfchnitte verweift, wo
^e felbigen Fabeln als örtliche in alle Weltge^
gendep herumgeftellt werden. '
Zwar möchte eine folcbe Anordnung felbft,
wie die Wahl der meiflen Oerter, durch Würfel
oder Glückstopf gefunden zu fein fcheinen ; da
z. B. Zeus nach Kreta, und zugleich zum pelas«
gifchen Dodona, feine Brüder Pofeidon und
Hades, jener nach Achaja, diefer nach Italien^
Welches Homer nicht kannte , feine Schwefte^
und Gattin nach Argolis, aber zugleich zu ded
Pelasgern in Samos , und feine Kinder hiehia und
dorthin , verwiefen werden.
»
^ ** Doch jede Claffifikation , „ fagt Herr Heynes
<'hat ihre eigenen Schwierigkeiten. IndefleH
<<wtu: der erfte und wichtigfte SchHtt vor allem
.^voraus zu wagen: dafs die Fabel nach der Zeit
**ihrer Entßehung und Ansbüdung geßellt ward^
** Vervollkommnen läfst fich die Sache leicht ,f
Wie fein der milde Vorredner die Aufmerft^
famkeit von dem, was der Verherlichung un«»»
ftthig fcheint/ ablenkt zum Glanzvollereh, deih
Erften und Wichtigften, das aus Seinen Lehr^
ftimden hervorging ! *- Und nun bereife Ein*
gang fand! <<FQr den nachdenkenden Gelehrt.
«<teB,,i ffigt er hinzu, ««müflbn fich nun eii^
NEUNTER BRIEF. 5|
<^ Menge Gegenftände in «mem ganz «mieni
^f Lichte darftellen. ,,
Ach das Vergnügen hierüber, wie folltft es
nicht fein zärtliches Herz mit immer regerem
Wohlwollen erweitem! Vor dem erften Binde
geftand er noch einige Mängel der Darftellung
iind des Ausdrucks. Jezo bemerkt er: <*dafii
<< durch die glückluki Uebertragung der attm
** Dichterbilder t Ausdrücke und EHmörUr in das
•• Deutfche auch einiger Vortheil für — Dichter^
^gefchmack und Dichterfpracke zu erwarten
"fei. ,, — Ein Verdienft, das unfer Kunftrich-
ter des Schönen, der (elbft Mufter der reineUf
edlen und zierlichen Schreibart im Römifchen
und Deutfchen aufftellte, und der die Meifter*
werke des Vaterlands in feinen Gekkrten An*
zeigen von jeher mit dem feurigllen Eifer bewill«
kommte, nach feinem erhabenen Ideal» fehr
wenigen Uebertragungen alter Diehterbitderp
Ausdrucke und^ Beiwörter in das Deutfche zu^
erkennt
X.
C^in brauchbares Handbuch znm Nachfchlagen
Wenigft'ens möchten Sie doch gern an Ihrem
Hermann befizen? Ich (ehe, Sie haben ilm nodi
A gebraucht
I>3
54 MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
* Ihr Vorwurf zu ftrenger Gerechtigkeit, die
an ÜDgerecbtigkeit grenze, nöthiget mich, Sie
au einem kleinen Spaziergang darcb diefes —
Schtarafentand einzuladen. Welche Gegend
folls fein? Nur den Bezirk der MShrchen voa
Ithaka, ,wo doch wohl nicht die häufigftea,
Nachläffigkeiten zu vermuten find, laflen Sie
uns fltlcbtig dorchgehn.
Gleich Anfangs wfrd des OdyfTeus Mutter Aö-
tiklea an vier und mehreren Orten (S. 306-308^
364, 276) Euryklea genannt. Von Laertes
darauf wird alles und jedes^ was ihm die Odyffee
nachfagt,. als. Mythologie erzählt^ auch wie er
xulezt gegen die Aufrührer fich gewafnet: nur
feine entfcheidende That, dii Erlegung des Eu^
fiithis, wird iftm entzogen, und S. 336 dem
Odyffeus gegeben. Dann werden S. 308 - 33^
als Mythologie, die rämtlichen Thaten ui^d
Schiekfale des Odyffeus aus Homers beiden Ge«
dichten, und, fo verfchieden die heiiodifche
Fabel auch ift, (denn hier erfcheinen bereits
Latiner und Tyrrhener)« zugleich aus dem Hefio*
dus, mit der fteiffchöfsig - galanten Redfeligkeit
•eines Benjamin Hederich, auf das allerumftänd«*
.lichfte an einander gereiht; ungeachtet bei d^
Muftemng der tbeilnehmend^n Perfonen , die dem
llufterer alle zur Mythologie gehören 9 alle md
• ' ZEHNTER BRIEF« 5J
jedeUmftSQde der homerifcben AiuUIdiing, um
den Bogen 2U füllen, von neuem, und wieder
iron neuem» bis ins kleinfte verfolgt, und zalezt
noch einmal im Regifter, wiederum bei jeder
Perfon befonders, aufgezählt werden» Diefer
jDxilcbftrömenden Fülle, wenn ich laSea überlas
So überfezen darf, wollen wir etwas Kahm ab»
fchöpfen.
^* Nachdem Ulyffes (S. 320) mit dem Kllen
•*der Bäume zwanzig Tage befcbäftigt gewef^n,
*« verfertigte eriii vier Tage» das Sctuf, fo weit^
*<dafs er es — t in See laffen konnte. „ Ein treff-
licher Baumeifter, der feine Zelt einzutheilen
verlieht! Homer lagt: Nachdem er zwanzig
Bäume ^gefällt, verfertigte er in vier Tagen den
Flofe. Herr Hermann erzählt weiter: "Den
<< fünften fegette er mit günftigem Winde, mÜ
<<allen BedürfnüTen von der Gt5ttin verfehn, nOt
<< welcher er den Nauünous und Naufithous ge-
«zeugt hatte (HeC Theog.' loiÄ), ai, Co dafs
<<er immer den Orion zur Linken hatte. „ Den
Orion y der aufging und unterging, ipamer zur
Jinken? Homer fiigti die Bärin ^ die nach dem
Orion blickt,
Reiter. Den Vlyües in Bettlerg6ftaUi^
welcher, "nachdem der gleichfam 9riviliBg:irte
•^«Bettkr des ülyffifchen Haufe&i jIsc I^s» g^gea
D*
'56 MYTHOLOGISCHER BRtEVE I.B.
«ihn den kürzern gezogen, „ den Freiem die
Fackeln hielt (ftatt, die Leuchtheerde beforgte)»
und fonft noch allerlei wunderliches that
(S. 329): diefen Bettler Ulyfles befahl am
Abend Penetope in ihrer Gegenwart — zu bade»
UMd ihm Kleider zu geben. Ihm die Füfse z%
•wafchen , fagt Homer , und ein Lager zu berei-
ten. — Und ungeachtet Ulyffes, eä verbat
ward dennoch der Bettler vor den Augen der
Königin gebadet, wobei diefe^ nebft der baden-
den Euryklea, viel Aehnlichkeit zwifchen ihm
und dem UlyiTes bemerkte. Nach dem Bade
unterhielt er fich nochmals mit der Penelope»
und nun ward ausremacht: Die Freier follten
durch zwölf Axtgriffe hindurch fchiefsen ; oder,
wie es nachher helfst, nach den AxtgrifFen.
Dazu die Anmerkung S. 339: ^^Axtgriffe^
9r$AtKtc: (ich dächte xiAcxs/«): ^^vsAfxvc heifst ei-
'' gentlich ein Stab mit einem Oehre; weil nun
^'die Stiele von Aexten auch Löcher haben (wo
<' haben iie die?), fo hiefsen auch diefe TffAexfc,»
Der Herold SSedo» wird S. 336 und 35 r zum
TafitJHnger der Freier ernannt. Der Kelch oder
vielmehr der große Krug^ »enTne% worin Wein
«ic WaiTer gemtfcht wurde, fott S. 34Q von der
Rechten zur Linken gehn. Nicht doch; der
4M|fcbkragibmdmbewegt: aber der W^U^fcbeok
«EHNTEIt BRIBF. $J
ttdt der Scböpfkanxie ging 9wa^m^ frm dir
Linken zur RichUm, der glücklicheii VorbedeiH
tung-niregeiu Der Saabirt Enmaus heifst S. 352
ein Sokm der pbdmcifchen SUtvio» die sbn ans
dem vttterlichei;i Haufe entführte. Un() Phüöüns
fotl ein Hirte aal CephaUnn fein, wo er gleich-
"«röbl mit den Hoefden ^ flüchten denkt. Der
Mann weiis alfo nicht, da& Cephaiiene der ipM*
tere Name der grofsen Infel war, die damaU die
oefallentfche Samos biefs; Pbllötioa aber auf der
vorfpringenden Vefte der Cepballener, wo NerU
kos lag, die Aufficbt über die Rinder führte.
DoHos hat (S. 353) eine Frau, Namens Sicula;
der Ziegenhirt Metanthius ift Sehafhirt; und
Enryklia eine Tochter des Opus.
Vo^ der Ebrenfacbe mit dem gleicbfam pri-
yilegirten Bettler des Ulyffifchen Hanfes werden
S* 356 die merkwürdigften Ereignifle nachgeholt.
.^UiyiTes fchlug den Irus tu äim Nacken unter
*^dem Okre^ dafs der Knochen inwendig entzwei
"gix^g» und — (was denken Sie?) — 4ii
^ Zähne ausfielen. „ Das war arg. Bei Homer
fchlug OdylTeus ihm den Hals unter dem Obre,
äafs der Knochen zerbrach, und er, mit den
Zähnen klappend, zar Erde fank. Nun wie
•weiter? '^Dann zog er ihn bei den Beinen bis
.^an die änfierfte Umzäunung (Eine Mauer war
D5
58 MYTHOroÖlSCHEÄ BlUÄFE I. B;
'''es doch wohl, Odyff. jy,^ 067) . .-.. , oad
;'< hängte ihm eine Tafche am.,/ Was? äßm
Irus? Sich felBft, fagt Homer, warf er-djm
abgelegten Ranzen um die Söhidten - -}
■■ • ■ 'r }. ff*
/<DerfcbTOaufendeAeoliis(S.377), ein PiW
«der alles wegfreffehden Zeit j wie feine zw^f
"<• Kinder eine Allegorie auf die zwölf Monat»
'<*( welches altpelasgifche Dogma ein Scholiaft
«und der Herr Hofrath Heyne, Exe. ad Virg-
«Aen» I, bezeugen muffen), gab dem Ulyffes
«* einen ledernen Schlauch mit, ü^orin die JTinde
-:" vtrfcMojfen warm. „ Die Winde felbft fchwer-
lich; die baufeten an den vier Enden des Er4-
kreifes: aber den Zauberfamen der Winde, W\e
' ihn nach Scheffer auch die Lappländer in Beutel
und Schläuche cinfchliefsen. Alfo einen Icder*
»en Schlauch gab ihm Aeolus;, was ferner?
'<*Und welchen Schlauch Aeolus vom Jupiter
**<hatte, um die Winde fchweigend und blafendizu
^^ machen, ji Was denkt iicfa der Mann? einen
Blafebalg, oder einen Dudelfack? Und dies Werfc-k
ieug feiner Macht gab Aeolus weg? "Den
«< Schlauch band Aeolus dem Ulyffes mit einem
'•«weifsenfilbernen Bande, der woM feine BedetH
'^Hung gehabt, abtr der Himmel weiß welche, in
-«das Schif, fo daß keiner der darinnen' ver-
«fchloffenen Winde blafen konnte; ui^ dem
SEHtTTER BRIEF« 5^
'*' Schiffe fchtckte er nach feiner Lkktung (ie$
'^^Scbifies Lichtung!) den Zefyr ntcb.,, Mk
dtefem Zifp" tkxinf der doch wi^rcbeuilich aus
Weften biMft, ntStbigt Herr. Hemnanii' den
Ulyfles (S. 314)» von der liparifcben Infel
StroBgyle oder Hiera« der Refidenz des Aeolos»
wie der Herr Hofr« Heyne im gedachten Exknra
ihn gelehrt hat> Jkiiick mn Sicilien herum«
EDfabreo. *)
*) £s kam mir eipmal <fer Gedanke, dem Hejrra Heyae
und dtn Seinigen, denen die alte, Gengrafie ein Stof
XQ Tereinzehsa Prettanfgaben lar junge Mitbirger, dtr
Üu/ngkeit iehkn» auch cme Trtiifrage Yonoleges»
«le^ Inhalts:
Wtr, ^ne dit fabeU/afte Welttafil HwmtrT €HS ikm
felbß nnd anderen dunb ScbHiJJe s« fndeHy tttfi $ei tat"
gefahren Atßnzmgw der hifkinfihen <3iartt, die irr-'
fahrten djts Odyffens um SiciUen und halten fi km tr^
Harm verficht \ dafi der Hefdj ich will nicht figen^
tioch erßndkng^eteh , neiit, nar nicht mtklng fcheinei^^
dem beßinmt iihf anfief dem Verptügen^ meine müh*
fmen Verfuche in diefem Fache nicht hiafi durch Rath^
fondem durch Tbat niederznfihlagen ^ weh obendrein
eine framie. V9n hundert bolländifchen Dukaten.
Der Gedanke bclaftigte mich einen Aagenblick, nad
flog wieder weg» Wai, meinen Sie, varde Herr
Heyne gelthan haben? Ueber Inhumanität ^ oder, mit
feinem nrbaneren Liebtingsausdrack , über Rufticitatp
hätte er f>eiViüßg Eemurrt> und ich die Sache nidtt
' ' weiwr aftfijjghtieals&g» >♦ • < ...
^ MYTHOLpqiSCHER BRIEFE I. B.
Doch v^ir haben wobi beide genug, ßratrclie
Aen Schofel y wer ihn br(iuchen kann. Aber
fprechen Sie mir nicht von gs>n ftrenger Ge-
rechtigkeit. .
XL
hie find erftauat; Sie begreifen Dicht; Sie
können nicht glauben. Ich lobe .Sie , Be&ei^,
dafs Sie gutes fo leicht glauben , und nicht gutes
fo fchwer. Aber indem Sie den Mantel der
Liebe um eine thätige Innung ausbreiten , foUen
'.Sie auch Ihrem einfiedlerifchen Freunde ein. Zip«
' felchen laiTen 9 den Sie fo oft ihren wahrhaften
und guten genannt haben«
Rechtfertigen oder entfchuldigen ift für einen
Wohldenkenden ein angenehmereis Gefchäft, als
anklagen: aber nur mit Gerechtigkeit. Sonfl:
wird man Tbeilnehmer des BöfeUi und BeleidU
ger deiTen» der Böfet abwenden wollte.
Fttr den VerfafTer ift allerdings etwas» wo
nicht zur Entlbhuldignng» doch zur Milderung
der Schuld anzoführeA. Er tiberlegte doph, wie
fein Büchlein zufammen gekommen war» uqd
unterwarf es vor der Prefle dem Urtheil eines
: fachkundigen und ftrengen Richters» de^s Herrn
Hoftaths Heyne: den mcht w.enjger» jalsHor»-
kLFTER BRIEF. 6t
zens Quintilius, die edle Sekamf und die Sehwi*
ßer der Gerechtigkeit 9 die unbefiechliche Treui^
und die nackte Ifahrheit, zu ihrem Lieblinge
auserkohren.
Hpraz befchreibt in der Eplftel an die Pifonea
(V. 438) den geradedarch gebenden . Ernfl-,
womit er y vir bonus & pruäens, ein gutrr v^i
verfländiger Ma^i^f die Schriften feiner freund^
beurtheilte:
ilnmtüi» fi ^id rtdUftfi Coffige^ fodtf^
Hocy ajihatM ^ hoc. Melius U f»Jfe ne%ßr€U
Bis terfue expertum frußra ? deletf jubtkatt
Et malt UrnatQS incndi reddere verfuf*
Si deftndere deliäum qnam verttrt rkdles;
Nxl/iiifi idtra i;erhum^ am operam pmebat inamm^
ijnin ßkt rivtdi te^e tf tun filus amaref.
Venn dem Qaintiliat einer vas ?orlu: Beflere, Lieber,
Oafy crmahnt' er, and das« Kichtt beflcret, fprachft
du, erfinn' ich;
Denn zwei». dreimal verfucht' ich nöiibnft. Dann cflfi^
gebot er;
Und dat verbildete Verk aaf den Amboi« wieder
geleget,
yVtnn du» anftatt su ändern, den Fehl zn terthet-
digeu fnchteft;
Veder Vort nodiMfihe terlor er weiter, und lieridfcii
Frei vom Nebenbahler dich felbft amt dai defne bp-
wundem.
6fi MYTHOj^oaiSCHKIL BRZBF£ I. B«
' Der Beurtbeiler der Hermannifchen Hätid*.
ijBhrift verfichert ip der Vorrede zum crftea
Bande: <^ Er habe unbefangen ^ und fogar mis^
«^raai/cÄ, geprüft; aber bald fo Vitien Fkißp
«* fTahl und gefmdes Urtheil gefunden, da& er,
«auch bei einigen MBngeln der Darßeämgp
«diefen aufgeklärten rcrtrag der Mythologie,
<«\(rodurch endlkk einmal Bahn in einem cfer«
^^worrenen Chaos gebrochen ^rorden, einer
*^ öffentlichen Billigung nicht unwDrdig «chte. ,,
Was kann der arme Hennanh, dem, felbft
mit bietet ieffera an die Treuen des Zirkels, der
Beifall der Einfichtsvollen , wie er vor dem
e weiten Bande ilch vernehmen läfst, ganz aner-
wartet kam» was kann er daf Or, dafe fein Quin«
tilius bei nllzu gefälliger Laune war, «m ihm
die Handfchrift mit ariftarchifchen Randseichen
Verbrämt: Bejfete^ Lieber! — 7Ügei — Auf
den Ambofsl — oder mit einem allumfallbnden
Worte an der Stirne: Ins Fmer! «r- zurück«
rufenden?
Sein Qulntilius blätterte hier und da,* wir
wollen ihm gerne glauben, mit Mistrauen. Bald
aber, als ihn von allen Seiten, bei häufigen Er-
hebungen Seines Namens, fogar Seine eigenen.
Gedanken, Seine eigenen Worte, anlachten»
mu&te er ilch geftehn^ dais ein folcher FUiß «^
^es Nach - und Ausfchreibers , eine fo «lautere
Ifahl — des ftockgläubigen Anhängers, und
ein fo gefundes Urtheil — des unanmafsenden
BeKenners, einer .öffentlichen Billigung nicht
unwürdig fcbeine. Und was auch die Schantf
die unbßßechüche' Treue , and die nackte Wahr*
heitj dagegen flifterten; Qaintilius, ohne ein-
mal weiter zu lefen , &zt» fich hin , und fchrieb
dic^ rühmende Vorrede.
Gelefen hätte der Lobredner jenes Gewirr
von UnwiiTenheit und Unfinn , und alles , bis
auf einige Mtagel des Ausdrucks, preiswürdig
gefunden und tüchtig, durch Fleifs , durch Wahl
und gefundes Urtheil, zur Aufklärung der Zeit-
genoffen, 2um Bahnbrechen einer verwilderten
Wiffenfchaft, zum Ordnen und Ausfcfaaffen ded
tlten Chaos?
Unmöglich! Gelefen hat er nicht einmal»
. wohin' Selbftheit oder Furcht ihn zuerft führeQ
mufste, die aus Seinen Lehrftunden aufgehafchtea
Belehrungen über die vornehmften Götter, vidi
weniger die unerträglichen Auszüge aus Ho-
mer. Ja , nicht bis zur fechften Seite einmal
hat er gelefen» ^
Sie fehen mkh an? Den Bevreis nächfteas»
64 MYtHOV>ÖlSCH|C;it BUMFe I. n.
XIL
Sie (bllen felbft urtheilen, ob der lobpreifende
Vorredner auch nur das vornchmfte feines eige-
nen Beitrags, die Deutungen der grofsen Götter,
ob er auch nur bis Pagina 6 könne gelefen
haben.
In dem Gemengfei ^iber Apollo belibrt vmi
Herr Hermann aus feinem Studentenhefte , ApoWo
Smintbeus fei .vorgeftelk worden. — mt rine
fltaus. "Diefer Beinam^e, „ fagt er S. 274^
•* ift von dem äolifchen Worte iriuv^^Qf eine Maus^
«abgeleitet; und /0 wurde Apollo auch vorge^r^
^'ßeüet. — Alfo mufs die Maus ein eignes Sym-
••iol von einer Eigenfchaft des Apollo gewefen
f<fein. Fieüiicht hat etwa die M^ns eine Vor*
« empfindung von der Veränderung des Wetten^
"die mehreren Thieren gemein ift, und daher
««machte man fie wahr fcheinlich zu dem Symbol
«des Apollo als Wahrfagers. ,,
Das PhÜofophema gehört dem Herrn Hcyn^
oder einem älteren Zeichendeuter, der wahr-
fcheinlich mit wetterwendifchen Mäufen geplagf
war. Denn piepende Wiefelchen und Mäufia,
fagt AeHana Thiergefchichte (7, 8), . bedeuten
heftiges Unwetter. Daher könnte wohl gar das
Sprichwort; Er hat dett Kopf voU Mäufe: von
einen tSefahndenden Grübler entftanden fein.
Aber Apollo laie rine Mausl Das hfitte Herf
Heyne gefagt? Da traue Ich Ihrem Hefte, mein
Freund, wo Herr Heyne den fminthifchen Gott
anfitodiger tnittiner Maus aufftellet.
Unfer O** bekennt, dafs diefer Mäufegott
ihn 2uerft auf die Vermutung eines fehlerhaft
nachgefcfarlebenen Kollegiums geRihrt babe^^
Fad: mb'chte ich deshalb für das Symbol def
Weiffagung mich erklären» Nur dafs, ftatt der
Wetteranzeigen, welche die Maus leider mit za
vielen, und fUr ein Symbol von ApoUon zu
garfti^en Thiefen gemein hat, mir eine andere^
etwas tiefere Urfache aufzufinden erlaubt werdew
poch davon ein andermal»
Was meinen Sie? hStte def Vorrednef gedul«
det , dafs in einem zürn Bahnbrechen auserkoh*
renen Buche S. 45 dem Helios nicht nur die
Schwefter Selene 3u einem Mondgott Sdenn
(auch im Regil^er), und die Gemahlin Perte
zur Perfts (auch S. Spa), gemacht würde;
fondern Helios felbft ZU feinem Vater fiffpitiön f
Wenn Homer Helios Hyperion fage, fo fei der
Vater gemeint J und wenn Htlips allein , der
Sohn: dies habe Hom^erj^ wo ich recht verliehe»
in einander gemifcbt»
66 MYTHOt-ÖGISCHER BlilEFE X.B.
'Nimmermehr hätte Herr He3me das fteheir
lafTeb! Denn wer auch die Bemerkung der Gram«
matiker, das Beiwort 'T»«f««v gelte fiir 'rT«f/oviw
oder "T^rfff/ovilifc» m Sohn ByperionSf wie Moa/w
für MoA/ovf^ifC) ein Sohn der MoUone^ in Zweifel
zu ziebn geneigt wäre; dem verbietet es Homer
felbft durch OdylT. 12, 176, wo des Helios aus-
drücklich als des herfchenden Sohns Hyperions,
'jT8ft9vt3uo «vttxToc, gcdacht wird. Durch ähnli-
che Abkürzung fteht (IL 12, 117 und IL 17, 608)
tiivitce^tieio für Atvxa^toviixo ; uud nicht unhome-
rifch, wie Barnes fürchtet, wäre die Lesart
iktvMcxtmoQ 9 aus ^vKa^tovtuvo^ Verkürzt y die an der
«rften Stelle einige Handfchriften darbieten.
Sparen Sie Ihr Erftaunen; es kömmt hoch
befier« Ich bin ja Pagina 6 noch fchuldig.
Aus Ihren Heften der griechifchen Alterthü-
mer fehe ich , dafs Herr Heyne in feinen Lehr-
ftqnden die' merkwürdige Lehre vorträgt: **Ber
**den alten Pelasgem waren die Gottheiten alle
^nAt Flügeln verfehn; aber fchon Homers gelau*
*^Urter Gefchmack entledigte die .meißen der enU
**fiellenden Auswüchfe^ welche die Künßler mit
**der Zeit ganz verwarfen , und bloß einigem
^*fymbolifchen IVefen^ als dem Amor,, der ViSlo-»
^^ria, der Nmeß^f zurückließen. ,f
ZWÖLFTER BRIEF« 6f
Herr Hermann nahm Teinen Kiel, und fchrieb
S. 6. **Daher giebt auch Homer dem Merknr,
«'als Götterherold, Flügel (rdrA«f«), ab ein
"Symbol der Schnelligkeit. ^Aufser diefem aber
'<erfcheint weiter keine Gdttheit mit Flügeln im
** Homer, welches eine Probe des fchon gelÄu-
^'terten Gefchmacks des Dichters ift. Bewegt
**rich alfo eme andere Gottheit von einem Orte
«'zum andern, fo legt iie höchftens nur Solen
«'(vc^/A«) an (Oi. a. 102).», Soll heilseit
Od. a» 96. Und in dem Auffaz über Merkur
S. ia8 : "An. den Füßsen hat er Flügel (T«A«f«). „
Das'altpelasgifche Wort raA«f«, Fußflüget^
fehlt in unferen GlofTarien. Ein gelehrter Rei-^
fender, den ich deshalb befragte, erinnerte fleh
dunkel, irgendwo gehört oder gelefen zu haben^*
dafs es in einer bisher unbemerkten Abfchrifk
des Hefychius, welche ein weftfällfches Klofter
an der Kette bewahre, mit kadmeifchen Buch«
ftaben tTagt^tga, wie apaaat, gefchrieben vor-
komme. Aber ich mufs, wie der wahrhafte
Herodot von dem Tempelfchreiber in Saxs, hin-
zufügen: £r fehlen mir zu fcherzen.
*£>*•
Schon zu Homers Zeiten kann das uralte
TctAsfa nur noch in der geweihten Sprache der
pelasgifchen , orfifchen, fabazifchen oder famo-
thracifchen Myfterien übrig gewefen fein. Dena
69 HYTHOLOGISCHEIt BRlfiFC t. B.
Hottief befchteibt die Befchuhuftg def Athetlft
(Odyff. I, 96), der goldfpUgen Hefe (lU 14, 186)
^nd des Hernes (Odyff. 5, 44. II. 24 > 340)^
Völlig mit deü frfWgea Veffeü und Ausdrücken t
VT0 9F0&&iv i^ilfecto ^»ka xe^iXii.
Unvl unter die Füfse fich band er die Solett.
Selbft in dea orlilchen Hymtien^ rfi^ wir Hock
JiabeH, wie fein Lehrer fcharf finnig bemerke
linde ich keine refKago,
Homers goldejie Ämbrofirche Solch bdeS*
9r$iikx hatte ich mir im Aeiifseren gleich deti ge*
\^öhnUehen Solen der heroifchen Zeit Vorge»
fi^lH; nur dafs» wie diefe den Gang der Sterb«
Uched» fo jene die Luftfchritte der Götter durch
innere Schwungkraft erleichterten t
Ta iitv <pggov itfjtev t^* iysPi
*^ — ^ " ' ". — ; Vomit er über die Vf^affer
VnA das unet^dliche Land hinfcbvebt, ^ie im Hauckd
dei V^indes.
Auch die Wageö ün4 Roffe der Gottheiten fand
ich Von irdifchen allein an Pracht und übernatür-
licher Kraft, lieh in relfsender Schnelligkeit
durch Luft und Meerfläche dahin zu Schwingen,
^ 'nicht an äufserer Geftalt Verfchieden, ErÄ
• ZWÖLFTER BRIEF, 65I
(jle bildende Kunft, fchien mirs, habe zur Be«
^icbnung des Sbhwebena und der Schnelligkeit
^ngefögte Fltüge, bald an Solen, Haupt und
Schultern der GQtter, bald an ihrem Gef^anni
ibgar manchmal tragende Wölken, nöthig ge-
glaubt) und mit dem Fortgange der Kunft meinte
ich die Zahl der geflßgelten Götter nicht abneh*
men zu fehöi fpridern zunehtnen.
Aber was gelten da Meinungen und VorfteU
lungen? Uafer Bahnbrecher meint nicht, er
weifs, aus der Offenbarung der l,ehrftunde weift
er, fa gewifs ein Gläubiger wiffen kann; Die
rohen pjelasgifthen Götter hattrn gefamt und be-
fonders Flügel , und zwar zum Theil FufsflUgel,
die in der Urfprache ratKccgi^ genannt wurden;
und wenn der gefchmackvoUe JJomer feinen ver-
feinerten Göttern f ämtlich ««J/a« gi^bt, fo ver-
fteht er bei den übrigen fchlechtweg Solen, aber
bei Merkur FuCjflügel oder T«A*f «v
Indem ich über dies räzelhafte Ors^kel gedan«
kenvoU oder gedankenleer daa Handbuch durch-
fingere; fiehe da{ plözlicli erfcheint vor dem
Regifter eine S^ite Verbefferungen ^ und daruöter
die wunderbare Enträzelung:. "S, 6 T«Aaf?af foU
<«te/aH^ heifsen, ,i
0 Wunder! Alfo vermutlich ööch S; 138
Sn4 die altpelasgifchen r»?uifk nichts Weiter^ äill
Es
7P SIYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
die verfchriebenen tataria der Römer? Herr
Hermann fchämte iicb nur, einen fo groben und
. ungeheuren Spraohfcbnizer zweimal hinter ein-
ander zn beichten? Dera Sezer wird er das
plumpe Vergreifen nicht aufbürden. ' Denn
wenn der Verfaffer nicht T«A«f» für ein bome*
rifches Wort anfah, wie kon^yte er lieb fo ans«
drücken: Dim Merkur giibt 'Homer noch Fuß^
flUget (raAdt^a), anderen nur Solen Qmhx»')^
O Wunder über Wunder ! Der Lehrer auf
feinem Lehrftuhle offenbart feinen Lehrlingen:
Merkurs Solen fein bei Homer geflügelte Säten,
oder tataria; weil nemlich die Römer die pinnata
tataria oder geflügelten Fußfolen des fpäteren
Merkurs auch wohl fchlechtweg tataria und
ptantariaf Ferfenfchmuck , nannten. Der eilfer^
tig nachkrizelnde Lehrling tragt diefe tataria
als altgriechifche ree^x^» in fein Hefb^ flickt nach
Jahren aus dergleichen Lehrlingsbemerkungen
ein Buch zuGimroen, das wir als Hanäbueli tum
Nuzen und A^ergnügen üets bei der Hand haben
foUen, und fendet es feinem Lehrer zur Beur«
theilung. Der immer befchäftigte Lehrer er*
kündigt jGch blofs nach dem Geifte der Schrift;
welchen ^r kaum poltern gehört, da er die
Lofunggiebt: ** Ein Buch, mit Fleiß ^ Wahl und
VUrtheil gefchrieben! zum Bahnbrechen! zum
^^JufUaren! 99 Und in dem ganzen langen-Ge»
folge der Anhänger , die in allen Zeitungen das
gro(se Wort fuhren, ift auch kein einziger, der
entweder merke, oder fich merken laße, in wie
kothige Lachen der Bahnbrecher mit fich .und
feinem Lehrer hineintappe«
f Geht etwas über diefe Verblendung? Ober
diefe Schamlofigkeit?
XIIL
Wohl habe ichs gemerkt, Lieber, dafii Ihnen
die Entfchuldigang des mythologifchen Schleicb-
handels nicht ganz aus dem Herzen kam. Ihr
Kopf wollte ein wenig Mutwillen treiben; und
ich wufste voraas,, dais Ihr Herz es verzeihen
wurde, wenn ich Ihnen den leichtfertigen Kopf
ganziftuberlich, wie Sie iagen, zurecht fezte.
Sogar unter den erklär teften Bekennem, derea
Willfährigkeit neulich vom Herrn Heyne felbft in
der Vorrede zum Lecbevalier verhöhnt wurde ^)p
♦) S.XUL XW fagtHcrr HeyiK: "Von IVoodf Verfuch
'< über den Homer machte ich eine Anzeige in den
** Göttingifchen gelehrten Anzeigen. ^ Unfre Landi-
•* lente find es gewohnt , wen» der , Ton einmal •
** angegeben ift , in vollem Cfapr cinznftimmen. U^oods
«^Schrift vard nun überpriefeiu „ •— Der Mann kennt
'feinen Hänfen. / '
E4
71 HYTHOLÖÖtSCHER 8ltIEF;C I. Q«
fogar unter Jenen ^ — ^^e vUle vefmöten SÄ
Virohif die im Ernfl; an ihren Grofsmeifter unA
deflen Erfchelnungett glauben? Etwas ganjl
Mderefi ift es , was die iente za&aini<eiifcfilt4
Aber die Ta;A^« bei Seite geftellt» bgeh Sie^^
könnte nicht doch Hermes bei Homet attfxelas^
giCche Fufsfliigel haben? Herr Heyne habe doch
wobt Gründe gehabt» wenigfleos ftheinbah;?
Scheinbare genug«. Für die sltpelasgirGhen
Gätterflöget Winkelmanns Anfehn; fürdesHot
merifchen Merkurs Fufcfictige — Doch davoa
nachher«
B^mketmann zuerll» wenn ich nicht irre^
behauptete im Eingange feines berUhmten Werk$
Über die alten Denkmatler der Kunft ( WanumA
itud* f* 1*3): daß die ItUeflen Grie^h» unct
Etrufk^Tf der Aegy.pter nicht zu gedenken, ßck
ifir» Gottheiten mit Flegeln geMdet^ Der Ton
tv^ar angegeben; und Herr Heynd leitete den
einftimmenden Chor« Schon im Jah^ ^77^% d^n
Kaßen des Cypfelus et^klürend , intooirte er alfd
Su 51: '^Nunmehr ift es eine bekannte Sache«
<<dars die iilttften kriechen Und Etrufcer alle
<* Gottheiten geftügelt vorftf Uten. » Und im Jahr
1778 erfcholl aas denn erften StUcke feiner Anti^
qnarifchen Auffüzle S« go; ««In der ültei'n Zeit
f^ wurden alle Gottheiten mit Flügeln vorge«
<*m\U Pia Sache ift «ta$ WiotelmAtm bekannt
WgCBUg. 9%
Vam Herrn tteyue ein fo kfÄfttger ßelfall?
£bi müSen dbch Gründe fein» die der fcharffin^
bigften Prüfung widerftefan [ Penn bedenken
Sie » wie oft Hen; Heyne ans Winkelmanna
üeherfcbä'zung verwieg ; wie oft *?r den geift,
vollen , aber «a feurigen Alterthamsforfcherg
freimütig nach feinem Tode» fowohl ungrUnd<«
Ucher Barcbheic im Ahnden und Entfcheiden^
ala befonder$ nacblSiSger Citate» befchaldigte«
Noefa fn def Vorrede d^r Antiquarifchen Auf-«
ißtze Sb VlI konnte feine Achtung und Freunde
fchaft filr^ den Seligen keinen gelinderen Aus^
di^uck fiudeil» als: ««dafa ea dem begeifterteit
<«Manuf an kalter Bi^trkcbtabg, JBrwi(gung nni|
^^PrUfong, an HülfsmiCCeln 2;u genauerri Ge«
<<fchichtskenntniflen, !in4an hiftorifcher Kritik«
<'am feine Hypothefen zu beriehtigeui gef^hl^
<<babe; dafs er mit feiner EtnbilduUj^skräft faß
<< überall ttber das ^iel hinaus fei, und fl^h Ai^
^'grandlöreOe Ide^ «U ein Felfenfchlofs liin^
^baue.rt Er Seht; 6a daher mit Leidwefen äöji
däfs öian WinkeUnänna Hypiötbeftn » ohne Kri«'
tik der ^cbeti^ der Gefcbicbte» und der Bew
weisftellen aus den Alterlj fo glfiublg nachfprcefhei
««Seil; Winktitnanti« Kunftgefehicbte fei dal
^, M YTUOI.DaiSCH«RT BRIEFE 1. 1^.
f^meifte, was er im aDtiqaarifchen Fache g^fehn
'^habe, eine gar zu. gefällige Wiederholung
ydefTen, was jener gefagt, ohne weitere Prü-
''fang; oft mit erkUnftelter Begeifterung: und
' <(< beide Wege, meint er» können uns in der
,^' Aufklärung nicht viel weiter bringen. ,»
Nach einer folchen Strafrede erwarten Sie
wohl nichts weniger» als den Herrn Heyne in
eigener Perfon an der Spize der gefäüigfien
Nachfprecher ohne weitere Prüfung zu bemer-
ken. Und das nicht etwa bei einem geringfügig
gen Nebenumftand; nein» bei einer Frage» die
das innerfte. Wefen der my thifchen Darftellung in
Poefie und bildender Xunft angeht» deren Be-
jahung oder Verneinung fchon allein der ganzen ,
Gefchlchte der Kunfl: und der Religion eine an«,
dere Richtung giebt.
Denn» bei Winkelmanns Geifte ! was hängt •
nicht alles von der Frage ab:. Sind d^s rohen
Alterthums balbthierifche Göttergeftalten von .
dem feineren Waldfanger Homer gröfstentheils»
yon den noch feineren KUnftlern in Farbe und
Scbnizwerk faft fämtlicb» ihr.er entftellenden Flu«
gel entledigt worden? oder ward umgekehrt den
menfcblich geftalteten Göttern Homers und der.
Vorzeit ecft von dem Künftlcir »Is Notibbehelf^
DREIZEHNTJER BRIEF. 7|
aeam Tbeil auch von dem Myftiker alt Symbol»
Beflugelaog und andere MisbUdung verliebo?"
Aos dem wenigen » was Wiokelmann ftir die
nrTprüDgUchen Flügel aller Slteften Gottheiten,
der griecbifcben wie der etrufkifeben, beibringet,
ergiebt fich blofä die Beflügelnog mehrerer
Götter im fpäteren Alterthmn* Die aber war
längft von Gisbert Cnper in der Vergdtterang
Homers (p. 169 — 179), weit nmftändlicher
fowobl als gründlicher y gezeigt worden* Dodh
laflen Sie uns Winkelmann ielbft anhCren.
*<Die älteften Völker, welche die Schnelllg«
'<keit der Gottheiten im Wirken andeoten , . und
''über den armfeligen Behelf, von einem Orte
''zum andern überzogebn, fie hinwegfezen
*' wollten, dachten lie fich mit Eügeln verfehn«
'*Sie fuchten durch finntiche Zeichen den erhabf«
^'nen Begrif himmlifcher We(en zu erklären:
''wie Homer den Gang der Juno mit den Gedan«
''ken vergleicht, womit ein Reifender im Na
*'von einem gefehenen Lande zum andern fliegt«
'*Ich übergehe die ägyptifchen Gottheitea mit
''Flügeln, * . • und fcbränke mich auf die Gott«
''heiten der Griechen nnd der Etrufker ein.„
"Nonnns ( Diomff. i f. 6), anf eine i^lta
''Ueberliefernng fich ftiia^end {Sanckqn. ap.
^'Eufib. Fr. iv. i, 7), erkennt die Flügel ai|
^6 ^lYTHOtOGlSCHER BRtEFK I, B,
^^alleü Göttern,, als üe vor Tyfon nach deni
**NHa8 floho (^Apottüd. i, 6, 3)5 das ift, tsA
<*deQ Aethiopen« v/o fie nach Hontiers £rdidi%
«tung (//, I, 4^3) «wölf Tage verwiriltem
^'Diefemnach^ da tlian viele geflügelte Gotthei<i»
<^ten in Marmori Elrz und Scbnizwerken fiebt^
<<darf maa annehmen^ dafa in den Kltefteü
««Zeiten die FlUgel allen Göttern gemeia
««wareo^H Worauf die Befl^gelang verfchie«
dener Gottheiten durch Beifpiele in KuafiwerKeQ
und SchriftfteUern bewiefeu wl^d^
Ift das nicht ein bündiger Sctilurs? Per fym
Konnhs gieht den famtlicheu Göttern Flügel^
da fie vor Tyfbn an den Nilas flöhn^ Alfa ftü^t
er fich auf Satichoniathons Fabel be; Etufebius;
dafs Toaut deni pbonicifcben Kronos mit vier
Augen vier Flügel an den Schultern und zy/ei
am Haupte f und den Übrigen Göttern zwei ai\
den Schultern > ;sufchreibe, Alfo war die(b Yor^
ilellung altgriechifcb ;t denn an den NUus heifst»
zu den Aethiopen^^ wo Homers Götter oft zwölf
^age verweilen.^ ' Alfo find die geflUgelteu
ijötteti die in Kunftwerkea der Griechen und
der Etrufker, und in SchriftfteUern fich darbte;
teiif Ueberbfeibftl der uralten Vorftellung, —
FUt'wahr Winketmanns Anfebn gehörte dazu» fd
*iner Fölgetaög durchjiuhelfenl
I>JlEl2BHNTK|t BRIEF« ^f
Jene Fabel von Tylbn ttnd den gf fcbtathtfl^
Rättern in Tbiergeftalt, die allein das Alter def
Gptterilügel be weifen foll) macht fchon allein eK
Verdächtige Wenn man ihre Entftehung nicht
»US SanchoniathoD fich ertrSümt > fondern in
Griechenlands DichteTB Wabrnimt»
Weder Homer « «och Befiodo», wie febe
diefer die Bezwingaog des Tyfon au^mtltf &ocl|
felbft Pherecydes iSfhoL JipoOM. d» I2t5)^
kennen die Flucht der G{>ttet nach Aegypten und
ihre Verwaudlubg. £rft um PindArs Zeit» alt,
durch h^ufigeireiä Verkehr und teifende Gelehrta
Yieles von der Weisheit <der Aegypter und ihrer
fiunbildlicben Keligion erfcholl) kam 2u Tyfone
Fabel d.ie Erdichtung» dafs die Götter» nach
Aegyp^eu &te|iend» fich dort in mancherlei
*|*Uergeftalt hallten» t\>rfyria5» der diefe«
{iß abßin. sV laus Piudars Profodien erzählt»
l^et Unmitt^ar Vorher von geflügelten Göttern»
4en Mafen und Sirenen , der Nike^ der tris, deu^
t)ro« utid dem Hermes» Er hätte ea nicht ve^
icbwiegen» Wenn Pindar allen fiiefaendeiX
Gittern I Vor der Verwandlung oder nachher»
ifiägel verliehu b^tte. DaCn jene Flucht und
VfTw^lung ein Zufa^ des Zeilaltefa fei» da die
ijg^pdi^beu Thiergotter bekannt wurden, un4
fwair ein tfgypM&bfr Z^[»:^, Itfst Herodo»
yt MYTHOLOÖISCHER ÖRIEFE I. B*
('2, 156) vermuten, und Hygin iPoet. Aßr. 2f
i»8)» der hierin den ägyptifchen Prieftern und
tinigen Dichtern za folgen ausdrücklich gefteht.
, NeuerniDg beweift ferner der mithandelnde
Pan oder Aepipan » welchen die Erzählung des^
Tyfonkampfies bei ApoUodor (i, 6, 3), bei
Hygin (<. c./a&. 196), dem Scholiaften des
Sofokles C 4r- 708 ) , vnd Oppian C Bat. 3 f ^5 )#
«inmifchet. Dlefer zuerft von Epimenides {Erat.
iatafl. 27. Sek. Theoer: ij^^ genannte Ziegenfüfs-
ter kann nicht lange vor der Zeit, da der tuen-
defifche Bocksgott der Aegypter ( Herod. 2, 46^
Strab. 17 p- 802) unter den Griechen berühmt
ward,' aus der Dunkelheit eines arkadifchen
Felddämons iHeroi. 2, 145) Äur allgemeineil
Verehrung gelangt fein. Die Athener, wie
Klemens iadm. p. ag) meldet, wufsten nicht
einmal, wer Pan war, die Pfailippides es ihnen
fagte. Dies gefchah kurz vor der marathonifchien
Schlacht, wo, wie in der falaminifchen , den
Athenern ein paöifches Schrecken zu Hülfe kam^
Herodot (6, 105) und Paufanias (ip. 51) er-
zählen ^ Philippides oder Phidippides , als Eil-
bote nach Sparta gefahdt, babeamParthenius von
Pan gehört zu haben verfichert, er wolle den
Athenern beiftehn, nur wünfche er Theil an^ihrer
Verehrung. Auch meldet Ludw Cbü accvf.^t
DREIZEHNTER BRIEP. " 7^
"Pan, von Dionyfös Dienern der fchwär«
** mendfte » wohnte vordem auf dem Parthenius**
** Ais aber Datis daherfchifte, und die Barbaren bei
'^Marathon landeten, kam er den Athenern ein
" Mitfireiter. Seitdem bekam er auf der Borg
*<eine Höhle dicht unter der pelasgifchen znt
<< Wohnung.,, Nach jenem Siege wars alfo,'
dafs Pindar bei Athehä'us ( 15 p. 694) den htUC
reichen Pan, als tanzenden Herfcher Arkadia*s,
dir fchwärmenden Nymfen Begleiter ^ und bei
Arillides (7. xp. 29), als den voükommenfle»'
der Götter, nach der Lehre der ägyptirchen
Priefter, wie Ariftidea erinnert, imgleichen
(PyiA. 3, 136) alst Gefährten der großen'
Mutter, und (^Ariflot. Rhet. 2, 34) ihren aB-«
weilenden Hund, befang; Das Alter des home«
ridifchen Hymnus an Pan, und der orfifchen
Anrnfangen, wo er bereits allwaltender Natur-
gott ift, muff hiernach beftimmt werden. Womit
Herrn Heynens Philofophema (^Ant. Auf/V 2
S. 70): ^^Pan war überhaupt ein altes philo«
««fophifches Syinbol, bald für die Natur über-
«'Imupt, bald fUt die Zeugungskraft:,, lieh iar
Dunft aufiöfet.
Ja felbft die Flügel, womit Tyfon zuerft bei
ApoUodor und Nikander (^ Anton. Lib. 28) er-
fchelot, und der geflügelte Rofswagen des
ftrgifeBclen ponmfefefs In ApoHodors ErÄShIuÄg
%^» 6i 3)) V^f^then ^pät^re Umbildutig^
Denn kürÄ, Wenn behaupte: wWi **Die
^^älteften Griechen befltigeiten alle Gottheiten;
*^der gefchn?ackvolle Homer verftattete nuf noch
««dem GÖtterharold geflügelte Solen; die Dichter
"des lyrifcheü Und tfagifchett Zeitalters» ob»
*f gleich fie tBigentlich die Gron4regeln des
«jSclU)nen und ^fifäl%e^ ans Licht brachten«
«< waren iamt dea Anfängern der bildenden
«Künfte fo grfchnaacklps» den ttieiften Gott-
<^beiten ihre Ve»«dfeeten Hügel zurückzugeben;
**h\s endlich die Veiredelnden Kunitier iie allen,
♦>aurser einigen allegoififcheti Perfoneii, völlig
«Ubnahmeii: „ \(jei^n diejTe, in {xck felbft zerfal-
lende Lebfe Von Winkelm^nnJl ruhtnf edlgen Nach-
ijvecbern hebaMptet wird 5 fo glauben' Sie gr^e
da$ Gegentheih Daß den aüejltn iStiechen a%
Qotfh^kn x>}in,e Flügel 9 fowokl :iiu Fuß ait im
U^&gjen, fich f(^lfchwingen\ und daß deßo neuep
fjn Dichter fei f je fnehreren Gotttm er FlUgit^
di^eik tiothi^kel/ der bßdmdem Kunß^ janh^iO.
VIERZEHNTER BRIEF« gl
XIV.
J\her die Beifpiele geflügelter Gottheiteo, die
Winkelmana aus Denkmälern der Schrift und
der BildOng anfUbrt!
Was wollen Sie damit? Seine Denkmäler
find, wenn wir eines ausnehmen , allzumal
]urtger als Homer; und gewähren fogar Gott-
heiten, die Homer nicht kennt: Jupiter Pluvius,
Nike, Mbmus* Einige beweifen kaum Flügel,
2. B, die Stelle aus Euripides ( Hippot. 563), wo
aus dem Gleichnifle -des Bienenflugs eine gefiO«
gelte Venus gefolgert wird. Kein einziges Bei*
fpiel, felbft nicht das eine aus Homer, lä&t
urfprilngliche BeflUgelung auch nur vermuten.
Das eine denn aus Homer, das wird doch
der .befliellende Argos Würger ioit den angebli*
chen FufsflQgeln fein.
' Weit vom Ziel! Einen geflügelten Htrmtf
hat weder Winkelmann, noch fein viel reicherer
Vorgänger Cüper.
Gleichwohl war bei den orfifchen Lieder*
machern , denen fie einen geflügelten myftifchen
Zeus {Fr. 6, 35) abnahmen, auch ein in^ys^rf-
SfiAo«, ein folengeflUgilter Hermes {B. 27, ^) tä
haben. Und mit der Nachfichf« für atee IMm^
F
ga MYTHOLOGISCHER BRIEFS 1. B.
lieferengen, wie fie Winkelmann zeigt, Hefse
wohl aus Homer, nicht ganz ohne Schein, ein
geflügelter Hermes, zugleich mit geflügelten
Häufen f fich herausdeuten. Denn nach der
Ueberlieferung der Grammatiker, follen ja die.
geflügelten IVorU (IL i, 201) auf die Flügel
fichbeziehn, welche die Mufen von den befieg-
ten Sirenen fich anfügten; und, wie Euftathius
bei Odyir. 5, 44, Phurnutus (16), und Suidas
bei dem Worte '£ff*»jy, nns überliefern, auf den
geflügelten Hermes, als Gott der Ber6dfamkeit.
Nicht einmal die goldgiflügeltt windfüßige
Jrü der Ilias, wovon , doch Cuper (;?. 45) im
Vorbeigehn redet,, bemerkte Winkelmann.
Die einzige Beobachtung einer homerifchen
Fiügelgottheit, die 'Winkelmann mittheiit, ift
diefe: La favola da a PaUacte le alt fln' ai piedi
iCic. de Nat. Deor. 3» 23. Tzetz.in Lycöfhr.
v*'iSO* ^ ^PP^^Jf^ Ow«'^ medefimo eUa fi lega
U aliai piedi {Odyjf.u, 96). "Die Fabel giebt
<<der Pallas die Flügel fogar an die Füfse; und
«bei Homer felbft bindet- fie fich die Flügel an
«die Füfse. „
Wir hätten alfo eine voUßändige Gefchlechts-
taf^l. Winkelmann miskannte die goldenen
vf^M« oder Solen der Pallas Athene für Fufs-
VIERZEHNTER BRIEF. $3
fliigel. Herr Heyne nahm die FafsflUgel bereit-
willig auf; hielt es aber für fchicklicher, fie,
mit Ausfchlurs der Pallas y-^anz heimlich dem
Boten Merkur, der ja beftändig zu wandern hat^
anzulegen. Und Herrn Heynens Nach(precher,
Herr Hermann, erfand für diefe homerifchen
Fafsflugel Merkurs,' weil fie doch einmal aus dem
pelasgifchen Alterthume fich veripfitet hatteüi
den pelasgifchen Namen raA«f «•
Dem homerifchen Merkur die Solen zn beflQ*
geln « dies wird doch wenigftens ein eigener
Gedanke des Herrn Heyne fein. Was wollte
^r? Auch diefen hat er anderen nachgedacht»
den Auslegern Vii^ils, Germanus, Erythräus,
und den Vätern la Gerda und Catrou, die bei
der'Aeneis (4, 239) Merkurs geflügelte talaria
für die homerifchen x-s^m« ausgeben.
O gewifs, Sie kennen den Herrn.Heyne noch
nicht, welch ein zahmer gelaiTener Fufsfolger
das ift! Selbft mir würde er in fanftmütiger
Stille nachtreten, hStte mich das Schickfal Uxxr
ein dreifsig Jalir frfiher> und etwa als EngJäz^der»
ia die Welt gefezt.
Fa
84 laYTHOLOaiSCMBR BRIEFS I. B.
XV.
VVie es aber doch möglich fei, frageö Sie> dafs
fo wackere Graubärte, als fich Herr Heyne beim
yirgil 2u VormÜnnern erkiefte> da Homef Göt-
tern und Menfeheii ?rsJ.A« unter die Füfse giebt>
fie bei Merkur allein für geflügelte Solen anfehen
gönnten. Ob vielleicht anderswoher die aus-
fchliefsetide Beflugelung des homerifchen Götter«^
boten erhelle?
Aus Homer felbÄ wohl fchwerlich ; wofern
Sie nicht mit der phurnutifchen Anfpielung der
geflügelten Worte auf die Flügel des beredten
Öermes vorlieb nehmen wollen.
Aber Ihr Beifpiel ans Hefiodus Iratte midi
bald ftuÄig gemacht. Auf dem Schilde 'des
Herakles v. aao war Perfeüs gebildet, wie er.
luftwandelnd vor den verfolgenden Gorgonen
floh ,
Hell aus.Cold; um die Füfs* auch hsttt* er geflügelte Solen.
Und, von wem; hatte ef die geflügelten So-
len? ** Vom Hermes! „ antwortet Eratofthenes
icatafl. 22), und einftimmig mit ihm Hyginus
(^Po'et. aßr. 2, 12 )J "vom Hermes empfing
««er den Helm der Unfichtbarkeiti und die SoleUf
FUNF2SEHNTER BRIEF. gj
''mit welchen er durch die Luft: fchwebte, vom
''Hefäftos aber die Hippe aus Demaat. ,, Auf
Merkurs Fufsfolen fliegend, erzählt anderswo
Hygin iFab. 64), habe Perfeas die Andromeda
befreit. Wie ihn Lukan (q, 660) auf parrhafi^f
ichen Flügeln, von Parrhafium in Arkadien, der
Heimat Merkars, fo benannt, fbh weben läfst.
Und felbft der FfibelentzifFerer Heraklit (^de m^
credik. 9) tr^'gt die alte Erzähinng fo vor, dem
Perfeus habe Hermes geflügelte Solen verliehn;
und fügt fein Pbilofophema aus der alten Sprache
hinzu : '< Hermes erfand die Uebung des Laufs»
<< worin Perfeusilch dergeftalt auszeichnete , dals
'^dieerftaunten Zufchauer ihnx das Loh geflUgel«-
<«ter FUfse beUegteOt«
Demnach hStte bereits Hefiodus dem Hermes
Solen mit Fittigen, wo nicht aus der altpelas«
gifbhen Fabel zurückgegeben, doch zuerft an«
gedichtete Was ISfst fich dagegen einwenden ?
Vielleicht diefes. Das Beiwort geflUgitt,
wie in den geflügelten U^orten^ mahlt nur die
Schnelligkeit der tragenden Schwungfalen. Oder
man laffe fie eigentlich geflügelt fein ; fo find
fies, wie Perfeus felbft golden ift, nur in der
Abbildung auf dem Schilde« Freilich würde es
mich befremden, diefe allegorifchen ScheinflU^
F3
86 MYTHOLOÖISCHER BUIEFK !• B. '
gel, wodurch die bildende Kunft übernattirliche
Schnelle und Erhebung anzudeuten fich bebalf,
fchon bei Heiiodus wahrzunehmen. Indexen
könnte es doch wohl fein. Eben fo auf dem
alten Kaften des Cypfelus, welchen Paufanias
(5 f. 322) befcbreibt, beflügelte der Künftler
die Goi^onen, die den Perfeus durch, die Luft
verfolgten; fo die rafche Jagdgöttin Artemis, fo
die meerwandelnden Roile am Wagen der Tbetis
und der Nereiden , fo auch des Pelops mfeerwan-
delndes Viergefpann: welches, wenn es die
Flügel, womit die alte Volksfage aus Pberecy-
des (^SchoL Soph. El. 507) bloß übernatürliche
Leichtigkeit meinte, wirklich zur Schau getra-
gen,, der argliftige Oenomaus gewiß abgewie-
fen hätte.
Doch es giebt eine kürzere Entfbbeidung«
Sein die geflügelUn Solen des Perfeus, was fie
wollen, bloß flügelfcfaneü für den Gedanken,
wie ich glaube, oder als folche durch ein verab-
redetes Bild für das Auge bezeichnet; fei diefe
Bezeichnung durch angeheftete Flügel gefchehn,
oder, wie auf dem Gemähide bei Achilles Ta-
*iös (3, 7), durch flügelähnliche Bildung der
Solen felbft: fo gewinnt doch Hermes dabei im
geringften nichts. Denn erft in der, fpäteren
f abel werden üe des Hermes Solen genannt.
FÜNFZEHNTER • BRIEF. $7
Ganz anders erzählt der alte Pherecyde^ bei
dem ^choliaften des ApoUqnius (4, 1515)9 und
nach ihm ApoIIodor (2» 4» 2) und Tzetzes
bei Lykofron (v. 838)» das Abentheuer mit der
Medafa: welches ich, wenn Sie erlauben, (a
wie ^ meinen Begriffen von der damaligen
Weltkunde erfcheint, vortragen will»
Perieus, durch ein voreiliges Veriprechen
gebunden, übernahm die Enthauptung der Gorgo
Medufa, die mit zwei unfterblicheo Schweftern,
von Forkys und Keto gezeugt, auf einer weltli-
chen Infei des Weltftromes Okeanos, an der
Grenze der nächtlichen Halbfcbeibe, Europa, ge^
nannt, wohnte» Sein Scbuzgott Hermes führte •
ibn, auf den Rath der Athene^ zuerfl za dea
Gräen, auch Töchtern des Forkys und der Keto,
die von der Geburt fchon^ grau waren» Beiderlei
Gefchwifter befbhreibt Heiiodus (Theog, 270)
alfo:
4>o^X9r ^au KlfrA^ Tferngf mir KeiXÄiT»f\tvu
Ex ytvBTtfQ sroAidTC» T«t ^ Tfom^ xaA»B^iv
Togym 5'y eU vm^^t srf^tfv irAvr» Slatxyütfff
• ^4.
gg MYTHOLOGISCHER BRIEFR I. B.
Keto gebahr dem Forkys die rorenv^aagigea Gräen»
Von der Gebart fchoa grau, die drum Grauharige
nenhen
So anfterbliche Götter, vie fterbüche Erdebewohiier,
Schön Pefredo im Schmück^ und im SafranmauteL
Euyo i
Aoch der Goj-gonen Gefcfalecht, jeufeit des Okeanok
wohnend» ,
Kah am Rande der Nacht, bei den fingenden Hefpe^
riden»
Stbeino « Enryale auch » und die jammervolle Mediifa»
Die Graen, zu welchen Pherecydes die dritte
Deino oder laino fügt, wohnten vor den Gor-^
gonen, wie die Harpyen Homers und Hefiods„
' am Weftgeftade des Okeanos: nach Aefcbylua
(Prof«. 799) in der: Nordhälfte des runden Erd-
kreifes, oder am Weftende Europa's, wo noch,t
V/ie bei Homer, einfchliefsende Berge dunkeU
tenj nach fpäteren (^Eratofi. 22. Heractit. 13)
in der SUdhülfte, welche allgemein Afia, und
feit Hekatäus vom Nllus bis zu den Seulen mit
befonderem Namen Libya biefs» in der Nähe des
fabelhaften Sees Triton» der, in die Syrtenbucht
ausfträmend » Tarnt den angjrenzenden befperi«
fchen Gärten bei vielen bis an den Atlas fich
erftreckte.
Indem die zwar jugendlich fcbönen und ge«
icbmückten» aber gfauharlgen» und mit Einem
F(7NF9ERNTEJt BRIEF. 89
gewecbfehen Auge nnd Hinein Zahne ficb be^
helfenden GräeUi ficb Auge und Zabn zulangten,
raubte der Held beides» und bedung fich dafür»
da(s fie die NymfejEi ihm nachwiefen» welche dea
Helm der Unficbtbarkeit battea» und die geflU«
gelten Solen und dea Beutel«
Offenbar hörte der Fabeler ein SchiffbrmShr^
eben» dafs in ein;em noch wenig befahrenen
Winkel des Mittelmeers mancher Irrende von
Nymfen» wie um Aegypten von Proteus , ge«
beime KenntnilTe und magifche Mittel erlangt
habe; und ich glaube mit Sicheiiheit die
Nymfen des adriatiicfaen Meerbofens» wie man
in der Dunkelheit der W^ftgegend ihn dachte^
«nnehmen zu kennen«
Denn nicht lange vor Pfaerecyde« hatten die
Phocäer {Heroik i, 163} fowohl Adria» ala
Tyrrhenia» und Iberia und Tarteflus entdeckt«
Auch behauptete zuerft Pfaerecydes iByg. 154.
Seh. Girman. 364)» der neuentdeckte Padus fei
eins mit jenem fja^nus, deflen Ausfluft am
nordweftlichenOceanufer ( Pauf i p.S. Phitoßr.
IcTr^ 11; litngff'JfirCff.TSBelnde Bernfteinhändler
{fferoä»Sf 115) berühmt' war ^.. lind f wollin die
Dichter den Fall des Phaethon ( Heßod. ap. Byig.
154), den fpäteren Eingang der T,Jfiterwelt
{.Virg. Aen^ 6> 655^ Situ, ad 6q2)» und die
-Ts
90 MYTHOLOGiSCKtER BRIEFE !• B.
Vt^öhnüngder Harpyert {Euß. It. i6, 151), ge-
fezt Sitten. "Tias tieifst 'wofilnichtsan3^rs7*afs
PÄerecy3es zuerft nahm die Volksßige auf, die
noch Apollonius (4, 627) glaubte: jener von
der rhipäifcben Bergkette , wie Bafilius ( hexaem.
3, 6) aus der Eudoxifchen Erdkunde meldet,
ergoflene Eridanus, ftrecke den einen Arm,
womit wahrfcheinlich der nachmalige Rhenus
gemeint wurde *), nordwärts von der Quelle
in den Oceanus , den anderen , Padus genannt;
füdwärts in. den adriatifchen Bufen, und den
-dritten, deiTen Aefchylus und Euripides (P/i»»
* *^ Dafs der ähefte Eridanas , der» ohne Gemeinichaft mit
dem laueren Meer 111 den Oceanus gegen J^ordweft an»-
• ftrömte, and, nachdem er zugleich zwei fiidh'che
Arme ins Mittelmeer ftreckte, jener nördh'che Arm
durch ttercy nia .^sJ^aJif JTcheifrtteh- tief Rhttnnf fei , habe
ich. ji«i".Y5gns Landbau (i74F^f>^rti zeTgen"\tr(uchi.
Der A;Iigc^^''^ras3ofF7^'^en^*^1dr^'leHir EBCftfcHSe,
glaubte (Ptfef. rnin. 5» 3 ^ 1440) des Rhodanus Ao-
fprüche auf die Ehre des Eridanus vertreten zu mäflen.
Aber gegen ven? Die füdlichen Acme des Eridanus,
wie der Grieche von Fherecydes bis Apollonius und
langer ihn vorteilte, find der Padus und der Rhodanuik
Das habe ich nie geleugnet , vielmehr ausdräcklich be-
jaht. Die Frage ift übrig: Welcher Flufs ward mit
dem nSfdlkhtn Arme gemeint , der , nordwärts von der
' Quelle gewandt, die Argonauten durch die hercyni-
fchen V^'älder beinahe in den Ocean geführt hätte 2
Ich antworte : Der nachmalige Rhenus.
' ruKP^EHNTER BRIEF. 9I
37, 2) erwähnten, als Rhodanug in das fiirdoi«
fche Meer.
Plefer phocäifchen Entdeckungen fabelreiclieii
Beginn muPs fchon Hefiodus erlebt haben , weil
er in OdyiTeus Fahrt nicht nur des berühmt ge«
^wordenen Aetna , und der ficilirchen Ortygia^
fbndem bereits der Tyrrhener (Strab. i p. 23) t
und in der Theogonie (1013) des Agrios und
Latinosy die, als Kinder von OdyiTens tm4
Kirke, im Winkel d^r heiligen Infeln die Tyr^
rfaener beherfchten, ja fogar der Greife {Sek»
Aefch. Pf am. 802), jener Gold wSchter auf den
-^ftlichen RbipSen der Hyperboreer, gedenkt.
Von nun an wetteiferten die Dichter, (bwohl
alte als neuerfundenc Fabeln von weftlichen
HeldenzUgen und Irren, des Perfeus, des Hera«
kies, der lo, des Diomedes, des Antenor, der
Argonauten, mit den neuen Wunderfagen, des
.fardoifcben , und befonders des ionifchen oder
adrlatifchen Meerbufens auszufclunücken. In das
graunvolle Innere des ' adriatifchen Meers ward
auch Herakles (^ Schot, jipod* 4, 1396. Apoüöd.
fl, 5, 11) von Pherecy des geführt, damit ihm
dieNymfen, die, von Zeus und Themis gezeugt,
in einer Grotte am Eridanus wohnten, Anlei-
tung gäben, von dem profetifcben Nereus die
Gegend der goldenen Aepfel in Weftlibyen zu
92 MYTHOLtOaiSCHElR BRIEFE I. B.
erfahren ; worauf der gef^ge^e Meergreis fich
erfty gleich dem homerifchen Proteus , io WaiTer
tind Feuer verwandelte, dann in die eigene
Geftalt zurlikkehrend, die Gegend weiffagte.
TfM denfelbigen Nymfen nun» wie es fcheint,
wird Perfeus von 6^n Gr$en gewiefen; und
najshdem er mit Hermes fle erreicht, und feiner
Bitte gewährt worden, fügt er die geflügelten
Sol^n fich an, auf deren magifcher Schwung-»
kraft auch Sterbliche von fchwererem Stof durch
die Luft fcbreiten konnten, wirft den Beutel
zur FafTung des Medufenhanpts um die Schultern^
und fezt den HeUn der Unfichtbarkeit auf das
Haupt* So ausgerüftet luftwand^lt er nut
Hermes und Athene über den unfchifbaren CXce-
anus, wo er auf einer weftlichen Infel die Gor-
gonen findet, das abge(chnittene Haupt der
Medufa in den Beutel fteckt , und vor den verfol-
genden Schweftern ungefehn durch die Lüfte
entflieht; und nach vollendetem Abentheuer
bringt Hermes Beutel ^ Solen und Helm den
Nymfen :^uräck*
Der früheren Fabel gemfifs fand Paufenias
( 3 P* 193 ) Z(Xi Spart» in einem alten Tempel der
^thene^ irx ^rz. gebildet: wie dem Perfeus, da er
nach Libyen gegen die Hfledufa zog, Nymfen
«um Gefchenk reichten den Helm und die Solen^
FUNF2CHNTE11 BRIEF. 93
auf welchen er durch die Luft fchweben folltfe.
Auch in Lucians Meergerprachen erzählt Triton
den Nereiden ) wie Perfeus, von der Atheni be-
flügelt, durch die Luft zxx denGofgonen flog»
Beide zugleich ,. alfo jeder auf eigenen Solen»
fl.iegen Perfeus und Hermes auch bei Euripides
C-E/. 459)-
tiefet» Jittifiotofiov v9F§f i\99
IXotoevQtft TeitAai^
^ie Perfetts ^er Bathaapte» Über to Sdadlat
Mit gefliigeltett Solett
Die Geftult der Goi^go hält.
Von Zeas Boten begleitet, dem Hermei»
Der Maja ^ildverfolgendvm Jüngling.
Und noch Propeftius (2» 30) unterfchridet
des Perfeus Fufsfittige • von dem FerfengetKdl»
Welches den Merkur durch die LUfte rei&t»
XVL
Geben Sies auf, Befttf, einen Grund für die
Vorgänger des Herrn Heyne zw erforfchea.
Weder Homer,, noch irgend ein Alter Vor
94 MYTHOLOGISCHER BRIEFß I« B.
den Tragikern, kennt den Götterherold mit
Fursflügeln.
Sa beftimmt? fragen Sie lächelnd. Ja, fo
beftimmt: damit Sie defto unfchonender prüfen,
und, wo gefehlt ward, zurecht weifen.
Dach erft will ich felbft einen voreiligen Aus-
fpruch berichtigen. Sie erinnern fleh, als vor
zwei Jahren auf Ihrem behaglichen Stühchen die
Rede vori der Aechtheit der homerifchen Hymnen
war, dafs Sie den an Hermes mit dem Urtheile
ausmerkten, er fei homerifch an lebhafter Dar-
fteilung, ganz unhomerifch an Sprache, die
allenthalben Neuerang verrathe. Was gilts? ant-
wortete ich, als Urheber nenne ich einen Dichter,
der Ihrer Befchreibung Gentige thut. — "Und
der wäre?,, — Der felbige, welchen Quin-
tilian(io, i, 63)ftarkin Sittengemäldfen fand,
ini Ausdrucke kurz i^nd prachtvoll und forgfäitig,
und.meiftens dem Honier Ähnlich. — "Was?
<* riefen Sie aus, Alcäus? Ein Hymnus von AU
"cäus? Gefchwinde den Beweis!,,
Ich nahm den Paufanias , der neben mir ftand,
und las (7 p. 436) folgendes vor: "Dafs
"Apollon die Rinder vorzüglich liebe , hat nicht
••riur Alcäus gelehrt, der in dem Hjnnnus an
« Hermes befchreibt, wie Hermes Apollons Rin-
««der entwandt habe; fondem noch .eher, ^
SECtiSZEHNTER BRIEF. 95
^'Älcä'us lebte, dichtete Homer , Apollon habe
'' LaomedoDS Rinder um Lohn geweidet, woraa
'•/i. 21 , 448) Pofeidon ihn erinnert. „
Paufanias, fuhr ich fort, bezeugt hier,
Homer melde nur, dafs Apollon Laomedons
Rinder geweidet, nicht dafs Hermes ihm Rinder
entfuhrt habe; er bezeugt demnächft, AIcilus
war der erfte, der die Fabel von den entführten
Rindern, und zwar in einem Hymnus an Hermes,
befang. Wem gönnen Sie nun unfeinen herrnlo«
fen Hymnus? Dem Alcäus, oder einem anderen?
«* O dem Alcäus! „ erwiederten Sie; "wenn
"nur der LesWer ionifch gefchrieben hätte!,, — .
lonifch? warum nicht, wenn Veranlaffung da
war? wenn der Tempel, für welchen der Feft-
reigen gedichtet ward, inlonien oder in einer
ionifchen Pflanzftadt lag? Warum foUte nicht
Alcäus in der benachbarten Mundart loniens
Ichreiben, fo gut als die attifchen Tr^iker ihre
Chöre altdorifch, und noch Kallimachus, durch
Umfiände veranlagt, zwei dorifche Hymnen
fchrieb? Sagt doch Agathon bei Arifcofanes
( Thefm. 161), dafs, gleich dem Ibykusund dem
Tejer Anakreon, auch Alcäus, mit der Mitra
gefchmückt, ionifche Reigen getanzt habe! —
Sie lächelten, und wünfcbten mir Glück zu
meiner Entdeckung,
9© MYTttOLOGlSCMER BRIEFE l.B.
• Schade um den lieblichen Trantö*, aber wir
ttiüffen aufrichtig fein. Unferen Hymnus an
Hermes eignet ein älterer 2eug6, AntigonüS
Karyftuis (7), dem Dichter 2u, der allenthal-
ben forgfältig und vortreflich fei. Dem Dichter!
Sie wiffen, wer vorzugsweife fo hiefs, aus Strabo
(i y. 21); und wen Äumal jene Beiwörter an-
deuteten. Wir alle verHrehn, fagt Galenus (T. 1.
«. 344 Sä/.), Homer unter dem Dichter, und
Sappho unter der Dichterin. Wenn in dem ange-
fjjhrten si'Veffe Antigonus ein Wort anders
lieft, als unfere Ausgaben Homers, fo ift es nur
Nachlufligkeit de^ Abschreiber,
Noch ftärker zeugt wider uns der Gramma-
tiker Porphyrion^ der Hprazens Ode an Merkur
(i, 10) für eine Nachahmung des alcäifchen
Hymnus erklKrt, und bei der dritten Strofe, wo
der Entwender der Stiere den drohenden Apollo
tnverfehns auch des Köchers beraubt, und
dadurch zum Lachen zwingt, die Anmerkung
wiederholt, diefe Fabel fei von Alcäus gebildet
worden. Der fchlimme Scholiaft! Denn diefe
Fabel von dem geraubten Kocher und dem
lachenden Apollo , die dem zufolge aus dem
alcäifcben Hymnus auch in die Erzählung des
Didymus bei der IliasC 15, 056 )i und in Philoftrats
Gen^hldeCi» a63> gekommen wSre> ift leider
SECHSZEHNT£R BRIEF. 97
unreretn Hymnus ganz fremd. Hier finden wir
mir, dafs nach der Anklage (512» 518) Hermes
dem verföhnten ApoIIon verfpricht, ihm niemals
weder die Cytbare noch das krumme GefchoQ^
zu rauben«
Es bleibt alfo wohl dabei , der Hymnus an
Hermes unter Homers Werken ward fchon von
den alexandrinifchen Gelehrten ein homerifcher
genannt, weshalb ihm auch Apollodor ( 3 » 10« 2 )
die Kindheitsgefchichte des Hermes nacherzählt;
und jener verlorene von Alcäus, womit Paufa-
nias Apolions Liebe für Rinderheerden bewelfl:,
meldete die Entwendung durch Hermes mitgans
verfchiedenen Umdänden. Zu gefchweigen»
dafs, wenn wir ernfthaft fein wollen, er doch
wahrfcheinlich in lesbifcber Mundart gefchrie«
ben war.
Wie aber erklären wirs, dafs PauHmias , um
das Alterthnm der Fabel vom rinderweidenden
ÄpoUon zu beglaubigen, zuerft auf den alcäl«'
fchen Hymnus, worin Hermes Apolloos Rinder
entwandte, fich beruft, und hierauf, da noch
ältere Währfchaft geftellt werden foli, nicht den
felbigen Rinderraub aus Homers Hymnus an»
führt? Oder wenigftens aus Hefiodus? Denn
auch Hefiodus -hatte vor AIctos bereits jenen
Raub mit noch anderer Ausfchmückung befungen^
G
98 l^iYTHOLOGlSCHER BRIEFS X. B.
welche, wie Antoninns Libi^alis In der Auf-
fchrift des verwandelten Battus (23) meldet,
vi^le SpHtere aufnahmen : nemlich in den großen
£(>en, oder dem Gedichte von berühmten
Weibern, wovon fich der Anfang QPauf. i p. 5)
am Schlufleder Theogonie (965, loao), nebft ,
dem Schilde des Herakles und kleineren Bruch«
ftücken, erbalten hat.
/ .
Wir muffen entweder dem Paufanias feine un»
glaubliche Achtlofigkeit aufbürden, oder ihm zu-
trauen , dafs er die Zeugniffe der Eöen und des
hbmerifchen Hymnus abfichtlich Überging, weil
jhm hier unbe^weifelte Denkmäler genügten,
wo Apollon als Freund der Rtndef erfchien*
Dem Hefiodus aber bezweifelten viele, und Pau*
fanias mit ( 8 J«>. 483 J 9 P* 588 ) f felbft die Theo*
gonie, wie viel mehr den verdächtigeren Anhang
von den Weibern, Und die homerifchea
Hymnen hielt man gröfstentheils für Arbeiten der
Homeriden, unter welchen zü Aefchylus Zeit
Cinäthus, . durch Vortragung homerifcher und
eigener Gedichte in Syrakus , am berUhm«
teilen ward {SchoL Find. Nim. 2). Dies
konnte einem Paufanias nicht unbekannt fein,
obgleich er an einigen Stellen die Hymnen
mit der gemeinen Benennung« «Is homerifche^
anführt
S£CHS2EHNTfill BRIEF» 99
Ein ehrwürdiger Name, CinSthus, deflen
Poelie Griechen für homerifche galt! Sollte auch
einer und der andere der homerifcben Hymnea
neu an Begriffen und an Sprache befanden
\irerden; was denn mehr? Auch als homeridU
fcher Hymnus, auch als Gedicht des feurigen
Cinäthusy den der Geift fernes göttlichen Stamm«
Vaters entflammte, als Nachlaß des fpäteren,
doch immer noch hohen Alterthums, und woraus
uns fo wenig geblieben ift, wird er uns ein hei«
liges Kleinod fein: eben fo lieb und werth, wie
dem Panfanias die ältere oder cyklifcbe Thebai's^
die der Elegiker Kallinus dem Homer zufchrieb.
Dem Kallinus, fagt Paufanias (9 f* 556)f haben
viele und achtbare Männer beigeftimmt; ich
fiimme, dafs diefes Gedicht nach der Uias und
der Odyflee mir am meiften gefällt.
xvir.
In unterem Hymnus an Hermes erkenne ich
nichts, was dem 2^italter des Cinäthus wider«
firebt^ manches, was ihm Völlig entfpricht»
Noch mehrere» wird ein verweilender Ausleger
diefes vernachläfKigten Gedichts wahrnehmen.
Das erfte Merkmal der Neuheit find mir,
lirenn Sies erlauben^ grade di« geflUgelttn
G a
lOO MYTHOLOGISCHER BRIEFE. I. B.
Mören (v. 550), die Winkelmanns Nachfpre*
ehern ein entfcheidendes Kennzeichen des ogy-
gifchen Alterthums fein würden. Die Erlaubnis
ja nicht geweigert; oder ich überziehe Sie mit
dem ganzen Schwärme geflügelter Gottheiten^
lauter jungem Anwachfe der kunftbildenden
Jahrhunderte !
Ob die befremdende Abdämmung der Selene
(V. icx>) von Pallas, dem herfchenden Sohn
Megamedes, da fie bei Hefiodus von Hyperion
und Theia, bei Hygins Vorgängern von Hype*
rion und Aethra, gezeugt worden, für neuere
Fabel 2a achten fei; darüber könnte man noch
ftreiten» Vielleicht war es verfpätete Theo-
gonie def Gegend , wo der Verfafler fang. In
Sicilien und anderen Anbauungen konnten meh*
rere Sagen und Gebräuche in der eingeftihrterf
Geftalt fortdauern ) indefs Griechenland Neuerun-
gen zuliefs.
Offenbar jüngerer Opfergebrauch Ift (v. 137)
die Verbrennung der Häupter und der Füfse»
fißiovoö\ HXo\iaf\iva t die bei Homer und Hefiodus
niemals, wohl aber bei Tertuliian (^apotogiU 14)
vorkommt«
Ferner gehören zur neueren Fabel (v. 224)
die Kentauren mit haarigen Nacken und unmenfch-
lichen Fufsipuren: wodurch HalbroiTe angezeigt
SIEBZEHNTER BRIEF. löt
Verden. Bei Hotner waren die Kentauren nur
"wilde behaarte Bergmenfchen.
Umgebildet ift auch der dreifprollige, wahr-
fcheinlich mit dreierlei Laub umwundene» gol-
dene Friedensftab des GlUcks und des Reichthums,
welchen Hermes (v. 516) von ApoUon erhält.
Es fei der Stab, meldet Euftathius (IL 24, 343)
ans anderen Dichtern, wom't Apollon .des Ad«
tnetus Rmder geweidet habe. Bei Homer trägt
Hermes einen fchlichten goldenen Stab, um
Schlaf und Träume zw fchaifen , und die Seelen
zur Unterwelt zu geleiten: einen ähnlichen»
wie er (11. 2, 103) dem Pelops zum Herfcher-
ftabe verlieb« Später wurden umwundene
Schlangen und Flügel, als Sinnbilder der Klug-
heit und der Geifteserhebung, angefügt.
Dazu die häufigen Sprachneuerungen , indem
bald homerifche Worte mit veränderten Begrif-
fen, bald homerifche Begriffe mit anderen Wor-
ten fich darbieten. Blofs andere Worte för an-
dere Gegenftände entftheiden. nichts. Denn wer
wollte behaupten, Homers Ilias und Odyffee
umfaffe die ganze Sprache der homerifchen Zeit?
Gewifs fo wenig, als die ganze W^Itkunde und
Fabellehre^
Als altes Wort mit txeuer Ekedeutung zeich-
net Ernefti (v. 92) )(«^«c aus, welches nach
G3
X02 MYTHOLOGISCHER BRIEFK I. B.
«
J^mmonius bei Homer ftumm heifse, bei ie^
Späteren iauh. Man kann einwenden, ««^^fl« be-
deute (U. 94» 54) anch fühüos^ wjomit gehärtas
doch nahe verwandt fei. IJekerzieugender ift,
da($ fvicJ^Qc» welches nebft txtUiia:: Homer nar
in der erften finnlichen Bedeutung für rechts
kennet.* liier (v, 453) fchon für gifcbukt ge-
ibraucht wird«
Anch dds Beiwort fnAprf^cQ im Anfang der
Od^^iTee nehme icb mit den Slteften Grsimmatu
kern in der erften Bedeutnng für vietgewandt,
der inet in der Wett hemm gewefen: wogegea
die Späteren es auf Geißesgewanäheit oder
Schlauigkeii Wiebn. Denn nirgends wird bei
Hoäier weder r^tw^t ohne den Beifaz wo», noch
ein Abkömniling von Tfe9r«» in fittticher Bedeu-«
tung gehraucht. Vielmehr heifst (Odyff. 15 > 80)
rff^^ifMEi, herumreifeu; vielmehr hei&en die
Khnüch gebildeten, «»oTfiTöc (Odylil 14^ 371)
und PTnrffo^o^, (199 332), jenes abgewandt ,. die*
fes zurückgewandt f heimkehrend: wie noch bei
Pbocjlides (134) «Lurf«roc> meerdurchwandemdp
und bei Nonnus (^Diawff. 28» 304) vükwt^qww
ixyoi^ » der vielfach gewandte Schritt^ Aber dann
käme ja der felbige Gedanke zweimal :
SIEB2EH19T&R BRIEF. lOJ
Sa^e mir« Mofe» vom Mause» dem Yie^eirandteiw
der Tielfaicti
UmgefrrK
JWs ob nicht grade folche Verdoppelung ho*
merifch wiCre (II. 5, 63; 11, 475 > '«» ^95^
J3» 4&2). Als ob nicht grade die verftärkende
Wiederiiohlong mit dem gehäuften fnet von alten
Auslegern bei Euftathius als Schönheit ange-
merkt würde, Nachahmungen von Horaz oder
Uvios Andronikus fallen doch nicbta beweifen?
Des lezteren: Firom tnihii, Camaluaf varfutum
infice: könnte es fogar fttr mich; denn auch
vorfutm braucht Plautus iEpicid. 3> «> 35) ^
urfpriinglichen Sinne > gewandi^ Mvjuvnrogy von
der laufenden Töpferfcheihe^ — Nun? und
diefes »oAüTfocff«* wenns auch v. 13. zweifelhaft
ift, kann v. 438 kaum andera als tifiigf jränk^
kundig f erklärt werden. Schon in den Pafl^
komirifis^ welches Arktins Zerftöcung von
Jlios fcheint,. fand Euftatbius nicht nur. «ir«y
fnAuTeawB^> das vielfältige Schkkfai, fondera
imsoxna (Hefychius wünfcht n^tf^wn») »»At/rfo»»»,
den vietfachenf gewandten Beiriegeri womit
Sinon gemeint (ein kann^
Noeh einem Spröfsling von refsw'ward vod
Barnes und Ernefti eine fittUche^edeutung zu-
fietrant, wreiw v. ^45: wo fie, ein Kind in
^ G4
J04 MYTHOLOGISCHEJR BRIEFE I.B,
"tetrügtkhe Lijlen gebullt, verftehn >^olIen, was
wabrfcheinlicher Stolberg für ein Ktad in bitrüg*
ticken IVindeln nimt.
Von felbft aber verrathen fich folgende Neue-
rungen. ^TcayoiLsvQi i^av V. j^g, din ll^eg befchleu*
nigsndt welches in Homers Sprache üoja erfo-
dert; v. ti6 aVoi-^-v;^/«;; brummende hei Homer
untergetaucht t wiewohl ß^uxst% (IL 17, 364 *>
fchon ein Getön anzeigt; v. 135 ßtr^cfot^ Erh'd"
hungen, Altäre; v. j^6(pmvn^ Schlachtung^ von
<pxsiVf fchlachten^ bei Homer Stimme ^ von ^aetv^
reden; v. 167 ßvxsvm tf^t^ muh berathehdf für
das homeriibhe timty s. igg xy«^«Aav» wüd von
Anfehn^ als Beiwort eines Greifes» da es bei
Homer ein witdes Unihier ift ; v. 336 htun^gtou
offenbar oder v'dlligf welches Homer nur vom
durchdringenden Ruf und ununterbrochßnen Hügel
kennt; v. 348 har^tßeiv »ca(u^«> den Weg Irin«
bringen 9 vollenden ^ bei Homer aufhalten; v. 426
xf^vMv» verherlichenctt bei Homer vollendend;
und andere mehr«
Damit Sie indels nnferen Hymnus auch nicht
allzn jung anfehn » fo . bemerken Sie v. 568 dag
Wort vffl^tfTc» welches den Späteren Schafe^
hier noch jegliches f^ieh bedeutet« Dafür erklir-
ren es die Grammatiker bei Homer II. 14» 124»
lind in Hefioüs Landbau v, 55$: wie nemlicb das
SIEB2KKXT£1l BRIEF. I05 ,
verwandte w^^ßn^ta Odyin 3» 7g» ib (ein die
wfn^ta gehindes Gut 9 im Gegen&s des /irgf»-
i2m. Von Eiiftathios bei II. 11 (j^ 828) lernen
wir» dafs Pindar «fo/SsTA die Stuten des Diomedes -
und den Pegaßis genannt habe» nnd Simonides
einen Stier bald raugav^ bald itoÄo^ oder nn^ov^ bald
weoßecTQ^ So allgemein brauchten wfQßxr» noch
Hippokrates, Heradot.(fieheValkenaer bei 4, 61)
nnd Xenofon; auch Thucydides (2» 14) fest
fie nnr den Jochthieren entgegen: ^oßjirm im*
viro^vr^». Aber Ichon bei Ariftofanes (av. 714)
'find TPfoßxr» Schafe f noch häufiger» und wie
ein alltSgliches Wort, bei Ariftoteles. Vielleicht
beftand damals das gehende Gut der attifcbeti ^
l.andwirte hauptflichlicb in einträglichen Scha*«
fen« Denn in dem felbigen Schaufpiele des
Ariftofanes v. 43 heifst das Landleben reich all
Bienen, au Schafen C*?«^t«i«) und Qeltrebern,
und V. 50 der Landmann vomgefegneten Ertrag
der If^olte duftend. Daher Varro (2, a) unter
den edelften der feinwolligen Schafe die attU
fchen, und Proklus heim Hefiodus (Lb. 537)
mit den mileilfchen die attifchen Gewände,
rühmt* Aus gleicher ürfache werden in Holftein
die Rinder vorzugsweife das Gut genannt. Aber
warum lehrt denn Möris, dafs 91« attifch fei» und
'vfoß^To^ hellenifch? Ift dort ein Schreibfehler?
öder will er mir f^gen, dafs der fpätere Attiker
G5
I06 MYTROLOGISCHER BRIEFE I. B.
neben irgoßarw noch das alte Wort o^ cinfilbJ^
aus Homers zweiiilbigem, gebraucht habe, alg
fchon anderwärts rt^ßaro^ ausfchliefsend galt?
Der unhomerifchen Worte für Begriffe, die
Homer häufig genug ausdruckt, enthält der
Hyninns nicht M^cnige. Nur ein paar auffallende
jsum Beifpiei. V« 2g vavxoc ßaetwtv^ flatHich gehn:
nx^eiches Klemens ipefd^^ }^ ^Si) ^^^ Anakreon
von dem vornehmen Gange eines Mädchens, und
der Etymologift (^/«ffatAAVfiJMc) in Simonides
Jamben von einem fiolz dahertretenden Ro0e
gebraucht fand. Dann v. pg e^^fac» di^ Frähif
«in. Wort, das meines Wiffens zoerft bei Ibyku«
{Plnt.fymp. 893) vorkommt, und die Neuheit
auch des homeridifchen Frofchmäufekriega
(v. 102), und, wie Herr Schneider {Pind. fr.
f" 33) bemeikt, der orfifchen Argonautik
(v. 364 und 561)9 verrätli« Von ofsohotetvtHß
V. 3089 Avelches verwirren bedeutet» finden lieh
verwandte: cf(toA«a-«c Afv« bei Anakreon (/r. 55)1^
/und cewoxofTstw^ai bei Aefchylns (,Pirf. lo). Aber
V« 325 fvt^vAtii» das Glückt, wie es fcheint , ijS:
einzeln; Einzeln , doch unzweideutig , ift auch
T. 383 '^t^'ofutt^ ich erthiiltf in |ecy«v ^ntthttom^
igMin welchen Gedanken Homer mit der wieder«
kehrenden Formel ilL i, 233; $» 132) x«< <ti
iciyaR 3fsay apoifusi , bezeichnet hätte. An den Be*
SIEBZEHNTER BRIEF.' - »07
dfirfhiffen des Scbmauibs läCsk es Homer» \irie
man weifs, gar nicht mangeln» zumal bei den
feli^^n Fäaken und den übermütigen Freiern in
Itbalca. Gleichwohl nennt er den. mit Gelang
begleiteten wilderen Tanz niemals nßiu^i welcher
umftoi hier V. 478 ala SckmausrrigiHf auf Nieder-
fächfifbh Swiir genannt» dem Rnhntanze ent-
gegengefeat wird; wie £;bon hei Hefiodus,, anf
dem Schilde des Heraicles v. 281» neben dem ge«
ordneten Tanze ein fdiwSrtnender Komos der
Jünglinge erfcheint.
Ein ganz anserlefenes Wort» das allein zum
Beweife der Jugend hinreicht, (pare ich für d^eo
nHebften Brief. Sie (cheinen mir des Wortklau«
bens fchon ikt imd müde zu fein.
XVIIL
Mein Wort alfo? Geben Sie acht. Die Solen»
die der frühktuge Hermes triigt» helfsefr nicM
vc^fAff» fondern — * nur nicht r«Afte« gerathen!
fondem ««v^a««
Nachdem Hermes von den Gdtterrindern»
die ApoUon an den pierifchen Bergen weidete,
fünfzig geraubt; übte er die Konft, fie mit den
Häuptern lieh zugekehrt» feM rückwärts
lOg MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
folgend, hinweg zu treiben. Um aber auch fo
nicht an der Spur fich zu verrathen, warf er
(v. 79) feine Sandalen an den Meer&nd bin, und
band fich Gebunde von Tamarisken und Myrt^i^
reifern unter die Füfse, welche wiederum (v. 83
und I39> ffÄv3«AÄ genannt werden. Seine
Mutter hingegen (v. 57) war mit köftlichen
9ih\oK9 wie andere Gottheiten» gefchnnttckt*
Das Wort ff«vd«A0y oder €*v^aj^9*t. fiigt Julius
Pollux (7> a2)> finde man fchon vorMenander
bei Herodot, £upoUs und faft allen Komikern;
Kratious nenne tyrrheni/che Sandßliin » und Kefi*
fodorus S^udalien,
5^*" qI^ rm AJfUff«. TÄVT^ fflTfT'Vl «Ifitltfi^
Auf Njfekheu goldg^vs'Irktc Blumen ßud^
Eine Gattung der SaodaMen werde ß^vrn
genannt. Weiterhin njennt er fie fcWechtweg
wffnr'w» tyrrkmfche Schuhn die Sole, «.«rrvf«»,
fei von Holz, vier Finger bochf und di^ Riemen
yergoldet;^ denA e^fei ein^ «ucv^^tA/oy*. Hiermit habe
Phidia$ d ie Fttfee der Athene gefcbwöckt. Auch
nenne man fie Tveeff^^er^x tyrrhenifche Arbeits
Vielleicht meine diefe tyrrh^nifchem Schuhe auch
Sapph.o, wann fie fage; «-wk^a^c f^etf^^mt, Avho)i.
»jjAflv «^jfon, bunUx Geriem% lydifcke PracMßrbeiU,
Als Nachlefe fügt er ( lo, 13) hin^u^. dafs auch
ACHTZEHNTER BRIfiF. 10)
der Komiker Theopomp ravJ«A<« fage, aber von
einem Weibe.
Eben fo erklärt Hefycjiius » f«v5«A/Ä und
f«v5«A« für Weiberfchuhe ; und tyrrhenifchi
Sandalien für eine Art hoher Solen. Dem Scho-
liaften des Ariftofanes (vefp. i i6i ) find die Solen
oder KceTTUiiXT» dicke und ftarke Leder, die man
den Sandalien und anderen Schuhen unterlegt.
Für folche tyrrhenifche Sandalien hält Turnebus
iadverf. 3O) 38) die Befchuhung Eoanders bei
Virgil(^^».8> 458 )J
Et Tyrrhetia pedfim cireumdai ^fincnla plantif*
Aach lyrrhenifche Binden uitifugt er den Solen der Fiifie»
Ich glaube mit Recht; ungeachtet Herr Heyne
fein: Nmisfubtiliier! ausruft»
Die ' Sandalien waren demnach hochfotige
Schuhe, von leichtem Holz, Kork oder ftarkem
Leder, mit vergoldeten und kunftreichen Riemen
um den Fufs gewunden: welche Tracht, nicht
lange vor Xerxes, die Griechen von den Tyrrhe*
nern aufnahmen. Denn was Pollux vermutet,
dafs fchon in einer Ode der Sappho das lydifche
bunte Geriem für einen tyrrhenifcben Schuh zu
halten fei , darf nicht in Betracht kommen.
Anfangs trugen fie beide Gefchlechter: daher
Herodot (a, 91) die riefenmäfsige Befchuhung
IfO MYTHOLOGISCHER BRIEFS: I.B.
des Peffeus, in der Fabel d« geilUgelte Solen
berühmt, welche die Aegypter zu befizen vor-
gaben» sceviaxtoy nennt» Sogar Sokrates, der
nach, alter Einfalt , wie fie einem' Weltweifen
anflrandy gewöhnlich barfuls ging, glaubte zu«
"Weilen , wann fein Freund Agathon feine Gefeil-
fchaft bewirtete (Plat. Sytnfof*), mit fchönen
Blauten, einer Art Sandalien, erfcheinen zu
tnüflen: welches ihm gleichwohl (^Aet. var»
hiß. 4» II ) der llrenge Diogenes febr tibel nahm»
Dafs der eitele Mahler Parrbaüus (^AeL c;. ft« 9, 1 1»
Athen* 13, II) die Riemen feiner Blauten mit
goldenen Spangen anfchnüfte, war nur Erhö*»
h\iftg der Pracht,
Nachtnals blieben die Sandalieh ineift detf
Weibern: deren Schmuck, nach AfeUan {yati
hiß. I, 18 )> vor Alters in hohen Hauptkräneen,
in Sandalen und gro(sen Ohrgehenken beftand.
Deswegen erfcheinen bei Euripides Clphig. AuU
1042) am Hocbzeitsfefte des Peleus die pierl«
fchen Mufen,
Cv Sa xgHüSxt».
Goldner Sdndalieu SpurBii
Der £rd' «uSlampBend^ '
Deswegen gab Phidias feiner Athene die nett*
modifcben Prachtfcbul^» Und Bion (x, ai)
ACHTZEHNTER BRIEF. 11 1
b'efingt die trauccnde Afrodite, wie fie, def
Sandalen entblöfst , umherirrte. Doch läfst noch
Theokrit (24, 36) den Helden Amfitryon mit
Sandalen auftreten; und die heiligen SchriftfteU
lef 1>rauchen das Wort, wie die Neugriechen,
überhaupt für Schuh.
Auch die Infel Sardinien erhielt von det
neuen Sandalientracht einen neuen Namen. Die
Seefahrer hatten fie «uerft, wegen ihrer Aehn-
üchkeit mit der Geftalt eines Pl^ttfu&es, Ichnufa
genannt C Panf. JO, p. 63g); gegen die ZeiC
des ficilifchen Gefchichtfchreibers Timäus (/'/in.
3, 13) entftatid die Benennung SandaliotiSp
oder 9 wieHefychius fchreibt, Smdalope.
Wann foll nun der H3rmnn8 gedichtet Tein^
worin der neugebobrene Hermes Sandalen triCgt?
Kicht lange» meine ich, vor der Zeit der ülte«
ren Komiker, bei welphen Pollu^ zuerft Sanda-»
len als Tracht beider Gefchlechter , dann vor«
eüglicb der Weiber, beobachtete.
Nehmen Sie hie^a die übrigen Sparen von
Sitten und Spracheigenheiten, die alle in Aeibh^'^
lus Zeitalter zufammentrefFen. Beweifcs genügt
denke ich, dafsUnferen Hymnus nicht leicht ein
andrer, als der hertibmte Cinätbus, verfertiget;
und zugleich > da& der edle Homeride, det
III MYTHOLO(iI5CH£R BRIEFE I. B.
feines Stammvaters Sprache und Sitten doch*
wohl kannte , mit feinem Gefange es keineswegs
auf Betrug angelegt habe.
XIX.
bie wiffen fchon, wo ich hinaus will? Nur
darum, fagen Sie, werde der Hymnus dem AU
cäus abgesprochen , und dem Cinätbus zuerkannt,
damit die Fufsflugel des Hermes recht jung er*
fcheinen»
Aber kann ich fie Slter machen , als fie find ?
In diefem fo fpät gefchriebenen Hymnus, der
in 577 Verfen alles rühmliche an Hermes rühmt,
ift er fnit prächtigen neumodifch^n Sandalen ge»
ziert , doch ohne FuisQügek Nicht einmal durch
innere Zauberkraft, wie die Götterfolen bei
Homer, gewfihren ihm die Sandalen einen rchwe->
benden Gang; fondern, damit nicht die Spur
ihn verrathe, mufs er ftatt der Sandalen lieh
Gebunde von laubigem Reifig anlegen. Und das
in einem Gedichte, wo fchon die Mören, die ihm
Apollon zum Dienfte verleiht, mit fchnellen
FittJgen umherfliegen.
Was antworten Sie? Hermies fei noch nicht
flügge? Die geflügelten Solen^ vermutlich ein
NEUNZEHNTER BRIEF. I||
Werk des finnreicben Hefäflros, fein erft nadw
inals, zugleich mit der Beftallaog zum Herolds-
amte, ihm iiberrelcht worden ?
Sagen Sie für geflügelte Solen fchwebende,
und wir find eins.
Der So^n der . Hb ja war durch Geburt ein
blofeer Felddämon y der aber (v. 165 — 175)
durch Geiftesbehendigkeit zur Ehre der grofsen
Götter fich erhob. Zeus bemerkt an ihm
(v. ^i) die Geftalt eines Herolds, und ernennt
ibn ( V. 392) zum Befteller, hmKTOic^: alsfolchen
begrüfst ihn (v. 511) fein Brude^ ApoUon, und
fügt, zum Dank für d^s Saitenfptel^ noch andere
Gaben dem neuen Beamteten iiiaQ^ Vor feiüer
Erhebung wandelte er auf gemeinen Sandako^
die er jedoch, fo prächtig fie fein mochtet^
(V. 79) als unbrauchbar wegwarf. Aber nachr
dem, er feinem. Wünfche geq^äfk, aus d» dunke»
kn Felsgrotte zum Verkehr der Seligen , und zu
gleicher Ehre mit feinem Halbbruder Apollon»
fich empörgefchWQSgen; jjezo wird er natürlich,
um den Gißbeten der Erdbewohtter mit Hülfe zu
nahn , um die Aufträge der Gatter zu befteüeo»
und die Seelen zum Aides hinab zu geleitei)»
fchwebende Solen oder «rf^/A«, wie feine verheE-
tichte Mutter, K«AA*9i«^iA«^(v.57)t. die der Gc^tter
Verfammlun^ nur mied (v. 5), und wie ^ie.i«!-'
H
114 MYXHOLOOiSCHER BRIEFE I. B.
-deren Uniterblichen, zum Antheil erlangt, und
nicht weniger fchnell als Apollon Cv. 215), in
fiUrmendem Schwünge, mit finfterem Nebel nm«
bullt, die Räume der Welt durchgreift haben.
Auf fchwebenden Solen , fage ich , doch nicht
nothwendig auf geflügelten.
Ja, wäre das Dafein geflügelter Solen bei ande-
ren Dichtern vor oder neben Cinäthus zu erwei«
fen ! Kommen Sie mir nicht cnit dem orfiichen
Gefange an Hermes (Ä 27), der die Anrufung
firrvy07«$iA«, Sokngeflügiltir ^ entliält« •
* , Der VerfidTer diefes mylHlchen Liedes (detiii
andere find von anctereli) vefräth feine Jugend
fchon durch das neuere Wort vriyy««, das nicht
vor dem Zeitalter der Dramatiker geAmden wird.
Neu ift ferner die Sitte des geopferten Weih-
rauchs» neu der Friedensftab, und neu das Amt
des Hermes M^ttymt^^^ des f^arfiikirs der Kampfe
fpiete: welches, famt dem Worte Ty/^vx^, Leibes*
Übung f erft lange nach Homer nufkam; da man
für die gymnaftifchen Uebungen .den gewandten
Hermes, den nervicfaten Herakles und andere^
zu Schuzgöttern auserkofar. Weit gefehlt alfo^
dafs der orfifcbe Sänger den geflügelten Solen
ein hohes Alter anweife, wird er fleh felbft von
den geflügelte^ Solen «in niedrigeis anweifen
NEUNZEHNTER BRIEF. IIJ
So wenig als Cinfithus, gewährt der gleich-
zeitige Aefchylas einen Hermes mit Fufsflügeln«
An anderen fabelhaften Geftalten, die bei dem
wnaderliebenden Tragiker auf der Bühne hervop-
gehn, oder fchwebend in der Mafchiene nahn»
wie fahr wird jeder bedeutende Zug ausgemablti
Bemerken Sie gleich im Anfange des gefeiTelten
Prometheus die gräfalichen Unholde der Kraft
und Gewalt 9 und den Hefäftos mit feinem
Scbmiedegeräth. Bemerken Sie die Oceaniden
(v. 129, 135, 279) in ihrem Luftwagen mit
geflügelten Greifen , als einheimifchen Thieren
der arimafpifchen oder hyperborifchen Rhipfien
im äufserften Weftlande, wo die Quellen des
Vaters Oceanus find; dann (v. 2879 394) ihn
felbfty den Weltumftrömer Oceanus, von feiner
Quellgrotte auf einem Greife durch die Luft
daherreitend und zurückkehrend; ferner (v, 563,
592) die irrende lo mit Kuhh(5rnern; endlich
(Eum. 406) Athene in einem fch webenden
Wagen , mit unfterblichen Roflen befpannt. Und
wie erfcheint Hermes? Als ob nichts auszeich«
nendes in Gang oder Tracht würe, meldet Pro-
metheus (v* 949) nur feine Ankunft:
To¥ TU rvfay¥H TH vtH hauivov !
JlavTwg Ti Kat¥0¥ «y^iAwv rAijAv^il
H a
.118 MYTHOLOGISCHER BRIEFB I. B.
■ '"> ' ' , , Ö Geck, betrachte nur Hermes,
Wie er fliegt, auch als Got|, und Fitüge trägt; jaiid
' andere Götter fo viele !
Gleich Nike mit goldenen Fittigeu fliegt; auch fliege»
beim Himmel » ja Eros !
. Und Iris vergleicht ja felber Homer am Gang der fchiicli-
ternen Taube!
Aber markigen Sie Ihre Freude. Der Scbo-
liaft merkt biebei an» die Beflügeluog der Nike
und des Eros fei neu; und nicht nur das» er
nennt uns verfchiedene Mahler, zwifcb^n wel-
chen es ftreitig war, wer zuerft die Nike mit
Fittigen vorgeftellt Eros, wie es fcheint, mu&
feiöe Goidfchwingen am frilheften erlangt haben ;
denn nach einer Fabel bei Euftathius (//. 14
• jP- 979) wurden fie dem Eros durch einen Aus-
ipruch der Götter abgefchnitten , und der Nike
beigelegt Hätte doch der Scholiaft auch den
crften Beflugeler des Hermes zu nennen gewufst;
oder wenigftens, ob Hermes die Fittige fchon
damals an Ferfen und Haupt zugleich (denn an
den Schultern trug er fie niemals), oder allein,
welches wahrfcheinlicher ift, an den Ferfen
getragen habe.
Von der homerifchen Iris, meint der Scho-
liaft, habe der Komiker im Scherz eine Unwahr-
Beit gefagt^ denn nicht Iris werde (11. 5, 778)
NEUNZEHNTER BRI^F« II9
mit einer fchfichternen Taube verglichen, fon-
dern Athene und Here« Doch» wie einige
'Wollen, fezt er hinzu ^ finde man folches in
anderen Gedichten Homers: denn ihm gehören'
auch Hymnen; tt^i r^ Kat pftvoi. Nicht» wie
?erfchriebenilft» %eu.itvfitvou..
Was verdiene ich, ein (b heriiches Zeugnis
für die Aechtheit des homerifchen Hymnus an
Apollon gefehlt zu haben ? Nun können Sie fleh
um den Verluft jenes an Hermes , wenn die Auf-
ftellung eines neuen Dichters, wie Cinäthns^
nicht eher Gewinn wär^ doch etwas tröften«
Nicht der alte Thucydides allein, auch der Dich*
ter Arülofanes, auch feine gelehrten Austeger,
hielten den an Apollon für Homers Arbeit.
Denn dort v. 114 find es Iris aod£Ueithy3, die
gleich fchiichternen Tauben vom 01y;npos nach
Delos daherwandeln: >
Visa &t traten daher gleich fchiichternen Taaben am
Gange.
XX.
K>uchen Sie nun Ich werde mich- ehrlich mit--
freuen, wenn Sie einen äteren Hennes mitFufs-^
fittigen auftreiben können,- Was wäre es dennji-
H4
HO MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
hStte er auch etwas früher in Kauft werken oäeü
Fragmenten alter Gedichte, hätte er als ftets-
wandernder Herold auch zuerft unter den
Göttern fie erlangt? G^twig bei Homer und deä
Dichtern der nöchften Jahrhunderte ift weder
Hermes geflügelt, noch irgend ein anderer
Gott.
Die Sache verdient unfere gcmeinfchaftliche
Beelferung. Erlauben Sie mtr^, Ihnen vorzule-
gen, was ich beim Ueberfezen Homers zuertt
vermutete , dann durch anhaltende . Aufr^erk-
iamkeit aufser Zweifel gefezt zu haben, mir
zutraue.
— r .Si* ^id n0vißi reStius ißif,
, Omdidus imperti: fi nOHy bis tttere mecum*
BOR. I. Ep, 6> 67*
So oft ein homerifcher Gott einen etwas
weiteren Weg vorhat, bindet er entweder gol-
dene Fufsfolen unter, deren geheime Kraft ihn
windfchnell über Land und GewälTer hinträgt;
öder er fährt, wenn ungewöhnliche Weite oder
Gefährlichkeit oder Pracht es erfordern, m
einem fchwebenden Wagen , welchen luftwan-
delnde Rbfle mit übernatürlicher GefchwindÄgkeit
ziehn. Von^der Wagenfahrt woUen wjr kjünftjg
ceden.
Bei der Fufkreife wird, wo dem Dichter Um-
fiäfidlickkeit oblag, dafi Anfügen der Solen, als
eine ohne Vertodemng wiederkehn^ide Sitte,
in unverändert wiederkehrenden Verfen aosge-
mahlt; wo die Erzähioi]^ eiit> wird es für be«
kannt angenommen«
Als Athene ans der Batbsverfammlung der
Götter ;n Zeus Palafte, der auf dem Gipfel des
Berges Olympos ftand, den Telemachos in
Ithaka zu befuchen iich entfchlols; wie be«
fchreibt Homer ( Odyjf. i, ^^ ihre Abreife?
i
jene fprachs^ und unter die Füfse (ich band fie die' Solen,
Schön, ambrofirch uhd golden, v^oinit fie über die
W^afTer
Und das unendliche I^nd hinfchwebt, vie im Hauche
des Windes.
Euftathius erinnert, dafs die Solen, ftatt getra.
gen zu werden, felbft tragen (r« /^y 4>fföK), und,
gleiöhfam als geflügelte, die Göttin fortfchwin-
gen: dies fei ein poetifches Wunder, wodurch
Athene der fturmfüf^gen Iris gleich werde.
tVieim Haucht dis Windes ^ ifjuc ^r^a^i »vtfiotot
heiist wörtlich, gleich dem Hauche des Windes^
H5
193 MYTHOLOGISCHER BRIEPI^ I.B»
I
/■
Diefe feltnere Bedeutung hat ^ fowohl be!
Homer felbft^ //. 169 149, wo des Achilleu«
RofleXanthosund Baliosy a^x ^ai^fft, gleich din
Hauchen, und /A 19 , 415, wo iie, «/«« Tvt$p
Zt(pufoiOf gleich dßm Hauche des Zefyros^ hm-»
flieg n; als auch in Hefiods Theogonie v. 268»
wo die Harpyen, uvsiJUfv ^vtovitrt xat qtmmv ot^ eirovTXtp
den fFindhaudiien und Vögeln gleich folgen; und
in ähnlichen Redensarten mit ufi Ueoiutt. Daher
auch das Beiwort »ßtTrTroi, roßfchnellf die es
Eoffen gleich thut: welches Sofokles (^Ant 985)
der Boreade Kleopatra giebt. Wogegen B. 12,
207 Tvoiijc ci)fgfjLoiot im Udndef in der wehenden
Luft» der Adler fliegt; und j^sr« woifie avi/iott,
fttit dem Windhauche , in der Richtung des
Windes, Odyjf. 2, 148 die verkündenden Adler,
und IL 23, 367 die Mähnen der RofTe. ♦)
Nicht anders bcfchuht fich Hermes (Odyjfl
5 , 44) zu der weiten Reife nach Ogygia, und
(//. 24, 340) da er nach Troja zu Priamos ge-
*') Die Stolle der Theogpnie dolmetfchc Herr Heyne ik der
Wölfifchcn Ausgabe : s^oyrecty ße fliegen, ifiec . C .,
mit gleicher Schnelle y wie Winä und Vdgel. Und, die
Adler und die Mähnen flogen mit dem Winde, beden*
tet Ihm eben fo viel, als jenes, Cie fiogtn gleich dem
Winde, oAet vjindfchn^H, Allerdings ift, vtit Win^e xmä
windfcbnell interpretiren , nicht weit sns einaiider. .
ZWANZIGSTER BRIEF, llj
iandt wird. Auch Here, nachdem fie ( //* 14^
x86)» ihren Gemahl auf demida zu bethören, fich
in der höcbften Pracht des Aiterthums ausge-
fchmückty bindet zulezt unter die Füfse die
fchönen Solen, wovon fie ( Odyff. ii , 603) die
goldfoHgef und in der Theogonie (v. 12 und
454) d^^ aufgoUUnen Solsn WMdetndip heüst:
weH nemlicb ihr Sohn Hef iülos, der Verfertiger
aller, himmlifcben Kunft werke, ihr vorzi^lich
fchöne Solen verliehen hatte«
Ob denn die Götter daheim, auch wenn fie
beim Vater Zeus fchmaufeten, barfuß erfcbie»
nen ? Allerdings , gleich den edelften der
Menfchen, wovon fie ein veredeltes Abbild
waren.
Ueberhaupt die FOise zu bedecken, war in
Homers Zeitalter ein Vorzug der Gcehrterem
Athene begegnet (.Odyjf. 13, 2aa> dem gehm«
deten Odyffeus:
Kvligt IffULQ Mtxotat vff^t tvißuTOfft faiJtuvp
JlAvaxaAtji t eiatrs etvetHTtäv itätiitQ. tA9u
Einem Jünglinge gtcicb an Geftafr, dem Hoter Jer
S<tbafe,
Zart an Woebi , wie relzeBd der Könige Hit^Mt ehk-
hcrgeliQ^
t24 MYTUOLOÖISCHER BRIEFE I. B,
Diefer Geftali: getnäfs trägt äe ein doppeltes
/emes Gewebe 9 Solen an den glänzenden Füßen^
und einen Wurffpiefe in der Hand; Als befon-
dete Gonft demnach rühmt es ^er Sauhirt ( Odyjf.
15 > 368)?. daifs die Gemahlin des Laertes ifcm,"
dem Mitzöglittg ihrer Tochter \ fchöne Gewandt
gereicht habe, vmA Schuhe ak die FUße. Und
vorzügliche Achtung wars, wenn dem unglück-
lichen Fremdlinge, wofür fich Odyfleus ausgab^
Telemachos QOdyjf. 16^1^)^ nebft anftändigen
Kleidern und einem ehrenden Schwerte , welches
kein gemeiner Bettler empfing ( Odyff. 17, 222),
auch ehrende Sottn Verhiefs : wie im Gegentheil
bitterer Spott, wenn ihm Eury machos iOdyffi
iSf 360) Gewände und Schuhe an die FUße
zum Lohn anbot.
Die Edlefren aber trugen die Solen , wie den
Mantel« nicht anders als , uoa 4>ffentlich und bei
Feierlichkeiten mit Würde zu erfcheinen , , oder
gegen die Befchwerden des Weges und dei*
Witterung,
D^ Anftands halber JTchmüekt iich Telema-
chos, fo oft er in die Volk^verfammlung ge^t,
mit fchönen Gewanden , mit Schwert und Fufs-
foien, und einem ehernen Spiefs; und Menelaos
in feinem Haufe iOdyJf.i^y 309) trägt Schwert
und Solen zur Ehre der Gäfte und der zwi^
ZWANZIGSTER BRI£F. « I25
fachen Hochzeitfeier. Der Sauhirtldagegen, zur
Erleichterung des weiten und höckrichten
Weges, der von feinem Hofe zur Stadt füfartö
iOdyff. 17 f 25* 196), langt fich Solen hervor
COdyffi 16, 154): dteren er vor kurzem ein
neues Paar aus fchtiDfarbigem Stierleder iich ge-
fchnitten hatte iOdyff. 14, 23}, des nahe bevor«
flehenden Winters eingedenk.
Denn auch der Grieche, foUen Sie wiflen,
that grofs mit dem, was ihm Winter fehlen,
nicht wen^;er als der Römer Virgil, obgleich
diefer {Lb. 3, 349) d^ vermummten Höfen- .
trägem ♦) unter der Bärenkreifung , oder gegen
den 54 Grad, den Vorzug einräumte. Wann
die Sonne, ermahnt Vater Hefiodus (£ft. 527),
zu den dunkelen Männern gewandt, den Helle»
neu langfamer aufftralt; wann die Thiere zahn-
klappend ein Obdach fuchen, und der Mei|fch
vorgebückt, wie ein gelähmter Dreifufs, durch
fliegenden Schnee wiandelt; v. 536:
XAaivify p^v fcaAocxvv, x«i rsf^totyra ;^(r«ya.
Zniitovi d'«y ^avftf 90KXijv xfofuc itaffv^x^Bai'
*) Den ohnhofigen Römern and Griechen galt H9fi$trSg^
far Barbaf.
K36 MYTHOLOGISCHfiR BRIEFE I. B*
U^ttraynw Z*tft^Wf bxorcw xfveq «fiev cA^ir»
AtffzxT» €VffgX7rretv vtvfif ßooQf «^f* tm «(JUjt
lliAoy SX"^ awxnrov^ h* vxra fiy tcxrahiff!.
Dtnn mit Fleifs umhülle den Leib dir, wie ich ermahne»
' Mit weichwolligem Mantel, and langausrcidicndetn
Leibrock.
' Dünnerem Aufzog fuge den dickgefponnenni EttifchUg;
Hiermit kieide dich wohl, daft nicht dte Haare dir
fchaudern,
Oder gellrÄubt aafftarren , empor am Leibe fich hebend.
Um die Fiifs* auch Solen des ilark erfchlagenen Stieret
Binde dir wohJgefugt, mit Fik inwendig fie futternd.
Auch Ton Erfilingsböcklein , wann Froft vollzeitig her-
annaht, ,
Kähe (Er Fdle s^nfammen mit Stierdrat, daß um di«
Schulter
Du fie wer6Eb dem Regen «ur Wehr ; auch über das
Hailpt dir
Sezt geformeten Filz , dafs nicht die Ohren dir triefen.
Hüten Sie (Ich, folche Wintergemäblde mit dem
£rtifi:e ßines Nordländers zu verftehn. Griechen-
land und Italien war damals nicht kälter, als jezt.
Die fchreckliche Winterkälte jener beglinftigten
Naturkinder, auiser den Berggegenden , wo aller-
ZWANZIGSTER BRIEF. XI7
dings Sehne? und tragendes Eis dauerte ^ war
nur anhaltender Regenfturm, dergleichen im
Sommer fogar Winter hiefs, dabei Hageifchaoer
mit Gewittern, Schnee» der manchmal wohl
einen Tag liegen blieb , und Nachtfröfte, wovou
die Wiefe blinkte, der Bach überfchelferte , und
manches zartere Wintergewächs verfchrampfte.
Zur Schlacht finden Sie, daß Homers Helden
fich Beinfchienen von £rz (II. 7, 41 ) oder köft-
Hchem Zinn Ci8f 612) mit filberner Knöchel-
decke gegen die Gefchoffe anfügten, wie der
alte Laertes (Odyff, 24, 228) lederne der Dor-
nen wegen; Fu&folen niemals. Aber gegen die
Morgenkälte fchüzt fich Agamemnon (H. 2, 42)
durch weiche Gewände und fi:höne Solen, und
fchmückt fich, als Obergebieter, mit Schwert
und Herfcherftab.' Eben derfelbe in der fchlaf-
lofen Nacht (IL 10, 21) umbQilt die Bruft mit
emem wolligen Leibrock, bindet fich Solea
unter, und wirft um die Schultern ein mächti-
ges Löwenjfell, das zu den Knöcheln hinabreicht^
und nimt dann die Lanze in die Hand. Auch
Keftor der Greis (v. 131} kleidet fich in eia
warmes Gewand , legt ftattliche Solen an»
fchnallt einen doppelten und weitgefalteten Pur-^
purmantel von zottigen Flocken um, und fafst
den ehernen SpeeA Die jUngeren hi^Kgegeo»
128 JM[Y7HOtQaiSCHER BRIEFS I. B.
OdyiTeus und Diomedes, fogar Henelaos, wagen
les auch jest, wi^ gleich darauf (v. 335) der
troifche Kucdfcbafter Dolon^ ohoe Fa&rolea
auszugehn,
Sie ftuzen? Wenn Ihnen die Anführungen
noch Zweifel laflen ; fo vertrauen Sie den alten
Mahlern, die, nach Philoftrat (ep. 22) einen
Ajas und Acbilleu$ nie anders als ungefchuht
mahlten, und nur den hinkenden Philoktet mit
jufsbinden, den wandernden lafon mit Einem
Schuh, weil der andere im Schlamme verloren
war, vorftellten. Unter den herkulanifcheh
iStatuen {Tom. 6. 1 63, 64 ) ift eine Amazonin zu
Pferde, die, ohne Solen, nur Beinfchienen unter
die Waden und um die Hälfte der Plattfüfse ge«
fügt hat, dafs unbedeckt Vorderfufs und Ferfe
hervorragen. Auch erinnere ich mich anderswo
Helden der.Ilias in Abbildungen gefchnittener
Steine mit Beinfchienen an blofsen Ftifsen gefehn
zu haben. Auf einem halberhobenen Gebilde
bei Winkelmann (iWow. inti, N. 132) wird dem
Achilleus, der Halbftiefeln' trägt, nur an das
rechte Bein eine metallene Schiene gefügt.^ Beide
Sitten, ' nicht blofs die lezte, find aus fpäterer
Zeit.
Wohl 9lfo verdmidigfc der Cyniker bei Luctan
( met. Ueherf.s Stf 158; feine Natarhl(S(se mit
ZWANZIGSTER BRIEF. IS9
dem Vorbilde der alten KraftmSnner , die man
Halbgötter und Heroen nennt. Nicht nnrHerakk«
habe ohne Gewand nnd Schuhe die Welt durch«
wandert; nicht nurThefeus, fein Zögling, König
von Athen, und Pofei<Jons Sohn, der tapferfte
jener Zeit, fei ungefchuht und nackend, mit im«
gefchorenem Bart und Haupthaar, einhergegan*
gen: fondern alle Helden des Altertham&
XXL
Wie fehr nnferen nordifchen Begriffen von
Naturbedürfnis und Anftand die Barfüfsigkeit
widerfteht; (b war fie gleichwohl herfchende
Sitte der alten Völker unter gemäfsigtem Himmel,
und erhielt lieh bis in Zeiten der Verfeinerung
und der Weichlichkeit.
Den Hebräern diente , wie den homerifchen
Griechen, der Schuh nur für Vornehme, oder
bei feierlichen Gelegenheiten, und befchwer«
liehen Fufsreifen. Wenn wir Bochart (^Hier.
I9 2, 50) alfo verftehn, fo fallen die fämtlichen
Einwendungen weg, welche Bynäus (^de cate.
Hebr.^ entgegen ftellt. Gefchuht und mit
Stäben in der Hand mufsten lie das Ofterlamm
eifen, da gewöhnlich die meiften, bei Mahlzeiteh
alle, an den Füfsen ei^blöfst waren. Wie hätte
I ja ^ MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B,
auch Nvohl Entfchuhung bei Mofes «m brennek'^
den Bufche, bei den Prieftern utid andern Anbe-i
tenden, ein Zeichen der D^mut, bei David und
»ehreren Leidtragenden ein Ausdruck der trau-
rigen Erniedirigung fein können , wenn tjicht die
Niedrigen des Volks barfuü gingen?
Auch bei den Römern > fagt Servius (^«i,
j 28a )> trugen die Knechte vordem keine
Schuhe; und, wie Juvenals SchoHaft <i, iii)
Verfichert, anfangs nicht einmal die Senatoren»
Ueberbleibfel der alten Sitte waren die Nudipe-
daliennnd Leichenbegängnifle; und wenn ScipioJ
der jüngere Kato, GeriAanikus und andere,
öffentlich difcakeaü, oder mit leichteren Solen,
(G^. 13, Äi), Auffehn erregten.
Aber wozu Fremdes? In Griechenland felbft
blieb die Barfü&igkeit lan^e nach Homer iii
Ehre»
Nicht nur Jünglingen Verbot der Lacedämo»
Hier Gefez die weichliche Tracht der Schuhe
(^Xenopk.pol. Lac. a. PltU. Lycurg.); fondern
der alte A-gefilaus QAeL var. kiß. 7f ^S) pAegt«
oft ohne Schuhe uöd Leibrock, in den Alltags-
mantel gehüllt, aifszugehn, und das in den Früh-
ftpnden des Winkers. Wenn man ihm vorftellte,
einhandele zq.jugendlich für feine Jahres fo aat-.
SXNUKDZWANZfdSTfiR BR. X3I
wbrMe er: Die anderen jlchann ja auf michf wie'^
die Füllen auf den erwachfenen GauU
Gleiche Streng^ ward im verfeinerten Athen
Ton Männern geübt, die nach Einfalt und Abhär-
tung Arebten, von Weitweifen und anderen. Der
FerdhdT Phocion, wie Plutarch meldet 1^ trug
nur im heftigften Winter Schuhe: fo dafs, einen
unerträglichen Froft zu bezeichnen, die Soldaten
im Scherz fiigten, Phocion Ivibe Schuhe ange«
habt. Dem Sokrates, der, nach Piatons Zeugnis
ohne Schuhe durch Eis leichter ging , als andere
mit Schuhen, und^ der mit feiner altvätrifchea
Barfufsigkeit von AriftoTanes (««&. 103, 363)
verlpottet ward , konnte es gleichwohl Diogenes
(ijfi. ü« &« 4, 11) nicht verzeihn, da&erzuweir
len auf modifchen Blauten ein Gaftmafal befucbt
habe. Hieronymus (in Mattk. 10) bezeugt
Piatons Lehre: man mülTe die beiden Enden des
Leibes^nicht einhüllen, und durch Weichlichkeit
\iFeder Haupt noch Fü&e verwohnen; denn von
deren Abhärtung hange die Stärke des Ganzen ab^
Auch der Redner Lykurg , wie Plutarch in feinem
Leben erzählt, ein Schüler von Piaton und {^for
krates, wiewohl er ein reicher und mächtiger
Mann war, trug den felbigen Rock im.Somin^
und im Winter, und Schuhe 9ur an nothw^ndigegu
Tagen. Doch waren es fchon Zeitftn^ daTbeiCKf
la
131 MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
frsA icharaS. 11) es zum Geize rechnete, fich
mitten am Tage zu entfchuhen ; und da der atti-
fche Komiker, weiAen Terenz ^Phorm. i,
2, 55) nachahmte« nur ein armes Mädchen fo
fchiiderte:
'Sibil aderat ädiumeigii ad pulcbritudinem : ^
CapiUus fajfus^ nudus pes, ipfa borrida.
Kein falfcher Reiz war beigefellt zur V^ohlgeftaln
Gefenkc dai Haupthaar , nackt 4er Fafs, fcbmacktos
lie felbft.
Am eifrigften beharrten die ernften Weltwei-
len bei fchiechtem Mantel, langem Bart und Bar*
füfsigkeit. Sie lehrten nicht nur, welche Sitten
Natur und Vernunft erfordere , fondern gingen
mit eigenem Beiipiele voran. So tadelt der
Stoiker Mufonius, der ini' erften Jahrhunderte
lebte, bei Stobäus Cmor. p. i8)> das weichliche
Einwickeln der Füfse : der Befchuhete fei gleichfam
gefeifelt; ein freier Fufs gewähre einen frendi-
gen und leichten Gang; weshalb auch Eaibotea
fowohl ak Wettläufer der hemmenden Schuhe
fich enthalten. Und unter Konftans ward der
weife Proäreiius angeftaunt QEunap. p. 122 ),
wegen der eifernen Fühllofigkeit , dafs er im
dünnen Mantel, ungefchuht, die gallifche Kälte
fttr Luft achtete, und beinahe den gefrorenen
Rl^nus trank«
JSINUNDZWANZIGSTER BR. I33
Doch blieben die weifen Graubärte nicht ganz
ohne Gefelirc&aft DenQ wie, nach Nikohos
Damafcenus QStob» foor. 43. p. 294)9 die kretl«
ichen Knaben< barf afs jagten , und bergan liefen ;
to gebietet noch Oppian (vm. x, X02):
Tvfjtvoifi ig Toeetv ihvgrt
Q^tt X8 fiti $Hfseet¥ tat ofifutro^ pwvov iMir§
Mit nackenden Pfiffen einhergebn
MüfTen (ie, wekhen die Spur des bildet gefällt sa
cuträzeln :
Bsfs ja nicht den Thieren den Schlaf Tom Aoge vcf*
fcheuche
Stampfender Solen GerMafch im Tritt der ftattiichen Ffifie*
Selbft von feiner Geliebten verlangt der zart«
liehe Philoftrat iep» 67)9 dafi fie die holden
Füße nicht durch ein farbiges Gewickel, und
fchimmere es von Gold» entftelle; fondefn, wie
Hals, Haare und Augen, fie blofs trage, und
dem Erdboden ihre liebliche Spur gönne«
Gleich Smfig fucht er («p« as) einem fchönen
Jünglinge die drückenden Sandalien zu verleiden :
für Kranke fei dergleichen Tracht, oder für
Greife; deshalb werde der hinkende Philoktet in
Fufsbinden gemahlt; aber der Weltweife von
13
I3t4 MTTHOLOGISCHBR BRIEI^E I. B.
Sinope^ und Krates, und Ajas» und AchiFIens^
ftets UBgefchubt. Ein andermal fcbreibfe er feiner
Geliebten («p. ^i): Momus habe an der Afrcrdtte
xiichts weiter zu tadeln gewnf^y als dafs rhre
untergebundenen Sandalien ein fa widerliches
Geräufch machten: fie Tollte üngefchubt geheir^
•wie fie aus dem Meere lieh erhob» Wohl und
befler als Afrodite,. fügt er hinani, wirft du
handeln, wenn du die FÜfse brauchfty wie die
Natnr fie gab , und den Vorwürfen des Momus
entfliebfl:. Ach ungefeffelte Fülse! ach freie
Schönheit r Ach Wonne mir, und überirdifche
Seligkeit^ — träten fie mich!
Bar/üfsig aus andScbtiger Demut und Trauer
finden wir den opfernden Pythi^oras bei Jam*
blich (vö. Pjftk 23 >, den Feierzug der Demeter
bei KaUimachns (in Cer. 125 >» Ant^one bei So-,
fokles, Afrodite JD Blons Klage Um Adonis, und
Aktäons Mutter Autonoe bei.Nonnus (Dionyf.
3^4» 357)» Auch in der erften Kirche, die
unter Leiden, entfernt von den Hohen der W^lt,
fich emporarbeitete, wollten mehrere Lehrer
nur Weibern belcheidene Solen, Männeicn nicht
anders, als im Kriege oder bei Schwächlichkeit
zugeftehn. Welcher von Cbriftus nicht geböte«
nen Strenge .die barfüfsigen Bettelmö^cbe. ifajr ^
Dafein verdankeu, ^
BIN17XBZWAN2ICSSTBR BR. I35
Diefetnnach wird die Befcbuhung der home«
rifcben Götter ki Zeus Palafte nicht fchwer zu
Auf den Höhe» des. vielgewmidenen Olympos
in befonderen Paläftea umherwohnend QIL i, 6o6i
II, 76-^ 2;a, 5- Odtfjf. 8, 268- Theog. 62),
veriammelten £e fich täglich^ nach beroircher
Sitte, zn Schmaus nnd Rath in der Burg des
* Götterköniges Zeus , dfe auf, dem erhabenftea
Gipfel ftand. *) NatMicb kamen fie lüftfchrei-
tend über die rauben Bergwindtmgen , getragen
von ihren goldenen FufsCblan: diefieabec, um
fich beim SchmauCe bequem zu machen,, wie die
Freier ihre Mäntel (fidyjf. 20, 24;^), ablegten^
und alfo zur Abfahrt bei der Hand hatten. Kbeti
fö pflegte noch der Rikner zu.fchmaufen, und|^
wenn er weggebn wollte,, die Schöbe zsx för«
dem (Pßii, #|r. p, 17)^
*) Im HermannifcBen Lehrbuch wird ^1 S.* 175 die
Lehre c^es Herrn Heyne gelehrt, daß die z^gc^lf
grofsen GoLtter alle mit Zeus in einem einzigen. Palafte
wohnen^ Der Beweis foll Ih 11, 7g fein: wo awei
Verfe vorher grade ^ta Gegentheil ficbtbar ift. Was
hrerbei,. nach^ Herrn Heynem Anmerkungen hti Vir-
gil und Tiball »' von der Einrichtong dei homerifchea
Haufeü gefagt wird,, ift durchaus fäilch: wie alles»,
was jener flüchtige Komptlator Im Komei mit eigeneä
Augen gefeha haben wiit
14
X36 MYTHOtOGiSCHER BRIBFIC I.B.
XXII.
Liurch die Zauberkraft alfo der goldenen ambro*/
fifchen Solen werden Homers Götter hoch über
Waffer und Land getrageh. Aber wie ? Schwe-
bend mit gefchloffenen Fufsen » wie unfere Engel
und Gefpenfter hingleiten; oder in weit ge-
fchwungenen Schritten wandelnd?
Für das lezte erklären fich faft einhellig die
alten Ausleger. Denn bei II. 5, 778, wo von
Here und Athene gefagt wird:
Sie sniji eilten dahin, gleich fchücbternen Tauben am
Ganger
verftelm fie leichte Schwünge der Füfse mit leifer
Spur, wie der Tauben » die ohne merklichen
Eindruck-den Staub berühren. . Und bei IL 13, 71»
wo Ajas von Pofeidon fagt:
^ohl ja bemerkt* ich von hinten der Füfse Gang und
der Schenkel,
Als er hinweg (ich wandte; denn leicht zu erkennea
find Götter:
lehrt Euftathius aus den Alten: ''Blofs am Gang
"wird ein Gott erkannt j ent\veder weil er
2WKIUNDZWANZIGSTER BR. I37
'^fchiiell weggeht, und mit leichtem Tritte
<* läuft; oder weil er nicht einmal Spuren la den
** Boden drückt; oder weil er weit fchreitet,
/^dafii ein grofselr Abftand der' Spuren ift, und
'^ nicht wie beim Gange der Men(chen; oder weil
<<er fehr rafch und im Na Spuren auf Spuren
**macit „
Die erfte Meinung behauptet der ipäte Helio»
der (^jletkiop.^ p. 148)» als eine, die weniger
gemein, und aus der innerften Theofofie genom-
men fei« <*Der Weife,.,, lagt er ,. ^< erkennt
^^ Götter nicht nur an den Augen, die ftecs uh-
« verrückt fehen, ohne je mit der Wiroper zu
V nicken; fondem noch mehr am Gange, der
''nicht in Fortfezung der Füfse oder Umwecb-
^'felung hefteht, nein in fireifckwibendem Zuge
^*und unfmterbroekimm Sckwumgif kutem fie dii
** umgebende Luft mehr fchneiäenf als durek'
** wandeln: daher die ägyptifchen GötterbUdniffe
^'mit gefchloflenen und gleichfam vereinigten
**Füfsen ftehn. „ Beide Kennzeichen fcheinen
ihm von Homer myftifch für die Verftändigen
angedeutet zu fein: der ftarrende Blick (U. j,
200) durch die fürchterlich ftralenden Augen der
Athene; und der frei fch webende Zug in jener
Stelle von Pofeidon: wo er fs/ airmroc verbindet,
und fMvr«« fv Ty wo(^iai9 da er gleichfam hinweg-
15
<38 MYTHOIrOC^ISCHER BRIEFE I. K
fioß^ erklären wiD» mit Beipflicbtang einiger
Scholiaften.
Heliodors Meinnng gefällt den meiften Neue-
ren bei VJrgils Aeneis ( i , 405 ; 5 , 649). Euäiis
altein fchwankt zwi(chen Flug und Schritt; und
^ Herr Heyne, der den Schritt vorzieht*), giebt
ihm nur Leichtigkeit, nicht Weite; die aifo Herr
Hermann im mytbalogifchen Handbuch (i S. 6)
f Ur fich felbft bemerkt haben möchte. Wenn
fogar Leffing im Anhange znm Laokoon (S. 327)
Heliodors gleitenden Zug zu begünfUgen fcheint;
, fo mturen wir erwägen, dafs jenes nur flüchtig
hingeworfene Aufgabe za künftiger Unterfu«^
chung, und nicht vollendete Abhandlung fei«
Im vollendeten Theile des Laokoon ( VIL S. 85)
. VfA(s der fcharfQchtfge Mann febr wohl, daft
(D. Ig, X48) Thetis zu Fufie die LuftMurch«
fchreite»
*3 Im Elmars zu Aen. i,- 402 -404. vo Heliodors theo-
fofifche Erklärung aatdrückirch Tervorfeii wird. In
den Anmerkungen hingegen unter dem Text ntmt der
lelbi'ge Herr Heyne- fvpuiv rn» otsftov Kxt i^nnv
m^xQ»7nh^ov , den frei fchwebtndtn Zmg und ummmiih-
kro<ibencn Scbvmng, n^it Heliodors eigenen Worten
an: welche Worte er dem Eufiathius beileget. Mehr
foicher Uebereihingen finden Sie in der Schrift, Vekt;
• Vir gilt TfH md /kfUgfaigr^ ao^merkt.
KeiB Zweifel, da(s die ahen Ausleger Hotnets
richtig iabo. Nidit m gleitendem Zug ftrejdien
£e Gottheiten auf ihren Solen durch die Lüfte;
fbttdem mit Leiditigkeit und Kraft anfezend auf
feftes Land» auf WafTer oder Dunft , fahren fie in
Schritten von ftannewwürdiger Ausdehnang
einher: in Schritten, wie wenn ein TrSümen«
der zugleich läuft ifnd fliegt, von jedem Sto(se
des Fufses weit über den Boden hinwegge-
fehwangen; daf&man (verzeihen Sie die AnfOh-»
rang> an die Zanberftiefeln der altdeutfchea
Volksfabet un Riefenhüget erinnert if^ird :
■ I* ^hrciV 1» ihagilchm StrefeJ»»
Vor die Tag nud hinur dir Nacht» bchu Meilen auf
Immair
€ider an den Heeszng der Engel in Uütons ver»
lorenem Paradiefe(6, 7i>2
Nor Qhviomr hüt.
Kift ßrai^ifing valr, «or wmkf; nor ßreat» dhidss
TTfeir peife^ ranks: fvr biib aBove the grouvd
Thnv marck «wr» änd tbe faffivt- mr nftme
Tbiir nimble tread.
Kern vorgeftreckter Ber|^
Kein engend Thal, kein Wald, kein Strom zertrenat:
Der , Schlachtpeihn Ordnung: hoch rom Grand* erhöbt
Ging hin fhr Zog,, odd duldend trag die Laft
Dea behenden Tritt.
I40 MirTHOLOGISCHER BRISFE I. B.
Wenn mchi: anderswo Mlltfiiif wafarrcfaeiillich
durch Heliodor V^^rführt, feinen Engeln den
fchrittlofeä Gefpenfterflug mitgetheilt hStte,
Z.E. 8, 361:
AM wer feldf and waterr^ as m air
Simoth fliding witbout fief^' Ufl led wie up
A Woody mmntaiHm
Und über Feld und Gaffer» wie m Laft
Sanft gleitend ohne Schritt, fuhrt' er mich snf
Ein Waldgebirge
Jene übermenfchlichen Schwünge des magifcb
erhobenen Fufstrittes mahlt Homer an mehreren
Stellen fo augen(cheinlicb, dafs es Tchwer zw be-
greifen ift^ wie man von dem grillenhaften Hleli«
odor fleh einen fchrittlos gleitenden Zug hat
können aufheften lafTen.
Gleich Pofeidon, als er (jf/. 13, 16) von der
tbrakifchen Samos die beilegten Achaier vor Troja
fallen fah» ergrimmte vor Unmut gegen Zeus:
Avrix« i^ >£ of««fi xcTf^ffAiro sr«i9raAofvroC»
fi^atx^ck xoet Kfoßtßai* rgiß^ ^»ff« putttfat tteu vhH
Xlo€9iv «V^ a^xvoiroiff* Uo^tiiüiuvoi /avr«c*
2WEIUNDZWANZIGSTBR B|U I4I
PlÖzlich fiieg er herab von dem zackigen Felfengebirge»
V(^andelnd mit hurtigem Gaiig ; und es bebten Hie Höhn
und die Wälder
Weit den unfterblichen Füfsen des wandelnden Pofeidaon.
Dreimal erhob er den Schritt« nnd das viertemal ftand
er am Ziele,
• ^^^^
Mit eben fo ungeheuren Luftfcbritten ent-
fchwingttfch Here (II. 14, 225) vom Ol3mipos
• zuerft auf Pieria, dann zu den thrakifchen Berg-
hohen fort, ohne das zwifchenliegende Land mit
den Füfsen zu berühren , dann weiter von dem
Athos über das Meer bin» wo der lezte Tritt,
auf die wallende Fläche gedrückt , fie nach
Lemnos bringt; von ^ort endlich (y. ago), mit
dem Schlafe zugleich, wandelt fie auf den Meer-
fluten zum Lekton, und Jda's Bergkette hinan,
dafs unter dem mächtigen Gang die Waldwipfel
fich bewegen«
So auch Hermes (Ody ff. 5, 49), von den
ambrofifchen Solen über GewäfTer und Land ge-
tragen, trit vom Olympos fogleich auf Pieria;
dann aus der heiteren Habe auf das Meer iich
fenkend, wandelt er mit leicht gehobenen
Schritten über die unendlichen Wogen hinweg,
^inem fi(bhenden Meervogel gleich, der häufig
die Pittige in die Fluten taucht; bis er zulezt
HZ iMYÜ'HOLOtllSCHSR BRIEFE I;. B.
^ an das Geftade von Ogygia empatfteigt , und s^r
Grotte der Kalypfo wandeltk ^
Woher auch wohl das Geraffel des pfeilvollen
Köchers an Apollons Schulter (IL i, 46), wenn
nicht d«: zürnende vom Olympos über die Meer-
fläche heranfchreitead mit furchtbarem Ungeftüqi
gedacht wird?
Lant crTclioBen dn Pfeile zugleich an des zfimenden
Sdiulter,
Als er «tnher Geh i>evf'egt'5 er wandelte, dufter wie
KaclKgrautk •
Woher, wenn man einen geltenden Zug annimt^
(Jt ao, 36) des -hinkenden Hefäflios mühfamer
Gang in die Schlacht? Wie konnten Afrodite
und ApoUon (II. 5, 334 ™d 43a), .durch die
Lafl: des getragenen Aeneias aufgehalten, von
Dromedes eiflgehohlt werden, wofern fie nicht
auf dem Boden gingen? Und was anders als
Luftfehritte find angedeutet, wenn Thetis QU
18» 148) zum Olympos die Füße tragsn^ oder
wenn fie (v. 615) vom Olympos fchnell wie ein
Habicht herabfpringt ? Was anders wohl , wenn
Ate (iL 19, 92) mit leichten Füfsen auf de^ ..
Häuptern der Männer wandelt ?
ZWEIUNDZWANZIGSTER BR. I4|
2I/Avdcr«f» «AA* «f « ^yt tucT* ffv^f«y H^mara ßeuvst,
Schrrckenvolh kicht fchweben die Füfs* ihr; nimmer
dem Grund' aach
Nahet de, nein hoch wandelt üt her aaf deo' Haupte«
der Mümter.
iffi^ anders endlich, wenn leU an fo vielen
Orten die fußfcknitte ^ die windfüßige, die
flurmfößige heifst, und wenn fie (IL ig, 167)
und im Hymnus an Apoilon (v. 107) taufend
vom Olympos kommt?
Auch Iris aemlich, die einsige Gottheit:
Homers, der man wegen des Beiworts goldge",
flügelt (//.8, 3985 n, 1855 Ä im Csr. 314)^
einen Flug auf goldfchimmemden Flügeln zu-
trauen tonnte, auch fie wandelt mit wechfeln*
denFufstritten; und nur bildlich, die geflügelte
Eilfertigkeit ihres Ganges auf den goldenen
SchwnngfoUn zu bezeichnen , wu-d Ce die gold*
geflügelte gßmnnt. Das beweift fchon, was ia
dem Hymnus gleich auf das Beiwort der Iris
folgt (V> 3^6):
i
Xltt^iro, tmt #cf<fffjf>tr ^liifeii^n mna ^ohee>
riv.
144 MYTHOLOGISCHER BUtfiFE I« B.
Jfener fprichs; lie gehorchte dem fchvarzufiiwölkteii
' Kronion
Willig, und rafch durchlief fie den MittelrSmm mit deü
Füfsen.
Bei Ariftbfancs (äv. 575) wird ihre Beflügelung
fcherzbaft aus Homer bewiefen , aber nicht aus
dem Beiworte ;c?«tfOTTffoc- Wie käme fie auch
Allein zu Flügeln?
XXIII.
Loben Sie nur zu ; von Ihnen mag man gelobt
werden. Da Ihnen die homerifche Welttafel,
auch ohne Erklärung und Beweis, brauchbar
fehlen; fo habe ich fie meinem Homer bei-
gefügt.
Es vergeht doch noch einige Zeit, ehe die
voUftändige Folge der rui^den und eiförmigen
Welttafeln von Homer bis Ptolemäus ans Licht
treten kann. Eine Folge, die, wenn fie meinem
Eifer und Ihren Erwartungen entfpricht, fo un-
terhaltend fein mufs, um die allmählichen Fort-
fchritte des menfchlichen Geiftes ziji vergleichen,
als dienlich zur Erklärung der alten Fabeljehre
und Weltgefchichte.
Ihnen, mein Freund, war alfo der Weg auf-
r fallend, welchen Homer (Odyff. 5, 50) feinem
DREIUNDZWANZIGSTBR BR, I45
gefchSftigen Argoswürger vom Berge Olympos
nach Kalypfo's Infel Ogygia vorzeichnet
Ogygia dachte fich Homer in der fabelhaft
erweiterten Syrtenbucht, fo weit weftwärts^
dafs OdyfTeuSy von dort nach Scheria fteurend
(Odyff. 5^ 276)9 das BlErengeftirn zur Linken
behielt. Der geradefte Weg alfo führte den
Hermes füdweftlich über Griechenland. Wozu
denn der Umweg über Pieria und daa ägäifche
Meer?
Ich antwortete vordem : Weil etwa die Ein-
famkeit des Meers zu Götterwanderungen am
günftigften fehlen. Aber Luftfehritte, in weiten
Abftänden auf Berggipfel gefezt, find wohl fo
einfam; und zudem konnte ja ein Gott unfichtbar
oder in verwandelter Geftalt reifeü.
Di^ wahre Urfache enthält unfer falCfches
Sprichwort: Een god IFeg ümmi is keene
Krümme.
Wenn der ruhige Gang auf der weitumwan«^
dertenErde; den gleichwohl der Gott , wie der
Menfch, am liebften auswählte, nicht vergönnt
war; fo fehlen das gemächlichfte, über das Ele-
ment des Waflersy das nächft der Erde am meiften
K
146 MYTHOLOGISCHER BRUFfi I. B.
Feftigkeit enthielt > durch erleichternde Schwutig«
folen zu wandeln. Ungern , und nur durch
Noth oder Leidenfchaft getrieben ,. unterzog lieh
der Gott der mtthfameti Anfirengung, entweder
auf der dicken Dunftluft innerhalb des Wolken«
bezirks zu fchreiten; oder fogar, von reiner in
den entwölkten Aether enaporreichenden Berg«
höhe zur andern,. mit ftUroiifcber Heftigkeit
hinwegzufpringen«
Irre ich nicht, fo iß: Steigerung in Homers
Ausdrucke von den fchwebenden Götterfolen«
Nicht über die Fläche der Gewäfier allein tragen
fie den erleichterten Schritt hinweg; fondem
felbft über das unendliche Land, wo der-Fu(s»
auf der lockeren Dunftluft einberzufchreiteii^
einer weit ftärkeren Erhebung I)edarf.
Unleugbar ift diefe Steigerung in den folgen«
den Verfen des homerifchen Hymnus an Demeter,
wo (V. 380) von den Rofien des Aides gefagt
wird:
Oi/5* viuf woraiimvi ht ayxset To/if lyr«,
DREIÜNDZWANZIGÄTEE BR. I47
Rafeh ancnnersiiche Wege Tolibrachten lie: weder dit
Meecfluc,
Kodi der Strömt Gevog', auch nichc ThaUürunmea voll
Orafeff»
Hcinmten den Sturm, noch Celfige Höhn, der tuftcrb-
* liehen Rofle;
Nein auch iber die Höhn dnrchichnitten fie rennend die
Donftluft.
Selbft der Widder mit goldenem Vlieffle (Erat^
cataß. 19) nahm auf der Reife nach Kolchis, des
bequemeren Ganges halber» einen Umweg über
das euxinifche Meer.
Die geringere Kraft auf dem Wafler zu gehn
ijirard auch wohl Sterblichen von Pofeidon ver-
liehn: wie dem Orion bei Hefiodus iEratoßk.
€atafi. 32 )y der über den Fluten , wie auf dem
Lande, wandelte; dem Eufemos bei Apoilomus
(i, 179); den RoiTen des Erichtfaonios in der
liias (20, 226), des Peleus (<2*«»^-3f 758)»
des Pelops (^Philofir. tcon. i , 17 )• Aber Luft«
fchritte waren ihnen verfagt. Dazu war dem
Hyperboreer Abaris erft ein goldener Pfeil
Apollons nothwendig, auf welchem er, über
lAeere und Ströme und alles unwegfame erhoben»
den ganzen Erdkreis durchflog s dazu der Medea
des Helios Geipaam
K»
148 IMIYTHOLOGISCHER BRIEFS 1. B.
XIV.
Schon die gro&e Einhelligkeit der Grammatiker
für den fchreitenden Gang der Götter ift dem/
der die Weife der Grammatiker keant, ein iicbe-
/rer Beweis , dafs auch die fpäteren Griechen«
felbft nach angenommenen Flügeln , den Schritt
über WafTer und Luft und die tragenden Solen
nicht aufgaben. Folgende Beifpiele werden ent«
fcheidend fein.
Auf .dem Schilde des Herakles von Heiiodus
(v. 228) erfcheint PeJ^feus mit den magifchen
Solen der Nereiden , die von der inwohnenden
Schwungkraft geflügelte heiften , durch die Luft
fchreitend , und hinter ihm die Gorgonen fo un-
geftüm nachwandelnd , dafs der Betrachter den
Stahl des Schildes von den Fuistritten tönen zu
hören glaubt
Avr«c ^< €TsviovTt nett i^fiyovrt sotHUQ
Tlif€svc AffVffi'^ifC iTiraivsTO * T»t ig fAfr avTov
TtffyovMQ a^ÄifTot rg xat ou ^urätt •ffw^r«,
'U(igvut iietTtsty, sxi Sg x^^e^ aiaiiatvroQ
BatvH€'tm iax*€Kg trxKoq figya^f OQvfuty^tfi
- -0|c« xat A/y««c*
* Selber dem eilenden gleich, und ftarr vor' Schrecken,
entfchvflng lieh
Fcrfeat, Daniens Sohn, mit Heftigkeit. Doch die '
* Gorgonen
VIERUNDZWANZIGSTER BR. 149
Stürzten ihm nach» oiuiabbar» toU anaoiiprechlichet
Graaenij
Ihn za erhafchen entflaaiiiit; und ipdcm fie auf eraaU*
ehern Demant
Wandelten» hallte d^r Schild ringsnm mit laatem
Geraffel,
Scharfes Getönt, hellgellend.
ApoIIon bei Pindar (Py/Ä. 3^ 75), um fein
Kind Afklepios aus dem Feuer zu retten, fpringt
mit dint' erßen Schritte f ßxfiart bv sr^wr^, von
Delfos zum böbifchen See in TJief&lien. Diefen
ftürmifchen Schwung findet der Schollaft, und
wir beide mit ihm, erhabener, und dem Gott,
dejOTen Kmd in der Flamme lag, aüftändiger, ab
des meifternden Ariftarchs EinfaU, der, weil ihm
der Eine Schritt froftige Uebertreibung fehlen
{Eufiath. IL 13, 20), die Aenderung ßxi^xn tv
TiiTctrtfiy mit dem dritten Schritte ^ nach dem Vor«*
bilde des homerifchen Pofeidon, fich l^eraus«
nahm. *)
*) Herr Heyne wundert fich über des Grammatikers Spiz-
findigkeit. Simf Heiter poeta dixit , faltn faHo Apollinem
eripuiße flamma pueruntf quefn mater utero geßabaU
Was meint er mit (tmtm fimpliciter? Nur anfgefpruU'
%eu fei der Gott, und dann mit mehreren Schritten
gegangen? Oder er fei im Sprunge^ das ift, tnrf SprkH'
len, dahingeeilt? O des Interpreten!
K3
150 MYTHOLOGISCHER BRIEFE T.6»
Den felUgen Gott zeigt Pindar iü einem Frag^
mente bei Strabo C9P-413) mit gleicher Ge«
walt, wie in derllias, da desStUmendenGefcbofr
raiTelte, einherwandelnd:
X«# fxo^uu^i i^syaxaii oftuv värff ff««*
Machtvoll icbwang er den Vtiüttitt iber Leod waä
MeeijBiit,
Und das erhabene GeklsTt der Gebkge betrat er.
•
!Aüf den lebendigen Aasdrn'ck des Rhythmus darf
ich ein Ohr, wie das Ihrige, nicht erft aafmerk*
iäm machen.
Wandelnd ancb. bei ApoIIomqs (a, 674) er-
fcheint den Argonauten auf der Infei Thynias
der Herfcher Apollon , da er an^ Lykia zn dem
unendlichen Volke der Hyperboreer kehrt :
Xfoetot Zt xaftttwv Sicartf^t
Amtp yafyvg§9¥ ¥mß» ßtw' mfi^i U yür^/f
Jo^oHH rsrxvvro tutrmfuih'/' i^^* vto 9ro99t
^ Goldfiralbod an jeglicher Nraiig' 3im
herottter
flogen die tranb^n Locken mit Heftigkeit» wie et
cittberging.
VIEftUNDZWANZIGSTKR BS« I5I
Xfinki fein Gefchols bewegt* er, das fflberqe; nnd am
den Racken
Hing der Köcher hinab von der Schalter ihm. Unter
dem Fufitritt
Schütterte ganz die Infel, es wogte die Flut am Ge-
fiad* aa£
Mit ftaunendem Schrecken fahn die Argonauten
vorr fich nieder , unfähig die herlichen Augen
des Gottes anzufchaun, bis er fem über das
Meer hinweg durch die Dunftluft iich verlor.
Auch Ate wandelt noch bei Rhianus, einem
ZeitgenolTen des Eratofthenes, eben fo, wie bei
Homer, mit fch webendem Fufstritt auf dea
HSuptem der Männer {^Siob. mor. 4 p. 54):
"h y Arn etira^otsi |<srftrfi»x^9« xoiM€€i9
Axf^C fv «s^«A)f^iy avm^of tut» a^vrog.
Ate jedoch herlaufend mit ianft erhobenen Ftrfien»
V^ber die Scheitel einher, (b wenig bemerkt, wie
gefehe&
Bei Nopnt^s» der fich auf das Ausmahlen
kleiner UmftSndchen was zu gute thut, find der-
gleichen Luftgänge fehr häufig. So ^Dumyf.
8 y 105 ) entichwingt fich der Neid»
xat ayxvÄa ywarm wtcMmißf
Hif Ao|« xrAft/5ff h* iitfOQ,
ond im Schwang der gebogenen Knice
VTandelt' er fchräge den Pfad dorch die Dwiftldfn
K4
151 MYTHOLOGISCHER BRIBFJC I. B.
Gleich darauf (v. iio) rennt Here mit ßürnti^
Jeher Sotey ^vt?.Aiit)ßrt src^iAi«» über unzähliche
Städte einher, zur diktäifchen Höhle der Geburta-
göttin. Und auch diefe enteUt (y. 177) :
Heg» sroriffvrf hmtux^^^ vth^^.
Schnell die dnnftige Luft mit fliegender Sole darcb»
wandernd»
Ruhiger als jener meerwandelnde ApoUon^
unter welchem die Flut "auf wogte, find in einem
verdorbenen Fragmente bei Plutarch {pretcepU
reif.ger.^y wahrfcheinlich von Pindar, dieLie«
besgötter uns vorgeftellt :
EiüTTgofftixot 9^xi vxg^Xcetv Efwrcc*
Auf des Meers hellfchimmenicler Glätte
Vl^andelteu , fcliön von Geficht , die Eroten fie vorbei.
Und wie bei Kailiftrat (14) Amfitrite und die
Nereiden auf der Fläche des Waffers^ ftehn ; fo
läfst Hitherius ipr. \6, 2 ) die Nereiden in meer-
purpurnem Gewände, hüpfend auf den Wellen^
den Tanz aufführen. Imgleichen bei Nonnus
( Df ofiy/. 23, 151) betrit der zi^genfüfsige Pan
den indifchen Hydaspes :
Aiytiot^ ig 9Foitffffi htrgtx* TloLffecsioq Hxv,
Axf« y«J\.9iveswo hetwx^y Tarafcai«.
VIKRUN02WANZIOSTBR BR. 1 5^
Mit Geiüirüfiea bindiircb lief Paii; der pvrhaaiclie
Fel4gotr,
Sanft den oberen Saum de» rahigen Stromes dtticJ^»
wandelnd»
So wie der felbige Geifif üfster anderswo (43, 313)
des Meers babniofe GeWSfier als leichter Wan«^
derer durchhüpft.
Aber wek mer&wSrdi^er i& es, dafs, nach*
dem die Bildner fcbon viele der Götter, am Fuß»
an den Schultern oder am Haupte» beflügelt bat*
ten» dennoch die Dichter bei diefer Beflügelung
den gewaltigeb Schritt» und fogar die tragenden
Scbwungfblen» behielten» Selbft die Bildner
zeigten ihre geflügelten Gottheiten nicht nur im
Fluge hingleitend» oder im Begrif aufzufliegen^
ibndern häufig mit wechfelnden FiKsen durclt die
Luft fich fchwingend : wenn fcbon die unmUlkigt'
Anftrengung ausgefperreter Fußtritte» die der
Einbildung in der Poefie nicht misfallen» dem
Auge von der Grazie der bildenden Kunft mulste
gemildert werden»
Iris, wird bei Euripides iHerc^ für. 87a) Ton
der begleitenden Lyffa oder Wut zam Olymp,
nicht zu fliegen» fondern zu gehen ermahnt: •
'V^andle zum Olympos , Iris > sofgefchnellt den edlen Fuß.
K5
X54 MVTROLOGTSCItER BRIEFE I. B.
Diefelbe bei ApoIIoninSy obgleich ihr (4, jjggy
mit rafchen Fittigen zu enteilen befohlen wird,
obgleich fie (v. 770) , herabQ)ringend vom Olym-
pos, der jezt die Höhe des himmlifchen Gewöl-
bes bedeutete, auf geflreckten Fittigen die Luft
durchfchneidet , hat am £fide doch Luftfehritte
gemacht; denn (v. 779)
I de ruhte die hartigen Kniec vom
'«Auch bei Kallimachns («1 Deh 216) bringt der
Here die herantaufenäi Iris keichend die Bot«
fchaft, wie Leto in Delos zur Geburt arbeite»
und fezt.fich darauf am Throne der Oebieterin#
wo iie wachend und in leifem Schlummer zn
BefieUungen bereit ift, v. 937 : ^
tTeder je den Gärte! entbindet fic , noch die gefchvindcn
• Schöbe des Laufs s ob erstim ein (chleoniget Wort ihr
' befehle ;
Ihre FnuK
Von welchen fortfchwingenden Lauffolen Iris,
bei Plutarch Qamator.) in der neueren Fabel | da
VIKRÜIR'DZW HITZIGSTER BR. 1$$
fie dem 2^fyros dtn Eros gebiert, 9mtt3fX9^, £e
fokihffrligi, beifit.
Eben fo wird der geflügelte Hermes von Eo-
ripides (ffrf* 2^47 )> wo er durch die Luft an-
kömmt, ttxo^c, der fckneBfüßige , genannt.
Und Nonnns (^Dioniff. 9, 155) iS&t ihn fliegend
die Kniee bnmebeBi
XX^ «TifVy 9W2vr»VtfC VC sfonrav «Av5cy 'tfpufC,
XtficA«r«c ^A/|»^/y vwwftfuov srr^v «vf y^^
Dieib gcT^t^ ten Hernie» »le kortige» Kniees ge«
Himinel,
WtfbeM MB Sc&wimg cter Läfte des «i%ebliUictta
KtOgr
Der^ feÄige Nonnns {Dumyf. 2, ^05) ze^
aie geflügelte SiegjBgßttia aof Solen durch die
XxSt wandelnd:
Af>er dem einfinMB Zess »tf Hefferm athete Nite»
San& aoLdea J^fade» der Luft mit ftrcrfeadcr Soie fick
ichwingead.
Den Herfcher der guten Zeit oder der Gele-
genheit, KSraSf hMe Ly&ppns in Sicyon gebil-
det, als fchönen Jüngling, der mit Fofsflugetn
von einer Kugd zum fliegenden Laufe fleh zn
1S6 MYTHOtOGISCRSRBRIsrFE 1.8.
erheben fehlen. Dies meldet:^ außer Kalliftrat
iflat^ 6) und Himerius C^^^* ^[4)» ein Epigramm
des Pofidippus (^Anth. 4» 14 p. 346):
«* Ti^rr» Ä^ear* axgat ßtßiiKC$Q; ß^ A$t rgox»»^ ee. Tt
A. Was dein Tritt auf dcö Tfchcn^ R Ich laufe ja!
/ A. Was die Beflöglung
Jeglichem Fufs^ F. Hiermit flieg" ich im hebenden
X ' Wind.
•
Auf gleiche Art werden den Sirenen in einem *
Fragmente des Euripides bei Kleraens iflront» 4
p. 543), nebft den Fittigen der fpäteren F^el;
noch Fufsfolen zu fchwebenden Luftfehritten
yerliehn:
Ha! gphtene Fittige mir um den Rucke»
Und die UebKchen Solen der Seirenen gefugte
Dafs ich wandle zum wetten Aether
Erhöht» in Ze^s. Gemeinfchaftl
Welcher Gang durch die.Lnft auch d^n
geflügelten ;Eumeniden in einem Chore des
Euripides {Orefl^ 317) beigelegt wird:
VlERUNDZWAKZiaSTfiS: BR. I57
Tov Tücvctcv tct^sf^ aß^»AA§f$9,
O Läoferianeu mit der Fittige Tracht»
Schwarzfarbtge 'Eameniden , die ihr
In dem zarten Aether wnfaer each (chwingt!
Auch Tyche oder Fortjina wird von Plutarch
{de fort. Romanor.^ gefchildert, wie fie ge-
wöhnlich, mit leichten Fittigen fich wSgend,
die Spizen der Füfse auf. eine Kugel ftelle, aber
den Römern zur Gunft Fittige und Schwwigfoien
abgel^t, und die unftäte Kugel verlallen habe»
um beftändig in Rom zu bleiben.
XXV.
Ifäin wenig Geduld ; wir haben in Griechenlaod
noch eine Bemerkung , übrig. Dann zu Ihrem
Virgil.
• Wenn jene geflügelten Gottheiten, Iris, Nike»
die Sirenen und Tyche , der magUchen Schwung«
folen zur Befchleunigung des Luftganges nicht
entrathen konnten; wie viel weniger die flügeU
lofen?
Hören Sie nun die Anrede, mit' welcher
Aefchylus dem gefeffelten Prometheus ( v. 12g )
die Töchter des Okeanos nahen lälst:
IS8 MVTHCLOOISCHER BRIEFS I. B«
Hnitv ^oßiff^Q. ^tAtx yeuß ißt r«(<€
ttf ostßai' r«ylf wetyw^ wterf^^
Krt/gr» ^af a;^« \ukvßoi ^Hfl'^ Avrfifi^
^vS-ify l'ffTf^iAoc 0;iS^ srrffwry.
Nichts fchrecke dich! denn eine gev^ogeoe Schtir
Mit der Fitdge (chleunlgem Wechfelfchl^
Naht dicfem Geftein, da kaum durch Bitte
Des Vaters. Herz ich gevaan.
Schaelhragend geleiteten Luftt mich her.
Denn der Hall vom Gefaänraier des Suhls dnrdidning
die Grotten,
Und verfchettchte mir die holdaufblickende Scham;
Und ich eilt' angeichoht in dem Flägelwagen.
OkeanoSy der Herfcber des kreifenden Welt-
ftroms (v. 138)» der hei Aefchylus (v. 431),
wie hei Pherecy des (^ Seh. Apoä. ^f 1396. Athen.
XI j 6) und Pindar (Py^&. 4, 447)9 fchon zur
Breite eines Meers erwachf^n war, wohnte als
Stromgott tm Felfengeklüft feines Quells (v. 300),
welchen Hefiodus (Theog, 082), Pindar (/r.
p, 79) und Kallimachus (Pa£. tav, 5) am weft«.
liehen Ende Europa's annahmen. Bis hieher
tönte das Gehlimmer des anfchmiedenden He-
fäftost Die mitleidigen Okeaniden batefi den
/
FQNFUND« WANZIGSTER BR. 1 59
Vater um Erlaubnis, ondy ohne fich Zeit zur
Befchubung za nehmen , euren fie bin auf einem
Wagen mit geflügelten Greifen, Fabelthieren
des angrenzenden Arimaspenlandes: deren eins
bald darauf den Okeanos felbft durch die Luft
heranträgt. ^
Dafs die Nymfen nicht fliegend, wie die
Grammatiker, und Herr Heyne in Ihrer Abfchrift •
der Antiquitäten, fleh einbilden, fondem nach
dem Buchftaben, im geflügelten fTagen ankom«
men: dies hat Herr Schiiz, befonders durch
Bemerkung der ]UnfchickIichkeit, fo lange auf
Fittigen zu fch weben, 'und durch Vergleichung
des 280 Verfes , wo fie ausdrucklich vom Wagen
abfteigen , aufser Zweifel gefezt Der FlügeU
wagen ift nach dem Sprachgebraucbe der Zeit ein
Wagen mit geflügeltetn Vorgeffann\ wie bei
Euripides (.Iphig. AuU 250), Plato im PhiC-
drus QStefh. p. 246), und fchon im Fragmente
des Alcäusbei Himeriüs (or. 14, 10): wiewohl
fpätere Kunftwerke auch geflügelte Wagen ohne
Gefpann zeigen. Die Gegend der Grotte am
Quelle des Okeanos, und die Art des FlUgel-
gefpanns, - erglebt fleh i^us der damaligea
Weltkunde.
Wird ab^r durah die ErklSrung, dafs die
Nymfen nicht einmal Schuhe anzulegen fich Zeit
l6o M^rrfOLoaiSCHER BklHiFE I. B.
gelken, der Sititt völlig erfohöpft? Nicht völlig.
* Der Dichter befchönigt durch diefe Eilfertigkeit
den abgenöthigten Verftofs gegen die gewöhn-
Kche Vorftelhing: da er die Göttinnen, die auf
aren Schwmgfolen in Äürmifche^ Luftfckrittm
herannahn loUteri, durch die Grenzen der Ma-
fchinenkunft eingeengt, auf einem fchwebenden
Wageii mit geflügelten Greifen einführt.
. Aber die Mafchim (f^»f•c«vv), fagt doch
Pollux(4f 19, a)> zeigt Götter und Heroen in
der Luft, Bellerofonte und Perfe, und ift am
linken Zugang über der Scene in der Höhe.
Und bald nachher: Schwtber iatui^at) beKsen die
Seile, die au3 der Höhe herabhangen, zur Hal-
tung derer, die auf der Luft getragen fcheinen,
es fein Heroen oder Götter.
' Auch Perfeus alfo, der Luftwandler, ward
iiber der Bühne gezeigt. Allerdings; doch fpä-
ter. In den Vögeln des Ariftofanes (v. I199)
ruft einer, als Iris erfcheint:
. AvTH Wi vrot woi WBi vtrtti fiev* ^cvaeoc!
"' Du dort, wohin? wo Äicgft du hiü? Sacht»' warte doch!
Nicht weiter! halt! Don ftehe ftiil ! Gehemmt den Lauf!
Offenbar kam Iris in Luftfc'hritteii, die der Ma-
fchlnenmeifter, fo gut es gefchehen konnte^
FÜNFUNDZWANZiaST.BIt BR. |6|
dotch^ fchwirbeo(}e Werkzeuge ihr verftattete*
Zu Aefcbylus Zeit hingegen, da die Mafchinea«'
bioft noch im erften Entftehen war , wufste man
£ch nicht «iid^rs, als mit fcbwebenden Reit«
thieren oder Fuhrwerken zu beheizen , und ver-
mied die VorfteIIung.des Lufcgangs.
Nach Spanheims Vertoutung (ff um. ant.
5, ro) gHch jener fcenifche Luftwagen an
Geftalt dem xava^f^v^ einem Fub.rwerk der lakonU
fcben Jungfraun in den Feierzügen der Helena;
welches, wie Plntarch {Agtfil.) und Hefycbius
(luivadf«) iebreii, mit gebildeten Greifen öder
Tragelafen , das ift Bockhirfchen , einem anderen»
auch von Aefchylus {jhifloph. ran» 937) ge-
brauchten Fabeitbiere, gefchmückt war.
> Auf einem Wagen mit den geflügelten Rolfen
der alten Poefie läfst Aefchylus in den Eumenidea
(V.' 406 ) die Athene hereinfcfaweben :
Ey5ffy dioiKUff* ii^ov arfvrov Toia,
TluAotc etxftatotQ tävI" §Tt^9v%M* »x^^
Von dort enteilt' ich angefiiaintei Foftet lier»
Auch flügellos; vindUitt erfcholi dfit Aegis Scheoft).
Kraftvolle G«ole fpannt' ich diefcm Wyen ^tr*
L
^ 162 MYTHOLOGISCHER BRIEFS I. B.
Die Redensart 9 ar^vrov woia^ ungeßumtes FußiSs
die Pauw nicht verträglich mit der Wagenfahrfc
findet, ift eine der bekannten Q)richwörtlichen,
wie Odyff. 0, v. 43 ^/e^«» to^o MiH>durch nw
Schnelligkeit angezeigt wird. - * >
. . I .-i
XX VI.
bie haben Recht. Bei Virgil wiUste ich nichts*
wo ein fchreitender Flug der Götter fo ganz aos^
drücklich befchrieben wäre. Dennr-obgleich den
Fußfittigen Merkurs die ftürmifchen Schritte
durch die Luft angemelTener Tcheinen ^ als jener
mit ruhigen Füfsen fortfchiefsende Vogclflügi
fo fchildert doch Virgil (Aen* 4*9 (^4S) den eiienW
den Götterherold in lauter folchen Ausdrücken:
ir dwrchfchwimtnt die Gewolke,'' er fliegt ^^ er
dUrckfchneidet dit feinde: dafs, wäre die Ver-
laiTimg des griechifchen Luftfchrictes nicht, UQ*«
Wahrfcheinlich , man einen natürlichen Flug an-
nehmen möchte. •?
Selbft Venus, die (Jen. r , ^J^^fMimis abit,
mit erhabenem Gange enteilt; felbft Iris, die gehende
iAen. S, Ö07), und die cito deeurrit tramite
Cv. 610)» aufrafihem Pfade dabinläuft: könnte
als fliegende gedeutet werden^'wenn nicht dier
SECHSÜNDZWANZIGSTKR BR. 163
eigentliche Gan^ der Gottheiten was griechifdren
Dichtern bekannt wäre.
Nicht feine unliebliche Fama ettimal (^Ap^.
4f 180)9 pedibus fiterem & pernicibus alU,
an Füßen gefchwimf und hurtigen Flügeln^ t]a
fie gleich darauf (v. 184) zwifchen Himmel und
Erde fliegt,f würden wir ohne vorhergehende
Bemerkung des Ueblichen für eine zugleich
fliegende und laufende Luftfchreiterin er-
kennen.
So viel kömmt darauf an, welchen Gegen-
fiand man auch unterfuche* keinen Schriftfteller
des AlterthumSy am wenigften einen der fpätc»
ren, zu vereinzeln; und, wie Herr Heyne es
angreift, jeden befonders auszuziehn und abzu*
handeln^
Dafs Sie nur nicht den römifchen Dichtern
eine Neuerung aufbürden! Statiua giebt dem
Merkur ( Theb. Q>9 ^) offenbar einen Gang , der,
von Fittigen und mithelfenden Winden erhöht,
nnr in den trägen Dünften des Schattenreichs
gehemmt wurde:
XfHÜ^e pigr^
Ire vetant nnkef^^ turhidus imflicAt üin
Nee Zephyri^rapnere iradum, fed fmda Jilevti^
Aura poli, ...
Jt tarnen « tf medka frmat 'vefiigU vkga.
L a
|64 MYTHOLOGISCHER BRIEFE- r. 11.
Träge Gewölkt
Hemmen den Gang riugsber , und fturmifcher Nebel '
verwirrt ihn;,
Auch nicht Zefyre niffen den Schritt; nein fchv^eigendes
Himmels
Graufe LuFc. ...
Dennoch geht er» and Auzt mit m^ifchem Stajbe den
Fufstritt.
Als Luftwandle^" erfcbeint bei dem felbigen
(Theb. lo, 131) auch der Gott des Schlafs»
welchen die Neueren, wie den Merkur, beflü-
gelt an Haupt und f erfen vorfteliten:
Ipfe qno^ y volucref/i greffum , ^ ventofa citavit
Tempora j ^ ohfcuri ftnuatam f rigor e call
Jmplevit chlamydem , tacito^e per athera curjk
' Fertur.
Jener auch ftrengt den geflügelten Schritt und die
wehenden Schläfen
Aemiiger, dafs aufwallend vom Froft des dnukelen
, ' ■ Himmels'
Sich dal Gewand anfüllt, und in ichvsreigendem Lauf
, durch den Aether
Eilet er. '
Ich meine, dafs auch bei Ovid Ausdrikke,
wie (^Met 3, 299) athtra confctndit^ er erftieg
den Atrtber, nicht feiten lein. So bei Apulejus,
( Mit. 5 /»O nimt Venus alte concitö gradu, mit
SECHSUNDZWANZIGSTER BR. l6j
koch^ befchteunigtetn Schritte ^ den Weg über das
Meer.
Und wie wollen Sie (ich die Träame bei
Tibull (2 £/. I, 89) vorftellen?
Poflque venit tacttus fufcii circumdatuf alis
Somnus ^ W incerto Somnia nigra pede,
^ Hinter ihr kommt ftillfchveigenc) der Schlaf anf brio»-
lichen Flugchi;
Mit uuficherem Fufs dunkele Träume zugleich.
Die Träume, die geflügelte Wefen find, fchrei-
ten dabei als Luftwandler.
Sogar auf einer Münze des Lucius Hoftilius
bei du Choul (p. 167) erfcheint die Siegsgöttin
mit ausgebreiteten Flügeln durch die Luft fchrei-
tend, nicht ohne UngeilUm, obgleich ihn der
Künftler den Foderungen der Schönheit gemäfe
milderte. Welche luftwändelnde Nike auf meh-
reren katanifchen Münzen ( Si&> veU num.
T. XXI) vorkömmt. Noöh heftiger ift auf
einer römifchen Münze ( Rofin. p. 91 //) der
luftwandelnde Mars vorgeftellt , wie er der
fchlafenden Rhea Silvia naht. Leflings Wider-
f^wuch ( Laok. Vll ) trift nur fo weit , daTs Luft-
fchritte , geflügelte oder ungeflligelte , in Kunft-
bildungen feiten find , gegen das gewöhnliche
Schweben auf Fittigen oder Wolken,
L3
|66 MirTHOLOÖlSCHBR BRIRFJS I. B.
Ueber |der Flut aber fab oic^t nur NonDQs den
Pan hüpfen» fondern auch Aufoniiis in dejr Be*
fchreibung der fülofel v. 172:
.CapripeiN^ agitat tum iaeta protetvia Panar,
Jnpdtantqut vadtft trepidasque fuh amite forores-
Terrettt, indaciH ptt^antes^ vtrbste ftttButiK
V^ann matwUKge Luft gerfsfufsige Pane begeifteit,
Hnpfen üc' über lüe Fuhrt, itnd e^ft)lreckel^ die zittern*
den Scfaveftern
Unter dem Strom» aaftr»betid mit imbefaöiflKbcni
Fußtritt.
Und auf dem Boden verräth die Götter be-
fiändig ein erhabener j^Jn mehr als menfchlichen
Schritten einherfcbwebender dang: fowohl bei
Virgil die Venus {^Aeti. x, 405) und die Iris
(5> 649 }> ^Is noch deutlicher bei Statins {The^
j(0^ 640) die Göttin der Tugend, welche» ob-«
gleich geflligelt (flor. Ul Od. z, 34)^ durch
»bermafiige SchrüU^ nimiique gradus» bei dem
Ernfte des Antlizes, &ch anzeiget.
XXVII.
Ja wollten wir, mein Freund » von jeder am
Wege liegenden Frage uns ablocken lafßen; wir
kämen nimmer vom Fleck. Ein Dritter^ der una
zuhörte 9 möchte mit Wahrheit fpötteha» dft(k
SISBEHUNUZWANZIGSTER BR. I67
vnr ttber. die hlnrnfgende ^hwaogkraflt dee
Götterfoien das ki^weiligftö Gefjpräch von ein«
fchläfernder Weitfcbweifigkttt zu führen wBfip«
teiu Inde&laiTen Sieiitirea.
Der homerlfche Hermes» fagen Sre, habe
denn feine gegründete Urfache, vom BergOIym«
pus nach Ogygia den Umweg tlber Pieria und
das ägäifche Meer zn nehmen. Ob aber der
Umweg, des virgilifchen (i^fli. 4, 238) über
den Atlas mach Karthago zu rechtfertigen fei?
Turnebns hat es mk zwei Gründen verfacht,
wovon er dien erften vorzieht. Merkur, meint
et Qadveff, it^'f 6), machte den Umweg> ent«
weder um d&h mütterlichen Großvater zu befix«
äien, pour üSer rendr^ une- vifiU ä Atlas fon
grand pere, wie der höfliche Vater Qitrou es
ausdrückt; oder weil man die höhei^en Berge als
Stufen betrachtete, worauf die Götter mit He*
quemlichkeit vom Himmel herabfliegen«.
Beide Gründe find unhaltbar. Dem faumfeK-
gen Umföhwerfe' zum lieben Großvater wider-
ftrebt fowoht feine Amtspflicht, als Virgils Eru
z^hhing» dafs' er auf disn €ripfe( des Atlas nur
zuerlt vom Fhnge den Fufs gefezt, aberfogleich
forteitend auf die Meerwogen fich gefenkt habei
VoA zur Bimmelsleiter, 'um einem fliegeaden Gott
L4
l68 MTTfitOLOGlSCfiER BRI£P£ I« B«
die Höhe der Erd&hrt zu verkfirsen ^ erhobes
fich ja nähere Berggipfel unter der Mitte des
gewölbten Himmeis.
Leffing im Anhange zum Laokoon S. 32^
beantwortet blofs den ' nichtigen Vorwurf des
Ausruhens, das einem Gotte nicht anftehe: "Der
** Dichter, „ fagt er, "will eine lebhafte Idee
**von der Weite des Weges machen, und zer-
"legt ihn alfa in zwei Hälften, und läfst ans der
"bekannten Grofse der einen kleineren Hälfte
"auf die unbekannte Gröfse der änderen Hälfte
"fchliefsen. Von dem innerften Olymp bis auf
•*den Pierius oder Atlas; oder von diefen Bergeii
"bis in die Infel Ogygia oder bis nach Karthago;
<*und fo wird mir die Weite des Weges finnlip
"eher, als wenn es blofs hie(se, aus dem Olynip
**nach Ogygia oder Karthago. „
Schon gut. War aber Virgils innerfter Olymp
jenfeit der äufserften Weftgegend, dafs dei- Weg
grade über den Atlas ging? So hätte LeiTmg
beim Ausarbeiten jenes hingeworfenen Gedan-
kens iich felbft gefragt, un4 gewiß als Leiung
geantwortet.
Und Herr He3me? Was Sie vermuten kön«
Ben* Er folgt gewöhnlich einem Vorgänger!
imd fcheint ihm der die Sache nicht abzuthun , ,6^
Ulfib er fich mit a^wei alteoCfclieMeiiden Konftt
sie:sbnun]>zwanzi6i5ter br, 169
griffen vorbei. -Entweder die ichwierige Scelle
i& untergefchoben ^ und verdient keine Erklfi«
rung; oder fie.ift eineni verlorenen Griechen,
wo fie vermatlich einen fchickiichen Sinn hatte,
etwas ungefchtckt nachgeaiimt worden. Nun
hören Sie. **]m ea nan arguiandum^ qnod
**täm purum itharis compendium ftcit JUercuriur,
^*dum Atlanttm ftius aditf quam Carthagintm.
**SpeSatur tantum Atlantis altum iugum, cui
**deus ex coeto defcendens primo loco infifiitj hinc
^*ad humiliora loca procediL „ So weit nach
Turnebus, Jezt der kritifche Kunftgrif : "iSi
**antiquiorem poetam ante oculos habuit^ quoi
*^fufpicorf ille alio modo hac adomaverat;
**Perfei enim & multo magis Hirculis
**iter in Libyam fit inde ab occidente. „
Da3 nenne ich mir eine unvermutete Verma*
tung 9 in qua quidem uon argutandum fcilicet I
Perfeus , und noch weit mehr Herkules,—
{Mehr wohl nicht, aber vielleicht häufiger!) —
reifet in alten Gedichten von Wellen durch Li-
byeUi Dies merkt fich Virgil, und läPst feinen
Merkur, obgleich er im Weftlande nichts eben
zuthun hat, auch von Weften herkommen, und
bei diefer Gelegenheit den merkwürdigen Atlas
befehn. Wie fehr ift der Dichter für ein folches
Zutrauen fekiem Ausleger verbunden!
L5
I7Ö MYTHÖLOGlSCHClt BRIEFE X. B.
Ihre vorwizige Frage, metii Freand, bringt
Sie io Gef»fary,aiis der alten Welckonde den gao»
3en Abibhnkt vom Himmel und Olympos als
Beilage zu erhalten. Sie kenn^i meine Bered-
famkeit, wenn das Gefpräch auf diefe veroach*
läiSgte Wiffenfchaft £ällt Docfa. fbllen Sie dite«
mal mit einem Xorsen Auszuge- davo»komtpen« '
Homers Götter bewohnten nicht das Öde Ge-
V^ölbe des ehernen Himmels, welches am Rande
der Erdicheibe auf Bergfaulen ruhte, und dem
Zeus in der Theilung zum Loole fiel. Nein auf
(der gemeinfamen Erde, der lebenfchenkenderi,
die felbft ihnen Nektar und Ambrofia trug, näher
dem befreundeten Menfchcngefchlecht , bewohn-
ten fie die h^rtereri Höhn des theflaüfchen Olym-
pus. Ueber dem Haupte des Olympus glaubte
man eine Oefnung in dem metallenen Gewölbe,
cfurcb welche die Riefenföhne des Aloeus den
cmporflüchtenden- Göttern , über zwei andere
auf den Olympns gethürmte B^rge, in den
Himmel zu folgen fich vornahmen, und durcK
welche auch Zeus die goldenie Kette auf den
Olympus berabfenkend gedacht werden mufs.
Als in der Folge durch sachdeiik^nde Mtoner
der Begrif des. Weltalls und der Gottheit erweif
tert ward , verfezte man die ewigen Mächte auf
die äufserfte^ um die Planet^nkreife ÜQh drebet^il^
Htmmelsff^re^ Die Diditer MeA mit einigeB
Natarlehrem betiartete» bei der fiD<i}icb^ Vor^
fietliiDg eines von Bei^eden gelitigeiieB Hioh
melsfBewölbe»» vuid liefseo die Götter auf der
Hdhe defTelben , über def Mitte des Erdkveifes ^ m
verfcbieden«a. PaUMften wofa))eiK Be^ Stalins
( Thfk 1 , 197), dafs ich nur eins. sttf(|hre> ver-i
iammeln fleh die G(itter über den Hiosmelsfälen:
Ho^h im iniferen Por; von dürt ift gleicher Etatßrnun»
Morge»« und Abendbezirk , es erflreckt fitlL'iiii»r dem
ioUml '
Mittag Land end €evitfll>^
Diefen neueren Götterfiz nannte mati min
•wieder mit dem Namen des Berges Olympus:
welcher Name eines Theils auch woht dem
ganzen Himmel gegeben wird.
Dort alfo vom Gipfel des Himoiels (^Virg.
Aen. I, 225.; IQ 9 1} überibhaut Juptiter,den
Erdkreis durch die mittlere Qefnung der gedie<-
genen Vefte, und fendet durch eben diefe Pforte
(^Georg. 3, 261) den Donner herab; fp wie bei
Ovid (Met 3,-3o6J von der erfaabenften Hiäie»
um welehe des Himmels Palfifte fteiiB .( Met.
2f 175)* ex die Erde mit Gewölk umzieht,
und Donner und Bliz fchleuderU
Aufser der Oefnung des Gipfels hatte jenes
auf den; Kaod des Erdkreifes gene^tft Himmels-
ge>^6lbe noch ÄWii* Pforten: eine im Often, mro-
ffurch der 'Sonnengott und die Nacht mit ihrem
Gefolge aus dem 'Ocean in den Himmel aufftieii
gfen; und eihe im Wöften, um wieder in den
Ocean unterzugWhn. An beidiii erhot fich eine
Sieige* zum' Gewölbe empor für die himmlifchen
Gdtter und Hi^roen.
,. Die öftüche Pforte befcbrieb Ibykus C Schot.
j^polU 3, 1593 in einem üede von Ganymedes
und Tithonus, die wahrfcheinüch auf diefem
Wege in den Himmel geraubt wurden; und iiach
feinem Vorbilde ApoUonius (3» 159), wo Eros
vom himmlifchen Olympos nach Kblchis durch
das. nähere Morgenthor berabfteiget :
AvTCcg tTttra vfvKxq e|ifAt/5sy OuAvfJt^oto
AtB^ftuQ''^''Msv ^8 xxraißdsTtc est x^\sV^$Q
' '• 0(/f ai/iif * ^ia h ToAot • eevex^^* x«f if v«
HcAio; 9FffUTViffty tgBvytrett ctkrtvMfvt,
. Jeao ging er hittaiis das ädierifche Thor des Olympof^
. Dort wo hinabziifteigen ein Weg vom gewölbeccn
Himmel
Nieder finkt: zween Pfeiler erheben (ich, fpizige Häupter
Hoch aufragender Berge, des Erdreichs Gipfel^ wo
fteigend
" 'Helios Glut üch ziyerft mit jougen Sualen dahjBrgielsc» '
SIEBBNtmDZMTANZlQSTBRBIU I7|
Der weftlicbeo Himmelspforte nabe den Quellen
des Oceanus gedenkt Pindar bei Klemens (ftrqjn.
5P-6I3)-
Mot^cti woTt KA^f^K« rffiv^y. ayf¥ ,,, ^r\ ■''.■ >;
OAviixH Xiz-affuv XÄ^* iiov. i . , . ;, ^j. .v.,;.';
' Bnft haben die'weJfe himöiliCbh'e '¥SeÄ!^ '
Auf goldenem Rof&gefchirr von Oc^s^oj^-Ibrnen ^^
Die MÖren zur heiligen Steige geführt
Auf des Olympos firalenden Pfad. ' ^ "
•' ? r. '- -O
Und nach anderen alten Dichtern faefingt Quinttiii
C149 223)9 wie der Geift :des':Achilleu8 zutt
dyfifchen Flur zurückkehre: : ^ ^^ -
Ovf avu cf VTrecToto xeirceißetetit tevoioi ^ ^f .
Schnell zor eiyfifchen Flur gelanget* er, wo Ton iki
Himmelt \
Hochgevolbetfcr Veftp der Niedergaqg.uQdl der Aafgan|
Ift far felige Götter. i .
Der Verfaffer eines orfifchen Fragments '( Gesnl
6^ 24) nennt beide Thore des Himmels» die er.
als zwei goldene Stierhürner des zum Naturgotfr
umgebildeten Zeus vorftellt^
174 MVErRBKOGISCHBRWftrBFB I.B«
Norgea ' zu^leicK «md Abcnj, ^le W<^* nrttiifclicr
Durch eine dlefer Worten , die fnan vsreder, wi*
Seneka Qtp. 'lOg'), mit der Oefhung des Gipfel^
noch mit dem homerifcheft Thore ,z»a Zeus
Palafte auf dem irdifchen Ol3nmpus, verwechfeln
mufs, ftieg^^n, ^ch die Vergi^ttertea (£aff- l,
18* Ay^<#rf^.5io.) zqm himmllfaheo Olympus»
Jezo find' wir .-am Ziele. Wie Homers
Götter dem geradeften Wege, wenn er die be-
fchwefKdtwriiSthrkte durch Luft und Aether er-
ÜBfrderter^.eLi^n JUmweg über die dichten Ge-*
wäiTer vorzogen: aUb vermiedeti iie nuo> £cli
ftracks von der ätberifcben Höhe unter der Mitte
des öewÖlbes H'eribÄufenken, Eros bei Apollo-
nius wandelte nach Kolchis aiifch das nähere
Morgenthor; und der rüftige Götterbote nahm
Bsipb Kar(;hago den bequemen Uxnvi^g durch die
nähere Himmelspforte am Atlas: von wannen er
drauf {ji^n* 4>, .356) sswifchen Himmel übd
Erde längs dem lybifchen Geftade Über die Flut
nach feiner Beftimmung eilte. . .
Den nächften Weg nlmt Merkur auch bei
Statins {Theb. 7^35) nach Thracien durch den
Nordpol j wo, der poetifchen Freiheit gemäß.
SlEBBWtrNrD2WAW«iaSTBE!ßR. 17$
ebenfajfi eine Pforte des gewölbtea Hlimnels er^
dichtet iM^kd: ' ^
Dixerat;^lst Thraaim Cyttenim urvn ful^haU
Atqnt tUum Mt&Qdt' lajbentem cardine f&rtd '• ■ ' A
. Temfffiaf atetfia flaga, pr^etentdquB caio ^
Affnina mfHkwmh^ f firnißt Ajuikuit biatut " l "
Ip diivprßt ferunt: ^e$at ^urta . ^andivf »«ffaf
Patta, neC'Arcadii bene ftQUgit umbfa, gMetu
Sprtclu; tM Cyttetiios flieg in i^ Tbrackr Flaveii
henincüT» - :
Aber : Indern ^er Aea Ai^fl der aördlid\en Pforte vo^
beiglitt; ^ y^
Eviges Ungeftüm det Bezirks, nud V7olkengetümuieU
Um dlcVtÄe gefchaart,* und ^s Aqnilo* Itörmende
ürfcraft, ' ^ i
Reiffca ihn abwärts bin: es Htnkradit' den goldean
. Mittel
SdUofiengeklkr» und wenig beCchiizc der «rkadCJcd«
Scurmhn«^ „ ...
: . '• :. .LI
XX VIII. :
Olauben Sie ja nicht das GefchwK^ von anftänr
digerer Wagenfabrt der Unfterblichen. Anftltn-
digkeit ift ein unftSter Begrlf, der von den Sitten
der Zeit abhängt. Homers edeifter Held oder.
Gott wandelte mit Anftand » fbgar barfafs ; und
1vean efy ohne durch Befchw«cden des Weges
176 MY^i«^i-omacHHWrBÄiii:r»-r.B..
ufkd der htstt geaQ^tget zu: f4H&».' Solen ainlegt«^^
fo zeigtte er fich fchon in feftlicher Pfj^hyt.
Wie ^r Homer fein rüftiges* Herocpge-
fchlecht, felbft den fchndlfüfaigen Achillens,
alfo läfst er wich feine,, aus veredelter Menfch-
lichkeit ö^höbeJien Götter manchmal in Wägen
fahren. "Warum* das? Weil entweder ein fthr
weiter oder gefahrvolle^ Weg bievorfteht', ^ oder
damil: fie in vorzUglicber. FeierlichlBeit örfcltei*
nen. Wir wollen die Hauptftellen unferes
Dtöhters, qüi HÜ Politur -inepte, nach einaitder
durcbgehn.
^.. Zeus, .der Herfcher der W^lt, in feifier
Herlichkeit, lenkt. C^'« 8» 4' ) zum Berg Ida die
ficzhufigen RoiTe^ raCehes Flugä^ 'yo&^Goldn:^h<.
nen umwallt, ä^ifchen Erde und Himmel
Iflriher. Eben dahih (11. 11', 183), aufglefthe
Art, wie fich Von' felbft verfteht, und mit dem
Bliz in der Hand wiedergekehrt, fragt er
(IL 14, 298) ferne gefchniückt nahende Gemah-
lin , wen fie beftidifen wolf^ , und warum fie
nicht fahre. „Es >yar alfo gewöhnlich, d3fs,a?<j
öötterfürftinV Wie ihr Gemahl,.' jede nur etwas
entfernte Reife, zuinal wenns. ein ßefuch war,
im Wagen machte.
l Die trügUche fJere, die, unbemeirkt zu feiO|
mit dem.Sch|afgotti^zuBui5 apkam» wendet voi::
-ACHtUNDZWANTZIGSTBR BR. * 175?
&e gehe an die Grenzen der Erde, den Vattr
Ökeanös zu fchaan; und ihr Gefpann ftehe unteu
am Ida, fie jsu tragen durch feftes Land und-
Gewäffen Dafe an eine fo weite Fufsreife nicht
zu denken war, beweift folgendes; Obgleich
derGöttergefandte Hermes fonft alle Wege, auch
nach des Todtenreichs Eingange am weftljcben
Ende der Erdfeheibe, fowohl in der Odyffee
(24, 10% als in dem Hymnus an Demeter
(v. 340)» zu Fufse macht; fo mnfsdoch (v.375),
lim die entführte Perfefoneia mit Hermes zurück«,
zufenden, Aides feine unfterblichen Rolle vor*
den goldene^ Wagen fpannen. Auf Wagen auch
fahren die olympifchen Götter den \veiten Weg
zu den Aethiopen am Oftrande der Erde'
(IL I, 4^3; 23, flo6. Odyir. I, 22): welches
Homer als bekannt aus älteren Volksliedern vor^
ausfezt, und nur (Odyff, 5, 282 und 380) bei
Pofeidons Rückkehr über der Solymer Berge t)
*) Den Herrn Heyne, der von öftfrcfaen Aethiopen AichtT.
vc^ufste, befremdete jetaie Rückkehr über die pifidirchO
Bergkette des Tsarus. Er verwandelte alfo bei Virgils
Aeneis*(7, a86) die Solyiner in Elymer^ über deren
Berg Eryx in Skllien ihm Poreidon v«ft den fudlichen
Aethiopen natürlicher heinizukehr«n, und den fch^ifFen-
den Odyileus' vor Scherte bequemer xu fehcn fchien.
In Homerj Kyklopenlande fchon JBlyi^er und ein EryxJ
. Zvrar nahm er felbft (^Comment. Cou* 1779 p* 144)
M
178 'MYTHOI-OGI SCHER BÄIEFK^ I. B.
nach Aegä beiläufig anzeigt Auch Udiog
(Ä Cer. 89) und feine Vorläuferin Eos (Oclyfl:
33» ^43) vollenden in einem bequemen Fuhr-
Xtrerke die weite Laufbahn des Himmels; und ich
begreife nicht» warum an der lezten Stelle, der
fahrenden Eos gegenüber, die Nachtglittin des
Wagens ermangeln foU, 'welchen der Scho*
liaft des Apollonius (3, lipo) für neuer als
Homer ausgeben will. Den Sonnen wagen er«
Uärt Zeus bei Eratoftfaenes ieatafi» 13) und
Hyginus iPo^t. afir. a, 13) fUr das ältefte
Führwerk der Götter,
Da fchoü einen weiteren Weg, um nicht zu
ermüden, die Ünfterblichen lieber im Wagen^
machten; wie, viel mehr ieinen gefahrvollen,
^o Wunden und Flucht droheten? In die
Schlacht alfo Vor Ilios fährt Ares (IL 5, 363
15» 1^9) mitrafchetoGeii}ann, weil er (15, 117)
den rSchetideh Stfal des Donnerers zu erwarten
liat Zwar nicht felbft genieik er des Wagens-
das erftemal; doch hat er den Troft, fdnege«
liebte Afrodite , die matt von der fchmerzenden
feine Aenderung znrtfck , veil fie für Homer ta viel
acnminis enthttlte. Qleichvohl . fpukeii diefe uohome»
Hfchen Elymer tiocb in der neueften Ausgabe Virgilf,
und in den göningifchcn Jngeadiibiuigeii .über Humers
Chorografie« •
\
ACRTUNDZWANZIGSTER Bit. I79
Wunde ihn anfleht, zum OI)mipos beimfahrea
zu lafTen. Jenem zu widerfteho, kommen
(IL 5, 76g) auch Here und Athene in einem
fiebernden RoflegefchirT : welches fie (II. 8f
382} aus Furcht vor Zeus noch einmal, aber'
umfonft, verfuchen. Ja Pofeidon (D. 13, 23),
wie eifrig er in die troifcfae Schlacht verlangt,
macht von der thracifchen Samos nach feinem
Wagen in Aegä fbgar einen beträchtlichen
Umweg, Warum wohl anders, als, wie Didy-
mus bemerkt, zum Kampfe gegen Zeus, wenn
diefer ihm wehren möchte? Welchen kühnen
Entfcblufs er (II. 15, 211) nur mit unwilligem
Herren aufgiebt Sobald aber Zeus (IL 20, 32)
die Theiinahme an der Schlacht gebilliget bat,
gehn die beiderfeitigen Schuzgötter zu Fufs Obec
das Meer in das Schlachtfeld vor lUoc ,
In fpäterer Zeit freilich , da den Vornehmen
eine Fufsreife entweder zu befchwerlich oder zu
onwürdig fehlen , brauchten auch die Götter za
manchem Wege, den fie bei Homer ohne
Umftände abgingen, ein ftattliches Fuhrwerk,
mit Rolfen, oder geheiligten Vögeln befpannt.
ZumBeifpiel: den Apollon und Pofeidon, nachdem
fie im Dienfte Laomedont die AJauer um Perga«
mos erbaut, Isfst Pindar (OK 89 62) in Rofs-
wagen, jenen nach J^i^ykia und anderen Erbiäa«
igQ MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
dem, diefen nach der korinthifchen Landenge,
•zurückfahren.
Es läfst fkh erachten , dafs das Fuhrwerk der
Götter nicht weniger, fondern wo möglich noch
mehr, als ihr Gang^ in ftUrmifcher Eile dahin-'
äiege: indem die unfterbiich^ Rofle den wun-
derbaren Sprung entweder von Höhe zu Höhe
und über die Me^rfläche hinweg mit Leichtigkeit
befchleunigen , oder, ohne Anfaz anf Land und
Gewäffer, über die dickere Wolkenluft fortfchwin-
gen , und das Wagengefchirr durch hef äftifche
Kunfl: auch auf der zarteften Unterlage die fchwe-
ben(ien Räder nachrollt«
Betrachten Sie nur, wie mit kaum denkbarer
Gefchwindigkeit (IL 5, 768) Hereund Athene,
dem verderblichen Ares zu fteuern, vom Olyop-
pos über das Meer in die Schlacht vor Troja
fahren:
'O^^OV yiftfOBtitQ «Vlff litV 0^^»Af*0t9tVf
'HlA$vo9 cv «'K0«r/9}, Aivcgttv siri oivöfra Wqvtw'
Treibend fchwang de die Geifsel, und rafch hinflogen
v^ di^ Roffe,
Zwirchen der Erd* einher and dem' fteraumleachteten
Himmel.
ACHTUNDZWANZiaSTBR Bit, Igl
Weit wie die dankelnde Fern' ein Mann dnrcbfpäht
mit den Angen«
Sizend auf hoher MTart*, in das finftere Meer hin-
fchauend :
So weit heben im Sprung (ich der Götijnnen fchal>
' lende Rofle.
<< Welch ein Kaum!,» fagt Lei&ng im Anbange
zum Laokoon (S, 3*4). "Und diefer Raum ift
<<nur ein Sprung! Und ift nur die Elle des ganzen
** Weges; an deiTen Ende die Göttinnen (cboti
'* gleich in der folgenden Zeile find.». Eine ver-
üändigere Bewunderung, als Longins (9)9 der
das Fortfchnellen der RofTe mit der Entfernung
des Himmels gemeflen glaubt, und den lächer- ,
liehen Ausruf hinzufügt : "Zwei fokher Säace
" nach einander 9 und die Raffe find aus der Welt
"gefprungen!,,,
In gleich hinreifsendem Schwünge fehn wir ,
den Pofeidon (IL 13 , 27% nachdem er in Aegä
die erzhufigen Roffe von ftürmendem Flug und
goldenen Mähnen vof den Wagen gefchirrt, über
die Meerflut nach Trojans Gefilde jagen :
Bv d*cA«4ty §irt KVfMT* ' «r«AAc ^i tnjTg* vw' avr»i
Th^09w\i $6 ^aeKX9ff* iu^aro' rot y tyrsrovro
l^tfepa fiAK* 9 ud' VTrtvif^t heet¥Br9 Xfi^JauoQ «S«v.
M3
lt% MTTHOLoaiSCHKK BRIEFS I. B«
teiikte (hii» über die Fbt: die Ungebeuer des Abgraiids
Hü^ea umher tns den Klttften» den mäcbtigcu Her»
fefaer erkennend]^
Freudig ihm trennte des Meere» Ge^roge fich» nnd tiri^
/ ' • • g«flügel*
Xihen fie, ohne daß nnten die eherne Axe genest ward^
Hin au AcbaiVi Schiffen enttmgf» im 8pcni^ iha
die Roflk
Und fhrmt wfr nur nicht, durch die (päteren Meeiv. .
jroiTe Pofeidons verftihrt, jeneo Lauf über da»
Meer für die emzige Tugend 6er pofetdomfcben
'RoSt halten. Auch über die höcbftea Berggipfel
Jbiaveg fezten die felbigett Rofie (Odyfll g^
380)» «US Aetbiopia zurUckkehjretid: f)> daft
Pofi^idon von der Solymer Bergeo in Pifidiei^
zwar auf dem fiacheo Erdkreife, doch jeaielt
des gebirgtgeß GriecbeiilandSt den icfaiffeodea
Odyfleus nahe vor Sciieria erblicken konnte.
Ohne An(az auf Land oder Wafier» bIo(a auf
die trübere Luft (i«iff)» die im homerifchen
Himmel bis zur Wotkenh(^he unter dem feinen
Aetber ficb ausbreitet» ihre (chwebeoden Hufe
drückend » entfliegen die Sonnenroße im Hymnus
an Demeter (v. 88)» nachdem die Göttinnen fich
vor fie gefteUt» nnd den Helios befragt
haben:
ACHTUN02WAN2IGSTE1I BH. Ig)
Sprachs» Bnd rief dien ^ofTen ErmattteruDg ^ jene ge».
horchend
Trugen das ra&he 6e(chirr» wt brei^efliigekc VÖgeL
Indeß kofteten die Luftfchritte» wie fchon im
vorigen bemerkt worden» den RoiTen fbwohl^^als
den Göttern, mehr Anftret^ui^ der (chnellen-
den Behendigkeit, aTs der Gang anf.dem fefteren
Waflfer, der wohl auch ferblididn Reffe» ver*
liehn ward. Zum Bewei(e dient das trefliehe
(jemählde aus dem ielbige» Hymnus» wo
(v. 377) auf Aides Wagen Perfefoneia mit
Hermes zu ihrer Mutter heimkehret ^
Jene betrat das Gefch^rr; nnd dec tapfere ArgovNrnfget
l^thttk ihr, Seil' and Geiisel in feinen. HMnden ergreifend,
Lenkt"^ aus dem Hof des Pataftes; und nicht unonUig
entflohn fie«.
Hafch oDermeisUche V:ege \olibrachten fift weder dia
Meerflut»
Koc)^ der Ströme Ge^scog*,. anck nicht ThaDurammm
^oll Grafesj, '^
Hentnuea den Stnnn« noch felfige.Höhn/ der onftertir*.
Kchen Roffe;
Kein aoch Sber die Hfihn darckfctauttea ^ lemiend
die Dw]iUof&
M4'
J84 MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
Völlig im Geifte des Alterthuns befchreibt
auch. QuintHs (gt 044), wie Ares vom Olym-
pos herab nach Troja du^ch die raufcbende Luft
fein Gefpann feuerfchnaubender Rofle lenkt:
VT9W$ ^*atoXo^ «i^nf
E? Tffotifv' VTO $* ata ^ty* fKrvTf, Bt^Trs^toiviv
". '. r«^ c$ errchotl der beveglicfae Aetber
. Unter jdem Sprung der zum Kampf hineilenden : fchnell
nun in Troja
Kam er; und laut aufdröhnte der Erdgrund, unter
. ,* • der Roffe
Grannvoll ««sandelndem Tritt.
Dafs felbft nach der fpäteren Beflügelung die
Götterrofle fowohl als die Götter mit Schritten
die Luft und die Gewäffer durcheilten, bedarf
kium einer Erinnerung. Mit fegaßfchem Schritt
alfojäfst SeneKa XTroas 383) die Zeit alles
wegraffen. Bei du Choul über die Religion der
alten Römer (p. 99) findet fich ein gefchnittener
Stein und eine Münze des M. Agrippä, wo
Neptuns Wagen zwei fpringende LandrolTe mit
fichtbarem Huf über die Meörfläche ziehn.
^ Jene Natur blieb auch anderen Tbieren^
welche die fpätere Fabel den Götterwagen vor*
ACHTUN«>£\yANZmSTSRBIt. tgS
fpenate , z. B. den .Pardeln des' D^qnyfos bei
Nonnus 33,. 125:
Aber der Gott darchlcnkte die ^aUongen, ichembar
befchiifeiijcl
Miü landfahrendem '\^agen die Fiat ; und der wandeln*
den Pardel ,
Ungefeachtete Klane bezeichnete kaum den Hydaspes.
Eben (6 fährt Diana bei Klaudian (24, 285) von
den Alpen über das Meer, auf ihrem Wagen,
init fchneeweifeen und goldgehörneten Hirfchen
befpannt,« indefs unfterbüche S/ToloiTe beUend
durch die Wolken fie begleiten«
XXIX.
Unfer Erftaunen, meinen Sie, über die gewal-
tigen Luftfprtitige der Göttcrrofle vor den frei
nachrollenderi Wagen würde herzlicher fein,
wenn der geheime Zweifel der Sinne an der
Möglichkeit durch irgehd ein erklärendes Wun-
dermittel wäre befriedigt worden. Diö Götter
,Mbß: JDedUrf^n tragender Schwnngfolen; und
ihpe Wagen «md fiofie fchweben för fich ohne
magtfcbe Erkicbterufig^
M5
186 MYtHOLOCilseHER BRIfiPE t. B.
Waöpotn gleich ohne? Die Erleichterung war
ans älteren Volksfagen und GeflKngen bekannt^
da(s Homer» wie bei hundert anderen Dingen,
die nur uns Schwierigkeit machen» der ausdrück-
lichen Anzeige Überhoben fein konnte^ Ver*
lorene Andeutungen Indefs glaube ic^ an den
Wagen fowohl als an den Reffen zu erkennen.
Die fcbwebe.ndei^ GötterWagen waren , wie
ihre Schwnngfoieu, ^ein Kunftwerk von Hefäftos,
dena Bildner alles himmliichen Wundergerfiths,
felbft der fpäteren Götterflügel. . Denn von wea&
anders der Wagen der Here> deffen Ausrüftung
U. 5, 722 befchrieben wird? . ^
Hebe fiigt^ um den ^agea ahbsld die germuieten^Rlkler,
Elieriie» inU acht Spekhea, nmhcr aa ^ir efaerae Axc«
Qold ift Uui€a der Kranz » onaltcriMtei 2 abec aadier find
KBVmrNDXVTANXIGSTSIt BR* lg?
Sbeme Schiest» S«ltgc» attpsftnde» Vandcr dem
Anblidu •
&itb«f» glütueeo diV Nabm ki (chömiiiilaafeiMier RmMbng« '
Dattill in goldenen Ktcmcn und filbcrnen üchwebn dct
Seflel
Aosg^^amit» «nd ■nitiage tmt »rccti aoilaBfirarlea
Rändern.
Vornhin ftrtckt an» Siftcr dtc Ddcbfet ficK: aber am Endn
;0and fie das goMene Joch» dte prangende^ dem fie die
Seite
Schäm vmä gpidito nmfeb>Mig> In dat JoA mm fägete
Hers
thr filnttUfaliig G^aon» md brannte nack Sntii nai
GctosmcK
EußatbiQs macht vns avfnierkßm > dafs fcein Hobs
an dfem Wage» fei» weü alles gOtÜicbe aus
danrendem Stoffe fein milile: daher aach ohne
Hotz Hef d[ftoa die olympilchen Wohnangeii ge-
baut babe.
Wer Veifir aber nicht» Ms die Werke dei
HefMfto9 wie von lebend^em Geifte befeelt
waren? Erinn^rft Sie ficb der Dreifüße (II.
389 37^)» ^^ ^^ ^^^^ Rädern von felbft van^
detteo; der febönea goMeneir jBDgfraim(v. 417),
die, Terftündig in Rede uad Kanftarbeit» ihren
hiidLenden Herrn unCerfitlaten ; der ron felbft
blaienden Bälge (n 470), und der be^acheOi..
den Hnnde ans Gold und Silber vor Alkinoos
l88 MYTHOLOdlSCHER BRmPlS I. B.
Palafte. Sogar in die metallene Rüftung ides
Achilleus hatte Hefäftos etwas von der Schwung-
kraft der tragenden Solen gelegt, IL 19, 3g6:
Tif i*tVT9 vrriffet ytvtr* f eettfft it Totfitv« A«»v.
Und wie Flügel ihm war üe^ und hob den Hirten der
Völker.
Ihm auch verdankte ApoUon den Pfeil, wel-
chen bei Qumtus (3, 86), nachdem er Achil-
leus verwundet, die Lüfte 2mrücktrugen ; nicht
weniger den, der. aus dem Hyperboreerlande
mit Früchten der Demeter durch die Luft zurück-
' kam (^Eratoßh. 29); und jenen goldenen, wor«
^^f der luftwahdelnde Hyperboreer Abaris
{Porphyr» & ^ambl. vit. Pjfth.), über Meere
und Ströme und alles unwegfame erhoben , den
ganzen Erdkreis durchflog« Durch feine Kunft
lebte zur Argonautenzeit* in Kreta der eherne
KiefeTalos (^Apoüäd. 1,9, 26), mit einer ein-
zigen wohlvernieteten Blutader voll Icbor, und
umwandelte dreimal des Tags die Infet, deren
Hut ihm vertraut worden. Auch in Zeus kreti-
fcben Hain {Seh. Oiyff. 19, 518) fe^te. er einen
lebendigen Hund aus Gold* Auch das goldene
Scbif , von einigen ein Becher oder Becken ge-
nannt , worin Helios aus dem Abendbezirk zum
.Aufgange über den Qceanjtis mit wunderbarer
.Gefchwindigkeit zurückfchifte, war nach Mim-
NEUNUNDZWANZIGSTSR BR, l89
nermus und anderen (^ Athen. II f 6) von He-
fäftos gefchafTen, und, wie der bildliche Aus«
druck fagty beflügelt worden. Denn wahre
Flügel, was foUten die einem Schiffe? Ein
geflügeltes Schiff vToirJeeoQ y««c, ift bei Pindar
(O/. 9 9 36) ein fchnellfahrendes , von der
Schnelle der Roder und Segel, die beide bekannt-
lich Ftügel^ des Sehifs hei&en. Jenes dem Hera..
Ues einmal verliehene Fahrzeug wird von an^
deren (^Euft. ad Dumyf* 558) ein ehernes Beckea
genannt: woraus zu erfehen ift, da(s den he-
fäfttfchen Metallarbeiten überhaupt magifche
Leichtigkeit beiwohnete.
Einem fo erfindfamen Werkmeifter darf man,
fchon die Erfchaffung fliegender Göttergefchirre
zutrauen, deren Räder, hinter den unermefsli«-
chen Sprüngen der dämonifchen Roffe, über
WaiTer und Luft hinrollten; gleidh dem Wagen
der Cherubim, wovon Hefekiel (10, 17) fegt:
''Wenn die Cherubim ftanden, fo ftanden die;
''Räder auch; erhüben fie iich, fo erhüben fleh
"diefe auch: denn es war ein lebendiger Wind
"in ihnen.,, Dergleichen hefäftifche Götter-
wagen von lebender Schwungkraft find beft^dig
gemeint, wenn die folgenden Dichter, wie
Pindar (O/. i, 66. 140; 8, 67. Pyth. 9, 9) und
Sappho(fii Ven. 8)> von golienenWetgen&agisa.
190 MVtHOLoGISCHfiR BRIEFS I.B.
Die Roflfe der Üöfterblichen netmt Homer
(tl. 8> 4n 13» 03) trzßßige und rafckflk-
gBndtt %aAk«9r0l^ /rr«» «mvirtr«: mit irelchefl
awei BeiwiJrtem er, der fo voll vom Lobe der
Kriegsrofle ift» niemals ein anderes Rofs ehret.
Die geheim anwandelnde Erinnys wird von So-
fokles (^EUSr. 491) %«a<0*-8«» ^i^ trzflißigef '
genannt, nach des Scfaollaften firklärnng, wegen
des ftarken und unermüdlichen Herannahns ge^
gen die Mörder: wovon die Erinnyeti ihm an*
derswo (^jf. 85a) r«yi«rolf«, fwßfchwmgmdtf
Iteifsen* Noch wareiü in der alten Fabel die trz*
fiißigen und aus ehernem Rachen feuerhauchen-
den Stiere des kolchifchen Königes Aeetes be»
rühmt iApvU, 4^ 030. Apoflod. i, 9, 23), ein
Geichenk des Heffiftos, zum Danke, weil des
Aeetes Vater Helios ihn, der mittt vom Gigan«
tenkampFe War , auf feinen Wagen genommen
hatte. Auch Pindar {Pyth. 4, 4021) giebt ihnen
XctAxieti ^TAac» iheme Hufe; und der Scboliai):
bezeugt, dafs Antimachus in der Lyde fi©/
^murgjiicrcviy voH Hifüft^s gebildete 9 und So«
fokles eherne Rinder^ genannt habe» Endlich
wird die goldh(;)rnige Hir&hkuh, die Heraktes
bei Pindar (Ot 3,' 5a) bis ins Land der Hyper*
boreer verfolgt, von Virgil (ii#»..6, 80a >
Oirifts genaimt^
l7£irNUN|IZWANZlOST£R BR. XQl
Nicht 2a gewagt, denke ich, darf die Ver-
mutimg fcheinen, dafs Hefäftoa, der den Gang
der Göttter durch goldene Solen erleichterte^,
auch der göttlichen Roffe natürliche Leichtigkeit
durch einen ehernen ßefchlag der Hufe zu uner-
müdeten SprUngeh auf Waffler und Dunftluft
erhöht habe*
Wie grofe aber fchon die ao^ebbbrene Behen-
digkeit der rafchfUegenden Götterroffe gewefcn
fei, zeigen die halbgöttlichen, die Boreas als
Rofs mit den Stuten des Erichthonios erzeugte,
IL 20, fia6:
AI yhtt ß6)f entert^i^ß twi^tt^^f^v «f«<^«v,
A>tfi¥ 99* uv^iftümf n»fT9¥ ^mw, nie lUErnOMr'*
Dicfc, fo oft fit fprtngen auf nahrntiglproflen^er Br<!e,
Ueber dte Spixen dts HaliDt hinfiogen fit, ohn* lim tu
knicken ;
Aber fo oft üe fpftngen auf vefttni Rficken tks Mecret,
Liefen fic über die Wogen > nur kaum die Hufe
beaetend.
Weder, langfamer noch fchwerfSlliger dürfen wie.
die iinfterbUche Rofle Xanthos und Balios uqS;
verftellen , tlie Pofeidon dem Peleus am Hochzeit^
fefte gefchenkt XÄwry. Rtuf; 187. Bephaß. ,6^;
1.92 MYTHOLOGISCHER BRIEf'E 1. B.
Apollod, 3» 13, 5)» und Peleus mit dem AchiU
leas in den troifchen Krieg gefandt batte^
IL 16» 149:
rm uiiot Tvotißfi vrtrea^tiv'
BovKOittvii ÄttiMivi wotfx foov XlitexvOlO.
die rafch hinflogvn ^ie V^iiide :
Diefe gebahr dem Zefyros einft die Harpye Podarge,
Weidend auf grfiner Ad an OkeauO» ftröitienden ^alTero:
Indefs fo windfcbnell fie flogen, lief doch mit
ihnen ein fterbliches Nebenrofs. Ein Beweis,
dafs fie entweder von Natur,, oder wahrfchein-
lieber, weil ihnen der erleichternde Erzbefchlag
des Hefäftos mangelte, den . iaftwandelnden
GötterrofTen nachftanden. Habe .auch Homer die
Sage des Quintus (3, 758) fcboa gekannt > dafs
fie, als Meerwandlpr (8, 156), nach Achilleus
Tode d^n Neoptolemos über das Meer nach
Elyfion getragen. Denn auf dem Wafler zu gehn,
forderte weniger Leichtigkeit , als LuftfprÜQgQ^
Die geringere Tugend auf dem Wafler zu
gehnbefafsen, nach des älteren Philoftrats (fVon,
I, 17) und des jüngeren (^icdn. t^) Zeogn'ifle,
auch die Rolfe des lydifbhen Pelops, die ihöi fein
Liebhaber Pofeidon gefchenkt tiatte*, um den
vHbdfchnellen Rofiüen des elifchen Kerniges Oeno^
. NEUNÜNDZWANZIGSTER BR. 19|
maus den Sieg , deffen Preis Hippodameia war,
abzugewinnen. In der alten Volksfage, wie
Pherecydes beim Scholiaften des Sofokles
(£/. 507), Pindar (O/. i, 140), und Euripideg
C^r. 989) ße nacherzählen , heifsen üe geflügelte.
Diefer blo(s bildliche Ausdruck für ungewöhn«
liehe Leichtigkeit, wofür ihn Pindars Scholiaften
und PaWfatos (30) mit Recht erklären, war auf
dem Kaften des Cypfelus CPauß 5 f. 320) durch
angefügte Fittige bezeichnet worden. Denn
hätte der Dichter oder der Meifseler wahre
Fijtige gemeint, wie unglaublich war die
Vorftellung, dafs Oenomaus fo offenbar über-
legene Roffe zum Wettlaufe iiefs? Auch
war^n fie ficher, von ihren Zeitgenoffen nicht
mlsverftanden zu werden* Bei Theognis ( v. 55 1 )
finden wir gewöhnliche Kriegsroffe rcevvrrtfvyeQ^
breitgeflügelte oAev flügelfchwingende*), genannt;
und Theopomp , aus welchem Homers SchoHaft
(II. i> 38) die Erzählung vom Pelops anführt,
überfezte das poetifche Bild in die gemeine
Redensart: novalonoi i»jr«c «1«/*«5"hc» Pofeidotu
unermüdlicki Rojfi.
♦) Sylburg bemerkt die Lesart /srflroic T«vt/9r7ffvtfir<,
4im ferfefibwingmden Rojfen: die jedoch einen bei
clem veralteten ßilde ßazeiideu Aeaderer za bekenne»
fcheiilt. ^
N
194 MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
Der Rednec Hitti^rius, der ehenfals ((7r# i, 6}
dem Pelops nur tneerwandelDde Rofle verleiht^
fügt aus verlorenen Dichtern die Fabel hinzu:
Pofeidon habe zu feiner Vermähhing mit der
Hippodameia den Chor, der Nereiden ver&mmelt,
und ihm am Geftade die Brautkammer gebaut,
aus Meerwogen, die in purpurner Bräune auf-
fleigend fich über das Lager hlnkriinmiteiu
XXX.
War es fcbon göttlichen Roffen , ja halbgöttü*
eben, ein geringes, auf dem Waffer mit unge-
nezten Hufen einherzufliegen ; wie wollen wir
uns Zeus denken, da er in. Stierbildung die
Europa entfiihrte? Natürlich wohl , dafs er mit
ätherifcher Leichtigkeit die Wogen eigentlicher
durchwaodelte f als durchfchwamm^
So nahm ihn Nonnus aus alten Gedichten und
Kunftwerken in feine Dionyiiaka (i, 53)
hinüber:
hstffußsvßjio $• ruvffs
DREISSIGSTER BRIEF. Y95
- «Icf rifch darchretmendeii Stieret
Scbwimmeiider Haf beprigte der Meerbaha leifct Ge<
wäfler
Hk fjitiftichoiieiidca Sparen; «Sie Jong^aa über iea
Abgrund,
Heftig erichfitcert von Aogft , fi:hifi;' hin auf dem SJckeo
4€i Stieres»*
Unverruckt« nngcnezet»
Und (8» 25Q):
tr»BoßAiiT9to If rffvfif
AßfOX^i »xforaroto h* viaros trftx* X^^n*
■ dei voHuft^hmachtenden Sdeitt
Ungefeäcbteter Huf lief hin auf d^r Fläche des M^afleri.
Diefe an gemeiDen Stieren ungewöhnliche
Erfcheinnng wars eben, wi^ im Gemäblde
dem Anakreon (35, 5) einen verileckten Zeo«
andeutete:
Er dringt durch weite Meerflnt»
Mit den Klann die Wqge fpaltend.
Eben daher auch huei Mofchus (a, 136) dee
Ansruf der erftaunten Europa:
H f» TIC i€9t 5foc ; Tf ^iotc miri9Mtora fff^ri« ;
Ov5' «AiOf iiA^nti nx9 xl^8V0Qf urt ri ravfüi
By Koyrf mx^tt' W9 it X^ow xmi nur» froyrn
Na
10 MYTHOLodtSCHER BRIEFE I. B.
Bift cla ein Gott? Waram angöttliche Thsiten verübet?
Kle doch vagen Deifin' auf dem Land« vo, nimmer
auch Stiere
IJeber die Flmen zu gehn ; da aber auf Land and anf
Meerflut
' Stiiraift ungenezt einher; und es find dir die Klaaen wie
• Ruder.
penn fo grofs war ihre Verwunderung, den
Stier , wie ein göttliches Wefen , ungenezt mit
kaum eingetauchten Klauen durch die Meerwüfte
iich fortfchwingen zu fehn; dafs de ein noch
grö'fseres Wunder der Göttlichkeit erwartete,
den Flug durch die Luft:
Ü r«%« Kon 7Aa(/xffc vtts^ nisiOQ v^oq asi^iiQ
Bald vielleicht auch über die bläuliche Luft dich erhebend»
Wirft du mir hoch auffliegen, wie rafchgeflügelte Vögel!
Auch auf einem gefchnittenen Steint,
welchen Leffing im Anhange zum Laokoon
(S. 362) bei Maffei n. 5. Tab. XIX bemerkt,
läfst der Künftler den Stier nicht fchwimmen,
fondem auf der Fläche des Waffers, wie auf dem
Eife, laufen. -'So fchön diefes Bild, „ urtheilt
der fcharf finnige Mann, "i;i der Poefieift, wo
^ man . fich die äufserfte Gefchwfndigkeit dazu
"denken kann; fo anftöfsig ift es auf einem
"Kunftwerk«, weil der Begrif, den die materi-
bRElSSlGSTAR BRIBF. I97
^'elle Knnft von der Gefch\<rmdigkeit geben kann,
<<nur fehr fchwach, die Schwere des Stiers dage-
**gen zu fichtlich ift. ,,
Vielleicht möchte der Kiinftler mit der her^
fchenden Vorftellung vom leichten Gange ätheri«
fcher Wefen, die dem Auge zu Hülfe kam, fich
entfcbuldigen laiTen. Vielleicht konnte er fogar
rechtmäTsig erwarten, dafs das Auge von felbü:
aus der Leichtigkeit des Waffers die Leichtigkeit
des wandelnden Götterftiers abniefien würde. Ift
denn ein Fuhrwerk auf tragendem Gewölk weni-
ger anftöfsig? Und doch ift Lefling diefem Mah-
^erbehelf , übernatürliche Leichtigkeit anzudeuten^
fo wenig abgeneigt , dafs er ihn felbft empfiehlt.
Sie kennen Denkmale der Kunft genug», wo
auch Pofeidons RoiTe» ohne Flügel fowohl, als
ohne Flofsfittige und Fifchfchwänze » welche die
fpäteren Bildner als Erhebungsmifetel einführten»
über die Meerwogen mi(f ungefunkenem Hufe
hinwegrennen. Auch die Nereiden wagten fije
manchqial frei auf Wafier zu ftellen ( Caliißr.
icon. 14); und fogar der Widder mit goldenem
Viiefs erfcheint in dem herkulanifchen Gemähide
CTom. 3« tab. 4) fo leicht» dafs er ungenezt
dber den Hellespont hinläuft.
N3
J98 MYTHOLOGISCHER BRIEPE X.B«
XXXI.
VJanz richtig. Jede andere Erleichtenrag dt$
göttlichen Wagengeipanns ift mir gut genug, nur
durchaus keine Flügel. Und das zwar des geriiw
gen Umftands wegen, weil Homer geflügelte
Götterrofle to wenig kennt, 9is geflügelte^
.Cfottheiten.,
Ob ich d^nn alles entflügeln woHe? fragen
Sie, Auch die Erzeuger dämonifcber Rofljs , die
Harpyen und die Winde? Auch den Pegafus?
Wenn es Entflügelung ift,, noch keine Be»
flfigelung wahrzunehmen; fo denke ich Ja«
Wir wollen zuerft die Harpym darauf anfehn.
Die unfterblichen RofTe des Achilleus, ^
rafch hinflogen wie IVinde (II. i6, 149), er-
zeugte der Gott Zefyros mit der Harpye Po-
darge, oder Schnellfufs,. als fie auf einer Wiefe
am Weltftrom Okeanos weidete. Aus dem bild-
lichen Fluge, womit nur die UbematSrlicbe
Behendigkeit über Staub und Halmfpizen und
Gewäfler fich binwegzufchwingen gemeint fein,
kann, werden Sie nimmermehr eine wahre Be«
flügelung, weder der Rofle felbft, noch ihrer
Erzeuger, folgern. Eher noch, wenn fie Lufl:
haben , werden Sie Homers Winde und Harpyen
fich als RoiTe vorftellen 'dürfen.
EINUNDDREISSIGSTER BR. I99
Euftatbius will zwar die Harpye Podai^^e
allein 9 weil fie weidete und Füllen gebahr 9 als
ein gefieigeltes Götterwefen von Ro&geftalt»
ähnlich dem Pegafus, betrachtet wiffen; *)
^ie anderen Harpyen hingegen, die Hefiodiiä
AelloundOkypete» Sfcormund-RafchfLug, nennt^
Aveil ile bei Homef Menfchen wegraffen» möchte
«r lieber f (ir gefTügelte Unholdinnen mit Händen
«nfehn. Aber Homers Hdrpyen und weder ge-
flügelt, noch zwiefacher Art; fondem alle drei
feindfel^e Göttinnen von Menfchengeftalt.
Bine Göttin in menfchlicher Bildung, za
einem Gotte geCelit, hittte Füllen gebohren?
Warum nicht? In dem älteren Volkslied^,
woraus Homer die Fabd. als bekannt nur obenhin
^ Herr Heynt bai Atn. 3. Exe. 7 iu der neaeften Auf-
gabe fprichc dem Eoftathius nach ,. Podarge fei ein
thierifchet. Uageheirer , obite fleh weder um cfte Geftalt
der übrigen Harpyen , noch um d?e Fttigel und andere
Vervattdltnigen der fpäteren Fabel z» bekumuiemw
• ZogUicb, den Auflegern bei Geor^. 9 '^73 ^oJgenii,
mifcht er die lange nachher gefabelte ^indempfängnb
in LuEtanieu als VeranlafTuiig jener homeriTchcn Fabel
ein; und^ verheiftt, dtefcn verwirrten Entwurf mfe?-
»em Kommentar zum Apollonias Rhodius (der fchwetr-
Mch. erfcheiuen wkd ) vireitiänftiger auszuführeu* Seiu
Nachrprecher Herm^ua (1 S*. 400). wiederholt das
alles • und veriicbert nun dreift : Hmtcrs Harpycn find
leß^letU rftrtft. v
N4
dOO MYTHOLOGISCHER BRIEFE I« B«
anführt, muffen dieütnftSnde üflgefähr. alfo" ge-
lautet haben. .Die fchönlockige Harpye Poidarge^
die mit ihren Schweftem am Weftgeft'ade d«s
Okeanos wohnte, ward von dem benachbarten
Zefyros geliebt. Auf einer blumigen Wief«
überrafcht, verwandelte iie fich , der Gewaltßim-
keit zu eptgehn , in eine weidende Stute. Aber
der lüfterne Gott nahm die Geftalt eines Hengftes,
und erzeugte zwei Füllen, die von ihm, als
einem Windbeherfcher , und von der Mutter,
einer Sturmgöttin , übernatürliche Schnelligkeit
ererbten..
Aus einer anderen Liebesgefchichte empfing
Podarge die Roffe Flogios und Harpagos, welche,
wie Stefichorus beim Etymologen und Suidas
unter K«\xcefOQ meldet , Hermes den Dioskucen
gab. Imgleichen gebahr bei Nonnus {^Dionyf.
37, 155} die lithonifche oder thrakifche Harpye
Aellopos dem Boreas den Hengft Xanthos und
die Stute Podarkes welches Gefpann Boreas dem
Erechtheus für die geraubte Orithya zum Qe^
fchenke gab. Unter gleicher Verwandlung über-
fiel einft Pofeidon, nach der alten Fa^el des
Paufanias (8» f^ 494)» f^^h&, die Demeter: die
erft, wie aus ApoUodor (3, 6, 8)> aus Homers
Scholiaften (U. 23, 346) und PtoIemSus He-
fSftton bei Photius (f« 245) zu fchliefsen ÜV,
;' EINUNDDREISSIGSTER BR. dOl
einer Erinnys, dann einer Stute Geftalt anneh*
mend» den heroifchen Gaul Arion empfing.
Wiewohl nach anderen bei Euftathius denArioa
eine Harpye dem Pofeidon, oder nach Quintus
Kalaber (4, 570) dem Zefyros, gebahr. So
ward auch, nach Pherecydes (Seh. ApoU. ^
3235), die Oceannymfe Philyre von Kronos in
Pferdegeftalt überwältiget; fo Ixions Gemahlin
vom wiehernden Zeus (Nonn. 16, 240); fo die
Stuten des Erichthonios vomBoreas, IL 20, 223;
Ufird aus ähnlicher Begattung des Boreas mit einer
Erinnys, fagt Quintus (8, 243)» fei des Are^
ViergeQ>ann, Aethon, Flogios, Konabos und
Fobos, erzeugt worden. Wer möchte alle diefe
Gottheiten darum, weil iie einmal in angenom-
mener Rofsgeftalt Füllen oder Halbfüllen erzeug«
ten^ für eigentliche RofTe ausgeben?
I
Bei Homer find die Harpyen Göttinnen, die
naverfehns Menfchen aus Geficht und Gehör hin«
wegraffen: wie ihnen Telemachos (Odyff. i>
d4i ) und Eumäos. ( 14, 371 ) des OdyiTeus Ent-
führung Schuld geben« Penelope im Gebet ap
die fchnelltödtende Artemis (Odyff. 20, 62-78)
ftellt fie als Gottheiten reifsender Sturmwinde
vor, die nebft den Erinnyen am Oceanus vor deift
Schlünde des Schattenreichs wohnten:
• ■ *
N5
202 MYTHOLOGISCHER BRIEPK mI;
H ffsriir« (i,* avat^»^oi9» ^viKhH
OtXOtTÜ 9f0^tfVffa M»T* fftfOtVTX xtÄtuScCf
£v 9rf 0x09c ie ß»ÄOi a^fof^on SlK9ätvoi9*
■ ■■■ O wenn «acht, empor mich raffend, cia
Starmv/ind
Fern hinweg mich cnttruge durch mitternächtliche Pfade»
Und an des kreifenden Stcoms Okeanos Ufer mich würfe l
So wie Pandareos Töchter vordem aufhüben die Stiinne*
Nemlich die Gottheiten der Stürme, die gleich
darauf Harpyen genannt werden :
TSmi ^*$h9»v ftßyof^ti^ E^m9€tv csi^iwo^ntt9.
Hatten indeü die Mädchen hinveggeraabt die HjU'pyett»
Und fie gefchenkt den verhafsten Erinnyeu Dienfte 211
fröhuen.
Ihre Geftalt Obergeht Homer ganz. Er hätte
jle wohl mit einem Nebenzug angedeutet , wenn
fie von der gewöbnlichea Menfchengeftalt der
Götter abwiche.
Deutlicher bezeugt Hefiodus ihre menfcfa-
liehe y fogar fchöne Bildung » durch die ver*
fchwifterte Iris» und das Beiwort nüMHioiiy fckanf^
/octig (Theog. ;j65);
£2NUND011EISSIG5TER BR. !X0%
Mwitfl/bi«c 5*AfTtn«c>^AfAAitf t*, AxvTtrvv r«*
A/ f *" entfern Tnoif^t xxt aimotf aii* mvrdr«
^ Fiür ptraxfovttif wftnfcht Herr Heyne furax^wmi^
Mher ier Erde: vekhes leichtere Wort jenem fcfavie»
figen aach im ApolfonitM einige Vortforfcher, nnä
miezt Brutto, Yonnogen. Bequem Wt v^enigftem dh
RegeU Dky verßebe ich nicht; ober ß verßände icbsf
-man lefe fi. & fchemt, ;tyoi««, ?on xf^% idß
vollende f venn wir dem Etymologikou tr&mi dürfen»
Weute VollendtiHg der Zeit durch die Geßime^ Um'
iokf, nmtanfinder Himmet: wie nhif, mmudkf, ßgna.
£iu ähnliches Wmrt ift «fo«^» BegrenMmg, Zeit, JghrT
woven fwf «f 0« ,, nemiiäbri% ; ^ttfoq frir . ^ent^o^
jübrig, fm; und fiersrngv^, %n den Himmetszeicbem
erhobt, das fe)btgei vu fterti^oitto^ ^ ^ie fchon dtt
Btymotog anmerkt. Schade, dafs^Snidas von diefen
Verfen, vorin einem Weibe der Lnftflug verfaeifsen
wird , uns weder Vtheber aoch Zufanmcnhang übet«
lieferte ?
T/c ytt^ eftot €99 fttff!^^ «T«fiac> v rt iti»^n
't^h iTTCf Torroia fisretxiovttiv jroT«ffc5Äf j
Welchen würdigen Lohn mir gewähreft do , wemi
ich dich lehre,
Hochhin aber das Meer znr Sternenbahn dich sn
fchwingenf
a04 MYTHOLOGISCHER /BRIEFE I. B.
Thaamaf erkohr det breiten Okeanot Tochter Elekt^ft
Sich zum V(^eib': ihm gebahr fie die hurtige Iris, dtfr*
auf auch
Schöngelockte Harpyen, Okypete, famt der AtUo:
Welche der ^ind' Anhauch und himmlifche Vögel
erreichen,
* Kafch mit der Fittige Schwung; denn (ie heben (ick
über die Luft hin.
Doch alfo geflflgelte Harpyen, wenn gleich
in Menfchengeftalt! Auch das nicht. Des Pelops
Koffe, denen die Fabel nur tibernatüriiche
Schnelle und Leichtigkeit zudachte, hiefsen
ja auch geflügelte, und wurden mit allegori-
fchen Fittigen vom/ Bildner und vom Dichter
vorgeftellt; z. B. beiPindar (O/. i, 139):
Ihn verherlicheiid gab der Gott
Einen Wagen von Gold, und in Fittigea
Unermüdete Rolfe.
Können nicht eben fo aucb hier die FUtigi blo&
bildlich ftehn? und zeigt nicht, dafs iie es müf-
'fen, der erklärende Zufaz: denn fie heben ftch
durch du Luft? Ein Zufaz, der bei eii^er wah«
ren Beflügelung albern wäre. Auch meldet
EINUNDDKEISSIGSTBR BR« ^Of
Hefiodus (^Sirab.7 f. 302), dafi Harpyen den
König ^Fineus in das Land der Milchefler ent-
führt, und beim Scholiaften des Apollonios
(2, 178 iF), wie fie feine Mahlzeiten beraubt
haben: aus welcher Erzählung (2, 276) der
Ausdruck n^ r«c stvoac ^rgexo^t M dU fTindhauchi
tiefen ße, mit Luftfehritten nemllch^ ange-
führt wird.
Noch Theogni$, d« er die höchfte Gefch win-
digkeit mit der Eile der Harpyen und der Borea-
den vergleicht , giebt beiden nur die homerifchen ,
Luftfehritte (v. 714):
Kau ^xtiuv BogtBf rm a^ttf itst T$hf^
Ob da aach hurtiger warft, wie die rufsgefchwindeji
Harpyen,
Oder des Boreas Söhn', dlead mit flüchtigein Fofs.
Gewifs kein günftiger Umftand für die Fittige,
wenn gleich, wie wir bemerkt haben, der Luft-
fchritt die BeflUgelung nicht eben oothwendig
ausfchliefet.
Völlig entfchieden wird die fpSte BeflOgelung
durch das Zeugnis des Aefch3rlns9 wo ( Eum» 48)
die pythifche Priefterin vor dem Anblick der Ett-
meniden erfchrickt : . ' -
306 MYTHOLOGISCHER BRIEFS I. B«
, epy avrt Toffy9t9t€s¥ tt%»9m rvitot^^
Avratf ifuKxivmt 9*§i to wav fiitAtncrfoim'm
ITicht Vciber, nein Gorgonen nenn" ich fie.
Aach nicht Gorgonen gleicht die Misgeftaltt
Die fah ich einft gemahlt des Finent Koft
Wegtragen; aber flägelbs za ichaan
Sind dler, und iHrgrarz, zum Ahtchen graislich ganz.
für gorgonifche Harpyen (detm Harpyen, nicht
' Gorgonen, waren des Finens Plage) möchte fie
die gräflichen Weiber anfehen, wenn de nur,
V^ie jene^ geflQgeit wSren. Die Flügel der
Harpyen aber, als ob nicht jeder fie kennte,
glaubt üe erft durch ein gefehenes Gemähide
gleich&m befchemigen zu müiTen«
Durch ein (Semählde! Mahler demnacli und
Meifseler waren es, welche, wie dem. Herme^
äem Eros, d6r Nike, der Iris und anderen Gott-
heiten und GötterroiTen (5ria/. Arißofh. ov«
572. Panf. 5, 320-325), auch den weiblichcÄ
Dämonen der Wirbel winde, den Harpyen,
Fittige als ünobjüdjiche Zeichen der Schnelligkeit
«mrugten, und dadurch wahre Beflügelung ver-
afilafsten. Und zwar gefcbah folches um des
Aefcbylus Zeitalter.
BINUNDDRElSSiCiSTBR BR« SO?
Selbft die Eumeniden^ die Aefcbylus hier und
V. 250 noch flügellos d«rftellt, die aach Sofokles
(^Aj. SS2^ 9]s fufsfckwingtnde^ tä^woJ««, be-
zeichnet, nennt fchon Euripides (Onfl. 317)
flilgtltragtnde Läuferinnen , ^foiiaitt^ 9TMfo^9fHu
weil de auf Flügeln gehoben durch die Lüfte ein«
herfchreiten; und v. 375 ruft ihnen Oreftes zu:
£|axf<^fr* a<5ff«
■ Empor lom Aeiher fliegt
Mit Fittigen.
t)er Orfiker, der fie mit den Mösen vermifcht
(j?. 6g), giebt ihnen noch Schlangenbaar, wie
znerft Aefchylus (^Pauf. i p. 5a), und Thier-
Jiänte zur Kleidung; und Virgil (^Atn. 5, 561)
läikt zifchende Schlangen ihre Fittige umringeln.'
Auch die Gorgonen^ nut deren Namea
Aefchylus die aus fchönen Jungfrauen zu gor«
gonifchen Unholdinnen gewordenen Harpyen be-
nennt , wie Sofokles Gorgaden die Haliaden oder
Meergöttinnen, pnd andere {Hefych.) Gorgidm
die Okeaniden nannten: auch jene Gorgonen
läfst Hefiodns auf dem Schiide des Herakles
V, 230 noch ohne Flügel dem Perfeus durch die
Luft nachwandeln. Der Bildner drückte auf dem
Kaften des Cypfelus (^PüuJ^ s f- 8«^) ibJ"^
Sog MVTHÖLOOISCHER BRIEFE I. B.
Schwebenden Gang durch Fittige aus; und
Aefchylus im Prometheus (v. 797) nennt fie ge*
ßügtlte drachenharige Unhotdinnen; denen slU"
iete(^Ap6tiod,^9 4» 2) doch grofse Schweins-
haoer und eherne Hände zufügten*
XXXIL
bo w^it alfo wfiren wir eins. Die raffendea
Harpyeni die den älteften Dichtern in fchöner
weiblicher Geftalt ohne Abzeichen durch die
Lüfte wandelten, wurden gegen die Zeit des
Aefchylus hüfslich, und, wie mehrere Gottheiten,
von der bildenden Kunft mit Fittigeo vorgeflellt*
' Wozu denn Äie Frage: In welcher Geftalt
Paufanias die Harpyen auf dem Throne des amy-
kläifchen Gottes (3 p.. 197), und auf dem
Kaften des Cypfelus (5 p. 321 ) , vor den verfol-
genden Boreaden vom Phineus entfliehn fahe?
Als luftwandelnde Weiber gewife; ob mit finn-
biidlichen Flügeln bereits, ift zweifelhaft , aber
W^hrfcheinlich.
Ah, ich merke! Sie freuen fich nur des
Herrn Heyne, dem die Geftalt jener Harpyen fo
lurenig Unruhe machte, dafs er beim Kaften des
Cypfelus (S. 23) ganz davon fchwieg,' und bei
ZWSlUNDDRfilSSIGSTER BR. 309
dem Throne des Amykläus (Antiqu* Auff. i
S. 54) gelaffett anmerkte: "Diefe beiden Söhnö
•*des Boreas müfsten leicht durch ihre Flügel
"kenntlich fein, fo wie die Harpyen ihre he*
**flimmte Geflalt haben , die aus dem Firgil ben
^^kannt ifl. Vergleiche Exe, VIL ad Aen. IIL „
Allerdings eine beneidenswürdige Rahe,
•womit unfer Mythenphilofoph ein Gewirr um fich
her fcheidet und anordnet. In jenem Exkurs,
•wie er für die neue Ausgabe durch, eine fechs-
zehnjährige FeUe ihn vollendet hat, erfcheint
ihm eine der Harpyen als ein weidendes roflege-
bShrendes .Ungeheuer {adeoque monflri fimilis^
diSa tarnen dea^ ut Echidna, Typhon & alia}^
über deren Geftalt er fich klüglich nicht weiter
einläfst. Und hier ift gleichwohl die befiimmte
Gefialt der Harpyen, die ihm ganas noth wendig
der alte Bildner gefchnizt haben mufs, aus dem
Virgil hinlänglicli bekannt, wo fie ( Aen* 3, 216 )
als garftige Halbvggei fich zeigen :
Vir^inei v^Uurum vtkmf^ fitMßnut ifenirh
Ttohtviett mwsqut mannt t ^ falUia femper
Öra fam.
Jubgfrftan haft der Vögel Gc&cht> fcheufelig des Bauthei
Ekler Ergu(s, auch die Htttide gekraUt^ und von Hunger
das Antlit
Immer gebleicht
o
aiO MYTHOLOGISCHER BRlsrfi I. bJ
Wie vertrug fieh feine homerifche Stute mit-
diefen Halbvögeln? Als StHten, meinteer viel-
leicht» dachte fich die Harpyen das graue pelas-
gifche Alterthuni , deffen Roft noch dem guten
Erzvater Homer anklebte. Nachdem aber die'
verfeinerten Mufenkünfte fchon Grundi-egeln vom'
Schönen und Gefälligen gefafst hatten, auf welche
Verfeinerung Herr Heyne in der erften Vorrede
■ zum Hermannifchen Handbuch uns aufmerkfam
macht, jezt wurden die Harpyen zu kralligen
Halbvügeln mit ewigem Hunger und unreinli-
chem Ausflufs umgebildet«
Scharffichtiger war diesmal der Grammatiker
Heraklit {incred. 8), der die Harpyen in der alte-'
ften Fabel des Fineus als geflügelte und raube*
rifche IFeiber, ein Bild verfchwendender und treu* "
lofer Buhlerinnen , betrachtete. Scharffichtiger
fogar Martorelü, deffen Traumbuch, DelV'
antiche Kolonie venute in Napotif Herr Heyne In
dem titelreichen Exkurs, Zwar vornehm herab-'
blickend, aber doch anführt* ** Lhanno poi
"/»^e, „/ fügt er S. 50 von den Harpyen,
**moßruofiJftme e fporchi volatilif cotne fi defcri"
'* veno anche da f^irgilio ; qtiando erano ne* ternpi
*'eroici DON NE BELLE, e percio Efwdo )e
'*äice nvKOfzüQt ^d aventi alt leggierißime , conte i
**venti, i quali cosi ß fingono, e difrefca eti^^f
^WEIUNDDREISSIG^STER BR, ait
Die fcbCnen JQgendlicfaen Damen hätte Herr
Heyne für das heroifcbe Zeitalter nur annehmen
follen; etwa mit der Erinnerung, dafs u- auf
dem Gemähide des Aefehylus fich fchon der ab«
fch reckenden Geftalt der Erinnyen näherten, und
Fittige trugen.
Um welche Zeit denn bildete man die
Harpyen aus jenen häislich gewordenen und ge- ,
flügelten Jungfraun zu fo widerlichen Raubvö-
geln? Ich dächte, nicht allzu frühe nach Aefchy-
lus, der noch ihre Beflügelung fog^ zu recht-
fertigen fich verbunden achtete.
Indefs müfste fchon Sofokles. die Ausartung
in Vogelgeftalt gekannt haben , wenn es erwie«
Ten wäre, dafs der leidende Filoktet (fr. lopdi
tf/* 1105) alfo jammere:.
'EXufft ft*! Ou yxf iT* t0x^*'
Dafs doch zum Aether empor
Die Ploaden dqrch (charftönenden Haach
Mich entraften! Deon nfcht mehr dald' ichsl
Ploaden, eine Benennung der fty mfalifchen Vögd
bei ApoUonius 2, 1054^ (wo TiAKihs ein Schreib-
fehler oder eine ähnliche Form fein kann) und
beim Etymologen unter Sr»f<4)«A<}«c» find eigent«
O 2
ata MYTHOLoaiSCHER BRIEFE I. B»
lieb fckwimtnende oder SeevogeL Brunk arttieilt,
auch Äie Harpyen, als fneerdurchflkgende In fei-
bewohnerinnenr könnten wohl ebea fo heifsen,
uAd rückt feine Verthutung nA«Alf c dreift in den
text.
Eine Verwechfelnng der Harpyen mit den
Stf/mfaliden hätte nichts anftöfsiges; da Aefchy-
lus fie, wie wir'gefehn, mit den Gorgonen,
Virgil C^«»- 3» 250) init deö Furien, andere
bei Servius (^Jen. 3, 033) mit den weiflagenden
Parcen> und die Infchrift der Regula, der Ge-
mahlin des Herodes, wo v. 14 die ffinnenden
Harpyen i *Agxvicei xaw^äic» vorkommen, ebenfals
init den fchick&lfpinnenden Mören» verwech«
fein durfte.
Die Stymfaliden aber waren 2war in der
älteren Fabel fieifchfreffende fpizgefchnäbelte
Raubvögel von der Gröise eines Kranichs und
Ibisgeftalt, nur dafs der Schnabel ftärker und
ungekrümmt war {^Pauf. 8 p. 488); nach einigen
miteifernen Flügeln {Timaget. ap. Seh. Apoll. 2,
1033)» und fpizige Federn als Lanzen auswer^
lend: deren verwüftenden Sehwaprm Herakles
nach Pifanders Gedicht ( Pauf, 8 p» 488) mit der
Kbpper aus Stymfak)6 fcbeuchte, nach Pherecy-
des und Hellanikus {Sch. Apott. %i 1056) zu«
ZW£IUNDDREISSIG5TER BR. ai}
gleich umbrachte ♦). ,Nach diefer VorfteHong
fah fie Paufanias in dem Tempel der ftymfalifirfaen
Artemis unter der Decke , und Cuper ( Apoth»
f. a6i) auf einem alten Marmor, auch Winkel-
mann {Mon. ined. i- f. 85) auf mehreren Kunft-
werken, aber mit gekrUmmmten Schnäbeln , auf
einem mit der Beifchrift r^u^o/, Sperlinge oder
Strauße, Allein von Mnafeas im alexandrini-
fchen Zeitalter, welchen der Scholiaft des ApoL-
lonius anfuhrt,, wurden fie als Weiber gefabelt;
und wenn gleich gegen den Denar des valerifoheo
Haufes, wo em Vogel mit gehelmtem Weiber-
haupt, einem Schild zur Linken, und einer
Lanze, von mehreren Gelehrten und Spanheim
(«ffiifi, ant.$i 4) für eine Stymfalide gehalten
wird, Cuper (p. ^63) bedeutende Einwürfe
hat; fo dürften doch wohl die Jungfraun mit
VogelfUfsen, die Paufanias (8 p. 489) an der
Hinterfeite des ftymfalifchen Tempels wahrnahm,
für Stymfaliden der fpäteren Vorftellung gelten.
Hätte demnach Sofokles bereits (und warum
foUte er nicht? ) die Stymfaliden halb Jungfra«
halb Vogel gekannt; und hätte er dann, wie
Brunk wünfchet, ihren gewählteren Namen
Ploaden den Harpyen beigelegt: unfehlbar müftte
^} Dtefes Fragment von Pherecydes und Hellauikus habe
ich iu den Stnrztfchen Saminlnugen vergebens gefacht.
03
AI4 MYTHOLOaiSCHER BRIEFE I« B.
er auch die Harpyen fich fchon als Halb v5gel
gedacht haben.
Hätte er! Aber hat er denn? Schenke niaa
auch jene erbettelte Doppelgeftalt der Sty mfaliden ;
wodurch wird es nur wahrfcheinlich , dafs fchon
Sofokles fie alfp fich vorgeftellt? wodurch nur
wahrfcheinlich, dafs er nach ihnen die Harpyen,
mit jenem fogar dann noch übel gewäblten
Kamen, Schwimmvögel , die in den Aether
emporraffen, genannt habe? Der Schatten des
Sofokles würde über Brunks Aenderung zürnen
oder lächeln; ungeachtet Herr Heyne bei Apof-
lodori^ 9, 21 ihr Beifall nickt, und vom SeJ-
nigen die Aenderung siust i^e, ße mägen mich
vertreiben, hinzufügt. Man denke doch: Filok-
tet foll wünfchen, dafs Schwimmvvget ihn, den
hinkendeii, von der Infel vMrnben! Mit folcher
Befonnenheit pflegt Herr Heyne die Alten zsi
handhaben«
Die gemeine Lesart war ehedem nr«««^^
•|vT»v0i » fcharftänendi Sckuchtern^ Diefes von
fTTussM abfl:ammende Wort erkennen Barües und
WefTelii^ in Homers neuntem Epigramm, wrtiuaiH
mi^vtM, fchüchterne Tauchvägel: die Emefti ohne
Notb in 9rxtütt$tQt Schwimmende f verwandeln will«
Andere Ausgaben lafen oj^rey» het 9n»iw^Toc, we;l-
ches ein SchoUafl wieder , mÜ heuern Gefchrei,
verfteht; da beffer, durch heBJihwirrende oder
faufendg Luft, feio möchte. Hierüber non
•meld^» unlere aus alten Auslegern zufanunenge-
•ftoppelten ScboUen folgendes: ^Man fchreib€
^^9Frume^€Q f, rgaret^g^f TTU^aä^g,. S^of^ifi: die HaiV
•*'pyen, mit Beioana'en bezeichnet ^ wegen des
^ß'tramflärzenSf oder wegen, der Stimmi.
** Schreibt man aber yrrax^^^^y fo fiöds die immiir
^*^himgrigen^ gleichCun bettelnden^ ^
Wer fieht nicht, dafs die Worte verlchrieben
find? Die Harpyen Collen durch ihr Heranftürzea
und durch ihr Gefchrei bee^eichnet werden. Das
GeCch^el glaubte man ih eji^«*«/, oder m eft/rw«
iix jrvjt/fWBToCf ZU finden.. In welchen Woctea
fand man den Sturz? Gewiis fagte der Ausleger,
wovon uns der verdorbene Lappe» erhaltea
ward, ungefähr difefösi "Man fchreibt nicht nur
^^TUKCthif fönd^m ÜLÜCh VTHraii^ oder wr^atii^
"welches beides fö viel ift als ^gofzahg , oder (wit
«ein anderer erWSrt) Kurxtyt^Q, flürzgnde^ mit
««LuftfchritteD rennende, herabfiürmendd Har^.
** pyen. Schreibt man jedoch «rr«%a9fic » fo finds
**die immer hungrigen. ,^ Wir hätten alfo die
'Wahl zwifchen ^marct^t^ oiet nrrnetliq^ Abkömm-
Kngen von tftmtoq^ geßärzt, öder^rrwwv, jtürzenz
'Bach der Form /^««v«^, ^vot^tg, ^otrx^s^, ^^ofutUof
^Qgßah^i voiMhg, Und Vieler anderen« Ich fik
04
3l6 MYTHOLOQISCH£R BRIEFB LB.
mein Theil. möchte ^raa^ec vorziehn, mit weU
ehern in wt^i^sq. verdorbenen oder vielmehr, wie
rofr«^»« ond rofyiJe«, verwandelten Worte Hefy-
chins auch heranflürzende Nymfen bezeichnet
fand; wie fie im orfifcben Hymnus (50, 5)
M9fo(poiTot s ^g^futhc » ix^sft ' xtf^Mf f tuftwandehide
Lauferinnen von leichtem Fußtritt ^ genannt
Verden,
Filoktets Klage lautete demnach alfo: .
TlraiM^tC o^vTQVH hx 9rvc9f««rac
*£AAi0-i lA* I Ov yxf fr * iff%« l
Dafs dogh zum Aether empor
HerftünBende Mächte durch fcharfes Getön der Luft
Mich entrafteo l Dean nicht mehr duld* ichs !
Und dieie herftürzenden Harpyen, wie dachte
iie Sofokles? Ohne Zweifel, wie alle Vorgän-
ger» in 'weiblicher Geftalt; wahrfcheinlich —
horchen Sie l — fogar flügellos»
Denn ich weil&> au(ser der Sfinx» die ein
Seheuial war, kein ein;dges BcaQüe], wo Sofo-
kles die Neuerung der mablerifcben Götterfittige
aufnahm; und ich hin febr geneigt za glauben»
4a(k ihm jener Nothbehelf der bildenden Kunft^
weil er die fchäne Menfchengeftalt durch tbie-»
xlicben Zufaz entehre, der edleren Poefie na«
v&rdig ge&bienen habe.
; DRKIUNDBREiSSKSSTBIt BR, 9I7
XXXIII.
Xröften Sie fich, 0 Bekilmmcrter? Kaum ein
Menfchenaker nach Sofokles; und ich zeig^
Ihnen die Harpyen in ihrer ganzen Unförmlich-
keit, wie Virgil fie fand,
Arifl-ofanes bereits (nub. 336) fcheinet dio
Harpyen als hochfliegende, von Unrath triefende,
geklaute Raubv^el zu beseeichnen« Er lacht
der Dithyrambiker, welche in feltiamen Worten
4en fchnellen Herfturz der Wolken befangen:
Mit* msfiHCt d<9f««t V^H'i'^ «miv«« «ifovirXfffC«
Und des hnnderthaoptigen Tyfos Gelock, and die grimm«
vollblafenden Störme,
Aack hoch in 4er Luft, nafstrxe&ndi geklaat, die laft-
dnrchfchwimmen^en VögeL
Der wirbelnde Stofewind Tyfos, womit wir uns
nSchftens bekannt machen wollen, und die
grimmigen Stürme, laifen natürlicher an die
klauben Harpyen denken, als an vogelifhnUche
Wolken, die dem Schoiiaften einfallen« Entfchei-
dender ift folgendes«
Der Komiker Anaxilas, ein jüngerer Zeit*
geiioli 4es Plato, in einem langen Fragmente der
O5
-Äig MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
Neottis bei Athenäus (13, i p. 558), wo er
feine Galle' über die Buhlerinnen ergiefst, ver-
gleicht die arnien Dinner mit den ungeheuerfteu
Misgeftalten der urfprünglichcn fowohl ,. als der
entarteten Fabel; und zulezt, als ob er allen
Unholden die Krone ^aüffezen wollte, mit den
,gefl&gilUn Harfym* Sie müiTen ihn felhfl:
hören :
H Xa^vßhi , if T^H^acyoQ SxvAA« Tovrm kuuv,
^ty^9 *^^f^9 Aieiiv\ ^ Zxi^v» » xriivet it* 'AgTvtmf
£/C UTSgßoÄfiv ec^tttTttt TH xftr«Trt;r» yevHCy
Mag die uBgehetuile Drachin» mag Chimärcns Flam^
menhaach.
Mag C^arybdisji oder Skylla mit dreifachem Meerhtwds^
haupt,
Löwin» Hyder» Sfinx, Echidna, felbib geich^ihgter
Harpyen Schwärm,
Zar ScKeufeligkeit (Ich hieben jci^er fpeieoswerthen Bra^^
>
Eine erlefene Gcfellfchaft von Unthieren und
Doppelgeftaken» deren würdig zu fein, die
Harpyen wohl nicht blofs als geflügelte Jung-
frauen y fogadern als verbildete Halbvögel * er-
fcheinen müiTen.
Dies fordert nicht ff&filff^i^ allein^ die fchon
bei Hellodufi {^Theog. 298) oben eine fchönw«^*
gtge Nymfe , n&terwSrts eine lang aosroUesSe
gefprenkelte Schlange war; und welcher ähnlich
auch eine fcythifcbe Echidna zur Zeit HerodotB
(4> S^) von den pontifchen Griechen gefabelt
ward»
Dies fordert «och SkyJUtf üe /elbft rihe
neuere Misgeftalt. Nach Homers Fabel (Oiifffi
12 y 73) war fie eine fecbshauptige Dracbin in
einer Felshöhle an der thrinakifchen MeereDge,
vom Geheul der anrchlagenden Flut Skyüa oder
Hündin genannt, eine Tochter der Kratäis, ohne
Namen des Vaters. Mk halbem Leibe verborgen,
ftreckte iie aus der hohen Kluft des fpiztgen
Felfens zwölf Vorderf Üfse nnd fechs lange Hälfe
hervor, mk welchen fie Seediiere fifchte, und
dem vorbeifcbiffenden Odjrfleos fecfas Männer
zagletch entrafte. Hefiodns, ohne« wie es
fcheint, ihre Geftalt zu verändern iStrab. i,
f • ^3) , nannte fie Tochter des Forbas und der
Hekate (^Sck. ApeB. 4, 82S); Akufilaus mit
den meiften, Tochter des Forkys und der Hekajtet
die auch Kratäis heiße. Anderer Ableitungen
nicht zu gedenken, noch ihrer Verwech feiung
mit der megarifcben Skylla, des Nifus Tochter,
wovon ich bei VirgUs Eklogen das nöthige
fagen werde. Gegen die Zeit, da Glaukus zum
.Meerheros gefabelt ward ^ welchen Paufanias
tAap MTTirOX.OGISCHfi1l BRIEFE I. B.
(9, p. 575) zmtß: bei Pindar und Aefchylus fand,
veränderte fich Skylla in eine fchCne Jungfrau:
■die aber« weil Glaukus üe liebte, von der eifer-
4^üchtigen Kipke durch Zaubermittel entfteUt
wurde, dafe ihr Unterleib mit fechs vorragenden
Meerhunden in einen Fifchfchwanz fleh endigte
. ( Jffygfii.. 125, 199). * Änderet für des Nifus
Tochter üb nehmend, behaupteten, dafs Amfi-
/trite, durch Pofeidons Untreue gekränkt, ihr
.die Verwandlung mit. fehs verfchiedenen Häup*
tern bereitet hab^ {Tzetz» ad Lyc. 45. 650).
Und wieder durch andere wechfelten die vorra-
genden Unthiere, wie an Art, fo auch an Zahl,
und Fügung zum weiblichen Leibe, oder zum
Fifch&hwanz, dem manche wiedemm einen
Hyderfcbwanz vorzogen» Anaxilas nennt fie,
von drei HundsbXuptern um die Hüften, die
dreihauptigt Meerhündm^ wie.Lykofron (v. 669)
,l«(07«f^ev0< KMiv, die hatbjungfräuHche Hündin*
Ich weifs nicht, wie die benachbarte Charyb-
diSf welche Servius (iJ^n. 3, 420) als Tochter
Neptuns und der Erde angiebt, bei den Bildnern
ausfah. Lieblicher gewifs nicht.
Am lauteftcn aber fpricht für die thierifche
Verunftaltung unferer Harpyen die Gefellfchaft
der Sirenen i die /Anaxilas bald darauf einführt«
Von ihren Umbildungen ein andermal umftänd-
DREIUNBORSISSIGSVER» BJU 131
tkher. Bei Homer (OdyÄl la, 52).#aren fie
zwei fihgende Göttinnen; bei Earipidesi (&#(;'
i66) mehrere g^eaerte mit Pfeife, Sy ringe
und Gefang, die aber (C/^i^i. ylr. 4f J>- 543) bei
ihren goldenen FittSgeri zugleich anf Solen, alfo
mit jiangfriCulicheti Füfsen, dunph die Luft wan».
delten. Unid hier febeh wir fie bereits. .aiit cnt».
fteüeöden Vogelf üfseh aoftreteni
'H Ö£äv« ^*h%/ tsiffilv Mftv äiFortTtXfitvfi ;
Ü^Sfifjut Kai ^uv\i *yvveetKOCi *ru 0>xsAy it xo4>/;^tf!
Id Theano nicht an Bildotig dergeni^eo Strent gleich 2 .
Stimm* und ^gt&cht te Veibes^ amfetii^t der Beine
Nehmen wir ^azti , dafs Lyköfron , der fich dnrch
alterthümliche Gelehriamkeit den Beinamen des
ilfiiii/ni erwarb , dieFelfen 'der Sirenen v. 653:
Harpyenfdrsiger Kfljchiigallen Höhnt
benennet; fo fcheint es beinah, er habe eiQe
frühere Vermifchung der Harpyen mit Vogelge-
ftalt, als der nachtlgallflimmigen Sirenen, an-
deuten wollen.
Sie fehn, Jch thne alles mögliche, um den
Harpyen ihre veillige Scheufeligkeit noch einige
Jahre vor Anaxtks. aussumittelB.
tn^ MYTHOEiOGISCHBR BRIBFE !• B.
In d«r Folge wetteiferten Dichter . und
Zeichner in grÄftliclierMisbildung der Harpyen.
Einige beLflygin (/. 14) fchenkten ihnen ein
Hühnerhaü^t, reinen gefiederten Leib und Flüge!,
menfchüiAe Anne mit grofsen Klaun, eine weifee
Bnift, nnd menfchiiche Schenkel, die in Hühner-
f4ifse aosliefen^-j Andere iTzitz. ad. Lyc.6S3)
fezten auf einen Geierleib ein jungfräuliches Ge-
ficht mit Bärenoliren. Welche uhuähnliche
Vorftellung die Urfache fein mag, dafs Ovid
ifafl* 6, isaVvon den Harpyen das Gefchlecht
dir Öhreillenv ftrigts, ableitet Diefe, dem
AufoninsÄufolge» in Aromenmährchen berüch-
tigte Sirix , von iden Griechen 5r?*y? oder
Jgi/bfen, .^i Ifidor auch. Jmmß genannt, die
Kindern in der Wiege da^ Blut ausfog, und nach
Serenus giftige Milch aus eigenen Brüden ein-
melite, woran Plinius (iV, 95) jedoch zwei-
felte, wird von Statius dTheb. i, 597) völlig als
Harpye befohrieben: .jungfräulich an Geficht und
Bruft, aiif dunkler Stirn eine zifchende Schlange,
fcharf klauige Hände, und, damit nichts fehle:
_«.— . nt4rique nefaHiU ^
IProluvies.
_ auch des Schoofses verrachtcr
' Unrathflafs.
Noch drei Abbildungen der Harpyen auf Münzen-
und Kunftwerke« gewährt Spanheim Qnuw,
DREIUNDÜREISSIQSTBR BR.. 213
«»^- Si 5)* wo fie auf kralligen Vogelrümpfen,
die erile ein rauböbrlges Mädchengeiicbc, die
zweite ein ganz weibliches Haupt und zwei
Brüfte f die dritte ein mit Haube und Kranz ge»
fchmücktes Antliz darbieten. Eine ähnliche fteht
in dem Cahinet de pierres antiques ( Tom, %
ff. 517): ein kralliger Vogel mit jungfräulichem
Haupt und geordnetem Haar.
Am Ende dürfte auch auf jener valerifchen
Münze der Vogel mit gehelmtem Weiberhaupt,
famt Schild und Lanze, welchen Spanheim (5, 4)
für eine Stymfalide ausgeben wUl , nichts anders
fein, als eine Abart der Harpyen, wofür fchon
Antonius Auguftinus fie ^klärt. Im deutfchen,
Montfaucon (^afr* 48. n. 2) wird aus dem Diarimm
Jtalicum eine ähnliche Abbildung gegeben, ein
Vogel mit weiblichem Geficht, Sturmhaube und
Schild, aber ohne Lanze: welches offenbar eine
Harpye ift. Unverwundbare Flügel und Rücken
haben die Harpyen bei Virgil {Aen. 3, 34a),
wie den Stymfaliden die Fabel eiferne Flügel g^l).
Wie nahe war der Uebergang, ihnen Schild und
andere Wehr zu verleihnj
So mannigfaltiger Verfchiedenheit wegen,
entziehn fich die Grammatiker gern einer genau*
eren Befchreibung, als dafs die Harpyen raubri-
fche Gottheiten, oder gewiffe Raubvögel, etwa
»^ MYTHO]LOGISCHER BRXBFB I. fi.
üHt wegrftÜenden H£nd\etiy find. Sie konnten
nicht anders y wenn fie kurz fein wollten. Denn
weit war man von jenefr einzelnen btßmmten
Geflalt der Harpyen entfernt, die Herr Heyne
^der virgilifchen Schilderung gemäfs in den
Werken der alten Kunft wahrzunehmen fleh c^m-
Irädet. Und das mit deoi pralerifchen. Ausruf :
ffecimusfundamentafabulafl O des Grundlegers,
der nicht einmal einen gefunden Stein . herbei«
(chlepptel
In der That glaube ich fogat bei ApoIIonius
Rhodius(a, 188) i welchen als Virgils Vorbild
2U preifen Herr Heyne nicht müde wird, die
Abweichung eines gefchnä>elten Antüzes, wie
anderswo fie Hygin (/. 14) bemerkte» annehmen
2u dürfen:
AiTvmt ^foftaröQ Xß'i^ ^ ^*<^ T^f^^VA}}^«
VUde Harpy*A vor Mond* und Händen hin^er^g mit
den Schnäbeln
Raabeten ohne Verzug»
Jenes yom^^^at^ welches bei Homer nur von
den gebogenen Backen reifsender Thiere vor-
kömmt, wird bei Ariftofanes (^equ. 188) von
dem gdurlimmten Adlerfchpabel gebraucht.
yiERUNDDREISSIGSTER BR. 22$
XXXIV.
IVlit der Geftalt der Harpyen muffe wohl auch
die Fabel des Fineus einig;e Abänderung erlitten
haben? Icherr^the^ was Sie meinen.
Allerdings, eine wefentliche Veränderung.
Die jungfräulichen Harpyen der älteften Fabel
plagten den blinden Fineus nur durch ftete Berau-«.
bung des Mahls, ohne ihm gleichwohl die nach-
bleibenden Brocken zu befudeln, die kümmerlich
ihm das Leben frifteten. Sein Elend fchilderte
Aefchylus in diefem Fragmente des Trauerfpiels
Fineus bei Athenäus ( lo, 5 p. 421):
Und viel der Teufcbungskoft , weil lufterte der Ganm,
Fuhr hoch hinweg, wie im erfien Wohlgefchmack des
Mundi.
Denn s^g v^ost fcheint mir in dem verdorbenen
iffviFtttQ zu ftecken. Von diefem durch ftete
Teufchung erbitterten Hunger war er, wie
Sofokles im Fineus {Athen. 3, 3a f. ilp)
fagt, dürr wie eine ägyptifche Mumie:
NfKfOC Tflff<%0« Mt^QffV Atyv^TtoCf
Ein gefalzner Liichnun anznfchtaii am Aegyptenland.
P
aa6 MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
Die fpäteren Halbvögel dagegen entraften
nicht nur dem , Unglücklichen die Speifen vor ^
dem Munde hinweg, fondern verfchlangen fie
felbft mit nie gefättigtem Heisbunger. Wovon
die natürliche Folge jener entfezliche , alles ver«
peftende Abflufs war.
Einen fo unfauberen Gegenftand hat felbft
Apollonißs, wie fehr auch unferen neumbdifchen
Interpreten fein Schönheitsgefühl durch alexan-
drinifche Hofluft gefchärft und verfeinert zn
fein fcheint, gar nicht fonderüch in den Schatten
geftellt. Zijerft behandelt er ihn in der allge-
gemeinen Erzählung ( 2 , 1 89 ) •
Ovi* tffovf aÄ^OTi TVT^ov, Im ^uuv A%ctxotro.
Kctt yexi t^v^cc^tviyt o^fjafv %ffOv * is$e rtq srMf,
Mm^' W«C* TOtov oi «Tg^rvfe Aiz+äv« Bectroc,
^ «___— — und xurnck blieb jczo ^cr
Nahrung
Gar nichts, jezt ein geringe», um fortzuleben in Mühfal.
Drauf tuch feuchten Geruch verftrömtcn fie ; keiner be»
zwa^ug.fich,v
Nicht nur, dafs er dem Schlund* elnführete, nein auch
von ferne
Nicht zu ftehn: fo fchreckten die hauchenden Trümmer
des Mahles.
VIERUNDDRETSSIGSTER BR, 217
Dann wieder in der Klage des Fineus v. 228:
Tivu roie (iv^ac^sov rt aoct u rAifrov . ftfvoc o^iiiiQ,
OV KB TtQ «5g f*/Vt/v5« ßffOTUV CCVCXOtTO VSfMCffKQ^
AAAx fctf 7/x^}f 5ifrd! xtfT/0-;^s/ iettroe avceyxif
Mt/JtvstVf xai fJuiDfovra xeexii iv yartgt Ssc^eci,
Wenn fie ein weniges eiuft von der Koft uns übrig
gelaflen,
Hancht es ein feuchtes Gedünft unerträglicher Uebel-
geräche. .
Nein, nicht kurz nur ertrug' ein Sterblicher nahe zu
> dauern,
Wäre fogar fein Herz von gediegenem Stahle ge-
fchmiedet«
Aber mich zwingt fchon lange die bittere Noth des
Mahles,
Dafs ich bleib*, und bleibend zum elenden Magen et
führe.
Und zulezt noch einmal ^ als die Boreaden fie ver-
fcheuchen, v, 270:
' AJ Q afi ecvTigi ^
Xlxvra xxrceß^u^asat wff vrovroto ^sgovro
Sie mit Gefchrei nun.
Alles hiuunjerfchlingend , entfchwangen fich über die
Meerflut
Fern hinweg; and es blieb unduldbarer Uebelgeruch nach.
P 2
22g MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
Gegen diefe lebendigen Darftellungen 'des
troz dem feuchten Gedünfte heruntergewürgten
Jammermahles, wobei ich wohl die Gebehrden
der alexandrinifchen Hofdamen hätte beobachten
mögen, ift freilich Virgils Gemähide nur
fchwach. Indeffen für fich genommen, kann
man eine g^wifle Keckheit des Pinfels weder in
fcßdijfima ventris proluvies verkennen, noch in
dem Folgenden (^Aen.^9 227):
Diripuntque dapety contaäuque omnta fcedafit
Immundo; tum vox utrum dira Atter odorem.
^ Uud de zerraflfen den Schmaus, und mit Unrath fchän-
den (le alles,
Darcbgeve'ühk; ihr Gefchrei tönt grafs zum rcheufslichen
Aushauch.
Leffingim Laokoon (XXV. S. 256) m?rht
hierüber die Anmerkung: *'Nur darum waren
**die häfslichen Harpyen fo ftinkend, fo unflätig,
•*dafs der Hunger, welchen ihre Entführung der
"Speifen bewirken follte, deilo fchrecklicher .
"würde. ,^ Doch füget er gleich hinzu: "Ich
"möchte gern aus diefem • Gefichtspunkte die
"ekele Einführung der Harpyen beim Virgil ent-
**fchuldigen; aber es ifl: kein wirklicher gegen-
" Wärtiger Hunger, den fie verurfachen , fondern
^'nur ein iDltehender, den fie profezein; und
VIERUNDDREISSIGSTER BR. 229
'^noch daza löfet fich die ganze Profezeiung
"endlich in ein Wortfpiel au£ „
Das Urtheil läaft da hinaus : Leffitig müchte
die Garftigkeit der Harpyepi wohl zur Noth in des
Fineus Fabel , wo iie das SchrecMiche des
Hunger^ zu verftärken beitrug, nicht ihre Garftig-
keit überhaupt t zu entfchuldigen übernehmen.
Die fpätere Fabel aber , der zu folgen Virgil nun
einmal nicht umhin konnte, bildete die Harpyen
nicht in jenem einzelnen Falle nur, fondern ftets
und allenthalben, als die felbigen Scheufale, die
alles mit Unreinlichkeit und Geftank .fchändeten.
Daher in der Anthologie iSteph. 2, 14 f. 143)
Lucian durch die Ausdünftung der TelefiUa an die
unholdeften Gerüche der Fabel , und an 'a^tv/mv
Tff Ttfftcca^ den karpyifchen NächlafSf erinnert
ward.
Und felbft für das fineiTche Hungermahl
dünken fie mir, aufrichtig geiagt, viel zu garftig«
Wenn eine räthliche Beimifchung von Ekel das
Schreckliche zum Gräfslichen , das Mitleiden ^ur
ichaudernden Peinlichkeit, zu erhöhen dient;
fo foll doch darum des Ekels Würze nicht vor»
walten, nicht die Hauptempfinduog verwürzen,
und ein Aufftofsen erregen.
Herr Heyne in feinem Exkurs (Aen, 3, 209)
legt Leffingen eine ganz andere, wahrfcheinlich
P3
d30 MYTHOLOaiSCHER BRIEFS I. B.
aus der Luft' gegriffene Entfchuldigung in den
Hund 9 diefe: dafs dergleichen Dinge in verfchie*
denen Völkern und Zeitaltern fehr verfcbieden
•beurtheilt werden.. Dies hätte, wie ihn deucht,
auch ffome bedenken follen. Dann meint er,
was des Alterthums .Anfehen für lieh habe, fei
der fcharfeD Kritik nicht unterworfen ; und
Virgil habe zum Vorgänger ja einen Apollonins:
foetam doHiffitnumf wie es in der Abhandlung
de carmine Epico Virgüiano p. 43 heifst, & Pto^
temcBorum contubernio expolitum. Endlich ver-
weift er auf einen andern Exkurs iAen.^9 623),
wo Virgil, der das homerifche Gemähide vom
Kyklopenfchmaus nicht nur mit allen .Hauptzügen
des Urbilds wiedergab, fondern noch durch Zufäze
verftärkte , wie nemlich die warmen Glieder ihm
unter den Zähnen zitterten ^ und wie er mit
Klumpen von Menfchenfkifch in blutigem Weine
zugleich Eiter ausbrach, vom Herrn Heyne gar
fiunreich gerechtfertiget wird — womit denken
Sie wohl? Mit dem verfeinerten Hofgefchmack
des cäfarifchen Roms? Nein , weil durch beftän-
diger Kriege Mord und Raub das Gefühl der
Menfchen geftümpft, und weniger für Ekel
empfänglich war. Und das icheinen ihm noch
goldene Zeiten gegen die homerifchen. Homerus
tnulto atrocius fpeSaculum, & CARNIFICI^
NAM veriuSf exhibnerat; fed alias komines.
.yiERUNDDREISSIdSTER BR. a)|
MÜuä fecutumf quod refpicentf habebaU In der
verheifsenen Ausgabe Homers wird diefe Karni»
ficin wabrfcbeinlich ai oculum , decionftrirt
werden.
Aber wie würde der feine Beobacbter des
Altertbums iich beransphllofophiren , wenn ibm
jemand begreiflich machte: Die Harpyen wären
bei Homer und Hefiodus fchöne Weiber; gegen
die Zeit des Aefchylus würden fie häfslich wie
_die Furien, und geflügelt; und erft in der höcb-
flen Verfeinerung Griechenlands erfchienen fie
s^s unförmliche und ekelhafte Halbvögel, um. die
Fabel des Fineus, und wohin fonft ein fpäterer
Dichter fie führte, zu befudelnl ,
Dafs fo manche Gottheiten, die nachmals
abfchreckende Geftalt 4)ekamen , wie die Har-
pyen, Gorgonen, Eumeniden, Sirenen, beiden
älteren Dichtern fchön waren : ift nfeht fo wider-
finnig, als es dem erften Anblicke Icheinen mag*
Die heroifche Welt glaubte einfältig an über-
menfchliche Wefen, deren geheime Kraft Gutes
tmd Böfe» wirke. In Uebermenfchlichkeit aber
ward alles vereiniget und erhöht ,. • was damals
für menfchliche Tugend galt: Stärke, Schnellig-
keit, Gröfse, . Schöiiheit. Das Zeitalter der
Weltweifen fodcrte fittliche Vorzüge, und
P4 '
2^2 MYTHOLOGISCHERBRIEFE i; B.
zwang 9 nach einigem Kampfe , felbft die in
Geheimniffen finnbildernde Prrej3:erfchaft zu
rafchen Fortfehritten in reinerer Erkenntnis und
Anbetung. Nur der geheime Sinn, den man
den angeftammten Go^^theiten unterlegte, ward
geehrt und gefchüzt: ihr Aeufseres in Fabel und
Kunftwerk gab man dem Volke und der Will-
kühr darftellender Bildner und Dichter Preis.
Die Folge war: je mehr einer der Volksdämo-
nen durch Umdeutung fittliche Vollkommenhei-
ten annahm, defto fchöner und ei'habener ward
feine Menfchengeflalt; je weniger, defto graun-
voller, defto unmenfchlicher.
Bei diefer mannigfaltigeti Abänderung der
Harpyenfabei wird die Verfchiedenheit der Na-
men und der Abftammung fo natürlich als gleich-
gültig fcheinen. Nur eins verdient Aufmerkfam-
keit: dafs Valerius Flaccus (4, 44g und 516)',
ge^vifs nach griechifchen Vorgängern , fie Töch-
ter des Tyfon oder Tyfoeus nennt; welchen
Tyfoeus die hefiodifche Theogonie (v, 869)
zum Vater der verderblichen Winde, im Gegen*»
faz des Notos, Boreas und Zefyros, macht;.
Hievon ein andermal«
FttNFUND0REISSIGSTER BR. 333
XXXV.
bie fangen an zu beforgen, dafs auch den alten
Gottheiten der Winde Herabfezung ^ zu flügel-
lofen Luftwandlern bevorftehe. Herabfezung?
Ich dächte, Erhebung aus halbdiierifcher zur
reinen Menfchengeftalt.
Bei Homer wenigftens zeigen die Winde noch
gar keine Spur von Beilügeiung. Am erften er-
wartete maus IL 23, 198, wo Iris des Achilleus
Bitte 9 den Brand des Patroklos anzufachen , dem
Boreas und dem Zefyros bringt, die fie mit den
übrigen am Scbmaufe in des Zefyros Wohnung
findet :
J ' Toi ^'ofiOVTO
I
H%)r ^tffyrtvtfUf ys^tüt xXovtovT» ^agot^tv,
At^f» is'vrovTov Uavov aiifttvat' ttgrc h xvfjut
IlVOllfi VTTO A/yt/fJf* TfOillV $' tgißuAOit UtS^IIYf
IJanvvx^oi i* u^et Totyt Trvfifc »nvhQ ^Aoy' tßaAAov,
♦t/ffwvT«« A/7ff«C.
-^__ Da erhüben (ich jene
Raufchend mit wildem Getöf, und tummelten rege
Gewölk* her.
Bald unn erreichten fie ftürmend das Meer; da erhub
fich die Brandung '
Unter dem braufenden Hauch: und fie kamen lur fchöl-
ligen Troja«
P5
334 MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
iStürzten (ich dann ins Geröft; and es knatterte mächtig
umher Glut.
Siehe, die ganze Nacht durchwühlten &e zackende
Flammen»
Saufend zugleich in das Todtengeröft.
Und bald darauf v. 229:
^ 0/ i* AvsiJtot vxÄtv cevTtQ tßav otxoifis vstvS'itif
e^ijiKtov Karte Tovrov' 8^* grevevg ot^fJt»rt Svmv«
Schnell nun flogen die Winde zurSck, nach Haufe za
kehren,
Ueber das thrakifche Meer, und es brauft' aufllürmend
die Brandung.
In einem fo ausführlichen Gemählde wie hätte
Homer wohl die Fittige ungenuzt laffen können?
Eben ib wenig weifs noch Hefiodus von ge«
flügelten Windgöttem.
Da Homer in dem Sturm^v welchen Pofeidoö
(Odyff. 5, ags) gegen Odyffeus erregt, vier
Winde nennt:
Unter (kh ftärmten der Oft nnd^ der Süd ond der fan*
fende Weftwind,
Aach hellwehender Nord» und wälzt' unerinefsliche '
Wogen;
FÜNFUNDDRSlSSiaSTER BR« 335
.fo fcheint es befremdend, dafs in Heiiods Theo«
gonie.Cv. 378) i^^ Göttin des Lichtes Eos dem
Sterngbtte Afträos nur drei Winde famt den
Sternen gebiert:
Ki^euu ^'Ha»« »vtßHQ rtxt xafTSfoByti»^
Kott Norovy cvv ^lAoTffri 5fai 5f« iwn^itf»,
Eos gebahr dem Afträos die ^ind' unbändiges Mutes,
Den blafsfchauerndeii V^eft, and den ftfiruiircbwandeln*
den Nordwind,
Auch den Süd , in Liebe zum Gott die Göttin gelagert.
Auch Akufilaus, wie Hefiods Scholiaft beim
870 Verfe der Theogonie meldet, nannte nur
drei Winde, Boreas, Zefyros und Notes,, und
fagte, «fvcrifc, woraus man fchon damals gerne
den vierten ^uros- herausdeuten wollte, fei ein
Beiwort des Zefyros. -
Aber weit von der Ungereimtheit entfernt,
diefe drei Winde allein zu erkennen , lehrt Hefio-
dus nur, dafs drei gute Winde von himmlifcher
Abkunft fein; die übrigen hingegen (welche
wären die anders, als der Oft und die Mittel-
winde?) habe der Erdgebohrene Tyfoeus oder
Tyfaon, der felbft (v. 307) ein furchtbarer und
troziger tVind^ hivoi ^'«^f<7ifc r'^vif««;, genannt
»36 MYTHOLOGISCHER BRIEFE I.B,
wird, als unfi'chere Stürmer erzengt Dies iagt
er V. 869 : ' ,
Ex }f Tv^Me«c er* Avtfiuy (itvoQ vygov atvruVf
Notf^i Nor» f BofBU rc $ Kott a^yg^eu Ze^v^oto *
0/ 7« iitv fx Beo^tv ytvfiiit 5*i/ro/c fiey* ovetetf,
AJ ^^ aXXeci futypetv^eet STtzysta^t ^otPiaffffotv,
Aas dem Tyfoeui ifi: die Gewalt nafsathtnender ^inde,
Aufser dem Süd and dem Nord and dem blafsanfchauern-
den Wcftwind.
piefe find aas Görteigefchlecht , und den Sterblichen
heilfam.
Aber die anderen wehn als Mishaach' über die Meerflat.
Heliodas fügt hinzu, dafs diefe Mishauche^
Ijue4fetvffxt (wie auch Kallimachus/r. 67 fie nennt),
fbwohl auf dem Meere durch wankenden Un-'
geftüm die Schiffe zerftreun und verderben , als
auch auf dem Lande die Feldarbeiten verwüften,
und mit Staub und Gewirbel überziehn.
Sehn Sie , wie unfer Erbfeind , der tückifche
Oft wind 9 der eben jezo, am Fenfter heulend, mir
den linken Arm kältet , fchon den Griechen als
ein ungöttlicher Mishauch verhafst war. Auch
in den orfifchen Myfterien war man dem Unhold
nicht gewogen; Boreas, Zefyros und Notos
wurden , zufolge den orfifchen Hymnendichtera
( Ä 78 - 80 niit Weihrauch und Gefang verehrt;
den Euros würdigten fie keiner Anrufung.
FÜNFUNDDREISSIGSTER BR. a%J
Nach Äriftoteles weht Euros, der ihm bald
reinen Oft» bald OftfQdoft bedeutet, anfang»
trocken, zulezt waflerreich (^Meteor. 2,6); er
bringt mehr Regen, als felbft Aufter (^ProbL
26, 29), und macht alles gröfser erfcheinen,
weil er die Luft mit dunkelen Dünften anfüllt
C Probt. 26, 56). lezt erkennen wir, weshalb
den Euros Homer (Odyff. 19, 596) als einen
fchneefchmelzenden Wind befchreibt, und Horaz
in der fechzehnten Epode (v. 54) feine glück-
liche Oceaninfel von des wäfsrigen Eürus raffen*
demSturzregenverfchont wünfchet; auch warum
Virgil {Georg. 2, 339) die neugefchaffene
TrUhlingswelt ohne winternde Oftwinde 4ch
denkt, deren gewaltfame Wut (v. 107) Schiffe
verftUrmt, und unzählbare Wogen an die Ge*
ftade wälzt. Eines fo unwillkommenen Stürmers
konnte wohl Valerius Kato in feinen Verwün«
fciiungen ( v. 38 ) nicht entbehren :
Emtus agat mißam fulva caligine nuhem.
Saras jage verinifchc mit gelblichem Dunkel Gewölk her!
Die drei heilfamen Winde demnach fabelte
die bildliche Volksfage zu Abkömmlingen des
Himmels. Eos die Tagsgöttin, gebahr fie dem
Sterngotte: wahrfcheinlichder Bemerkung wegen,
dafs gewöhnlich mit Anbruch des Morgens oder
des Abends Winde aufftelgen {^ArißoU Probt.
agS MYTHOLOGISCHER BRIEFC; I. Bv
35, 4). Aber die fchädlichen Stürmer, deren
vornehmfter der dunftreiche Euros war , hiefsen
Söhne des arimäifchen Erdgebohrenen Tyfoeus,
des trozigen Windes.
Den Namen Tv^pu^. oder t(/<^»v, deffen Stamm*
wort Tü4>«$ Qualm , dann Aufblähung des Geiftes,
anzeigt, gab der Grieche (^Arifi. Meteor. -^^ i)
und der Römer (^Plin. 2, 48) dem plözlichen
aus dicker Dunftwolke gecirängt hervorbrechen-
den Wirbelwinde; da ein ausgebreiteter Wind-
fturz £KV6<ptaQ , und eine aufziehende Wolkenfeule
bei den Schiffern ( Otympiod. ad. Arifl. Meteor. )
cK^oi^ hiefs. Ihn verkündigten gewifle Geftalten
der dampfenden Wolke (G^fl. 19, i), nach
Plinius, wann das Dunkel ein Unthier vorftellte.
Plinius nennt ihn die Hauptplage der Meerfah-
renden, indem er nicht nur Segelftangen,
fondern die Schiffe felbft im Wirbel zerfchmettcre,
manchmal emporraffe ; wiewohl entgegenge-
goffener Eflig ihn mildere. Zur Sühne ward
ihm ein fchwarzes weibliches ,Lamm geopfert,
wie Ariftofaües (ran. 847 ) lehrt:
tu^UQ 7«f SKßastvitv vroegce^xsvz^sTfiif,
Em Lamm, ein fchwarzes Lamm, bringt, Knaben, hers
Denn Tyfos ift hervorzugchu bereit.
FÜNFÜNDDREISSIGSTER BR. 139
Ein Opfer, das anch bei VirgU (^Ain. 3, 117)
dem Sturme gebracht wird :
Kigram Hiemi pecndem , Zephyris felicibus alham.
Schwarz dem Sturme fein Lamm , den glücklichen Zefyrn
ein weifses.
• Zunächft nach Heiiodus gedenkt der Winde
Tyrtäus, der einen unkriegerifchen Mann nicht
zu achten bekennt, ( i » 3):
Ov$* st Kf/xA«9r«y fisv exot fieyt^oQ rt ßttj^ rt,
Nix*iif ^8 5««iy BfiiÜKtov Boffyy»
Nein, und war' er Kyklopen an Riefenwacfas and Ge«
walc gleich«
Siegt' er im Laofe fogar über den thrakifchen Nord.
Noch alfo ein taufender Boreas, deflen leicht
gehobene Luftfehritte ein fchnellftifsiger Sterbe
lieber fogar zu befiegen poetifch gerühmt werden .
durfte.
Auf dem Kaften des Cypfelus fah Paufanias
(5 F* 323) ^^^ Boreas, wie er die Orithyia ent-
führte, mit Schlangenfchwänzen anftatt der Füfse.
Solche verftatteten wohl keinen Gang; mithin
' mufste Boreüs dort auf Fittigen durch die Luft
fchie&eu. Aber woher ihm die Schlangenf üfse?
Weil etwa des Künftlers Theologie, wie den
Euros, auch den ftürmifchen, fortraffenden
a/^O MYTHQLOGISCHER BRIEFE I.B.
Boreas zum Sohne des fchlangenfüfsigen Tyfos
machte? Es fcheint: denn auch die ftUrmenden
Harpyen, den Späteren thrakifche Gottheiten
lind Nachbarinnen des Boreas, waren ja dem
Valerius Flaccus ( 4 , 428 ) Tyfoniden :
tnfuper Harpyia Typhonides, ira Tmantis,
Tyfons Töchter zugleich, des Donnerers Zorn, die
Harpyen.
Wiederum alfo bei Bildnern fände fich die
erfte Beflügelung der Windgötter; und nicht aus
uralter Vorfteilung der Pelasger, fondern aus
fpMterer Zeichenfprache der Kunft, flammten des
Orfikers C^f'g". 338) At;?«i ^ft/^ioTÄfffo/, goldge*
flügelte Hauche f imgleichen (^Hymn. 80) Ku^eu
Zt^vf irihii tfff oq>oirdE/ , KH(^oxleqot ^ zefyrifche Hauche,
tuftwandelnde j teichtgeflügelte 9 und (^Hymn. 81)
des NotOS A«<i{^)ffOv 9ni$iifA» ^i'ifcfoc» UKiteetc Trre^vyscwt
^ovBf*ffv^v , flürmifcher Sprung durch die Luft , auf
rafchen Fittigen umherwirbelnd: womit dennoch
Luftfehritt und Beflügelung zugleich ausgedruckt
worden.
Auf dem achtecitten Thurme des Andronikus
Cyrrhaftes in Athen, welchen Vitruvius,
Wheeler , Wood und Chandler befchreiben , find
die acht Winde der fpäteren Windrofe, da Hefio-
dus für die Mitteiwinde noch keine Namen zu
FÜNFUNDDREISSIGSTER BR. 24I
haben fcheint, mit übergefchriebenen Namen
vorgeftellt. Alle erfcheinen in ähnlicher Geftalt,
woraus die aufgehobene Unehre des Euros folgt,
und alle auf Fittigen, nicht fchreitend, fondern
einherfchwebend. Als einen Gott läTst daher
Nonnus (Diotiyf. 37, 90) den Euros, den
warmen Schwärmer, mit gefchwungenen Fitti-
gen zum Haufe des Helios ^zurückfliegen, und
(6, 40) mit den drei Brüdern dem Vater Afträos
dienen«
Merkwürdig ift, dafe in einem philoftratifchen
Gemähide iicon. i , 24) Zefyros durch die ge*-
Bügelten Schläfen , durch zart^ Geftalt und einen
Blumenkranz fich auszeichnete. Hauptfittige
dienten ihm wohl fchwerlich zum Fliegen,
fondern allein den, fchwebenden Gang anzu«
deuten.
Fürchterlicher ward der regenbringend«
Notus gemahlt; z. B. in Ovids Metamorfofen
(i, 264) da ihn Jupiter zur Bereitung der
Sündilut abordnet:
\
EmittitqM N^ttm: vutdidit Nöttis evolat alis,
Ttrribilettt picea uBns caligifi* vultmu;
Barha gravis rumbis; canis fltut unda eapillis;
Fronte fedent neMa , rorant pentueque finusque :
Utque manu lata patdentia futtila preißt.
Fit fragor; hinc denfi funduntur ab ^tbi^re nimbi.
Q
\
a42 MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
Drauf entläfsc er den Notas: mit triefenden- Schvringen
entfleugt er.
Sein fcheufeliges Haupt pechfchwarz in Dunkel gehallet;
* Sjcliwer von Gü^n der Barr; den greifenden Haaren
cntftrömt Flut;
Nebel umlagern die Stirn, es thaiit von Gcüedcr und
Bufcn :
Und wie in breiter Fauft abhängende V^olken er drückte,'
Donnert es; dicht nun Mrzen die Regenfchauer vom
Aether.
In ähnlicher Schreckengeftalt ift auf Antonins
Seule Jupiter Pluvius, mit bärtigem Oberleibe
und triefenden Schwingen aus dem Gewölk her«
Torragend, gebildet, •
Von nun an beflügelte auch des Boreas Sohne
Zetes und Kalais der Bildner fowohl als der
Dichter. Gleich jenem hauptgeflügelten Zefyros
zeigt der falfche Orfeus (,Arg* aip) die götter-
ähnlichen Boreaden :
Welche 'mit Fitiigcn gv an jeglichem Ohr iich ent-
fchwaugen.
Pindar dagegen nennt fie iPyth^ 4, 325);
FÜNFU;?irDDREISSIGSTER BR. 343
Männer mit Fittigen die Rücken
Aufbraafeud beid' ia purpamem Glanz.
Wozu Apollonius (l, 219) noch dunkle von
Gold durchfchimmerte Fufefchwingen fügt.
Aus älteren Argonautikern meldet uns Pindars
Schöliaft (O/. 4, 31), da6 die Boreaden im
Wettlauf fogar von dem grauharigen Erginos be-
fiegt wurden: welches geflügelten wohl nicht
begegnen konnte; und bei der obigen Stelle,
dafs einigen die Boreaden flügellos, nur durch
angebohrene Schnelligkeit vordrehend fchieneri.
Diefen älteren Dichtern folgt noch Theognis
<v. 7^5)-
Oder des Boreas Söhn*, eilend mit flücixtigem Fnft.
Und Sofokles, ein Verächter der mahlerifchen
Beflügelung, dem { Antig. 985) die Boreade
Kleopatra nur ^als Ä*iT5roc, rofifchnelle Götter-
tochter, in väterlichen Sturmwinden, auf-
wuchs.
In der fpäteren Mythologie, da die Fuhrwerk^
der Götter häufiger wurden, erhielten auch die
Windgötter fchwebende Rofswagen. Schon dies,
deucht mir, beweift die vorigen Luftfehritte;
ein Geflügel wird ja nicht fahren wollen. Euripi-
244 MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
des iPhoßn. aao) fingt von des Zefyros Hauchen,
twTFsvffavToc fv H^ecvtfiy der am Himmel die Rojfe
lenkt. Bei Virgil {Aen. 2, 417) kämpft Eurus,
der ößlichen Rojfe froh; und bei Valerius Flaccurf
(l, 610) ftürzt aus des Aeolus Kerker Boreas
mit thracifchen Soffen hervor, und Zefyrus, ' und
6er fchwarzgeflügelte Notusy und Euros mit zer-
rüttetem fchJanimvoUem Haupthaar. Fuhrwerk
und BeflUgelung zugleich , welche unfchickliche
Verbindung die fpätere Fabel bei mehreren Gott-
heiten darbietet.
Cerda und Herr Heyne In ihren Anmerkungen
zxxAen. a^ 417 fehn auch bei Horaz (J/^. Od.
4, 44) den Eurus mit Roflen durch' fikulifche
Gewäffer fprengen; aber die Stelle beweift
nichts. Denn nehmen wir nicht mit Torrentius
und Gefsnerein Zeugma an, wodurch die RofTe ^
dem Hannibal allein bleiben , und nur der Begrif
der Eile fich den GleichnüTen mittheilt ; fo mufs
ja, mit dem Eurus zugleich, auch die Flamme
durch den Kienhaufen mit Roflen fahrend ge-
dacht werden. Eine ähnliche Fligung hat
Klaudiaa (i, 100)» wo Roma, fchneller als
der reifsende Eurus , mit getriebnen Roflen
entfleugt.
SECHSUNDDREISSiCSTER BR. 2^$
XXXVI.
V? as foll nun Ihrem Pegaras gefcfaebn? Soll er
die gute Sitte des Luftwandels mitmachen, bis
er beflügelnden Bildnern in die Hände fällt? oder
foll er 9 das, einzige Götterrofs» urfprünglich auf
Fittigen lieh fortfchwingen?
Homer hat feiner in der Erzählung von Bei«
lerofon (II. 6, 155-005) gar nicht erwähnt.
Belle^ofon tödtet die Chimära (v. 183), den
Götterzeichen vertrauend : wobei Villoifons
Scholiaft anmerkt , dafs nichts von der Hülfe des
Pegafus gefagt werde. Endlich den Himmlifchen
allen verhafst (v. 200), durchirrt er einfam in
Kummer die alelTche oder Irrflur ^ feiner Kinder
frühzeitigen Tod betraurend.
Euftathius glaubt fich durch diefes Stillfchwei« .
gen zu dem Urtheile berechtigt: "Den Herab-
**fl;urz des Bellerofon vom luftfliegendeir Pegafus
^^utnd feine Blindheit habe Homer nicht gekannt;
'^eben fo wenig , dafs Pegafus von der Gorgo
<*gebohren und geflügelt gewefen; noch daft
"er, vom zürnenden Zeus mit der Bremfe ver-
*« folgt, den Bellerofon, der in Zeus Wohnung
**geftrebt, abgeworfen; oder dafs Bellerofon,
'* auf dem Pegafus fch webend, Blei in den Rachen
"der Chimära geworfen, "welches in ihrem
Q3
^46 MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
"Feuerhauch fchmelzend fi^getödtet; und was
" fonft die fchamlofen Fabeln melden. „ Gewifii
ift, wenn auch Homer in der kurzen Anführung
der bekannten Völksfage'den Pegafus nur über-
ging, fo bleibt doch der erfte fiebere Zeuge
Heüodus.
Diefer erzählt in der Theogonie (v. 278),
die fterbliche Gorgo Medufa fei von Pofeidon
gefcbwängert worden, wahrfcheinlich in Kofi-
geftalt,
Aaf fanftgrafiger Wief, 111 des Früblinges, Blamenge*
wiinmel;
tmd als Perfeus fie enthauptet, fei hervorgefpran-»
gen der grofse Chryfaor, und der Gaul Pegafo^
von den nahen Quellen des Weltilroms Okeanos
fo genannt : ,
X*ä fisv aTroTrrapevas f ^ffOÄiTuv x^oveit feiyrifi» li^Ka^^
V BffOVTtiv TS XB^ovnvTM ^sfuv Uli finnoevTh
Diefer y im Flug (ich erhebend vom beerdeweidenden
Erdreich,
Kam zu der Götter Gefchlecht, und vrohnt' im Falafie
Kroiiions,
Tragend den Donner und Bllz für Zens , den walteuden
Herfcher. '
SeCHSüNDDREISSiGSTER BR, ^/ff
Er entflc^ alfo, aber wie die anderen unfterb-
lichen Roflet in jerfer Zeit, als ftUrniifcher Luft-
wandler ohne Beflugelung.
Pindar zuerft nennt ihn (0/. 13, 122) J^nw
wrtffosvray Hit geflügeltes Roß 9 worauf Bellero-
fon aus der Luft die Amazonen , ' die feuerliaa-
chende Chimära, und die Solymer bekSmpft
habe» und fügt hinzu (v. 131):
^ Tay i*tv OvÄ,vftvifi Karvea
Zffv«c ofx^^f- ^^xoyr«f.
Jenen im Olympos drsraf
Smpfangen Zeus uralte Krippen.
Auch das Beiwort geflügelt kann , wie wjr gcu
fehn haben, noch bildlich von dem Schwünge
des luftwandelnden Götterroües gebraucht wor-
den fein«
Unverblümt fpricht Euripides von des Pegafus
Fittige in den Worte», welche Bellerofon, zum
Himmel auffliegend, ausruft:
A»f, theurcr Fittig mit des Pcgafost
Der Scholiaft des Ariftofanes hat diefen Vers zur
Erläuterung der Stelle (Pac, 75), wo ihn der
Komiker auf feinen himm^lfahrenden Rofskäfer
anwendet, beigebracht, und meldet, d^fä auch
Q4
/
3t48 MYTHOLOGISCHER BRrEFE I. B.
der 732 Vers des felbigen Luftfpieles dem Belle-
rofon des Euripides angehöret
Gefchirrt am ^ageii Zeus trägt er den Bliz.
Ein Ehrenamt 9 das dem Pegafus fchon Hefiodus
in der obigen Stelle anwies. *)
Im Oreftes (v. 1004) erkennt Enripides dnrch
den Ausdruck,' f/«vo9r«Aov sit Au, zur ringauHgen
Eos, auch die fpätereSage, dafs Zeus den Pega-
fus der bittenden Eosgefchenkt habe, um leich-
ter mit ihm, fahrend oder reitend, den täglichen
Umlauf des Himmels zu vollenden. Von diefer
Vofftellung kömmts, dafs Seneka {Troas 383)
der Zeit einen ptgaßfchen Sthritt beilegt: mer-
ken Sie, einen Schritt; denn auch geflügelt
hörten die GötterroITe nicht auf, Luftwandler
zu fein.
Des Pegafus Aufnahme an Zeus olympifchi
Krippen f wovon Pindar redet, war wohl eigent-
*) Dicfes Fragments erinnerte fich Herr Heyne wohl nicht,
Skis er in. feiner Cornmentatio de Tbepg» Heß p. 143
folgendes Commentum hinfchrieb : Quod Pegafus fulmeu
Jovi miniflratj ab aliis foetis non adoptatum eß: wel-
ches im Hermannifchen Handbuche (i S.4ox} wieder-
tönt. Nicht einmal als Laftträger für einen ordnenden
Baumeifter find jene Herren mit Sicherheit anzuftelleu.
SECHSUNDDREISSIGSTER BR/ 1\49
lieh nur die Fabel des Hefiodos und Euripides,
da der Pegafos zur Ehre eines Donnerroffes erho-
ben ward. Die fchon erweiterte [Sternkunde aber
der pindarifchen Zeit entlehnte die Fabel , und
verftand tieffen Verfezung unter die Geftime.
Man weifsy dafs den Alten nicht nur die Sterne
überhaupt von Meerdünften (ich nShrten, fon-
dern befonders die Thierbilder auf der Himmelsau
weideten. Dies bemei'kt Spanheim bei Kalli-
machus Hymne an Artemis fv. 164), wo die
Nymfen den abgefpanneten Hirfchen der Jagd-
göttin reichlich vortragen aus der Wiefe der
Here gefammelten
'Hxv^oov TfiTcrJfAoV) B nett Ai0C Ixwoi g^nfftf
Lauf beflügelnden Klee , den auch Zeus Rofle geniefsen.
Kallimachus indefs meint nur das gewöhnliche
ambrofifche Futter der Götterthiere , welches die
Späteren aus den Infein der Seligen im weftli-
chen Oceanus, wo bald Kronos Herfchaft, bald
Zeus Ruhekammer an den Ambrofiaquellen , und
Herens Garten gefabelt ward , hernahmen.
Das bezeugen folgende Fragmente bei Athe-'
Daus (7, 12 p. 296): das erfte aus dem Fifcher
des Aetolers Alexander unter Vhiladelphns, wel-
chem Glaukus durch den Genufs des Krautes
zum Meergotte ward,
Q5
aSO MYTHOLOGISCHER BRipPE I. B#
£v MatHagm vijcotct Ktrij ^vsi sitigt yxtif,
'TA>f vcctsrxacoiVf ha igoi^ov eKTSAiffufftv,
-. das dem leachteuden Helios auf»
fprofsc
Iii der Seligen Infeln der einfache Boden des Frählingi.
Aber Helios reicht die ilärkende Speife den RofTen,
Aus dem heimifchen Walde, damit fie vollenden die
Laufbahn,
Ungefchwächt , und nicht auf dem Weg' Ermattung
de fafle.
Das zweite aus dem Samier Aefchrioni wo zu
Glaukus gefagtwird:
- KOSt B6U9
du fandft
Der Götter Gras , das Kronos einft gefat»
Jene Wiefe befchreibt Klaudian (aa, 467) als
den Garten des Sol,5 wo funkelnde Blumen und
Kräuter, vom einhegenden feuerftrom getränkt,
den Sonnenroffen «ur Weide , und ihm felbft,
wie dem Lucifer und der Aurora , ^u Kränzen
auffproffen.
SBCHSUNDDREISSIGSTJCR BR. fljl
Pindars Scholiaft wird diirch den Namen
Krippe verführt, die Krippen der Efetein^ ein
ganz verfchiedenes Geftirn, einzumifcben. Beffer
erklärt Aratus, und mehrere, wie Hyginus (^Poei.
aflr. 2, li) bezeugt, das Sternbild des Pferdes für
den Pegafus, der, nach Abfchütteulng des
Bellerofon, auf dem Helikon die Hippokrene
(andere nennen noch andere Quellen) mit ge-
waltigem Huffchlag.als Luftrenner öfnete.
Und wie erfcheint diefes Pferd, Pegafus
genannt, auf den alten Sterntafeln? Ohne
Flügel. Emtoftbenes fagt deswegen (j:ataft. ig)
dafs einige, weil das Pferd nicht geflügelt fei,
die Fabel des Pegafus nicht anwendbar fanden.
Nemlich an den geflügelten Pegafus ihrer Zeit
gewöhnt, miskannten fie das alte Sternbild, das'
aus Zeiten de^ ungeflügelten Pegafus ab«
flammte.
Nach einer Fabel bei Villoifons Scholiaften
(IL I, 266) entftanden die Kentauren aus der
Liebe Ixions und der Dulis, indem der geflügelte
Pegafus in der felbigen Nacht die empfangene
Frucht f äifchte. Das Beiwort geflügelt kann
nur ätherifche Schnelle anzeigen, fonft hätten mit
dem Rofsleib die Kentauren auch Flügel geerbt.
Pegafus hätte demnach kein Vorrecht auf
Beflügelung vor anderen dämonifchen Roi^en,
35^ MTTHOLOGIJSCHKR BRIEFE I.B.
fondem gleich jenen bekam er zuerft in bildlicher
Sprache aUegorifche» dann allmählich durch
Kunftwerke wahre Fittige*
Dies beweift auch dieGefellfchaft, in welcher
ihn Oppian ( Cyneg. i, 231) aufführet:
AaAoc vvtg TTOvroiOf xat h rs^dn'vy thißVMV*
Lief doch ein Rofi auf Aehren dahin mit fchvebenden
Fufsen;
£ine» aach über das Meer, felbft ohne den Haf za
beuezen;
Ueber Gewölk hat ein Rofc den Mörder getuhit der
Chimära.
Und bei Aufonius (e/)ito|)Ä.3S) wird ein bertthm-
ter Wettrenner angeredet: Wandle zu den ely-
fifchen Fufsgeflügelten, um mit Pegafus vereint^
mit Arion und dem kaftorifchen Cyllarus, zu
rennen.
Nicht der Bildner einmal beflügelte den Pega«
fus beftändig. Spanheim in feinem vortreflichen
Werke vom Gebrauch alter Münzen (^dijf* 5. XL
^•275) zeigt drei korinthifche Münzen, zwei
mit einem geflügelten Pegafus , weichen Bellero-
fon zäumt , die dritte mit einem ungeflügelten,
den der felbige am Zügel hält« Und es fragt ficb^
SBCHSUNODREISSIC3STER BR. 353
ob auf den Münzen der korinthtfchen Pflanzftadt
Syrakufä» i'^^ häufig einen geflügelten Pegafus
darbieten , nicht auch manches Rofs ohne Fiügel
einen Pegafus vorftellen foU. Wie es .dagegen
gewifs i&9 dafs nicht jedeis Bild eines geflügelten
Roffes den Pegafus vorftelle. Auf einer agrigen-
tlnifchen Münze z. B. bekennt Spanheim (^nutn»
ant. 8 > 12 f. 553), in dem. geflügelten RofTe mit
einem Palmzweige auf dem Haupte nichts anders
2U finden, als ein fiegendes Rennpferd.
Es krSnke Sie nicht, mein Freund, den alten
Pegafus feiner Fittige entledigt * zu fehn. Nicht
Ehre wahrlich , fondern Erniedrigung fcheint es,
ihm unter feinen gemahnten Brüdern fo wenig
ätherifchen Stof zuzutraun , dafs er allein tra-
gender Fittige bedurft habe.
XXXVIL
iLiin nngeflügelter Pegafus! rufen Sie mit fchalk«
hafter Verwunderung, als ob Sie glaubten. Ich
mufs Ihnen wohl die Sache noch nSher ans
Herz legen.
Soll denn Pegafus nicht einmal die Leichtig-
keit des goldwoUigen Widders gehabt haben^
1154 MYTHOLOGISCHER BRIEFE I. B.
der ohne Fittige , mit zwei Reitern befchwert,
durcli Waffer und Luft wandelte? Das wäre
doch fchimpflicü! ^
Wenn die ^Itefte Fabel von Hyginus (/. igg)
und dem Scholiaften des Germanikus ( aries ) er-
halten ward; fo erzeugte den berühmten Widder
der Meerherfcher Pofeidon, der feine Geliebte
Theofane in ein fchönes Schaf und fich felbft in
einen Widder verwandelte. Alterthümlich genug
fieht der Roman aus. Ein goldenes Vliefs gaben
ihm bereits Hefiodus und Pherecydes {Eratoflh.
cataß* 19 D> wovon er gewöhnlich den Namen
Chryfomallas führt. Akufilaus dagegen beim
Scholiaften des Apollqnius (4, 1147) fagte,
*o^(pv^sv^ijviit otwo Tifc S^aAflfff-ffjfCt es fei gepurpert aus
dem Meere. Und wie derfelbe Scholiaft
(4, 177) bezeugt, nannte es Simonides bald
fchimmerndf mvkovj bald purpurhell, vro^:pv§av.
Womit der SchoUaft des Eurlpides (M^rf. 5)
einftimmt , Simonides fage im Hymnus an Pofei-
don, das Vliefs fei von den Purpurfchnecken im
Meere gefärbt worden. Ohne diefe Beftimmtheit
der Purpurfarbe würden wir im Altare des.
Dofiadas den vo^ipv^eoQ xf/oc, wie Saimafius an-,
merkt, für einen glänzenden IVidder erklären
dürfen: da bekanntlich Purpur bei den Dichtern
zuweilen nur Glanz andeutet.
' SrBBENUNODREISSIGSTER BK. 255
In der älteren Erzählung könnte der Widder,
durch Gunft feines Erzeugers,' ein blolser Meer-
wandler gewefen zu fein fcbeinen. Denn PJndar
lägt iPyth. 4, 387), durch ihn fei Frixns aus dem
Meere gerettet worden. Und Eratofthenes vom
SternbUde des Widders: «Diefer ifts, der den
«'Frixos hindnrchtrug und die Helle. .... Sie
«dorchtragend, durch die Meerenge, die nach-
«mals nach ihr Hellespontos genannt wurde,
"warf er die Helle ab, und verlor ein Hörn . . .[
"Den Frixos aber, in das euxinifche Meer ihn
« rettend , trug er hindurch zum Aeetes. Diefem
"gab er in Zeus Tempel fein goldenes Vliefs
"zum Andenken, und fti^, unfterblich wie er
"war, zu den Sternen: daher fein Schein dunke-
««
*'lerift.
>»
Aber der Umweg durch das enxim'fche
Meer beweift nur, dafs der mit Verftand und
Rede begabte Widder, eben fe klug, als unfer
Hermes auf der Reife nach Ogygia, der lockeren
Luftbabn die bequemere Wafferbahn vorzog.
Gefchicklichkeit im Luftwandeln bewies er j»
hinlänglich, indem er, feiner Goldhülle entladen,
zum Sternhimmel emporftieg, wo Klaudian
(22, 463) fem Hörn mitRofen umwunden fah.
Auch als er die beiden Gefchwifter dem Hafe ihrer
. Stiefmutter entrückte, mu& er Luftfprünge ge.
ajö MYTHOLOGISCHERBRIEFE I. B.
macht haben. Es kann alfo wohl nicht fUr
neuere Fabel gelten, was Apollodor (i, 9, i)
berichtet, der Widder habe fie durch die Luft
über das zwifch^nliegende Land getragen, und
über das Meer; oder Lucians Ausdruck (^de afiroL\
er habe den Frixus durch den Aether geführt.
Bei Valerins Flaccus (^Arg. i, agi) nimt
der Widder fogleich den nächften Weg zum
ägäifchen Meer, und erreicht, auf den Wogen
trabend, endlich den Hellespont. Denn Orfeus
fingt :
Aureus ut juvenem miferantibus intulit undis
VeSoTy ^ adßriitis ut fedit cotnUms Helle.
Sehern Aurora viaSy totidemque feregerat umhras
Luna folo; dirimique frocul non aqfwre vifa
Ogperat a gemina difcedere Sefios Ahydo.
Wie der goldeoc , Widder in jammernde Wogen dm
Jüngling
Eintrug, und wie Helle mit feft umfchlangnem Ge-
hörn fafs. ,
Sieben vollbracht' Aurora der Weg', und (leben der
, Schatten
Luna am Pol; und, die ferne von keinem Meere ge-
trennt fehlen,
Seftos begann zu verlauf n die Zwilliugsfchwefter Abydos.
Aus keiner anderen Urfache, als weil man die
Reife des Widders fich grö&tentheils auf dem
SIEBENUNODRElSSldSTER BR. 357
Meere vorftellte, wird Frixus vom Statins
{Theb. 5, 485) aequoreus, der Meerwanierer^
genannt.
Unter den herkulanifcben Altertbümern findet
fich ( Tom. 3. tab> 4) ein Gemähide des meer-
wandelnden Widders, Mit den Hinterfüfsen trit
er die Wogen uneingetaucht, und erhebt die
vorderen zum Lauf. Frixus, den einen Arm um
den Hals ihm fchlingend, reicht der finkenden
Helle die Hand; umher fchvvimmen Delfine,
die jenfeitigen, mit verlezter Perfpeftive, wie
am Himmel,
Sehen Sie, das that der Widder, ohne den
armfeligen Behelf von Fittigen, die Sie Ihrem
Pegafus nöthig zu fein wähnen!
Und wofür halten Sie die ehrbaren EfeteiHf
worauf Dionyfos, Hefäftos und die Satyre zum
Kampf gegen die himmelftürmenden Giganten
der fpäteren Fabel ritten? Nicht gezweifelt!
Eratofthenes {catafi. II ) und Hyginus (^Poeh
aflr. 2 , 23 ) fanden den Ritt in den verlorenen
Gigantomachien bezeugt. Luftwandelnde Götter
gegen Himmeiftürmer , denen die Mahler zu
ihren Drachen flifsen auch Flügel anbefteten,
diefe werden fioh ja für den entfcheidenden
Kriegszug keine andere, als luftwandelnde Reit«
R
5^58 HYTHOLOaiSCHER BRIEFE I. B.
tiiiere, gewählt haben. Gewifs nicht! Tro«
jenem 9 der den Mahomet in das Paradies trug,
mufsten fie, ob zwar flügellos, mit gefeztem
Mut über die Danftluft einhertraben.
Das beweift auch die fpätere Beflugelung,
die man felbft ihnen angedeihn liefs. Ariftides
{Hymn. in Bacch. jp. 53) bei Spanheim meldet,
Dionyfos habe auf einem geflügelten Efei den
Hef äftos in den Himmel zurückgeführt.
Zum Lohne des gräfslrchen Gefchreis, wo*
durch fie die Giganten in die Flucht gefchreckc
hatten, wurden fie, mit einer erfreulichen
Krippe in der Mitte, unter die Sterne verfezt:
wo fie verklärt, aber flügellos, im Zeichen des
Krebfes herabfchimmern , und den Schiffern
QTheocr. 22 f ai) ReiterkeitsLukünden:
Ex y agKTOt T* e^gvftvavf ovw t* ecvx H€€€Qy »fMvgi^ ,
Hell ift der Bärinnen Glanz, ufl(! zv^Kchen den Hfelem
fchimmert
Dimkel.dU Kripp', anzeigend die anfgeheitert^Meerfahm
/
ACHTUNDDREISSIQSTER BR. ^50
XXXVIII.
xlabe ichs Ihnen nicht gefagt, Har^lfiubigert
Denn Leichtgläubiger wollen Sie ja nicht hörei^
wie gefällig Sie auch den BeflUgelern gewefen
£nd.^ Die älteften Götterwefen in menfctüicbep
oder Thiergeftalt^fo weit wir hinauf feho konnex^
waren insgefamt Bi^ellos ;. und weit gefehltr^
dafs den Orfikern ihr dämonifches; Geflügel, zum
Wahrzeichen, pelasgifcher AlterthUmlichkeit die-
])e» beweifet es dort und allenthalben Neuerimg
der daribellenden Kqnft ». woza bei einigen Gott-«
Reiten vielleicht fpKtere Sinnbildnerei det^ ägypti«
iphen upd phö^icifchen Religion fich einniifchte»
Wenn das allerdings gegründete Vorurtb^it
ßir Winhehnann Sie noch fchüchtern erhält,
dem Zeugnis. Ihrer- Augen zu trauen ;.> wohlan^
fezen Sie Simein eben fo. gegründetes entgegen:
das Vorurtheä fik unferen Leifing, der gern mit
eigenen Augea^ und nicht obenhiOt zu fehck
pflegte»
Bet Gelii^genheit döer Münze, worauf er dem
Addifon und Spence, den Mars über die Rhea
Silvia- herabfch weben ^. oder vielmehr durch* die
tuft fchreiteri zu fehn, vielfeicht mit Unrecht
verargt ^ erklärt er im LaoSoon (V{I> diis Mittsei;
Ra
^60 MYTI^OLOGISCHER BRIEFE I. B.
durch welche der Bildner fcbwere Körper als
fchwebende zu zeigen verbunden ift :
"Doch ich habe noch eine andere Anmerkung
<* wider diefes vermeintliche Schweben des
«>Mars. Diefe nemlich; dafs ein fchwebender
** Körper, ohne eine fcheinbare Urfache, durch
♦* welche die Wirkung feiner Schwere verhindert
«^wird, eine Ungereimtheit ift, von der man in
«den alten Kunft werken kein Exempel findet»
**Auch die nene Mahlerei erlaubet fich diefelbe
•<nie; fondern wenn ein Körper in der Luft
** hangen foU, fo mülTen ihn entweder Flügel
** halten, oder er mufe auf etwas zu ruhen fchei-
**nen, und follte es auch nur eine blofse Wolke
•*fein* Weött Homer die Thetis von dem Ge-
"ftade lieh zu Fuße in den Olymp erheben läßt;
^£0 verftehet der Graf Cnyius die BedürfnilTe det
f< Kunft zu wohl, als dafs er dem Mahler rathen
JJ^* follte, die Göttin fo frei die l^uft durchfchrei«*
*' ten zu laflen. Sie mufs ihren Weg auf einer
"Wolke nehmen (^Tableaux tiris de Vlliaie
•«j?. 91), fo wie er fie eiii. andermal auf einen
V.Wagen fezt (p. 131), obgleich der Dichtei:
Vdas Gegentheil von ihr fagt. Wie kann es auch
<<Wohl anders fein? Ob uns fgbon der Dichtef
"die Göttin ebenfels unter einer meafchlicheii
ACHTUNDDREISSIGSTER BR« d6l
^'Fignr denken lätst» fo liat er doch klle Begriffe
''eines groben nnd fcbweren Stoffes davon ent«-
^^fernet» und ihren menfclienShnlichen Kdrper
**mit einer Kraft belebt» die ihn von den Gefezen
^'nnferer Bewegung ansnimt. Wodurch aber
** könnte die Mahlerei die körperliche Figur einer
*' Gottheit von der körperlichen Figur eines
'«Menfchen fo vorzliglich uhterCcheiden , daft
^j*<'iuifer Auge nicht beleidiget wUrde» wenn es^
"bei der einen ganz andere Regeln der Bewe*
"gung, der Schwere, des Gleichgewichts, beobr
** achtet fände, als bei der anderen? Wodurch
**, anders, als durch verabredete Zeichen? In der
"That find ein Paar Flügel, eine Wolke, auch
"nichts anders, als dergleichen Zeichen. Doch
"von diefem eia mehreres an einem anderen
«Orte.,, [
Denken Sie lieh alfo, non ego pauperum
fanguis panntumf non ego, quem vocas: DileBte!
nein Er, den wir alle verehren , Lefling behaupte
gegen Winkelmann, dafs Homers Götter frei
durch die Luft wandelten und fuhren , und dafs
es Bedürfnis der bildenden Künfte war, wenn
ihnen nachmals finnliche Zeichen des Schwebens
und der Gefchwindigkeit , nemlich Fittige und
tragende Wolken und Windhauche > zugefügt
wurden.
R3
V 5
ÄjSl MYTHOEOGISCHER BRIEFE I. B.
O hätteti wfr das verfpcoctene Mehrere rott
Ihm felbft, deffen lebendiger Wabrheitsfinn den
trockenften Gegenftändco FrHcht und Lieblichkeit
mitflieilte TDie leichte Bemerk«ng , dafs zu weifen
ein Künftler, jener Könftfegeln uneingedenk, auch
freifch webende .oder von Flügeln gehobene
iLufüTcbritte zu Bilden unternahnnv würde Ihm
©icht entgangen fein* * .
Ift einmal entfchieden^ daß alle mahlerifche
Bpflugelung bei den Dichtern um den Anfang der
Tragödie allmählich Eingang fand j was macht
dann eine .geflügelte Gottbeib mehr oder
V/eniger? j^Iicht viel freilich. Indefk. uii;^ ein
Uiüfliges Stündchen zu vertändeln^ und etwa eiJti
paar Einfälle, die wie Bemeriungen ausfehn, an
den Mann zu bringen, erlauben Sie mir das nächjB:^
mal eine flüchtige Mufterung meiner aufgefato«
melten Flügelgötter^ Zwar: werde iqh nicht
dafür einftehn, ob nicht manches Paar Flügel
auch bei Q)ätereh ßicbfeern bloß allegcirifcb ge-*
ineint worden fei*.
- y
0 , >
MYTHOLOGISCHE
Briefe
vo«
Johann Heinrich Voss
ZWEITER BAND.
1,%,
KÖNIGSBERG,
INHALT
des zweiten Bandes»
BR« L Sammlung der geflügelten Götter» t. Durch fch'^i^
bende Ce^w^andtheic« Die NTinde» 2eas » der Kegner
ttnd Döimeitr» aus Zeiten der Utifideotangb Apoll
mit Meltos vermircht. Die Uivchx^ £os* Selene nnd
i^ie D^oikuren» Neuheit dct hoiirerircfaen tiymncit
in betderlei Gottheitettk Die Dtoskntcn «as d«r
2eit dei Hefiodns) dann mit den my^ifchen Gott»
heiten d«V Samothnicier ver\>s^echreli , Und unter dSt
Geftirne vtrfett. Der homvrifche Hymunt an Area
nett Der Morgenlbrn > (^Iter Auf ge^^chfeltem
Kofi. Die Birem Vielleicht auch der Sirint. Düi
Heiaden l>ei Aefcliylas noch ungefedert»
♦ 3
IV INHALT.
BR. II. Artemis als Jagdgöttin , famt ihren Nymfen. Die
Eutnemcien nach Aefchylut geflügelt und fchlangen-
haarig. Die Mören. Der himmlirche See bei dem
Orfiker ift der Oceanus«, Die Gorgönen und das
Medufenhaapt. Hades. Chaos, bei Ariftofanet aus
einer fpäceren Kosmogonie. G^ryon. Die mit den
Ticauen verwechfelten himmelftürmenden Giganten«
Götterthiere : die Sfinx» die lernaifche Hyder» der
klazomenifche Eber u. a«
BR» UL Die Sfinx bei HifMdut von der Echidna gebohren,
und uogefiägelr. Luge des Arimerlandes. Bei Fifan-
der in der MaMergeftalt mit Dradienfcbwanze, unge-
^tfs ob geflügelt. Zweiförmig genannt. Nicht
geflügelt bei Pindar und Aefchylus. Bei Sofoklet
eine Jungfrau , vermuclicb mit Hundeleib , mit
Lew^enklauen und geflügelt. So auf Denkmälern
mit Veränderungen. Geflügelt auch bei Euripides.
. DeflTen Neigung zu Fltigelgeftalten. Bunte FlügeL
SHnxe in mehrerer Zahl Bei den (päteren Ktinft-
lern gevöhnlicb mit «Löwenleibe« Aegyptifche
Sfinxe und s£nxmänner« Noch vüdere , Zufam^
menfezungen«
b£ IV. a* Durch Ättiich« Flüchtigkeit. £ro<, der uralte^
und der Sohn der Afroditd P/yche« Afrodite auf
INHALT. V
Dcokmileni. Nike bei Ariftolmnet. Athene »-Schaxf
göttia Athens, aU Siegsgöttin. Diefe auch ungt-
flögelti Nemefis. Dike. Die Schamhaftigkeit.
Eirene. Momoi. Die GlücksgÖttiq. Plutos. Die
Hofnungen. Der Schlaf und fein Brndcr der Tod.
Die Triume, vorunier Morfeus. Die Tugend.
Karos, der Gott der Gelegenheit. Der Zeitgott
Chronos. Der Tag. Aatamnas. Fama« Infamia.
Die Genien. Dje finnbildlichen . Gottheiten der
Myftikcr.
BR. V. 3. Durch Geifteserh^bang." Die Mufen; oft mit
nicht anhaftenden Flügeln; oft mit einem Haupt-
fchmuck von Federn. Die Sirenen bei Homer an<i
Hefiodas zwei ungeflugelte Jungfrauen. Namen*
Abftammung vom Stromgott Acheloos; ältere von
Forkos. V^ohnend aqi Aetna beim Argonautiker
Orfens. Bei Plato acht Sirenen anf den acht Him-
melikreifen, die Sfärenharmonie anftimmend. Ihr
Gefang fpäter nur reizend, nicht fchSdlich. Sirenen
auf Sbfokles und Ifokrates Grab. Geflügelt bei Euri-
pides, mit Schwungfolen an .itieAfchlichen Fiifien.
Bald nachher mit Vogdfdfsen und mannigfaltiger
Misbildung« MaiinfireneU. Diele fpätere Vogelge«-
ftalt ift Heynen die ältefte.
♦ 3
yi INHALT.
BR« VI. Paltat Athene, Tochter des Giganten Päüat« ge*-
hört iaf fpäteren Fabel. Qb die Fittige ihr« Vaten
an Ihren Fätsen GeSfteserhebnn^ anzeigen. Dionyfot
hei Paufitnia«. Heroldsftab des Herme«. Ein Zepter»
ein Dreifurs anf Münzen. Geflügeltes Bruftbild det
Bacchus unter den herkulanirchen Altertbümecli.
Getägelce Beichahuag der baeehifchen Dichter.
Mufaos biegend. Bild des Fluges von den Dichtern
gebraucht« J>it Mufen mit Bienen verglichen. Stelle
aus Piatos Ion, Flügel« I^lld des Ruhms und der
Unfterbüchkeit. Geflügelte Heroen auf den feligea
Infelik
BRt VII« Reit« nnd Zugthiere der Götter. Das pDfeido*
, nifche Zweigefpann de$ Pelops . und die MeerrofTe
der Thetts« Pofeidoas Ro^e^'n Platos Tempel der
Atlantis. Zeai geflügelter, VTagen, worunter ge*
flugeke Rofl*c so verfteheo. Später auch eigentliche
Flögeivagen. Geflügelte Sonnenrofle. £oi reitend
auf dtm Pepfoi oder mit ihm fabrcad.
IR. VIIL Bos volfendet mtt dem Sonnengotte tigUch dea
Umlauf der Weit. Traurend am Himmel über Mem*
nont Tod bei Quintns nnd Philoftrat. Ericheinend
jm Weften« bei Quintns, MuOius ond anderen.
H«Ci Tageslicht. Verm|(chnng alter und neaer
INHALT. vn
Veltkandc bei fpäteren Dichtern« Eos anch Hemcrt.
oder Tagigöttin genannt. Gegend der Eos in der
älteren Bedentang entweder • die- ganze erlcuchMte
Erdfläche, oder befonderi die (udliche,
BR. IX. Der Aufenthalt dei virgilifchcn Aeneas in der'
Unterwelt dauerte von der MorgendMmmcrang bii
zur folgenden Nacht. Aurora in der Mitte des Lanft
bedeutet den Mitug. Diefe avernifciie Höllenfahrt
verfchieden von Homers kimmerifcher. Andere bei
ApoUonius und Plutarch. Die Farben der Aurora
I gehören zum perfönlichen Schmuck ohne Allegorie.
Heynens Verwirrungen und Widerfprüche mit fich
felbft.
BR» X Luftfahrten der Götter mit anderen Flügelthieren
bei den Bildnern. Homer und Hefiodns kennen
, noch keine Lieblingsvögel der Götter. Eingefährte
Pracht und Ueppigkeit anch auf die Götter überge-
tragen. Adler auf dem Zepter des Zeus; manchmal
tragend ihn felbft oder einen Angehörigen. Afrodite
mit Sperlingen fahrend. Ihr Taubengefpann fpiter.
Vcifse Tauben, der Venus befonders heilig, erft im
perfifchen Kriege bekannt. ' Tauben auf cyprifchen
nnd erycilchen Münzen. Taubenfefte in Eryx. Ihre
Fahrt mit Schwänen nnd Liebesgottern.
vni INHALX
SK^ XL Apollon «af einem Schwianenwiigen be{ Hen Lyri->
kern. Wichtiges Fragment / das H^'merio» jai def
Alcäas Päan an ApoUon anfahrt*
BR» Xllf Gefang des Sdhwiins noch unbekannt bef Homer.
. Hefiodus vermehrte mit diefem die XÜ^nnder der
Weftgegend. Jugend des Heitodns. Er kennt nackte
Wettkämpfer, Tyrrhener» L'gyer und andere vceft-
liehe Namen , auch Cyrene, Kyknos , König der
Lygier , bei Faethons Fall in einen Schwan verwan«
delt» Tonreiche Schwäne auf dem Weltllrom Oke«*
notf Ligyen und der Eridanu« und der Sh diefer
Fabel auch bei Späteren. Singende Schwäne an
Apollons Feft bei den Hyperboreern, Per Schwa»
»Is Gefangvogel Apollons in nähere Gegenden verfezt*
Per bomeridifcbe Hyrnnus an Apollon ift neu» '
BR* XÜL Bedingungen für den Schwanengefang. Er Hngt
flerbend; welches von fpäteren bezweifelt oder ge»
leugnet wird. Einigen Icife , ändern mit hellem
Getön ^ andern des Morgens und bei Wjndftille» ^
Oder die Flügel ertönen, entweder allein, oder mit
Hülfe des Zefyrs, nnd nur im Frühling. ' Arifto-
faiies Fliigeirymfonte der Schwäne» Meinangen der •
Neueren* Schwäne in Chantilly*
Bit XIV» Dßt Pfau In der Gefchichte de< Argot kommt
zuerft vor bei Moicbut» Er ward den Griechen zuerft
INHALT. IX
4<irch die fumirchen Priefter der Her« belunnc, dif
fhn tls tili Gerchöpf der Göttin ernührten. Seitdem
all. Liebliugcvogel der Here gebildet und befangen«
. Seltenheit des Pfaus zur Zelt des Sokrates, ond felbft
der fpäteren Komiker. Aus Perfien eingeführt*
Prunkvolle. Befchreibiiflg ' des Pfkui bei Tcrtolliatu
Bemerkong darüber* \
.BIU XV» Demeter vandert zu Pois in Homers Hymne m
Demeter und bei Enripides. Schon bei Hefiodns
hatte Demeter in Elenfis einen geweihten Drachen,
vermutlich als myftifche ErdgBttin. Schlangen der
Erde heilig ond weiflagend. Demeter auf einem
Drachenwagen zuerft in den orfifcheu Hymnen. Auf
diefem vollführt fie bei fpftteren Dichtern den gröfsten
Theil ihrer Irren, So auch auf Mönzen. S{>äterc
Drachenf«hrt des Tripiolemos, der Medea, derCirce»
iiti Kadmns und der Hatmonia nach Etyfiom* Zeng*
M :* . ,.. nifie der Alten von geflogelten Schlangen.
WL XVI* VervielHlltigung heiliger Zugthlere anch dnrcK
die Ma(chinenmeifter der Bahne* Okeanos nnd feine
Töchter mit Greifen fahrend* Greife als Goldwflchttr
xuerft mit anderen VTnoderfagen des oeoentdeckten
lOTeAeus bei Hefiodus* Erzählung Herodott von der
SeefiUiri da Stmlcn Kolihu* Herodoc erkennt
*s
X INHALT.
Hyperboreer und Rbipäen nicht mehr 4in heften«
«bglcich Pindsr und Aefchylus (ie ' beiliehalteap
Irtfaam Ton Pauv und Heyne, all habe Aefchylae
die Arunaipen und Greife in den Often verfezt.
.BR. XVn. Erläuterung der' lezteh Irren der lo im gebaa-
denen Prometheus. .Lücke in der Stelle. Der Fafis
noch der alte Grenzftrom Europas und Afiens, vel»
chei aus z^gc^i znfam mengehörenden Fragmenten dea
gtlöften Prometheus erwiefen wird. Erklärung der^
felben. Der Strom Okeanos zum Meer erweitert.
Teich des Helios das dunkel gekannte kafpifche Meer,
noch von Späteren Teich genannt. So auch der
arabische Meerbufen als Landfee , und der Nil alf
Grenze xwiicheu Libyen und Alien gedacht , Hoch
• in Alexanders Zeiten. Die ans dem Tartaros ge-
löften Titanen wohnend im Often bei ihrem Bruder
Helios, wo fic nach einigen fchon vor ihrer Ver*
liofiung wohnten. Zwiefacher Uebergang der !•
über Meerengen, die kimmcrifche und di»
akrakirchc.
IR. XVIIL Weftlicbc Wanderung derfelben. For Kit-
tkenc tft Kynete zu lefen» wo die Fabel »och kirn-
Mtnichf Nacht annahm. Völker im finfserfteu
Weiea kei Herodot Bttd andern. .Der R|iodanait
INHALT. XX
mit dcfn Bernfteinftrom Erlduiof rtrwtMth^ la
den Occau aosftrSmend. Grien. Gorgonem Greife
ond Arimüfpen immer ca den Hyperboreern und
Rhipäen gefeilt, znerft im heften , noch bei Pindur«
Herodot hat anftatt der Hyperboreer Kelten und
anftatt der Rhipien Pyrene. Die Kelten von Scymum
vic die Hyperboreer btlchrieben. Auch fpäcer
blieb manches von der alten Anordnung. Fiagment
ans der endoxifchen Erdkunde. Sage von der £in« -
»ahme Roms durch die Hyperboreer. Verfcb'edenc
Theiic der rhipiifchen Berghctte In der orfifchen
Argonantik. Flegra einerlei mit Pyrene. Der Gold-
Krom Pluten der TartefiM» delTen gepriefene Reich»
thümer fich mit den Uteren Fabeln vom Eingänge
dei Erebni vcraitfchM«. ZcogoMTe der Alten vom
Keichthnme dfeier Gegend. Hadei fpaccr Pluton
genannt. Jünger demnach die orifchen Hymnen,
worin diefer Marne vorkommt. Arimafpifche
Schaze noch bei Späteren. Libyen fcfaien den Alten
durch den Ocean fehr ^nikmmengeeag^ Nur diefen
«fabelhaften Streif hielten fie fiir mnichift. VTon-
dcrqnellcn dci Helioi. Der Fhifir Aetbiqpi oder
Niger. ^
'BR* XDC Helioi wohnt nicht, wie Heyne will, im
Veftcn» Ibadera am öftlicbcn Rande dar Crd>
XII INHALT. ,
'icheibe. Beveife» Neoere geben ihm mich einen
welUichen PaUaQ: zum Einkehren« Daher Helio9
mit veftlichen Greifen fahrend* Auch der zum
Sonnengott urpgedeutete Apollon. Greife auf
VTaffeu» Ihre Geftalt. Warum pferdefcheu, Grelf-
; Met. und andere vermifchte Thiergeftahen des
Aeichylni von Ariftofanes verrpottet. Viele davon
vielleicht morgenlandifchen Urfprnngt*
JBK» XXm Beförderung der Luftfchritte durch Winde, veran*
lafst vielleicht durch Misdeutung Homers. Schon bei
Aefcbylus , und in fpäteren Kunftwerken* 'T^tfvffuoQ
brauchen fpätere 01chter oft vom Luftg^inge. Vor-
gefpannte Windgöcter bei 'Qutntus von Smyma.
Merkurs treibender «Wind bei Virgil. Hfyneni
Widerfprttch mit (ich felbft. \ Aehnliche Stelen bei
Horaz und fpäteren. RomHchen Dichtern. Bei Klau-
dian nnd auf einem Denkiiiale drei Erhebungsmittel
zugleich , ^eflugclnng , Windhauch , nnd Wol-
kenbafan.
BR. XXI. Wolkenbahn von fpäterer Erfindung. Ares bei
Homer von einer Wolke aufgenommen, ^eW die
Wunde ihn fch wachte. Afrodite im homerfdifchen
^ Hymnus enteilt durch die Wolken, nicht auf den Woi-
. ken. Auch in Euripidcs Faethou ßhn der Sonnca»
INHALT.! xiir.
vagen noch änf der Dnnftlafr. Erf^rang der Stelle
aos der N^tarlehre des Anaxagoras« Bei Apolloniuf
zueril tragetiflei (ve^^^dlk*, vennatlich fiacb KSnftlern.
Beüpiele ans Kundwerken , obgleich mit Aauiahme«
- Aehnliche Steti^i, aus Quintasand Virgtl« Iris aof
farbigem Bogen «v^delnd. Klaadiant Winter. Die
Sonneiifahrt durch den Thierkreif« Ovids Gemählde
'- des Fsethon« ^ .
IR. XXIL Auch die göttertragenden Meernngeheaer Er«
£ndung der bildenden Kanft. In Arions loblied«
ift PofeidOt^ von gewöhnlichen Seethieren amgeben*
Bei Anakreon fahren die Eroten auf Delfinen. In
Pofi^idons Tempel bei Plato geflügeltes La ndrofle vor
defTen SV^gen , die Nereiden nm ihn auf Delfinen»
Die gefiägelten EolTe der Thetis auf dem Kaften des
Cypfelus auch ntxr Meerwandler. Die Tritonen vor
dem Throne des amykläifchen ApoHen wahricbein-
lich fchon Halhfifche. Bathykles, der KiiiiAler def
^' Werkt y. lebte nicht vor Kröfuf«
BIL XXüf. Triton, Cott des libyfchen Sees , nicht a6-
bekannt dtm Homer , befchrieben von Hefiodat«
Hernach einer der unteren Meerdämonen. Trico«
nen, als Schwimmthiere , dieuftbar den Nereiden
in den orfifchen Hymnen« Getödet von Skopgt.
XIV INHALT.
tVitoiit Geftiilt bei Apbilonlatt «Icr Trftooen \^
Pftttfaniaf. Schneckenblirer xaerft bei Moichof^
Dennoch erfcheiac Triton «nch bei Spiterfii mit
KolTen fahrend» Vorftcllungen Auf DenkoiühJern
mit verschiedenen Abenderuiyen • fogar mit KoA»
fafsen > wie üt Klaadien aiifnabniB
BR» iCSCiV. Claukut» . ein fpiterer Mecrgött» . gleich
Anfangs als Halblfch* Von den Myftikern nichc
gebraucht. Von Dichtern in ültere Seiten verfeit«^
Veiflagcnd» Ovids Befchreibang. Vorftelhuig bei
Pbilollrat und auf einem Denkmal» Bei Spiteren
xnveilen ohne Filchfchvsrans und tanzend. Proteus»
in der alteren Fabel ein Meerherot) von deti Myfti»
kern 2um Siunbilde dts rohen Urftofc umgedeutet»
Beine Geftalt bei Homer menrchlich» nachmall
tntt Schuppeu . bedeckt » bei Mahiern auch llfch*
fchwänzig^
SR* XXV. Auch die Ausfchmvckniig der ^aflergSttit
mit Md^rerteugniflen erfanden die Mahler* Homeri
^ofeidon dunkeigebckti ftlau beeei^net entweder
dai meerfarbene Haupthaar« die Angen und dai
Gewandt oder die blanfchuppige Haut. Leiter«
nahmen die Dichter felmer auf» Beifpielev Dit
Vaflergdtter ancb g^ün, catwtdcr «on der Meer»
INHALT. xy
' färbe det Hanri' oder von cnltifiefKlcm Moofe.
Mufchel -.aiid Gltsgrotten erß bei fpäteren Okbteru«
BR. XXVI. Fifchichwänzige Geftalt der Nereiden erft
gegen Plinias Zeit den Büdnern gewöhnlich* Sagen
von Meerweibern« Abbildangen auf Denkmälern
mit mannigfaltigen Verunilaltungen» Den Dichtem
fremd, bis auf Camoens. Aach ton den Bild«
nern häufig der edleren lyfenfchengeftalt nacbgefezt*
Heyne betrachtet lie gleichwohl als alte Symbole.
BIL yXVlV Oie Öötter auf DelÄnett ttnd Wallfifchea
bhd Hippokampefi In der Meergruppe des Skopas»
PöTeidon mit HfppokAinpetl fahrend bei Philoftrar»
Biefe fifchfcliwänzigen MalbrbfTe, häufig auf Mön«
UHk Und KubiiVerkeii , verfcbmiht eder mit Scheit
gebraucht von den DichteriL Virgils rofslenkender
Keptunus. Selbft auf Kunftwerken. Beflügelnng
mit Scbwimmgliederü verbttiiden. Andere Ldndthierd
mit halber Fifcligeftaln Pan als Seebock üuter de«
Sternbildern. bie Meergottheiten den Späteren
nicht luWandelndk^ Fabel vom Kerltes oAd der
AfroditiN . ; •
filL XXVni. AGrodite^ nac^i Heiiodtof im Meere entban-
den, als Obwakerin des Meers verehrL In Knnft*
wirken rahwKnmead und toftancheed. Anadyot*
XVI INHALT.
inen« det Apdlei; deflTelben anvollendet«« Andere
Kfinftfer vilhlten «ödere Stellangen« Bei fiffiterea
Büdnern fahrend saf Meerungehenern odei^ in einer
Mofchel. Noch fpäter bei t)ichtern. Die med!-
ceifche Venus lO; eben ?on folcber Seefahrt gelandetl
Sie ift alfo aal fpäterer 2eit. Was Heyne über
iie zafamniengetragen » ond endlich heraasge-
bracht hat.
»
BIL T^IX« Heynens Behauptung, dafs In den älteftett
Zeilen Griechenlands al|e Gottheiten gehörnt an4
«gefchwänzt torgeftellt vurden, aaf Afrodite und
ApoUon angewandt und in feinein Sinne gedeutet«
£)er Naturgott Phanes, Mann und Weib; Zeus
der belebende, gehörnt; der Mannfticr Hebon anil
«ödere myüifche Gottheiten. '
filL XX5r. Beweislo(igkeit jener Behauptung« Die ilte«
ren Gottheiten« an denen Hörner und Schwan«
geblieben fein Tollen« find lauter jüngere« Pam
Satyre, zueril bei Hefioda« als pelopQnnefifch«
Waldgötter« Der Satyr Sllenns« Von ihm die
ilteren Satyre < manchmai alle « Silene genannt«
Silenus in Malea gebohren« Begleiter des Dlönyfof^
Die Satyre heifsen thiergeftaltet , B^cke, Thiere;
nor von den B«ckiofareit. Ihr dorlfcher Nam«
INHALT. XVII
TtTVfoi t Bock , veranlafste die Ableitung von den
Atfem Mit Knorpeln an den Ohren» keimenden
Bockshörnern und gcfchvfinzt, ohne Bodufafse«
Spater mit den Panen vermifcht, gehörnt nnd
bocksräfsig. Satyrinnen aaf Denkmälern. Die
römifchen Faane kommen den Panen näher, die
Silvanc den Satyren»
BR. XXXL Nichtigkeit der Heynifchen Beweife fär daf
hohe Alterthum der Satyre» Nicht alles alt, «rai*
Spätere ins* Alterthum fezen. Unhomerifch der
Hymnus an Afrodite» Neu die Sage von der
Auswanderung des Aeneas nach Italien. Heynens
nngleiches Benehmen gegen Verdorbene ond Le*
bende«
BR» XXXII. Die Gigantomtehiei) und Dionyfiaden» wor«
In Pan» die Satyte und Herakles vorkommen»
jünger als HeiSodus. Homera Gtganten Riefen in
Thriuakia, vahrfchetnlich am Aetna* HeHodua
kennt fie nicht anders» Bald nach ihm mit den
götter bekämpfenden Titanen vervechfelt> als Erden-
ibhne mit Scfalangenfufsen gedacht » von den Mah-
lern beflügelt» nnd Urvater der vcftiichen (lyper*
boreer genannt» Der Ort des Kampfes« die Quel-
len des Ocetilt oder Tartefiiii oder Flegra% Flegr«
ta KmAt dano 2a Paliene umgedeuut» tieynt
xvin INHALT:
Iflfst . unrichtig iii vörhomerifchen Kosmegonien die
Giganten mit den Göttern kämpfen. Zöge des
Dionyfos und Herakles nach dem fpäter bekannten
Indien« Der Berg Nifa von Arabien nach Indien
gerückt. Herakles , bei Xanthos noch in Helden-
« ruftnng, bei Pi.fandejr und Stefichorus mit Löwen-
haat und Keule. Blieb die Thiergeftalt den Panen
und Saryren « warum nicht deiii Vater Pans » dem
trkadifchen Hermes? Spott des Hermes über feinen
8ohn beij^ucian.
•
BR* XXXIII. Unter Homen Gottheiten gar keine halb«
thlerifche M^nfchengeftalt. Die Kentauren nur
zottig^ Berglingeheuer. Der N^ime <J>»5fec deutet
nicht auf Thiere.. Auch bei' Hefipdus nichts von
ihrer Kofsgtftalt. Cheiron mit eifler Kymfe vef-
snäblt» In einer* alten Heraklee ift der Kentaur
Folos ein Söhn des Silenus und einer Nynife. Rofs*
leibige Kentauren xuerft im Zeitalter Findars.
^ . Poch blieben die Kentaurinnea- in menfcblicher
Geftalt, XeuKis Gemablde einer Kentaure'nfamilie.
Cyprifche gehörnte Kentauren. Die Rofskentauren
enidanden vahrfcheinlichcr aus atlmählich^ Ver«
bildung iiil Thierifche, «}s aus der Erfindung des
-' . Reitens. Bei Emtoßbenes der Schuie, Kentnur ge^
" . fiannc , ein Mann mit R«>(sbei««a ood ^bvnift Ani
INHALT.' xm
« dem ICafteii des Cyprclus ein Kenttir mit 6tn VoH
dertufsen vom Maone. Bejde Vorftelbiogvii auf
ctruskifchen Kunftw^erkci; Schluff ans dieftmi Aus-
drückliches Zeugnis des KatUftrattis , dafs dt« bome-
jrifchen K«ntaaren nenfchenähiilidi waren. Käitaareii
im Gefolge des Oioiiyföt«
BR« XXXIV. Ueberzähluhg ^er halbthierifcben Gotthetteii
neueres Urfpruugs , wozu noch Afkiepios, Jupiter
Ammon u. a. gehören. Nicht fiüher auch der ge«
hörnte Dionylbs, ein Sinnbild der Anpftanznng, vf'ie
der kampanifche Hebon* Der Befrachtung vegen
auch als vielgeftaltet vorgeftellt. Die befruchtenden
Stromgötter in Wandelbarer Geftalt, oft als Stiere«
öfter mit Stierhäuptern und Stierhörnern. Bacchus
als flufsgott auf einem Denkmal. Okeanos, Pol'ei-
don nicht ftierhÖrnig«
BR. XXXV. Gesner nnd ^inkelmann Verleiteten Heyne-
das. Zvittergefcblecht der fpäteren myftifche« Gott*
heiten für alt anzufehn« Seine Bew'ehe gerügt.
Gevandbeit der Priefter, die Lehre der Phtlqiophea
YOfl Einem Katurgotte fich zuzueignen. Dahin ge-
hört auch die Vorftellung der aas (ich felbft fchaffen-
den Kraft all Mannveib. Nacblefe orfifcher Zwit-
tergötter nach Gesner. Noch Phetecydes kennt die*
f fei Symbol -mcht«
♦ ♦' a
XX INHALT.
iR« yCXKVl Die CfptlCcht fitrtgdttin Ift veder die ure*
nifche Afrodite» noch die pafifche, noch die ema«
thnürchet ho<b dtt fyrifi^he Himftieisgöttin, fondem
• eine Cpiittt Abbiidong d<r myftifchen Zeogungigöttin«
t^ie griechtfche Afrodtte ward mit der fyrifcben und
anderen hur Verglichem Alte Biideif^der Afrodite
bei Paufanias« Die ofanirche bei ihm bevafnety
Wlt bei andern. Herme von ihr 2tt Athen als def
Ültellen der Mören» Die pafifche durch einen Kegel
^ Vorgeftellt, In der (chönfteh Mf^ciblichkclt von
. t*raxiteles und bei Anakreon. Die ^mathuHfche
Afrodite war Gemahlin des Adonis, Auch die
fyrifche Urania noCh in fpäteren Zeiten Weiblich
Vorgeftellt» Diefe 'unterfchieden die Griechen feibÜ
Von der uranifchen Afrodite» Noch mehr Keben»
, beweife -gegen das Zwlttergefchlccht der Göttin»
ttL XXXVlh Auch PriapnS » Aach Heyne dai Itralt«;
Symbol der Erzeugung, jünger* Unbekannt bei
Homer^ Hefioddi , ApoUodor» Ken genannt voa
fitrabo» Utrpriingllch ein Unipfakenirther Feldgott»
ebitammend von Diunyibi nnd Afrüdite, hadi andern
Von einem Pan oder Satyrn Hiednrch fein Zeitalter
bcftimnit» Nicht blofs Gott der Gürten» fondcrn dee.
lindilchfen Befrechtang Uberheapt» Hierauf deutet«
dai Zeichen der Männlichkeit^ wie bei mehreren
INHALT. xxt
iäadUchea 'Gottheiten, taeb Uttimfchtiu Von den
Myftikern za «incm Sinn]>iicle der Katnr uingtdeDtetv
stiit mehreren Gottheiten vermifcht , nnd mit mannig«
faltigen Namen belegt« Bildnifle dcfielben mit Attrt"
buten mehrerer Götter« Mehrere gemifchte Götter«
gehalten fpäterer Zeit*
BR« ^tXXVriL Ueber das ' lCnochenO|)fer bei Heüodan
Xrläoterang der Fabel von der Äasgietchung der Götter
tind der Menfciieii» Heynent MisdcotoBg nnd vill«
kflbrliche Behandlung der Stelle. .
B&* XXXl)t. Unterfchied t^ilchen M<f^o/> Schenke!» und
ft^gtetf Schenkelknochen» Erwiefen aus Stellen der
Alten, aUi alten Scholiaften nnd Grammapkern»
ffficut bexeichnet römifche Opfcrgcbiäuche, die
ton den griechifchen terfchieden t^areii. Dionyiiut
von Halikarnafittt vergleicht fie mit Unrecht. Die
lingtweidc verbrannten fpäterc Griechen» Omentim
nicht Fetti Ibadcrn Nezhaut»
Bit« XL Der Gebrauch des Knochent>prerS Anerkannt vo»
mehreren Alten bei Klemens von Alexandrien , vott
Alten Scholiftften nnd Hygin, Wat */# y* and ee^kam
finift» dnd. Gelenke und Kreuzbein geopfert bei Aefchy-
ittt« Abirrangen dee Konnai nnd anderer, Urrpmng
xxn INHALT.
l
in VP^om Kw0tretfytf0 Ob dit RAmer dtt Kreux-
bdii gloptert. f crtullicof Spott fiber die Kcrghesc
der Opferer« VerbreniiQijig der Hiopter sad Tüiit
Im bomeAdlkkta HyrnRot an Herittei«
- ••■ , - ' '
tlL XtC Rückblick tnf du Vorige. Wi« genau Heyncaf
Urpbilofopbie öbercinftimme mit den Deutungen der
, ^on Him vflr«<ihtetfcn AHegortker« Sdne Ent«1ckelttiif
1 dft Begri& von Apollo» Kitfxer Ihhak der folgenden
* . Biicf« über ApoUon ttod Arfimti^
I.
JL/ie verbrochene Sammlong von FlUgelgOt«
tern» Ich werde 2war Milbe haben, fie aus ein«
ander zu finden^ und einigermarsen zu ordnen»
Wenn Sie noch irgendwo auf' Ihren Spazier«
grSngen dnrch das Alterthum einen faerumflatCern
febn, fo verföumen Sie nicht, ihn einzufangen.
Pörphyrins C^* abfi. 3 p. 085) eifert wider
das Fleifcheffen: auch darum, weil Thier;en
gleich die Götter nicht nur den Aegyptern
fchienen; fonderh felbft die Griechen den Zeus
mit Widderhörnern , den Dionyfos mit Stierhör-
nem bildeten, und den Pan aus menichlicher
und Ziegengeftalt zufammenfezten. "Auch die
**Mufin,u fährt er fort, "beflügelten fie, und
*^die Sirenen 9 imgleichen die Nikif und die
"/m, den Eros^ und den Hermes. ^9
Es fcheint, dafs die fpäteren Beflügeler fich
auf den Ausdruck der fchwebenden Gewandheit,
der fittlichen Flüchtigkeit, und der Geifteserhe-
bung, einfchrKnktem
A
2 MYTHOLOGISCHER BRIEFE ll. B,
Zuerft erwartet man natürlich die Beflügelung
"weitftreifender Gottheiten , die nicht immer einen
Rofswagen zur Hand haben konnten. Hermes
indefs und /m, obgleich fie unaufhörlich zu
Fufs, in Gefchäften der Götter imd der Menfchen,
den ganzen Erdraum durchwandern, haben den
Gang auf Fittigen erft kurz vor Ariftofanes,
Bei den Dichtem zum \(renigften. Es kann gerne
fein, dafs auf älteren Bildwerken Paufanias ihre
BeüUgelung darum nicht anai€(rkte, weil üe ge«
wohnlich fehlen.
Die Winde f nur feiten im Wagen, erfchienen
geflügelt, wofern ich richtig gefchlollen habe,
auf dem Kaften des Cypfelas, gewifs in den
orfifchen Hymnen; auch die Borsaden um die
felbige Zeit.
Kurz vor Aefchylus beflügelten lieh auch die
ffarpyeHf als häfsliche Weiber; und bald nachher,
denn Aefcbylus felbfl: {Sept. c. Theb. 499) be-
fchreibt ihn nur als Flammenfpeier mit Schlan-
gengeringel, der wirbelnde Stofswind TyfoSy
.deflen Fitdge Apollodor und Nikander anführen;
imgleichen Manilius (4, 5S1 )*
^ AngMipedtm alatis huinerii TypJyona fitrentevh
Tyfoii, der rchlingelndes Gangs mitobc mit geflügelceA
Schulcem.
ERSTER BRIEF, 3
Auch andere Dämonen der Luft, der regnende
Bonner er und die Geßirne^ wurden im tragi-
Tchen Zeitalter mit fchnelltragenden Fittigen *
ausgeruftet.
Der Regengott, Jupiter Pluvius, Zevc ofißfio^
oder wcT/oc, hat Fittlge auf der Seule Antonins,
deflen Heer er durch einen Gewitterfchauer vom
Duflt rettete; und auf zwei gefchnittenen
Steinen bei Winkelmai\n (Mon, ined. N. i. 2)
erfcheint der Donnerer, wie er Semelen unter
Blizen naht, mit grofsen ausgebreiteten Flügeln.
Der Beiname vstioq ift aus den Zeiten, da Welt*
weife und Priefter öffentlich umdeuteten. Ich
finde ihn zuerft bei Ariftoteles (^de mundo 7 , i )•
.Mit Panfanias (^^ p. 119) einen Altar des regnen-
den Zeus bis zum thebanifchen Kriege hinaufzu-
iezen, verbietet das Stillfchweigen der älteften
Dichter. Bei den Orfikern (Ä ig, 19) ward er
als Donnerer und Blizer^ zcvc mgatwtoQt a^eaTrtv;,
angerufen. Hefycbius erklärt ihn für den phry-
gifchen SabazioSy einen Sohn der Göttermutter
(^Strab. 10 p. 470), der, als Gott des Wachs-
thums, auch zum Dionyfös gedeutet ward, und
giebt ihm die Beinamen 't«»c und 'rifc : denen der
Scholiaft des AriftofanesCat;« 873) noch 't«« und
Ev/3«<0c zufüget.
A 2
4 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Dieren wetteftiden Zeus hat Wielafid b feinen
Göttergefprächen » nicht nach defr berühmten
^ pichterffeiheit, fondern mit Kenntriis des Alter-
tbums» von dem erhabenen Himmelskönige
nnterfchieden* Auguftusi wie Sueton in feinem
Leben (91) erzÄhlt, hatte, dem ffupiUr tomans
. einen Tempel auf demKapitol erbaut, und durch
häufigen Befuch geehrt. Im Traum erfchien ihm
Jupiter Capitolinti^ 9 und befchwerte fich , dafd
ihm die Verehrer entzogen würden. Auguftus
antwortete, er habe den Donnerer ihm zum
Thtirhüter geftellt; und behängte darauf den
Giebel des Tempels mit Glocken , wie fie an den
Thüren der Vornehmen zu hangen pflegten^
Siogar die geflügelten DonnerkeiU der bild*
liehen Sprache fchienen dem Künftler fähig def
Darfteilung» fchon bei dem Orfiker (Ä 18» 8)
und Ariftofanes (av. 1714), und auf vielen übri-
gen Kunftwerken*
Den Föbos, der Leto ferntreffendeln Sohn^
welchen die aufgeregte Priefterfchaft zum
Sonnenfymbot umdeutete, nennt die oriifcbe
Theogonie (/r. 32 ) mit der Anrede:
Heliof, der auf goldner Beflugelaiig hoch (ich erhebet;
ERSTER BRIEF. 5
Man könnte ein geflügeltes Wagengelpann ver«
flehen, wenn nicht Eos und SeUne^ nnd die
' Nacht ikmtWxvtn Geßimen, eigene FlUgel darbö-
ten. Einen geflügelten Helios erkennt auch
Aefchylus (^SuppU 220), ohne eben, wie der
SchoHaft wShnt| auf den weckenden Hahn an-
zufpielen;
Auch ihuj, Zeai Vogel dord rafc jexo •■•
Und die Antwort:
Wir rafeo Helios Stral ^ den helfenden.
Geflügelt kömmt aus dem £rebo& die tranm«
gebende Nacht bei Euripide^ (^Qr. 178)»
fchwarzgeflügelt bei Ariftofanes (av. 695).
Was Winkelmann (fnoii. ined. n. :»7} für eine
Nacht mit Fledermausflügeln ausgab, und Herr
Heyne (Tifc 2, 1 , 8?) g^f^ig annahm, fcheint
ein fpäterea Fabelgefchöpf.
Eine geflügelte Eosi mit vier mutigen Roflen
bemerkt Coper auf einer Münae des plaottfchen
Haufes, bei Antonius Auguftinus iCHat. 5)
und ürfinus* Dies ift grade die Yorftellung des
Euripldes, der fie (^Troai. 84g) AevKo^t^ov
'Af«fÄV, die hellgefiUgette Hemeraf oder Tags-*
A3
6 MYTHOLOGISCHER BRIBFR II. B.
göttin, nennte und v, 855 hinzufügt, wie ihrea
Gemahl Tithonos
Der Steruenbabtt viergaoliger
Safraiiwagen einporgerafu
Der bomeridircbe Hymnus an Sttem fitngt
alfo an :
FoFgt mir» Muten» zu fingen dif breitgefliigeltc Menr»
Und darauf beifst es: mrt einer leochtendea
Stratinkronef welcher Schmuck des Sonnengottes
lind der Mondgöttin auch den Bildnern gehört^
gebadet im Oceanus» und in fernfchimmernde
Cewande gehüllt, fahre fie bei ihrer Beflügerung
auf einem Wagen, mit glänzenden Rollen be«
ipannt. Jenes Jlbwohl, als das neuere Wort
tv^txat^t ich tage, leuchte (v. 6), und ihre dem
Zeus gebohrene Tochter Pandeia, die in Athen
(^Etym. M.y und von den Orfikern {^Tzetz.
ffoU Hif.) anerkannt wurde, find entfcheidendp
£eweife für die Jugend des Gedichts.
Auch die fackettragenie Diana f von den
^Späteren zur Mondg(kttiftr gedeutet, fand Cnper
ERSTER BRIEF. J
auf einer Münze beiTriftan, wie fie, auf Flügeln
ichwebend» die Fauftina gen BUmniel trag.
In dem nüchften der homeridifchen Hymnen
crfcheinen die Dioskuren, Kaftor und Polydeukes,
als Erretter der Me^rfcbifie im Stürm:
Mit gelbfunkelndea Schwingen einher darch den Aethcff
fich ftürzend«
Das Folgende, r»x^w sTiß^roseQ /»swv, der Äiirfl-
gen Rojft iBeßeigiTf möchten wir ^övohl von
. Wagenleakern , wie bei Homer ( Odyfll 1 8 , 262) ,
verfteha muffen. . Zu Reitero machte fie zwar
bereits der Bildner des amyklSifcherv Throns bei
Paufetiias (3 p* I97>» i^^ wahcfcheinlich. mit
Kröfus lebte. Aber noch belEuripides werden
fie, die Lenker der weiße^ S.oJJjßf Ägi/x/T^rat
(Ä'W. 646), alfo augerufen (1511),:
MoAo/r« »0^^* iTFViOv ec^fjui
irfcheiui aaf dem Roflegefchirre
Durch den Aether dahcrgefchwungeiv
Söhne des Tyndaros ihr»
Xn dci: heHen Gefticn^'ttmpolkndtm Staun.
A4
g MYTHOLOaiSCHSR BRIEFE II. p.
Homer (OdyfH ii, ^98) nennt beide desT3m«
dareos Söhne; aber in dem Sinne» wie Herakies
Amfitryons Sohn hiefs. Denn die Unfterblich-i
keit, die Polydeukes mit dem geftorbenen Bruder
theike, beweift, dafs jener famt Helenen von
Zeus war erzeugt worden« Nach der Faliel deä
Hefiodus, die Pindars Scholiaft ( iVewi. 16^ 150)
erhalten hat, flammten beide von Zeus« Erft
jezo demnach konnte der Name Diöskureni oder
^eus Söhne, entftehn. Nachmals wurden diefe
lakonifchen Heroen mit den myftifchen Gottheiten
der Samothracier» den Kureten^ Koryhanten oder
AnakUn verwechfelt * «?rpÄ. H. 37, ai), und
aU £!wiUingi(^v. 23), die den Schiffenden Heil
brachten, unter die Sterne verfezt« Dies bezeu-^
gen auch Philo bei Eufebms Cprttp. tfi^ i » 10)»
und Nigidius beim SchoUuften des Germanicua
unter Gsiffiffi Was fUr Gottheiten,^ fagt Paura«
Utas ( 10 j9. 686}» die jungen Änakten fein, wird
verfchiedea beantwortet; einige nennen fie
Dioskuren, andere Koiy bauten, die aber mehr
zu wifien fich dUnken, JCabinn^ Je«t wurden
auch, wiederSehottaftdosEUiripide&COr. 465)
meldet, Homers Worte, da(s fie einen T^gum
den andern. «bwechfelud leben und fterben, auf
die wechfelnde Erfcheinung bei Nacht, und Ver-
dankelmig bei Tage^» umgedeutete
ERSTER BRIEF« ^^ 9 .
' Einen nicht fchwÄcheren Beweis der Neaheit
•giebt die fpütefe Sternkunde gegen den homeri-
difehen Hymnus an Ares (7): wo fcbon der
flehen Planeten gedacht wird, von welchen Ares,
Im dritten der Kreife, mft flammimden Gäulen
fährt Dazu das Wort Tvf«»voc, das im Zeitalter
des Archilochus griechifch ward, wie der Scho-
liaft des Sofokles (in arg. Oed. T.) verfichert.
Den Morgenflem beflügelte der Tragiker loh
in einem. .Dithyrambus, wovon wir dem Scho«
Haften des Arif^ofanes iPax. 832)« und dem
Suidas unter h^vgattßah^fKOÄßtt diefen Anfang*
verdanken :
Des MorgenHchts lufc wandelnden Stera erl»iTCa vir» ^
' Der dem Helios voran sfi^eUsflügclich läuft«
Inngieichen Valeriuii Flaccus {Arg. 6, 527):
5«a/i> ra/cx> it Lucifev alijtt
Qn^m Vfnw illnfixi gandet frQducer^ c<f/a.
wie Lucifer geht mit rofigtn Fttigch»
Den am crheUcten Himmel die fröhliche Venns herauf«
fährt«
ßpSteren ritt er am Morgen auf einem weifsen
Rofs QOvid.lL am. 11, Mit. rj, 189), dann
so MYTHOLOGISCHER BRIEFE II» B.
«tnwechielnd (StaL Thtb. 6, 240) am Abend
auf einem duakelen ( Quid. fafi. 2» 3r4). Wes-
halb ihm die Wechfelreiter , deftdtores oder
vertumni ( Math 5 9 .^. Prap, 4, 3, 35), ihre
Siegsroir4& zu weihn pflegten ( Caßod. 3. Jßd.
Selbft die Bären am Pol beflügelte Euripides
in einem Fragmente des Piritbous bei Klemens
yon Alexjandria Cßr. 5 f. 563 )r
-^ Der Barinnen Paar
Mit der Fittige fchueli umirrendem Schwang;
Be^^brt ailft«u den aclantifchen Pok
Als gefliigelteD Hund alfo wird wohl derfelbe
fcet Longin (^15, 4) den Sirius lieh gedacht
haben , worauf Helios dem Faethon nachreitet:
TtxTiif Z* QfitJ^s vuTX ^tiffta ßgßtaQ
Ttji fßt\ Tgt^* «f/tMTy T|j2i€t
I>er Vater fchwang aof Seirios Rücken ftch,
. Kitt ua^li. diEin Sohn, nod warnte: Dort geknkt!
Hieher! gewandt dtn Wagen, hieher!
Bei Quintus' C8> 30) fährt der Sirius, wie
pudere Sternbilder^ auf einem Rofswagen«
EI^STER BRIEF» XI
Za Aetcbylus Zeitea inde& mafi die Beflüge»
long der Geftirne noch feiten gewefep. fein; itk
in feinem Fr^mente bei Atbenlkis (ii, iz
f. 491 > des Atlas lieben Ti)chter am Himniel
«nnoch ungefiedertg Feleiadtu,, oxrifo« ntxttaisu
mit Anipielung auf srtAff«, Taube , genannt
werden. Feleiaden für PUjadem fand Athenäos
£:hon in der alten Aftrononue^ die man dem
Heiiodas zufclirieb..
IL
Wir haben nocli einige Gottheiten SbrFg, deren
Yorzügikrhe Schnelle die Bildner manchmal dnrcli
Fittige bezeichnetem
Artemis 9. bei Homer Göttm des^ Heirs^
^wandelt gewöhnGch.zu Fuß, oder lenkt (11.
6, 205) ein goldgezügeltes Ge(pann. Nachmafa
mehr als Jagdgötlin gedacht, ward fie,. zur
ichnelleren Verfolgung des. Wildes» auf dem
Kalten des Cypfelus ( Pauf. 5 p» 324) n«t Fittigeii
gebildet» Den Paufanias fcheint die Vorftellung
zu befremden , die gleichwohl auch auf anderen
Denkmälern von Cuper und Winfcelmann gefan-
den ward. In wie vielen derfelben fie die Mond-
göttin vertrete » Icann nur ein Augenzeuge
futfcheiden.
I
II IMYTHOLOaiiSCHER BRIEFE II. B,
Aucb ihre Nymfen^ bei dem Orfiker
wandelnde Läuferinn^n von leichtem Tritt ^^ und
die bei Euripides (Suppl. 993) ihr, der fackel-
tragenden MondgQttin> wozu die fpütere Fabel
fie erhob.
als fchnellrennende Nyinfen
Darch Dunkelheit lenken das Rofsgefchirr ;
auch iie bezeugt Winkebnann bSofig mit Fittigen
gefehn zu haben* y
^ BeflUgelung der Eumeniden hatte noch
Aefqhylus CEum. 51) nicht wahrgenommen;
aber Euripides iOr. 31t) > ^»d der Orfiker
( ff. 6g f 5 ) , der auch bereits Schlangenhaar und
Verwechfelung mit den Mören vorfand.
Die drei (chickraIQ>endenden M'dren find zuerft
bei CinSthua in dem homeridifchen Hymnus an
Hermes (v, 550)
Jan^fraaa,^ ^c^elche mit rafcher Beflügelung froh fich
erbeben^
Eben fo erkannte fie der Orfiker (ff. 58» S)»
fliegend Über die grenzlofe Erde» aus ihrei^
ZWEITER BRIEF. IJ
.Wohnung am himmlirchen See» xiiiun ^fwm^ wo
(das Wafler aus der nächtlichen warmen Quelle
durch eine Felsgrotte hervorbricht*
Der hirnfnlifchi See^ welcherl Getsner an*
ftaunet, ift nichts anders, als der weltumftrö-
ttiendeOceanus, der damals, durch neue Gerüchte
und Vermutungen erweitert, bald Meer, bald,
mit faifcher Anwendung des homerirchen Wortes
COdyiT. 3>- t)i -xiiivfij See 9 genannt wurde»
Himmlifch aber hie(s er , weil der Rand det
himmlifchen Gewölbes fich auf ihn neigte. iFoI*
gende B^fchreibung des weftlichen Endes der
Welt bei Euripides ( Hifp. 744) erklärt alles :
Vo de» Meen^s Turft nicht vtiter den ^tg
Det dankelen Sees den Schiffinu yergönut»
^Shrenil die heUige Grenze
Üe» Himmels, den Atlas tragn
Noch Maxirht» Tyrius (55) zweifelte, tb def
Ocean eine Art von Strom fei, der ins innere
Meer lieh ergiefse,. oder ein See» jder den UnteN
gang der Sonne und des Mondes aufnehmt!»
Kreifender See wird er auch von Notmqf
t4 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
( Dionyf. 3,3) genatinh Aus diefem am Weft-
geftade der nördlichen Halbrcheibe entfprin-
S^enden Oceanus riefelte iHef. Th. 786) ein
Theij, als Styx, durch Felfengekrüft in das
Schattenreich innerhalb der ,Erde: bei Hefiodus
mit kaltem Gewäffer, hier mit warmem, wegen
der zugemifchten Begriffe von Schwefel, Erd-
harz oind Feu^rergufs,
• Die Gorgonen find zuerft bei Aefchylus im
Prometheus (V. 797)
Tfii^ KocretTre^n
4f«xovroffaAA0/ tog^wic ß^or^^uyuji.
- — drti geflügelte
Gorgonen f drtchenbckig, meafchenfeind.
Auch das Mediifenhaupt auf dem Schilde der
Pallas ift in einenu'alten Kunftwerke bei Witikel-
mann (mum. med. N. 141 ) mit Flügeln verfehn ;
imgleichen auf dem Schilde de« Achilleusy den
ein gefchnittener Stein bei Bracci icomnu di ant.
fculptor. I tah. 8) »a homerifcber Rüftung wan-
delnd, und, was merkwürdig ift, mit Bein^
decken und darunter barfufs, zeigt.
Sogar den Hades oder Aides erkennt
Alceftis bei Euripides (^Atc. 260) da jener fie
entführt, als einen geflügelten Gott:
ZWEITER BRIEF. i<
Mich Tuhri, mich führet wer, (fcl^auft du nicht?)
Zu der Todteii Wohnung, dem aus düÄeren Wimpern
Auffunkelt der Blick, der geflügelte Hades»
In der Weltfchöpfuug , die Ariftofanes in den
Vögeln (v. 693) vor Augen hatte, war nicht
nur eine fchwar^geflugelte Njzckt, aus deren
wlndbefmchtetem Ei der liebliche Eros mit
goldenen Fiügelnrchlüpfte} fondern auch ein
geflügelter nlichth'cher Chacs. Der Verfaffer
jener Theogonie lebte gewifs nach Hefiodns;
vielleicht war es Epimenides, den die Attiker
mehrmals anführen^
So wurden dem dreihaoptigen üeryon, wie
der Scholiaft des Hefiodus( Tkeog. 256) bezeugt^
von Stefichorus 211 feinen fechs Armen und Fliisen
noch Fittige verliehn: wahrfcheinlich vier, weil
ihn Ariftofanes CJckam. 1082) r,r?*.Tr.A.v. den
Vitrfdiwingigin^ nennt.
Es giebt auch Spuren , dafs man die himmel-
ftiirmenden Giganten der fpäteren Fabel, welche;
mit den Titanen vermengt, erft nach Hefiodus'
aufkamen, nicht nur mit Schlangenfü&en,.
|6 MYTHOj.oai5CH£R BRXBFE II. B.
fonderti eben fo Wohl» als den Tyfon ^mt
Fittigeri voFgeftellt habe. .Bei Ariffbfanes
(flt;. 1250) fpottet einer des, wie es fcheint,
Von Aefcbylus aufgeführten Giganten Porfyrion :
er wolle folche Porfyrionen^ Vögel in Pardel-
felle gehiillt, mehr als fechshundert, gerf
Himmel fenden; da fchon Einer den Göttern 2u
Iphoffen gemacht habe. Der Scholiaft bemerkt,
dafs auf die dunkle Beflügelung diefes von Afro*
tlite, nach Pindars Sdioliaften (Py/Ä.^S) von
Apollon, bezwungenen Gig^ten angefpielt
verde* Martial fagt ( 13 , 78 ) :
' Nbnieif bahfri tHagni lolucrii tat» parva gigantL',
". Mach ^em grof^en Giganten benamt (ich der vc'inzige
VogeU
Auch diefe Meinung fbheint einen gefIDgetten
Giganten vorauszufezen» Den Giganten PaUas;
fagt Lykofrons Scholiaft (V, 355), habe feine
Tochter Pallas Athene in Vertheldigung ihrer
Keufchheit getödtet, feine Haut als Aegide fich
umgeworfen, und feine FlUgel (Ich an die FQfse
gefezt. Etwas ähnliches erzählt Ptolemäus
Hfefäftion (^Phot p. 252) von der geflügelten
Barke f einer Schwier der Iris, die *mit tlen
Titanen gegen Zeus kämpfte. Der fiegende
Zeus verftiefs fie in den Tartarus ^ und gab ihre
2WEITER BRIEF. . ty
abgenommenen Fittige der Thetis zum Brautge-
fcbenk: welche darauf ihrem Achilleus die,
Wahrfcheinlich unfichtbaren , Götterfqhwingeh
an die Ferfen fügte , und den homerifchen "Bei-
namen woJafxifc, nicht der fußrafche, fondem
der harkifüßige 9 veranhfste.
Selbft die angeftümen Thiere ans göttlichem
Gefchlecht bekamen zum Theil Fittige. Die
thebanifche Sfinx bei Sofokles (^Oed. T. 516),
der/ Ibnft keine Beilligelung liebt , und bei Euri-
pides QPhcßH. 1026). Die Umeifche Hyder fah
Earipides (/o«. 195) in einem Kunft werke dcfs
delfifchen Tempels» wo Herakles ihr mit golde*
nem Schwerte die Häupter abfchlug, und fein
Geliülf lolaus die Wunden zubrannte» damit nicht
neue bervorwUchfen , als ein geflügeltes Unge-
heuer vorgeftellt. Noch ein gar feltenes Wun-
derthier macht uns Aelian (no^. anim. 12 9 38)*
aus Artemon bekannt, einen geflügelten EbeTf
der, gleich jenem kalydonifcheq , den Klazo^
menern die Aecker verwüftete: eine Gegend
biefszum Wahrzeichen Flügetfchwiim 9 und wai^
in Sagen und Liedern berühmt Wem die Er-
zählung ein Mährbhen fcheint, fiigt der verftän«
digc^ Aelian, dem fcbeine fie.
Werden Sie fich noch wundern, daß in diefer
Zeit der Beflügelang auch die Vorfpanne der
A
k
I^ ÄlYTHOI«OGISCH£R BRIEFE II.Ib.
GöHerroJJe, die wandfelnd auf Luft und Wafler
erfcheinen foUten, auch der ftllrmirche Reitgaul
Fegafus, mch die verdienftvollen Efelemj wor-
auf Dionyfos, Hefäftos und dieSatyre zum neue-
ren Gigantenkafnpf ritten, auch das fpätere
Schtangengefpann der Demeter und des Helios,
und oft fogar die H%pfokamp6 pder fifchfchwä'n-
zigen Seeroffe der fpäteren Fabel, in Kunft wer-
ken und Gedichten Fittige annahmen?
III.
Ein Räzel der^Sfinx ift es Ihnen, dafe fogar die
tlügel diefes thebanifchen Ungeheuers eine
Neuerung des tragifchen Zeitalters fein follen?
Die Auflöfung wird, wie bei RKzeln gewöhnlich
ift, ganz naturlich ausfallen.
• Wenn auch der Sfinx in Homers Erzäbhmg
vom Oedipus (Odyff. II, »70) gar nicht,' und
in der hefiodifchen Theogonie (v. 326) nur
beiläufig erwähnt wird; fo ift es doch ficherer,
die Misgeftalt, welche die beiden Dichter als
bekannt vorausfezten , fich ohnfe Flügel zu den*
ken, als der einzigen Sfinx eme Ausnahm« voit
der durchgehenden Jlügellofigkeit der älteften
Gottheiten zu geftatten«
DRITTER BRIEF. I9
Hefiödus (agt vorher: im Arimerlande habe
Echidna» die oberwärts Nymfe, uoten Schlange
war, zuTyfaon, dem tro'zigen Stürmer, fich
, gefiellt, und hartherzige Kinder hervorgebracht. .
Den Orthos ziierft, den Hund des dreihauptigen
Geryoneus in Erytheia; von ApoUodor (2 , 5 , 10)
wird er ein zvireihauptiger Hurid genannt. Drauf
Äum zweitert den funfzighauptigen Kerberos,
mit Einfchluß nemlich der Sclilangenhäupter,
des ATdes erzftimmigen Hund. Zum dritten die
lernelfche Hyder, welche Here zur Plage dem
Herakles erzog. Auch die dreifache Chimäre,
aus Löwe, Schlange und Ziege gemifcht, welche
Bellerofontes durch Hülfe des Pegafos vertilgte.
Endlich , von ihrem Sohn . Orthos überwältiget,
die Fix, oder Sfinx, und den Löwen, den Here
nach Nemeia verfezte, v. 326:
*H d'ff^ff 4>fx* eXoiiv rsKS^ Ka^ßtto*9t¥ oAf5f«y,
Of^M vvo^fui^stta 9 TQtfittat9¥ Vt ami^tä.
Jen* aach gebthr die verderbliche Fix, den lUdmciem
ein Unheil, .
])arch des Orthot Gewalt» and den nemeiäirchen Low^o.
Offenbaf Fabeln aus alten Volksliedern, woraus
fchon Homer die Abentheuer des Herakles, Per-
feus, Bellerofon, lija Vorbeigehn berührt.
aO MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Es fällt auf, dafs den feltfatnften ünthieren
diefer älteften Volksfagen das Arimerland zur
Heimat gegeben war^i.
Das Land der Arimer, welche Strabo fUr
Syrer erklärt, war der Winkel an der iflifchen
Meerbucht, der, wie die ganze Strecke bis Libya
(Odyff. 4, 83; vergl. 3, 321), noch fejten und
zufällig befucht wurde, und, weil die Umrifle
jener Gegenden unbekannt waren , mit Kilikien
in eine unförmliche IVIaiTe fo zufammenflofs, dafs
Tyfon bei Pindar und Aefchylus aus einer kiliki-
fchen Höhle flammte. Unterirdifcbe Feuer und
andere Befremdungen der ungiaftlichen Küile
konnten fchon allein SchiiFermährchen von
fchreckUchen Ungeheuern in dampfenden Erd-
fchlünden veranlaiTen« Vielleicht kamen thie-
rifche Göttergeftalten, zumal fchlangenähnliche,
hinzu, wodurch das früher gebildete Morgenland
fchon damals myftifche Lehren zu bezeichnen,
von dem helleren Gemeinfinn genöthigt fein .
tnochte, ,
Ueberfehn Sie die fcheufelige Familie noch
einmal, und fagen Sie mir, welcherlei Brut von
einer Nymfe, die unterhalb Schlange ift, und
einem hundähnlichen Unthiere, Sie aufser dem
Löwen wohl erwarten. Ein Landungeheuer^
meine ich^ wenn auch von der wUdeften Zu&m-
DRITTER BRIEF. ^ Sl
Qienfezniig. Wer dies wider das Herkommen
geflügelt verlangt, dem liegt der Beweis ob*
Denn dafs Pberecydes CSch. Apoä. 4« 1252)
auch den ^dler des Prometheus, mit CSck. ApoU.
4> 1396) ^^^ hunderthauptjgen Drachen der
hefperifchen Gärte'n, zur Zeugung des Tyfon*
und der Echidna rechnete, war fpätere Fabel.
. Aber, wenden Sie ein,, fchon bei dem alteti
Pi&nderfand der Scholikft des£uripides iPhoen.
174S) die Sfinx in der gewöhnlichen Geftalt^
nur mit einem Drachenfchwanz. '< Durch den
*<Zorn der Here, „ meldet er, ''ward die Sfinx
''den Thebäern von den äuiserften Tbeilen
"Aetbiopiens gefandt: die Sfinx aber war, wie
'<fie gemahlt wird, den Schwanz eines Drachen
"habend. „
Wie fie gemahlt wird: foll dies die Fiagel
einfchliefsen , fo war fie bei Pifander zuerft ge-
flügelt; und grade die fchon fo frühe Erfchei-
nung der Sfinx in ihrer fpäteren Mahlergeftalt,
mit der einzigen Abweichung des Drachen-
feh wanzes, war dem Scholiaften merkwürdig.
Hätte nun aber vollends der Scholiaft blofs die
wefentliche Zufammenfezung des Sfinxleibes ge-
meu3t, und die Flügel, die er, der Alexandriner,
auf der einen Abbildung fah, auf der anderen
vermiiste, als etwas zufälliges betrachtet; was
B3
32 MYTHatoaiSCHER BRIftFB ll. B.
imnt Sein Zettgi^fs bewtefe allem , fcfaoit die^
piikndri(bhe Sfißx Babe Antliz und Bruft e^r
Jungfrau^ Leib und Klanen von einem Untfaiera
gehabt» aber dazu einen Dracbenfdtwaiiz»
So wäre die Sfinx urfprünglich ein zweiFör-^
'miges Schenfal,, da doch der aufonifche Vers
{Griph. 40}: vülucriSf tea^ virgo trif ärmst fie
dreiförmig darftelttV
Das wäre fie freilich. Auch fand Kodor
(4, 66) fie bei alten Fabelfehrem nicht anders
als hfto^ov ^ijfioy, ein zweiförmiges Onthier. Für
«werformig nahm' fie auch Herodof (2, 175 )V
indem er die gehefligten Mannlöxven der Sgyptl-
fchen Religion, welche Ktemens (ßr. 5 p. 561)
als ein Sinnbild der göttlichen Sanftmut und
Starke auslegt» troz den mangelnden Flügeln»
m^^yyxi^ männliche Sfinxe^ n,enfit« Die
Sfin;s von doppelter Natur» ^^tuf» fagt Aelian
inat. anim. 12» 7)» pflegen fowohl die ägypti«
fchen Bildhauer» als die thebifchen Fabeln» uns
2weif6rmig aofzuftellen» aus jui^frSulichem
Antliz und Löwenleibegemifcht, wie auch £uri«>
pides andeutet:
Den SehveiT luiiitrekciid oater den Ttlxt der Lovrenkfaim
Sais jene.
DRITTER BRIEF. 2^
Zwiefache t7atur erkenot an der Sfinx auch Pin*
tarch (Gfryff.), da er aus nnnattlrlicher Begat-
tung , wie die Minotaure , Pane nnd Kentauren,
fie ableitet Mit den ielbigen Ausdrücken nennt
Herodot (4, 9) die fbythifche Echidna, die bis
zum Gefäfs Weib, unterwärts Schlange war,
f*<SoTfff:><N/0v-r<y«.ff%f^y^ ^t^ecit itfie halbjungfräU'
tichi Natter, zwiefacher Natur; und Sofoldes
CTrack, iiia) die Kentauren h^pvtt hzaßxnovti
seotraj ^- die zweiteUnge roßhufige SchaarJ
Noch bei Pindar und Aefchylus» fo viel uns
geblieben ift» erfcheint nirgends eine geflügelte'
Sfinx, Von Pindar zwar hat Prifciah nur folgen-
des Fragment (^Schneiit. p. 80) erhalten:
Der Jungfrau Räzelworc aus ungehearem Schlund..
AefchjHlus in den fieben Heerf obrem (v. 547-
564) nennt die auf einem Schilde erhobene Sfinx
sin r^hfreffendis UntMer, das unter fick einen
Xadmeier tragi;^ und in einem, Bruchftücke des
Schaufpiels Sfinx bei Ariftofanes (rom 1287 )•
Sfinx, oabäadiger Wiit, die herfchendt Hiiadiii.
Aus dem Worte Hündin allein läfst fich init
Sicherheit nichts föhliefsen » weil im Prometheus
B-4
^4 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
auch der Adler Zeus Hundf und die Greife jZms
fcharfmaulige lautlofe Hunde ^ bei Pindar Pan
der großen Mutter aüweilender Hundf und hei
Apoll onius die Harpyen Zeus Hündinnen heifsen«
Hier könnte indefi woM ein Hundeleib angedea«
tet fein.
Denn nicht nur Sofokles (Oed. T. 399)
j;iennt die Sfinx mv fff\|/^^oy ttwa, die begeißerte
Hündin; fondem der nüchterne PalSfatus (7)
giebt der kadmeifpben Sfinx den Leib einer
Hündin 9 ein Mädchenhaupt , Menfchenftimme,
und Flügel: wozu der Scholiaft de$ Sofokle$
COed.T. 1223) noch Löwenklauen , und Klearch
bei Natalis Kornes den Drachenfchwanz von Pi-
fander fügt.
Diefe Vorftellung, welche, die Flügel abge-
rechnet, leicht die Sitefte fein könnte, ward
uns in mehreren Denkmälern der Kunft , überlie«
fert. So erfcheint eine . fizepde Sfinx auf einem
Denar bei Spanheim (^num. ant. 5, 2 f. 246):.
ein Mädchenhaupt zum geflügelten. Hundeleib mit
Zizen, und aufgeringelten Schlangenfchwanz.
Auf der Münze des Augnftus (p. 245) fteht fie
mit zweideutigem geflügeltem Leibe, den fchup-
pigen Schwanz unter fich beugend, eine fpizige
Müze auf dem Haupt, Eine andere im Cabinet
de pierres antiques ( 2 ». 527 ) , mit vielbrüftigem
OHITTKR BRIEF. tf
gefl&geltetn Leib^ » woran ICIauen and Schwanns
vom. Löwen lindy b^lt eiqen Mann unter fich.
Noch eine laufende dafelbft (2 n. 617) hat Ifings
dem Bauch Brüfte, auch Handspfoten , wie' es
fcheint » und einen Drachenfchwan2. Auch die
fizende (3'»« 190% mit zwei weiblichen Brüften
und einem Drachenfchwanz , hat Leib and Fttfse
wohl eher vom Hände als vom Löwen. In der
Abbildung, die der deutfcbe Montfaucon (täb»
77 «. 9) aus Beger giebt, hat fie Weiberbrttfte
anter dem ganzen Leibe, daza Löwenklauen,
den Schweif untergekr^mmt^ and fehr kleine
FlügeL
Bei Sofokles alfo, wie bei Aefchylus, hatte
wahrfcheinlich die Sfinx einen Hundelexb. In
demfelbigen Schaufpieie (^Oed. T* 1222) nennt
Sofokles fie yxfulfmuxov va^^wvov Xf^ciu^^ay, etm
krummklauige weiffagenäe Jungfrau ^ wodurch
!|L<öwenklauen , die auch Euripides im obigen
Fragmente ihr giebt, bezeichnet fcheinen; und
(v. 516) imgo$f9»v KosQtVi ein geflügeltes Mädchen.
Gewifs mufste die mahlerifche Beilügelung fehr
häufig geworden fein, da Sofokles feine Flügel-
fcheu tiberwand.
Weniger darf von dem allbeflUgelnden Euri«
pidesi der auch die lerneifche Hyder, die Halb«
BS
A6 MYTHOLOdlSCHBR BRNkFE H. B.
fchwefter der Sfinx» mit Fitiigen annahm , der
Ausruf befremden {Phoßn. 1026):
KobSiAum igTayXf
. Da k^unft, du kamft» o geflügelte, der Erde Brut»
Und der unteren Echtdna,
Zu der Kadmeier Raub,
'JammervoH, verderbenvotf»
HalbjoDgfraa , Ktlegesgräul»
'Mit der Fitüge Sturm» ,
Und rohzerreirteuden iUann! '
©le häufigen Goldflügel bei Kuripides waren
fchon den Alten fa auffallend, da(s Plutarch
( an fini ger. resp. ) von den Freuden der Tugend
rühmt» wie fie nicht mit des Euripides goldenen
Fittigen, fondern mit jenen platonifchen und
liimmlifchen Flügeln die Seele emporheben.
Ein von Plutarch bei Stpbäus (62 j^ 4a2)
erhaltenes Bruchftück eines mir unbekannten
Dichters beweift, dafs die Mahler ihre Sfinxe
mit bunten Flügeln geziert haben :
fiRITTBK BHIBF.
»7
.' Xvay«lrfty^ «C i»$ «^C». ayr«tf7<f ffrA«««.
Bald i«hiie» am Soanenllrat wie heUes Go!^
Des U^thTer» RücImo; hM aon» Gevölk gekehrt»
. Sj^ieit^». Iris gleich» fin ^uiUoeiibiaaer Glanau
Es verfteftt ficfc^ d!aßf des Dichters EmbÄdnng
defJD Geml^faid&eii!i wenig nacbbalf.
. Am Throx^e des amyklltifchen Gottes &h
Pai)|^as (3 jp-^ ^$!7) fcboa Sfioxe in mehrerer
ZabU x>ebit einem Löweu und eisern Panther^
^uter den Reitpfeirden der Diosknsea gebildet :
die Vorfielluag einer veriorenen Kampfgefchichte
im Moxgeiüande«. Auch der Thron des Zeus in
Olympia iPauß. 5 j^. 306 > zeigte an den Vorder-p
f üfsen zw^i SfinÄ&> die attf geraubtpa Kindern
der Thebaner ftanden: vermuthlich nur als
Schreckbilder» So wie auch Euripides ( EL 470)
als HelmfcJimuek mehrere Sfinxe nüt raubv^llen
Klauen^ und die gegen den Pegafus anfpringende
ChimSEra,. befchreiht* Ob diefe willkübrlich ver*
mehrten Sfinxe den Leib vom Hunde oder vom
Löwen hatten, bleibt ungewifej geflügelt
ma&ten iie wohl fein» fonfi: hätte Paufanias es
angenoerkt*
Den fpSteren griechifchen Künftlem ward»
wie ans Aelians Thiergefchichte ( 12 > 7 und 3g)
28 MYTHOLOGISCHER B»£FE II. B«
erhellt , die g^memfte VorftelluQg das geflügelte
Löwenmädcben« So erfcfaeiot üe in den herku-
lanifchen Alterthümern . ( Tofif. 6 tab, 14. 15).
Dreifolcbe ftehn auf einem profetifchen Dreifufs
in Winkelmanns Monummti imdiü (iV. 44) nnd
anderswo > unleugbar als Andeutungen der räzeU
haften Orakelfprüehe- Leo Allatius in der
Schrift von Homers Heimat zeigt, eine Münze der
Chier, wo auf einer Seite Homer mit aufgerolle-
tem Buche fizt, und auf der anderen jene geflü-
gelte Löwin mit Mädchengeficht und Bruft'eine
Leier unter dem Fufse hält: ein Sinnbild aus
Zeiten , da die Griechen in ihrem Homer fchoh
geheime Weisheit zu enträzeln fich gewöhnt
hätten. Eine römifche Münzei fogar mit der
Infchrift AEGYPTOS, bei Spanheim (in»».
anU 5f 2 p. 245)9 it:ellt di^e griechifche Sfinx,
nicht die ägyptifche, dar.
Das ägyptifche Thierbild, ein ungeflügelter
liegender Löwenleib mit menfchlichen Oberthei-
len oder Haupt allein , welches der Grieche auch
Sfinx nannte, wie er den mendefifchen Bocksgott
und apdere mit einheimifchen Gottheiten verglich,
bleibt den Forfchern der ägyptifchen Symbole
anheim geftellt. Spanheim fagt (5 • 2 jt7. 241),
man finde die liis als Löwih mit weiblichem
Haupt au£ ägyptifchen Münzen. Von dieür
DRITTER BRIEF. 39
ibgenannten Siinx giebt der deutfcbe Montfaucon
(toft. 7 7), zwei Abbildungen aus BoiiTard und
Beger, wo allein das Haupt mit bedecktem Haar
weiblich ift. Am Sonnenobelisk des römifchen
Marsfeldes i^Monum. ined. N, 7g) hat iie auck
Weiberarme. Winkelmapn bezeugt es.feib auch
bärtige Siinxmänner der ägyptifchen Sinnbildnerei
übrig 9 felbft weibliche mit männlichen (je-
fchlechtstheilen» die man fürHerodots ayi^o^^tyygQ
ausgebe; auch eine bekleidete. Die Deutung der
Androffinxef deren grammatifche Form ja den
Hippokentauren , Aegipanen und mehreren
folchen entfpricht,. möchte ich fo wenig verbür-
gen/ als dafs auch die Griechen männliche
Sfinxe deswegen gehabt, weU räuberifche
Männer bei Athenäus (6^ 15; 14, 22)
Sfinxe gefcholten werden.
Zu den wildeften Ausfcbweifung^n der
griechifchen Kunft gehört die Geftalt der Sfinx^
wie Lykofirons Scholiaft (v. 7) fie befchreibt:
Torn ein Löwe, hinten ein. Menfch, mit Greifs«
Uanen und Adlersflügeln; und wofern Winkel-
inann fie richtig benennt, eine Sfinx , die hinten
em Pferd ift. Solch ein Unwefen von willkühr-
lieber Zufammenfezung finde ich auch in dem
Cabinet dt pkms antiques (7. 3 n. 62): ein
knfendes Roft mk meofchlichem Geficht und
30 MYTHOLOiSISCHKR BRIEFE IL B.
und Greifsklaaen, ohtie FlUgeK Zwei mit
jungMaüchem Gefleht und Brüften, mit vorderen
Löwe&klauen, und eitiem geringelten Fifch-
fchwaoZ) enchieneti bei üßliori (^^^r, ^) ^f
den Waadgemählden eines GrabmaU
IV.
Wir kommen zu den Göttergeftalten , wodurch
geiftige Begriffe verfinnlicht wurden, Diefen, die
gröfstentheils jünger als Homer find, bildete
inan häufig. Fittige, um Flüchtigkeit, Schnelle
und Erhabenheit zu bezeichnen. •
Geflügelt ift Eros^ nicht nur jener uralte der
Weltfchöpfung bei Arittofanes (ai;. 697);
fondern auch der fchalkhafte Sohn der Afrodke
fchon bei Anakreon {3, 18), mit gold-
rchimmemden Fittigen (jfr. 107). Nach Euri*.
pides von Zeus tind* Afrodite gezeugt ( ffipf*
534) fliegt er, der buntgeflögelte (v, 1270),
von Gold fchirnnrernd. Über das Land und -di*
falzige Flut In dem euftathifcben Rofnah
i Ismen, a) flnd ihm die Ffi&e Uo^rrfftv» gant
Ftügei. ' '■' -
Seine Geliebte P/ydif« init -Schm^berling»»
fiUgeln, ein Sinnbild der Seeie^i ift^aus Ap.i4?juf
VIERTER BRIEF. gl
und Falgentius bekannt; Nadi Martianns
Kapella. (^nupt. fhil. i) war fie Tochter des
Sonnengottes nnd der Endelecheia oder Ente-
lecheia, das ift, der Stetigkeit oder Strebekraft;
Die fchöne, auf Unfterblichkeit deutende
Allegorie gewann durch den Doppellinn .des
Wortes ^vxn 9 Seele und Schmetterling.
Eine geflügelte AfroditB' meint Winkelmanii
hei Euripides iHipp. 563 ) zu erkennen, wo fie
^t?it99a o!m m tMinraTott WH eine Bkn» umher*
fliegt» Cuper fand fie auf einer Gemme bei
Leonard Ai^uftini (ifXis), und anderswo«.
Im Cabinet de pierres antiques (a s. .531) er«
fcheint eine geflügelte Göttin, gekränzt und die
Harfe fpielend, mit der Auffchrift Venus; ein
Amor hält einen weiblichen Oberleib, worüber
^ocus fteht. Der verdeutfchte Montfaocott
iiah. 21. ^. I. i) zeigt zwei geflügelte Weiber
bei Maffei als die urariifche Venus an: die erfte
bekleidete, eine Weltkugel haltend, vor welcher
ein Schmetterling über einer brennenden Fackel
fchwebt; die andere mit zurückfliegendem Ge-
wände, die einem Amor ein Armband reicht.
Niki fliegt bei Ariftofanes («tf» 574) mVt
goldenen Schwingen, die dem mutwUligen
Eros ein Götterfpruch abnahm, daa)it er nicht in
den Himmel zurückfliegen könnte (^Ariflophoä
ä* MYTHOLOGISCHER BRIEFE II, B.
I
tip. Athen. 13 , 2. Euß. IL 14 p. 979)- Sie
ferhielt alfo die Flügel fpäter als Eros.
Weil, Athens Schu25göttin Pallas Athene den
Beinamen Nike führte (£f<r. Ion. 1529. Pauf. %
p. 79), fo ward auch diefe mitriügeln vorgeftellt
{Ion. 460. Kuß. IL II p. 879)5 nach Winkel-
manns Meinung fchon bei Aefchylus {Eum. 1004)9
wo doch unter den Flügeln der Pallas fein 9 nur
das biblifthe Bild einer Gluckhenne fein möchte.
Ih Frörhlichs Notitia numifmaium {tat. 8 «• 10)
fehn wir auf einer goldenen Münze ' des Agatho»
kies diefe fiegende Pallas mit Flügeln; fie trägt
Helm und Schild ,' und wirft die Lanze ; vor ihr
' fteht die Eule. Indefs auch eine ungefltLgelUi
Nike {Pauf. i p. 39; 37?. 189; 5 P- 34»)
Verehrten die Athener, dieftets bleibende anzu-
deuten.
Von der rhamnufifchen Nemefis des Phidias
fagt Paufanias (i p. 63): ** Flügel hat weder
<< diefe Nemefis, noch eine andere der alten
"Abbildungen. Bei den Smyrnäern fknd ich
«nachmals ihre heiligften Bildniffe geflügelt;
«denn fie behaupten, die Göttin äufeere fich .
«* vorzüglich in der Liebe, daher fie ihr, wie
f'dem Eros, Fittige verliehn.,, Philorfrat {ep. 19 J
warnt einen Jühgling: Eros und Nemefis fein
Uzige Götter, und wandelbar^
VIERTER BRIEF« gj
Der rauchenden Diki BeflOgelung zeigt: Cuper
beim Sofiften Aeneäs (ep. penutU'); nnd im Pin-
dar (Pyth. & Nem.): weichesiezte ein IrrChom
ilL Dagegen finden wir iie bei Eratofthenes
Ccat 9) im Sternbilde der Jungfrau. Schon
Hefiodus kannte üe als Tochter des Zeus nnd der
Themis; aber gewifs nahm er das Sternbild flü-
gellos, famt denen, die es für Demeter anfahn» '
Die Schamhaftigkeit glaubt Winkelmann
iMon. ined. N. 26) in d<3r geflügelten Göttin za
erkennen» die, von einem knieenden halbnack«
ten Weibe mit, einem Fruchtkorbe, woraus ein
Phalfus hervorragt, am Zipfel des Gürtels gefaiS^
eilfertig entflieht
Die Friedensgöttin Eirene f wie Cuper von
Antonius Auguftinus QDial> a) lernte, erfcheint
auf lokrifchen Münzen fi^send mit Flügeln und
einem Friedensftab; eben fo auf einer Münze des
Kiaudius. Bei la ChaufTe, welche Abbildung im
deutfchen Montfaucon (tob. 39 ff. 5) mitgetheil^
wird, fteht iie geflügelt, den Schlangenftab in
der Hand, vor fich eine Schlange^ als Zeichen
der Klugheit.
Nomos^ welchen die Nacht ans fich felber ge«
bahr (Ä?/. Theog. 014), hat Flügel in einem Epi-
gramm des Komikers Alcäus (^Anth. r, 11, 4):
C
34 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B#
Mttfiu A«i4/>f?«« 9^t<pt/^i 5rTffi/y«c*
tt allein im geweihten Profetettchor Dionyfos
Konnte vor Momos daher faafenden Schwingen ent«-
' fiiehtt«
Von der Tyche oder Fortuna meldet Platarch
(idefort. Rom^)9 fie habe, um in Rom zn blei-
ben r die Flügel und die. Schwungfolen abgelegt,
und die unfichere rollende Kugel verlaffen* Mit
Flügeln fand fie Cuper auf mehreren Münzen
bei Suarefius und Kircher.
Den Plutos oder Reichthum , welcHen Deme-
ter dem Mos gebahr (^Uef. Th. 969), beflügelt
Euripides in diefem Fragmente der Inö:
t
Auf Flögeln hebt fich Plutos: wo er war vordem.
Die feh ich von der Höhe der Hofuungen umgcßüriJt
So ftellten ihn, wie PhÜoftrat {icon. 2, ä8)
lehret, dieRhodier in ihrer Burg auf, den Gold*
regen aöÄüdeuten , der nach Athenens Geburt fie
befeligte* Der Gott ift, fagt er, mit Flügeln
gemahlt. Wie aus den Wölken kommend, gol-
den, wegen der Materie, worin er erfchien,
und fehend, Weil er aus Vorfaz kam.
VIERTER BRIEF* 35
. Auc^ die Bofnungm^ im Gefolge defTycli«,
\t\€ es fcheiöt, find geflügelt in einem Bruch«
^ücke des Enripides bei Stob^us (^mot. CX
Oedogelte dort verfolgt ctu» Sohii« die tiöfnUMgeDt
* Kicht dich ^^ Gläckt die Cöttin hält iiich; fteteti Gang.
Den Schlaff der bei Homef mit der Here 2U
\tuCs durch Walter und Luft wandelt, beflügelt
Öiiomakritus CArg. 1009) mit goldenen Schwin«
gen; auch Kallimachus (//. in DW. 2)4), im«
gleichen TibuU (2 £/. i, 89); tind an Füfsen
und Schläfen fisugleich Statins (^Theb. tö, 131):
wobei Leiling in der Abhandlung Vom Tode
CS. 30) fich Flügel an Hut und Solen z\x denken
Wünfcht.
, Des Schlafes Bruder » den Todf erkeÄtit Ho«
t2iZ {^ Sau I) 58) mit fch warben Fictigen; defl
felbigen, unter dem gelinden Namen 1 da« geflu«
gelte Schkkfal (a Od. 17, 214.)* So auch meh-
rere Denkmäler in Leffings berühmter Ab«
handlung.
Der beilfam« Tfäüm bei&t im orfifchen
Hymnus (85> 1} fätm^ttt^^^ breitfckwMgig ;
Ca
^ MVTHOLOGISCH&R BRISlFE II. &,
bd Eiirlpidcs iHec. 71) find die Träunre üWr*
hawpt fchwafzgeflügelt; utid bei TibuH i^i EU
j y «po) fnftchen fie wankende Liiftfc)»*itte. Eben
davon, der menfchliche Gewalten nacbahmte,
JUorfeuSf der Bildner» genannt, fchildert Ovld
(Mrt. II, 650): •
J/te «a/at, w«flox fltepitHt facientibns alif^
Jener entflog im \^ehn der geräufchlos glekenden Flügd»
Die Tffg^fii» die Statins (7%^^. 10, 640)
thachtig einherfchreiten läfst, hebt bei Hora2 .
<3 Vd. 3, 23) ihre Erkohreaen zur ünfterblich-
kelt gen Himmel :
CcrtKTfKe 'Vulgares , & uäain
Spemk humum fugisnte fentuk
Vom Schwärm des Volks, and feachtem Erdreich»
/ Schwingt fie wrachtend Ynrpor den Flttlg.
Karos f der Gott der GetigenluUf war von
Lyfippos gebildet, als fchöner Jüngling, mit den
Spizen der geflügelten Füfse auf einer Kugel
flehend, das Haupt vorn behaart, hinten kaM,
in, der Rechten einScheermeffer, in der Linken
eine Wage (^Callißr. 6. AnthoU 4, 14. Hirn.
tcU 14, i).
Der Zeitgott Chronos oder Kranos erlbheint
auf. einem Chalcedonier bei Sandrart (Teutfche
J^kad^. a, A p^ 25) tmt Sqbiilterflllgelo» die FfiOe
mit einem Seile verbaadeii^ auf einen «:weizab-
nigenKarft üßh ftOaend; geflügelt auch anf eifier
laUnze deis Herakleer bei Cnper, und auf der
arcbelaifchen Vei^ttei^ung Homersw ^
Da(s Ich Hm^zecs geflügeltfiEi Tag C^^* 3»*^ ;
4r I3.>. aidit vergeiTe». dea Soha der Nacbt^
£:hon in ECeiiods Theogonie. Einen geflügelten
Autuwnut gewiüirt Sandrart (JH. Akad.. z^ z
Auch T^^^^^ron* ETefiodt»^ (Lb. 764) alk
Götti» erkamity und ip Athen veiiehrt iPaußt
f. 29«>, ift bei VivgU:' (^tm^ 4^ s8o> an F^fseä -
geichwlnd' und hortigea Flttgeki; inagleicben bei
Nonnus CI^&^ i}«^ Selbft die iii/ofmoc Jäfst Siliw
. (15^ j^i mit fcbwarzem Qpfieder, prangen.
Hlezu dus vielfache Heer geflügdter Genim^
womit bald befondere^ bald aUgem^ine Mächte
der Erzeugung» auch: myftifqhe^ bald wiedepo^
zugegeben« Begleiter der Hauptge^tter gemeiafc
werden«.
Hiezu endlich die linnbitdlTcKen ITngeheneF^
der Myftiker; Zeusy aTs Weltgeift^ deffen All-
gegenwart Ftttige bezeichneten (OrpH.fr. 6,35).
Chrono^ oder Herakles 9. eiD Drache mit Häuptern
vom Stier und Lüwen^ in der Mitte eines Gottes
3-8 IäYTHOLOGISCHER BRifeFE;. II, B,
*Antfi2 XDamafCn princ. 13), Der vierSugigie
fihaues lAit goldenen Fittigen (OrpÄ, fr. p, 405),
ein * anderes unförmliches Sinnbild der Natur,
Aach der mit ihm vermiiTchte Priapus der Myfti*
ker bei Said9$ \ nnd niehrere diefer Art,
; Näcbften« von geifterhebonden Fittigen, die
vleUeicbt fcboo manchem der obigen asukommenv
V.
Clbne daran zu ztmfeln, wenn ich bitten darf!
Auch Geifteserbebang ward von den KUnftlerDji
obgleich feitener» ;durch Fittige bezeichnet,
Wä^ hätten fie denn wohl anders bei den
"ifSufen und Sirenen gedacht , welche Porphyrius
pns znerft unter den geflügelten Gottbeitenf auf-*
»«biet?
Haren Sie doch, wie der lauttönende Hime^
rlua (an 14, 27) feine Göttinnen ^ die Mufe»^
anredet; «O Zeus Töchter, kommt, kommt,
**ihr goldgeflügelten Mufenj denn ea wandelt
^<mich. an, auch poetifch -euch anzurufen!,.
Aus älteren Dichtern alfo entlehnte der Maim
fein poetiibhea Beiwort ;^f vwarT«^ vyfli%
Von griechifchen Vorgängern lernte auch
Ovidi da& die Mufen ihre Fittige nach Gefallen
FÜNFTER BRIEF. '39
nahmen und ablegten; da fie (Afff. 5, 288)
dei* gedroheten Gewalt fumtis aliSf mit genomtne-
nen FUügen , entflohn. Winkelmann ( Mon.
ined. p*3) ftnd an mehreren Gottheiten die
Fitigel mit Binden, die fich über der Bruft kreu-
zen, an die Schultern gefügt.
Andere, nach Eoftathius (//.it^ox) und
Stefanus vx)n Byzanz (Asrrefa), gaben den Mufen
nur einen Hauptfchmuck von Federn , die iie den
im Gefang überwundenen Sirenen follten geraubt
haben; und au$ diefer fo fpXten Befiederung,
denn geflügelte Sirenen erkennt erft Euripides,
gllaubten Iie die geflügelten fTortc bei Homer
zu erklären. In der juftinianifchen Gallerie
(Deutfeh, Montf. tob. I2 n. 11) ift Apollo mit
den neuen Mufen vorgeftellt, von welchen die
komifche und die tragifche , Thalia und Melpo-
jpene, eine Feder, wie nach der neulieben Mode '
unferer Damen, auf dem geordneten Haare tra-
gen. Den Mufen, fagtKafliodor (4, 51), wer-
den Spizen von leichten Federn deshalb an die
Stirne gemablt, weil ihr Geift, mit fchnellen
Gedanken auffliegend 1 die erhabenften Dinge
anfchauet«
Die tonreichen Sirenen find, wie Euftathius
(Odyfl', 13, 39) bemerkt, bei Homer und eini-
gen anderen nur zwei ungeflügelte Jungfraun:
I C 4
4P MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B«
^zwei, denn Homer (v. ga, 167) nenne fie in der
zweifachen Zahl; upgeiltigelt, denn fonft würden
fie den Qdyffeos ycrfolgt haben. Sie waren zwar
Göttinnen , aber von niedriger Art , wie Kirke
und Kalypfo, die ihre Wohnfize nicht verliefsen;
obgleich fie dort mit übermenfchlicher Leichtig«
keit (Odyff. ro, 571), und nach Gefallen wh
fichtbar, wandelten.
2a den anderen Dichtem, die mit Homer
Lierin einftimmten, gehört wohl vorzi^Iich
Hefiodös. Eratofthenes iStrab. I p-5t3) fagt^
Hefiodas gedenke, in der Irrfahrt des Odyffeus
* um die dunkel bekai;inten Weftg^enden, nicht
aur der von Honier befangenen Oerter, fondera
auch des Aetna, und der Infel Ortygia vor Syra-
kos, und der Tyrrhener. Aus der hefiodifchen
Erzählung von den Surenen hat der Scholiaft des
ApoUonius (4, 89a) den Vers aufbewahrt:
Za der blühenden Infel, wo jenen gewährt der Kronide.
Der Scholiaft hält das Beiwort Anthemoejfa für
.den Namen der Sireneninfel, wofür Spätere es
annahmen: mir fcheint Hefiodas die blühende
Wiefe der homerifchen Sireneninfel (Odyfl:
3^> '59) 2ai bezeichnen. Noch meldet Hortiers
Scholiaft (V. 168), dafs bei Hefiodqs der Sire-
VtlKFTEK BRIEP^ ^ 4I
^engefimg die Winden g^ftült habe. Die Namett
jder beiden l^ralten Sirenen» die Eaftatbius oder
jder ausg^fcbriebene Alexandriner bei Homers
gleichftimmigen Nachfolgern fand » wpkven /IglM»
femi und Thetxiepeiaf das ift, Bellton und ^am^
bemäe. Er fügt hinzu» dafs fie vor Schmer2s;r
den OdyfTeus allein vorbeifchifien zn fehn, fich
ins Meer gefturzt, und an die gleichnämigexi
Oerter au^elpült worden»
Nomer üzt ihre Abftammnng als bekannt
▼orans;. Die folgenden , die ihre Geftalt^ Zahl^
Kamen nnd Wobnfiz veränderten , machten iie»
wie £u(lathiu&» ApoUodor^ Hygin» Theony
LykofroGs Scboliaft und andere melden , ge«
VfOhnlick zn Tticlitem de& Stromgottes . Äcfae*
I00&» bald von Sterope» Amythaons Tochter»
bald von der Mufe Terpfichore oder lAelpomene»
bald ans dem Blute ^ welches vom zerbrochenen
Hörne des Acheloos im Kampfe mit Herakles, aof
die Erde flol& Vielleicht dafs Ichon Euripides
(ffrf. 167) in Ruckficht auf die lez|:e Fabel fie
TächtiT der Erde nennt» Sofokles in einem
Fragmente beiPlutarcb iSymf. 9^ 14) läfet dea
Odyfleus iagen^ er fei den Sirenen genaht j»
Des ForkiQj Töcbteni, der des H»de$ Gefez* erkenaL
CS
42 MYTHOLöaiSCHER BRIBFE II. B.
Dies könnte leicht die ältere der erhaltenen
Stammtafeln fein, wo nicht gar die verhorne*
rifche, - In dem Leben des Sofokles wird ange»-
merkt I da& er in den Fabeln meift dem Homeir
folge.
Dem Verfaffer der orfifchen Argonautik
(v, 1262) iizen die Sirenen» man fieht nicht
wie viele, ohnfern dem ftrudelnden Geftade: des
Aetna, auf einem vorragenden Fels, durch ver-
derblichen Gefang die Argonauten heranlockend»
Aber OrfeuS' fingt in feine Laute, ein erhabenes
Lied, welches den Zauber bändiget (v, 1281^:
" Km i* ^ fMV Awrtfc, ^ l* ai/ x^^^ fxßofAe X^'f****
A«vflS i* eevewecx^^^» ^^^' vFQtiiQQ i^ü ^vygoQ
'£( ßv^ov hcHtvffxv aMffiO^foto ^etfiotcffifi'
Sq hoo tönte mein Spiels und herab vom fchneeigeQ
Felfen
Sahn die Seirenen erftaant, des eigenen {.iedes vergeflend«
piefe warf die flöten hinv^^eg, und jene di? Leier;
Schwer dann feu&ten üe aufs denn es kaiii ihr grau(e<
Verhängnis,
Tragend befchiedenea Tod 4 nnd vom zackigen Hang
dei GeWSfte«
Scht^angen 0e üch tor Tiefi$' du ftbaiifltradeliiden
Meero» . ;
Felfei) : crfcbieueii flc nun an Cetttdt tmi foFchtbttrcr
BUdtitig,
Dem Odjrffeus konnten diefe verfteih^rten Sirenen
am ätnäifchen Geftade nicht mehr gefährlich
fein. Für ihn alfo mufste der Argonautiker noch
andere im tyrrhenifcben Meere annehmen,
Plato im zehnten Bnche der Republik erdichtet
acht Sirenen, die, auf den acht Kreifen de^ Him-
mels umhergetragen , zufammen die Sf ärenhar-
monie anftimmen : wofür andere ( Macr. Somn.
Scip. 2 9 3* Mart. Cap* nupt Phil, i ) die neun
Mufen wählten* Von diefer Erdichtung kommt
es wohl, dafs im rhetorifcben Lexikon, wie
Euftathius bezeugt, der Name 5ir«i^ durch Sterne
erkllirt, und mit s;«<fi0c zu einem Stänomworte,
^ftfifVi teuchtens gerechnet ward« Um dachte fich
jezt den Sirenengefang hiiufig nur reizend , und
vergafs der Schädlichkeit, Paiifanias (i p, 36)
erzählt; als Sofokles ftarb, waren die Lacedä-
monier in» Attika eingefallen; da erfchien dem
Feldherrn im Traum Diony fos, und gebot , mit
allen Ehren, die Todten gebührt , die neue
Sirene zu ehren : welches der erwachende von
Sofokles verftarid. Wir pflegen , fagt Paufunias,
noch jezt in Gedichten und Reden , was einnimt,
^ JttTTHatOdlSCHER BRIEFE II.B..
t ,
icin^ i&»ite 2B vergleichen. Einige melden
auch» fagtderLeb^Qsbefchreibery man habe auf
ieii^ Grab eine Sirene geftelit; andere > eine
Schwalbe von ÜjrZt Dafs auf des Redners Ifo-
krates Grabmale eine fingende Sirene ftand»
bezeugen Plutarch und Philoftrat. Spätere
Beiipiele, wo Sirenen unfchädliche Ueberreduug
andeuten » übergehe ich, und bemerke nur; da(s
noch bei Kolumella ( lo , 263 ) die Acheloiden
<sefthrtiaeien der pegafifchen Mufbn find.
Als die Sirene^ zuerft Sinnbilder der Sf ären^
Wmonie und des 2^ubers in Gelang und Rede
wurden, konnten fie noch nicht zu Ungeheuern
entftellt worden fein. Höchftens erfthienen fie
mit Fittigen, die der Bildner » den Schwung
ihrer Begeifterung anzudeuten, einführte. Sa
nahm fie Euripides ( Utl. 166) ;
Ö ihr gcüngelteii Mägdelefiv
' Jaogfräoliclie JErdentöchtcr,
Seireiieii^ möchtet ihr mir
Annahn, in der Hand dea fib^fchca
Loto(» oder Syringeu t
FÜNFTER BRIEF. 45
Und in dem Fragtronte (^CLIF) bei Klement
(ffr. 4 p. 543) erkennt er an ihnen fchöne
Schwungfolen, die nicht mit VogelfUfsen ver-
einbar find:
Xfvvtat iif IUI 9rrggvYE( itift w»rai xa#
Ha! goldeae ^Fittige mir am den Rucken
Und 4^^ lieblichen Solen der Seirenen gefngti
Dafs ich vrandle zom weiten Aether
Erhöht« in Zeus Gemeinrchaftl
Aber nicht lange dauerte es, dafs die KQnftler
den geflügelten Sirenen auch Vog^üise, wie
den neageftaketen Harpyen, vermntMich alg
Bezeichnung ihrer fchädlichen Natur, zu bilden
anfingen. Weshalb Lykofton (v, 653) fie
karpyenfüßige Nachtigaüm nennt.
Wir haben das Fragment des Komikers
Anaxilas ans AthenStus (13, x) fchon oben bei
Betrachtung der Harpyen genuzt, wo die
Sirenen zuerft als gefiederte Weiber mit AmfeU
beinen vorgeftellt werden. Natalis Komes ver-'
fiebert, die VogelfBfse der Sirenen auch bei dem-
gleichzeitigen Komiker Tfaeopomp gefanden zU
haben: welches dem redlichen Manne zu be*
46 MYTHOLOaiSCHrfilA BRlBFfi ll.fi.
aweifeln liart fein würde« Schade um die
Alterthumskutide» dafs fo viele Scbolien, Voll
fielefenheit in Verloreüen Scbrif tftellero » tioch
immer der zerftöretiden Zeit au^efe^t bleiben»
Apollonius, (4» gpi) feist die Sirenen» Von
Acheloos und Terpfichore erzeugt > auf die
blühende tnfel des Heliodusi und folgt» mit
anderen Vorgängern Ovids (.Met. 5, 55^) und
Hygins(/fl*. 141 ),. der fpäteren Fabel, fie fein
vormals Nymfen im Gefolge der Perfefone auf
Silielien geWefen:
* ■ ■ « " — ' tptt i* aXko puv ättivotttv^
AAAo ^c 9r«f^fVix^c tvaXtyntat €9mv t^iff^ai,
. M ,. .^ ., .,,>». — ' >• .. j«t theils hochflieg«t](!eti VogeUi,
Theili jungfräuliche^ Mädchen von Anfehn ^arenifie
fifanlich*
• Das Wort ütmoi bedeutet hochfliegendie Raub-
Vögel, die dem Wahrfager Kunde aus den Höhen
des Himmels brachten. Hygin meldet, die
Sirenen fein nach Entführung der Perfefone
umherirrend 2um Lande ApoUons gekommen»
und dort von Ceres in Geflügel Verwandelt
X^orden. Die Sage entftand alfo , da noch Italien^
mit dem übrigen Weftlande Äufammengedrängt,
Von Hyperboreern» den Lieblingen ApoUons,
bewohnt fbhieil*
FÜNFTSR BRIEPi 47
Suidas g^e>t den Sirenen die unteren Theile
vom Strauft; Hyginus {fab. ifiS) ^ota Huhn;
und Fulgentms (2) deutet aus den Huhnerfiifiieii
das artige Philofophema 9 dafs die Leidenfchaft
der Wolluft alles, was fie.befizt» faerumftreue»
wie ein fcharrendes Huhn«
Auf einer MUn^e von Neapolis be! Spanheim
Cnumifm. ant. 5> 3) fleht die Sirene Parthenope,
eine Pfeife, blafend, ein geflügeltes Weib mit
eines Vbgels Beinen und Schwann. Eine
ähnliche mit nachfliegendem Gewände und 2wei
Pfeifen in den Händen , betrübt naeh der Mufe
fleh umfehend, die den einen Flügel ihr rupft,
ift bei Winkelmann CMoH» ined. N. 46) abge«»
Seichnet»
Sogar mit Männchen verfahn die fpäterett
Künftler ihre verbildeten Sirenen. Ein folchef
Sirenenmann fleht auf einer Gemme in dem
Cabinet de pierres antiques (PL 230. n. 482):
über den Hüften gan2 Menfch , gekränzt und
bärtig, in den Händen eine Lyra mit liebea
Saiten, unterwärts Hahn, an Flügeln^ Füfsen
und aufwallendem Schweif; über ihm ein Stern«
Der Schazifche Montfaucon ( Tab. 42) gewährt
einen etwas verfcbiedenen , der,^ geflügelt an d^n
Schultern, ohne Schweif, eine Lyra hält*
48 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B. ^
Von allen diefen Veränderungen der Sirenen*
geftalt ahndete dem Herrn Heyne gar nichts.
Die Tpätefte Bildung ift ihm befiändig das uralte
peksgifche Symbol voll verdeckter Natur-
philofophie.
Beim ApoUodor war er, wie gewöhnlich,
mit Citaten befchäftigtt die er, ohne imtner zu
lefen, getroft abfchrieb. ^ So wundert er fich
f. ii3f woher Libanius ^Narr. 28) es habe,
dafs die Sirenen aus dem ; Blute von dem abge-
brochenen Hörne des Acheloos entftanden fein;
und weifs nicht, dafs Euftathius, den er p, 37
citirte, das felbige aus den Alten erzählt Beim
TibuU (4, I, 69') berichteter, vob den Sirenen,
deren Mädchengeftalt in einen Vogel fich endige,
habe Broukhufius vieles zufammengehäuft, wo-
mit man den Bochart vergleichen könne, und
Seine Anmerkung zum Virgil (^Am. 5, 864 >
Und was hat er da angemerkt? Etwas über dea
Sirenentempel auf der furrentinifchen Landfplze,
wovon in den Wunderfagen, die man dem
Ariftoteles beilegt, auch im Stefanus und.
Strabo, Erwähnung gefchteht Hiebel lehret er
folgendes:
*^ Teneant adeUfanies^. « , Sirenes fymbolica
^ffeciif eaque antiquißmai effe effiSas^ cultas*'
**que tempiö & fücrisin ipfi protH^nt^h* ,,
FÜNFTER BRIEF. 49
Welche iltefte lymboUrdie Geftalt meint der
Belebrer ? Gewib wohl keine andere, als die der
Halbvögel, die erft nach Eoripides von den
Bildnern beliebt wurde. Quod ne tmeat ado^
tefcentis! Woher weifser auch, dafa unter diefer
Geftalt die Sirenen dort aufgeftellt waren?
Es ift wahr, Herr Heyne lälst fich feiten
einmal auf ErkUrung alter Gottheiten ein; aber
fo oft er es tbut» tröftet er dadurch, dafii er
falfch erklärt.
VI.
ich ftehe bei mir an, ob Patas Atkim mit ge^
fiügelten Fursfolen, die Tochter des Giganteta
Pallas, an der Geiftesbeflügelung Theil habe.
Aus einem Gigantenkampfe des Q)fiteren Älter*
thnms, wie es fcheint, haben Cicero (^KaL
Dtor. 3, 59) und tykofirons Scholiaft (v. 354)
die Fabel entlehnt, dafs fie ihren unzUchtigen
Vater ermordete, feine Haut als Aegide fich
umwarf, und die Fittige an die Fü(se band.
Die Jagend der Fabel wird fcbon an den
himmelftUrmenden Giganten und an der Beflfige*
Inng erkannt. Auch daran, da& Pallas Athene^.
D
50 laVTHOLOGISCHER BRIEFE II« B.
die bei Homer wohl mit Zeus Aegis , als Ärm«
fchilde, fich wafnet, hier bereits «ine «igene
Aegis fuhrt, und zwar (ApoUod, r, 6, 2).al^
Brufth^mifch. Diefe bruftbedecicende Aegis
fchien einigen mit der Qöttin gebohren , wie
dem Steiichorus beim Scholiaften des Apollontus
(4> 1310)» ^öd dem Chryfippus bei Galenns (rf«
Hippocr» & Plat. dogm»^; dem Euripides
(fo», 995) wir fle die Haut der Medufa; und
änderen, die fie zur Tochter des Pallas fabelten»
die Haut ihres Vaters.
Vielleicht wollte ein Bildner durch die Fufs-
flUgel eine vorragende Tugend der kriegrifchen
Pallas andeuten, ihren erhabenen Mut, ihre be-
hende Erfihdungskraft ; und eigenmächtig er-
klärte der fpätere Dichter fie für erbeutete Flügel
eines der Giganten, denen die Kunft nur als
attffcfawebenden Himmelsftürmern fie verlieha
hatte.
An des geift^fhebenden Dienyfos Beflugelung
läfst Paufanias kaum zweifeln. "In Amyklä, ,^
fagt er (3 />. 199), "verehren fie vorzüglich
"d^n Gott Amykläos (den Apollon), und den
**Dionyfos, den fie fehr treffend, Xvie mirs .
'^fcheint, Pf%las nennen: denn 4//a« find den Do* ^
<^riern Fittige; die Menfchen aber erhebt der*
SECHSTER BRIEF. ' 51
«Wein, und fchwingt den Gedanken empor, nicht
"weniger, als den Vogel der Fittig. „ *)
Ein Wunder, wenn den treffenden Gedanken
eines gefittigten Dionyfos kein Künftler verfinn-
licht hätte. Ward doch der Herotdsfiab dea
Hermes, ein Sinnbild der üeberredung, beflü-
gelt ; und auf einer katanifchen Münze bei Cuper
Qjlpoth. Hom. f* 44) «in Zepter; auch auf einer
agrigentinifchen QSic. vet. num. T. 8. n. 17)
ein profetifcher Dreifuß. So fuchte ich , und
fprach mit mir felbft. Endlich unter den herku-
lanifchen Alterthümern (^Tom. 5. tab. 7) fand
ich ein ehernes Bruftbild des Bacchus^ mit
doldigem Efeukranz, emer Stirnbinde, und
Flügehi.
Selbft die Gflnftllnge des begeifternden Bac-
chus, die Dichter 9 welche Horaz carminis aUtes
des Liedes Geflügelte nennt (i Orf. 6), erhielten
zum Siegspreife des feierlichen Wettgefangs eine
geflügelte Befchuhung. Diefen Gebrauch feiner
Zeit fezt der Orfiker Onomakritus in das heroi-
♦)««Diefe Erklärung,,, ftgt Herr Heyne QAnt. Auff.
1 S. 80), "ift mehr wizig, als im Gciüe des Alter-
•<thain$ gefafst; denn in der altern Zeic wurden alle
«Gottheiten mit Flegeln Torgeftellt. „ Schweige doch
Er gegen einen Paufaniiu vom Geifte des Alterthnmi l
Da
53 MYTHOLOGISCHER BRIEFE XI. B«
fche Altertbntn zartick , und isrst dem Orfeus
zum Ehrenlohn des Gefanges von lafon darbieten
(.Ag^ 590S
Edle Bclchohaiig von Gold mit ansgebreiceten Flögelju
Denn Bifchuhtmg, nicht ein Hnzetuer Sckuhp
iftbier ffc/3ac> wie b.ei Herodot (2, 9i).emittJuovt
und anderswo TtitAsv. Die Schuhe der bacchifchen
Tragödie waren, wie Poliux meldet, Kothurne»
und Embaden von tbrakifcber Erfindung, an
(ieftalt niedrigen Kothurnen gleich«
Auf dem Helikon, lehrt uns Kalliftratua
(yla^. 7), ftand im Mufenbaine das Bildnis des
Orfeus, auf dem Haupt eine perfifche Tiare mit
Gold durchwirkt, um den Leibrock einen golde*
Ben Gurt, den Mantel bis zu den Knöcheln ge«
fenkt, und die Befchuhung, vthAoy^ vom gelbe-
ften Golde blühend. Ich müfste mich fehr irren,
wenn nicht diefe goldenen Solen, als Nachbild
der erhebenden Götterfolen, den erhabenen
Schwung feines Gefanges bez^chneten.
Und was wollen wir ? Unter den Gemähldqu
in Athen fand Paufanias (i f. 39) einen MufSos
merkwürdig, der, aUen Liidim getxAts 9 fliegend
erfchien durch des Boreas Gefchenk. Da fehen
SECHSTER BRIEF. 53
wir klar, wie es mit der metfteo BeflSgelang
zuging. Die Xlteften Dichter» wie die neoefteiv
gaben dem heftigen Schwünge, des Leibes fo\ ohl
als des tieiftes, den bildlichen Ausdruck des lU«
ges; der Mahler kam, und mahlte die Metafer:
und nun wurden aus figürlichen Flügeln unver«
merkt eigentliche. Es kann gerne fein, dafs auf
manchem Gemäblde der.Tohen Kunft auch die
g^fi^g^i^^ If^orte dem Redenden als eine geflü-
gelte Schrift aus dem Munde hingen. Wenig-
ftens hStte Uz, wie er mit fonnenrothem Antliz
2ur Gottheit fliegt, fich dem llahler des Alter-
thums bequemen mttflen, ein Paar purpurner,
mit Gold verbrämter Fittige zu entfalten.
Das Bild des poetifchen Fluges war, zumal
unter den Lyrikern, fehr gangbar. Ariftofanes
In den Vögeln fpottet der tuftfliegendiu Dühy^
rambinfänger ; wobei er eine von Hefäftion und
dem Scholiaften (av. 137a) erhaltene SteUe
Anakreons ins Komifche verdreht:
Ha zo dem Olymp flieg* ich empor ichwebend auf
leichten Flügeln,
Durch das Geichenk des Eros.
D3
54 MYTHOtibGISCHER BRIEJ^E 11. B.
Pratinas, der mit Aefchylus wetteiferte, ge-
währt uns in einem Chorgefange bei Athenäus
(14, 2 f. 617):
Vielfacbgeflügelce Melodie der ^^eHUige.
Und ein Lyriker bei demfelbien (141 8.p*^}:
MeAfff iieÄtrroTTtfUTX MüffoiVf
Bieiiengeflügelte Melodien der Mafen.
Die Bienen, fagt Varro (^de n ruft. 3, 16),
heifsen der Mofen GeflUgel, weil fie durch ge*
meffene Töne des gefchlagenen Erzes verfam-
melt werden, und, wie jene den Olympus und
den Helikon, fo diefe blühende und einfame
Bergthäler lieben. Selbft die Mufen in Bienen-
geftalt foUen, wie Fbiloftrat (^icon. 2, 8) und
Himerius (or* 10, i) verlichern, die Kolonie
der lonier nach Afien geführt haben.
Deswegen fagt Plato im Ion: "Die Dichter
^'behaupten mit Wahrheit, dafs fie den Bienen
*' gleich fliegen: denn ein leichtes Wefen ift ein
««Poet, und geflügelt, und heilig, und nicht
**eher fähig zu dichten, bevor er der Gottheit
«*voll und entzückt wird, und die Befinnung ihn
"verläfst. „ Drauf zum Beweife, dafs der
Dichter nicht durch Kunft rede, fondern durch
göttliche Kraft, wie Pindars göttlicher Vogel
SBCHSTBR BRISF» 55
Sber RabengekrMcbz (<M. 2» J56), fich empor-
ichwinge» fi^t er den fchmeichelhaften Aos»
ipmch hinzu: **Gott beraubt die Dichter des
^< Verbandes j, rnn iie zu feinen Dienern, zu
^Wahrfagern isnd heiligen Profeten zu gebraü-^
^^cben; damit wir, die es hören, erkennen,
^'dafs nicht fie es find, die fo erhabene Dinge
^^ reden, da fie keinen Verftand haben, fondern
'Mars Gett felbft der redende ift> und durch jene
^fich uns o&nbaret. ^
Voll diefer Gottheit erklang der Schwam
Fenußn, da verwandelt er dahinflog (,Hor. a
Od. 2o>, um mit Klopftocks Worten, eines
nicht weniger fertigen Luftfliegers^ von fo er-
habenen Dingen zu reden i.
Nnt ußtata, nee tenui fem
Fenna biformU per li^idum ^berm
Vate^l neque in terris moraiwt
Longius, invidiaqne maioT
Vfbes relinfuarm
£in ntchc gewohnter Fittig, noch fbnder Kraft,
Trägt umgeformt mich durch die geklärten Höhn,.
Sen Himmelifänger ; nicht soi Staabe-
Weil' ich hinfort, und zu gro(i der Scbeeirachl:,
.Laff* ich- 4ie Städie.
Aber Freude roachts , wenn Ibgar der Redehalter
Himerius Qor. 14» 3^5) zum. Luftfluge fich
d'4
$6 MYTHOLOCLISCHBR BKIStE II. B«
aufraft. ^ Wohlan , beflQgelt euch mir» 6
*^ Worte, unid, das Niedere verlaflend» fchwingt
^'in den Aetber euch empor! • • • Eure Fittige
^< erzeugten die Mufen in den Gärten der Mnemo«
<<fyne, iie emälirten die Hören und die Chariten^
''aus den Quellen der Wahrheit iie beiprengend.
'^Drum hebt ihr euch über die Menge leicht«
'Schwebend; ungeweiheten aber und fchwung«
'Mofen Seelen ieid ihr unfichtbar, nicht veniger,
^als den Kimmeriern» wie man iägt« die
*• Sonne !,,
Kaum zweifele ich» dafs die poetifchea
Flügel des Ruhms und der Unfterblichkeit dem
iiachbildenden Pinfel nnd Grabftichel entgangen
£nd. So bekennt der alte Tbeognis (v. 237)
dem Kymos Fittige des verbreiteten Lob^s ver«
liebn zu haben:
Sat ffffi» fyw vrff * g^u»»% €w 9tc nt* mwatgova 9Wtw
£y troffati^ «oAA«v^ Kf/fCfMC ty ^^ta^u
Siehe, dir gab ich Flügel, ig/omit das unendliche Meer
durch
Fliegen du kannft, hochher über die linder erhöht»
Leichtes Schvungs; dafs da Schmäufen und Feftgelageo
gefeilt feift
UeberaU, und viel preifende Upftn nmichvebfi.
SECHSTER BUIEF. S7
Und Entiins in der bekannten Grabfchrift» die
Virgii (Lb.Sf lo) im GediCcbtnts hatte:
Nemo me lacmmit dtevntt ntfue fimerä flemh
Faxit^ pnm voliu vivo' ftr mra vinm»
Ehrt mich nicht durch Thräneu» noch feirt mcia X^
cheabegliignif
VehmnUToUi ich durcbSieg' tthmend die lipfui
dei Voiki.
Auch die nnfterblicheo Menfchent die von
den Göttern in die Infein der Seligen verfezt
wurden, fcheinen zuweilen mit Flügeln vorge.
ftellt worden z^ fein. PtoIemSus Hefäftioa
iPhot. p. 247) erzählt in feinen Wunderge-
fchichten, dafs Helena dem Achilleus in den
feiigen Eilanden einen geflügelten Sohn Nament
Euforion gebohren, welchen Zeus, verfchmäbe«
ter Liebe wegen» mit dem Biize vertilge habe.
Diefe Beflügelung entftand . aus der Slteren
Fabel, dafs die Lieblinge der Götter, die vom
gemeinen Loofe des Todes befreit wurden, gleich
den Göttern, wo nicht auf Luft, wenigftens auif
WaiTer, einhergingen. Dem Peleus verheilst
Thetis bei Euripides QAndromoek. 1258), er
werde mit ihr als UnfterbHcher im Haufe des
Nereus wohnen, und oft mit trockenem Fufse
auf dem Meere hinwandeln, feinen Achilleus in
Leuke, einer Infel des etixinifchen Meers, zu
befuchen«
1^5
5$ MYTHOLOdlSCHER BRIEFE XI. B.'
VIL
Auf tnahlerifchen FitHgen erhoben fich Jezt mft
den Gottheiten zugleich ihre Reitthiere , fowohl
Tegafus und die Efelein, deren ^ir fchon in
Ehren gedacht haben, 'als die Zngrofle ihrer
goldenen Schwebewagen, Was von dem Dichter
die erhizte Einbildung iidi gefallen ließ, ein
Gefchirr aus hefäftifchem Metall, welches erzbu-
figen, rafchfliegenden Götterroffen über Gewäfler
und Luft nachroliete : damit getraute der Bildner
fich nicht, auch das kalt zweifehide Auge abzo«
finden.
Mit erleichternden Flögein demnach bezeich-
nete der alte Kiinftler auf dem Kaften des Cypfe-
lus iPaufi 5 p. 320) das pofeidonifche Zweige«
fpann, womit Pelops über das Meer, als Freier der
Hippödameia, zum Wettreouen gekommen war.
Der Betrachter des Bildes, der die alltäglichen
Vorftellungen der Fabel kannte^ nahm fie für
tinfichtbare Scheinflügel, und verfchonte den
Künftler mit der Frage, warum der mitrennende
Oenoroaos der fichtbaren Ueberlegenheit fich
nicht widerfezt habe» Durch goldene Flügel
unterfchied der felbige ( p. 324 ) die meerwan«»
delnde'n RoiTe, von welchen gezogen die Meer-
göttin Thetis famt einer anderen Nereide die eben
von Hefäftos empfangenen Waffen dem Achil-
SIEBEI7t£R BRIEP.\ 59
Teils brachte. Auch Plato im Kritias, den
alterthtlnillchen Tempelverziernngen feiner Zeit
folgend, ftellt Pofeidons Bild im Tempel def
gefabelten Atlantis auf einen Wagen, mit geflü«
gelten RojQTen beipannt
Den geheiligten Gemählden undSchnizwerken
bequemte fich allmählich die Poeiie und die
Volksfabel.
Nicht Pegafos allein, auf Fittiglh einher«
fchwebend, trug bei Euripides (Seh. Arißophm
Fax 75) vor Zeus Wagen den Bliz, fondem
auch die nebengefpannten Rofie. Denn auf einem
geflügelten Wagen f agizee, das heifst nach grie-
chifchem Gebrauch, mit geflügeltem Forgefpann,
fährt Zeus, welchen Pindar (O/. 4, 1) den
Lenker des raftlosfliegenden Donnergefpanns
nennet, fowohl in Piatons Phädrus (^Steph,
p. 246), als in ApoUödors ( i , 6,3) Erzählung,
wie er den frevelnden Tyfon zu beftrafen kam^
und bei Lucian Qbisaccuf.).
Ich leugne nidit, da(s in fpäteren Kunfi:?
werken und Gedichten auch geflügelte Wagen
ohne Vorgefpann vorkommen. Zum Beifpiel
bei Sandrart Qicon. &?•) der Luftwagen der
Fortuna; und bei Martianus Kapella inupt.
PhiU I) das fliegende Fuhrwerk, vekuulum
60 SITTHOLOaxSCIlSlt^llXEFE XI/B.
ii^f«# votatitis roUif welches Merkur der Pryche
zum Gefchenke gab. Der iQtere Sprachgebrtudi
aber wird ans dem folgenden erhellen*
Bei Euripides ( JfA. AuU 250) führt des Tbe-
feus Sobn als Scbifszeichen die heimifcbe Schüsse
gOttin Pallas Athene,
fy fe«y«%aic
ZlrffMUDi^iy afiaa€tV9
anf ftirkhofigem
GdBngekem Wagenge^aan.
Eine Vorftellang» welche die kunftreiche Lieb«
lingsftadt der Athene dem Dichter Wohl häufig
genug zu fehen |;ab.
Gleichwohl lie(s noch Aefchylus {Eum. 406)
die Athene in einem Wagen mit ungeflügeltea
Rolfen Ober die SchaubObne bereinfchwebem
So trift alles znfammen» die Späte der Beflfige^
lung zu zeigen«
Dem flügelliebenden Euripides (£/. 464) ftralte
tnch mitten auf dem SchUde des Achilleus :
^«f5«ii xvxAac AffAin^
'Itto/c «y wrif9t€0»t^%
Des Heliof lenchtcndet Rund.
Auf geflügeltem Roflcgelchirr.
SISBENTBR bribp« 6t
Wo 5;^Iedenim l^^ct in der ttlteren Bedentmigt
für H^gin Mnd Roffi zugleich, ftehet; wie
•x*it*»ra im folgenden Fragmente ans dem Falfthoa
desfelbigen Dichte»» welches Longin (15, 4)
erhalten hat:
Xf ifr«c ^f vMvfmtf WTifo^gmv •xnfiarmf
rUrriff I' cTTis^t ifUT» Zuins ßtßitQ
*tinr9Vip Tmtim yii5fr«y* tUttg* tjui!
Tjf f»\ rft^* iei*»$ Tjßh\
Die Seite fporm' er mm dem gelcbvingten Znf»
Und entliefs : aaf flogeo fle za det Aethen HÖhtu
Der Vater fchvang anf Seirioi Rücken fich,
Ritt nach dem Sohn» und warnte: Dort gelenkt I'
Hiefaer! gewandt den ^agen, hieher!
'*Darf man nicht lagen, ,, mft der pathetifcbe
Longm» ^'dafs der Geift des Verläflers mit den
«< Wagen befteigt, und kiihn mit den Roflen fich
«<befliigelt? Denn nimmer, wenn er nicht jenen
'^himmlifchen Lauf begleitete, hätte er fo etwas
«< erdacht!,, Aus folchen Verwunderungen be-
gebt faft das ganze Buch des Söfiften. Wie wani
möglich, dafs fein Urtbeil über Homers Odyflee
Nachi^recher fand?
Das BOd der geflfigelten Sonnenroffe hat
Euripides noch fonft hSnfig, z. B. Onß^ zcoi^
fyt MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
und Jon laat «f«* hcai» vmfvYi ^ovi ^lit dgs
Helios rafchir Beflügetung. Denn an eigene
Flügel des Sonnengottes ift hier wohl nicht zu
gedenken. Auch haben es viele nach ihm , wie
Ovid Cfaft. i, 416 >, der QMet. 2, 48-) a«ch
ftifsgeflügelte Sonnenrofse erkennt. Noch gehört
hieher der zum Sonnengott umgedeutete Jupiter
bei Arnohius ( 3 f>. n?) » wo er pinnatos currus,
einen geflügelten Wagen, lenkt
Hingegen fcheint Sofokles, eia getreuerer
Darfteller der homerifchen Fabel, ficK hier
aJj» 860), wie allenthalben, der mahlerifchen
Beflugelung mit Fleifs zu enthalten.
Gleich dem Helios, fchien feine Vorläuferin
l^os um diefe Zeit eines Flügelgefpanns zu be-
dürfen. Afklepiades (5cÄ. i/. 6, 155) erzählt
aus den Tragikern, Eos habe den geflügelten
Pegafus von Zeus, der ihn vor feinen Donner-
wagen gefpannt hatte, fich zum Gefchenk
erbeten, um ohne Mühe die Umläufe der Welt
zu vollenden. Auf diefe fchon gangbare Fabel
bezieht fich der Ausdruck des Euripides
(^Oreß. 1004),
yLovoTuXov »K AWf
Zar eingauligen Eos:
wobei der SchoUaft meldet, Earipides laflfi die
Tag^ötdn «rf «nein Roffe reiten, and dies fiä
SIEBENTEIt BRIEF. (Sj
der Pegafas; anderen fähre &e im Wagen«
Daher fingt Lykofron ( AUx. 16):
T#5«yov §¥ »otT^€t TJf« Kfffvye irffAa«
Doch Eos fibeiflog die fteiiie Bnchenhöh
Aojezt aaf rafchen Futtgen dei Pegafot»
' im'Xager den TichoiKX» tnh an Kerne bta»
Verlaflend«
Auch hier wiederholt der Scholiaft, die Tags-
göttin habe von Zeus das Flügelrofs lieh erbeten,
um darauf reitend den täglichen Kreislauf zu
wandeln. Das felbige verfichert Euftathius
(^Odyff. 2, i), Eos werde entweder fahrend
im Wagen, oder reitend auf dem Pegafus, und
überdies als FackeltrICgerln , vorgeftelit
Dennoch ift kein Zweifel , dais Pegafus bei
anderen Dichtemals einzelnes Wagenrofs der Eos
gedient habe; und mich deucht, jenes Beiwort,
die eiugautigej bedeutet natürlicher eine Lenkeria
des einzelnen Gauls, ald eine Reiterin. Es wäre
faft lächerlich , wenn von der Reiterin Euripides
den Umftand bemerkenswürdig geglaubt hätte^
da& üe nur Einen Gaul ritte.
^4 MYTH.OI.OaiSCHBR BRIBKK II. B.
Ein gefchnittcjwr Kryftall bei Sandrarfe
ikonoL deor. lab. i>.) «eigt Eos im Wagen,
welchen der geflügelte Pegafus Über Gewölke
zieht: fie trägt in der Rechten eine Fackel, und
ftreut Blumen mit der Linken; ein krfihender
Hahn, jener wachftme Vogel, der nach Ovid
(Mrf. II, 597)
. ■■ cfifi^ etmtUms ms
EvHüt Attroramt
^ . - yalt porpnrkamiiiig^m Andb
Singend Aurora trwtdsU
fleht vor ihr auf dem W^en, und oben ftralet
der Morgeaftem.
VIIL
Eos, die den tSgUchen Umlauf der Welt vollen*
det ! Wie das tn verftehen fei, fragen Sie. Nun
denn: die vor Helios des Morgens aufgeht, und,
am Abende untergehend , auf dem Oceanus zum
Aufgange zurückichift. Oder foU fie etwa nicht
untergehn, fondern dem Bruder nur das Morgen-
thor öfnen, und fogleich umkehren?
Wohlan denn, vernehmen Sie der aufdäm«
mernden Göttin Sitte und Befugnis, den vollen
Tag hindurch auf der Himmelsbahn, es fd
ACHTER BRIEF.* . 65
£ihrend mit zwei RolTen, \ne Homer wQl
(Orfy/, 23, 245), oder wie Euripides iTroad.
855)» Ti^fiTT^ xftofc««! «%y, mit fafranfarbigem
Viei^efpann, oder wie andere (^Aefch. Ptrf,
386- Tkioer, 13, 11), mit weilsfchimmernden
Gäulen , oder fogar reitend auf dem Pegafus, zu
erfcheinen, und am Abend durch das weftliciie
Himmelsthor fleh in den Oceanus zu Tenken.
Bei Quintus » der älteren cyklifchen Dichtem
folgte, fteigt Eos (2, 188) «ni borgen des
Tages, da ihr Sohn, der äthiopifche Held Mem-
non, durch Achilleus fterben foll, unwillig am
Himmel empor. Der furchtbare Zweikampf be-
ginnt endlich, und voll mütterlicher Angft be*
trachtet ihn Eos ( v. 499) :
üfi^fi y Hfrytvtm ^Ay «rffi vrmth xai mtmh
•liTTf/j tiißtßctum J/ flfi5ff»c' ml Ji ^i myxß
HiAtwi9 $uyaTfki fB»iißtw hnwMn
B$tx99iw wtfi xvkA^v, i¥ HiXi^ mutiunn
Bang* om den tnutcften Sohn vw felbft die tagende Eoi,
Die mit Roflea den Aether dorcliw*ndertei nahe der
* Göttin
Standen ungleich die Töchter des Heiiof voll ErfUuneni,
Im hochherlühen Kreii» wo dem raftlo» leochtenden
Herfeher
Zeof dk jlhrige Bahn ahuicfapcte.
E
66 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Memnon ffiUt; die traurend« Eos (v. 548) hüllt
fich in Gewölke, dafs die Erde dunkelt, und
gebeut den Winden, diefie gebahr, den Leich-
nam aus dem Scblachtfelde zu entführen. Und
Jezo tauchte des Helios Licht , und es fetikte fich Eos
Himmelab» beweinetid den Ittben Sohn.
Memnons Tod i& unter den philoftratifcben
Gemählden (fco«, i, *7> vorgeftellt. Auch hier
erfcheint Eos mit ihren Nymfen am H5mmeL
Oben, fagt der Verfaffer, fchweben die Göttin-
nen; Eos um den Sohn traurend verdunkelt den
Helios, und bittet die Nacht, dafs fie vor der
Zeit komme.
Vielleicht that Eos an diefem Tage ein Aufser-
ordentHches. So würde ich auch denken, wenn
fie nicht bei Quintus im erften Gefange, ohne
einige VeranlaiTung, ebeni^als den Sonnenwagen
bis zum weftlichen Ende der Welt begleitete
H/IOC y »ty^n^^fm KCtT* nK9Ct»0t9 ßißilHit *
Jezo nachdem glanzvoll zum Okeanos niederge^s^udelt
Eof t und aber die Erde die fchaorige Nacht fich verbreitet.
ACHTER BRIEF. (^
£ben fo im vierten Gefange V. 62:
Eot anjezt erreichte dei tiefen Okemnos Scrömang»
Und die düßefe Erd' atnzog nnermefsiiches DankeL
Und diefe Vorftellung hat nidht Quintus allein.
Aach Muräus befcfareibt die einbi'echeode Nacht
alfo, V. 210:
fy vffarif« y tni^nfM ßx^veniec 'Uwtfog a^tf^,
Vß^ahrend nunmichr Leiandros die heimliche Stande ilch
auskohr,
Jezo»ydcn Glana^ einhüllend , verfank fchou Eos zaoi
Abend,
Und TOn dem Rand' erhüb fich ii? Dämmerung Hefperos
funkelnd.
Auch Nönnus (JWoify/.. 7, 286) läfst feinen
Zeus voll Verlangen nach Semelens Umarmung
ausrufen:
XyyfTT» Nttf ^0v<v» ^^avffA rare It/arm H«f;
Sage mir» graufame :^acht» ^ann fiukt die Verderb*
Itche Eosf
Selbft der Römer Valeriüs Flacctts, getreu der
Vorftellung des griechifchen 0ich:ers^ den er
E 2
6g MYTHOLOGISCHER BRIBFB tl. B.
nachahmte, führt Aurora {Arg. I» &83) durch
die ganze Bahn des Tages herum:
Sehern Aurora viaS^ iotidv»^ ftreierat tmbrat
Lima polo.
Sie1>en vollbracht' Aurora der '^eg\ und fiebea der
« Schatten
Lutia am Pol.
Wo vielleicht die Lesart dies für viaSf die Hein*
iius am Rande gefchrieben fand, ßebiH dir Tage,
nicht zu vierachten fein möchte. Und wenn
Virgil C^* 3^2149) von den Antipoden fagt:
Ant^redit a nohii Aurora^ .diemque redttcit;
Oder es kehrt Aurora von un^, und führet den Tag htm
fo mufs in unferer Weftgegend Aurora mit der
Sonne ssugleich gedacht werden»
/
. Uns Deutfchen, die bei Eos und Aurora nur
Morgenröthe zu denken gewohnt lind/ mufs
jener Kreislauf der Eos vom Morgen bis zunv
Abend allerdings auffallen. Aber das griechifche .
Wort H«c* deffen Begrif in der Fabel zu einer
Perfon belebt ward, bedeutete in der Natur lAcki
oder Helle. Es konnte daher zwar eben fo, wie
nnfer Morgen 9 vom beginnenden und zunehmen«
den Tage gebraucht werden; aber auch, in
weiterem Umfange, von der ganzen Tageszeit:
und diefes nicht blofs nach einer bekannten Figur, -
ACHTER BRIEF. 69
als ein Theil ffir das Ganze , fondern eigentlich»
Das haben fchon die alten Ausleger Homers
iEußatL Odyff* a, 1) und Porphyrius iQuaß.
Mam. 12} angemerkt
Allgemein für Tageslicht finden wir v«« bei
Onomakritus (Argon. ^7)«
AAA' iT9 «rfo« (itwatTtiii ifn ^tfgv ükm^ /«nriic
HcA<a^
Aber fobaU zn der Mitte des Lichtt die hortigeu Roflc
Helios trieb»
Eben fo allg:emem in Bions Idylle von der Früh*
lingszeit (6, 18):
Anbh Ift gleich den Menfchen die Nacht, und gerade
das Tagtlicht.
Imgleichen bei Quintus (i» xi8):
dkxt^ttr* «€ Aiu«va<0 ^«5w foov' «fvvre V y«c*
Helios aber umher in dem hnrt^en Kreife fich drehend«
Sank in des tiefen Qkeanos Strom; und das Licht w«c
vollendet.
Auch in dem Abendgemlüilde des Nonnus
<JDi<Miy/. I8f IS7)-
E3
79 HYTHOLQQXSCHER BRXJPFK II. B^
üvatAi^H ^»t^üvrac vtfo axiou^ei Keniat
' ■■ •» dunkelte fprcnklieb der Luff-^
räum»
Als der feuclitefide Gott »bfatik in den Ichactigen KegA^,
Und nnr wenig behielt, ^er dei nachwärt» glanxeiidea
LichteSi.
Ikrfihattige Reget ift der kegelförmige Schatten
der Erdkugel,' für welchea die Nacht m den
Schulen der Weltweifen erklärt wurde. Diefe
Übel verftandene Lehre vermifcbt der thörleht©
Alfifich mit der alten finnltcbea Vorftellung von
Erdücbeibe und Sonnenlauf, und läfst den Helios
in feinen eigenen Schatten linken»
Dergleichen Vermüchungen find hStufig genug,,
auch wohl bei befleren Schriftftellern. Lefen
Sie zum Beifpiele Ovids Erzählung vom Phae«
tbon. Hier finden Sie, dafs der Sonnenwagen,
nach der alten Weltkunde, am öftlichen Geftade'
liinter den indifcben Aethiopen aus der Pforte
Aurorens auffahrend, unter der umgefchwunge-
jien Stemenffäre der neuen Weltkunde, auerlt
die f^eile Bahn bis zur Mi^agshöhe erfteigt, dann
afofchüffig in den Oceanus hinabeilt: indem der
kreifende Himmel zugleich als Hohlkugel an den
Polen hängt 9 nach deren Verbrennung er ein«
'achter BRIEF« 71
jftttrzen \i?Urde, und zugleich als ein Gewölbe
auf den Schultern des Atlas rohtr
Im weiteren Sinne braucht Klandian auch
Aurora für TagestichL Oder was verfteht er
anders, wenn er im Raube der Proferpina (2, 46)
den Sol und die Lnna mit der Benennung ehrt^
Annra noBisqnt duetT^
Führer det tageocflen Lfcfatt und ifor Nacht; '
4>der.wenn er in der Gigantomacbie (v. 34) dem
Sol habenas Aurora, die JSUgei dn Lichts, zu
lenken giebt?
' Diefer umfaiTenden Bedeutung wegen ward
4ie Lichtgöttin Eos nach Homers Zeit auci^
Jäemera oder Tag^Ottin genannt Am früheften»
glaube ich, bei denTn^ikem. So erfcheint bei
Aefchylus CPerf. 384) A«/K9T«A«c'Hfiff«, die weiß^
faulige Hemira; bei Euripides (^Troad. 84ft)
ÄiVKOVFTt^
^AiiggecQ ^iJuoVi ßg9t0if ^f^TT^ft
der heUgeflSgelteo
Hemer« menfcbeiierfreaender Glanz.
Den folgenden SchriftftelTem ilt dfefer Name der
gangbarfte. Jch nenne nur KalliSrat (9), di^
Scholiaften Homers CiL, 11, x) und Piadars
(O/. 2, 14&), Fhik)ftrat (i^oii. i,. 7)»
E 4
yi MYTHOLOGISCHER BRISFE 11. B.
/
Ohne den Begrif einer Tagsgöttin» wie un«»
natfirlicb wäre die hefiodifehe Dichtung ( Theog, j
378)» daft £05 dem Afträo&die drei göttlichen
Winde» Zefyros» Notos und Boreas» famt dem
Hefperos und den Sternen, gebohren habe; und
nicht vor allen den (iftlichen Euros» der als un-
göcttidier Misbauch verfchrieen war !
Werd^ Sie nicht überdrüiug, mein Freund.
Ich wei(s eSf die Grazien lieben einen rafcberen
Zef3rrgang; aber di^ emftere Mufe gebeut um-^
fchauende Weile» undxlen feften Tritt des Be*
ladenen.
Solche Domhecken mußte man durchkrie«
eben» um für den Kranz der alten Geografie die
folgereiche Bemerkung zu pflücken: dafs die
Gegend der £05 nicht blois Morgenland» wie
bei Enripides (flreß* 1006)» bedeute; fondem
gewöhnlich» entweder allgemein die ganze er«
leuchtete ErdflSche» oder befonders die füdliche
Seite des Erdkreifes» über welche den Griechea
Sonne und Tag hingeht» im Gegenlaze der ab-
gewandten Nacbtfeite.
Für die ganze ErdflHche» fo weit der Tag
leuchtet» fteht «m« bei Homer ilU 5» 267):
ACHTER BRIEF. 7g
edel ▼öf alleii
Rofleiis fo viel* umftrtlet du TageiUcht ond die Sonne»
Wo der Scholiaft mit Recht das Licht des Hirn-
mels gemeint findet. Eben fo nimt es Theokrit
Tic yet^ TWßt iitQ99t yxmunmß itmhieiiß Ar* mm;
NTcr von allen» fo viel der blaoliche Tig anch beftralec»
Und Kallimachos im Lol^efimge an Artemis
(V. 249)-
■■■ ■ nichtt gönlicher wird je ichanea dei
Tagiliche.
Von der befonderen Bedeutung fOr Südhttlfte
des Erdkreifes hoffe ich anderswo nmftindlicher
zu handeln. Hier nur dies eine Beifpiel aus
Homer von Ithaka und den benachbarten Infehl
(Orfy/. 9, 25)2
Avrn i§ x^tffttvAif wenn/Ttfrarn riy mkt neint*»
Ilfec ^0^0» * al U r* mtii5§ «f«c n« r' ntXiw re.
Selber liegt fie im Meer am höchften biiiaaf an die Vefte»
Nachtwärti; aber die andern zum Licht und der Sonne
gewendet.
Deswegen wird in dem alten Orakelipmehe bei
PindarsSchoIiaften^Py^A. 4» as), wekhesdem
Es
7^ MYTHOJ^OGISCHBR BRIEFE 11. B,
Tfaeräer Battus eine Kolonie nach Libyen » dem
l^cbmaligen Cyrene, zu führen gebeut » jenes
Land nach der Lichtfeite das eoifche genannt:
i
Sf%«0) A<i^* ikm» x^iu»' HTtttfo^ aft§tvai»
XTaudere, Ufs dts nmfiatete Ltnd; mehr fironunet die-
Vefte,
Gegen dai Liclit.
.Diefe «Itere Zweitheilung der Erdfeheibe in Tag-
feite und Nachtfeite dauerte noch lange unter den
neueren Namen Afia und Europa fort.
IX.
Sie fn^n tntcb, in welchem Sinne Aurora bei
Virgil QAiu. 6, 535) über die Mitte des Pols
im ätherifchcn Laufe hin\^egeilte:
Hai vice fermonnm rofeU Aunra qnadrigtr
Jam mtÜHm atbereo aarßi Uajecerat axem^
Bei dem VeehfeTgerpracb hatt* Anrora mit ro^em
Vietrpann
Schoa dk Mitte des PoU im ätheci&heii Laafe dorcli-
vandert. ^
Ich möchte die Frage meinem fcherzhaftea
freunde zurttckgeben. Doch fei es darum^
NEUNTER BRISr. 75
aneh einmal eine Aufgabe^ wie. vid zweimal
zwei mache y sm beantworten.
Vorher meldet Virgil (v. 235), daß Aeneas
in der Nacht vor einer unermefslichen Felsböhle
am Avernus, dem Eingänge des Todtenreichs,
ein Sühnopfer von fchwarzen Thieren den unter-
irdifchen Gottheiten brachte, bis (v. 255) mit
dem erften Schimmer des Tages ein Erdbeben
die Ankunft der Hekate verkündigte:
Beet^ tuaem » frimi fut Irnitina fiih W «ftivr,
SiA feükus mngire fiinm, ^ XH^ atpta «Mvera
Silvaxnm^ vipepte Ciaus ubdaxe fer mnbtam^
4LdvtHtante de(u
Siehe aiuunthff» vor te Helfe der naheiidett Soan* wmI
dem Aufgang,
, Brüllte das Land tief nmei dem Fi»fs» es erbelitea di«
Berghöhn
Samt dem Gehöh; auch ^ont' es wie Hondegeheiii
dtarch den Schatten»
"AJm die kommende Göttin.
Auf diefes Zeichen ftürzte die Sibylle mit Aeneatf
in di» Höhle.
Haben Sie keine Vorliebe für eine andere
Zeit, fo wifien Sie beftimmt: Aeseas ftieg zur
Unterwelt in der Morgendüramerung , als die
ei^en Licht;{lralen im Often aufgimeten.
^6 MYTHOLOGlSCHEIt BItIBFE IKB.
Lefen Sie weiten Die beiden wamdeln deif
dunkeln Pfad zum Vorhofe des Orkus» wo die
Schreckengeftalten der KÜmmemiiTe and Sorgen,
der Krankheiten j des Alters» wo Furcht»
Hunger und Armut» Tod und Elend» Schlaf»
Leidenrchaften und Krieg» (amt den Furien und
der Zwietracht» den Träumen und anderen
Scheufalen der Fabel » baufeten. Sie wendei^
fich drauf zu den ftygifchen GewItiTern» wo
Charon einige Seelen einnimt» andere abweift«
Aeneas ftaunt» befn^t» unterredet iicb. Der
mUrrifche Charon» endlich gewonnen» fährt
fie hinüber in das Todtenreich» und die Sibylle
befänftigt den Cerberus» Sie erreichen den
Bezirk der Kinderieelen^ dann der unfchuMig
verurtheilten^ dann der fchwermtltigen Selbft«
märder» dann der unglücklich liebenden» unter
welchen Dido den Aen^ aufhält» und zulezt
der Kriegshelden« Hier erfolgen wiederum Qe-
fpräche mit Freunden» befonders ein langes mit
DeXfoboa»
Unter fb vielen Begebenheiten verging wohl
natürlich die Hälfte des Ti^es auf der Oberwelt.
Der Wagen Aurorens» der vor dem Sonned-
wagen die Bahn des gewölbten Himmels vom
Morgen zum Abend durchlief» hatte bereits die
UUtagshiihe zurückgelegt; und die Sibylle
NEUNTSR BRIEF. 77
ermahnt den Zaudernden , die Zeit nicht zsa ver-
lieren. Nox raitf Anna! ruft lie: Die Nacki
ßürzt daher, Aen^asJ Denn nie braucht Vii^il
Nox rait anders, als von der einbrechenden
Nacht: Aen. 3,^350; 8» 369.
Aeneas gehorcht; fie gehn den qualvollen
Tartarus vorbei in Elyfium, wo fie das Uebrige
des Tages Kubringen, und in der Nacht durch die
jezt geöfnete Elfenbeinpibrte der teufcbenden
Tiüuffle zu den Lebenden wiederkehren»
Diefe Anordnung iil, denke ich, klar genug«
Sie erkannte Donatos, der durch Aurorens
Wagen die Sonne bezeichnet glaubte, und Pom«
ponius, der jene Stellung der Aurora durch
midium dkm erklärte; fie bewies der ibftarf«
finnige Ruäus, und felbft, obgleich mit einiget!
IrrthDmem, Catron,
Graulicher doch, meinen Sie> wilre ein
nächtlicher Befuch bei den Todten.
Wie? Abfahrt in dei* Nacht und Wiederkehr,
worauf es allein ankommt , l^ben Sie ja. Unten '
£ilt es wohl gleich, ob in der Oberwelt M»chl
fei oder Tag. Vielmehr wird die untere Nacht
dem lebenden Befucher noch gri^fslicher durch die^
Erwägung, da& jezt den Mitlebenden Ober ihm.
der helle Tag leuchte»
7S MirTHOtOGISCkER BRIEFS II« B.
Aber Homers kimmerifche Höllenfahrt war
doch anders*'
Immerhin! Warum Toll die avernifche nicht
ihre befondere Einrichtang haben? Dafe Virgil
die uraken Gebräuche der avernifchen Todten*
befchwörung beobachtete, erfehn wir aus SHius.
Hier wird (13^ 404) dem Sdpio von der
Priefterin des Äyernus geboten, den Schatten
nach der fTeifi das fchwarze Sühnopfer fut
lucemp gigin den Morgen f zu opfiem, und
deshalb (v. 413) nach Mitternacht an. dem Fels«
fchlunde (ich einzufinden.
Eben (o bei ApoUonius (3, 3[ip5) bringt
lafon, auf den Rath der Medea (v. 1029),:
nach Mittemacht den Unterirdifchen SUhnopfer»
WozU'Hekate im Gebell ihrer Hunde, unter
Erdbeben und Geheul der Fluisnymfen , herauf-
fteigt; bis mit der Morgenröthe der Held zu
feinen Genoffen kehrt. Auch erzählt Plutarch
(^de Svcr. gtffiO» ^^s ein gewiffer Timarchus
a;ur Abfahrt in das unterirdifche Orakel des
Trofonius zwei N^hte und einen Tag ge^*
braucht habe.
Aber das roßgt Vtergefpann der Aurora
fcheint Ihnen vielmehr eine aufglühende Morgen»
r6the^ als den heUftrolendeo Mittagsghuus, an-
zudeuten
I
NEUNTER BRIEF. 79
AU ob die Rofle, die bei der Abfahrt rofig
waren, die Farbe unterwegs änderten! Vergeflen
Sie denn , dais Aurora mit ihrem Gefpann, als be«
lebte Wefen, einen verabredeten Schmuck von
Dichtern^ und Kunftbildnern erhielt? unddafs
diefer Schmuck , wenn er auch anfangs mit eini-^
ger RQckiicht auf den IVlot^enfbhimmer gewiChlt
wurde, doch nicht als allegorlfche Hülle der
wandelbaren Naturerfcheinung zu betrach-'
tenifl:?
Ich mtfchte daher bei dem fplg^den Ge«
mÄhlde Virgils ( A». 7 , as):
Jam^ mhfceUt radiis mar*» W aihtrt ai alu
Aurwä in rofiif fidgtkat lutea Hgisf
Schon erglänzt' In R5thc du Meer, am er^bcaca
Aetber
Leuchtete gelblich Aurora fom rofsgen Doppelgeipannes
ich m2$chte hier eher darüber, dais VirgU der
Aurora in dem felbigeh Gedichte bald vier
Rofle, bald zwei vorfpannt, mich verwundern^
als an Herrn Heynens Verwunderung über das
fonderbare Farbengemifch Theil nehmen. Was
ift da befremdendes, da(s der Dichter die Göttin
im gelben Gewände, auch wohl mit gelben
Haarlocken zeigt, und il^'e RoiTe jeztro/f^ , wie
den Mahlern beliebte, und «In andermal iener«'
80 MYTHOLOGISC]»ER BItlSFE II. B*
färb oder weirs? Selbft Mrenn wir die Allegorie
zulaiTen; vrie bSufig erfcheint Roth und Gelb am
Morgenhimmel gemifcht!
Schon alte Granmültiker erklärten den home»
rifcheir SafrannimUl der Eos» und Telbft ihre
Rofenfinger^ £nt Anfpieiang auf die Feuerröthe
des Morgens und die auslaufenden Lichtftralen;
und in dergleicliea Gewizel pflegen die neuen
Grammatiker nicht nachzuftehn% £s verfcfaii(gt
den Leuten nichts , wenn auch andere Göttinnen
im iSafranmantel (Ä/I TAwjg. 358 )> oder mit
Rofenarmen ( Heß. Tk. 047, 251. Sappk. fr. 3*
jinacr* 53i 21 ) fich darftellen, die durchaus keine
Allegorie der Farbe annehmen«
Purpur und Hochgelb waren die feftlichften
Farben des Alterthums. Naturlich gab man den
Göttern die ftattlichften Prachtgewande, zu
Kleidern fowobl, als zu untergebreiteten Ded^en»
Das bekannte Safranlager des TUhonui^ aus
Reichem Aurora bei Virgii fich erhebt» ift ein
Ehebette von köftlicfaen hocbgelben Gewanden»
und nichts weiter. Ein Safraniicht der Natur
entftebt ja erft» wann Aurora das Lager ver-
laden hat; und wahrlich ein Wolkenlager» wie
heil es ajach fchimmerte» möchte der alte Titho»
WS nicht fehr befangUch findi^k
. NEUNTER BRlfeP« 8:1
Si^werien alfo die Beactwortong Ihrer Frage
fich gütig gefallen laiTen. Aeneas flieg xni(
Tagesanl^ruch in die Unterwelt« Die. vielen be^
fremdenden Wunder , die ihm auf der Hälfte de^
Weges begegneten, nahmen über die Hälfte de$
befcbiedenen Tages weg; Aurpra hatte mit Sol
fchqn, die Mitte der Stherifchen Laufbahn zurück^
gelegt; und die profetifche Jungfrau mufst^
ihren Begleiter, der noch den Anchifes in
Elyfium fprechen follt?, an die nahende l^acht
erinnere«
Die Nebenfrage, ob nicht hier einmal Herr
Heyne für fich felbfl: eine richtige, wenigftens
eine fcheinbare Erklärung gefunden babe^ würde
ich mit tragifchem Stillfchweigen beantworten,
/ vrenn lie ernfthai): gemeint wäre.
Was haben Sie dem Manne denn abgehärC,
das Ihnen ein verbiflenes Ucheln erregt?
.Bei jeuer deutlichen Angabe des erften
Morgenlicbts ^Aßn* 6, 055), da die HöU^«
fahrt anfängt, verfichert er, man mUfTe di^
Zeit nach Mitternacht denken, tmpHS a media
naSe inieBigendtmjffet ^"^ beruft fich wegen
der MUteruacht auf Servins,, der durch den
hellwerdenden Aufgang nur deg altrömifcben
Tages Anfang von ^Micternacbe.ai^ezeigt findet^
F
%% MYTHOLCHlISCHfilt BRlMFK II. B*
teigleieheki auf Cerdäd Bew^isftelfeii) >da6 den
U4terlrdifcbei] tmh M4ttemacfafc päegte geopfert
. 2&a \^rdeti« Alfe ift der Müfgeh hier MitUf^
macht i Nein das ift er dooh wiederum nicht;
Denn ob^n bei den Variianten fcbreibt Hert
Heyne einen anderen ab, feinen Biirfnannus» de#
den wahren Anbruch des Lichts x erkannt ,- unä
(V.53S) jener ttiitternächtlichen Attrora fpotteti
Nan ift alfoxier Morgen ein wirklicher MorgenS
Ein Beilpiei zn den vielen , wo Herr Heyne Uüteili
etwas anderes f^t, als Herr Heyne oben»
Was denn bedeutet ihm (V.. 5^5) Aüförä idi
der Mitte des Stherifcbeti Laufs? " Aurora, fagt
«er, fahrt Von OfteH nach Weßen duröh dal
«fiimmelsgfewblbe; und das thut iie intra te^püi
^^dUuculi & otti ISoliSy zu Deutfch/ '^wifchen det
i* Dämmriu^ md dem 4^fgmg: der. Sonne. ^
Alfo mit Soane|3pii}fgaag eine >v^ftlj{;^e. Aürora-t
Um das iza werben, müfs fie fich anftrengen, die
^ute Aiii'ora, Äumal Wenn toan die Kürtte'der
Dämmerung in Itaiien bedenkt! 'Djbch es fei; wtt
weiter? -^ **Bei Nacht war das Opfer gefchehn*
«'Sie Hatten die Reife nach der Unterwelt kuc*
<*vor dir Dämmerung angetreten, primi füi
^Humina Sdtis & örtus v. «55. », ~ Nun ift
ilfp der mitternächtliche Morgeit^des SerVins gani
Wgegeten,. -Weiter! -^ «^Jeat :,bÄWJe..Auöwf*
•fbtüB m^fiMim ^«i^Aim faetfsen) in ihre« Laufe
•<ÄUiÖ<5fcgfetegt, «nd folglich war Are Nacht am
« alterSoiTsetftctt Efide> Ä(f»^ dri#i» extretnu no&U
^jHift oifi ♦»aarlm^ ixgebaturi lind deswegen
*«fagt der Dkhter: JV^x ftift, Aenea^.y, — .
Welches ÜÄt Heytie von der eödenden Natihfc
ZQ vet^hn Ach ftiilfcliweigeQd die Eflaabni«
Redhheö Sk eiÄttial öaeh. Die Zeit äwlfchen
Dämimefong tind Ais^gang^ -da Aurora den
Ütnlaiif macht) foU. elfte Stunde daüeriK In
Italien dauert ße keine halbe j aber wif Wollen
glicht kargen^ Kur^ Vor der Dfimmening fiiiegen
fie hinab} und jezt^ nach fo vielen Begegniffen
ütid Gefprächen> hatte Atifora einen Theil äet
Stunde Verbraucht Es W4f alfo ungefähr eine
lialbe Äuiide Verfti^ichen.' Hätte Aeneas FlÄ^t
»n den Ferfen und geflügelte Worte gehabt) in
einer halben Stünde fo viel zu wandern nnd Eti
plaüdefh) War unmggUch% Ueht 2e!t efA)derte
die einzige Unterhandlung mit Charon tmd di^ ,
Ueberfährt Doeh Tfiabe Äeneas fn fo kurzer
Zeit fö Vieles bdlchaft» WA« treibt ihn die g«tar^
liehe Sibylle? Sie haben ja füe Elyfium noch den
langen Heben Tag Vor fieh. Odör tratm mÖl&flL
ile sEurttck? Hett tieytil^ WiH mit der Sprach«
84 MYTHOLOai5CH£R BRII^FE II, B.
nicht recht heraus: "Von der Zelt der RBckkehr
melde der Dichter nichts» alfo brauche man iich
darum nicht zu bekümmerut «> -*• Bravo ! r^
"Indefs nach der Weife der Todtejiopfer müiTe
Aeneas wohl mit anbrechendem T^ge.die Unter«
Welt wieder verlafien. „ — Dann freilich ! Aber
gleichwohl t in der übrigen halben Stande wird
er nicht weniger leiften » als in der; vergangenen«
Was erlebte jener arabifche Prinz nicht albs ia
dem Äugenblick 9 da er den Kopf ins Wafler
fteckte!
Am Ende fertigt Herr Heyne noch feine Vor-
gänger ab: Argutias taptat Sfrvius cum aliis^
Saniora afferi drda. Nach einer Erörterung
folcher Art den Vorgängern Spizfiiidigkeit vor-
zuwerfen! und darunter dem helldenkenden
,RuSus!
O hätten wir ein Amfiktyonengericht !
X.
Waren es Bildner, Welche die (Götterroffe be-
flügelten; fo wird es erlaubt fein, die Luftfahr-
ten mit anderen, von Natur oder wUlkührlich
beflügelten Thieren, ebenfiik fUr Erfindung der
bildenden Kunft anzufebn.
2&HNTSS. BRIEF. g5
Ich weifi im Homer und Hefiodus keine
Spur 9 dafs man den Göttern eigene Lieblings-*
Vögel verliehn, noch weniger vorgefpannt habe.
Der Adler Zeus und Apollons Habicht waren,
als hochfliegende Vögel» zwar gefendete Ver«
kündiger Stherifcher Anzeigen; die Tauben tru-
gen den Göttern zwar Ambrofia zu; aber als
Gefellfchafter befonderer Gottheiten finden wir
fie niemals»
Das folgende Zeitalter ffihrte durch ausge-
breiteten Verkehr Reichthum und Ueppigkeit ein,
deren Gefolge die bildenden Künfte waren. Die
6ötterbilder bedurften finnliche Abzeichen. Man
gab dem Apollon den fingenden Schwan, dem
Zeus den königlichen Adler, der Afrodite den
verbuhlten Spaz oder die Taube, der finnenden
Athene die Nachteule, und anderen andere. Sie
mufsten ferner in der neueren Pracht der vornehr
men Welt erfcheinen: mit tyrrhenifchen Sanda«
lien, mit perfifchen Hauptzierden. Einen wei-
teren Weg zu Fufse zu wandern , w^ unfchick«
lieh; fie betraten einen fchwebenden Gold wagen,
und lenkten, theils gefliigeltb Kofie, theils nen
erworbene Lieblingsvögel, wenn fie zugleich
fchön waren.
Dem Zeus in Olympia bildete Phidiäs (Pauf.S
f. 306) einen Adler , auf dem Zepter fizend«
F3
ScboD Aoakreon (Futgent. if 25> erka&nte £e&
AbzjeicbeB, weil dem 2.eo6» da er» in den Tit»-.
I^enkampf gebeod, dem Uraoos. opferte» ein
Adler dea Siieg tiodeiiiteto^ luaid Pludftr ioo^
Is fc^oß aor:Eeiif ]^achtl|a2>« «Qff A^M täi^
In efbaltes^E Kibftwerkea etftbeiiat der Adlier
bäufig deoi Zßus zngeüiltt, oft; d^n ßlizi 1e die«
Klauen; aucb wobl dem Poi^oerer felbft tr9ge&d^
^uch die H^re» de» Ganymede*» oder einea
Vergöttertem. YOFgefpaoxit fah ich ib^ «ue, Päc
Herfcbdf der Weit fuhr mit dem ediere^ Roßrt
gefpaime de«. AUertbußi«» wr dafs der Künftler
€s maacbmal beflügelte; felteu (Q«tt«t Ji^» ^§7;^
voa den vier Wiudea.ge?.og;ei**
BiMaera hatte bereits Sappbo abgelernte , wfe
Afrodifeemit Sperfißgo« doTcfe die L«ft febx^
■■■ ■■■ ■.■■■■.. „■ ««7^ $« ^0fMy A/T0/<v%
IffEUNTBIt JIJR.»Fw ^7
. „,,,..„, ^ ipM vcihfini das Hans, cht V^cerr»
Kamft da, den goldnei»
Vageu diT t»khkjtnd% es trog ein (cbonec
Rafcher Sperliogtziig;, dec die diinjula Flügel
.Wirbelnd raftlos (cUwang» dich voin Himmel dmrch dio
Mitte it$ Aethers« f
Sp&ser fbheiht die Sitte des T^tibengef|>ftnns«
Sonft hätte wohl Anakreofis artige Taabe aucfi
von ihren Schweftern bei Afrodite wenigftens
ein Wörtdien geplaudert; wenn fie gleieh» für
eine Taube ihres Gelpanns fith zu rilfamen » dtza
befcheiiden gewefen wäre. Ramlers fehöne Er-
dichlung verliert dsdurdi mehts» da& fie gegea
das Alterthum ift«
Der Komiker Alexis bei Atheo&s (99 xx
Der A&odite veiiser Tauber bia icli ja.
Ubd febön der alte Komike» Phcrektates ( ibid. )
verglich die laftfahrenden Tauben der Afrodite
an Weifte mit feineiA Geliebten:
AaaV «f «tfftrcr^ay if*Pt93f KaÄM0Beyttf
F4
8i MYTUOLOai^CHCR I^RZlCPE IJ. B.
V^^ohlan, a Taubchcttr gleich an Zier dem KaUtfih«)ie%
Fleug, bringe gen.Kythera inich nnd Kypros hin.
Weiße Taauben aber, wie Athenäus dort und
Aelian (v^n hiß. t, 15) aus dem Latnpfaker
Charon melden» erfchienen in Griechenland zu*
erft, als unter Mardonius die perfifche Flotte am
Athos verunglückte. Die Tauben in Dodona,
fagt Herodot (2» 55)» waren dunkdfarb.
Etwas nacli Pherekrates erwähnte der Komt«
ker Antifanes C Athen. 14, 20 /'. O55) der vor^
züglichen Tauben in Cyprus: welche Spanheim
iimm, ant 3» i) auch auf cyprifchen Münzen
fand. Di«fe Sorgfalt der Cyprier für fchöne
Tauben ftammte gewifs aus Syrien, wo die
weifse Taube für heilig gehalten ward iTibulL
I Et. 7, 18), weil fie die fyrifche Göttin, die
man der Afrodite gleich achtete, aus einem von
den Fifchen des Eufrates ans Ufer gewälzten Ei
gebrütet hatten (^Hygin. 197). Es'fcheint alfo^
dafs bei Klaudian (31 , 104):
Floren ptrpureas adneihtnt frena columbas,
klumengezaam verbindet die porparfchtmmerndta
Taoben s
nur der blendende Glanz, wie in den Redensar-
ten, purpurner Schnee , purpurner Narciffus und
Purpurfehwänef zu verfteben fei.
NBUNTSR BRtsr« 80
Auch die Eryctiiery wovon Spanbeitii einigt
Mttnzen zeigte plagten das Bild der Taube.
Athenäas und Äelian (^nat aninu 49 a) erzä*hlen,
man habe in Eryx ein Feft gefeirt, «vay«y<a oder
Abfahrt 9 da die Göttin mit allen Tauben nach
Libyen zu gehen geglaubt ward; und nach neun
Tagen ein anderes , Kceraymym^ Ankunft ^ da zu«
^rft eine einzelne Taube» die durch Purpurfarbe»
wie Anakreons purpurne Afrodttif von dem
Schwärme fich auszeichnete» aus' dem Meere in
den Tempel flog» und darauf die übrigen nach*
folgten.
Bei Horaz» der anderen Abbildungen folget»
crfcheintdie Liebesgöttin (4 Od. i» xo): '
fttrpttreit ales ohrikus^
vom Fing purparner Schwan' erhöbt.
Und wieder .(3^ Od. 2g» «4):
-' ■ ' ^ Tafhw
JunSis vißt olorUmtf
■ ■ die Pafof Hais
Mic der SchvSne Gefpann belucht.
Wiewohl ich fehe , dafs auch Ovid ( ATrt W, 717)
ihr zur Abwechfelung Schwäne vorfpapnL
Sogar wird auf einer Münze bei du Chout
(f. 2io> ihr Wagen von geflügelten LiebesgöC*
P5
90 BlYTHCriiOQlSCHI^lt BItmFE ZI,B.
ter»geaK0g€»]}. Dagegen fahKlaudian (3!, rix %
wie die matwiUigeB Amoro felbft ihre MoUeir
liaf einem e^eBeo Luftwage« beg^eiteleo»
FrenatisqHe fruces^ avihis per nuhitß ve&i^
«
KecK mit gezügeltem VÖgelgefpana die Qlew^lk^ dnrcfc»
Und auf ehern philoftratifehen GemSSblde (icM^
X» 9> halten die Eroten in einem Teidie eia
Wettrepöen mit goldgezügelten SchwSaeiu
yVpollons Luftfahrten mit Schwänen warea
den Späteren fo gewöhnliqhÄ dafe Nonaua
( DmKf. aS» 5i06 ) fagt;
ScKwäue imr tr^^en m Fing, kein I^urti^et 1^06, dea
Vlety Vovftelluftg war ichon im Zeitalter der
Lyriker, PhereGydes heil?! Scholiaften dea
^poUojaiu$i (a„ 500) erzählt ^ die Nymfe
Cyrene ffei von Apolloi\ auf einem^Wagea nut
Schwänen 9 tm Hpxvm, ox^^t^^^v^ nach Libyen
entfährt* worden. Auch Sappho » wie Himeriu^i
( ^. i^x 7} m^li^U w4 Pißifar in einer Od« m
iApollMk» lyinttdLteii den Mofi^teii wAb gd-i
deaem Ha«ptb«ar osd ak d«F Lyr^^ und> fimdten
iba »uf «io^m SchwimeQgefcbkir» mvxvm«^ »wox^h
IVt^ HelUto»!, nk deck Mu&a lunt Cbaciteu
RejbeDtaii« aiif^.ülirei^ Welghi^moach, ilpoU
ipa 9«icl| wohl int Pixul^rs aicbtef' oilynipUbliei^
. Ode iy^(a^9»£ m^m ScbcWW^wag;eja g^dad»^
Al>er wansm Beniie 2c^ isictii gtelch deisi
tlcUifchea P«au aa Apolloa» fOr d^ffe» Auszugs
vrte er «Lieh ift ^ wir dem HimeriuÄ ( pr. 14 „ xq)
Dauk uijd VerzQih^ng eigener Gebrechen fchuldig
find? V^eUefcbt habea Sie,, dureh d^e katte?i
Anze^eu imfercr Kunffrichter geteufchfe» fichi
die Schäae des Hioiedus poch ixioht zu eigeq^
gemacht, Empfai^eB Sie alß). de« wichtige«
Nachlaß z:uerfl; ai^s weiuer Haud*
^Icb Witt eneh» ^ be^Dtder/ehriiehe Mafm^
<*aHch yoB AlcMa» eine Stelle vorfagen, die jenej
<^in Ge&ng ahmafs> da er d«» Piki» fehrieb an
^'AbqUoiu Ich werde fie euch «^ber weht oach
<*der lesbifcbeo Tonweire vortragen » "deuu ich
vhiu gar kein Poet> fond^ra den Ijrifqheu Y^ra
<<auflöfeöd i» Rede.,»
*OTft AvO^AaisI fy«1«<TA» XfltffMf^«# ««r^K. ^ 9«!^ 9^''ff
99 ' MYTHOLOGISCHES. BRIEFE II. B.
A<a< vmiutretf tKH^fv fFf9^nT9U9oifT» hn^v tun !^tftt¥ Tßi$
'£AAif^fv. *0 ^««Ti/^arc «»# TW agt»»rmv, t^v x«< ri#4
peBo)frü% TPCtimv» ^ity^rtQ Kmt jtcffAoc» n»* X^t^^ n'iS^tmv
it'9fi 'fov TfiiFO^a ^tirävrti f tiecAHv *roy''-5fM ff( ^Tirfffl«*
fffitfy iX^Miv, *0 ^« cr^c ^A«y irötfät roi^ §tttt ^tfurtv^MC
«v5f «70/C 9 'Wttiii %»tf9v tvono^trtt n» f wc AeA^fietft
if^Vffffi rfi»o^»Qf .««5ic »ffAfvfff roi« itMcytfic t| Vsrfff^a«
f ffttv t^ivrav^at. Hy fiiv hv 5ef of » le«/ rw 5f f VC ra fMr0#
MVTOj iri c| *Tirtgßügtmv AAxffftfC ^«f rov ATtfAAofV«*
^rs ^if ^cfHC ff}cAafiT0yr0C > ««< C9r<d«fftHyroc AsroAAArvtf«^
'degtvov ri %9m ^ At/f« irffi roy 5f0v aßfwtrau Atiutt
luv »if^oytf avTtp, ixotov «ümc fr«< 4r«f' AAiuri^i r«c
«fv/5«C* fc^Hfi dt IME« xcAidovfC JMT/ Timyic» if riiy
iecvTw rvxnv Tifv fv «v5f«sroic «^ffAAtir««i «AA«^ 4r«yr«
r« ficAH xar« 5f » ^^Myyofitvett, Pfi x«i «f yvf «fC 4
XartfAf« aear«. wointtv vütfut€i $ *xt Kii^iesvi fuya migtrmif
hict^trm §iiv yae AAk«««« iiiomQ ^Ofuig^ 94iiiwStt nm vlüf
9<«y fT«^ifft/«y utw^tf^cii iwantvw*
Als Apollon gebohrea wtr, fchmuckte ihn Zeat mit
goldener Sti'rtibinde 'tmd mit der Lyra , und gab ihm daztt
ein Gefpann zu lenken, (Schwäne aber waren da$ Ge-
fpann , } und fandte ihn nach Oelfi und den GevülTern der
Kaftalia , von dort zu verkündigen Recht und Gefez den
Hellenett. Er aber trat in den Waagen » and gebor den
SchvSncii> auch kq den Hyperboreern zu fliegen. W10
JCUTTCR BRIKP; ' 9}
8011 Üelfi et ▼tfii«hiii« ordneten fie^iimHaaiind Cefimf«
ftelltca Chöre der JiMigliiig^ nitt d<n.I>9etfiirt» und Hefofi
4kii Gott, v«ii den ^yperi}orcerit • zu kommen« Jeticr
weiflkgete ein ganzes Jahr bei den .Menfcben. dort , und
nachdem er die Z^it befttmmt« Ms auch die delfiichea
breifiifse töneteti , geb'ot er wiederum den SchiK^änen dahin»
zafliegen* Ei var nun Sommer» nnd grade des Sommers
Mitte, da von den. Hyperboreern Akäns den ApoUon fiihrt:
daher, vom erheitenen {Sommer and «v^^?^«>> '^poUon,
mit Sommergetön auch die Lyra am den Gott lispelt» Es
fingen die Nachtigallen ihm, wie zn erwarten ißr, ein
Vogelgeiang bei Aicins; es fingen aoch Schwalben nnd
Gikadcu, iiicht ihr eigenes Scfatckto' ' umfer den Menlchen
erzil^lend y fonderh lauter'^elodieen von dem Gotte tönend.
Es flrömt auch Kaftalia mit poetilchen Silberfluten, und
Kefiflbs erhebt fich hoch mit purpurnen Wogen, den Edi-
pens Homers nachahmend» Dfnn es wagt Alcäus, gleich
Homer, aoch das Gewäfler za bclchreiben, als könnte e»
der Oötter Ankooft eq^finden»
Wie ift Ihnen? Sie ftehii in fich gekehrt «^
der heiligen Trümmer, nnd horchen dem ver«
hallenden Geifterlaate , der sas der Zerftttrung
herauf tönt I oder zu tönen fcheint
Einfamer Sonderling! Noch lauter rufta in
Könchseinöden und BUcherf älen aus den erblei •
chenden Pergamenten alter Grammatiker ! noch
lauter ans den Schlacken des Vefttvius: wie
Stimmen des ÄldCu^, derSappho, desHenander»
des TheopoQ»pas, dfs Liviiis, des Afiaius^ de«
tp4 MVl'ltt^X;iOä£StlHi:ft B^lEl^li It. &
Si'fthlt ttuf ttateh Eteükmifleftt ffit tfen Sti6«t^
Silin, ^eri Ef tfäg WrechneÄk Eörydlc^, dem
Lichte Tcliön tibhe finkt zurSckj Ul^d in ^ie
vTieife Veriieirt ficb ifer GelW|zi, /
••■ fe^Ä vdtftrA; äffttfkpte iünantin imnhtä fiiftiriAf
s. |{lUE«e:<9«IUik;kV. Mi «i Annm tue lÜivirnMAi^
öetn tonfelelreifiL Sch^Mmne Apotko^ gtüKifbi» iiib
den ürfpiting feinps poetifcheti Adeb iziit 'ekigef
; iAÜo&ei^i'ti^en Wäf ttoeh ill<^ i^ Itede
davon > diife der ScHVwifl vot ^f^eiüeitiexi Smäph
yJJgeUi durch Wphlteut ficli ^üszieichtiew VieK
fiöehr hßreh ^it ihh (II. ä, 459) iü das wüfte
GeiTchrei der afifch^ö Wiefe einftinmien«
Dort) gleich^i^ der Gevögel atazählbar fliegende Scbaaretl«
Kraniche , oder GanC» wid das Volk langhaK^er Schvace»
lieber die afifche ^lef*, ttm Kayftrioi v/eite Gcwäfler,
Hicrhia^^Mm und dorthin» tio freudigeli Schvtuig«
der Flageli
Dann mit Getpn faittfeiikeK den flog» daii nxsAati 4ü
/ . Gefild*' halk. .
. Habe ich Ihnen fchon gefegt, dals Heficxla*»
*h Spraqhe fowohl, als an Heueren Sitten nnd
Ketintniffen der Erde, mir jünger «Is Homer um
Äwei Jahrhunderte erfcheintf Homers Auslegef
(11. 23; 683) bezeugen, Heiiodus habe riackto
Wettkämpfer ohne Gurt eingeführt, namentlich
den Hippometies, det mit Atalanta liefk Dlefe
Sitte entftand, nebÜ: dem Worte yfafcy«r/9y, nadli
der vierzehnten Olympiade iDioHgf. Bak ani^
tom. 7 FiH,) und einige Olympiaden mufsten doch
wohl vergangen fein, ehe HeKiodüs die Neuerung
ins heroifche Alterthum Verfesten konnte^ Daft
Öefiodus nach der firbaUütig Von. Cyrene geiebf
habe , beweift feine Fabel Von dfer Entführung
der^ peneifebtjtt Nymfe Cyrene, die Pindard
Scholiaft iPythu 9> 6) aus den £öenänftthrt|
auch feine, obgleich VerfkUchte EfwihttUftg
eines cyreaifchen Arkefikos bei demfeiben' iai
f(S MYTHOLOaiSCHPR BRIEFE II. B.
Eiogai^C der vierten pytbifcben Ode. Cyreoens
ErbidiiuDg aber, etwa zweihundert Jahr vor
Pindar, erklärt Herqdot (4, 152) für gleich-
S^eitig mit der erften fahrt des Samiers Koläus
tiach dem reichen Weftlande TartelTus.
. Da alfo Hefiodus die erftea Fabelgerttcbte.der
weftlichen Entdeckungen durch die Phocäer und
Si^miek' erlebte; fo begreift ttian, wie er zwar
Homers Wunder in der Weftgegend noch gelten
lieft, aber Tyrrhener (^Strab* 1 p. 23) und
Latiner ( TÄ. 1013) und Ligyer (^Strab. 7,
p. 300) und Hyperboreer {Herod. 14, 37) und
öreiiFe der weftlichen RhipSen (^Sch. Aefch.
Proni. 803) hinzufügte. Auch den Eridanus
befang er in der Fabel« vom Phaethon (^Hygin.
15^) i' aber in feiner alten Geftalt aus fönicifchen
Sagen , wie er auswärts in den Oceanus von den
Rhipäen gegen Norden ausftrömte. Denn Phe-
recydes war der erfte (^Sch. Germ.} 9 der den
neu entdeckten Padus im Inneren des adriatifchen
Meers für einen Arm jenes alterthümtichen
Bernfteinflufses aus den Wundermährchen der
lonier aufnahm.
. Wie di^e geografifche Wetsbeit. mit dem
3chwane zufammenhüngt? Seht nahe, .wenn
Sie erlauben. Unter den Merkwürdigkeiten » die
laan.ind^mglUckfeUgen Weftlande. am Oceann»
ZWÖLFTER BRIEF. 97
entdeck!: zu haben fich rühmte, war eine der vor*
nehmften der ßng$nde Schwan bei den Ligyern.
Hefiodus fand dies Wnnder fchon fo beglau-
bigt, dafs er ihm einen mythologifchen Grund
erdichtete, Kyknos, fagc er bei Hygin, der
König der Ligyer, fei aus Kummer über den Fall
feines Verwandten Faethon in einen Schwan ver-
wandelt worden, der auch fterbend noch Trauer-
gefang finge. SpSter fabelte man auch andere
Kyknen zu Gefangfchwänen. Und da er den
Schild des Herakles, wie Homer den achillifchen,
mit dem kreiftnden Oceanus einfafste; fo ver-
färtnte er nicht, den Weltftrom durch das melo-
difche Geflügel feines Weftufers zu erheitern,
V. 314:
Kvitvct at^^tirorm fAtyecX* firvov* ot fet yi TOKXoi
Ringsher floft um den Rand der' Okeanot« tSer» wt«
gefchwoMen.
Ganz den känftlichen Schild uniflutete: über dem Strome
Flogen Schvin* h\ der Luft^ und jubelten; andere
fchaarveis
Schwammen omber auf der ^eile» von Tch^rmenden
' Fifchen utntaamelt.
G
98 ÄlYtHOLoaiSCHER BRIEFE 11. B.
Das Wort ifwt/f/v braucht Homer oft vom Raft^
einmal (OdyiT» 17, 271) fogar irom Klaftge des i
Saitenfpiels«
Für die ligurirche AbftammöDg der fingendeit
Schwäne zeugt auch Ovid in den Verwandlung*
gen (2, 367); und Paufanias (i p, 58) mit
dem Zufa^y dafa der König Kyknos die Rlulik
geliebt habe» Auch auf Philoftrats Gemähide
(^icon. T, 11) von Faethons Sturz in den Erida*
21U8, der 9 noch der älteren Fabel gemäfs, in den
Oceanus nusftrömend » den Barbaren geronnenen
Bernfteln zuführt, fliegen Schwäne mit füfsem
Geiang empor, um die Jammergefchichte dem
Kayftros und dem Iftros zu verkündigen. Und
wie melodifch befingt VirgÜ i^en. 10, 189}
dieF^el:
'Santque ferutti, ttiäu Cytmtin Phaethontis amatit
Topuleat inter fmidei^ uiHbramqne forortrm^
Dum caftity i^ mteflunt rmifa fittttkr omorefH^
Canenum molli pluma duxißt fineStam^
Linqueiitem terras, ^ ßdera voce fequentem*
Denn man erzählt, dafs Cyknus, um j^haethon trattrenJ
den Liebling»
Unter granendem Pappelgefprofs» snd dem Schatten. der
Schvellern,
^K^äbrcnd er lang, dvrcfa Lieder den GrUm der Liebt zu
trögen,
ZWÖLFTER BRIEF« 99
Sflbtrgran fciii Alter mit w«ichtin Flaame I>«rc!il«iii]igt,
Und, von der JErd' außSIe^nd, mit Klang die GeHirnt
verfolget.
Auch Lucian {de tk^ro) fpottet der fortdauren-
den Sage. Nachdem er mit feiner Erlumdigung
»ach Faethotis Fall \mi den Bernfteinpappeln voa
den Schiffern des Padns, der jezo allein Eridanus
hiefs, verlacht worden { wagt er dennoch die
asweite Frage: *< Aber die Schwäne, wana fingen
♦'•fie euch jenen bellen Gefang, hier und da auf
**dem Flufle fchwebead? Man fagt ja, fie feiu
^^Apoltens Beißzer, tonliebende Menfchen, die
^^hier herum zu Vögeln geworden, und deswe»
**gea noch fingen^ weil fie d-Je Mufik nicht Ver-
*<gafs€n, „ Sie aber mit Getechfcer antworten^
*^Du, oMenfch, wirft de nicht aufh^Jren, heut
**u«fer Land und den Flufs zu. belBgen? Wir, die
♦'beftändig fchiffen, und faft von Kind auf im
**Eridao«s «a than haben, febo zwar «anchmat
<<ei»fge 5chwäae in den SBmpfen des Stroms,
**und diefe krächzen ganz tonlos, uud fchwacb,
^dafs die Raben und die Krähen Sirenen dagegen
^*find.- fingende aber, und fo lieblich, wie du
**fagft, haben wir aueh im Traume nicht gebort. ,,
Bern Spotte der Kundigen zum Troz , wagt«
noch Klaudian Schwäne des BernfteinfluiTes ßibel-
haft einzuführen (40^ 11) j ' ■
Ga
lOO MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Fra&aque nobUinm raniis eleära joromm
Cycnus olovifcri vexit ab amne Padü
Auch gebrochenen Ambra rom Sprofs der beAingenen
Seh weltern
Fuhrete Cyknus vom rchwaiiprangendeu Padus daher»
Jezt wird uns des Ariftoteles Bericht von den
Schwänen {hijl. anlm. 9 f 12) vtriländlich fein:
"Auch melodifch find fie, und fingen zumal vor
*^deni Tode; denn fie fliegen auch in das Meer;
«*und einige, wann fie an Ligyen hinfchiften,
<* trafen im Meere viele, die mit trauriger Stimme
^< fangen, und fahen einige davon fterbend. »,
Denn Ligyen t ohne Zweifei, fchrieb Ariftoteles |^
ungeachtet der Schreibfehler Libyen von Aellan
(^nat an. 10, 36), oder von defien Abfchreibern,
wiederholt worden. Jezt auch erklärt fich , was
Himerius (or. 6, i) meint: "Der Schwan tönt
"bald am Oceanus, und überftimmt das fchal«
'^lende Meer; bald an des Kayftros Wirbeln , und
'Men Fluten des Hermos und Hyllos. „ Beide
erzählen die SchifFerfage , dafs an der fernen
Ligyerbucbt, die auf den alten Welttafeln famt
der zufammengedrängteü Weftgegend, nahe der
Mündung des Oceanus zu li^en fehlen, fingende
Schwäne im Meere gehört würden, und dals
diefe aus den benachbarten Landfeen und f lüffeDg
vorzüglich aus dem £ridanu9> dahinflögen.
ZWÖLFTER BRIEF. lOI
Ein fo melodifcher Wundervogel, wie follte
er nicht mit dem benachbarten Apollpn der
Hyperboreer, die feit Hefiodus im äufserPten
Weftlande am Oceanus wohnten , in Verbindung
ftehn? Hekatäus von Abdera, ein Zeitgenofs
Alexanders , unter welchem die Hyperboreer
durch erforfchtere Volksnamen 6es Wefteni
fclion höher in den Norden des damaligen Erd-
Hrerfes hinaofgedrä'ngt waren, hat aus der alten
$age folgendes erhalten ( Ail» nat, anim. 1 1 » i )•
•* Wann die Hyperboreer dem Apollon durch drei
''Söhne des Boreas, die fechs Ellen hoch findf
**fein geordnetes Feft feiren, dann fliegen von
**den rhipäifchen Gebirgen unendliche Schwa-
*'nenzüge herab; und nachdem üe um den Tem-
**pel, wi^ in heiligem Umgang, fich gefchwun-
•*gen, fenken fie fich in des Tempels grofsen
<*iind fchönen Bezirk. Sobald nun Sänger und
'^Saitenfpieter dem Gott das harmonifche Lied
"erheben; ftimmen auch die Schwäne mit ein,
«•nicht wild und mishellig, fondern, wie vom
«Chormeifter geführt, helfen fie den kundigften
"Sängern des Feftliedes; und nach Vollendung
•*des Hymnus fliegen fie hinweg. „ Welcher
Fabel auch Ifidor (,orig. I2, 7) beiftimmt«
Ea wetteiferten nun Dichter und Bildner und
Tempeldiener, Apöllons heiligen Gefangvogel
102 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B,
ZU ehren. Nahte der Gott dem delifchen Heilig-
thnm 9 der Dichter hörte den begleitenden Lieb*
ling (Caliim. Af. g):
' und der Schwaii ü» «ien Lufshöho Hn^et
ine^difcb!
Den delifchen Tempeltelch, ivelcher bei Hero-
dot und Theognis v. 7 Tfo,vo5/Jjfc». der gerün»
deti, mit Namen hei&t, nennt Euripideü (^Jpb^
Tanr. 1103):
MHffcti l^egXTtvti.
Den valTerroHetTden Sch>K^anenteicb»
Vo der tonreich fitigende Schwan
Den Mufeu dienet.
Zu welchem Teiche bei demfelben (Jon, 161)
vom delfifchen Heiligtbum der heranlllep;ende
Schwan, der Mittöner des föbifchen Saitenfpiels,
verfcheucht . wird. Auch ^ Ariftofanes ( av. 869 )
bezeugt feine Verehrung dem pythifchen und deli*
f che» Schwan f und rühmt der Schwäne gellen-
des Tiotinx.
Welchen würdigeren Vogel konnte der
Bildner dem luftfahrenden Goldwagen ApoUons
ZWÖLFTER BRIEF, lOJ
vorfpätinen, um zugleich die unnhülrliphe
Befliigelung eines Landthiers zu verhüten, und
zugleich den Gott des Gefangs auszuzeichnen?
Eine fpätere Nachbildung fand Spanheim
(^Callint* H. Apoll. 5) auf einer Münze der
Kalchedonier, dieTriftan ( T". 2 p. 54g) bekannt
gemacht: wo die eine Seite das Bildnis der
Tranquillina Augufta, die andere den Apollo auf
dem Schwanenwagen enthält.
Da die Schwanenmufik einmal zur poetifchen
Wahrheit erhoben war , fo glaubte man bald auch
in einheimifchen Gewäffern fie gehört zu haben,
nicht nur um AppUons Tempel, fondern felbfl:
in der Wildnis, vorzüglich am homerifchea
Kayilros. Dort vernahm ihn bereits Anakreong
Zeitalter, der iiii Liede an ApoUon (v. 7)
fingt:
i»^vyiai fv^[i,» ßoijSUf
'AT8 rti KVKVOQ KjBVS-fV,
n^A/o/C vTeffOi€t fig\z'äiv
In der Frygerwcife ruf* ich,
^ie oin Schvran am Strom Kayftrot,
Der mit Sliberfiügeln töiiciid
lu den Hall einltlnimt des ^^indes.
Und am Peneus im thejlalifchen Terape läfet ihm
der Verfaflcr des kleineren homeridifchen Hj^m-
G 4
104 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B«
nus an Apollon die melodifchen Fittigeim Wind^
fäureln :
^otßtf 9t fjtnv Kctt KVKvoi vro '^rt^vyjuv hty* atiinp
Föbof, dich ßngt auch tnelodirch der Schwan mit gc»
hobenen Flügeln,
An dns Geftad' safhupfend» ve^o virbelvoll der Pene^'ot
Hioftröinc
Woraus die Jnj^end diefes Hymnus erhellt. Des
Schwanen^eGinga auf dem Iftros, dem Hermos'
und Hyllos, gedenken Philoftrat und Himerius,
am Hebrus hörte ihn Ariftofanes (av. 774)1 und
Lukrez (4, 552) auf den Gewäflern am Helikon,
andere anderswo. Un^ felbft zu ApoUops
Geburt führt Kallim^chus {tn Del. 349) die be*
grüfsenden Schwfine vom lydifchen Goldftrome
Paktolos her:
«-^ Kt/xvffi Je 5»» fuATOVTiQ uot^ot
Mjfovtov TlecKTuAov tKVnXto9etwo Atfrovrt^
^EßiofiaKic irtfi AifAov, »migijxy ig Ao;^«!)),
JAvca$t¥ offvtBet f uoiioruTot irtreijvuy,
EvScv i watQ T99€a9Zi$ Avgp tytZiicaTO X0f JffC
^.>~ Und Schwäne, dt% Gottes melodifehc
Sänger,
Laflend Paktolm Geftr6iii in Mäonia, fchvangen fich
rundum
ZWÖLFTER BRIEF* I05
Siebenm«^ irm Ddoi« nnd wirbelten hell das Geburcs-
lfd.
Vögel den Mtifen geweiht, toiireicif vor allem GefiogeL
Darum fpaniite der Knabe Co vielfach Saitengecön auf
Nachmalt, als zur Geburt die kreifendeu Schwäne ge-
fuiigen.
Kühn war es, ein folches Naturwunder dem
<Xicht und der Nähe zu vertraun. Aber auch hier
umnebelten es fo fchwierige Bedingungen « dafg
nur feiten einmal ein Gläubiger die Seligkeit der
Wahrnehmung erlebt zu haben fich rühmen
konnte.
XIIL
JL)ie gemeinde Bedingung für den Schwanen*
gefang war: der Schwan mufste fterben. Dies
foderte fchon Heüodus von dem Schwane in
Ligyen; obgleich ihm auch Schwäne, die nicht
ftarben , über dem benachbarten Oceanus jubelten.
Bei Aefchylus ( Agam. 1455) finden wir bereit!
das bekannte Sprichwort vom Schwanengefang
des Abfcheidenden:
'H Iff TOt^ KVKVH ^/K^y
Tom v^ajov fUAJixca ^uvxffif^ov ycav.
Sie aber , gleich dem Schwaty
Die lezte Klag* acftimmend vor dem Tod.
G5
I06 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Auch Arifloteles fagfc , im Meere an Ligyen
finge der Schwan, zumal flrerbend, in melodi-
fchem Traiierton. Welchen Gefang gleichwohl
Sokrates in Piatons Phädon und Cicero ( Tufc.
I, 30) als einen Jubel des apollonifchen Wahr-
fagergeiftes und des Vorgef Uhls von der Gllick-
feligkeit nach dem Tode auslegen, mit Aelian«
(jiat. anim. 5, 34) herzlicher Beiftinimung.
' Einen Schwan fterben zu febn, war fchon
hicht jedermanns Sache. Doch glückte es eini-
gen ; und ? — der Gefang blieb aus. Der Myn-
dier Alexander meldete QAthen.'^f 11 p. 393)»
er fei vielen fterbenden nachgegangen , und habe
fie niemals fingen gehurt. Beim Tode der
Schwäne, fagt Plinius (10, 23), erzählt man
von einem Trauergefang: falfch, wie ich glaube,
nach einigen Erfahrungen. Selbft Aelian fpottet
(nat. anim. 10, 36): "Der Schwan foll in den
•*Gcwäflorn mit feinen Mufen der Weisheit
•* pflegen, wie die Weifen in folchen Dingen vor-
•* geben. „ Und anderswo (var. hiß. i, 14) wie^
derrnfc er völlig: "Einen fingenden Schwan
**habe ich felbft nicht gehurt, vielleicht auch kein
"anderer; doch glaubt man es, er finge, und
" dann am hellften und tonreichften , wann er
" dem Ende naht. „
DREIZEHNTER BRIEF« 10/
Aber was habt ihr denn , fragten andere , zn
hören^verlangt? Einen gellenden Trompetenton
wahrfcheinlich ! Wie konntet ihr den aus der
engen Kehle erwarten V Man halte es doch mit
dem fein empiindenden Dichter ( Suid.):
AuiTS^Oq XVKVK'J fllK^OQ ^^00^, IfS XOAO/ttV
Lelfes Schwaiieiigetön ift lieblicher, kls venn dv
Krächzen
Schwärmender Krähen im Lenz nns den Gewölkeit
ericliallr.
Womit auch Luk^-ez (4, 182) einftimmt:
Farvus ut tfi cyciii mtlior cmor^ ilUgrumn fHam
Clavior,
Schwach ift befler des Schwanes Getön, wie der Ki*-
niche lautet
Luftgcfchrci.
Man fagt, belehrt Ifidor (12, 7), der Schwan
finge lieblich, well feine Stimme, durch d%n
langen und gebogenen Hals fich herausarbeitend^
nothwendig mancherlei Töne geben mu&.
Falfch I unterbrachen andere (Himer. or.
Ig, 4"): eng irt: des Schwans Kehle; aber fubaU
er fingt, ertönt vom Halle die ganze Gegend.
**Den fingenden Sclrwänen,,, fagt Dionyfius
^de aucup. a> 19), "hallen Felfen und Gekiüfte
X08 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
*' entgegen; fie find die tonreichftep Vögel, die
"wir kennen, und darum heilig dem Apollon,
•' Auch fingen fie nicht klagend , wie die Alcyo-
^'nen, fondern lieblich und honigfUfs, wie mit
*< Pfeifen: und Citherklang. Sie fingen vor
"Sonnenaufgang, um dann in der Einfamkeit
"hörbarer zu tönen; auch an den Meerufern,
" wenn nicht Sturm und Wellengeräufch fie
"ftört, dafs/fie die- eigenen Wohllaute nicht
** hören. Ja des Gefanges gedenken fie, auch
^* wenn zum Ende fie das Alter führt; nur ift er
"fchwächer, als in der Jugend, weil fie weder
**den Hals emporheben, noch die Fittige aus-
*• breiten können. Denn fie nehmen den Weft-
"wind zu Hülfe, da träge fchqn die Gelenke,
"und die Glieder kraftlos find. Und wer fterben
"will, geht bei Seite, wo kein anderer Vogel
"ihn fingen hört. Von den Schwänen ftört
"keiner den fingenden, auch wenn er' nahe ift,
''eingedenk, dafs auch ihm ein folches Ende
"bevorftebe. „ Selbft das Wellengeräufch,
tneint Himerius {or. 6, i ), fchrecke den Schwan
im geringften nicht; er überftimme das fchallende
Meer.
Nicht gezankt, ihr Lieben! traten wiederum
«ndere ins Mittel : im eigentlichen Verftande
fingt der Schwan weder leife noch ftark; feine
DREIZ&HNT EU BRIEFE IO9
Kehle ift nicht znm Gefange gebaut. Aber er
tönt, gar lieblich tönt er mit den Flügeln, auf
jedem Gewäder , wo ihr ihn antreft; ohne dafs
ihr eine Meerreife nach Ligyen und dem Erida-
nus machen dürft. Nur müfst ihr den FrUhling
abwarten, und das Wehen des Zefyrs, auch ein
v^enig auf den launifchen Eigenfinn der Ton«
künftler rechnen.
Mit iiefer Erklärung fchüzten fich di©
Hlteften Griechen, welche die Schwarienm'ufik
auch auf einheimifchen GewälTem wollten ge« •
hört haben. Anakreon in der angefahrten
Stelle rühmt den Schwan des ICayftros 9
Der mit Silbfrfiügelki tönend
In dtxi Hall eiuftimmt des Wlndtu
Und der Homeride in dem Hymnus an Apollon
fagt von dem peneifchen Schwan:
FÖbof , dich fingt auch melodifch der Schvan mit gt^
hobenen Flägelo,
An das Geftad' auflbqpfend» vo virbelvoU der Peneio» .
Hinftrömt.
Aber auch hier theilte man fich in Parteien«
Einige y und diefe mit Recht» behaupteten , da(s
man beim Fluge des Schwans ein helles Getön
der Flt^el höre; andere , dais auch fonft in die
1IO MYTHOLOGISCHfiR BRIßPC II. B.
ftufgefpannten FIDgel der Zefyr melodlfch
fäufele.
♦*\Vir fehn,,, lagt Himerius (or» 17, 3),
**(]ie Gefangvögel, nachdem fie vorgeübt die
«* Melodien, empor ßch jezo erheben, und auif
«liohen Bäumen die Mufik Qbem So beginnt die
**Cikade ihr Lied, fo bereitet der Schwan den
««Fittig zu den Hymnen Apollons. „ Eben
derfelbe (er/. I4> 5) bemerkte den Schwan
auf der Fruhlingsau, der im Begrif war, dem
Zefyr , fsum Gefange die Fittige auszubreiten»
Denn der Zefyr allein , glaubte man , fiimme des
Schwans riügelgetön. "Es fchweigt,,, fagt
Himerius deswegen (or. 14, 7), **auch der
** Schwan am Kayftros, wann ein anderef
<<Wind bIStfet; und fingen noch fo viel Vögel,
/«er erwartet den Zefyr, um unter jenem ftlleia
*• feine Mufik zu üben. „ Auch Gregorius von
Nazianz (^ep. i) fchreibt diefer Meinung gemafst
•»Unferthalb kommt wohl mancher in die Wüfte,
«* um den Wohllaut zu hören, wann wir dem
"Zefyr die Fittige darbieten , fie zu fchwellen
**mit füfsem und harmonifchemTon. „ Und Non«
nus,^wie follte Ncnnus einer folchen BefchreU
bungfich enthalten haben (^Dlonyf. 26, ao2)?
Kvxvoc avx)c^\itt Zc^bfiy2'd< ffw^fco^ ttvgff
' WfivQroKm 9fr$$\iym$ tnifii^ha fot^w ««AAaia
DREIZEHNTER. BRIEF. III
Laut aarfchmettert der Schwan» mit Zefyros Lüften im
EinkUngt
Hymuengetdu aas der Fittige Schvrung iut Gcfdafel
verfendend»
Auf Pliiloftrats GemäWde vom Faethon (icon.
I, II) war auch der Zefyros vorgeftefit, deffen
Hauch die auf fliegefidea SchwSne begleiten und
mit Wohlklang erfüllen feilte. «Der Zefyr,,,
fagter, "wird ihnen nüzen niic fanft anwehen-
**dem Hauch; denn man fagt, er ftimme har-
«monifch in die Wehklage der Schwäne.,,
Eben fo auf dem Gemüblde eines Sumpfs (iconm
I» 9) fofsen tönende Schwäne am Ufer,
welchen Zefyros, als geflügelter Jüngling, die
Flügel mit Gefang füllte.
Ariftofanes giebt uns in einem komifch be*
geifterten Chor diefe Fiügelfymfonie, welche die
Schwäne, wie der Scholiafl: anmerkt, dafch der
Flügel Bewegung zu ApoUons Preife am Hebron
aufführen (««/. 769):
ttO TiO tto T/ö TiOT/y{,
JlTtgotQ sifsiKoyrfc saKZ^v Afr^AA»,
*rto Tto tid rt$ tt^Tty^t
Ox^ffi i^t^oiAiV9t ^of* *Eßff9v worafUfm
Tif T4§ rto tto r/«riyf .
I
III MYTHOLOGISCHER BRI£FK II. B*
Af« y atS'gftov vt^oQ ifA^f ßat*
Kvijuers r* gjßtfft vvivefMQ A<<^f*f>
TOTOrO TOTOTO TQTOTOTty^.
n«c 9* aiTiKTvififC* OAufiiroc*
£/Aff Sa ^etfiß*^ efvoiK -
r'a^' OAt/fCT/ft^iFC ^f fe«A0ff Xaftr§49
Idüffat r' f;r<oAoA(/|an/.
Tifl T*o Tio T<« rtoTty^,
Alfo di> Schwäne,
Tio tio tio tio tiotiiix,
IDen vereinigten StimmenkUng
Mit Flügeln raufchend, feierten üe den ApoIIon»
Tio tio tio tio tiotinx,
Sizend auf grünendem Bord* an dei Hebros Gellr6im
Tio tio tio tio tiotinx.
Die ätherifche ^olke durchdrang der Schall]
Starr horchten die mancherlei Wiidesgefchiechter»
Und die.Btandangen löfchte die heitere Still(u
♦ Tototo tototo totototinx.
Ganz auch fchmetterte drein der 01ym|poi, ;
Wo Stamien die Herfcher ergrif;
Die olympifchen Chariten hallten in das Liec^
Und die Mufen mit hohem Lauü^
Tio tio tio tio tiotinx.
Unter den Alten , wie Sie fchn , fcheinen die
guten Gefangfehwäne nicht fonderüche Ver«
theidiger zu finden. Die Scbiiferfage, dals fie
DREIZEHNTER BRIEF. II3
am Ligyen gehört würden , duldete Arißoteles»
M^eil die Weftgegend noch Im Dunkeln lag. Aber
der Spötter Lncian verfcheuchte fie auch ans
ihrem Geburtsftrome«
Mit dem Sterbegefange des Schwans vertra*
, ^en fich netiere Gelehrte noch fo ziemHch«
IMQIler im deutfchen Linne hSit es für möglich,
dafs das abgebrochene Stöhnen aus der langen
Luftröhre ungefähr wie ein leifer Gefiing
tönen könne«
Erneili erzählt beim Kallimachus, er habe
einen Mann aus Alien gefragt, ob die iSchwäne
in feiner Heimat fangen; und der Mann habe Ver-
fiebert, fie fangen. Wir beiden hätten lieber
die Vorfahren des lül^annetf abgehört» Def
Isländer Faul Vidallnusin feiner Lobrede auf* den
König von Dännemark wundert fich Über die
Zweifel; er felbft habe in feinem Vaterlande
jenem hisUen und anmutigen Schwanenton oft-*
mals nicht ohne Vergnügen gehorcht.
Von den vier fingenden Schwänen in Chan«
tilly, die vor einigen Jahren aus der Fremde,
wie man vermutet , aus deh H^riden , ankamen,
Qnd gegen nahe gebrachte Gänfe ihren Unwillen
in gewiflen Tönett ÄU erkennen geben, haben
Sie gewid in Halems Reife gelefen. Ualea(
H
114 MYTHOLOGISCHER BHIEFB II. Ö.
hörte fie in der Federzeit; dennoch fand ef die
Töne nicht unangenehm, und traute den hebri-
difchen noch angenehmere zu»
Wie wenn ähnliche Zugfchwäne die erften
Phocäer in den h'gurifchen Gewäffern durch ihreii
Gefang überrafcht hätten? höre ich Sie fragen.
Aber woher denn dieBernfteinpappeln, die Greife,
die einäugigen Arimafpen, und was fonft für
Wunder in diefem Winkel zu Haufe gehören?
Und unter fo vielen Bedingungen des Schwanen«
gefangs warum fehlte die Gans?
XIV-
' jDen Pfan weDigftefis mit feinem regenbogigen
Schimmer möchten Sie gar gern als uraltem
Symbol der Luftgöttin Hera fefthalten. Ich
bedaure Sie, dafs der fchöne myftifche Regen«
bogen verduften >vh-d.
Allerdings kannte Homer die Fabel von
Argos,' dem Hliter der verwandelten lo; aber
des Pfaues Entftehung aus dem Blute des hundert-
äugigett-fo wenig, als den Pfau felbft. Noch
ApoUodor (2, I, 3), fo viele Veränderungen
der Fabel er auch anführt, weifs von dem Pfaue
Aidits« ' Dies bemerkte fchon Bocbart QSieroz.
VIERZÄH JTTER BRIEF. 11$
B, l6); Herr Heyne ging ftiU vorüber, wie
gewöhnlich,
' Mofchus ziierft von den erhalteinen Dlchtwn
ipand Jen« Neuerung auf .Kunftwerken gebildet«
Denn fo befcbreibt er den Koz*b 4er Europa
<v. 55)5
Af7«C> ttxoiftiitoi€i icfKatftgyflC o^ttAftotSu
OCff/fOM rmAafOto ^e^icutfct x^'^^» rxf€otQ.
19ak a«ch> unter dem Krattz« <tes ^ohlgerfin^tni
Korbes,
War Hermeits geformt; uni neben ihm llreckte fich
langhin
Argoi=, )>eftclk »um Wäcliter inft niemals fchlafendeA
Aagen*
Ihm uns pürj)uniem Ströme cles TodesbTates erliub fich
In vidftrSlger Blüte der Fittige prangend em Vogel,
Aafgerottc daft <>efiederi und gleich dem geflägelten
. Meerfcäif
^ Vebervöibf' «r den Rand des gpidenen Korbs mit den
Pederft.
Weniger natörlicli erdlclitet Övid ( Met. i , 7^2 ) ,
dais Juno Ihrem Pfau nur die Augen in den
Schwan« gefftgt babes
Ha
Sl6 MYTHOLOGISCHER BKI£F£ II. B«
Excifit hoSt votkcrUque.fua Satumia pennit
Collocatj W getnmis caudam ßdlantibus impUt,
Jene nimt, und verfchönc dem Lieblingsvogel die Federn»
Joiio« ^cn Schweif anfüllend mit farbiger Sterne Ge-
funkel.
Aber woher denn der Here Verbindung mit
dem Pfau? Das werden wir gleich' vernehm'en.
Der Samier Menodot in, der Schrift von den
Merkwürdigkeiten im Tempel der famifchen
Here meldet (^ Athen. 14 , 20 p. 655): die
Pfauen fein der Here heilig ; weil fie vordem in
Samos zuerft entftanden und genShrt wurden,
und von dort auswärts lieh verbreiteten. Auch
bezeugt der Komiker Antifanes, der noch mit
Sokrates lebte:
£y ^Aiu fccv ^ccffi »ytvvaff^Mi ToAfi
Inv'Heliopolis, erzählet man, endiand
Der Fönix; in Athen die Eule; Kypros hege
Der Tauben anserlefne» Volk; in Samos auch
Hat Here, witf man fagt» die goldne Vögelbrut,
Die fchöngeftalteten und wuuderfameu Pfaun.
Noch in ipäteren Zeiten, nachdem Hortenlius
zuerft einen priefterlichen Antrittsfehmaus durch
VIERZEHNTER BRIEF« II7
#iiien aufgetragenen Pfan verherlicht hatte,
lobten die römifchen Wollüftlinge, wie Varro
bei Gellias (7, 16) verfichert, den Pfau au«
Samos. Und in dem Wirtfchaftsboche (3» 6)
meldet Varro, dals Heerden von Pfauen za
Samos in dem Haine der Juno genährt wurden.
Die heiligen Väter, die ihrer Göttin die Ent-
ftebung des P£ius zueigneten, haben es gewifr
nicht an finnreichen Deutungen auf die Her-
fcberin der unteren Luft mangeln laflen: der
Pfau ward ein auszeichnendes Symbol der Here»
Man prägte ihn auf die Münze der Samier
{, Athen. 14, ao); man bildete ihn auf Ktinft*
werken , und veränderte die Fabel vom Argos.
Und Ovid iMtt. 2» 531) fimg griechifchen
Dichtern nach:
h<Mt Sattmäa etmru
Ingredttur H^idum favoniims ae'ra piBis,
aof leichtgfwendetem Vagen
Lenkt in die heitere Ltift SatnrnU farbige Pfauen.
Auch auf römiichen Münzen bei du Ckoul (p.
46. 47) erf<^beitit Juno mit ihrem Pfau; und auf
einer (p. 75) trägt er fliegend die vergötterte
Fauftina gen Himmel, mit* der Ueberfchrift
CONSECRATIO.
Hj
Il8 MYTHOLOCISCHER BRIEFE 11. B.
In Alben wurdeh fie znr Zeit des Sokrate$
ihrer Seltenheit wegen fo geachtet, daü der
Redner Antifon, wie Athenäus (9, 12 p. 397)
und Aeüan (^nat an* ^9 21) melden, üe in
einer ausführliGhen Rede pries, worin er fie
noch bunte Vögel , nicht Pfauen nannte. Viele^
fagte er, kämen aus Lacedämon und TheflalieD^
bei dem Athener Demos , dem Sohne des Pyri-
lampes, die Geftalt der Vögel zu fchaun, und
fachten fich Eier zn verfchaffen. Ein Männchen
und Weibchen würden an taufend Drachmen g^e-
icbäzt. Nur an NennK3ndeß liefse man die Neu-»
gierigen für Geld hinzu; an anderen Tagen
würde es keinem vergönnt. Dies fei der Ge-
brauch feit länger als dreifsig Jahren» Nemlich
fchon im Haufe des PyrUampes^ der, als Freund
des Perikles, wie Plutarch im Leben defielbea
erzählt^ mit leinen gehegten Vögeln und Pfauea
ein GeipötC der alten Komiker war»
Sie breiteten fich jezo allmähncb aus in den
Häufern der Vornehmen, doch ohne den Werth
der Seltenheit zn verlieren. Zwar fagte der ob-
gedachte Komiker Antifanes mit Laune {AthiB^
Tom Ttfttfv fiffu &i ixa^ ric ^svyo^ ifyMytv fiüvWf
VIERZEHNTER BRIEF. . II9
Jenen Pfaut den bracht' ant einer anfangt nar ein ein-
zeln Paar,
Ob der Seltenheit; doeh jezo find fie mehr alf
Wachteln fchon.
Gleichwohl geftand noch unter Philippas der
Komiker Eubulas:
£s verdient ja der Pfan dnrch Seltenheit Be^omndernng.
Und defTen Mitwerber Anaxandrides eiferfce
(^ Athen* 14» 20):
Ovx' fiavt^ov er<v fv oiKtx Tft^ttv r«MC»
O \srle rafend et ifb, in feinem Hof üch Pfanen ziebn;
Da nm ein Paar zwei MarmorbUder kanfbar find!
Selbft als Alexander, fagt Aelian , lie in Indien
fand, bewanderte er ihre Schönheit fo, dafs er
bei fchwerer Strafe fie zu tödten verbot.
Bereits in den perfifchen Kriegen erfuhr man,
der Pfau fei häufig auch in Perfien, Ariftofanes
nannte ihn deshalb (Acharn^ 63) einen perfifchen
Vogel; und andere, nach Suidas und Klemens,
einen medifchen* Für eingeführte Vögel in das
vordere Afien, Samos nicht ausgefchlofl*en , er-
klärte Theofraft (>öir, 10, 41) die Tauben, die
Pfauen und die Raben. Und Aeliau gedenkt der
150 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II, B.
ftehenden Sage, dafs von den Barbaren der Pfau
zu den Griechen gekommen fei. Wie den famU
fchen Prieftern diefe Aufklärung gefallen habe»
wird nicht erzählt
Ichiann mir die Freude nicht verfagen, Ihnen
Tertullians prunkendes Gemähide vom Pfau (dE#
fall. r. 3) mitzutheilen. Pavo pluma veßiSf &f
quidem de cataclUis; imo omni conchylio depreß*
ßoTf qua coüa florent; & omni patagio inaura^
thrf qua terga fulgent; & omni fyrmäte folu*
tibr^ qua caudajacet, multicolor^ &discolorf &
verficolor: nunquamipfaf femper ßlia; etßfemper
ipfßi quardo alia; totiens denique mutandaf
quotiens movenda, ^'Dem Pfau ift das Gefieder
**ein Kleid, und zwar von den Schmausgewan-
*^den; ja tiefer wie in Purpur getaucht, wo
<* der Hals blühet; und vergoldeter als alle Ver*
"brämung, wo der Rücken ftralt; und wallen*
<*der als jede Prachtfchleppe , wo der Schweif
♦*fich fenkt, der vielfarbige und buntfarbige und
£*wech feifarbige: der niemals er felbft ift, immer
**ein anderer; obgleich immer er felbft, auch
«'wann ein anderer; kurz fo vielfach veränder-
*Micb, als vielfach beweglich. „
Glaub€;n, Sie, /dafs Tertullians Schreibart den
Mitlebeoden abzuweichen von der Bahn der
Natur f oder durch Blumen des feineren Wizes
VIERZEHNTER BRIEF. III
fie zu verfchönem fchien? Gewifs ward aach
damals ' von Uebe^trefTung der aleerthümltchen
Einfalt geplaudert. Selbfl: ja ein Sidonias ApoU
linaris (fp. 3 9 8) durfte von feinem Zeitalter,
wie ehmals der jüngcire Plinius (6, 21) von
dem feinigen , das billige UrHieil abgeben:
Veneror antiquos^ fion tarnen ita^ ut qm aqum"
vorum meorum virtuUs aut merita poflpomam.
^*Ich verehre die Alten 9 doch nicht fo, dafs ich
'* meiner Gleicbzeidgen Tugenden oder Ver«
^Mienfte nachfeze. ,,
Niemals erkannte ein Zeitalter fich felbft für
barbarifch. Nur einzelne Spätlinge der abfcheU
denden Menfchlichkeit, oder Vorboten der kom«
tnenden» ahndeten es, und wurden den Ihrigen
zur Thorheit,
iLinen höheren Uriprung werden Sie den^geflO*
gelten Drachen nicht zutrauen, womit Demeter
und ihre Lieblinge und die Zauberin Medea
durch die Luft fahren. >
In Homers Hymne an Demeter wäre ein
folches Gefpann fehr brauchbar gewefen, all
Demeter, ihre geraubte Tochter zu. fachen, den
H5
laa MYXHOLoaiSCHER BRIEFE 11. B.
ganzen Erdkreis neun Tage durchwanderte.
Ab^r zu Fufs wanderte fie auf ihren Schwung«
foien, V. 43;
Und fle entflog, wie ein Vogel, durch fettes Land und
GewäfTer :
mit brennenden Fackeln in den Händen, iim fich
durch die Nächte und durch das kimmerifche
Geftade der nördlichen Halbfcheibe zq leuchten ;
und zu Fufs ftieg fie am Zehnten Morgen mit
Hekate auf der tragenden Dunftluft (v* 62) zum
Wagen des Helios empor.
Noch bei Euripides, nachdem fie mit der
Erdgöttin, und der phrygifchen Göttermutter,
verwechfelt worden, irrt fie laufend nach der
Tochter umher (Het. 1317):
Ogei» vare iffOfJSih twAt»
Av* v^Jttvra vecTriif '
TioTUftiov re x^^l** vB^ruy,
Becgvßgofiov re KVfi* oAioy. .
Die Bergherfcherin einft mit laafendem Fufs,
Der Götter Mutter, entflog
Durch waldige Felfentbäler,
Und ftrömeude ^ellenflut«
Und • dumpfes Geräufch dts wogenden Salzet«
FÜNFZEHNTER BRIEF. II3
Hefiodus bemerkte im eleofiotfcben Heilig-
thume der Demeter bereits den Gebrauch der .
Schlange. In Salamis, fagt er bei Strabo
(9 P« 393 )> ^'^^ ^'^ Drache Kychriodes, von
Kychreus genährt, der, da er die Infel verwü-
ftete, von Euryklos verflrofsen ward; Demeter
nahm ihn in El^ufis auf, und er ward ihr Diener.
Bei anderen (.Bcchart. Chan. 1, 21) heifstEury-
lochos oder Afopos , der den Drachen umbrachte.
Und nach Enforion iScJu Lyc. iio, 451) töd-
tete Kychreus, Pofeidons Sohn von der Salamis,
den verwiiftenden Drachen, und ward Drachen-
könig oder Drache X^Stepk. Kuxetni) genannt:
daher einen Drachen , der den Athenern in der
Schlacht gegen die Perfer zwifchen den Schiffen
erfchien, das Orakel für den Heros Kyobreus
erklärte QPauf. i f. 67). ^ '
Der Dienft der heiligen Schlange fcheint auf
, die Erdgöttin zw deuten, wozu die Myftiker
die fruchtbringende Demeter erhoben. In den
älteften Zeiten ward der Drache als ein der Erde
geweihetes und durch eingefogcne ErddUnfte
weilTagendes Thier geehrt; fpätcre bildeten alle
Erdgebohrenen als Schlangen oder Halbfchlan«
gen: die^ Giganten, die örtlichen Dämonen»
den Tyfos, den Cdu'ops, den Erichthonios.
114 MYTHOLOGlSCHE^n BRIfe^FlS II. B«
Auf einem Drachenwagen finden wir die
Erdbeherrcherin zuerft in dem orfifcfien Liede an
die eleufmifche Demeter (//. 39, I4):
Die da, das Vragengefchlrr mit gezugeltea Drach«^
befpannend.
Deinen Thron ringsher in wirbelnden Kreifen nmjnbelft.
Weil diefe Drachen al$ göttliche Thiere durch
die Luft fchwebten, hiefsen fie in der bildlichen
Sprache geflügelt » und würden in Kunftwerken
mit FlUgeln vorgeftellt» die anfangs für allego«
rifche 9 bald für wirkliche galten. Der gewöhn-
liche Gang aller Beflügelung. \
Jezt änderte fich die Fabel von den Irren der
Demeter. Nur Sicilien, wohin Neuere den
Raub der Perfefonefezten, durchwanderte fie za
Fufs: wie Ovid {fafl. 4, 461) aus verlorenen
Griechen meldet. Ab aber hier die Nachfor-
fchung umfon^l war, zündete fie Fackeln am
Aetna an, und eilte in die Felsgrotte ihres Ge«
fpanns; (v. 497):
^ £m fimmt «r V€mt , frtntttei curfihus auptes
Jmtptt ^ ät^reas fieea fererrat äqnas»
FÜNFZEHNTER BRIEF, l%$
Alf ^ dafelbH ankam , da (paont fie gezdgclM Schlitzen
Vor das Qelcht^ry und da^chrchweift trocken dat
wogende Meer.
So bei Nonnns (6, 109) führt Demeter ihre
Tochter auf einem Wagen mit geflügelten
Drachen durch die Luft. Und bei Klaudian
(33, 179) befuchte fie ihre Mutter Rhea, wo-
für jezt die phrygifche Cybele angefehn ward :
ßnuofa Araconum
Membra tegtni^ votucri qui pervia nubÜa traäu.
Signant , ^ flacidU humt^^nt frena venenif,
Frontem erifla tegit; pingtüit macnlofa virenus
Terga noUPf mtilftm fyuamis intermicat aurmu*
und gewundene Drachen
Lenkte &tt die iu geflügeltem Zog dorchwegiaml
Wolken
Zeichneten« mit unfchädlichem Gift die Zägel be«
, feuchtend.
Boichig erhob fich der Kamm ; den gefpreukelten Rücken
betropfte
Grünender Glanz, und die Schuppen durchrSthelten gol«
dene Schimmer.
Zwei Münzen bei Spanheim (nirM. o«^. 4^ 11)
zeigen, uns die fachende Ceres der Späteren:
auf einer erythräifchen fährt fie mit zwei unge»
flUgelten Schlangen, in jeder Hand eine Fackel}
auf einer nicfiifchea mit zwei geflügelten» UmI
•merFackeL
Il6 MYTHOLOGISCHER BRIEFS II. B#
Von fiterer Erdiclitutig alfo ift auch die
Luftreife des Triptolemos auf dem DrachenVagen
der Demeter. Ihrer gedenkt Nonnas ( Dionyf*
Xroiru ^t^t^eextftv tirtputrn y«r« ^f«itoyranr.
Ans dem Blute gexeugc des Triptolemos c welcher » der
Deo
Scbliiigelodes Prachtgefchlrr durch die Luft emft Icn»
kend, die Geifsel
Schwang auf die fleckigen Rücken der flhrentragenden
Drachen.
tmgleicheti Ovid in den Verwandlungen (5^ 645)»
Vor ihnen fand fie fchon Apollodor (i, 5, 2)
befuöä^n; auch Paufatiiaa (7^. 431), Phumutn«
(28)f und Hyginus (/j*. 147).
Da der Drache als weiflagend^s Thier den
Wunderthätern geeignet War; fo erdichtete die
Fabel des beflügelnden Zeitalters, auch der
koIchift:hen Medea habe ihr Gfofsvater HeliDü
eui Gefpann geflügelter Drachen gefchenkt^
womit fie aus Korinth nach Ermordung ihrer
Kinder durch die Luft nach Athen entflobn fei«
Diefe Luftfahrt wurde in der Medea des Euripi*
des (v« 1321) durch die fcenifche Mafcbine vor«
.rUNFZEHNTEk BRIEF. tlf
geftellty wie der Scholiaft dort und im voran««
gefcbickten Inhalte anzeigt. So erkennt fie auch
Apollodor (ii 9i 28) 9 und Horaz in der dritten
Epode ; und eben fo brachte der Tragiker Senek«
CMedm 1020) fie auf die Bühne» Mit jenem
Gefpann fährt 'in Qvids VervUtndlungen
(7, 220) Medea» um- filr Aefon das Zauber*
gemifch der Verjüngung zu fucheUi über gans
Griechenland hin:
Et }am HOna dies cnrru fenniitpte drac^tittHy
^9naqHe nox omnes Inßrantem viderat agroy;
Oan rediit: mqne tränt pafli» niß vdore^ dracoms.
Als fchoQ ncanmal der Tag mit fahrendem Drachen*
ge£eder,
Neoomal die Nacht fie gefehu ringsher aasforfchen die
Aecker;
Ktm fit zarück; ukkts» anfser Geruch, gab Nahniog
den DracheiK'
Bochaft bemerkt {HUroz^ 2> 3» 14)9 auch
Circe, die Tochter des Sonnengottes und Bafe der
Hjsdeif, fei nach Apollodors Fabel (3, 308) «uf
ihres Vaters Wagen in die Weftgegend geführt
worden ; und , wie der Scholiaft melde , fchon
bei Hefiodus: es fei aber em Drachenwagen fea
verftehni weil ValeriusFlaccus(7, i2o>fage:
« '■'^ *\ Ät ttliz^ri Green raptttre dracvnes^
■■'■■■.■" - ^'le die Circe geflügelte Drachen geranbetf
Ilg MYTHOLOCLISCHER BUIEFfi II. B«
Ich glaube nicht, dafs wir beide Sagen verbtndea
mliflen. Die ältere des Heüodus führte die Circe
,vom öftlichen Ende zum weftlichen aaf dein
Rorswagen ihres Vaters, der täglich den Weg
nachte: in der fpiteren, die Valerius wählte
oder erfand, gab Helios ihr, wie feiner Enkelin
Medea., em Drachengefpann^ womit er feibft
niemals fuhr«
Eii^ verliehener Dracbenwagen kömmt noch
in einer Veränderung der Fabel von Kadmus
vor. Gewöhnlich heilst es, Kadmns und feine
Gemahlin Harmonia, die Ares mit d^er Afrodite
gezeugt, fein in Schlangen verwandelt worden.
Pindars SchoHaft dagegen meldet (Py*Ä. 3, 157):
** Kadmus ward vergöttert famt feinem Weibe
^* Harmonia; und hinfahrend auf einem Dracben«
'^ wagen, wohnte er im elyfifchen Gefilde: wie
•*die Poeten und Fabelfchreiber uns überliefert
«haben.,, Bei Euripides (Bacch. 1336) ver-
fezt fie Ares nach ihrer Verwandlung zujezt in
Elyfium:
£f d'A^ifC *AftJtovmv Tff fu^tratf
HatUifm r' fC «iay rov Kot^t^fu ßiov.
' ■ ■ ■ Befreit! wird Ares dich und HarmonSt;
< . Auf dal« in der Seligen Eiland du dem Leben lcb&
FÜNFZEHNTER BRIEF. 1^9
Ob fie als Schlangen, oder in Menfchengeftalt
wiedergekehrt , zur Unfterblichkeit eingehn
follen, wird zwar in der Weiflagung ver*
fchwiegen: doch follte man denk^n, das lezte;
obgleich der bekUnmerte Kadmus (v. 1358) jenes
fchlimmere zu erwarten fcheint. Die Vermutung,
dafs der Dfachenwagen vielleicht auf eleufinifcbe
Lehren von Seelenwanderung anfpielen könne;
iiberlaffe ich Ihnen zu verfolgen , wenn Sie der-
gleichen luftige Scheine nicht lieber für fich
hüpfen laffen, •
Gab * es depn wirklich Drachen mit Flü-
geln? Allerdings! rufen heilige 2^ugen, und
gemeine. Herodot (a, 75) forfchte mit feiner
Forfchbegler nach den geflügelten Schlangen aas
Arabia, die im Frühlinge, nach Aegypten flie-
gend» vom Ibis vertilgt würden; und er fand eine
Bnausfprechliche Menge von Schlangengräten:
der Schlange Geftalt fei, wie derHydern; Fittige
trage iie, nicht gefiederte, fondern faft wie die
Fledermaus« Geflügelte Schlangen, fagt Paufa-
nias (9 f. 573 )> glaube ich, ohne fie gefehn zu
haben; denn ein Phry gier brachte nach lonien
einen Skorpion mit Heufchreckenflügeln. Lukan
(9, 73a) glaubte fie in Afrika« Paul Jovius
glaubte 'fie in Georgien mit GSdfefüfsen. Schla«
gen Sie ein Kreuz; der Schwarz« wird fo
I
130 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
gemahlt. Der Kirchenvater Hieronymus bei
Efaias (13, 22), wii? Bochart lehrt, benennt
die geflügelten Drachen gar Sirenen , und andere
mit ihm : welches Wort iü der griechifchen Bibel
i^ob. 30, 29. Ef. 34» 13» 43 f ao) vom Dra-
chen gebraucht wird.
XVL
Ihre Bemerkung ift fein» dafs dem Mafcfaineth*
xneifter der SchaubUhne die auszeichnende Man*
nigfaltigkeit fchwebendet Zugthiere befondeJs
willkommen fein mufste, und dafs wahrfchein*
lieh er felbft zu ihrer Vermehrung beitrug. Die«
könnte leicht mit den Greifen gefchehen fein.
Auf einem Wagen, mit Greifen desijeu er-
forfchten Weftlandes befpannt, fühft Aefchylus
im Propietheus (v. 128) die Töchter des Okea«
iios durch die Luft; weil ihm, wie wir gefehn
haben, die unvollkommene Mafchinenkunft den
Luftfehritt auf magifchen Solen noch nicht ver*
ftattete.
/
Bald nachher kommt er felbft, der Vater
Okeanos, von feiner Quellgrotte am Sufserftea
Weftgeftade Europa*$ , und fagt ( v. fl84 ) ^
SECHSZEHNTEU BRIEF. 13t
*Hit9t ^oAtx^i Ttfffia XffAft/5tf
Ich erreiche das Ziel da langen '^egf,
Darchw^aiidernd den Raum za dir> Prometbeat»
Den Vogel hier in reifsendem Flug
Herlenkend darch Sinn, auch ohne Gebi(s.
Und von dem unbieg&men Prometheus zurück*
kehrend, v. 393:
Atvfov yaf 9tfiiO¥ at^tgoi ^eti^u vrtftt^ 1
Mir eilenden befahleft du dies lante ^ort;
Denn es fchlägt des Aechers breiten Pfad mit den Fhtigeii
Der viergefcbenkehe Vogel fchon. Mit 'Freude vohl
Im Stall der Heimat benget er fein läfles Kuie^
Er wird gern die Kniee beugen, für ausruhn, Ift
ein homerifcher Ausdruck (IL 7, 118; lp> 72):
der alfo nicht auf die knieende Lage einiger
Thiere fich bezieht.
Was Herr SchiU gegen die Greife haben
mag, verliehe ich nicht. Die Greife werden im
Folgenden der lo als unnahbare Raubthiere ge<*
Bannt. Dlefe hat aber der Gott gezfihn^t. Zum
igi MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Reiten wäre ein geflügeltes ftofs, ein Pegnfus,
doch edler, kh' wüfsi;e nicht; wenigftens ift
'bedeutender der Greif. Auch, könnte ein Rofs
wohl vr^vov, aliSf oder Gtflliget^ genannt wer-
ilen; aber fchwerlich €i«vo«, Raubvogel.
Hefiodus, deferfte (^Herod, /^, 32), der von
den neu entdeckten Hyperboreern des gliickfeli-
gen Weftlandes fang , gedachte ^uch zuerft ( Sch^
JefcL Prom. 803) jener Griffen oder Greife,
der fabelhaften Goldwächter auf der rhipäifchen
Bergkette, wofür man die zufamitiengedrängten
Pyrenäen, Alpen und folgenden Gebirge in der
noch unentwickelten Landmafle anfah. Diefe
Sage entftand durch die beginnende Entdeckung;
der Phocäer und des Samiers Koläus, Man war
erftaunt , nicht dunkle Kimmerler, nicht Schlünde
des Schattenreichs, anzutreffen; fondern glück-
liche, metallreiche, gelittete Völker unter Oel-
bäumen, und ohne den flehenden Nordwind
Griechenlands, der dorch die hohe Gebirgkette
;ibgewehrt fchieur Das Erftaunen der Betrach-
tung wuchs, da es zu Haufe fich mittheilte. Man
erzählte von den groisen, gefunden und langle-
benden Menfcben im Schuze des Nordwinds, als
Lieblingen Apollons, dem fie in fruchtreicbeti
flainen mit Muiik und geopferten Efeln dienten«
Man erzählte von wilderen Bergbewohnern mit
SKCIISZEHNTER BRIEF. I33
Einem Auge, ArimaQ)en genannt, dte aus den
homerifchen Kyklopen des Wefteilands Thrina-
kia fich gebildet, und einigen auch Kyklopen,
oder altrümifch Koklites, hiefsen. Man erzählte
von'neidifchen Unthieren mit Flügeln, welche
die gediegenen Goldklumpen dqr Rhipäen be-
"U'achten ; von Lygiern, die noch jenfeits der
Tyrrhener das innere Meer anwohnten, bis nahe
zu den Seuien ; von dem angrenzenden Eridanos,
der, aus den Rhipäen nordwärts in den Okeapos
fliefsend, an feiner Mündung den Föniciern Bern-
ftein zu fammeln darböte; von iingenden Schwä-
nen in Landgewäflern und auf dem Meere; vom
gefegneten Lande Ombria, wo dreimal des Jahrs
die Heerden jungten, gewöhnlich mit Zwillin-
gen , oft mit drei , vier und mehreren , wo
zweimal des Tags die Hühner legten, wo man
dreimal Früchte einfammlete, wo auch die Wei-
ber fad nur Zwillinge und Drillinge gebäbren.
Solche Gerüchte verräth fchon Herodots
kurze Erzählung von den Seefahrern unter Ko-
laus. **Sie wurden, „ fagt er (4, J52), "auf
"der Fahrt nach Aegyptus vom Oftwinde bis
**aufser den heraklifchen Seuien hinweggeraft,
**und kamen nach Tartellus durch göttliche
"Fügung. Diefer Handelsort war zu der Zeit
**noch ungebraucht: fo dafs fie die unermefslichi-
13
134 MYTHOLOGISCHERBRIEFE II. B.
**fl:en Reich tliümer mitbrachten. . . • Den Zehn-
"ten des Gewindes nahmen die Samier, fecbs
*• Talente, und machten ein ehernes Gefchirr,
**i^ch der Weife des argolifchen Mifchkruges,
"und umher Greifshäupter aufgeftuft, und fezten
"es in den Tempel der Here., ihm ujuterftellend
"drei eherne Koloffe von lieben Ellen, auf die
**Kniee geftüzt. „ Die Greife und die grofeea
Männer, worauf deuten fie anders, als dafs die
grofsem Hyperboreer einen Theil ihrer von
Greifen bewachten Metalle der Here zum Ge-
fcbenke gefand t?
Es irre Sie nicht, dafs Herodot fich des
Namens Hyperboreer enthält. Wahrere Ge-
rüchte hatten den Namen fchon aus dem Weften
verdrängt, und auch im Norden bezweifelte er
fie. Noch Pindar indefs (^Pyth. lo, 46), ob-
gleich er ihr Land jezt unzugänglich für Schiffe
und Fufswandler erkennt, fezt fie mit den alten
Volksliedern in den äufserften Wetten , wo Per-
feus auf dem Zug gegen die Gorgo fie befuchte;
und (O/. 3, 25) an die fchattigen Ifterquellen,
woher, hinter dem Hauche des kalten Boreas
(^» 56)» Herakles den Oelbaum nach Olympia
brachte. Der Ifter aber entfpringt, nach Hero-
dot (a, 33), bei den Kelten und Pyrrhene,
jenfeit der heraUifcbeü Seulen» und (4, 49)
SECHSZEHNTER BRIEF, I35
durohftrömt ganz Europa; hinter ihnen wohnen
im änfserften Wetten die Kyneten oder Kyiiefier.
Verta'ufchen Sie die neueren Namen, Kelten und
Pyrrhene, mit den verdrängten, Hyperboreer
und Rhipäenj und Sie haben die urrprüngliche
Fabel, wie die Dichter Pindar und Aefchylus fie
behielten. Denn auch Aefchylus QSclu Apollo
4, 284) fagteim gelöften Prometheus, der Ifter
komme von den Hyperboreern und den rhipäi-
fchen Gebirgen.
Aber in dem gebundenen Prometheus (\\r.
797 fF.) foU'ja Aefchylus die byperborifchen
Arimafpen und Greife famt den Gorgonen und
Gräen ins öftliche Alien verfezt haben. Das
fagt Pauw, und hurtig ihm nach — Herr Heyne
CPind.P. 10, 48). Ein bekanntes Volltsmähr-
chen von Weften nach Ollen zu verfezen , und
das auf der Bühne; und, was noch kUnftlicher
ift, ohne dem Volke nur einen Wink darliber
zu geben ! Wie machte crs denn , da(s der Hörer
nicht Weften dachte, wo Often gemeint ,fein
füllte?
Die ganze Wanderung dpr lo ift ein zu Wich-
tiges Denkmal der alten Weltkunde, als dafs ein
befcheidener Mann, ohne fich einiges Eifers für
diefe fchwierige Kenntnis bewufst zu fein, die
Erklärung davon ohne Noth übernehmen, oder
14
136 MYTHOLOGISCHERBRIEFE II. B*
die übernommene fo leicht von der Hand fto&en
wird. Herr Sci>üz , der als Ausleger des Aefchy-
lus nicht umhin konnte, hat doch durch Flei(s
und Scharffinn den Vermiffenden ausgef()hnt,
und, wenn er gleich niit der Ausfpähung der
Greife und Arimafpen nach Afrika fich verirrte,
wenigftens die Weftgegend und den unverlegba-
ren Siz der Forkiden für nothwendig erkannt.
Ich wollte aus meinen geografifchen Papieren
noch etwas über jenen Theil der Wanderung bei-
fügen. Allein auch ein kurzer Auszug würde
den Brief überbden« Nächflens, wenns Ihnen
gefällt.
XV IL
L/es Prometheus Weilliigtmg von den Irren der
lo unterbrach fich beim üebergang nach Afien,
V. 740^:
verlai&nd danu Europa's Flur«
Kotnoift da los Erdreich Afi^. — Nun? fcheinet
«uch - • «
Der Faden wird wieder angeknüpft, v. 796:
SIEBZEHNTER BRIEF. I37
.*Ot«v ^e^aetßt fnOfov^ ttTrti^uv Äfov,
\|^atii] du den Strom durchdrüugeft« der die Vcftea
trennt.
Dann zu des Aufgangs flammenhelier Sonnenbahn . . •
Hier ifr eine ziemliche Lücke; denn wir vermif..
fen alles, Wiis lo im ößlichen A/ien durchwan-
dern füll. Wahrfcheinlich, weil der Al/fc-hrei-
ber von dem Ausgange des nächften VerlVs, gg
T* €t)f t%tK^9 zu dem ähnlich ausgehenden, der
nun finnlos foJgt» Uberzuhüpfen verleitet ward.
Jener Grerzftrom zwifchen Europa und Afia
ift weder der Tanuis, noch die kimmerifche Meer-
enge; fondern der altefafls, der noch, wie auf
Homers Welttafel, aus dem Oceanus herabftrö-
mend, mit der weftlichen Einftromung des
Oceanus, die Erdfeheibe in zwei gleiche Hälften,
Nachtfeite und Lichtfeite, fonderte. Nur dafs
fowohl der Often als der Wetten geformtere
Länderund wahrere. Voiksnaraen zeigte. Zwar
nahm zur Zeit Herodots (4, 45) fchon mancher
den Tana'is für den Fafis zur Bc-gren/.ung der
Erdtbeile an, weil diefer nicht mel-.r, wol)l ührp
jener, aus dem Oceanus zu kommen fcijitfiu
Gleichwohl blieb der Fafis bei Pindar und Spä-
teren der Scheideftrom, durch welciit-n die
Argonauten, wie bei Hefiodus, in den umkrci-
I5
138 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B,
fenden Oceanus, der jezt eines Meer^ Breite
gewonnen hatte, hinausfuhren* '
Von Aefchylus bezeugt Arrian (petipL Pont.
Eux.)i dafs er im gelöften Prometheus den Falls
tX& Grenze Europa's und Afiens anerkenne. Denn
4ort fagen die Titanen zu Prometheus:
Hko/hv
Wir kommen her.
Um deine Kämpf alhier, Prometheus«
Und der Fefielang Pein mit anzulchaun.
Und darauf erzählen fie, wie weit fie her-
kamen: .
T^ ftev hivfJtov x^ovoc Ev^u^m
Mfyav hJ* AftxQ rtsfAoy» ^ccffiv . . •
VTo ihn, der zwver das europtfche Land
Und Alia trennt, den grofseu Fafis . • •
So lieft Voflius für tjj ft«v . . . rp^* An««, wel-
ches den Sinn und den Vers zerftört. Um die
Rede zu runden, möchte ich lefen: Anrofjuv
hivfiov — , irir verließen , der zwier — ; und
mit Cafaubonus und Stanley diefes BruchftUck
beiStrabo (i |y. 33) unmittelbar anfügen:
SIEBZEHNTER BRIEF* 139
^0/yix0irff^oy r* fffv5fdrc U^ov
Xtvfix BaKx9€fi9ß ;i;«AK0Xff«vy0»
Tf nof SlH$avtf ^ißvaif vet^ro"
*HAi0C ect»t Xf^'^' ccBtcvaraPf
Kafutrov 5' l^vuv 5fffidr<c v^tiraQ
HzAaxH 9r0oxo»iC eevxvctvti,
tJnd mh parpurnem Grand die heilige Hot
Des gerötheten Meers, und erzninftralc
An Okeanos Rand der Aethio^eii
Allnährenden Teich, wo Helios ftets.
Der alles (chaat, den unflerblichen Letb
Und der Rofl? Arbeit in des fanften Gewegfl
Lauwarmer Umufecnng ausruhe
Der nmftrömende Okeanos hiefs, Jezo erweitert
zugleich Meer, wie bei Pindar (^Pytk. 4, 447),
Pherecydes (^Sch, JpoB. 4, 1396. Athen, ir, 6),
Onomakritus (^Arg. 1079, 1167), und Difilus
iCUtn. ßr. 7); und ini Often das rothe Meer»
von der durchfcheinenden Söthe des Bodens;
Wo aus diefem meerweiten Okeanos der Grenz«
firom Fafis nach dem kolchifchen tjeftade herab-
ilrömte, dort an der Lichtfeite bei den öftlichen
Aethiopen glaubte man einen Teich durch fcbim«
mernde Erzfeifen vom Okeanos gefondert, ia
deflen leichtem Vorwaffer (vfoxom, Odyff. 5, 433)
Helios ficb und feine RoiTe, nach der fchnellen
nächtlichen Umfchifiung Earopa*S| abkühlte.
I4Ö MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B,
In dem felbigen Teiche fchwemmt Helios bei
Homer (Odyfll 3, i) fein Gefpanri, bevor er
die weite Fahrt durch den Himmel aritrit: •
HfAipc <i* mQ^HVtp Xiitm sr'f/KaAAmr A/f«vv»y
'Ovgavov BQ 70A(/;i;«Axov.
Helios drauf erhuh (ich aus lieblich ftralendem Teiche
Auf zum eheriieu Himmel*
Allem Anfehn nach ward mit diefem fabelhaften
Teiche das dunkel bekannte kaspifche Meer ge-
meint, welches in dem befchränkten Often des
gerundeten Erdkreifes nothwendig fich verengen
mufste, bis Herodot die Runde anfocht, und
Demokritus fie gegen Often und Weßen zur
. LängUchkeit eines Eis ausdehnte. Auch jezt
erhielt fick der Name A/Aev>f, Teich. Der Teich
Am Kaukafüs, fagt Ariftoteles ^MeteoroL i, [3),
welchen fie dort Meer nennen. Und der Geo-
graf Alexander bei Stefanus CTeKovoi) nennt
das kaspifche Meer 'r^nzyt^x A<f4vjfv, den hyrkanu
Jchen See»
Gerüchte von der Fruchtbarkeit der hyrkani-
fchen Gegend, die auch nachmals berühmt war,
yerfchaften dem Teiche das ehrende Beiwort
»AVTOTf o4>ov , den nBnährenden, Wo der befruch-
tende Helios fich badet, da mufs wohl Segen
auffproflen in Ueberflufs. Die gemeinen Lesarten
SIEBZEHNTER BRIEF. 14t
irxvTdTfa^av s der aünährifiden jietkiopent welches
ungereimt ift 9 und iravrof^o^m , der aUgewandten^
welches erklärbarer, aber geändert fcheint,
widerftreben denii anapäftifchen Rhythmus; den
der duftere Pauw mit allen feinen Kanftwörtern
nichts inne hat.
Ein ähnlicher Vorfpuk vom arabifchen Meer-
bafen fand fich , in Geftalt eines mäfsigen Land«
fees, auf den alten Welttafeln. Homers Un-
Xande davon zu widerlegen, beruft fich Strabo
umfonft auf das ägyptifche Theben, welches
Homer genannt habe; denn Oerter an Küften
und an Strömen werden eher durch Gerüchte
bekannt , als folche , die Landreifen erfodern.
J\rarunv. hätte wohl Hekatäus, da er die, Süd-
hälfte feines Erdkreifes in Afia und Libya theilte,
den Nilus zur Grenze -genommen^ und nicht den
arabifchen Meerbufen ? Späjtere , wie Straba
lehrt, wählten diefen, weil er faft von einem
Meere zum andern reiche , der Nilus aber zä
weit vom Ocean zurückbldbe, um ganz Afien
Von Libyen zu fondern: dennoch blieb die ge«
wohnte Abtheilung. Die alten lonier, fagt
Herodot (2, 15 )» rechneten nicht mehr zu
Aegypten, was über der Theilung des Nilus 13:,
fondern zu Arabien , oder Libyen. Alexander
glaubte daher (^Strab. 15 f. 696), der indifche Hy«
J41 MYTHOLOGISCHERBRIEFE II. B.
daspes fei der Nilus; andere (^Lucan. lo» 292)
leiteten ihn von den Serern ; noch andere (^Pauf.
29 f« 94) s^us dem Eufrates, der in einen
Sumpf verfchwinde, und über Aethiopien als
NiUis wieder aaf(\)radele. ^ Schriftfteller aus
Alexanders Zeitalter wurden von Eratoftjienes
getadelt ( Straft. I p. 47 ) , dafs-fie den arabi-
fchen BufeH für einen See hielten« Auch der
Dichter Herqdor, der nach Alexander lebte»
fezt den arabifchen ßerg Nifa (ScA. Apoü. a,
J215) nahe an den Nilus 9 ohne durch einen
Meerbüfen gefiört zu werden:
Er< ^f r/$ Nt/rv, vxccrov ic«fac» »v^tov vAf,
Kyfa Sft ein erliabnef Gebirghaupt, blQhtnd voti
' Waldung,
Pern vom FönikerU^d'i und tithe dem Strom de«
' AegyptoSk
Und noch Efbrus (^Plut. pL pÄ. 4, i) erklärte
das Anibhwellen des Nils dadurch» dafs im Som«
mer gani5 Aegyptenland fchwiÄe, wozu auch
Arabien und Libyen beitrage»
Wie aber konnte Aefchylus die Titanen^
welche der fiegfende Zeus in den Tartaros unter
der Srdfcbeibe hinabfUefst vom ()ftUchen End«
SIfiB2EHNT£R BRIEF. I43
der Welt herführen? Ift vielleicht die Familie
des Titan Helios gemeint, der mit feinen Schwe-
ftern Eos und Selene an dem Kriege nicht Theil
hatte? Ich denke anders. Die nacbhomerifchen
Dichter gaben den Titanen Erlöfung aus ihrem
Kerker»
Xs löfte Zeuf der unendliche
Die Titanen I
fingt Pindaf QPyth. 4, 518); und erkennt den
Kr^onos COh dj 127) als Beherfcher des feligön
Eilands im weftHchea Oceamis, wie fchon bei
Heüodus (Z.&. 169) ein zwar verdächtiger Vers»
Anderen wohnten die Titanen bereits vor ihrer
Verftofsung am öftlichen Ende des Erdkreife^
wo Kolchis mit den neu vernommenen Gegenden
unförmlich zufammenflofs^ und was war natür«
lieber, als dafs fie, aus dem Tartaros entlaffen^
den heimifchen Siz bei ihrem Bruder Helios wie-
der einnahmen? Aus f'olchen Gedichten erzählt
Strabo (10 f. 472), dafs einige gefagt; von den
Titanen fein der gebührenden Rhea zu gewafne-
ten Dienern gegeben worden die Korybanten^
die aus Baktriana gekomtnen; oder, wie andere
gewollt, aus Kolchis. Beiderlei Fabeler bezeichne*
teo den felbiges^Winkel des da&mligen Erdkreifes*
144 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Dorthin alfo, woher nachmals die Titanen
zum Prometheus kamen , foll jezt lo, nachdem
jße über den Fafis gegangen fein wird, fortwan-
dern, bis wo Helios aus dem Oceanas zum
Himmel fteigt.
Vom Aufgang wieder mit einem Umweg
durch Afien fich wendend , foll fie zum Nieder-
gang durch Europa irren. Und wie?
Des Meercf V^ogengeräufch darcbdringcnd«
Das heißt ja wohl : die thrakifche Meerenge
durchfchwimmend , welche, wie die kimmeri-
fche, von ihr den Namen Bosporos oder Rin^
derfuhrt trug. So der Erdbefchreiber Dionyfius
(v. 140)^:
Dann der thrakifche Schlund des Borporos. iK^elchen vor
Ahers
lo durcbfchwinniny auf Herein Gebot, m der Starke
Verwandlung.
Den zwiefachen Uebergang der lo durch
Meerengen bezeugt Aefcfaylas auch anderswo^
CSupfL 549 )f obgleich, er fie. dox:C einen ^ver«
SIEBZEHNTER BRIEF, 145
(chiedenen Weg durch ' Afiens MeerkUften nach
Aegypteä bringt :
ii>5iv lü
4^ivyst »fucgTtvoou
von wannen tOf
Rafch von der fircmfe verfolgt,
keuche mit verwildertem Gcift,
Viele Gefchlechte der Sterblichen darch'
rennend; und zwier geht fie m jen-
feitiges Landi duiLch das Cefchick«
Veber des Sands wogende FIuC iich ftfirzfiuL
xvin.
Wir fcheineii nnfere lo glücklich in Earopa
tkixk Trockene gebracht 2ti haben« Mit grofsett
kraftvollen Pinfelzugen mahlt Aefchylud drao£
das vorftechende der weftlichen Wand^fong«
immer dem Ziele zueilend (v« 798):
K
146 MYTHOI^OGISCHER BRIEFE II. B.
AI ^0fx<^fC vaiHSif ^fiyattxt %of«t
TgstQ KvxyofiO^^ot y KOtvov oyt!* tiCT^fteväitt
.TliÄcec y aBg^^xt ^ay$e rffStQ »XTCtvrs^^t,
A^ocKovrofucXf.ot To^'yovc^ ß^oroTvystCi
Totara. nsv ffot tüto ^fü^tov Asyu.
AA/ifv $* axüffoif ^vff%efii Stugtoiv*
Aoifiua'KQv iTF^oßxßov* f oi p^ft/tf9ffvr0y
TvTOtQ rv f*Jf flffAÄ^ff. TffA«foy J« yjfw
Vl^ff<C» tte^xivov ^t/Aov, 5< T^oc 'HA/t*
Thth vxff* ox^xg fff^* » ^A*« «V ^S'Xf
KxTxßxs(AOVf eifSx ßvßXtvuv e^Wf xito
^llitt etTTOV Nff^AoC tPTOTOV fC9C«
Dei Meeres Wogengeräofch ilarchdringend , bb da
kommft
Hin zur gorgonifchen $chreckenflur Kifthene, wo
Des Forkys Töchter 4iauient Jangfraun hochbetagc.
Drei fcbwtnenfkrbne , Eines. Aogs tUeilnehmendet
Biaxahsig » die nicht Heltot votyi Himmel fcUaac
'achtzehnter BRIEF. 147
Mit Stralen« noch die nächtliche Selene je.
Obnfern find ihre Schweftern, drei geflügelte,
Die drachenlockigeii Gorgonen, menfchenfeind,
Die fehend nie ein Sterblicher den Geift behält;
Dich abzumahnen nenn* ich folche Warnung dir*
Vernim anjezt noch eine nicht wülkommne Schau»
O ddfs da Zeus ftimmlofe Hunde, fcharfes Mauls»
Die Greife fcheuft; auch jenen Schvarm Einäugiger»
Die Arimufpen Im Rofletrab, die das GoIdgeroJl
Umvohnen lijings des Plutonftroms Gev^äffern hin:
Auch diefen nicht genaht. £iu Fernes Land nunmehr
Erreichet du« das fchwarze Volk, das an Helios
Brannquellen baut, wo mächtig llrömt der Aethiops»
An deffen Ufern wandle fort, bis dafs du kommft
2a dem Kiederfturz, wo hoch vom Byblosberg^ herab
Der Neilos giefst des Segenftroms trinkbare Flut.
Der fähret dich nun endlich ins dreieckte Land
Keilotis.
•
Die Schrecketiflur Kißhene, wo die Vorhfite-
rimien'^def Gorgonen» die graiifaarigeti GrHen^ in
cwigef Dunkelheit wohnen, mtifs die ICuiserftö
Spi«e Europa*« rein> die Gegend der Vofmaligen
Kiratnerief. Hohe Ufer deö Oceatius, und von
der Landfeite die RhipKen» hemtnen den Stral
der Himtdelslichter» Aber Welch ein Name?
Die Handfchriften geben u^hym^ K'^^<vifc» K/v
*W5. WÄhrfcheiftlich Tchrieb Aefchylus Kim^r^^
des Kynttenlandes, Denn die Kyöeteh bei Hero*
Ka
148 MYTHOLOGISCHERBRIEFE II. B.
nennt, und' bei Herodor, wie Stefanns untef
ißnfixi ihn anführt, find um diefe Zeit daa
äufserfte Volk gegen Wetten. Oftwärts voa
ibnen fezt Herodot feine Kelten und Pyrrherje,
wo der Ifter entfpringt. Herodor, das Ocean-
ufer verfolgend, fezt nordwärts Gleten, dann
Tarteiuer, dann Elbyfinier, dann lVl,aftiener,
dann Kalpianer, und drauf fchon den Rhodanus.
Sehn Sie den iberifchen Bernflreinftrom Eridanus,
wovon Aefchylus bei Plinius meldet, er werde
auch Rhodanus genannt, und Fileas fatnt TimSus
bei Avienus, er ftrecke den einen Arm ins äufsere
Meer , den andern ins innere.
Nahe der europifchen Landfpize Kynetet denv
Siz der Gräen, wohnen auf einer Oceaninfel die
Gorgonen, wovon ich bereits geredet:
*
Hart an der Grenze der Nacht , bei 4eu fingende«
Hefperiden :
wie Hefiodus (Th. a75) fagt; das heifst, an der
Grenze der Lichtfeite und der Nacht(eite, oder
Afiens^ welches Libyen. begreift, und Europa's«
Die beiderlei Unholdbtfea foll lo meiden;
fber vorher noch die w^üiden Greife der Rhipäen^
wd die einäug^en ArinKufpiifj die Rpfsreiteir
ACHTZEHNTER BRIEF. I49
<lei* rhJpUJfchen Bergfchäler» bei welchen der gold-
führende Strom JPluton von den Metallbergen
berunterfttirzt. Sie foU alfo durch die freund-
lichen Hyperboreer in den Olivenebenen fort-
wandeln ^ bis fie zu den weillichen Aethiopen
in Afrika hioüberfchwimmt.
Greife und ArimaQ)en find immer zu Hyper-
boreern und Rhipäen gefeilt, auch nachdem die.
Fabel von der helleren Entdeckung des Weftian-
des in den Norden verdrängt wurde« Der Dich-
ter Antimaohus {Stepk. 'ttf^ /3a>f 0; ) erklärt die
Arimafpen für Hyperboreer; Stefanus und der
Scholiaft des Kallimaehus ( DeL 291 ) für ein
Volk der Hyperboreer ; und Klemens (yfr. 4/«. )
verbindet die fabelhafte GlUckCeligkeit der hyper-
borifchen und arimafpifchen Staaten, uod der
elyfifchen GefiWe. Pindars glückliche Hyper-
boreer, wie wir gefehn haben, wohnten im
Weftlande. Ihnen eignete der alte M^tholog,,
welchen Apoliodor (2, 5, 11) ausfchrieb, auch
die hefperifchen Gärten mit goldenen Aepfeln
zu; Sie wuchfen nicht, fagc er, wie eirrige
behaupten, in Libyen, fondern am Atlas bei den
Hyperboreern. Zu verftehn: auf einer In fei am
•Atlas, die durch die hyperborifchen Rhipäen vor
dem Nordwinde gedeckt War, Ich mö'chte' fogaf
glauben, dafc die hyperborifchen Tarkynken und
K3
I50 MYTHOLOCIISCHER BRIEFE II.B.
TarkynSer des Hierokles bei Stefanos zu Tarra^
kon in Iberien gehören«
Wie Herodot die weftlichen Hyperboreer nnd
Rhipäen, woher der Ifter zu kommen geglaubt
wurde, mit den neueren Namen Kelten und
Pyrrhene nannte; fo befchreibt noch der Chier
Skymnos die Kelten, die ihm vom Weften des
Erdkreifes bis Nordweft wohnen, gleich den
alten Hyperboreern, v, 182:
Xgmrxt Ic KfArof rot( t^tttv 'EAAvyix9iCi
Kai reiq vTPoiox»^ rttv iKt^tvüfASvwß,
' Ztnt [AüttK^ i* ftynfft rtti CKKAifC<«Ct
Die Kelten find hellenifcher Sitten froh.
Und üben Freundfcbaft gegen Hellas Volk,
Und gütigen Empfang der Freindlinge.
Mit Mufik begehn iie der Verfamnilung Fell,
Nacheifernd ihr, zur Milderung des Siuni.
Daher Mnafeas beim Scholiaften des Apollonius
(2> 677) wohl nicht anders zu verftehen ift^
als dafs die Hyperboreer jezt Kelten (für daa
yerfchriebene AgA(|>tfc) genannt werden.
Der Name Rhipäen ward zur Zeit Herodots
von der Pyrrhene aus Weften verdrängt ; länger
hielt fich die Dbrige Anordnung« IJoch Bafilins
ACHT2CHNT£R BRIEF. I5I
(^Hexaem. kotn. 3» 6) meldet aus der eudoxU
fchen Erdkunde: von dem Pyrenäengebirge fliefee
der TarteiTus und der Ifter; danp von den Rhi-
päen der Rbodanus» oder, wie einige lefeo^
Eridanas, mit vielen anderen in das hefperifche
Bleer, das beifst ihm (Aom* in hex. 6» li) in
den Ocean. Protagoras bei Stefanus C^rteßo^iot')
fagt, die Alpen heifsen Rhipäen, und die Völker
hinter den Alpen Hyperboi^eer. Nun werden
Sie nicht mehr lachen, wenn Heraklides Ponti-
kus, ein Hörer des AriftoteleSj von dem Gerücht
aus Werten erzählt (PiuL in Camiüo): ein
Kriegsheer aus den Hyperboreern fei gekommen
von aufsen her 9 und habe die griechifche Stadt
Rome erobert, die dort wo bewohnt werde um
das grolse Meen In dem zufammengedrängten
Weftlande nemlich lag Rom, wie Karthago»
nahe an der Meerenge des .Oceans. Hyperboreer
fezt auch Poiidonius (SrÄ. AppU. 2, 677), hin-
ter die Alpen, und meldet zugleich Q Athen*
6,4): die Rhipäen der Vorzeit, nachmals Oibia,
dann Alpia genannt , fein durch Entzündung der
Wälder mit Strömen gediegenes Silbers umher-
gefloifen. In welcher alten Fabel die Rhipäen
doch wohl die Pyrenäen bedeuteten. Die orfifche
Ai^onautik (v. 1121) verfezt an den nordweft-
liehen Ocean die Kimmerier zugleich mit den
verdunkelnde« Bergen, Rhipäon, Kalpis (aus
K4 ■
15a MVTHOI.OGISCHBR BKIßFB JI. B.
dem ibwfchen Kalpe) , Flegra und den Alpen. Es
erhellt, ms welchen Gliedern die alte Kette der Rhi*-
pfien beftand ; auch Flegra fcheint Pyrene zu fein, das
Brandgebirge der Gigantenfchlacht, welches noch
Euripides (/on 988) im äufterften Weften fand,
Jezt wird der arimafpifche Goldftrom Pluton
jucht fchwer zu enträzelti fein. Der orßfche
Argonautiker hat, famt den Kimmeriern, auch
den Eingang des Todtenreichs aus dem Weften
verfezt. Dort mit tiefem Geftrudel (v, 11 29)
IMh der Acberpo, ftrömeiid von Gold, durch fcbsiii*
drige Gegend.
Beide, der Pluton und der Acheron, deuten auf
den Tarteffus, deffen fabelhaft gepriefene Reich-
thümer ficb mit den ölteren Fabeln vom Eingange
des Erebos vermifcbten. Der Tarteffus ftrßmt
aus dem Silberberge, deffen Stefanus und Avienua
gedenken, fcbon irfdem Fragmente des Stefipho-
Tus CStrab. SP- ^48)-
An dt% ^tromi TsrteiToi Quellen,
Pen uuendlicbeo^ filbcrgewurzelieq»
Auch bei Skymnos prangt die berUhmte Stadt
Tarteffus mit dem Ruhme der Vorxeit , v. 164: .
ACHTZEHNTER BRIEF, I53
Xfveov Tf • HXt ;i(aAxoy (^tfvees wAtiiva*
p!c ftromgerolltes Zum am Kehiks,
Auch Gold zugleich und £rz .iu Menge tragt.
Strabo (ä p. 146) rllbmt von der Turditaneiv
gegend: weder Gold, noch Silber, noch Erz,
noch Elfen, fei irgendwo auf der Erde in folcher
Menge oder fo gut zu finden ; das Gold werde
nicht nuü gegraben , fondern in FlUflen rolle es,
und fogar aus trockenem Sande werde es gewa-
fchen. Gleichwohl fcheint ihm Pofidonius zu
tibertVeiben, der, von gefchhiolzenen Gold- und
SUbermetallen aus dem Brande der Bergwälder
fabelnd, hinzufüge; nicht nur TAa^/«, reich,
fei die Gegend, fondern ptq^äuto;, auf Reichthum
gegründet; und bei jenen fei in Wahrheit der
nnterirdifche Ort^ den nicht Hades, fondern
P/i^^o» bewohne.
Da wäre zugleich der gefabelte Name des
Stroms P/m/cw erklärt, und warum die Späteren
CArifioph. PlutlT-Tf c. SchoL^ den Hades, mit
Plutos vermifchend , Ptuton genannt haben , oder,
/wie in der orfifchen Argonautik (v. 180), den
unterirdifchen Pluteus, Dtefe Bemerkung ent-
zieht wieder drei orfifche Hymnen ( 17, 28, 70)
wo Pluton vorkommt, dem pelasgifchen
Alterthum-«
K5
154 MYTHOLOGISCHER BRIEFS II. B.
An die arimafpifchen ScliSze wird noch
Lukan (7, *755) durch das Gold der Iberer
erinnert:
i^icqnid fodit Iber , quicquid Tapis expuUt aurU
j^uodque legit dives fummis Arimafpui nrefiU;
Was der Iberer entgräj[>t', was Golds auslpiilte dar
Taguf,
Was im oberen Sande den Arimafpen bereichert;
obgleich feiner Zeit die Arimafpen bereits hinter
den nördlichften Rhipäen in alter hyperborifcher
Seligkeit zu leben -fcheinen. Dort bat Vibius
Sequefter einen Flufs Arimafpa , aus welchem die
Scythen Gold fammeln.
Bei der folgenden Irre der lo in das ferne
Land der Schwarzen denken Sie fich Libyen
nicht viel anders, als auf der homerifchen Welt-
tafel. Noch Ariftoteles imund. 3) drängt die
Weftgegend zwifchen Sicilien und der Ocean-
xnündung fo ins Kurze, dafs gleich dem ein-
fchiffenden das Mittelmeer rechts in die Syrten-
bucht fich zurückzieht, und links ih das fardoi-
fche, galatifche und adriatifche Meer, Die^*
Schmale wu*d durch die Rundung der Erdfeheibe
beftimm^. . Nur ein folches Afrika hielten die
Alten für umfchift, mit Zeugnißen, die nicht
«mlthafter findf als andere für die UmfchiiFuog
ACHTZEHNTSR fiRl£F, I55
des Nordens y und dennoch felbft bei neueren
Gefchichtforfchern Gehör finden.
Den Oceanrand diefes mfißigen Erdftreif$
bewohnen die Weftäthiopen. Hier fiud di^
Wunderquellen des Helios 9 die bei Nacht und
Tage mit Mize und Kälte wecbfeln, von eipigea
um den Ammonstempel gefezt, von anderen
2U den Troglodyten, Hier ftrömt auch der
Aethiops oder Niger, reich "an Byblospllanzen,
bis er, von einer Hohe fich ftürzend, zum Nilus
V^ird« Die Beftättigungen liegen am Wege,
XIX.
yVuch vor den Sonnenwagen wurden im fpKterea
Zeitalter manchmal Greife gefchirrt. Dag
gefchah wohl nicht eher, als bis man dem
Helios, der anfangs nur am Oftüchen Ende der.
Erdfeheibe nahe hinter Kolchis eipen Palaft
bewohnte , zugleich einen anderen am Weflrande
des Oceanus verliehn hatte.
Herr Heyne ^war lehrt feine Jünglinge' bei
Gelegenheit der Sonnenrinder in Erythia
(^Apoüod. :Li 6, 1): ** Des Sonnengottes Palaft
«<war im äufterften Weften; dort auch der Stall
'^fUr die SonnenroiTei dann auch' die Rinder»
I5& MVTHQItOGISCHER BRIEFE. II. B,
«welche Geryon mit dem Orfchrus hütete; bald
«•wurden fie Geryons Heerde* Auch waren
« dafelbfl; fein^ GSrten » . von den befperifchen
•^'Nyaifen bewacht; bald ward auch diefe Fabel
<*detn Sonnengott entzogen» und in die Ge-
«* fchichte des Herkules verleg^,> Kein wahres
Wort, Blofs die heiligen Rinder des Helios
waren > nachdem das. zu bekannte Sicilien fie
nicht mehr zuliefs, nach Erythia verfezt worden;
i^Ues übrige hat Herr Heyne für fich hinzuge*
fabelt.
Sowohl Helios» als feine Vorgängerin und
Schwefter Eos, hatte Wohnung und Familie am
Oftrande der Erdfeheibe, wohin er auszäruhn
im Anfang der Nacht von dem geflügelten Schiffe
init wunderbarer Gefchwindigkeit uöi das nörd-
liche Geftade zurückgebracht wurde. Das be-
weift Stefichorus bei Atben^us ( i r, 6);
AfTÄfi gg xxnßxivt Xf^^^^H
O^get ^t* SlKiuvoto yrsfce9tt^
A4>/xi}5* ii^ai itort ßev^ea vvKTOf tgtiAvx^f
' TloTi ßXT€fx KH^shetv T* a^ox^^f
Jlai^xi V6 ^avc*
Helios jczt, Hyperions Sohn,
' Lenkt* in den goldenen Becher hinab,
^ Damit» des Okeaiios Flut durchfchiffeiüd,
NEUNZEHNTER BRIEF. 1S7
lEi käme 2a den Tiefen de^ heiligen dunkleti Nacht,
Zar Mutter und Jngendgenoiliii
Und den trauten Erzeugten hin.
Der Elegiker Mimnermus bei demfelbigeti
(p. 470} läfst ihn fchlafend die nächtliche Um-»
fchiffung vollbringen:
Ov^t vror^ afi9r$tv9tc ytvtrat aitfiiä
*Isr9r0i(r/y rt xxi aar^y npnv foM»»TvAoi H«6
Slxsavov le^o^i^vff' afatvov st0etvetß\i.
Tov fcev yxf ^ta kvijuc ^t^tt 9roAt/iff«roc ti/viif
KotTitf , 'H^ä/s-« %*f ff/v «A>/A«fe«VJf
r««d;v f c Ai^ioTMv * hat 0/ 5otfy ^f^ f' /Tsr«<
£y^' forcßif ireguv oxciov TxtfioyoQ utoc»
Arbeit gab dai Gefchick dem Helios jeglichei Tages;'
Nimmermehr wird Ruh oder Erholung vergönnt,
Veder den RofTeii noch ihm, nachdem die rofige Eoa
Aus dem Okeanos (Ich wieder zum Himmel erhob.
Denn ihn trägt durch wogende Flut das erfreuliche Lager«
Selchet Hefäftos Hand höUend aus köftlichem Gold'
Ihm erfchuFy und von nnten beflügelte: aber die VTafler
Schwebet er eilend im Schlaf von der hefperiichen Flur
Hin za der Aethiopen Geftad, wo Wagen und KoSk
' Harrend ftehn, bia heran Eoa die dämmernde naht:
Jhmf befteigt er ein andres Gefpann « der Sohn
Hyperiom«
158 MYTHpLOGiSCHBR BRIEFE II. B,
Aber das ift nur ein kleines vorlSofige«
Sclilummerchent Den rechten Schlaf geniefst er
hinter Kolchis in feinem b,ehaglichen Kämmerlein,
welches Mimnermus fehr wohl kennt. Denn
fo fagt er bei Strabo ( i p. 47 ) • ^
Ainreec jroA/v, to5i t* uksoc H^A/o/»
AxTtvti Xf^^'^ itstecirctt tv ^ah»ittff
Zu des Aeeces Stüclc» ks^o des eilenden Sonnengebietert .
Helios Stralen fanft ruhen im goldnen Gemach,
An des Okeauos Rande, da kam der edle lafon.
Dort bei den Aethiopen des Aufgangs fanden
des Helios Wohnung auch die folgenden Dichter.
In Euripides verlorenem Schaufpiele Faethoa
(^Strab. I f» 33) war Klymene vermählt dem
Aethiopen Merops,
. I ■ ' ■ . ■ ■ ' rifff^* KfantTt V^Ci
'Haioc tevtifXw Ä^wö-FÄ pirAA^i ^koyu
tiAP\,a9t J'äVtjJv yntovei ffis\xßß^6t9t
tot ^xtwen 'UAf» ]^' l7tfeot»tuio
des Lisädes K6ti(ge»
Vf^ohin vom viergefpannten V^ageniiz zaerft
Auffteigend Helios mit goldner Flamme ftralt
Es nennet jene Flar der Nachbarn fchwartei Vbfr
Der lichten £os und. des Helios RofieflalL
^ NSUNZEHNTER BRIEF« I59
So erklärt Strabo den lezten Vers; vielleicht las
er &8C ^«mifc- Auch Ovids Faethon CMet.
I, 777) erreicht den Palafl- des Sonnengottes
jenfeit feiner Aethiopen und Indien
Aalser diefem eigentlichen Sonnenpalafle
indefs, gefiel es einigen Neueren, dem Helios
Mch am weftlichen Ende ein Haus und einen
Kofsftail zu fchaffen. Wo er fich und fein ermü-
detes Gefpann vor der Umfchiffbng des Nord-,
geftades mit ambrofifcher Nahrung erquicken
könnte. Der Aetoler Alexander, deflen Verfe
■wir beim Pegafus (i, 36) angeführt, bedenkt
den Helios mit Gras aus den Infein der Seligen,
um vor dem Lauf feine Rofle zu ftärken. Wie
frühe ein Gutmütiger am Ende des Laufs für
Ruhe und Pflege geforgt habe, weifs ich zwar
nicht zu beftimmen ; doch wette ich drauf, dafs
nicht Statins der erlle war, der ( Tkeb* 3, 407)
den Abend alfo befchrieb :
Stlvtrat Utfftfii tUvixo nutriüt^ fond
Flair anus Sol fronus eqnos^ rutilamque lawthi
Oceani fitb fniu comam. CtU tnrba frtftmäi
hfertßSt ^ rapidis aceummt pt^hts Horap
Frena^ ^ rnrntta icxtnm fitblilHe ctrofut
Diripinnt; iaXaHt calidis bumektiä l^rit
^ TtBvra: pari metitot vmitnt ad IkoUe juguUs
Gnmtm^ ^ ^näo {urrum tm§nk fitpinahti
.l60 MYTHOLOGISCHER BRIEFE 11. B.
>
An dci h^rpertfchen Meers tbhängiges Ufer fich fenkend,
Löfete Sol fein Flainmeugerpann, und das röthelnde
Haupthitar
Spület' tt nahe dem Quell des Oceanus. Töchter des
, tiefe 11
Kereos laofett heran« und in reifsendem Schritte die
Hören:
Zügel fofort and der goldenen Krön' hochprangendet
Kunflwerk
Kehmen üc ab; ans vs^rmem Ceriein die (chaamigen
Brülle
Löfen (te« binden alsdanu die verdieneten Renner tum
weichen
Graf» ax&d erheben deh Wagen mit tngelehneter
DeichfeL
Denn eten fo aus älterpn Griechen befchreibt
Konnus (^Dionyß, 12 f i) des Helios Haus am
Weftlichen Okeanus: wo dem herabletikendefl
Gotte der muntere Fo^foros Zügel und Geifsel
abnimt, und die Roffe, am Vorgrunde ( *ä^ä
wffoxov^i) des nahen Okeanos abgefpiilt^ an die
glänzende Krippe führt; indefs Helios, Von den
Hören begrüfet, in feine mit weiiTagenden
Tafeln des erftgebohrenen Fanes gefrhmückte
Wohnung geht, und bald darauf (117), von deö
Hören begleitet , fein Gefpann zu der Flut des;
eoUcheä Okeanos hiodurchlenkt. . ^ . j
NEUNZEHNTER BRIEF» l6t
Die Nähe der gefabelten WeftrhipMen gab dem
Künftler ein gleiches Recht, den Helio^ mt
Abwechfelung mit einem Greifengefpann vorzu-
•ftellen, wi^ dem Aeichylus, feinen Okeanos
und deflen Töchter von der heimifchen Quell*
tnit gezähmten Greifen daherreiten und fahren za
laflen* Auf einem Marmor bei Spon (.Afi/Jr.
jE>. 3 ) und auf einer* unter Kommodus geprägten
Münze von Aureliopolis, fährt der ftralende
Sonnengott mit zwei Greifen. Wogegen ihm
Philoftfat ix)it., Apoll. 3# 48) bei den indifchell
Künftlern vier Greife zum Vorfpann giebt* Auch
einen Greif, der den Vordeffüfs auf ein Rad
leget, als Sinnbild def umrollenden Zeit^ lieht
man auf Münzen und anderen Denkmälern*
Eine Münze Hadrians iSpanh. MrH. anU
5, 16) zeigt den zum Sonnengott umgedeuteten
Apollon mit der Lyra, der, gleich dem äfcHy-
lifchen Gotte des Wdtftromes, einen Greif ohne
2auta reitet. Auf einer Lampe bei ßellort
'(2. fig. 14) fiJ^t Apollon, die Lyra fpielendj
Vor ihm fteht -ein horchender Greif* Diefel*
Vermifchtmg Wegen, die noch durch ApoUons
Verkehr mit den Hyperboreern begtinftigt Ward,
läfst Klaudian (Mif ^o) den Phßbus Von dert
nördlichen Rhlpäen eiöeti S(ffkgen mit gezÄurtJten
Greifen nach Delfi lenken i
lÖl MYTHOLOÖISCRER BRIEFE II, B.
At ß PbtBbtiS adeß, ^ frenis gry^ha jugaltM
Rhifha^o tripodas repetens datorfit ah axe;
Tunc filva , tunc antra Uqui , tnnc vivere fontef»
> Doch wann Phöbäs er(cheint, und im Joche dtn Greif
mit Gezügel
Vom rhipäifchen Pol herlenkt «um profctiTchen Oreifiifs)
Dann ift Haiu» dami Grotte beredt« daim leben die
Quelienr
Bei Sidomus icarfn. a, -307) kommt im
fpäteren Fuhrwerk mit Greifen der umgedeutete
Apollo 9 zugleich mit dem heilenden Päan , mit
dem Sonnengott, und dem begeifternden Bacchas
im Efeufchmucke v^ermifcht:
N«»c ndes^ 0 Taah^ iauro cui grypbaf ohtiueot t
Doffti lupata ligant, qnotUnf per frondea lora
Fleäii peHnifirof hideriy hicolorihu^ airmoi*
Jczo erfchein, o Päan, dem klauige Greife mit Lorber
Bindet ein llrcnges Gebifs, lo oft durch laubige Zügel
Mit zweifarbigem Efeu du Icnkft die gefiederte«
Schultern.
Eben fo bei demfelben (g eff. 9):
Ac fi t>dphka Delitr tulißerH
tnflrumenta tuo, naüusque Apollo ,
Cortinanii tripodas ^ chelyn, pharetraff
AfckSi gryphas agam » dupUqut frowtit
Hinc haecasjjuatiäm^ vH hinc cotymkiAf^
NEUNZEHNTER BRIEF. . 163
Alt ob deinem Apoll fein delfifch Rfiftzeog
Ich .entv(^andt\ und« ein neaer Gott von Delof«
Dreifufs, Wölbung zugleich, auch Laut' und Kdcher,
Bogen führend und Greif, auf doppler Stirnc
Lotbeern fchüttelte hier, dort £feadoldcn«
Auch auf Helmen otid anderen Waffen bildete
man die fabelhaften Greife, ivie die Sfinxe und
mehrere Schreckwunder. Paufaniaa (i p* 45)
befchreibt fie als löwenähnliche Unthipre, mit
Fittigen und Schnabel des Adlers, und (g p. 457)
Von fleckiger Haut wie die PardeL Weil fie in
Bewachung des rhipäifchen Goldes mit den rofs«
reitenden Arimafpen beftändige Händel hatten ; fo
MTurden fie auch als pferdefcheu vorgeftellt* Zur
Erklärung der virgilifchen Stelle (ßcL 8» a?}:
Kon gefeilt (ich xum Greife das Rofii
bezeugt Scfvius, dafs fie die Pferde fehf haffen»
mit dem Zufaz, fie fein dem Apollo heilig* Das
waren fie gewifsj aber erft in der fpätef^n^
tielfach umgebildeten Fabel.
Herr Heyne Verwandele diefe fchltchte Be%
merkung in ein Philofophema nach feiner Art}
Fabulofum moußrum tx hieroglypho duBuntp
quod ad Apoüinem fpißabaL ** Ein gefabel€M
l(J4 MYTHOtOGiSCHER BRIEFE II. B.
**Unthier, aus einem Hieroglyf genomtnen, das
"auf den Apollo deutete. „ Defto tonreicber
freilich der Klang , je hohler das Gefchirr*
Dafs fcbon Aefchylas die Greife für eine
Zwittergattung vom Adler gehalten habe, fehn
wir aus Ariftofanes (ran. 929), wo Euripidea
ihm feine prunkhaften Graunbilder vorwirft,
als die zw Schildzeichen gewählten y^v^entrH^
;^«AxifAar8Cf erzßarrenden Greif adler: ein nach
der Aehnlichkeit von ^iwoKtvTctvffiQ , Ai^isr^vj
Ayigo9pY^t gebildetes Wprt,
Im Folgenden verCpottet er auch feinen
iaöov iTTeiÄeKTffvovee f den rafchßH Rofshahnf nnd
feine rfa'yeÄcc(p3Q oder Bockhirfchef und was fonß
für 'Sckeufale in medifche Teppiche gewirkt
w&den. Hieraus fcheint zu folgen, dafs viele
vermifchte Thiergeftalten diefes Zeitalters aus
morgenländifcher Einbildung ftammten«
Den Hippalektryon f welchen A«fchylus
(^Arifloph. ran. 933) als Schifazeichen gemahlt
ausgiebty und aus feinen Myrmidonen der Scho«
liaft (^Pax. 1175 > als ein rothgefiügcltesThier
anführet, war nach deffclben Scholiaiften Ver-
ftcherung (ra«. 93a) ein wu-kliches, obgleich
Xon den Weitweifen geleugnetes Seetfaier.. EiA
NEUKZEHMTKR BRIEF. 165
Bekannter von ihm habe eines » das von Ohn-
gefähr skue dem WaiTer kam » get(5dtet > UQd allen
gezeigt, und die Abbildung in Siegel (^vfi«««)
und Sc&ild zum Denkmale gefezt*
XX.
oie bewundern die vielfachen Veränderungen,
wodurch der griechifche Künftler dem Noth-
behelf der BeflUgelung fogar das Anfehen der
Ueppigkeit zu verfchaiFen wufste. Ich kann es
leiden. Weniger Bewunderung haben Sie
vielleicht für die nachwehenden Winde, die dem
Bildner >manchmal die ftürmifchen Luftfehritte
der Götter und ihrer RofTe veriinnlichten.
Es ift möglich, dafs Homers gemisdeutete
Worte, die Solen trugen fie^ «iia vnoifc aviitcto,
gleich den Bauchen des lindes, welche der
fpätere Griedie, zugleich mit Hauchen des
Windes f verftehn konnte^ und etwa die wind*
fößige Iris und die ßurmwandelnden Rofle, den
Gedanken zuerft veranlafsten*^
Befördernde Windhauche fand bereits Aefchy-
lus eingeführt. Im Prometheus , da die Töchter
des Okeanos auf einem fchwebenden Wagen mit
Greifengefpann ankommen, fingen fie im Chor,
▼. 132 :
La
l6$ MYTHOLOGISCHER BRIEFS U« B.
6chn«lltragend geleiteten Lüfte mich her«
Und in den Eumeniden Tagt Athene » aufeinetn
fchwebendenRofswagen nahend, v. 406:
Ey5fv ^iuKV9* ifA5ov arfvrov srol«»
na;Ao/£ ajifiutotc tov$* g^i^tv^asv* oxov.
Von dort enteilt' ich uiigefäamtes Ftifset her,
Aach fiügel!os; wind laut erfcholi der Aegis SchooffS
Kraftvolle Gaule fpannt' ich diefem ^ageu vor.
Auf einem Sai^kofag zeigt Winkelmann ( Mon»
ined. T. 43) um den Sonnen wagen , womit
Phaethon verunglückt, zwei geflügelte Winde
durch Röhren blafend. Er bemerkt hiebe*, dafg
fie eben fo anfeiner Lampe bei Bellori (a tab» 9)
Über dem Viergefpano des Sonnengottes und dem
asweifpännigen Wagen der Mondgüttin frfchei-
Sien. Aber jene halbilchtbaren Geftalten blafen mit
Meer fch necken in die Höhe, ab^ewandt von den
Luftwagen. Mehr diefes Ortes ift der FJügel-
wagen der Fortuna bei Sandrart (^iconoLiab. 5),
dem ein WincUbaupt aus den Wolken nacbbläfl:.
Im Hofe des herzoglichen alten PallaÖes za
Florenz fleht ein fchöner Merkur, der auf den
Hauch eines untergelegten Windshauptes den
fufe Hemmend fich emporfchwingt. Er ward^
ZWANZIGSTER BRIEF. 167
Wie ein Freund mir meldet, vom berUhmten
üiovanni da Bologna im fünfzehnten Jahrhundert
gcgoflen. Aber der Gedanke ift nicht neu. Be-
gleitenden Winden Geftalc zu geben, erlaubten
fich auch Philoftrats Mahler (fron. 1 9 9; l« II )f
v/o Zefyrus als geflügelter Jüngling den
Sdiwänen in die Flügel blies.
Häufig mufs diefe Windbegleitung gewefen
fein^ weil felbfl: bei dem lyfippifchen KSros
(^«iÄ. 4, 14), wo der Künftler fie verfchmäht
hatte , die Einbildung iie hinzudachte. Denn auf
die Frage, wozu die Fulsflügel? antwortet der
Gott: Hiermit
'isrr/efi' Jxnvtiu^^
' flieg* ich im hebenden Viiid.
I
Gewifs auch aus älteren Darftellungen in Bild
und Gefang fchwebte Hermes dem Nonnus vor,
x;ie er zum Himmel flog ( Dionyf. 9, 156 ),
KtMA««*«« ßet^ip^tv uxHvtfitov XTSfov auf^u
Wirbelnd im Schwang der Lüfte den aufgebUheten
fitüg.
Imgleichen Rhea (14t 3):
L4
|68 MYTHOt.oaiSCHER BRIEJT« II» B.
Und $€ trhoh nfrlndfclmtU* dtt (m Hauch toAchv»-
bende Fe.rre,
porcb.die laftigea F^ifume dahin mit der Sole iicb
rädernd» /
Dafs ich nfcht mehrere Stellen anhäufe, wo
i/jr»fV8f*/a5 > vom Winde gehoben ^ ein Wort des
fpäteren Alterthums» dem Luftgange beigelegt
wird.
Sogar vorgeQ)annte Windgötter giebt Qulntus
von Snjyrna (i2, 187) dem Zeus, da er vom
Jlande des Erdkreifes zur ä/iherifch^n Götterburg
guf dem Olympus, öder dem Gipfel ^ts gewölbt
ten Himmels, mit Donner und 611;^ wieder«
kehrt;
^L.vimi>m*v'A
T8^ Ä* vwQ Btewfw'oy ^vy9v psioAoq ifyaytv Ift^
Aber ei trugen
Puros und Borcas ihn, auch Zefyros, neben dem Notos;
. Pie ins fae!Uge Joch die fchimmernde Iris gefuget.
Vor dea ewigen Vagen, den ihm der nnfterbiiche
Aeon
Schlaf mit gevp^aUigem Ann aus unverwefendem Demant,
Schwerlich wohl nahm s^us eigenem Gehirne der
Smyrnäer dies Gefpann» da . fchon David
^ZWANZIGSTER BRIEF. I69
(P/ I8f i^) von feinem Donnerer* fang: "Und
•*er fuhr auf dem Cherub, und flog daher, er
^< fchwebete auf den Fktigen des Windes. „
Nicht ohne Vorgänger demnach entlehnte
Virgil von den Künftlern den treibenden Wind.
In der Aeneis (4, 223) geheut Jupiter dem
Merkurius:
Vadi age, nate^ vo^a Zephfrof, W iahtre fennit.
Geht t mein Sohn, ruf |2:efyrt her, und eutglcica mir
Flügeln, ^
Der willfährige Sohn (v.S38) knüpft an die
Ferfen fleh Schwungfolen aus hef äftifchem Golde,
die ihn, fubtimem aliSf auf Schwingen erhöht^
fowohl über Gewöffef als Land hinweg, rapido
paritir cum flammet in gleicher Kraft mit dem
reißenden Hauche das ift, gleich dem Winde
oder windfchnell, forttragen; und fa&t deu
mächtigen Zauberftab» v. 245:
lila fretHS agit vmtQS^ V Vtrbidß trauai
Nnbila,
Httrmit treibt er herichend die Wmd', und fchvlniinc
• durch gewirrtet
>Iebelgcwölk,
Er treibt f was kann es wohl anders fein, als, er
bewegt fie durch die magifcbe Kraft des Stabes^
ihai nachzuwehn?
L5
170 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Gleichwohl erklärt Herr Heyne mit Quis
duhitei? ihm voranzuwehn. Wozu das? Hat
denn der Erklärer vergeffen, dafs er nur eben
vorher (v. 223) den Wind in die Flügel ^ alfo
nicht voran , zu bauchen beftimmt? Aber warum
bei jenem verworrenen Kopf uns aufhalten? *)
Auf gleiche Art fliegt (Aen. 5, 605) auch
Iris, nicht nur windfchnell, fondern durch den
Windhauch befchleuniget:
Dnm variis turrutlo rößtrunt follemnia ludir^
Irim de c<elo mißt Saturnia Juno
Jliacam ad da fern, ventorqne adffirat euntu
VTeil am Grab das Gedächtnis mit mancherlei Spiele«
gefjpirt wardi
Sandte dich, Iris, Yom Hifninef herab die faturnifche
Juno
Zu der iltfcheA Floct', und der gehenden hauchte fie
Wind nach.
Beiläufig merken Sie die Eigenheit der Fügung:
dumrefermtt mißt: die im Römifchen Regelift.
•) Sokhe Widerfprüche mit ficb ftibft , vovon der Hey-
nifche Virgil wimmelt, rügt Cicero (^thtt» 60) fehr
unbarmherzig:- 5(?^ nihil turfins^ quam 4jmd etiam in
fcriptis Qblivifieretur 9 quid paullo ante pojuißet. . . «
Tum Brutus admiram: Tantamite fiiife oblivitmem^
inqufty ut ne legens quidem unqmm feuferit^ quantnm
FLAGJTII crnmififet?
2SWANZiaSTKR BRIEF. I7I
Sie erinnern fich, welchen Frevel die neueren
Wortgelehrten y aus Unkunde der Regel 9 ani
SchluiTe des virgtlifchen Landbaus geübt haben.
Den Römern find überhaupt treibende Winde
fo gewöhnlich, dafs ich diefe Vorftellnng auch
in Horazens Epiftel an Auguftus (2 JSf. i, 117)
annehmen möchte:
feuern tidit ad fienam ventofi Clorsa currtL
Ihn. den trug zur Bühne der Ruhm auf vehcndeui
Wsgen.
Kein unebenes Bild, foUte ich meinen, wenn^
wie den Sieger die Viftoria, fo den Schaufpiel-
di<:hter die Gottheit des Ruhms in einem Wagen
mit geflügelten, vom Winde gehobenen Rollea
führete, Ventofus currus ftünde alsdann in der
Bedeutung, wie bei Statins {Theb. 10, 13^1)
des Schlafgottes vsntofa temporUf wehende Schlä"
fin. Auf einem Wagen fährt der Ruhm fchoa
tei dem Orfiker (Ä 58» 8)*
Wie Virgil; läfst auch Statius (Theb. j, 292)
ieinep Japiter dem Merkur alfo gebieten;
Jgiwre impiger alts
Fcrtantef praeede l^otos, Cyll^a froltf,
. AKra fer liquidum»
172 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B*
Drdm rafch intt Gefieder
^andere trageiiden Süden voraa« cylienifcher SpröfiUng»
Durch die geläuterte Lufc
Jener darauf, nachdem er die Ferfenfittige fich
angeknüpft, dag Haupt mit dem Reifehüte
gedeckt, und den Zauberftab in die Rechte,
gefafst, V. 309:
Dißiluitf tennique exceptuf MorrHit aurn;
Sprang er hinab, and braalte von fanft anfFaiTender
Lufc auf.
Und als er, nach vollendetem Gefchäft, aus dem
Schattenreiche zurückwanderte ,"( TA^ft. 2, a):
Undique pigra
Ire vetant nuhef^ ^ turbidtis implicat a^r;
Nee Zepbyri rapuere gradum , fed fada füentis
Aura polu
Trage Gevölke
Hemmen den Gang ringsher« und ftärmi(cher Nebel
verveirrt ihn;
Auch nicht Zefyre raffen den Schritt, nein fchve^eigen-
des Himmels
Granfe Lnft.
Ihnen darf ich nicht fagen , dafs Zefyre hier, wie
die obigen Sude, nach römifchem Sprachgebrauch
überhaupt Winde anzeigen«
So wird auch bei Valerius Flaccus (.Arg.
4, 501) den geflügelten Boreaden zur Verfol-
ZWANZIGSTER BRIEF. I73
gung der Harpyen ein helfender Wind nach«
. gefandt:
Emicat hie fuhito , fefeque Aquilonia froUi
Cum clamore levaf; genitor ßmul impulit alaS*
^iözlich nunmehr erhebt fich, aad ftärmt des Boreii
Jugend
' Auf mit lautem Gefchrelj und die Fittlgc fchnellt der
Erzeager«
Wo gleichfalls nicht gerade ein nördlicher Wind
zu verftehn fein möchte«.
So fingt auch Klaudian iraft Prof. 3i 3)
von der Iria:
m €oUm9 Zifbym pratapfa V9latn
hiumiha cofulamat pi^if»
Jen' Im fflritgen Flage Torin den Zefyrra dlfikl
Kah ringshcr die Ctvilten d«r Flitt. >
Und/dafa ich mit einem glänzenden Gemähldf
des felbigen Dichten fchlieffei der» wenn er fq
viel GeiD: «od Würmer ali iAuflbüdung def
Einzelnen hStte, zn den vortreflicben gezithlt;
iverden könnte; hören Sie» wie die Göttin
Roma auf ihrem geflügelten Wagen (Prob, ti
Olyb. Conf. 77) im Gezifch der Zefyre über 'die
Gewölke entfliegt, V. 100:
174 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
' Jittfi ßw^ emißif rapido veUcior Emtü
Fertwr eqwis ; ßridunt Zephyriy cHrfiiqne rotantm
Saucia dividtUs clarefitmt nubila fukis.
Jezo fobald (le ralcher wie reifsender Oft mit gerpreagten
Roflen entflengt; zifcht veftlicher Hsuch, und vom
Laqfe der Rädef
Eingerizt erglänzen mic trennendem Gleis die Gevölkc«
Hier haben Sie drei tnahlerirche Erhebung««
mittel zugleich: Beflügelung, Windhauch, und
Wolkenbahn. Eben (b kräftig gehoben erfcheint
bei Sandrart iiconol. tab* 5) jene Fortuna, die,
allerlei Gaben aus dbm Hörne fchUttend , in
einem geflügelten Wagen ohne Gefpann, bei
abnehmendem Monde, durch die Wolken fährt,
mit einem voranfliegenden Genius ein Gewand
an den Enden haltend , ' in welches ein Winds-
haupt aus dem hinterenGewölke bläftj ein anderer
Genius fliegt mit dem Schlangenftabe voran; und
hinter ihr fleht a^if des Wagens Höhe ein Jung-
fing, der gute Erfolg, In einer Hand eine
emporgehaltene Schale, in der anderen eine Aehre
tind ein Mohnbaupt, als Lenker des herabreU
«henden Steuerruders*
einundäwanzigstkr br. 175
•XXL
KlandisiDS tragendes Gewölk, vermuten Sie,
gehöre zu den früheren Mitteln der bildendea
Kunft, die fchwer fcheinenden Maßen def
Götter Jn Menfchengeftalt und ihrer Wagen-
geTpanne, zur Befriedigung des Auges» durch
die Luft zu ^beben« •
Was fchelnt auch natürlicher, als für ficht-
iDBre Luftwax^ler eine ficbtbare Lufcbahn, deren
lockerer Stof die Leichtigkeit jener andeute?
Dennoch könnte <iie Erfindung wohl ein» der
fpäteren fein.
Die Götter Honiers, wiflÄn Sie, wandelten
und fuhren auf d^r zwar dickeren, doch unficbt«
baren I^uft, welche des Himmels unterfte Schicht
unter des Aethers entwölkter Heitere war. Nuc
wenn Ares, von der Wunde gefch wacht, ohne
Wagen ÄUr heiteren Höbe des Götterberga
Olympos zurückkehren foU, nimt ihn eine ficht<i
bare Dunftwoike auf, II. 5, 364:
0/if y fX w^fdlfV iftfiwYvil ^tfttät aif^g
1eot9i Tiiitti^ Aibfinht ;i;aAxf0C Af ifC
^rftA'MMC i* inatt f^gmy i%^, ät*kn 0Avfttif,
176 MYTHOLOGISCHER BÄIJfcfEi 11. B.
Jeio, ^le hoch aus Volken">rtinjtchtete$ tlunkel er-
fchehiet,
tC^eiin iwch drückender Sch^jf'tir ein Donnerftüfm fich
erhebet 1
Alfo dem Held Dlorfiedes erfchieii der eherne Ares,
Als er m Wolken gehallt aafFohr zum erhabenen
Himmel.
Eilendes Sthwungs erreicht' er die feligen Höhn idw
Olympos*
Wie könnte auch det gefchwächte die Luft
durchlfchreiten , deren mtihfame Pfade fchon der
Hifttge Hermes durch einen Umweg über da«
Meer vermied?
In dem hometidifcheü Hymntig an Äfrodite,
der aufs höchfte Anakreons Zeitalter erreicht,
entfchwingt fich die Göttin, nach Troja aus dei»
duftenden Kypros, v* 671
• Hochhin durch die GewÖlke den VTeg in Eile Tollendend/
Durch die Gewölke; noch nicht auf tragendem
Gewölk. Daher die Gelehrten, ehe fie dem
Anakreon {Athen* 13 ♦ 8 j». 599) durch Aende-
rung einen Eros auf purpurner Wolke mittheilen
( Fifch. fr^ 36), wohl erft die Sitte der Wolken-
fahrt au beweifen hätten,. :
EINUNDZWANZIGSTER BR. I77
Es find Beifpiele in Menge, wie gar will*
fährig Euripides die mahlerifche Beilugelang^
feinem Mitbnhler Sofokles zum Troz, in die
Pqeiie aufnahm. Nach einer Luftbahn habe ich
vergebens mich umgefehn.
Aus dem Fragmente des Faethon, weichet
wirclem bewundefungsvollen Longin (17) ver«
danken, erhellt es vielmehr, dafs ihm dir
Sonnenwagen, obgleich mit geflügelten Roflen>
noch ganz nach homerifcher Anordnung, auf
der Dunftluft fchwebt. Denn fo ermahnt Helio«
den Sohn bei Ueberreicbung der Zügel :
EAdE dff, nifh Atßi/Kov at^i^* iteßotKwX
Treib' an» npr nicht dem libyrchen Aedier itahl
Denn unvermircht mit Mäfle, läfst er durch
Dem fiukend Rad«
Um diefe Warnung zu verftehn , muffen wir uns
erinnern , dafs der Weltweife Anaxagoras, deffen
Lehre Euripides bekannte , die Erde für eine auf
dicker Luft fch webende, aber füdwärts hangende
Scheibe hielt; wodurch ihm der Pol feine
fchräge Richtung bekam. Die Beweife findeti
Sie in meinem Aoffaz über die Geftak der Erde^
M
iyg MYTHOLOGISCHER BRIEFJE 11. B.
wofern Sie das neue Wlufeum zur Hand habend
fonft fehen Sie nur im Diogenes von Leerte nach»
Jenen füdlichen Hang aber erklärte er mit detö
Naturfbrfcher Diogenes daher (Phtt. plac. fhiU
3, 12), weil die Luft von der übergehenden
Sonne dort fchwächer, das ift, feiner und äthe*
rifchef, als im dunftreichen Nordeb> und tiber^
dies das Aidliche Land von Gewächfen belaftet
fei. Mit Recht alfo ermahnt Helios den unkun-
digen Faefhon , das Sonnengefpann auf der tragen«^
den Luft ja nicht zu weit links in die lockere
Aetherluft über Libyen abzulenken, wo ihm die
Räder einfmken würden. Denn nur auf der
Dunftluft, wie wir gefehn haben, konnten die
Götter und ihre Wagen fich hinfchwingten»
Bei Apollonius zuerft finde ich dife Athene
auf einem leichten Gewölke den Argonauten zu
, Hälft eilend 1 2, 537)*
AvTtxa y fffffvnivüc v«4>sA»j€ eTißaffcs Ttohff^t
Nicht iJidefs dtr Athene vcrabfäumt dirangen fie vor*
wärts;
«ouderii in fdüeunigtm Sch^ng* ein Gewölk mit den
Füfsen betretend.
EINUND^WANZIGSTER BK, 17CJ
Luftig und leicht, das fofort, wie fchwcr fie auch vog
fie eintrüge,
Schwang fie den Lauf lam Pontos , den Huderen^
nahend mit Wohltiwt.
•
Man kann mit Sicherheit annehmen, daft
nunmehr Gottheiten aUf Wolken fchwebend ein
gewöhnlicher Gegenftan^d der Kunftwerke waren:
Avie. auf einer hicäifchen Münze bei Spanheim
(^Callim. Del. 169), und auf einem Marmor bei
Sandrart {iconol, deor. -E. i), Helios den vier-
fpännigen Wagen über ein hingebreitetes Gewölk
unter deöi Thierkreife emporlenkt. Obgleich
auch jezt einzelne Künftler, z. B* auf zwei
Gemmen tei Bracci (^ 3), und tfuf einer Lampe
beiBellori C^^a&.p), den Sonnenwogen frei in
der Luft bildeten.
Aus älteren Dichtern nahm auch Qüintnj
(7, 558) die tragende Wolkenhülle, in weichet?
Athene die Luft durchfchreitet:
£i|0fC0Vifv V8^stS€i¥f ihm^orvfuiv I' ävsfieto* >
Hoch auf Cehirglhöhh trat ^e einher, mit deti futuA
* . das Land nicht
Kübrend in eirriger Hn^ | und ts trug die heilige Luft fiei
Anzufchauu ^ie Gewölk» und leichteres Schwungs wi#
ein Wiudbauch«
'Mi
igO MYTHOtOGiSCHER BRIEFE II. B.
Eben fo (9, '291 ) fprin^^t Apollon vom Olympos,
und eingehüllt in Wolken wird er von rafchen
Sturmwinden getragen; indetn die goldene
Rüftang hervorbliat, und der Köcher raffelt.
Griechifche Vorbilder demnach , der Kunft
wie der Poefie , hatten die römifchen Dichter,
die fo häufig Gottheiten auf Wolken uhd anderen
' fcheinbaren Grundveften der Luft fchildern.
Zum Beifpiele fei Virgils Apollo QJen. 9, 638):
Aetheria tum forte pla^a crinitus Apollo
Defuper Aufinias acies ufbemque videhat,
Hube fedens.
Jezo fah yon ärhcrifchcn Höhn der gelockte Apollo
Auf dei Aufoniervolks SchUcbtreihn und die Vefte
herunter,
Sizend auf leichtem Gewölk.
UüdJuno^Cia, 791):
Junonem interea rex omnipotentis Olympi
Adloquitut , fulva pugnas de nube tuentem.
Drauf zur Juno wandte des allmachtvollen Otympot
Herfcher das ^ort, die vom goldnen Gewölk auf die
Kämpfe herabfah.
Iris , die bei Homer grade durch die Luft auf
goldenen Solen wie geflügelt einhefftürmte,
inufs jezo im farbigen Bogen ihren von Flügeln
gehobenen Lauf nehnaen, Aen. 5, 609:
EINUNDZWANZiaSXER BR, Igl
lUa^ viam e^teranr per mlle colorib^s- ateum^
Ifulli vifa , cito decnrrit tramite vjir^o^
Jene befchleiuiigt den Weg durch den taafendfarbigen
Bogen,
Kebem gefefin, and enteile im ftürmiichen Pfade» dit
Jangfrau.
Und wiederum , Aen. g^ 14:
Dixit , ^ in calum faribus- fe fufiuHt dit,
Xngattem^ue fuga fecuit fuh nubibus arcum.
Sprachs» und zum Himmel empor gleich Ich webende
Flügel erhebend.
Streifte fie unter den VC^oIken im ^lug den gewaltigen
Bogen«
Dies mahlerifche Bild wird voü Ovid mehrmal
(Met i.i, 632; 14, 830) wiederholt. Auf
einem alten Kunftwerke bei Sandrart ( iconoL tab.
-D- 9) erfcheint Iris im fliegenden Lauf, eine
Kfone tragend » und zur Seite ein Regenbogen.
Klaudian (35, 98) braucht den farbigen
Himmelsbogen zur Ausfchmückung des kommen-
den Winters^ der in Italien bekanntlich nijir
Regenzeit ift :
Nee fic tnnumerot arcu mtftmte cohres
Incipiatr redimitur HiemSy cum tramite flex9
Semita distretis interviret humida nimbis*
' M 3
iil MTtHOLOGiSCHESR BRIEFE IIB.
Kiclit Cq linendlichei Farbengeinifch !in ändernden Bogen
iSurtet der nahende Winter fleh um, wann nnter dem
Fafstrict
Thauig der Pfad dnrch' Schauer in grünlichem Glänzt
fich krümmet.
Nicht weniger fcheint die Sonnenfahrt durch
den fchräg gebogenen Thierkreis den Griecbeci
des ptolemäifchen Zeitalters ai^zngehören. Denn
Khnliche Mufter hatte Nonnus ( Dionyf. 38) zu
feinem buntfcheckigen Gemähide des Faethon,
wi^ der zierlichere Ovid ( S/!et. 2, 158" 166) zu
dem feinigen. Der Sonnengott zeigt dem Sohne
4ie Bahn, v, 133?
Hac fit im; mavifcßa rota veßigia cemet.
Hier fei der Weg, wo deutlich der Räder Gleis da er-
Henneft,
Und nachdem Tetfays, des alten Oceanus Ge-
mahlin, dem vorwizigen Lenker der Sonnen-
rolTe die Riegel des Morgenthores surückge-
drängt, und die unermefslicbe Freie des Himmels
Jbmgeöfnetj
Corripuere viam^ fcdthuf^ue per aSra imtif
Obftanus pnännt neMnSt penm^^ue levati
Trattrennt ortof Udtm de partikus Euros.
Sfd hve 'poifidus eraty nee qmd cögriofcere poJfeHt
Solis fqui; ßitofic jn^tm g,ravitat9 carehat.
KINÜNDZWAXZIGSTER BR. l$% ,
Utque Uhant curva jußo-ßne ptndere naver,
Ptrque mare^ inßabiles nimia levitatet feruninr:
. Sic onere adfnet9 vacuHf Hat in nira fidtuf^
• SuccutitttrqHe alte^ fintflisque eft cwrrus inani»
Siehe« £e raifen den Weg, und die Luft mit den FüCicn
durchdampfend,
Spalten de dick vorgehend Geduuft« and aufhebenden
Flügeln
Rennen fie motig voran dem zugleich ausftiirmenden
Oi^wind.
Doch leicht war das Gewicht, uud ganz nnkehnbar
dem edlen
Sonnengefpaun ; es gebrach au gewohnter Schwere des
Joches.
Wie der gebogene Kiel hinfchwankt mit dürftiger
Ladung, ,
Und von zu leichtem Gewicht unßät durph die Wellen
umhertreibt :
Alfo , der vorigen Laft entlediget , fprang in die Luft nun
Hüpfend in Stufsen empor, wie mit eiceler Leere, der
Wagen.
•Sehn Sie auch hier die drei Erhefaungsmittier
der Bildner: Luftbahn, Fitt^ge und nachwehea-
den Wind«
M4
184 SiVTÜOLOGlSCHER BRJSFS JI.B.
xxir.
Mit jenen luftfahrenden Flügelgöttern und Flu-
gelgefpanöen werden wir wohl die vielgefialte*
ten Meerungeheuer , die im fpäteren Alterthume,
tald auf den Rücken, bald auf Mufcheln und
anderem Fuhrwerk, die Dämonen des. Waffer-
reichs famt der meergebohrenen Afrodite und
ihren Eroten über die Flut tragen, flir BeheK
und Spiel der bildenden Kunfl: erklären muffen.
Wir k^innen darin nichts ändern, mein Theuer-
fter. Wie fchmerzbaft auch immer das pelas-
gifche Altcrthum unferer Mythenphilofophen den
Abgang des falzigen Gütterviehs mit fymboli-
fchen Kiemen und Floffen und Fifchfch wänden
empfinden mag; der ungläubige Forfcher erkennt
in den angeblichen Symbolen nichts weiter, als
verabredete Bildnerzeichen, um das Auge mit
den übernatürlichen Meerwanderungen der Götter
zu verföhnen.
In Arions Loblied an Pofeidon , welches
Aelian inat* anim. 12, 45) erhalten hat, beglei«»
•tan den Meerherfcher . noch die . gewöhnlichen
Seethiere, die bei Homer (IL 13, aj) feinen
Wagen umtaumelten;
Xttf$Vit9t¥ $¥ nVKAf
- ^WKIUNOZWANZiaSTSR BR« I85
Knietet nrtftfytiy fifitAce^t»
EA«^ ' Ay«9rdrAA«fif voi *
XfiTOt rt <pgiiavZ9y$9
£v«A« B^euvtcir» nUfCt»
Niigfl'i^m 5e«v,
Kiemöhrige Scheufale dich umrchwimtnend
Tanzen den Rundereihn,
Und in leichterem Schwünge der Flofle
Heben He hupfend üch empor;
Und rege mrr ftraubigem Nacken»
Die Meerhund* eUendci Lauft,
Tonliebende Delfine,
Die falzige Heerde der Jungfraon»
Der göttlichen Nereüden,
Die Amfitrite gebahr.
Nur Wallfifche annoch, und Meerhunde und
Delflne, von den Nereiden nicht geritten einmal,
nur genährt, wie Homers Proteus die Robben
Neidete; keine Halbfifche , weder mit Menfchen
gepaart, noch mit Landthieren. Ein ficheref
Beweis für das Alter des Gefangs,
Anakreon, um Welchen bereits die frühe,
von Pindar C0/.'7, 94) gepriefene ßildnerkunft
der goldreichen Rhodier blühte (^Anacr^ d8f 3)t
M5
I86 MYTHOLOGISCHER BRIEFE il. B.
. befingt in der 51 Ode. eine Scbeibe mit erhobener
Arbeit, wo Afrodite in werdender Schönheit auf
der Meeritille ans Ufer fchwanjini, und die Lie-
besgötter fie begleiteten, • v. ^3 :
AöAsfOV voov fiSTaTTUp
Efo;, 'iße^OQ ysAavrt^,
Et/ }CV[xxrci}V HvßtTWVf
*Xva yi/;^6T«/ yE?\,03fae,
Und erhöht in Silber fahren
Auf entzückten Tauzdelfinen»
Den Ce^rÜgerHnn im Autliz,
Die Eroten fchalkbaft lädiehid.
Und der Flfche Chor gekrümmet.
Auf dem Niederfchlag der Wellen,
^ Um den Leib der Göttin fpielt er,
"Wo fie icWimmt mit holdem Läcfaelfi*
• Den Eroten zur Haltung hat der Künftler* fchon
.Seethierc untergelegt; aber gewöhnliche, die
xnenfchenfreundlichen Delfine.
Noch wenn Plato im Kritias, nach dem
.Mufter älterer Tempelbiider,. Pofeidons Heilig-
M^VLtß in der gefabelten Weltinfel Atlantis mit
ZWEIÜNDZWANZIGSTER BR. Ig?
goldenen Bildfeulen prangen läfst; wie wenig
entfernen fie fich von Homers Vorftellungen?
Der Gott felbft, auf dem Wagen ftehend, hielt
die Lenkfeile der geflügelten Rofle, und ragte
bis zur Decke empor; umher fafsen auf Delfinen
hundert Nereiden. Um das Schweben auf der
Meerfläche zu bezeichnen, gab der Künftler
Pofeidonsalterthümlichen Landroffen nur habende
Fittige, welche, wie an den pofqidonifchea
Rollen des Pelops, allegorifch, nicht eigentlich^
gemeint waren ; die Nereiden fezte er auf natUr«
liebe Scbwimmthiere«
Man darf hieraus fchliefsen, dafs auch auf
dem Kaften des Cypfelus bei Paufanias die gold-
geflügelten RoiTe vor dem Wagen, worauf
Thetis mit einer- anderen Nereide dem Sohn
Achilleus die heffiftifchen Waffen bringt, cor
Meerwandler andeuten follen. Dena nach der
fpäteren Fabel fchmiedete Hefäftos in einer Inf^^l
beiSicilien (^Afoll, 3, 41). ^ Auf einem irdenen
Gefäfs bei Winkelmann ( ß/Jonum. ined. n. 131 )
crfcheint Thetis , mit Haarbinde und Öhrgehen«
ken gefchmUckt, als eine die vom Befuche •
kömmt, den Harnifch noch in der Hand, nebft
einer Nereide, lizend- auf einem fchuppigen
fifchfchwänzigen RofTe oder Hippokamp der fpü«
teren Fabel. Selbft diefer Behelf » fchwere Klk^
|8& MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B«
per auf Schwimmthieren über dem Waffer zxk
'halten , ward manchmal mit dem älteren Zeicbea
der Beflüp:elung verbunden, dafs geflügelte fifch*
irofle nnd Fifchgreife herauskamen*
Die ältefte Spur von halbfifchigen Meerdä^
monen finde ich vor dem Throne des amykläi-
fchen ApoUon, . Hier fah Paufanias (3 p, 196)
links die Echidna und den Tyfos geftellt^ rechtsi
gegenüber Tritonen»
• ' Eine folche Zufammenftellung mit Uhge^
beuern von vermifchter Geflalt erfodert allerdings
die unförmigen Tritonen der Späteren: die auch
Ichon das Stillfchweigen des Paufanias über die
alltägliche Bildung verräth. Ihr Zweck war,
wie es fcheint, kein anderer^ als, gleich den
Sfinxen am Throne des olympifehen Zeus, den
'Nahenden mit Graun zu erfüllen. Denn eine
'allegorifche Beziehung auf Apollon wüftte ich
mit meinem Kopfe nicht hei'auszugrübeln ; am
allerwenigften auf die liebe Sonne : wozu Herr
vHeyne in den Antiquarifch^n Auffäzen (i S. 9)
•fich geneigt fühlte , unwiffend , dafs Apollon erft
durch fpätere Umdeutung ein Sonnenfyrabol
ward. '
Ple Misbildung fowohl als die Mehrheit der
• Xätoji^ iilt^ .yrie die Mehrheit der am Throne
ZWEIÜNDZWANZIGSTER BR. I89
felbft gebildeten Sfinxe, eine entfchelclende
Anzeige, dafs Bathykles, der Künftler des
Werks, nicht fo frühe, als Herr Heyne (S. 113)
"wünfcht, könne gelebt haben; fondern wahr-
fcheinlich zur Zeit des Kr^fus, deffen Gold
(Pauf. 3 p. 178) zum Schmucke des amykläifchen
Gottes verwandt wurde. Früher glaube ich auch
nicht, dafs der Grieche den Panther gekannt
habe,, ein Öftliches Thier, welches unter dem
RoiTe Kaftors gebildet war»
XXIII. X
Ifiton war in der älteften Fabel der Gott Aeg
libyfchen , in die fchlammvolle und dadurch den
küftenfahrerii berüchtigte Syrtenbucht ausftfö-
menden Sees: an deflen Bergufern gebohren,
Pallas Athene den Beinamen tritogeneiot oder
die Trltongebohrene, führte«
Homer fand ihn befonders zu nennen nicht
Anlafs. In^efs aus der beiläufigen Erwähnung
der aübefungenen Argo hinter Thrinakia iOdtfJf,
la, 70) erhellt deutlich, dafs ihm die ältere,
von Hefiodns (^Sch. Apoll. 259- 283)» von
Pindar ( Pgth. 4), von Menekles iSch. Lycophr,
887)9 Antlmachus und anderen berührte Sage aus
vorlebenden Volksdicbtem bekannt gewefen:
190 MYtHOLOarSCHER BRIEFE II. B.
wie die Argonauten den Fafis hinauf in den
Weltftrom Okeanos, und darauf fUdwärts bis
über Libya fuhren, dann zu Lande das Schif
in den Triton trugen, und von deffen Ausflufle
zu der fchrecklichen Irifelgruppe hinter Thrinakia
ficli verirrten.
Den Herfcher jenes libyfchen Sees und
Stromes befchreibt Hefiodus ( Theog, 930) als
einen gewöhnlichen Waffergott:
Tfftrm iVfvßtfi9 'yevsTO fisyssQt brt BeeÄxtwifC
Amfitrice fodanti und der tofende Ländererfchüttrer
Zeugeten Tritons Macht, des gevaltigeii, der an des
Meeres
Tiefem Grand> zur Mutter gefeilt' nud dem herfcheji«
. den Vater,
^ohnt im goldenen Häuf, ein furchtbarer Gotf.
Später fabelte ttian ihn äu einem def unteren
Meerdämonen, der nicht utri die' graunVolleü
Syftengewälter allein, fonderh auch in anderen
Gegenden des Mittelmeers waltete*
Noch def Verfaffer der otfifcbeö Argonautik^
wofür Onomakritus angefehn wird> läfst den
toREIüNDZWANZlGSTER BR* 19!
Orfcns vor der Abfahrt der Argonauten unter
anderen Meergüttern anrufen (v. 337):
Tl^arsaf Hat ^o^HVvXf'KXt sv^vßiyjv t^iTuvo!,
Proteus y Forkys zugleich, und den wehvermögeadea
Triton.
Dagegen im orfifchen Hymnus (23) an die
Nereiden wird mit der neueren Vorftellung, die-
Pauianias vor dem amykläirchen Gotte gebildet
f«b, zugleich die Herabwürdigung zu dienftbaren
Schwimmthieren angenommen. Nicht ein ein-
zelner Triton tliehr, fondern Tritonettf die, gleich
den fpäteren Pflnen, Priapen und Silenen, ihr^s
Stammvaters Namen geerbt, erfcheinen in halb-
thierifcBer Geftalt unter anderen Meerwundern,
aeti Nereiden zum Gefpaün und zum Reiten fleh
hergebend:
tlevriiicdvj^ %of»t irt^t kviiaft ^x%Xiv^dti
Tftruvuv STT* ox9ti* '5* ayaÄÄoiAevat vs^t vwr» *)
kXMtQ ^ 9 0/ vatü^i ßv^ovp t^ttuvtev ot^(xa,
T^fo^OfJtot ffxi^T^,T«i , e^,tffcofievot ^egt nviiXf
tlovrOTiP^cevüi SsX^tvt^f «A/f^o^/«/, yvAvai/^yeti:*
" " ' ' •" i
♦) So fiir tT* o%otfftv uyaAÄOfzevat TS^t vura, ^ijfo^
Tv^oti — Fodert Jer Sinn. JÖeyi öeflatten, pbetifcll
ffir ditÜ^. Des Herrn Hermanns Dolmttfchuhg (a S. 0)
fchenken wir ihm, wie fein StÜlfchweigen voa dm
fpäteren Trjtonen und übrigen Meergöttcin.
19a MYTHOLOGISCHER BUIEFE H.B.
Fünfzig Meerjungfrauen , Ate wellige FIttt darchfciiwär-
mend
Auf cler Tritoncn Gcfchirr, und fchcrtcnd in Luft um
die Rücken
Den thierglcichen Geftj*lten, die grofs genähret der
Abgrund ;
Anderen auch, die wohnen am Grund der tritonifchen
V^allung,
Waflerbauende Springer, im Tanze gedreht am die
Salzflnt,
' Schweifende Meerdelfin', aufftrudelnde , btäuh'chet Blickest
Finden Sie mir ein ähnliches Gemählde in
Dichtern , die vor den Bildnern gelebti Und
wenn Sies nicht können ; fo betrachten Sie hier,
um fich völlig zu überzeugen, die Marmorarbeit
von Skopas, welche Plinius (36, 4, 7) im
Tempel des Cnejus Pomltius auf dem f&minifchen
Circus Tah: *<Neptunus feibft und Thetis famt
<< Achilles, die Nereiden auf Delfinen und Wall-
«fifchenund Hippokampen fizend; ferner Tri-
<« tonen, und der Chor des Phorcus, und.Priften,
«und viel^ andere Meerwunder: alle von der
i'felbigen Hand, ein vörfträlendes Werk* wäre
«•auch ein Leben darauf verwandt.
#f
Von Bildnern alfo nahm ApoUonius (4, i6ro)
die Geftalt des libyfchen Triton: ein Mann mit
Äweiendigem Fifchfchwanz und fichelförmigen
Flofsfittigen j wie noch Nonnus (43, 265 )' iha
DREIÜNDZWANZIdSTER BR. I93
vorftellt. VoIIftändiger meldet uns Pauranias
(pp. 572)» was er an den Tritonen bemerkte:
das Haupthaar grünem Sumpfkraute gleich den
Leib von feilharten Schuppen umdarrt» Kiemen
unter den Ohren , menfchliche Nafen, weite
Mäuler und Thierzähne, blaue Augen , ichuppige
Hände und Finger und Klauen, an Bruft und
Bauch FlofTen» wie den Deliinen« Dabei, fagt
^r (8 p* 457)9 hatten fie Menfchenftimme, und
bliefen durchbohrte Schnecken.
AlsSchneckenbläfer erfcheinen fie bei Mofchn«
(2, 120), fchwimmend um Poreidon vor dein
ftierf örmigen Zeus , der die Europa trägt,
Aat langwindeadeii Schnecken die Braatmelodie tafr
2 tönend.
In einigen der fpätereh Gigantomachien , wie
Hygin (^Poet. aftr. a, 23) meldet, verdankte
Qian das Schrecken der Giganten ' nicht jenem
Qefchrei der Efelein, wovon wir gehört haben»
fpndern dem neu erfundenen Meerhorne, das
Triton blies. Und bei Ovid CMet. i, 330),
nach der Sündflut, befänftlget Neptun mi^; dem
Preizack die Gewäflfer ;
— fitprapte pr^ftmHum
Kantern > atf «# humet^i innatü mwriC9 ttß$mh
N
194 MVTHOLOQlSCHfiR BRIEFS II. B%
CdmrfdvM THWfa ^egt^ conchdP^e finaci
' if^^are jnhtt^ finBnsqnt isf fiwnUna fipiB
Jam nvocart dato. 'Cava bnccina fumitur ÜU^
Tcrtüti , in latum put turhine crcfcit ah imo :
Buceirui^ pkt\ tnedi» concepit «t aiira pnt$^
Littora Iföce repUt^ fub utro^ns jacejitU Fhaho^ •
■ ■' " " '" ■ * ^^■' and ihn« 4«r empor ans dem
Abgrund
Ragte^ die ' Scknlteni bedeckt mit ange^achfeueo
' Mufcheln,
Unft er» den bläufiehen f riton, heran, und die Scimeckea»
drouimece
ticlift er %n fdliea mit Hauch * nnd xurudc durch lancei
Gefchmecter
finndangen mfen mid Strömt Er fafst das geh'öhlete
Meerbora«
. ^k^tiches gedreht in die Breit* anwächft von der nnvci^
Iteh 'Windürtg^
VTelches Hom > wenn Athem auch mitten im Meer ft
empfangen,
Alle Geftad^ amhailt vom Niedergang bis zum Aufgahg.
Obgleich d^ta felbigeri ätadei^sWo (^Hef. % 50)
Tritött üiil bläulichen Roffbn das Meef dui*cbjagt>
und dfo des Fi((ihfchSvan2es feu (entbehren feheinti
Auch bei Kläüdiän (48» 378) fährt Triton, äldi
libyfchef Stroingott im Schilf kranke, mit gebSn*
digtefa Roffem Und PhUoftrat (feö#i.-i, äg) üihr
Tritonen^ die beraufcht tanzten* Zwei TritoneU
von beideriei Art Uafen vor j^eptuos W^geo bet
DRSIUND^WANHOSTfilt BR. I95
Stodmrt (^icoH^ H^ 4)$ ein fchwithmendef mit
Verborgenem Fifchfchwanz » und einer mit über«
ge\(rotfenem Gewände den Hippokamp reitend}
«in junger Triton htflt einen Korallenafti ein ande*
ter taucht nieder» die fifchfcliw^nzigen Schenkel
•ufftre&kend»; Winkelmann ( Af^fi. imd. if*%%)
bemerkt einen mit Krebsfcheeren geh^rntea
Triton» womit fonft auch Oceanus und Amfi«
trite fich aaszeichnen; andere (p. 42) mit
Augenbrauen von Floflen^ Und im verdeutfchten
Montfaucon ( TL 7 «. 9) ift aus Charlet ein
Triton, deffen beide Schenkel in geWüödene
Fifchrch>x^änze auslaufen^ So einen Tcheint
Cicero ^^äU Deot. t, 2S) ^Q beiseichni^n : wo
in Vermifchter Geftalt Tfiton gemählt Witd>
«inf fchwimmenden Ungeheuern fahrend» 4it
feinem menfchlichea Leibe anfaafcem
Zu allen ilefeii Vefnnl^aiinngön fögt^n umdem
Bildnef taöeh zwei Rofsfuise) bald mit Huftd^
t>ald mit ^wei^aekigen FloÖen 2um IScbwtmmelK
l^ykofrons Scholiaft (v* 88?) »enöt den iDfitoil
teinen Manadellin mit iswt^ koCsfäd'en» tatiA
(v. 34) einen ^ifcbcentau]^ Dergleichen tidCiß^
fiiMet Von brttunlieber färbe landen Ach in deil
rSoiifirhen Wandgemtthlded» die hach U^gß
geftoehen 'und atisgemahlt^Wx>rcleäv AUch ti^
ter deA faerkula&i&heii Älterthdm^rn ( Tom. t
tg6 Ml'THOLOGISCHE]tBRI£P£ II.B.
fab. 44) ^"^ zwei dunkelrothe Tritonen mit
RorsfüITen 9 eine Meerfchnecke btafend , und
cÄnen Korb haltend; noch ein gelber Triton
(Tom. 2 tab» 50), als fifchfcbwänziges Ma^-^
rotsf mit erhobenem Roder , adi Geftade aufge-^
ftellt; und (Tom» 4 tab. 3) einer » der den
Seeftier der Afrodite am Zügel führt Ein «hn-
Kcher ift' in der wildifchen CTemmenfaramlang
itab. 14 II. 51 )> mit einem Dreizack in d«r
Rechten.
Dafs alfo dem wackeren Ge&ner wohl etwas,
tnenfchliches begegnet wäre 9 da er dem klaudi-
anifchen Triton (^nupt Hon» & Mar* 144 ) die
Rofsfüfse ableugnete, und dafür zweizackige
}iorriharte FloiTe gab:
jr Prorupit ffirgite Unna
Semifer: nndoß verrebant brachia crinet;
^ Hifpida Undebat bißdo veftigia coruu.
Qua prijlis commißa viro, Ter pe^ora movit;
yatn quarf Papbias traStu fulcabat arenas»
Vmbratura deam retro finuatur in arcnm
Bellna; tum vivo fqüalentia murict terga
* TuTpnrets mollita fori f. Hoc navigat äntr9^
« Fulta Venus; nivea delibttni deqnora phnut»
■ Es durchdrang dea Strndel das^
Halbihier
Üulleret Aogs: Uim fegte die Arm' abtriefendei H«upt-t
4
DREIUNDZWANZIGSTBR BR. I97
Zottige Ftiis' auch ftreckt* er mit zv^eigefpaltenein Home,
Wo fich Flieh vereinte zum Manu. Fort fchvang Cf
die Brtifte
preimal; im vierten Ruck fchon furcht' er den pafifchea
Meerfand.
Rückwärts bog er fich ringelnd zur Ueberfchattang der
^ Göttin,
>
Ungehear; wid der ^Rücken, nmftrozt von lebenden
Mufcheln,
XITard mit purpurnem Polfter geweicht/ Dann fehift'
• in der Wölbung
Venus gefchmiegt; fanft flteifte der fchneeige Fnfs die
Geväfier.
Die Wölbung des ungeheuren Firchfchweifes»
vtrorunter Venus wie in einer fchattigen Grotte
gedreckt ruhete, begrif Heinfius nichts da ei*
at^a iu das matte oflro verlUiderte.
XXIV.
► IMafste der alte unfterblich gebohrene Triton
fich dergleichen Mutwillen von den Bildnern
gefallen lalTen ^ was konnte Gtaukus dagegen,
ein gcwefener Fifcher aus Anthedon in Böotien,
deffen Aufnahme unter die Volksgötter nicht
lange vor Aefchylus in das l^ädende Zeitalter
traf?
N3
198 MVTHOLOÖISCHKR BRWFE II, B,
<<Eme Stelle,,, fligfe Paufanlas (g p. 575),
•*^am Meer bei Anthedon , nenoen fie Glaukug
<* Sprung, Er fei Fifbher gewefen, und vo»
•< einem gekofteten Kraute ein Meerdämon ge*
, ^* worden, der den Menfchen noch jezt w^iflage,
<* behaupten fowohl andere, als befo^ders die
«•Itteerfahrer jährlich vieL nepesi von Glaukus
^^Wahrfagung melden, Pindar und Aefcbylus,
<*die folches von den Anthedoniern gehört,
<« befangen e^, jener nur beiläuflg, di^fer in
«eip^m ganzen gchaufpiele. „
Ihm fchemt gleich anfangs, feineov Namen
geipäfs, ein blaufchuppiger Leib mit einem
rifphfthwanze geworden zu fein. Weshalb
Strabo (9 p, 405) die Fabel (b anflihret, der
Anthedonler Glaukua fei in ein Me^rnngebeuep,
¥^T^t verwandelt worden. Sogar. ei« Se^fifch
V«rd naQh ihm Giankna genannt.
Seiner auiFallend^n Jag«nd w^gen mochten,
die MyftJker ihn ^um Symbole nicht brauchbar
finden« In d^n arfifchea Liedern wird^er, fo
beq^^m auch ferne filbhhaftigkeit f ttr ein PbÜQ«
ioph^nw vom Waffer, als dem gepriefenen
yrftoff^, üch ftigtet nicht einmal der Nennung
g?fchweigß d^r Entr8?elnng » gewürdiget
Bei Euripidea (On 363) W^ififtget er xm
Malea den Schiffenden»
VIBRUNDZWAN«aSTBE Bit« I99
Kereoi Vcrkänder» ein tragloier Gott,
Ariftoteles in der Staatsverfaflang der Delier,
vrie AthenSus (7, ta) bezeugt » meldete:
Glaukos habe, in Delos wohnend , mit den
Nereiden auch den Göttern Zukunft enthüllt.
Die übrigen Schriftfteller, wo AthenSus fefeer
gedacht fand» find alle aus fpäterer Zeit, da der
neue Gott mit älteren Sagen vermifcht wurde«
So iSfst auch Apolloniu^ (t, 1310) ihn
fchon den Argonauten am myfirchen Geftade
weiflagen:
T«io>iy If TXmtni9t frvX'V€ «A0C ffff^«y5vi
Jenen erfchien nnn Glankot, ifen falzfgen Vogen ent-
tauchend,
Itn Tleiknndiger Denter beftellt vom göttlichen Nereni;
Hoch empor ieio aottlges Haopt und den BoTen erhob er»
Bis za den Haften hinab.
Eine Stellung, die hier fdnen unter der Fhxt
fchwebenden Flfchfchwan« verrathen dürfte.
Ohne Zweifel hat Ovid (Met. 13, 961)
SU diefer Befchreibung griechifcbe Vorbilder
gehabte
N 4
2tOÖ MYTHOLOÜISCHER BRIEFS II. B«
Hmu ego tum prinrnm viridem ferrugfne karkavh
Cajariemipte meam^ fuam huga per aquora vtrrüt
IngentasqM humeros, W carula bracbia vidh
Cruraque pinnigtro curvata jtovijßma pifce,
Jezo erfchieh mir zuerft meiu Bart von dunkelet Crfine,
Und ditt bangende Haar, das lang die Welle durchlTegee,
Auch die bUulicheu Arme» zugleich die gewaltigea
Schultern,
Und die Schenkel gekrommt' zum flofligen Schveife
de« Fircbet,
Auf ähnliche Art fand ihn Philoftrat iican.
af 15) in einem Gemähide, mi( triefendem
Bart und Haupthaar, mit ftruppichten zufammen-
laufenden Augenbrauen, die zottige Bruft voll
Seegras, den Bauch in einen zurUckgebogenen
Fifchfchwanz fich verlierend, deffen Ende mit
rothen ilchelf örmigen Finnen ftieg. In Sandrarts
Iconologie (H.n. i ) zeiget fich Glaukus , nach
einer alten Bildung in Erz, als Greis mit ftraubi«
gern Haar und Bart, den Tchuppigen Schwanz
»uf krUmmeod » und in der Linken ein See»
gewiichs.
Doch ward Glaukos von den Späteren
manchmal auch ohne Fifchfchwanz gebildet.
Nonnus läfst ihn CDumuf. 43» 20p), mit See-
roflen fahren, und (v. 388) zum Gefange des
Forkys tanzen« Eine fonderbare Ausnahme von
VIKRUITDZWANZIGSTBR lilU SOI
der Regel,' dals aus Menrcfaengeftalthalbthierii^be.
ward. Oder will man ihn lieber mit flofsiä)rti<»
liehen Füfsen und einem Fifchfchwanz > htlpfe^n
fehn? Wienach Veilejus (a, 83) ^iöft Planku$
ihn vorßellte: der» blaagefärbt nnd nackt,. das
Haupt umwunden mit Rohr, und einen Schwanz
xiachfchleppend, auf die Kniee geftüzt, den
Glaukus tanzte.
Von- dem vergötterten Proteus ^ dem weifia*
genden Diener Pofeidons, der fchon zu Homery
Ze\t(^OdyJf. ^9 385)» in den wenig bekannteil
GewSflem um Aegypten die Robben weidend,
manchmal auf einer öden Infel gefehen ward,
ift bei Virgils Landbau (4, 387) geredet
Worden. Als gebohrenen Gott kennt ihn weder
Heßodus, noch Euripides, dem er QHiL 4),
wie dem Stefichorus, ein fterblicher König in
Aegypten war. Selbft Maximus Tyriu« (37
p. 362 ) erklärt den homerifchen Proteus nur f Ur
einen Meerheros.
Den Myftikern freilich hiefs er nicht umfc^ft
Proteus 9 Erfter, und ein Aegyptier. Nach
Pberecydes {Strab, 10 p. 472) flammten die
gehetnmisvoUen Kabiren von des Proteus Tochter
Kabeire und Hefäftos; und der Orfiker fimg
<Äa4):
NS
a^2 MYTHOLOGISCHER BEXEFS II. B.
nf«r«^ffvif» v«^ifc ^»rf«9 «fiv< ^9 c^*fV€V»
Proteus tötit mein Gelkng , der MeeresfchlülTel Befizcr« •
Welcher, zuerft gezeugt, <!er Natur Anfänge geordnet,
Wandelnd. den heiligen Stof lu vtelgeftalteter BÜdong,
Schon dieJJJeuhelt der Sprache verrSth den trug«*
haften Urphilofophen. Der AUegorift Heraküdes
lehrt » der waodelbarß Proteus bedeute den rohea
Urftof , 4®r in vier Elemente fich entwickele:
der Löwe, deffen Geftalt er annehnie, fei Aether,
der Drache Erde, der Baum Luft, und das
Wafler fei zur Deutlichkeit de3 Sinnbildes gerade»
9&U WalTer genannt worden.
Seine eigene Geftalt, wenn er den Taufend*
liUnftler nicht Q)ielt, ift bei Homer menfchlich.
Hächmats ward ihm , wie anderen Untergöttern
des Meers, der Leib mit blauen Schuppen
bedeckt; doch blieb die Menfchengeftalt, Als
folchen nahm ihn Virgil, wo Proteus in blauer
Farbe mit Hippokampen fSbrt, und auf dem
Trockenen wandelt und üzt'
Aber auch dabei liefsen es die leiehtfertigeii
Mahler nicht In den herkulanifchen GemShlden
i,Tom%.% tab, 39) erfcheint Proteus, durch
feinen gekrümmten Hirtenftab ausgesseichnet^
VlBRUND2WAN4BiaST£K BIT; 30}
mit Sehenkelfi, die iii FUbhfdiwfiQze endigen,
«twei Delfine an Seilen haltend, und vor ficb ein
^hfqhwSnssiges fiinhorn«
XXV.
£fwSgen Sie jezt, ob meine bei Vli^ilü
Proteus geKoi^rte Behauptung zu gewagt
fcheine, dafs den Waffei^ottheiten blaue Geftalt,
grüne Haare und Schilf kränze , wie Oberhaupt
JiUe Avistcbmtickung mit Meer^rzeugnUTen, voa
im Wählern verliehn worden,
Ihrem Vorwurfe, dafi ich felbft gleich woh!
hei Homer einen btäutich gelockten PofeidoQ
anerkenne , bin ich durch die neue Üeberfe^ung
entrchlüpft« War bläulich das Haar Pofeidon»;
fo mufsten es auch die Brauen Kronions fein,
deren Wink den Olympos erfchUtterte«, icu»y«M
t>ezeichnet den Alten die dunkle Farbe des Haar^
V^ie fK»uMQ der Augen Bläue, .
Ganz anders , wenn die Späteren von blauen
Tritonen, vom blauarmigeu - Glaukus , vom
blauen Proteus auftimmen. Dann* verftehn fie
blaufchuppige Fifchhaut, die, naqh Pauflinia^,
denTritonen nicht nur die Fifchglieder, fondern
felbft Hände, Finger und Klauen tiberzog, NuP
l^oa dem Mablerfpiele nichts ftetiges erwartet!
304 MTTHOLtiGiSCHKIl BRIRFK J;^ . B.
Blau kädnen daher die- Hlppokampe fein».
Detm .der,^ welchen. Thetis mit einer Nereidt^
in Winlj^elmanns Abbildung- reitet ( JHv». ineiL
ff* 131), ift ganz von Sjchuppen bedeckt j und
die Piftrix der Androöieda wird von Cicero.
QArat. 14^.) bläuh'ch gebannte Gleichwohl
weftnbeiOvid (/feroirf. 7, 50) ^
Cafuleis Triton per mare^ curret e^>,
.Tricon ieokt durch das Meer bläulichcc Rolfe Gefpanni^
• fo wage ich nicht zu beftimmen, ob nicht meer-
farbenes Haar an den Rofsgliedern gedacUt
werden folL. In den herkulanifchen Qemählden
haben die beiden halbfifchigen Ungeheuer (3
iab. lö^'iy), worauf Nereiden geftreckt find,
die Farbe des MeerwaiTers , das zweite» ein See-
tiger, mitdunkelen runden Flecken.
Mit "meerblauem Haupthaar prangen bei Ovid
Cad Liv., /^3S) auch Panope, und {Met. 5,
432) die Nymfe C3^ane: da die herkulanifchen
'Mahler den Nereiden, wieVirgil feinen Nymfen,
V blondes Haar gaben« Bei demfelben (Paß. i,
375 ) wendet fich Proteus zum Ariftäus, in feine
XJeftalt wiedergekehrt,
Qraqne Cdmdea tollens rorantia harta.
Sein mit bläalichein Bart abtriufclndes AntUz. erhebend«
c ]rÜN7U]!fD2WANZiaST£R BR» 20$
Und als Zufchmier des Triompfzoges erklärt der
Dichter den neugierigen Mädchen die vorgeträ«
geoen Bilder {art. am. I9 223):
H$c ^ß Enphraus, fracinSus armtditi^ fiwttem,
Cui C9fna dependet cttnUy Tigris eriu
* ' ' • ■ >
Jener ift Eufrates, dem Rohr die SchlSIfen nrngfirtet«
, . 'V^em d«s.bltnii(he Hav hanget, fei Tigris genannt.
Auch bei Apnlejns {Met. 4 p. 157) ift Portum-
^us ftruppig mit bläulichen ßartzotten.
* Von diefer/ Meerfafbe ^es Haars möchte ich
me bläulichen .Nereiden und Najaden genannt
j^lauben ; weil die felbigen manchmal auch grün
Vom anhaftenden* Moofe des Haars heifsen, und
iuch Jäv^o« und ^flavus nur gelbliches Haar an-
zeigt. So die bläuliche Doris ( MeL 13 , 742 ),
von welcher gebohren zu fein die fchöne Galatea
fich rühmt; fo die bläuliche Näis {Stat f%lv. 3,
4, 4a), die den fchöpfenden Hylas unter die
.Quelle zog; fo beim Tragiker Seneka {Hipp'.
335 ) ^^^ blauliche Schaar der Nereiden. Doch
werde ich nicht hadern , weQn einer an. die
blanen Augen der Meergottheiten zu denken
Wünfcht, daHoraz {Epod. 16, 7) die blauäu-
l^gen Germanen bläuliche nennt; oder an di^
llaoe Tracht; oder an alle Bläue zugleich.
ao6 MYTHOLOaiSCHfiR BRISrS It.B»
Blaue Augen» v^ie Virgils Proteos lie verdrehte»
erkennt an Neptun Cicero {nat. Dtar. i, 30)» ain
Flufsgotc Fafis der jangere. Philoftrat (8)» an den
Nereiden flimerius itcL 13» di)> nnd an den
Nymfen überhaupt der Orfiker (A". 54» aa)»
Meerfarbene Gewände fcheinen die herfchende
Tracht der Waffergottheiten äu fein, obgleich fie^
\xTtk im Gemähide abzüftechen^ auch mit andere»
Farben umwechfeln» Dergleichen» von mileii«
fcher Wolle, gefärbt mit Glasgrün , rpinnen fich
Virgils Nymfen in der peöeifchen Grotte det
Cyrene; und fowohl bei Lukrez (4, iiao)>
ab bei Theolcrit (28> li) werden thataffina uiu}
bjfdatina 9 meerfarbene und waiTerblaue Gewände^
eur modifchen Pracht gerechnet Leicht könnte
demnach auch Ovids Cyrene ( Faß. i > 365 ) blaa
Von der Kleidung heifsent wie bei Himeriu^
(on 16, ä) die Nereiden meerpurpurn* Theokrita
blÄue Nereiden (7, 59) verbeut der Scholiaft mit
blauem Leibe uns vorÄuftellen. Und wenn TibuU
(t, 5» 46) Teln blondhariges Mädchen (bbÖH
findet, wie einft
Auf getiigehem Fifch Thetii die bllaliche itüirl
(b <)arf wohl keine andere Bläue, als des deü
Wandesi gedacht werden» Ein blaqes (iewan4
tiüd M009 auf der Brufl: trifgt bei Stadua
ifilv* I, 3» 71) der Flafsgott Anienuß» Der
Venus, fagt Apulejus (^Met. 10 p. 354), fei
^eifs der Leib, Weil fie vom Himmel komme^
blau das Gewand, weil fie auf dem Meere
ÄUriickwandle.
,. Meint Apulejus, auch der Leib würde blau
fein, wäre fie eine völlige Meergöttin?
\»
Ich darf es nicht bergen, dafs mancher Mahler
auch den Leib der Waflergötter mit dem blauen
Pinfel nicht verfchonte. Philoßrat fand es be*
toerkenswerth, dals auf einem GemShlde (ir.
a, 14) Pofeidon nicht blau noch meerhaft aus«
fah, fondeftt als Landbewohner. Indefs nahm
feiten ein Dichter die blauen Meerwunder auf;
uüddann nur Götter niedriger Art; Göttinnen;
glaube ich, am feltenften. Klaudian verfchmÄ-i
hetezwar nichts äu befchrelben (33, 46), wie
des Oceanus Gemahlin Tethys die neugebohrenen
Sol und Luna als Amme gepflegt, und der blaue
Bufen ihres Gewandes von den rofigen Kindern
geleuchtet häbe^, indem Snl, ttit werdcndtQ
Hauptftralen, wimmernd ein zartes Licht ausfple,
und Lüna^ aus der gUi/trfiin Srufl laugend,
febon Hörnchen an der Stirne keimte» Oder
glauben Sie, dafs die gläferne Bruft hier nur die
gtänxmtU bedeute? Idi fürchte, fie Hk glasfartu:
sog MYTUOLOGISCHVK BAIKFE II. B.
Schon Properz (3, a6, 16) ftellt tioe weiße
Nereide mit einer blauen zufammen.
Ovids blauen Neptun, der einigemal vor-
komoäty können wir durch Bläue des Haars ^' der
Augefn oder der Kleidung retten» Aber der
Vater Tiberinus (ai Liv. 223 ) kann fein Geficht
der Bläue fchwerlich entziehn ; obgleich ein ver-
fchriebene^,f£rrfi/ffim ihm zu Hülfe kommt:
Tum falice implacim, inufcoqw )^ arundine crinem^
Otruleo magna kgit ab ore manu*
Dann fein Haar» von beiden nnd Mooi nnd Rohr»
gekränzet.
Streicht er vom blauen GeHcht mit der gevaltigen
Hand.
Noch weniger kann es Acis, wenn er (Jlf/I»
139 893) dis junger Fiufsgott mit einem Schilf*
kränz um die Hörner fich erhebt: |
' Qui, nifi qnod Maior^ qaod UU carulus ore ej?»
AcU erat;
^ Der, nur daOi er gröfser» und blaa im ganzen Geficht ift,
Acis war.
• Die Grüne der Meergötter könnte die felbige^
iwifcben Grün nnd Blau fpielende Meerfarbe
ibheinen; da zumal die blaugefchminkteh Britao-
nier bei Ovtd (am; 2 , 16» 39) auch grün heiisen^
I
PÜNFUNDZWANZiaSTER BR. 209
und Philoftrat (f^. i, 6) die Farbe des getnahl-
ten Quellwaffers zugleich blau ojnd grün nennet*
Aber die grünen Götter Ovids (i Triß. 2, 59)
und die grünen Nereiden iHeroid. 5, S7) ^®-
deuten grünharige: wie Statius (fitv. I» 5» 15)
feinen grünen Najaden gläfernes Haar .verleiht.
Das Haupthaar der Tritonen verglich Paufanias
mit grünem Sumpf kraute. Nonnus (43, 205)
mahlt Tritons halbthierifche Geftalt, woran wohl
Borften nicht fehlen durften.
— ^oatücav IT* <$voc.«Xf< J««?Jfv»,
' umgrfint von den Hüften empor bii zur ^
Scheitel.
An Glaukus bemerkte Ovid den Bart voll grünea
Anfezes, und Philoftrat die zottige Bruft voll
Seegras. Unfer * * erzählt, dafsan den KÜften
Italiens ein zartes grünes Moos fchwimme,
welches die befpültenFelfen umziehe, getrocknet
weifs werde, und die Gegend mit Wohlgeruch
füUe/
Solche natürliche Grüne, womit gleichfam
gepudert auch blondes Haar fich fo übel nicht
ausnehmen mochte, duldete felbft Horaz (3 Oi.
28 > 10) auf dem Haupte der Nereiden: wobei
der alte Scholiaft faget, die grünen Haare feia
O
2lb MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Tcrautähnlich durch Schminke des Waffers.
Gefchweige der weniger ekele Ovid, dem der
Doris Töchter < Met. 2y 12) in einem Bildwerke
fcheinen,
Pars in mole fedens virides ßccare capülof,
Theils auf dem Felshaapt fizend die grünlichen Häaro
zu trockueu.
Oder Nonnus (43, 99)» l>ei welchem Panope
Seemoos aus den Locken fchiittelt Es tanzte,
fagt Himerius (,ecL 13, 21), der- Chor der
NereMen, weifs alle, ^ie geronnene Milch,
blau von Auge, behaart mit Seemoos, noch
weifsen Meerfdhaum aus' den Enden der Locken
tröpfelnd.
Hierdurch erklären fic^ die grünen Roffe bei
Klaudian(7, 197):
Vobif loHM virides NeptuHuf in alga
N«tri> eqüos, qui fimma freti per carula poßnt
tarre viam^ fegetemqtie levi percurrere motu.
Euch ernährr am ionifchen Strand Neptunus im Meergrt*
Grüne RofTe^ gewandt durch obere Bläue des Sundes
Hinzugehn, und die Saat mit leichtem Schwung z«
durchrennen.
Nicht vom genoffenen Meergrafe, wie Gefsner
meint, grünen fie; . fondern fie gleichen den
FÜNPüNDZWANZIQSTER BR,' an
meerwandelndfen Roffen Neptuns, deren Haar der
Mahler durch anhaftendes Seemoos auszeichnete,
Aebnlicher Art ift Klaudians Meerftier, dereine
Nereide im Gefeige der Venus trägt, (lo, 163):
hae earulea fifpenfa Utena
tnnatatt hac viridem trahifur eomplexa juveHcum.
'• die fchwimmt luf bläulicbem Rücke«
der Löwin
Hoch einher; die fchwebet gefchmicgt um den grünen-
den Meerftier,
Grünlich gefärbt ift auch auf dem herkulani-
fchen Gemähide (3 ^ 18) der Seeftier, der eine
Nereide durch die Wellen trägt; und jener bei
Sidonius ica'rm. II, 43), an deffen Hörnern ein
Amor hängt.
Selbft die übrige Verzierung der Waflergötter
und ihrer Wohnungen mit allerlei Geftein, Glas
und Mufcheln fcheint den ausbildenden Mahlern
zu gehören. Homers Pofeidon (II. 13, 21)
wohnt in einem goldenen Palafte unter dem
Meere, wohin Hefiodus (Th. 933) auch den
Triton fezt; Okeanos (II. 14, 201; ig, 402)
in einem Palaft unter der Quelle des Weltftroms;
Thetis (IL 18, 50) in einer filbernen Grotte am
Grunde des Meers, bei ihrem Vater Nereus.
Gläferne Grotten , oder mit , Glasbänken ge-
O »
tia MYTHOLOGISCHERBRIEFE II. B.
fchmückte, wie fie den Stromgöttern (^Georg^
4> 350) viele, Klaudian (12, 34) auch dem
Oceanus zugeeignet, finden wir erft in fpäteren
Zeiten.
Befchreibungen des zugleich beftehenden in
Ruhe vermeidet der gute Dichter, indem er,
ftets fortfchreitend , durch wenige Züge voll
Inhalts die ausfchaiFende Einbildung erregt.
Damit wird nicht geleugnet, dafs nicht zuweilen
auch die Dichtkunft zu vollendeteren Seegemähl-
den veranlafst werde; wie wenn die Dichterin
Hedyle i Athen. 7, 12) den verliebten Glaukus
zur Grotte der Skylla führt:
H Koyxü ^agfifia ^sgovr* ffv5fffc oto ^tr^Qf
H TüQ Aäkvovuv vxiietQ tr* a^rrtfvyHCf *
Kai Ztigifv ygiTUV T«f5»v0C 9iHTt9»TQ.
Mufcheln bringet er bald zom Gefcbenk vom öftlicheik
Meerfels,
Bald ungefiederte Brut aas der Alkyone Ncft,
Der hartherzigen Nymfe Beluftigiing. Ach wie er
weinte !
Selbft die Siren' in dtr Näh trauerte jüngferlich mit»
SECHSUNDZWANZIGSTER Bit. 21^
XX VI.
Iliin würdiges Paar fcheint Ihnen der fifch-
fchwänzige Glaukus und die fifchfcbwänzige
Skylla, mit bellenden Hundshäaptern umgürtet.
Ob aber die Mahler, die Satyren und Panen und
Centauren ihre Weibchen, Sfinxen und Sirenen
ihre Männchen zu fchafFen wufsten , nicht auch
die Tritonen bei dem langwelligen Trompeter-i
gefchäft mit gleichartigen Tröfterinnen bedacht
haben V
Infandumt dile&et juber renovare iolwem!
Leider! den Grazien fei es geklagt !. Die fchön«
f üfsigen milchweifsen ' Nereiden , mit deren
Schönheit zu vi^etteifern die fchöne Kafliopea bei
Sofokles und Euripides CByg» P. aflr. lo) aus
Uebermut fich vergafs: diefe wurden von einigen
der Ipäteren Bildner zu blauen Meerwundern mit
ringelnden Fifchfchwänzen entwürdiget!
Plinius erzählt (9, 4); Unter Tiberius fei
ausplifipo feierlich gemeldet worden , man habe
in einer Felshöhle einen Triton von bekannter
Geftalt gefehn, und gehört, wie er die Mufchel
blies. Auch der Nerei'den Geftalt fei nicht falfch ;
nur ftarre von Schuppen der Leib, fogar wo er
menfchh'che Bildung habe. So. eine fei an dem
felbigen Strande gefehn worden^ und der fter-
03
5114 MYTHOLOGISCHER BRIEFE 11. 0.
benden trauriges Geächz habe die Nachbarichaft
weit umher angehört. Auch dem Auguftus
habe der Legat Galliens von dei* Erfcheinung
mehrerer entfeelter Nereiden am Meerufer ge«
fchrieben.
Zu Plinius Zeit alfo mahlte man fchon häufig
halbfifchige Nereiden, den Tritonen fo ähnlich
an Geftalt, dafs lie Tritoninnen genannt werden
könnten; nur noch mit den Schuppen an den
menfeblichen Gliedern verfchonte man fie , wozu
die männlichen Tritonen in mancher Abbildung
fich bequemt hatten. Einigen fehlen diefes
Ueerweib ein Unding, ein Mahlereinfall ; andere
bezeugten, der und jener glaubhafte Mann habe
fie doch wirklich am Meerufer gefehn. Und nun
kam der entfcheidende Bericht aus Olifipo am
ruchtbaren Ocean, wo es der Wunder fo viele
gab. Der Nereiden Geftalt, hiefs es, fei nicht
erfunden; man habe fie gefehn und gehört: nur
an den Obertheilen fei in den Gemählden ein
kleiner IrrChum; in der Natur fein ihre menfch*
liehen Glieder nicht glatt, fondern mit rauben
Schuppen bedeckt.
Es fanden lieh immer wohlmeinende Männer»
\relche die übernatürlichen Dinge des Volksglau-
bens durch nene, gewüTenhaft angeheilte Erfah-
rungen zu bekräftigen fich erweckt fühlten«
SECHSUNDZWANZIGSTER BR. ai5
Befönders nuzte man damals die wenig erkunde«
ten Geftade des Oceabs. ^ Der Magnefier Kieon
bei Päufanias (lo jp. 615) fagte: Ungläubig für
das Wunderbare fein nur die Menfchen ^ die in
ihrem Leben nichts gefehn, was über die ge*
meine Vorftellung hinausgehe." Er für feine
Perfon glaube alles, was von Tityos und anderen
folchen gelehrt werde. Denn er habe um Gades
einen ausgeworfenen Meermann gefehn, der
gewifs fünf Plethra, oder fünfhundert Fufs>
eingenommen, und vom Donnerftrale des Gottes
fei gerührt worden.
Abbildungen fo ungeheurer Meerweiber hat
uns die ipäter^ Kunft genug und von allerlei Art
überliefert. In dem Cabinef de pierres antiques
(i, 60 ff. 113) ift eine fifchfchwänzige Meer-
jungfrau von Riefenwuchs, am Bauche zwei
rioffen, in der Linken ein Dreizack r auf dem
langen emporgewundenen Fifchfchwanze fizt ein
.bekleidetes Weib, wie es fcbeint,-Afrodite, ein
aufwallendes Tuch haltend» und mit der zuge«
wandten Trägerin im Gefpräch. Eben dafelbfl:
(2, 126 fi. 6g> eine mit rudernden Schwimm-
füfsen, den Fifcbfcbwanz] aufringelnd, die Linke
in die Seite geftemmt, in der Rechten eine»
Zweig darbietend. Für eine Nereide erkennt
Spanheim Qnum, ant 5« 3) auf einer rSmifchen
04
al6 MYTÖOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Münze ein' Meerweib mit einem Gürtel von
Floffen 9 der ftatt der Füfse zwei Fifchfchwänze
fich aufwärts drehn; und rügt die irrige Benen-
nung Sirenen. Eine ähnliche wird im verdeutfch-
tenMontfaucon (^.8) aus Bandelot mitgetheilt.
Auf einer licilifchen Münze ( Sie. vet. num.
t. I. II. 17) ift eine weibliche Geftalt, deren
geftreckte Arme und Schenkel fich. in Schlangen
verlieren; und bei de Wilde (^gemm. U 14. fi. 5a)
ein Meerweib^ das mit langem Hyderfchwanz
einen jammernden Menfchen umfcblingt, und
ein Ruder zum Schlage erhebt. Beide möchte
ich eher für Abarten von Nereiden anfehn, als
für Scyllen , wozu die umgürtenden Raubthiere
fehlen. Um fo mehr , da bei Sandrart (iconoL
JET. II. 3) auf einem alten Marmor ein ähnliches
Meerweib mit zwei Fifchfchwänzen am Geftade
des Aetna einen umwundenen Mann mit dem
Ruder fchlägt.
Der felbige zeigt (H. ii. 4) um Neptuns
Wftgen dreierlei Nerei'den: zwei ganz menfch-
liche» diefe auf dem Hippokamp fizend , jene in
der Mufchel von einem Meergott umarmt; und
zwei fchwimmend mit endendem Fifchfchwänze,
wovon die eine den jungfräulichen Leib fchup-
penlos hat 9 die andere mit grofsen Schuppen
imd Flolsfittigen. Schuppige Meerweiber, der-
SECHSUNDZWANZIGSTER BR. ^IJ
gleicheb noch Plinius nicht fth , wurden vertnnfc«
lieh Dach den eingefandten Berichten vom Ocean
voi^eftellt* . /
So vielfach indeis diefe Scheufile in fpStercn
Kunftwerken fich darboten; bei den Dichtern
Vermiffen wir fie ganz. Alles mögliche nahmen
fieauf; aber
ut tttrpttCT atrmtf
Deßnat in fifcem mulier formofa fitpcrne,
daf$ häGlich in dunkle
FiTchesgeftalt fich ende das VTelb liebreizend von oben:
eine folche Entheiligong des fchönen Gefchlechts
liefsen fie die Mahler, wofern den fpäteren Rhy-
parografen der Name der Apelle zukommt, ver-
antwortefa. Statius (^fih. i , a, 120) giebt den
Meergöttinnen tragende Mufcheln; und fogar
Nonnus, fo wenig er fonft ekel ift, fezet die
Nereiden (i, 72) mit Anftand auf Delfine.
Doch! Auf einpnb^finne ich mich, und dazu
einen angefehenen aus Olifipo, wo ja die fchuppi-
gen Meerdamen mit nach wallenden Fifchfchleppen
recht eigentlich zu Haufe waren. Der Dichter
der Lufiade erzählt, dafs Venus die weiisen
Töchter des Nereus mit der ganzen blauen Gefell-
fchaft berief, und felbft , von einem Triton ge-
tragen ^ fie zub. Rettung der Flotte anführte*
,05
2l8 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II.B.
Und wie befchreibt er den Zog der wei&en
Göttinnen (2» ao)?
Ja n'agoa erguendjt vao com grande preßk
Com as argenteas cauäas tranca efctma;
Cloto CO petto corta ^ atraveßa
Com mais furor 0 mar, do que cojluma; .
Salta Nife . Nerine fe arremeßa
Tor cima da agoa creffa^ em for^a fumma,
Abrem caminho as otidas encurvadas^
De temor das Nereidas aprejfadas*
Schnell durch die WafTer raufcht die Schaar , und theilet
Mit Silberfchwänzen wciTsbefchäiimte Flut;
. Die BrUft fchwmgt Klotho vorwärts, and durcheilet
Den Ocean in ungewohnter Wut;
Auch Nife hüpfet , auch Nerine fteilet
Auf kraufen Wogen fich mit rafchem Mut.
Voll Ehrfurcht linkt die Brandung weggekrütnmet.
Wo ftolz der Chor der Nereiden fchwrmniet.
Wahrfcheinlich würde es Camoens nicht gut
Iieifsen, dafs ihm la Harpe die filberfchwänzigen
Nereiden in Tritonen verwandelte.
Bei den Bildnej-n fogar waren die edlen
Menfchengeftalten der Nereiden häufiger, um
vieles. Untergelegt zwar wurden den fcbönen
Jüilgferchen , damit ihre Seerelfen nicht mUhfam
fchienen, allerlei fchwimmende Ungeheuer, aber
von wenigen mit ihrem Wuchfe vereiniget.
SE<^B§ÜNDZWANZ^GSTER BR. II9
Und aoch jenes nicht immer. In [Kalliftrats
Gemähide ( 14 ) find Nereiden um Amfitrite
gehend auf der Wafierfläcbe. Nicht anders als
he} Euripide» ( Tro. 2 ), auf der ägäifcben Flut,
tv$a N)ff)}$A)y %Of0C
K«AA/90V tXVOQ €%S^tff9H€l9 ^ohf.
wo der Nereiden Chor
Den boiden Tric des Fofses wtit aoskreifeiid dreht
Auch fcheint es forcdaurende Mahlervorljel.
lung, wenn Himerius {or. 16, a) der meer-
purparnen Nereiden Chöre auf der Fläche 4er
Wellen um Konftantinopel im Tan2:e herum-
hüpfen fab. ' '
Wie indeß in Pl^tons atlantifchem Tempel-
gebilde , und in der Meergruppe des Skopas , die
Nereiden auf Delfinen lafeen, und Wallfifcheh
und Hippokampen: fo noch ahne Ausnahme
in den herkulanifchen Gemählden (3 t 16 -»ig).
Hier liegen ße in reizenden Stellungen : diefe
auf einem Seeftier , der ihr Liebkofen erwiedert#
jene mit Haarfchmuck und Ohrgebenken auf
einem Seetiger, dem fie eine Schale zum Lecken
vorhält, aus einem Kruge zugiefsend; die dritte
auf einem gezügelten Hippokamp. Und war den
-geifsfüfsigen Satyren und Panen mit fchönen
Waldnymfen zu fcherzen erlaubt; was binderte
aao MYTHOLOGISCHERBRIEFE II. B.
den Dichter iClaud. 10/137), feirtem halb-
fifchigen, Rofsfüfsler Triton die fträubende
Cymothoe in den Arm zu legen? was den
Kttnftler^ auf einem gefchnittenen Steine ( Cab.
2 fU 232. n. 488) einen anderen Triton im
"woÜüftigeti Kampfe mit einer holden, vom
Fifchfchwanze umfohlungenen Meernymfe ohne
thierifche Misbikiung vorzuftellen?
Nicht einmal wüfste ich , wo jene häfslichen
Dinger, ein Grieche Nerei'den genannt hätte.
In Philoftrats Kyklopengemählde (2, ig)
kommen Dienerinnen der Galatea vor, die ein
Viergefpann von Delfinen zäamen. Ihr Name
verräth die Geftalt: fie heifsen ^at^^evot r^irmo^^
Tritons Jungfrauen, Hätte ich Anlehn, ich
würde die nnterfcheidende Benennung Trito*
niolen vorfchlagen.
Was dencht Ihnen nun zu Herrn Heynens
Einficht in die Gefchichte der Kunft und der
Allegorie? Die fpäteften Mjsgefchöpfe der
Hildner, nicht die Tritonen allein, fondern fogar
die von Dichtern und empfindenden Bildnern
verfchmäheten Nereiden mit Fifchfchwänz^n,
alle zählet er ohne Bedenken zu den fymbolifchen
Vorftellungen des höchften Alterthums. Je zu-
fammengefezter , defto nachdenklicher ! *^ Die
<^ Verbindung »t» f^gt er (^Antiqu. Auf f. St. 2
SPCHSUNDZWANZIGSTER BR. 221
S. 58 ) > " der thierifchen Geftalt mit der tnenfch-
"liehen, wie man an den Centauren ^ Tritonen^
^^Nere'iden^ Giganten shnehmen kann, war für
<<die alten Menfchen das einfacbfte Hülfsmittel,
''eine zufammengefezte Idee auszudrücken, f,
Der arme Mann mit feinen alten Philofopbe«
men ! Alle diefe vermifchten Geftalten find Jahr*
Jnunderte neuer als Homer, die Nereiden ein
Jahrtaufend. Und lefen Sie gleich das Folgende,
wie , fchnöde der feine gründlichen Vorgün^^er
behandelt.
xxvir.
Die Summe unferer Rechnungen war: Nur ge-
ringere Meergottheiten entftellte der Bildner,
der nach gefälliger Mannigfaltigkeit ftrebte,
durch Vermifchung mit der Schwimmthiere
Geftalt; anderen, deren Erhabenheit und Schöne
dem gefühlvollen Künftler heilig zu fehlen, wur-
den entweder tragende oder ziehende Seethiere,
wahre und gefabelte , zugefellt.
Schon in der bewunderten Meergruppe des
Skopas erfchienen die edleren Götter theils auf
Delflnen und Wallfifchen, theils auf Hippo*
llßmffen. Und Philoftrat ( icon* i > 7 ) vergleicht.
m MYTHOLOGISCHERBRIEFE ll. B.
wie gegen Homers meerfahrenden Pofeidon der
getnahlte abfteche : "Dorterkennft du Landroffe,
«^erzEüfsig, und rafchfliegend , und mit der
** Geifsel gehaun ; hier find HIppokampe das Ge-
"fpaiui, mit Hufen zur Wafferfahrt, und
" fchwimmend , und blauäugig , und wahrlich
"wieDelfine. „ ^ ^
Hippokampe erklärt der Grammatiker Nonius
durch Möerroffe, von der Beugung des Fifch-
ichwanzes alfo genannt; das Wort finde fich bei
Menander, und in folgender Stelle des Tragikers
Nävius, wo die Sirenen, obgleich . längft mit
Fittigen begabt , dennoch ein* fchwimmendes
Fuhrwerk vorlieb nehmen :
Sirents citis
Delpbino junäis vehiclis^ bippocampit^ afperir*
Die Sirenen angeftöm
Auf der Meerdelfine ^l^agen, und der Hippokamp* in
Mit dem felbigen Namen wird fonft das Seepferd-
chen, ein Meerfifch mit pferdMhnlich^m Haupte,
genannt. Den fabelhaften Hippokamp von dem
vierf üfsigen Flufspferd oder Hippopotamus zu un-
terfcheiden , haben fchon andere gewarnt
Dife Vorftellang diefer " fifchfchwänzigen
Halbrofle ift fehr häufig auf Münzen und Kunft-
SIEBENÜNDZWANZIGSTER BR. ÄIJ
werken^ wo lie bald mit zwei Rofshnfen die
Woge treten, bald mit gefpaltenen Flofsfiirsea
fchwimmen, bald, wie bei Winkelmann ( iHon.
ined* u. 131), über den ganzen Leib mit
Schuppen bedeckt find. Bei Maffei (Deutfcb.
Montf. 8 , I ) ruht eine Nereide auf zwei ge-
zäumten Hippokampen , wovon der vordere den
Rofsleib behaart und mit natürlichen Hufen, der
andere flöfsartige Schwimmfüfse hat
Es ift angenehm zu fehen , mit welcher Scheu
die befleren Dichter diefe Verunftaltung aufnah-
men. Euripides , fo gefällig er fonft gegen di^
Bildner war, läfst QAndrom. 1012) den Pofeidon
mit dunkelen RofTen die Salzwoge durchfahren.
Statins ( Theb. 2» 45) giebt ihm hufig^ Hippo-
kampe:
llHc Aegeo Neptmius gHrgite fifos
In portum deducit tquos: prior baurit artnas
Vngula , poflremi filvnntur in aqu9ra pifces.
Dorthin lenkt Neptnn das Gefpann vom ägeiTchen Strudel
Made gejagt in den Port: es dutcbfcharrt der vordere
HufTchlag
Tief den Sand , von hinten ins Meer hin^ rollet der
Fifchleib.
Virgils feineres Urtheil duldete zwar bei dem
Untergott Proteus die mahlerifche Bläue der
^24 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B,
Schuppen und die fifchfchwänzigen Hippokampe
(Georg. 4, 387)^
Caruleus Proteus ^ magtium qui -pifcibus aquor
' Et junäo bipedum curru metitur tquomm,
Proteus, blau von Geftali^ der des Abgrunds Flut in
dem .Wagen
Weit mit befchupptem Gefpann z>x^lfürsiger Rofle
durchw^anderc.
Aber den obwaltenden Neptunus zeigt er ( jien.
5 » 8*6) von den edleren Roffen der bomerifchen
VorfteHung geführt, im Geleit der neugefabelten
Meerungeheuer:
Hts übt laeta äea permnlßt pe^ora diitis,
Jungk equos mro genitor , fpnmantiaque addit
Frena feris, manibusque omnes egundit habeHof^
Caruleoper fumma levis vol'at aquora curr*.
Subfidunt unda^ tumidumqut fub üx4 tonnnti
Stemitur aquor aquis ; fuginnt vaßo ather« nimbu
Tum varia comitum facies; immania cete.
Et fvnior Glauct t'horus, Inousque T^alamon^
Tritonesque citi, PMrcique txercitus cmnit,
' Ais er (o der Göttin den fröhlichen Bufen befanftigt.
Schirrt an Gold der Vater die Rofl*', und fugt den
empörten
Schaumig Gebiit, und den Händen entfchüttet er alle
die Zügel;
Fliegt dann iin bläulichen Wagen behend' auf der oberen
Fläche. .
.«lSB0|ffUM9SWAN2iaSTifeR BR« ^1^
Mieder finkt 4$9 Gevog*, aiul oater der doiiiieriidea*Axe
fibnet (ich fdivtllendc Fiat; es entflieim durch de»
Aether die V(^olkeo.
JezQ erfcheint vielfechef Geleit; Scheafale des Abgronds»
Gltukas im altenden Chor, und der luoide Paltmont
Auch der Trhonen Gewühl» und des Phorkos fämtlichc'
Heerfchaar.
Bildner Ibgftr». die fich Ober das Gemeine er*
boben» wagten häufig die homerifche WaiTer-
fahrt: wie auf jener Abbildung aus la ChauiTe
(Deutfcb. Montf. 7 n. 3) PofeidoQ in einem boot-'
ähnlichen Wagen von. zwei natürlichen RoiTett
über die Wellen gezogen. wird. In Pofeidoni^
ifthmifchen Tempel (Pa«/. 2 f. 8?) ft»ftete
Herodes Attikas vier vergoldete Rofle mit Hufen
van Elfenbein , vor einem Ws^en , worauf Am^
fitrite und Pofeidon ftanden: bei den RofTep.
xwei Tril:onea von Gold mit elfenbeinenen.
Schweifen ; auch den Palämoa auf einem Delfin^
aas Gold tind Elfenbein* beide; «uid im Meere^
das den Wagen trug » eine auftauchende jung6
Afrodite, und Nereiden umhen Weiterhin waf
anch ein balbfifehiges Rofs gebildet. Die Kunftler
rertraqeten mit Recht» das Auge würde aus det
bekannten Leichtigkeit der Unterlage die unbe-^
kannte Leichtigkeit der getragenen MaiÜe ab«
nehmen»
a%6 MTTfiOLOaiSCHi:R BltlS^E II. B.
Uebertriebcne Aengftlichk^it das Auge zu
bedeuten verband die neueren Schwitnmglieder
noch mit dem älteren Erhebungsmittel der Be-
flügelung. Ein Achat in dem Cabinet de pierres
antiques (2 pt. 155 «. 18O Ä^llt einen rofs-
hufigen 'Hippokamp vor, der mit' flofsartigen
fittigen über einen Dreizack fich fchwingt.
.Beim Marefchall d'Etries (Deutfeh. Moutf. 7
11. 6. 7 ) wird ein iJeptun von zwei Hippokampen
mit grofseh Fittigen und Schwimmfüfsen getra-
gen, deren zurammengewundene Fifchfchwänze,'
hts Äu feinen Lenden lieh emporhebend, eine
natttrllche Stüze der Bildfeule gewähren: der
Öott ftellt deb lirtken Fufs auf einen der Röcken,
den aüde^n auf das Haupt eines vom zwifchen
den Hippokampen hervorragenden gefittigten
Delfins, und fcheint vor Alters einen hoherf
Dreizack in beideö unter einander geftreckten
Öändeti empbrgehalten zu haben. Gefiederte
pegaie mit geringelten Fifchfchwänzen find auf
fyrakufifchc Münzen < Sic. veLnüm. T. 83* 84)
geprägt.
' Auch einen geflügeltett Meergräf mit
Schwimmfüfsen und einem gewundenen Fifrh-
fchwanz enthält ein alter Achat (Cabinet. z
it. 1^4 n. {>$)); mehrere auf Münzen weift-
Spwheina in dem Golzifchen Werke nach.
r Der fpidcnden Einbildmig iJ^IEtecer Künftler
verdanken wir auch halbfifchige Rinder, Tiger^
Einhörner, Böcke, Löwen und Elefanten^
wovon bei klaudian (lo, i6o) und feinem Er-
klärer Gefsner eine anfehnliclie Sammlung zu
finden ift.
Am merkwÜfdigften find wohl die Seeböcig,
in deren Geftalt Pan felbft unter den Sternbildern
wfcheint: weUefr, wieEratofthenes(rato7f. 27)
figt, die Titanen, durch eine geblafene Meer«
fchnecke gefcheucht haben foUte; oder weil
er in diefer Geftalt d«i Tyfos aus der Meertiefe
Äog (^Opp. HaL$, 15), undfo von den Fifcheni
CSch. Soph. Aj. 707) als meerirrender SchuÄ-
gott verehrt wurde. PtolemÄus Hefgftion lehrt
i^PkoU p. aSf), Pan heiise ein ungeheurer
Meerfifch» der dem Pan an Geftalt gleiche.
Zum Sternbilde zog man den fifchfcfawSnzi«
gen Pan dem bockf lifiigen Landwandler vor, um
die Regenzeit zu bezeichnen. Worauf auch die
beiden folgenden Wintergeftirne, WaiTermana ^
tind Fifche, Beziehung haben. Gewöhnlich
erfcbeint der Kaprikorn mit geftümpftem Fifch-
fchwanz; in Sandrarts fchöner Vorftellung
^Teutfchi Akad; a, 2 S. 15) mit langgewun-*
denem: unten ein Delfin, Und oben ein jugend-
liches Haupt des Auguftus, der unter feinem
woUthltigcn Etoftnfii geböhnm sb fein fick
Da« alte Vorrecht der Lufhiranderung ward
von der Thetis noch bei Euripides (^jlndrom.,
i22g) zu Faß öder im Wagen ausgebbt Die
fpStere Fabel entzog es den Meergottbeiten.
}jÜfMS$ geringet dcmotch ibeinte die Sage* des
fE^lemiiis HefVftim iPhöt. pk i^i), wenn Zemi
4er Tlietia an ihrem Brauttage die der Titanin
B«rke, einer Schwefter der Int» akgenommew
ilen Fafsfictige ti»fei isefchenk bradte» wdcbe^
die JBlirtUche Mutter docb Hcker ihrräi AcbiUei»
«fifiigtei. Bei Aefia^ inaL mrim. 14» 7) wird
als Fifehermährchen erzählt: Nerites^ ein bUd«
lishüder Sohn ä^ Nerena, kabe von der A&odite^.
4te während ibrea Anfenthalts kn heknlfeben
Meer ihn lieb g^w'&äk f die <Iabe erkaken, Fittige
zum Lufcflage anzunehmen, aber aus Trägheit
fie vernachlSfliget; worauf die gekränkte Bim«
melsgöttin ihn in eine Meerfcbnecke diefes
Namens verwandelte, und einem anderen Lieb-
Ibge, dem Eros, die Flügel fchenkte. Vielleicht
deutet auf diefe Fabel die Gemme iCab. 2 fU 244
«• 537 )f wo ein geflügelter Jüngling, halb i«
ein fchwimmendes Schnecken^ehäufe verfteckt,
ib gefchwoUenes Sejgel ao Seileo hält.
ACHTÜNOZWANZIGSTBR BR. ^9^
xxviir.
Von der nuirfahnndin AffdiU noch ein Wort;
und wir find am Ziele des weiten Zuges durch
Luft and Gewäifer, wozu die fchlimmen r«A«rii
der faeynifcfaen Lehrftuode ans verleiteten.
Aus der hefiodiPchen Fabel , dafs Afrodite im
Meere aas der VerftOmmelung des üranos er-
wachfen fei, welche Fabel der gelehrte Scholiaft
des ApoIIonius (3» 52) eine neuere nennte
floflen mehrere Vorftellungen. Man verehrte
unter anderen eine Afrodite Pontia und Lin^niOp
als Obwalteria des Meers und der Häfen X/'m/ 2
f» 15 O» °°d ^° Knidos l^lbft eine Suptöa, als
Geberin guter Fahrt ^Pauf. 1 p. a): in welcher
Eigenfbhaft fie Horaz um jQeleitnng feines VirgUs
anfleht
Bildner fi&tten die Fabel , um erhOlieten
Weiberreiz I nur durch venütteifehe Wellen und
jangfrXuiicht Scbttcfatemheit verfchlefert, }n iek
lieblichen Stellungen dei Schwimmens und AuP-
taoebens zu entfalten. ^*3cfa90 auf Anakreons
.Scheibe <0if* 51) (ehwattiöi 4^ Neugebobren^
mic d«rehfeheinef(d6n Gliedern aii^ Gefiiade, vcfti
Eroten ^mf hüpfenden Detßliefi «iHirnngt , und
von iberiiaffietefidea fifeiiefi«^ Aqdi «Ai-^Seft^
des olympifchön Zeus (Pao/T 5 f. 307) 4MfeM«ii
P3
S|i MYTHÖt-OaiSCHEIt BltlCyB n. B.
Meergottbeitett flieht vblebr zu vornhin.' Sie
trachteten» wie die f^Mteren Dichter, den geiftu
reichen Alten es wenigftens dareb ungewöbiw
liche DarfteltoRgen zuvor zu than* Eine laA>-
wandelnde Afrodite mochte an fich erhabener
fein; aber wie verbraucht, wie altmodifch! Als
MeergOtrin auf einem Triton oder Hippokamp
oder anderem Mahlergefcböpf r^ifete ile Mbk
vielleicht weniger angenehm. Was thats? Das
Bild fiel doch in die Augen^ und bewies uofere
Eriindiamkeit.
Unter ^ den herkulanifchen Alterthümern find
hievon die erften fieberen Abbildungen^ Bald
(.tom. % tab. 44) trägt die halbverhüilte Liebes-
göttin mit geordnetem Haar ein gezligelter Hip-
pokamp, von einem Eros gelenkt, indem ein
anderer nachfliegend ihr einen Schirm überhälCy
und ein rofsfü&iger Triton voranfchwimmt.
Bald (4« 58) liegt fie, nur ein leichtes Tuch
um die Schenkel, auf dem geringelten Schweif
eines Seeftiers, dem fie eine Schale vorhält; ein
Triton als Fifcbcentaur führt ihn am ZUgel;
voran und hinten fliegt ein Eros, Delfine an
Seilen haltend. Wiederum (4, 3) geftreckt auf
eine grofse, vom nachfliegenden Eros gefcho-
bene Mufchel , nackt mit gefchmücktem Haupt*
haar und Ohrgehenken, Ringe an Armen umi
ACHTüNDZWANZIÖSTKR BR. 13$
Füfsen, lehnt fie fich aof die Rechte, ein Kolo*
'Jtafienblatt haltend , und fafst mit den Fingern
der Linken das Übe^gewölbte Ende des Gewan*
ifei, worauf iie ruht
Aehnliche Meerfahrten macht fie anderwärts.
Ein Achat bei Sandrart {iconoL tab. L «. L.)
zeigt fie entblöfst von den HQften hinauf, einen
Myrtenzweig in der Hand, fizend auf einem
Meerbock, welchen ein Eros fortgeifselt Ein
anderer (Gl*, de pUr^ i, 17, 34), wie fi«
naqkend, ein fegelndes Tuch in d^n Händen, auf
einem Paar Seeeinhörnem fteht, die ein hinter
ihr ftehender Amor am Zügel lenkt. Noch ein
•gefchnitfceiier Stein dafeibft (a, 232, 487)» wie
fie vorgeftreckt um den gezäumten Hippokamp
fich fchmiegt, und Amor nachfolgt. Bei Mafiei
CD. ßSantf. 21 > 5) fi2t fie auf einem Hippokamp,
mit welchem ein anderer verbunden ift, unter
einem umwölbenden Tuche, und Amor fchwimmt
vor. ihr. Auch bei de Wilde (p. 43) fcbeint es
Afrodite, die ein Achat auf einem Hippokamp
und dem vorragenden Delfinshaupte vorftellt,
oben entbl(>r$t, das Haupt gefchmllckt, und einen
'Schild in der Hand. Eben fo bei la Chaufle
*(D- Montf. aif 4) fiztfieaufdem Fifchfchwanze
«ines Tritons, mit einem Schilde, worauf eia
'Medblenhaupt 'ift. Es fei nun die gewafndie
^5
^34 MYTHOtO<Sl8CHElt BRIEFE II. B.
Venns gemeint^ die im cärarirchen Rom ak
Scbuzgöttin der.julier häufig gebildet ward;
pder. fie bringe den Schild ihrem Aeneas.
Den Dichtern gleichwohl blieb die meerfah-
rende V^nus noch lange anftöfsig. Obgleich
"Virgils Neptunus felbft {Aen. s» 800) ihre Ge-
walt über das heimifche Meer erkennt, doch
reifet fie anders, als durch die Luft, bei keinem
der guten Dichter»
\irer vohl ruhete gern beim Viigebeaer des Meerts?
dachten fie mit Vater Homer (^Odyjf. 4, 443)
und fpannten ihr Tauben oder Schwäne vor den
Luftwagen.
Aber Nonnus, über dergleichen Bedenklich-
keit fich hinwegfezendy fang von der Europa
(It57)-
•^m 9f M'v» <r rax» ^iMifC.
- ■ der Ichaaende mochte fie Benoes
Thetii» vo nicht Galateit» vielleicht aoch die Gattia
Poftidons«
i)itt fogtr AFjredite, gefezt auf dea Röck^udef Triton.
ACHTUNOZWAN2IGSTER BR« 2%$
Aber Klaudi^n (10, 151) freute fich auszutnahlea»
vrie feftlich g6fchmUckt Venus auf einem ro&«
fQfsigen Triton über die Wogen fch wehtet im
Geleit der Amom und der prunkenden Meer«
götter. Aber Apul^jus ( Mit. 10 p» 254) führte
die Venus vom Paris ailf dem Meere zurück; und
(4 p. 157) mit einem Hippokaropengelpann in
den Ocean«^ begleitet unter anderen voni blau«
bärtigen Portumnus , von der fifchduftenden
Salacia, und von Tritonen, deren einer in die
mufchel lermte» einer mit feidenem Schirme fie
befchattete» einer ihr vor die Augen den Spiegel
hielt. Und wie hätte Sidonius dem Zapber
widerftehn können? In einem Gedichtchen (fp,
4> S). preifet er beiiäufig die Mufchel, auf
welcher ein halbiifchiger Triton die Cythere
trägt. Kaum aber enthalte ich mich die präch«
tige Befchreibung (carni. ii, 34 ) zu verdeut«
fchen: wie Triton mit feurigem Herasen die Lie-
besgöttin auf fein fchuppiges Geringel nimt»
nachdem ihm die leichtfertige Galatea die fchim-
tnernde Mufchel als Sattel auflegte; und wie
hinter ihr ein Amor feinen Delfin mit Rofen
säumt, jener an eines grünlichen Secßiers
"Hiüraenr Heb hält,,- und andere ftehend auf
;Schwiiiimtbierea l^erabgltgiten» und fiatter;nd üch
.^vriedcr ftellem
'^36 MYtROLOGISCItER BKIBFK 11. B*
$Ie fchetncfi mir nachdenkend. Gewifi liegt
Ihnen die medicelf(che Venus im Sinn, und die
Frage der Antiquare: was der Delfin mit den
Amorn bedeute , der an den FtUsen der verfchMm«
ten Göttin fioh aufwindet
Die Antwort bietet fich ielbft. Venus trat
eben aus der Mufchel, worin ein gefabelter
Halbfifch fie brachte. Ihr Haar ift für die Fremde
gefchmUclit; ihr Gewand, das in der Meerwüfte
entbehrlich war, ruht noch in der Mufchel am
Geftade; in dem AugenbliclL, da fie es nehmen
wollte, fah oder glaubte fie fich überrafcht
Der freundliche Delfin trug die begleitenden
Amorn durch die Flut; bewegt von dem zan-
brifchen Einfinde. der Liebesgöttin, folgteer
ihr, und verweilt noch, fich wollUftig an-
fchmiegend.
Ein anderes Kunftwerk in Rom (Deutfcb.
Montf» 21, 9) zeigt die landende Venus in frühe-
rer Stellung. Mit geordnetem Haupthaar fteht
£e nackend, und breitet das eben genommene
Gewand fcherzhafit über den Amor, der noch im
WaflTer feinen Delfin reitet
Die Wünfche demnach ffir das Alter der
medice'ifcfaen Statine, die ffk Vermutungen fich
ausgeben, mUflen wohl fo lange atir Hohe gdw.
ACHTt|Nll2WAN2I05T£]t BR. . 337 "'
Vk gezeigt worden, dafs vor derHericbaft der
Qifiurti ^e metrheHbbeiide Wenns als MeerwaDd-'
lerin ericbienen fek Hätte ein Phidias, «!a^
Praxiteles» ein Skopas, oder dn anderer Künftler
von Rangt ^e dazo emiedrig<^^ wir würde»
diefe Vorftellang weder bei Paufanias vermifTent
noch bei den Dichtem der erften Jahrbanderte.
. In den Antiquarifcben Auffäzen des Herrn.
I^yne ift ei;i eigener Anffaz von fünfzig Seiten
( I S. 1 15 - 1 64 ) , der uns ** über 0$ in der Kunjt
^^übluken Arten die Vennis vorzußellen „ belehren
km. Ein Schutt von raben Wahrnehmangen
iftid Vemratcmg^ und Citaten^ wie fie einer
amfii Papier ijvirfty der oboe VorketttifcniiTe in die
Satfae bineingdm will; aufgeftust durcb vor«
Aebme Gebehrden und verachtende Seitenblicke.
' Nachdem er (eine gewöhnliche Klage von der
Verworrenheit der VorgMnger, von zu wenigen^
Verftändnis des Künftlercofbims» von flehen
bleibenden Antiquariem ohne einige Kritik, ange-
bracht; fifingt die Belehrung über die medicelTche
Yenus alib ai^: **Wie in aller Welt konnte man
**fie für die Venus, die aus der See hervor«
'*kammt, halten t da fie ein (o fck&n giflochUniM
^Smot bat ! Dafi fie dwrcUdtrie Okrm hat, um
^fterieo einzuhängen , führ* ich nicht ao. Die»
«egelMirt htaft M Oem CUfisiun^ ^m entweder \
^35 MYÜÄaLOÖSCHBR BRXBFIJ Jl, B.
^XünfltergrlBi od^T übertrieheM Andacht ein«
«fahrte. Von Alexander Sever ßigt Lamprid
0(50): er habe zwei vortreflicbe Perlea,- die
«•ihm ein Gefandter gefchehkt hatte, der Venu«
^ zn Öhrgebenken. geweiht. „
Mit der airftauchenden Veniis alfo yertrUgt
fich kein Haarfchmuck. Aber kennt Herr Heyne
nicht die meerfahrende, die bei Künftlern und
Pichtern ungenezt im Haarfchmuck , und oft
mit Ohrgeheüken , erfcheint? •
Ohrgehenke will er «war anch «n der anffaai*.
chenden gerne dulden. Wie? waren fie ihr
öngebohren? Sie gehören, fagter, blofszudem
Ueblichen, das Künftleigrille oder übortriebene
.Andacht einführte.
Das nenne ich mir Klarheit der Begritfef
Wollte man fagen , der Künftler gab feiner Venus
den modifchen Schmuck, aber nicht gleich nach
der Geburt; der Verehrende weibete woM köft«
liebere Kleinode, aber die Sitte fie zu tragea
mufste vorher dafein: -^ ich wette, HerrHejmo
klagte über Verwirrung. '
^ Nun was mekite denn der Künftler? ««Der«
»Delfin zur Seite, mit den beiden Amorn, gj^r
f^thfl-mallgsmßmixAlümbwUer Vinus aft» ^
4t
ACHTUNDZWANZIGST£R BSU a3Cj^
**der Künftlfer ßnnreick ftatt des Tranks gebraucht
**hat, welcher fonft die Statue in feftem Stande
**halten mufste. Wie oft kömmt hingegen nicht
"eben die Vorftellung.der Venus mit einem ff^-
**fäß zur Seite und einem Gewände vor? OflFen-
*fbar ift diefe eine Venus aus. dem Bade, die im!
•'Begriffe ift, ihr Gewand anzulegen. , . ^ An.^
**der tnediceifchen findet man eben die Idee, eben
ifeÄ' Charakter. . . .' Wollte man aber auch
^gcgen^das Konimen aus dem Bade Einwendung ^
"machen, fo. bleibt doch offenbar fo rlel übrig,
«daQi es — liffr mtkkidete Fenus ifl, die ßch[
^fchämt. ff ' , '
-. Ich fibeflafffi Sie Ihrer ftiUen Verwunderung«
XXIX.
In Punft» me}ae kh, zeribhwebt^ dea pel^gl«
leben , Göttci^eflligels wahnfchaffenes Fantom^
Reiches, auf Winkelmanns faft fcher^hafte Ver-^-
ijcherung, Herr Heyne aus den Nächten dear
Uralterthums auffteigen zu fehn, fich und dea
Seinigen einbildete. Was mit unbefangenen
Augen zu fehen Wir, dafs den menfchlich geftal-
tfiten Göttern der älteften Zeit erft die bildend«
Kunft Fittige und. andere Bezeichnungen über-
mtUrlicher Schnelle und Leichtigkeit verlieh^;
94^ MTTHOl^OGISCHEIl BRIEFE lU B.
und fortgehexid vervielfältigt l^be: das blidi dem»
anftiiuneiideii Blicke in Nebel gebültt.
Doch etwas zum wenigften glaubte Herr
Heyne fUr fich wahrnehmen zu muffen. Ein
gar merkwürdiges Etwas! MitnorabiU aliquodt
um in heynifchem Latein (^Arg. EcL 3 Pirg.")
taich auszudrücken.
Sowob) das gepriereiie Mythenboeh (3 S« iS&)»*
als Ihre Hefte , mein Freund « berichten asis'
Herrn Heynens Vorlefangen: «*/», rfÄn.ÄtejIifi'
^ZeHm Grieihentßnis m^rägn äUe (hitkritmt
** gehörnt und gtfchwänzt vorgeßeUt. ,,.
Nor keine Angi» gemacktf Süi flrlbft hAea
es nachgefchrieben. Was man als Jüngling doch
' annehmen kann: einen gehörnten ApoUon, eine
gefchwänzte Afrodite! - - '-
<^ Gab der Leb^r bei Jener Gelegenheit nicht
eine Vermfutviog^ einen verlorenen Wink » ykng
die zürückfcti^efide AfrodUe Kaäipifgos ^) hiti»
tei za fachen habe? Ich nkeine, fie muis ttrQ>rBfig*
*} In den Antiquarifchen Aafßzcn ( i S» 1^%^ htifn fie
beftändig Kallipygn: welche ganz* neue Benennung^
cbenfo nngriechtfch ift, als nurdmifc^ die' ▼om Herrif
Heyne Teoliichte» P^ßeritaum fn^ämt* Pieltiae
w«i:4 ,20111 Sj^ttXk ußtndtB, iK|^.im£rdU
Hth m( die üppigen Bewegdngen des antiken
Schwanzes» den die Zeit leider zerftörte, ihr
fehalkfaaftes Antlis gewandt haben: ähnlich dem
Pan , der bei Silius ( 13 , 340 )
fUffieit arrident biria UuUMa canda^
Ruckwäro ichaut', anUchcDd d«i Spiel des sonigen
Schig^'attEet.
Und das Philofophema? Befinnen Sie fich nur«
Afrodite ift ja, nach Heyne - Hermann (Handb«
I S. 258)« ''^^^ ^<^hr zufammengefezter, altjer
'^philorophifcberBegrif» bei dem man fleh bald die
^'fchaSende» bald die fich erneuernde und zeu«
•Agende Kraft der Natur, bald die Natur felbft
•* dachte* „ Nun denn? Der Schwanz der Natur«
gOttin, was kann er fein» als -^ Symbol d^r
seugetiden Kraft I
Noch geftostt Haren Sie weiter. Nitar«^
göttin un(l Naturgott ift Ja, nach einem anderen
Grundfaze unfers Zweinamigeo» vttlUg ein upd
der felbige Begrlf; weil die ogygifchen W.^d«
SJiilofppben den Gottheiten ein zs^^iüch^ ^Qe^
Ichlecbt gaben« Afrodite demnach hiefii in den
orfiicben • Myftefien euch Pbime^: der ja» wie
PFokias(«ii Tim» 3f« 137» il)«05^hii2dertt zu«
gleich W^ und Erzeuger war. Und von diefem
Mannweibe' I^hanes bat uns ein Geheimniikenner
Q
ti^t MYTHOI^GISCHER BR1SF£ 11. B.
eitle überaus nachdeokliche Eigenheit überliefert:
Er trug als SchwaoÄ am After ein -^ ich weiis
nicht was, das feine belebende KrafI an«
deutete. ♦)
Da haben wirs! EJ^jfx«, «vfw^l würde der
ehrliche Pfarrer Adams ausrufen.
Verlangen Sie auch Homer für die altpelas-
gifche Naturgöttin? Gleich. Unfere Orfiker
laflen uns nie in Verlegenheit. In den zufam-
mengeftellten Fragmenten {Gesn. VI) erfcheint
die felbige Naturgottheit unter dem Namen
Zeus 9 der ßetebenäff wieder als Mannweib :
Ztat vard Mann, von Geftalt, Zeas ward tmüerbllcb«
Kymfe.
Dies Mannweib aber» fonft Afrodite genannt,
trSgt zwei goldene Stierhörner, die myftifch die
beiden Thore des Himmels andeuten :
" Zwiefach ragen empor fticrförinigc goI<1ene Höraer«
* Morgen zugleich und Abend, die V^eg' uranllcher Götter«
^'N«Meii/ in ek^. hißhr. ap, Kaaiimz^ nf. «ir f* t^^r
. . 7o9 ^MVfira tt^^tfMi athiev sxovr» ort^m wiffi mm
:D^KUNUNOJBWAK;ZiaSTER BR, 9^^
Wo Sie noch nicht zufrieden find ; fo rufe ich
^le Bartgöttin Afroditos» die? auch gehörnte
Mondgottheit ^ Luna und Lunus, ift, und diot
«gyptifche Ifis zu Hälfe,
Was gilts? ebep fo leicht enträzele ich Ihnen
Apollons Hörner und Schtranz. Mir ift fo
luftig und leicht m dem Wehen des Wahrfager«
geiftes.
Nur eine Klefaiigkeit fezen wir mit Herrn
Heyne voraus ; und das übrige folgt von felbft.
Diefe nemüch: ApoUon ift^ ein altpelasgifchei
Sonnenfymbol, und jedes andere Götterbild,
welches Spätere auf die Sonne deuten, gehört
in diefer Gewalt und Bedeutung ^ur älteften
Religion Griechenlands. Wem fällt nun nicht
fogleich der gehörnte Sonnengott Diony fos ein ?
Wem nicht der kampanifche Hebon» ein Stier
init bärtigem Mannshaupt, Rindsohren mid
Hörnern, und einem ftattUchen Schweif ?
Den Hebon zwar giebt uns Mafcrobius ( Satm
1 , 18) nur für ein Bild der Anpflanzung, gleich-
finnig mit dem thebifchen Dionyfos. Da indeft
Dionyfos und ApoUon den Fabeldeiitern zwei
Natnen für Eine Gottheit find^ fo nennt getroft
Martorelli (deW ani. Cot. i p. 227), und getroft
Herr Heyne ^Ant. Juff. i Ä 20), den .Mami>.
ftler Groisgrlechenlands ein Symbol der Sonae^
Q2
144 MYTHOLOGISCHER URIEFE II. n.
Anch der libyfche Amtnon, der bei Makro-
bius CSat, if aO ebenfals die Sonoe, Dod
folglich den Apollon, bedenten mufs, ftebt mit
feinem Widdergehörn uns willig zn Gebot;
nicht weniger der geisbörnige Pan, welchen
der.Orfiker (Ä. 33., 25) Apollon nennt.
•' Sie ftaunen, mit welcher Salbung ich unter
den WeüTagern der Naturphilofopheme mit
jinftimme? Faft treibt mich der Geift^ alle
Götter und Göttioaen nach der Reihe in ihrem
{»ela^girchen Aufzuge vorzufiUirecu Aber Ne«
mefia winkt:
j^»0 cauAaf ttc cütnna neäitis? inptitf
Mvitt »ijr, pueri; fxtis •ß f^tmfff vütfru
XXX.
Woher 4och dem Herrn Heyne die unerhörte
Nachricht gekommen fei, und welchen Beweia
er führe? Das follte ich Sie fragen. In Ihren
Heften fleht nichts davon ^ auch anderswo
nicht.
3 :J)ie äUifiin GotthHtin waren alle gehörnt und
^eßjmänzt. Diefen trockenen Lebrfas ftellt er
mit mOnchhaufifcher Ehrbarkeit bin 9 und pbilo-^
fophirt nur darüber^ wie es wobl sogebn konnte»
OftBISSlÖSTER BRIEF. «45
dafs die alten P^las^er (ich ihre Gottheiten* ge-
fa^$rnt und gefchwänzt bildeten. Ihre und
Hermanns Hefte lauten beinah einftimmig;
etu^as fchUchterner Tagt er es felbft in den Anci4
guarlfchen AuffiSzen (2 S. 58):
''Die Menfchen des faöchften Alterthums
<' hüllten fleh in roheThierfelle, an denen dttf
** Hörner und die Schwänze blieben. - Aehnlicb
^verhüllt dachten, fie fleh ihre Götter, und
«•liefsen unvermerkt Hörner und Schwanz mit
**dem Leibe zufammenwachfen; vielleicht auch
«abfichtlich, um die zufammcngefezten Begriffe
**der Gottheiten zu bezeichnen. Selbft die
♦•Ziegenfüfse der Pane entftanden aus dem
** teufchenden Anblick umgeworfener Ziegenfelle.
** Mit der verfeinerten Tracht der Menfchen ver-
*'feinertefich auch der Götter Geftalt; und nur
"folche, womit man den Begrif des Alterthums
^^ verband 9 behielten* Hörner oder Schwänze^
"alsPan, die Satyre, Herkules. Oder vielmehr
^'(heifstes bei Hermann), einige Stämme, wie
**die Arkadier, blieben bei der alten TracTit,*
** folglich auch ihre Gottheiten bei den attpiodi-
•*fchen Hörnern, Schwänzen /und Zi^en-
•'füfsen. „
Das ift- alles. Man fcbämt Geh fürwabij
folcherlei Erfcbeinungen eines emfthaften Blfck<^
Q 3
^4^ MYTHOLOGiSCHBk BRIEVB IIB.
zn vi^ürdigen. Und felbft diefe Armreligkeitt
daß Kleider von Thierfellen thierifcbe Gefidt
veranlafsten, verdankt Herr Heyne dem Sehe»
Haften Horazens (2 Od. ipi 4>
Gatter, mit denen man den Begnf de^
Altertfaums verband » behielten ihr uraltes Gehörn
und den Schwanz ! Alfo vorzüglich die Titanen»
der Altvater Uranos mit den Seinigen » Kronos»
Helios» Themis, Eos? Kein» nicht die;
, fondern — wer denn? — Pan» <3ie Satyre^
Herkules !
Unmöglich ! Der Lehrer mufs fich verlprochen
haben, oder ihr Lehrlinge verhört oder ver-
fchrieben. Er follte im Ernfl: nicht wüTen , dafs
Herodot für die jüngften der hellenifchen Götter
anfah den Herakles 9 Dionyfos und Pan? nicht
wifTen, dafs den arkadifchen Feldgott Pan erft
Epimenides befang» erft Philippides den Athe-
nern bekannt machte ? Gleichwohl » was können
wirthun, w6nn Herr Heyne felbft (Ant. Auff.
a S. 70) mit dem Philo fophema vortrit: *'Pan
^< war überhaupt ein altes philofophifches Symbol,
<<bald für die Natur überhaupt» bald für die
**Zeugungskrafl:, und fö weiter:,» und wenn
er hierbei auf die Hymnen an Pan » die nur Un«
Jnitidige dem Homer und dem Orfeus zufchreiben,
^ auf alte DedcmSler ficb beruft !
; Avtch von SUimn und SäHfrn weiß nocb
Hotner nicht das - mindefte. Hefiodus zuerttf
etwa zweihundert Jahre ntch Homer, gedenkt
der Satyre in einem Fragmente bei Stra^bo (10
f?. 4,71), als peloponnefifcher Waldgötter; doch
ohne die Geftalt zu beftimmen. Ihre Mütter»
Tagt er, waren fünf Enkelinnen des argeiifcben
Königes Foroneus :
Welche dem Waldgebirge die göttlkheo Nytnftn er*
zeuget,
. Uiid leichtfertiger Satyre Volk von eitelen Thaten,
Auch koreufche Götter, geübt 10 fcberzendem Tanze.
Der berQhmtefte der Satyre; dnrcb Erziehung
de^ Dionyfos, war der alte SileBus* Ihn finden
wir bei Anakreon (37, il) im fetyrifchen Tanze
vougeftellt:
Ey» ytfaov fisy ttfttf
Zwar grau ii^ meine Scbeitd ;
Doch^ vtl^ Ich nlen Seilenot
^achahmeod Av<fr each. tanzen.
Q4
141 MYTBOLOrGISCBER BRIBFS II. B.
Von ihm wtirden . di^ ältere S^tyre SiUtnn ge-
nannt; oiancbmal auch alle, Sp fagt der Home*
ride in dem Hymnus an Afcodke von den Dr}^»«
den» V. 265:
Tlß^t ^t XtXlIVOt Tf» um $V9H0X9( ^yti^vrifff
Die der Silenen Gefcblecht« and der (jpehende Argos^
Würger,
' Oft befoche mic Verlangfn im fnocrfteu trftulicher
Crottetu .
Nach Pindar (/r. Schneid, p. 85 ) ^ar Silenn«
von Malea gebUrtig; denn ihm hei&t Dionyfoa
E^ff'^f N«i'^9C äixotTfCC S'Aifyoc.
Der begetfterte, der rtigcobüdeiide , den der Malca^
gebvhreiie
Etzog, der Nasi Gcnubit SUeoot» \
Aus einem anderen Gedichte giebt Suidas die^
Anrede Siiens an den Phrygier Olympos, denü
er auf dem indifchea Znge des Oionyfog be*
gegnete:
Armfcligcrt tböriclRer Tagesföhn,
Du kkvmtSt mir Hib' loiprctfciidi
\
DREISSIGSTeiK BRIBT. 949
Welche« t4mßtff Arii^ofanes Cnuh. aas) dem
ßokrates in den Mwnd legt, weil er» durch feine
fiäruiDpfnafe und Giaze» dem Silecus glich.
In der orfifchen Anrufung an den Satyr Sile-
hoß (ff. 53) wird er der vornehmfte der Silenen
genannt, der. jugendlich fchtrzend mit feinen
Silenen und Najfden und Bacchen , zur Dionyfos»
feier erfcheinen foll.
Zxrvf9t^ afiat jt««-«
, -.— .^ mft Jen Satyren allen.
Thtcrtfchcr Form«
Wie weit die ThJergeftalt reiche, wird nich^
gefagt. Das Fragment eines alten Schaufpiels bei
Plutarch (de cap, ex ko/l. utiL) fcheint einen
beträchtlichen Zufaz vom Bock zu verheifsen.'
Als der Satyr, fagt er, das Feuer, wie es zuerft
Ärfchien, kßffen und umarmen wollte, rief Pro-
metheus:
'O Bocic, d«n B«rt %t^iU becraaerft du Moni
El brennt den rührenden!
Die Anführung ohne Namen iKfst ein fehr bekann-
te» Gedicht vetmuten. Und welches wohl eher)
aSO MYTHOLOGISCHER BRIEFS II. B.
als den FenerbriageF Prometheus von Aefchylasf
Dennoch ergiebt fich aus der Benennung B^ck
nur weniges« Hefychius fagt» da& Böcke die
Satyre heifsen , weil fie Bocksohren haben.
Von gleicher Art ißt der dorifcbe Name T$t^$
für Satyre (JEit/f. //. ig p. 1214. Seh. Thiocr.
7, 72)» denn r/rc^^ac bedeutete einen Bock (^Sch.
Theoer. 3, 2), und zwar, wie Servius (^ecU i)
will, einen Leitbock. Theofraft (jchar. 6) nennt
fo eine Art zahmer Affen, die Plinius (g» 60)
und Solinus (27) unter dem Namen Satyre an«
ftihrfen. Dies hat einige verleitet, fchon Alte,
den Urfprung der Satyre bei den Affen zu ver-
muten.
Mehr auch beweifet es nicht, wenn bei Euri-
pides (Cyc/. 620) die Satyre 5»ffc, Thiere, ge-
nannt werden, und (pnesQ von den loniern, wie
Galenus beim Hippokrates Cepidem. 6) bezeugt,
hinzufügend , dafs davon den Aerzten ^itf$a oder
^tffff<« die harten Knorpel an den Ohren heiisen,
womit man Satyre mahlt und bildet Die Be-
merkung gehört dem fleifsigen Cafaubonus: danut
Sie durch Herrn Heyne iJnt. Aujf. a 5. 6x)
nicht geirrt werden.
Es entfprach alfo jene bockXhnUche Gefttlt
iem lucianücben Gemiihlde ide^. cohc.)^ wo
DREISSIGSTER BRIEF. ajt
fie fpizöhrig find 9 gtasig» und gehörnt, wie mit
keimenden Hörnern neugebohrener Böcklein;
Die Bildner verlängerten diefe Gefchwalfte oft zu
wirklichen kleinen Hörnern. Auch die Schwan«
ze, dieLucian bemerkt, mögen fie fchon damaU
gehabt haben. Diodor (agt (3» 72), dafs Sileous
fie allen Nachkommen anerbte.' FürRofsfehweife»
wie alte BildniiTe fie zeigen, werden fie von
Paofanias (i f. 41) und Phüofirat (Je. i, 22)
erklärt; obgleich Fulgentius (399) dem Satyr
Marfvas einen Saufchwanz, als Symbol der
FUhllofigkeit für den Reiz der Mufen, verleiht.
Auch von ihren tbierifchen Geburtstheilen ent-
lehnten fchon alte Aerzte die Beneannng Sat^
riastnus f ttr eine gewi/Te Krankheit.
Weil die Silenen ältere Satyre mit Barten
find; fo haben natürlich, wie dieSileoen, auch
' die Satyre MenfchenfOfse, bis beider Geftalt von
den Künftlern erniedrigt worden. So fchlofs
Gefsner (^di Sileno & Siknis p. 23) bei Lucians
Befchreibung, wo keiner GeifsfUfse, die Spätere
einführten, gedacht wird; und Winkelmann
nennt die menfchenftifsigen ( lUon. ined. 7\ 60)
ganz recht Satyre, wohlwifiend, wie zu erwar-
ten ift, dafs der Übliche Name Faun römifch,
nicht griechifch fei. Beides trägt Herr Heyne
<S. 61» 74) als neue Bemerkungen vor.
95^ MYTHOI.OGISCHER BRIEFJE II. B.
Der gewöhnliche Gang der Kunftbildung,
wie wir ihn kennen » ift allmähliche Entedelong
der Menfchengeftalt zur thierifcben. Herr Heyne
(S. 54) erwartete das Gegentheil, und wan«
äderte fich 9 die menfcMicheren Satyre, die man
Fauneit nenne, als die ältere Vorftellung , fchon
, an dem lyfikrjitifchen Denkmale zu Athen
(Stuart. Antiqu. of Ath. 4), wahrzunehmen«
Ein Satyr bei Kalliftratus Ci)» d^«* Dionylbg
tanzend) erhob rllckwärts die Ferfe des rechten
Fufses» natürlich des menfchlichen , und war
übrigens rauh von Geftalt, als Bergdämon» und
mit Efeu gekränzt; neben ihm iland Pan, die
Echo umarmend. So fand in Gemählden Philo-r
ftrat ( icon. i , aa ) die Satyre rauh und blutreichg
grofsöhrig, hohl an den Hüften, üppig, und
mit Rofsfchweifen ; von Geifsfüfsen redet er fo
wenig» als Lucian. ^ .
Spätere Künftler^ die dem Sonderbaren die
Schönheit aufopferten, erfanden ein Mittelding
vom Satyr und Pan ; indem fie den Satyrn die
vorragenden Knollen am Haupte zu ^igentlicfaeQ
Hörnern von beliebiger Gröfse, und die Füfse zi|
Geifsbeinen umfcbufen. Pollux (4, 19, 4) be^
merkt im fatyrifchen Drama einen Papppülenus»
deflen Geftalt thierifcher war. Vielleicht nur
haariger. Aber Heraklit {incred. 25) deutet
DREISSIGSTER BRIEF. 253
Paoe und Satyre mit Bockshaar und Füßen vom
Bock. Bekannt find die bockf U&igen &tyre bei
Lukrez und Horaz«
Gleiche Erfind famkeit brachte ftumpfnafige
Satyrinnen mit fpizen Ohren und Hörnchen
hervor; und krummnafige Paninnen mit langen
Geifshörnern , die, ein Panchen im Arm, aaf
Geifsfiifsen trippelten (D. Montf. t. 30. 31).
Die Dichter wandten fich mit Abfcheu«
Da der Römer feinen Faunus für den lycäi-
fchen Pan anfah, fo dürfen wir unter Faunen
^oht nichts iTnders als Pane verßehn; und ein
verdriefsl icher Misgrif wars, wenn die Gelehrten
jeneti Namen den menfchlicberen Satyrn zueigne«
ten« Dennoch wünfcht eine folche Beseiebnung
Herr Heyne (S. 75) aligemein angenommen.
Hätte man durchaus einen unterfcheidendea
K>'imen verlangt, und nicht blindlings den erften
herausgefühlt; fo waren fghicklicher noch die
neurömifchen Silvane. Zwar macht Plntarch
CparalL^ auch den SUvanus zum Aegipan; und
Kalpurn (2, d8) bezeichnet ihn durch Pfeife und
fichtenkranz. Aber bei Ovid (Met i, 193) er?
icheinen ia Gefellfchaft, als verfchiedene Wefen,'
FflMntqni, Saprique , JST »onticoU . SävmU
Faunen and Satyre auch, und das Ber^gefl^hleclit ier
Silxaue.
954 MYTHOLOGISCHERBRIEFE II. B.
Plinius (i2» 2) giebt den Wäldern zu Gotthei-
ten Sitvan€ und Faunen 9 das ift« Satyre und
Pane. Und will man noch zweifeln , Lukaa
(3, 402) nennt Pane «nd Silvane mit einander.
Ob der griechifche Name Satyr, oder der römifcbe
Sllvan, für die menfchlichere Gattung fein follte;
das hätte fich mit dem Würfel fchon ausmachen
laflen.
XXXI.
Wie aber Herr Heyne (S. 58> Tagen könne:
der Urfprung der Idee von Silenen und Satyrea
verliere fich in den früheren Zeiten? Natürlich»
.weil er Beweis vor fich (ah.
Schon die Verbindung der thierifchen Geftalt,
meint er, fei das einfachfte Hülfsmittel.der alten
Menfchen gewefen, eine zufammengefezte Idee
auszudrücken, wie man an den Centauren,
Tritonen, Nereiden, Giganten abnehmen könne.
Folglich müfsten die Satyre fchon deswegen aus
dem Alterthum ftammen. •* Genug,,, fagt er»
<' etwas Symbolifches lag bei der Idee im erften
<« Gebrauche zum Grunde. „ Dies fcheint zwar
mit der zuerft angegebenen Entftehung der Satyr-
geftalt aus Thierhüllen nicht recht verträglich;
aber wir haben ja die Wahl, dies oder jenes» oder
JBINUNDBREISSIGSTER BR. ^$$
beides ZQgleiefa» anzunehmen. . Nur dafs wir
nichts von der Satyridee , hierauf dringt Herr
Heyne fehr cmftlich, weder dem Teufel zu-
fcfareiben» noch den grofsea Aifen , noch den
gefcbwSnzten Alenfcben !
Jezt folgen auch hl&orifche Belege des
Alterthums. Erftlich weil in der fehr friihea
Fabel der Argiven von der Amymone» des
Danaas Tachter, ein Satyr vorkommt ( ^poBotU
d» if 4)f der ihr AntrSge that; und, fügt er
im Kommentar zum Apoliodor (p. 048) hinzu,
weit fchon der hondertäugige Argos {ApoUod.
a, I9 2) einen arkadifchen Satyr tödtete. Wie
frtihe denn worden diefe Volksmärchen erdichtet?
Wenn alles, was Spätere ins Alterthum fezen,
gleich dem Alterthum angehört ; fo fteigt auch
der fifchfchwänzige Triton und Glaukus, undl
jede andere Upabildung, zum Alter des Argo-
nautenzugs.
HiernSchft weil fchon Hefiodus Satyre mitten
unter Nymfen und Kureten anführt. *) Das
wHre zweihundert Jahr nach Homer.
^) ««Aach CafttMhüHyjf fagt hierbei Herr Heyne, ««fährt
««diefei Fragment an, fo wie «ndere $teUeti. Aber
««das, was im Geiße def Alttrtbnmi aus den Stellen
««fich fchliefsea und folgera lafst, erwarte jnan bei
95^ MYTHOLOaiSCRfiABIlieFS n.B.
Endlich weil die Siienen bereits in einem
bomerifchen Hymnus ( ^(f «• 363} erwXfant/
werden ; die Idee mtliTe alfo fehr alt fein» ol^leich
im Homer Ubrif^ens nichts davon vorkomme.
Wie alt fchäzc wohl Herr Heyne diefen homer
rifchen Hymnus?
Von Homer wenigftens ift er nicht. Der
kennt weder mah anders, als mit langem m
CClarke ad IL 2« 43)9 da es hier v. 29 und
a02 verkürzt wird; noch mtivo» v. 13, welcbea
Üi der verwandten Form r«riy« bei Anakreon
iA^hm. 12, 9f9. 533) und bei Euripides iHtL
X337) ein PrachtwagiHf nach Heiychios. und
Favorinus ein Laflwagen ift; eben fo wenig
4rffftf|9fff«9 geehrt f v. 32; noch |lM5«Afi«9«» Umg^
Übend f v. 190; noch» wie ich jezo hinzuffigea
•• diefem gelehrten Mann und M andern ftints gf eichen
** nicht. «, Oiefe anderen» worauf der Alterthninskeii*
ner herabblickt, find Seimafius^ Ifaak Voffius, Sfanhehm^
PerizoTÜMf, und fein Vorgänger Geßner, defTen Ab«
handlangen aber die Siienen damals von der Göttingi*
fchen Societät noch als Haudichrift bewahrt wurden«
Gegen Lebende thut Herr Heyne fo artig, fo Hbefait
Aber lafs einen, der ihm remorfimtf (Men (^H9ri
ß^d. 6^J om die Augen fchliefsen; er wird ihm Qtdif
befler mitfpielen , als Winkelmannen und Leflingeo.
Cavef eavef Nomine in maks rffenmns
BIN0NDDREISSIGSTKR BR. 257
darf 9 die Sitinen , und manches andere , was zu
. I^r&ftern nicht nöthig ift.
Die Gefchichte des Aeneas gewinnt einiges
Licht durch die Neuheit des Hymnus. Denn die
Weiffagung aus II. 20, 307: Aeneas werde mit
Söhnen und Enkeln unter den Troern herfchen:
wird hier v, 197 wiederholt. Es folgt alfo, dafs
man noch um Anakreons Zeitalter nichts von
einer Auswanderung des Aeneas fabelte , fondera
vielmehr jener von dem Schoh'aften aas Akufi-
laus berichteten Sage anhing: Afrodite habe
um ihrem Sohne die Herfchaft zuzuwenden,
den troifchen Krieg und die Ausrottung der
Priamidenr veranftaltet. Homers Worte auf eine^
Herfchaft in Italien zu deuten , verräth ünkunde
der homerifchen Welttafel.
Ich übergehe, was unfer Alterthumskenner
vfan der fpäteren Einmifchung der Satyre und
Panfe in die Fabel des Bacchus vorbringt, um feine
alten Philofopheme aufrecht zu halten. Wer
mag folchen Schutt aufwühlen ! Als rohe arkat
difche Berggötter mufsten fie allerdings da fein,
ehe fie zur thebifchen Fabel fich mifchen, und
mit jener nach Phrygien und nach Indien
wandern konnten. . Aber fchon in den orfifchen
Hymnen *f denen Herr Heyne die myftifchen
R
aS8 MYTHOLOdlSCHfiR. B&IEPE II. B.
Träume nachträutnty gehören Pan und die Satyre
zum Gefolge des Diouyfos; Pan auch in dem
homeridifcben Hymnus.
XXXIL
lAecBtib, mein Guter! tragen Sie dem Herrn
Heyne nur WafFen zu, um feine uralten
Schwänze und Hörner.zu behaupten* Herunter
foUen fie doch , wie komifcli auch die fymboli*
fchen Fantome fich dabei anftelleiu
Pan 9 die Satyre und Herkules , die Herr
Heyne als Refte urweltlicher Symbole mit
Schwänzen und Hörnern aufführet , wollen Ihnen
fo ganz jung nicht fcheinen ; weil fie bereits in
den älteften Gigantomachien und Dionyfiaden fich
ausnehmen.
Die Sache ifl: wohl unleugbar. Silenus felbft
rühmt fich bei Euripides ( Cyct. 5 ), er. habe^ im
Gigantenkampf y zur Seite des Dionyfos fechtend,
den Enkelados erlegt. Eratofthenes (^catafl. ii >
erzählt, wie Dionyfos, Hefäftos und die Sat3rre
auf Efelein zum Gigantenkampf ritten ; und (23)
2HJS Epimenides, wie Pan vom kretifchen Ida
mit Zeus gegen die Titanen auszog, und ihnen
durch eine geblafene Meerfchnecke ein panifches
ZWJSIUNDDRBlSSiaSTER BR. 159
Schrefcken einjagte. Auch gegen den Tyfos
half Pan dem Zeus (^Apoüod. i, 6, 3), und
fifchte das Schenral aus der Meertiefe ( Opp.
•H^i* 3f ^5- «^^Ä* Soph. Aj. 707). Und dafs
Pan mit den Satyren den Dionyfos auf dem indi-
fchen Zuge begleitet habe y ruft eine Wolke von
Zeugen; unter diefen der Plünderer alter Dio-
nyüaden, Nonnus^
Aber erlauben Sie mir 9 Ihre Slteften Giganto-
machien, famt den indifchen Kriegszügen des
Herakles und Dionyfos, in das Zeltalter herabzu-
fezen, da fchon die Gerüchte von glücklichen
Hyperboreern im Weftlande, und von Indiern
jenfeits der Meder am öftlichen Ocean 9 fich ver-
iUrkt hatten : einige Zeit nach Heiiodus.
Homers Giganten ^ wie Paufiinias (g p. 503)
richtig bemerkt, waren blofs fterbliche, den
Faaken in Thrinakia benachbarte, glückfelige
Riefen , die Zeus ihrer MüTethat wegen vertilgte
(Orfyj^. 7, 59.ao6; lö, 120 > Wahrfcheinlich
ieztQ die beiläufig berührte Fabel fie um den
Aetna, von^deffen früheren Ausbrüchen die
Meerfahrer, handelnde fowohl als raubende»
fchon vor Homer, wenn gleich diefer ihn zu
nennen ulcht wufste, oder nicht achtete, ein
Gerücht für die ausbUdende Fabel darbieten
Ra
^6o MYTHOLOGISCHER BRIBFß 11. B.
konnten, Hefiodus meldet ( TTSi^og. i85)» da&
aus dem Blute des entmannten Üranos die grofsen
krifegrifchcn Giganten erwachfen fein: welchen
Urfprang Akufilaus.und Alcäus (^Sek. ApotL
4» 992) auch den benachbarten Fäaken andich-
teten. Aber von einem Kampfe der Giganten
gegen die Götter weifs Hefiodus noch nichts.
Bald nachher verwech feite man Giganten mit
Titanen , und 'betrachtete fie als Urväter der jezi-
gen Hyperboreer (^Pheren. ap. Sek. Find. OL
3 9 25. Caüittt. in DeL 1 7a ) : in deren noch un^
förmlich zuiammengedrängtem Hefperien auch
fie, wie die alten Titanen und der Erdenfohn
Tyfos, gegen die<iötter gekämpft haben follten.
Denn das Schlachtfeld ift bald an den Quellen des
Oceanus (^Callim. in Pall. 5)» die im Wellen
£uropa's waren; bald in Tarteffus (^Sck. IL 8»
I 479. ^if/fifi.449 4); oder in Flegra, der nach-
mals bekannteren Gegend um Kumä ( Strab, 5
p. 243), die jezo noch (£iir. lou. 989), mit
Pyrene vermifcht, unfern der ^Gorgoneninfel des
Oceanus zu liegen fehlen. Andere QApoUod.
I, 6, i) verfeztea das Schlachtfeld Flegra,
welches auf Bergbrand deutete , nach Pallene in
Macedonien QEudox. ap. Stepk. Sek, Apoll. 3,
234)9 wahrfcheinlich durch alte S«gen von
Feuerausbrikhen veranlafst.
ZWBIUNDDREISSIGSTBR BR« 26 1
Wir haben gefehn, dars den Giganten der
neueren Fabel« als Erdgebohrenen, Schlangen-:^
fUfse, Von einigen auch, damit fie den luftwan-
delnden Göttern gewachfen wären , hebende
Fittjge, verHehn wurden«
An diefem Gigantenkampf aUb, der auch
irrig Titanenkampf hiefs, nahmen die Heroen
Herakles und Dionyfos, und der jüngfl: erkannte
Pan mit den Satyren, vorzfigllchen Antbeil;
Plonyfos indefs QPauf. 8 p« 515 ) nicht vor Ono«
makritus.
Herr Heyne in ieiner Abhandlung Über die
homerifche Fabel (Coffifif. Gott. 1777 f. 49) laut
fchon in vorhomerifchen Kosmogonien die Gigan*
ten mit Göttern kämpfen , und tbefTalifche Berge
aufthürmen. Ohne Beweis, wie fich von felbft
verftebt. Und wenn Apollodor (1 , 6» x) dag
flegräifche Gefilde in den meiften Giganto-
machien als eine Weftgegend, in einigen zum
nachmaligen Pallene^es macedöniichen Dreizacks
• umgedeutet, erkennt; fo belehrt ihn Herr Heyne:
ßefidero hie doSrinam ApoUoioH^ ut &fufpker
interpolatum ijfe tocum. PhUgra & PaUeni
eadem efl regio. Es ift erlaubt, in Entwirrung
dunkeler Alterthümer einen Fehler zu begehn;
aber fo grob mufi man nicht zufahren.
R3
262 laYTHOLOGlSCHER BRIEFE 11. B.
Da während der Erhellung des Weftens zu-
gleich vom Often, durch Landhandel und einzelne
Abentheurer , mehr Wahrheit zur überlieferten
Meinung fich gefeilte; fo mufsten in neueren Ge-
dichten die Weltdurchwanderer Dimyfoi und
Herakles auch bis zttm jQngft vernommenen
Indien den Zug nehmen« r
Dem Dumyfos folgten zum Sufserften Geftade
des rothen oder öftlichen Oceanmeers» wo er,
wie Herakles im Weften , Grenzfeulen errichtete,
die neu erworbenen Begleiter der Weinfefte und
bacchifchen GeheimniiTe: Satyre und Silene, und
Pan und Priapusi and Kentauren. Sein heiliger
Berg Nifa ttickte mit erweiterter Erdkunde dem
zurUckweichendeil Oceanus nach, aus Arabien
nlicb Indien: grade fo, wie nachmals unter
Alexander der Käukafus aus dem ttufserften
kolcbifchen Berge am Oceanus der äuiserfte
Berg Indiens ward.
Herakles aber, anjezt ein Heerf Obrer n&d
Städteeroberer {Athen. \2 9 i)f zog in der
Tracht eines StrafsenrSubers, mit Keule, Löwen*
baut und Bogen umher, welche zuerft Steficho*
rus ihm andichtete; da ihm der früheren Dichter
Xanthus noch die völlige Heldenrliftung Homers
gab. Strabo (15 f. 688) und Eratofthenes
ZWEIUlfDDRElSSICSSTeR BR, 263
(catafl. la) nennen als Urheber der Waldmanns-
tracht den etwas älteren Plfander, der noch vor
TyrtSus Zeit eine Heraklee in zwei Gelangen
herausgab; und Alexanders Romanfchreiber ver« '
fieberten, dafs von den gleichgekleideten Kriegs*
genoiTen des Herakles noch . eine indifche
Völkerfcbaft am aornifchen Fels, mit ThierhSuten
und Kolben gerüftet , abdämme»
Wie verfiel doch Herr Heyne darauf, jener
gefchwänzteh Löwenhaut wegen dem Herakles
felbft einen Schwanz zu ertheilen? Oder verhör-
ten Sie fieh, und Herr Heyne wollte nur den
pifandrifchen Herakles als ein Beifpiel der alten
Fellkleidung anführen? Auch dann wählte er
unglückliche
Zugegeben indefs, dfe alten Pelasger, fo
philofophifch fie auch ihre Kosmogonien und
Theogonien und fymbolifchen Myfterien anord-
neten, gingen in rohen Tblerhäuten, und zwar
am liebften mit Schwanz und Gehörn. Zugege-
ben, die Arkadier behielten am l'ängften, für fich
und ihre Götter, die altvätrifche Munamerei,
-^mrin die Götter zufe^t für gefchwänzte und
gehörnte Halbthiere, einige fogar mit Geifsfursen,
angefehn wurden. Ich will nicht darauf di-ingen, '
dafs den Pan im homeridifchen Hymnus (v. 23)
R4
364 MYTHOLOGISCHER BRIEFS II. B.
ein gefpreilkeltes Laxfell , die Satyre gewöhn^»
lieh iPkUpflr. V. Afoü. 6, 27) ein Rehfell
fchmückt. ^
Warum aber , frage ich , begegnete dies nur
den Panen und Satyren? Warum nicht- vor allen
dem Vater des Pan, und» nachNonnus(i49 ,ii3)f
der Satyre, dem arkadifchen Hermes? Warum
thut Hermes in Lucians Göttergeipräcben fö
fremd y lieh von dem bockähnlichen Pan Vater
begrüfst zu hören? *^Du,,; antwortet er, "du
*'mein Sohn? der Hörner hat, und folch eine
^^Naiby tind den ftruppigen Bart, und zweige-
'^fpaltene Bockfüfse, und einen Schwanz über
«dem Steift?,,
Hätte Pan einer Heynifchen Lehrftunde bei-
gewohnt, wie natürlich war feine Rechtferti-
gung: Sieh doch her, lieber Vater! Die Hörner
und die Krummnafe und der Bart und- die Bock-
{\X&e und der nachwedelnde Schwanz find ja
nicht Ich, fondern mein ZiegenfelL Ich kleide
mich fo , weil es die ältefte einfachfte Mode ift,
und damit die Priefter Philofopheme anbringen
können« Mich wundert, dafs du, mein Vater,
als ein neumodifcher Stuzer einhergehn magih
mtEIUNDPREISSIGSTER BR. 26f
XXXIII.
Was hat IhneQ ^die gute Afrodite zu Leide ge-
than, dafs Sie ihr nodh immer mit den abfcheu-
iichen Hörnern und Schwänzen jenes Ava<pfoirro^
dröhn? Ich werde e$ Ihrem Mädchen klagen.
Um Ihnen die kleinen unruhigen Aber! und
Soüte nichtig abzunehmen» mufs ich wohl einen
hohen Trumf ausfpielen, diefen: Unter den alte»
ften Gottheiten der Achaier, wie Homer iie
befehreibt, finden wir gar keine halbthierifche
Menfchepgeftalt.
Auch nicht an den heroifchen . Kentaurm ?
Ich habe die vormalige Frage nicht überhört » die
meiner zufälligen Aeufserung halb fpöttelnd ent«
gegen trat. Aijch nicht an den Kentauren !
Homer gedenkt ihrer, als haariger Bergunge«^
beuer am Pelion, im ^^genfaz anderer Männer»
ohne jedoch die rauhe Geftalt näher zu bezeich-
nen. Aus alten Volksliedern meldet er (IL
X, 266)9 wie Neftor mit Thefeus den Lapithen
wider die Kentauren half:
Xet^Tifoi ficv tcaVf HUt tutgrisotQ ffMixovr0t
R5
St66 BIYTHOLOaiSCHER BRIEFE' II. B^
l'rauiit du waren die fidrkften der lebenden Erdcbc»
vohner,
Vetren felbft die ftärkften, und kämpfeten vider die
ftiirkften>
. ^ider die Bergkentaurem
Und 11.2, 743 von. dem Lapithenfürften Pei-
rithoos:
Jenes Tags, da er ftrafte die zottigen Uageheuer.
Und wieder Odyff. 21, 303:
Hieraus folgte der Streit dem Kent^urengerdilecht nnd
* den Männern.
Sonft wipd noch der heilkundige Cheiron als der
gerechtefte der KentJ^uren genannt.
Schon die Einzelheit der angenommenen
Klisbildang, und Homers Stülfchweigen darüber,
mufs Nachdenken erreg-^n. Dafe q^^e nur etwas
wildere Menfchengeftait anzeige, haben wir bei
den Satyren gefehn.
Eben fo wenig bemerkt man bei Hefiodus
von Rofsgeftalt. Die Befcbreibung von dem
Schilde des Herakles ift abßchtlich ausmalend.
Gleichwohl wird bei der Schlacht der Lapithen
und Kentauren nichts weiter gefegt, als dafs die
UREIUNDDREISSIGSTER BR. 367
grofsen Kentauren mit Tannen in den Händen
vorgeftellt waren. In* einem anderen Fragmente
(Seh. Find. Nm. 4> 95) «ennt er fie blofs
Kevravftfc flft^xy««, bergbiwohnetide Kentauren.
Nach demfelben (&*. Find. Ptfth. 4, 132 ) hatte
Cheiron zur Gattin eine Nais, nach anderen»
Alten eine Tochter des Perfes, oder des-Okeanos.
Wie? ein Mädchen mit einem Halbrofle ver-
mählt?
Aus einer alten Heraklee macht uns ApoUodor
(2» 5> 4) arkadifche Kentauren bekannt, von
welchen Folos ein Sohn des Silenos und einer
xnellfchen Nymfe war: dem Anfchein' nach,
ein rauher Bergroenfch, wie fein Vater. Folos
bewirtete den Herakles, der gegen den cryman-
thifchen Eber zog, mit gebratenem Fleifch; er
felbft afs rohes. Durch das geöfnete Weinfafs
welches Dionyfoff gefcheiikt hatte iSch. Theoer.
7, 149), wurden die anderen Kentauren in die
Höhle gelockt; fie kamen mit Felsftücken und
Tannen; und es erhub fich ein Kampf, worio
Herakles mit dem Bogen fie erlegte und vertrieb.
Die Bewafnung des Bogens, ©hne Keule, beweift
das Alter des Gedichts.
Roßleibige Kentauren finden wir crft im Zeit-
alter Pindars iPyth. 2, 85>, entftanden durch
Vermifchung des Kentauros, welchen dem Ixron
a6g MYTHOLOGISCHEIt BRIEFE II. B»
die Nefele oder Wolke gebabr^ mit magnefifchen
Stuten. An Pindar auch wendet fich Galenus
Ide uf. pari. 3» 1 )» als. an den Urheber der
Fabel 9 da er die Unmöglichkeit Tokher Doppel«
geftalt zeigt. Dem Pherecydes ( ScL jipoU.
a, 1235) ftammt der zwei förmige Cheiron von
Kronos, der die Filyre als Rofe überwältigte.
Und Cinäthus ( H. in Merc. 224 ) redet von den
unmenfchlichen Sparen der rauhhalfigen Ken-
tauren: denen Onomakritas iArg. 394) Rofs-
hufe giebt. Noch Theognis (v. 542) nennt fie
nur iüf*o4>«yHc, rohf reffende*
Gleichwohl wurden die Kentaurinnen mit
Rofsgliedem verfchont Bei Euripides ward
Cheirons Tochter Melanippe {Eratojl. ig) oder
Euippe ( Poü. 4 » 19 ) erft durch Verwandlung
ein Hofs.
Der Mahler Zeuxis, der neue und ungewöhn-
liche Vorftellungen liebte, mahlte unter anderen
Wagniflen diefer Art zuerft eine liegende Rofs-
kentaurm mit zwei Kindern, wovon eins an der
tnenfchlichen Bruft, das andere am Rofseuter
fog; indefs der Mann obenber lachend einen jun-
gen Löwen eriiob, um die Kindlein zum Scherz
|[>ange zu machet! (Lucian. Zeuxis^ Der Mann
war fürchterlich und wild, ftark von Haar,
gro&entheils rauh^ auch an ded menfchlichen
ORETUNDDRfilSSlGSTieR BR. 269
Gliedern^ liochfchulterig, und im Geficht , ob«
gleich lachend, thierifch und bergartig und un«
fanft. Das Weib war in beiden Naturen fchön,
bis auf die Ohren, welche fatyrhaft waren. Und
eins von den Kindern hatte in der zarten Geftall
fchon des Vaters Wildheit.
Jezt erlaubte man fich auch andere Umbildun«
gen. Aus älteren Gedichten entlehnte Nonnuf
(5» 614) cyprifche Kentauren mit* Hörnern,
welche Zeus unwillkUhrlich erzeugt hatte.
Es kann fein, dafs nach einer Volksfage,
welche den Kentauren , einer lapithifchen Völr
kerfchaft, die Erfindung des Reitens zueignete,
die Bildner, um eine Wundergeftalt mehr zu
Tiaben, diefe Ungeheuer zufammenfezten. Auch
unter den altitalifchen Aufoniern fabelte man
einen Mares, der vorn ein Menfch, hinten ein
Rofs war; und Aelian (var. hift.^^ 16) deutet^
er habe zuerft ein Pferd beftiegen und gezäumt.
Aber der gewöhnlichen Umbildung der Fabel
fcheint es gemäfser^' einen allmählichen Ueber«
gang anzunehmen.
Eratofthenes fagt {cataft. 28): *«Den Schü»
^'zen am Himmel nennen die meiden Kentaur:
♦'andere feugnen es, weil er nicht vierfüfsig er-
" fcheint, fondem aufrecht, und mit Bogenge^
270 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
^'fchofs, welches keiner der Kentauren führt.
^^Diefer, ein Mann, hat Rofsbeine, und einen
*< Schwanz» wie ^ie Satyre. Daher halten fie
«<ihn lieber für Krotos, den Sohn der Enfeme»
^^der Pflegerin der Mafen. ,, Die Bemerkung,
dafs keiner der alten Kentauren einen Bogen
. führe, »ift richtig, wenn wir den Cheiron aus-
nehmen, der von Apolion und Artemis üXenopk.
cyneg. I, i) die Jagd lernte«
Ferner, auf dem Kaften des Cypfelus fah Pau-
faniasCs p. 324) einen Kentaur, der die Hinter-
füfse vom RofTe, die vorderen vom Manne
hatte.
Beide Vorfiellungen findet man auch in
etrufkifchen Kunftwerken; wie bei Dempfter
(^Etrur, Reg. tab. ai) und Pafferi CParatip. in
ßnnffl. p- 54); und fo genannte Satyre mic
Pferdefüfien und Rofsfchweif ( Muf. Kirch, i
f» 47 )• Ich verdanke diefe Nachweifungen dem
Herrn Heyne. Aber, um in feinem Tone zu
reden , was im Geifte des Alterthums aus diefen
Abbildungen fich fchliefsen und folgern lä&t^
das erwarte man bei dem belefenen Manne
nicht.
Der Schluis, den der ähnliche Gang anderer
Mahierneuerungen uns aufdringt, ift diefer.
DRSXUND^DREISSiaSTER. BR. 2yt
Die Siteften Kentauren waren, wilde, mit Haar
überwachfene Befgmenrchen, Alioiählich er-
hielteri fie, wie «die verwandten Satyre, mehr
Annäherung zur Thiergeftalt, Rofsfüfee und
einen Schwelt Dann ward zur Menfchengeftalt
der Hiuterleib eines Rofses gefügt. Und endlich
verlor fich der Menfch^ am Gürtel in einen vier^
ifüisigen Rofsleib«
Scheint Ihnen die Sache noch drigewifs; fo
hören Sie das Zeugnis eines Mannes, der, beffer
als wir armen Schuttwühler,, die Abftufungen
der Kentaurengeftaltvon Homer herab, in unzer-
trümmerten Gedicbten und ßildniffen, verglrf.
chen konnte. Der Mann ift JCälliftrat. «Ani
"Eingange des Tempels, „ fagt er Cflat. 12),
'Tab ich einen Kentaur aufgefteUt, «««v5^,, x«r«
''nicht einem Manne, nach der komerifchen
''Forflettung, /andern einem ITaidthkre gtrich.
"Menfch war er bis zum Unterleibe hinab, wo
«er in ein vierfüfsiges Pferd fich verlor. Der
«Leib war wüd, und im Geficht etwa«
«thierifches.,,
Wegen ihrer Verwandfchaft mit den Satyrea
wurden die Kentauren auch den. dionyfifchen
Spielen emgemifcht. Didymus fagt (Ca/auk de
Sat. I, I p. ao); «Die Ch^re fangen im
ajra MYTHÖLoiiiscHER Briefe ii.p.
«Anfang einen Dlthyrätqbus auf den Dionyfos;
*< nachmals überfchritten die Dichter diefe Ge-
«•wohnheit, und fchilderten Ajaffe und Kentau-
*«ren, wodurch fie den Spott der Zufchauer fich
••zuzogen: Nichts zum dionyfos! , Deshalb
"liefsen fie die Satyre vorher auftreten, damit fie
**nicht fchienen des Gottes zu vergeffen. „ Auf
Denkmälern finden fich häufig Kentauren im
Zuge des Dipnyfps. .
XXXIV.
Wur her mit detf Eiilwendungen , wo noch
welche im Hinterhalt lauren ! Sie werdea doch
meinem Saze nichts anhaben.
Erft nach Homers Zeiten, theils durch pfäffi-
fche Sinnbilderei, einheimifche 4ind fremde,
theils durch, örtliche Volksmärchen, die Homer
liicht kannte pder verachtete, theils durch das
Spiel darftellender Künfte , erhüben fich allmäh-
lich in der gripchifchen Religion die vielförmigen
Dämonen der Luft, des Landes tind deä Meers.
Erft jezo erfchienen, mit dem Wuchfe der
fTögel, der Fifche und Delfjne, der Schlangen
und der edletfen vierfQfsigen Thiere gemifcht,
geflügelte Götter und Roffe, Sirenen und Har-
|)yen, Tritoneri, Glauke, Hippokampä, Scyllen
VIBkUNDDREISSIGSTER BR. 273
nnd Nereiden» famt den ungehalten Giganten»
dem myftifchen Fanes und Korybas ( Orpk. Hm
3g )y und dem epidaurifchen Afklepios. Erft
jezo gingen aus Arkadiens Bergwäldern die
Silenen und Satyre, und der Felskletterer Pan,
mit dem ähnlichen Bocksgotte der Aegyptef ver-
mifcht; aus theiTalifchen und arkadifcben die
rofsftampfenden Kentauren; aus Phfygien der
tnyftifcbe Sabazios mit Hörnern und Flügeln;
Alts der libyfchen Sandwtifte Zeus Ammon mit
Widderhörnern , die Alexander und defTen Nach«
kommenfchaft entlehnte. Erft jezo trug
keimende Kuhhörner, und endlich völlige
Kuhgeftalt, die jungfräuliche lo, mit der aegyp«
tifchen liis vermengt; Kuhhörnerauch die durch
Thau befruchtende Selene der Orfiker (Ä 8» Ä)f
der ^man zugleich Kühe vor den Luffcwagen zu
fpannen anfing«
Wie wollten Sie früher einen gehörnten
Z)iofia/oi erwarten ? Nach Diodor(4, 4) erhielt
Dionyfos die Hörner durch Verwechfelung mit
dem phrygifchen Sabazios, dem nächtlich ver-
ehrten Sinnbilde der Anpflanzung: diefer habe
^uerft mit gejochten Rindern die Saat beftellt;
daher fti gehörnt fein Antllz. In dem orfifchen
Hymnus (51, 2) wird er unter vielen anderen
Umdeutungen auch rxvgomeui , fiierhorniger » an«
S
\ ■
1274 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
gerufen. Den Myßikern alfo gehört wohl
c ßMKe^ua ixuxoQi der farretigehürnte ^acchos,
bei Sofokles {Strab. 15 p. 687); ohne dafs wir
eben von dem Namen Satyr, den ein Dichter
bei Cafaubonus ( SaL i, 2 p, 49 ) dem Sohne der
Semele beilegt , feine Stirnknollen und daraus
verlängerten Hörner ableiten dürfen.
Ein Ähnliches Symbol der Anpflanzung war
Beben 9 jener kampanifche Mannftier, der auch
auf ficilifchen Münzen nicht feiten ift. Der
fiierhauptige Minotaurosy ebenfals ein fpäteres
Fabelfantom, ward meines WUTens, obgleich
Herr Heyne es keck vermutet (^AnU Auff. i
S. 20), niemals verehrt; als Ungeheuer enthält
er nichts myftifches für den Enträzeler.
Dem befruchtenden Dionyfos gaben die Myfti*
ker unter andern das Beiwort «/oAo/tÄflf ^oc , vkU
geflaltig {Orph. H, j^g^ 5); anzudeuten, wie
es fchcint^ dafs vielfach des Wachsthums Säfte üch
umbilden. Gleich dem homerifchen Proteus und
anderen Waflergöttern, verwandelte fich je?t
Dionyfos in jede Geftalt. Als Löwen fand ihn
Horaz (2 Od. 19} in einem alten Gigantenkampf;
in anderen Gedichten, die Nonnus (40, 41)
ausfchrieb, wechfeite er als Unthier» als Feuer,
als Baum und WafTer. Und bei Euripides ( Bacch^
1015) fingt ihm der Chor:
VIERUNDDREISSIGSTER BR, ^75
^Og»9^ai ACMv!
Erfchein als Scier, erfchein vielhauptig anzofchaan
Ein Drach'» und, in ftralender Glut
pas Antliz, eiu Leu!
In gleicher Geftalt und Wandelbarkeit erfchie«
nen nunmehr auch viele der befruchtenden
Stromgdtter. Pindar befang ( Seh. IL 21 , 194),
wie Heraktes dem ftierförmigen Achejloos ein
Hörn abbrach ;' lind nach Sofokles warb Acheloos
um Deianeira ( Track. 11):
^«iroiy «vrKf7vc rav^oQf ctk^or* atoAoQ
Af»xu¥ sAtxTOQf ffAAor* avigSfU tvt^
KffUVOt iltg^MtVOVTO X^itVmH 9F0TH,
Bald handelnd ats Scheinbarer Stter» gefprenlcelt bald
Als Drache rollend, bald In Bildung eines Manns
Stlerhauptig ; und herab vom fchattenreichen Bart
Verfprudeltcn Urquellen riefelndes Geiränk.
.Wegen der Stierbildung nennt Euripides CfyJ^»
in Aul, 275 ) auch den Alfeos r«t/^oirwy > den
ßkrfUßigen. Häufiger wurden ihnen nur Stier-
bäupter oder Stierhörner g^mahlt i^ei, var. hiß»
A» 33)* Ob man hierdurch aufser Anbau un^
Befrachtung noch Nebenbegriffe von Kraft und
S 2
a7<5 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Gebrüll andeuten wollen, fei dabingeftellt. An*
deutung der Fruchtbarkeit beweift der Bacchus
in Geftalt eines liegenden Flufsgottes, welchen
Lefling in den Kollektaneen ( i S. 132 ) aus Ma-
nillis Befchreibung der Villa Borghefe anmerkt.
Die Statue hat einen Traubenkranz » und in der
Hand ein Füllhorn mit hervorgehenden Trauben j
dabei fteht ein fpielender Knabe.
Auch der Stammvater der Ströme, der krei-
fende Weltftrom Okeanos , heifst bei Euripides
iOreß. 13^8) '»'««'ffl^f«"»«» d^r flierhauptige.
Zur Abwecb feiung ward ihm (^IVink. Mon. ined.
f. 25) > wie der Amfitrite und den Tritonen,
manchmal ein Paar aufragender Krebsfcheeren an
die Scheitel gefügt.
Den Herfcher des inneren Meers Pofeidon
wollen Grävius und .Winkelmann, durch den
wunderlichen Tzetzes bei Hefiodus (Scut ff.
104) irre geführt, ebenfals mit einem Stierhaupt
oder mit Stierhörnern vorgeftelltwiffen j in ihrem
Gefolge wollen es die Herren Heyne und Hermann
(Handb. 2 S. 265). Welche Ehre indefs
Pofeidon inftändig verbitten mufs, weil er nicht
Anfprüche macht, ein Beförderer des Anbans zu
fein. Nur Weide fflr gröfseres Vieh giebt er
hie und da an niedrigen Meerufern; und nur des«
wegen nennt ihn Hefiodus rccuetav, den ßiernäk*
VIERUNDDREISSIOSTBR BR. 2^7
rinden : fo wie er von andereir iTrttm oder iwna-,
wcffsiiaiv, der Roßpfldger oder Roßtränker^ ohne
darum Mähoe und Huf zu bekommen , genannt
wurde.
Aber wozu weitläuftige Gründe gegen den
grundlofen Ausrpruch? Es ift nicht wahr, fei die
kurze Abfertigung, dafs die älteften Gottheiten
Griechenlands Hörner und SchwSnze hatten.
Wenn doch einer» den die weife Mutter
Natur zum folgfamen Nachfprecher ausriiftete,
nicht für fich felbfl: auf Entdeckung ausgefan,
nicht, wie der ätnäifche Rofskäfer des Ariftofa-
nes» ein Pegafus fein wollte! '
n«fffdo|« ruv ravTti ! rief Lucians Notus beinx
Anblick der entrinderten lo: m% tn r« xffAr«» »de
»f « , «AA* fT«f«f0f leofif. Wie fonderbar doch!
ruftunfer Mythenphiiofoph bei feiner Kallipyga:
nicht mehr Hörner und Schwanz, fondern ein
liebenswürdiges Mädchen!
XXXV.
^uverläffig, mein Freund. Auch zu Zwittim
macht Herr Heyne die fämtlichen Gottheiten der
griechifchen Vorwelt^ damit ihr doppeltes Ge^
fchlecht ihm die belebende Naturkraft andeute.
S3
178 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Was fage ich, er macht fie dazu? Nein, er wie-
derholt gläubig, was Gefsner bei der orfifchen
Argonautik (v. 14), und was fein Orakel Win-
kelmann im Eingange der Monumenü inediHf
ihm offenbarten.
Gefsner beweift das Doppelgefchlecht des
orfifchep Zeus (fr. 6, 11), der Selene ( i?. 8> 4)f
der Athene (Ä 31, 10), der m/e (//. 41 , 4%
des Eros (Arg. 14), und des gleichfinnigen
Protogonos C fl. 5 , 1 ) ; zu welchen im Regifter
noch Dionyfos QH. 29, 2), und Korybas {H.
38» 5)» fich gefeilen. Aus diefer Aufzählung
folgert er Allgemeinheit.
Kürzer erklärt fich Winkelmann: "Orfeus,
•'einer der Religionsftifter der Griechen, um
"allegorifch die Herablaffung Gottes zur Men-
^'fchennatur auszudrücken, dichtet dem Zeus ein
*^ zwiefaches Gefcblecht an, indem er fagt: '
«'Zeos ward ]VIann von Geßalt, Zeus, ward un^erbliche
Nymfe. - ,
«Und diefe Vorftellong hatten die Alten von tdUn
**GottheiUnf die fie deshalb «frm5vAfi(, Mann-
**weiber, nennen. ^,
FÜNFUNDDREISSIGSTER BR. 279
Diefen Saz, durch einige Wahrnehmungen
des Seldenus gefchmückt, trug Herr Heyne in
den Lehrftunden vor, wo Ihre und die Herman-
nifchen Hefte (^Handb. 2 S. 23. 462-464) ihn
alfo auffafsten: v
<< In den älteften BUchern ift die Vorftellung,
**dafs die. Götter beiderlei Gefchlecht haben;
"f. Gesu. ad Orph. Arg. v. 14. Dies war ein
**Saz der orllfchen Phiiofophie, um die Wirk-
**famkeit der Natur in der allgemeinen Zeugung
**zu bezeichnen; denn ohne beide Gefchlechter
**l?ifst fich keine Fertilität denken. Hieraus er-
" klären fich viele Gebräuche der Babylönier und
"anderer alten Völker, auch der Dienft der
"Naturgöttin Venus Aftarte. Dahin gehört auch,
<* dafs viele Gottheiten mit einem tüchtigen Phal-
**lus vorgefteltt wurden, der nachmals nur eini*
"gen blieb, vorzüglich dem Priapus, deffen
"Dienft fich in Lampfakus am längften erhal-
"tenhat. „
Sollte der Mann fich felbft wohl begreifen ?
Er verfpricht, aus den älteften Biichern das Dop-
pelgefchlecht der Götter zu befcheinigen. Unfere
Erwartung ift gefpannt, wo doch irgend im
Homer oder Hefiodus oder einem der nächftfol-
genden nur eine Vermutung von Zwittergöttern
zu finden fein könne. Aber fo ernfthaft meint
S4
agO MYTHOLOGISCHER BRIEFS II. B.
er es nicht. Aus der orfifchen Philofophie wird
der Beweis geführte das beifst, aus der Sinn-
bildnerei der fpäten Orfiker, die ihren mylüfcbeQ
Gottheiten jede neae VernunftwJihrheit aus den
Schulen der Weltweifen als urrprUngliche Be*
deutung anlogen. Aus den unzüchtigen Gebräu-
chen der Babylonier und anderer alten Völker;
befonders aus dem Dienfte der phönicifchen
Aftarte, die mit der gr;echifchen Liebesgöttin
einige Aehnlichkeit hatte. Und wenn das alles
nicht zureicht 9 aus dem unmäi^igen Zeichen der
Männlichkeit, womit der lampfacenifche Feld-
gott und andere feines gleichen im ipätereo
Alterthume gebildet wurden.
Hütte Herr Heyne doch jemand um fich, der
ihm das Ding mit der orfifchen Philofophie ein-*
mal recht aus einander fezte, damit er Ruhe be*
käme vor den Neckereien der fymbolifchen Ge*
fpenfter.
Die Orfiker und andere Geheimniskrämer
nahmen im Zeitalter der Weltweisbeit eine auf-
fallende Ofienherzigkeit an. Ein Glaubenslied
nach dem andern » bald in diefer^ bald in jener
Geftalt, trat unter dem ehrwürdigen Namen ihres
Altvaters ins Freie: um» was feit kurzem, vom
Lichte der Vernunft entdeckt, oder zum Wahr-
fcbeinlichen gebracht, den Gemeinfinn umlenkte.
FÜNFUNDDREISSIGSTER BR. 2^1
tiefes in myftifche Sinnbilder gehüllt dem uralten
Schaz^ des Heiiigthums zuzueignen. Nicht ein*
mal Widerfprliche mit lieh mieden in ihrem Eifer
die andächtigen Brüder» felbft Ober die damals
U'ichtige Frage von der Geftalt der Erde; die
*^inig^ mit der ionifchen Schule für flach, andere
mit den itaUrchen für rund ausgaben. Allen alles
zu fein, war ihr Wahlfpruch.
Ihrer prtefterlichen Weltklugheit fehlen es der
ernfthafteften Aufmerkfamkeit werth, wie jene
iiegreiche, aus allen Schulen, obgleich mit ver*
fchiedenen Beftimmungen, hervorbrechende Lehre
vom Einem Naturgott unfchädlich für ihren
Orden gemacht werden könnte. Den Strom ab-
zudiCmmen, «verzweifelten fie nach einigen mis-
lungenen Verfuchen ; ihn zu lenken und zu eige-
nem Gebrauch anzuwenden» ftrebteh fie jezt»
nicht ohne glücklichen Erfolg.
Unfere vielfachen Gottheiten, fangen fie,
anlockender durch halbe Enthüllung u^d fchmei-
cbelnder; unfere für den fchwachen Sinn der
Sterblichen gebildeten Gottheiten, fo viele wir
auch, theils mit dem Volke gemeinfchaftlich,
theils aus befonderen Ueberlieferungen für uns
in heiliger Abgefchfedenheic anbeten: was fin^
fie denn anders im Grunde, als kernhafte Sinn-
bilder von den mannigfaltigen Eigenfchaften des
S5
28^ MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B,
tinerforfcblichen Einen. Und alle cfie Götter-
zeugiingen, wovon eure Volksdichter und unfere
gevveiheten Brüder fingen v was ftellen fie dem
Nachdenkenden vor, als des Alleinigen allwir-
kende Schöpfungskraffc ?
E/C ^iOi SV tFOtvTfffffi' ri 9M itx* reevT* «yo^suul .
Ein Zeus , Ai'des Ein , Ein Helios , Ein Dionyfos !
Ein Gott valtet in Allem! V^as nenn' ich dir jenes
gefoudertS
Jener vielnamige, namlofe, unter fo manchen
finnbildlichen Verehrungen angelallte Natui^ott
oder Wcitgeift fchaft ja und zeugt aus fich felber.
Er ift, wie ihr ihn auch mit dem Volke benennen
wollt, in fymbolifcher Sprache zu reden, zu-
gleich Mann und Weib , «ff i yo5if avc
•
Gefsner könnte demnach wohl Recht haben,
alle myftjfchen Gottheiten der Orfiker, die uns
enthüllt worden find , als Mannweiber zu be-
trachten. Ich füge zu den aufgezählten noch
den Zwitter Phanes bei Proklus (i« Tim. 3),
und die Notkwendigkeit oder Adrafteia bei
Damafcius (dip f^mr. 13), welche a^ffsvoBttÄu^
hiefs, 7foc sv$et^tv r\iq tfxvtuv ytvviiTtttitc atrtxQf ftfH
ihre aüerzeugende Wirkung zu bezeichnen.
fUnfunddreissigsteir jäk. ^83
Aber was haben jene untergefchobenen Lebren
des Orfeus mit dem Alterthum gemein? Nichfc
einmal beweifen fie, dafs vorTbates bereits did
Orfiker nnd ähnliche Brüderfcbaften den Gott-
heiten ein zwiefaches Gefchlecht beigelegt;
wovon ja felbft in des bilderreichen Pberecydes
NachlafTe keine Spur zu vernehmen ift: viel weni«
ger 9 dafs Homers Zeitgenoflen , oder fogar vor-
homerifche Hellenen und Pelasger, die Götter
als Mannweiber, in GeheimnifTen oder öSent-
licher Verehrung, fich vo^geftellt.
Homers Götter, und aller folgenden Dichter,
wenn wir die Myftiker ausfchliefsen, find Eine«
Gefchlechts, entweder Mann oder Weib, durch
deren Vermifchung unter einander und mit Sterb-
lichen jüngere Götter und Heroeh erzeugt wor-
den. WiSen Sie eine Ausnahme?
XXXV L
\J nicht doch, Graufamer, nicht die holdlä-
chelnde Afrodite! Nur eben des fcheufeligen
Schwanzes entledigt, foUte fie gar zur fymboli-
fchen Zwitterfchaft fich bequemen?
Wo ein Ausweg? feufzen Sie; Homer nennt
fie nun einmal Kypris, Ih jCyprus aber, Herodot
384 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
( ( t 105 ) und Paaranias ( i p* 37 ) find Bürge,
ward die uranifche Afrodite verehrt , deren Dien&
von den Syrern oder» wie fie auch hiefsen,
AiTyrern ftammte, und durch Phönicier nach
Cythere/ durch Aegeus nach Athen, durch
andere anderswohin, überging. Und das Bild
der Venus in Cyprus befcbreibt Makrobius (5a#.
3, g): es fei' bärtig, ia weiblicher Kleidung,
mit einem Scepter und männlichen Wuchs; man
glaube, fie fei zugleich Mann und Weib; Arifto-
fanes nenne fie Afroditos; auch bei Lävinus
werde fie mit Ungewifsheit, ob Mann oder Weib,
angerufen; und Philochorus in der Gefchichte
Ton Attika melde, die felbige fei der Mond, dem
Männer in weiblicher Kleidung opfern, und
Weiber in männlicher, weil der felbige fowohl
Mann fcheine, als Weib. Dem Makrobiua flimmt
Servius(if^». 2^, 632) bei, mit der Abweichung,
der bärtigen Venus in Cyprus habe Leib und
Kleidung vom Weibe, einen Scepter, und —
das Abzeichen des Mannes. Imgleichen Hefy-
chius, der unter Acpfohro^ aus einer Schrift über
Amathus berichtet , in Cyprus werde die Göttin
als Mann mit einem Barte vorgeftellt. Auch
Suidas gedenkt der bärtigen Afrodite, die
männliche und weibliche Werkzeuge habe , weil
iie die Auffeberin aller Erzeugung fei ; von der
Hüfte hinauf fei fie Mann, unterwärts Weib.
SECHSUNDDREISSiaSTER BR. 2^$
Das fiebt ja betrübt aus; doch lafTen Sie nns
näher gehn. In Cyprus, verfirhern Spätere,
wovon, wenn Ariftofane^ der Grammatiker ift,
keiner über den vierten Ptolemfius hinanfreichtf
ward eine bärtige Zwitterafrodite verehrt, mit
einigen dogmatifchen Unbeftimmtheiten der Be-
deutung und der Geftalt. War dies jene Himmels-
göttin aus Syrien , mit welcher der Grieche dei
Uranoa Tochter Afrodite verglich ?
Verglich, fage ich : wie Pofeidon und Athene
mit libyfchen Gottheiten , Pan und Bacchus mit
ägyptifchen , Apollon und Artemis mit wefteuro-
pifchen, verglichen wurden« Die Abftammung
der cytherifchen Afrodite aus Cyprus oder
Phönicien, die Herodot fich gefallen liefs, war
dem älteren Hefiodus fo unbekannt, dafs er
(^Theog. 192) grade das Gegentheil fang: Afro-
dite, aus der verftümmelcen Mani^eit des Üranos
im Meerfchaum erwach fen, fei zuerft in Kythere
gelandet, und von dort nach Kypros gekommen.
Es wird fleh ausweifen, ob den älteften
Vorfteliuogen der Urania etwas Männliches
beiwohne.
In Theben fah Paufanias (9 p. 56Ö) drei alte
hölzerne Bildniffe der Afrodite neben einander,
iKe der Sage nach von des Kadmus Gemahlin
Harmonia aufgeftellt fem foUten: die himmVifche,
ag6 MYTHOI-OGISCHER BRIEFE II. B.
ugavmy welcher Paofaaias unvorfichtig den erba-
benen Sinn der umdeutenden Sokratiker beileget;
^ie gemmtf a-Äv^Hfio« ; «nd <ii« abwendende^
«;tot??^i«- Di« Abzeichen fcheinen ihm zum An-
führen allzu bekannt oder unerheblich. An dem
uralten Bildniffe der himmlifchen Afrodite in
Cythere fand er (3 p. 207) gleichwohl die Be-
wafnuag nierkwürdig, die auch in Sparta
(3 P- 190) Jhtn aufFieh Würde er des Barts und
der Männlichkeit nicht erwähnt haben? Möglich,
dafs auch in Cyprus die Urania mit einem Spiefse
bewafnet war, da Hefychius dort eine srx^to; *)
kannte. Auch auf Münzen der römifchen Kaifer
erfcheint die himmlifche Venus mit einem Spiefs
und anderer Wehr. Dagegen in den Gärten zu
Athen fah Paufanias (l p. 33) ^e blofs als ein
vierecktes Bild, wie ein Hermeszeichen, roh
Vorgeftellt, mit der Auffchrift: die himmlifche,
Afrodite , die aUefle der Maren. Wahrfcheinlich
War diefe. Fabel aus der Theogönie des Epimeni-
des, bei welchem i Seh. Soph. Oed. C 42) des
Kronos T<5chter genannt werden die goldene
Afrodite, die uofterblichen Mören, und die ge-
fchenkreichen Erinnyen.
t) Nicht Enchesa , wie Herr Heyne CAnu Anff i 51 138)
fie nennt. Die Endigung OQ mttfste ja ihm bei einer
Manngöttin angcuchm fein.
SECHSUNDDREISSIGSTER BR. 287
In Cyprus war die ältefte Vorftellung der
Liebesgöttin zu Pafos {Tac. Ann. 3, 62):
wohin fie bereits bei Homer aus des Gemahls
Banden entflieht* Das Bildnis war ein Tpizge-,
i:Undeter Kegel ^Tac. Hiß. a, 3), oder, wie
Maximus (38) ß«gt, eine weifse Pyramide. Eine
pergamenifche Münze (^Spanh. num. ant. g, 6)
zeigt den gefpizten Kegel mit einem Knopf oben»
zwifchen zwei Pyramiden , mit der Unterfchrift
nAoiA, Es .ward alfo noch fpät die pafifche
Afrodite durch ein altvätrifches Schnizwerk
({oavov) eigentlicher vorgeftellt, als in Menfchen-
geftalt (p?«T«c) gebildet. Für ilir eigenes Bild
^i^^ennt die pafifche Kythereia Celh&f in Piatons
Epigramm (^Antk. 4, 12 p. 323), des Pra.\iteles
knidifche Afrodite: die fo wenig männliches
hatte, als die Abbildung bei Anakreon (51),
wo fie doch Kypris und Pafia genannt wird.
Ob demnach jene bSrtige Mänpin, welche
Hefychlus aus einer Schrift über Amathus anführt»
wohl die amathufifche Afrodite fein könnte»
deren Tempel ( Tac^ Ann. 3 » 62 ) nach deni
paiifchen erbaut worden war? Ich fürchte, wir
werden auch hier abgewiefen. In Amathus, Tagt
Stefanus, ward Adonis Ofiris verehrt, ein ägypti-
fcher Gott, den die Cyprier und Phönicier ilch
zu eigen gemacht; Natürlich » follte man denken,
288 MYTHOLOGISCHERBRIEFE II. B.
auch die pKönicifche Afrodite Urania, die Gattin
de.3 Adonis, die der Orfiker {tvx* 41) zufani-
tnenftellt. Wer aber vermag diefe bei Theokrit
.und Bton fo innig wehklagende Geliebte des
fchönen JUnglinges, wer vermag iie mit einem
Bart nnd anderen Mänr)Iicbkeiten lieh aufzndrin*
gen? Ihr Bildnis auf Libanon , nur dies findet Ma«
krobius (^Sat i » 2( ) bemerkenswürdig ^erfchieh
traurend, mit verhülletem Haupt, das Geficht
mit der Linken ftüzend, und, wie man ficb ein«
bildete, weinend.
. Selbft an der fyrifchen Urania, die als Mond-
götcin am Hinomel herfchte, haftete auch fe'fpä-
terer Zeit nicht einmal ein Nebenbegrlf vom
Manne : welches doch unvermeidlich war bei
häufigeren Vorftellungen einer Zwittei^eftalt.
Oppian im Eingange feines Jagdgedichts (1,6)
nennt Severs Gemahlin eine affynfche Kythereia
und nie abnehmende Selene : fchwerlich wollend,
da& man ein bärtiges Mannweib verftehe. Und
Herodian (5, 6) meldet, Heliogabal habe ein
uraltes Bildnis der Urania aus Karthago genom-
men, welches Dido gebracht haben foUte. Die
Libyer nannten es Urania, die Phöriicier Aflro*
arche^ oder Sternkönigin ^ für die Mondgöttia
fie ausgebend, die fchon d^r Orfiker (Ä 8> 10)
«rf«fxv anruft« Schicklich fei alfo, fagte der als
SECHSUNOORBISSIGSTER BR. 289
Helios verehrte HcliogabaU die Vermählung des
Helios und der Selene. Wie? eine bärtige
Männin hätte er 2ur Braut fleh erkohren ?
KnrZt ich fehe kein Mittel, die cyprifche
Bartgöttin 9 deren Bekannt&baft wir den Gram«
matikerü fchuldig findf wed^r mrt der paii&hen
Afrodite , noch mit der amathufifchen , . noch
überhaupt mit der Urania, es fei der Phönicier
oder der Griechen j zu vereinigen«
Die hochtönenden Namen der fyrifcheti
Atargatis und Derceto , der pfaönicifchen Aftarte»
der babylonifchen Salambo , Mylitta und Benoth,
lafien wir ganz aus dem Spiele. Wir wüTen von
allen kaum mehr als nichts; und was wir mit
Seldenus, der die Bartgöttin ohne Umftände nach
Syrien hinüber nimt, noch kümmerlich z\a
wiffen uns überreden : wer ftehf uns dafür , ob
es urfprünglicb fei, oder ob auch der fyrifche
Pfaffe zu Umdeutungen genöthigt worden. Eine
Bedenklichkeit, die auch den Enträzelern ägyp«
tifcher Bilder nicht undienlich fein möchte*
Der Grieche wenigftens unterfchied die fyrifche
Göttin, deren Lucian gedenkt, von feiner urani«
fchen Afrodite. Beide fand Paufanias ( 8 p» 45 1 )
zu Aegira in verfchiedenen Tempeln und mit ab-
weichenden Gebräuchen verehrt; und bei Apu*
lejüs (^Mit. 8 P* ^^3} wird nacli der fyrübhen
T
290 MYTHOLOGISCHER BRIEFE II. B.
Göttin die Herfcherin Venus mit ihrem Adonli
befonders genannt.
Zur allegorifchen Ümdentung gehört ficher,
was oben Makrobius ans der Atthis: des Philo-
chorus, der unter Ptolemäus PhUopator und
Epifanes Priefter in Athen war, von der halb-
männlichen Afrodite.als Mondgottheit anführte.
Die Griech^n»und Aegypter, fagt Aelius Spartia*
nus im Leben des Karakallay nennen den Mond
zwar im weiblichen Gefchlecht Göttin, aber
inyjlifch nennen fie ihn Gott,
Was würde denn mm aus unferer cyprifchen
Bartgöttin Afroditos? Nichts anders, fo viel
ich abfehen kann, als einp fpätere Abbildung
der Myftiker, die mehr folcher fymbolifcher
Scheufule zutaxavaeöfezteii. Ein ähnliches Un-
wefen, wie bei dem Orfiker (fl. 8) die zwitter-
hafte gehörnte Selene, die fruchtbringende
Sternkönigin.
Aber es gelte xum Spafs, Afrodite als Gott*
6eit der Erzeugung fei fchon in Homers Zeitalter
myftifch mit zwiefachem Gefchlecht erfchienen ;
und grade dies, famt dem ehr^Vürdlgen Barte^
fcabe den Ares *) Und den lüfternen Hermes fa
m, • I I . 1. ■ r i r ■ ^l I .,. ^ i_S — V. <■ t
*») «*An didfcm Beifpfcl, „ fagtHerr Heyne (^Ant. Anff. t
• 51 t^^T ''lälstfich recht deutückjnach^i wie ciu«
SECHSUNDDREISSIGSTE& BR, 39I
entfiammt Waren es darum auch, die übrigen
Gottheiten , auch die von ganz anderer Bedeu«
tung, felbft Ares mit eingefchlofftn, und
Hermes, und der fchöne Apollon? Auch dies
fei dem Herrn Heyne gefchenkt ; nur fage er un«» ^
wodurch Hermafrodittis y des Hermes und der
Afrodite zweideutiges Kind {Diod. 4f 6), fich
auszeichnete. Er fage uns« warum die Götter
vor der Zwittergeftalt des phrygifchen Attes oder
Agdillis mit Entfezen zuriickfuhren , als, nach
der Erzählung der Galater bei Paufanias ( 7 p^^
430), ihn die Erde aus der verfchütteten Kraft
des fchlafenden Zeus gebahr. Diefe Mährchen
find neu ; ich weifs es. Dedo mehr aber4)ewei«
fcn fie, dafe die myftifche Lehre vom Doppel-,
gefchlecht der Götter nie aufserhalb dem hei«
«* urfprÜnglich gan« philofophirche Idee , fymbolirch
"ausgedrückt, ennlich ein glückliches Sajet fiir die
** Kund ^erd^ii k»nn. In den alten Kosmogonien Vard
«*der vorausgefezte Streit der Elemente« und ihre nach»
^ , ** herige Vereioigung zur Schöpfung oder Bildung der
"Welt auf vielfache Weife vorgeftellt. Dahin gehört
**die Eris, der Eros, und endlich Mari und Venus,
•»vereiniget urtd als Elftrn der Harhionie. „ Wjis giltj,
jene Vereinigung ift eine (innreiche Aikdeutung d«t
Zvittergefchlechts 1 Das Philöfophema von der Erzea*
gong 'uter llannonia ift' aat dim Leti«a Hoaletl gc*
Ichöpft (r4 Cr«/, p. 3dS^« ^ .
Ta
29^ MYTHOLOGISCHER BRIEFE XU B.
ligen Dunkel der Priefterfchaft fich fonderlich
ausbreitete.
Befremdend ift es , dafs in dem antiquarifchen
Auffaze des Herrn Heyne über die in der Kunft
tiblichen Vorftellungen der Venus, wo ein
Langes und Breites, auch (S. 134) **von der
**bald irfchaffendeHi bald der fich erneuernden
**und zeugenden Kraft in der Natur, bald der
*' Natur fetbfl, einer urfprüngUchen Idee in Pko-
** nieten f Syrien f Cypern /• «/.„ zofammen-
gerührt worden, gleichwohl der bärtigen Afro-
ditos mit keines Sylbe Erwähnung gefcbieht.
So liebreizend auch die holdTelige Männin ihm
entgegen wandelte; Herr Heyne fühlte fich
tmruhig, und — umrcbüch fie<
XXXV tl.
jSei jenem Doppelgefchlechte der alten Gottheit
ten , will uns gleichwohl Herr Heyne nicht Vor-
enthalten , dafs aü einigen die männliche Natur
fich wunderbar austiehme« Wie genau er datf
alles erwogen hat \
.; H\ixA\ die Fruciidiarkeit der Natur au62a-r
^MfUcken, „ lehrt er durchs HermaiHi (dS. d^)^
SIEBENUNODREIS^ICSTER BR. 393
''ergrif man das Zeichen der männlichen Fracht*
<< barkeit, und gab mehreren Gottheiten gro&e
**Priape, welches Symbol befonders in der orfi-
**fcben Religion goutift wurde, in welche es aus
**Aegypten her war aufgenommen worden. „
Ihre Hefte fügen hinzu: Nur dem Priapus,
deflen Dienft inLampfaknsfich am längften erhal-
ten, fei ein folches Symbol unverkümmert geblie-
ben; und man habe in Berlin fein Biid mit der
ünterfchrift : PriapuSf Erzeuger der Natur.
Als Gewährsmann für das hohe Alter des Priapus
wirdLucian {defaltat.) genannt; der allerdings
(p. 920) die bithynifche Sage anführt: Priapus,
ein kriegrifcher Dämon , der Titanen einer, wie
er vermute, oder der idäifchen Daktyler, habe
den jungen Ares znerft im W^flentanz, dann in
der Kriegskunft unterrichtet, wofür er von Ares
immer den Zehenten der Kriegsbeute empfange.
Auch Phurnutus ohne Zweifel , der ,grofse
•£ntr%zeler myflifcher Philofopheme, lag de\n
^Herrn Hejme im Gedächtnis, als welcher {de
nat. deor. 27) in finfterem Ernfte, was Lucian
lachend zu tbun fcheinen möchte, einen Pan und
Priaptis >den alten Dämonen beizählt , und des
'Priapus geheime Bedeutungen fo gründlich als
umßändlich herausklaubet. Den ägyptifchen
Urfpning aber, woher follte er ihn wifferi, als
T3
^94 MYTHOLOGISCJaEit BRIEFE IX.B«
ans dem lehrceichen Sjuidas, wo Priapos für dea
Horus der Aegypter erkläret wird ?
Es macht Vergnügen « fo etwas anzofehn«
Aus den dunftenden SunipflacheB der fpätefteo
Umdeutung fchöpft der Mahn feine Weisheit,
UDÄ predigt in eins weg, ein philofophifcher
Mytbolog mllfle vor allen Dingen die urfprüng-
lichfte frifchefte Auffprudelung der höcbften
Quelle bei Homer und den nächften Alten vor-
iichtig auffaflen; damit er ja nicht, wie die
traumvollen Gramhiatiker und neueren Gelehrten,
ganz heterogene ^rkVdrutigshyfoihefen hinzu-
mifche ! *)
Weder Homer, noch Hefiodus, noch irgend
ein alter Dichter bis zu den orfifcben Betriegem
hinab 9 weifs von dem garftigen Natorgott Pria-
pus, oder von einem ähnlichen Symbolträger.
♦) Ohw Uypotheff zeichne das Hermannifche Werk fick
aus , nathdem ÜT dabin faft nur Seher und TramH9r
** dies Fach behandelt : „ — verßcbert Herr Heyne iu d^r
€öttii)gircheH Kecenfion des zweiten Bandes (G* Anz»
1790 51 1515), die mir fo eben vorkömmt, Def
v/egeti räth er , beim Lefen der alten Dichter es immer
znm Vergleichen neben ßch Hegen zu haben. Was mag
in der Recdnfion des erlten Bandes noch alles ftefaal
Zwei lobende Vorreden, und hinterdrein noch zwei
lobende Recendonen. Und der Gelobte? Herr Heyne
fcM. ^
StfiBENUNODUEISSIGSTKR BR. äQf
Auch nennt nicht einmal ApoUodor dtefen nichi^
tigen Priapns der Waldphilofophie. Und die
Urftche? <<DieferGott» „ figtStrabo (131^.588)^
** ward von den Neueren aufgenommen; dena
*'Hefiodus kennt keinen Priapos; fondern et
^'gleicht den attifchen Gottheiten OrtlianeSt
**Koniflälos, Tychon, und anderen folchen, ^^
Ja Fulgentius {voc* ant. interpr. 11) bezeug<^
dafs er nur unter die Semonen oder Halbgötter
gerechnet worden: die man weder des Himmels
würdig achtete, ihres geringen Verdienftes
wegen, wie Priapus, Hippo, Vertumnus; noch
auch zu irdifchen herabfezen wollte, aus dank-
barer Erkenntlichkeit.
Priapus war urfpriinglich ein Feldgott ia
Lampfakus , einer myfifchen Stadt mit weinrei-
chem Gebiete (^Steph. AaiA^^axog) f die dem The-
«liftofcles vom perfifchen Könige zum Weine
gegeben ward, wie Magneiia zum Brot, und
Myus zum Gemüfe. ; Der Scholiaft des Apollo«
fiiQs (I9 933 }f und der Etymologiker (Aßagm)
erzählen mit den (eibigen Worten, Stefanus im
"Auszüge: Den Priapos habe Afrodite dem aus
Indien zurückkehrenden Dionyfos in der lampf«^
Jkenifchen Stadt Aparnis oder Abarnis gebohren,
durch Bezauberung aber der Here fo ungeftalt
und mit fo.unmäfsiger Scham ^ dafs üe ihü au£*-
T4
.♦
»9^ MYTHOLOGISCHER BRIEF£^ XI. B.
eünehmen verfcbmäbt {aitetfißMtsBxi), wovon der
Ort feinen Namen erbalten. Tbeokrits Scholiaft
CI9 2t) giebt ihm zur Mutter eine Nais, oder
Chione, und macht ihn zum Erbauer der Stadt
PriapuH. Nach Afranius (^Macr. 6, 5) ertheilte
ihm die Volksfage fogar einen langührigen Vater;
es fei nun Pan oder ein Satyr gemeint, oder,
.was leicht fein könnte , das beilige Thier des
Priapus, der EfeU
Jenes Mährchen weifet dem Prlapus das Zeit-
alter an, da fchon vom indifchen Zuge des Dio«
nyfos gefangen ward. Und es ift ganz in der
Ordnung, wenn die gleichzeitigen Sänger der
fpSteren Titanen- oder Gigantenfchlacht ihm
«ucb dort, wie feinem Vater Dionyfos, und dem
neuerkannten Pan und Süenus-mit ihrem Gefolge,
Antbeil am Siege gaben.
Ein Feldgott, fage ich, war Priapos; nicht
{)Iafs, wie man zu reden fich gewöhnt hat, Vor-
tteher der Gürten. «'Diefen Gott,,, meldet
Pänfanias (9 p. 588)9 ^'verehrt man auch ander-
<*wttrts, wo man Ziegen weidet und Schafe,
"auch wo man Bienenftöcke beforgt; aber die
^ Lampfakener achten ihn mehr als andere Götter,
•♦'des Dionyfos Sohn und der Afrodike ihn nen-
<' nend. „ Bei Theokrit C i » aO fteht fein Bild-
nis mit den Nynifen an einem fi^hattigen Quell
SI&BENUK&DRBISSIGSTKR BR. 397
von den Hirten aufgcfftellt. Virgil vertraut ihm
^ie Obhut der Bienen» Lb» 4 » 1 10:
Et cnßof furum atque avium , cum falee faligHßf
Hellefpontiaci firvet tutela friafu
Und zur ^ehr dtm Gevögel und Dieb» mit weidener
Sichel, ,
Steh' ihr Schttz Priapus«.der bellesponti(che Häter.
Weshalb ihm Kalpurnlus (a, 66) Fladen. und
Honig opfern läfst. Ovid fingt ^Tnfi. I,9»fl6):
Et U niricoUi LamffacCj tuta deo*
Pich» o Lampfakus, auch, iicher vom ländlichen Gatt»
Sogar als Auffeher des Uferfangs am Geftade
aufgeftellt, erhielt er von denFifchern geweihete
Gefchenke iAnth. 6, 3 f. 414. 415). Und
Mofchüs in dier Klage um Bion (3, 27) erkennt
Priape in der mehreren Zahl unter den Feld-
göttern: .
Kmt lUtvee 79VifX'^T* f^ (foy fifAfff»
Satyre euch wehklagen, and fchwarznmhüUte Priap'e»
Pane feufzen auch deinem Gcfang nach.
Man biUete den Priapos, wie uns Phurnutus
-bielehrt, mit grofsen Naturtbsilen, im Schoofse
'läes Kleides idlerki Frikbtep in der. Hand eine
Tg
3^8 BlVtHOLÖGlSICfiER BRIEFE 11. B.
^Hipi^6 zum Schnelteln und zur Abwehr haltend,
auch gewöhnlich ein Hörn der Amalthea. Theo-
krit iep» 3) giebt ihm einen gelbdoldigen Efeu-
kranz, den Schmuck des Dionyfos. Weil er,
gleich anderen Feldgöttern blutreich von Farbe
gedacht wurde, röthete man ihm das Geücbt
mit Mennich»
: Ich habe nichts dawider , dafs der ungebeni«
Naturtheil des Priapus feine ländliche Eefrnchtuog
für Heerden, Pflanzungen, Bienen und Fifche
andeute. Dazu diente' er bei mehreren alten
Gottheiten des Feldbaus, die der fpätere Myftiker
iri^Sionbilder der allfchaffenden Natur ummodelte:
bei Hermes, Dionyfos, Pan, den Satyreh.
**Des Hermes Bildniffen, ,, fagtHerodot (2, 51),
** gerichtete Naturtheile zu geben, haben die
** Hellenen nicht von den. Aegyptern gelernt,
*< fondern von den Pelasgern, da zuerft die Athe-
'<ner es annahmen, und von diefen die ande-
<'ren« • • % Hievon haben die Pelasger eine
<< heilige Sage erzählt, die in den GeheimnUTen
<<|o ^amothracien offenbart wird. „ Nach Phor-
nutus (16) wurden Jie älteren und bärtijgen
Hermen fo vqrgeftellt; nicht die Jüngeren und
•bartiofen. <In den heiligen Umgliogen des Die«
• nyfos und des aegyptifchen Ofiris ward ein g^-
; riohfieter. Phallos oder Itbypbailos, als Smnbttd
SIEBENUNDDRElSälGSTE«! BR. ^99
der Fruchtbarkeit, mit phallifchen Liedern umher-
getragen, und in Weinpflanzungen aufgehängt:
welche Sitte nicht nach unferen Begriffen zu be-
urtheilen ift. Auch der italifche Mutinus oder
IMutunuSy ein Gefpött der Kirchenväter, war 6i^
dem Alterthum'e nicht anftöfsiges Z^ichdn d^
Vermehrung, von welchem entweder, denn er
wird mit Sterkulius zufammen genannt, der
Landmann Oberhaupt Segen erflehete, oder di^
Braut nur und die Gattin.
Schon zu Hippokrates Zeit ward Priapus ia
Griechenland ,. obgleich mit geringerem Anfehea
als in Lampfakus, fo häufig verehrt, däfs di^
•Aerzte gewifle Dinge, ^ deren gemeine Benen«
nung die Schamhaftigkeit verlezte, mit Andeu-
tungen feiner Geftalt fowohl, als der üppige^
Satyre, bezeichneten. Den Urfachen der ausge-
breiteten Verehrung nachzufpüren, fehlt Sicher-
heit. Vielleicht entlehnte man von den blühen-
den Lampfakenern , zugleich mit forgfältigerer
gartenmäfsiger Landbeftellung, den obwaltenden
Feldgott. Vielleicht ward fein Name dem ähn-
lich gebildeten Hermes und anderen myflifchea
Gottheiten in den benachbarten GeheimnUTea
Samothraciens und des orfifchen Orakels in Thra-
' cien (^Eur. Hec. 1267) beigelegt, und durch
Priefter und Geweihete verktlndigt« Gewifs id^
300 MYTHOiLOai5CHE;R BRIEFE II. B,
dafs erft im Zeitalter der Weltweisheit der lamp»
fakenifclie Feldgott auch anderswo, nur mit
untergeordneter Macht » Fluren und Gärten za
. befchllzen fand, und von betriebfamen Umdeu-
teru zu den Sinnbildern der gro&en Natur gezählt
wurde.
Jezo, und nicht früher, befangen die Orfiker
(H. 5) den myllifchen Zwitter Protogonos, der,
als Eros, aus dem urfpriinglichen Ei gebohren,
mit goldenen fittigen fich umherfchwingt, und
die Namen, der fchwärmende Erikapäos, der
Erleuchter Phanes, der Her/eher Priepos, und
der anftralende Heliköpos , führt. lezo erklärte
man den Priapus ( Athen, i , 23) für den allbe-
fruchtenden Dionyfos , dem folcher Beiname, Ü
'wie Thriambos und Dithyrarobos, geworden fei;
oder, wie Euftathius (//. 7 f. 569) aus Arrians
Bithynien berichtet, für eine Allegorie der
Sonne, wegen der Zeugungskraft. Arrian fand
ihn rifiÄToc, nf/jf^fic und neniro; gefchrieben.
Beide Deutungen, auf Dionyfos und Helios, be-
zeugt Suidas, und erklärt ihn zugleich für den
"ägyptifchen Horus. Immer andere Namen für
;den Naturgott, und deiTen offenbarfte Wirkfam-
^keit durch die Sonne.
<<Sein Bildnis, y, fagt Suidaa und Kodinus
X4^ ^g* Confi. f. Z5), «'hat Menfchengeftak,
SiEBENUNDDRElSSIdSTBR BR. 3OI
«in der Rechten ein Scepter, weil darch ihn* die
"VefVe und das Meer erfchien, in der Lmken die
"gefpannte Scham f weil er die in der Erde ver-
"borgenen Samen hervorbringt; feine Flügel
'•bedeuten die Schnelligkeit der Bewegung , und
"die fcheibenförmigen Kreife auf der Mitte der
«Flügel den Umfang der Scheibe: denn fie halten
"ihn für den Sonnengott*,, Im Folgenden,
wo er die oben Erzählte Fabel feiner Geburt ins
Kurze fafst, aber ihn, wie Phurnotus, zum
Sohne des Zeus macht, meldet er noch, er habe
die Scham oben am After gehabt. Eine andere,
aufser der zuvor gedachten? Nein, vielmehr in
anderen myftifchen Vorftellungen, wo er völlig
als das geflügelte Mannweib Phanes bei Nonnus
erfchien. Denn bei fo vielfältiger Sinnbildnerei
mufste wohl auch die Geftalt fehr verfchiedei|
fein.
In der Wildifchen Gemmenfammlung (^.45)
fteht ein Jüngling mit einer Thurmkrone, wie
fie mehrere Gottheiten der Erde trugen, ein
zurückgeworfenes Gewand um die Schulter, in
der Linken ein gefchmücktes Fruchthorn, und
mit der Rechten die Natur haltend , aus welcher
er durch einen Ring feine belebende Kraft in die
Flamme eines mit Früchten umwundenen Altare«
gie(st. Die Unterfchrift Gsnius meint den
303 MYTHOLOGISCHER BRIEFE IIB.
myftirchen Priapas, als Gott der allgemeinea
Erzeugung«
Die Späteren hatten mehr folche gemifchte
Göttergeftalten, die aus myftifcher Umdeutung
iu Einem Weltgeifte entftanden. Spanheim in
den kritifchen Anmerkungen zu Julians Cäfarn
(p* 97) ^^"^ ^^^® Fortuna omnium gentium &
deorum , mit den Symbolen faft aller Gottheiten
gefchmllckt; auch eine Fortuna barbata; und
aus Lucian eine Here mit Abzeichen der Athene,
der Afrodite, derSelene, derEhea, der Artemis,
der Nemefis und der Mören. In der Anthologie
(4, 12 p. 337) befingt Philodemus einen geils«
hörnjgen Fan, der den Rumpf vom Heraklea
liatte, die Filfse mit Fittigen vom Hermes«
XXXVIIL
i\icht wahr? Eih treflicherForfcher der MyÖio-
logie» der aus Homers Gedichten die Slteftett
Vorftellungen von den Göttern, rein und unver*
mifcht mit fpäteren Träumen , ankündiget» und
äer immer die wildeften Misgeftalten und TrSume
der Späteren als uralte Phtlofopheme voranfchlei«^
chpn läfst! Ein Verdienft wfire es, den vorlauten
und herfchfüchtigen Entfcheider mit feinen Nach*
idHffern zu fcbwicbtigen j und ihn, wp m(>£UGh|
. ACHTUNDDREISSiaST£R Bit. 303
▼QU der 'gedroheten Entweibuog Homers ab«
zuhalten. • ^
Wie fahrlos Herr Heyne bei den wichtigften
Vorftellungen und Reh'gionsgebräachen des Alter-
thums 2utappt, davon habe ich neulich eine mir
felbft, fo viel ich ihm zutAute, dennoch auf-
fallende Erfahrung gemacht. Sie betrift die
Sitte des Knochenopfers.
Hefiodus gedenkt diefer Sitte in der Gefchichte
des Prometheus, Theog. 535:
Vieti yx$ hr sH^tvovTo ^sot SvtjTOt r* uvS^guvot
MijKuv^f TOT iffstra fieyav ßav Tfo^ovt ^vfxtfi
Aätffffafjis'joi «fu^jfxf» A<oc voov s^avot^iCMtv,
lifi fiiv yaf ffUfnaQ re x«i gynar» irtovt itififii
♦ Tjj J* avT* ovtee Aev<a ßooi J0A/9 «*/ ''^«%v!»
-' Benn %Is cinft (kh verglichen die Götter und fierblicbeti
Menfchen
tn Mekon', izt freundliches Muts zerleget* er theilend
Einen gewaltigen Stier, Kronions Sinn zu verleiten.
Hier dus zerfiückelte FleiYch and die fettumwachsnen
Geweide
Legt' itt der Haut er nieder» bedeckt init dem rlnder-
iien Magep; .. ;
304 MYTHOLOGISCHER BRIEFE It. B.
Dort iie weirseu Gebeine des Stierj» voll teafchender
Arglift,
Ordnet' er v^ohlgeiegt, mit fchimmerndem Fett fie
bedeckend«
Hierauf, fährt Hefiodus fort, hiefs Prooietheü«
den Zeus wählen. , Zeus, obwohl des Betrug«
kundig, langte abfichtUch nach dem Fett (äbvkov
u)^ii(^oi^)f worunter er zUrnend die Gebeine fand«
Und nun der Zufaz v. 556:
Seitdem pflegen den Göttern die Stamm' erdbuuender
Menfchen
Weifses Gebein zu verbrennen anf duftenden Op^er«
altären.
Der Dichter berührt die damals bekannte Fabel,
wie ^inft in Mekonef welches in der Folge Sikyon
hiefs (^Strab. 8 p* 38a), die Götter und die
Menfchen ßcli aus einander fezten , sn^m^ro : das
ift, die verfchiedenen SchuzSmter, Ehren nhd
Pflichten mit einander ausmachten«
Diefen erften natürlichen Sinn des «M^/yoyr««
welches gute Ausleger geirrt bat, erkannte aoch
der Scholiaft: Sy Mffx«v)f iHgtyovrOf mtc ^fot rvc
(vielleicht nvoec) uv^fUTtv^ kax^*^ ß^'^* ^^ itoAittv
(nicht iisra T9V ^uMiigv). In Mekone fezten fi$
ACHTUNDOEEISSiaSTKll Bit« ^0$
fick aus einander f welche, Gotikeiten die Men/ehen
famt den StMten :tnm AntheÜ empfangen foüien.
Zum BeWeire« dafii u^mn fondetn^ iheilen^ be«
detitei führt er lU 5« 50t an. Pindars Scholiaft
{ffem^pt 1^7) fagt, Stkyoti werde die heiJige
gekannt I weil Mekone dabei fei^ wö die Gätief
fick in die Ehren getkeili; et beruft iich auf diefe
Stelle de$ Heiiodus» und dafskdlimachas^Mekone
der Seligen Si2 nenne. Durch Villoifona Scho*
liaften bei Momera Ilian (151 ig) erfahren wirs
da(s die berühmte Theilung, in welcher Pofeidon
daa Meer» Aidea daa unterirdifche Dunkel» und
2eud den Himmel in Aether und Gewölk» odef -
die obere Heitre famt der unteren Dunftluft» 2um
Loofe empfing» nach der Fabel in Sikyon gefche«
lien fei« £ä fcheint die felbjge Fabel» deren
Pindar (OL 7, 100) nnd Pläto im Kritiag
iStepk 3.^. tög) gedenken: wie die Götter üch
mift durch das Loos in die Oerter der ganzen
Erde getheilt» und jeder feinett Bezirk mit Weiö«
beit geordnet und gefcbmückt habe*
Bei jener heülgett Auögteichung nun vertrat
Prometheua feine Menfchen aig Auwald » damit
nicht die Gtfttef für die übernommenen Scfau^«*
timter Ihnen za läftige Pflichten und Gebühren
«uflegten« Nach Zerftückung eine^ Stiera legte
lif awel Hmifent auf einer Seite ddi Fleifch. und
V
306 MYTHOLOatSCHfilt BRIBFE II, B.
die fettigen Eingeweide , ^) in der Haut M«
fammengefa(bt/und mit dem Magen überdeckt;
auf der anderen die Knochen , in das Nierenfett
öder Talg gewickelt. Zeus, der für die Götter
EU wählen hatte, wählte den Knochenhaufen*
Daher, Tugt der Dichter hinzu , befteht die Sitte,
den Göttern fleifcblofes Gebein zu opfern»
Für uns, dächte ich, wäre die Sache klar»
Lafien Sie uns je2t die Herren Hermann und
Heyne anhören»
In dem HermanuiTchen Handbnebe ( i & 51)
wu*d dem Heliodus folgender Sinn oder Unfinti
untergelegt. "Bei einem Streiti awifchen
"Göttern und Menfchen zu Mjfcent (für
"Mekone) opferte Prometheus einen Stier, und
"fchied däsFlelfch von den Knochenv Hierauf
"fchlofs er die Eingeweide > das Fleifch md das
**Ten — Wo fteht das?— in ei» Fiti befon-
"ders;,,*— In welches Feil? und wo bleibt def
Stiermagen?**) -*■ "«nd die Knochen gleich«
^} Dilf i|itti nicht iyfM^» üttovt itifAtji in 9ttova ta inderit
verfacht werde, erinnere ich an dis hömeridifched
Hytntaüs Qin Mite. lib) xf«« itton ^^fitf.
.^*).Mit dem $neniiageh iß iudi Htrr Heynfe Ih Vefl^geir«
* heit. «*An dvr einen Seite,,, fagt er (^Tbtoi, 53^
M. IV9lf.^^ ^•yeg» Proavci^eui dai Flciftfa und daf
ACHTUNDDRKISSIGST£& BR. 307
^<fals fehr kUnftlich in ein zweites Feüt »> -«
Woher das? nein in das Fett ! — "und liefs dem
"Jupiter die Wahl, welchen von beiden Stieret^
**er für fich haben wolle, „ — Nun- gar zwei
Stiere! — "Jupiter, de.r den Bietrug wohl ein&b,
"wählte doch abfichtlich den^n — Nemlicb den
von beiden Stieren ! — "fcroHii die Knochen
f Ziagen; und feitdem beftebt die Sitte, die
"Knochen der Opferthiere auf den Altären za
^* verbrennen. „
Schämen fich die Herren nicht em wenig,
die ein folches Buch auf die Lofung des Herrn
Heyne fo dringend empfohlen haben?
** Fett n — Nein , das fette Eingeweide l — « in das
•«Fell des Opferthiers gehüllt; an der andern Seite dit
«* Knochen, mit Fett umvickelrr Der Stiermagm ift
«<d»s eben genannte StierfelL Tarvf ßosta (ßostii)
•* </? ipfitni corium , f<vfi«. ,»
Schön! Der Magen ilt Haut, and das Fell ift Hauu
Ein Dichter darf M^ das Fell aoch Magen nennen 1
Das heifst interprttiren. Eine Kunft, die nach den
f ohen Naturverfuchen der Cafaübone , Lipfe , Gronove,
Gefsner, HHerfiEmeflit wie Herr Heyne (^Cornntf G^tt,
178 1 ^7K) fagt, zu verfeinern anfing, bis endlich
ein Heyne erfchien ! 'Auf welche Erfcheinnng Herr
Heyne felbft in einem Zufaz zur Vorrede vor. dem
dritten Bande feines Virgils (f* 2*) uns anfmerkfam
snacht^ mit eipem V^inke, wie wenig doch cigemlicH
Ernefti geletftet habe»
V 2
308 MYTHOLOGISCHER BR<I£FE II. B.
Uebef die Sitte felbft wird (S, 49), wo dlt
Fabel gleichwohl eine ficyonifche beifst^ die An*
tnerkang gemacht. ** Allein mit Recht fcheint
<<der Recenrent der Wolfifchen Ausgabe der
<<Theogonie Hefiods (^Bibt. d. atU Litt, und
^^Kunfl, I S. [66) diere Stelle zu den inter-
^^polirten zu rechnen, und zweifelt » ob je die
<< Sitte 9 die Knochen der Opferthiere m ver^
'' brennen I beftanden habe« 1,
Nicht jener Recenfent äufsert den Zweifel;
fondern ein Mann^ deiTen Zweifel Entfcheidudgea
find, -r- der Herr Hofrath Heyne in eigener
Perfon! Von feinen **reichhattigen' Bemerkungen ff
zur Wolfifchen Ausgabe der Theogonle Ve^fpricht
der entzückte Recenfent *'nur die wickHgßeHff
auszuheben«
Wir wollen die wichtige Bemerkung de§
Herrn Heyne deutfch geben. ' "Den 2ufa2S
" V. 556 und 557: Seitdem pflegen . . « Altären!
«begreife ich nicht. Denn dafs die Knochen def
^< Opfer jemals verbrannt worden, erinnere ich
''mich nicht gelefen zu haben« M^fd/ brenneo
''zum Opfer, und profiüaf in Omentum ge*
''wickelt, um^i & prößda adotentut invofutet
** Omenta. Daher halte Ich die Verfe für ver-
«dfichtig.^, .
ACHTUNDDREISSICSTER BR. 309
Daher! — Das begreife ich nicht; «davon
habe ich nichts gelefen; oder noch ftolzer» ich
erinnere mich nicht: daher! — So vor der
Fauft weg zerfezt und ftUmmelt man in den
Alten» was (ich von dem vornehmen Ich nicht
flugs ans blo(ser Erinnerung deuten läfst! Apollon,
der Fluchab Wender 9 behttte feinen Homer!
Hätte die zerftörende Zeit, die von den
Denkmalen faft aller KenntnUTe und Anordnun-
gen des Alterthums nur einzelne, fchwer zu
erkennende Trümmer nachlieis, diefe einzige Stelle
vom Knochenopfer verfchont; fo wäre doch
kaum eine andere Verfälfchung denkbar, als
dafs etwa eii^ fpäterer Grieche einen noch be»
kannt gebliebenen Gebrauch der Vorfahren zur
Fabel des Prometheus gefügt hätte. Der Ge-
brauch felbft wäre aufser Verdacht ; wenn auch
der Erzähler, nicht Hefiodus zu fein, aus anderen
Spuren vermutet oder erkannt würde.
XXXIX.
IVlit mäfsiger Belefenheit gelangt man zu der
demütigenden Erfahrung, dafs bei keinem Theile
der Alterthumskunde die Anmafsung, etwas un-
bekannteres fofort der Falfchheit zu zeihen^
Ubeler angebracht fei , als bei den räzelhaften
•U3
3fO MYTHOLOGISCHER BRIEFjfi 11. B.
Gebräuchen der Götterverföhnungen. Wen alfo
die geopferten Knochen befremdeten , der hätte
anftändig genug, nach dem alten Seufzer, wie
gar wenig wir Gelehrten eigentlich fo recht
wUTen, den alten Wunfeh zu einem vornehmen
Wink auffrifchen können : Da(s doch endlich ein-
mal jemand die dunkelen Ueberbleibfel von Opfer-r
gebrauchen, nach Völkern und Zeiten gefondert^
ins Licht ilellen möchte; da felbft ja die Griechen
fo manche Abänderungen des Alters und des
Orts darbieten.
Doch Ihm, der mit Winken^ diefer Art am
freigebigften ift, ahndete hier von Anlafs zum
Entwirren fo gar nichts» dafs» indem er den.
Belefenen machte, er in den drei Worten, die
nach Belefenheit ausfehn , Griecbifches und Rö»
mifches, Altes und Neues und Unwahres, zafam«
inen warf.
*^Mitffot brennen zum Opfer, und proßda,
<*in Omentum gewickelt. ,, — Was meinen die
Worte?
Miffoi find Schenkel: die aber bei Homernor
ausgefcimitten , niemals verbrannt werden* Nicht
fuffoi verbrannt? Nein, beftändig (itifMf oder zu«
iammengezogen fuffts: welche Worte wiederum
bei Homer nirgends £Ur Sckenhl Aehn. Jene
NEUNtmDDREISSlCISTEIt BR. 3II
ausgefchnittenen f^fot felbft erkiSrt der Scholiaft
U. 1 9 460*464 durch ftiigm, und (t^fam QVM. £r
foheint zu fagen, was aus den Schenkeln» nn^tt
genannt 9 gefchnitten worden , heifse mit dem
Verkleinerungsworte mv^««, und diefe (iitgt» fein
Knochen.
Auch bei Späteren kenne ich nur Eine Stelle
in Bions Klage um Adonis (i, 84)» wo vom
Schenket f der v. 7 und 16 m^o^ hiefs» das Wort
Uffft» gebraucht fcheinet. Aber auch Hort find
Ittf^i« die oberen fleifchigen Theile der Schenkel,
aus welchen die Opferbeine genommen wurden ;
die felbigen» die Xenofon (mftKtxi nennt: Der
Hunde lA^Mtm» fagt er (^ven. 4> i), follen hart
fein (fo las PoUnx 5» lo» und tadelt pttte^ha Jy^ott
weiche Obertheile der Schenkel); vttoku/jx^ die
Untertheile bis zum Gelenke» l^ngi rund, ge-
drungen; «>xffAtf« die Beine, weit lätiger hinten
als die vorderen, und ianflt gebogen; sro^^ct die
FU&e, rund-
Unter den eigentlichen Redensarten des Opfers
erkennt Julius PoUux nur finfi» e7<5s/v««, nicht
ftjyftf;. Und faft ohne Ausnahme wird bei Alten
und Neuen das Wort nneiae vom brennenden Opfer
gebraucht: z* B« f^nftm MKVfitvm, bei Simonides
im Etymologikoti unter ^xwa; srri ßMfAo»^ oti^iro^
itneta, in einem PSan desBacchyltdes; die Afche
• -U4
der geopferten iJ^i^ftm bei Herodot 4, 35; m
fififiot j^H79M»v, und ^«rAP» Mfw «mpvf bei Apolla»
&!os2» 69iun(16p9»
Wenn demnach feiten einmal, nichf nur aus-
gefchnlttene >f*iff 91 , fondern verbrannte vorkom*
men, fo find gleichwohl, wie bei Homer, jene,
nusge&hnittenen Theile der Schenkel oder fi^e'^
S5U verftehn. So bei SofoWea i4ntig. X006) in
der EfÄShlang des Tireüw^r
-7« E»e h Buiutrm
MvW« KUHtq fA'iif$fiv 9niK§r99
H'Uf9f H^^VWrn^ ff$Mf¥T9 W't49Ait;f
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PI» Opfin^luti mn »qf der Afche fcbtnob
l^iii ftocbter Strat d^r Scheiikelbeinf bia.
Und dJiiupft', und fpröbt' ruipor; und wuFgfkhntVt
Zerflog die Gair, es U|;en oingeAärz^
t>k Schenkel, 911« dei Pcwi WW wtMöfst,
Hier werden die in Fett gewickelten und mit der
Galle Überlegten fi^fi«, die ich fttr Scimhßlbeim
annehme, das « weitemal mw^, Schäkel, ge-
kannt} aber gleich darauf v. xo2o wird der Ge^
danke mit dem gewöhnlichen Ausdruck, i^em.
NSUNONBOREISSIGSTBR BR» $1%
«M0y«» der Schenkilbelni Brandt wiederholt So
fiigt zwa( Paufaoias (it p* 42 ), Phrixas hab^
von feinem geopferten Widder die Schenkel
(fijffHc) nach griechifcher Sitte ausgefchnitten und
verbrannt; doch nennt der felbige (g p. 51g),
was von dem geopferten Eber dem parrhafifchen
Apollo ausgefchnitten und verbrannt wurde, mit
dem gemeinen Namen fin^m.
Aus Vorficht, wie ich hoffen will» liefs Herr
Heyne die fu^f^i nnOberfezt» weil im römifcben
Opfer weder coxa noch femora erfchienen.
Welchen griechifchen Begrif denn getrante er
ücb durch froficipf auszudrucken?
Proficim oder frofitta 9 mch abhgminaf biefs
In der rdmifchen Priefterfpracbe.» fo viel uns
Arnobin^f Varro» Feftus und andere erhalten
haben, eigentlich was der Opferer von den kunft»
gemK& Äerfcbnittenen Eingeweiden, oder inne-
ren Lebenstheilen, deti Göttern, entweder roh,
oder auf mancherlei Art gekocht lind gebraten,
^erhaupt darreichte (^porricere war die Formel),
nicht immer verbrannte. Zugleich aber umfafste
das Wort proßda die Abfcbni^l der HUfte (^oro
ßribHla)^ des Schwans^es (bei Rindern ptafiOf
^fonft offa penita)f des Euters (mma) , der
Weichen (ftirflp); welche Stücke man gewfih»-
Us
314 MYTH0IX>GISCHER BRIEFE II. B«
lieb als Vermehrung oder Zugabe CaugumiHp
magfmntum) jiinzuf%te. ^
^ Was. follen nun die proßdct des grieqhifchen
Opfers fein? Die Eingeweide vermutlich? ^Aber •
von den Eingeweiden wird , bei Homer wenig-
ftens, nichts verbrannt; nur Abfchnizel der
Glieder werden auf jenen mit Fett umwickelten
SchenkelfiUcken , die der Scholiafi: fUr Knochen
ausgiebt, Jn die Opferflamme gelegt. Während
folche verbrannten, worden die edleren Einge-
weide an Funfzacken in der heiligen Flamme ge-
röftct (II. I, 463; 2, 426), und unter die
opfernden , und andere, die am Segen der Gött^
Theil nehmen follten , ausgetheilt
Ich weifs wohl, dafs Dionyfius von Halikar«
saflus (^antiqu. ratn. 7 p» 478)« der die römi-
fcben Opfergebräuche den altgriechifchen ähnlieh
wUnfcht, unter den rohen Abfchnizeln der
Glieder bei Homer auch Theile der Eingeweide
vermutet. Seine Vermutung fcheint lieh auf
nichts weiter zu gründen, als da(s die fpätereii
Griechen den Gottheiten zugleich von den Eing«-
weiden verbrannten« ^ie fpät^ wüTen wir nicht:
aber noch zu Heüodus Zeit bekamen die Götter
nur Knochen und Fett; die Emgeweide famt
dem Fleifch fielen in Prometheus Theilung deo
.Menfcheaza»
NEUNUNBDREl'SSiastCR BR« ^1%
Diefen fpäteren Opfergebranch finden wir itl
einem Bruchftücke des Komikers Eubnliis bei
Klemens (ßrom. 7 p. 716): wo Bacchus nur Blut
und Blafe zu empfangen fich befehwert, abei^
vom Herzen kein Fäferchen; denn er efie nicht
Galle noch Schenkelbeine« Ich werde auf diefe
Stelle zurückkommen. Ferner in der orfifchen
Argonautik v. 314 wird das zerftückte Herz den
Göttern auf Opferfladen gelegt , und mit Oel ynd
Schafmilch beträufelt. Wenn ein Opfernder,
fagt Ariflofanes (av. 518)» den Göttern in di^
Handy wie der Qebrauch ift, die Eingeweide
giebty fo nehmen die Vögel vor Zeus die Ein«
geweide hinweg. Auch bei Anthenion {Atken.
14, ^3) lehrt ein Koch , dafs man die Eingeweide
den Göttern brate, und zwar ohne Salz.
Noch unfchicklicher hätte Herr Heyne durch
ftoficia die Abfchnizel der Glieder verdol*
netfcht; wiewohl es ihm, der wahrfcheinlich nur
frofecare abfchneidenf und weiter nichts» dachte;
am ähnlichften fieht. Denn fürs erfte wurdet
die profiäa von den Eingeweidea und einigen
ausgewählten Gliedern genommen, die homeri«
fcfaen Abfchnizel aber von allen Gliedern; und
zweitens wurden ja die Abfchnizel bei Homer
sucht in das Fett gewickelt» fondem aof das Fakt
3 l6 MYTHOLOGISCHER BRIEFK II, B«
gelegfcy welches zwiefach um die aus den Sehen*
l^eln gefchnittenen ßtiftx gehüllt worden»
Diefes umhüllende Fett endlich war bei Homer
vorzüglich Nierenfett, zu Deutfch Flaqmen oder
Talg (II. aif 363). Omentum aber, wodurch
Herr Heyne es zu Oberfezen wähnt, war nur
die fette Nezhaut um Magen und Gedärme, die
iler römifche Opferer auswählte.
Was fagen Sie, Freund? Trift auch ein ein*
ssiges Wort des belefenen Anmerkers, der gleich-
wohl, um fein kritisches Meffer zu gebrauchen,
nur feine Erinnerung m Rathe a^ieht?
XL.
Ich fage, dafs die hefiodifche Stelle vom Kno-
xhenopfer, auch der Unäcbtheit überführbar und
«inzeln, dennoch den Gebrauch Bewiefe. Wie,
wenn fie vollends von mehreren Alten anerkannt,
wenn ihr auch für ficb unverdächtiger Inhalt
durch die ehrwürdigften .ZeugnüTe bekräftigt
würde?
Dafs Lucian im Prometheus, bei jener aus
Hefiodus angeführten Fabel, von der Sitte des
'Knochenopfers zu reden nicht nöthig fand: hätte
:wenigftens ak Scheingrund, gegen die Aechtheit
VIERZiGSTEfl BRI£F. 317
der Stelle gebraucht werden können« Aber aner«
kannt'wird iie von Klemens dem Alexandriner
ißrom. 7 p. 716), der, indem er weitläoftig
das Lächerliche der Opfer zeigt, hinzufezt:
'•Auch Hefiodus fagt, bei einer gewiffen Thei-
** long des Fleifches habe Zeus, von Prometheus
«getenfcht, die weifsen Gebeine des Stiers ge-
'•nommen, die durch trügliche Kunft mit rchim<«
^ memdem Fette verhüllt waren ;
*' Seitdem pflegen den Göttern die Stamm' erdbaaeiidet
Menfcliea *
•*5K^eirses Gebein 2a verbrennen daf duftenden Opfer^
i aleiben« «<
Anerkannt» 'Wird fie von Apollonius im homeri-
fchen Lexikon, wo er (A^^ta für die aus den
Schenkeln genommenen und geopferten Theile
erklärt, und dabei auf des Heiiodus Fabel von der
Knochentheilung fich beruft* Anerkannt wird
fie in der Wenig abweicheöden Erzählung bei
Hyginus, die ich unten anführen werde«
* Schon mit diefen ZeugnüTen wÄre die Sitte
des Knochenopfers zugleich beftättiget Noch
mehrere gewährt uns der Eifer des Klemens aud
jenem Zeitalter der freieren Weltweisbeit^ da die
geläuterte Vernunft die altvätrifchen Ideale Von
ißöttern und Religionsgebräuchen nicht länger
ehrwürdig fand, und durch immer kühneren
3X8 MYTHOLOGISCHER BRi£FE II. B.
Ernft und Spott, fogar von der Scbaubtthne,
endlich die Priefter und Orakel felbft zu öffent-
lichen Umdeutungen nöthigte.
Der Komiker Pherekrates» fagt Klemens
(p* 7i<$)> b^^^ ^Q ^^^ Ueberlänfern (AvrofMAo«).
fcherzhaffc die Götter felbft den Menfchen ihre
Opfer vorrücken laffen: ov r« /«i/f« ^»fi^a^mmt
uofuin ifi^wf* ^ntQv TW ffsrov^vAoy «t/rov» mvwMg fivvc«v-
«/# %W0fef y0< 9 tiÄtHtesff't (nicbt n Atffi«^/) Kftf97t7t
jr9AA«/Cf Pflegt ihr ntchtt nachdem ihr die beiden
Schenkel ganz kahl gerupft f das übrige IFirbil^
bein, wie zum Hohn, uns^ als wären wir Hunde,
zu ertheilen ; und dann aus Scham vor einander
mit vielem Gewicket ( d. i. dem umwickelten Fett
und» wie jezt Sitte war, auch dem edleren
Kmge^eide) es zu umhüllen? Auch der Komi«
ker Eubulus rfige die Kargheit der Opfer:
At/ro/c ^< ^0*9 ^gotet Tijv K$e»ov fuviivt
Kai futetv^ <&nr<f irai^ifata*^^ ^vuru
Den 05ttcrn felber reicht ihr nnr den Schwang
Den Schenkel nur» aU KnabcnTchändern» dar*
Und in der Sem^le fUhre er den Dionyfbs auf»
wie er fein erlittenes Unrecht aus einander feze;
VlBRZlGSTKn. BRIEF« . 31^
ttfUTov ftiVf hren tfiot ri 5i/«ff/v t/j*c»
ew4tv äclfietf xvTtv' tf )ii9 xafhav
ZuerU, wenn mir einmal ein Opfer w(rd»
>lar £lut iftsy Blafe nur; vom Herzen nichts,
Kern Fjjrerchen; denn niemals efl** ich FleiTcb»
, Nicht Call' und Schenkelbeiii.
VndMenaoder:
■ Sie legen nnr
Kreuzend' und Gali' und unefsbar Gebein
Den Göttern auf; das andre fchhngen fic.
Welches Bruchftück aus Meninders Mürrifchem
(j^uffMAoc} etwas vollftändiger bei Athenäus
C4> ") gefunden wird. Endlich befchliefet
der Kirchenvater feine gelehrte Opferbetrachtung
(?• 7^9) "**^^ folgenden, auch von Pofphyriua
ide abfiinenüa. a) angeführten Verfen, die auf
ilem felbigeh Menander entlehnt fcheinen:
ÖTAw aifce\^xm ^%att %aAirc vrvfüpuvn^
, A xxt xvriv vttyustv. nx* ßs^tiftXf
Xm$ett¥ mtm¥Tai, mi r«f«« Am^^it uUi
9^0 MYTHOLOGiSCHfitt BfttlCtr£ h.b.
Wo ift (b thöricht* und (b btö<!ei Statu
£iti Meitlch, der v^^ähntj difi Götter am Bctn^
FleircMofer Bein' und bittrer Galle Brand«
Was felbil ein Hund im Hunger nicht geneoiit»
Sich frean« und dici als Ehrengab* empfahn?
ZettgnifTe genag gegen den Leichtfinn des
Kritikers. Einen Klemens foUte man doch nach-
lefen» ehe tnan im Vertraun auf feine Belerenheit
einen Religionsgebrauch 2U bezweifeln # und auf
diefen Zweifel fogleich das entfezliche Schneide^
gerSCh 2u enthüllen^ iich erlaubte. Aber nicht
einmal die Grammatiker hat er über fi%ifoc txvA
imiftov nachgelefen.
Dafs Homers Scholiai): die Verbrannten ii^m
(IL 1 f 460 « 464) durch SchenketkHochiH erkläre«
glaube ich fchon gefagt zn haben« Sogar die
fetten ii^^m IL i| 40 hinderten ihn nicht«
Schenbelknocken 2u verftehni welehemnach
mo)fa ßtifut nicht mit Fett umwachfine Schenket
Wären« fondern in Fett gewickelte Schenket*
%nochenf wofür anderswo (IL s* ^40) it|ßoinp^
irnfia, Fett und Schenkelf gefegt worden« bei
Theokrie (17« latf) mct\fUwä mpftf gefetteU
Schenket f u;id bei ApoUonins« 1« 699 hitxoti imsut^
gedoppelte f doppelt umwickelte» Für Knochen
nimt die ansgefchnittenen Schenkel IL t« 460
auch Viiloifons Scholiafti denn^ ikgt er« &n
VI&R2IGSTSR BRISF. Jll
finn mehr Ur&cbe des Stehens, als andere
Knochen«
Nicht anders werden in Hefiodus Landgedicht
(v. 33[7) «7A«« met»f die glänzenden Schenkels von
den Auslegern gedeutet. Mofchopulus lehrt, es
fein die Knochen der Schenkel^ die der Dichter
wegen der Weirseg/rt«Äf«rf^ genannt ;undTzetzes,
«lan habe die Schenkelbeine den gefabelten Göttern,
als Sinnbilder des Wandels , dargebracht« Auch
in Aefcbylus Prometheus (v, 496):
s ^ Kvitf^ti r$ »ttAü evyiuiMmTüif tun lutufa»
fieledk' iti Fett gemckeltt ond ein Itstg
Kreuzbein entflammend —
gelten die mii Fett umhüüiefi Qetenh den befdeti
Scholiaften f ttr Schenkelknoehen. Merkwürdig ift,
dafs hfer zu dem Scheokelgebeln,v^elches in Homers
Opfern alleirt verbrannt wird, fchon das KreuXt oder
der Theil' des Rückgrats um die Gegend des Bauchs,
hinzukommt: nach des erften Scholiaften Erktü«
rüng, der Beweglichkeit wegen > und weil es» den
Nieren benachbart, den Samen enthalte. Dlefes
Kreuzbein, fonft auch helliges Bein genannt, ward
oben von Eu^ulus als Schwanz verfpottet.
' Einftimmig mtt den ScboliaAen erklären dÜ
dten WörterbQ({her» Apollonius im homerifi^
X
Al% MYTHOLOGISCHER BRIBF9 II. B.
Lexikon: m^?'«» ^icht die Schenkel ^ Cux oi ß^^di^
für vx ^i 'if^stQ)j fondern was aus den Schenkeln
genommen und geopfert ward; nach des Heßodus
Fabel von der Theitung der Knochen, So auch
Hefychius: fitifipt» die aus den Schenkeln genom^
ntenen Knochen; und bei «ar« Tnva (inft* tniiacp
die glänzenden Schenkelknochen. So Favorinus:
|iHf/«, Schenkelknochen. So das grofse Etyroolo-
gikon und ViUoifons Scholiaft (H. I, 464) au«
dem Grammatiker P/toIemäus: w<«> Schenkel*
knochen; denn aus iin^^a wird das verkleinernde
Hfi^tovi tt^&oon ms^»9 «ufammengexogen >«;«•
nicht i^ne^
Gegen fo viele Wackere Zeugen Wird doch
. wohl ein Nonnus nicht gehört werden,, wenn er
iDionyf. 5, ai) <lcn Üpfergebrauch üCo bte*-
fchreibt:
^, - . ttnA der v/ohlgcwachfeiten Schenket
Hohes Fieifch xcrfchnitt er> und deckt' es mit doppefc
tem Fette*
Die Fatei Votti Üffpfutig^ des Kübcheöopfert
Mru-d ebenfäls von Hyginus iti def poetifcheii
Aftronomle (2, 15) erzählt, mit geringerer ^
AbwMchuDg, als Verwirrung, die noch-durch^
VIBRXIGSTER BRIEP« 323
Abfchreiber gewann» Uns liegt indeis nnr ant
Inhalte. Pronaetheus^ fagt er, um feinen Men«
fchen die Koftbafkelt ganzer Opfer za erfparen,
habe von zwei gefchlacbteten Stieren das Fleifch
in das eine FellV und die Knochen in das andere
gehüllt, und dem Jupiter die Wahl g^laflen. Da
nun Jupiter die Knochen gewählt, fei der Opfer-
gebrauch entftandeni dafs man das Fleifch ver«
^ehre, und die Knochen, als das Antheil der
Götter, im Feuer verbrenne. *) Jenes vorent*
haltene Fleifch den Menfchen unnUz zu machen,
habe der zürnende Jupiter das Feuer entrückt»
Stärker ift die Abweichung beim Scholiaften
des Aefchylus iProm. 1021); Die Götter, er-
zählt diefer, da fie einefr grofsen Stier bei Sicyoa
geopfert, beftellten den Prometheus 2um Aos-
tbeiler des Fleifches. Prometheus aber verbarg
die blofsen Knochen tiügUch in das Fett, nnd
legte darauf den übrigen Göttern zum Antheil
die Eingeweide und das Fleifch , dem 2eua hin«
gegen die Knochen zu fchmaüfen vor» WorQber
Zeus fehr natürlich in Zorn gerieth.
Es fcheint auf alle Wetfe entfchieden EU fein»
dafs die Griechen den Göttern weifte Gebei&d
- -- - -
•) Ich lefet Mip^tMfi Hßd pari fuk dt^mm^ ipd <*#►
htrWHU
1^4 MYTHOLOGISCHER BXIE3W: II. B.
cder fleirchlofe Knochen , und zwar, ßewifEet
Andeutungen wej$/en , bei Horaer aus den Schen-
keln, bei den Folgenden auch aus dem Unter-
theite des Rückgrats, verbrannt haben. Hieraus
erklttrt fich die Sage, woher das attifche Gymna^
fium Kynosargis den Namen führe, die uns
Steftnus und Hefycbius am voUftändigften* auf.
bewahrt. Als ein gewifler Diomus dem Herakles
opferte, raubte ein w^ifser Hund die (unta, und
trug fie an jenen Ort, der deswegen Bundeweiß
genannt wurde. Zwei in Fett gewickelte Sehen»
kelbeine konnte der Hund wohl im Maule forU
tragen; aber fchwerlich zwei ganze Schemkel.
6ie Anwendung auf die Opfergebräuche der
Hebräer mufs ich den Bibelerklärern überlaffen.
Dafs die Römer auch Knochen geopfert, folite
Inan aus Hygins Erzählung faft fchliefsen, wenn
picht Hygin gew{)hnlich blofe üeberfezer aus
äem Griechifchen wäre. Von geopferten Sehen-
kelb^inen ift mir in römifchen Scbriftftellem
nichts vorgekommen. Das Kreuzbein indeis
Amt dem anhangenden Schwänze, worüber die
giriecbifchen Komiker lacfateii, fehöint unter <len
ike& und barbarifcben Opferbenennongen, wet^
die Amobius (,adü. gmt. 7), Feftu» und Varr«
^gfll^tep bab^n, ..vielleicht unter ftqfea- un/äpffia
pemta, begriffen zu fein* Wenigftena ec«ählt
\
VZratZIGSTKlC BRIKF. $1$
Ifidör (ii, i), die facraffina öder das Kreuz,
welchem die Griechen u^m oTom», das heilige Bein»
nennen^ fei von ^en Hcftden (alfo nicht von den.
Grieohen allein), deswegen weil es im Kindtf
sue^fl entftehe, den Göttern zuerft geopfert
worden« Varro beim Geilins (3, lo) will,, in
der* vierten Woche nach der Empfängnis bilde
fich Hanpc und Rückgrat; und ein anderer in
einer verdorbenen Stelle Plutarchs (p/^c. phiL
5, 17), es entftehe zaerft c«s<^aic, der untere Theil
tfes Rückgrats um die Weichen, als der Kiel dei
SchifTes« Das Aeufserfte davon, nemlich was
Menander 0«(pvy «k^v, das Kreuzende^ und Aefchy-«
his ««(^i/v fMJtfa«, das langt Kreuz ^ nennen, heifst
bei Ruffus und Galenus das beilige Bein, wetchee
mit xoxKt^l, dem Schwanzbeine ausläuft. Auch
im Etymologikon {l^w mw) heifst heiliges Bein
das Ende des Kreuzj^s, entweder feiner Gröfse
wegen , oder weil es den Göttern geheiligt oder
^ebpfert werde, welches die obgedacbte Stelle
lAenanders beweife; oder weil^ wie man (aget
jdas Kreuz der Thiere, nemlich der geopferten»
jssnerft erwachle«
- Wahrfeheinlich rechneten die Römer auf di^
,Genfig6mkeit der Götter nicht weniger r als die
:fixxnuBea. .Grönländer ,.. wofesn .ich mich reclkt
erinnere, die von den gefangenen fifchem ilureA
X3
0)6 MYTHOLOaiSCHER BRIEFE II. B,
Schuzgeiftern die Gräten ond die Schwänze hm«
werfen,. Denn Tertullian {apologet 14) giebt
ihnen das Zf^ngnis» dafs fie nur ausgemergeltes
und elendes Vieh opfern , und vom fetten und
gefunden nur den Abfall (lümmeln , als Köpfe
und Klauen, was man zu Haufe den Knechten
oder den Hunden beftimmt hätte. Schon von
den Griechen- ward manchmal auch diefer knöch<*
richte Antheil den Göttern im Zeitalter des Ho«
meriden Cinäthus geweiht , wie aus deiTen Hym«
Sii;s an Herqies erheilt: wo der Gott, als Urheber
der Opfergebräuche v. 135, Altäre erhebt» und,
trockene Scheiter darauflegend» »Afltr«^', axaHMfwmt
4ii ganze» Fußt und die ganzen^ Häupter 9 in
4e$ Feners Lohe vertilgt.
XLL
Jl#ine artige Leiter von Empfindungen , die Sie
beim Anblicke des» entlarvten Mythenphilofophen
durchfliegen zu haben» fo treuherzig bekennen!
•*Erft Befremdung, dann Verwunderung, bald
<< darauf Unwillen, dann wieder Mitleiden, und
^< endlich gel^enes Wohlbehagen an der tragiko--
<^ mifchen Erbürmlicbkeit. 9» Wej- hätte gedacht^
dais mein imldr«dender Freund fo boshaft
Väre?
nNUirDVlBR2IGSTE1t BRIEF. 317
Ihr Gelaft indelTea nach mehreren Lächerlich*
keiten unferes Anftroftp^Qc fühle ich gar keinea
Beraf zu befriedigen. Wir wollen das mytfaolo«
gifche Gaukelfpiel, das feine Zeit währte, ver«
geben und vergeben ; aber auf dem unermefslichen
•Fabelgefilde , wo zehn Leflinge zu thun fänden»
uns felbft jeder ein Pläzcfaen nach unferer Be*
quemlichkeit zum Anbau wählen, und freund-
liche Gehülfen einladen.
Ich für mein Theil habe fchon längft aufFöbos
Apoüons und der jungfräulichen Artemis heiligefi
Bezirk mit Wehmut geblickt, und, wenn nicht
blühenden Anbau , doch Aufräumung und Anlage,
doch die erfte rohe EntwUderung, meinen Kräf-
ten gemäfs geachtet.
Aber, o Vater Zeas^ and Paliai Athen', und ApoIIou!
Welch ein Wuil: von alten und neuen ZerrUt-
' tungen!
Und allen den Unrath bat zulezt noch Herr
Heyne von neuem aufgewühlt, und die dufteren
Staubwolken der Allegorie für altpelasgifche
Philofopheme, für Vorftellungsart der Urwelt,
für Bilderfprache der vorl|omerifi)hen Heroen,
in deren Zeitalter man fich r^^oht lebhaft hinein*
denken mUiTe, ausgefchrien.
Denn fo lehrt er in feinem Auf laze i^ber den
Urfprung der homerifchen Fabeln (^amnu Gott
X4
31$ MYTHOLOaXSCKER BRIB^B Xt. B.
1777 f. 37> Nachdem die altvfttrifcfaen Latidea-
religioneD der zerftreaeten Horden GniecbenhuidB
durch Danaus und Cekrpps mit ägyptircben Be-
griffen i durch PiBiIops mit pbrygifchen, durdi
Kadmus mit pbönici&hen vermilcfat worden:;
entftaijiden bald pbilofophifche Myfterjeti und Tem^
peldienfte» aus ^eren Schoofs ^e Art von Natu»,
philofopfaie über den Ürfprutig der Dinge tind der
Elemente Entwickelung^ wegen der Armut der
Sprache in fymbolifohe Bilder von Gottheiten ge^
fafst, hervorgingt und Dichter erft zu Kosmo-
Ironien 9 dann zu Theogonien begeifterte* Diefe
Sinnbilder der ürphilofpphie, die Herr Heyne
diirchaiia nicht Allegorie, denn die fei fpSter»
genannt wiiTen will, entleböte Homer aus de|i
Kosmogonienj upd verwandelte fie in wahre
Perfonen von übermenfcblicher Kraft, die an den
Handlungen feiner Heroen Theil nahmen; oder
vielmehr nur fo thaten „im Grunde aber phyfifche
imd moralircbe Siüzse ausdrückten»
Schon Oarke, fagt Herr Heyne, habe dfe
Bemerkung in feinem, übrigens nicht fe|ir fehlEz*
baren Kommentar zum Homer (H* i, 35^9; 5,
3855 »St 18) gemacht, aber ans ünkunde der
homerifchen Sitte und Sprache, nicht gehörig
ins Licht gefteilt Weshalb auch dem venerabUis
%rne&XB der an der Bemerkung zweifelte» und
in der Ürpfailofophle Unter fpütere Allegorie
waliriiahni 9 die Lehre gegeben wird: '^So viel
•** konune darauf in » fich in die Zeit des Dichte»
f'und fetner Helden zu verfezen! ScUket^ mali
•^ mSfle gleich&m mit ihnen leben» man mUlTe fehn^
^<W98 jene gefebn^xind fühlen , was. jene gefUhlt;
** and wer die^i nicht durch Natur oder Uebung ge^
f* lernt habe, mOiTe den Homer ans der Hand legen.
^^ Deponenius €X manibusefl Homirusl^^
Nun, nun! nicht geeifert, fondern helehrti
^ Wie machen wirs, dafs wir mit Homer und.
feinen Heroen gleichiam leben, dafs wir fehn^
was jene gefehn , und fühlen , was jene gefühlt?
Wie vermeiden wir die Gefahr, uralte orfifche
und famothracifche Bilderphilofophie für fpfitere
^Uegorifche Umdeutung, oder nmgekehrt diefe
für jene, anzufehh?
Di?8 weifs Herr Heyne nicht fo recht eigent-
lich anzugeben; durch Natur lerne man es, oder
durch Uebung* Zu unferer Uebung wUl er
cmige Beifpiele dnrchphilofophiren. '
Die uralte Kosmögonie, fagt er, liefe vor der
Erfchaffung ein allgemeines Gewirr herfchen: das
bedeutet Eris, die Homer zu einer handelnden
t^erfon machte« Die Zeit der Verwurung und
£ntwjckelung wird durch Kronus, der feine
Kinder verzehrt« und durtffa ,die vseifio&enen
x$
330 MVTHOLOaiSCHEU BRIEFE. IIB.
Titanen bexeietinet. Daranf die Anordnung der
Elemente dnrck Jupiter, Neptonus, Pluto. Das
lerfte Element üchien WaiTer; daher Oceanus der
Cötter Vater. Anderen (chien es die Luft;
jdaber Jupiter die obere, und Jono die untere
XuSty Bruder und Schwefter, Mann und Weib;
Malier die Begattung auf Ida, eigentlich befrach-
jtender Regen imd Thau; daher der ewige 2^nk,
eigentlich Ungewitter; daher die Ambo(se an
JuDo's Füfsen, Erddlinfteuad Meerdlinfte; daher
auch die vom Olympus herabgelaflene Kette, *)
die vom Aether abftufehden Elemente; daher
'ferner die Feflelung Jupiters durch Juno , Neptu-
nus und Miiierva, oder richtiger Apollo, eiia
Bild, wie der Aether durch Luft, Waller und
Feuer (denn Feuer fei Apollo als Sonnengott)
gehemmt worden ; daher ...
Uip Vexgebung. Alle diefe und ähnliche
Peutungen haben uns, wo mir recht ift, fchon
Katalis Kornes imd Benjamin Hederich und der
biedere Damm jaus älteren Deutern, vorzüglich
aus Homerivita i^Gat. p. 324-329), der Länge
sach vorgedeutet. Nur dals diefe wizigen Deu-
*) Nicht MM OiympHS fenkte Jopiter die Kettie, foadera
fiuf den Berg Olympuf vom ehernen Gewölbe des Him*
mels herab, ^te fich Herr Heyne 4«s homerifche
VeltgebfiadevoAl vorfteUea xntg?
SINUNDVIERZiaSTBR BRIEF» 33 t
Ifcongen nicht für Einfälle fpäterer Allegoriften,
fondern für ächte Philofopheme der vorhomeri«
fch^n Geheimphilorophie 9 zu halten fein: nur
^avon erbitten wir uns einen kleinen Beweis.
Wer fo verftockt zweifelt, dem räth Herr
Heyne den Homer aus der Hand zu legen, und
fährt ruhig fort, die Philofopheme uralter Kos«
mogonien, in allerhand Abtheilungen geftellt^
2u enträzeln: wo unter andern das Feuer bald
durch Jupiter 9 als Symbol des Aethers, bezeich-
net wird , bald durch den hinkenden Vulkan , bald
wieder durch jlpoüof deflen Kampf mit Neptun
in der Ilias ein Streit th vre» ««1 tb {vf u , des
tfajfm und dis Trockenen' f fei. ♦)
Endlich kommt er (f. 52) auf jlpoBo befon«
ders, und ^iebt für ein altes Philofophema die
wohlbekannte Umdeutung der Späteren: <<Da
•' Apollo für den Urheber der Peft gehalten ward»
^^nach dem alten Symbol der Sonne t die Pfeile als
^*Stralen ansfchiekt; fo hat Homf&r die Peft im
^< Lager der Achaier mit Recht vom Apollo ab«i
^'geleitet ,,
— - - ■ - ., ij, j _
f)Anch dic£i Veishek floft ans Honten vHa (G«/.
f. 33g), oder aus einem Mhnltchen Brünnleio. Bei
Philoftrtt {Heraic, c. 3) behauptet ein anderer, dafsdie
Götterkämpfe von Homer nach der Weife dei Orfeoa
9t^iXo€o^ijffB»t 9 fhilofiphife^ gemeint worden fein»
Werken Sie die Vi^unel.dei Wörtlci&t Fbüofi^enuh
33t IVIVTHOLOaXSCHBll BKIEFS X& B.
t Lehrreicher noch entwickelt er dies PJiiiofo»
phensa in den Lebrftunden über die griechifchen
Alterthümer» woraus Herr Hermann (i S. aji)
folgendes berichtet* *^ Apollo , fchon den Pelas^
'*gern das Symbol der Sonne, Die Straten
•* wurden als Pfeile gedacht: daher Apollo eia
«• Pfeilfchüze , der Seuchen und plözlicben Tod
''fendet; daher Apollo mit goldenem Schwer^
'<weil die Sonne hell blizt; daher Auffeher der
/•Heerden, denn die Hize erregt theils Vieh-
•'^feuchen, theils Wachsthum. Er hatte das
^** uralte Orakel zu Delfi: daher ift er Gott der
,<*Wabrfagung, Begeifterung, Mufik. Die Maus
** verkündigt vielleicht. Witterpng: daher. Apollo
<*Smintheus, der MSufegott. Ferner der unbe-
"**fchorene, u. f. w. „ *
Welche fämtliche Urpfailofophie aus Phumii»
.tns» Heraklides» Mofchopolus, Sie wiedemm,
;Wenigftens eben fo gut» unter Benjamin Hederi^
iänäfftPritigen Deutmigm des AfoüinU ilndeiH
»mit . dem halb unwilligeo. Zufaz x */ Allein aaf
** diefe Art wird der Deutungen von demApollim
**{o wenig ein. Ende werden, als wenig alle
'««Würkungen der Sonoe werden bemefket
'* werden können.,.
Aber, kann man einwenden, der Sonnen-
gott h^USst ja Helios. -*«» «vRicbtig!,, antwortet
• E1NU»D VIERZIGSTER BUIEF'. 33^:
Herr Heyne (,e<mm. de Tkeog. Hef.p.xo^by He*
«* lio3 liiefs er iö dei^uralten Mythologie* >* Nach-
^ dem aber Krotios von Zeua entthront worden,
V jezt folgten neue Gottheiten, ais Hades, Vefta,
^Demeter, an des Oceanus Stelle Neptunqs^
^<,und wie jeder von felbft hinzudenken Xaifn;'
^«ftatt.des Titanen Helios der ewig ji^ige Apollo
V mit Pfeil und Bogen. „
Das lezte folgert mit Herrn v Hermann (a
St 52) auch Herr Moriz in feiner Götterlehre
(S. 34): welchem die Göttingifche Anzeige
Ci7S^» ^6 St S; 155, 157) das Lob ertheilt,
«verfchiedene ^»/i/5n«ig^ff der Neueren genuzt,.
** und, dafsdie Fabel vom alten Heliosauf den jünge«
<f-ren Apollo übertragen fei, gut gefaßt zu haben. ,#
]^ine Artigkeit war der anderen wertb. Man
' hfinfele nur, unddie Hanfe wird durcbhelfen.
^ . Sogar der rhodifche Helios wird im Herman-
i|ifchen Handbuche (2 S. 392. 393* 419) gradezu
l|nd allein Apollo genannt. Auch in Ihrer
Abfchrift der Archäologie nennt Herr Heyne
den berühmten Kolofs des Sonnengottes in
Rhodus nicht anders, als eine der älj^eften Abbil-
4tjngan Apoüos.
Das ift doch wahrlich ein wenig ftark! Apollo
fcbon im pelasgifcben Alterthura ein Sinnbild
der Sonne, an der S|:elle des verftofkenea
334 MYTHOLOaiSCHSR BRIBirs It. 8«
Titanen Helios? wie Neptgnpg ein Sinnbild det
WaiTers, an des abgeresten Oceanns Sfcatt? Wenn
atfo Homer und ein folgender Dichter Heliog
nennt) fo Ift Apollo gemeint ^ und wennOceanus,
Neptunus? Und dabei bieibts? Und wers nicht glau«
ben will, der lege den Homer aus der Hand?
Sie fehn» mein ßefsteri mit den Herred
Heyne und Hermann läfst fich über die Sache
.. nicht weiter reden. Wir wollen demnach, ohne
mis umBufehn» in der Stille» die dem Gegen*
ftande gebührt» unter uns ausmachen:
I. Honten ApoÜon iß nicht Helhs^ und ffeÜof
ifiicht Jlpollon. Diefer beherfchtf nach wie vor, dm
Sonnenwagm; jener allein ff^ahrfagung ^ Mufik^
Bogenkünde. Selbfl noch die Artenei hat ihren bt*
fmderen GoH. Eben fo verfchieden find ArtemiM
und SeUni*
IL Erß Jahrhunderte nach Homer, durch unt'»
deutende Ifelttveife und Pf äffen, ward ApoÜon, wie
mehrere Volts gitter, in alle gorif ehern Sinn für di$
Sonne, Und Artemü für den Mond 9' erklärt.
IIL Dennoch nahm die griechifche Volksreti*
gloH nie den Apollon zum Sonnengott, wie dief
Artemis mur Mondgöttin ; felbß nicht die römifchep
die den Sol jttvar mit dem Beinamen Phöbus «si«
milen, nie aber Apollo nennt» "
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MythologltctwBrM».
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