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Full text of "Mythologische briefe"

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MYTHOLOGISCHE 

BRIEFE 


VON 


yoHANN  Heinrich  Foss 

u 

ERSTER  BAND. 


Afx^  liiyxfLUi  agtrac»  my»99*  AAxBetsep 

PlNDAH.  ap.  St^k 


*        *.  •• 


KÖNIGSBERG, 

BEI  FRIEDERICH  NICOLOV1U8. 
M  D  C  C  X  C  I  V. 


As  14- 


.h  . 


Wie  feiten  urtheilt  ein  Beurtheilcr  fremder  Werke 
nach  der  ftcen^n  Frage :  *«  Welche  Fehler  h^  mein  Mit- 
•«bürger  begangen  f  nnd  was  ift,  die  Urfache  davon  f 
**Hat  diefer,  redlich  betrachtet,  feine  Sache  v^eiter  gebracht  f 
*<  wodurch  ifts  ihm  gelungen  \  und  was  lieht  andern  Mit* 
«* bürgern  itoch  zurück?,.  Und  doch  ift  diefe  Frage  die 
einzige  billige,  näzliche  und  gerechte;  fonft  urtheilen  nur 
X>espoteu  und  Sklaven. 

Herders  l^Yufe  %ur  Beforderuft^  der  Hunta- 


.7 


VORREDE. 

JL-iS  war  feit  lange  mein  Wunfch,  der 
Ueberfezung  Homers,  woran  ich  fieb» 
zehiiL  Jahre  gearbeitet,  wo  nicht  einen 
durchgehenden  Kommentar,  doch  we-» 
nigftens  einige  Unterluchungen  ober 
Homers  Götterlehre,  Weltkunde  und 
Länderkenntnis,  über  die  Sitten  der  Zeit» 
und  die  vornehmften  Einrichtungenf 
auch  über  die  Art  feiner  Darftellung, 
anzuhängen. 

.     Ein    eigenes-  Schickfal    will,    daf^ 
wohin  ich  aUch  deö  Schritt  wende,  mii^ 


1^"' 


yiu  VORREDE- 

•  Sie  werden  fdion  atifftehen,  die 
flrengen  Urtheiler;  denen  kein  Anfehn, 
der  Perfon  gilt,  :und  das  unabwendbare 
Endurtheil  ausfprechen,  wer  Wahrheit 
fachte,  Qiit  ?ifer  und  geradeqi  Sinn^ 
und  wer  nach  teufchender  Gleifee 
Ichlich. 

'  Auch  niein  Nachfolger  wird  zu  be- 
richtigen, zu  ergänzen ,  zu  widerlegen 
^finden.  Er  behandle  mich  eben  fo  ge- 
recht  ftir  Veruntreuung  der  Wahrheit, 
eben  fo  billig  und  fanft  für  Schwächen 
bei  gutem  Willen,  als  ich  meine  Vor- 
gänger behandelt  zu  haben  mir  bewufst 
bin. 


^^^m 


INHALT 

fies  ertkcn   Bandes, 


BR.  I.  Wo  die  neaere  Aafklärong  der  Slteft^ii  Fabeliehre 
za  finden  fei?  Vielleicht  in  dem  Handbuche  von 
Hermann  ^  Stelle  an«  i^eynens  Vorrede. 

BR.  IL    Diefe  Vermutung  betätigt.    Abrede  gemeinfchaft«  ^ 

lieh  zu  uotepfuchen ,  wie  es  mit  der  gerübmt^i^  Auf* 
2  klärung  hefc|i3^en  fei  r  .   . 

BR.  IIL  Ueber  die'  Methode»  in  der  Behandlung  der 
FfLbtel  vom  Afltereo  Eum  Neueren  fortzugehen ,  on^ 
ihre  allegoriiche  Deutung.  Der  rohe  Grieche  be-  i 
lebte  C^egenftande  der  Nütur  und  Sittlichkeit  zu 
Gottheiten ,  welchen  er  zum  Theil  vergötterte  Vor- 
fahren nnterfchob ,  ohne  den  einzelnen  Handlungen 
derfelben  Deutung  zu  geben.  Diefe  Gottheiten  au- 
mählich  veredelt,    fchon  bei  Homer.    Spätere  Um« 

^.  deutung  von  Phllorophen,  Prieftcrn,  Grammatikern, 

nicht  in  die  ältere  Vorftellnng  einzuuiifchen. 

*5 


X  INHALT. 

IR.  IV«  Des  Hermanni^fchen  ^än(!fcrächs  ?tan  and  Aus» 
fuhrung  aus  Heyntfchen  Vorlefungen«  ^  Cew^eis  die 
aiyftJichen  Deutungen  von  Jupwer,  Juno»  Apotto, 
Oceanus  u.  a.  Beim  Oceanus  Heyneiis  Unkund^ 
der  alten  Geegrafiej,  die.  ik«  -^u  einem  ungegrön« 
deten  Tadel  Virjgils  verleitet.  Jene  Deutungen 
find  (chon  be^  Katalis  Kbmes  und  Benjamin 
Hederich« 

BR«  V.  Ueber  die  Quelle  dicfer  myftilchen  Deutung. 
Heynens  Aeofserung  von  den  orfifctien  Hymnen. 
Bemerkungen  über  OrfeusV  dte  Orfiker  und  die. 
ihnen  beigelegten  Schr,iftcn^ 

BR.  VU  UhzdlängUchkeft  d^r '  Abftufungen  i  homertfche 
Fabeln,  lyrifche»  tragifche ,"]iach  Hermafuss  eignem 
GeftätidnlfTe.  .  Selbfi  jenemapgelhaft  ausgeführt» 

iR.  vir.  Ob'  die'  Verfchied^nlieit  der  Drchtarten  auf  die 
Fabel  f^Ibft  Ernüuß  habe^  Heynens  Urtheil  über 
Homer.  Ürfachen  der  allmählichen'  Veränderung 
der  FabeK  .  ' 

BR.  VIIL  Was  ik>  Behandlung  der  alten  Fahel^hre  2» 
thun  übjrig  fei«.  ... 

SR.  IX.  \irunderliche  Eintheilüug  der  Mythen  sack  dem 
Lokal.    Des  Vorredners  Belchönignn^ 


INHALT.  XI 

BR.  X.  Sogar  die  HennanBifchen  Antrüge  am  Homer 
find  Co  rwtckwidng  ah  nacUäflig.  Preiiuui%ab« 
aus  der  alten  Geografie. 

SR.  XL  Der  Tadel  fiUt  aaf  dea  Vorradaet  imd  BemtheW 
lei  xurück«. 

^R.  Xn.  Der  Benrtheiler  bat  dte  ^riefime  Bach  aicbt 
gele&n.      Auffallende  Fehler  ia  den  ^aoptgotthen 

f  tei>  und  anf  den  erfien  Seke&     ApoUo  ah  Maat. 

Helenes  yioadfpn,  Heliot  mit  feiacai  Vater  H)r* 
perioaverwechfelt..  1xJiat»>9  altpclas^iici^e  Fa(ä* 
-  flugcl  dea-Hdones. 

fiR.  XIII.  Viderfegung  der  voa  Heyae  aacBgeQ)r«cllenta 
'fiehaoptmig  Wmkelaiatais »  dafi  die  äicel^ftn  Grie- 
cheiF'ihre  Gottheitea  fich  geflügelt  vergefteüt.  Die 
•  Fabel  Y«a  der  Flocht  der  66cter  var  Ty(bn  aad  | 
Ihrer  Versrafndkmg  xft  «lerft  bei  Piadar..  Aach  Fan» 
der  hl  dicfer  Fabel  vorkomme  i,  akhc  altpelasgilck» 
ibndera  ttea» 

BR«  XIV.  Denkmiäer  tob  geffugehen.  Gottheiten  bei 
Winkelmann  auch  neuer.  Solen  der  Pallas  von 
ihm  fdHchlich  firr  Füfsflfigef  gehaltem  Dlefe  Fitf». 
flügeJ  giebt  Heyne ,  von  Virgih  Aaslegern  verleitet» 
Atni  homerifchcn  Hermes. 


XH  INHALT. 

W«  XV.  Ob  des  Perfeps  geflügelte  Solen  in  Herakles 
Schilde  eigemliche  gewefen?  pb  er  lie  von  Hermet 
erhatten?  Nach  der  älteften  Fabel  nicht  von  ihm» 
fondern    von    den    Nymfen.        Erläuterung    diefer 

•r  Fabel,  «ämTheil  aus  der' alten  VGTeltkunde.    An* 

merkung  über  den  älteften  EridanuSf  and  deflen 
fpätere  Geftalt.  Veränderung  der  Fabeln  mit  Er- 
weiterung der  ^eltkünde. 

BR.  XVr.  Ueber  das  Alter  des  homerifchen  Hymnus  an 
Hermes.  Alcäus  nicht  Vcr&üer»  obgleich  Pau- 
fanias  ihm  einen  ähnlichen :  an  Hermes  beilegt. 
Die  Fabel  vom  Rinderraub  verfidbieden  erzihU. 

BR.  XVII.  Bereife  iHr  das  Jüngere  Alter  diefes  Hymnuf 
aas  Fabel  und  Sprache.  Geflügelte  Mören.  Ab- 
dämmung der  Selene  vom  Pallas.  Verbrennung 
der  Häopter  und  F^fse  beim  Opfern.  Zveileibige 
Kentauren. .      Hermes    Fried^näft^       Hoinerifche 

*  ,  VC^örter  mit  veränderten  Begciffien.  Abfchweifung 
über  voÄvTffovoQ.  Doch  zeugt. für  das  Alterthum 
wffoßzrovf  Vieh.  Homcrifche  Begriffe  mit  anderen 
Ausdrücken. 

BR.  XVIII.    Pes  Hermes  Solen  werden  in  diefem  Hymnus 

^  0avix?.»  genannt,    welches  Won  zuerft    bei    den 

alten  Komikern  vorkommt.      Nachrichten  yon  den 


INHALT.  xm 

Sandalen  unci   Blauten.       Der  HomerMe  Cinäthaf» 
Aefchylus  Zeitgenoft,   ift  vahrfcheinlich  4er  Ver- 

faffer. 

SR.  XIX.  Hermes,  altFeldgott«  tmg  gemeine  .Sandalen; 
als  GötterheroJd  bekam  er  fcbvebende  Solen,  aber 
uiigeflägelte.  Der  orßCche  Hymnus  an  Hermes  ift 
neu ,  an  Spraches  und  Sitten.  Ungeflugelt  Gnd  die 
So!en  noch  bei  Aefchylus;  gefiägelt  vielleicht  bei 
Euripides,  gewifs  bei  Ariftofanes.  .Der  Nike  nnd 
des  Eros  Btflügelnng  neu«  und  von  Mahlem« 
Neuer  Beweb  fiir  die  Aechcheit  des  homcrifcbeii. 
llymnns  an  ApoUon» 

BR.  XX  Homers  Götter  tragen  Solen»  zur  iiberaatnr* 
liehen  Fortfchwingang  oder  zur  Pracht.  So  «nch 
die  Menfchen  des  älteften  Zeitalters  nn^  befchabt 
zum  Schmuck  oder  eines  Bedürfiiifles  vegen,  fooft 
barfufs; 

BR.  XXI.  Barfüfsigkeit  geehrt,  noch  in  fpätereti  Zeiten. 
Schabe  Zeichen  der  Weichlichkeit. 

BR.  XXII.  Homers  Gotter  bewegen  (ich  fort ,  nicht 
fchwebend,  fondern  in  ungeheuren  Schritten  auf 
Land,  XT^aifer  und  Luft.  Diefen  Gang  erkennen 
die  ältellen  Ausleger;  den  Flug  erträumte  Hiliodor« 


XIV  INHALT. 

Heynens  Wlderlprach  mit  fich  felbft.  Bereife: 
Pofeidon,  Here^  Hermes,  Apollon^  felbft  Iris: 
deren  BeiA^rort ,  goldgeflügek ,  nur  Schnelle  der  gol- 
denen Solen  meint. 

BR.  XXIII.  Auf  WalTer  gehen  die  Götter  leichter  als  auf 
Luft.  Daher  der  Umw<g  des  Hermes  vom  Berge 
Olympos  nach  Ogygia.  Der  Luftgang  gehört  aus- 
fchliefsend  den  Göttern  s  Sterblichen  ward  der  WslC- 
fergang  fchlechthin ,  jener  nur  durch  ein  göttliches 
Zaubermittel  verliehn« 

BfU  XXIV.  Lnfcfchritte  bei  den  folgenden  Dichtern  bis 
zu  den  fpäteften  heraW  ^Sogar  die  geflögelteu  Götter 
fchreiten  auf  Schvs'uugfolen. 

BR.  XXV.  Anwendung  «uf .  Aefchylus.  Des  Okcanos 
Töchter  hihreu  im  Flügclwagen ,  weil  <ile  Mafchi- 
uenkunft  den  Lufcfchritt  auf  Schwungfolen  noch 
nicht  verftattete.  Auch  Athene.  Beiläu^  vom 
breiteren    Strome    Okeauos    der    damaligen  V^elc« 

.«  tafel. 

BR.  XXVL  Wie  Virgil»  Götter  fortkommen,  ift  ans 
ihm  allein  nicht  zu  erkennen.  Noch  bei  fpäteren 
Dichtern  fchreiten    fle    durch    Luft    und    Waller. 

..  Auch  auf  Münzen,  gegen  Leillogs  Meinung.    Grofse 

Schritte. 


INHALT.  XV 

BR»  ^CXVH.  ^aram  Merkar  bei  Virgfl  über  de»  Atltt 
nach  Karthago  geht.  Taraeb  und  Lei&ng  löfen 
XU  wenig«  Heyne  nichts.  Die  Götter  wohnten 
nach  der  fpäteren  Vorftelhiug  auf  der  Höhe  dei 
Uimuielsgewölbet.  Zwei  Pforten  des  Himmeli» 
die  öftlicfae  und  wefiiiche.  Merknr  geht  dafch  die 
aihcT9  we^Jche. 

BR.  XXVIII.  Hooiert  Götter  fahren«  w^nn  der  VTtg  weit 
oder  gefahrvoll  ift,  oder  zur  Pracht.  Beiipiele» 
Heynens  Aenderuug  im  Homer  ans  Unknnde.  Bei. 
Späteren  fahren  fie  öfter.  Schnelligkeit  dci  Götter^ 
fbbrwerks  aber  Erde,  Meer  und  Ijift.  Auch  bei 
fpäteren  Schciftflellern  und  Bildnern. 

BR.  XXÜC  Der  VTagen  magifche  Ldcbtfgkeit  doirch  die 
Kund  des  Hefäftos.  Defien  ^erke  belebt.  Ehonce 
Befchlag  der  nnflerblichen  Rolfe.  Auch  die  halb- 
göttlichen fchnell,  doch  weniger.  Daher  gcfiedene 
genannt,  und  von  Bildnern  mit  Fittigen  bezeicbnet, 

BR.  XXX.  Zens  als  Stier  auf  dem  Meere  wandelnd»  in 
Gedichten  und  Kunfh»/erken.  Ob  hier  mit  Recht? 
Auf  alten  Denkmälern  auch  Poftidons  Rofie,  die 
Kereideti,  der  goldene  Widder. 

BR.  XXXI.  Die  llteften  Harpyen  wegra^ende  Göttimxeu 
in  fchöner  weiblicher  Geftalt.      Die  Harpye  Podarge 


XVI  INHALT. 

gebiert  füllen,  in  eine  State  verwandelt.  Mehr 
folche  Gebarten  aus  Vervandlangen.  Heynens 
tialbvögel  find  nea,  Hermanns  Pferde  falfcb.  Bei 
Hefiodus  Heynens  Aenderang  abgewiefen.  Flügellos 
find  dit  Harpyen  noch  bei  Theognis;  geflügelte  und 
häfslichc  tTeiber  bei  Aelchylus  auf  einem  Gehiählde. 
Die  Eamcniden  beflügelt  zaerft  Earipides;  die  Gor- 
gonen  ein  Bildner  bei  Paafanias. 

BR.  XXXII.  Die  älteften  Künlller  bildeten  alfo  die  Har- 
pyen nicht  nach  der  Vorftellang  bei  Virgil ,  die 
Heyne  für  die  einzige  hält.  Ob  Sofokles  fie  Aüt  den 
ftymfalifchen  Vögeln  verwechfclt.  Branks  und  Hey- 
nens Aeifderungen  widerlegt.  Geftalt  der  ftymfali- 
fchen  Vögel.  Beftimmang  der  Lesart  und.  Er  klär  ung^ 
der  Stelle.  Sofokles  ift  der  FlugelgeftaU  nicht 
geneigt, 

BR.  XiXIII.  Neuere  Harpyen  als  Raabvögel,  zuerft  bei 
Ariftofanes  und  Anaxilas ,  der  fie  mit  anderen  Tbier« 
göttern  zulninmengeftellt.  Echidna.  Skylla»  bei 
Homer  Drachin,  dann  Jungfrau  und  Halbjungfrau 
mit  mannigfaltiger  Umbildung.  Sirenen,  iu  Men- 
fchengeftalt  bei  Homer,  fpäter  geflügelt,  und  end- 
lich mit  Vogelfüfsen.  Die  Harpyen,  als  Raubvögel 
mit  allerlei  Veränderungen,  auch  als  OhreuleHk 
Selbft  bei  AjfoUonius  anders  als  bei  Virgil. 


INHALT.  XVII 

BR>  XXXIV«  Verftiideraog  der  Fabel  des  Fmeas.  Bei 
Aefchylui  deffen  Mahl  von  den  Harpjren  nnr  weg« 
geraft^  fpäter  Terrchlongien  tuid  bcfadeh«  Ekelhaftes 
<3emäkle  des  ApoUonias,  fchwach  bcfchönigt  von 
Lcffiitg ,  gar  nicht  von  Heyne.  Des  lezteren  Urthefl 
über  Virgiis  nad  Homers  Cjrkiopenfclunaus.  Urfäche 
d«r  ipätereti  Verunftalrang  der  boien  Gottheiceo, 
fo  wie  der  Veredelung  der  gaten.  Hirpyea  Töchter 
des  TySbu  bei  Valerios  Flaocas, 

BIL  XXXV^  Winde,  bei  denilteften  flägellos.  BeiHefio» 
das  nar  drei  von/himmlircfaer  Abkanft.  Der  Oft  and 
^ie  Mitteiwinde  Söhne  des  erdgebohrnen  Tyfoeus^ 
Eorus  aach  fpäter  nicht  göttlich  verehrt,  dunftrcich 
und  ftunnbriitgend.  Tyfon  Wirbelwind.  Boreat 
iroch  iaafend  bei  Tyrtäas$  mit  Schiangenfiifsen  auf 
dem  Kaften  des  Cypfelas ,  daher  vermatiich  fliegend. 
Geflügelte  Winde  in  den  orfifchen  Hymnen.  Auf 
dem  Tharm  des  Andronikas  acht  Winde ,  gleichge- 
Raltet,  mit  Flugein.  Zefyros  mit  geflugeheu  Schli« 
fen  bei  FhiloHrat.  Gefiügelt  Ovids  Notus,  Japiter 
Piavius  auf  Antonins  $eule,  2etGis  und  Kalais  nebil 
andern  Boreaden  bei  Pindar  and  Späteren.  Bo/eaden 
im  Wettlaufe  beüegt  bei  älteren  Argonautikem. 
Winde  vx  Rofswagen  bei  Earipides  «nd  rdmifdien 
Dichtern.  Cerdas  and  Heynens  Erklärung  einer 
S«elle  des  Horaz  widerlegt. 


XVIII  INHALT. 

BR.  XXXVI.  Pegafus«  nicht  erwähnt  Ton  Hotner.  B«i 
Heiiodas  ftiirmender  Luftvaudler.    Geflügelt  genannt 

i.  y  bei  Pindar,  dargefteUt  bei  Euripides.  Bei  ihm,  wif 
bei  Heflbdus ,  Zeus  Donner  tragend ;  auch  von  Zeus 
dcrEos  gefchenkt.  Weide  der  Götterthlere.  Sternbild 
£ies  Pferdes  Pegafus.     Dies  ohne  Flügel     Aefanlich- 

,  keit  des   Pegafus  mit  anderen  Götterrofren.    Auch 

^uf  Münzen  zuweilen  ung^flögelt,  Co  wie  nicht 
jedes  geflügelte  Rois  Pegafus. 

BR«  XXXVII.  Goldener  Widder.  Abftammung.  Fell 
golden  bei  Hefiodus  und  Pherecydes,  fchimmernd, 
purpurn  bei  anderen.  Wandelnd  durch  Meer  und 
durch  Luft  bei  Dichtern,  durchs  Meer  auf  einem 
heckulanifcheu  Gemähide.  Ohne  Fitrige.  Efelein 
der  Götter  im  Gigitntenkampf  luftwandelnd«  fpäter 
beflügelt;  doch  flügellos  als  Sternbild. 

ER.  XXXVIII.  Leflings  feeiftimmuug  und  Unheil  über  die 
Mittel  der  bildenden  Kunft,  fchwere  Körper  als 
fchwebende  ia  zeigen.  Uebergang  zuf  Betrachtung 
der  fämtiichea  Flügelgötten 


I. 

XlrnftlMifte  Antwort,  Lieber.  Der  Auftrag  kSmmt 
von  treuni  O  ^^  in  London,  tiem  die  Sache  am 
H6r2en  liegt; 

Er  loa  2uföll!g  In  deutfchen  Zeitfchriften  von 
.  dem  anerwarteten  Lichte,  das  neulich  bei  uns  über 
die  Wtefte  Mythologie  der  Griechen  verbreitet 
worden ,  doch  leider  noch  immer  nicht  zn  den 
benachbarten  Völkern  gedrungen  fei*  Diefen  be- 
daurenden  Ausruf  fand  er,  fo  oft  ein  ausländifchea 
Werk  über  Gegenftände  der  Mythologie,  fogat 
ans  Pohlen,.  wie  neulich  der  Fall  war»  auch  Ubri« 
gens  nicht  ohne  Beifall,  angeäseigt  wurde }  und 
dabei  eine  lebhafte  Salve  von  JUytkmf  PUtofo^ 
phemem  und  tthnlicben  Modewörtern.  Der  fault 
firleffchreiber  kam  in  Bewegung,  \^nd  bat  mich  in 
einer  langen  E^iOel  am  Nachweifang  des  Lichte 
Er  habe  die  genaa&teften  «Schriften  der  Sehnte» 
die  jeso  den  Ton  angebe,  doch  xiemiich  ^  ken* 
nen  gemeint;  aber  gerade  das  Haupthtti^ft  ii| 
welchem  fUr  feint  LieblingBWidenfefaa&  ein  (^ 
nnerwartetiea  Licht  ftrale»  fei  ahm  üitcfat  .Vorg<» 
kommem.  i .    :     s 


a         MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   I.  B. 

Was  foll  ich  ihm  fagen,  ich  Einfiedler  im 
Winkel  Deutfchlands!  Es  kann  heller  Tag  auf 
Höhen  und  Ebenen  fein ,  eh  ein  verftoblener 
Schimmer  in  meine  Waldklaufe  dämmert  Sie, 
Weltkundiger,  müflen  mir  aushelfen. 

Ihr  Vorfchlag ,  das  Handbuch  der  Mt^thotogie 
jvon  Martin  Gottfried  Hermann^  zwei  Bände  von 
3787  ^i'^d  1790,  nebfi  zwei  Forreden  vom  Herr^ 
Hofrath  Heyne,  als  das  neu  erfchienene  Licht  zu 
empfehlen,  ift  luftig  genug.  Aber  er  kennt 
fchon  das  Geheimnis  der  Pofie,^ 

Sogar  argwöhnet  er,  dafs  unfere  Wortführer 
mit  ihrem  unerwarteten  Lichte  nichts  anders,  als 
.jenen  hüpfenden  Dunftflimmer,  wie  er  fich  aus- 
drückt, gemeint  haben.  Nur  weifs  er  nicht  recht, 
ob  er  die  Herren  eines  zu  fpafshäften  Ernftes,  oder 
eines  zu  ernfthaften  Spafses,  bezichtigen  foll. 

Das  Hermannifobe  Lehrbuch,  fagt  er,  habe 
äurch  feine  feltfame  Anlage  und  Ausfahrung  ihqi 
ein  paar  augenehme  Stündchen  gemacht;  wahr^ 
(bbeinlich  auch  anderen.  Sieh  felbft  überlaiTfsn^ 
hätte  das  Werklein  gewifs  in  ftiller  Verborgen- 
heit feinen  natürlichen  Gang  vollendet  Aber  die 
enpreifenden  Vorreden,  und  die  Nachhalle  davon 
ans  aHen  kritifchen  Hanfi^  lind  GUden,  fcfaeiaeti 
ihm  nicht  blofs  ein  mitleidige^  LädhcUi ,  fondem» 
damit  nicht  der  Unkundige  geteufcht,^«md  def» 
Geift  der  Unterfuchufg  gehemmt  werde»    eine 


ERSTER   BRIEF«  | 

warnende  Rüge  zu  verdienen«  Ich  will  Ibiieni 
was  er  über  die  erfte  Vorrede  fagt^  beilegen.  Ift 
die Befchuldigung  wahr,  fo  •  •  •  I  Nein,  fie  kann 
es  nich{  fain*  Wer  würde  fo  plump  betriegen^ 
oder  betrogen  werden  ? 

Alfo  gefchwhide  das  rechte  Bach !  Zwei  ge^ 
bundene  Exemplare:  denn  ich  bin  ielbft  neu« 
gierig, 

BEHAGE 

aus  dem  Briefe  des  Herrn  O  *  *. 

bie  haben  den  Vorredner,  den  Herrn  HofraA 
Heyne,  doch  mit  Bedacht  angehört?  Es  verlohnt 
fich,  ihn  noch  einmal  zu  hören. 

**Der  Verfaffer  hatte  vor  vUUn  Jahren  aof 
^^mrinenLekrßunden  den  Gedanken  gefafst:  Wenn 
''die  Mythologie  recht  follte  behandelt  werden^ 
<<fo  müfle  man  nicht  alle  JZiitalter,  alle  Arim 
'^voH  Dichter  (n),  mit  den  Erklärungen  ^mü 
''Träumen  der  Grammatiker,  in  Eines  werfen, 
^^noch  weniger,  nach  dem  Gebrauch  der  neueren 
**mythologifchen  Werke,  Erklärungshypothefejij 
**  einer  fremden  Art  beimifchen;  fondern  erft  di^ 
"Mythologie  der  HtUm  Zeiten ,  infonderh^il 
** Homers,  aus^ziehen  und  abhandeln;  dann  köuu^ 
"man  zu  den  Fabeln  der  Lyriker  und  der  Tra^i^ 
"  ker  fortgehen ,  und  fo  endlich  Licht  und  Ordnung 
"in  eine  Art  der  Ikenntnifle  brin|pen,  weiphe  gt • 
'A  a  '     > 


4        MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   I.  B. 

^^mdniglich  ein  verurörrtngs  Chaos  au«  gÄüd 
<*  heterogenen  Theilen  ift.  Dieren  Gedanken  hatte 
^•cr  nachher  ßr  fich  aufzuführen  gefacht,  und 
^•fchickte  mir  feine  Arbeit  2ur  Einficht  äü.  So 
•'unerwartet  mir  es  war,  eine  folche  Ausführung 
!<2u  fehenii  fo  wenig  voraus  eingenommen  ich  an 
H^die  Prüfung  ging;  fo  fand  ich  doch  bald  in  Aet 
*« Ausführung,  fo  vielen  Fleiß ^  IVakl  und  gefim^ 
^*des  Unheil 9  dals  ich,  felbft  bei  einigen  Mängeln 
<«in  der  Darßeüung  und  im  Ausdruck^  dieNüz- 
•'Hchkeit  der  Arbeit  nicht  verkennen  konnte.  Ich 
«chatte  dabei  das  Vergnügen,  doch  endlich  einmü 
f'dii^  Bahn  gebrochen  zu  fehen,  da(s  eine  ver* 
^'nünftige  Mythologie  in  die  Hände  der  Studieren« 
^'den  gebracht  werden  kann»  Sieimmer  voükom* 
^^fnenerzn  machen»  ift  eine /^|c/t/#rr Sache  u.  f.  w.  f^* 

•  Wir  gutmütigen  Deutfcheri,  vor  welcheii 
einer  mit  folöhen  Vorreden ,  nicht  nur  uhgeftraf^ 
fondern  za  feinem  Vortheile,  erfchieinen  darf! 

Wer  nur  mit  einigem  Gefühle  des  AnftKnd!« 
gen,  ich  will  nicht  fagen«  mit  der  holdfeligeo 
Scheu,  die  den  Griechen  zur  Natur  gewordea 
war,  vor  einem  ehrwürdigen  Volke  auf trit,  der 
pfleget  fonft,  v/ie  erhaben  an  Einücht  er  immer 
fei,  dennoch  die  gehäilige Lehrermiene  Sorgfältig 
zu  vermeiden,  oder  zur  ianften  Freundlichkeit 
eines  Mitlemenden  zu  mildern«  Ich  halte  dafür^ 
ioie  hoch  fehr  ^iariaXT^  Deutfchgriecfaeh^  denen 


KaSTEH  BUIBF«  f 

allein  Wir  unfereBUdong  und  nnftren  Stand  imter 
geiftreichen  Völkeni  verdanken,  find  es  weniger 
dnrcb,  was  fie  gefagt»  als  wuz  dorchden  gefitteten 
fiürgerton  ausRom  und  Äthen^der^als  vor  Gleichen; 
Iraim^tig  mit  Achtung  und  Glimpf  redet ,  und  fo 
writ  von  der  fcblelchenden  Höfliehkeit,  wie  von 
dem  zuplumpendenBaqernftoI^,  iich  entfernet»   ; 

Und  jener  Mann,  der  immer  Artigkeit  und 
Befcheidehfaeü:  und  Humanität  im  Munde  führt» 
ftellt  ficb  da  öffentlich  in  feinem  akadendlbfaefi 
Prunke  hin.,  um  Jemand»  der  iicb  felbft  nieiik 
empfehlen  kann,  durch  fein  trockenes  Lehrecv« 
s^ugnis  zu  eDKpfelilen:  ier  Verfaffer  habe  vmt 
vieliU:  fahren  aus  Seinen  Likrflunden  imen  Ge^ 
dankm  aufgefaßt  ^  durch  dsfftm  fürfich  virfuekta 
Ausführung  er  jext  in  einer  bisher  ganz  verwdr^. 
vemn  WiJfenfAafi  Bahn  brechet  Den  dttftereit 
Jemand  erhebt  er  2um  Meifter  aHer  bisherigen 
Mythologen,  von  den  träumenden  Grammatikern 
bis  zu  den  neueren  Hypotbefenerfindern  ben^i^ 
und  läfst  uns  nachdenken:  was  Elr,  deiTen  vor^ 
vielen  Jahren  hingeworfene  Gedanken,  von  ekiem^ 
wenig  für  fich  eixmehmenden  2^örer  auch  man«», 
gelbaft  ausgeführt,  Licht  und  Ordnung  imChaos^ 
zu  (cbaffen  beftimmt  waren,  was  Er  f^fi;,  fajge* 
ich,  der  Lehrer  unferes  Lehrers,  aus  feinem  Stoffe 
zu  fi:hafFea  vermocht  hätte,  wenn  nicht  andere 
noch  wichtigere  Gefchäite  Ihn  abhielten  l  '  ^ 
A3 


f        MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  I«  B. 

•i'.  Bei  fliefem  Überfchwänglichen  Vomehmthuii, 
Dirarum  verhehlte  der  Mann  den  wefentlichen  An-t 
tbeiif  den  er  felbft  auch  an  der  Ausführung  hat? 
Glaubte  er  dadurch  befcheiden »  oder  fogar  edel« 
shütig  gegen  den  Enlipfoblenen  212  erfcheinen? 
Und  berechnete  er,  der'  im  Stillen  zu  «wirken 
gewohnt  ift>  wie  fehr  diefer  Schein  die  JubeltOM 
Öer  Anhänge  erhöhn  würde? 

«  Ks  blieb  ja  dem  ungeachtet  kdn  Geheimnis^ 
daist  äufserdem  au%efafsten  Gedanken,  woraus 
der  Entwurf:  des  Ganzeh  fich  entfpaon »  auch  d^i 
wefentliche  Inhalt  ^.  zumal  <]es  erften  Bandei^ 
wenn  wir  die  poflierlichen  Auszüge  dus  Homer 
abrechnen ,.  üftft  einzig  und  aliein  aus  Herrn 
Heynens  Schriften  nicht  nur^  fondem  —  o  wiß 
gutmütigen  Deutfchen !  —  aus  einem  fchteekt 
mackgefchriebenin  KoOegium  über  die  griechifcken 
AUerthümeTi  wörtlich  entlehnt  worden  fei» 

Das  lebhafte  Völklein  der  Anhänger  fand  alfo 
mit  froher  Beftürzunjg  das  gefamte  Licht  wieder, 
^as  jedem  einzelneil  in  feinen  glfickHchften  Stun-^ 
den  über  die  Mythologie  gefchimmerit  hatte;  un^ 
Von  allen  Richterftühlen  und  Ausrüferbühnen  ward 
Erleuchtung  Deutfchlands,  Erleuchtung  Europa'sy 
«uspofaunt. 

.^  Dafs  4ocb  keiner  den  groben  Betrug  aufdeckt^ 
itmd  die  £hre  des  deutfchen  Namens  rettet! 


ZWEITEir  BRIBF.  7 

IL 

Wahrhaftig?  Freund  O**  hätte  den  Fleck  ge- 
troffen? Sie  wiiTen  keinen  anderen  Inbegrif  des 
neuen  mytbologifchen  Lichtes  ^  als  das  Herman« 
nifcbe  Handbüchjein»  dem  ja  der  Vorredner  felbft; 
das  Verdienft,  ein  verworrenes  Chaos  gebahnt 
ijsd  erleuchtet  3u. haben»  einrifnipe. 

Nun  kann  ich  aufathmen!  Mir  wir  ctwiM 
fchwul,  es  machte  gsLUZ  im  .Verborgenen  noch 
irgend  ein  Licht  ftralen,  das  meine  bei  Virgil^ 
Landbau  (77.  323.  ///.  271.  391,  7r,387),  und' 
in  der  Schrift  über  Vkgils  Ton  und  Auslegung 
(S.  60)»  geäufserteq  Zweifel  an  der  gepriefenen 
Erleuchtung  befchämte. 

Zwar  hatte  ich  für  mich  einen  Mann  vbn  Wie« 
lands  Gebalt,  der  in  der  Vorrede  zu  Lucians 
Gö'ttergefprächen  (B.  2.  S.  6)  die  allegörirche 
Auslegung  der  Fabeln ,  jezt  Pkih/ophimagenumt^ 
als  eine  Neuerung  des  platonifchen  Zeitalters,  rikit 
lucianifcher  Laune  in  den  Winkel  ftellc  Zwar 
hatte  ich  auch  in  des  berühmten  Herrn  Heyne  fo 
wenigen»  als  obenhin  ftreifenden  Auffäzen,  und 
beiläufigen  Anmerkungen  über  die  Mythologie^ 
nicht  feit  geftern  mich  umgefehn,  undihnbeftfin- 
dig,  wo  es  giilt,  entweder  nicht  zi^  Haufe,  oder 
auf  dem  fahlen  Roffe  gefunden.  Befonder^  beim' 
Apollodor^  wo  jede  Seite  zum-Reden  auffordert;» 

A4 


8:       MTTHOI-ÖGISCHER  BRIEFE   I.  B*^ 

durfte  ich  des  Herau^eb^rsRedfeligkeifc  Über  Leie« 
arten  und  Citabe,  und  feine  Kax^lautheit  Über  dea 
Ilibalt,  da  gleich  wobt  y  was  er  noch  «u  weilen  fich 
entfallen  liefs,  mir  keines weges  nach  güldenea 
Worten  ausfah,*  für  ein  ßcberes  Wabrz^ekJieii 
iaken,  der  Prediger  der  Nphenphitofophimtt 
getraue  ficb  felbft  weder  mit  den  Mythen  ^  noch' 
mit  den  Phitofofhemini  Sq  ganz  aufs  Reine  ge^' 
koomien  za  fein* 

Doph  beffer  ift  beiler:  wir  wiflen  es  nun  von 
der  fieberten  Hand«  Bis  zum  Jahr  1787  tobte  das 
uralte  Chaos  der  Mythologie  in  pfadlofer  Ver- 
wirrung; und  nur  feiten  eimnal  fahn  wh:  das  ver- 
meifene  Abentheuer  eines  Streifzugeg  hinüber 
^rftaunt»  wie  doch  ein  Sterblicher^  gleich  jenem 
mütonifchen  Helden  (^Par.  hß.  2,  948)2 

0*irhix  «VjfMf »  tkrcutgh  ßtaitt  fough^  denfe^  $r  rwm^    . 

Däfdi  Moor'  ood Jahn»  durch  fiach,  rauh,  dicht  bimI  dinn^ 
Mit  Haupt,  Hand,  Schvmg*  und  Fufs  dea  Weg  Terfbig?, 
Bald  rchwiBimt,  bald  fiakt»  bald  ^atet»  kreucht  und  fkkgt» 

Aber  im  Winter  vor  der  OftcrmefTe  des  Jahrs  1787 
nach  gemeiner  Rechnung » jSebe  I  da  gefqbsA  das 
Wunder  der  Wunder!  Da  vereinigten  ficb  zur 
Ueherbrück^ng  des  chaotücbeo  Aufruhrs  zwei 


mui  7oi;  und  (Panul.  hfl.  lo»  288  > 

■■■   ■'  "■       ■     ■  '  ■     whMt  tl«e  mct 

T(^  s|^  4W  Aw»,  «o|[e«i«v  CMifM  <^«v# 
JFVam  U£k  /if  Jhügimg,     TV  azgre^tud  fiü 
V^atk  tffi^  bit  macc  fetfific^  hU  and  dvyi 
As^  with  #  tridtMt  fimtf^  and  fat'd  it  fn». 
Deef  ßfi'nini  bfOb  tbe  mol§  iaarin^ß.  vrt^ffft  m 
Over  the  foaming  ieif  hiih  ardfd,  a  hU^ 
Cftength  fradigimtS'^ 


fkk  fkaä^ 


Teft  oder  (cbiaminig,  das  m  ^ilicf  Fkit 
Auf  vogt*^  nnä  ab»  znlaminen  drängten  fief^ 
AndSminciid  beutcrretts.    Den  Schutt  anii  traf 
Des  Todes  Stab»  vcrfteiiicrB^,  kalt  wnd  dinr. 
XTie  ein  Tndent;  erbarlbbt  hfng  altes  ftfL 
TfefViM%e!nd  Kef  ihr  ungeheBres  VCetk 
Durch  Schattmgetö(^,  »nd  hocbgeviUbcf  ftanf 
Die  Brvckcy  labg  iiod  eodlot* 

Und  vir  ft&de/en  hd>ea  nichts  weiter  20  Ami^ 
als  ihr  paffagi  broad,  fmooih^  MtAy »  ineffenßwy 
den  breiten  Pfad,  bequem  mnSfmftnndunamß^ßigp 
welche  Freund  HetUf  von  feiner  fcblängeliuieQ 
Motter  mit  Namen  und  Kraft Jbeg»bt»  bis  au  den 
entlegenften  Enden  despelasgifthenUraltertbom« 
hinauf  bahnte  ^  in  bebagUcher  Sorgloügkeit  auf 
und  nieder  zu  v^en,  und  etwa  eine  vergeffen« 
A^5  ^ 


tO     MYTHOPpaiSCHER  BR?BFE  I.  B, 

VIBcke  oder  etil  fcbadbaftes  Gleis  a«32CQfüllen«  <^£« 
*' immer  vqH^omtneper  zu  mach?i) , ,, . fegt  j'aHfeut 
Heyne,  **ift  eine  leichtere  Sache.,, 

Der  Ton  unfers  O**  ift  Ihnen  glelcKwöhl  ein 
wenig  2a  grell.  Sei  das  Gefammeke  nur  gut;  was 
am  Woher  liege,  oder  an  des  Vorredner^  unfchul-. 
digem  H^rzensergufs,  der,  ohÄe  nun  eben  an  Sich 
zu  denken i  das  Gute,  wo  ers  find,  billigte? 

Das  meine  i/h  auch.  Mir  gefällt  der  Kiinftler 
nicht  übel,,  der  mit  gleicher  Treuherzigkeit  des 
gelungenen  fich  freut,  was  auch  die  AngafFer 
davon  fchwazen  mögen ,  als  er  das  mislungene, 
troz  den  grofsäugigen  AngaflPern ,  ftillfchweigend 
mit  deni  Quaft  überftreicht.  Auch  würde  O  **, 
wie  fehr  er  treiFenden  Ausdruck  liebt,  fich  wohl 
in  Acht  nehmen,  d^s  Ding  öffentlich  vor  den 
zarten  Ohren  der  Höflicheif  fo  barfch  einen  Betrug 
zu  nennen. .      .  ^ 

Aber  fchlau  darf  doch  in  der  That  die  Erfin- 
dung des  Herrn  Heyne  genannt  werden ,  da{s  ei 
die  Siebenfachen  eines  alten  Kollegiums,  welches 
er  felbft  der  Welt  vorzulegen  za  fcht|chtern  war, 
darch  einen  dunkelen  Jemand  in  Umluif  brachte; 
vnd  fie  menfchenfreundlich,  im  Vertrauen  auf  dal 
j^antim /a/ü  der  MiCwiffenden,  als  fremdes  Ver* 
Aieiiö:  anpries.  Was  gut  daran  fehlen ,  ward  nutt 
einzig  dem  nnfichtbaren  Werkmeifter  zqge# 
rechnet ,  und  noch  durch  den  Schein  der  Hebens* 


2WBITER  BtrCF.  tf 

wOrdigften  Entänfserapg  yerkliürt;  alles  mangel- 
hafte hingegen  gehörte  der  ftfimpernden  Gerelletu 
hknd.  War  das  nicht  piif&g  genag  angelegt  t 
Sie  IXcheln. 

Wie  aber,  Frennd,  wcnns  mit  der  ganzen 
JErleuchtung  und  Babnung  des  mythologiTcben 
Chaos  nur  Blendwerk  w^e^?  Wenn  uns  weder 
der  ausgeworfene  Gedanke,  er  fei  eigen  oder  wo 
iufgeraft,  noch  die  nach  Hennann  benannte  Aus» 
führung,  wie  ihr  wahrer  Urheber  auch  heifse, 
iiur  einen  dnzigen  Schritt  torwSrts  gebracht 
hätte,  fondem  viehnehr  aufgehalten  und  zurück« 
gefezfc. 

Doch  das  mögen  andere  ausmachen.  Wir 
beiden  wollen  dem  Poffenfpiel,  fo  lange  es  währt, 
gleichmütig  zufehn,  und  zuweilen  mit  einem 
ehrbaren  Blick  uns  begegnen. 

-  Schicken  Sie  mir  idoch,  SiMita  Ihnen  gefällt^ 
iBsrCorpus  delißi,  dieHeynifche  Vorlefung  über 
die  griechifchen  Altertbunier.  Vielleieht  ift  di^ 
Sache  fö  arg  nicht,  als  0**  fie  vorftellt.  Wollen 
Sie  auch  feine  Archäologie  beilegen  ?  Mich  deucht, 
Sie  verwandten  ziemlichen  Fleiß,  in  den  Lehr-r 
Äunden  des  Herrn  Heyne  es  ja  recht  gründlich 
zulernen,  wie  man  die  Alten —  nicht  verftehri 
inOjGre.    Andere  hatten  es  früher  weg. 


X^er  Gedanke  5  fagen  Sie  j .  ^^f^.  die  Mytfaologltf 
aus  alten  und  neuen  Begriffen  gemifght  fei,  dif 
man  gehörig  fcheiden  und  anordnen  mfifle,  war 

doch  fehr  richtig.  *   »    . 

Vud  fehr  gemehi.  Nur  nicht  gemeiner,  al^ 
peulich  der  lermende  Wunfeh  ^  die  Erdkunde  dei^ 
liriecben  nach  der  Zeitfolge  geordnet  2U  fehni^ 
Welchen  Wunfeh  man  auf  eben  die  Art,  wieJezQ 
die  Mythologie,  durch  veranftaltete  Auszüge  aus 
Jedem  befondereu  Schriffcfteller  von  Homer  an, 
in  Erfüllung  zu  bringen  fich  treuhers^g  ei^« 
bildete, 

Selbfl:  der  ehrÜche  Natalis  Comes  hat  die  i|n* 
Verächtlichen  Vorröthe  feines  mythologifcheh 
Speicners  nach  dem  Zeitalter  aufzufchichten  ge-* 
focht.  Und  ich  Ceze  hin^u ,  bedachtfemer'  undf 
richtiger i  als  Eteit  üey ne.  Depn  [er  läfst  die  die« 
gorifche  Deutung  nicht  als  atUs  PhihfofhenU^ 
Toranfchleicben,  fondern  befcbeiden  nachfolgen»  > 

Wenn  Herr  Heyne  fich  darauf  einfchrSnkte, 
jedes  Gottes^  z.  B.  Apollons  Erfcheinung  durchj 
^en  ganzen  Homer  einfach  z^  befcbreiben,  und 
hieraus  allgemeine  Betrachtungen  zu  folgern; 
wer  wollte  dagegen  fein?  Wer  wollte  nicht  gernj^ 
auch  wo  die  Folgerung  zu  gewagt  fchiene,  der 
Einbildung  ein  wenig  Spielraum  geilatten?  Wenn 


aber  Hefr  Heyne  gleich  damit  anfifngtt  Apollcn 
\jraf  ein  pelasgifches  Symbol  der  Sonne;  feine 
Pfeile  bedeuten  Stralen ,  feine  Haupthaare  bedeu* 
ten  Stralen,  fein  Schwert  bedeutet  Stralen,  und 
vne  die  Bedeutungen  weiter  heifsen ;  fo  ift  die 
natürliche  Frage?  H^oher  welßtfi  du  das?  Und 
die  ftotternde  Abtwort:  Aug  lj)äten  orfifchen 
Hymnen,  die  wohl  untefgefchoben  find;  au^ 
l^äten  Grammatlkfrn,  deren  Nachrichten  doch 
gleichwohl  bis  etwa  2u  den  Zeiten  des  Anaxa« 
goras  hinaufreichen  mögen.  Und  folch  ein  Nach«> 
deuter  thut  vorqehm  gegen  die  Deutungen  der 
Grammatiker  und  der  mitdeutenden  Neueren  l 

<<Nim  erft  das  AIce»  ohd  gehe  flcum  Neuen 
<<fortt  ,1  Dank  fUr  dm  gütigen  Satfa.  Aber  waa 
ift  älter,  W9S  weniger  alt?  <^£rft  Homejr  und 
'^Heiiodus,  dann  die  Lyriker,  und  darauf  die  Tra« 
<<giker!,»  O  das  wufsten  wir  sur  Noth.  Aber 
wie?  Homers  bucbftäblicjier  Sinn,  oder  ein 
geheimer? 

Sobald  der  Menfch  von  der  nShrenden  Eichel 
2ur  Eiche  emporfah ,  und  woh^rdie,  und  ef  felbft 
der  elende  ,  entftanden  fei,  nachdachte;  drängt» 
lieb  ihm  die  finnlicheVorfteUung  auf:  AHes  entftand 
«US  Erde ,  WaiSer  und  Luft.  Woher  diefe  debnt 
Aus  der  Sondefung  einef  unförmlich  gewirreten 
MaflTe  von  rohen  UrftofFen>  um- deren  Entdehung 
er  fo  wsnig,  als  um  einen  anfangslofen  Sonderef, 


14      MYTHOjLOatSCHER  fillUFE   I.  B. 

fich  bekümmerte.  So  wirkfame  Wefen  dachte  er 
ferner  ^  muffen  in  fich  eine  Urkraft  und  davon  ab» 
hängige  Kräfte  enthalten;  und  diefeinwohuende« 
Geifter  bildeten  fich  ihmalsPeFfoneninMenfcheB'» 
geftalt.  Daher  die  Gottheiten  Gäa,  Uranos,  Pontos 
famt  ihren  Zeugungen  und  Sipfchaften,  und 
der  Altvater  Chaos:  ans  deffen  wüftem  Tu# 
multy  durch  den  befreundenden  Eros ,  zuerft  die 
Erdvefte  als  eine  Scheibe  über  den  Tartaros  9  famt 
dem  inwendigen Erebos  und  Schattenreiche,  fich 
formte,  dann  die  Erde  von  felbft  die  wölbend« 
Himmelsvefte  und  die  Gebu-ge  erhob ,  und  um  die 
Mitte  zur  Faffung  des  inneren  Meers  fich  fenkte* 
Zu  diefen  göttlichen  Fabelperfonen  der  Weltent- 
ftehutig  gefeilten  fich  andere  der  Erdkunde  und 
der  Sittlichkeit:  wie  im  Weflien  am  Eingang  des 
Erebos  und  des  Tartaros  derHerlbher  des  umkrel- 
"fenden  Weltftromes  Okeanos,  und  die  Begriffe 
Jlacht,  Tod  und  Schlaf,  Träume,  Schickfale,  Krankp  '»' 
heiten  und  Plagen,  als  Perfonen  gedacht;  aih  ^' 
öftlichen  Ende  hinter  Kolchis  die  Gottheiten  des  ^^ 
l,ichts  und  der  Sonne.  Die  Kinder  des  Uranos  und  ^^ 
der  Gäa ,  von  dem  AUeinherfcher  Uranos  zurück*  ^ 
gefezt,  kamen  durch  den  jüngfl:en  Kronos,  deC  , ; 
feinen  Vater  zu  entmannen  fich  erkühnte,  zil  '^ 
Aemtern  der  Weltherfchaft ,  und  wurden  von  d^e^  ^^ 
zürnenden  Vater  Titanen,  oder  Ausfi:recker,  ge*    ^ ^' 

nannt    AberKwftOß,  unter  wddiem4iegoldeiW    J' 

Welt 


BRITTER   BRIEl*.  '       1$ 

Zeitbliihete,'  ward  wiederuin  feiner Mishandlon- 
gen  wegen  ^  von  dem  aufrührifchen  Sohne  Zetis 
Überwunden ,  und  mit  den  meiften  der  Titanen  in 
den  Tartaros  verftofsen:  nur  dem  friedlichen  Oke- 
anos,  dem  Helio^,  der  EosundSelene,  blieb  ihre 
Würde;  in  der  anderen  Aemter  tfaeiltenf  ch2Jeüs 
Brüder  und  Kinder «  dafs  Zeus  für  KronosHerfcher 
der  Luft,  Pofeidon  ftatt  desPontosMeerherfchef, 
und  Aidesan  desErebos  Stelle  König  desSchatte&- 
reichs  ward« 

Diefelbigen»  von  Hefiodasnnd  anderen,  mit 

wenigen  Abweichungen^    erzählten  Weltfabeln 

des  Alterthums  waren  alle  vor  Homer  imUmlinf* 

Wer  nun  jene  filteften  Erzählungen,  weil  Gegen- 

ft^nde  der  Natur  und  der  Sittlichkeit  als  handelnde 

Perfonen  auftreten,  allegorifche  nennen  will,  der 

mag  es;  nur  dafs  er  nicht  jede  einzelne  Handlung, 

die  fie  als  Perfonen  ausüben,  aus  den  Eigenfchäf« 

ten  des  Grundwefens  deutele«  Viel  weniger  noch 

ift   folches  bei  den  jüngeren,    aus  vergötterten 

Vorfahren  der  Verfcbiedenen  Stämme  allmählicli 

erhöhten,  Befiznehmem  der  alten  Namrwürdeh 

erlaubt:  um  deren  Perfönlichkeit  ich  nicht  einen 

Pfifferling  gäbe,   wenn  fie  keinen  Schritt  thua 

kannten «  ohne  was  zu  bedeuten.    Am  allerwcir 

nigften  finde  der  Unfug  Statt,   dafk  man  Umdeu« 

tungen  nachhoi^erifcher  Jahrhunderte  einmenge, 

da   Weltw<?isheji(  und  Prief^erf^haft»  mit  Woh^- 


|6     MYTHOftiOGISCHfik  BRIEFS  t,  B% 

voifott  jeae>  dieTe  mk  Lift>  den  ailtviltrifcheii 
Bildern  der  Anbetung  eioen  vemunftm^igerea 
Sinn  unterrcboben ,  und  da  vollende  die,  theiis 
von  der  Myftik»  tbeiU  von  der  bitdeaden  Kaaft,  vefw 
lüid^teti  Göttergeftalten  deo  Graoiinatikem  die 
vriUkührUchfteo  Einfalle  entlockten. 

Und  W6iin  2U  allen  den  Umbödmigen  und 
'Ümdeütungen  der  fpSteren  Alten  Herr  Heyne 
irbch  Fehlgriffe  der  fpäteften  Unterziehet 
und,  was  das  «rgfte  ift,  eigene  TrSume  fugti 
%venn  er  nach  def  Befiegung  der  Titane»  den 
Helios  durch  den  Apollo  vom  Sonnenwagen> 
den  Okeanos  durch  den  Pofeldoa  aus  dem  Meere 
.verdrKngt  wihnetv  wenn  er  die  fÄmtlicbenGott. 
.heiten  des  Alterthums  mit  Flügeln,  Schwänzen 
und  Hörnern,  mit  doppeltem  GeTchlecht  und  uä- 
tnäTstger  Mi^nnUcfakeit  ausftattet,  und  wieder  dar^ 
ttuf  los  deutety  und  von  Mythen  und  Pkilo/bphe» 
fnm  ichreit,  und  um  Nachfchreier  2u  erwecken» 
Verbotene  KUnfte  anwendet:  —  foweifi  man  doch 
^wahrlich  nicht»  ob  mehr  db  Marktrcloeier^ 
^cheln  des  ^nwiilens  verdiene^  oder  die  LekhU 
glttubigkeit  der  wonaett^unkenen  Anftauner% 

>  Die  Gottheiten  des  alten  Griechenlands  ver«> 
Valten  die  mannigfkltigen  Be^i^irke  der  ^u(seril 
Katnr  und  der  fitdichen.  Sie  nehmen  wohl  £fgen-i 
fchaften  ihrer  Verwaltung  an ,  wie  Pofeidon  deg 
'fiUrmifchen  Mee^tSp  Aides  der  gfaunvoUen  Schat« 


DRiTTfiR    BRISP» 


17 


tenbchaufung,  Afrodite -der  Liebe,  9ir  Ge&nht 
des  Kunflfl^ifees,  Area  des  Schlachtengewfihlsj 
aber  fie  find  felbftändige,  nach  .Wiilkühr  und 
Laune  9  nicht  nach  fieifem  Zwange  der  Amts- 
pflicht ,  handelnde  Perfonen»  Die  Feflelung  det 
Zeus,  die  hangenden  Amboß»  an.den  FUfsen  der 
«ankfuchtigen  Here,  nnd  die  eheliche  Vertrau* 
lichkeit  beider  auf  Ida,  und  nichts  weniger,  ald 
allegorifche  Griffiaffen,  um  ^ns,  ich  weife  nichl^ 
Welche  GtheimnüTe  von  der.  obem  und  unteren 
Luft,  oder  vom  Stfeitfe  der  Elemente,  anfchaulich 
£u  machen.  W^  Ares  und  Afrodite  unter  dem  Ne« 
vorhatten,  (der  betrUbteHefäftos bezeuge  es,  und 
der  lüfterne  Hermes!)  war  ernfthafter  gemein^ 
.als  ein  fymbolifcher  Theaterkuf^  »wifchen  dea 
Popanzen ,  Mut  und  Holdfeligkeit.  »)  Weder 
Homer  noch  ein  kosmogonifcher  Vorgänger,  den 
man  vorfchieben  will,  hat  fo  froftig  gefinn- 
bildert. 

«PhilofoiAie  der  Vorwelt!  fymbolifche  Bü« 
•*derfprache  der  pplasgifchen  Waldn^enfcbent 
f*  Hüllen  phyfifcher  und  moralifcher  Dogmen  aua 
f  orfifchen  Myfterlen !  „  Das  läfst  fich  vortreflich 
anhören.   Aber  hat  man  denn  wohl  bedacht,  was 

'    ■ ■%  ■  ■■  ■  ' —7-; — 

^)  Dm  Heyti(  erklärt  gtr  das  Ke»  tut  tin  SIunbiM  dai 
philofophifcben  Sazes,  dafs. alles  tat  ^üi^¥  entftuulvtt 
fcL    Cmwu  dk  M,  lf9^  f.  i^k  ■■ ' 


18      MYTHOLOGISCHBU  BRlfiFfi   1.  B. 

das  Tagen  woUe^?  Schon  unter  den  Slteften  Horden 
einzelne  und  verbUndete  Weisheitslehrer  >  aud 
reiferen  Völkern  wahrfcheinlich,  fo  überweife^ 
dafs  fie  weit  erhabnere  und  geiftigere  Begriffe  von 
Vollkommenheit,  als  GemeiniSnn  und  Sprache 
fogar  211  Mien  vermochte,  in  vieldaitige  Sinn« 
bilder  für  das  anftarrende  Volk  eiiokleideten,  undi 
imlnnerftetl  derGeheimnifie>  durch  neue  Worte 
Vielleicht,  oder  durch  Gebehrden,  entrSzelten! 
Welch  eine  Vofftellüngl  Wo  denn  wÄe  für  ^na 
derSchlUflel  des  geheimen  VerftändniiTes?  Suchen 
\i^ir  ihn  bei  fpHteren  Weltweifen ,  iPrielbern  und 
Grammatikern?  Oder  IMfst  ficb  das  Heiligthuiü 
mit  jedem  einhakenden  Wi^,  mit  dem  erAen 
fchiefen  Einfall  >  aufdietrichen? 

Freue  fich  ein  anderer  des  ahhdungsvolien 
Halblichtes,  worin  Ammen  fo  behaglich  ift,  und 
Kindern!  Wir  erkennen  auch  hier  den ftillen Gang 
der  Natur,  die  kaum  werdendes,  nur  gewordenes 
zeigt.  Wir  fehn,  wie  des  halbthierifchen  Eichel* 
eifers,  des  unftäteh  Jägers  und  Hirten,  des  rohen 
Anpilanzers,  des  gefelligereii  Bürgers ,  immer 
weniger  grobe  Vorfiellungen  von  menfchlichef 
und  tibermenfchlicher  Kraft,  durch  die  klügeren 
für  jeden  Zeitraum  öffehtlich  und  ingehöim  ge^ 
leitet,  •aUgemach  in  geiftige  Begriffe  Von  Tugend 
imd  Rechtfchaffenheit  übergmgen.  Wir  glauben 
mit  dem  weilen  Xienofanes:    Wie  die  Rinder^ 


DRITTER    BRIEF.  ^i^ 

die  Löwen  und  die  RoflTe,  fals  fie  zu  bilden  ver« 
möchten ,  die  Götter  als  die  voUkommenften  ihrer 
Gattung  vöfftellen  würden;  fo  habe  fie  auch  der 
Men(ch  Von  jeher  fich  felbft  ähnlich  an  Zeugnng» 
an  Bau»  an  Pflege,  an  Gemütsart  gefabelt:  dafi 
fie,  "Wie  an  Geftalt  den  Aethiopen  fchwarz,  den 
Thraciern  blond  and  blauäugig,  fo  an  Gefinnung 
den  Barbaren  thierifch  und  wild,  den  Griechen 
gemildert,  aber  doch  leidenfchafdich,  zu  fein 
fchienen.  Man  muls  die  feltfamften,  die  usbe« 
.  greiflichften  Sprünge  der  Menfchenerziehung^ 
man  mufs  das  Wunder  einer  Sonne  um  Mitterw 
i^acht  annehmen,  oder  es  gelten  laffen:  da&,  je 
nachdem  der  Begrif  des  Edlen  und  des  Guten  fich 
läuterte,  auch  der  Adel  der  Menfchheit ,  der  E}eld 
und  der  Gott,  laus  fionlicher  GewalHamkeit  zq 
weifer  und  wohlthStiger  Macht  fich  erhoU 

Schon  vor  Homer  waren  geheime  Innungen^ 
die  heller  fafan,  als  die  Gemeinen  des  Zeitalters» 
Mögen  fie.  Mag  auch  Homer,  wie  aus  feinem 
Hymnus  an  Demeter  zu  fcMiefseii  ift,  mag  Jeder 
weifere  dort  durch  rein^e  Begriffe  ton  Gottheit 
und  Menfchenbefiimt^ufig  erweckt  oder  geßäiicf 
Worden  fein.  Sollen  wir  drunv  jene  vermutlichen 
WohlthSt^  ihrer  2eit  nach  delt  folgenden  Gew 
heimlehrern  beurlheilen,  denen  des  Lichts  draulaen 
zu  viel  ward,  denen^ein  ungeweiheter  Sokratey 
Dnruhe  mkOM?  ^^Uea  wir,  Wenn  dtefr  ibt 
Ba 


aO     MYTHOLOGISCHER  BRIBFE  T.  B. 

neuen  Lehren  .der  Wdtweisheit,  als  uralte  Saznn-« 
gen  ihres  Heiligthums,  in  angeblichen  Hymnen 
der  Ordensftifter,  troz  dem  Gelübde  der  Ver- 
fchwiegeiiheit,  öffentlich  vortrugen ,  die  Aecht- 
heit  ihrer  OfFenbarungen  auf  Glauben  annehmen? 
Und  foUen  wir  uns  bereden ,  Homer .  habe  aus 
folcher  Belehrung  den  vorgefundenen  wilden 
Zeichen  des  Uebematürlichen  einen  gezSbmteren 
Sinn  9  nur  Mitgeweiheten  verftändiich^  aufge- 
drängt? 

Homer  und  die  ältcften  Dichter  haben  die  wlir- 
digften  Volksbegriffe  ihrer  Zeiten  und  Gegenden 
ausgehoben,  und  durch  des  begeifterten  Herzens 
Licht  und  WSrme  unmerklich  veredelt.      Sein 
Zeus,  obgleich  noch  ein  Tyrann,^  der  feiner  rach- 
lüchtigen  Gemahlin,  um  den  Frevel  eines  Einzi- 
gen,  die  fromme  Mos  willig  mit  unwilligem 
Herzen  übergiebt  (!!•  4,  43),    erfcheiht  doch 
bi^reits  auf  dem. Wege  zur  milderen  Menfchlich-, 
keit    Er  erinnert  die  Unruhftifterin  zwar,  wie. 
er   wphl  fonft  mit   der  Qeifsel  £6  gezüchtigt 
(IL  I,  567),  oder  in  einerj  alten  Heraklee  fie 
mit  Ambofsen  an  den  FiUsen  in  der.  Luft  aufge-.  * 
hängt,  und  die  helfenden  Götter,  auf  die  Erde 
gefchleudert  habe  (II.  15,  18);  aber  es  kömmt 
doch  nimmer  zur  That :  ein  Schwank  des  HefKfto^ . 
«in  verftelltes  Wort  der  Argliftigen  befänftigt  ihn. 
Woher  diefe  Milderung?  Aus_4e9iJIerzen ,de«^  . 


DRITTER   BRIEF.  il 

«dien  gefühlvollen  Dichters.  AUenfJialben  leuch- 
tet es  entgegen y  daft  Homer  göttlicher  fei,  ab 
feine  Götter  und  Götterföhne.  Sein  Ächillens 
vollbringt  keine  Graufamkeit ,  ohne  da&  dex^ 
Dichter  ein  Ausdruck  der  Misbilligung :  der 
Schrecktiche  !  er  erfann  fckHndHchen  Frevel !  wie 
unwillkUhrlich  entßihrt  Und  vollends  OdyiTeu^ 
Penelopeia,  Telemachos,  die  Homer  mit  voller 
Herzlichkeit  darfteilte,  wieviel  würdiger  wä-en 
'fie,  die  Welt  zu  beberfchen,  und  Mufter  der 
Sterblichen  zu  fein,  als  die  altvätrifchen  Ideale 
Von  VoHfcommenhrft,  die  der  ppferer  anbetete, 
und  die  ein  Laie  nur  fanft  zu  berühreii  wagte! 
Siebtbar  entwickelt  fic}i  bei  Homer  der  Keim  der 
erhabenen  Menfchlichkeit,  die  im  Zeitalter  der 
Weltweißfaeit  zur  Blüte  kam«  und  unfterbliclie 
Früchte  trug« 

Nein,  tadeln  Sie  mir  nicht  den  ernffen 
Strafton  unferes  O  *  ♦!  VoU  von  fölchen- Gedan- 
ken über  üriprung,  Fortgang  und  Umbildung  der 
Mythologie,  die  ich  nur  fchwach  wiedergebe, 
mit  [welchem  Ekel  muiste  er  den  armfeligen, 
durch  Gro&thun  und  Ränke  erhobenen  Rath 
empfinden:  **Geh  von  Homer  zö  den  Lyrikern, 
**dann  zu  dei^Tragikern,  und  fo  weiter,  bis  da 
«Lichfc  baftJ,j  Und  ins  Öhr  gezifchelt:  «Aber 
<*lafs  eine  allegorifche  Erkliirung,  üb  Phitoßh- 
yfkemaf  yoi^nfcbleideni,, 

B3 


ai      MYTHQLQ0XSCHBiR  BRIEFK   I.  B. 

Im  erften  Bande  demnach  giebt  Herr  Hermann 
4ie  Mythen  Homers  und  Heliods  durch  einander» 
mit  willkührlichenP/fi/q/oflrAw^ii  gefpid^t;  indem 
er  alles  y  was  jene  Dichter  von  Gattern,  Helden 
.und  Menfchen  erzählf  haben ,  zur  Mythologie 
jr^hnet»  aber  dagegen  um  andere  Fabeln  de& 
Jiomerifchen  Zeitalters  unbeforgt  ift»  Im  zweiteii 
.fchüttet  er  eben  fo  die  JUtfthen  der  Lyriker  aus 
äen  erhaltenen  Fragmenten  uns  vor^  ohne  nach 
,ihrejQ  Zeitgenof&n  lieh  nmzufehn.  Und  ehe  er 
^ocb  an  die  S/Iyihen  der  Tragiker  gekommen  ift, 
wird  fchQO  Yofi  »Ue^  Seiten:  {Jchit  fMhi! 
I^erufen. 

m 

1  hun  Sie  das,  B4fter !  Selhft  aus  der  Quelle  ge^ 

fchöpft»  \&  der  Trunk  noch  eins  ib  erquickend» 
fiA  au^  dem  laolichen  Weifaär,  oder  gar  aus  der 
trS^D,  geiammelten  WafTergalle  voll  gefchwSnau 
ter  FrorchwQrmer.  Dort  oben  im  taoiendjähri« 
gen  Haindunkel  wollen  wir  brüderlich  einander 
jsutrinken»  und  dem  Genius  des  Gei^udels  eine 
jßlume  auf  den  Fels  I^en. 

Aber  wie  ift  das  möglich,  mein  alter  wackerer 
Freund»  dafs  Si^ die  gar  2a  fonderbare  Mühre  mir 
fo  lange  verhehlt  haben?  Da  ftehen  fie  ja  alle  nach 
der  Reihe  ^  d^  Hermannifchen  Mythenphihfo^ 
pkimi  über  den  ganzen  olympifchei^  Hof!  Jkk 


VIEHTSR  BRIEF.  AJ 

Stehen  fie  ja  Uar  und  deutlich,  mit  den  fdbig^ 
Gedanken  und  Wprten,  in  des  Herrn  Hofeiihs 
Heyne  Vorkfungen  über  dk^  grUchifchen  Altir" 
thümer^  ^lias  AntiquüHUn  genatmtp  nack  dem 
Leitfadin  des  Lambertusi  fiar/,£ln  paar  lu^c 
Schreibfehler  sd>gerechnet,  die  einem  Scbnell- 
fchreiber  indefs,  der  alle$  mitnehmen  wölken 
doch  getsxeza,  verzeihen  find. 

Herr  Hermann  hat  alfoaus  feines  Lehrers  Lehf^ 
ftunden  nicht  blofs  den  rohen  Gedanken»  er  hat 
auch  die  Ausbildung  des  Gedankens,  wenn  gleich 
etwas  mangelhaft,  aufgefafst;  ''Man  mtlfle  nicht 
«alle  Zeitalter  der  Mythologie,  alle  Arten  von 
'^Dichtern,  mit  den  erträumten  Erkliinu^en  der 
''Grammatiker  in  eins,  werfen,  noch  weniger, 
<<  wie  die  neueren  Mythologen,,  aus  eigenem  Gei^ 
<<him  hinzutrilumen ;  fondern  erft  die  JÜteren 
<' Fabeln,  •  infonderheit  Homers,  ausziehii  und 
4*abhandeUit  i^nd  dana  zu  den  fpUeren  foi^e« 
♦«gehen. ,» 

Natürlich  wird  fein  Handbuch  die  Gottheiten 
zuerft  lauter  und  unverfälfcht  ausziehn  und  ah- 
bandeln,  wie  Homer  »od  Heflodus  üe  lang;  und 
nur  etwa  die  Anzeige  fich  herajasnehmen,  welche 
Begriffe  aua  welchen  des  nächften  Alterthums 
veredelt  zu  fein  fcheinen.  Wofern  man  aber  der 
heiligen  Sage  bia  ins  entfernter^  Alterthum,  fogar 
bis  zum  ürl^ronge,  nachzugtÜbeln  fich  eialäfst; 

B  4    • 


S4     l^YTHOLOaiSCHER  BKUSFE  I.  Bä 

^  fa  wird  dJe  fbhtichteme  VerniHtong  bloß  mit 

allgemeinen   Bemerkungen  über  aufdämmernd^ 

Menfcblichkeifc ,  »nd  vorfichrigen  Enträzielongen 

der   Äerftreneten    Trümmer   von   Urgefchicbtö-^ 

alten  Gebräuchen  und  Götfcerbödem,  fich  BerfaH 

erfchmeicheln,  keineswegs  auf  Q)ätere  Ausfagea 

deutender  Weltweifen,  Priefter  und  Graramatikerv 

die  man  zu  nennen  iieh  fchärntj»  einen  trozenden 

J^ehrfas  hinftellen. 

' .  t 
Sein  Lehrer  hat  ihn  das  anders  gelehrt!  Nicht 

fcbtlchterne ,   nicht  drdfte  Vermutungen,'  nein 

die  AusQ)rüche  der'  fj)|tteren  Umdeuter  leibliaftig^ 

treten  in  jedem  Abfehnitte  als  uralte  Philofopheme^ 

ohne  Beweis,  keck  und  unbefangen  voran';  und 

hinterher  wird  denn  auch  gemeldet ,  was  Homer 

nnd  Hefiodus  aus  diefen  uralten  Sinnbildern  der 

Katar  und  der  Sittlichkeit  gemacht.haben* 

^^ffupiierp  oder^^«x,  eio  fejir  ^ufammengc^. 
**fezter  Begrif :  in  der  pelasgtfchen  Religion  ara 
**Dodona  die.  Natur,  in  der  orfifchen  die  obere 
**Luft;philofophifcb  betrachtet  daahöchfteWefen; 
"in  Kreta  ein  hiftoxifehes  Wefeni  den  Dichtern 
"ein  idealifches  oder  imaginäres  Wefen;  feiüe 
"FeiTehmg  bei  Homer  ein  phyfifches  Phänomen, 
"ein  Streit  der  Elemente,  worin  der  Aether 
**^ durch  Briareust^.da&  helfet,'  durch  eigene  Kraft, 
"obfieget  Diefe  Bilder ,  unter  welchen  ein  phi- 
"lofophifchkosmogopifcher  Dichter  feine  Hypo* 


VIKltTKR  BRIEF.  S$ 

^'tihefen  ausgedruckt  hatte,  nabmHomeraTsHiftorie 
«<m  (eine  Gedachte.  Dahin  gehört  a»cti  Jopitets 
<< Kette»  und  die  aufgehlUigte»  von  ihm  gefchb« 
.**gene  Juna,  u.  £  w. »» 

^^§unOf  gried>ifcb  Ber»^  wieder  einfehrzir« 
<<fiimmeögefezterBegrif:  mderorfifcfaenReKgion 
** die  untere  Luft,  oder  überhaupt  Luft;  inSamoa 
^aos  der  pelasgifchen  Religion  die  Königin  der 
« Götter  r  dan»,  mit  der  phönieifchen  Vena« 
«*  Urania  vermifcbt^  vorzüglich  in  Argofi»  die 
^  Natur;  dann  eine  htofie  Dkbtennafcbise  zu 
^feindfeligeni  Gebrauch  y  von  Homer  aus  alten 
<<Herakleen  veraUgemeiat,  aurMafebinerie»  wenn 
^f  etwas  £U  Verfatndern  war.  AUe  diefe  Ideen  hafc 
'^Horner  in  dier  Er^ihlung  von  SiretnBeiiager  aof 
^^Ida»  und  von  dem  gedroheten  Aufhangen  und 
<< Schlagen»  unter  einander  gemifcht:  wo»  nacb 
**  der  alten  Naturpbilolbphie,  die  obere  Luft>  oder 
"Jupiter»  der  Juno  als  unteren  Luft  zwei  Am- 
*^boise»  nemlich  £rddiinjQ:e  und  Meerdünfte  y  an 
"die  Füfse  hXi^t^  Auch  der  Mythus»  wo  Juno^ 
"Neptun  und  Apollo  (^denu  fo  miifle  man  fOr. 
"Athene  lefen)  den  Jupiter  binden  wollen»  ift 
"ein  Saz  der  alten  Philofophie  Vom  Streite  der 
"Elemente.  Doch  als  feindfelige  DichtermaTchinj» 
"läfst  iie  Homer  am.meiften  üguriren. ,» 

Ein  blaues  Wunder »  was  doch  der  Mann  hinter 
dein  Schirm  alles  weifs»  und  wie  er  die  altpUl« 
'  B  5 


BB      MTTHOlrdäiSCHER  BRIEFE   I.B; 

Hlnus  ymr  ÖeriBher '  des  utnringenderi'WeKiftroms, 
^er  nicht  k&ge  vor  Herodot  lieh  zum  Weltmeer 
*Osdehnte^i  niemals-  des  Mittelmeers;  Pofeidon  hin- 
gegen war  Herifcher  des  Mtttelmeers ,  niemals  deis 
«öfeisren  Stwifts  öäer  Meers.    • 

.  Sie  halben  genug?  Nun  bitte  ich  Sie!  Dlefe 
«ämlicheuiiiind  ähnliche  P/ii/o/opfcfm^,  die  jxiy&lm 
icbeDiÄmbdfse Hiebt  ausgenommen,  finden  fich 
'iiUziUmal  — rathenSie,  wo  !*-^  in  der  alten  Polten- 
dkammer  dies  ^talis  Comes.  -  Nor  freilich  befchei* 
^ener  fowohly  am  Ende  jeder  Äbtheilung,  zwei- 
(fklnd  \  und  <3ime  j>ausbackige  Wörter;  als'  auch 
/•VoUfiändiger.  und  gründliGber,  mit  Angabe  der 
j^äten  Gewährsmänner.  ^  Sogar  in  Benjamip 
Hederichs  mythologifchem  Lexikon,  das  Sie  fich 
^inmer  für  Ihren  Hermann  eiotaufchen  mögen,  ift 
^er  allegorlfche  Wuil  ^ns  Phurnutus,  Heraklides« 
JAofchopulus  und  dergleichen  Männern ,  in  einer 
•angetoeffenen  altlaunigen  Sprache,  mit  der  Auf* 
Ychrift:  Anderwtitig$  Deutungen:  zuikmmenge* 
Jbäuft  worden. 


dfin  ilMlichen  ErdkreFfe  geglaubten  Oceta*  zur  anderen 
Hemiffare,  nicht  eben  kuF  zv^^ölf  Monate ,  aber  doch 
für  den  Winter,  gingen.  ZvölF  Monate,  und  Erd- 
kugel, fchon  vor  Homer!  Und  diefes  fo  wichtig  ange- 
kündigte. Fhilofopfaem,  ift  gleich vohl  dem  Makrobias 
(  SüU  1 9  Z3  }  entwandt  wordin. 


xVIERTJER  BRIEF.  -    a^ 

O  des  tmvergleichliclien  Mahiles»  der  «Bf  die 
Träume  der  Grammatiker ,  und  auf  d!e  noch  tbö^ 
richteren  Erfcbeinwgen  der  Heueren  MythologenL 
vor  Seinem  Herman» ,  feitwärts  ;Iierab2iiblickeift 
fich  anmafst!  Ans  dem  verfchrieenesi  Trödel  der 
alten  und  der  neueften  Grammatiker  'bepackt  ec 
felbft  in  aller  Stille. feinen  Yef  trauten,  erfindet 
ihm  für  den  bisherigen  Namen  Aüegorii  dir  Päbelm^ 
den  prächtig  ins  Ohr  tönenden :  JPJdtofopkema  dtr. 
Mythen!  und  kömmt  dann  mit  glek:hgiUtigec 
Miene  wie  ein  Fremder  auf  den  M^kt,  um  dio 
verlegene  Waare  als  neumodifche  za  empfehlen» 

V.  ,- 

lljine  fo  erfiatmliche  Bekanntfchafl:  im  Innerften 
der  uralten  pelasgifchen ,  orfifchen,  pfaöniciibheo^ 
Sgj^ifchen  Religionsgeheimniile ,  womit  Herr' 
Heyne  vor  feinen  Lehrlingen  fleh  brfiftete.|  hitte 
doch  wohl  durch  einige  Belege  follen  gerecht* 
fertiget  werden ;  2umal  er  fonft  mit  fchimmem«*: 
den  Citaten  ganz  und  gar  nicht  zn  kargen  pflegt«. 
Schämte  er  üch ,  felbft  vor  feinen  Lehrliiigen,  miX< 
SSeugen  hervorzutreten  y  die  Jahrhunderte  jünger 
als  Homer,  theila  für  abfichtliche ,  Umdeuter,; 
tbeils  für  leichtgläubige  Träumer  bekannt,  tlieUa. 
des  frommen  Betrqgs.mehr  als  verdächtig  find? 

Wenigftens,  als  er  in  der  Vorrede  des  Lehr-* 
bochs  feinen  Gedanken^  dieMjj^tbdlogie  vernünftig' 


tm  ter  fiigt,  ^eiib«batid«ltt,  der  Welt  vorlegte,  ymt 
wr  Über  die  Quellen  jener  vorhomerirchen  Weis- 
lieit  eine  franke  ErkiSrang  fcbuldig«  Denn  Tchie«. 
nen  die  BrÜonlein  des  niyftlicfaen  Erkenntniifes 
fkm  Mcht,  oder  mit  achten  Adern  verfchTitteter 
Urquelten  ^vetmircht;  to  miifste  die  Läuterung 
lier  myftifchött  Wbfel,  ^10  vieHeicht  ihren  Mann 
iBrforderte,  bäßg  vorausgehn  vor  den  Fabeln  des 
liomerirchen  Zeitalters« 

Aber  obgleich  die  Worte,  Httefle  Philöfophii, 
P^arfteMngsarien  der  alten  Wtlt^  Keime  der  Reli^ 
fgitmsbegriffe  WffdPkUofophief  faieund  da  fchallen; 
fo  nahm  fich  der  Vorredwer  wohl  in  Acht,  feine 
«igene  Vorftellungsart  hierüber  zu  entwirren. 

..  Erft  da  der  aweite  Band  des  Mythenbochs,. 
tS^  mit  den  orfifchen  Hymnen  anfingt,  ihm  das 
Wort  abnöl;higte,  liefs  der  fcblaue  Vorredner,. 
mir  wie  im  Vorbeigehn ,  nur  gleichfam  zut  £nt- 
Ibhuldigung  des  Herrn  Hermann,  dafs  er  den 
alten  Lyrikern  folcherlei  Hymnen  voll  nenplato- 
nifcher  Philofopbie  vöranJchicke  9  £ch  folgendes 
verlauten: 

'  «Die  orfifche  :Hymne  ift  freilich  ein  fonder» 
««baresGemifch.  ßs  liegt  alte  kQSfnogonifcy  Fabel 
«ÄaiÄ  Grunde;  das  ift  nicht  zu  leugnen»  „  — * 
Ulan  fei  doch  fo  gut,  es  ja  nicht  zu  leugnen! 
Sönft  wird  er  böfe,  und  —  fchweigt !  —  "Aber 
<f  es  ift  ftoch  fHfkr  ffäUre  neujpta^ifcke  Verfiel^ 


FÜNFT&ft   BttlSF.  31 

''/Migirartdarintien  kenntlich.  ^  —  Ei  wirkHch?  — 
<<  Manches  fcbeint  aus  giwijfen  Jnitiin  entlehnt 
**  zu  fein ;  und  obendrein  FotksnUgüm  und  Super* 
"flitum  eigner  Art.  t,  —  Wie  der  Mann  ahndet! 
Zwar:  au^  gewijfen  Imtum  konnten  w^  auch 
wohl  rathen;  das  tragen  iie  an  der  Sdme,  die 
Hymnen  der  heiligen  BrUderrchafL  Aber  oben« 
drein  J^olkmBgion  eigtuer  Art^  und  SuperßUkm 
[yr^  mag  das  noch  befonders  fein?.)  wiedemm 
rigmerJrt:  daftehtmeinVerftandftille!—  *«Wir 
'*  würden  fie  tiuf  virdorbeue  pUti>fophifchi  Fahl 
^< nennen.,,  «^  Woraus  der  Ahndende  fo  viel 
ächte  Philo(ophemts  der  altkosmogonifchen  Fabel 
herausahnden  darf>  als  in  feinen  Kram  dienen! 
Wir  andern  nennen  üe  lieber  tinezu  altir  Myflik 
gefabelti  fuui  Phihfopkk.  —  ''  Der  Vcrfaffer  ift 
« ti^eit  entfernt  den  orfifchen  Hymnen,  die  wiruock 
^^katen,  ein  hohes  Alterthum  an^uweifen. ,» — 
Die  wir  noch  haben!  —  *^Aber  die  Idetn,  tim 
^  ThHt  weuigßenSf  fei  aue  aUeunrfifcheH  Myfiertem 
^^abgiteitet.^fr-  Da  ift  das  Loch!  da  will  er 
darchfchleichen!  Nicht  die  Hymnen  der  frommen 
Betrieger,  die  wir  noch  haben,  nicht  die  hiUt  er 
fOr  alt!  Behüte!  Aber  die  Ideen»  —  auch  die 
tucht  alle;  er  IXikt  fich  handeln! --*  einTfaeil  we« 
nigftens,  nur  die  unentbehrlichften  zu  einfachen 
Philofophemchen,  dünken  ihm  aus  alten  orfifch'en 
Uyftehen^  niobt  etwa  ^|eiLQß!esk,  neui  nitf  ferne 


3«      MYTHOXrOaiSCHER  BRIEFE   U  B, 

het  ableitet !  Freilich  mit  alferlei  trüben  Zaffizeny 
die  Ab«'  ein  geübter  Interpret  durch  einen  fimpel» 
Handgriff  darch  ein  Fiat,  fcheidet  und  klärt.  — 
*<Eiae  gewifl«  FWg«  wm  Vcrfi^rngsart  iäfet  fich» 
t^auch  n^ch  den  Spuren,  die  poch  ver  Piato*t 
*^'Zeittn  her  vctrhaadeÄ  find,  auffinden,  „  -^  Ais  ob 
Er  jemals  im  Ernft  Jene  Spuren  verfolgt  hätte! 
ImErnft,  fege  ich:  nicht  um  «ufeufinden,  was 
man  fucht;  ftmdern  äu  fuchen,  was  fich  finde» 

Als  weiffagender  Barde  und  Götterverföhner, 
x^rie  Thamyris,  Mopfiis,  Melampüs,  wird  der 
Thracier  Orfeus,  ÄWar  nicht  von  Homer,  aber 
von  Pindaf  ^Pyth  4,  313)»  Aefchylus  belmAri. 
ftofanes  (ra«.  1064),  nnd Pherecydes  belmScho-.. 
liaften  des  Apollomtfö (i,  ^3)  genannt:  wahrfcheJn- 
lieh  ans  Klteren  Argonaatikern;  denn  Pherecydes 
behauptete^,  Wie  gegen  ehie  herfchende  Meinung,' 
nicht  Orfeus  fei  mltgefchift,  fondern  Phitemmon,' 
der  dem  Schollaften  tiomers  (/f.  ä^  595)  Vater 
des  Thamyris  ift.  Eben  fo  frith  ftofsen  wir  auf 
eine  geheime  tiefellfchaft  von  Orflkern.  Herodot 
(fi,  8^)  «neidet,  e\n  Geweihter  der  orfifchen  und 
pythagorifchen  Orgien  dürfe  nicht  Iti  wollenen^' 
Gewände  beftättet  werden,  wovon  man  eine  h«t 
lige  Sage  habe/"  Plato  gedenlct  Xleg.  6)  des  orfi- 
fchen Lebelis,  das  der  Flelfchfpeife  fiöh  enthalte ; 
und  iCratyU)  der  ferklärung,  daß  d-wjaÄ,'  der  Leibi 
den  Kerket'  der  Vü&e&deh  Seile  andeute.     Bei 


FÜNFTER   BUiEF,  33 

Eoripldes  K^lRf^oL  ^953)  ftraft  Thefeni  den 
FrSmmImg,  c^jr  als  Diener  iles  Orfeiis,  mk 
feeltofer  Nahra&g  fich  bläht,  ond  in  Verchnuig 
dufifljger  Forflielti  fchwärint,  laber  den  Lüften 
fi:$hiiet.  Schon  jeet  alfo  mtcbten  die  Orfiker 
Anbruche  auf  hohes  AUberthurm,  welche  Eiui« 
pides^  wie  »lehfereii  Wahn,  .9ia£  der  Buhne  hin- 
gehen lie&k  Schwk'imende  GehrJCuche  verräth 
auch  der  Ausdruck  des  £uripides  (flic.  1267^ 
da&.DiiHsyfos  bei  den  Thraciem  weiflage:  weU 
cbes  der  Scfaoliaft  auf  da«  Orakel  des  Orfens  be« 
Kidit;  wofelbft  der  Dichter  iAlc.^^  Heilungs^ 
mittel  auf  tbrakifchen  Tafeln  kannte,  die  Orfeag 
der  AltQ  fchrieb,  und  die  (^CgcU  ^a)  nntef 
andern  in  Befchwl^rangsfort^^  bdcandeo,  hxuk^ 
Werke  von  Orfcus  nennt  bereits  Plato  i^[on\ 
mit  denen  des  Olympud  und  Thamyris,  fogar 
(ri^.  Ä^  ein  Gewühl  Von  Büchern,  wonach  dl6 
Oriäker  ihre  Entlundigungen  beforgten.  Diefo 
waren  es  wohl,,  die  J*an)bBch  (üi^.  Pytk.  34$ 
in  dorifcher  Mundart  gefchrieben  ä1i  fein  Ver- 
fiebert*  Aber  fcbon  AriftpteWs  {mim.  I,  §• 
gw.  anim.  d»  i)  bezeichnet  fie  als  fogenän&t^ 
orftfche  Lieder},  und  nach  Cicero  tiMtdewt.  Ty38) 
leugnete  er^  wie  Dionyfius  beim  Suidas,  die 
Aechtbeit  des  Dichters  Orfeus,  und  erklärte  föf 
den  Verfaflet  eines  orfifchen  Gedichts  den  Py^ 
tbaugoräer    C^kojKs.   ..Von  md«re^  ^phpften^ 

C 


^4      MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    !•  B, 

tfie  bis  in  die  (l)Äteften  Zeiten  fich  vervielfSltig* 
ten>  und  Lehren»  nicht  nur  der  Weltweisheit> 
Ibndern  endlich  (bgar  der  Bibel ,  f Ör  orfirche 
Ausgaben  >  werden  mehrere  Urheber  bei  den 
Vorgängern  des  Suidas  genannt»  Daher  eben 
das  verachtende  StUifchweigen  der  Alten  über 
diefe  Trugfchriften,  bis  zur  Geburt  Chrifti  hin* 
feb:  däKlemens,  ein  Bewunderer  der  orlifcheÄ 
Weisheit,  filr  ein  Vorbild  Homers  (ßroin.  6 
f.  618»  628)  tind  des  Weltwei&n  Heraklitus 
(^i  «24,  629)  deh  Aiisfehreiber  derfdben  zu 
halten  würdigte,  und  Athenagoras  Oegat  15) 
Inlc  de»  Märtyrer  Juftin  (tohort  16)  noch 
mehtfere  aus  Homer  entwandte  Verfe  für  einen 
Eaüb  des  ^ten  ttöbnfr»  anfihn. 

*  Vielehe  folge  von  Verftellungsart  wäre  hier 
aufzufinden,  die  jenen  nach  uralter  Allegorie 
fpürenden  Wunfch  begünftigte?  Wir  finden,  nur 
wandelbaren  Betrug,  der  fo  fchlau  nach  jedem 
ftetfchenden  Winde  fein  byftifches  ißewand  zu 
hängen  wufste,  wie  in'  irgend  einer  anderen 
der  pfäffifchen  Öefellfchaften* 

V  ^«Di6  Schriften  find*  neu,  ab«f  die  Ideen, 
«ium  Theil  wenigftens,  ftammen  aus  den  alte- 
«ftett.  Myfterien  tier  Pelasger!\,  Da  diefeti 
Schleichweg  Herr  Heyne  einmal  beGcbt  hatte; 
fo'konnteeifi  freilich 'nicht  mi^bil^en,  da&  fein 


Grfgiti  Hermdtin  auch  des  DioDjrfins  Hymnen 
als  Gedichte  des  lyrifcheii  Zeitalters  voll  araltef 
Philoropheme  auszog  ond  abhanddte;  ond  dalSi 
er  obendrein  and  den  Allegorien  der  Gramnuitiker 
fo  viel  herauswitterte  9  als  ihm  nach  Schimmel 
des  Alterdiums  roch.  Nur  biftteo  die  beiden 
wackeren  F^orfcher  anch  ifar^  Phnrnnte  nnd 
Mofchopule  eben  fo  ehrlich  nennen,  nnd  gegen 
die  Hymnen  des  Kaüimachoa  nnd  des  Proklot 
nicht  fprCide  thun  foUen« 

Ift  es  XU  hart,  auf  den  Herrn  Heyne  din 
trage  des  Gkero  anamwenden:  Ipfim  mraif  M 
alias  tnM  ßrranf 


VL 

Still  mir,  ftitU  Ich  weirs  ja,  ^ie  gern  Sie  alle« 
amm  Beften  Icefaren^  tind  liebe  Sie  dämm  nicht 
weniger;  wenn  Sie  anch,  was  den  gutm&Hgeti' 
Pomponen^  leidht  2n  begegnen  pflegt,  vor  Gifer 
den  einen  Theil  2u  befchönigen ,  den  Gegentheil 
nnverfehns  krankten*  Nicht  darin  befteht  ja  die 
Anklage,  dafs  ^der  Mann  nichts  erfunden  hat» 
Wer  konnte  Ihm  das  zarnnten?  gefezt  anch,  er 
lebte  nilcht  in  defm  litteraHfchen  Saifs  nnd  Braus; 
wovon  Sie  ein*fb  rbkrendestjenxfitüd^  entWerfta; 


36      MYTHOjLOaiSCHfiR  BRIEFE   t.  B. 

Nein  >  dafs  er ,  cht»  mtht  als  ein  paetr  teüfcheüd^ 
Benennungen  fUr  veraltete  Irrfale  erfunden  zu 
haben /fich  felbft  als  Erfinder  einer  wichtigen 
Kenntnis  jiusrief  und  ausrufen  niachte^ 

Herrn  Heynens  Abftüfuttgeti:  Homtifchi 
Faheln,  lyrifche  Uni  iragifchi:  Wollen  Sie  alk 
allgemeine  Bezeichnung  der  Zeitfolge  Verftehni' 
lind  dem  Herrn  Hermann  die  Schuld  aüfWslzen> 
äafe  er  .für  Fabeln  de&  homerifchen  Und  hefiodi* 
fchen  Zeitalters  nur  fchlechtweg  die  Fabeln  aud 
Homer  und  Heii0dus>  und  ^Ur  faj^n  au^.der 
lyfifchen  Zeit,  nur  die  >au^  d^n  g^dammellieil: 
^rucbftUcken  der  Lyriker,  gegek^Mbew-         .-^ 

Zu  geben  Verrpröchent  fagen  Sie!  Denn 
Vollftändig  gegeben  hat  er  nicht  einmal  die 
Fabeln  aus  Homer,  wie  v/el  fremdartiges  er  auch 
mit  der  Schaufel  fafste»  gefchweige  aus  Hefiodus^ 
3eiden  fehlt  z,  'B>  Päeon  oder-  Päon,  der  ahJer 
von  Apollon  verfcbiedeae  Götterarait,  WQVpn.  enj 
CS«  25)  kaum  im  Vorbeigehn . redet  j  beiden  die. 
Argonautenfahrt  djirch  den  Faüs  in  den.Oceanus» 
und  durch  den  Triton  ins  Mittelmeeit^  di?  fri^i- 
Ijch  >  wie  mehreres  der  Art ,  einen  nac])denken<». 
den  Sucher  erforderte  5, dem  Hefiodus  die  Heftia, 
obgleich  üe  in  der  Stammtafel  des,  Kronus  ver«^ 
fai^ii^efi  wkd,  ja  felbft  die  Latona  mjlt  ijiren  Kin^ 
dero. .  Pas  köqnte  noch.Jung^heii«  .  Aber»  dafii, 


Herr  Hermann  dit  fXmtUcben  Tragmente  Hefiods» 
die  fo  zahlreich  srfs  wichtig  für  Fabel  und  Erd« 
kundef  find»  v^rnachtüiSgte $  das  ift  tsu  arg.  Im 
Aösziige  der  homerifclien  Hymnen,  deren  Aker 
ihn  nichts  sttifkht,  fehlt  die  Abftammiing  der 
Selene,  im  ©l-fees  ihre  Tochter  Pandeia,  Prla- 
pu5»  Adrofte^^  Doch  wer  wig  fo  etwas  auf- 
fttche^  ? 

'  Dem  ungeachtet  fbltea  Sie  dem  Herrfi  Her- 
mann nicht  Unrecht  thun.  Er  verdient  noch 
immer  das  Lob ,  das  ihm  lein  Lehrer  in  der  Vor« 
rede  ertheilt»  jenen  Gedanken  ans  der  Lefarihinde 
wohl  gef«^^^  und  fogar»  *i0Feiter  gedacht  za 
Iiaben» 

Der  Lehrer,  nm  (feine  Wledererifcheiiinng  vor 
dem  zweiten  Bande  des  Mythenbuchs  zu  ent- 
fchnldfgen,  veri5)r?chb  uns  für  di<psmal  mehrSe* 
eeni^on  als  Vorrede^  Mit  Uritifbhem  Ernfte  blickt 
er  auf  den  vorigen  Band  zurück,  und  bekennt^ 
dafs  ihm  die  gefammdten  M3^hen  aus  Homep 
Hnd  Heiiodus  auch  keinen  Wunfch  übrig  lafTen. 
Eben  fo  ft'renge  beleuchtet  er  dranf  die  vorlie- 
gende Mythenfammlung  aus  d^n  Lyrikern,  be* 
klagt  nur  dabei  die  Dürftigkeit  diefes  Zeitalters 
gegen  das  vorige,,  weil^  ja  aus  der  lyrifchen^ 
Diditerklafle  fi>  gar  wenig  anf  un^  gekomjpc» 
M\  mü  £bhftmt  ^  ficb  felbft   zu  verheUen« 

Ca 


38     MYTHOLOGISCHER  0RISFE  l.B. 

ix^elcbe  unabfehbai^  Menge,  von  Fabeln  ans  bei« 
den  Zeitaltern  die  Bruchf^Ucke  anderer»  z^vt^ 
Theil  der  felbigen ,  Ücbriftftell^  nocb  darbieten,i 
Bis  zu  den  Lyrikern  nun»  meinet  er,  fei  da« 
Chaos  gebahnt;  die  Fortfezung  werde  nnsver« 
mutlich  in  die  Fabel  der  Tragiker  vi^fezem 

"Vermutlich  nicht!  „•  fagt  auf  der  anderen 
Seke  der  Verfafler»  der  bereits  Unrath  merkt« 
<<  Voraus  fbllen  gebn  die  Fragmente  derfilteftea 
<«  Dichter  und  Gefchichtfchreiber ,  namentlich 
f^des  Stafinus,  Arktinus,  Lefpbes,  Akufilaus, 
«^Hekatäusy  Pherecydes»  Heilanikus  und  anderer^ 
<<Selbft  den  in  diefem  Bande  gefammelten  My«p 
<*then  der  Lyriker  hätten  fie  vorgehen  foUen; 
<<  manche  wtlrden  dadurch  mehr  Ucht  erhalten 
*<  haben,  „ 

Ja  wohl  9  ja  wohU  Mehr  Licht,  und  eii| 
ganz  anderes  Licht  hätte  die  gefamte  Fabelknnde 
erhalten,  wenn  er  einfach  nach  dem  Alter,  aber 
voUftKndig,  fie  abgeftuft,  und  die  Allegorie  dea 
späteren  Umdeutern  gelaiTen  hätte!  Mit  wie 
jTchwerem  Herzen  mag  wohl  der  arme  Mann» 
da  er  das  fchon  fühlte,  nicht  nur  auf  jene  wich*» 
tigen  Fragmente,  vor  allen  desjenigen,  den  er 
«US  Scham  nicht  einmal  nennen  mag,  des  Hefio* 
dus,  zurtickgefibhaut  haben;  fondern,  was  noclie 
mpfindiicher  war,  auf  ein  gaiu&ea  «i^fphca  (3»ir 

/  / 


SXCH5TEK    BRIBF.  35|| 

dicht  des  lyrilchen  Zeitalters,  die  orfifehe  Ar« 
gonaotik,  die  er  beim  Ausziehen  der  orfifcben 
Hymnen  beftändig  in  der  Hand  führte ,  mid  . 
dennoch ,  weil  der  ausgeworfene  Gedanke  feines 
Lehrers  nur  Hymnen  und  Oden  zuließ »  nage* 
nuzt  aus  der  Hand  legen  mufste !  * 

Vermutlich,  weifsagen  wir  aus  dielbm  reo!« 
gen  Bekenntnis,  giebt  Herr  Hermann  deraifift 
eine  v^illige  Umarbeitung,  feines  durch  Irrldife 
misleiteten  und  Übereilten  Verfudis.  Wenigftens 
lä(st  fleh  Aicht  abfehn ,  wie  er  fein  verzogene» 
Spiel,  ohne  auf  allen  Seiten  gefcbb^en  zu  wer«^ 
deQ|  fortlpieleu  kann« 


Was  wir  doch  nachUfilig  find !  Jener  Gedanke' 
ans  derLehrftunde,  dafs,  um  urQ)rtingliche  und 
umgebildete  Fabel  zn  erkennen,  man  di4  ZHt^ 
folge  der  Erzähtir  beobachten  müfle,  war  ja 
von  der  Zugabe  begleitet:  auch  die  rerfchiedm* 
hnt  der  Dichtarten.  '^Mao  mUiTe  niclic  alle^ 
*^  Zeitalter  9  alle  Arten  von  Dichtem  9  mit  den 
^'Einfällen  der  Grammatiker  in  eins  werfen.  „ 

Vielleicht  wird  es  weniger  darauf  ankommen 
da&  die  Lyriker  fpiCtere  Erzähler,   als  dalk  die 
C4 


40     MYTHOtÖGISCHER  BRIEFS  I.  B. 

gitteren  Erzähler  zamTheü  Lyriker  finrf:  Lyri- 
ker, die  vielleicht  durch  höhere  Bcgeifterong 
und  Kunft  die  rohen  IWährchen  der  bomerifchea 
Einfalt  mögeD  geftubert  und  veredelt  habe».  — 
Wahrhaftig*  Hören  Sie,  wie  Herr  Heyne  ift 
fe:  erften  Vorrede  ficb  darüber  erklärt» 

**IKe  Mythen  haben  freilich  eine  andere  Ge^ 
^Rtit  gewönne» ,  wie  ße ,  bei  der  Ausbildung 
^iind  Verv^nkommnung  der  i>ich,tkufift »  voo 
•'.Dichter»  beliandeh  wnrde»,  welche  fbhoQ 
^Grundbegriffe  vom  f^efenttkhm  4er  DichU 
^kunfit  vendem  Eigentiiümlkken  jeder  Gattung^ 
^*uh4  Grundregeln  vom  Schonen  wei  Gefääigen^ 
**gefafet  hatten,  ,> 

Armer  Hon;ier!  Der  will  dich  beratisgebea 
Uod  erklären ,  der  dir  nicht  einnml  Grundbegrifft 
W!»  ^ef entliehen,  der  Dickümß  läist ;  der  weder 
deine  Erdkunde ,  deine  Begriffe  von  Erdkreis,, 
Himmel  und  Unterwelt,  verfteht,  noch  deine 
Fabeln ,  poch  die  Einrichtung  deiner  Häufer,^ 
noch  die  Anlage  deiner  Gedichte,  noch  dieWörde 
des  Vortrags,  die  Tonart,  die  Gedankenreibung» 
Shre  Umfaffung  und  Rundung,  den  Versbau» 
noch  —  ich  weiß  nicht,  was  er  deryi  eigentlich 
▼erfleht!  Er  hat  dirs  lange  gedroht,  und  die^ 
Drohung  durch  feine  Herolde  in  alle  vier  Winde 
•Qstrompetet!  Noch  neulich  hüttsn  wir  jemaxiid» 


«lEBfiNTTKR   BKISK'  '      4f 


'tet,  wii^  iem  Darios  ftin  Sltbive;  Jfertf 
mentot  zurief,  die  ErftHIang  dt9  Worts  dem 
großen  Manm  (fa  drückte  er  fich  a«s)  m  ikt 
Gewiffm  fcholL  Jihex  tröfte  dich;  noch  bum 
leb  die  Finger  rUbrea^ 

WiV  HBterbracben  den  Herrn  Heynes  Durch 
die  ^usbildiiBg^  alfi>  ond  VervofUtomiBRBng  der 
Plchtkunft ,  Bach  dem  rollen  Waldfltoger  Homer» 
vard  die  Geftalt  der  Myäien  verXxiderU  VtH^ 
ging  das  zu?  Antwort; 

(<Da  d9s  Bkktergtnit  Gegi»ßän(U  verfangt 
^^die  einer  Diehterbehandiung  oder  einer  duiM^ 
^fclun  Ausbildmg  f^big  find,  nn«!  eine  Sprache 
^«bedanf»  welche  ^niiiic/K  Dai^fteUnmg  befördert 9 
*«fo  ift  eine  ZaW  Mytben  in  Dichterfabet  über. 
*•  gegangen,  weit  fie  znr  DichUrbehan^ung 
*' vorzüglich  ge(bhickt  war;  und  in  die  Dichter^ 
^*fpracke  find  mythifikt  Bilder  %ni  Ausdrücke 
"aufgcnonunen,  verpflanzt  und  fo  eingew*urzelt,t 
**dafs  fie  nicht  mehr  auszurotten  find»  ,> 

*  Beim  Himnie}!  was  M  das?  Nach  Homer, 
da  man  erft  fühlte,  was  für  Gegenftttnde  und 
was  für  eine  Darfteliung  die£Mchtknnft  erfordere^ 
kamen  nene  Mythen  in  die  Diditerfabel,  und** 
neue  mytbifcbe  Bilder  und  Ausdrücke  in  die^ 
OicbterTpra^?'  Zum  Beifpiel?  In  der  zweiten 

C5 


4^      MTTHQJtpdIßCHea  £rRlfiF£   ;.  B. 

l^Qr^ede  ^ivi.der  Punkt  noch  -  einmal  «bertihrt;, 
4i3t  wird  uns  w  Licht  anfgeb«tw 

*<D;e  Behandlungsart  der  if'abel  durch  die 
**  Lyriker  Ift  diejenige,  weiche  den  lieber  gang 
•*zu  der  dramatifchen  gemacht,  und  grofse  l^er^ 
*^ändef^ngm  in  vielen  Mythen  veranlafst  .hat. 
*'Lifrifche  Begeiflerungf  Gßng  dfr  erhöhten  Bifh 
^^bildmgskraftf  Regelf  Naß  und  Zwang  der 
.**lyrifchen  Poefie,  .das  Lokale  und  d^s  Ferfänlichjß 
«in  Beziehung  auf  Götter,  lielden»  Sieger^ 
*♦  Opfer- und  gottesdienftliche  oder  Kampffeier* 
^^lichkeiten ,  lenkten  den  Dichter  auf  eigne  Ab* 
^Snderung  und  Behandlung  der  Fabel«  Die 
^ Fabel  fängt  nun  an,  imnier  mehr  und  meht 
««ein  blofses  Dkhtermateriak  zu  werden« », 

Sind  Sie  Uttger  geworden?  Ich  um  kein 
Haar!  So  viel  glaube  ich  ungefähr  eins^ufehui 
dafs  bei  Lyrikern  lyrlfche  Begeifterung  z\x  fein 
pflege,  auch  Gang  und  Flug  und  Schwung  der 
erhdhten  Einbildungskraft,  und  wa3  der  Redens* 
arten  noch  mehr  ift;  eben  fo  wohl  Regel  des 
begeiferten  Gangea,  wovon  Ibibft  Dionylba  die 
taumelnden  Dithyramben  nicht  entbindet;  gen 
w<^hnlicb  auch  Maf&  der  Strofe,  und  Zwijing  den 
Verfes,  nicht  minder  Lokales  und  Perfönliche^ 
o4er  Beziehung  auf  Ort,  Qelegepheit  und  Per-* 
ionen ;  u^darch  etwa  eip  PUidar,  fo  gut  aU  ein 


Aotimachns    oder   Aefchylus»   eine  b^fendera 

Stammrage  von  Lokris,  von  Aeghia»  von  Atheoi 

eu    befingen  veranlalst   ward.     Aber  wie  daa 

Eigenthttmlidbe  von  ii^nd  einer  Dichtart  nicht 

bloOi  denTondeaGeßioges  ftimme,  fondem  dit 

gefangene  Fabd  felbft  wefentlich  nmündero ;  wid 

ein  bekanntes  VoIkamMhrcbenp  je  nachdem  ein 

Pherecydes  und  Hellanikus  in  gemeiner  Rede  e* 

erzählte,   oder  ein  Epiker  nnd  Hymnendichter 

Im  Hexameter,  ein  Mimnermus  nnd  TyrtSua  im 

elegifchen  Verfe»   ein  Pindar  nnd  Archilochnt 

nnd  AlcSus  nnd  Sappho»  bald  ftOrmirch»  bald 

(anft,   zur  vieltönigen  Lyra   es  iäng,  immer 

anders  und  anders,  im  Inneren  fowoU  als  im 

Aeufseren^   erfcheine;    und   wie  dennoch  drei 

Abftufungen,   epifckt   tyrifch    und    dramatifck^ 

alle  VeriiQdemngen,  zugleich  der  Zeitfolge  nnd 

zugleich    der   Dichtarten,    urnftifen:  **    diefe 

unbegreiflichen    Dinge,  wovon   mir  der  Kopf 

fcbwindelt,  wird  der  Belebrer  mit  fidi  felbft  an^ 

einander  wirren,  und  fich  inswifcben  wie  der 

fprucbreiche    Sancho    tr£U(en,    wenn   ihn»  dhr 

Worte  den  Verfiand  Überliefern i  Ihr  verftebt  oddi 

idcht,  «her  der  liebe  Gott  verftebt  mich! 

Der  Mann  hat  iKuten  gehört,  aber  nicht  an« 
ibblagen  gefebn.  Allerdings  wimmelt  es  von 
Niuerungen  der  i^Abel  in  dem  Zieitranme  swlfchejR 


44      Bf YTXK>XOÜXSCHER  BRIEFE:   I.B. 

^wJfchen  Hefiödüs  und  den  Tragikern  ,*  deti*  er 
vom  zufällig  größeren  Nachlaffe  der  Lyriker 
den  lyrifchen  zu-  nennen  beliebt.  Viele  der 
Neuerungen  kennen  wir  durch  die  Lyriker,  viele 
äuroh  andere  Veberbringer,  Wer  nahm  tyrifehe 
Fabeh  je  in  anderem  Sinne,  als  ruflifcben  Thee^ 
beynifi^he  Interpretation»  oder  Shnlicbes  Tran^ 
fitogut? 

Durch  Irren ,  durch  kühnere  Fahrten  und 
Landhandel,  wurden  neue  Küften,  Meerbucbten, 
Seiche  tpit  neuen  Volksfagen  bekannt.  Der  Welt 
Enden  zogen  fich  zurück.  Die  alten  Weltwan« 
derer,  die  Argonauten,  lo,  Herakles,  Dionyfos 
und  die  Helden  von  Troja,  wurden  jgeue  Wege 
zu  neuen  Abentheuern  geführt  ^  und  mit 
neuen  Wanderern  vermehrt.  Gefelligerer  Um«* 
gang  mit  Fremden,  da  noch  kein  aus&hließendes 
Heil  erfunden  war»  mlA^hte  Götter  und  Ge^ 
brauche.  Rohe  Stammgätter  würden  durch  Ztt- 
{älle  zu  Voljksgöttern.  Hatte  der  Dichter  die 
Gottheiten  meift  ^urch  Kräfte  und  Sitten  unteiv 
icfaieden:  der  Bildoer  brauchte  Abzeichen  der 
Ge&alt,  Bezeichnungen  des'> Gangs  durch  Luft 
und  Gew^ffer;  er  ward  üppig,  und  that  mehr^ 
Weltweife  fUhUen  in  ßch  felbil  eine  erhabnere 
Gottheit,  als' die  Dämons  d^r  Akväter;  fie 
lehrten  Vertrautere  £m,  d9S.  Volk  durch  Uouteiw 


SIEBENTKR  BRIBF.  45 

taDg>  nicht  ohne  Gefahr»  Priefter  v^Snderten 
ihr  Ritual  nach  dem  Geifte  der  Zeit;  andere  bil« 
deten  die  G^itter  zu  Halbthi^ren»  noch  unge- 
heurer^  als  di^  der  ansfchweifei;ulen  Bildner,  und 
fiSherten  fich  den  Profanen  mit  ungebetenec 
EntÄiffefüng  der  fyniboli(chen  Scheufale.  Dcp 
Ton  der  Zeit  ward  täglich  verttadert,  und  hallte^ 
immer  mächtiger  und  eindringender,  auch  aui 
den  Lyrikern.  Doch  Sie  WüTen  es  ja,  und  Herr 
Heyne  bürt  nicht» 


vni. 

Sie  ge^en  es  mt^  den  Vornehmen  tjedanken  det 
Lehrftunde«  def  ein  Chaos  aufgeräumt  haben 
Will>  dUch  nuf  als  einen  bieA)nnenen  Ciedankett 
zu  Vertheidigeh.  Doch  bleiben  Sie  dabei,  es 
inüfTe  noch  ahders  izulkmtnenhäng6n}  ich  m&ife^ 
bei  dekh  heften  WüleH,  die  iSache»  wie  üe  i&p 
än^ufehh,  doch  noch  irgend  etwas  überfehn 
haben.  Wie  fonft  to  VieleÄ  ^WÄckereh  Männern 
die  handgreifliche  HCüfchüng  entgangen  W5re? 

Weil  viele  wackere  Männer  Wohl  was  andefei 
SU  thian  haben,  als  jedem  Kunftmache^  auf  die 
Fmger  tn  fehn.  Weil  Viele  gar  keinen  Bemf 
fttbleoy  die  SpielknCe  aeo  irren;  nicht  w^Q^gt 


H6      MYTHOLCQtSCklBR  BftlKFB   I.  B. 

tiicb  —  verzeihen  Sie,  Befter!  —  gleich  Ihfien^ 
Auf  andere  wackere  Männer  fich  verlaOTen» 

Geftehen  Sie  lieh  nur,  lieber  Entfchuldiger: 
es  war  kein  Gedanke  vom  guten  Genius»  die 
Fabel  nach  Zeitfolge  und  Dichtarten  in  home^ 
rifche,  lyrifche  und  tragifche  zu  theilen,  und 
nebenher  eine  iaitpelasgifcbe  voll  Naturphüo*. 
fophie  aus  berüchtigten  Schlupfwinkeln  ein* 
iufchleifen. 

Ein  Lehrer,  der  mit  redlichem  Emft,  jeder 
Gleifse  Von  Herzen  feind»  nur  Wahrheit  zu  er« 
forfchen  und  zu  verbreiten  ausginge;  htftte  dafür 
Ungefifhr  folche  Gedanken  den  befcheidenen 
Lehrlingen  In  Gedächtnis  und  Hefte  zu  Meli 
lÄvertraut:  -  * 

«Der  natürliche  Wunfeh,  ihr  Jfiinglinge ,  da(s 
<<erj[l  die  ältefte  Geftalt  der  Fabel,  und  d^nn  die 
*<* allmähliche  Umbildung  gezeigt  werde ,  fchelnt 
^<euch  wohl  eben  fo  nacÜrlich  ins  Werk  zu 
^•richten.  Ihr  irrt,  meine  Kinder.  Rlofs  die 
**  nachgebliebenen  Fabeln  aus  dem  Zeitalter  der 
<*  Homere  und  Hefiode  s^u  •fammeln  und  anzuord- 
•*nen,  ift  Männerarbeit,  Dafs  ihr  in  eurem 
*<Homer ,  in  eureha  Heiiodus ,  ddrch  Hiilfo  der 
«♦Regifter  herumwühlt,  wie  viel tdort  Über  jedeit 
••Gott  oder  Helden,  aus  gemeinei*  Volksfage 
*M>der  befonderer  Dichtung,  gefagt  worden  fei; 


ACHTER   BRIKP.  47 

^iati  ihr  tins  etwa  ApoUons  ganzen  Anibeil  an 
**ier  Handlung  3er  Ilias,  und  die  Schickfale  des 
^'OdyfTeus  und  aller  Mithandelnden  bis  zn  Iros 
*<dein  Bettler  hinab  atia  der  ganzen  OdyjQTee»  In 
«nur  längeren  Regiftern  vorfchaüfelt:  damit  \fk 
<*  wahrRch  die  Sache  nicht  abgcÖi'an.  •  Wir 
•«brauchen  und  \i^unfchen  eine  Von  allem  Fi^md^ 
"artigen  gef Huberte,  aber  ih  fleh  volliHCndTge 
^Sammlung,  nicht  jQur  aller  bekaimteren  Fabeln 
"von  Göttern  tmd  Götterföhnen,  die" in  den  vor« 
^«handenen  Werken  jener  Slteften  D^ter  6nt* 
*»\(reder  behandelt  Worden,  oder 2oAintg  berQhrt 
"und  angedeutet;  fotidem  2QgIeieh  aller  in  allen 
•'Brachftficken  Terbörgenen»  (b  tn^le  man  denk 
"tleiiodtis  (felbft  diefe  noch»  b  Schande!  liegen 
«vernachteffigt!)  ttnd  fo  viele 'fiiafa  den  nSchfteii 
^^Zeitgenotkn  und  Nachrcbreibern  d^s  Hefiodus» 
."einem  KadfnQS>  Akulllaus,  EamelriSy  Pherecy« 
**  des  >  und  anderen ,  in  deren  erfter  UmSndemn^ 
"die  vorige  Geftalt  noch  zo  erkennen  ift»  z«« 
^eignet;  wii^  brauchen,  o  merkt  es,  är  kDnftI* 
"gen  Forfcher,  eine  voUftlCndige,  mit  tiefdrin» 
"gendem  Fleifs  und  Urtheil  berichtigte  und  ^^ 
«ordnete  Sarnndütig  aller  und  jeder  «Iteftett 
"Volksfagen,  atfch  die  ohne  Namen  der  Urhebef 
"erzählt,  oder  in  alten  Religionsgebräuchea, 
"Götterbildniflen,  Orakelfpröchen,  aufbewahrt 
^'worden.    Diefe'miQ  iosgefaa't  «m  allen,  nuiü 


4$     1i{YT»[0:bpGI^CHER  BRI^FJS   un^ 

^^T-beU,  wenig  befuchten  SckrifteÄ  des  Alter* 
^^thuias*,  vom  fa^cbften  bis  2utfi  ]päte(ten  h«rab> 
]^<aiifzafucliea^  vom  Rotte  der  Zeit  -2urei^fge&i 
''^  flach  <km  di^^len  Gepräge  zaeikexmen^  und 
«jedem  feiaf^idi  «la^uweHenJ  bedenkt,  Fwun* 
y^^Cf  Welch  ^^aen  Mann  ^  erfordere}  Eisen 
^^  Matm  wahrlich^  .der  bei  forglofer  fitufse  und 
^hiA^ngIi«hfrin>  .weonaucli  tiioht  überfiulfigem 
7*BHche^voiT-athv|,  vieljäbrige  Stetigkek  ^mA 
*^lMÜi^  gewandtes  AtHidoagsverinägea,  fet^^ea 
^Scharffi5«f>  /©röftbafte-,  geg^  Scfaem.jofid 
:<'  Selbftheifc  ^^jf^heode .  Wabrhf  itsliebe,  ^^ä  neht 
f«  als  gemerpe  fiegri^  vom.  fortgimge  derjgtie« 
'««cfairchen  Sittliciikeit,  der  Weltweisfaeit,  ^eü 
^<iKiYeitnerkt;<fp|rtrllckeBden£rd«-  Dtid  Öiiinnets* 
^'kiHide>  eioer.nocfa  gap^  unafigebaiteteii^^  mi$ 
««felbft  <ich  heuctelfl^mcbtj)  wepig  bekaantoen 
;.<WüreÄfc^/5t»  die  wohlrfnjf  ebeR  dje  Aj:t  zn 
i^ergriiJadeii,  fem.,  mischte  ,:  )af^-:  yfMa  di^fef  ^lia» 
.^verrcfaiedeoen,  einander  duppbkrevizeadeii,  ftets 
^sacwact^ndeii.  SinwirkiUigep.auf  Voiksglaub^a 
!f<<»id  Göttepdjeaft,  tp  fich  vereiniget«  Ords^ä 
:>^  einer  nnd  der  andere  mich  b^te,  den  ffieiAe^ 
«^viellc^cbt  noch  ^a  fi^hwacbe  ,  Darfi^ellnng  ,  <J^ 
«'mit  Mühe  und  Schweifs.  2i(  eFobemlen>  mit 
ffAQSjdauren^ef:  Kraft  .anzubauenden  Q^fildeiSf 
f<  nicht  abfchreckte>  fondern  entflammte ,  zu 
«^Vfeurigem.  jSintfchla&p  zu,  kf^tg^  [hedsiQhtfyUfßf^ 


ACHTER   BRIEF.  49 

<' Ausführung  ermunterte!  0  dais  ich  dleFrende 
••erlebte,  von  einem  meiner  ehemaligen  Zuhörer, 
•*oder  vielmehr  Mitlemenden ,  war*  es  auch  erft 
•*als  Greis,  eingeführt  zu  werden  in  das  gelobte 
"Land,  und  die  erften Einrichtungen  des  künftig 
<< blühenden  Staates,  auch  durch  meinen  Rath, 
•^virenn  gleich  ohne  thtftige  Mitwirkung,  lieh 
"  entwickeln  zu  febn !  „ 

Was  meinen  Sie,  Trautefter?  Würde  einem 
fo  aufrichtig  lehrenden  Manne,  ein  Jüngling  wie 
Hölty,  (ach  er  fank,  ehe  die  Welt  feiner 
genofs!)  fchon  aus  den  erden  Lehrllunden  mit 
Scham  und  Unwillen  entronnen  fein?  (XJ.  Mnf. 
^783-  St.  4.  f.  344). 

IX- 

Wenn  die  Abtbeilung,  homerifchf  tyrifch^  tlnh 
t/iaüfcht  weder  dem  Urheber  diefes  Gedanken«^ 
noch  dem  Au^flihrer,  fonderlich  Ehre  zu  brin* 
gen  fcheint;  wein  von  beiden  gebührt  unfer 
Dank  für  die  Mühe,  dafs  er  jede  Rotte  Voo 
Fabeln  wiederum  nach  dem  Lokale  abfchaarte  ? 

Der  Vorredner  ahndet  nichts  gutes ,  indem 
er  diefen  Einfiill  in  der  erften  Vorrede  ganz  mit 
Stillfchweigen  Übergeht,  und  am  SchluiTe  der 
zweiten,    für    Recenfion    ausgegebenen,    mit 

D 


50      JMYTHOLOGISCHfiR  BRIEFE   I.  B. 

einer  verlegenen  Entfchuldigung,  die  nur  nicht 
tadelt^  ihn  beurlaubt, 

** Mythen  ohne  Lokal:  Mythen  von  beflimm* 
^*tem  Lokal  9  in  Europa  9  ^ßa,  und  Afrika. ,, 
,Wie  ordentlich,  wie  prachtvoll  das  klingt! 

Der  Verfaffer  hatte  wahrfcheinlich  davon  ge- 
hört, diefe  und  jene  Fabel  fei  durch  befuchte 
oder  angefiedelte  Fremdlinge  eingeführt  oder 
verändert  worden,  diefe  und  jene  aus  einhelmi- 
fchen  Volksmährchen  einzelner  Gegenden  ent* 
ftanden.  Aucfi  erinnerte  er  fich,  in  feines  Leh- 
rers my thologifchen  Bemerkungen ,  vorzüglich 
beim  Virgil  und  Apollodor;  die  pomphaften 
Töne  auf  ifch:  libyfche  und  Sgyptifche  Fabel, 
wo  der  griechifche  Seefahrer  ein  Wunder  aus 
der  fernen  Aegyptus  mid  Libya  erzählt  hatte, 
cyprifche  Fabel,  kretifche,  ätoUfche,  famothra- 
cifche, —  Warum  nicht  auch  kolchlfche,  eykld- 
pifche,  hyperborifche ,  äthiopifche?—  mitwoli 
luftigem  Schauer  behorcht  zu  haben.  Gat^ 
dachte  er,  wir  wollen  fie  alle  nach  der  Heimat 
In  geografifche  Ordnung  ftellen. 

^  Die  Heimat  zu  erforfchen  wird  nicht  da^ 
fchwerfte  der  Arbeit  fein.  Denn  die  alten  Gott* 
heiten  des  Weltalls:  der  Urvater  Chaos  mit  fei- 
ner Familie^  und  alles,  was  die*  Mutter  Erd« 
dem  ilimmel^,  dem  Meere  und  .dem  Täirtarus  go- 


JDf RUNTER  BRIKF.  5I 

babr,  und  die  Gefcfalecfater  des  Oceanus  nnd  der 
Titanen ,  auch  Kronos  noch ,  denke  ich ,  mit 
den  SeiQigen:  diefe  gehören  ja  wohl  dem  Gan« 
zen,  und  keinem  befonderen  Orte  an.  Wit 
nennen  iie  alfo  Mythen  tJme  Lokal. 

Hingegen  die  jüngeren  Götter  unter  demKro- 
niden  Zeus  iamt  ihren  Sipfcfaaften»  weil  iie  ge« 
wohnlich  die  Ahnentafeln  .der  Helden  anfangen, 
können  wir  wohl  mit  den  Helden  und  ihrem 
Gefolge,  felbft  mit  dem  Bettler  Iros  und  dem 
trojanifchen  Pferde,  in  Einen  Rummel  zujiäm« 
men werfen.  Nun  fragen  wir:  in  weichet 
Gegend  vorzüglich  erfcheint  der  Gott  oder  Held 
oder  Bettler?  und  wenn  mehrere  Antworten  fich 
aufdrängen,  entfcheidet  der  Würfel«  Die  ge- 
fondenen  Gegenden  nun  ordnen  wir,  wenil 
steht  nach  Homers  Welttafei»  doch  allenfals 
nach  unferem  Cellarios;  und  wir  bekommen 
JUf/theH  von  bifiimmtem  Lokid. 

So  erfand  fleh  ^ie  finnreiche  Anordnung, 
welche  im  erften  Abfcbnitt  als  artlos  unter  an« 
dem  die  Hefperiden  und  Gorgonen,  den  Geryon, 
idije  Chimäre,  die  Sfinx,  fogar  die  lemelTch» 
Schlange,  und  den  nemeiTphen Löwen,  auch  alle 
Stromgötter  der  Erde,  auch  Circe  und  Aeetes» 
den  Atlas,  und  diesf ämtlichen  Kinder  des  Kronus, 
attfziUlltj  aber  fcboa  aufzählend  den  güoft%9a 

Da 


51      MYTHOLOGISCHER  BRIEi^E   I.  B. 

Lefer  zum  zweiten  Abfchnitte  verweift,  wo 
^e  felbigen  Fabeln  als  örtliche  in  alle  Weltge^ 
gendep  herumgeftellt  werden.  ' 

Zwar  möchte  eine  folcbe  Anordnung  felbft, 
wie  die  Wahl  der  meiflen  Oerter,  durch  Würfel 
oder  Glückstopf  gefunden  zu  fein  fcheinen ;  da 
z.  B.  Zeus  nach  Kreta,  und  zugleich  zum  pelas« 
gifchen  Dodona,  feine  Brüder  Pofeidon  und 
Hades,  jener  nach  Achaja,  diefer  nach  Italien^ 
Welches  Homer  nicht  kannte ,  feine  Schwefte^ 
und  Gattin  nach  Argolis,  aber  zugleich  zu  ded 
Pelasgern  in  Samos ,  und  feine  Kinder  hiehia  und 

dorthin ,  verwiefen  werden. 

» 

^  **  Doch  jede  Claffifikation ,  „  fagt  Herr  Heynes 
<'hat  ihre  eigenen  Schwierigkeiten.  IndefleH 
<<wtu:  der  erfte  und  wichtigfte  SchHtt  vor  allem 
.^voraus zu  wagen:  dafs  die  Fabel  nach  der  Zeit 
**ihrer  Entßehung  und  Ansbüdung  geßellt  ward^ 
**  Vervollkommnen  läfst  fich  die  Sache  leicht  ,f 

Wie  fein  der  milde  Vorredner  die  Aufmerft^ 
famkeit  von  dem,  was  der  Verherlichung  un«»» 
ftthig  fcheint/ ablenkt  zum  Glanzvollereh,  deih 
Erften  und  Wichtigften,  das  aus  Seinen  Lehr^ 
ftimden  hervorging !  *-  Und  nun  bereife  Ein* 
gang  fand!  <<FQr  den  nachdenkenden  Gelehrt. 
«<teB,,i  ffigt  er  hinzu,  ««müflbn  fich  nun  eii^ 


NEUNTER  BRIEF.  5| 

<^  Menge  Gegenftände  in   «mem  ganz  «mieni 
^f  Lichte  darftellen. ,, 

Ach  das  Vergnügen  hierüber,  wie  folltft  es 

nicht  fein  zärtliches  Herz  mit  immer  regerem 

Wohlwollen  erweitem!  Vor  dem  erften  Binde 

geftand  er  noch  einige  Mängel  der  Darftellung 

iind  des  Ausdrucks.     Jezo  bemerkt  er:   <*dafii 

<<  durch   die  glückluki  Uebertragung  der  attm 

**  Dichterbilder  t  Ausdrücke  und  EHmörUr  in  das 

••  Deutfche  auch  einiger  Vortheil  für  —  Dichter^ 

^gefchmack   und   Dichterfpracke    zu    erwarten 

"fei. ,,  —    Ein  Verdienft,  das  unfer  Kunftrich- 

ter  des  Schönen,  der  (elbft  Mufter  der  reineUf 

edlen  und  zierlichen  Schreibart  im  Römifchen 

und  Deutfchen  aufftellte,  und  der  die  Meifter* 

werke  des  Vaterlands  in  feinen  Gekkrten  An* 

zeigen  von  jeher  mit  dem  feurigllen  Eifer  bewill« 

kommte,    nach  feinem    erhabenen   Ideal»   fehr 

wenigen     Uebertragungen    alter    Diehterbitderp 

Ausdrucke  und^  Beiwörter  in  das  Deutfche  zu^ 

erkennt 

X. 

C^in  brauchbares  Handbuch  znm  Nachfchlagen 
Wenigft'ens  möchten  Sie  doch  gern  an  Ihrem 
Hermann  befizen?  Ich  (ehe,  Sie  haben  ilm  nodi 
A  gebraucht 

I>3 


54     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   I.  B. 

*  Ihr  Vorwurf  zu  ftrenger  Gerechtigkeit,  die 
an  ÜDgerecbtigkeit  grenze,  nöthiget  mich,  Sie 
au  einem  kleinen  Spaziergang  darcb  diefes  — 
Schtarafentand  einzuladen.  Welche  Gegend 
folls  fein?  Nur  den  Bezirk  der  MShrchen  voa 
Ithaka,  ,wo  doch  wohl  nicht  die  häufigftea, 
Nachläffigkeiten  zu  vermuten  find,  laflen  Sie 
uns  fltlcbtig  dorchgehn. 

Gleich  Anfangs  wfrd  des  OdyfTeus  Mutter  Aö- 
tiklea  an  vier  und  mehreren  Orten  (S.  306-308^ 
364,   276)    Euryklea    genannt.     Von    Laertes 
darauf  wird  alles  und  jedes^  was  ihm  die  Odyffee 
nachfagt,.  als. Mythologie  erzählt^  auch  wie  er 
xulezt  gegen  die  Aufrührer  fich  gewafnet:  nur 
feine  entfcheidende  That,  dii  Erlegung  des  Eu^ 
fiithis,  wird  iftm  entzogen,   und  S.  336  dem 
Odyffeus  gegeben.    Dann  werden  S.  308  -  33^ 
als  Mythologie,    die   rämtlichen   Thaten    ui^d 
Schiekfale  des  Odyffeus  aus  Homers  beiden  Ge« 
dichten,   und,    fo    verfchieden    die  heiiodifche 
Fabel  auch  ift,    (denn  hier  erfcheinen  bereits 
Latiner  und  Tyrrhener)«  zugleich  aus  dem  Hefio* 
dus,  mit  der  fteiffchöfsig  -  galanten  Redfeligkeit 
•eines  Benjamin  Hederich,  auf  das  allerumftänd«* 
.lichfte  an  einander  gereiht;  ungeachtet  bei  d^ 
Muftemng  der  tbeilnehmend^n  Perfonen ,  die  dem 
llufterer  alle  zur  Mythologie  gehören  9  alle  md 


•     '       ZEHNTER   BRIEF«  5J 

jedeUmftSQde  der  homerifcben  AiuUIdiing,  um 
den  Bogen  2U  füllen,  von  neuem,  und  wieder 
iron  neuem»  bis  ins  kleinfte  verfolgt,  und  zalezt 
noch  einmal  im  Regifter,  wiederum  bei  jeder 
Perfon  befonders,  aufgezählt  werden»  Diefer 
jDxilcbftrömenden  Fülle,  wenn  ich  laSea  überlas 
So  überfezen  darf,  wollen  wir  etwas  Kahm  ab» 
fchöpfen. 

^*  Nachdem  Ulyffes  (S.  320)  mit  dem  Kllen 
•*der  Bäume  zwanzig  Tage  befcbäftigt  gewef^n, 
*«  verfertigte  eriii  vier  Tage»  das  Sctuf,  fo  weit^ 
*<dafs  er  es  — t  in  See  laffen  konnte.  „  Ein  treff- 
licher Baumeifter,  der  feine  Zelt  einzutheilen 
verlieht!  Homer  lagt:  Nachdem  er  zwanzig 
Bäume  ^gefällt,  verfertigte  er  in  vier  Tagen  den 
Flofe.  Herr  Hermann  erzählt  weiter:  "Den 
<< fünften  fegette  er  mit  günftigem  Winde,  mÜ 
<<allen  BedürfnüTen  von  der  Gt5ttin  verfehn,  nOt 
<<  welcher  er  den  Nauünous  und  Naufithous  ge- 
«zeugt  hatte  (HeC  Theog.'  loiÄ),  ai,  Co  dafs 
<<er  immer  den  Orion  zur  Linken  hatte.  „  Den 
Orion y  der  aufging  und  unterging,  ipamer  zur 
Jinken?  Homer  fiigti  die  Bärin  ^  die  nach  dem 
Orion  blickt, 

Reiter.  Den  Vlyües  in  Bettlerg6ftaUi^ 
welcher,  "nachdem  der  gleichfam  9riviliBg:irte 
•^«Bettkr  des  ülyffifchen  Haufe&i  jIsc  I^s»  g^gea 

D* 


'56     MYTHOLOGISCHER  BRtEVE   I.B. 

«ihn  den  kürzern  gezogen,  „  den  Freiem  die 
Fackeln  hielt  (ftatt,  die  Leuchtheerde  beforgte)» 
und  fonft  noch  allerlei  wunderliches  that 
(S.  329):  diefen  Bettler  Ulyfles  befahl  am 
Abend  Penetope  in  ihrer  Gegenwart  —  zu  bade» 
UMd  ihm  Kleider  zu  geben.  Ihm  die  Füfse  z% 
•wafchen ,  fagt  Homer ,  und  ein  Lager  zu  berei- 
ten. —  Und  ungeachtet  Ulyffes,  eä  verbat 
ward  dennoch  der  Bettler  vor  den  Augen  der 
Königin  gebadet,  wobei  diefe^  nebft  der  baden- 
den Euryklea,  viel  Aehnlichkeit  zwifchen  ihm 
und  dem  UlyiTes  bemerkte.  Nach  dem  Bade 
unterhielt  er  fich  nochmals  mit  der  Penelope» 
und  nun  ward  ausremacht:  Die  Freier  follten 
durch  zwölf  Axtgriffe  hindurch  fchiefsen ;  oder, 
wie  es  nachher  helfst,  nach  den  AxtgrifFen. 
Dazu  die  Anmerkung  S.  339:  ^^Axtgriffe^ 
9r$AtKtc:  (ich  dächte  xiAcxs/«):  ^^vsAfxvc  heifst  ei- 
'' gentlich  ein  Stab  mit  einem  Oehre;  weil  nun 
^'die  Stiele  von  Aexten  auch  Löcher  haben  (wo 
<' haben  iie  die?),  fo  hiefsen  auch  diefe  TffAexfc,» 

Der  Herold  SSedo»  wird  S.  336  und  35  r  zum 
TafitJHnger  der  Freier  ernannt.  Der  Kelch  oder 
vielmehr  der  große  Krug^  »enTne%  worin  Wein 
«ic  WaiTer  gemtfcht  wurde,  fott  S.  34Q  von  der 
Rechten  zur  Linken  gehn.  Nicht  doch;  der 
4M|fcbkragibmdmbewegt:  aber  der  W^U^fcbeok 


«EHNTEIt   BRIBF.  $J 

ttdt   der    Scböpfkanxie   ging   9wa^m^  frm  dir 

Linken  zur  RichUm,  der  glücklicheii  VorbedeiH 

tung-niregeiu    Der  Saabirt  Enmaus  heifst  S.  352 

ein  Sokm  der  pbdmcifchen  SUtvio»  die  sbn  ans 

dem  vttterlichei;i  Haufe  entführte.    Un()  Phüöüns 

fotl  ein  Hirte  aal  CephaUnn  fein,  wo  er  gleich- 

"«röbl  mit  den  Hoefden  ^  flüchten  denkt.    Der 

Mann  weiis  alfo  nicht,  da&  Cephaiiene  der  ipM* 

tere  Name  der  grofsen  Infel  war,  die  damaU  die 

oefallentfche  Samos  biefs;  Pbllötioa  aber  auf  der 

vorfpringenden  Vefte  der  Cepballener,  wo  NerU 

kos  lag,   die  Aufficbt  über  die  Rinder  führte. 

DoHos  hat  (S.  353)  eine  Frau,  Namens  Sicula; 

der  Ziegenhirt  Metanthius  ift  Sehafhirt;    und 

Enryklia  eine  Tochter  des  Opus. 

Vo^  der  Ebrenfacbe  mit  dem  gleicbfam  pri- 
yilegirten  Bettler  des  Ulyffifchen  Hanfes  werden 
S*  356  die  merkwürdigften  Ereignifle  nachgeholt. 
.^UiyiTes  fchlug  den  Irus  tu  äim  Nacken  unter 
*^dem  Okre^  dafs  der  Knochen  inwendig  entzwei 
"gix^g»  und  —  (was  denken  Sie?)  —  4ii 
^  Zähne  ausfielen.  „  Das  war  arg.  Bei  Homer 
fchlug  OdylTeus  ihm  den  Hals  unter  dem  Obre, 
äafs  der  Knochen  zerbrach,  und  er,  mit  den 
Zähnen  klappend,  zar  Erde  fank.  Nun  wie 
•weiter?  '^Dann  zog  er  ihn  bei  den  Beinen  bis 
.^an  die  änfierfte  Umzäunung  (Eine  Mauer  war 

D5 


58      MYTHOroÖlSCHEÄ  BlUÄFE  I.  B; 

'''es   doch  wohl,   Odyff.  jy,^  067)  .  .-..  ,   oad 

;'< hängte  ihm  eine  Tafche  am.,/    Was?   äßm 

Irus?   Sich  felBft,   fagt  Homer,   warf  er-djm 

abgelegten  Ranzen  um  die  Söhidten    -  -} 

■■  •      ■    'r    }.  ff* 

/<DerfcbTOaufendeAeoliis(S.377),  ein  PiW 

«der  alles  wegfreffehden  Zeit  j  wie  feine  zw^f 

"<•  Kinder  eine  Allegorie  auf  die  zwölf  Monat» 

'<*(  welches  altpelasgifche  Dogma   ein  Scholiaft 

«und  der  Herr  Hofrath  Heyne,  Exe.  ad  Virg- 

«Aen»  I,  bezeugen  muffen),   gab  dem  Ulyffes 

«* einen  ledernen  Schlauch  mit,  ü^orin  die  JTinde 

-:"  vtrfcMojfen  warm.  „    Die  Winde  felbft  fchwer- 

lich;  die  baufeten  an  den  vier  Enden  des  Er4- 

kreifes:  aber  den  Zauberfamen  der  Winde,  W\e 

'   ihn  nach  Scheffer  auch  die  Lappländer  in  Beutel 

und  Schläuche  cinfchliefsen.     Alfo  einen  Icder* 

»en  Schlauch  gab  ihm  Aeolus;,    was   ferner? 

'<*Und  welchen  Schlauch   Aeolus   vom  Jupiter 

**<hatte,  um  die  Winde fchweigend  und  blafendizu 

^^ machen,  ji     Was  denkt  iicfa  der  Mann?   einen 

Blafebalg,  oder  einen  Dudelfack?  Und  dies  Werfc-k 

ieug  feiner  Macht   gab  Aeolus  weg?    "Den 

«<  Schlauch  band  Aeolus  dem  Ulyffes  mit  einem 

'•«weifsenfilbernen  Bande,  der  woM  feine  BedetH 

'^Hung  gehabt,  abtr  der  Himmel  weiß  welche,  in 

-«das  Schif,   fo  daß  keiner  der   darinnen'  ver- 

«fchloffenen  Winde  blafen  konnte;  ui^  dem 


SEHtTTER   BRIEF«  5^ 

'*' Schiffe  fchtckte  er  nach  feiner  Lkktung  (ie$ 
'^^Scbifies  Lichtung!)  den  Zefyr  ntcb.,,  Mk 
dtefem  Zifp"  tkxinf  der  doch  wi^rcbeuilich  aus 
Weften  biMft,  ntStbigt  Herr.  Hemnanii'  den 
Ulyfles  (S.  314)»  von  der  liparifcben  Infel 
StroBgyle  oder  Hiera«  der  Refidenz  des  Aeolos» 
wie  der  Herr  Hofr«  Heyne  im  gedachten  Exknra 
ihn  gelehrt  hat>  Jkiiick  mn  Sicilien  herum« 
EDfabreo.  *) 


*)  £s  kam  mir  eipmal  <fer  Gedanke,  dem  Hejrra  Heyae 
und  dtn  Seinigen,  denen  die  alte,  Gengrafie  ein  Stof 
XQ  Tereinzehsa  Prettanfgaben  lar  junge  Mitbirger,  dtr 
Üu/ngkeit  iehkn»  auch  cme  Trtiifrage  Yonoleges» 
«le^  Inhalts: 

Wtr,  ^ne  dit  fabeU/afte  Welttafil  HwmtrT  €HS  ikm 
felbß  nnd  anderen  dunb  ScbHiJJe  s«  fndeHy  tttfi  $ei  tat" 
gefahren  Atßnzmgw  der  hifkinfihen  <3iartt,  die  irr-' 
fahrten  djts  Odyffens  um  SiciUen  und  halten  fi  km  tr^ 
Harm  verficht  \  dafi  der  Hefdj  ich  will  nicht  figen^ 
tioch  erßndkng^eteh ,  neiit,  nar  nicht  mtklng  fcheinei^^ 
dem  beßinmt  iihf  anfief  dem  Verptügen^  meine  müh* 
fmen  Verfuche  in  diefem  Fache  nicht  hiafi  durch  Rath^ 
fondem  durch  Tbat  niederznfihlagen  ^  weh  obendrein 
eine  framie.  V9n  hundert  bolländifchen  Dukaten. 

Der  Gedanke  bclaftigte  mich  einen  Aagenblick,  nad 
flog  wieder  weg»  Wai,  meinen  Sie,  varde  Herr 
Heyne  gelthan  haben?  Ueber  Inhumanität ^  oder,  mit 
feinem  nrbaneren  Liebtingsausdrack ,  über  Rufticitatp 
hätte  er  f>eiViüßg  Eemurrt>  und  ich  die  Sache  nidtt 
'   '    weiwr aftfijjghtieals&g»  >♦  •  <  ... 


^      MYTHOLpqiSCHER  BRIEFE   I.  B. 

Doch  v^ir  haben  wobi  beide  genug,  ßratrclie 
Aen  Schofel  y  wer  ihn  br(iuchen  kann.  Aber 
fprechen  Sie  mir  nicht  von  gs>n  ftrenger  Ge- 
rechtigkeit. . 

XL 

hie  find  erftauat;  Sie  begreifen  Dicht;  Sie 
können  nicht  glauben.  Ich  lobe  .Sie ,  Be&ei^, 
dafs  Sie  gutes  fo  leicht  glauben ,  und  nicht  gutes 
fo  fchwer.  Aber  indem  Sie  den  Mantel  der 
Liebe  um  eine  thätige  Innung  ausbreiten ,  foUen 
'.Sie  auch  Ihrem  einfiedlerifchen  Freunde  ein.  Zip« 
'  felchen  laiTen  9  den  Sie  fo  oft  ihren  wahrhaften 
und  guten  genannt  haben« 

Rechtfertigen  oder  entfchuldigen  ift  für  einen 
Wohldenkenden  ein  angenehmereis  Gefchäft,  als 
anklagen:  aber  nur  mit  Gerechtigkeit.  Sonfl: 
wird  man  Tbeilnehmer  des  BöfeUi  und  BeleidU 
ger  deiTen»  der  Böfet  abwenden  wollte. 

Fttr  den  VerfafTer  ift  allerdings  etwas»  wo 
nicht  zur  Entlbhuldignng»  doch  zur  Milderung 
der  Schuld  anzoführeA.  Er  tiberlegte  doph,  wie 
fein  Büchlein  zufammen  gekommen  war»  uqd 
unterwarf  es  vor  der  Prefle  dem  Urtheil  eines 
:  fachkundigen  und  ftrengen  Richters»  de^s  Herrn 
Hoftaths  Heyne:  den  mcht  w.enjger»  jalsHor»- 


kLFTER    BRIEF.  6t 

zens  Quintilius,  die  edle  Sekamf  und  die  Sehwi* 
ßer  der  Gerechtigkeit  9  die  unbefiechliche  Treui^ 
und  die  nackte  Ifahrheit,    zu  ihrem  Lieblinge 

auserkohren. 

Hpraz  befchreibt  in  der  Eplftel  an  die  Pifonea 
(V.  438)  den  geradedarch  gebenden  .  Ernfl-, 
womit  er  y  vir  bonus  &  pruäens,  ein  gutrr  v^i 
verfländiger  Ma^i^f  die  Schriften  feiner  freund^ 
beurtheilte: 

ilnmtüi»  fi  ^id  rtdUftfi  Coffige^  fodtf^ 
Hocy  ajihatM  ^  hoc.    Melius  U  f»Jfe  ne%ßr€U 
Bis  terfue  expertum  frußra  ?  deletf  jubtkatt 
Et  malt  UrnatQS  incndi  reddere  verfuf* 
Si  deftndere  deliäum  qnam  verttrt  rkdles; 
Nxl/iiifi  idtra  i;erhum^  am  operam  pmebat  inamm^ 
ijnin  ßkt  rivtdi  te^e  tf  tun  filus  amaref. 

Venn  dem  Qaintiliat  einer  vas  ?orlu:  Beflere,  Lieber, 
Oafy   crmahnt'  er,   and  das«     Kichtt  beflcret,  fprachft 

du,  erfinn'  ich; 
Denn  zwei». dreimal  verfucht'  ich  nöiibnft.    Dann  cflfi^ 

gebot  er; 
Und    dat    verbildete  Verk    aaf  den   Amboi«  wieder 

geleget, 
yVtnn   du»    anftatt   su    ändern,   den  Fehl   zn  terthet- 

digeu  fnchteft; 
Veder  Vort  nodiMfihe  terlor  er  weiter,  und  lieridfcii 
Frei  vom   Nebenbahler  dich   felbft  amt  dai  defne  bp- 

wundem. 


6fi     MYTHOj^oaiSCHKIL  BRZBF£  I.  B« 

'  Der  Beurtbeiler  der  Hermannifchen  Hätid*. 
ijBhrift  verfichert  ip  der  Vorrede  zum  crftea 
Bande:  <^ Er  habe  unbefangen ^  und  fogar  mis^ 
«^raai/cÄ,  geprüft;  aber  bald  fo  Vitien  Fkißp 
«*  fTahl  und  gefmdes  Urtheil  gefunden,  da&  er, 
«auch  bei  einigen  MBngeln  der  Darßeämgp 
«diefen  aufgeklärten  rcrtrag  der  Mythologie, 
<«\(rodurch  endlkk  einmal  Bahn  in  einem  cfer« 
^^worrenen  Chaos  gebrochen  ^rorden,  einer 
*^  öffentlichen  Billigung  nicht  unwDrdig  «chte. ,, 

Was  kann  der  arme  Hennanh,  dem,  felbft 
mit  bietet  ieffera  an  die  Treuen  des  Zirkels,  der 
Beifall  der  Einfichtsvollen ,  wie  er  vor  dem 
e weiten  Bande  ilch  vernehmen  läfst,  ganz  aner- 
wartet kam»  was  kann  er  daf Or,  dafe  fein  Quin« 
tilius  bei  nllzu  gefälliger  Laune  war,  «m  ihm 
die  Handfchrift  mit  ariftarchifchen  Randseichen 
Verbrämt:  Bejfete^  Lieber!  —  7Ügei  —  Auf 
den  Ambofsl  —  oder  mit  einem  allumfallbnden 
Worte  an  der  Stirne:  Ins  Fmer!  «r-  zurück« 
rufenden? 

Sein  Qulntilius  blätterte  hier  und  da,*  wir 
wollen  ihm  gerne  glauben,  mit  Mistrauen.  Bald 
aber,  als  ihn  von  allen  Seiten,  bei  häufigen  Er- 
hebungen Seines  Namens,  fogar  Seine  eigenen. 
Gedanken,  Seine  eigenen  Worte,  anlachten» 
mu&te  er  ilch  geftehn^  dais  ein  folcher  FUiß  «^ 


^es  Nach  -  und  Ausfchreibers ,  eine  fo  «lautere 
Ifahl  —  des  ftockgläubigen  Anhängers,  und 
ein  fo  gefundes  Urtheil  —  des  unanmafsenden 
BeKenners,  einer  .öffentlichen  Billigung  nicht 
unwürdig  fcbeine.  Und  was  auch  die  Schantf 
die  unbßßechüche'  Treue ,  and  die  nackte  Wahr* 
heitj  dagegen  flifterten;  Qaintilius,  ohne  ein- 
mal weiter  zu  lefen ,  &zt»  fich  hin ,  und  fchrieb 
dic^  rühmende  Vorrede. 

Gelefen  hätte  der  Lobredner  jenes  Gewirr 
von  UnwiiTenheit  und  Unfinn ,  und  alles ,  bis 
auf  einige  Mtagel  des  Ausdrucks,  preiswürdig 
gefunden  und  tüchtig,  durch  Fleifs ,  durch  Wahl 
und  gefundes  Urtheil,  zur  Aufklärung  der  Zeit- 
genoffen,  2um  Bahnbrechen  einer  verwilderten 
Wiffenfchaft,  zum  Ordnen  und  Ausfcfaaffen  ded 
tlten  Chaos? 

Unmöglich!  Gelefen  hat  er  nicht  einmal» 
.  wohin'  Selbftheit  oder  Furcht  ihn  zuerft  führeQ 
mufste,  die  aus  Seinen  Lehrftunden  aufgehafchtea 
Belehrungen  über  die  vornehmften  Götter,  vidi 
weniger  die  unerträglichen  Auszüge  aus  Ho- 
mer. Ja ,  nicht  bis  zur  fechften  Seite  einmal 
hat  er  gelefen»  ^ 

Sie  fehen  mkh  an?  Den  Bevreis  nächfteas» 


64     MYtHOV>ÖlSCH|C;it  BUMFe  I.  n. 

XIL 

Sie  (bllen  felbft  urtheilen,  ob  der  lobpreifende 
Vorredner  auch  nur  das  vornchmfte  feines  eige- 
nen  Beitrags,  die  Deutungen  der  grofsen  Götter, 
ob  er  auch  nur  bis  Pagina  6  könne  gelefen 
haben. 

In  dem  Gemengfei  ^iber  Apollo  belibrt  vmi 
Herr  Hermann  aus  feinem  Studentenhefte ,  ApoWo 
Smintbeus  fei  .vorgeftelk  worden. —  mt  rine 
fltaus.  "Diefer  Beinam^e,  „  fagt  er  S.  274^ 
•*  ift  von  dem  äolifchen  Worte  iriuv^^Qf  eine  Maus^ 
«abgeleitet;  und /0  wurde  Apollo  auch  vorge^r^ 
^'ßeüet.  —  Alfo  mufs  die  Maus  ein  eignes  Sym- 
••iol  von  einer  Eigenfchaft  des  Apollo  gewefen 
f<fein.  Fieüiicht  hat  etwa  die  M^ns  eine  Vor* 
«  empfindung  von  der  Veränderung  des  Wetten^ 
"die  mehreren  Thieren  gemein  ift,  und  daher 
««machte  man  fie  wahr fcheinlich  zu  dem  Symbol 
«des  Apollo  als  Wahrfagers. ,, 

Das  PhÜofophema  gehört  dem  Herrn  Hcyn^ 
oder  einem  älteren  Zeichendeuter,  der  wahr- 
fcheinlich  mit  wetterwendifchen  Mäufen  geplagf 
war.  Denn  piepende  Wiefelchen  und  Mäufia, 
fagt  AeHana  Thiergefchichte  (7,  8), .  bedeuten 
heftiges  Unwetter.  Daher  könnte  wohl  gar  das 
Sprichwort;  Er  hat  dett  Kopf  voU  Mäufe:  von 


einen  tSefahndenden  Grübler  entftanden  fein. 
Aber  Apollo  laie  rine  Mausl  Das  hfitte  Herf 
Heyne  gefagt?  Da  traue  Ich  Ihrem  Hefte,  mein 
Freund,  wo  Herr  Heyne  den  fminthifchen  Gott 
anfitodiger  tnittiner  Maus  aufftellet. 

Unfer  O**  bekennt,  dafs  diefer  Mäufegott 
ihn  2uerft  auf  die  Vermutung  eines  fehlerhaft 
nachgefcfarlebenen  Kollegiums  geRihrt  babe^^ 
Fad:  mb'chte  ich  deshalb  für  das  Symbol  def 
Weiffagung  mich  erklären»  Nur  dafs,  ftatt  der 
Wetteranzeigen,  welche  die  Maus  leider  mit  za 
vielen,  und  fUr  ein  Symbol  von  ApoUon  zu 
garfti^en  Thiefen  gemein  hat,  mir  eine  andere^ 
etwas  tiefere  Urfache  aufzufinden  erlaubt  werdew 
poch  davon  ein  andermal» 

Was  meinen  Sie?  hStte  def  Vorrednef  gedul« 
det ,  dafs  in  einem  zürn  Bahnbrechen  auserkoh* 
renen  Buche  S.  45  dem  Helios  nicht  nur  die 
Schwefter  Selene  3u  einem  Mondgott  Sdenn 
(auch  im  Regil^er),  und  die  Gemahlin  Perte 
zur  Perfts  (auch  S.  Spa),  gemacht  würde; 
fondern  Helios  felbft  ZU  feinem  Vater  fiffpitiön  f 
Wenn  Homer  Helios  Hyperion  fage,  fo  fei  der 
Vater  gemeint  J  und  wenn  Htlips  allein ,  der 
Sohn:  dies  habe  Hom^erj^  wo  ich  recht  verliehe» 
in  einander  gemifcbt» 


66      MYTHOt-ÖGISCHER  BlilEFE  X.B. 

'Nimmermehr  hätte  Herr  He3me  das  fteheir 
lafTeb!  Denn  wer  auch  die  Bemerkung  der  Gram« 
matiker,  das  Beiwort  'T»«f««v  gelte  fiir  'rT«f/oviw 
oder  "T^rfff/ovilifc»  m  Sohn  ByperionSf  wie  Moa/w 
für  MoA/ovf^ifC)  ein  Sohn  der  MoUone^  in  Zweifel 
zu  ziebn  geneigt  wäre;  dem  verbietet  es  Homer 
felbft  durch  OdylT.  12,  176,  wo  des  Helios  aus- 
drücklich als  des  herfchenden  Sohns  Hyperions, 
'jT8ft9vt3uo  «vttxToc,  gcdacht  wird.  Durch  ähnli- 
che Abkürzung  fteht  (IL  12, 117  und  IL  17,  608) 
tiivitce^tieio  für  Atvxa^toviixo ;  uud  nicht  unhome- 
rifch,  wie  Barnes  fürchtet,  wäre  die  Lesart 
iktvMcxtmoQ  9  aus  ^vKa^tovtuvo^  Verkürzt  y  die  an  der 
«rften  Stelle  einige  Handfchriften  darbieten. 

Sparen  Sie  Ihr  Erftaunen;  es  kömmt  hoch 
befier«    Ich  bin  ja  Pagina  6  noch  fchuldig. 

Aus  Ihren  Heften  der  griechifchen  Alterthü- 
mer  fehe  ich ,  dafs  Herr  Heyne  in  feinen  Lehr- 
ftqnden  die'  merkwürdige  Lehre  vorträgt:  **Ber 
**den  alten  Pelasgem  waren  die  Gottheiten  alle 
^nAt  Flügeln  verfehn;  aber  fchon  Homers  gelau* 
*^Urter  Gefchmack  entledigte  die  .meißen  der  enU 
**fiellenden  Auswüchfe^  welche  die  Künßler  mit 
**der  Zeit  ganz  verwarfen ,  und  bloß  einigem 
^*fymbolifchen  IVefen^  als  dem  Amor,,  der  ViSlo-» 
^^ria,  der  Nmeß^f  zurückließen.  ,f 


ZWÖLFTER   BRIEF«  6f 

Herr  Hermann  nahm  Teinen  Kiel,  und  fchrieb 
S.  6.  **Daher  giebt  auch  Homer  dem  Merknr, 
«'als  Götterherold,  Flügel  (rdrA«f«),  ab  ein 
"Symbol  der  Schnelligkeit.  ^Aufser  diefem  aber 
'<erfcheint  weiter  keine  Gdttheit  mit  Flügeln  im 
** Homer,  welches  eine  Probe  des  fchon  gelÄu- 
^'terten  Gefchmacks  des  Dichters  ift.  Bewegt 
**rich  alfo  eme  andere  Gottheit  von  einem  Orte 
«'zum  andern,  fo  legt  iie  höchftens  nur  Solen 
«'(vc^/A«)  an  (Oi.  a.  102).»,  Soll  heilseit 
Od.  a»  96.  Und  in  dem  Auffaz  über  Merkur 
S.  ia8 :  "An.  den  Füßsen  hat  er  Flügel  (T«A«f«).  „ 

Das'altpelasgifche  Wort  raA«f«,  Fußflüget^ 
fehlt  in  unferen  GlofTarien.  Ein  gelehrter  Rei-^ 
fender,  den  ich  deshalb  befragte,  erinnerte  fleh 
dunkel,  irgendwo  gehört  oder  gelefen  zu  haben^* 
dafs  es  in  einer  bisher  unbemerkten  Abfchrifk 
des  Hefychius,  welche  ein  weftfällfches  Klofter 
an  der  Kette  bewahre,  mit  kadmeifchen  Buch« 
ftaben  tTagt^tga,  wie  apaaat,  gefchrieben  vor- 
komme. Aber  ich  mufs,  wie  der  wahrhafte 
Herodot  von  dem  Tempelfchreiber  in  Saxs,  hin- 
zufügen: £r  fehlen  mir  zu  fcherzen. 


*£>*• 


Schon  zu  Homers  Zeiten  kann  das  uralte 
TctAsfa  nur  noch  in  der  geweihten  Sprache  der 
pelasgifchen ,  orfifchen,  fabazifchen  oder  famo- 
thracifchen  Myfterien  übrig  gewefen  fein.    Dena 


69      HYTHOLOGISCHEIt  BRlfiFC    t.  B. 

Hottief  befchteibt  die  Befchuhuftg  def  Athetlft 
(Odyff.  I,  96),  der  goldfpUgen  Hefe  (lU  14, 186) 
^nd  des  Hernes  (Odyff.  5,  44.  II.  24 >  340)^ 
Völlig  mit  deü  frfWgea  Veffeü  und  Ausdrücken  t 


VT0  9F0&&iv  i^ilfecto  ^»ka  xe^iXii. 

Unvl  unter  die  Füfse  fich  band  er  die  Solett. 


Selbft  in  dea  orlilchen  Hymtien^  rfi^  wir  Hock 
JiabeH,  wie  fein  Lehrer  fcharf finnig  bemerke 
linde  ich  keine  refKago, 

Homers  goldejie  Ämbrofirche  Solch  bdeS* 
9r$iikx  hatte  ich  mir  im  Aeiifseren  gleich  deti  ge* 
\^öhnUehen  Solen  der  heroifchen  Zeit  Vorge» 
fi^lH;  nur  dafs»  wie  diefe  den  Gang  der  Sterb« 
Uched»  fo  jene  die  Luftfchritte  der  Götter  durch 
innere  Schwungkraft  erleichterten t 


Ta  iitv  <pggov  itfjtev  t^*  iysPi 


*^ — ^ "    '    ". — ;  Vomit  er  über  die  Vf^affer 

VnA  das  unet^dliche  Land  hinfcbvebt,   ^ie  im  Hauckd 

dei  V^indes. 

Auch  die  Wageö  ün4  Roffe  der  Gottheiten  fand 
ich  Von  irdifchen  allein  an  Pracht  und  übernatür- 
licher Kraft,  lieh  in  relfsender  Schnelligkeit 
durch  Luft  und  Meerfläche  dahin  zu  Schwingen, 
^ 'nicht  an  äufserer  Geftalt  Verfchieden,    ErÄ 


•  ZWÖLFTER    BRIEF,  65I 

(jle  bildende  Kunft,  fchien  mirs,  habe  zur  Be« 
^icbnung  des  Sbhwebena  und  der  Schnelligkeit 
^ngefögte  Fltüge,  bald  an  Solen,  Haupt  und 
Schultern  der  GQtter,  bald  an  ihrem  Gef^anni 
ibgar  manchmal  tragende  Wölken,  nöthig  ge- 
glaubt) und  mit  dem  Fortgange  der  Kunft  meinte 
ich  die  Zahl  der  geflßgelten  Götter  nicht  abneh* 
men  zu  fehöi  fpridern  zunehtnen. 

Aber  was  gelten  da  Meinungen  und  VorfteU 
lungen?  Uafer  Bahnbrecher  meint  nicht,  er 
weifs,  aus  der  Offenbarung  der  l,ehrftunde  weift 
er,  fa  gewifs  ein  Gläubiger  wiffen  kann;  Die 
rohen  pjelasgifthen  Götter  hattrn  gefamt  und  be- 
fonders  Flügel ,  und  zwar  zum  Theil  FufsflUgel, 
die  in  der  Urfprache  ratKccgi^  genannt  wurden; 
und  wenn  der  gefchmackvoUe  JJomer  feinen  ver- 
feinerten Göttern  f ämtlich  ««J/a«  gi^bt,  fo  ver- 
fteht  er  bei  den  übrigen  fchlechtweg  Solen,  aber 
bei  Merkur  FuCjflügel  oder  T«A*f  «v 

Indem  ich  über  dies  räzelhafte  Ors^kel  gedan« 
kenvoU  oder  gedankenleer  daa  Handbuch  durch- 
fingere;  fiehe  da{  plözlicli  erfcheint  vor  dem 
Regifter  eine  S^ite  Verbefferungen  ^  und  daruöter 
die  wunderbare  Enträzelung:.  "S,  6  T«Aaf?af  foU 
<«te/aH^  heifsen,  ,i 

0  Wunder!  Alfo  vermutlich  ööch  S;  138 
Sn4  die  altpelasgifchen  r»?uifk  nichts  Weiter^  äill 
Es 


7P      SIYTHOLOGISCHER  BRIEFE  I.  B. 

die  verfchriebenen  tataria  der  Römer?  Herr 
Hermann  fchämte  iicb  nur,  einen  fo  groben  und 
.  ungeheuren  Spraohfcbnizer  zweimal  hinter  ein- 
ander zn  beichten?  Dera  Sezer  wird  er  das 
plumpe  Vergreifen  nicht  aufbürden.  '  Denn 
wenn  der  Verfaffer  nicht  T«A«f»  für  ein  bome* 
rifches  Wort  anfah,  wie  kon^yte  er  lieb  fo  ans« 
drücken:  Dim  Merkur  giibt 'Homer  noch  Fuß^ 
flUget  (raAdt^a),  anderen  nur  Solen  Qmhx»')^ 

O  Wunder  über  Wunder !  Der  Lehrer  auf 
feinem  Lehrftuhle  offenbart  feinen  Lehrlingen: 
Merkurs  Solen  fein  bei  Homer  geflügelte  Säten, 
oder  tataria;  weil  nemlich  die  Römer  die  pinnata 
tataria  oder  geflügelten  Fußfolen  des  fpäteren 
Merkurs  auch  wohl  fchlechtweg  tataria  und 
ptantariaf  Ferfenfchmuck ,  nannten.  Der  eilfer^ 
tig  nachkrizelnde  Lehrling  tragt  diefe  tataria 
als  altgriechifche  ree^x^»  in  fein  Hefb^  flickt  nach 
Jahren  aus  dergleichen  Lehrlingsbemerkungen 
ein  Buch  zuGimroen,  das  wir  als  Hanäbueli  tum 
Nuzen  und  A^ergnügen  üets  bei  der  Hand  haben 
foUen,  und  fendet  es  feinem  Lehrer  zur  Beur« 
theilung.  Der  immer  befchäftigte  Lehrer  er* 
kündigt  jGch  blofs  nach  dem  Geifte  der  Schrift; 
welchen  ^r  kaum  poltern  gehört,  da  er  die 
Lofunggiebt:  ** Ein  Buch,  mit  Fleiß ^  Wahl  und 
VUrtheil  gefchrieben!  zum  Bahnbrechen!  zum 


^^JufUaren!  99  Und  in  dem  ganzen  langen-Ge» 
folge  der  Anhänger ,  die  in  allen  Zeitungen  das 
gro(se  Wort  fuhren,  ift  auch  kein  einziger,  der 
entweder  merke,  oder  fich  merken  laße,  in  wie 
kothige  Lachen  der  Bahnbrecher  mit  fich  .und 
feinem  Lehrer  hineintappe« 

f  Geht  etwas  über  diefe  Verblendung?  Ober 
diefe  Schamlofigkeit? 

XIIL 

Wohl  habe  ichs  gemerkt,  Lieber,  dafii  Ihnen 
die  Entfchuldigang  des  mythologifchen  Schleicb- 
handels  nicht  ganz  aus  dem  Herzen  kam.  Ihr 
Kopf  wollte  ein  wenig  Mutwillen  treiben;  und 
ich  wufste  voraas,,  dais  Ihr  Herz  es  verzeihen 
wurde,  wenn  ich  Ihnen  den  leichtfertigen  Kopf 
ganziftuberlich,  wie  Sie  iagen,  zurecht  fezte. 

Sogar  unter  den  erklär teften  Bekennem,  derea 
Willfährigkeit  neulich  vom  Herrn  Heyne  felbft  in 
der  Vorrede  zum  Lecbevalier  verhöhnt  wurde  ^)p 

♦)  S.XUL  XW  fagtHcrr  HeyiK:  "Von  IVoodf  Verfuch 
'<  über  den  Homer  machte  ich  eine  Anzeige  in  den 
**  Göttingifchen  gelehrten  Anzeigen.  ^  Unfre  Landi- 
•*  lente  find  es  gewohnt ,  wen»  der ,  Ton  einmal  • 
**  angegeben  ift ,  in  vollem  Cfapr  cinznftimmen.  U^oods 
«^Schrift  vard  nun  überpriefeiu  „  •—  Der  Mann  kennt 
'feinen  Hänfen.  /        ' 

E4 


71      HYTHOLÖÖtSCHER  8ltIEF;C  I.  Q« 

fogar  unter  Jenen  ^  —  ^^e  vUle  vefmöten  SÄ 
Virohif  die  im  Ernfl;  an  ihren  Grofsmeifter  unA 
deflen  Erfchelnungett  glauben?  Etwas  ganjl 
Mderefi  ift  es ,  was  die  iente  za&aini<eiifcfilt4 

Aber  die  Ta;A^«  bei  Seite  geftellt»  bgeh  Sie^^ 
könnte  nicht  doch  Hermes  bei  Homet  attfxelas^ 
giCche  Fufsfliigel  haben?  Herr  Heyne  habe  doch 
wobt  Gründe  gehabt»  wenigfleos  ftheinbah;? 

Scheinbare  genug«.  Für  die  sltpelasgirGhen 
Gätterflöget  Winkelmanns  Anfehn;  fürdesHot 
merifchen  Merkurs  Fufcfictige  —  Doch  davoa 
nachher« 

B^mketmann  zuerll»  wenn  ich  nicht  irre^ 
behauptete  im  Eingange  feines  berUhmten  Werk$ 
Über  die  alten  Denkmatler  der  Kunft  (  WanumA 
itud*  f*  1*3):  daß  die  ItUeflen  Grie^h»  unct 
Etrufk^Tf  der  Aegy.pter  nicht  zu  gedenken,  ßck 
ifir»  Gottheiten  mit  Flegeln  geMdet^  Der  Ton 
tv^ar  angegeben;  und  Herr  Heynd  leitete  den 
einftimmenden  Chor«  Schon  im  Jah^  ^77^%  d^n 
Kaßen  des  Cypfelus  et^klürend ,  intooirte  er  alfd 
Su  51:  '^Nunmehr  ift  es  eine  bekannte  Sache« 
<<dars  die  iilttften  kriechen  Und  Etrufcer  alle 
<*  Gottheiten  geftügelt  vorftf  Uten.  »  Und  im  Jahr 
1778  erfcholl  aas  denn  erften  StUcke  feiner  Anti^ 
qnarifchen  Auffüzle  S«  go;  ««In  der  ültei'n  Zeit 
f^  wurden  alle   Gottheiten  mit  Flügeln  vorge« 


<*m\U   Pia  Sache  ift  «ta$  WiotelmAtm  bekannt 

WgCBUg.  9% 

Vam  Herrn  tteyue  ein  fo  kfÄfttger  ßelfall? 
£bi  müSen  dbch  Gründe  fein»  die  der  fcharffin^ 
bigften  Prüfung  widerftefan  [  Penn  bedenken 
Sie »  wie  oft  Hen;  Heyne  ans  Winkelmanna 
üeherfcbä'zung  verwieg ;  wie  oft  *?r  den  geift, 
vollen ,  aber  «a  feurigen  Alterthamsforfcherg 
freimütig  nach  feinem  Tode»  fowohl  ungrUnd<« 
Ucher  Barcbheic  im  Ahnden  und  Entfcheiden^ 
ala  befonder$  nacblSiSger  Citate»  befchaldigte« 

Noefa  fn  def  Vorrede  d^r  Antiquarifchen  Auf-« 
ißtze  Sb  VlI  konnte  feine  Achtung  und  Freunde 
fchaft  filr^  den  Seligen  keinen  gelinderen  Aus^ 
di^uck  fiudeil»  als:  ««dafa  ea  dem  begeifterteit 
<«Manuf  an  kalter  Bi^trkcbtabg,  JBrwi(gung  nni| 
^^PrUfong,  an  HülfsmiCCeln  2;u  genauerri  Ge« 
<<fchichtskenntniflen,  !in4an  hiftorifcher  Kritik« 
<'am  feine  Hypothefen  zu  beriehtigeui  gef^hl^ 
<<babe;  dafs  er  mit  feiner  EtnbilduUj^skräft  faß 
<< überall  ttber  das  ^iel  hinaus  fei,  und  fl^h  Ai^ 
^'grandlöreOe  Ide^  «U  ein  Felfenfchlofs  liin^ 
^baue.rt  Er  Seht;  6a  daher  mit  Leidwefen  äöji 
däfs  öian  WinkeUnänna  Hypiötbeftn »  ohne  Kri«' 
tik  der  ^cbeti^  der  Gefcbicbte»  und  der  Bew 
weisftellen  aus  den  Alterlj  fo  glfiublg  nachfprcefhei 
««Seil;    Winktitnanti«    Kunftgefehicbte   fei    dal 


^,     M YTUOI.DaiSCH«RT  BRIEFE  1. 1^. 

f^meifte,  was  er  im  aDtiqaarifchen  Fache  g^fehn 
'^habe,  eine  gar  zu.  gefällige  Wiederholung 
ydefTen,  was  jener  gefagt,  ohne  weitere  Prü- 
''fang;  oft  mit  erkUnftelter  Begeifterung:  und 
'  <(< beide  Wege,  meint  er»  können  uns  in  der 
,^' Aufklärung  nicht  viel  weiter  bringen. ,» 

Nach  einer  folchen  Strafrede  erwarten  Sie 
wohl  nichts  weniger»  als  den  Herrn  Heyne  in 
eigener  Perfon  an  der  Spize  der  gefäüigfien 
Nachfprecher  ohne  weitere  Prüfung  zu  bemer- 
ken. Und  das  nicht  etwa  bei  einem  geringfügig 
gen  Nebenumftand;  nein»  bei  einer  Frage»  die 
das  innerfte.  Wefen  der  my thifchen  Darftellung  in 
Poefie  und  bildender  Xunft  angeht»  deren  Be- 
jahung oder  Verneinung  fchon  allein  der  ganzen  , 
Gefchlchte  der  Kunfl:  und  der  Religion  eine  an«, 
dere  Richtung  giebt. 

Denn»  bei  Winkelmanns  Geifte !  was  hängt  • 
nicht  alles  von  der  Frage  ab:.  Sind  d^s  rohen 
Alterthums  balbthierifche  Göttergeftalten  von  . 
dem  feineren  Waldfanger  Homer  gröfstentheils» 
yon  den  noch  feineren  KUnftlern  in  Farbe  und 
Scbnizwerk  faft  fämtlicb»  ihr.er  entftellenden  Flu« 
gel  entledigt  worden?  oder  ward  umgekehrt  den 
menfcblich  geftalteten  Göttern  Homers  und  der. 
Vorzeit  ecft  von  dem  Künftlcir  »Is  Notibbehelf^ 


DREIZEHNTJER   BRIEF.  7| 

aeam  Tbeil  auch  von  dem  Myftiker  alt  Symbol» 
Beflugelaog  und  andere  MisbUdung  verliebo?" 

Aos  dem  wenigen »  was  Wiokelmann  ftir  die 
nrTprüDgUchen  Flügel  aller  Slteften  Gottheiten, 
der  griecbifcben  wie  der  etrufkifeben,  beibringet, 
ergiebt  fich  blofä  die  Beflügelnog  mehrerer 
Götter  im  fpäteren  Alterthmn*  Die  aber  war 
längft  von  Gisbert  Cnper  in  der  Vergdtterang 
Homers  (p.  169  —  179),  weit  nmftändlicher 
fowobl  als  gründlicher  y  gezeigt  worden*  Dodh 
laflen  Sie  uns  Winkelmann  ielbft  anhCren. 

*<Die  älteften  Völker,  welche  die  Schnelllg« 
'<keit  der  Gottheiten  im  Wirken  andeoten , .  und 
''über  den  armfeligen  Behelf,  von  einem  Orte 
''zum  andern  überzogebn,  fie  hinwegfezen 
*' wollten,  dachten  lie  fich  mit  Eügeln  verfehn« 
'*Sie  fuchten  durch  finntiche  Zeichen  den  erhabf« 
^'nen  Begrif  himmlifcher  We(en  zu  erklären: 
''wie  Homer  den  Gang  der  Juno  mit  den  Gedan« 
''ken  vergleicht,  womit  ein  Reifender  im  Na 
*'von  einem  gefehenen  Lande  zum  andern  fliegt« 
'*Ich  übergehe  die  ägyptifchen  Gottheitea  mit 
''Flügeln,  *  .  •  und  fcbränke  mich  auf  die  Gott« 
''heiten  der  Griechen  nnd  der  Etrufker  ein.„ 

"Nonnns  (  Diomff.  i  f.  6),  anf  eine  i^lta 
''Ueberliefernng  fich  ftiia^end  {Sanckqn.  ap. 
^'Eufib.  Fr.  iv.  i,  7),  erkennt  die  Flügel  ai| 


^6      ^lYTHOtOGlSCHER  BRtEFK  I,  B, 

^^alleü  Göttern,,  als  üe  vor  Tyfon  nach  deni 
**NHa8  floho  (^Apottüd.  i,  6,  3)5  das  ift,  tsA 
<*deQ  Aethiopen«  v/o  fie  nach  Hontiers  £rdidi% 
«tung  (//,  I,  4^3)  «wölf  Tage  verwiriltem 
^'Diefemnach^  da  tlian  viele  geflügelte  Gotthei<i» 
<^ten  in  Marmori  Elrz  und  Scbnizwerken  fiebt^ 
<<darf  maa  annehmen^  dafa  in  den  Kltefteü 
««Zeiten  die  FlUgel  allen  Göttern  gemeia 
««wareo^H  Worauf  die  Befl^gelang  verfchie« 
dener  Gottheiten  durch  Beifpiele  in  KuafiwerKeQ 
und  SchriftfteUern  bewiefeu  wl^d^ 

Ift  das  nicht  ein  bündiger  Sctilurs?  Per  fym 
Konnhs  gieht  den  famtlicheu  Göttern  Flügel^ 
da  fie  vor  Tyfbn  an  den  Nilas  flöhn^  Alfa  ftü^t 
er  fich  auf  Satichoniathons  Fabel  be;  Etufebius; 
dafs  Toaut  deni  pbonicifcben  Kronos  mit  vier 
Augen  vier  Flügel  an  den  Schultern  und  zy/ei 
am  Haupte  f  und  den  Übrigen  Göttern  zwei  ai\ 
den  Schultern  >  ;sufchreibe,  Alfo  war  die(b  Yor^ 
ilellung  altgriechifcb  ;t  denn  an  den  NUus  heifst» 
zu  den  Aethiopen^^  wo  Homers  Götter  oft  zwölf 
^age  verweilen.^ '  Alfo  find  die  geflUgelteu 
ijötteti  die  in  Kunftwerkea  der  Griechen  und 
der  Etrufker,  und  in  SchriftfteUern  fich  darbte; 
teiif  Ueberbfeibftl  der  uralten  Vorftellung,  — 
FUt'wahr  Winketmanns  Anfebn  gehörte  dazu»  fd 
*iner  Fölgetaög  durchjiuhelfenl 


I>JlEl2BHNTK|t  BRIEF«  ^f 

Jene  Fabel  von  Tylbn  ttnd  den  gf fcbtathtfl^ 
Rättern  in  Tbiergeftalt,  die  allein  das  Alter  def 
Gptterilügel  be weifen  foll)  macht  fchon  allein  eK 
Verdächtige  Wenn  man  ihre  Entftehung  nicht 
»US  SanchoniathoD  fich  ertrSümt  >  fondern  in 
Griechenlands  DichteTB  Wabrnimt» 

Weder  Homer «  «och  Befiodo»,  wie  febe 
diefer  die  Bezwingaog  des  Tyfon  au^mtltf  &ocl| 
felbft  Pherecydes  iSfhoL  JipoOM.  d»  I2t5)^ 
kennen  die  Flucht  der  G{>ttet  nach  Aegypten  und 
ihre  Verwaudlubg.  £rft  um  PindArs  Zeit»  alt, 
durch  h^ufigeireiä  Verkehr  und  teifende  Gelehrta 
Yieles  von  der  Weisheit  <der  Aegypter  und  ihrer 
fiunbildlicben  Keligion  erfcholl)  kam  2u  Tyfone 
Fabel  d.ie  Erdichtung»  dafs  die  Götter»  nach 
Aegyp^eu  &te|iend»  fich  dort  in  mancherlei 
*|*Uergeftalt  hallten»  t\>rfyria5»  der  diefe« 
{iß  abßin.  sV  laus  Piudars  Profodien  erzählt» 
l^et  Unmitt^ar  Vorher  von  geflügelten  Göttern» 
4en  Mafen  und  Sirenen ,  der  Nike^  der  tris,  deu^ 
t)ro«  utid  dem  Hermes»  Er  hätte  ea  nicht  ve^ 
icbwiegen»  Wenn  Pindar  allen  fiiefaendeiX 
Gittern  I  Vor  der  Verwandlung  oder  nachher» 
ifiägel  verliehu  b^tte.  DaCn  jene  Flucht  und 
VfTw^lung  ein  Zufa^  des  Zeilaltefa  fei»  da  die 
ijg^pdi^beu  Thiergotter  bekannt  wurden,  un4 
fwair   ein   tfgypM&bfr   Z^[»:^,    Itfst    Herodo» 


yt      MYTHOLOÖISCHER  ÖRIEFE    I.  B* 

('2, 156)  vermuten,  und  Hygin  iPoet.  Aßr.  2f 
i»8)»  der  hierin  den  ägyptifchen  Prieftern  und 
tinigen  Dichtern  za  folgen  ausdrücklich  gefteht. 

,  NeuerniDg  beweift  ferner  der  mithandelnde 
Pan  oder  Aepipan »  welchen  die  Erzählung  des^ 
Tyfonkampfies  bei  ApoUodor  (i,  6,  3),  bei 
Hygin  (<.  c./a&.  196),  dem  Scholiaften  des 
Sofokles  C 4r-  708  ) ,  vnd  Oppian  C Bat.  3 f  ^5  )# 
«inmifchet.  Dlefer  zuerft  von  Epimenides  {Erat. 
iatafl.  27.  Sek.  Theoer: ij^^  genannte Ziegenfüfs- 
ter  kann  nicht  lange  vor  der  Zeit,  da  der  tuen- 
defifche  Bocksgott  der  Aegypter  (  Herod.  2,  46^ 
Strab.  17  p-  802)  unter  den  Griechen  berühmt 
ward,' aus  der  Dunkelheit  eines  arkadifchen 
Felddämons  iHeroi.  2,  145)  Äur  allgemeineil 
Verehrung  gelangt  fein.  Die  Athener,  wie 
Klemens  iadm.  p.  ag)  meldet,  wufsten  nicht 
einmal,  wer  Pan  war,  die  Pfailippides  es  ihnen 
fagte.  Dies  gefchah  kurz  vor  der  marathonifchien 
Schlacht,  wo,  wie  in  der  falaminifchen ,  den 
Athenern  ein  paöifches  Schrecken  zu  Hülfe  kam^ 
Herodot  (6,  105)  und  Paufanias  (ip.  51)  er- 
zählen ^  Philippides  oder  Phidippides ,  als  Eil- 
bote nach  Sparta  gefahdt,  babeamParthenius  von 
Pan  gehört  zu  haben  verfichert,  er  wolle  den 
Athenern  beiftehn,  nur  wünfche  er  Theil  an^ihrer 
Verehrung.     Auch  meldet  Ludw  Cbü  accvf.^t 


DREIZEHNTER   BRIEP.  "     7^ 

"Pan,  von  Dionyfös  Dienern  der  fchwär« 
**  mendfte »  wohnte  vordem  auf  dem  Parthenius** 
**  Ais  aber  Datis  daherfchifte,  und  die  Barbaren  bei 
'^Marathon  landeten,  kam  er  den  Athenern  ein 
"  Mitfireiter.  Seitdem  bekam  er  auf  der  Borg 
*<eine  Höhle  dicht  unter  der  pelasgifchen  znt 
<< Wohnung.,,  Nach  jenem  Siege  wars  alfo,' 
dafs  Pindar  bei  Athehä'us  ( 15  p.  694)  den  htUC 
reichen  Pan,  als  tanzenden  Herfcher  Arkadia*s, 
dir  fchwärmenden  Nymfen  Begleiter  ^  und  bei 
Arillides  (7.  xp.  29),  als  den  voükommenfle»' 
der  Götter,  nach  der  Lehre  der  ägyptirchen 
Priefter,  wie  Ariftidea  erinnert,  imgleichen 
(PyiA.  3,  136)  alst  Gefährten  der  großen' 
Mutter,  und  (^Ariflot.  Rhet.  2,  34)  ihren  aB-« 
weilenden  Hund,  befang;  Das  Alter  des  home« 
ridifchen  Hymnus  an  Pan,  und  der  orfifchen 
Anrnfangen,  wo  er  bereits  allwaltender  Natur- 
gott ift,  muff  hiernach  beftimmt  werden.  Womit 
Herrn  Heynens  Philofophema  (^Ant.  Auf/V  2 
S.  70):  ^^Pan  war  überhaupt  ein  altes  philo« 
««fophifches  Syinbol,  bald  für  die  Natur  über- 
«'Imupt,  bald  fUt  die  Zeugungskraft:,,  lieh  iar 
Dunft  aufiöfet. 

Ja  felbft  die  Flügel,  womit  Tyfon  zuerft  bei 
ApoUodor  und  Nikander  (^  Anton.  Lib.  28)  er- 
fchelot,    und    der  geflügelte    Rofswagen   des 


ftrgifeBclen  ponmfefefs  In  ApoHodors  ErÄShIuÄg 
%^»  6i  3))  V^f^then ^pät^re  Umbildutig^ 

Denn  kürÄ,  Wenn  behaupte:  wWi  **Die 
^^älteften  Griechen  befltigeiten  alle  Gottheiten; 
*^der  gefchn?ackvolle  Homer  verftattete  nuf  noch 
««dem  GÖtterharold  geflügelte  Solen;  die  Dichter 
"des  lyrifcheü  Und  tfagifchett  Zeitalters»  ob» 
*f  gleich  fie  tBigentlich  die  Gron4regeln  des 
«jSclU)nen  und  ^fifäl%e^  ans  Licht  brachten« 
«<  waren  iamt  dea  Anfängern  der  bildenden 
«Künfte  fo  grfchnaacklps»  den  ttieiften  Gott- 
<^beiten  ihre  Ve»«dfeeten  Hügel  zurückzugeben; 
**h\s  endlich  die  Veiredelnden  Kunitier  iie  allen, 
♦>aurser  einigen  allegoififcheti  Perfoneii,  völlig 
«Ubnahmeii:  „  \(jei^n  diejTe,  in  {xck  felbft  zerfal- 
lende Lebfe  Von  Winkelm^nnJl  ruhtnf edlgen  Nach- 
ijvecbern  hebaMptet  wird  5  fo  glauben'  Sie  gr^e 
da$  Gegentheih  Daß  den  aüejltn  iStiechen  a% 
Qotfh^kn  x>}in,e  Flügel  9  fowokl  :iiu  Fuß  ait  im 
U^&gjen,  fich  f(^lfchwingen\  und  daß  deßo  neuep 
fjn  Dichter  fei  f  je  fnehreren  Gotttm  er  FlUgit^ 
di^eik  tiothi^kel/ der  bßdmdem  Kunß^  janh^iO. 


VIERZEHNTER    BRIEF«  gl 

XIV. 

J\her  die  Beifpiele  geflügelter  Gottheiteo,  die 
Winkelmana  aus  Denkmälern  der  Schrift  und 
der  BildOng  anfUbrt! 

Was  wollen  Sie  damit?  Seine  Denkmäler 
find,  wenn  wir  eines  ausnehmen ,  allzumal 
]urtger  als  Homer;  und  gewähren  fogar  Gott- 
heiten, die  Homer  nicht  kennt:  Jupiter  Pluvius, 
Nike,  Mbmus*  Einige  beweifen  kaum  Flügel, 
2.  B,  die  Stelle  aus  Euripides  (  Hippot.  563),  wo 
aus  dem  Gleichnifle -des  Bienenflugs  eine  gefiO« 
gelte  Venus  gefolgert  wird.  Kein  einziges  Bei* 
fpiel,  felbft  nicht  das  eine  aus  Homer,  lä&t 
urfprilngliche  BeflUgelung  auch  nur  vermuten. 

Das  eine  denn  aus  Homer,  das  wird  doch 
der  .befliellende  Argos Würger  ioit  den  angebli* 
chen  FufsflQgeln  fein. 

'  Weit  vom  Ziel!  Einen  geflügelten  Htrmtf 
hat  weder  Winkelmann,  noch  fein  viel  reicherer 
Vorgänger  Cüper. 

Gleichwohl  war  bei  den  orfifchen  Lieder* 
machern ,  denen  fie  einen  geflügelten  myftifchen 
Zeus  {Fr.  6,  35)  abnahmen,  auch  ein  in^ys^rf- 
SfiAo«,  ein  folengeflUgilter  Hermes  {B.  27,  ^)  tä 
haben.    Und  mit  der  Nachfichf«  für  atee  IMm^ 

F 


ga      MYTHOLOGISCHER  BRIEFS  1.  B. 

lieferengen,  wie  fie  Winkelmann  zeigt,  Hefse 
wohl  aus  Homer,  nicht  ganz  ohne  Schein,  ein 
geflügelter  Hermes,  zugleich  mit  geflügelten 
Häufen  f  fich  herausdeuten.  Denn  nach  der 
Ueberlieferung  der  Grammatiker,  follen  ja  die. 
geflügelten  IVorU  (IL  i,  201)  auf  die  Flügel 
fichbeziehn,  welche  die  Mufen  von  den  befieg- 
ten  Sirenen  fich  anfügten;  und,  wie  Euftathius 
bei  Odyir.  5,  44,  Phurnutus  (16),  und  Suidas 
bei  dem  Worte  '£ff*»jy,  nns  überliefern,  auf  den 
geflügelten  Hermes,  als  Gott  der  Ber6dfamkeit. 

Nicht  einmal  die  goldgiflügeltt  windfüßige 
Jrü  der  Ilias,  wovon  , doch  Cuper  (;?.  45)  im 
Vorbeigehn  redet,,  bemerkte  Winkelmann. 

Die  einzige  Beobachtung  einer  homerifchen 
Fiügelgottheit,  die 'Winkelmann  mittheiit,  ift 
diefe:  La  favola  da  a  PaUacte  le  alt  fln'  ai  piedi 
iCic.  de  Nat.  Deor.  3»  23.  Tzetz.in  Lycöfhr. 
v*'iSO*  ^  ^PP^^Jf^  Ow«'^  medefimo  eUa  fi  lega 
U  aliai piedi  {Odyjf.u,  96).  "Die  Fabel  giebt 
<<der  Pallas  die  Flügel  fogar  an  die  Füfse;  und 
«bei  Homer  felbft  bindet- fie  fich  die  Flügel  an 
«die  Füfse.  „ 

Wir  hätten  alfo  eine  voUßändige  Gefchlechts- 
taf^l.  Winkelmann  miskannte  die  goldenen 
vf^M«  oder  Solen  der  Pallas  Athene  für  Fufs- 


VIERZEHNTER   BRIEF.  $3 

fliigel.  Herr  Heyne  nahm  die  FafsflUgel  bereit- 
willig auf;  hielt  es  aber  für  fchicklicher,  fie, 
mit  Ausfchlurs  der  Pallas  y-^anz  heimlich  dem 
Boten  Merkur,  der  ja  beftändig  zu  wandern  hat^ 
anzulegen.  Und  Herrn  Heynens  Nach(precher, 
Herr  Hermann,  erfand  für  diefe  homerifchen 
Fafsflugel  Merkurs,'  weil  fie  doch  einmal  aus  dem 
pelasgifchen  Alterthume  fich  veripfitet  hatteüi 
den  pelasgifchen  Namen  raA«f  «• 

Dem  homerifchen  Merkur  die  Solen  zn  beflQ* 
geln «  dies  wird  doch  wenigftens  ein  eigener 
Gedanke  des  Herrn  Heyne  fein.  Was  wollte 
^r?  Auch  diefen  hat  er  anderen  nachgedacht» 
den  Auslegern  Vii^ils,  Germanus,  Erythräus, 
und  den  Vätern  la  Gerda  und  Catrou,  die  bei 
der'Aeneis  (4,  239)  Merkurs  geflügelte  talaria 
für  die  homerifchen  x-s^m«  ausgeben. 

O  gewifs,  Sie  kennen  den  Herrn.Heyne  noch 
nicht,  welch  ein  zahmer  gelaiTener  Fufsfolger 
das  ift!  Selbft  mir  würde  er  in  fanftmütiger 
Stille  nachtreten,  hStte  mich  das  Schickfal  Uxxr 
ein  dreifsig  Jalir  frfiher>  und  etwa  als  EngJäz^der» 
ia  die  Welt  gefezt. 


Fa 


84     laYTHOLOaiSCMBR  BRIEFS   I.  B. 

XV. 

VVie  es  aber  doch  möglich  fei,  frageö  Sie>  dafs 
fo  wackere  Graubärte,  als  fich  Herr  Heyne  beim 
yirgil  2u  VormÜnnern  erkiefte>  da  Homef  Göt- 
tern und  Menfeheii  ?rsJ.A«  unter  die  Füfse  giebt> 
fie  bei  Merkur  allein  für  geflügelte  Solen  anfehen 
gönnten.  Ob  vielleicht  anderswoher  die  aus- 
fchliefsetide  Beflugelung  des  homerifchen  Götter«^ 
boten  erhelle? 

Aus  Homer  felbÄ  wohl  fchwerlich ;  wofern 
Sie  nicht  mit  der  phurnutifchen  Anfpielung  der 
geflügelten  Worte  auf  die  Flügel  des  beredten 
Öermes  vorlieb  nehmen  wollen. 

Aber  Ihr  Beifpiel  ans  Hefiodus  Iratte  midi 
bald  ftuÄig  gemacht.  Auf  dem  Schilde 'des 
Herakles  v.  aao  war  Perfeüs  gebildet,  wie  er. 
luftwandelnd  vor  den  verfolgenden  Gorgonen 
floh , 

Hell  aus.Cold;  um  die  Füfs*  auch  hsttt*  er  geflügelte  Solen. 

Und,  von  wem;  hatte  ef  die  geflügelten  So- 
len? ** Vom  Hermes!  „  antwortet  Eratofthenes 
icatafl.  22),  und  einftimmig  mit  ihm  Hyginus 
(^Po'et.  aßr.  2,  12 )J  "vom  Hermes  empfing 
««er  den  Helm  der  Unfichtbarkeiti  und  die  SoleUf 


FUNF2SEHNTER   BRIEF.  gj 

''mit  welchen  er  durch  die  Luft:  fchwebte,  vom 
''Hefäftos  aber  die  Hippe  aus  Demaat.  ,,  Auf 
Merkurs  Fufsfolen  fliegend,  erzählt  anderswo 
Hygin  iFab.  64),  habe  Perfeas  die  Andromeda 
befreit.  Wie  ihn  Lukan  (q,  660)  auf  parrhafi^f 
ichen  Flügeln,  von  Parrhafium  in  Arkadien,  der 
Heimat  Merkars,  fo  benannt,  fbh weben  läfst. 
Und  felbft  der  FfibelentzifFerer  Heraklit  (^de  m^ 
credik.  9)  tr^'gt  die  alte  Erzähinng  fo  vor,  dem 
Perfeus  habe  Hermes  geflügelte  Solen  verliehn; 
und  fügt  fein  Pbilofophema  aus  der  alten  Sprache 
hinzu :  '<  Hermes  erfand  die  Uebung  des  Laufs» 
<<  worin  Perfeusilch  dergeftalt  auszeichnete ,  dals 
'^dieerftaunten  Zufchauer  ihnx  das  Loh  geflUgel«- 
<«ter  FUfse  beUegteOt« 

Demnach  hStte  bereits  Hefiodus  dem  Hermes 
Solen  mit  Fittigen,  wo  nicht  aus  der  altpelas« 
gifbhen  Fabel  zurückgegeben,  doch  zuerft  an« 
gedichtete    Was  ISfst  fich  dagegen  einwenden  ? 

Vielleicht  diefes.  Das  Beiwort  geflUgitt, 
wie  in  den  geflügelten  U^orten^  mahlt  nur  die 
Schnelligkeit  der  tragenden  Schwungfalen.  Oder 
man  laffe  fie  eigentlich  geflügelt  fein ;  fo  find 
fies,  wie  Perfeus  felbft  golden  ift,  nur  in  der 
Abbildung  auf  dem  Schilde«  Freilich  würde  es 
mich  befremden,   diefe  allegorifchen  ScheinflU^ 

F3 


86     MYTHOLOÖISCHER  BUIEFK  !•  B.       ' 

gel,  wodurch  die  bildende  Kunft  übernattirliche 
Schnelle  und  Erhebung  anzudeuten  fich  bebalf, 
fchon  bei  Heiiodus  wahrzunehmen.  Indexen 
könnte  es  doch  wohl  fein.  Eben  fo  auf  dem 
alten  Kaften  des  Cypfelus,  welchen  Paufanias 
(5  f.  322)  befcbreibt,  beflügelte  der  Künftler 
die  Goi^onen,  die  den  Perfeus  durch,  die  Luft 
verfolgten;  fo  die  rafche  Jagdgöttin  Artemis,  fo 
die  meerwandelnden  Roile  am  Wagen  der  Tbetis 
und  der  Nereiden ,  fo  auch  des  Pelops  mfeerwan- 
delndes  Viergefpann:  welches,  wenn  es  die 
Flügel,  womit  die  alte  Volksfage  aus  Pberecy- 
des  (^SchoL  Soph.  El.  507)  bloß  übernatürliche 
Leichtigkeit  meinte,  wirklich  zur  Schau  getra- 
gen,, der  argliftige  Oenomaus  gewiß  abgewie- 
fen  hätte. 

Doch  es  giebt  eine  kürzere  Entfbbeidung« 
Sein  die  geflügelUn  Solen  des  Perfeus,  was  fie 
wollen,  bloß  flügelfcfaneü  für  den  Gedanken, 
wie  ich  glaube,  oder  als  folche  durch  ein  verab- 
redetes Bild  für  das  Auge  bezeichnet;  fei  diefe 
Bezeichnung  durch  angeheftete  Flügel  gefchehn, 
oder,  wie  auf  dem  Gemähide  bei  Achilles  Ta- 
*iös  (3,  7),  durch  flügelähnliche  Bildung  der 
Solen  felbft:  fo  gewinnt  doch  Hermes  dabei  im 
geringften  nichts.  Denn  erft  in  der,  fpäteren 
f  abel  werden  üe  des  Hermes  Solen  genannt. 


FÜNFZEHNTER  •  BRIEF.  $7 

Ganz  anders  erzählt  der  alte  Pherecyde^  bei 
dem  ^choliaften  des  ApoUqnius  (4,  1515)9  und 
nach  ihm  ApoIIodor  (2»  4»  2)  und  Tzetzes 
bei  Lykofron  (v.  838)»  das  Abentheuer  mit  der 
Medafa:  welches  ich,  wenn  Sie  erlauben,  (a 
wie  ^  meinen  Begriffen  von  der  damaligen 
Weltkunde  erfcheint,  vortragen  will» 

Perieus,  durch  ein  voreiliges  Veriprechen 
gebunden,  übernahm  die  Enthauptung  der  Gorgo 
Medufa,  die  mit  zwei  unfterblicheo  Schweftern, 
von  Forkys  und  Keto  gezeugt,  auf  einer  weltli- 
chen Infei  des  Weltftromes  Okeanos,  an  der 
Grenze  der  nächtlichen  Halbfcbeibe,  Europa, ge^ 
nannt,  wohnte»  Sein  Scbuzgott  Hermes  führte  • 
ibn,  auf  den  Rath  der  Athene^  zuerfl  za  dea 
Gräen,  auch  Töchtern  des  Forkys  und  der  Keto, 
die  von  der  Geburt  fchon^  grau  waren»  Beiderlei 
Gefchwifter  befbhreibt  Heiiodus  (Theog,  270) 
alfo: 

4>o^X9r  ^au  KlfrA^  Tferngf  mir  KeiXÄiT»f\tvu 
Ex  ytvBTtfQ  sroAidTC»  T«t  ^  Tfom^  xaA»B^iv 

Togym  5'y    eU  vm^^t  srf^tfv  irAvr»  Slatxyütfff 

•   ^4. 


gg     MYTHOLOGISCHER  BRIEFR  I.  B. 

Keto  gebahr  dem  Forkys  die  rorenv^aagigea  Gräen» 
Von  der  Gebart  fchoa  grau,    die  drum  Grauharige 

nenhen 
So  anfterbliche  Götter,  vie  fterbüche  Erdebewohiier, 
Schön  Pefredo    im  Schmück^    und  im   SafranmauteL 

Euyo  i 
Aoch  der  Goj-gonen  Gefcfalecht,   jeufeit  des  Okeanok 

wohnend»    , 
Kah  am  Rande  der  Nacht,    bei  den  fingenden  Hefpe^ 

riden» 
Stbeino «  Enryale  auch »  und  die  jammervolle  Mediifa» 

Die  Graen,  zu  welchen  Pherecydes  die  dritte 
Deino  oder  laino  fügt,  wohnten  vor  den  Gor-^ 
gonen,  wie  die  Harpyen  Homers  und  Hefiods„ 
'  am  Weftgeftade  des  Okeanos:  nach  Aefcbylua 
(Prof«.  799)  in  der: Nordhälfte  des  runden  Erd- 
kreifes,  oder  am  Weftende  Europa's,  wo  noch,t 
V/ie  bei  Homer,  einfchliefsende  Berge  dunkeU 
tenj  nach  fpäteren  (^Eratofi.  22.  Heractit.  13) 
in  der  SUdhülfte,  welche  allgemein  Afia,  und 
feit  Hekatäus  vom  Nllus  bis  zu  den  Seulen  mit 
befonderem  Namen  Libya  biefs»  in  der  Nähe  des 
fabelhaften  Sees  Triton»  der,  in  die  Syrtenbucht 
ausfträmend »  Tarnt  den  angjrenzenden  befperi« 
fchen  Gärten  bei  vielen  bis  an  den  Atlas  fich 
erftreckte. 

Indem  die  zwar  jugendlich  fcbönen  und  ge« 
icbmückten»  aber  gfauharlgen»  und  mit  Einem 


F(7NF9ERNTEJt   BRIEF.  89 

gewecbfehen  Auge  nnd  Hinein  Zahne  ficb  be^ 
helfenden  GräeUi  ficb  Auge  und  Zabn  zulangten, 
raubte  der  Held  beides»  und  bedung  fich  dafür» 
da(s  fie  die  NymfejEi  ihm  nachwiefen»  welche  dea 
Helm  der  Unficbtbarkeit  battea»  und  die  geflU« 
gelten  Solen  und  dea  Beutel« 

Offenbar  hörte  der  Fabeler  ein  SchiffbrmShr^ 
eben»  dafs  in  ein;em  noch  wenig  befahrenen 
Winkel  des  Mittelmeers  mancher  Irrende  von 
Nymfen»  wie  um  Aegypten  von  Proteus ,  ge« 
beime  KenntnilTe  und  magifche  Mittel  erlangt 
habe;  und  ich  glaube  mit  Sicheiiheit  die 
Nymfen  des  adriatiicfaen  Meerbofens»  wie  man 
in  der  Dunkelheit  der  W^ftgegend  ihn  dachte^ 
«nnehmen  zu  kennen« 

Denn  nicht  lange  vor  Pfaerecyde«  hatten  die 
Phocäer  {Heroik  i,  163}  fowohl  Adria»  ala 
Tyrrhenia»  und  Iberia  und  Tarteflus  entdeckt« 
Auch  behauptete  zuerft  Pfaerecydes  iByg.  154. 
Seh.  Girman.  364)»  der  neuentdeckte  Padus  fei 
eins  mit  jenem  fja^nus,  deflen  Ausfluft  am 
nordweftlichenOceanufer  (  Pauf  i  p.S.  Phitoßr. 
IcTr^  11;  litngff'JfirCff.TSBelnde  Bernfteinhändler 
{fferoä»Sf  115)  berühmt' war ^..  lind f wollin  die 
Dichter  den  Fall  des  Phaethon  (  Heßod.  ap.  Byig. 
154),  den  fpäteren  Eingang  der  T,Jfiterwelt 
{.Virg.  Aen^  6>  655^     Situ,  ad  6q2)»  und  die 

-Ts 


90      MYTHOLOGiSCKtER  BRIEFE    !•  B. 

Vt^öhnüngder  Harpyert  {Euß.  It.  i6,  151),  ge- 
fezt  Sitten.  "Tias  tieifst  'wofilnichtsan3^rs7*afs 
PÄerecy3es  zuerft  nahm  die  Volksßige  auf,  die 
noch  Apollonius  (4,  627)  glaubte:  jener  von 
der  rhipäifcben  Bergkette ,  wie  Bafilius  (  hexaem. 
3,  6)  aus  der  Eudoxifchen  Erdkunde  meldet, 
ergoflene  Eridanus,  ftrecke  den  einen  Arm, 
womit  wahrfcheinlich  der  nachmalige  Rhenus 
gemeint  wurde  *),  nordwärts  von  der  Quelle 
in  den  Oceanus ,  den  anderen ,  Padus  genannt; 
füdwärts  in.  den  adriatifchen  Bufen,  und  den 
-dritten,  deiTen  Aefchylus  und  Euripides  (P/i»» 


*  *^  Dafs  der  ähefte  Eridanas ,  der»  ohne  Gemeinichaft  mit 
dem  laueren  Meer  111  den  Oceanus  gegen  J^ordweft  an»- 
•  ftrömte,  and,  nachdem  er  zugleich  zwei  fiidh'che 
Arme  ins  Mittelmeer  ftreckte,  jener  nördh'che  Arm 
durch  ttercy nia  .^sJ^aJif JTcheifrtteh- tief  Rhttnnf  fei ,  habe 
ich.  ji«i".Y5gns  Landbau  (i74F^f>^rti  zeTgen"\tr(uchi. 
Der  A;Iigc^^''^ras3ofF7^'^en^*^1dr^'leHir  EBCftfcHSe, 
glaubte  (Ptfef.  rnin.  5»  3  ^  1440)  des  Rhodanus  Ao- 
fprüche  auf  die  Ehre  des  Eridanus  vertreten  zu  mäflen. 
Aber  gegen  ven?  Die  füdlichen  Acme  des  Eridanus, 
wie  der  Grieche  von  Fherecydes  bis  Apollonius  und 
langer  ihn  vorteilte,  find  der  Padus  und  der  Rhodanuik 
Das  habe  ich  nie  geleugnet ,  vielmehr  ausdräcklich  be- 
jaht. Die  Frage  ift  übrig:  Welcher  Flufs  ward  mit 
dem  nSfdlkhtn  Arme  gemeint ,  der ,  nordwärts  von  der 
'  Quelle  gewandt,  die  Argonauten  durch  die  hercyni- 
fchen  V^'älder  beinahe  in  den  Ocean  geführt  hätte 2 
Ich  antworte :  Der  nachmalige  Rhenus. 


'    ruKP^EHNTER   BRIEF.  9I 

37,  2)  erwähnten,  als  Rhodanug  in  das  fiirdoi« 
fche  Meer. 

Plefer  phocäifchen  Entdeckungen  fabelreiclieii 
Beginn  muPs  fchon  Hefiodus  erlebt  haben ,  weil 
er  in  OdyiTeus  Fahrt  nicht  nur  des  berühmt  ge« 
^wordenen  Aetna ,  und  der  ficilirchen  Ortygia^ 
fbndem  bereits  der  Tyrrhener  (Strab.  i  p.  23)  t 
und  in  der  Theogonie  (1013)  des  Agrios  und 
Latinosy  die,  als  Kinder  von  OdyiTens  tm4 
Kirke,  im  Winkel  d^r  heiligen  Infeln  die  Tyr^ 
rfaener  beherfchten,  ja fogar  der  Greife  {Sek» 
Aefch.  Pf  am.  802),  jener  Gold  wSchter  auf  den 
-^ftlichen  RbipSen  der  Hyperboreer,  gedenkt. 

Von  nun  an  wetteiferten  die  Dichter,  (bwohl 
alte  als  neuerfundenc  Fabeln  von  weftlichen 
HeldenzUgen  und  Irren,  des  Perfeus,  des  Hera« 
kies,  der  lo,  des  Diomedes,  des  Antenor,  der 
Argonauten,  mit  den  neuen  Wunderfagen,  des 
.fardoifcben ,  und  befonders  des  ionifchen  oder 
adrlatifchen  Meerbufens  auszufclunücken.  In  das 
graunvolle  Innere  des '  adriatifchen  Meers  ward 
auch  Herakles  (^  Schot,  jipod*  4,  1396.  Apoüöd. 
fl,  5,  11)  von  Pherecy des  geführt,  damit  ihm 
dieNymfen,  die,  von  Zeus  und  Themis  gezeugt, 
in  einer  Grotte  am  Eridanus  wohnten,  Anlei- 
tung gäben,  von  dem  profetifcben  Nereus  die 
Gegend  der  goldenen  Aepfel  in  Weftlibyen  zu 


92      MYTHOLtOaiSCHElR  BRIEFE    I.  B. 

erfahren ;  worauf  der  gef^ge^e  Meergreis  fich 
erfty  gleich  dem  homerifchen  Proteus ,  io  WaiTer 
tind  Feuer  verwandelte,  dann  in  die  eigene 
Geftalt  zurlikkehrend,  die  Gegend  weiffagte. 

TfM  denfelbigen  Nymfen  nun»  wie  es  fcheint, 
wird  Perfeus  von  6^n  Gr$en  gewiefen;  und 
najshdem  er  mit  Hermes  fle  erreicht,  und  feiner 
Bitte  gewährt  worden,  fügt  er  die  geflügelten 
Sol^n  fich  an,  auf  deren  magifcher  Schwung-» 
kraft  auch  Sterbliche  von  fchwererem  Stof  durch 
die  Luft  fcbreiten  konnten,  wirft  den  Beutel 
zur  FafTung  des  Medufenhanpts  um  die  Schultern^ 
und  fezt  den  HeUn  der  Unfichtbarkeit  auf  das 
Haupt*  So  ausgerüftet  luftwand^lt  er  nut 
Hermes  und  Athene  über  den  unfchifbaren  CXce- 
anus,  wo  er  auf  einer  weftlichen  Infel  die  Gor- 
gonen  findet,  das  abge(chnittene  Haupt  der 
Medufa  in  den  Beutel  fteckt ,  und  vor  den  verfol- 
genden Schweftern  ungefehn  durch  die  Lüfte 
entflieht;  und  nach  vollendetem  Abentheuer 
bringt  Hermes  Beutel  ^  Solen  und  Helm  den 
Nymfen  :^uräck* 

Der  früheren  Fabel  gemfifs  fand  Paufenias 
(  3  P*  193  )  Z(Xi  Spart»  in  einem  alten  Tempel  der 
^thene^ irx ^rz.  gebildet:  wie  dem  Perfeus,  da  er 
nach  Libyen  gegen  die  Hfledufa  zog,  Nymfen 
«um  Gefchenk  reichten  den  Helm  und  die  Solen^ 


FUNF2CHNTE11  BRIEF.  93 

auf  welchen  er  durch  die  Luft  fchweben  folltfe. 
Auch  in  Lucians  Meergerprachen  erzählt  Triton 
den  Nereiden )  wie  Perfeus,  von  der  Atheni  be- 
flügelt, durch  die  Luft  zxx  denGofgonen  flog» 
Beide  zugleich ,.  alfo  jeder  auf  eigenen  Solen» 
fl.iegen  Perfeus  und  Hermes  auch  bei  Euripides 
C-E/.  459)- 

tiefet»  Jittifiotofiov  v9F§f  i\99 
IXotoevQtft  TeitAai^ 

^ie  Perfetts  ^er  Bathaapte»  Über  to  Sdadlat 

Mit  gefliigeltett  Solett 

Die  Geftult  der  Goi^go  hält. 

Von  Zeas  Boten  begleitet,  dem  Hermei» 

Der  Maja  ^ildverfolgendvm  Jüngling. 

Und  noch  Propeftius  (2»  30)  unterfchridet 
des  Perfeus  Fufsfittige  •  von  dem  FerfengetKdl» 
Welches  den  Merkur  durch  die  LUfte  rei&t» 


XVL 

Geben  Sies  auf,  Befttf,  einen  Grund  für  die 
Vorgänger  des  Herrn  Heyne  zw  erforfchea. 
Weder    Homer,,  noch    irgend    ein  Alter  Vor 


94      MYTHOLOGISCHER  BRIEFß    I«  B. 

den   Tragikern,    kennt   den   Götterherold    mit 
Fursflügeln. 

Sa  beftimmt?  fragen  Sie  lächelnd.  Ja,  fo 
beftimmt:  damit  Sie  defto  unfchonender  prüfen, 
und,  wo  gefehlt  ward,  zurecht  weifen. 

Dach  erft  will  ich  felbft  einen  voreiligen  Aus- 
fpruch  berichtigen.  Sie  erinnern  fleh,  als  vor 
zwei  Jahren  auf  Ihrem  behaglichen  Stühchen  die 
Rede  vori  der  Aechtheit  der  homerifchen  Hymnen 
war,  dafs  Sie  den  an  Hermes  mit  dem  Urtheile 
ausmerkten,  er  fei  homerifch  an  lebhafter  Dar- 
fteilung, ganz  unhomerifch  an  Sprache,  die 
allenthalben  Neuerang  verrathe.  Was  gilts?  ant- 
wortete ich,  als  Urheber  nenne  ich  einen  Dichter, 
der  Ihrer  Befchreibung  Gentige  thut.  —  "Und 
der  wäre?,,  —  Der  felbige,  welchen  Quin- 
tilian(io,  i,  63)ftarkin  Sittengemäldfen  fand, 
ini  Ausdrucke  kurz  i^nd  prachtvoll  und  forgfäitig, 
und.meiftens  dem  Honier  Ähnlich.  —  "Was? 
<* riefen  Sie  aus,  Alcäus?  Ein  Hymnus  von  AU 
"cäus?  Gefchwinde  den  Beweis!,, 

Ich  nahm  den  Paufanias ,  der  neben  mir  ftand, 
und  las  (7  p.  436)  folgendes  vor:  "Dafs 
"Apollon  die  Rinder  vorzüglich  liebe ,  hat  nicht 
••riur  Alcäus  gelehrt,  der  in  dem  Hjnnnus  an 
«  Hermes  befchreibt,  wie  Hermes  Apollons  Rin- 
««der  entwandt  habe;   fondem  noch  .eher,  ^ 


SECtiSZEHNTER    BRIEF.  95 

^'Älcä'us  lebte,  dichtete  Homer ,  Apollon  habe 
'' LaomedoDS  Rinder  um  Lohn  geweidet,  woraa 
'•/i.  21 ,  448)  Pofeidon  ihn  erinnert.  „ 

Paufanias,  fuhr  ich  fort,  bezeugt  hier, 
Homer  melde  nur,  dafs  Apollon  Laomedons 
Rinder  geweidet,  nicht  dafs  Hermes  ihm  Rinder 
entfuhrt  habe;  er  bezeugt  demnächft,  AIcilus 
war  der  erfte,  der  die  Fabel  von  den  entführten 
Rindern,  und  zwar  in  einem  Hymnus  an  Hermes, 
befang.  Wem  gönnen  Sie  nun  unfeinen  herrnlo« 
fen  Hymnus?  Dem  Alcäus,  oder  einem  anderen? 

«*  O  dem  Alcäus!  „  erwiederten  Sie;  "wenn 
"nur  der  LesWer  ionifch  gefchrieben  hätte!,,  — . 
lonifch?  warum  nicht,  wenn  Veranlaffung  da 
war?  wenn  der  Tempel,  für  welchen  der  Feft- 
reigen  gedichtet  ward,  inlonien  oder  in  einer 
ionifchen  Pflanzftadt  lag?  Warum  foUte  nicht 
Alcäus  in  der  benachbarten  Mundart  loniens 
Ichreiben,  fo  gut  als  die  attifchen  Tr^iker  ihre 
Chöre  altdorifch,  und  noch  Kallimachus,  durch 
Umfiände  veranlagt,  zwei  dorifche  Hymnen 
fchrieb?  Sagt  doch  Agathon  bei  Arifcofanes 
(  Thefm.  161),  dafs,  gleich  dem  Ibykusund  dem 
Tejer  Anakreon,  auch  Alcäus,  mit  der  Mitra 
gefchmückt,  ionifche  Reigen  getanzt  habe!  — 
Sie  lächelten,  und  wünfcbten  mir  Glück  zu 
meiner  Entdeckung, 


9©     MYTttOLOGlSCMER  BRIEFE   l.B. 

•  Schade  um  den  lieblichen  Trantö*,  aber  wir 
ttiüffen  aufrichtig  fein.  Unferen  Hymnus  an 
Hermes  eignet  ein  älterer  2eug6,  AntigonüS 
Karyftuis  (7),  dem  Dichter  2u,  der  allenthal- 
ben forgfältig und  vortreflich  fei.  Dem  Dichter! 
Sie  wiffen,  wer  vorzugsweife  fo  hiefs,  aus  Strabo 
(i  y.  21);  und  wen  Äumal  jene  Beiwörter  an- 
deuteten. Wir  alle  verHrehn,  fagt  Galenus  (T.  1. 
«.  344  Sä/.),  Homer  unter  dem  Dichter,  und 
Sappho  unter  der  Dichterin.  Wenn  in  dem  ange- 
fjjhrten  si'Veffe  Antigonus  ein  Wort  anders 
lieft,  als  unfere  Ausgaben  Homers,  fo  ift  es  nur 
Nachlufligkeit  de^  Abschreiber, 

Noch  ftärker  zeugt  wider  uns  der  Gramma- 
tiker Porphyrion^  der  Hprazens  Ode  an  Merkur 
(i,  10)  für  eine  Nachahmung  des  alcäifchen 
Hymnus  erklKrt,  und  bei  der  dritten  Strofe,  wo 
der  Entwender  der  Stiere  den  drohenden  Apollo 
tnverfehns  auch  des  Köchers  beraubt,  und 
dadurch  zum  Lachen  zwingt,  die  Anmerkung 
wiederholt,  diefe  Fabel  fei  von  Alcäus  gebildet 
worden.  Der  fchlimme  Scholiaft!  Denn  diefe 
Fabel  von  dem  geraubten  Kocher  und  dem 
lachenden  Apollo ,  die  dem  zufolge  aus  dem 
alcäifcben  Hymnus  auch  in  die  Erzählung  des 
Didymus  bei  der  IliasC  15, 056  )i  und  in  Philoftrats 
Gen^hldeCi»  a63>  gekommen  wSre>  ift  leider 


SECHSZEHNT£R    BRIEF.  97 

unreretn  Hymnus  ganz  fremd.  Hier  finden  wir 
mir,  dafs  nach  der  Anklage  (512»  518)  Hermes 
dem  verföhnten  ApoIIon  verfpricht,  ihm  niemals 
weder  die  Cytbare  noch  das  krumme  GefchoQ^ 
zu  rauben« 

Es  bleibt  alfo  wohl  dabei ,  der  Hymnus  an 
Hermes  unter  Homers  Werken  ward  fchon  von 
den  alexandrinifchen  Gelehrten  ein  homerifcher 
genannt,  weshalb  ihm  auch  Apollodor  ( 3 » 10«  2 ) 
die  Kindheitsgefchichte  des  Hermes  nacherzählt; 
und  jener  verlorene  von  Alcäus,  womit  Paufa- 
nias  Apolions  Liebe  für  Rinderheerden  bewelfl:, 
meldete  die  Entwendung  durch  Hermes  mitgans 
verfchiedenen  Umdänden.  Zu  gefchweigen» 
dafs,  wenn  wir  ernfthaft  fein  wollen,  er  doch 
wahrfcheinlich  in  lesbifcber  Mundart  gefchrie« 
ben  war. 

Wie  aber  erklären  wirs,  dafs  PauHmias ,  um 
das  Alterthnm  der  Fabel  vom  rinderweidenden 
ÄpoUon  zu  beglaubigen,  zuerft  auf  den  alcäl«' 
fchen  Hymnus,  worin  Hermes  Apolloos  Rinder 
entwandte,  fich  beruft,  und  hierauf,  da  noch 
ältere  Währfchaft  geftellt  werden  foli,  nicht  den 
felbigen  Rinderraub  aus  Homers  Hymnus  an» 
führt?  Oder  wenigftens  aus  Hefiodus?  Denn 
auch  Hefiodus -hatte  vor  AIctos  bereits  jenen 
Raub  mit  noch  anderer  Ausfchmückung  befungen^ 

G 


98     l^iYTHOLOGlSCHER  BRIEFS    X.  B. 

welche,  wie  Antoninns  Libi^alis  In  der  Auf- 
fchrift  des  verwandelten  Battus  (23)  meldet, 
vi^le  SpHtere  aufnahmen :  nemlich  in  den  großen 
£(>en,  oder  dem  Gedichte  von  berühmten 
Weibern,  wovon  fich  der  Anfang  QPauf.  i  p.  5) 
am  Schlufleder  Theogonie  (965,  loao),  nebft  , 
dem  Schilde  des  Herakles  und  kleineren  Bruch« 
ftücken,  erbalten  hat. 

/ . 

Wir  muffen  entweder  dem  Paufanias  feine  un» 
glaubliche  Achtlofigkeit  aufbürden,  oder  ihm  zu- 
trauen ,  dafs  er  die  Zeugniffe  der  Eöen  und  des 
hbmerifchen  Hymnus  abfichtlich  Überging,  weil 
jhm  hier  unbe^weifelte  Denkmäler  genügten, 
wo  Apollon  als  Freund  der  Rtndef  erfchien* 
Dem  Hefiodus  aber  bezweifelten  viele,  und  Pau* 
fanias  mit  (  8  J«>.  483  J  9  P*  588  )  f  felbft  die  Theo* 
gonie,  wie  viel  mehr  den  verdächtigeren  Anhang 
von  den  Weibern,  Und  die  homerifchea 
Hymnen  hielt  man  gröfstentheils  für  Arbeiten  der 
Homeriden,  unter  welchen  zü  Aefchylus  Zeit 
Cinäthus, .  durch  Vortragung  homerifcher  und 
eigener  Gedichte  in  Syrakus ,  am  berUhm« 
teilen  ward  {SchoL  Find.  Nim.  2).  Dies 
konnte  einem  Paufanias  nicht  unbekannt  fein, 
obgleich  er  an  einigen  Stellen  die  Hymnen 
mit  der  gemeinen  Benennung«  «Is  homerifche^ 
anführt 


S£CHS2EHNTfill    BRIEF»  99 

Ein  ehrwürdiger  Name,  CinSthus,  deflen 
Poelie  Griechen  für  homerifche  galt!  Sollte  auch 
einer  und  der  andere  der  homerifcben  Hymnea 
neu  an  Begriffen  und  an  Sprache  befanden 
\irerden;  was  denn  mehr?  Auch  als  homeridU 
fcher  Hymnus,  auch  als  Gedicht  des  feurigen 
Cinäthusy  den  der  Geift  fernes  göttlichen  Stamm« 
Vaters  entflammte,  als  Nachlaß  des  fpäteren, 
doch  immer  noch  hohen  Alterthums,  und  woraus 
uns  fo  wenig  geblieben  ift,  wird  er  uns  ein  hei« 
liges  Kleinod  fein:  eben  fo  lieb  und  werth,  wie 
dem  Panfanias  die  ältere  oder  cyklifcbe  Thebai's^ 
die  der  Elegiker  Kallinus  dem  Homer  zufchrieb. 
Dem  Kallinus,  fagt  Paufanias  (9  f*  556)f  haben 
viele  und  achtbare  Männer  beigeftimmt;  ich 
fiimme,  dafs  diefes  Gedicht  nach  der  Uias  und 
der  Odyflee  mir  am  meiften  gefällt. 


xvir. 

In  unterem  Hymnus  an  Hermes  erkenne  ich 
nichts,  was  dem  2^italter  des  Cinäthus  wider« 
firebt^  manches,  was  ihm  Völlig  entfpricht» 
Noch  mehrere»  wird  ein  verweilender  Ausleger 
diefes  vernachläfKigten  Gedichts  wahrnehmen. 

Das  erfte   Merkmal   der  Neuheit  find  mir, 
lirenn    Sies    erlauben^    grade    di«    geflUgelttn 

G  a 


lOO    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE.  I.  B. 

Mören  (v.  550),  die  Winkelmanns  Nachfpre* 
ehern  ein  entfcheidendes  Kennzeichen  des  ogy- 
gifchen  Alterthums  fein  würden.  Die  Erlaubnis 
ja  nicht  geweigert;  oder  ich  überziehe  Sie  mit 
dem  ganzen  Schwärme  geflügelter  Gottheiten^ 
lauter  jungem  Anwachfe  der  kunftbildenden 
Jahrhunderte ! 

Ob  die  befremdende  Abdämmung  der  Selene 
(V.  icx>)  von  Pallas,  dem  herfchenden  Sohn 
Megamedes,  da  fie  bei  Hefiodus  von  Hyperion 
und  Theia,  bei  Hygins  Vorgängern  von  Hype* 
rion  und  Aethra,  gezeugt  worden,  für  neuere 
Fabel  2a  achten  fei;  darüber  könnte  man  noch 
ftreiten»  Vielleicht  war  es  verfpätete  Theo- 
gonie  def  Gegend ,  wo  der  Verfafler  fang.  In 
Sicilien  und  anderen  Anbauungen  konnten  meh* 
rere  Sagen  und  Gebräuche  in  der  eingeftihrterf 
Geftalt  fortdauern )  indefs  Griechenland  Neuerun- 
gen zuliefs. 

Offenbar  jüngerer  Opfergebrauch  Ift  (v.  137) 
die  Verbrennung  der  Häupter  und  der  Füfse» 
fißiovoö\  HXo\iaf\iva  t  die  bei  Homer  und  Hefiodus 
niemals,  wohl  aber  bei  Tertuliian  (^apotogiU  14) 
vorkommt« 

Ferner  gehören  zur  neueren  Fabel  (v.  224) 
die  Kentauren  mit  haarigen  Nacken  und  unmenfch- 
lichen  Fufsipuren:  wodurch  HalbroiTe  angezeigt 


SIEBZEHNTER   BRIEF.  löt 

Verden.     Bei  Hotner  waren  die  Kentauren  nur 
"wilde  behaarte  Bergmenfchen. 

Umgebildet  ift  auch  der  dreifprollige,  wahr- 
fcheinlich  mit  dreierlei  Laub  umwundene»  gol- 
dene Friedensftab  des  GlUcks  und  des  Reichthums, 
welchen  Hermes  (v.  516)  von  ApoUon  erhält. 
Es  fei  der  Stab,  meldet  Euftathius  (IL  24,  343) 
ans  anderen  Dichtern,  wom't  Apollon  .des  Ad« 
tnetus  Rmder  geweidet  habe.  Bei  Homer  trägt 
Hermes  einen  fchlichten  goldenen  Stab,  um 
Schlaf  und  Träume  zw  fchaifen ,  und  die  Seelen 
zur  Unterwelt  zu  geleiten:  einen  ähnlichen» 
wie  er  (11.  2,  103)  dem  Pelops  zum  Herfcher- 
ftabe  verlieb«  Später  wurden  umwundene 
Schlangen  und  Flügel,  als  Sinnbilder  der  Klug- 
heit und  der  Geifteserhebung,   angefügt. 

Dazu  die  häufigen  Sprachneuerungen ,  indem 
bald  homerifche  Worte  mit  veränderten  Begrif- 
fen, bald  homerifche  Begriffe  mit  anderen  Wor- 
ten fich  darbieten.  Blofs  andere  Worte  för  an- 
dere Gegenftände  entftheiden.  nichts.  Denn  wer 
wollte  behaupten,  Homers  Ilias  und  Odyffee 
umfaffe  die  ganze  Sprache  der  homerifchen  Zeit? 
Gewifs  fo  wenig,  als  die  ganze  W^Itkunde  und 
Fabellehre^ 

Als  altes  Wort  mit  txeuer  Ekedeutung  zeich- 
net Ernefti  (v.  92)  )(«^«c   aus,    welches  nach 

G3 


X02     MYTHOLOGISCHER  BRIEFK   I.  B. 

« 
J^mmonius  bei  Homer  ftumm  heifse,  bei  ie^ 
Späteren  iauh.  Man  kann  einwenden,  ««^^fl«  be- 
deute (U.  94»  54)  anch  fühüos^  wjomit  gehärtas 
doch  nahe  verwandt  fei.  IJekerzieugender  ift, 
da($  fvicJ^Qc»  welches  nebft  txtUiia::  Homer  nar 
in  der  erften  finnlichen  Bedeutung  für  rechts 
kennet.*  liier  (v,  453)  fchon  für  gifcbukt  ge- 
ibraucht  wird« 

Anch  dds  Beiwort  fnAprf^cQ  im  Anfang  der 
Od^^iTee  nehme  icb  mit  den  Slteften  Grsimmatu 
kern  in  der  erften  Bedeutnng  für  vietgewandt, 
der  inet  in  der  Wett  hemm  gewefen:  wogegea 
die  Späteren  es  auf  Geißesgewanäheit  oder 
Schlauigkeii  Wiebn.  Denn  nirgends  wird  bei 
Hoäier  weder  r^tw^t  ohne  den  Beifaz  wo»,  noch 
ein  Abkömniling  von  Tfe9r«»  in  fittticher  Bedeu-« 
tung  gehraucht.  Vielmehr  heifst  (Odyff.  15 >  80) 
rff^^ifMEi,  herumreifeu;  vielmehr  hei&en  die 
Khnüch  gebildeten,  «»oTfiTöc  (Odylil  14^  371) 
und  PTnrffo^o^,  (199  332),  jenes  abgewandt ,.  die* 
fes  zurückgewandt f  heimkehrend:  wie  noch  bei 
Pbocjlides  (134)  «Lurf«roc>  meerdurchwandemdp 
und  bei  Nonnus  (^Diawff.  28»  304)  vükwt^qww 
ixyoi^ »  der  vielfach  gewandte  Schritt^  Aber  dann 
käme  ja  der  felbige  Gedanke  zweimal : 


SIEB2EH19T&R  BRIEF.  lOJ 

Sa^e  mir«   Mofe»  vom  Mause»  dem  Yie^eirandteiw 

der  Tielfaicti 
UmgefrrK 

JWs  ob  nicht  grade  folche  Verdoppelung  ho* 
merifch  wiCre  (II.  5,  63;  11,  475  >  '«»  ^95^ 
J3»  4&2).  Als  ob  nicht  grade  die  verftärkende 
Wiederiiohlong  mit  dem  gehäuften  fnet  von  alten 
Auslegern  bei  Euftathius  als  Schönheit  ange- 
merkt würde,  Nachahmungen  von  Horaz  oder 
Uvios  Andronikus  fallen  doch  nicbta  beweifen? 
Des  lezteren:  Firom  tnihii,  Camaluaf  varfutum 
infice:  könnte  es  fogar  fttr  mich;  denn  auch 
vorfutm  braucht  Plautus  iEpicid.  3>  «>  35)  ^ 
urfpriinglichen  Sinne  >  gewandi^  Mvjuvnrogy  von 
der  laufenden  Töpferfcheihe^  —  Nun?  und 
diefes  »oAüTfocff«*  wenns  auch  v.  13.  zweifelhaft 
ift,  kann  v.  438  kaum  andera  als  tifiigf  jränk^ 
kundig  f  erklärt  werden.  Schon  in  den  Pafl^ 
komirifis^  welches  Arktins  Zerftöcung  von 
Jlios  fcheint,.  fand  Euftatbius  nicht  nur.  «ir«y 
fnAuTeawB^>  das  vielfältige  Schkkfai,  fondera 
imsoxna  (Hefychius  wünfcht  n^tf^wn»)  »»At/rfo»»», 
den  vietfachenf  gewandten  Beiriegeri  womit 
Sinon  gemeint  (ein  kann^ 

Noeh  einem  Spröfsling  von  refsw'ward  vod 
Barnes  und  Ernefti  eine  fittUche^edeutung  zu- 
fietrant,  wreiw  v.  ^45:  wo  fie,  ein  Kind  in 
^  G4 


J04    MYTHOLOGISCHEJR  BRIEFE  I.B, 

"tetrügtkhe  Lijlen  gebullt,  verftehn  >^olIen,  was 
wabrfcheinlicher  Stolberg  für  ein  Ktad  in  bitrüg* 
ticken  IVindeln  nimt. 

Von  felbft  aber  verrathen  fich  folgende  Neue- 
rungen. ^TcayoiLsvQi  i^av  V.  j^g,  din  ll^eg  befchleu* 
nigsndt  welches  in  Homers  Sprache  üoja  erfo- 
dert;  v.  ti6  aVoi-^-v;^/«;;  brummende  hei  Homer 
untergetaucht t  wiewohl  ß^uxst%  (IL  17,  364 *> 
fchon  ein  Getön  anzeigt;  v.  135  ßtr^cfot^  Erh'd" 
hungen,  Altäre;  v.  j^6(pmvn^  Schlachtung^  von 
<pxsiVf  fchlachten^  bei  Homer  Stimme  ^  von  ^aetv^ 
reden;  v.  167  ßvxsvm  tf^t^  muh  berathehdf  für 
das  homeriibhe  timty  s.  igg  xy«^«Aav»  wüd  von 
Anfehn^  als  Beiwort  eines  Greifes»  da  es  bei 
Homer  ein  witdes  Unihier  ift ;  v.  336  htun^gtou 
offenbar  oder  v'dlligf  welches  Homer  nur  vom 
durchdringenden  Ruf  und  ununterbrochßnen  Hügel 
kennt;  v.  348  har^tßeiv  »ca(u^«>  den  Weg  Irin« 
bringen 9  vollenden ^  bei  Homer  aufhalten;  v.  426 
xf^vMv»  verherlichenctt  bei  Homer  vollendend; 
und  andere  mehr« 

Damit  Sie  indels  nnferen  Hymnus  auch  nicht 
allzn  jung  anfehn »  fo .  bemerken  Sie  v.  568  dag 
Wort  vffl^tfTc»  welches  den  Späteren  Schafe^ 
hier  noch  jegliches  f^ieh  bedeutet«  Dafür  erklir- 
ren es  die  Grammatiker  bei  Homer  II.  14»  124» 
lind  in  Hefioüs  Landbau  v,  55$:  wie  nemlicb  das 


SIEB2KKXT£1l  BRIEF.  I05    , 

verwandte  w^^ßn^ta  Odyin  3»  7g»    ib  (ein  die 

wfn^ta  gehindes  Gut  9  im  Gegen&s  des  /irgf»- 

i2m.    Von  Eiiftathios  bei  II.  11  (j^  828)  lernen 

wir»  dafs  Pindar  «fo/SsTA  die  Stuten  des  Diomedes  - 

und  den  Pegaßis  genannt  habe»  nnd  Simonides 

einen  Stier  bald  raugav^  bald  itoÄo^  oder  nn^ov^  bald 

weoßecTQ^     So  allgemein  brauchten  wfQßxr»  noch 

Hippokrates,  Heradot.(fieheValkenaer  bei  4,  61) 

nnd  Xenofon;    auch  Thucydides  (2»  14)  fest 

fie  nnr  den  Jochthieren  entgegen:  ^oßjirm  im* 

viro^vr^».    Aber  Ichon  bei  Ariftofanes  (av.  714) 

'find  TPfoßxr»  Schafe f   noch  häufiger»   und  wie 

ein  alltSgliches  Wort,  bei  Ariftoteles.    Vielleicht 

beftand    damals  das  gehende  Gut  der  attifcbeti  ^ 

l.andwirte  hauptflichlicb  in  einträglichen  Scha*« 

fen«      Denn   in   dem   felbigen  Schaufpiele  des 

Ariftofanes  v.  43  heifst  das  Landleben  reich  all 

Bienen,  au  Schafen  C*?«^t«i«)  und  Qeltrebern, 

und  V.  50  der  Landmann  vomgefegneten  Ertrag 

der  If^olte  duftend.    Daher  Varro  (2,  a)  unter 

den   edelften  der  feinwolligen   Schafe  die  attU 

fchen,   und   Proklus  heim   Hefiodus  (Lb.  537) 

mit    den    mileilfchen    die    attifchen    Gewände, 

rühmt*    Aus  gleicher  ürfache  werden  in  Holftein 

die  Rinder  vorzugsweife  das  Gut  genannt.    Aber 

warum  lehrt  denn  Möris,  dafs  91«  attifch  fei»  und 

'vfoß^To^  hellenifch?   Ift  dort  ein  Schreibfehler? 

öder  will  er  mir  f^gen,  dafs  der  fpätere  Attiker 

G5 


I06    MYTROLOGISCHER  BRIEFE  I.  B. 

neben  irgoßarw  noch  das  alte  Wort  o^  cinfilbJ^ 
aus  Homers  zweiiilbigem,  gebraucht  habe,  alg 
fchon  anderwärts  rt^ßaro^  ausfchliefsend  galt? 

Der  unhomerifchen  Worte  für  Begriffe,  die 

Homer  häufig   genug    ausdruckt,     enthält    der 

Hyninns  nicht  M^cnige.    Nur  ein  paar  auffallende 

jsum  Beifpiei.  V«  2g  vavxoc  ßaetwtv^  flatHich  gehn: 

nx^eiches  Klemens  ipefd^^  }^  ^Si)  ^^^  Anakreon 

von  dem  vornehmen  Gange  eines  Mädchens,  und 

der  Etymologift   (^/«ffatAAVfiJMc)    in    Simonides 

Jamben   von  einem  fiolz  dahertretenden  Ro0e 

gebraucht  fand.     Dann  v.  pg  e^^fac»  di^  Frähif 

«in.  Wort,  das  meines  Wiffens  zoerft  bei  Ibyku« 

{Plnt.fymp.  893)  vorkommt,  und  die  Neuheit 

auch      des     homeridifchen     Frofchmäufekriega 

(v.  102),  und,  wie  Herr  Schneider  {Pind.  fr. 

f"  33)     bemeikt,     der    orfifchen    Argonautik 

(v.  364  und  561)9    verrätli«       Von  ofsohotetvtHß 

V.  3089  Avelches  verwirren  bedeutet»  finden  lieh 

verwandte:  cf(toA«a-«c  Afv«  bei  Anakreon  (/r.  55)1^ 

/und  cewoxofTstw^ai  bei  Aefchylns  (,Pirf.  lo).    Aber 

V«  325  fvt^vAtii»  das  Glückt,  wie  es  fcheint ,  ijS: 

einzeln;     Einzeln ,  doch  unzweideutig ,  ift  auch 

T.  383  '^t^'ofutt^  ich  erthiiltf  in  |ecy«v  ^ntthttom^ 

igMin  welchen  Gedanken  Homer  mit  der  wieder« 

kehrenden  Formel  ilL  i,  233;  $»  132)  x«<  <ti 

iciyaR  3fsay  apoifusi ,  bezeichnet  hätte.    An  den  Be* 


SIEBZEHNTER   BRIEF.'  -  »07 

dfirfhiffen  des  Scbmauibs  läCsk  es  Homer»  \irie 
man  weifs,  gar  nicht  mangeln»  zumal  bei  den 
feli^^n  Fäaken  und  den  übermütigen  Freiern  in 
Itbalca.  Gleichwohl  nennt  er  den.  mit  Gelang 
begleiteten  wilderen  Tanz  niemals  nßiu^i  welcher 
umftoi  hier  V.  478  ala  SckmausrrigiHf  auf  Nieder- 
fächfifbh  Swiir  genannt»  dem  Rnhntanze  ent- 
gegengefeat  wird;  wie  £;bon  hei  Hefiodus,,  anf 
dem  Schilde  des  Heraicles  v.  281»  neben  dem  ge« 
ordneten  Tanze  ein  fdiwSrtnender  Komos  der 
Jünglinge  erfcheint. 

Ein  ganz  anserlefenes  Wort»  das  allein  zum 
Beweife  der  Jugend  hinreicht,  (pare  ich  für  d^eo 
nHebften  Brief.  Sie  (cheinen  mir  des  Wortklau« 
bens  fchon  ikt  imd  müde  zu  fein. 


XVIIL 

Mein  Wort  alfo?  Geben  Sie  acht.  Die  Solen» 
die  der  frühktuge  Hermes  triigt»  helfsefr  nicM 
vc^fAff»  fondern  — *  nur  nicht  r«Afte«  gerathen! 

fondem  ««v^a«« 

Nachdem  Hermes  von  den  Gdtterrindern» 
die  ApoUon  an  den  pierifchen  Bergen  weidete, 
fünfzig  geraubt;  übte  er  die  Konft,  fie  mit  den 
Häuptern     lieh    zugekehrt»    feM    rückwärts 


lOg     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    I.  B. 

folgend,  hinweg  zu  treiben.  Um  aber  auch  fo 
nicht  an  der  Spur  fich  zu  verrathen,  warf  er 
(v.  79)  feine  Sandalen  an  den  Meer&nd  bin,  und 
band  fich  Gebunde  von  Tamarisken  und  Myrt^i^ 
reifern  unter  die  Füfse,  welche  wiederum  (v.  83 
und  I39>  ffÄv3«AÄ  genannt  werden.  Seine 
Mutter  hingegen  (v.  57)  war  mit  köftlichen 
9ih\oK9  wie  andere  Gottheiten»  gefchnnttckt* 

Das  Wort  ff«vd«A0y  oder  €*v^aj^9*t.  fiigt  Julius 
Pollux  (7>  a2)>  finde  man  fchon  vorMenander 
bei  Herodot,  £upoUs  und  faft  allen  Komikern; 
Kratious  nenne  tyrrheni/che  Sandßliin »  und  Kefi* 
fodorus  S^udalien, 

5^*"  qI^  rm    AJfUff«.  TÄVT^   fflTfT'Vl  «Ifitltfi^ 

Auf  Njfekheu  goldg^vs'Irktc  Blumen  ßud^ 

Eine  Gattung  der  SaodaMen  werde  ß^vrn 
genannt.  Weiterhin  njennt  er  fie  fcWechtweg 
wffnr'w»  tyrrkmfche  Schuhn  die  Sole,  «.«rrvf«», 
fei  von  Holz,  vier  Finger  bochf  und di^ Riemen 
yergoldet;^  denA  e^fei  ein^  «ucv^^tA/oy*.  Hiermit  habe 
Phidia$  d  ie  Fttfee  der  Athene  gefcbwöckt.  Auch 
nenne  man  fie  Tveeff^^er^x  tyrrhenifche  Arbeits 
Vielleicht  meine  diefe  tyrrh^nifchem  Schuhe  auch 
Sapph.o,  wann  fie  fage;  «-wk^a^c  f^etf^^mt,  Avho)i. 
»jjAflv  «^jfon,  bunUx  Geriem%  lydifcke  PracMßrbeiU, 
Als  Nachlefe  fügt  er  ( lo,  13)  hin^u^.  dafs  auch 


ACHTZEHNTER   BRIfiF.  10) 

der  Komiker  Theopomp  ravJ«A<«  fage,  aber  von 
einem  Weibe. 

Eben  fo  erklärt  Hefycjiius  »  f«v5«A/Ä  und 
f«v5«A«  für  Weiberfchuhe  ;  und  tyrrhenifchi 
Sandalien  für  eine  Art  hoher  Solen.  Dem  Scho- 
liaften  des  Ariftofanes  (vefp.  i  i6i  )  find  die  Solen 
oder  KceTTUiiXT»  dicke  und  ftarke  Leder,  die  man 
den  Sandalien  und  anderen  Schuhen  unterlegt. 
Für  folche  tyrrhenifche  Sandalien  hält  Turnebus 
iadverf.  3O)  38)  die  Befchuhung  Eoanders  bei 
Virgil(^^».8>  458  )J 

Et  Tyrrhetia  pedfim  cireumdai  ^fincnla  plantif* 

Aach  lyrrhenifche  Binden  uitifugt  er  den  Solen  der  Fiifie» 

Ich  glaube  mit  Recht;  ungeachtet  Herr  Heyne 
fein:  Nmisfubtiliier!  ausruft» 

Die  '  Sandalien  waren  demnach  hochfotige 
Schuhe,  von  leichtem  Holz,  Kork  oder  ftarkem 
Leder,  mit  vergoldeten  und  kunftreichen  Riemen 
um  den  Fufs  gewunden:  welche  Tracht,  nicht 
lange  vor  Xerxes,  die  Griechen  von  den  Tyrrhe* 
nern  aufnahmen.  Denn  was  Pollux  vermutet, 
dafs  fchon  in  einer  Ode  der  Sappho  das  lydifche 
bunte  Geriem  für  einen  tyrrhenifcben  Schuh  zu 
halten  fei ,  darf  nicht  in  Betracht  kommen. 

Anfangs  trugen  fie  beide  Gefchlechter:  daher 
Herodot  (a,  91)  die  riefenmäfsige  Befchuhung 


IfO    MYTHOLOGISCHER  BRIEFS:   I.B. 

des  Peffeus,  in  der  Fabel  d«  geilUgelte  Solen 
berühmt,  welche  die  Aegypter  zu  befizen  vor- 
gaben» sceviaxtoy  nennt»  Sogar  Sokrates,  der 
nach,  alter  Einfalt ,  wie  fie  einem'  Weltweifen 
anflrandy  gewöhnlich  barfuls  ging,  glaubte  zu« 
"Weilen ,  wann  fein  Freund  Agathon  feine  Gefeil- 
fchaft  bewirtete  (Plat.  Sytnfof*),  mit  fchönen 
Blauten,  einer  Art  Sandalien,  erfcheinen  zu 
tnüflen:  welches  ihm  gleichwohl  (^Aet.  var» 
hiß.  4»  II )  der  llrenge  Diogenes  febr  tibel  nahm» 
Dafs  der  eitele  Mahler  Parrbaüus  (^AeL  c;.  ft«  9,  1 1» 
Athen*  13,  II)  die  Riemen  feiner  Blauten  mit 
goldenen  Spangen  anfchnüfte,  war  nur  Erhö*» 
h\iftg  der  Pracht, 

Nachtnals  blieben  die  Sandalieh  ineift  detf 
Weibern:  deren  Schmuck,  nach  AfeUan  {yati 
hiß.  I,  18  )>  vor  Alters  in  hohen  Hauptkräneen, 
in  Sandalen  und  gro(sen  Ohrgehenken  beftand. 
Deswegen  erfcheinen  bei  Euripides  Clphig.  AuU 
1042)  am  Hocbzeitsfefte  des  Peleus  die  pierl« 
fchen  Mufen, 

Cv  Sa  xgHüSxt». 

Goldner  Sdndalieu  SpurBii 
Der  £rd'  «uSlampBend^  ' 

Deswegen  gab  Phidias  feiner  Athene  die  nett* 
modifcben  Prachtfcbul^»      Und  Bion   (x,  ai) 


ACHTZEHNTER  BRIEF.  11 1 

b'efingt  die  trauccnde  Afrodite,  wie  fie,  def 
Sandalen  entblöfst ,  umherirrte.  Doch  läfst  noch 
Theokrit  (24,  36)  den  Helden  Amfitryon  mit 
Sandalen  auftreten;  und  die  heiligen  SchriftfteU 
lef  1>rauchen  das  Wort,  wie  die  Neugriechen, 
überhaupt  für  Schuh. 

Auch  die  Infel  Sardinien  erhielt  von  det 
neuen  Sandalientracht  einen  neuen  Namen.  Die 
Seefahrer  hatten  fie  «uerft,  wegen  ihrer  Aehn- 
üchkeit  mit  der  Geftalt  eines  Pl^ttfu&es,  Ichnufa 
genannt  C  Panf.  JO,  p.  63g);  gegen  die  ZeiC 
des  ficilifchen  Gefchichtfchreibers  Timäus  (/'/in. 
3,  13)  entftatid  die  Benennung  SandaliotiSp 
oder  9  wieHefychius  fchreibt,  Smdalope. 

Wann  foll  nun  der  H3rmnn8  gedichtet  Tein^ 
worin  der  neugebobrene  Hermes  Sandalen  triCgt? 
Kicht  lange»  meine  ich,  vor  der  Zeit  der  ülte« 
ren  Komiker,  bei  welphen  Pollu^  zuerft  Sanda-» 
len  als  Tracht  beider  Gefchlechter ,  dann  vor« 
eüglicb  der  Weiber,  beobachtete. 

Nehmen  Sie  hie^a  die  übrigen  Sparen  von 
Sitten  und  Spracheigenheiten,  die  alle  in  Aeibh^'^ 
lus  Zeitalter  zufammentrefFen.  Beweifcs  genügt 
denke  ich,  dafsUnferen  Hymnus  nicht  leicht  ein 
andrer,  als  der  hertibmte  Cinätbus,  verfertiget; 
und   zugleich >   da&    der    edle   Homeride,   det 


III    MYTHOLO(iI5CH£R  BRIEFE   I.  B. 

feines  Stammvaters  Sprache  und  Sitten  doch* 
wohl  kannte ,  mit  feinem  Gefange  es  keineswegs 
auf  Betrug  angelegt  habe. 


XIX. 

bie  wiffen  fchon,  wo  ich  hinaus  will?  Nur 
darum,  fagen  Sie,  werde  der  Hymnus  dem  AU 
cäus  abgesprochen ,  und  dem  Cinätbus  zuerkannt, 
damit  die  Fufsflugel  des  Hermes  recht  jung  er* 
fcheinen» 

Aber  kann  ich  fie  Slter  machen ,  als  fie  find  ? 
In  diefem  fo  fpät  gefchriebenen  Hymnus,  der 
in  577  Verfen  alles  rühmliche  an  Hermes  rühmt, 
ift  er  fnit  prächtigen  neumodifch^n  Sandalen  ge» 
ziert ,  doch  ohne  FuisQügek  Nicht  einmal  durch 
innere  Zauberkraft,  wie  die  Götterfolen  bei 
Homer,  gewfihren  ihm  die  Sandalen  einen  rchwe-> 
benden  Gang;  fondern,  damit  nicht  die  Spur 
ihn  verrathe,  mufs  er  ftatt  der  Sandalen  lieh 
Gebunde  von  laubigem  Reifig  anlegen.  Und  das 
in  einem  Gedichte,  wo  fchon  die  Mören,  die  ihm 
Apollon  zum  Dienfte  verleiht,  mit  fchnellen 
FittJgen  umherfliegen. 

Was  antworten  Sie?  Hermies  fei  noch  nicht 
flügge?   Die  geflügelten  Solen^  vermutlich  ein 


NEUNZEHNTER   BRIEF.  I|| 

Werk  des  finnreicben  Hefäflros,  fein  erft  nadw 
inals,  zugleich  mit  der  Beftallaog  zum  Herolds- 
amte,  ihm  iiberrelcht  worden  ? 

Sagen  Sie  für  geflügelte  Solen  fchwebende, 
und  wir  find  eins. 

Der  So^n  der .  Hb  ja  war  durch  Geburt  ein 
blofeer  Felddämon  y  der  aber  (v.  165  —  175) 
durch  Geiftesbehendigkeit  zur  Ehre  der  grofsen 
Götter  fich  erhob.  Zeus  bemerkt  an  ihm 
(v.  ^i)  die  Geftalt  eines  Herolds,  und  ernennt 
ibn  (  V.  392)  zum  Befteller,  hmKTOic^:  alsfolchen 
begrüfst  ihn  (v.  511)  fein  Brude^  ApoUon,  und 
fügt,  zum  Dank  für  d^s  Saitenfptel^  noch  andere 
Gaben  dem  neuen  Beamteten  iiiaQ^  Vor  feiüer 
Erhebung  wandelte  er  auf  gemeinen  Sandako^ 
die  er  jedoch,  fo  prächtig  fie  fein  mochtet^ 
(V.  79)  als  unbrauchbar  wegwarf.  Aber  nachr 
dem,  er  feinem. Wünfche  geq^äfk,  aus  d»  dunke» 
kn  Felsgrotte  zum  Verkehr  der  Seligen ,  und  zu 
gleicher  Ehre  mit  feinem  Halbbruder  Apollon» 
fich  empörgefchWQSgen;  jjezo  wird  er  natürlich, 
um  den  Gißbeten  der  Erdbewohtter  mit  Hülfe  zu 
nahn ,  um  die  Aufträge  der  Gatter  zu  befteüeo» 
und  die  Seelen  zum  Aides  hinab  zu  geleitei)» 
fchwebende  Solen  oder  «rf^/A«,  wie  feine  verheE- 
tichte  Mutter,  K«AA*9i«^iA«^(v.57)t.  die  der  Gc^tter 
Verfammlun^  nur  mied  (v.  5),  und  wie  ^ie.i«!-' 

H 


114    MYXHOLOOiSCHER  BRIEFE  I.  B. 

-deren  Uniterblichen,  zum  Antheil  erlangt,  und 
nicht  weniger  fchnell  als  Apollon  Cv.  215),  in 
fiUrmendem  Schwünge,  mit  finfterem  Nebel  nm« 
bullt,  die  Räume  der  Welt  durchgreift  haben. 
Auf  fchwebenden  Solen ,  fage  ich ,  doch  nicht 
nothwendig  auf  geflügelten. 

Ja,  wäre  das  Dafein  geflügelter  Solen  bei  ande- 
ren Dichtern  vor  oder  neben  Cinäthus  zu  erwei« 
fen !  Kommen  Sie  mir  nicht  cnit  dem  orfiichen 
Gefange  an  Hermes  (Ä  27),  der  die  Anrufung 
firrvy07«$iA«,  Sokngeflügiltir ^  entliält«  • 

* ,  Der  VerfidTer  diefes  mylHlchen  Liedes  (detiii 
andere  find  von  anctereli)  vefräth  feine  Jugend 
fchon  durch  das  neuere  Wort  vriyy««,  das  nicht 
vor  dem  Zeitalter  der  Dramatiker  geAmden  wird. 
Neu  ift  ferner  die  Sitte  des  geopferten  Weih- 
rauchs» neu  der  Friedensftab,  und  neu  das  Amt 
des  Hermes  M^ttymt^^^  des  f^arfiikirs  der  Kampfe 
fpiete:  welches,  famt  dem  Worte  Ty/^vx^,  Leibes* 
Übung  f  erft  lange  nach  Homer  nufkam;  da  man 
für  die  gymnaftifchen  Uebungen  .den  gewandten 
Hermes,  den  nervicfaten  Herakles  und  andere^ 
zu  Schuzgöttern  auserkofar.  Weit  gefehlt  alfo^ 
dafs  der  orfifcbe  Sänger  den  geflügelten  Solen 
ein  hohes  Alter  anweife,  wird  er  fleh  felbft  von 
den  geflügelte^  Solen  «in  niedrigeis  anweifen 


NEUNZEHNTER    BRIEF.  IIJ 

So  wenig  als  Cinfithus,  gewährt  der  gleich- 
zeitige Aefchylas  einen  Hermes  mit  Fufsflügeln« 
An  anderen  fabelhaften  Geftalten,  die  bei  dem 
wnaderliebenden  Tragiker  auf  der  Bühne  hervop- 
gehn,  oder  fchwebend  in  der  Mafchiene  nahn» 
wie  fahr  wird  jeder  bedeutende  Zug  ausgemablti 
Bemerken  Sie  gleich  im  Anfange  des  gefeiTelten 
Prometheus  die  gräfalichen  Unholde  der  Kraft 
und  Gewalt  9  und  den  Hefäftos  mit  feinem 
Scbmiedegeräth.  Bemerken  Sie  die  Oceaniden 
(v.  129,  135,  279)  in  ihrem  Luftwagen  mit 
geflügelten  Greifen ,  als  einheimifchen  Thieren 
der  arimafpifchen  oder  hyperborifchen  Rhipfien 
im  äufserften  Weftlande,  wo  die  Quellen  des 
Vaters  Oceanus  find;  dann  (v.  2879  394)  ihn 
felbfty  den  Weltumftrömer  Oceanus,  von  feiner 
Quellgrotte  auf  einem  Greife  durch  die  Luft 
daherreitend  und  zurückkehrend;  ferner  (v,  563, 
592)  die  irrende  lo  mit  Kuhh(5rnern;  endlich 
(Eum.  406)  Athene  in  einem  fch webenden 
Wagen ,  mit  unfterblichen  Roflen  befpannt.  Und 
wie  erfcheint  Hermes?  Als  ob  nichts  auszeich« 
nendes  in  Gang  oder  Tracht  würe,  meldet  Pro- 
metheus (v*  949)  nur  feine  Ankunft: 

To¥  TU  rvfay¥H  TH  vtH  hauivov ! 
JlavTwg  Ti  Kat¥0¥  «y^iAwv  rAijAv^il 

H  a 


.118    MYTHOLOGISCHER  BRIEFB  I.  B. 

■  '">      '        '      , , Ö Geck,  betrachte  nur  Hermes, 


Wie  er  fliegt,  auch  als  Got|,   und  Fitüge  trägt;  jaiid 

'  andere  Götter  fo  viele ! 

Gleich  Nike  mit  goldenen  Fittigeu  fliegt;    auch  fliege» 

beim  Himmel »  ja  Eros ! 
.    Und  Iris  vergleicht  ja  felber  Homer  am  Gang  der  fchiicli- 

ternen  Taube! 

Aber  markigen  Sie  Ihre  Freude.  Der  Scbo- 
liaft  merkt  biebei  an»  die  Beflügeluog  der  Nike 
und  des  Eros  fei  neu;  und  nicht  nur  das»  er 
nennt  uns  verfchiedene  Mahler,  zwifcb^n  wel- 
chen es  ftreitig  war,  wer  zuerft  die  Nike  mit 
Fittigen  vorgeftellt  Eros,  wie  es  fcheint,  mu& 
feiöe  Goidfchwingen  am  frilheften  erlangt  haben  ; 
denn  nach  einer  Fabel  bei  Euftathius  (//.  14 
•  jP-  979)  wurden  fie  dem  Eros  durch  einen  Aus- 
ipruch  der  Götter  abgefchnitten ,  und  der  Nike 
beigelegt  Hätte  doch  der  Scholiaft  auch  den 
crften  Beflugeler  des  Hermes  zu  nennen  gewufst; 
oder  wenigftens,  ob  Hermes  die  Fittige  fchon 
damals  an  Ferfen  und  Haupt  zugleich  (denn  an 
den  Schultern  trug  er  fie  niemals),  oder  allein, 
welches  wahrfcheinlicher  ift,  an  den  Ferfen 
getragen  habe. 

Von  der  homerifchen  Iris,  meint  der  Scho- 
liaft,  habe  der  Komiker  im  Scherz  eine  Unwahr- 
Beit  gefagt^  denn  nicht  Iris  werde  (11.  5,  778) 


NEUNZEHNTER   BRI^F«  II9 

mit  einer  fchfichternen  Taube  verglichen,  fon- 
dern  Athene  und  Here«  Doch»  wie  einige 
'Wollen,  fezt  er  hinzu ^  finde  man  folches  in 
anderen  Gedichten  Homers:  denn  ihm  gehören' 
auch  Hymnen;  tt^i  r^  Kat  pftvoi.  Nicht»  wie 
?erfchriebenilft»  %eu.itvfitvou.. 

Was  verdiene  ich,  ein  (b  heriiches  Zeugnis 
für  die  Aechtheit  des  homerifchen  Hymnus  an 
Apollon  gefehlt  zu  haben  ?  Nun  können  Sie  fleh 
um  den  Verluft  jenes  an  Hermes ,  wenn  die  Auf- 
ftellung  eines  neuen  Dichters,  wie  Cinäthns^ 
nicht  eher  Gewinn  wär^  doch  etwas  tröften« 
Nicht  der  alte  Thucydides  allein,  auch  der  Dich* 
ter  Arülofanes,  auch  feine  gelehrten  Austeger, 
hielten  den  an  Apollon  für  Homers  Arbeit. 
Denn  dort  v.  114  find  es  Iris  aod£Ueithy3,  die 
gleich  fchiichternen  Tauben  vom  01y;npos  nach 
Delos  daherwandeln:     > 

Visa  &t  traten  daher  gleich  fchiichternen  Taaben  am 

Gange. 

XX. 

K>uchen  Sie  nun  Ich  werde  mich-  ehrlich  mit-- 
freuen,  wenn  Sie  einen  äteren  Hennes  mitFufs-^ 
fittigen  auftreiben  können,-    Was  wäre  es  dennji- 

H4 


HO    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    I.  B. 

hStte  er  auch  etwas  früher  in  Kauft  werken  oäeü 
Fragmenten  alter  Gedichte,  hätte  er  als  ftets- 
wandernder  Herold  auch  zuerft  unter  den 
Göttern  fie  erlangt?  G^twig  bei  Homer  und  deä 
Dichtern  der  nöchften  Jahrhunderte  ift  weder 
Hermes  geflügelt,  noch  irgend  ein  anderer 
Gott. 

Die  Sache  verdient  unfere  gcmeinfchaftliche 
Beelferung.  Erlauben  Sie  mtr^,  Ihnen  vorzule- 
gen, was  ich  beim  Ueberfezen  Homers  zuertt 
vermutete ,  dann  durch  anhaltende .  Aufr^erk- 
iamkeit  aufser  Zweifel  gefezt  zu  haben,  mir 
zutraue. 


— r  .Si*  ^id  n0vißi  reStius  ißif, 

,      Omdidus  imperti:  fi  nOHy    bis  tttere  mecum* 
BOR.  I.  Ep,  6>  67* 

So  oft  ein  homerifcher  Gott  einen  etwas 
weiteren  Weg  vorhat,  bindet  er  entweder  gol- 
dene Fufsfolen  unter,  deren  geheime  Kraft  ihn 
windfchnell  über  Land  und  GewälTer  hinträgt; 
öder  er  fährt,  wenn  ungewöhnliche  Weite  oder 
Gefährlichkeit  oder  Pracht  es  erfordern,  m 
einem  fchwebenden  Wagen  ,  welchen  luftwan- 
delnde Rbfle  mit  übernatürlicher  GefchwindÄgkeit 
ziehn.  Von^der  Wagenfahrt  woUen  wjr  kjünftjg 
ceden. 


Bei  der  Fufkreife  wird,  wo  dem  Dichter  Um- 
fiäfidlickkeit  oblag,  dafi  Anfügen  der  Solen,  als 
eine  ohne  Vertodemng  wiederkehn^ide  Sitte, 
in  unverändert  wiederkehrenden  Verfen  aosge- 
mahlt;  wo  die  Erzähioi]^  eiit>  wird  es  für  be« 
kannt  angenommen« 

Als  Athene  ans  der  Batbsverfammlung  der 
Götter  ;n  Zeus  Palafte,  der  auf  dem  Gipfel  des 
Berges  Olympos  ftand,  den  Telemachos  in 
Ithaka   zu   befuchen   iich    entfchlols;    wie  be« 

fchreibt  Homer  (  Odyjf.  i,  ^^  ihre  Abreife? 

i 

jene  fprachs^  und  unter  die  Füfse  (ich  band  fie  die' Solen, 
Schön,   ambrofirch    uhd  golden,    v^oinit  fie  über   die 

W^afTer 
Und  das  unendliche  I^nd  hinfchwebt,   vie  im  Hauche 

des  Windes. 

Euftathius  erinnert,  dafs  die  Solen,  ftatt  getra. 
gen  zu  werden,  felbft  tragen  (r«  /^y  4>fföK),  und, 
gleiöhfam  als  geflügelte,  die  Göttin  fortfchwin- 
gen:  dies  fei  ein  poetifches  Wunder,  wodurch 
Athene  der  fturmfüf^gen  Iris  gleich  werde. 

tVieim  Haucht  dis  Windes  ^  ifjuc  ^r^a^i  »vtfiotot 
heiist  wörtlich,  gleich  dem  Hauche  des  Windes^ 
H5 


193     MYTHOLOGISCHER  BRIEPI^  I.B» 

I 

/■ 

Diefe  feltnere  Bedeutung  hat  ^  fowohl  be! 
Homer  felbft^  //.  169  149,  wo  des  Achilleu« 
RofleXanthosund  Baliosy  a^x  ^ai^fft,  gleich  din 
Hauchen,  und  /A  19 ,  415,  wo  iie,  «/««  Tvt$p 
Zt(pufoiOf  gleich  dßm  Hauche  des  Zefyros^  hm-» 
flieg  n;   als  auch  in   Hefiods  Theogonie  v.  268» 

wo  die  Harpyen,  uvsiJUfv  ^vtovitrt  xat  qtmmv  ot^  eirovTXtp 

den  fFindhaudiien  und  Vögeln  gleich  folgen;  und 
in  ähnlichen  Redensarten  mit  ufi  Ueoiutt.  Daher 
auch  das  Beiwort  »ßtTrTroi,  roßfchnellf  die  es 
Eoffen  gleich  thut:  welches  Sofokles  (^Ant  985) 
der  Boreade  Kleopatra  giebt.  Wogegen  B.  12, 
207  Tvoiijc  ci)fgfjLoiot  im  Udndef  in  der  wehenden 
Luft»  der  Adler  fliegt;  und  j^sr«  woifie  avi/iott, 
fttit  dem  Windhauche ,  in  der  Richtung  des 
Windes,  Odyjf.  2,  148  die  verkündenden  Adler, 
und  IL  23,  367  die  Mähnen  der  RofTe.  ♦) 

Nicht  anders  bcfchuht  fich  Hermes  (Odyjfl 
5 ,  44)  zu  der  weiten  Reife  nach  Ogygia,  und 
(//.  24,  340)  da  er  nach  Troja  zu  Priamos  ge- 


*')  Die  Stolle  der  Theogpnie  dolmetfchc  Herr  Heyne  ik  der 
Wölfifchcn  Ausgabe :  s^oyrecty  ße  fliegen,  ifiec  .  C  ., 
mit  gleicher  Schnelle y  wie  Winä und  Vdgel.  Und,  die 
Adler  und  die  Mähnen  flogen  mit  dem  Winde,  beden* 
tet  Ihm  eben  fo  viel,  als  jenes,  Cie  fiogtn  gleich  dem 
Winde,  oAet  vjindfchn^H,  Allerdings  ift,  vtit  Win^e  xmä 
windfcbnell  interpretiren ,  nicht  weit  sns  einaiider.    . 


ZWANZIGSTER    BRIEF,  llj 

iandt  wird.  Auch  Here,  nachdem  fie  ( //*  14^ 
x86)»  ihren  Gemahl  auf  demida  zu  bethören,  fich 
in  der  höcbften  Pracht  des  Aiterthums  ausge- 
fchmückty  bindet  zulezt  unter  die  Füfse  die 
fchönen  Solen,  wovon  fie  ( Odyff.  ii ,  603)  die 
goldfoHgef  und  in  der  Theogonie  (v.  12  und 
454)  d^^  aufgoUUnen  Solsn  WMdetndip  heüst: 
weH  nemlicb  ihr  Sohn  Hef iülos,  der  Verfertiger 
aller,  himmlifcben  Kunft werke,  ihr  vorzi^lich 
fchöne  Solen  verliehen  hatte« 

Ob  denn  die  Götter  daheim,  auch  wenn  fie 
beim  Vater  Zeus  fchmaufeten,  barfuß  erfcbie» 
nen  ?  Allerdings ,  gleich  den  edelften  der 
Menfchen,  wovon  fie  ein  veredeltes  Abbild 
waren. 

Ueberhaupt  die  FOise  zu  bedecken,  war  in 
Homers  Zeitalter  ein  Vorzug  der  Gcehrterem 
Athene  begegnet  (.Odyjf.  13,  2aa>  dem  gehm« 
deten  Odyffeus: 

Kvligt   IffULQ  Mtxotat  vff^t    tvißuTOfft  faiJtuvp 
JlAvaxaAtji  t    eiatrs  etvetHTtäv  itätiitQ.  tA9u 

Einem  Jünglinge   gtcicb   an    Geftafr,    dem   Hoter   Jer 

S<tbafe, 
Zart  an  Woebi ,  wie  relzeBd  der  Könige  Hit^Mt  ehk- 

hcrgeliQ^ 


t24    MYTUOLOÖISCHER  BRIEFE   I.  B, 

Diefer  Geftali:  getnäfs  trägt  äe  ein  doppeltes 
/emes  Gewebe  9  Solen  an  den  glänzenden  Füßen^ 
und  einen  Wurffpiefe  in  der  Hand;  Als  befon- 
dete  Gonft  demnach  rühmt  es  ^er  Sauhirt  (  Odyjf. 
15  >  368)?.  daifs  die  Gemahlin  des  Laertes  ifcm," 
dem  Mitzöglittg  ihrer  Tochter  \  fchöne  Gewandt 
gereicht  habe,  vmA  Schuhe  ak  die  FUße.  Und 
vorzügliche  Achtung  wars,  wenn  dem  unglück- 
lichen Fremdlinge,  wofür  fich  Odyfleus  ausgab^ 
Telemachos  QOdyjf.  16^1^)^  nebft  anftändigen 
Kleidern  und  einem  ehrenden  Schwerte ,  welches 
kein  gemeiner  Bettler  empfing  (  Odyff.  17,  222), 
auch  ehrende  Sottn  Verhiefs :  wie  im  Gegentheil 
bitterer  Spott,  wenn  ihm  Eury machos  iOdyffi 
iSf  360)  Gewände  und  Schuhe  an  die  FUße 
zum  Lohn  anbot. 

Die  Edlefren  aber  trugen  die  Solen ,  wie  den 
Mantel«  nicht  anders  als ,  uoa  4>ffentlich  und  bei 
Feierlichkeiten  mit  Würde  zu  erfcheinen , ,  oder 
gegen  die  Befchwerden  des  Weges  und  dei* 
Witterung, 

D^  Anftands  halber  JTchmüekt  iich  Telema- 
chos, fo  oft  er  in  die  Volk^verfammlung  ge^t, 
mit  fchönen  Gewanden ,  mit  Schwert  und  Fufs- 
foien,  und  einem  ehernen  Spiefs;  und  Menelaos 
in  feinem  Haufe  iOdyJf.i^y  309)  trägt  Schwert 
und  Solen  zur  Ehre  der  Gäfte  und  der  zwi^ 


ZWANZIGSTER   BRI£F.    «        I25 

fachen  Hochzeitfeier.  Der  Sauhirtldagegen,  zur 
Erleichterung  des  weiten  und  höckrichten 
Weges,  der  von  feinem  Hofe  zur  Stadt  füfartö 
iOdyff.  17  f  25*  196),  langt  fich  Solen  hervor 
COdyffi  16,  154):  dteren  er  vor  kurzem  ein 
neues  Paar  aus  fchtiDfarbigem  Stierleder  iich  ge- 
fchnitten  hatte  iOdyff.  14,  23},  des  nahe  bevor« 
flehenden  Winters  eingedenk. 

Denn  auch  der  Grieche,  foUen  Sie  wiflen, 
that  grofs  mit  dem,  was  ihm  Winter  fehlen, 
nicht  wen^;er  als  der  Römer  Virgil,  obgleich 
diefer  {Lb.  3,  349)  d^  vermummten  Höfen-  . 
trägem  ♦)  unter  der  Bärenkreifung ,  oder  gegen 
den  54  Grad,  den  Vorzug  einräumte.  Wann 
die  Sonne,  ermahnt  Vater  Hefiodus  (£ft.  527), 
zu  den  dunkelen  Männern  gewandt,  den  Helle» 
neu  langfamer  aufftralt;  wann  die  Thiere  zahn- 
klappend  ein  Obdach  fuchen,  und  der  Mei|fch 
vorgebückt,  wie  ein  gelähmter  Dreifufs,  durch 
fliegenden  Schnee  wiandelt;  v.  536: 

XAaivify  p^v  fcaAocxvv,  x«i  rsf^totyra  ;^(r«ya. 
Zniitovi  d'«y  ^avftf  90KXijv  xfofuc  itaffv^x^Bai' 


*)  Den  ohnhofigen  Römern  and  Griechen  galt  H9fi$trSg^ 
far  Barbaf. 


K36    MYTHOLOGISCHfiR  BRIEFE   I.  B* 

U^ttraynw  Z*tft^Wf  bxorcw  xfveq  «fiev  cA^ir» 
AtffzxT»  €VffgX7rretv  vtvfif  ßooQf  «^f*  tm  «(JUjt 

lliAoy  SX"^  awxnrov^  h*  vxra  fiy  tcxrahiff!. 

Dtnn  mit  Fleifs  umhülle  den  Leib  dir,  wie  ich  ermahne» 
'     Mit   weichwolligem    Mantel,    and    langausrcidicndetn 

Leibrock. 
'  Dünnerem  Aufzog  fuge  den  dickgefponnenni  EttifchUg; 

Hiermit  kieide   dich  wohl,  daft  nicht  dte   Haare    dir 

fchaudern, 

Oder  gellrÄubt  aafftarren ,  empor  am  Leibe  fich  hebend. 

Um  die  Fiifs*  auch  Solen  des  ilark  erfchlagenen  Stieret 

Binde  dir  wohJgefugt,  mit  Fik  inwendig  fie  futternd. 

Auch  Ton  Erfilingsböcklein ,   wann  Froft  vollzeitig  her- 
annaht, , 

Kähe  (Er  Fdle  s^nfammen  mit   Stierdrat,  daß  um  di« 

Schulter 

Du  fie  wer6Eb  dem  Regen  «ur  Wehr ;   auch  über  das 

Hailpt  dir 

Sezt  geformeten  Filz ,  dafs  nicht  die  Ohren  dir  triefen. 

Hüten  Sie  (Ich,  folche  Wintergemäblde  mit  dem 
£rtifi:e  ßines  Nordländers  zu  verftehn.  Griechen- 
land und  Italien  war  damals  nicht  kälter,  als  jezt. 
Die  fchreckliche  Winterkälte  jener  beglinftigten 
Naturkinder,  auiser  den  Berggegenden ,  wo  aller- 


ZWANZIGSTER    BRIEF.  XI7 

dings  Sehne?  und  tragendes  Eis  dauerte  ^  war 
nur  anhaltender  Regenfturm,  dergleichen  im 
Sommer  fogar  Winter  hiefs,  dabei  Hageifchaoer 
mit  Gewittern,  Schnee»  der  manchmal  wohl 
einen  Tag  liegen  blieb ,  und  Nachtfröfte,  wovou 
die  Wiefe  blinkte,  der  Bach  überfchelferte ,  und 
manches  zartere  Wintergewächs  verfchrampfte. 

Zur  Schlacht  finden  Sie,  daß  Homers  Helden 
fich  Beinfchienen  von  £rz  (II.  7,  41 )  oder  köft- 
Hchem  Zinn  Ci8f  612)  mit  filberner  Knöchel- 
decke gegen  die  Gefchoffe  anfügten,  wie  der 
alte  Laertes  (Odyff,  24,  228)  lederne  der  Dor- 
nen wegen;  Fu&folen  niemals.  Aber  gegen  die 
Morgenkälte  fchüzt  fich  Agamemnon  (H.  2,  42) 
durch  weiche  Gewände  und  fi:höne  Solen,  und 
fchmückt  fich,  als  Obergebieter,  mit  Schwert 
und  Herfcherftab.'  Eben  derfelbe  in  der  fchlaf- 
lofen  Nacht  (IL  10,  21)  umbQilt  die  Bruft  mit 
emem  wolligen  Leibrock,  bindet  fich  Solea 
unter,  und  wirft  um  die  Schultern  ein  mächti- 
ges Löwenjfell,  das  zu  den  Knöcheln  hinabreicht^ 
und  nimt  dann  die  Lanze  in  die  Hand.  Auch 
Keftor  der  Greis  (v.  131}  kleidet  fich  in  eia 
warmes  Gewand ,  legt  ftattliche  Solen  an» 
fchnallt  einen  doppelten  und  weitgefalteten  Pur-^ 
purmantel  von  zottigen  Flocken  um,  und  fafst 
den  ehernen  SpeeA      Die  jUngeren  hi^Kgegeo» 


128    JM[Y7HOtQaiSCHER  BRIEFS    I.  B. 

OdyiTeus  und  Diomedes,  fogar  Henelaos,  wagen 
les  auch  jest,  wi^  gleich  darauf  (v.  335)  der 
troifche  Kucdfcbafter  Dolon^  ohoe  Fa&rolea 
auszugehn, 

Sie  ftuzen?  Wenn  Ihnen  die  Anführungen 
noch  Zweifel  laflen ;  fo  vertrauen  Sie  den  alten 
Mahlern,  die,  nach  Philoftrat  (ep.  22)  einen 
Ajas  und  Acbilleu$  nie  anders  als  ungefchuht 
mahlten,  und  nur  den  hinkenden  Philoktet  mit 
jufsbinden,  den  wandernden  lafon  mit  Einem 
Schuh,  weil  der  andere  im  Schlamme  verloren 
war,  vorftellten.  Unter  den  herkulanifcheh 
iStatuen  {Tom.  6.  1 63,  64 )  ift  eine  Amazonin  zu 
Pferde,  die,  ohne  Solen,  nur  Beinfchienen  unter 
die  Waden  und  um  die  Hälfte  der  Plattfüfse  ge« 
fügt  hat,  dafs  unbedeckt  Vorderfufs  und  Ferfe 
hervorragen.  Auch  erinnere  ich  mich  anderswo 
Helden  der.Ilias  in  Abbildungen  gefchnittener 
Steine  mit  Beinfchienen  an  blofsen  Ftifsen  gefehn 
zu  haben.  Auf  einem  halberhobenen  Gebilde 
bei  Winkelmann  (iWow.  inti,  N.  132)  wird  dem 
Achilleus,  der  Halbftiefeln' trägt,  nur  an  das 
rechte  Bein  eine  metallene  Schiene  gefügt.^  Beide 
Sitten,  '  nicht  blofs  die  lezte,  find  aus  fpäterer 
Zeit. 

Wohl  9lfo  verdmidigfc  der  Cyniker  bei  Luctan 
(  met.  Ueherf.s  Stf  158;  feine  Natarhl(S(se  mit 


ZWANZIGSTER   BRIEF.  IS9 

dem  Vorbilde  der  alten  KraftmSnner ,  die  man 
Halbgötter  und  Heroen  nennt.  Nicht  nnrHerakk« 
habe  ohne  Gewand  nnd  Schuhe  die  Welt  durch« 
wandert;  nicht  nurThefeus,  fein  Zögling,  König 
von  Athen,  und  Pofei<Jons  Sohn,  der  tapferfte 
jener  Zeit,  fei  ungefchuht  und  nackend,  mit  im« 
gefchorenem  Bart  und  Haupthaar,  einhergegan* 
gen:  fondern  alle  Helden  des  Altertham& 


XXL 

Wie  fehr  nnferen  nordifchen  Begriffen  von 
Naturbedürfnis  und  Anftand  die  Barfüfsigkeit 
widerfteht;  (b  war  fie  gleichwohl  herfchende 
Sitte  der  alten  Völker  unter  gemäfsigtem  Himmel, 
und  erhielt  lieh  bis  in  Zeiten  der  Verfeinerung 
und  der  Weichlichkeit. 

Den  Hebräern  diente ,  wie  den  homerifchen 
Griechen,  der  Schuh  nur  für  Vornehme,  oder 
bei  feierlichen  Gelegenheiten,  und  befchwer« 
liehen  Fufsreifen.  Wenn  wir  Bochart  (^Hier. 
I9  2,  50)  alfo  verftehn,  fo  fallen  die  fämtlichen 
Einwendungen  weg,  welche  Bynäus  (^de  cate. 
Hebr.^  entgegen  ftellt.  Gefchuht  und  mit 
Stäben  in  der  Hand  mufsten  lie  das  Ofterlamm 
eifen,  da  gewöhnlich  die  meiften,  bei  Mahlzeiteh 
alle,  an  den  Füfsen  ei^blöfst  waren.     Wie  hätte 


I  ja  ^  MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  I.  B, 

auch  Nvohl  Entfchuhung  bei  Mofes  «m  brennek'^ 
den  Bufche,  bei  den  Prieftern  utid  andern  Anbe-i 
tenden,  ein  Zeichen  der  D^mut,  bei  David  und 
»ehreren  Leidtragenden  ein  Ausdruck  der  trau- 
rigen Erniedirigung  fein  können ,  wenn  tjicht  die 
Niedrigen  des  Volks  barfuü  gingen? 

Auch  bei  den  Römern  >  fagt  Servius  (^«i, 
j  28a  )>  trugen  die  Knechte  vordem  keine 
Schuhe;  und,  wie  Juvenals  SchoHaft  <i,  iii) 
Verfichert,  anfangs  nicht  einmal  die  Senatoren» 
Ueberbleibfel  der  alten  Sitte  waren  die  Nudipe- 
daliennnd  Leichenbegängnifle;  und  wenn  ScipioJ 
der  jüngere  Kato,  GeriAanikus  und  andere, 
öffentlich  difcakeaü,  oder  mit  leichteren  Solen, 
(G^.  13,  Äi),  Auffehn  erregten. 

Aber  wozu  Fremdes?  In  Griechenland  felbft 
blieb  die  Barfü&igkeit  lan^e  nach  Homer  iii 
Ehre» 

Nicht  nur  Jünglingen  Verbot  der  Lacedämo» 
Hier  Gefez  die  weichliche  Tracht  der  Schuhe 
(^Xenopk.pol.  Lac.  a.  PltU.  Lycurg.);  fondern 
der  alte  A-gefilaus  QAeL  var.  kiß.  7f  ^S)  pAegt« 
oft  ohne  Schuhe  uöd  Leibrock,  in  den  Alltags- 
mantel gehüllt,  aifszugehn,  und  das  in  den  Früh- 
ftpnden  des  Winkers.  Wenn  man  ihm  vorftellte, 
einhandele  zq.jugendlich  für  feine  Jahres  fo  aat-. 


SXNUKDZWANZfdSTfiR  BR.        X3I 

wbrMe  er:  Die  anderen  jlchann  ja  auf  michf  wie'^ 
die  Füllen  auf  den  erwachfenen  GauU 

Gleiche  Streng^ ward  im  verfeinerten  Athen 
Ton  Männern  geübt,  die  nach  Einfalt  und  Abhär- 
tung Arebten,  von  Weitweifen  und  anderen.  Der 
FerdhdT  Phocion,  wie  Plutarch  meldet  1^  trug 
nur  im  heftigften  Winter  Schuhe:  fo  dafs,  einen 
unerträglichen  Froft  zu  bezeichnen,  die  Soldaten 
im  Scherz  fiigten,  Phocion  Ivibe  Schuhe  ange« 
habt.  Dem  Sokrates,  der,  nach  Piatons  Zeugnis 
ohne  Schuhe  durch  Eis  leichter  ging ,  als  andere 
mit  Schuhen,  und^  der  mit  feiner  altvätrifchea 
Barfufsigkeit  von  AriftoTanes  (««&.  103,  363) 
verlpottet  ward ,  konnte  es  gleichwohl  Diogenes 
(ijfi.  ü«  &«  4,  11)  nicht  verzeihn,  da&erzuweir 
len  auf  modifchen  Blauten  ein  Gaftmafal  befucbt 
habe.  Hieronymus  (in  Mattk.  10)  bezeugt 
Piatons  Lehre:  man  mülTe  die  beiden  Enden  des 
Leibes^nicht  einhüllen,  und  durch  Weichlichkeit 
\iFeder  Haupt  noch  Fü&e  verwohnen;  denn  von 
deren  Abhärtung  hange  die  Stärke  des  Ganzen  ab^ 
Auch  der  Redner  Lykurg ,  wie  Plutarch  in  feinem 
Leben  erzählt,  ein  Schüler  von  Piaton  und  {^for 
krates,  wiewohl  er  ein  reicher  und  mächtiger 
Mann  war,  trug  den  felbigen  Rock  im.Somin^ 
und  im  Winter,  und  Schuhe  9ur  an  nothw^ndigegu 
Tagen.  Doch  waren  es  fchon  Zeitftn^  daTbeiCKf 
la 


131     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    I.  B. 

frsA  icharaS.  11)  es  zum  Geize  rechnete,  fich 
mitten  am  Tage  zu  entfchuhen ;  und  da  der  atti- 
fche  Komiker,  weiAen  Terenz  ^Phorm.  i, 
2,  55)  nachahmte«  nur  ein  armes  Mädchen  fo 
fchiiderte: 

'Sibil  aderat  ädiumeigii  ad  pulcbritudinem :  ^ 

CapiUus  fajfus^  nudus  pes,  ipfa  borrida. 

Kein  falfcher  Reiz  war  beigefellt  zur  V^ohlgeftaln 
Gefenkc    dai   Haupthaar ,    nackt    4er  Fafs,    fcbmacktos 

lie  felbft. 

Am  eifrigften  beharrten  die  ernften  Weltwei- 
len bei  fchiechtem  Mantel,  langem  Bart  und  Bar* 
füfsigkeit.  Sie  lehrten  nicht  nur,  welche  Sitten 
Natur  und  Vernunft  erfordere ,  fondern  gingen 
mit  eigenem  Beiipiele  voran.  So  tadelt  der 
Stoiker  Mufonius,  der  ini'  erften  Jahrhunderte 
lebte,  bei  Stobäus  Cmor.  p.  i8)>  das  weichliche 
Einwickeln  der Füfse :  der  Befchuhete  fei  gleichfam 
gefeifelt;  ein  freier  Fufs  gewähre  einen  frendi- 
gen  und  leichten  Gang;  weshalb  auch  Eaibotea 
fowohl  ak  Wettläufer  der  hemmenden  Schuhe 
fich  enthalten.  Und  unter  Konftans  ward  der 
weife  Proäreiius  angeftaunt  QEunap.  p.  122 ), 
wegen  der  eifernen  Fühllofigkeit ,  dafs  er  im 
dünnen  Mantel,  ungefchuht,  die  gallifche  Kälte 
fttr  Luft  achtete,  und  beinahe  den  gefrorenen 
Rl^nus  trank« 


JSINUNDZWANZIGSTER  BR.         I33 

Doch  blieben  die  weifen  Graubärte  nicht  ganz 
ohne  Gefelirc&aft  DenQ  wie,  nach  Nikohos 
Damafcenus  QStob»  foor.  43.  p.  294)9  die  kretl« 
ichen  Knaben<  barf afs  jagten ,  und  bergan  liefen ; 
to  gebietet  noch  Oppian  (vm.  x,  X02): 


Tvfjtvoifi  ig  Toeetv  ihvgrt 


Q^tt   X8  fiti  $Hfseet¥  tat    ofifutro^  pwvov  iMir§ 


Mit  nackenden  Pfiffen  einhergebn 


MüfTen   (ie,   wekhen  die  Spur  des   bildet  gefällt  sa 

cuträzeln : 
Bsfs  ja  nicht  den  Thieren  den  Schlaf  Tom  Aoge  vcf* 

fcheuche 
Stampfender  Solen  GerMafch  im  Tritt  der  ftattiichen  Ffifie* 

Selbft  von  feiner  Geliebten  verlangt  der  zart« 
liehe  Philoftrat  iep»  67)9  dafi  fie  die  holden 
Füße  nicht  durch  ein  farbiges  Gewickel,  und 
fchimmere  es  von  Gold»  entftelle;  fondefn,  wie 
Hals,  Haare  und  Augen,  fie  blofs  trage,  und 
dem  Erdboden  ihre  liebliche  Spur  gönne« 
Gleich  Smfig  fucht  er  («p«  as)  einem  fchönen 
Jünglinge  die  drückenden  Sandalien  zu  verleiden : 
für  Kranke  fei  dergleichen  Tracht,  oder  für 
Greife;  deshalb  werde  der  hinkende  Philoktet  in 
Fufsbinden   gemahlt;    aber  der  Weltweife  von 

13 


I3t4    MTTHOLOGISCHBR  BRIEI^E  I.  B. 

Sinope^  und  Krates,  und  Ajas»  und  AchiFIens^ 
ftets  UBgefchubt.  Ein  andermal  fcbreibfe  er  feiner 
Geliebten  («p.  ^i):  Momus  habe  an  der  Afrcrdtte 
xiichts  weiter  zu  tadeln  gewnf^y  als  dafs  rhre 
untergebundenen  Sandalien  ein  fa  widerliches 
Geräufch  machten:  fie  Tollte  üngefchubt  geheir^ 
•wie  fie  aus  dem  Meere  lieh  erhob»  Wohl  und 
befler  als  Afrodite,.  fügt  er  hinani,  wirft  du 
handeln,  wenn  du  die  FÜfse  brauchfty  wie  die 
Natnr  fie  gab ,  und  den  Vorwürfen  des  Momus 
entfliebfl:.  Ach  ungefeffelte  Fülse!  ach  freie 
Schönheit  r  Ach  Wonne  mir,  und  überirdifche 
Seligkeit^  —  träten  fie  mich! 

Bar/üfsig  aus  andScbtiger  Demut  und  Trauer 
finden  wir  den  opfernden  Pythi^oras  bei  Jam* 
blich  (vö.  Pjftk  23  >,  den  Feierzug  der  Demeter 
bei  KaUimachns  (in  Cer.  125  >»  Ant^one  bei  So-, 
fokles,  Afrodite  JD  Blons  Klage  Um  Adonis,  und 
Aktäons  Mutter  Autonoe  bei.Nonnus  (Dionyf. 
3^4»  357)»  Auch  in  der  erften  Kirche,  die 
unter  Leiden,  entfernt  von  den  Hohen  der  W^lt, 
fich  emporarbeitete,  wollten  mehrere  Lehrer 
nur  Weibern  belcheidene  Solen,  Männeicn  nicht 
anders,  als  im  Kriege  oder  bei  Schwächlichkeit 
zugeftehn.  Welcher  von  Cbriftus  nicht  geböte« 
nen  Strenge  .die  barfüfsigen  Bettelmö^cbe.  ifajr  ^ 
Dafein  verdankeu,  ^ 


BIN17XBZWAN2ICSSTBR  BR.       I35 

Diefetnnach  wird  die  Befcbuhung  der  home« 
rifcben  Götter  ki  Zeus  Palafte  nicht  fchwer  zu 

Auf  den  Höhe»  des.  vielgewmidenen  Olympos 
in  befonderen  Paläftea  umherwohnend  QIL  i,  6o6i 
II,  76-^  2;a,  5-  Odtfjf.  8,  268-  Theog.  62), 
veriammelten  £e  fich  täglich^  nach  beroircher 
Sitte,  zn  Schmaus  nnd  Rath  in  der  Burg  des 
*  Götterköniges  Zeus ,  dfe  auf,  dem  erhabenftea 
Gipfel  ftand.  *)  NatMicb  kamen  fie  lüftfchrei- 
tend  über  die  rauben  Bergwindtmgen ,  getragen 
von  ihren  goldenen  FufsCblan:  diefieabec,  um 
fich  beim  SchmauCe  bequem  zu  machen,,  wie  die 
Freier  ihre  Mäntel  (fidyjf.  20,  24;^),  ablegten^ 
und  alfo  zur  Abfahrt  bei  der  Hand  hatten.  Kbeti 
fö  pflegte  noch  der  Rikner  zu.fchmaufen,  und|^ 
wenn  er  weggebn  wollte,,  die  Schöbe  zsx  för« 
dem  (Pßii,  #|r.  p,  17)^ 


*)  Im  HermannifcBen  Lehrbuch  wird  ^1  S.*  175  die 
Lehre  c^es  Herrn  Heyne  gelehrt,  daß  die  z^gc^lf 
grofsen  GoLtter  alle  mit  Zeus  in  einem  einzigen.  Palafte 
wohnen^  Der  Beweis  foll  Ih  11,  7g  fein:  wo  awei 
Verfe  vorher  grade  ^ta  Gegentheil  ficbtbar  ift.  Was 
hrerbei,.  nach^  Herrn  Heynem  Anmerkungen  hti  Vir- 
gil  und  Tiball »'  von  der  Einrichtong  dei  homerifchea 
Haufeü  gefagt  wird,,  ift  durchaus  fäilch:  wie  alles», 
was  jener  flüchtige  Komptlator  Im  Komei  mit  eigeneä 
Augen  gefeha  haben  wiit 

14 


X36    MYTHOtOGiSCHER  BRIBFIC   I.B. 

XXII. 

Liurch  die  Zauberkraft  alfo  der  goldenen  ambro*/ 
fifchen  Solen  werden  Homers  Götter  hoch  über 
Waffer  und  Land  getrageh.  Aber  wie  ?  Schwe- 
bend mit  gefchloffenen  Fufsen »  wie  unfere  Engel 
und  Gefpenfter  hingleiten;  oder  in  weit  ge- 
fchwungenen  Schritten  wandelnd? 

Für  das  lezte  erklären  fich  faft  einhellig  die 
alten  Ausleger.  Denn  bei  II.  5,  778,  wo  von 
Here  und  Athene  gefagt  wird: 

Sie  sniji  eilten  dahin,  gleich  fchücbternen  Tauben  am 

Ganger 

verftelm  fie  leichte  Schwünge  der  Füfse  mit  leifer 
Spur,  wie  der  Tauben »  die  ohne  merklichen 
Eindruck-den  Staub  berühren. .  Und  bei  IL  13, 71» 
wo  Ajas  von  Pofeidon  fagt: 

^ohl  ja  bemerkt*  ich  von  hinten  der  Füfse  Gang  und 

der  Schenkel, 

Als  er  hinweg  (ich  wandte;    denn  leicht  zu  erkennea 

find  Götter: 

lehrt  Euftathius  aus  den  Alten:  ''Blofs  am  Gang 
"wird   ein  Gott   erkannt j    ent\veder  weil   er 


2WKIUNDZWANZIGSTER  BR.      I37 

'^fchiiell  weggeht,  und  mit  leichtem  Tritte 
<* läuft;  oder  weil  er  nicht  einmal  Spuren  la  den 
** Boden  drückt;  oder  weil  er  weit  fchreitet, 
/^dafii  ein  grofselr  Abftand  der' Spuren  ift,  und 
'^  nicht  wie  beim  Gange  der  Men(chen;  oder  weil 
<<er  fehr  rafch  und  im  Na  Spuren  auf  Spuren 
**macit  „ 

Die  erfte  Meinung  behauptet  der  ipäte  Helio» 
der  (^jletkiop.^  p.  148)»  als  eine,  die  weniger 
gemein,  und  aus  der  innerften  Theofofie  genom- 
men fei«  <*Der  Weife,.,,  lagt  er ,.  ^< erkennt 
^^ Götter  nicht  nur  an  den  Augen,  die  ftecs  uh- 
« verrückt  fehen,  ohne  je  mit  der  Wiroper  zu 
V nicken;  fondem  noch  mehr  am  Gange,  der 
''nicht  in  Fortfezung  der  Füfse  oder  Umwecb- 
^'felung  hefteht,  nein  in  fireifckwibendem  Zuge 
^*und  unfmterbroekimm  Sckwumgif  kutem  fie  dii 
**  umgebende  Luft  mehr  fchneiäenf  als  durek' 
** wandeln:  daher  die  ägyptifchen  GötterbUdniffe 
^'mit  gefchloflenen  und  gleichfam  vereinigten 
**Füfsen  ftehn.  „  Beide  Kennzeichen  fcheinen 
ihm  von  Homer  myftifch  für  die  Verftändigen 
angedeutet  zu  fein:  der  ftarrende  Blick  (U.  j, 
200)  durch  die  fürchterlich  ftralenden  Augen  der 
Athene;  und  der  frei  fch webende  Zug  in  jener 
Stelle  von  Pofeidon:  wo  er  fs/  airmroc  verbindet, 
und  fMvr««  fv  Ty  wo(^iai9  da  er  gleichfam  hinweg- 

15 


<38     MYTHOIrOC^ISCHER  BRIEFE   I.  K 

fioß^   erklären  wiD»   mit  Beipflicbtang  einiger 
Scholiaften. 


Heliodors  Meinnng  gefällt  den  meiften  Neue- 
ren bei  VJrgils  Aeneis  ( i ,  405 ;  5 ,  649).  Euäiis 
altein  fchwankt  zwi(chen  Flug  und  Schritt;  und 

^  Herr  Heyne,  der  den  Schritt  vorzieht*),  giebt 
ihm  nur  Leichtigkeit,  nicht  Weite;  die  aifo  Herr 
Hermann  im  mytbalogifchen  Handbuch  (i  S.  6) 
f  Ur  fich  felbft  bemerkt  haben  möchte.  Wenn 
fogar  Leffing  im  Anhange  znm  Laokoon  (S.  327) 
Heliodors  gleitenden  Zug  zu  begünfUgen  fcheint; 

,  fo  mturen  wir  erwägen,  dafs  jenes  nur  flüchtig 
hingeworfene  Aufgabe  za  künftiger  Unterfu«^ 
chung,  und  nicht  vollendete  Abhandlung  fei« 
Im  vollendeten  Theile  des  Laokoon  ( VIL  S.  85) 
.  VfA(s  der  fcharfQchtfge  Mann  febr  wohl,  daft 
(D.  Ig,  X48)  Thetis  zu  Fufie  die  LuftMurch« 
fchreite» 


*3  Im  Elmars  zu  Aen.  i,- 402 -404.  vo  Heliodors  theo- 
fofifche  Erklärung  aatdrückirch  Tervorfeii  wird.  In 
den  Anmerkungen  hingegen  unter  dem  Text  ntmt  der 
lelbi'ge  Herr  Heyne-  fvpuiv  rn»  otsftov  Kxt  i^nnv 
m^xQ»7nh^ov ,  den  frei  fchwebtndtn  Zmg  und  ummmiih- 
kro<ibencn  Scbvmng,  n^it  Heliodors  eigenen  Worten 
an:  welche  Worte  er  dem  Eufiathius  beileget.  Mehr 
foicher  Uebereihingen  finden  Sie  in  der  Schrift,  Vekt; 
•  Vir  gilt  TfH  md  /kfUgfaigr^  ao^merkt. 


KeiB  Zweifel,  da(s  die  ahen  Ausleger  Hotnets 
richtig  iabo.  Nidit  m  gleitendem  Zug  ftrejdien 
£e  Gottheiten  auf  ihren  Solen  durch  die  Lüfte; 
fbttdem  mit  Leiditigkeit  und  Kraft  anfezend  auf 
feftes  Land»  auf  WafTer  oder  Dunft ,  fahren  fie  in 
Schritten  von  ftannewwürdiger  Ausdehnang 
einher:  in  Schritten,  wie  wenn  ein  TrSümen« 
der  zugleich  läuft  ifnd  fliegt,  von  jedem  Sto(se 
des  Fufses  weit  über  den  Boden  hinwegge- 
fehwangen;  daf&man  (verzeihen  Sie  die  AnfOh-» 
rang>  an  die  Zanberftiefeln  der  altdeutfchea 
Volksfabet  un  Riefenhüget  erinnert  if^ird : 


■  I*  ^hrciV  1»  ihagilchm  StrefeJ»» 

Vor  die  Tag  nud  hinur  dir  Nacht»   bchu  Meilen  auf 

Immair 

€ider  an  den  Heeszng  der  Engel  in  Uütons  ver» 
lorenem  Paradiefe(6,  7i>2 


Nor  Qhviomr  hüt. 


Kift  ßrai^ifing  valr,  «or  wmkf;  nor  ßreat»  dhidss 
TTfeir  peife^  ranks:  fvr  biib  aBove  the  grouvd 
Thnv  marck  «wr»  änd  tbe  faffivt-  mr  nftme 
Tbiir  nimble  tread. 


Kern  vorgeftreckter  Ber|^ 


Kein  engend  Thal,  kein  Wald,  kein  Strom  zertrenat: 
Der , Schlachtpeihn  Ordnung:  hoch  rom  Grand*  erhöbt 
Ging  hin  fhr  Zog,,  odd  duldend  trag  die  Laft 
Dea  behenden  Tritt. 


I40    MirTHOLOGISCHER  BRISFE    I.  B. 

Wenn  mchi:  anderswo  Mlltfiiif  wafarrcfaeiillich 
durch  Heliodor  V^^rführt,  feinen  Engeln  den 
fchrittlofeä  Gefpenfterflug  mitgetheilt  hStte, 
Z.E.  8,  361: 

AM  wer  feldf  and  waterr^  as  m  air 
Simoth  fliding  witbout  fief^'  Ufl  led  wie  up 
A  Woody  mmntaiHm 

Und  über  Feld  und  Gaffer»   wie  m  Laft 
Sanft  gleitend  ohne  Schritt,  fuhrt'  er  mich  snf 
Ein  Waldgebirge 

Jene  übermenfchlichen  Schwünge  des  magifcb 
erhobenen  Fufstrittes  mahlt  Homer  an  mehreren 
Stellen  fo  augen(cheinlicb,  dafs  es  Tchwer  zw  be- 
greifen ift^  wie  man  von  dem  grillenhaften  Hleli« 
odor  fleh  einen  fchrittlos  gleitenden  Zug  hat 
können  aufheften  lafTen. 

Gleich  Pofeidon,  als  er  (jf/.  13,  16)  von  der 
tbrakifchen  Samos  die  beilegten  Achaier  vor  Troja 
fallen  fah»  ergrimmte  vor  Unmut  gegen  Zeus: 

Avrix«  i^  >£  of««fi  xcTf^ffAiro  sr«i9raAofvroC» 
fi^atx^ck  xoet  Kfoßtßai*  rgiß^  ^»ff«  putttfat  tteu  vhH 
Xlo€9iv  «V^  a^xvoiroiff*  Uo^tiiüiuvoi  /avr«c* 


2WEIUNDZWANZIGSTBR  B|U      I4I 

PlÖzlich  fiieg  er  herab  von  dem  zackigen  Felfengebirge» 
V(^andelnd  mit  hurtigem  Gaiig ;  und  es  bebten  Hie  Höhn 

und  die  Wälder 
Weit  den  unfterblichen  Füfsen  des  wandelnden  Pofeidaon. 
Dreimal  erhob  er  den  Schritt«  nnd  das  viertemal  ftand 

er  am  Ziele, 

•  ^^^^ 

Mit  eben  fo  ungeheuren  Luftfcbritten  ent- 
fchwingttfch  Here  (II.  14,  225)  vom  Ol3mipos 

•  zuerft  auf  Pieria,  dann  zu  den  thrakifchen  Berg- 
hohen fort,  ohne  das  zwifchenliegende  Land  mit 
den  Füfsen  zu  berühren ,  dann  weiter  von  dem 
Athos  über  das  Meer  bin»  wo  der  lezte  Tritt, 
auf  die  wallende  Fläche  gedrückt ,  fie  nach 
Lemnos  bringt;  von  ^ort  endlich  (y.  ago),  mit 
dem  Schlafe  zugleich,  wandelt  fie  auf  den  Meer- 
fluten zum  Lekton,  und  Jda's  Bergkette  hinan, 
dafs  unter  dem  mächtigen  Gang  die  Waldwipfel 
fich  bewegen« 

So  auch  Hermes  (Ody ff.  5,  49),  von  den 
ambrofifchen  Solen  über  GewäfTer  und  Land  ge- 
tragen, trit  vom  Olympos  fogleich  auf  Pieria; 
dann  aus  der  heiteren  Habe  auf  das  Meer  iich 
fenkend,  wandelt  er  mit  leicht  gehobenen 
Schritten  über  die  unendlichen  Wogen  hinweg, 
^inem  fi(bhenden  Meervogel  gleich,  der  häufig 
die  Pittige  in  die  Fluten  taucht;    bis  er  zulezt 


HZ     iMYÜ'HOLOtllSCHSR  BRIEFE   I;.  B. 

^  an  das  Geftade  von  Ogygia  empatfteigt ,  und  s^r 
Grotte  der  Kalypfo  wandeltk  ^ 

Woher  auch  wohl  das  Geraffel  des  pfeilvollen 
Köchers  an  Apollons  Schulter  (IL  i,  46),  wenn 
nicht  d«:  zürnende  vom  Olympos  über  die  Meer- 
fläche  heranfchreitead  mit  furchtbarem  Ungeftüqi 
gedacht  wird? 

Lant  crTclioBen  dn  Pfeile   zugleich    an  des  zfimenden 

Sdiulter, 
Als  er  «tnher  Geh  i>evf'egt'5   er  wandelte,  dufter  wie 

KaclKgrautk    • 

Woher,  wenn  man  einen  geltenden  Zug  annimt^ 
(Jt  ao,  36)  des -hinkenden  Hefäflios  mühfamer 
Gang  in  die  Schlacht?  Wie  konnten  Afrodite 
und  ApoUon  (II.  5,  334  ™d  43a),  .durch  die 
Lafl:  des  getragenen  Aeneias  aufgehalten,  von 
Dromedes  eiflgehohlt  werden,  wofern  fie  nicht 
auf  dem  Boden  gingen?  Und  was  anders  als 
Luftfehritte  find  angedeutet,  wenn  Thetis  QU 
18»  148)  zum  Olympos  die  Füße  tragsn^  oder 
wenn  fie  (v.  615)  vom  Olympos  fchnell  wie  ein 
Habicht  herabfpringt  ?  Was  anders  wohl ,  wenn 
Ate  (iL  19,  92)  mit  leichten  Füfsen  auf  de^ .. 
Häuptern  der  Männer  wandelt  ? 


ZWEIUNDZWANZIGSTER  BR.      I4| 

2I/Avdcr«f»  «AA*  «f «  ^yt  tucT*  ffv^f«y  H^mara  ßeuvst, 

Schrrckenvolh   kicht  fchweben  die  Füfs*  ihr;    nimmer 

dem  Grund'  aach 

Nahet  de,  nein  hoch  wandelt  üt  her  aaf  deo' Haupte« 

der  Mümter. 

iffi^  anders  endlich,  wenn  leU  an  fo  vielen 
Orten  die  fußfcknitte  ^  die  windfüßige,  die 
flurmfößige  heifst,  und  wenn  fie  (IL  ig,  167) 
und  im  Hymnus  an  Apoilon  (v.  107)  taufend 
vom  Olympos  kommt? 

Auch  Iris  aemlich,  die  einsige  Gottheit: 
Homers,  der  man  wegen  des  Beiworts  goldge", 
flügelt  (//.8,  3985  n,  1855  Ä  im  Csr.  314)^ 
einen  Flug  auf  goldfchimmemden  Flügeln  zu- 
trauen tonnte,  auch  fie  wandelt  mit  wechfeln* 
denFufstritten;  und  nur  bildlich,  die  geflügelte 
Eilfertigkeit  ihres  Ganges  auf  den  goldenen 
SchwnngfoUn  zu  bezeichnen ,  wu-d  Ce  die  gold* 
geflügelte  gßmnnt.  Das  beweift  fchon,  was  ia 
dem  Hymnus  gleich  auf  das  Beiwort  der  Iris 
folgt  (V>  3^6): 

i 

Xltt^iro,  tmt  #cf<fffjf>tr  ^liifeii^n  mna  ^ohee> 


riv. 


144     MYTHOLOGISCHER  BUtfiFE  I«  B. 

Jfener   fprichs;  lie   gehorchte   dem   fchvarzufiiwölkteii 

'  Kronion 

Willig,  und  rafch  durchlief  fie  den  MittelrSmm  mit  deü 

Füfsen. 

Bei  Ariftbfancs  (äv.  575)  wird  ihre  Beflügelung 
fcherzbaft  aus  Homer  bewiefen ,  aber  nicht  aus 
dem  Beiworte  ;c?«tfOTTffoc-  Wie  käme  fie  auch 
Allein  zu  Flügeln? 


XXIII. 

Loben  Sie  nur  zu ;  von  Ihnen  mag  man  gelobt 
werden.  Da  Ihnen  die  homerifche  Welttafel, 
auch  ohne  Erklärung  und  Beweis,  brauchbar 
fehlen;  fo  habe  ich  fie  meinem  Homer  bei- 
gefügt. 

Es  vergeht  doch  noch  einige  Zeit,  ehe  die 
voUftändige  Folge  der  rui^den  und  eiförmigen 
Welttafeln  von  Homer  bis  Ptolemäus  ans  Licht 
treten  kann.  Eine  Folge,  die,  wenn  fie  meinem 
Eifer  und  Ihren  Erwartungen  entfpricht,  fo  un- 
terhaltend fein  mufs,  um  die  allmählichen  Fort- 
fchritte  des  menfchlichen  Geiftes  ziji  vergleichen, 
als  dienlich  zur  Erklärung  der  alten  Fabeljehre 
und  Weltgefchichte. 

Ihnen,  mein  Freund,  war  alfo  der  Weg  auf- 
r fallend,  welchen  Homer  (Odyff.  5,  50)  feinem 


DREIUNDZWANZIGSTBR   BR,      I45 

gefchSftigen  Argoswürger  vom  Berge  Olympos 
nach  Kalypfo's  Infel  Ogygia  vorzeichnet 

Ogygia  dachte  fich  Homer  in  der  fabelhaft 
erweiterten  Syrtenbucht,  fo  weit  weftwärts^ 
dafs  OdyfTeuSy  von  dort  nach  Scheria  fteurend 
(Odyff.  5^  276)9  das  BlErengeftirn  zur  Linken 
behielt.  Der  geradefte  Weg  alfo  führte  den 
Hermes  füdweftlich  über  Griechenland.  Wozu 
denn  der  Umweg  über  Pieria  und  daa  ägäifche 
Meer? 

Ich  antwortete  vordem :  Weil  etwa  die  Ein- 
famkeit  des  Meers  zu  Götterwanderungen  am 
günftigften  fehlen.  Aber  Luftfehritte,  in  weiten 
Abftänden  auf  Berggipfel  gefezt,  find  wohl  fo 
einfam;  und  zudem  konnte  ja  ein  Gott  unfichtbar 
oder  in  verwandelter  Geftalt  reifeü. 

Di^  wahre  Urfache  enthält  unfer  falCfches 
Sprichwort:  Een  god  IFeg  ümmi  is  keene 
Krümme. 

Wenn  der  ruhige  Gang  auf  der  weitumwan«^ 
dertenErde;  den  gleichwohl  der  Gott ,  wie  der 
Menfch,  am  liebften  auswählte,  nicht  vergönnt 
war;  fo  fehlen  das  gemächlichfte,  über  das  Ele- 
ment des  Waflersy  das  nächft  der  Erde  am  meiften 

K 


146     MYTHOLOGISCHER  BRUFfi   I.  B. 

Feftigkeit  enthielt  >  durch  erleichternde  Schwutig« 
folen  zu  wandeln.  Ungern ,  und  nur  durch 
Noth  oder  Leidenfchaft  getrieben ,.  unterzog  lieh 
der  Gott  der  mtthfameti  Anfirengung,  entweder 
auf  der  dicken  Dunftluft  innerhalb  des  Wolken« 
bezirks  zu  fchreiten;  oder  fogar,  von  reiner  in 
den  entwölkten  Aether  enaporreichenden  Berg« 
höhe  zur  andern,. mit  ftUroiifcber  Heftigkeit 
hinwegzufpringen« 

Irre  ich  nicht,  fo  iß:  Steigerung  in  Homers 
Ausdrucke  von  den  fchwebenden  Götterfolen« 
Nicht  über  die  Fläche  der  Gewäfier  allein  tragen 
fie  den  erleichterten  Schritt  hinweg;  fondem 
felbft  über  das  unendliche  Land,  wo  der-Fu(s» 
auf  der  lockeren  Dunftluft  einberzufchreiteii^ 
einer  weit  ftärkeren  Erhebung  I)edarf. 

Unleugbar  ift  diefe  Steigerung  in  den  folgen« 
den  Verfen  des  homerifchen  Hymnus  an  Demeter, 
wo  (V.  380)  von  den  Rofien  des  Aides  gefagt 
wird: 

Oi/5*  viuf  woraiimvi  ht   ayxset  To/if lyr«, 


DREIÜNDZWANZIGÄTEE   BR.      I47 

Rafeh  ancnnersiiche  Wege  Tolibrachten  lie:  weder  dit 

Meecfluc, 
Kodi  der  Strömt  Gevog',  auch  nichc  ThaUürunmea  voll 

Orafeff» 
Hcinmten  den  Sturm,  noch  Celfige  Höhn,  der  tuftcrb- 

*  liehen  Rofle; 

Nein  auch  iber  die  Höhn  dnrchichnitten  fie  rennend  die 

Donftluft. 

Selbft  der  Widder  mit  goldenem  Vlieffle  (Erat^ 
cataß.  19)  nahm  auf  der  Reife  nach  Kolchis,  des 
bequemeren  Ganges  halber»  einen  Umweg  über 
das  euxinifche  Meer. 

Die  geringere  Kraft  auf  dem  Wafler  zu  gehn 
ijirard  auch  wohl  Sterblichen  von  Pofeidon  ver- 
liehn:  wie  dem  Orion  bei  Hefiodus  iEratoßk. 
€atafi.  32  )y  der  über  den  Fluten ,  wie  auf  dem 
Lande,  wandelte;  dem Eufemos  bei  Apoilomus 
(i,  179);  den  RoiTen  des  Erichtfaonios  in  der 
liias  (20,  226),  des  Peleus  (<2*«»^-3f  758)» 
des  Pelops  (^Philofir.  tcon.  i ,  17  )•  Aber  Luft« 
fchritte  waren  ihnen  verfagt.  Dazu  war  dem 
Hyperboreer  Abaris  erft  ein  goldener  Pfeil 
Apollons  nothwendig,  auf  welchem  er,  über 
lAeere  und  Ströme  und  alles  unwegfame  erhoben» 
den  ganzen  Erdkreis  durchflog  s  dazu  der  Medea 
des  Helios  Geipaam 


K» 


148     IMIYTHOLOGISCHER  BRIEFS  1.  B. 

XIV. 

Schon  die  gro&e  Einhelligkeit  der  Grammatiker 
für  den  fchreitenden  Gang  der  Götter  ift  dem/ 
der  die  Weife  der  Grammatiker  keant,  ein  iicbe- 
/rer  Beweis ,  dafs  auch  die  fpäteren  Griechen« 
felbft  nach  angenommenen  Flügeln ,  den  Schritt 
über  WafTer  und  Luft  und  die  tragenden  Solen 
nicht  aufgaben.  Folgende  Beifpiele  werden  ent« 
fcheidend  fein. 

Auf  .dem  Schilde  des  Herakles  von  Heiiodus 
(v.  228)  erfcheint  PeJ^feus  mit  den  magifchen 
Solen  der  Nereiden ,  die  von  der  inwohnenden 
Schwungkraft  geflügelte  heiften ,  durch  die  Luft 
fchreitend ,  und  hinter  ihm  die  Gorgonen  fo  un- 
geftüm  nachwandelnd ,  dafs  der  Betrachter  den 
Stahl  des  Schildes  von  den  Fuistritten  tönen  zu 
hören  glaubt 

Avr«c  ^<  €TsviovTt  nett  i^fiyovrt  sotHUQ 
Tlif€svc  AffVffi'^ifC  iTiraivsTO  *  T»t  ig  fAfr   avTov 
TtffyovMQ  a^ÄifTot  rg  xat  ou  ^urätt  •ffw^r«, 
'U(igvut  iietTtsty,  sxi  Sg  x^^e^  aiaiiatvroQ 
BatvH€'tm  iax*€Kg  trxKoq  figya^f  OQvfuty^tfi 
-  -0|c«  xat  A/y««c* 

*    Selber  dem  eilenden  gleich,    und  ftarr  vor' Schrecken, 

entfchvflng  lieh 
Fcrfeat,   Daniens    Sohn,    mit  Heftigkeit.      Doch   die  ' 
*  Gorgonen 


VIERUNDZWANZIGSTER  BR.       149 

Stürzten  ihm  nach»   oiuiabbar»  toU   anaoiiprechlichet 

Graaenij 
Ihn  za  erhafchen  entflaaiiiit;  und  ipdcm  fie  auf  eraaU* 

ehern  Demant 
Wandelten»    hallte    d^r    Schild    ringsnm    mit    laatem 

Geraffel, 
Scharfes  Getönt,  hellgellend. 

ApoIIon  bei  Pindar  (Py/Ä.  3^  75),  um  fein 
Kind  Afklepios  aus  dem  Feuer  zu  retten,  fpringt 
mit  dint'  erßen  Schritte  f  ßxfiart  bv  sr^wr^,  von 
Delfos  zum  böbifchen  See  in  TJief&lien.  Diefen 
ftürmifchen  Schwung  findet  der  Schollaft,  und 
wir  beide  mit  ihm,  erhabener,  und  dem  Gott, 
dejOTen  Kmd  in  der  Flamme  lag,  aüftändiger,  ab 
des  meifternden  Ariftarchs  EinfaU,  der,  weil  ihm 
der  Eine  Schritt  froftige  Uebertreibung  fehlen 
{Eufiath.  IL  13,  20),  die  Aenderung  ßxi^xn  tv 
TiiTctrtfiy  mit  dem  dritten  Schritte  ^  nach  dem  Vor«* 
bilde  des  homerifchen  Pofeidon,  fich  l^eraus« 
nahm.  *) 


*)  Herr  Heyne  wundert  fich  über  des  Grammatikers  Spiz- 
findigkeit.  Simf  Heiter  poeta  dixit ,  faltn  faHo  Apollinem 
eripuiße  flamma  pueruntf  quefn  mater  utero  geßabaU 
Was  meint  er  mit  (tmtm  fimpliciter?  Nur  anfgefpruU' 
%eu  fei  der  Gott,  und  dann  mit  mehreren  Schritten 
gegangen?  Oder  er  fei  im  Sprunge^  das  ift,  tnrf  SprkH' 
len,  dahingeeilt?  O  des  Interpreten! 

K3 


150    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  T.6» 

Den  felUgen  Gott  zeigt  Pindar  iü  einem  Frag^ 
mente  bei  Strabo  C9P-413)  mit  gleicher  Ge« 
walt,  wie  in  derllias,  da  desStUmendenGefcbofr 
raiTelte,  einherwandelnd: 

X«#  fxo^uu^i  i^syaxaii  oftuv  värff  ff««* 

Machtvoll  icbwang  er  den  Vtiüttitt   iber   Leod    waä 

MeeijBiit, 
Und  das  erhabene  GeklsTt  der  Gebkge  betrat  er. 

• 
!Aüf  den  lebendigen  Aasdrn'ck  des  Rhythmus  darf 

ich  ein  Ohr,  wie  das  Ihrige,  nicht  erft  aafmerk* 

iäm  machen. 

Wandelnd  ancb.  bei  ApoIIomqs  (a,  674)  er- 
fcheint  den  Argonauten  auf  der  Infei  Thynias 
der  Herfcher  Apollon ,  da  er  an^  Lykia  zn  dem 
unendlichen  Volke  der  Hyperboreer  kehrt : 


Xfoetot  Zt  xaftttwv  Sicartf^t 


Amtp  yafyvg§9¥  ¥mß»  ßtw'  mfi^i  U  yür^/f 
Jo^oHH  rsrxvvro  tutrmfuih'/'  i^^*  vto  9ro99t 

^  Goldfiralbod    an    jeglicher  Nraiig'   3im 

herottter 
flogen  die  tranb^n  Locken  mit  Heftigkeit»    wie  et 

cittberging. 


VIEftUNDZWANZIGSTKR  BS«       I5I 

Xfinki   fein  Gefchols  bewegt*  er,  das  fflberqe;  nnd  am 

den  Racken 

Hing  der  Köcher  hinab  von  der  Schalter  ihm.    Unter 

dem  Fufitritt 

Schütterte  ganz  die  Infel,    es  wogte  die  Flut  am  Ge- 

fiad*  aa£ 

Mit  ftaunendem  Schrecken  fahn  die  Argonauten 
vorr  fich  nieder ,  unfähig  die  herlichen  Augen 
des  Gottes  anzufchaun,  bis  er  fem  über  das 
Meer  hinweg  durch  die  Dunftluft  iich  verlor. 

Auch  Ate  wandelt  noch  bei  Rhianus,  einem 
ZeitgenolTen  des  Eratofthenes,  eben  fo,  wie  bei 
Homer,  mit  fch webendem  Fufstritt  auf  dea 
HSuptem  der  Männer  {^Siob.  mor.  4  p.  54): 

"h  y  Arn  etira^otsi  |<srftrfi»x^9«  xoiM€€i9 
Axf^C  fv  «s^«A)f^iy  avm^of  tut»  a^vrog. 

Ate  jedoch  herlaufend  mit  ianft  erhobenen  Ftrfien» 
V^ber  die   Scheitel  einher,    (b   wenig   bemerkt,   wie 

gefehe& 

Bei  Nopnt^s»  der  fich  auf  das  Ausmahlen 
kleiner  UmftSndchen  was  zu  gute  thut,  find  der- 
gleichen Luftgänge  fehr  häufig.  So  ^Dumyf. 
8  y  105  )  entichwingt  fich  der  Neid» 


xat  ayxvÄa  ywarm  wtcMmißf 


Hif  Ao|«  xrAft/5ff  h*  iitfOQ, 


ond  im  Schwang  der  gebogenen  Knice 


VTandelt'  er  fchräge  den  Pfad  dorch  die  Dwiftldfn 

K4 


151    MYTHOLOGISCHER  BRIBFJC  I.  B. 

Gleich  darauf  (v.  iio)  rennt  Here  mit  ßürnti^ 
Jeher  Sotey  ^vt?.Aiit)ßrt  src^iAi«»  über  unzähliche 
Städte  einher,  zur  diktäifchen  Höhle  der  Geburta- 
göttin.    Und  auch  diefe  enteUt  (y.  177) : 

Heg»  sroriffvrf  hmtux^^^  vth^^. 

Schnell   die   dnnftige  Luft    mit  fliegender  Sole  darcb» 

wandernd» 

Ruhiger  als  jener  meerwandelnde  ApoUon^ 
unter  welchem  die  Flut  "auf wogte,  find  in  einem 
verdorbenen  Fragmente  bei  Plutarch  {pretcepU 
reif.ger.^y  wahrfcheinlich  von  Pindar,  dieLie« 
besgötter  uns  vorgeftellt : 

EiüTTgofftixot  9^xi  vxg^Xcetv  Efwrcc* 

Auf  des  Meers  hellfchimmenicler  Glätte 

Vl^andelteu ,  fcliön  von  Geficht ,  die  Eroten  fie  vorbei. 

Und  wie  bei  Kailiftrat  (14)  Amfitrite  und  die 
Nereiden  auf  der  Fläche  des  Waffers^  ftehn ;  fo 
läfst  Hitherius  ipr.  \6,  2  )  die  Nereiden  in  meer- 
purpurnem Gewände,  hüpfend  auf  den  Wellen^ 
den  Tanz  aufführen.  Imgleichen  bei  Nonnus 
(  Df ofiy/.  23,  151)  betrit  der  zi^genfüfsige  Pan 
den  indifchen  Hydaspes : 

Aiytiot^  ig  9Foitffffi  htrgtx*  TloLffecsioq  Hxv, 
Axf«  y«J\.9iveswo  hetwx^y  Tarafcai«. 


VIKRUN02WANZIOSTBR  BR.       1 5^ 

Mit    Geiüirüfiea   bindiircb  lief  Paii;    der  pvrhaaiclie 

Fel4gotr, 
Sanft  den  oberen  Saum   de»  rahigen  Stromes  dtticJ^» 

wandelnd» 

So  wie  der  felbige  Geifif üfster  anderswo  (43, 313) 
des  Meers  babniofe  GeWSfier  als  leichter  Wan«^ 
derer  durchhüpft. 

Aber  wek  mer&wSrdi^er  i&  es,  dafs,  nach* 
dem  die  Bildner  fcbon  viele  der  Götter,  am  Fuß» 
an  den  Schultern  oder  am  Haupte»  beflügelt  bat* 
ten»  dennoch  die  Dichter  bei  diefer  Beflügelung 
den  gewaltigeb  Schritt»  und  fogar  die  tragenden 
Scbwungfblen»  behielten»  Selbft  die  Bildner 
zeigten  ihre  geflügelten  Gottheiten  nicht  nur  im 
Fluge  hingleitend»  oder  im  Begrif  aufzufliegen^ 
ibndern  häufig  mit  wechfelnden  FiKsen  durclt  die 
Luft  fich  fchwingend :  wenn  fcbon  die  unmUlkigt' 
Anftrengung  ausgefperreter  Fußtritte»  die  der 
Einbildung  in  der  Poefie  nicht  misfallen»  dem 
Auge  von  der  Grazie  der  bildenden  Kunft  mulste 
gemildert  werden» 

Iris,  wird  bei  Euripides  iHerc^  für.  87a)  Ton 
der  begleitenden  Lyffa  oder  Wut  zam  Olymp, 
nicht  zu  fliegen»  fondern  zu  gehen  ermahnt:  • 

'V^andle  zum  Olympos ,  Iris  >  sofgefchnellt  den  edlen  Fuß. 

K5 


X54    MVTROLOGTSCItER  BRIEFE   I.  B. 

Diefelbe  bei  ApoIIoninSy  obgleich  ihr  (4,  jjggy 
mit  rafchen  Fittigen  zu  enteilen  befohlen  wird, 
obgleich  fie  (v.  770) ,  herabQ)ringend  vom  Olym- 
pos,  der  jezt  die  Höhe  des  himmlifchen  Gewöl- 
bes bedeutete,  auf  geflreckten  Fittigen  die  Luft 
durchfchneidet ,  hat  am  £fide  doch  Luftfehritte 
gemacht;  denn  (v.  779) 


I  de  ruhte  die  hartigen  Kniec  vom 

'«Auch  bei  Kallimachns  («1  Deh  216)  bringt  der 
Here  die  herantaufenäi  Iris  keichend  die  Bot« 
fchaft,  wie  Leto  in  Delos  zur  Geburt  arbeite» 
und  fezt.fich  darauf  am  Throne  der  Oebieterin# 
wo  iie  wachend  und  in  leifem  Schlummer  zn 
BefieUungen  bereit  ift,  v.  937 :  ^ 

tTeder  je  den  Gärte!  entbindet  fic ,  noch  die  gefchvindcn 
•    Schöbe  des  Laufs  s    ob  erstim  ein  (chleoniget  Wort  ihr 

'   befehle  ; 
Ihre  FnuK 

Von  welchen  fortfchwingenden  Lauffolen  Iris, 
bei  Plutarch  Qamator.)  in  der  neueren  Fabel |  da 


VIKRÜIR'DZW HITZIGSTER  BR.       1$$ 

fie  dem  2^fyros  dtn  Eros  gebiert,  9mtt3fX9^,  £e 
fokihffrligi,  beifit. 

Eben  fo  wird  der  geflügelte  Hermes  von  Eo- 
ripides  (ffrf*  2^47  )>  wo  er  durch  die  Luft  an- 
kömmt, ttxo^c,  der  fckneBfüßige ,  genannt. 
Und  Nonnns  (^Dioniff.  9,  155)  iS&t  ihn  fliegend 
die  Kniee  bnmebeBi 

XX^  «TifVy  9W2vr»VtfC  VC  sfonrav  «Av5cy  'tfpufC, 
XtficA«r«c  ^A/|»^/y  vwwftfuov  srr^v  «vf y^^ 

Dieib  gcT^t^  ten  Hernie»  »le  kortige»  Kniees  ge« 

Himinel, 
WtfbeM   MB  Sc&wimg  cter  Läfte  des  «i%ebliUictta 

KtOgr 

Der^  feÄige  Nonnns  {Dumyf.  2,  ^05)  ze^ 
aie  geflügelte  SiegjBgßttia  aof  Solen  durch  die 
XxSt  wandelnd: 

Af>er  dem  einfinMB  Zess  »tf  Hefferm  athete  Nite» 
San&  aoLdea  J^fade»  der  Luft  mit  ftrcrfeadcr  Soie  fick 

ichwingead. 

Den  Herfcher  der  guten  Zeit  oder  der  Gele- 
genheit, KSraSf  hMe  Ly&ppns  in  Sicyon  gebil- 
det, als  fchönen  Jüngling,  der  mit  Fofsflugetn 
von  einer  Kugd  zum  fliegenden  Laufe  fleh  zn 


1S6    MYTHOtOGISCRSRBRIsrFE   1.8. 

erheben  fehlen.  Dies  meldet:^  außer  Kalliftrat 
iflat^  6)  und  Himerius  C^^^*  ^[4)»  ein  Epigramm 
des  Pofidippus  (^Anth.  4»  14  p.  346): 

«*  Ti^rr»  Ä^ear*  axgat  ßtßiiKC$Q;  ß^  A$t  rgox»»^    ee.  Tt 

A.   Was  dein  Tritt  auf  dcö  Tfchcn^    R  Ich  laufe  ja! 
/  A.  Was  die  Beflöglung 

Jeglichem  Fufs^    F.  Hiermit  flieg"  ich  im  hebenden 

X         '  Wind. 

• 

Auf  gleiche  Art  werden  den  Sirenen  in  einem  * 
Fragmente  des  Euripides  bei  Kleraens  iflront»  4 
p.  543),  nebft  den  Fittigen  der  fpäteren  F^el; 
noch  Fufsfolen   zu    fchwebenden  Luftfehritten 
yerliehn: 

Ha!  gphtene  Fittige  mir  um  den  Rucke» 
Und  die  UebKchen  Solen  der  Seirenen  gefugte 
Dafs  ich  wandle  zum  wetten  Aether 
Erhöht»  in  Ze^s.  Gemeinfchaftl 

Welcher  Gang  durch  die.Lnft  auch  d^n 
geflügelten  ;Eumeniden  in  einem  Chore  des 
Euripides  {Orefl^  317)  beigelegt  wird: 


VlERUNDZWAKZiaSTfiS:  BR.       I57 

Tov   Tücvctcv  tct^sf^  aß^»AA§f$9, 

O  Läoferianeu  mit  der  Fittige  Tracht» 

Schwarzfarbtge  'Eameniden ,  die  ihr 

In  dem  zarten  Aether  wnfaer  each  (chwingt! 

Auch  Tyche  oder  Fortjina  wird  von  Plutarch 
{de  fort.  Romanor.^  gefchildert,  wie  fie  ge- 
wöhnlich, mit  leichten  Fittigen  fich  wSgend, 
die  Spizen  der  Füfse  auf.  eine  Kugel  ftelle,  aber 
den  Römern  zur  Gunft  Fittige  und  Schwwigfoien 
abgel^t,  und  die  unftäte  Kugel  verlallen  habe» 
um  beftändig  in  Rom  zu  bleiben. 


XXV. 

Ifäin  wenig  Geduld ;  wir  haben  in  Griechenlaod 
noch  eine  Bemerkung ,  übrig.  Dann  zu  Ihrem 
Virgil. 

•  Wenn  jene  geflügelten  Gottheiten,  Iris,  Nike» 
die  Sirenen  und  Tyche ,  der  magUchen  Schwung« 
folen  zur  Befchleunigung  des  Luftganges  nicht 
entrathen  konnten;  wie  viel  weniger  die  flügeU 
lofen? 

Hören  Sie  nun  die  Anrede,  mit'  welcher 
Aefchylus  dem  gefeffelten  Prometheus  ( v.  12g ) 
die  Töchter  des  Okeanos  nahen  lälst: 


IS8    MVTHCLOOISCHER  BRIEFS  I.  B« 
Hnitv  ^oßiff^Q.  ^tAtx  yeuß  ißt  r«(<€ 

ttf ostßai'  r«ylf  wetyw^  wterf^^ 

Krt/gr»  ^af  a;^«  \ukvßoi  ^Hfl'^  Avrfifi^ 

^vS-ify   l'ffTf^iAoc  0;iS^  srrffwry. 

Nichts  fchrecke  dich!  denn  eine  gev^ogeoe  Schtir 

Mit  der  Fitdge  (chleunlgem  Wechfelfchl^ 

Naht  dicfem  Geftein,  da  kaum  durch  Bitte 

Des  Vaters.  Herz  ich  gevaan. 

Schaelhragend  geleiteten  Luftt  mich  her. 

Denn  der  Hall  vom  Gefaänraier  des  Suhls  dnrdidning 

die  Grotten, 
Und  verfchettchte  mir  die  holdaufblickende  Scham; 
Und  ich  eilt'  angeichoht  in  dem  Flägelwagen. 

OkeanoSy  der  Herfcber  des  kreifenden  Welt- 
ftroms  (v.  138)»  der  hei  Aefchylus  (v.  431), 
wie  hei  Pherecy des  (^  Seh.  Apoä.  ^f  1396.  Athen. 
XI j  6)  und  Pindar  (Py^&.  4,  447)9  fchon  zur 
Breite  eines  Meers  erwachf^n  war,  wohnte  als 
Stromgott  tm  Felfengeklüft  feines  Quells  (v.  300), 
welchen  Hefiodus  (Theog,  082),  Pindar  (/r. 
p,  79)  und  Kallimachus  (Pa£.  tav,  5)  am  weft«. 
liehen  Ende  Europa's  annahmen.  Bis  hieher 
tönte  das  Gehlimmer  des  anfchmiedenden  He- 
fäftost     Die  mitleidigen  Okeaniden  batefi  den 

/ 


FQNFUND« WANZIGSTER  BR.       1 59 

Vater  um  Erlaubnis,  ondy  ohne  fich  Zeit  zur 
Befchubung  za  nehmen ,  euren  fie  bin  auf  einem 
Wagen  mit  geflügelten  Greifen,  Fabelthieren 
des  angrenzenden  Arimaspenlandes:  deren  eins 
bald  darauf  den  Okeanos  felbft  durch  die  Luft 
heranträgt.   ^ 

Dafs  die  Nymfen   nicht   fliegend,    wie  die 

Grammatiker,  und  Herr  Heyne  in  Ihrer  Abfchrift  • 

der  Antiquitäten,  fleh  einbilden,    fondem  nach 

dem  Buchftaben,  im  geflügelten  fTagen  ankom« 

men:    dies   hat  Herr  Schiiz,    befonders   durch 

Bemerkung  der  ]UnfchickIichkeit,    fo  lange  auf 

Fittigen  zu  fch weben, 'und  durch  Vergleichung 

des  280  Verfes ,  wo  fie  ausdrucklich  vom  Wagen 

abfteigen ,  aufser  Zweifel  gefezt      Der  FlügeU 

wagen  ift  nach  dem  Sprachgebraucbe  der  Zeit  ein 

Wagen  mit  geflügeltetn  Vorgeffann\    wie  bei 

Euripides   (.Iphig.  AuU   250),    Plato  im  PhiC- 

drus  QStefh.  p.  246),  und  fchon  im  Fragmente 

des  Alcäusbei  Himeriüs  (or.  14,  10):  wiewohl 

fpätere  Kunftwerke  auch  geflügelte  Wagen  ohne 

Gefpann  zeigen.      Die  Gegend  der  Grotte  am 

Quelle  des  Okeanos,    und  die  Art  des  FlUgel- 

gefpanns,  -  erglebt    fleh    i^us    der    damaligea 

Weltkunde. 

Wird  ab^r  durah  die  ErklSrung,    dafs  die 
Nymfen  nicht  einmal  Schuhe  anzulegen  fich  Zeit 


l6o     M^rrfOLoaiSCHER  BklHiFE   I.  B. 

gelken,  der  Sititt  völlig erfohöpft?  Nicht  völlig. 
*  Der  Dichter  befchönigt  durch  diefe  Eilfertigkeit 
den  abgenöthigten  Verftofs  gegen  die  gewöhn- 
Kche  Vorftelhing:  da  er  die  Göttinnen,  die  auf 
aren  Schwmgfolen  in  Äürmifche^  Luftfckrittm 
herannahn  loUteri,  durch  die  Grenzen  der  Ma- 
fchinenkunft  eingeengt,  auf  einem  fchwebenden 
Wageii  mit  geflügelten  Greifen  einführt. 

.  Aber  die  Mafchim  (f^»f•c«vv),  fagt  doch 
Pollux(4f  19,  a)>  zeigt  Götter  und  Heroen  in 
der  Luft,  Bellerofonte  und  Perfe,  und  ift  am 
linken  Zugang  über  der  Scene  in  der  Höhe. 
Und  bald  nachher:  Schwtber  iatui^at)  beKsen  die 
Seile,  die  au3  der  Höhe  herabhangen,  zur  Hal- 
tung derer,  die  auf  der  Luft  getragen  fcheinen, 
es  fein  Heroen  oder  Götter. 

'  Auch  Perfeus  alfo,  der  Luftwandler,  ward 
iiber  der  Bühne  gezeigt.  Allerdings;  doch  fpä- 
ter.  In  den  Vögeln  des  Ariftofanes  (v.  I199) 
ruft  einer,  als  Iris  erfcheint: 

.    AvTH  Wi  vrot  woi  WBi  vtrtti  fiev*  ^cvaeoc! 

"'    Du  dort,  wohin?  wo  Äicgft  du  hiü?  Sacht»'  warte  doch! 
Nicht  weiter!  halt!  Don  ftehe  ftiil !  Gehemmt  den  Lauf! 

Offenbar  kam  Iris  in  Luftfc'hritteii,  die  der  Ma- 
fchlnenmeifter,    fo   gut   es  gefchehen   konnte^ 


FÜNFUNDZWANZiaST.BIt  BR.         |6| 

dotch^  fchwirbeo(}e  Werkzeuge  ihr  verftattete* 
Zu  Aefcbylus  Zeit  hingegen,  da  die  Mafchinea«' 
bioft  noch  im  erften  Entftehen  war ,  wufste  man 
£ch  nicht  «iid^rs,  als  mit  fcbwebenden  Reit« 
thieren  oder  Fuhrwerken  zu  beheizen ,  und  ver- 
mied die  VorfteIIung.des  Lufcgangs. 

Nach  Spanheims  Vertoutung  (ff um.  ant. 
5,  ro)  gHch  jener  fcenifche  Luftwagen  an 
Geftalt  dem  xava^f^v^  einem  Fub.rwerk  der  lakonU 
fcben  Jungfraun  in  den  Feierzügen  der  Helena; 
welches,  wie  Plntarch  {Agtfil.)  und  Hefycbius 
(luivadf«)  iebreii,  mit  gebildeten  Greifen  öder 
Tragelafen ,  das  ift  Bockhirfchen ,  einem  anderen» 
auch  von  Aefchylus  {jhifloph.  ran»  937)  ge- 
brauchten Fabeitbiere,  gefchmückt  war. 

>  Auf  einem  Wagen  mit  den  geflügelten  Rolfen 
der  alten  Poefie  läfst  Aefchylus  in  den  Eumenidea 
(V.'  406  )  die  Athene  hereinfcfaweben : 

Ey5ffy  dioiKUff*  ii^ov  arfvrov  Toia, 
TluAotc  etxftatotQ  tävI"  §Tt^9v%M*  »x^^ 

Von  dort  enteilt'  ich  angefiiaintei  Foftet  lier» 

Auch  flügellos;  vindUitt  erfcholi  dfit  Aegis  Scheoft). 

Kraftvolle  G«ole  fpannt'  ich  diefcm  Wyen  ^tr* 

L 


^  162     MYTHOLOGISCHER  BRIEFS    I.  B. 

Die  Redensart  9  ar^vrov  woia^  ungeßumtes  FußiSs 
die  Pauw  nicht  verträglich  mit  der  Wagenfahrfc 
findet,  ift  eine  der  bekannten  Q)richwörtlichen, 
wie  Odyff.  0,  v.  43  ^/e^«»  to^o  MiH>durch  nw 
Schnelligkeit  angezeigt  wird.       -       *  > 

.  .      I       .-i 

XX  VI. 

bie  haben  Recht.  Bei  Virgil  wiUste  ich  nichts* 
wo  ein  fchreitender  Flug  der  Götter  fo  ganz  aos^ 
drücklich  befchrieben  wäre.  Dennr-obgleich  den 
Fußfittigen  Merkurs  die  ftürmifchen  Schritte 
durch  die  Luft  angemelTener  Tcheinen  ^  als  jener 
mit  ruhigen  Füfsen  fortfchiefsende  Vogclflügi 
fo  fchildert  doch  Virgil  (Aen*  4*9  (^4S)  den  eiienW 
den  Götterherold  in  lauter  folchen  Ausdrücken: 
ir  dwrchfchwimtnt  die  Gewolke,''  er  fliegt  ^^  er 
dUrckfchneidet  dit  feinde:  dafs,  wäre  die  Ver- 
laiTimg  des  griechifchen  Luftfchrictes  nicht,  UQ*« 
Wahrfcheinlich ,  man  einen  natürlichen  Flug  an- 
nehmen  möchte.  •? 

Selbft  Venus,  die  (Jen.  r ,  ^J^^fMimis  abit, 
mit  erhabenem  Gange  enteilt;  felbft  Iris,  die  gehende 
iAen.  S,  Ö07),  und  die  cito  deeurrit  tramite 
Cv.  610)»  aufrafihem  Pfade  dabinläuft:  könnte 
als  fliegende  gedeutet  werden^'wenn  nicht  dier 


SECHSÜNDZWANZIGSTKR  BR.      163 

eigentliche  Gan^  der  Gottheiten  was  griechifdren 
Dichtern  bekannt  wäre. 

Nicht  feine  unliebliche  Fama  ettimal  (^Ap^. 
4f  180)9  pedibus  fiterem  &  pernicibus  alU, 
an  Füßen  gefchwimf  und  hurtigen  Flügeln^  t]a 
fie  gleich  darauf  (v.  184)  zwifchen  Himmel  und 
Erde  fliegt,f  würden  wir  ohne  vorhergehende 
Bemerkung  des  Ueblichen  für  eine  zugleich 
fliegende  und  laufende  Luftfchreiterin  er- 
kennen. 

So  viel  kömmt  darauf  an,  welchen  Gegen- 
fiand  man  auch  unterfuche*  keinen  Schriftfteller 
des  AlterthumSy  am  wenigften  einen  der  fpätc» 
ren,  zu  vereinzeln;  und,  wie  Herr  Heyne  es 
angreift,  jeden  befonders  auszuziehn  und  abzu* 
handeln^ 

Dafs  Sie  nur  nicht  den  römifchen  Dichtern 
eine  Neuerung  aufbürden!  Statiua  giebt  dem 
Merkur  (  Theb.  Q>9  ^)  offenbar  einen  Gang ,  der, 
von  Fittigen  und  mithelfenden  Winden  erhöht, 
nnr  in  den  trägen  Dünften  des  Schattenreichs 
gehemmt  wurde: 


XfHÜ^e  pigr^ 


Ire  vetant  nnkef^^  turhidus  imflicAt  üin 
Nee  Zephyri^rapnere  iradum,  fed  fmda  Jilevti^ 
Aura  poli,  ... 
Jt  tarnen «  tf  medka  frmat  'vefiigU  vkga. 

L  a 


|64    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE- r.  11. 


Träge  Gewölkt 


Hemmen    den    Gang    riugsber ,    und    fturmifcher   Nebel ' 

verwirrt  ihn;, 

Auch  nicht  Zefyre  niffen  den  Schritt;  nein  fchv^eigendes 

Himmels 

Graufe  LuFc.  ... 

Dennoch  geht  er»  and  Auzt  mit  m^ifchem  Stajbe  den 

Fufstritt. 

Als  Luftwandle^"  erfcbeint  bei  dem  felbigen 
(Theb.  lo,  131)  auch  der  Gott  des  Schlafs» 
welchen  die  Neueren,  wie  den  Merkur,  beflü- 
gelt an  Haupt  und  f  erfen  vorfteliten: 

Ipfe  qno^  y  volucref/i  greffum ,   ^  ventofa  citavit 
Tempora  j  ^  ohfcuri  ftnuatam  f rigor e  call 
Jmplevit  chlamydem ,  tacito^e  per  athera  curjk 
'  Fertur. 

Jener    auch    ftrengt    den    geflügelten    Schritt   und    die 

wehenden  Schläfen 

Aemiiger,    dafs    aufwallend    vom    Froft    des    dnukelen 

,      '  ■   Himmels' 

Sich  dal  Gewand  anfüllt,   und    in  ichvsreigendem  Lauf 

,    durch  den  Aether 
Eilet  er.  ' 

Ich  meine,  dafs  auch  bei  Ovid  Ausdrikke, 
wie  (^Met  3,  299)  athtra  confctndit^  er  erftieg 
den  Atrtber,  nicht  feiten  lein.  So  bei  Apulejus, 
(  Mit.  5  /»O  nimt  Venus  alte  concitö  gradu,  mit 


SECHSUNDZWANZIGSTER  BR.      l6j 

koch^  befchteunigtetn  Schritte  ^  den  Weg  über  das 
Meer. 

Und  wie  wollen  Sie  (ich  die  Träame  bei 
Tibull  (2  £/.  I,  89)  vorftellen? 

Poflque  venit  tacttus  fufcii  circumdatuf  alis 
Somnus  ^  W  incerto  Somnia  nigra  pede, 

^  Hinter  ihr  kommt  ftillfchveigenc)  der  Schlaf  anf  brio»- 

lichen  Flugchi; 
Mit  uuficherem  Fufs  dunkele  Träume  zugleich. 

Die  Träume,  die  geflügelte  Wefen  find,  fchrei- 
ten  dabei  als  Luftwandler. 

Sogar  auf  einer  Münze  des  Lucius  Hoftilius 
bei  du  Choul  (p.  167)  erfcheint  die  Siegsgöttin 
mit  ausgebreiteten  Flügeln  durch  die  Luft  fchrei- 
tend,  nicht  ohne  UngeilUm,  obgleich  ihn  der 
Künftler  den  Foderungen  der  Schönheit  gemäfe 
milderte.  Welche  luftwändelnde  Nike  auf  meh- 
reren katanifchen  Münzen  ( Si&>  veU  num. 
T.  XXI)  vorkömmt.  Noöh  heftiger  ift  auf 
einer  römifchen  Münze  (  Rofin.  p.  91  //)  der 
luftwandelnde  Mars  vorgeftellt ,  wie  er  der 
fchlafenden  Rhea  Silvia  naht.  Leflings  Wider- 
f^wuch  (  Laok.  Vll )  trift  nur  fo  weit ,  daTs  Luft- 
fchritte ,  geflügelte  oder  ungeflligelte ,  in  Kunft- 
bildungen  feiten  find ,  gegen  das  gewöhnliche 
Schweben  auf  Fittigen  oder  Wolken, 

L3 


|66     MirTHOLOÖlSCHBR  BRIRFJS   I.  B. 

Ueber  |der  Flut  aber  fab  oic^t  nur  NonDQs  den 
Pan  hüpfen»  fondern  auch  Aufoniiis  in  dejr  Be* 
fchreibung  der  fülofel  v.  172: 

.CapripeiN^  agitat  tum  iaeta  protetvia  Panar, 
Jnpdtantqut  vadtft  trepidasque  fuh  amite  forores- 
Terrettt,  indaciH  ptt^antes^  vtrbste  ftttButiK 

V^ann  matwUKge  Luft  gerfsfufsige  Pane  begeifteit, 
Hnpfen  üc'  über  lüe  Fuhrt,  itnd  e^ft)lreckel^  die  zittern* 

den  Scfaveftern 
Unter    dem    Strom»    aaftr»betid    mit    imbefaöiflKbcni 

Fußtritt. 

Und  auf  dem  Boden  verräth  die  Götter  be- 
fiändig  ein  erhabener  j^Jn  mehr  als  menfchlichen 
Schritten  einherfcbwebender  dang:  fowohl  bei 
Virgil  die  Venus  {^Aeti.  x,  405)  und  die  Iris 
(5>  649 }>  ^Is  noch  deutlicher  bei  Statins  {The^ 
j(0^  640)  die  Göttin  der  Tugend,  welche»  ob-« 
gleich  geflligelt  (flor.  Ul  Od.  z,  34)^  durch 
»bermafiige  SchrüU^  nimiique  gradus»  bei  dem 
Ernfte  des  Antlizes,  &ch  anzeiget. 


XXVII. 

Ja  wollten  wir,  mein  Freund »  von  jeder  am 
Wege  liegenden  Frage  uns  ablocken  lafßen;  wir 
kämen  nimmer  vom  Fleck.  Ein  Dritter^  der  una 
zuhörte  9  möchte  mit  Wahrheit  fpötteha»    dft(k 


SISBEHUNUZWANZIGSTER  BR.      I67 

vnr  ttber.  die  hlnrnfgende  ^hwaogkraflt  dee 
Götterfoien  das  ki^weiligftö  Gefjpräch  von  ein« 
fchläfernder  Weitfcbweifigkttt  zu  führen  wBfip« 
teiu    Inde&laiTen  Sieiitirea. 

Der  homerlfche  Hermes»  fagen  Sre,  habe 
denn  feine  gegründete  Urfache,  vom  BergOIym« 
pus  nach  Ogygia  den  Umweg  tlber  Pieria  und 
das  ägäifche  Meer  zn  nehmen.  Ob  aber  der 
Umweg,  des  virgilifchen  (i^fli.  4,  238)  über 
den  Atlas  mach  Karthago  zu  rechtfertigen  fei? 

Turnebns  hat  es  mk  zwei  Gründen  verfacht, 
wovon  er  dien  erften  vorzieht.  Merkur,  meint 
et  Qadveff,  it^'f  6),  machte  den  Umweg>  ent« 
weder  um  d&h  mütterlichen  Großvater  zu  befix« 
äien,  pour  üSer  rendr^  une-  vifiU  ä  Atlas  fon 
grand  pere,  wie  der  höfliche  Vater  Qitrou  es 
ausdrückt;  oder  weil  man  die  höhei^en  Berge  als 
Stufen  betrachtete,  worauf  die  Götter  mit  He* 
quemlichkeit  vom  Himmel  herabfliegen«. 

Beide  Gründe  find  unhaltbar.  Dem  faumfeK- 
gen  Umföhwerfe'  zum  lieben  Großvater  wider- 
ftrebt  fowoht  feine  Amtspflicht,  als  Virgils  Eru 
z^hhing»  dafs'  er  auf  disn  €ripfe(  des  Atlas  nur 
zuerlt  vom  Fhnge  den  Fufs  gefezt,  aberfogleich 
forteitend  auf  die  Meerwogen  fich  gefenkt  habei 
VoA  zur  Bimmelsleiter,  'um  einem  fliegeaden  Gott 

L4 


l68     MTTfitOLOGlSCfiER  BRI£P£  I«  B« 

die  Höhe  der  Erd&hrt  zu  verkfirsen  ^  erhobes 
fich  ja  nähere  Berggipfel  unter  der  Mitte  des 
gewölbten  Himmeis. 

Leffing  im  Anhange  zum  Laokoon  S.  32^ 
beantwortet  blofs  den '  nichtigen  Vorwurf  des 
Ausruhens,  das  einem  Gotte  nicht  anftehe:  "Der 
** Dichter,  „  fagt  er,  "will  eine  lebhafte  Idee 
**von  der  Weite  des  Weges  machen,  und  zer- 
"legt  ihn  alfa  in  zwei  Hälften,  und  läfst  ans  der 
"bekannten  Grofse  der  einen  kleineren  Hälfte 
"auf  die  unbekannte  Gröfse  der  änderen  Hälfte 
"fchliefsen.  Von  dem  innerften  Olymp  bis  auf 
•*den  Pierius  oder  Atlas;  oder  von  diefen  Bergeii 
"bis  in  die  Infel  Ogygia  oder  bis  nach  Karthago; 
<*und  fo  wird  mir  die  Weite  des  Weges  finnlip 
"eher,  als  wenn  es  blofs  hie(se,  aus  dem  Olynip 
**nach  Ogygia  oder  Karthago.  „ 

Schon  gut.  War  aber  Virgils  innerfter  Olymp 
jenfeit  der  äufserften  Weftgegend,  dafs  dei-  Weg 
grade  über  den  Atlas  ging?  So  hätte  LeiTmg 
beim  Ausarbeiten  jenes  hingeworfenen  Gedan- 
kens iich  felbft  gefragt,  un4  gewiß  als  Leiung 
geantwortet. 

Und  Herr  He3me?  Was  Sie  vermuten  kön« 
Ben*  Er  folgt  gewöhnlich  einem  Vorgänger! 
imd  fcheint  ihm  der  die  Sache  nicht  abzuthun ,  ,6^ 
Ulfib  er  fich  mit  a^wei  alteoCfclieMeiiden  Konftt 


sie:sbnun]>zwanzi6i5ter  br,    169 

griffen  vorbei.  -Entweder  die  ichwierige  Scelle 
i&  untergefchoben  ^  und  verdient  keine  Erklfi« 
rung;  oder  fie.ift  eineni  verlorenen  Griechen, 
wo  fie  vermatlich  einen  fchickiichen  Sinn  hatte, 
etwas  ungefchtckt  nachgeaiimt  worden.  Nun 
hören  Sie.  **]m  ea  nan  arguiandum^  qnod 
**täm  purum  itharis  compendium  ftcit  JUercuriur, 
^*dum  Atlanttm  ftius  aditf  quam  Carthagintm. 
**SpeSatur  tantum  Atlantis  altum  iugum,  cui 
**deus  ex  coeto  defcendens  primo  loco  infifiitj  hinc 
^*ad  humiliora  loca  procediL  „  So  weit  nach 
Turnebus,  Jezt  der  kritifche  Kunftgrif :  "iSi 
**antiquiorem  poetam  ante  oculos  habuit^  quoi 
*^fufpicorf  ille  alio  modo  hac  adomaverat; 
**Perfei  enim  &  multo  magis  Hirculis 
**iter  in  Libyam  fit  inde  ab  occidente.  „ 

Da3  nenne  ich  mir  eine  unvermutete  Verma* 
tung  9  in  qua  quidem  uon  argutandum  fcilicet  I 
Perfeus ,  und  noch  weit  mehr  Herkules,— 
{Mehr  wohl  nicht,  aber  vielleicht  häufiger!)  — 
reifet  in  alten  Gedichten  von  Wellen  durch  Li- 
byeUi  Dies  merkt  fich  Virgil,  und  läPst  feinen 
Merkur,  obgleich  er  im  Weftlande  nichts  eben 
zuthun  hat,  auch  von  Weften  herkommen,  und 
bei  diefer  Gelegenheit  den  merkwürdigen  Atlas 
befehn.  Wie  fehr  ift  der  Dichter  für  ein  folches 
Zutrauen  fekiem  Ausleger  verbunden! 

L5 


I7Ö     MYTHÖLOGlSCHClt  BRIEFE  X.  B. 

Ihre  vorwizige  Frage,  metii  Freand,  bringt 
Sie  io  Gef»fary,aiis  der  alten  Welckonde  den  gao» 
3en  Abibhnkt  vom  Himmel  und  Olympos  als 
Beilage  zu  erhalten.  Sie  kenn^i  meine  Bered- 
famkeit,  wenn  das  Gefpräch  auf  diefe  veroach* 
läiSgte  Wiffenfchaft  £ällt  Docfa.  fbllen  Sie  dite« 
mal  mit  einem  Xorsen  Auszuge- davo»komtpen«   ' 

Homers  Götter  bewohnten  nicht  das  Öde  Ge- 
V^ölbe  des  ehernen  Himmels,  welches  am  Rande 
der  Erdicheibe  auf  Bergfaulen  ruhte,  und  dem 
Zeus  in  der  Theilung  zum  Loole  fiel.  Nein  auf 
(der  gemeinfamen  Erde,  der  lebenfchenkenderi, 
die  felbft  ihnen  Nektar  und  Ambrofia  trug,  näher 
dem  befreundeten  Menfchcngefchlecht ,  bewohn- 
ten fie  die  h^rtereri  Höhn  des  theflaüfchen  Olym- 
pus. Ueber  dem  Haupte  des  Olympus  glaubte 
man  eine  Oefnung  in  dem  metallenen  Gewölbe, 
cfurcb  welche  die  Riefenföhne  des  Aloeus  den 
cmporflüchtenden-  Göttern ,  über  zwei  andere 
auf  den  Olympns  gethürmte  B^rge,  in  den 
Himmel  zu  folgen  fich  vornahmen,  und  durcK 
welche  auch  Zeus  die  goldenie  Kette  auf  den 
Olympus  berabfenkend  gedacht  werden  mufs. 

Als  in  der  Folge  durch  sachdeiik^nde  Mtoner 
der  Begrif  des.  Weltalls  und  der  Gottheit  erweif 
tert  ward ,  verfezte  man  die  ewigen  Mächte  auf 
die  äufserfte^  um  die  Planet^nkreife  ÜQh  drebet^il^ 


Htmmelsff^re^  Die  Diditer  MeA  mit  einigeB 
Natarlehrem  betiartete»  bei  der  fiD<i}icb^  Vor^ 
fietliiDg  eines  von  Bei^eden  gelitigeiieB  Hioh 
melsfBewölbe»»  vuid  liefseo  die  Götter  auf  der 
Hdhe  defTelben ,  über  def  Mitte  des  Erdkveifes  ^  m 
verfcbieden«a.  PaUMften  wofa))eiK  Be^  Stalins 
(  Thfk  1 ,  197),  dafs  ich  nur  eins. sttf(|hre>  ver-i 
iammeln  fleh  die  G(itter  über  den  Hiosmelsfälen: 

Ho^h  im  iniferen  Por;  von  dürt  ift  gleicher  Etatßrnun» 
Morge»«  und  Abendbezirk ,   es  erflreckt  fitlL'iiii»r  dem 

ioUml  ' 

Mittag  Land  end  €evitfll>^ 

Diefen  neueren  Götterfiz  nannte  mati  min 
•wieder  mit  dem  Namen  des  Berges  Olympus: 
welcher  Name  eines  Theils  auch  woht  dem 
ganzen  Himmel  gegeben  wird. 

Dort  alfo  vom  Gipfel  des  Himoiels  (^Virg. 
Aen.  I,  225.;  IQ  9  1}  überibhaut  Juptiter,den 
Erdkreis  durch  die  mittlere  Qefnung  der  gedie<- 
genen  Vefte,  und  fendet  durch  eben  diefe  Pforte 
(^Georg.  3,  261)  den  Donner  herab;  fp  wie  bei 
Ovid  (Met  3,-3o6J  von  der erfaabenften  Hiäie» 
um  welehe  des  Himmels  Palfifte  fteiiB  .( Met. 
2f  175)*  ex  die  Erde  mit  Gewölk  umzieht, 
und  Donner  und  Bliz  fchleuderU 

Aufser  der  Oefnung  des  Gipfels  hatte  jenes 
auf  den;  Kaod  des  Erdkreifes  gene^tft  Himmels- 


ge>^6lbe  noch  ÄWii* Pforten:  eine  im  Often,  mro- 
ffurch  der  'Sonnengott  und  die  Nacht  mit  ihrem 
Gefolge  aus  dem 'Ocean  in  den  Himmel  aufftieii 
gfen;  und  eihe  im  Wöften,  um  wieder  in  den 
Ocean  unterzugWhn.  An  beidiii  erhot  fich  eine 
Sieige*  zum' Gewölbe  empor  für  die  himmlifchen 
Gdtter  und  Hi^roen. 

,.  Die  öftüche  Pforte  befcbrieb  Ibykus  C  Schot. 
j^polU  3,  1593  in  einem  üede  von  Ganymedes 
und  Tithonus,  die  wahrfcheinüch  auf  diefem 
Wege  in  den  Himmel  geraubt  wurden;  und  iiach 
feinem  Vorbilde  ApoUonius  (3»  159),  wo  Eros 
vom  himmlifchen  Olympos  nach  Kblchis  durch 
das.  nähere  Morgenthor  berabfteiget : 

AvTCcg  tTttra  vfvKxq  e|ifAt/5sy  OuAvfJt^oto 
AtB^ftuQ''^''Msv  ^8  xxraißdsTtc  est  x^\sV^$Q 
'  '•  0(/f ai/iif  *  ^ia  h  ToAot  •  eevex^^*  x«f if v« 

HcAio;  9FffUTViffty  tgBvytrett  ctkrtvMfvt, 

.    Jeao  ging  er  hittaiis  das  ädierifche  Thor  des  Olympof^ 
.    Dort   wo    hinabziifteigen   ein    Weg  vom    gewölbeccn 

Himmel 
Nieder  finkt:  zween  Pfeiler  erheben  (ich,  fpizige Häupter 
Hoch   aufragender    Berge,     des    Erdreichs    Gipfel^     wo 

fteigend 
"  'Helios  Glut  üch  ziyerft  mit  jougen  Sualen  dahjBrgielsc» ' 


SIEBBNtmDZMTANZlQSTBRBIU      I7| 

Der  weftlicbeo  Himmelspforte  nabe  den  Quellen 
des  Oceanus  gedenkt  Pindar  bei  Klemens  (ftrqjn. 
5P-6I3)- 

Mot^cti  woTt  KA^f^K«  rffiv^y.  ayf¥     ,,,  ^r\    ■''.■  >; 

OAviixH  Xiz-affuv  XÄ^*  iiov.  i    .  ,  .    ;,   ^j.        .v.,;.'; 

'    Bnft  haben  die'weJfe  himöiliCbh'e '¥SeÄ!^  ' 

Auf  goldenem  Rof&gefchirr  von  Oc^s^oj^-Ibrnen      ^^ 
Die  MÖren  zur  heiligen  Steige  geführt 
Auf  des  Olympos  firalenden  Pfad.    '       ^   " 

•'  ?     r.  '-  -O 

Und  nach  anderen  alten  Dichtern  faefingt  Quinttiii 
C149    223)9  wie   der   Geift  :des':Achilleu8  zutt 

dyfifchen  Flur  zurückkehre:      :    ^  ^^  - 

Ovf avu  cf  VTrecToto  xeirceißetetit  tevoioi  ^  ^f  . 

Schnell  zor  eiyfifchen  Flur  gelanget*  er,   wo  Ton  iki 

Himmelt  \ 

Hochgevolbetfcr  Veftp  der  Niedergaqg.uQdl  der  Aafgan| 
Ift  far  felige  Götter.  i  . 

Der  Verfaffer  eines  orfifchen  Fragments  '(  Gesnl 
6^  24)  nennt  beide  Thore  des  Himmels»  die  er. 
als  zwei  goldene  Stierhürner  des  zum  Naturgotfr 
umgebildeten  Zeus  vorftellt^ 


174    MVErRBKOGISCHBRWftrBFB   I.B« 

Norgea '  zu^leicK   «md    Abcnj,    ^le    W<^*    nrttiifclicr 


Durch  eine  dlefer  Worten ,  die  fnan  vsreder,  wi* 
Seneka  Qtp.  'lOg'),  mit  der  Oefhung  des  Gipfel^ 
noch  mit  dem  homerifcheft  Thore  ,z»a  Zeus 
Palafte  auf  dem  irdifchen  Ol3nmpus,  verwechfeln 
mufs,  ftieg^^n,  ^ch  die  Vergi^ttertea  (£aff-  l, 
18*  Ay^<#rf^.5io.)  zqm  himmllfaheo  Olympus» 

Jezo  find'  wir  .-am  Ziele.  Wie  Homers 
Götter  dem  geradeften  Wege,  wenn  er  die  be- 
fchwefKdtwriiSthrkte  durch  Luft  und  Aether  er- 
ÜBfrderter^.eLi^n JUmweg  über  die  dichten  Ge-* 
wäiTer  vorzogen:  aUb  vermiedeti  iie  nuo>  £cli 
ftracks  von  der  ätberifcben  Höhe  unter  der  Mitte 
des  öewÖlbes  H'eribÄufenken,  Eros  bei  Apollo- 
nius  wandelte  nach  Kolchis  aiifch  das  nähere 
Morgenthor;  und  der  rüftige  Götterbote  nahm 
Bsipb  Kar(;hago  den  bequemen  Uxnvi^g  durch  die 
nähere  Himmelspforte  am  Atlas:  von  wannen  er 
drauf  {ji^n*  4>,  .356)  sswifchen  Himmel  übd 
Erde  längs  dem  lybifchen  Geftade  Über  die  Flut 
nach  feiner  Beftimmung  eilte. .     . 

Den  nächften  Weg  nlmt  Merkur  auch  bei 
Statins  {Theb.  7^35)  nach  Thracien  durch  den 
Nordpol j  wo,    der  poetifchen  Freiheit  gemäß. 


SlEBBWtrNrD2WAW«iaSTBE!ßR.      17$ 

ebenfajfi  eine  Pforte  des  gewölbtea  Hlimnels  er^ 

dichtet  iM^kd:  '  ^ 

Dixerat;^lst  Thraaim  Cyttenim  urvn  ful^haU 
Atqnt  tUum  Mt&Qdt'  lajbentem  cardine  f&rtd  '•  ■  '  A 

.    Temfffiaf  atetfia  flaga,  pr^etentdquB  caio  ^ 

Affnina  mfHkwmh^  f firnißt  Ajuikuit  biatut    "        l  " 
Ip  diivprßt  ferunt:  ^e$at  ^urta .  ^andivf  »«ffaf 
Patta,  neC'Arcadii  bene  ftQUgit  umbfa,  gMetu 

Sprtclu;   tM  Cyttetiios    flieg   in   i^  Tbrackr  Flaveii 

henincüT»  -     : 

Aber :  Indern  ^er  Aea  Ai^fl  der  aördlid\en  Pforte  vo^ 

beiglitt;  ^  y^ 

Eviges  Ungeftüm  det  Bezirks,  nud  V7olkengetümuieU 
Um    dlcVtÄe    gefchaart,*  und    ^s   Aqnilo*  Itörmende 

ürfcraft,  '  ^  i 

Reiffca   ihn   abwärts   bin:    es  Htnkradit'  den  goldean 

.  Mittel 
SdUofiengeklkr»    und    wenig    beCchiizc    der   «rkadCJcd« 

Scurmhn«^  „     ... 

:    .  '•    :.  .LI 

XX  VIII.  : 

Olauben  Sie  ja  nicht  das  GefchwK^  von  anftänr 
digerer  Wagenfabrt  der  Unfterblichen.  Anftltn- 
digkeit  ift  ein  unftSter  Begrlf,  der  von  den  Sitten 
der  Zeit  abhängt.  Homers  edeifter  Held  oder. 
Gott  wandelte  mit  Anftand »  fbgar  barfafs ;  und 
1vean  efy  ohne  durch  Befchw«cden  des  Weges 


176  MY^i«^i-omacHHWrBÄiii:r»-r.B.. 

ufkd  der  htstt  geaQ^tget  zu:  f4H&».' Solen  ainlegt«^^ 
fo  zeigtte  er  fich  fchon  in  feftlicher  Pfj^hyt. 

Wie  ^r  Homer  fein  rüftiges*  Herocpge- 
fchlecht,  felbft  den  fchndlfüfaigen  Achillens, 
alfo  läfst  er  wich  feine,,  aus  veredelter  Menfch- 
lichkeit  ö^höbeJien  Götter  manchmal  in  Wägen 
fahren.  "Warum*  das?  Weil  entweder  ein  fthr 
weiter  oder  gefahrvolle^  Weg  bievorfteht',  ^  oder 
damil:  fie  in  vorzUglicber.  FeierlichlBeit  örfcltei* 
nen.  Wir  wollen  die  Hauptftellen  unferes 
Dtöhters,  qüi  HÜ  Politur -inepte,  nach  einaitder 
durcbgehn. 

^..  Zeus,  .der  Herfcher  der  W^lt,  in  feifier 
Herlichkeit,  lenkt.  C^'«  8»  4'  )  zum  Berg  Ida  die 
ficzhufigen  RoiTe^  raCehes  Flugä^  'yo&^Goldn:^h<. 
nen  umwallt,  ä^ifchen  Erde  und  Himmel 
Iflriher.  Eben  dahih  (11.  11',  183),  aufglefthe 
Art,  wie  fich  Von'  felbft  verfteht,  und  mit  dem 
Bliz  in  der  Hand  wiedergekehrt,  fragt  er 
(IL  14,  298)  ferne  gefchniückt  nahende  Gemah- 
lin ,  wen  fie  beftidifen  wolf^ ,  und  warum  fie 
nicht  fahre.  „Es  >yar  alfo  gewöhnlich,  d3fs,a?<j 
öötterfürftinV  Wie  ihr  Gemahl,.'  jede  nur  etwas 
entfernte  Reife,  zuinal  wenns.  ein  ßefuch  war, 
im  Wagen  machte. 

l  Die  trügUche  fJere,  die,  unbemeirkt  zu  feiO| 
mit  dem.Sch|afgotti^zuBui5  apkam»  wendet  voi:: 


-ACHtUNDZWANTZIGSTBR  BR.  *  175? 

&e  gehe  an  die  Grenzen  der  Erde,  den  Vattr 
Ökeanös  zu  fchaan;  und  ihr  Gefpann  ftehe  unteu 
am  Ida,  fie  jsu  tragen  durch  feftes  Land  und- 
Gewäffen  Dafe  an  eine  fo  weite  Fufsreife  nicht 
zu  denken  war,  beweift  folgendes;  Obgleich 
derGöttergefandte  Hermes  fonft  alle  Wege,  auch 
nach  des  Todtenreichs  Eingange  am  weftljcben 
Ende  der  Erdfeheibe,  fowohl  in  der  Odyffee 
(24,  10%  als  in  dem  Hymnus  an  Demeter 
(v.  340)»  zu  Fufse  macht;  fo  mnfsdoch  (v.375), 
lim  die  entführte  Perfefoneia  mit  Hermes  zurück«, 
zufenden,  Aides  feine  unfterblichen  Rolle  vor* 
den  goldene^  Wagen  fpannen.  Auf  Wagen  auch 
fahren  die  olympifchen  Götter  den  \veiten  Weg 
zu  den  Aethiopen  am  Oftrande  der  Erde' 
(IL  I,  4^3;  23,  flo6.  Odyir.  I,  22):  welches 
Homer  als  bekannt  aus  älteren  Volksliedern  vor^ 
ausfezt,  und  nur  (Odyff,  5,  282  und  380)  bei 
Pofeidons  Rückkehr  über  der  Solymer  Berge  t) 


*)  Den  Herrn  Heyne,  der  von  öftfrcfaen  Aethiopen  AichtT. 
vc^ufste,  befremdete  jetaie  Rückkehr  über  die  pifidirchO 
Bergkette  des  Tsarus.  Er  verwandelte  alfo  bei  Virgils 
Aeneis*(7,  a86)  die  Solyiner  in  Elymer^  über  deren 
Berg  Eryx  in  Skllien  ihm  Poreidon  v«ft  den  fudlichen 
Aethiopen  natürlicher  heinizukehr«n,  und  den  fch^ifFen- 
den  Odyileus'  vor  Scherte  bequemer  xu  fehcn  fchien. 
In  Homerj  Kyklopenlande  fchon  JBlyi^er  und  ein  EryxJ 
.    Zvrar  nahm  er  felbft  (^Comment.  Cou*  1779  p*  144) 

M 


178  'MYTHOI-OGI SCHER  BÄIEFK^  I.  B. 

nach  Aegä  beiläufig  anzeigt  Auch  Udiog 
(Ä  Cer.  89)  und  feine  Vorläuferin  Eos  (Oclyfl: 
33»  ^43)  vollenden  in  einem  bequemen  Fuhr- 
Xtrerke  die  weite  Laufbahn  des  Himmels;  und  ich 
begreife  nicht»  warum  an  der  lezten  Stelle,  der 
fahrenden  Eos  gegenüber,  die  Nachtglittin  des 
Wagens  ermangeln  foU,  'welchen  der  Scho* 
liaft  des  Apollonius  (3,  lipo)  für  neuer  als 
Homer  ausgeben  will.  Den  Sonnen  wagen  er« 
Uärt  Zeus  bei  Eratoftfaenes  ieatafi»  13)  und 
Hyginus  iPo^t.  afir.  a,  13)  fUr  das  ältefte 
Führwerk  der  Götter, 

Da  fchoü  einen  weiteren  Weg,  um  nicht  zu 
ermüden,  die  Ünfterblichen  lieber  im  Wagen^ 
machten;  wie,  viel  mehr  ieinen  gefahrvollen, 
^o  Wunden  und  Flucht  droheten?  In  die 
Schlacht  alfo  Vor  Ilios  fährt  Ares  (IL  5,  363 
15»  1^9)  mitrafchetoGeii}ann,  weil  er  (15,  117) 
den  rSchetideh  Stfal  des  Donnerers  zu  erwarten 
liat  Zwar  nicht  felbft  genieik  er  des  Wagens- 
das  erftemal;  doch  hat  er  den  Troft,  fdnege« 
liebte  Afrodite ,  die  matt  von  der  fchmerzenden 


feine  Aenderung  znrtfck ,  veil  fie  für  Homer  ta  viel 
acnminis  enthttlte.  Qleichvohl .  fpukeii  diefe  uohome» 
Hfchen  Elymer  tiocb  in  der  neueften  Ausgabe  Virgilf, 
und  in  den  göningifchcn  Jngeadiibiuigeii  .über  Humers 
Chorografie«  • 


\ 


ACRTUNDZWANZIGSTER  Bit.       I79 

Wunde  ihn  anfleht,  zum  OI)mipos  beimfahrea 
zu  lafTen.  Jenem  zu  widerfteho,  kommen 
(IL  5,  76g)  auch  Here  und  Athene  in  einem 
fiebernden  RoflegefchirT :  welches  fie  (II.  8f 
382}  aus  Furcht  vor  Zeus  noch  einmal,  aber' 
umfonft,  verfuchen.  Ja  Pofeidon  (D.  13,  23), 
wie  eifrig  er  in  die  troifcfae  Schlacht  verlangt, 
macht  von  der  thracifchen  Samos  nach  feinem 
Wagen  in  Aegä  fbgar  einen  beträchtlichen 
Umweg,  Warum  wohl  anders,  als,  wie  Didy- 
mus  bemerkt,  zum  Kampfe  gegen  Zeus,  wenn 
diefer  ihm  wehren  möchte?  Welchen  kühnen 
Entfcblufs  er  (II.  15,  211)  nur  mit  unwilligem 
Herren  aufgiebt  Sobald  aber  Zeus  (IL  20,  32) 
die  Theiinahme  an  der  Schlacht  gebilliget  bat, 
gehn  die  beiderfeitigen  Schuzgötter  zu  Fufs  Obec 
das  Meer  in  das  Schlachtfeld  vor  lUoc , 

In  fpäterer  Zeit  freilich ,  da  den  Vornehmen 
eine  Fufsreife  entweder  zu  befchwerlich  oder  zu 
onwürdig  fehlen ,  brauchten  auch  die  Götter  za 
manchem  Wege,  den  fie  bei  Homer  ohne 
Umftände  abgingen,  ein  ftattliches  Fuhrwerk, 
mit  Rolfen,  oder  geheiligten  Vögeln  befpannt. 
ZumBeifpiel:  den  Apollon  und  Pofeidon,  nachdem 
fie  im  Dienfte  Laomedont  die  AJauer  um  Perga« 
mos  erbaut,  Isfst  Pindar  (OK  89  62)  in  Rofs- 
wagen,  jenen  nach  J^i^ykia  und  anderen  Erbiäa« 


igQ     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    I.  B. 

dem,    diefen  nach  der  korinthifchen  Landenge, 
•zurückfahren. 

Es  läfst  fkh  erachten ,  dafs  das  Fuhrwerk  der 
Götter  nicht  weniger,  fondern  wo  möglich  noch 
mehr,  als  ihr  Gang^  in  ftUrmifcher  Eile  dahin-' 
äiege:  indem  die  unfterbiich^  Rofle  den  wun- 
derbaren Sprung  entweder  von  Höhe  zu  Höhe 
und  über  die  Me^rfläche  hinweg  mit  Leichtigkeit 
befchleunigen ,  oder,  ohne  Anfaz  anf  Land  und 
Gewäffer,  über  die  dickere  Wolkenluft  fortfchwin- 
gen ,  und  das  Wagengefchirr  durch  hef äftifche 
Kunfl:  auch  auf  der  zarteften  Unterlage  die  fchwe- 
ben(ien  Räder  nachrollt« 

Betrachten  Sie  nur,  wie  mit  kaum  denkbarer 
Gefchwindigkeit  (IL  5,  768)  Hereund  Athene, 
dem  verderblichen  Ares  zu  fteuern,  vom  Olyop- 
pos  über  das  Meer  in  die  Schlacht  vor  Troja 
fahren: 

'O^^OV    yiftfOBtitQ    «Vlff    litV    0^^»Af*0t9tVf 

'HlA$vo9  cv  «'K0«r/9},  Aivcgttv  siri  oivöfra  Wqvtw' 

Treibend  fchwang  de  die  Geifsel,   und  rafch  hinflogen 

v^  di^  Roffe, 

Zwirchen  der  Erd*  einher  and  dem' fteraumleachteten 
Himmel. 


ACHTUNDZWANZiaSTBR  Bit,      Igl 

Weit  wie  die  dankelnde  Fern'  ein  Mann  dnrcbfpäht 
mit  den  Angen« 

Sizend   auf  hoher   MTart*,    in    das   finftere    Meer  hin- 

fchauend : 

So  weit  heben  im  Sprung  (ich  der  Götijnnen  fchal> 
'  lende  Rofle. 

<<  Welch  ein  Kaum!,»  fagt  Lei&ng  im  Anbange 
zum  Laokoon  (S,  3*4).  "Und  diefer  Raum  ift 
<<nur  ein  Sprung!  Und  ift  nur  die  Elle  des  ganzen 
** Weges;  an  deiTen  Ende  die  Göttinnen  (cboti 
'* gleich  in  der  folgenden  Zeile  find.».  Eine  ver- 
üändigere  Bewunderung,  als  Longins  (9)9  der 
das  Fortfchnellen  der  RofTe  mit  der  Entfernung 
des  Himmels  gemeflen  glaubt,  und  den  lächer- , 
liehen  Ausruf  hinzufügt :  "Zwei  fokher  Säace 
"  nach  einander  9  und  die  Raffe  find  aus  der  Welt 
"gefprungen!,,, 

In  gleich  hinreifsendem  Schwünge  fehn  wir  , 
den  Pofeidon  (IL  13 ,  27%  nachdem  er  in  Aegä 
die  erzhufigen  Roffe  von  ftürmendem  Flug  und 
goldenen  Mähnen  vof  den  Wagen  gefchirrt,  über 
die  Meerflut  nach  Trojans  Gefilde  jagen : 

Bv  d*cA«4ty  §irt  KVfMT* '  «r«AAc  ^i  tnjTg*  vw'  avr»i 

Th^09w\i  $6  ^aeKX9ff*  iu^aro'  rot  y  tyrsrovro 
l^tfepa  fiAK*  9  ud'  VTrtvif^t  heet¥Br9  Xfi^JauoQ  «S«v. 

M3 


lt%    MTTHOLoaiSCHKK  BRIEFS  I.  B« 

teiikte  (hii»  über  die  Fbt:  die  Ungebeuer  des  Abgraiids 
Hü^ea  umher  tns  den  Klttften»  den  mäcbtigcu  Her» 

fefaer  erkennend]^ 
Freudig  ihm  trennte  des  Meere»  Ge^roge  fich»  nnd  tiri^ 

/  '    •  •  g«flügel* 

Xihen  fie,  ohne  daß  nnten  die  eherne  Axe  genest  ward^ 
Hin  au   AcbaiVi   Schiffen  enttmgf»   im   8pcni^   iha 

die  Roflk 

Und  fhrmt  wfr  nur  nicht,  durch  die  (päteren  Meeiv. . 
jroiTe  Pofeidons  verftihrt,  jeneo  Lauf  über  da» 
Meer  für  die  emzige  Tugend  6er  pofetdomfcben 
'RoSt  halten.  Auch  über  die  höcbftea  Berggipfel 
Jbiaveg  fezten  die  felbigett  Rofie  (Odyfll  g^ 
380)»  «US  Aetbiopia  zurUckkehjretid:  f)>  daft 
Pofi^idon  von  der  Solymer  Bergeo  in  Pifidiei^ 
zwar  auf  dem  fiacheo  Erdkreife,  doch  jeaielt 
des  gebirgtgeß  GriecbeiilandSt  den  icfaiffeodea 
Odyfleus  nahe  vor  Sciieria  erblicken  konnte. 

Ohne  An(az  auf  Land  oder  Wafier»  bIo(a  auf 
die  trübere  Luft  (i«iff)»  die  im  homerifchen 
Himmel  bis  zur  Wotkenh(^he  unter  dem  feinen 
Aetber  ficb  ausbreitet»  ihre  (chwebeoden  Hufe 
drückend »  entfliegen  die  Sonnenroße  im  Hymnus 
an  Demeter  (v.  88)»  nachdem  die  Göttinnen  fich 
vor  fie  gefteUt»  nnd  den  Helios  befragt 
haben: 


ACHTUN02WAN2IGSTE1I BH.      Ig) 

Sprachs»  Bnd  rief  dien  ^ofTen  ErmattteruDg  ^  jene  ge». 

horchend 
Trugen  das  ra&he  6e(chirr»  wt  brei^efliigekc  VÖgeL 

Indeß  kofteten  die  Luftfchritte»  wie  fchon  im 
vorigen  bemerkt  worden»  den  RoiTen  fbwohl^^als 
den  Göttern,  mehr  Anftret^ui^  der  (chnellen- 
den  Behendigkeit,  aTs  der  Gang  anf.dem  fefteren 
Waflfer,  der  wohl  auch  ferblididn  Reffe»  ver* 
liehn  ward.  Zum  Bewei(e  dient  das  trefliehe 
(jemählde  aus  dem  ielbige»  Hymnus»  wo 
(v.  377)  auf  Aides  Wagen  Perfefoneia  mit 
Hermes  zu  ihrer  Mutter  heimkehret  ^ 

Jene  betrat  das  Gefch^rr;  nnd  dec  tapfere  ArgovNrnfget 
l^thttk  ihr,  Seil'  and  Geiisel  in  feinen. HMnden  ergreifend, 
Lenkt"^  aus  dem  Hof  des  Pataftes;   und  nicht  unonUig 

entflohn  fie«. 
Hafch  oDermeisUche  V:ege  \olibrachten  fift  weder  dia 

Meerflut» 
Koc)^  der  Ströme  Ge^scog*,.    anck  nicht  ThaDurammm 

^oll  Grafesj,  '^ 

Hentnuea  den  Stnnn«  noch  felfige.Höhn/  der  onftertir*. 

Kchen  Roffe; 
Kein  aoch  Sber  die  Hfihn  darckfctauttea  ^  lemiend 

die  Dw]iUof& 

M4' 


J84    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   I.  B. 

Völlig  im  Geifte  des  Alterthuns  befchreibt 
auch.  QuintHs  (gt  044),  wie  Ares  vom  Olym- 
pos  herab  nach  Troja  du^ch  die  raufcbende  Luft 
fein  Gefpann  feuerfchnaubender  Rofle  lenkt: 


VT9W$  ^*atoXo^  «i^nf 


E?  Tffotifv'  VTO  $*  ata  ^ty*  fKrvTf,  Bt^Trs^toiviv 


". '. r«^ c$  errchotl  der  beveglicfae  Aetber 

.  Unter  jdem  Sprung  der  zum  Kampf  hineilenden :  fchnell 

nun  in  Troja 
Kam    er;    und   laut  aufdröhnte   der   Erdgrund,    unter 
.  ,*  •  der  Roffe 

Grannvoll  ««sandelndem  Tritt. 

Dafs  felbft  nach  der  fpäteren  Beflügelung  die 
Götterrofle  fowohl  als  die  Götter  mit  Schritten 
die  Luft  und  die  Gewäffer  durcheilten,  bedarf 
kium  einer  Erinnerung.  Mit  fegaßfchem  Schritt 
alfojäfst  SeneKa  XTroas  383)  die  Zeit  alles 
wegraffen.  Bei  du  Choul  über  die  Religion  der 
alten  Römer  (p.  99)  findet  fich  ein  gefchnittener 
Stein  und  eine  Münze  des  M.  Agrippä,  wo 
Neptuns  Wagen  zwei  fpringende  LandrolTe  mit 
fichtbarem  Huf  über  die  Meörfläche  ziehn. 

^     Jene    Natur   blieb    auch   anderen    Tbieren^ 
welche  die  fpätere  Fabel  den  Götterwagen  vor* 


ACHTUN«>£\yANZmSTSRBIt.      tgS 

fpenate ,  z.  B.  den  .Pardeln  des'  D^qnyfos  bei 
Nonnus  33,.  125: 

Aber  der  Gott  darchlcnkte  die  ^aUongen,    ichembar 

befchiifeiijcl 
Miü  landfahrendem  '\^agen  die  Fiat ;  und  der  wandeln* 

den  Pardel  , 

Ungefeachtete  Klane  bezeichnete  kaum  den  Hydaspes. 

Eben  (6  fährt  Diana  bei  Klaudian  (24,  285)  von 
den  Alpen  über  das  Meer,  auf  ihrem  Wagen, 
init  fchneeweifeen  und  goldgehörneten  Hirfchen 
befpannt,«  indefs  unfterbüche  S/ToloiTe  beUend 
durch  die  Wolken  fie  begleiten« 


XXIX. 

Unfer  Erftaunen,  meinen  Sie,  über  die  gewal- 
tigen Luftfprtitige  der  Göttcrrofle  vor  den  frei 
nachrollenderi  Wagen  würde  herzlicher  fein, 
wenn  der  geheime  Zweifel  der  Sinne  an  der 
Möglichkeit  durch  irgehd  ein  erklärendes  Wun- 
dermittel wäre  befriedigt  worden.  Diö  Götter 
,Mbß:  JDedUrf^n  tragender  Schwnngfolen;  und 
ihpe  Wagen  «md  fiofie  fchweben  för  fich  ohne 
magtfcbe  Erkicbterufig^ 

M5 


186     MYtHOLOCilseHER  BRIfiPE  t.  B. 

Waöpotn  gleich  ohne?  Die  Erleichterung  war 
ans  älteren  Volksfagen  und  GeflKngen  bekannt^ 
da(s  Homer»  wie  bei  hundert  anderen  Dingen, 
die  nur  uns  Schwierigkeit  machen»  der  ausdrück- 
lichen Anzeige  Überhoben  fein  konnte^  Ver* 
lorene  Andeutungen  Indefs  glaube  ic^  an  den 
Wagen  fowohl  als  an  den  Reffen  zu  erkennen. 

Die  fcbwebe.ndei^  GötterWagen  waren ,  wie 
ihre  Schwnngfoieu,  ^ein  Kunftwerk  von  Hefäftos, 
dena  Bildner  alles  himmliichen  Wundergerfiths, 
felbft  der  fpäteren  Götterflügel.  .  Denn  von  wea& 
anders  der  Wagen  der  Here>  deffen  Ausrüftung 
U.  5,  722  befchrieben  wird?  .  ^ 

Hebe  fiigt^  um  den  ^agea  ahbsld  die  germuieten^Rlkler, 
Elieriie»  inU  acht  Spekhea,  nmhcr  aa  ^ir  efaerae  Axc« 
Qold  ift  Uui€a  der  Kranz »  onaltcriMtei  2  abec  aadier  find 


KBVmrNDXVTANXIGSTSIt  BR*      lg? 

Sbeme   Schiest»  S«ltgc»   attpsftnde»    Vandcr   dem 

Anblidu  • 

&itb«f»  glütueeo  diV  Nabm  ki  (chömiiiilaafeiMier  RmMbng«      ' 
Dattill  in  goldenen  Ktcmcn  und  filbcrnen  üchwebn  dct 

Seflel 
Aosg^^amit»  «nd  ■nitiage  tmt  »rccti  aoilaBfirarlea 

Rändern. 
Vornhin  ftrtckt  an»  Siftcr  dtc  Ddcbfet  ficK:  aber  am  Endn 
;0and  fie  das  goMene  Joch»  dte  prangende^  dem  fie  die 

Seite 
Schäm  vmä  gpidito  nmfeb>Mig>    In  dat  JoA  mm  fägete 

Hers 
thr  filnttUfaliig  G^aon»  md  brannte  nack  Sntii  nai 

GctosmcK 

EußatbiQs  macht  vns  avfnierkßm  >  dafs  fcein  Hobs 
an  dfem  Wage»  fei»  weü  alles  gOtÜicbe  aus 
danrendem  Stoffe  fein  milile:  daher  aach  ohne 
Hotz  Hef d[ftoa  die  olympilchen  Wohnangeii  ge- 
baut babe. 

Wer  Veifir  aber  nicht»  Ms  die  Werke  dei 
HefMfto9  wie  von  lebend^em  Geifte  befeelt 
waren?  Erinn^rft  Sie  ficb  der  Dreifüße  (II. 
389  37^)»  ^^  ^^  ^^^^  Rädern  von  felbft  van^ 
detteo;  der  febönea  goMeneir  jBDgfraim(v.  417), 
die,  Terftündig  in  Rede  uad  Kanftarbeit»  ihren 
hiidLenden  Herrn  unCerfitlaten ;  der  ron  felbft 
blaienden  Bälge  (n  470),  und  der  be^acheOi.. 
den  Hnnde  ans  Gold  und  Silber  vor  Alkinoos 


l88     MYTHOLOdlSCHER  BRmPlS   I.  B. 

Palafte.  Sogar  in  die  metallene  Rüftung  ides 
Achilleus  hatte  Hefäftos  etwas  von  der  Schwung- 
kraft der  tragenden  Solen  gelegt,  IL  19,  3g6: 

Tif  i*tVT9  vrriffet  ytvtr*  f  eettfft  it  Totfitv«  A«»v. 

Und  wie  Flügel  ihm  war  üe^  und  hob  den  Hirten  der 

Völker. 

Ihm  auch  verdankte  ApoUon  den  Pfeil,  wel- 
chen bei  Qumtus  (3,  86),  nachdem  er  Achil- 
leus  verwundet,  die  Lüfte  2mrücktrugen ;  nicht 
weniger  den,  der.  aus  dem  Hyperboreerlande 
mit  Früchten  der  Demeter  durch  die  Luft  zurück- 
'  kam  (^Eratoßh.  29);  und  jenen  goldenen,  wor« 
^^f  der  luftwahdelnde  Hyperboreer  Abaris 
{Porphyr»  &  ^ambl.  vit.  Pjfth.),  über  Meere 
und  Ströme  und  alles  unwegfame  erhoben ,  den 
ganzen  Erdkreis  durchflog«  Durch  feine  Kunft 
lebte  zur  Argonautenzeit* in  Kreta  der  eherne 
KiefeTalos  (^Apoüäd.  1,9,  26),  mit  einer  ein- 
zigen wohlvernieteten  Blutader  voll  Icbor,  und 
umwandelte  dreimal  des  Tags  die  Infet,  deren 
Hut  ihm  vertraut  worden.  Auch  in  Zeus  kreti- 
fcben  Hain  {Seh.  Oiyff.  19,  518)  fe^te.  er  einen 
lebendigen  Hund  aus  Gold*  Auch  das  goldene 
Scbif ,  von  einigen  ein  Becher  oder  Becken  ge- 
nannt ,  worin  Helios  aus  dem  Abendbezirk  zum 
.Aufgange  über  den  Qceanjtis  mit  wunderbarer 
.Gefchwindigkeit  zurückfchifte,  war  nach  Mim- 


NEUNUNDZWANZIGSTSR  BR,      l89 

nermus  und  anderen  (^  Athen.  II  f  6)  von  He- 
fäftos  gefchafTen,  und,  wie  der  bildliche  Aus« 
druck  fagty  beflügelt  worden.  Denn  wahre 
Flügel,  was  foUten  die  einem  Schiffe?  Ein 
geflügeltes  Schiff  vToirJeeoQ  y««c,  ift  bei  Pindar 
(O/.  9  9  36)  ein  fchnellfahrendes ,  von  der 
Schnelle  der  Roder  und  Segel,  die  beide  bekannt- 
lich Ftügel^  des  Sehifs  hei&en.  Jenes  dem  Hera.. 
Ues  einmal  verliehene  Fahrzeug  wird  von  an^ 
deren  (^Euft.  ad  Dumyf*  558)  ein  ehernes  Beckea 
genannt:  woraus  zu  erfehen  ift,  da(s  den  he- 
fäfttfchen  Metallarbeiten  überhaupt  magifche 
Leichtigkeit  beiwohnete. 

Einem  fo  erfindfamen  Werkmeifter  darf  man, 
fchon  die  Erfchaffung  fliegender  Göttergefchirre 
zutrauen,  deren  Räder,  hinter  den  unermefsli«- 
chen  Sprüngen  der  dämonifchen  Roffe,  über 
WaiTer  und  Luft  hinrollten;  gleidh  dem  Wagen 
der  Cherubim,  wovon  Hefekiel  (10,  17)  fegt: 
''Wenn  die  Cherubim  ftanden,  fo  ftanden  die; 
''Räder  auch;  erhüben  fie  iich,  fo  erhüben  fleh 
"diefe  auch:  denn  es  war  ein  lebendiger  Wind 
"in  ihnen.,,  Dergleichen  hefäftifche  Götter- 
wagen von  lebender  Schwungkraft  find  beft^dig 
gemeint,  wenn  die  folgenden  Dichter,  wie 
Pindar  (O/.  i,  66.  140;  8,  67.  Pyth.  9,  9)  und 
Sappho(fii  Ven.  8)>  von  golienenWetgen&agisa. 


190    MVtHOLoGISCHfiR  BRIEFS   I.B. 

Die  Roflfe  der  Üöfterblichen  netmt  Homer 
(tl.  8>  4n  13»  03)  trzßßige  und  rafckflk- 
gBndtt  %aAk«9r0l^  /rr«»  «mvirtr«:  mit  irelchefl 
awei  BeiwiJrtem  er,  der  fo  voll  vom  Lobe  der 
Kriegsrofle  ift»  niemals  ein  anderes  Rofs  ehret. 
Die  geheim  anwandelnde  Erinnys  wird  von  So- 
fokles  (^EUSr.  491)  %«a<0*-8«»  ^i^  trzflißigef  ' 
genannt,  nach  des  Scfaollaften  firklärnng,  wegen 
des  ftarken  und  unermüdlichen  Herannahns  ge^ 
gen  die  Mörder:  wovon  die  Erinnyeti  ihm  an* 
derswo  (^jf.  85a)  r«yi«rolf«,  fwßfchwmgmdtf 
Iteifsen*  Noch  wareiü  in  der  alten  Fabel  die  trz* 
fiißigen  und  aus  ehernem  Rachen  feuerhauchen- 
den Stiere  des  kolchifchen  Königes  Aeetes  be» 
rühmt  iApvU,  4^  030.  Apoflod.  i,  9,  23),  ein 
Geichenk  des  Heffiftos,  zum  Danke,  weil  des 
Aeetes  Vater  Helios  ihn,  der  mittt  vom  Gigan« 
tenkampFe  War ,  auf  feinen  Wagen  genommen 
hatte.  Auch  Pindar  {Pyth.  4,  4021)  giebt  ihnen 
XctAxieti  ^TAac»  iheme  Hufe;  und  der  Scboliai): 
bezeugt,  dafs  Antimachus  in  der  Lyde  fi©/ 
^murgjiicrcviy  voH  Hifüft^s  gebildete 9  und  So« 
fokles  eherne  Rinder^  genannt  habe»  Endlich 
wird  die  goldh(;)rnige  Hir&hkuh,  die  Heraktes 
bei  Pindar  (Ot  3,' 5a)  bis  ins  Land  der  Hyper* 
boreer  verfolgt,  von  Virgil  (ii#»..6,  80a > 
Oirifts  genaimt^ 


l7£irNUN|IZWANZlOST£R  BR.      XQl 

Nicht  2a  gewagt,  denke  ich,  darf  die  Ver- 
mutimg  fcheinen,  dafs  Hefäftoa,  der  den  Gang 
der  Göttter  durch  goldene  Solen  erleichterte^, 
auch  der  göttlichen  Roffe  natürliche  Leichtigkeit 
durch  einen  ehernen  ßefchlag  der  Hufe  zu  uner- 
müdeten  SprUngeh  auf  Waffler  und  Dunftluft 
erhöht  habe* 

Wie  grofe  aber  fchon  die  ao^ebbbrene  Behen- 
digkeit der  rafchfUegenden  Götterroffe  gewefcn 
fei,  zeigen  die  halbgöttlichen,  die  Boreas  als 
Rofs  mit  den  Stuten  des  Erichthonios  erzeugte, 
IL  20,  fia6: 

AI  yhtt  ß6)f  entert^i^ß  twi^tt^^f^v  «f«<^«v, 
A>tfi¥  99*  uv^iftümf  n»fT9¥  ^mw,   nie  lUErnOMr'* 

Dicfc,  fo  oft  fit  fprtngen  auf  nahrntiglproflen^er  Br<!e, 
Ueber  dte  Spixen  dts  HaliDt  hinfiogen  fit,  ohn*  lim  tu 

knicken ; 
Aber  fo  oft  üe  fpftngen  auf  vefttni  Rficken  tks  Mecret, 
Liefen    fic    über    die   Wogen  >    nur    kaum    die    Hufe 

beaetend. 

Weder,  langfamer  noch  fchwerfSlliger  dürfen  wie. 
die  iinfterbUche  Rofle  Xanthos  und  Balios  uqS; 
verftellen ,  tlie  Pofeidon  dem  Peleus  am  Hochzeit^ 
fefte  gefchenkt  XÄwry.  Rtuf;  187.  Bephaß.  ,6^; 


1.92     MYTHOLOGISCHER  BRIEf'E   1.  B. 

Apollod,  3»  13,  5)»  und  Peleus  mit  dem  AchiU 
leas  in  den  troifchen  Krieg  gefandt  batte^ 
IL  16»  149: 


rm  uiiot  Tvotißfi  vrtrea^tiv' 


BovKOittvii  ÄttiMivi  wotfx  foov  XlitexvOlO. 

die  rafch  hinflogvn  ^ie  V^iiide : 


Diefe  gebahr  dem  Zefyros  einft  die  Harpye  Podarge, 
Weidend  auf  grfiner  Ad  an  OkeauO»  ftröitienden  ^alTero: 

Indefs  fo  windfcbnell  fie  flogen,  lief  doch  mit 
ihnen  ein  fterbliches  Nebenrofs.  Ein  Beweis, 
dafs  fie  entweder  von  Natur,,  oder  wahrfchein- 
lieber,  weil  ihnen  der  erleichternde  Erzbefchlag 
des  Hefäftos  mangelte,  den  .  iaftwandelnden 
GötterrofTen  nachftanden.  Habe  .auch  Homer  die 
Sage  des  Quintus  (3,  758)  fcboa  gekannt >  dafs 
fie,  als  Meerwandlpr  (8,  156),  nach  Achilleus 
Tode  d^n  Neoptolemos  über  das  Meer  nach 
Elyfion  getragen.  Denn  auf  dem  Wafler  zu  gehn, 
forderte  weniger  Leichtigkeit ,  als  LuftfprÜQgQ^ 

Die  geringere  Tugend  auf  dem  Wafler  zu 
gehnbefafsen,  nach  des  älteren  Philoftrats  (fVon, 
I,  17)  und  des  jüngeren  (^icdn.  t^)  Zeogn'ifle, 
auch  die  Rolfe  des  lydifbhen  Pelops,  die  ihöi  fein 
Liebhaber  Pofeidon  gefchenkt  tiatte*,  um  den 
vHbdfchnellen  Rofiüen  des  elifchen  Kerniges  Oeno^ 


.    NEUNÜNDZWANZIGSTER  BR.      19| 

maus  den  Sieg ,  deffen  Preis  Hippodameia  war, 
abzugewinnen.  In  der  alten  Volksfage,  wie 
Pherecydes  beim  Scholiaften  des  Sofokles 
(£/.  507),  Pindar  (O/.  i,  140),  und  Euripideg 
C^r.  989)  ße  nacherzählen ,  heifsen  üe  geflügelte. 
Diefer  blo(s  bildliche  Ausdruck  für  ungewöhn« 
liehe  Leichtigkeit,  wofür  ihn  Pindars  Scholiaften 
und  PaWfatos  (30)  mit  Recht  erklären,  war  auf 
dem  Kaften  des  Cypfelus  CPauß  5  f.  320)  durch 
angefügte  Fittige  bezeichnet  worden.  Denn 
hätte  der  Dichter  oder  der  Meifseler  wahre 
Fijtige  gemeint,  wie  unglaublich  war  die 
Vorftellung,  dafs  Oenomaus  fo  offenbar  über- 
legene Roffe  zum  Wettlaufe  iiefs?  Auch 
war^n  fie  ficher,  von  ihren  Zeitgenoffen  nicht 
mlsverftanden  zu  werden*  Bei  Theognis  (  v.  55 1 ) 
finden  wir  gewöhnliche  Kriegsroffe  rcevvrrtfvyeQ^ 
breitgeflügelte  oAev  flügelfchwingende*),  genannt; 
und  Theopomp ,  aus  welchem  Homers  SchoHaft 
(II.  i>  38)  die  Erzählung  vom  Pelops  anführt, 
überfezte  das  poetifche  Bild  in  die  gemeine 
Redensart:  novalonoi  i»jr«c  «1«/*«5"hc»  Pofeidotu 
unermüdlicki  Rojfi. 


♦)  Sylburg  bemerkt  die  Lesart  /srflroic  T«vt/9r7ffvtfir<, 
4im  ferfefibwingmden  Rojfen:  die  jedoch  einen  bei 
clem  veralteten  ßilde  ßazeiideu  Aeaderer  za  bekenne» 
fcheiilt.   ^ 

N 


194     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   I.  B. 

Der  Rednec  Hitti^rius,  der  ehenfals  ((7r#  i,  6} 
dem  Pelops  nur  tneerwandelDde  Rofle  verleiht^ 
fügt  aus  verlorenen  Dichtern  die  Fabel  hinzu: 
Pofeidon  habe  zu  feiner  Vermähhing  mit  der 
Hippodameia  den  Chor,  der  Nereiden  ver&mmelt, 
und  ihm  am  Geftade  die  Brautkammer  gebaut, 
aus  Meerwogen,  die  in  purpurner  Bräune  auf- 
fleigend  fich  über  das  Lager  hlnkriinmiteiu 


XXX. 

War  es  fcbon  göttlichen  Roffen ,  ja  halbgöttü* 
eben,  ein  geringes,  auf  dem  Waffer  mit  unge- 
nezten  Hufen  einherzufliegen ;  wie  wollen  wir 
uns  Zeus  denken,  da  er  in.  Stierbildung  die 
Europa  entfiihrte?  Natürlich  wohl ,  dafs  er  mit 
ätherifcher  Leichtigkeit  die  Wogen  eigentlicher 
durchwaodelte  f  als  durchfchwamm^ 

So  nahm  ihn  Nonnus  aus  alten  Gedichten  und 
Kunftwerken  in  feine  Dionyiiaka  (i,  53) 
hinüber: 


hstffußsvßjio  $•  ruvffs 


DREISSIGSTER  BRIEF.  Y95 


-  «Icf  rifch  darchretmendeii  Stieret 

Scbwimmeiider  Haf  beprigte  der  Meerbaha  leifct  Ge< 

wäfler 
Hk  fjitiftichoiieiidca  Sparen;    «Sie  Jong^aa   über  iea 

Abgrund, 
Heftig  erichfitcert  von  Aogft ,  fi:hifi;'  hin  auf  dem  SJckeo 

4€i  Stieres»* 
Unverruckt«  nngcnezet» 


Und  (8»  25Q): 


tr»BoßAiiT9to  If  rffvfif 


AßfOX^i  »xforaroto  h*  viaros  trftx*  X^^n* 

■  dei  voHuft^hmachtenden  Sdeitt 

Ungefeäcbteter  Huf  lief  hin  auf  d^r  Fläche  des  M^afleri. 

Diefe  an  gemeiDen  Stieren  ungewöhnliche 
Erfcheinnng  wars  eben,  wi^  im  Gemäblde 
dem  Anakreon  (35,  5)  einen  verileckten  Zeo« 
andeutete: 

Er  dringt  durch  weite  Meerflnt» 
Mit  den  Klann  die  Wqge  fpaltend. 

Eben  daher  auch  huei  Mofchus   (a,    136)  dee 
Ansruf  der  erftaunten  Europa: 

H  f»  TIC  i€9t  5foc ;   Tf  ^iotc  miri9Mtora  fff^ri« ; 
Ov5'  «AiOf  iiA^nti  nx9  xl^8V0Qf  urt  ri  ravfüi 
By  Koyrf  mx^tt'  W9  it  X^ow  xmi  nur»  froyrn 

Na 


10    MYTHOLodtSCHER  BRIEFE   I.  B. 

Bift  cla  ein  Gott?  Waram  angöttliche  Thsiten  verübet? 
Kle  doch  vagen  Deifin'  auf  dem  Land«  vo,    nimmer 

auch  Stiere 
IJeber  die  Flmen  zu  gehn ;   da  aber  auf  Land  and  anf 

Meerflut 
'  Stiiraift  ungenezt  einher;  und  es  find  dir  die  Klaaen  wie 
•  Ruder. 

penn  fo  grofs  war  ihre  Verwunderung,  den 
Stier ,  wie  ein  göttliches  Wefen ,  ungenezt  mit 
kaum  eingetauchten  Klauen  durch  die  Meerwüfte 
iich  fortfchwingen  zu  fehn;  dafs  de  ein  noch 
grö'fseres  Wunder  der  Göttlichkeit  erwartete, 
den  Flug  durch  die  Luft: 

Ü  r«%«  Kon  7Aa(/xffc  vtts^  nisiOQ  v^oq  asi^iiQ 

Bald  vielleicht  auch  über  die  bläuliche  Luft  dich  erhebend» 
Wirft  du  mir  hoch  auffliegen,  wie  rafchgeflügelte  Vögel! 

Auch  auf  einem  gefchnittenen  Steint, 
welchen  Leffing  im  Anhange  zum  Laokoon 
(S.  362)  bei  Maffei  n.  5.  Tab.  XIX  bemerkt, 
läfst  der  Künftler  den  Stier  nicht  fchwimmen, 
fondem  auf  der  Fläche  des  Waffers,  wie  auf  dem 
Eife,  laufen.  -'So  fchön  diefes  Bild,  „  urtheilt 
der  fcharf finnige  Mann,  "i;i  der  Poefieift,  wo 
^  man .  fich  die  äufserfte  Gefchwfndigkeit  dazu 
"denken  kann;  fo  anftöfsig  ift  es  auf  einem 
"Kunftwerk«,  weil  der  Begrif,  den  die  materi- 


bRElSSlGSTAR  BRIBF.  I97 

^'elle  Knnft  von  der  Gefch\<rmdigkeit  geben  kann, 
<<nur  fehr  fchwach,  die  Schwere  des  Stiers  dage- 
**gen  zu  fichtlich  ift. ,, 

Vielleicht  möchte  der  Kiinftler  mit  der  her^ 
fchenden  Vorftellung  vom  leichten  Gange  ätheri« 
fcher  Wefen,  die  dem  Auge  zu  Hülfe  kam,  fich 
entfcbuldigen  laiTen.  Vielleicht  konnte  er  fogar 
rechtmäTsig  erwarten,  dafs  das  Auge  von  felbü: 
aus  der  Leichtigkeit  des  Waffers  die  Leichtigkeit 
des  wandelnden  Götterftiers  abniefien  würde.  Ift 
denn  ein  Fuhrwerk  auf  tragendem  Gewölk  weni- 
ger anftöfsig?  Und  doch  ift  Lefling  diefem  Mah- 
^erbehelf ,  übernatürliche  Leichtigkeit  anzudeuten^ 
fo  wenig  abgeneigt ,  dafs  er  ihn  felbft  empfiehlt. 

Sie  kennen  Denkmale  der  Kunft  genug»,  wo 
auch  Pofeidons  RoiTe»  ohne  Flügel  fowohl,  als 
ohne  Flofsfittige  und  Fifchfchwänze »  welche  die 
fpäteren  Bildner  als  Erhebungsmifetel  einführten» 
über  die  Meerwogen  mi(f  ungefunkenem  Hufe 
hinwegrennen.  Auch  die  Nereiden  wagten  fije 
manchqial  frei  auf  Wafier  zu  ftellen  ( Caliißr. 
icon.  14);  und  fogar  der  Widder  mit  goldenem 
Viiefs  erfcheint  in  dem  herkulanifchen  Gemähide 
CTom.  3«  tab.  4)  fo  leicht»  dafs  er  ungenezt 
dber  den  Hellespont  hinläuft. 


N3 


J98    MYTHOLOGISCHER  BRIEPE   X.B« 

XXXI. 

VJanz  richtig.  Jede  andere  Erleichtenrag  dt$ 
göttlichen  Wagengeipanns  ift  mir  gut  genug,  nur 
durchaus  keine  Flügel.  Und  das  zwar  des  geriiw 
gen  Umftands  wegen,  weil  Homer  geflügelte 
Götterrofle  to  wenig  kennt,  9is  geflügelte^ 
.Cfottheiten., 

Ob  ich  d^nn  alles  entflügeln  woHe?  fragen 
Sie,  Auch  die  Erzeuger  dämonifcber  Rofljs ,  die 
Harpyen  und  die  Winde?  Auch  den  Pegafus? 

Wenn  es  Entflügelung  ift,,  noch  keine  Be» 
flfigelung  wahrzunehmen;  fo  denke  ich  Ja« 
Wir  wollen  zuerft  die  Harpym  darauf  anfehn. 

Die  unfterblichen  RofTe  des  Achilleus,  ^ 
rafch  hinflogen  wie  IVinde  (II.  i6,  149),  er- 
zeugte der  Gott  Zefyros  mit  der  Harpye  Po- 
darge,  oder  Schnellfufs,.  als  fie  auf  einer  Wiefe 
am  Weltftrom  Okeanos  weidete.  Aus  dem  bild- 
lichen Fluge,  womit  nur  die  UbematSrlicbe 
Behendigkeit  über  Staub  und  Halmfpizen  und 
Gewäfler  fich  binwegzufchwingen  gemeint  fein, 
kann,  werden  Sie  nimmermehr  eine  wahre  Be« 
flügelung,  weder  der  Rofle  felbft,  noch  ihrer 
Erzeuger,  folgern.  Eher  noch,  wenn  fie  Lufl: 
haben ,  werden  Sie  Homers  Winde  und  Harpyen 
fich  als  RoiTe  vorftellen  'dürfen. 


EINUNDDREISSIGSTER  BR.        I99 

Euftatbius  will  zwar  die  Harpye  Podai^^e 
allein  9  weil  fie  weidete  und  Füllen  gebahr  9  als 
ein  gefieigeltes  Götterwefen  von  Ro&geftalt» 
ähnlich  dem  Pegafus,  betrachtet  wiffen;  *) 
^ie  anderen  Harpyen  hingegen,  die  Hefiodiiä 
AelloundOkypete»  Sfcormund-RafchfLug,  nennt^ 
Aveil  ile  bei  Homef  Menfchen  wegraffen»  möchte 
«r  lieber  f (ir  gefTügelte  Unholdinnen  mit  Händen 
«nfehn.  Aber  Homers  Hdrpyen  und  weder  ge- 
flügelt, noch  zwiefacher  Art;  fondem  alle  drei 
feindfel^e  Göttinnen  von  Menfchengeftalt. 

Bine   Göttin  in   menfchlicher   Bildung,    za 
einem  Gotte  geCelit,  hittte  Füllen  gebohren? 

Warum  nicht?   In   dem  älteren  Volkslied^, 
woraus  Homer  die  Fabd.  als  bekannt  nur  obenhin 

^  Herr  Heynt  bai  Atn.  3.  Exe.  7  iu  der  neaeften  Auf- 
gabe fprichc  dem  Eoftathius  nach ,.  Podarge  fei  ein 
thierifchet.  Uageheirer ,  obite  fleh  weder  um  cfte  Geftalt 
der  übrigen  Harpyen ,  noch  um  d?e  Fttigel  und  andere 
Vervattdltnigen  der  fpäteren   Fabel    z»   bekumuiemw 

•  ZogUicb,  den  Auflegern  bei  Geor^.  9 '^73  ^oJgenii, 
mifcht  er  die  lange  nachher  gefabelte  ^indempfängnb 
in  LuEtanieu  als  VeranlafTuiig  jener  homeriTchcn  Fabel 
ein;  und^  verheiftt,  dtefcn  verwirrten  Entwurf  mfe?- 
»em  Kommentar  zum  Apollonias  Rhodius  (der  fchwetr- 
Mch.  erfcheiuen  wkd  )  vireitiänftiger  auszuführeu*  Seiu 
Nachrprecher  Herm^ua  (1  S*.  400).  wiederholt  das 
alles  •  und  veriicbert  nun  dreift :  Hmtcrs  Harpycn  find 
leß^letU  rftrtft.  v 

N4 


dOO    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  I«  B« 

anführt,  muffen  dieütnftSnde  üflgefähr. alfo" ge- 
lautet haben.  .Die  fchönlockige  Harpye  Poidarge^ 
die  mit  ihren  Schweftem  am  Weftgeft'ade  d«s 
Okeanos  wohnte,  ward  von  dem  benachbarten 
Zefyros  geliebt.  Auf  einer  blumigen  Wief« 
überrafcht,  verwandelte  iie  fich ,  der  Gewaltßim- 
keit  zu  eptgehn ,  in  eine  weidende  Stute.  Aber 
der  lüfterne  Gott  nahm  die  Geftalt  eines  Hengftes, 
und  erzeugte  zwei  Füllen,  die  von  ihm,  als 
einem  Windbeherfcher ,  und  von  der  Mutter, 
einer  Sturmgöttin ,  übernatürliche  Schnelligkeit 
ererbten.. 

Aus  einer  anderen  Liebesgefchichte  empfing 
Podarge  die  Roffe  Flogios  und  Harpagos,  welche, 
wie  Stefichorus  beim  Etymologen  und  Suidas 
unter  K«\xcefOQ  meldet ,  Hermes  den  Dioskucen 
gab.  Imgleichen  gebahr  bei  Nonnus  {^Dionyf. 
37,  155}  die  lithonifche  oder  thrakifche  Harpye 
Aellopos  dem  Boreas  den  Hengft  Xanthos  und 
die  Stute  Podarkes  welches  Gefpann  Boreas  dem 
Erechtheus  für  die  geraubte  Orithya  zum  Qe^ 
fchenke  gab.  Unter  gleicher  Verwandlung  über- 
fiel  einft  Pofeidon,  nach  der  alten  Fa^el  des 
Paufanias  (8»  f^  494)»  f^^h&,  die  Demeter:  die 
erft,  wie  aus  ApoUodor  (3,  6,  8)>  aus  Homers 
Scholiaften  (U.  23,  346)  und  PtoIemSus  He- 
fSftton  bei   Photius  (f«  245)  zu  fchliefsen  ÜV, 


;'    EINUNDDREISSIGSTER   BR.        dOl 

einer  Erinnys,  dann  einer  Stute  Geftalt  anneh* 
mend»    den   heroifchen    Gaul    Arion    empfing. 
Wiewohl  nach  anderen  bei  Euftathius  denArioa 
eine  Harpye  dem  Pofeidon,   oder  nach  Quintus 
Kalaber   (4,   570)  dem  Zefyros,   gebahr.     So 
ward  auch,   nach  Pherecydes  (Seh.   ApoU.  ^ 
3235),   die  Oceannymfe  Philyre  von  Kronos  in 
Pferdegeftalt  überwältiget;   fo  Ixions  Gemahlin 
vom  wiehernden  Zeus  (Nonn.  16,  240);  fo  die 
Stuten  des  Erichthonios  vomBoreas,  IL  20,  223; 
Ufird  aus  ähnlicher  Begattung  des  Boreas  mit  einer 
Erinnys,  fagt  Quintus  (8,  243)»  fei  des  Are^ 
ViergeQ>ann,   Aethon,    Flogios,    Konabos  und 
Fobos,  erzeugt  worden.    Wer  möchte  alle  diefe 
Gottheiten  darum,  weil  iie  einmal  in  angenom- 
mener Rofsgeftalt  Füllen  oder  Halbfüllen  erzeug« 
ten^  für  eigentliche  RofTe  ausgeben? 
I 
Bei  Homer  find  die  Harpyen  Göttinnen,  die 
naverfehns  Menfchen  aus  Geficht  und  Gehör  hin« 
wegraffen:    wie  ihnen  Telemachos  (Odyff.  i> 
d4i )  und  Eumäos.  ( 14,  371 )  des  OdyiTeus  Ent- 
führung Schuld  geben«    Penelope  im  Gebet  ap 
die  fchnelltödtende  Artemis  (Odyff.  20,  62-78) 
ftellt  fie  als  Gottheiten  reifsender  Sturmwinde 
vor,  die  nebft  den  Erinnyen  am  Oceanus  vor  deift 
Schlünde  des  Schattenreichs  wohnten: 

•  ■  * 
N5 


202    MYTHOLOGISCHER  BRIEPK  mI; 


H   ffsriir«  (i,* avat^»^oi9»  ^viKhH 


OtXOtTÜ    9f0^tfVffa    M»T*   fftfOtVTX    xtÄtuScCf 

£v  9rf 0x09c  ie  ß»ÄOi  a^fof^on   SlK9ätvoi9* 

■  ■■■  O  wenn  «acht,  empor  mich  raffend,  cia 

Starmv/ind 
Fern  hinweg  mich  cnttruge  durch  mitternächtliche  Pfade» 
Und  an  des  kreifenden  Stcoms  Okeanos  Ufer  mich  würfe  l 
So  wie  Pandareos  Töchter  vordem  aufhüben  die  Stiinne* 

Nemlich  die  Gottheiten  der  Stürme,  die  gleich 
darauf  Harpyen  genannt  werden : 

TSmi  ^*$h9»v  ftßyof^ti^  E^m9€tv  csi^iwo^ntt9. 

Hatten  indeü  die  Mädchen  hinveggeraabt  die  HjU'pyett» 
Und  fie  gefchenkt  den  verhafsten  Erinnyeu  Dienfte  211 

fröhuen. 

Ihre  Geftalt  Obergeht  Homer  ganz.  Er  hätte 
jle  wohl  mit  einem  Nebenzug  angedeutet ,  wenn 
fie  von  der  gewöbnlichea  Menfchengeftalt  der 
Götter  abwiche. 

Deutlicher  bezeugt  Hefiodus  ihre  menfcfa- 
liehe  y  fogar  fchöne  Bildung »  durch  die  ver* 
fchwifterte  Iris»  und  das  Beiwort  nüMHioiiy  fckanf^ 
/octig  (Theog.  ;j65); 


£2NUND011EISSIG5TER  BR.        !X0% 

Mwitfl/bi«c  5*AfTtn«c>^AfAAitf  t*,  AxvTtrvv  r«* 
A/  f *"  entfern  Tnoif^t  xxt  aimotf  aii*  mvrdr« 


^  Fiür  ptraxfovttif  wftnfcht  Herr  Heyne  furax^wmi^ 
Mher  ier  Erde:  vekhes  leichtere  Wort  jenem  fcfavie» 
figen  aach  im  ApolfonitM  einige  Vortforfcher,  nnä 
miezt  Brutto,  Yonnogen.  Bequem  Wt  v^enigftem  dh 
RegeU  Dky  verßebe  ich  nicht;  ober  ß  verßände  icbsf 
-man  lefe  fi.  &  fchemt,  ;tyoi««,  ?on  xf^%  idß 
vollende f  venn  wir  dem  Etymologikou  tr&mi  dürfen» 
Weute  VollendtiHg  der  Zeit  durch  die  Geßime^  Um' 
iokf,  nmtanfinder  Himmet:  wie  nhif,  mmudkf,  ßgna. 
£iu  ähnliches  Wmrt  ift  «fo«^»  BegrenMmg,  Zeit,  JghrT 
woven  fwf «f 0«  ,,  nemiiäbri%  ;  ^ttfoq  frir  .  ^ent^o^ 
jübrig,  fm;  und  fiersrngv^,  %n  den  Himmetszeicbem 
erhobt,  das  fe)btgei  vu  fterti^oitto^ ^  ^ie  fchon  dtt 
Btymotog  anmerkt.  Schade,  dafs^Snidas  von  diefen 
Verfen,  vorin  einem  Weibe  der  Lnftflug  verfaeifsen 
wird ,  uns  weder  Vtheber  aoch  Zufanmcnhang  übet« 
lieferte  ? 

T/c  ytt^  eftot  €99  fttff!^^  «T«fiac>  v  rt  iti»^n 
't^h  iTTCf  Torroia  fisretxiovttiv  jroT«ffc5Äf  j 

Welchen  würdigen  Lohn  mir  gewähreft  do ,  wemi 
ich  dich  lehre, 

Hochhin  aber  das  Meer  znr  Sternenbahn  dich  sn 
fchwingenf 


a04    MYTHOLOGISCHER /BRIEFE  I.  B. 

Thaamaf  erkohr  det  breiten  Okeanot  Tochter  Elekt^ft 
Sich  zum  V(^eib':    ihm  gebahr  fie  die  hurtige  Iris,  dtfr* 

auf  auch 
Schöngelockte  Harpyen,  Okypete,  famt  der  AtUo: 
Welche    der   ^ind'    Anhauch    und    himmlifche   Vögel 

erreichen, 
*    Kafch  mit  der  Fittige  Schwung;   denn  (ie  heben  (ick 

über  die  Luft  hin. 

Doch  alfo  geflflgelte  Harpyen,  wenn  gleich 
in  Menfchengeftalt!  Auch  das  nicht.  Des  Pelops 
Koffe,  denen  die  Fabel  nur  tibernatüriiche 
Schnelle  und  Leichtigkeit  zudachte,  hiefsen 
ja  auch  geflügelte,  und  wurden  mit  allegori- 
fchen  Fittigen  vom/  Bildner  und  vom  Dichter 
vorgeftellt;  z.  B.  beiPindar  (O/.  i,  139): 

Ihn  verherlicheiid  gab  der  Gott 

Einen  Wagen  von  Gold,  und  in  Fittigea 

Unermüdete  Rolfe. 

Können  nicht  eben  fo  aucb  hier  die  FUtigi  blo& 
bildlich  ftehn?  und  zeigt  nicht,  dafs  iie  es  müf- 
'fen,  der  erklärende  Zufaz:  denn  fie  heben  ftch 
durch  du  Luft?  Ein  Zufaz,  der  bei  eii^er  wah« 
ren  Beflügelung    albern  wäre.      Auch  meldet 


EINUNDDKEISSIGSTBR  BR«       ^Of 

Hefiodus  (^Sirab.7  f.  302),  dafi  Harpyen  den 
König  ^Fineus  in  das  Land  der  Milchefler  ent- 
führt, und  beim  Scholiaften  des  Apollonios 
(2,  178 iF),  wie  fie  feine  Mahlzeiten  beraubt 
haben:  aus  welcher  Erzählung  (2,  276)  der 
Ausdruck  n^  r«c  stvoac  ^rgexo^t  M  dU  fTindhauchi 
tiefen  ße,  mit  Luftfehritten  nemllch^  ange- 
führt wird. 

Noch  Theogni$,  d«  er  die  höchfte  Gefch win- 
digkeit mit  der  Eile  der  Harpyen  und  der  Borea- 
den vergleicht ,  giebt  beiden  nur  die  homerifchen , 
Luftfehritte  (v.  714): 

Kau  ^xtiuv  BogtBf  rm  a^ttf  itst  T$hf^ 

Ob  da  aach  hurtiger  warft,    wie  die  rufsgefchwindeji 
Harpyen, 
Oder  des  Boreas  Söhn',  dlead  mit  flüchtigein  Fofs. 

Gewifs  kein  günftiger  Umftand  für  die  Fittige, 
wenn  gleich,  wie  wir  bemerkt  haben,  der  Luft- 
fchritt  die  BeflUgelung  nicht  eben  oothwendig 
ausfchliefet. 

Völlig  entfchieden  wird  die  fpSte  BeflOgelung 
durch  das  Zeugnis  des  Aefch3rlns9  wo  (  Eum»  48) 
die  pythifche  Priefterin  vor  dem  Anblick  der  Ett- 
meniden  erfchrickt :  .       '  - 


306    MYTHOLOGISCHER  BRIEFS  I.  B« 

,  epy  avrt  Toffy9t9t€s¥  tt%»9m  rvitot^^ 

Avratf  ifuKxivmt  9*§i  to  wav  fiitAtncrfoim'm 

ITicht  Vciber,  nein  Gorgonen  nenn"  ich  fie. 

Aach  nicht  Gorgonen  gleicht  die  Misgeftaltt 

Die  fah  ich  einft  gemahlt  des  Finent  Koft 

Wegtragen;  aber  flägelbs  za  ichaan 

Sind  dler,  und  iHrgrarz,  zum  Ahtchen  graislich  ganz. 

für  gorgonifche  Harpyen  (detm  Harpyen,  nicht 
'  Gorgonen,  waren  des  Finens  Plage)  möchte  fie 
die  gräflichen  Weiber  anfehen,  wenn  de  nur, 
V^ie  jene^  geflQgeit  wSren.  Die  Flügel  der 
Harpyen  aber,  als  ob  nicht  jeder  fie  kennte, 
glaubt  üe  erft  durch  ein  gefehenes  Gemähide 
gleich&m  befchemigen  zu  müiTen« 

Durch  ein  (Semählde!  Mahler  demnacli  und 
Meifseler  waren  es,  welche,  wie  dem. Herme^ 
äem  Eros,  d6r  Nike,  der  Iris  und  anderen  Gott- 
heiten und  GötterroiTen  (5ria/.  Arißofh.  ov« 
572.  Panf.  5,  320-325),  auch  den  weiblichcÄ 
Dämonen  der  Wirbel  winde,  den  Harpyen, 
Fittige  als  ünobjüdjiche  Zeichen  der  Schnelligkeit 
«mrugten,  und  dadurch  wahre  Beflügelung  ver- 
afilafsten.  Und  zwar  gefcbah  folches  um  des 
Aefcbylus  Zeitalter. 


BINUNDDRElSSiCiSTBR  BR«        SO? 

Selbft  die  Eumeniden^  die  Aefcbylus  hier  und 
V.  250  noch  flügellos  d«rftellt,  die  aach  Sofokles 
(^Aj.  SS2^  9]s  fufsfckwingtnde^  tä^woJ««,  be- 
zeichnet, nennt  fchon  Euripides  (Onfl.  317) 
flilgtltragtnde  Läuferinnen ,  ^foiiaitt^  9TMfo^9fHu 
weil  de  auf  Flügeln  gehoben  durch  die  Lüfte  ein« 
herfchreiten;  und  v.  375  ruft  ihnen  Oreftes  zu: 


£|axf<^fr*  a<5ff« 


■  Empor  lom  Aeiher  fliegt 

Mit  Fittigen. 

t)er  Orfiker,  der  fie  mit  den  Mösen  vermifcht 
(j?.  6g),  giebt  ihnen  noch  Schlangenbaar,  wie 
znerft  Aefchylus  (^Pauf.  i  p.  5a),  und  Thier- 
Jiänte  zur  Kleidung;  und  Virgil  (^Atn.  5,  561) 
läikt  zifchende  Schlangen  ihre  Fittige  umringeln.' 

Auch  die  Gorgonen^  nut  deren  Namea 
Aefchylus  die  aus  fchönen  Jungfrauen  zu  gor« 
gonifchen  Unholdinnen  gewordenen  Harpyen  be- 
nennt ,  wie  Sofokles  Gorgaden  die  Haliaden  oder 
Meergöttinnen,  pnd  andere  {Hefych.)  Gorgidm 
die  Okeaniden  nannten:  auch  jene  Gorgonen 
läfst  Hefiodns  auf  dem  Schiide  des  Herakles 
V,  230  noch  ohne  Flügel  dem  Perfeus  durch  die 
Luft  nachwandeln.  Der  Bildner  drückte  auf  dem 
Kaften    des  Cypfelus  (^PüuJ^  s  f-  8«^)  ibJ"^ 


Sog     MVTHÖLOOISCHER  BRIEFE   I.  B. 

Schwebenden  Gang  durch  Fittige  aus;  und 
Aefchylus  im  Prometheus  (v.  797)  nennt  fie  ge* 
ßügtlte  drachenharige  Unhotdinnen;  denen  slU" 
iete(^Ap6tiod,^9  4»  2)  doch  grofse  Schweins- 
haoer  und  eherne  Hände  zufügten* 


XXXIL 

bo  w^it  alfo  wfiren  wir  eins.  Die  raffendea 
Harpyeni  die  den  älteften  Dichtern  in  fchöner 
weiblicher  Geftalt  ohne  Abzeichen  durch  die 
Lüfte  wandelten,  wurden  gegen  die  Zeit  des 
Aefchylus  hüfslich,  und,  wie  mehrere  Gottheiten, 
von  der  bildenden  Kunft  mit  Fittigeo  vorgeflellt* 

'  Wozu  denn  Äie  Frage:  In  welcher  Geftalt 
Paufanias  die  Harpyen  auf  dem  Throne  des  amy- 
kläifchen  Gottes  (3  p..  197),  und  auf  dem 
Kaften  des  Cypfelus  (5  p.  321 ) ,  vor  den  verfol- 
genden Boreaden  vom  Phineus  entfliehn  fahe? 
Als  luftwandelnde  Weiber  gewife;  ob  mit  finn- 
biidlichen  Flügeln  bereits,  ift  zweifelhaft ,  aber 
W^hrfcheinlich. 

Ah,  ich  merke!  Sie  freuen  fich  nur  des 
Herrn  Heyne,  dem  die  Geftalt  jener  Harpyen  fo 
lurenig  Unruhe  machte,  dafs  er  beim  Kaften  des 
Cypfelus  (S.  23)  ganz  davon  fchwieg,'  und  bei 


ZWSlUNDDRfilSSIGSTER  BR.      309 

dem  Throne  des  Amykläus  (Antiqu*  Auff.  i 
S.  54)  gelaffett  anmerkte:  "Diefe  beiden  Söhnö 
•*des  Boreas  müfsten  leicht  durch  ihre  Flügel 
"kenntlich  fein,  fo  wie  die  Harpyen  ihre  he* 
**flimmte  Geflalt  haben ,  die  aus  dem  Firgil  ben 
^^kannt  ifl.  Vergleiche  Exe,  VIL  ad  Aen.  IIL  „ 

Allerdings     eine    beneidenswürdige     Rahe, 

•womit  unfer  Mythenphilofoph  ein  Gewirr  um  fich 

her  fcheidet  und  anordnet.      In  jenem  Exkurs, 

•wie  er  für  die  neue  Ausgabe  durch,  eine   fechs- 

zehnjährige  FeUe  ihn  vollendet  hat,    erfcheint 

ihm  eine  der  Harpyen  als  ein  weidendes  roflege- 

bShrendes  .Ungeheuer  {adeoque  monflri  fimilis^ 

diSa  tarnen  dea^  ut  Echidna,  Typhon  &  alia}^ 

über  deren  Geftalt  er  fich  klüglich  nicht  weiter 

einläfst.    Und  hier  ift  gleichwohl  die  befiimmte 

Gefialt  der  Harpyen,  die  ihm  ganas  noth wendig 

der  alte  Bildner  gefchnizt  haben  mufs,  aus  dem 

Virgil  hinlänglicli  bekannt,  wo  fie  (  Aen*  3, 216 ) 

als  garftige  Halbvggei  fich  zeigen : 

Vir^inei  v^Uurum  vtkmf^  fitMßnut  ifenirh 
Ttohtviett  mwsqut  mannt  t  ^  falUia  femper 
Öra  fam. 

Jubgfrftan  haft  der  Vögel  Gc&cht>  fcheufelig  des  Bauthei 
Ekler  Ergu(s,  auch  die  Htttide  gekraUt^  und  von  Hunger 

das  Antlit 
Immer  gebleicht 

o 


aiO    MYTHOLOGISCHER  BRlsrfi  I.  bJ 

Wie  vertrug  fieh  feine  homerifche  Stute  mit- 
diefen  Halbvögeln?  Als  StHten,  meinteer  viel- 
leicht»  dachte  fich  die  Harpyen  das  graue  pelas- 
gifche  Alterthuni ,  deffen  Roft  noch  dem  guten 
Erzvater  Homer  anklebte.       Nachdem  aber  die' 
verfeinerten  Mufenkünfte  fchon  Grundi-egeln  vom' 
Schönen  und  Gefälligen  gefafst  hatten,  auf  welche 
Verfeinerung  Herr  Heyne  in  der  erften  Vorrede 
■  zum  Hermannifchen  Handbuch  uns  aufmerkfam 
macht,  jezt  wurden  die  Harpyen  zu  kralligen 
Halbvügeln  mit  ewigem  Hunger  und  unreinli- 
chem Ausflufs  umgebildet« 

Scharffichtiger  war  diesmal  der  Grammatiker 
Heraklit  {incred.  8),  der  die  Harpyen  in  der  alte-' 
ften  Fabel  des  Fineus  als  geflügelte  und  raube* 
rifche  IFeiber,  ein  Bild  verfchwendender  und  treu* " 
lofer  Buhlerinnen ,   betrachtete.     Scharffichtiger 
fogar     Martorelü,     deffen     Traumbuch,      DelV' 
antiche  Kolonie  venute  in  Napotif   Herr  Heyne  In 
dem  titelreichen  Exkurs,  Zwar  vornehm  herab-' 
blickend,   aber  doch   anführt*      ** Lhanno  poi 
"/»^e,  „/  fügt    er    S.    50    von    den    Harpyen, 
**moßruofiJftme  e  fporchi  volatilif  cotne  fi  defcri" 
'*  veno  anche  da  f^irgilio ;  qtiando  erano  ne*  ternpi 
*'eroici  DON  NE  BELLE,  e  percio  Efwdo  )e 
'*äice  nvKOfzüQt  ^d  aventi  alt  leggierißime ,  conte  i 
**venti,  i  quali  cosi  ß  fingono,  e  difrefca  eti^^f 


^WEIUNDDREISSIG^STER  BR,       ait 

Die  fcbCnen  JQgendlicfaen  Damen  hätte  Herr 
Heyne  für  das  heroifcbe  Zeitalter  nur  annehmen 
follen;  etwa  mit  der  Erinnerung,  dafs  u-  auf 
dem  Gemähide  des  Aefehylus  fich  fchon  der  ab« 
fch reckenden  Geftalt  der  Erinnyen  näherten,  und 
Fittige  trugen. 

Um  welche  Zeit  denn  bildete  man  die 
Harpyen  aus  jenen  häislich  gewordenen  und  ge-  , 
flügelten  Jungfraun  zu  fo  widerlichen  Raubvö- 
geln? Ich  dächte,  nicht  allzu  frühe  nach  Aefchy- 
lus,  der  noch  ihre  Beflügelung  fog^  zu  recht- 
fertigen fich  verbunden  achtete. 

Indefs  müfste  fchon  Sofokles.  die  Ausartung 
in  Vogelgeftalt  gekannt  haben ,  wenn  es  erwie« 
Ten  wäre,  dafs  der  leidende  Filoktet  (fr.  lopdi 
tf/*  1105)  alfo  jammere:. 

'EXufft  ft*!   Ou  yxf   iT*  t0x^*' 

Dafs  doch  zum  Aether  empor 

Die  Ploaden  dqrch  (charftönenden  Haach 

Mich  entraften!  Deon  nfcht  mehr  dald'  ichsl 

Ploaden,  eine  Benennung  der  fty mfalifchen  Vögd 
bei  ApoUonius  2,  1054^  (wo  TiAKihs  ein  Schreib- 
fehler oder  eine  ähnliche  Form  fein  kann)  und 
beim  Etymologen  unter  Sr»f<4)«A<}«c»  find  eigent« 

O  2 


ata     MYTHOLoaiSCHER  BRIEFE    I.  B» 

lieb  fckwimtnende  oder  SeevogeL  Brunk  arttieilt, 
auch  Äie  Harpyen,  als  fneerdurchflkgende  In  fei- 
bewohnerinnenr  könnten  wohl  ebea  fo  heifsen, 
uAd  rückt  feine  Verthutung  nA«Alf  c  dreift  in  den 
text. 

Eine  Verwechfelnng  der  Harpyen  mit  den 
Stf/mfaliden  hätte  nichts  anftöfsiges;  da  Aefchy- 
lus  fie,  wie  wir'gefehn,  mit  den  Gorgonen, 
Virgil  C^«»-  3»  250)  init  deö  Furien,  andere 
bei  Servius  (^Jen.  3,  033)  mit  den  weiflagenden 
Parcen>  und  die  Infchrift  der  Regula,  der  Ge- 
mahlin des  Herodes,  wo  v.  14  die  ffinnenden 
Harpyen i  *Agxvicei  xaw^äic»  vorkommen,  ebenfals 
init  den  fchick&lfpinnenden  Mören»  verwech« 
fein  durfte. 

Die  Stymfaliden  aber  waren  2war  in  der 
älteren  Fabel  fieifchfreffende  fpizgefchnäbelte 
Raubvögel  von  der  Gröise  eines  Kranichs  und 
Ibisgeftalt,  nur  dafs  der  Schnabel  ftärker  und 
ungekrümmt  war  {^Pauf.  8  p.  488);  nach  einigen 
miteifernen  Flügeln  {Timaget.  ap.  Seh.  Apoll.  2, 
1033)»  und  fpizige  Federn  als  Lanzen  auswer^ 
lend:  deren  verwüftenden  Sehwaprm  Herakles 
nach  Pifanders  Gedicht  (  Pauf,  8  p»  488)  mit  der 
Kbpper  aus  Stymfak)6  fcbeuchte,  nach  Pherecy- 
des  und  Hellanikus  {Sch.  Apott.  %i  1056)  zu« 


ZW£IUNDDREISSIG5TER  BR.       ai} 

gleich  umbrachte  ♦).  ,Nach  diefer  VorfteHong 
fah  fie  Paufanias  in  dem  Tempel  der  ftymfalifirfaen 
Artemis  unter  der  Decke ,  und  Cuper  (  Apoth» 
f.  a6i)  auf  einem  alten  Marmor,  auch  Winkel- 
mann  {Mon.  ined.  i-  f.  85)  auf  mehreren  Kunft- 
werken,  aber  mit  gekrUmmmten  Schnäbeln ,  auf 
einem  mit  der  Beifchrift  r^u^o/,  Sperlinge  oder 
Strauße,  Allein  von  Mnafeas  im  alexandrini- 
fchen  Zeitalter,  welchen  der  Scholiaft  des  ApoL- 
lonius  anfuhrt,,  wurden  fie  als  Weiber  gefabelt; 
und  wenn  gleich  gegen  den  Denar  des  valerifoheo 
Haufes,  wo  em  Vogel  mit  gehelmtem  Weiber- 
haupt, einem  Schild  zur  Linken,  und  einer 
Lanze,  von  mehreren  Gelehrten  und  Spanheim 
(«ffiifi,  ant.$i  4)  für  eine  Stymfalide  gehalten 
wird,  Cuper  (p.  ^63)  bedeutende  Einwürfe 
hat;  fo  dürften  doch  wohl  die  Jungfraun  mit 
VogelfUfsen,  die  Paufanias  (8  p.  489)  an  der 
Hinterfeite  des  ftymfalifchen  Tempels  wahrnahm, 
für  Stymfaliden  der  fpäteren  Vorftellung  gelten. 
Hätte  demnach  Sofokles  bereits  (und  warum 
foUte  er  nicht?  )  die  Stymfaliden  halb  Jungfra« 
halb  Vogel  gekannt;  und  hätte  er  dann,  wie 
Brunk  wünfchet,  ihren  gewählteren  Namen 
Ploaden  den  Harpyen  beigelegt:  unfehlbar  müftte 

^}  Dtefes  Fragment  von  Pherecydes  und  Hellauikus  habe 
ich  iu  den  Stnrztfchen  Saminlnugen  vergebens  gefacht. 

03 


AI4    MYTHOLOaiSCHER  BRIEFE    I«  B. 

er  auch  die  Harpyen  fich  fchon  als  Halb v5gel 
gedacht  haben. 

Hätte  er!  Aber  hat  er  denn?  Schenke  niaa 
auch  jene  erbettelte  Doppelgeftalt  der  Sty mfaliden  ; 
wodurch  wird  es  nur  wahrfcheinlich ,  dafs  fchon 
Sofokles  fie  alfp  fich  vorgeftellt?  wodurch  nur 
wahrfcheinlich,  dafs  er  nach  ihnen  die  Harpyen, 
mit  jenem  fogar  dann  noch  übel  gewäblten 
Kamen,  Schwimmvögel ,  die  in  den  Aether 
emporraffen,  genannt  habe?  Der  Schatten  des 
Sofokles  würde  über  Brunks  Aenderung  zürnen 
oder  lächeln;  ungeachtet  Herr  Heyne  bei  Apof- 
lodori^  9,  21  ihr  Beifall  nickt,  und  vom  SeJ- 
nigen  die  Aenderung  siust  i^e,  ße  mägen  mich 
vertreiben,  hinzufügt.  Man  denke  doch:  Filok- 
tet  foll  wünfchen,  dafs  Schwimmvvget  ihn,  den 
hinkendeii,  von  der  Infel  vMrnben!  Mit  folcher 
Befonnenheit  pflegt  Herr  Heyne  die  Alten  zsi 
handhaben« 

Die  gemeine  Lesart  war  ehedem  nr«««^^ 
•|vT»v0i »  fcharftänendi  Sckuchtern^  Diefes  von 
fTTussM  abfl:ammende  Wort  erkennen  Barües  und 
WefTelii^  in  Homers  neuntem  Epigramm,  wrtiuaiH 
mi^vtM,  fchüchterne  Tauchvägel:  die  Emefti  ohne 
Notb  in  9rxtütt$tQt  Schwimmende  f  verwandeln  will« 
Andere  Ausgaben  lafen  oj^rey»  het  9n»iw^Toc,  we;l- 
ches  ein  SchoUafl  wieder ,   mÜ  heuern  Gefchrei, 


verfteht;  da  beffer,  durch  heBJihwirrende  oder 
faufendg  Luft,  feio  möchte.  Hierüber  non 
•meld^»  unlere  aus  alten  Auslegern  zufanunenge- 
•ftoppelten   ScboUen   folgendes:    ^Man  fchreib€ 

^^9Frume^€Q f,  rgaret^g^f  TTU^aä^g,.  S^of^ifi:    die  HaiV 

•*'pyen,  mit  Beioana'en  bezeichnet  ^  wegen  des 
^ß'tramflärzenSf  oder  wegen,  der  Stimmi. 
**  Schreibt  man  aber  yrrax^^^^y  fo  fiöds  die  immiir 
^*^himgrigen^  gleichCun  bettelnden^  ^ 

Wer  fieht  nicht,  dafs  die  Worte  verlchrieben 
find?  Die  Harpyen  Collen  durch  ihr  Heranftürzea 
und  durch  ihr  Gefchrei  bee^eichnet  werden.  Das 
GeCch^el  glaubte  man  ih  eji^«*«/,  oder  m  eft/rw« 
iix  jrvjt/fWBToCf  ZU  finden..  In  welchen  Woctea 
fand  man  den  Sturz?  Gewiis  fagte  der  Ausleger, 
wovon  uns  der  verdorbene  Lappe»  erhaltea 
ward,  ungefähr  difefösi  "Man  fchreibt  nicht  nur 

^^TUKCthif    fönd^m    ÜLÜCh    VTHraii^    oder  wr^atii^ 

"welches  beides  fö  viel  ift  als  ^gofzahg ,  oder  (wit 
«ein  anderer  erWSrt)  Kurxtyt^Q,  flürzgnde^  mit 
««LuftfchritteD  rennende,  herabfiürmendd  Har^. 
**  pyen.  Schreibt  man  jedoch  «rr«%a9fic »  fo  finds 
**die  immer  hungrigen.  ,^  Wir  hätten  alfo  die 
'Wahl  zwifchen  ^marct^t^  oiet  nrrnetliq^  Abkömm- 
Kngen  von  tftmtoq^  geßärzt,  öder^rrwwv,  jtürzenz 
'Bach  der  Form  /^««v«^,  ^vot^tg,  ^otrx^s^,  ^^ofutUof 
^Qgßah^i   voiMhg,  Und  Vieler  anderen«     Ich  fik 

04 


3l6     MYTHOLOQISCH£R  BRIEFB   LB. 

mein  Theil. möchte  ^raa^ec  vorziehn,  mit  weU 
ehern  in  wt^i^sq.  verdorbenen  oder  vielmehr,  wie 
rofr«^»«  ond  rofyiJe«,  verwandelten  Worte  Hefy- 
chins  auch  heranflürzende  Nymfen  bezeichnet 
fand;  wie  fie  im  orfifcben  Hymnus  (50,  5) 
M9fo(poiTot  s  ^g^futhc »  ix^sft '  xtf^Mf  f  tuftwandehide 
Lauferinnen  von  leichtem  Fußtritt  ^  genannt 
Verden, 

Filoktets  Klage  lautete  demnach  alfo:  . 

TlraiM^tC  o^vTQVH  hx  9rvc9f««rac 
*£AAi0-i  lA*  I  Ov  yxf  fr  *  iff%«  l 

Dafs  dogh  zum  Aether  empor 

HerftünBende  Mächte  durch  fcharfes  Getön  der  Luft 

Mich  entrafteo  l  Dean  nicht  mehr  duld*  ichs ! 

Und  dieie  herftürzenden  Harpyen,  wie  dachte 
iie  Sofokles?  Ohne  Zweifel,  wie  alle  Vorgän- 
ger» in  'weiblicher  Geftalt;  wahrfcheinlich  — 
horchen  Sie  l  —  fogar  flügellos» 

Denn  ich  weil&>  au(ser  der  Sfinx»  die  ein 
Seheuial  war,  kein  ein;dges  BcaQüe],  wo  Sofo- 
kles die  Neuerung  der  mablerifcben  Götterfittige 
aufnahm;  und  ich  hin  febr  geneigt  za  glauben» 
4a(k  ihm  jener  Nothbehelf  der  bildenden  Kunft^ 
weil  er  die  fchäne  Menfchengeftalt  durch  tbie-» 
xlicben  Zufaz  entehre,  der  edleren  Poefie  na« 
v&rdig  ge&bienen  habe. 


;    DRKIUNDBREiSSKSSTBIt  BR,       9I7 

XXXIII. 

Xröften  Sie  fich,  0  Bekilmmcrter?  Kaum  ein 
Menfchenaker  nach  Sofokles;  und  ich  zeig^ 
Ihnen  die  Harpyen  in  ihrer  ganzen  Unförmlich- 
keit,  wie  Virgil  fie  fand, 

Arifl-ofanes  bereits  (nub.  336)  fcheinet  dio 
Harpyen  als  hochfliegende,  von  Unrath  triefende, 
geklaute  Raubv^el  zu  beseeichnen«  Er  lacht 
der  Dithyrambiker,  welche  in  feltiamen  Worten 
4en  fchnellen  Herfturz  der  Wolken  befangen: 

Mit*  msfiHCt   d<9f««t  V^H'i'^  «miv««  «ifovirXfffC« 

Und  des  hnnderthaoptigen  Tyfos  Gelock,  and  die  grimm« 
vollblafenden  Störme, 

Aack  hoch  in  4er  Luft,  nafstrxe&ndi  geklaat,  die  laft- 
dnrchfchwimmen^en  VögeL 

Der  wirbelnde  Stofewind  Tyfos,  womit  wir  uns 
nSchftens  bekannt  machen  wollen,  und  die 
grimmigen  Stürme,  laifen  natürlicher  an  die 
klauben  Harpyen  denken,  als  an  vogelifhnUche 
Wolken,  die  dem  Schoiiaften  einfallen«  Entfchei- 
dender  ift  folgendes« 

Der  Komiker  Anaxilas,  ein  jüngerer  Zeit* 
geiioli  4es  Plato,  in  einem  langen  Fragmente  der 

O5 


-Äig     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  I.  B. 

Neottis  bei  Athenäus  (13,  i  p.  558),  wo  er 
feine  Galle'  über  die  Buhlerinnen  ergiefst,  ver- 
gleicht die  arnien  Dinner  mit  den  ungeheuerfteu 
Misgeftalten  der  urfprünglichcn  fowohl ,.  als  der 
entarteten  Fabel;  und  zulezt,  als  ob  er  allen 
Unholden  die  Krone ^aüffezen  wollte,  mit  den 
,gefl&gilUn  Harfym*  Sie  müiTen  ihn  felhfl: 
hören : 

H  Xa^vßhi ,   if  T^H^acyoQ  SxvAA«  Tovrm  kuuv, 
^ty^9   *^^f^9    Aieiiv\  ^ Zxi^v» »    xriivet    it*  'AgTvtmf 

£/C  UTSgßoÄfiv  ec^tttTttt  TH  xftr«Trt;r»  yevHCy 

Mag  die   uBgehetuile  Drachin»   mag  Chimärcns  Flam^ 

menhaach. 
Mag  C^arybdisji  oder  Skylla  mit  dreifachem  Meerhtwds^ 

haupt, 
Löwin»    Hyder»    Sfinx,    Echidna,    felbib   geich^ihgter 

Harpyen  Schwärm, 

Zar  ScKeufeligkeit  (Ich  hieben  jci^er  fpeieoswerthen  Bra^^ 

> 
Eine  erlefene  Gcfellfchaft  von  Unthieren  und 
Doppelgeftaken»  deren  würdig  zu  fein,  die 
Harpyen  wohl  nicht  blofs  als  geflügelte  Jung- 
frauen y  fogadern  als  verbildete  Halbvögel  *  er- 
fcheinen  müiTen. 

Dies  fordert  nicht  ff&filff^i^ allein^  die  fchon 
bei  Hellodufi  {^Theog.  298)  oben  eine  fchönw«^* 


gtge  Nymfe ,  n&terwSrts  eine  lang  aosroUesSe 
gefprenkelte  Schlange  war;  und  welcher  ähnlich 
auch  eine  fcythifcbe  Echidna  zur  Zeit  HerodotB 
(4>  S^)  von  den  pontifchen  Griechen  gefabelt 
ward» 

Dies    fordert  «och  SkyJUtf    üe   /elbft  rihe 
neuere  Misgeftalt.     Nach  Homers  Fabel  (Oiifffi 
12  y  73)  war  fie  eine  fecbshauptige  Dracbin  in 
einer  Felshöhle  an  der  thrinakifchen  MeereDge, 
vom  Geheul  der  anrchlagenden  Flut  Skyüa  oder 
Hündin  genannt,  eine  Tochter  der  Kratäis,  ohne 
Namen  des  Vaters.   Mk  halbem  Leibe  verborgen, 
ftreckte  iie  aus  der  hohen   Kluft  des   fpiztgen 
Felfens  zwölf  Vorderf Üfse  nnd  fechs  lange  Hälfe 
hervor,  mk  welchen  fie  Seediiere  fifchte,  und 
dem    vorbeifcbiffenden  Odjrfleos  fecfas  Männer 
zagletch  entrafte.       Hefiodns,    ohne«   wie   es 
fcheint,   ihre  Geftalt  zu  verändern  iStrab.  i, 
f  •  ^3) ,    nannte  fie  Tochter  des  Forbas  und  der 
Hekate  (^Sck.  ApeB.  4,  82S);    Akufilaus  mit 
den  meiften,  Tochter  des  Forkys  und  der  Hekajtet 
die  auch  Kratäis  heiße.     Anderer  Ableitungen 
nicht  zu  gedenken,   noch  ihrer  Verwech feiung 
mit  der  megarifcben  Skylla,  des  Nifus  Tochter, 
wovon    ich    bei   VirgUs   Eklogen    das  nöthige 
fagen  werde.     Gegen  die  Zeit,   da  Glaukus  zum 
.Meerheros  gefabelt  ward  ^    welchen   Paufanias 


tAap    MTTirOX.OGISCHfi1l  BRIEFE   I.  B. 

(9,  p.  575)  zmtß:  bei  Pindar  und  Aefchylus  fand, 
veränderte  fich  Skylla  in  eine  fchCne  Jungfrau: 
■die  aber«   weil  Glaukus  üe  liebte,  von  der  eifer- 
4^üchtigen  Kipke    durch    Zaubermittel    entfteUt 
wurde,  dafe  ihr  Unterleib  mit  fechs  vorragenden 
Meerhunden  in  einen  Fifchfchwanz  fleh  endigte 
.  ( Jffygfii..  125,  199).    *  Änderet   für   des  Nifus 
Tochter  üb  nehmend,  behaupteten,  dafs  Amfi- 
/trite,   durch   Pofeidons  Untreue  gekränkt,    ihr 
.die  Verwandlung  mit.  fehs  verfchiedenen  Häup* 
tern  bereitet  hab^    {Tzetz»  ad  Lyc.  45.  650). 
Und  wieder  durch  andere  wechfelten  die  vorra- 
genden Unthiere,  wie  an  Art,  fo  auch  an  Zahl, 
und  Fügung  zum  weiblichen  Leibe,  oder  zum 
Fifch&hwanz,    dem    manche    wiedemm    einen 
Hyderfcbwanz  vorzogen»      Anaxilas  nennt  fie, 
von  drei  HundsbXuptern  um  die  Hüften,    die 
dreihauptigt  Meerhündm^  wie.Lykofron  (v.  669) 
,l«(07«f^ev0<  KMiv,  die  hatbjungfräuHche  Hündin* 

Ich  weifs  nicht,  wie  die  benachbarte  Charyb- 
diSf  welche  Servius  (iJ^n.  3,  420)  als  Tochter 
Neptuns  und  der  Erde  angiebt,  bei  den  Bildnern 
ausfah.    Lieblicher  gewifs  nicht. 

Am  lauteftcn  aber  fpricht  für  die  thierifche 
Verunftaltung  unferer  Harpyen  die  Gefellfchaft 
der  Sirenen  i  die /Anaxilas  bald  darauf  einführt« 
Von  ihren  Umbildungen  ein  andermal  umftänd- 


DREIUNBORSISSIGSVER»  BJU       131 

tkher.  Bei  Homer (OdyÄl  la,  52).#aren  fie 
zwei  fihgende  Göttinnen;  bei  Earipidesi  (&#(;' 
i66)  mehrere  g^eaerte  mit  Pfeife,  Sy ringe 
und  Gefang,  die  aber  (C/^i^i.  ylr.  4f  J>-  543)  bei 
ihren  goldenen  FittSgeri  zugleich  anf  Solen,  alfo 
mit  jiangfriCulicheti  Füfsen,  dunph  die  Luft  wan». 
delten.  Unid  hier  febeh  wir  fie  bereits. .aiit  cnt». 
fteüeöden  Vogelf  üfseh  aoftreteni 

'H  Ö£äv«   ^*h%/  tsiffilv  Mftv  äiFortTtXfitvfi ; 
Ü^Sfifjut   Kai  ^uv\i  *yvveetKOCi  *ru  0>xsAy  it  xo4>/;^tf! 

Id  Theano  nicht  an  Bildotig  dergeni^eo  Strent  gleich  2  . 
Stimm*  und  ^gt&cht  te  Veibes^  amfetii^t  der  Beine 

Nehmen  wir  ^azti ,  dafs  Lyköfron ,  der  fich  dnrch 
alterthümliche  Gelehriamkeit  den  Beinamen  des 
ilfiiii/ni  erwarb ,  dieFelfen  'der  Sirenen  v.  653: 

Harpyenfdrsiger  Kfljchiigallen  Höhnt 

benennet;  fo  fcheint  es  beinah,  er  habe  eiQe 
frühere  Vermifchung  der  Harpyen  mit  Vogelge- 
ftalt,  als  der  nachtlgallflimmigen  Sirenen,  an- 
deuten wollen. 

Sie  fehn,  Jch  thne  alles  mögliche,  um  den 
Harpyen  ihre  veillige  Scheufeligkeit  noch  einige 
Jahre  vor  Anaxtks.  aussumittelB. 


tn^    MYTHOEiOGISCHBR  BRIBFE  !•  B. 

In  d«r  Folge  wetteiferten  Dichter  .  und 
Zeichner  in  grÄftliclierMisbildung  der  Harpyen. 
Einige  beLflygin  (/.  14)  fchenkten  ihnen  ein 
Hühnerhaü^t,  reinen  gefiederten  Leib  und  Flüge!, 
menfchüiAe  Anne  mit  grofsen  Klaun,  eine  weifee 
Bnift,  nnd  menfchiiche  Schenkel,  die  in  Hühner- 
f4ifse  aosliefen^-j  Andere  iTzitz.  ad.  Lyc.6S3) 
fezten  auf  einen  Geierleib  ein  jungfräuliches  Ge- 
ficht mit  Bärenoliren.  Welche  uhuähnliche 
Vorftellung  die  Urfache  fein  mag,  dafs  Ovid 
ifafl*  6,  isaVvon  den  Harpyen  das  Gefchlecht 
dir  Öhreillenv  ftrigts,  ableitet  Diefe,  dem 
AufoninsÄufolge»  in  Aromenmährchen  berüch- 
tigte Sirix ,  von  iden  Griechen  5r?*y?  oder 
Jgi/bfen,  .^i  Ifidor  auch.  Jmmß  genannt,  die 
Kindern  in  der  Wiege  da^  Blut  ausfog,  und  nach 
Serenus  giftige  Milch  aus  eigenen  Brüden  ein- 
melite,  woran  Plinius  (iV,  95)  jedoch  zwei- 
felte, wird  von  Statius  dTheb.  i,  597)  völlig  als 
Harpye  befohrieben:  .jungfräulich  an  Geficht  und 
Bruft,  aiif  dunkler  Stirn  eine  zifchende  Schlange, 
fcharf klauige  Hände,  und,  damit  nichts  fehle: 

_«.— . nt4rique  nefaHiU  ^ 

IProluvies. 

_  auch  des  Schoofses  verrachtcr 

'  Unrathflafs. 

Noch  drei  Abbildungen  der  Harpyen  auf  Münzen- 
und    Kunftwerke«    gewährt   Spanheim    Qnuw, 


DREIUNDÜREISSIQSTBR  BR..      213 

«»^-  Si  5)*  wo  fie  auf  kralligen  Vogelrümpfen, 
die  erile  ein  rauböbrlges  Mädchengeiicbc,  die 
zweite  ein  ganz  weibliches  Haupt  und  zwei 
Brüfte  f  die  dritte  ein  mit  Haube  und  Kranz  ge» 
fchmücktes  Antliz  darbieten.  Eine  ähnliche  fteht 
in  dem  Cahinet  de  pierres  antiques  ( Tom,  % 
ff.  517):  ein  kralliger  Vogel  mit  jungfräulichem 
Haupt  und  geordnetem  Haar. 

Am  Ende  dürfte  auch  auf  jener  valerifchen 
Münze  der  Vogel  mit  gehelmtem  Weiberhaupt, 
famt  Schild  und  Lanze,  welchen  Spanheim  (5,  4) 
für  eine  Stymfalide  ausgeben  wUl ,  nichts  anders 
fein,  als  eine  Abart  der  Harpyen,  wofür  fchon 
Antonius  Auguftinus  fie  ^klärt.  Im  deutfchen, 
Montfaucon  (^afr*  48.  n.  2)  wird  aus  dem  Diarimm 
Jtalicum  eine  ähnliche  Abbildung  gegeben,  ein 
Vogel  mit  weiblichem  Geficht,  Sturmhaube  und 
Schild,  aber  ohne  Lanze:  welches  offenbar  eine 
Harpye  ift.  Unverwundbare  Flügel  und  Rücken 
haben  die  Harpyen  bei  Virgil  {Aen.  3,  34a), 
wie  den  Stymfaliden  die  Fabel  eiferne  Flügel  g^l). 
Wie  nahe  war  der  Uebergang,  ihnen  Schild  und 
andere  Wehr  zu  verleihnj 

So  mannigfaltiger  Verfchiedenheit  wegen, 
entziehn  fich  die  Grammatiker  gern  einer  genau* 
eren  Befchreibung,  als  dafs  die  Harpyen  raubri- 
fche  Gottheiten,  oder  gewiffe  Raubvögel,  etwa 


»^    MYTHO]LOGISCHER  BRXBFB   I.  fi. 

üHt  wegrftÜenden  H£nd\etiy  find.  Sie  konnten 
nicht  anders  y  wenn  fie  kurz  fein  wollten.  Denn 
weit  war  man  von  jenefr  einzelnen  btßmmten 
Geflalt  der  Harpyen  entfernt,  die  Herr  Heyne 
^der  virgilifchen  Schilderung  gemäfs  in  den 
Werken  der  alten  Kunft  wahrzunehmen  fleh  c^m- 
Irädet.  Und  das  mit  deoi  pralerifchen.  Ausruf : 
ffecimusfundamentafabulafl  O  des  Grundlegers, 
der  nicht  einmal  einen  gefunden  Stein  .  herbei« 
(chlepptel 

In  der  That  glaube  ich  fogat  bei  ApoIIonius 
Rhodius(a,  188)  i  welchen  als  Virgils  Vorbild 
2U  preifen  Herr  Heyne  nicht  müde  wird,  die 
Abweichung  eines  gefchnä>elten  Antüzes,  wie 
anderswo  fie  Hygin  (/.  14)  bemerkte»  annehmen 
2u  dürfen: 

AiTvmt  ^foftaröQ  Xß'i^  ^    ^*<^  T^f^^VA}}^« 

VUde   Harpy*A  vor  Mond*  und  Händen  hin^er^g  mit 

den  Schnäbeln 
Raabeten  ohne  Verzug» 

Jenes  yom^^^at^  welches  bei  Homer  nur  von 
den  gebogenen  Backen  reifsender  Thiere  vor- 
kömmt, wird  bei  Ariftofanes  (^equ.  188)  von 
dem  gdurlimmten  Adlerfchpabel  gebraucht. 


yiERUNDDREISSIGSTER   BR.       22$ 

XXXIV. 

IVlit  der  Geftalt  der  Harpyen  muffe  wohl  auch 
die  Fabel  des  Fineus  einig;e  Abänderung  erlitten 
haben?  Icherr^the^  was  Sie  meinen. 

Allerdings,  eine  wefentliche  Veränderung. 
Die  jungfräulichen  Harpyen  der  älteften  Fabel 
plagten  den  blinden  Fineus  nur  durch  ftete  Berau-«. 
bung  des  Mahls,  ohne  ihm  gleichwohl  die  nach- 
bleibenden Brocken  zu  befudeln,  die  kümmerlich 
ihm  das  Leben  frifteten.  Sein  Elend  fchilderte 
Aefchylus  in  diefem  Fragmente  des  Trauerfpiels 
Fineus  bei  Athenäus  ( lo,  5  p.  421): 

Und  viel  der  Teufcbungskoft ,  weil  lufterte  der  Ganm, 
Fuhr  hoch  hinweg,  wie  im  erfien  Wohlgefchmack  des 

Mundi. 

Denn  s^g  v^ost  fcheint  mir  in  dem  verdorbenen 
iffviFtttQ  zu  ftecken.  Von  diefem  durch  ftete 
Teufchung  erbitterten  Hunger  war  er,  wie 
Sofokles  im  Fineus  {Athen.  3,  3a  f.  ilp) 
fagt,  dürr  wie  eine  ägyptifche  Mumie: 

NfKfOC    Tflff<%0«    Mt^QffV    Atyv^TtoCf 

Ein  gefalzner  Liichnun  anznfchtaii  am  Aegyptenland. 
P 


aa6     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    I.  B. 

Die  fpäteren  Halbvögel  dagegen  entraften 
nicht  nur  dem ,  Unglücklichen  die  Speifen  vor  ^ 
dem  Munde  hinweg,  fondern  verfchlangen  fie 
felbft  mit  nie  gefättigtem  Heisbunger.  Wovon 
die  natürliche  Folge  jener  entfezliche ,  alles  ver« 
peftende  Abflufs  war. 

Einen  fo  unfauberen  Gegenftand  hat  felbft 
Apollonißs,  wie  fehr  auch  unferen  neumbdifchen 
Interpreten  fein  Schönheitsgefühl  durch  alexan- 
drinifche  Hofluft  gefchärft  und  verfeinert  zn 
fein  fcheint,  gar  nicht  fonderüch  in  den  Schatten 
geftellt.  Zijerft  behandelt  er  ihn  in  der  allge- 
gemeinen  Erzählung  (  2 ,  1 89  )  • 

Ovi*  tffovf  aÄ^OTi  TVT^ov,  Im  ^uuv  A%ctxotro. 
Kctt   yexi  t^v^cc^tviyt  o^fjafv  %ffOv  *  is$e  rtq  srMf, 

Mm^'  W«C*  TOtov  oi  «Tg^rvfe  Aiz+äv«  Bectroc, 


^ «___— —    und     xurnck     blieb    jczo    ^cr 

Nahrung 
Gar  nichts,  jezt  ein  geringe»,  um  fortzuleben  in  Mühfal. 
Drauf  tuch  feuchten  Geruch  verftrömtcn  fie ;  keiner  be» 

zwa^ug.fich,v 
Nicht  nur,  dafs  er  dem  Schlund*  elnführete,  nein  auch 

von  ferne 
Nicht  zu  ftehn:  fo  fchreckten  die  hauchenden  Trümmer 

des  Mahles. 


VIERUNDDRETSSIGSTER   BR,      217 

Dann  wieder  in  der  Klage  des  Fineus  v.  228: 

Tivu   roie  (iv^ac^sov  rt   aoct   u   rAifrov .  ftfvoc  o^iiiiQ, 

OV    KB    TtQ    «5g    f*/Vt/v5«    ßffOTUV    CCVCXOtTO    VSfMCffKQ^ 

AAAx  fctf  7/x^}f  5ifrd!   xtfT/0-;^s/   iettroe  avceyxif 
Mt/JtvstVf  xai  fJuiDfovra  xeexii   iv   yartgt  Ssc^eci, 

Wenn   fie   ein  weniges   eiuft  von  der  Koft  uns  übrig 

gelaflen, 
Hancht  es  ein  feuchtes   Gedünft    unerträglicher  Uebel- 

geräche. . 
Nein,  nicht  kurz  nur   ertrug'  ein  Sterblicher  nahe  zu 

>   dauern, 
Wäre    fogar    fein    Herz    von    gediegenem    Stahle    ge- 

fchmiedet« 
Aber  mich  zwingt  fchon   lange   die   bittere  Noth   des 

Mahles, 
Dafs  ich  bleib*,    und   bleibend  zum   elenden  Magen  et 

führe. 

Und  zulezt  noch  einmal  ^  als  die  Boreaden  fie  ver- 
fcheuchen,  v,  270: 

' AJ  Q  afi    ecvTigi  ^ 

Xlxvra  xxrceß^u^asat  wff  vrovroto  ^sgovro 


Sie  mit  Gefchrei  nun. 


Alles  hiuunjerfchlingend ,    entfchwangen  fich   über  die 

Meerflut 
Fern  hinweg;  and  es  blieb  unduldbarer  Uebelgeruch  nach. 
P  2 


22g     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   I.  B. 

Gegen  diefe  lebendigen  Darftellungen  'des 
troz  dem  feuchten  Gedünfte  heruntergewürgten 
Jammermahles,  wobei  ich  wohl  die  Gebehrden 
der  alexandrinifchen  Hofdamen  hätte  beobachten 
mögen,  ift  freilich  Virgils  Gemähide  nur 
fchwach.  Indeffen  für  fich  genommen,  kann 
man  eine  g^wifle  Keckheit  des  Pinfels  weder  in 
fcßdijfima  ventris  proluvies  verkennen,  noch  in 
dem  Folgenden  (^Aen.^9  227): 

Diripuntque  dapety  contaäuque  omnta  fcedafit 
Immundo;  tum  vox  utrum  dira  Atter  odorem. 

^  Uud  de  zerraflfen  den  Schmaus,   und  mit  Unrath  fchän- 

den  (le  alles, 
Darcbgeve'ühk;  ihr  Gefchrei  tönt  grafs  zum  rcheufslichen 

Aushauch. 

Leffingim  Laokoon  (XXV.  S.  256)  m?rht 
hierüber  die  Anmerkung:  *'Nur  darum  waren 
**die  häfslichen  Harpyen  fo  ftinkend,  fo  unflätig, 
•*dafs  der  Hunger,  welchen  ihre  Entführung  der 
"Speifen  bewirken  follte,  deilo  fchrecklicher . 
"würde.  ,^  Doch  füget  er  gleich  hinzu:  "Ich 
"möchte  gern  aus  diefem  •  Gefichtspunkte  die 
"ekele  Einführung  der  Harpyen  beim  Virgil  ent- 
**fchuldigen;  aber  es  ifl:  kein  wirklicher  gegen- 
" Wärtiger  Hunger,  den  fie  verurfachen ,  fondern 
^'nur  ein  iDltehender,   den  fie  profezein;   und 


VIERUNDDREISSIGSTER    BR.       229 

'^noch  daza   löfet  fich  die  ganze  Profezeiung 
"endlich  in  ein  Wortfpiel  au£  „ 

Das  Urtheil  läaft  da  hinaus :  Leffitig  müchte 
die  Garftigkeit  der  Harpyepi  wohl  zur  Noth  in  des 
Fineus  Fabel ,  wo  iie  das  SchrecMiche  des 
Hunger^  zu  verftärken  beitrug,  nicht  ihre  Garftig- 
keit überhaupt  t  zu  entfchuldigen  übernehmen. 
Die  fpätere  Fabel  aber ,  der  zu  folgen  Virgil  nun 
einmal  nicht  umhin  konnte,  bildete  die  Harpyen 
nicht  in  jenem  einzelnen  Falle  nur,  fondern  ftets 
und  allenthalben,  als  die  felbigen  Scheufale,  die 
alles  mit  Unreinlichkeit  und  Geftank  .fchändeten. 
Daher  in  der  Anthologie  iSteph.  2,  14  f.  143) 
Lucian  durch  die  Ausdünftung  der  TelefiUa  an  die 
unholdeften  Gerüche  der  Fabel ,  und  an  'a^tv/mv 
Tff  Ttfftcca^  den  karpyifchen  NächlafSf  erinnert 
ward. 

Und  felbft  für  das  fineiTche  Hungermahl 
dünken  fie  mir,  aufrichtig  geiagt,  viel  zu  garftig« 
Wenn  eine  räthliche  Beimifchung  von  Ekel  das 
Schreckliche  zum  Gräfslichen ,  das  Mitleiden  ^ur 
ichaudernden  Peinlichkeit,  zu  erhöhen  dient; 
fo  foll  doch  darum  des  Ekels  Würze  nicht  vor» 
walten,  nicht  die  Hauptempfinduog  verwürzen, 
und  ein  Aufftofsen  erregen. 

Herr  Heyne  in  feinem  Exkurs  (Aen,  3,  209) 
legt  Leffingen  eine  ganz  andere,  wahrfcheinlich 

P3 


d30     MYTHOLOaiSCHER  BRIEFS  I.  B. 

aus  der  Luft'  gegriffene  Entfchuldigung  in  den 
Hund  9  diefe:  dafs  dergleichen  Dinge  in  verfchie* 
denen  Völkern  und  Zeitaltern  fehr  verfcbieden 
•beurtheilt  werden..  Dies  hätte,  wie  ihn  deucht, 
auch  ffome  bedenken  follen.  Dann  meint  er, 
was  des  Alterthums  .Anfehen  für  lieh  habe,  fei 
der  fcharfeD  Kritik  nicht  unterworfen ;  und 
Virgil  habe  zum  Vorgänger  ja  einen  Apollonins: 
foetam  doHiffitnumf  wie  es  in  der  Abhandlung 
de  carmine  Epico  Virgüiano  p.  43  heifst,  &  Pto^ 
temcBorum  contubernio  expolitum.  Endlich  ver- 
weift er  auf  einen  andern  Exkurs  iAen.^9  623), 
wo  Virgil,  der  das  homerifche  Gemähide  vom 
Kyklopenfchmaus  nicht  nur  mit  allen  .Hauptzügen 
des  Urbilds  wiedergab,  fondern  noch  durch  Zufäze 
verftärkte ,  wie  nemlich  die  warmen  Glieder  ihm 
unter  den  Zähnen  zitterten  ^  und  wie  er  mit 
Klumpen  von  Menfchenfkifch  in  blutigem  Weine 
zugleich  Eiter  ausbrach,  vom  Herrn  Heyne  gar 
fiunreich  gerechtfertiget  wird  —  womit  denken 
Sie  wohl?  Mit  dem  verfeinerten  Hofgefchmack 
des  cäfarifchen  Roms?  Nein  ,  weil  durch  beftän- 
diger  Kriege  Mord  und  Raub  das  Gefühl  der 
Menfchen  geftümpft,  und  weniger  für  Ekel 
empfänglich  war.  Und  das  icheinen  ihm  noch 
goldene  Zeiten  gegen  die  homerifchen.  Homerus 
tnulto  atrocius  fpeSaculum,  &  CARNIFICI^ 
NAM  veriuSf  exhibnerat;  fed  alias  komines. 


.yiERUNDDREISSIdSTER  BR.       a)| 

MÜuä  fecutumf  quod  refpicentf  habebaU  In  der 
verheifsenen  Ausgabe  Homers  wird  diefe  Karni» 
ficin  wabrfcbeinlich  ai  oculum  ,  decionftrirt 
werden. 

Aber  wie  würde  der  feine  Beobacbter  des 
Altertbums  iich  beransphllofophiren ,  wenn  ibm 
jemand  begreiflich  machte:  Die  Harpyen  wären 
bei  Homer  und  Hefiodus  fchöne  Weiber;  gegen 
die  Zeit  des  Aefchylus  würden  fie  häfslich  wie 
_die  Furien,  und  geflügelt;  und  erft  in  der  höcb- 
flen  Verfeinerung  Griechenlands  erfchienen  fie 
s^s  unförmliche  und  ekelhafte  Halbvögel,  um.  die 
Fabel  des  Fineus,  und  wohin  fonft  ein  fpäterer 
Dichter  fie  führte,  zu  befudelnl    , 

Dafs  fo  manche  Gottheiten,  die  nachmals 
abfchreckende  Geftalt  4)ekamen ,  wie  die  Har- 
pyen, Gorgonen,  Eumeniden,  Sirenen,  beiden 
älteren  Dichtern  fchön  waren :  ift  nfeht  fo  wider- 
finnig, als  es  dem  erften  Anblicke  Icheinen  mag* 

Die  heroifche  Welt  glaubte  einfältig  an  über- 
menfchliche  Wefen,  deren  geheime  Kraft  Gutes 
tmd  Böfe»  wirke.  In  Uebermenfchlichkeit  aber 
ward  alles  vereiniget  und  erhöht ,.  •  was  damals 
für  menfchliche  Tugend  galt:  Stärke,  Schnellig- 
keit, Gröfse,  .  Schöiiheit.  Das  Zeitalter  der 
Weltweifen    fodcrte    fittliche    Vorzüge,    und 

P4  ' 


2^2     MYTHOLOGISCHERBRIEFE   i;  B. 

zwang  9  nach  einigem  Kampfe ,  felbft  die  in 
Geheimniffen  finnbildernde  Prrej3:erfchaft  zu 
rafchen  Fortfehritten  in  reinerer  Erkenntnis  und 
Anbetung.  Nur  der  geheime  Sinn,  den  man 
den  angeftammten  Go^^theiten  unterlegte,  ward 
geehrt  und  gefchüzt:  ihr  Aeufseres  in  Fabel  und 
Kunftwerk  gab  man  dem  Volke  und  der  Will- 
kühr  darftellender  Bildner  und  Dichter  Preis. 
Die  Folge  war:  je  mehr  einer  der  Volksdämo- 
nen durch  Umdeutung  fittliche  Vollkommenhei- 
ten annahm,  defto  fchöner  und  ei'habener  ward 
feine  Menfchengeflalt;  je  weniger,  defto  graun- 
voller,  defto  unmenfchlicher. 

Bei  diefer  mannigfaltigeti  Abänderung  der 
Harpyenfabei  wird  die  Verfchiedenheit  der  Na- 
men und  der  Abftammung  fo  natürlich  als  gleich- 
gültig fcheinen.  Nur  eins  verdient  Aufmerkfam- 
keit:  dafs  Valerius  Flaccus  (4,  44g  und  516)', 
ge^vifs  nach  griechifchen  Vorgängern ,  fie  Töch- 
ter des  Tyfon  oder  Tyfoeus  nennt;  welchen 
Tyfoeus  die  hefiodifche  Theogonie  (v,  869) 
zum  Vater  der  verderblichen  Winde,  im  Gegen*» 
faz  des  Notos,  Boreas  und  Zefyros,  macht;. 
Hievon  ein  andermal« 


FttNFUND0REISSIGSTER  BR.      333 

XXXV. 

bie  fangen  an  zu  beforgen,  dafs  auch  den  alten 
Gottheiten  der  Winde  Herabfezung  ^  zu  flügel- 
lofen  Luftwandlern  bevorftehe.  Herabfezung? 
Ich  dächte,  Erhebung  aus  halbdiierifcher  zur 
reinen  Menfchengeftalt. 

Bei  Homer  wenigftens  zeigen  die  Winde  noch 
gar  keine  Spur  von  Beilügeiung.  Am  erften  er- 
wartete maus  IL  23,  198,  wo  Iris  des  Achilleus 
Bitte  9  den  Brand  des  Patroklos  anzufachen ,  dem 
Boreas  und  dem  Zefyros  bringt,  die  fie  mit  den 
übrigen  am  Scbmaufe  in  des  Zefyros  Wohnung 
findet : 

J '  Toi    ^'ofiOVTO 

I 
H%)r  ^tffyrtvtfUf  ys^tüt  xXovtovT»  ^agot^tv, 

At^f»  is'vrovTov  Uavov  aiifttvat'  ttgrc  h  xvfjut 

IlVOllfi    VTTO    A/yt/fJf*     TfOillV    $' tgißuAOit    UtS^IIYf 

IJanvvx^oi  i*  u^et  Totyt  Trvfifc  »nvhQ  ^Aoy'  tßaAAov, 
♦t/ffwvT««  A/7ff«C. 

-^__    Da  erhüben  (ich  jene 

Raufchend  mit  wildem   Getöf,  und   tummelten  rege 

Gewölk*  her. 
Bald  unn   erreichten  fie  ftürmend  das  Meer;   da  erhub 

fich  die  Brandung  ' 
Unter  dem  braufenden  Hauch:  und  fie  kamen  lur  fchöl- 

ligen  Troja« 

P5 


334     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    I.  B. 

iStürzten  (ich  dann  ins  Geröft;  and  es  knatterte  mächtig 

umher  Glut. 

Siehe,    die    ganze    Nacht    durchwühlten    &e    zackende 

Flammen» 

Saufend  zugleich  in  das  Todtengeröft. 

Und  bald  darauf  v.  229: 

^  0/  i*  AvsiJtot  vxÄtv  cevTtQ  tßav  otxoifis  vstvS'itif 
e^ijiKtov   Karte  Tovrov'  8^*  grevevg  ot^fJt»rt  Svmv« 

Schnell   nun  flogen  die  Winde  zurSck,  nach  Haufe  za 

kehren, 
Ueber  das  thrakifche  Meer,  und  es  brauft'  aufllürmend 

die  Brandung. 

In  einem  fo  ausführlichen  Gemählde  wie  hätte 
Homer  wohl  die  Fittige  ungenuzt  laffen  können? 

Eben  ib  wenig  weifs  noch  Hefiodus  von  ge« 
flügelten  Windgöttem. 

Da  Homer  in  dem  Sturm^v  welchen  Pofeidoö 
(Odyff.  5,  ags)  gegen  Odyffeus  erregt,  vier 
Winde  nennt: 

Unter  (kh  ftärmten  der  Oft  nnd^  der  Süd  ond  der  fan* 
fende  Weftwind, 

Aach   hellwehender   Nord»   und    wälzt'    unerinefsliche  ' 

Wogen; 


FÜNFUNDDRSlSSiaSTER  BR«       335 

.fo  fcheint  es  befremdend,  dafs  in  Heiiods  Theo« 
gonie.Cv.  378)  i^^  Göttin  des  Lichtes  Eos  dem 
Sterngbtte  Afträos  nur  drei  Winde  famt  den 
Sternen  gebiert: 

Ki^euu  ^'Ha»«  »vtßHQ  rtxt  xafTSfoByti»^ 

Kott  Norovy    cvv  ^lAoTffri  5fai  5f«  iwn^itf», 

Eos  gebahr  dem  Afträos  die  ^ind'  unbändiges  Mutes, 
Den  blafsfchauerndeii  V^eft,  and  den  ftfiruiircbwandeln* 

den  Nordwind, 
Auch  den  Süd ,  in  Liebe  zum  Gott  die  Göttin  gelagert. 

Auch  Akufilaus,  wie  Hefiods  Scholiaft  beim 
870  Verfe  der  Theogonie  meldet,  nannte  nur 
drei  Winde,  Boreas,  Zefyros  und  Notes,,  und 
fagte,  «fvcrifc,  woraus  man  fchon  damals  gerne 
den  vierten  ^uros-  herausdeuten  wollte,  fei  ein 
Beiwort  des  Zefyros.   - 

Aber  weit  von  der  Ungereimtheit  entfernt, 
diefe  drei  Winde  allein  zu  erkennen ,  lehrt  Hefio- 
dus  nur,  dafs  drei  gute  Winde  von  himmlifcher 
Abkunft  fein;  die  übrigen  hingegen  (welche 
wären  die  anders,  als  der  Oft  und  die  Mittel- 
winde?) habe  der  Erdgebohrene  Tyfoeus  oder 
Tyfaon,  der  felbft  (v.  307)  ein  furchtbarer  und 
troziger  tVind^  hivoi  ^'«^f<7ifc  r'^vif««;,  genannt 


»36     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   I.B, 

wird,  als  unfi'chere  Stürmer  erzengt    Dies  iagt 

er  V.  869 :  '  , 

Ex  }f  Tv^Me«c  er*  Avtfiuy  (itvoQ  vygov  atvruVf 
Notf^i  Nor»  f  BofBU  rc  $  Kott  a^yg^eu  Ze^v^oto  * 
0/  7«  iitv  fx  Beo^tv  ytvfiiit  5*i/ro/c  fiey*  ovetetf, 
AJ  ^^  aXXeci  futypetv^eet  STtzysta^t  ^otPiaffffotv, 

Aas  dem  Tyfoeui  ifi:  die  Gewalt  nafsathtnender  ^inde, 
Aufser  dem  Süd  and  dem  Nord  and  dem  blafsanfchauern- 

den  Wcftwind. 
piefe  find  aas   Görteigefchlecht ,    und  den  Sterblichen 

heilfam. 
Aber  die  anderen  wehn  als  Mishaach'  über  die  Meerflat. 

Heliodas  fügt  hinzu,  dafs  diefe  Mishauche^ 
Ijue4fetvffxt  (wie  auch  Kallimachus/r.  67  fie  nennt), 
fbwohl  auf  dem  Meere  durch  wankenden  Un-' 
geftüm  die  Schiffe  zerftreun  und  verderben ,  als 
auch  auf  dem  Lande  die  Feldarbeiten  verwüften, 
und  mit  Staub  und  Gewirbel  überziehn. 

Sehn  Sie ,  wie  unfer  Erbfeind ,  der  tückifche 
Oft  wind  9  der  eben  jezo,  am  Fenfter  heulend,  mir 
den  linken  Arm  kältet ,  fchon  den  Griechen  als 
ein  ungöttlicher  Mishauch  verhafst  war.  Auch 
in  den  orfifchen  Myfterien  war  man  dem  Unhold 
nicht  gewogen;  Boreas,  Zefyros  und  Notos 
wurden ,  zufolge  den  orfifchen  Hymnendichtera 
(  Ä  78  -  80  niit  Weihrauch  und  Gefang  verehrt; 
den  Euros  würdigten  fie  keiner  Anrufung. 


FÜNFUNDDREISSIGSTER  BR.       a%J 

Nach  Äriftoteles  weht  Euros,  der  ihm  bald 
reinen  Oft»  bald  OftfQdoft  bedeutet,  anfang» 
trocken,  zulezt  waflerreich  (^Meteor.  2,6);  er 
bringt  mehr  Regen,  als  felbft  Aufter  (^ProbL 
26,  29),  und  macht  alles  gröfser  erfcheinen, 
weil  er  die  Luft  mit  dunkelen  Dünften  anfüllt 
C  Probt.  26,  56).  lezt  erkennen  wir,  weshalb 
den  Euros  Homer  (Odyff.  19,  596)  als  einen 
fchneefchmelzenden  Wind  befchreibt,  und  Horaz 
in  der  fechzehnten  Epode  (v.  54)  feine  glück- 
liche Oceaninfel  von  des  wäfsrigen  Eürus  raffen* 
demSturzregenverfchont  wünfchet;  auch  warum 
Virgil  {Georg.  2,  339)  die  neugefchaffene 
TrUhlingswelt  ohne  winternde  Oftwinde  4ch 
denkt,  deren  gewaltfame  Wut  (v.  107)  Schiffe 
verftUrmt,  und  unzählbare  Wogen  an  die  Ge* 
ftade  wälzt.  Eines  fo  unwillkommenen  Stürmers 
konnte  wohl  Valerius  Kato  in  feinen  Verwün« 
fciiungen  (  v.  38  )  nicht  entbehren : 

Emtus  agat  mißam  fulva  caligine  nuhem. 

Saras  jage  verinifchc  mit  gelblichem  Dunkel  Gewölk  her! 

Die  drei  heilfamen  Winde  demnach  fabelte 
die  bildliche  Volksfage  zu  Abkömmlingen  des 
Himmels.  Eos  die  Tagsgöttin,  gebahr  fie  dem 
Sterngotte:  wahrfcheinlichder  Bemerkung  wegen, 
dafs  gewöhnlich  mit  Anbruch  des  Morgens  oder 
des  Abends  Winde  aufftelgen  {^ArißoU  Probt. 


agS     MYTHOLOGISCHER  BRIEFC;  I.  Bv 

35,  4).  Aber  die  fchädlichen  Stürmer,  deren 
vornehmfter  der  dunftreiche  Euros  war ,  hiefsen 
Söhne  des  arimäifchen  Erdgebohrenen  Tyfoeus, 
des  trozigen  Windes. 

Den  Namen  Tv^pu^. oder  t(/<^»v,  deffen  Stamm* 
wort  Tü4>«$  Qualm ,  dann  Aufblähung  des  Geiftes, 
anzeigt,  gab  der  Grieche  (^Arifi.  Meteor. -^^  i) 
und  der  Römer  (^Plin.  2,  48)  dem  plözlichen 
aus  dicker  Dunftwolke  gecirängt  hervorbrechen- 
den Wirbelwinde;  da  ein  ausgebreiteter  Wind- 
fturz  £KV6<ptaQ ,  und  eine  aufziehende  Wolkenfeule 
bei  den  Schiffern  (  Otympiod.  ad.  Arifl.  Meteor. ) 
cK^oi^  hiefs.  Ihn  verkündigten  gewifle  Geftalten 
der  dampfenden  Wolke  (G^fl.  19,  i),  nach 
Plinius,  wann  das  Dunkel  ein  Unthier  vorftellte. 
Plinius  nennt  ihn  die  Hauptplage  der  Meerfah- 
renden,  indem  er  nicht  nur  Segelftangen, 
fondern  die  Schiffe  felbft  im  Wirbel  zerfchmettcre, 
manchmal  emporraffe ;  wiewohl  entgegenge- 
goffener  Eflig  ihn  mildere.  Zur  Sühne  ward 
ihm  ein  fchwarzes  weibliches  ,Lamm  geopfert, 
wie  Ariftofaües  (ran.  847  )  lehrt: 

tu^UQ  7«f   SKßastvitv  vroegce^xsvz^sTfiif, 

Em  Lamm,  ein  fchwarzes  Lamm,  bringt,  Knaben,  hers 
Denn  Tyfos  ift  hervorzugchu  bereit. 


FÜNFÜNDDREISSIGSTER  BR.       139 

Ein  Opfer,   das  anch  bei  VirgU  (^Ain.  3,  117) 
dem  Sturme  gebracht  wird : 

Kigram  Hiemi  pecndem ,  Zephyris  felicibus  alham. 

Schwarz  dem  Sturme  fein  Lamm ,  den  glücklichen  Zefyrn 

ein  weifses. 

•  Zunächft  nach  Heiiodus  gedenkt  der  Winde 
Tyrtäus,  der  einen  unkriegerifchen  Mann  nicht 
zu  achten  bekennt,  (  i »  3): 

Ov$*  st  Kf/xA«9r«y  fisv   exot  fieyt^oQ  rt  ßttj^  rt, 
Nix*iif   ^8   5««iy  BfiiÜKtov  Boffyy» 

Nein,  und  war'  er  Kyklopen  an  Riefenwacfas  and  Ge« 

walc  gleich« 
Siegt'  er  im  Laofe  fogar  über  den  thrakifchen  Nord. 

Noch  alfo   ein   taufender  Boreas,    deflen  leicht 
gehobene  Luftfehritte  ein  fchnellftifsiger  Sterbe 
lieber  fogar  zu  befiegen  poetifch  gerühmt  werden . 
durfte. 

Auf  dem  Kaften  des  Cypfelus  fah  Paufanias 
(5  F*  323)  ^^^  Boreas,  wie  er  die  Orithyia  ent- 
führte, mit  Schlangenfchwänzen  anftatt  der  Füfse. 
Solche  verftatteten  wohl  keinen  Gang;  mithin 
'  mufste  Boreüs  dort  auf  Fittigen  durch  die  Luft 
fchie&eu.  Aber  woher  ihm  die  Schlangenf  üfse? 
Weil  etwa  des  Künftlers  Theologie,  wie  den 
Euros,     auch    den    ftürmifchen,    fortraffenden 


a/^O    MYTHQLOGISCHER  BRIEFE    I.B. 

Boreas  zum  Sohne  des  fchlangenfüfsigen  Tyfos 
machte?  Es  fcheint:  denn  auch  die  ftUrmenden 
Harpyen,  den  Späteren  thrakifche  Gottheiten 
lind  Nachbarinnen  des  Boreas,  waren  ja  dem 
Valerius  Flaccus  (  4 ,  428  )  Tyfoniden : 

tnfuper  Harpyia  Typhonides,  ira  Tmantis, 

Tyfons    Töchter    zugleich,    des    Donnerers    Zorn,    die 

Harpyen. 

Wiederum  alfo  bei  Bildnern  fände  fich  die 
erfte  Beflügelung  der  Windgötter;  und  nicht  aus 
uralter  Vorfteilung  der  Pelasger,  fondern  aus 
fpMterer  Zeichenfprache  der  Kunft,  flammten  des 
Orfikers  C^f'g".  338)  At;?«i  ^ft/^ioTÄfffo/,  goldge* 
flügelte  Hauche  f  imgleichen  (^Hymn.  80)  Ku^eu 
Zt^vf irihii  tfff oq>oirdE/ ,  KH(^oxleqot  ^  zefyrifche  Hauche, 
tuftwandelnde  j  teichtgeflügelte  9  und  (^Hymn.  81) 

des  NotOS  A«<i{^)ffOv  9ni$iifA»  ^i'ifcfoc»  UKiteetc  Trre^vyscwt 

^ovBf*ffv^v ,  flürmifcher  Sprung  durch  die  Luft ,  auf 
rafchen  Fittigen  umherwirbelnd:  womit  dennoch 
Luftfehritt  und  Beflügelung  zugleich  ausgedruckt 
worden. 

Auf  dem  achtecitten  Thurme  des  Andronikus 
Cyrrhaftes  in  Athen,  welchen  Vitruvius, 
Wheeler ,  Wood  und  Chandler  befchreiben ,  find 
die  acht  Winde  der  fpäteren  Windrofe,  da  Hefio- 
dus  für  die  Mitteiwinde  noch  keine  Namen  zu 


FÜNFUNDDREISSIGSTER   BR.       24I 

haben  fcheint,  mit  übergefchriebenen  Namen 
vorgeftellt.  Alle  erfcheinen  in  ähnlicher  Geftalt, 
woraus  die  aufgehobene  Unehre  des  Euros  folgt, 
und  alle  auf  Fittigen,  nicht  fchreitend,  fondern 
einherfchwebend.  Als  einen  Gott  läTst  daher 
Nonnus  (Diotiyf.  37,  90)  den  Euros,  den 
warmen  Schwärmer,  mit  gefchwungenen  Fitti- 
gen zum  Haufe  des  Helios  ^zurückfliegen,  und 
(6,  40)  mit  den  drei  Brüdern  dem  Vater  Afträos 
dienen« 

Merkwürdig  ift,  dafe  in  einem  philoftratifchen 
Gemähide  iicon.  i ,  24)  Zefyros  durch  die  ge*- 
Bügelten  Schläfen ,  durch  zart^  Geftalt  und  einen 
Blumenkranz  fich  auszeichnete.  Hauptfittige 
dienten  ihm  wohl  fchwerlich  zum  Fliegen, 
fondern  allein  den,  fchwebenden  Gang  anzu« 
deuten. 

Fürchterlicher    ward     der     regenbringend« 

Notus  gemahlt;   z.   B.   in  Ovids  Metamorfofen 

(i,    264)    da  ihn  Jupiter   zur  Bereitung  der 

Sündilut  abordnet: 

\ 

EmittitqM  N^ttm:  vutdidit  Nöttis  evolat  alis, 

Ttrribilettt  picea  uBns  caligifi*  vultmu; 

Barha  gravis  rumbis;  canis  fltut  unda  eapillis; 

Fronte  fedent  neMa ,  rorant  pentueque  finusque  : 

Utque  manu  lata  patdentia  futtila  preißt. 

Fit  fragor;  hinc  denfi  funduntur  ab  ^tbi^re  nimbi. 

Q 


\ 

a42     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   I.  B. 

Drauf  entläfsc  er  den  Notas:   mit  triefenden-  Schvringen 

entfleugt  er. 
Sein  fcheufeliges  Haupt  pechfchwarz  in  Dunkel  gehallet; 
*  Sjcliwer  von  Gü^n  der  Barr;   den  greifenden  Haaren 

cntftrömt  Flut; 
Nebel  umlagern  die  Stirn,  es   thaiit  von  Gcüedcr  und 

Bufcn : 
Und  wie  in  breiter  Fauft  abhängende  V^olken  er  drückte,' 
Donnert  es;   dicht  nun  Mrzen   die  Regenfchauer  vom 

Aether. 

In  ähnlicher  Schreckengeftalt  ift  auf  Antonins 
Seule  Jupiter  Pluvius,  mit  bärtigem  Oberleibe 
und  triefenden  Schwingen  aus  dem  Gewölk  her« 
Torragend,  gebildet,  • 

Von  nun  an  beflügelte  auch  des  Boreas  Sohne 
Zetes  und  Kalais  der  Bildner  fowohl  als  der 
Dichter.  Gleich  jenem  hauptgeflügelten  Zefyros 
zeigt  der  falfche  Orfeus  (,Arg*  aip)  die  götter- 
ähnlichen Boreaden : 

Welche 'mit  Fitiigcn   gv  an  jeglichem   Ohr  iich  ent- 

fchwaugen. 

Pindar  dagegen  nennt  fie  iPyth^  4,  325); 


FÜNFU;?irDDREISSIGSTER  BR.      343 

Männer  mit  Fittigen  die  Rücken 
Aufbraafeud  beid'  ia  purpamem  Glanz. 

Wozu  Apollonius  (l,  219)  noch  dunkle  von 
Gold  durchfchimmerte  Fufefchwingen  fügt. 

Aus  älteren  Argonautikern  meldet  uns  Pindars 
Schöliaft  (O/.  4,  31),  da6  die  Boreaden  im 
Wettlauf  fogar  von  dem  grauharigen  Erginos  be- 
fiegt  wurden:  welches  geflügelten  wohl  nicht 
begegnen  konnte;  und  bei  der  obigen  Stelle, 
dafs  einigen  die  Boreaden  flügellos,  nur  durch 
angebohrene  Schnelligkeit  vordrehend  fchieneri. 
Diefen  älteren  Dichtern  folgt  noch  Theognis 
<v.  7^5)- 

Oder  des  Boreas  Söhn*,  eilend  mit  flücixtigem  Fnft. 

Und  Sofokles,  ein  Verächter  der  mahlerifchen 
Beflügelung,  dem  { Antig.  985)  die  Boreade 
Kleopatra  nur  ^als  Ä*iT5roc,  rofifchnelle  Götter- 
tochter, in  väterlichen  Sturmwinden,  auf- 
wuchs. 

In  der  fpäteren  Mythologie,  da  die  Fuhrwerk^ 
der  Götter  häufiger  wurden,  erhielten  auch  die 
Windgötter  fchwebende  Rofswagen.  Schon  dies, 
deucht  mir,  beweift  die  vorigen  Luftfehritte; 
ein  Geflügel  wird  ja  nicht  fahren  wollen.  Euripi- 


244    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   I.  B. 

des  iPhoßn.  aao)  fingt  von  des  Zefyros  Hauchen, 
twTFsvffavToc  fv  H^ecvtfiy  der  am  Himmel  die  Rojfe 
lenkt.  Bei  Virgil  {Aen.  2,  417)  kämpft  Eurus, 
der  ößlichen  Rojfe  froh;  und  bei  Valerius  Flaccurf 
(l,  610)  ftürzt  aus  des  Aeolus  Kerker  Boreas 
mit  thracifchen  Soffen  hervor,  und  Zefyrus, '  und 
6er  fchwarzgeflügelte  Notusy  und  Euros  mit  zer- 
rüttetem fchJanimvoUem  Haupthaar.  Fuhrwerk 
und  BeflUgelung  zugleich ,  welche  unfchickliche 
Verbindung  die  fpätere  Fabel  bei  mehreren  Gott- 
heiten darbietet. 

Cerda  und  Herr  Heyne  In  ihren  Anmerkungen 
zxxAen.  a^  417  fehn  auch  bei  Horaz  (J/^.  Od. 
4,  44)  den  Eurus  mit  Roflen  durch'  fikulifche 
Gewäffer  fprengen;  aber  die  Stelle  beweift 
nichts.  Denn  nehmen  wir  nicht  mit  Torrentius 
und  Gefsnerein  Zeugma  an,  wodurch  die  RofTe  ^ 
dem  Hannibal  allein  bleiben ,  und  nur  der  Begrif 
der  Eile  fich  den  GleichnüTen  mittheilt ;  fo  mufs 
ja,  mit  dem  Eurus  zugleich,  auch  die  Flamme 
durch  den  Kienhaufen  mit  Roflen  fahrend  ge- 
dacht werden.  Eine  ähnliche  Fligung  hat 
Klaudiaa  (i,  100)»  wo  Roma,  fchneller  als 
der  reifsende  Eurus ,  mit  getriebnen  Roflen 
entfleugt. 


SECHSUNDDREISSiCSTER  BR.     2^$ 

XXXVI. 

V?  as  foll  nun  Ihrem  Pegaras  gefcfaebn?  Soll  er 
die  gute  Sitte  des  Luftwandels  mitmachen,  bis 
er  beflügelnden  Bildnern  in  die  Hände  fällt?  oder 
foll  er  9  das,  einzige  Götterrofs»  urfprünglich  auf 
Fittigen  lieh  fortfchwingen? 

Homer  hat  feiner  in  der  Erzählung  von  Bei« 
lerofon  (II.  6,  155-005)  gar  nicht  erwähnt. 
Belle^ofon  tödtet  die  Chimära  (v.  183),  den 
Götterzeichen  vertrauend :  wobei  Villoifons 
Scholiaft  anmerkt ,  dafs  nichts  von  der  Hülfe  des 
Pegafus  gefagt  werde.  Endlich  den  Himmlifchen 
allen  verhafst  (v.  200),  durchirrt  er  einfam  in 
Kummer  die  alelTche  oder  Irrflur  ^  feiner  Kinder 
frühzeitigen  Tod  betraurend. 

Euftathius  glaubt  fich  durch  diefes  Stillfchwei« . 
gen  zu  dem  Urtheile  berechtigt:  "Den  Herab- 
**fl;urz  des  Bellerofon  vom  luftfliegendeir  Pegafus 
^^utnd  feine  Blindheit  habe  Homer  nicht  gekannt; 
'^eben  fo  wenig ,  dafs  Pegafus  von  der  Gorgo 
<*gebohren  und  geflügelt  gewefen;  noch  daft 
"er,  vom  zürnenden  Zeus  mit  der  Bremfe  ver- 
*« folgt,  den  Bellerofon,  der  in  Zeus  Wohnung 
**geftrebt,  abgeworfen;  oder  dafs  Bellerofon, 
'* auf  dem  Pegafus  fch webend,  Blei  in  den  Rachen 
"der  Chimära   geworfen,  "welches   in    ihrem 

Q3 


^46     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    I.  B. 

"Feuerhauch  fchmelzend  fi^getödtet;  und  was 
"  fonft  die  fchamlofen  Fabeln  melden.  „  Gewifii 
ift,  wenn  auch  Homer  in  der  kurzen  Anführung 
der  bekannten  Völksfage'den  Pegafus  nur  über- 
ging, fo  bleibt  doch  der  erfte  fiebere  Zeuge 
Heüodus. 

Diefer  erzählt  in  der  Theogonie  (v.  278), 
die  fterbliche  Gorgo  Medufa  fei  von  Pofeidon 
gefcbwängert  worden,  wahrfcheinlich  in  Kofi- 
geftalt, 

Aaf  fanftgrafiger  Wief,    111   des  Früblinges,  Blamenge* 
wiinmel; 

tmd  als  Perfeus  fie  enthauptet,  fei  hervorgefpran-» 
gen  der  grofse  Chryfaor,  und  der  Gaul  Pegafo^ 
von  den  nahen  Quellen  des  Weltilroms  Okeanos 
fo  genannt :  , 

X*ä  fisv  aTroTrrapevas f  ^ffOÄiTuv  x^oveit  feiyrifi»  li^Ka^^ 

V     BffOVTtiv  TS  XB^ovnvTM  ^sfuv  Uli  finnoevTh 

Diefer  y   im  Flug  (ich   erhebend  vom    beerdeweidenden 

Erdreich, 
Kam  zu  der  Götter  Gefchlecht,   und  vrohnt'  im  Falafie 

Kroiiions, 
Tragend  den  Donner  und  Bllz  für  Zens ,  den  walteuden 

Herfcher. ' 


SeCHSüNDDREISSiGSTER  BR,      ^/ff 

Er  entflc^  alfo,  aber  wie  die  anderen  unfterb- 
lichen  Roflet  in  jerfer  Zeit,  als  ftUrniifcher  Luft- 
wandler  ohne  Beflugelung. 

Pindar  zuerft  nennt  ihn  (0/.  13,  122)  J^nw 
wrtffosvray  Hit  geflügeltes  Roß  9  worauf  Bellero- 
fon  aus  der  Luft  die  Amazonen , '  die  feuerliaa- 
chende  Chimära,  und  die  Solymer  bekSmpft 
habe»  und  fügt  hinzu  (v.  131): 

^  Tay  i*tv  OvÄ,vftvifi  Karvea 
Zffv«c  ofx^^f-  ^^xoyr«f. 

Jenen  im  Olympos  drsraf 
Smpfangen  Zeus  uralte  Krippen. 

Auch  das  Beiwort  geflügelt  kann ,  wie  wjr  gcu 
fehn  haben,  noch  bildlich  von  dem  Schwünge 
des  luftwandelnden  Götterroües  gebraucht  wor- 
den fein« 

Unverblümt  fpricht  Euripides  von  des  Pegafus 
Fittige  in  den  Worte»,  welche  Bellerofon,  zum 
Himmel  auffliegend,  ausruft: 

A»f,  theurcr  Fittig  mit  des  Pcgafost 

Der  Scholiaft  des  Ariftofanes  hat  diefen  Vers  zur 
Erläuterung  der  Stelle  (Pac,  75),  wo  ihn  der 
Komiker  auf  feinen  himm^lfahrenden  Rofskäfer 
anwendet,  beigebracht,  und  meldet,  d^fä  auch 

Q4 


/ 


3t48     MYTHOLOGISCHER  BRrEFE    I.  B. 

der  732  Vers  des  felbigen  Luftfpieles  dem  Belle- 
rofon  des  Euripides  angehöret 

Gefchirrt  am  ^ageii  Zeus  trägt  er  den  Bliz. 

Ein  Ehrenamt  9  das  dem  Pegafus  fchon  Hefiodus 
in  der  obigen  Stelle  anwies.  *) 

Im  Oreftes  (v.  1004)  erkennt  Enripides  dnrch 
den  Ausdruck,'  f/«vo9r«Aov  sit  Au,  zur  ringauHgen 
Eos,  auch  die  fpätereSage,  dafs  Zeus  den  Pega- 
fus der  bittenden  Eosgefchenkt  habe,  um  leich- 
ter mit  ihm,  fahrend  oder  reitend,  den  täglichen 
Umlauf  des  Himmels  zu  vollenden.  Von  diefer 
Vofftellung  kömmts,  dafs  Seneka  {Troas  383) 
der  Zeit  einen  ptgaßfchen  Sthritt  beilegt:  mer- 
ken Sie,  einen  Schritt;  denn  auch  geflügelt 
hörten  die  GötterroITe  nicht  auf,  Luftwandler 
zu  fein. 

Des  Pegafus  Aufnahme  an  Zeus  olympifchi 
Krippen f  wovon  Pindar  redet,  war  wohl  eigent- 

*)  Dicfes  Fragments  erinnerte  fich  Herr  Heyne  wohl  nicht, 
Skis  er  in.  feiner  Cornmentatio  de  Tbepg»  Heß  p.  143 
folgendes  Commentum  hinfchrieb :  Quod  Pegafus  fulmeu 
Jovi  miniflratj  ab  aliis  foetis  non  adoptatum  eß:  wel- 
ches im  Hermannifchen  Handbuche  (i  S.4ox}  wieder- 
tönt. Nicht  einmal  als  Laftträger  für  einen  ordnenden 
Baumeifter  find  jene  Herren  mit  Sicherheit  anzuftelleu. 


SECHSUNDDREISSIGSTER  BR/    1\49 

lieh  nur  die  Fabel  des  Hefiodos  und  Euripides, 
da  der  Pegafos  zur  Ehre  eines  Donnerroffes  erho- 
ben ward.  Die  fchon  erweiterte  [Sternkunde  aber 
der  pindarifchen  Zeit  entlehnte  die  Fabel ,  und 
verftand  tieffen  Verfezung  unter  die  Geftime. 
Man  weifsy  dafs  den  Alten  nicht  nur  die  Sterne 
überhaupt  von  Meerdünften  (ich  nShrten,  fon- 
dern befonders  die  Thierbilder  auf  der  Himmelsau 
weideten.  Dies  bemei'kt  Spanheim  bei  Kalli- 
machus  Hymne  an  Artemis  fv.  164),  wo  die 
Nymfen  den  abgefpanneten  Hirfchen  der  Jagd- 
göttin reichlich  vortragen  aus  der  Wiefe  der 
Here  gefammelten 

'Hxv^oov  TfiTcrJfAoV)  B  nett  Ai0C  Ixwoi  g^nfftf 

Lauf  beflügelnden  Klee ,  den  auch  Zeus  Rofle  geniefsen. 

Kallimachus  indefs  meint  nur  das  gewöhnliche 
ambrofifche  Futter  der  Götterthiere ,  welches  die 
Späteren  aus  den  Infein  der  Seligen  im  weftli- 
chen  Oceanus,  wo  bald  Kronos  Herfchaft,  bald 
Zeus  Ruhekammer  an  den  Ambrofiaquellen ,  und 
Herens  Garten  gefabelt  ward ,  hernahmen. 

Das  bezeugen  folgende  Fragmente  bei  Athe-' 
Daus  (7,  12  p.  296):  das  erfte  aus  dem  Fifcher 
des  Aetolers  Alexander  unter Vhiladelphns,  wel- 
chem Glaukus  durch  den  Genufs  des  Krautes 
zum  Meergotte  ward, 

Q5 


aSO     MYTHOLOGISCHER  BRipPE  I.  B# 


£v  MatHagm  vijcotct  Ktrij   ^vsi   sitigt  yxtif, 
'TA>f  vcctsrxacoiVf  ha  igoi^ov  eKTSAiffufftv, 


-.  das  dem  leachteuden  Helios  auf» 

fprofsc 
Iii  der  Seligen  Infeln  der  einfache  Boden  des  Frählingi. 
Aber  Helios  reicht  die  ilärkende  Speife  den  RofTen, 
Aus   dem  heimifchen  Walde,   damit  fie  vollenden  die 

Laufbahn, 
Ungefchwächt ,   und   nicht   auf  dem  Weg'  Ermattung 

de  fafle. 

Das  zweite  aus  dem  Samier  Aefchrioni  wo  zu 
Glaukus  gefagtwird: 

-  KOSt    B6U9 


du  fandft 


Der  Götter  Gras ,  das  Kronos  einft  gefat» 

Jene  Wiefe  befchreibt  Klaudian  (aa,  467)  als 
den  Garten  des  Sol,5  wo  funkelnde  Blumen  und 
Kräuter,  vom  einhegenden  feuerftrom  getränkt, 
den  Sonnenroffen  «ur  Weide ,  und  ihm  felbft, 
wie  dem  Lucifer  und  der  Aurora ,  ^u  Kränzen 
auffproffen. 


SBCHSUNDDREISSIGSTJCR  BR.       fljl 

Pindars  Scholiaft  wird  diirch  den  Namen 
Krippe  verführt,  die  Krippen  der  Efetein^  ein 
ganz  verfchiedenes  Geftirn,  einzumifcben.  Beffer 
erklärt  Aratus,  und  mehrere,  wie  Hyginus  (^Poei. 
aflr.  2,  li)  bezeugt,  das  Sternbild  des  Pferdes  für 
den  Pegafus,  der,  nach  Abfchütteulng  des 
Bellerofon,  auf  dem  Helikon  die  Hippokrene 
(andere  nennen  noch  andere  Quellen)  mit  ge- 
waltigem Huffchlag.als  Luftrenner  öfnete. 

Und  wie  erfcheint  diefes  Pferd,  Pegafus 
genannt,  auf  den  alten  Sterntafeln?  Ohne 
Flügel.  Emtoftbenes  fagt  deswegen  (j:ataft.  ig) 
dafs  einige,  weil  das  Pferd  nicht  geflügelt  fei, 
die  Fabel  des  Pegafus  nicht  anwendbar  fanden. 
Nemlich  an  den  geflügelten  Pegafus  ihrer  Zeit 
gewöhnt,  miskannten  fie  das  alte  Sternbild,  das' 
aus  Zeiten  de^  ungeflügelten  Pegafus  ab« 
flammte. 

Nach  einer  Fabel  bei  Villoifons  Scholiaften 
(IL  I,  266)  entftanden  die  Kentauren  aus  der 
Liebe  Ixions  und  der  Dulis,  indem  der  geflügelte 
Pegafus  in  der  felbigen  Nacht  die  empfangene 
Frucht  f äifchte.  Das  Beiwort  geflügelt  kann 
nur  ätherifche  Schnelle  anzeigen,  fonft  hätten  mit 
dem  Rofsleib  die  Kentauren  auch  Flügel  geerbt. 

Pegafus  hätte  demnach  kein  Vorrecht  auf 
Beflügelung    vor  anderen    dämonifchen  Roi^en, 


35^     MTTHOLOGIJSCHKR  BRIEFE  I.B. 

fondem  gleich  jenen  bekam  er  zuerft  in  bildlicher 
Sprache  aUegorifche»  dann  allmählich  durch 
Kunftwerke  wahre  Fittige* 

Dies  beweift  auch  dieGefellfchaft,  in  welcher 
ihn  Oppian  (  Cyneg.  i,  231)  aufführet: 

AaAoc  vvtg  TTOvroiOf  xat  h  rs^dn'vy  thißVMV* 

Lief  doch  ein  Rofi  auf  Aehren  dahin  mit  fchvebenden 

Fufsen; 
£ine»  aach   über  das  Meer,  felbft  ohne  den  Haf  za 

beuezen; 
Ueber  Gewölk  hat  ein  Rofc   den  Mörder  getuhit  der 

Chimära. 

Und  bei  Aufonius  (e/)ito|)Ä.3S)  wird  ein  bertthm- 
ter  Wettrenner  angeredet:  Wandle  zu  den  ely- 
fifchen  Fufsgeflügelten,  um  mit  Pegafus  vereint^ 
mit  Arion  und  dem  kaftorifchen  Cyllarus,  zu 
rennen. 

Nicht  der  Bildner  einmal  beflügelte  den  Pega« 
fus  beftändig.  Spanheim  in  feinem  vortreflichen 
Werke  vom  Gebrauch  alter  Münzen  (^dijf*  5.  XL 
^•275)  zeigt  drei  korinthifche  Münzen,  zwei 
mit  einem  geflügelten  Pegafus ,  weichen  Bellero- 
fon  zäumt ,  die  dritte  mit  einem  ungeflügelten, 
den  der  felbige  am  Zügel  hält«  Und  es  fragt  ficb^ 


SBCHSUNODREISSIC3STER  BR.      353 

ob  auf  den  Münzen  der  korinthtfchen  Pflanzftadt 
Syrakufä»  i'^^  häufig  einen  geflügelten  Pegafus 
darbieten ,  nicht  auch  manches  Rofs  ohne  Fiügel 
einen  Pegafus  vorftellen  foU.  Wie  es  .dagegen 
gewifs  i&9  dafs  nicht  jedeis  Bild  eines  geflügelten 
Roffes  den  Pegafus  vorftelle.  Auf  einer  agrigen- 
tlnifchen  Münze  z.  B.  bekennt  Spanheim  (^nutn» 
ant.  8  >  12  f.  553),  in  dem.  geflügelten  RofTe  mit 
einem  Palmzweige  auf  dem  Haupte  nichts  anders 
2U  finden,  als  ein  fiegendes  Rennpferd. 

Es  krSnke  Sie  nicht,  mein  Freund,  den  alten 
Pegafus  feiner  Fittige  entledigt  *  zu  fehn.  Nicht 
Ehre  wahrlich ,  fondern  Erniedrigung  fcheint  es, 
ihm  unter  feinen  gemahnten  Brüdern  fo  wenig 
ätherifchen  Stof  zuzutraun ,  dafs  er  allein  tra- 
gender Fittige  bedurft  habe. 


XXXVIL 

iLiin  nngeflügelter  Pegafus!  rufen  Sie  mit  fchalk« 
hafter  Verwunderung,  als  ob  Sie  glaubten.  Ich 
mufs  Ihnen  wohl  die  Sache  noch  nSher  ans 
Herz  legen. 

Soll  denn  Pegafus  nicht  einmal  die  Leichtig- 
keit des  goldwoUigen   Widders  gehabt  haben^ 


1154     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   I.  B. 

der  ohne  Fittige ,  mit  zwei  Reitern  befchwert, 
durcli  Waffer  und  Luft  wandelte?  Das  wäre 
doch  fchimpflicü!  ^ 

Wenn  die  ^Itefte  Fabel  von  Hyginus  (/.  igg) 
und  dem  Scholiaften  des  Germanikus  (  aries  )  er- 
halten ward;  fo  erzeugte  den  berühmten  Widder 
der  Meerherfcher  Pofeidon,  der  feine  Geliebte 
Theofane  in  ein  fchönes  Schaf  und  fich  felbft  in 
einen  Widder  verwandelte.  Alterthümlich  genug 
fieht  der  Roman  aus.  Ein  goldenes  Vliefs  gaben 
ihm  bereits  Hefiodus  und  Pherecydes  {Eratoflh. 
cataß*  19  D>  wovon  er  gewöhnlich  den  Namen 
Chryfomallas  führt.  Akufilaus  dagegen  beim 
Scholiaften  des  Apollqnius  (4,  1147)  fagte, 
*o^(pv^sv^ijviit  otwo  Tifc  S^aAflfff-ffjfCt  es  fei  gepurpert  aus 
dem  Meere.  Und  wie  derfelbe  Scholiaft 
(4,  177)  bezeugt,  nannte  es  Simonides  bald 
fchimmerndf  mvkovj  bald  purpurhell,  vro^:pv§av. 
Womit  der  SchoUaft  des  Eurlpides  (M^rf.  5) 
einftimmt ,  Simonides  fage  im  Hymnus  an  Pofei- 
don, das  Vliefs  fei  von  den  Purpurfchnecken  im 
Meere  gefärbt  worden.  Ohne  diefe  Beftimmtheit 
der  Purpurfarbe  würden  wir  im  Altare  des. 
Dofiadas  den  vo^ipv^eoQ  xf/oc,  wie  Saimafius  an-, 
merkt,  für  einen  glänzenden  IVidder  erklären 
dürfen:  da  bekanntlich  Purpur  bei  den  Dichtern 
zuweilen  nur  Glanz  andeutet. 


'     SrBBENUNODREISSIGSTER  BK.      255 

In  der  älteren  Erzählung  könnte  der  Widder, 
durch  Gunft  feines  Erzeugers,'  ein  blolser  Meer- 
wandler  gewefen  zu  fein  fcbeinen.    Denn  PJndar 
lägt  iPyth.  4,  387),  durch  ihn  fei  Frixns  aus  dem 
Meere  gerettet  worden.     Und  Eratofthenes  vom 
SternbUde  des  Widders:   «Diefer  ifts,   der  den 
«'Frixos  hindnrchtrug  und  die  Helle.  ....  Sie 
«dorchtragend, durch   die  Meerenge,  die  nach- 
«mals  nach   ihr  Hellespontos  genannt   wurde, 
"warf  er  die  Helle  ab,  und  verlor  ein  Hörn . . .[ 
"Den  Frixos  aber,   in  das  euxinifche  Meer  ihn 
«  rettend ,  trug  er  hindurch  zum  Aeetes.    Diefem 
"gab  er  in  Zeus   Tempel  fein  goldenes  Vliefs 
"zum  Andenken,  und  fti^,    unfterblich  wie  er 
"war,  zu  den  Sternen:  daher  fein  Schein  dunke- 


«« 


*'lerift. 


>» 


Aber  der  Umweg  durch  das  enxim'fche 
Meer  beweift  nur,  dafs  der  mit  Verftand  und 
Rede  begabte  Widder,  eben  fe  klug,  als  unfer 
Hermes  auf  der  Reife  nach  Ogygia,  der  lockeren 
Luftbabn  die  bequemere  Wafferbahn  vorzog. 
Gefchicklichkeit  im  Luftwandeln  bewies  er  j» 
hinlänglich,  indem  er,  feiner  Goldhülle  entladen, 
zum  Sternhimmel  emporftieg,  wo  Klaudian 
(22,  463)  fem  Hörn  mitRofen  umwunden  fah. 
Auch  als  er  die  beiden  Gefchwifter  dem  Hafe  ihrer 
.  Stiefmutter  entrückte,  mu&  er  Luftfprünge  ge. 


ajö     MYTHOLOGISCHERBRIEFE   I.  B. 

macht  haben.  Es  kann  alfo  wohl  nicht  fUr 
neuere  Fabel  gelten,  was  Apollodor  (i,  9,  i) 
berichtet,  der  Widder  habe  fie  durch  die  Luft 
über  das  zwifch^nliegende  Land  getragen,  und 
über  das  Meer;  oder  Lucians  Ausdruck  (^de  afiroL\ 
er  habe  den  Frixus  durch  den  Aether  geführt. 

Bei  Valerins  Flaccus  (^Arg.  i,  agi)  nimt 
der  Widder  fogleich  den  nächften  Weg  zum 
ägäifchen  Meer,  und  erreicht,  auf  den  Wogen 
trabend,  endlich  den  Hellespont.  Denn  Orfeus 
fingt : 

Aureus  ut  juvenem  miferantibus  intulit  undis 
VeSoTy  ^  adßriitis  ut  fedit  cotnUms  Helle. 
Sehern  Aurora  viaSy  totidemque  feregerat  umhras 
Luna  folo;  dirimique  frocul  non  aqfwre  vifa 
Ogperat  a  gemina  difcedere  Sefios  Ahydo. 

Wie   der  goldeoc  ,  Widder  in  jammernde   Wogen  dm 

Jüngling 

Eintrug,  und  wie  Helle  mit  feft  umfchlangnem  Ge- 
hörn fafs.    , 

Sieben  vollbracht'  Aurora  der  Weg',  und  (leben  der 
,  Schatten 

Luna  am  Pol;  und,  die  ferne  von  keinem  Meere  ge- 
trennt fehlen, 

Seftos  begann  zu  verlauf  n  die  Zwilliugsfchwefter  Abydos. 

Aus  keiner  anderen  Urfache,  als  weil  man  die 
Reife  des  Widders  fich  grö&tentheils  auf  dem 


SIEBENUNODRElSSldSTER  BR.      357 

Meere  vorftellte,  wird  Frixus  vom  Statins 
{Theb.  5,  485)  aequoreus,  der  Meerwanierer^ 
genannt. 

Unter  den  herkulanifcben  Altertbümern  findet 
fich  (  Tom.  3.  tab>  4)  ein  Gemähide  des  meer- 
wandelnden Widders,  Mit  den  Hinterfüfsen  trit 
er  die  Wogen  uneingetaucht,  und  erhebt  die 
vorderen  zum  Lauf.  Frixus,  den  einen  Arm  um 
den  Hals  ihm  fchlingend,  reicht  der  finkenden 
Helle  die  Hand;  umher  fchvvimmen  Delfine, 
die  jenfeitigen,  mit  verlezter  Perfpeftive,  wie 
am  Himmel, 

Sehen  Sie,  das  that  der  Widder,  ohne  den 
armfeligen  Behelf  von  Fittigen,  die  Sie  Ihrem 
Pegafus nöthig  zu  fein  wähnen! 

Und  wofür  halten  Sie  die  ehrbaren  EfeteiHf 
worauf  Dionyfos,  Hefäftos  und  die  Satyre  zum 
Kampf  gegen  die  himmelftürmenden  Giganten 
der  fpäteren  Fabel  ritten?  Nicht  gezweifelt! 
Eratofthenes  {catafi.  II )  und  Hyginus  (^Poeh 
aflr.  2 ,  23 )  fanden  den  Ritt  in  den  verlorenen 
Gigantomachien  bezeugt.  Luftwandelnde  Götter 
gegen  Himmeiftürmer ,  denen  die  Mahler  zu 
ihren  Drachen  flifsen  auch  Flügel  anbefteten, 
diefe  werden  fioh  ja  für  den  entfcheidenden 
Kriegszug  keine  andere,  als  luftwandelnde  Reit« 

R 


5^58     HYTHOLOaiSCHER  BRIEFE   I.  B. 

tiiiere,  gewählt  haben.  Gewifs  nicht!  Tro« 
jenem  9  der  den  Mahomet  in  das  Paradies  trug, 
mufsten  fie,  ob  zwar  flügellos,  mit  gefeztem 
Mut  über  die  Danftluft  einhertraben. 

Das  beweift  auch  die  fpätere  Beflugelung, 
die  man  felbft  ihnen  angedeihn  liefs.  Ariftides 
{Hymn.  in  Bacch.  jp.  53)  bei  Spanheim  meldet, 
Dionyfos  habe  auf  einem  geflügelten  Efei  den 
Hef äftos  in  den  Himmel  zurückgeführt. 

Zum  Lohne  des  gräfslrchen  Gefchreis,  wo* 
durch  fie  die  Giganten  in  die  Flucht  gefchreckc 
hatten,  wurden  fie,  mit  einer  erfreulichen 
Krippe  in  der  Mitte,  unter  die  Sterne  verfezt: 
wo  fie  verklärt,  aber  flügellos,  im  Zeichen  des 
Krebfes  herabfchimmern ,  und  den  Schiffern 
QTheocr.  22 f  ai)  ReiterkeitsLukünden: 

Ex  y  agKTOt  T*  e^gvftvavf  ovw  t*  ecvx  H€€€Qy  »fMvgi^  , 

Hell  ift  der  Bärinnen  Glanz,  ufl(!  zv^Kchen  den  Hfelem 

fchimmert 
Dimkel.dU  Kripp',  anzeigend  die  anfgeheitert^Meerfahm 


/ 
ACHTUNDDREISSIQSTER  BR.       ^50 

XXXVIII. 

xlabe  ichs  Ihnen  nicht  gefagt,  Har^lfiubigert 
Denn  Leichtgläubiger  wollen  Sie  ja  nicht  hörei^ 
wie  gefällig  Sie  auch  den  BeflUgelern  gewefen 
£nd.^  Die  älteften  Götterwefen  in  menfctüicbep 
oder  Thiergeftalt^fo  weit  wir  hinauf feho  konnex^ 
waren  insgefamt  Bi^ellos  ;.  und  weit  gefehltr^ 
dafs  den  Orfikern  ihr  dämonifches;  Geflügel,  zum 
Wahrzeichen,  pelasgifcher  AlterthUmlichkeit  die- 
])e»  beweifet  es  dort  und  allenthalben  Neuerimg 
der  daribellenden  Kqnft ».  woza  bei  einigen  Gott-« 
Reiten  vielleicht  fpKtere  Sinnbildnerei  det^  ägypti« 
iphen  upd  phö^icifchen  Religion  fich  einniifchte» 

Wenn  das  allerdings  gegründete  Vorurtb^it 
ßir  Winhehnann  Sie  noch  fchüchtern  erhält, 
dem  Zeugnis.  Ihrer- Augen  zu  trauen  ;.>  wohlan^ 
fezen  Sie  Simein  eben  fo.  gegründetes  entgegen: 
das  Vorurtheä  fik  unferen  Leifing,  der  gern  mit 
eigenen  Augea^  und  nicht  obenhiOt  zu  fehck 
pflegte» 

Bet  Gelii^genheit  döer  Münze,  worauf  er  dem 
Addifon  und  Spence,  den  Mars  über  die  Rhea 
Silvia-  herabfch weben ^.  oder  vielmehr  durch*  die 
tuft  fchreiteri  zu  fehn,  vielfeicht  mit  Unrecht 
verargt  ^  erklärt  er  im  LaoSoon  (V{I>  diis  Mittsei; 

Ra 


^60     MYTI^OLOGISCHER  BRIEFE    I.  B. 

durch  welche  der  Bildner  fcbwere  Körper  als 
fchwebende  zu  zeigen  verbunden  ift : 

"Doch  ich  habe  noch  eine  andere  Anmerkung 
<* wider  diefes  vermeintliche  Schweben  des 
«>Mars.  Diefe  nemlich;  dafs  ein  fchwebender 
** Körper,  ohne  eine  fcheinbare  Urfache,  durch 
♦*  welche  die  Wirkung  feiner  Schwere  verhindert 
«^wird,  eine  Ungereimtheit  ift,  von  der  man  in 
«den  alten  Kunft werken  kein  Exempel  findet» 
**Auch  die  nene  Mahlerei  erlaubet  fich  diefelbe 
•<nie;  fondern  wenn  ein  Körper  in  der  Luft 
** hangen  foU,  fo  mülTen  ihn  entweder  Flügel 
** halten,  oder  er  mufe  auf  etwas  zu  ruhen  fchei- 
**nen,  und  follte  es  auch  nur  eine  blofse  Wolke 
•*fein*  Weött  Homer  die  Thetis  von  dem  Ge- 
"ftade  lieh  zu  Fuße  in  den  Olymp  erheben  läßt; 

^£0  verftehet  der  Graf  Cnyius  die  BedürfnilTe  det 
f< Kunft  zu  wohl,  als  dafs  er  dem  Mahler  rathen 
JJ^* follte,  die  Göttin  fo  frei  die  l^uft  durchfchrei«* 
*'  ten  zu  laflen.  Sie  mufs  ihren  Weg  auf  einer 
"Wolke  nehmen  (^Tableaux  tiris  de  Vlliaie 
•«j?.  91),  fo  wie  er  fie  eiii.  andermal  auf  einen 
V.Wagen  fezt  (p.  131),  obgleich  der  Dichtei: 
Vdas  Gegentheil  von  ihr  fagt.  Wie  kann  es  auch 
<<Wohl  anders  fein?  Ob  uns  fgbon  der  Dichtef 
"die  Göttin  ebenfels  unter  einer  meafchlicheii 


ACHTUNDDREISSIGSTER  BR«     d6l 

^'Fignr  denken  lätst»  fo  liat  er  doch  klle  Begriffe 
''eines  groben  nnd  fcbweren  Stoffes  davon  ent«- 
^^fernet»  und  ihren  menfclienShnlichen  Kdrper 
**mit  einer  Kraft  belebt»  die  ihn  von  den  Gefezen 
^'nnferer  Bewegung  ansnimt.  Wodurch  aber 
**  könnte  die  Mahlerei  die  körperliche  Figur  einer 
*' Gottheit  von  der  körperlichen  Figur  eines 
'«Menfchen  fo  vorzliglich  uhterCcheiden ,  daft 
^j*<'iuifer  Auge  nicht  beleidiget  wUrde»  wenn  es^ 
"bei  der  einen  ganz  andere  Regeln  der  Bewe* 
"gung,  der  Schwere,  des  Gleichgewichts,  beobr 
** achtet  fände,  als  bei  der  anderen?  Wodurch 
**, anders,  als  durch  verabredete  Zeichen?  In  der 
"That  find  ein  Paar  Flügel,  eine  Wolke,  auch 
"nichts  anders,  als  dergleichen  Zeichen.  Doch 
"von  diefem  eia  mehreres  an  einem  anderen 
«Orte.,,  [ 

Denken    Sie   lieh   alfo,   non  ego  pauperum 
fanguis  panntumf  non  ego,  quem  vocas:  DileBte! 

nein  Er,  den  wir  alle  verehren  ,  Lefling  behaupte 
gegen  Winkelmann,  dafs  Homers  Götter  frei 
durch  die  Luft  wandelten  und  fuhren ,  und  dafs 
es  Bedürfnis  der  bildenden  Künfte  war,  wenn 
ihnen  nachmals  finnliche  Zeichen  des  Schwebens 
und  der  Gefchwindigkeit ,  nemlich  Fittige  und 
tragende  Wolken  und  Windhauche  >  zugefügt 
wurden. 

R3 


V    5 


ÄjSl    MYTHOEOGISCHER  BRIEFE  I.  B. 

O  hätteti  wfr  das  verfpcoctene  Mehrere  rott 
Ihm  felbft,  deffen  lebendiger  Wabrheitsfinn  den 
trockenften  Gegenftändco  FrHcht  und  Lieblichkeit 
mitflieilte  TDie  leichte  Bemerk«ng ,  dafs  zu  weifen 
ein  Künftler,  jener  Könftfegeln  uneingedenk,  auch 
freifch webende  .oder  von  Flügeln  gehobene 
iLufüTcbritte  zu  Bilden  unternahnnv  würde  Ihm 
©icht  entgangen  fein*  *         . 

Ift  einmal  entfchieden^  daß  alle  mahlerifche 
Bpflugelung  bei  den  Dichtern  um  den  Anfang  der 
Tragödie  allmählich  Eingang  fand  j  was  macht 
dann  eine  .geflügelte  Gottbeib  mehr  oder 
V/eniger?  j^Iicht  viel  freilich.  Indefk.  uii;^  ein 
Uiüfliges  Stündchen  zu  vertändeln^  und  etwa  eiJti 
paar  Einfälle,  die  wie  Bemeriungen  ausfehn,  an 
den  Mann  zu  bringen,  erlauben  Sie  mir  das  nächjB:^ 
mal  eine  flüchtige  Mufterung  meiner  aufgefato« 
melten  Flügelgötter^  Zwar:  werde  iqh  nicht 
dafür  einftehn,  ob  nicht  manches  Paar  Flügel 
auch  bei  Q)ätereh  ßicbfeern  bloß  allegcirifcb  ge-* 
ineint  worden  fei*. 


-  y 


0       ,  > 

MYTHOLOGISCHE 

Briefe 


vo« 

Johann  Heinrich  Voss 

ZWEITER  BAND. 


1,%, 


KÖNIGSBERG, 


INHALT 

des   zweiten  Bandes» 


BR«  L  Sammlung  der  geflügelten  Götter»  t.  Durch  fch'^i^ 
bende  Ce^w^andtheic«  Die  NTinde»  2eas »  der  Kegner 
ttnd  Döimeitr»  aus  Zeiten  der  Utifideotangb  Apoll 
mit  Meltos  vermircht.  Die  Uivchx^  £os*  Selene  nnd 
i^ie  D^oikuren»  Neuheit  dct  hoiirerircfaen  tiymncit 
in  betderlei  Gottheitettk  Die  Dtoskntcn  «as  d«r 
2eit  dei  Hefiodns)  dann  mit  den  my^ifchen  Gott» 
heiten  d«V  Samothnicier  ver\>s^echreli ,  Und  unter  dSt 
Geftirne  vtrfett.  Der  homvrifche  Hymunt  an  Area 
nett  Der  Morgenlbrn  >  (^Iter  Auf  ge^^chfeltem 
Kofi.  Die  Birem  Vielleicht  auch  der  Sirint.  Düi 
Heiaden  l>ei  Aefcliylas  noch  ungefedert» 

♦  3 


IV  INHALT. 

BR.  II.  Artemis  als  Jagdgöttin ,  famt  ihren  Nymfen.  Die 
Eutnemcien  nach  Aefchylut  geflügelt  und  fchlangen- 
haarig.  Die  Mören.  Der  himmlirche  See  bei  dem 
Orfiker  ift  der  Oceanus«,  Die  Gorgönen  und  das 
Medufenhaapt.  Hades.  Chaos,  bei  Ariftofanet  aus 
einer  fpäceren  Kosmogonie.  G^ryon.  Die  mit  den 
Ticauen  verwechfelten  himmelftürmenden  Giganten« 
Götterthiere :  die  Sfinx»  die  lernaifche  Hyder»  der 
klazomenifche  Eber  u.  a« 

BR»  UL  Die  Sfinx  bei  HifMdut  von  der  Echidna  gebohren, 
und  uogefiägelr.  Luge  des  Arimerlandes.  Bei  Fifan- 
der  in  der  MaMergeftalt  mit  Dradienfcbwanze,  unge- 
^tfs  ob  geflügelt.  Zweiförmig  genannt.  Nicht 
geflügelt  bei  Pindar  und  Aefchylus.  Bei  Sofoklet 
eine  Jungfrau ,  vermuclicb  mit  Hundeleib ,  mit 
Lew^enklauen  und  geflügelt.  So  auf  Denkmälern 
mit  Veränderungen.  Geflügelt  auch  bei  Euripides. 
.  DeflTen  Neigung  zu  Fltigelgeftalten.  Bunte  FlügeL 
SHnxe  in  mehrerer  Zahl  Bei  den  (päteren  Ktinft- 
lern  gevöhnlicb  mit  «Löwenleibe«  Aegyptifche 
Sfinxe  und  s£nxmänner«  Noch  vüdere  ,  Zufam^ 
menfezungen« 

b£  IV.  a*  Durch  Ättiich«  Flüchtigkeit.  £ro<,  der  uralte^ 
und  der  Sohn  der  Afroditd     P/yche«     Afrodite  auf 


INHALT.  V 

Dcokmileni.  Nike  bei  Ariftolmnet.  Athene  »-Schaxf 
göttia  Athens,  aU  Siegsgöttin.  Diefe  auch  ungt- 
flögelti  Nemefis.  Dike.  Die  Schamhaftigkeit. 
Eirene.  Momoi.  Die  GlücksgÖttiq.  Plutos.  Die 
Hofnungen.  Der  Schlaf  und  fein  Brndcr  der  Tod. 
Die  Triume,  vorunier  Morfeus.  Die  Tugend. 
Karos,  der  Gott  der  Gelegenheit.  Der  Zeitgott 
Chronos.  Der  Tag.  Aatamnas.  Fama«  Infamia. 
Die  Genien.  Dje  finnbildlichen .  Gottheiten  der 
Myftikcr. 

BR.  V.  3.  Durch  Geifteserh^bang."  Die  Mufen;  oft  mit 
nicht  anhaftenden  Flügeln;  oft  mit  einem  Haupt- 
fchmuck  von  Federn.  Die  Sirenen  bei  Homer  an<i 
Hefiodas  zwei  ungeflugelte  Jungfrauen.  Namen* 
Abftammung  vom  Stromgott  Acheloos;  ältere  von 
Forkos.  V^ohnend  aqi  Aetna  beim  Argonautiker 
Orfens.  Bei  Plato  acht  Sirenen  anf  den  acht  Him- 
melikreifen,  die  Sfärenharmonie  anftimmend.  Ihr 
Gefang  fpäter  nur  reizend,  nicht  fchSdlich.  Sirenen 
auf  Sbfokles  und  Ifokrates  Grab.  Geflügelt  bei  Euri- 
pides,  mit  Schwungfolen  an  .itieAfchlichen  Fiifien. 
Bald  nachher  mit  Vogdfdfsen  und  mannigfaltiger 
Misbildung«  MaiinfireneU.  Diele  fpätere  Vogelge«- 
ftalt  ift  Heynen  die  ältefte. 

♦  3 


yi  INHALT. 

BR«  VI.  Paltat  Athene,  Tochter  des  Giganten  Päüat«  ge*- 
hört  iaf  fpäteren  Fabel.  Qb  die  Fittige  ihr«  Vaten 
an  Ihren  Fätsen  GeSfteserhebnn^  anzeigen.  Dionyfot 
hei  Paufitnia«.  Heroldsftab  des  Herme«.  Ein  Zepter» 
ein  Dreifurs  anf  Münzen.  Geflügeltes  Bruftbild  det 
Bacchus  unter  den  herkulanirchen  Altertbümecli. 
Getägelce  Beichahuag  der  baeehifchen  Dichter. 
Mufaos  biegend.  Bild  des  Fluges  von  den  Dichtern 
gebraucht«  J>it  Mufen  mit  Bienen  verglichen.  Stelle 
aus  Piatos  Ion,  Flügel«  I^lld  des  Ruhms  und  der 
Unfterbüchkeit.  Geflügelte  Heroen  auf  den  feligea 
Infelik 

BRt  VII«  Reit«  nnd  Zugthiere  der  Götter.  Das  pDfeido* 
,  nifche  Zweigefpann  de$  Pelops .  und  die  MeerrofTe 
der  Thetts«  Pofeidoas  Ro^e^'n  Platos  Tempel  der 
Atlantis.  Zeai  geflügelter, VTagen,  worunter  ge* 
flugeke  Rofl*c  so  verfteheo.  Später  auch  eigentliche 
Flögeivagen.  Geflügelte  Sonnenrofle.  £oi  reitend 
auf  dtm  Pepfoi  oder  mit  ihm  fabrcad. 

IR.  VIIL    Bos  volfendet  mtt  dem  Sonnengotte  tigUch  dea 

Umlauf  der  Weit.  Traurend  am  Himmel  über  Mem* 

nont  Tod  bei  Quintns  nnd  Philoftrat.     Ericheinend 

jm  Weften«    bei  Quintns,   MuOius  ond  anderen. 

H«Ci   Tageslicht.      Verm|(chnng   alter  und   neaer 


INHALT.  vn 

Veltkandc  bei  fpäteren  Dichtern«  Eos  anch  Hemcrt. 
oder  Tagigöttin  genannt.  Gegend  der  Eos  in  der 
älteren  Bedentang  entweder  •  die-  ganze  erlcuchMte 
Erdfläche,  oder  befonderi  die  (udliche, 

BR.  IX.  Der  Aufenthalt  dei  virgilifchcn  Aeneas  in  der' 
Unterwelt  dauerte  von  der  MorgendMmmcrang  bii 
zur  folgenden  Nacht.  Aurora  in  der  Mitte  des  Lanft 
bedeutet  den  Mitug.  Diefe  avernifciie  Höllenfahrt 
verfchieden  von  Homers  kimmerifcher.  Andere  bei 
ApoUonius  und  Plutarch.  Die  Farben  der  Aurora 
I  gehören  zum  perfönlichen  Schmuck  ohne  Allegorie. 

Heynens  Verwirrungen  und  Widerfprüche  mit  fich 
felbft. 

BR»  X  Luftfahrten  der  Götter  mit  anderen  Flügelthieren 
bei  den  Bildnern.  Homer  und  Hefiodns  kennen 
,  noch  keine  Lieblingsvögel  der  Götter.  Eingefährte 
Pracht  und  Ueppigkeit  anch  auf  die  Götter  überge- 
tragen. Adler  auf  dem  Zepter  des  Zeus;  manchmal 
tragend  ihn  felbft  oder  einen  Angehörigen.  Afrodite 
mit  Sperlingen  fahrend.  Ihr  Taubengefpann  fpiter. 
Vcifse  Tauben,  der  Venus  befonders  heilig,  erft  im 
perfifchen  Kriege  bekannt.  '  Tauben  auf  cyprifchen 
nnd  erycilchen  Münzen.  Taubenfefte  in  Eryx.  Ihre 
Fahrt  mit  Schwänen  nnd  Liebesgottern. 


vni  INHALX 

SK^  XL  Apollon  «af  einem  Schwianenwiigen  be{  Hen  Lyri-> 
kern.  Wichtiges  Fragment  /  das  H^'merio»  jai  def 
Alcäas  Päan  an  ApoUon  anfahrt* 

BR»  Xllf  Gefang  des  Sdhwiins  noch  unbekannt  bef  Homer. 
.  Hefiodus  vermehrte  mit  diefem  die  XÜ^nnder  der 
Weftgegend.  Jugend  des  Heitodns.  Er  kennt  nackte 
Wettkämpfer,  Tyrrhener»  L'gyer  und  andere  vceft- 
liehe  Namen ,  auch  Cyrene,  Kyknos ,  König  der 
Lygier ,  bei  Faethons  Fall  in  einen  Schwan  verwan« 
delt»  Tonreiche  Schwäne  auf  dem  Weltllrom  Oke«* 
notf  Ligyen  und  der  Eridanu«  und  der  Sh  diefer 
Fabel  auch  bei  Späteren.  Singende  Schwäne  an 
Apollons  Feft  bei  den  Hyperboreern,  Per  Schwa» 
»Is  Gefangvogel  Apollons  in  nähere  Gegenden  verfezt* 
Per  bomeridifcbe  Hyrnnus  an  Apollon  ift  neu»   ' 

BR*  XÜL  Bedingungen  für  den  Schwanengefang.  Er  Hngt 
flerbend;  welches  von  fpäteren  bezweifelt  oder  ge» 
leugnet  wird.  Einigen  Icife ,  ändern  mit  hellem 
Getön  ^  andern  des  Morgens  und  bei  Wjndftille»  ^ 
Oder  die  Flügel  ertönen,  entweder  allein,  oder  mit 
Hülfe  des  Zefyrs,  nnd  nur  im  Frühling.  '  Arifto- 
faiies  Fliigeirymfonte  der  Schwäne»  Meinangen  der  • 
Neueren*    Schwäne  in  Chantilly* 

Bit  XIV»  Dßt  Pfau  In  der  Gefchichte  de<  Argot  kommt 
zuerft  vor  bei  Moicbut»  Er  ward  den  Griechen  zuerft 


INHALT.  IX 

4<irch  die  fumirchen  Priefter  der  Her«  belunnc,  dif 
fhn  tls  tili  Gerchöpf  der  Göttin  ernührten.  Seitdem 
all.  Liebliugcvogel  der  Here  gebildet  und  befangen« 
.  Seltenheit  des  Pfaus  zur  Zelt  des  Sokrates,  ond  felbft 
der  fpäteren  Komiker.  Aus  Perfien  eingeführt* 
Prunkvolle.  Befchreibiiflg ' des  Pfkui  bei  Tcrtolliatu 
Bemerkong  darüber*    \ 

.BIU  XV»  Demeter  vandert  zu  Pois  in  Homers  Hymne  m 
Demeter  und  bei  Enripides.  Schon  bei  Hefiodns 
hatte  Demeter  in  Elenfis  einen  geweihten  Drachen, 
vermutlich  als  myftifche  ErdgBttin.  Schlangen  der 
Erde  heilig  ond  weiflagend.  Demeter  auf  einem 
Drachenwagen  zuerft  in  den  orfifcheu  Hymnen.  Auf 
diefem  vollführt  fie  bei  fpftteren  Dichtern  den  gröfsten 
Theil  ihrer  Irren,  So  auch  auf  Mönzen.  S{>äterc 
Drachenf«hrt  des  Tripiolemos,  der  Medea,  derCirce» 
iiti  Kadmns  und  der  Hatmonia  nach  Etyfiom*    Zeng* 

M  :* .  ,..  nifie  der  Alten  von  geflogelten  Schlangen. 

WL  XVI*  VervielHlltigung  heiliger  Zugthlere  anch  dnrcK 
die  Ma(chinenmeifter  der  Bahne*  Okeanos  nnd  feine 
Töchter  mit  Greifen  fahrend*  Greife  als  Goldwflchttr 
xuerft  mit  anderen  VTnoderfagen  des  oeoentdeckten 
lOTeAeus  bei  Hefiodus*  Erzählung  Herodott  von  der 
SeefiUiri  da  Stmlcn   Kolihu*      Herodoc    erkennt 

*s 


X  INHALT. 

Hyperboreer  und  Rbipäen  nicht  mehr  4in  heften« 
«bglcich  Pindsr  und  Aefchylus  (ie  '  beiliehalteap 
Irtfaam  Ton  Pauv  und  Heyne,  all  habe  Aefchylae 
die  Arunaipen  und  Greife  in  den  Often  verfezt. 

.BR.  XVn.  Erläuterung  der'  lezteh  Irren  der  lo  im  gebaa- 
denen  Prometheus.  .Lücke  in  der  Stelle.  Der  Fafis 
noch  der  alte  Grenzftrom  Europas  und  Afiens,  vel» 
chei  aus  z^gc^i  znfam mengehörenden  Fragmenten  dea 
gtlöften  Prometheus  erwiefen  wird.  Erklärung  der^ 
felben.  Der  Strom  Okeanos  zum  Meer  erweitert. 
Teich  des  Helios  das  dunkel  gekannte  kafpifche  Meer, 
noch  von  Späteren  Teich  genannt.  So  auch  der 
arabische  Meerbufen  als  Landfee ,  und  der  Nil  alf 
Grenze  xwiicheu  Libyen  und  Alien  gedacht ,  Hoch 
•  in  Alexanders  Zeiten.  Die  ans  dem  Tartaros  ge- 
löften  Titanen  wohnend  im  Often  bei  ihrem  Bruder 
Helios,  wo  fic  nach  einigen  fchon  vor  ihrer  Ver* 
liofiung  wohnten.  Zwiefacher  Uebergang  der  !• 
über  Meerengen,  die  kimmcrifche  und  di» 
akrakirchc. 

IR.  XVIIL  Weftlicbc  Wanderung  derfelben.  For  Kit- 
tkenc  tft  Kynete  zu  lefen»  wo  die  Fabel  »och  kirn- 
Mtnichf  Nacht  annahm.  Völker  im  finfserfteu 
Weiea  kei  Herodot  Bttd  andern.   .Der  R|iodanait 


INHALT.  XX 

mit  dcfn  Bernfteinftrom  Erlduiof  rtrwtMth^  la 
den  Occau  aosftrSmend.  Grien.  Gorgonem  Greife 
ond  Arimüfpen  immer  ca  den  Hyperboreern  und 
Rhipäen  gefeilt,  znerft  im  heften ,  noch  bei  Pindur« 
Herodot  hat  anftatt  der  Hyperboreer  Kelten  und 
anftatt  der  Rhipien  Pyrene.  Die  Kelten  von  Scymum 
vic  die  Hyperboreer  btlchrieben.  Auch  fpäcer 
blieb  manches  von  der  alten  Anordnung.  Fiagment 
ans  der  endoxifchen  Erdkunde.  Sage  von  der  £in«  - 
»ahme  Roms  durch  die  Hyperboreer.  Verfcb'edenc 
Theiic  der  rhipiifchen  Berghctte  In  der  orfifchen 
Argonantik.  Flegra  einerlei  mit  Pyrene.  Der  Gold- 
Krom  Pluten  der  TartefiM»  delTen  gepriefene  Reich» 
thümer  fich  mit  den  Uteren  Fabeln  vom  Eingänge 
dei  Erebni  vcraitfchM«.  ZcogoMTe  der  Alten  vom 
Keichthnme  dfeier  Gegend.  Hadei  fpaccr  Pluton 
genannt.  Jünger  demnach  die  orifchen  Hymnen, 
worin  diefer  Marne  vorkommt.  Arimafpifche 
Schaze  noch  bei  Späteren.  Libyen  fcfaien  den  Alten 
durch  den  Ocean  fehr  ^nikmmengeeag^  Nur  diefen 
«fabelhaften  Streif  hielten  fie  fiir  mnichift.  VTon- 
dcrqnellcn  dci  Helioi.  Der  Fhifir  Aetbiqpi  oder 
Niger.  ^ 

'BR*  XDC    Helioi   wohnt   nicht,  wie   Heyne   will,   im 
Veftcn»    Ibadera  am   öftlicbcn   Rande  dar   Crd> 


XII  INHALT.    , 

'icheibe.  Beveife»  Neoere  geben  ihm  mich  einen 
welUichen  PaUaQ:  zum  Einkehren«  Daher  Helio9 
mit  veftlichen  Greifen  fahrend*  Auch  der  zum 
Sonnengott  urpgedeutete  Apollon.  Greife  auf 
VTaffeu»  Ihre  Geftalt.  Warum  pferdefcheu,  Grelf- 
;  Met.  und    andere    vermifchte    Thiergeftahen    des 

Aeichylni  von  Ariftofanes   verrpottet.    Viele  davon 
vielleicht  morgenlandifchen  Urfprnngt* 

JBK»  XXm  Beförderung  der  Luftfchritte  durch  Winde,  veran* 
lafst  vielleicht  durch  Misdeutung  Homers.  Schon  bei 
Aefcbylus ,  und  in  fpäteren  Kunftwerken*  'T^tfvffuoQ 
brauchen  fpätere  01chter  oft  vom  Luftg^inge.  Vor- 
gefpannte  Windgöcter  bei  'Qutntus  von  Smyma. 
Merkurs  treibender  «Wind  bei  Virgil.  Hfyneni 
Widerfprttch  mit  (ich  felbft.  \  Aehnliche  Stelen  bei 
Horaz  und  fpäteren.  RomHchen  Dichtern.  Bei  Klau- 
dian  nnd  auf  einem  Denkiiiale  drei  Erhebungsmittel 
zugleich ,  ^eflugclnng ,  Windhauch ,  nnd  Wol- 
kenbafan. 

BR.  XXI.  Wolkenbahn  von  fpäterer  Erfindung.  Ares  bei 
Homer  von  einer  Wolke  aufgenommen,  ^eW  die 
Wunde  ihn  fch wachte.     Afrodite  im  homerfdifchen 

^  Hymnus  enteilt  durch  die  Wolken,  nicht  auf  den  Woi- 

.  ken.    Auch  in  Euripidcs  Faethou  ßhn  der  Sonnca» 


INHALT.!  xiir. 

vagen  noch  änf  der  Dnnftlafr.  Erf^rang  der  Stelle 
aos  der  N^tarlehre  des  Anaxagoras«  Bei  Apolloniuf 
zueril  tragetiflei  (ve^^^dlk*,  vennatlich  fiacb  KSnftlern. 
Beüpiele  ans  Kundwerken ,  obgleich  mit  Aauiahme« 
-  Aehnliche  Steti^i,  aus  Quintasand  Virgtl«  Iris  aof 
farbigem  Bogen «v^delnd.  Klaadiant  Winter.  Die 
Sonneiifahrt  durch  den  Thierkreif«  Ovids  Gemählde 
'-  des  Fsethon«  ^ . 

IR.  XXIL  Auch  die  göttertragenden  Meernngeheaer  Er« 
£ndung  der  bildenden  Kanft.  In  Arions  loblied« 
ift  PofeidOt^  von  gewöhnlichen  Seethieren  amgeben* 
Bei  Anakreon  fahren  die  Eroten  auf  Delfinen.  In 
Pofi^idons  Tempel  bei  Plato  geflügeltes  La ndrofle  vor 
defTen  SV^gen ,  die  Nereiden  nm  ihn  auf  Delfinen» 
Die  gefiägelten  EolTe  der  Thetis  auf  dem  Kaften  des 
Cypfelus  auch  ntxr  Meerwandler.  Die  Tritonen  vor 
dem  Throne  des  amykläifchen  ApoHen  wahricbein- 
lich  fchon  Halhfifche.     Bathykles,   der  KiiiiAler  def 

^'         Werkt  y. lebte  nicht  vor  Kröfuf« 

BIL  XXüf.  Triton,  Cott  des  libyfchen  Sees ,  nicht  a6- 
bekannt  dtm  Homer ,  befchrieben  von  Hefiodat« 
Hernach  einer  der  unteren  Meerdämonen.  Trico« 
nen,  als  Schwimmthiere ,  dieuftbar  den  Nereiden 
in  den  orfifchen  Hymnen«      Getödet  von  Skopgt. 


XIV  INHALT. 

tVitoiit  Geftiilt  bei  Apbilonlatt  «Icr  Trftooen  \^ 
Pftttfaniaf.  Schneckenblirer  xaerft  bei  Moichof^ 
Dennoch  erfcheiac  Triton  «nch  bei  Spiterfii  mit 
KolTen  fahrend»  Vorftcllungen  Auf  DenkoiühJern 
mit  verschiedenen  Abenderuiyen  •  fogar  mit  KoA» 
fafsen  >  wie  üt  Klaadien  aiifnabniB 

BR»  iCSCiV.  Claukut» .  ein  fpiterer  Mecrgött»  .  gleich 
Anfangs  als  Halblfch*  Von  den  Myftikern  nichc 
gebraucht.  Von  Dichtern  in  ültere  Seiten  verfeit«^ 
Veiflagcnd»  Ovids  Befchreibang.  Vorftelhuig  bei 
Pbilollrat  und  auf  einem  Denkmal»  Bei  Spiteren 
xnveilen  ohne  Filchfchvsrans  und  tanzend.  Proteus» 
in  der  alteren  Fabel  ein  Meerherot)  von  deti  Myfti» 
kern  2um  Siunbilde  dts  rohen  Urftofc  umgedeutet» 
Beine  Geftalt  bei  Homer  menrchlich»  nachmall 
tntt  Schuppeu .  bedeckt »  bei  Mahiern  auch  llfch* 
fchwänzig^ 

SR*  XXV.  Auch  die  Ausfchmvckniig  der  ^aflergSttit 
mit  Md^rerteugniflen  erfanden  die  Mahler*  Homeri 
^ofeidon  dunkeigebckti  ftlau  beeei^net  entweder 
dai  meerfarbene  Haupthaar«  die  Angen  und  dai 
Gewandt  oder  die  blanfchuppige  Haut.  Leiter« 
nahmen  die  Dichter  felmer  auf»  Beifpielev  Dit 
Vaflergdtter  ancb  g^ün,   catwtdcr  «on  der  Meer» 


INHALT.  xy 

'  färbe    det    Hanri'  oder    von    cnltifiefKlcm   Moofe. 
Mufchel  -.aiid  Gltsgrotten  erß  bei  fpäteren  Okbteru« 

BR.  XXVI.  Fifchichwänzige  Geftalt  der  Nereiden  erft 
gegen  Plinias  Zeit  den  Büdnern  gewöhnlich*  Sagen 
von  Meerweibern«  Abbildangen  auf  Denkmälern 
mit  mannigfaltigen  Verunilaltungen»  Den  Dichtem 
fremd,  bis  auf  Camoens.  Aach  ton  den  Bild« 
nern  häufig  der  edleren  lyfenfchengeftalt  nacbgefezt* 
Heyne  betrachtet  lie  gleichwohl  als  alte  Symbole. 

BIL  yXVlV  Oie  Öötter  auf  DelÄnett  ttnd  Wallfifchea 
bhd  Hippokampefi  In  der  Meergruppe  des  Skopas» 
PöTeidon  mit  HfppokAinpetl  fahrend  bei  Philoftrar» 
Biefe  fifchfcliwänzigen  MalbrbfTe,  häufig  auf  Mön« 
UHk  Und  KubiiVerkeii ,  verfcbmiht  eder  mit  Scheit 
gebraucht  von  den  DichteriL  Virgils  rofslenkender 
Keptunus.  Selbft  auf  Kunftwerken.  Beflügelnng 
mit  Scbwimmgliederü  verbttiiden.  Andere  Ldndthierd 
mit  halber  Fifcligeftaln  Pan  als  Seebock  üuter  de« 
Sternbildern.  bie  Meergottheiten  den  Späteren 
nicht  luWandelndk^     Fabel  vom  Kerltes  oAd  der 

AfroditiN  .       ;     • 

filL  XXVni.  AGrodite^  nac^i  Heiiodtof  im  Meere  entban- 
den, als  Obwakerin  des  Meers  verehrL  In  Knnft* 
wirken  rahwKnmead  und  toftancheed.      Anadyot* 


XVI  INHALT. 

inen«  det  Apdlei;  deflTelben  anvollendet««  Andere 
Kfinftfer  vilhlten  «ödere  Stellangen«  Bei  fiffiterea 
Büdnern  fahrend  saf  Meerungehenern  odei^  in  einer 
Mofchel.  Noch  fpäter  bei  t)ichtern.  Die  med!- 
ceifche  Venus  lO;  eben  ?on  folcber  Seefahrt  gelandetl 
Sie  ift  alfo  aal  fpäterer  2eit.  Was  Heyne  über 
iie  zafamniengetragen »  ond  endlich  heraasge- 
bracht  hat. 

» 
BIL  T^IX«  Heynens  Behauptung,  dafs  In  den  älteftett 
Zeilen  Griechenlands  al|e  Gottheiten  gehörnt  an4 
«gefchwänzt  torgeftellt  vurden,  aaf  Afrodite  und 
ApoUon  angewandt  und  in  feinein  Sinne  gedeutet« 
£)er  Naturgott  Phanes,  Mann  und  Weib;  Zeus 
der  belebende,  gehörnt;  der  Mannfticr  Hebon  anil 
«ödere  myüifche  Gottheiten.  ' 

filL  XX5r.  Beweislo(igkeit  jener  Behauptung«  Die  ilte« 
ren  Gottheiten«  an  denen  Hörner  und  Schwan« 
geblieben  fein  Tollen«  find  lauter  jüngere«  Pam 
Satyre,  zueril  bei  Hefioda«  als  pelopQnnefifch« 
Waldgötter«  Der  Satyr  Sllenns«  Von  ihm  die 
ilteren  Satyre  <  manchmai  alle «  Silene  genannt« 
Silenus  in  Malea  gebohren«  Begleiter  des  Dlönyfof^ 
Die  Satyre  heifsen  thiergeftaltet ,  B^cke,  Thiere; 
nor   von   den   B«ckiofareit.      Ihr  dorlfcher  Nam« 


INHALT.  XVII 

TtTVfoi  t  Bock ,  veranlafste  die  Ableitung  von  den 
Atfem  Mit  Knorpeln  an  den  Ohren»  keimenden 
Bockshörnern  und  gcfchvfinzt,  ohne  Bodufafse« 
Spater  mit  den  Panen  vermifcht,  gehörnt  nnd 
bocksräfsig.  Satyrinnen  aaf  Denkmälern.  Die 
römifchen  Faane  kommen  den  Panen  näher,  die 
Silvanc  den  Satyren» 

BR.  XXXL  Nichtigkeit  der  Heynifchen  Beweife  fär  daf 
hohe  Alterthum  der  Satyre»  Nicht  alles  alt,  «rai* 
Spätere  ins*  Alterthum  fezen.  Unhomerifch  der 
Hymnus  an  Afrodite»  Neu  die  Sage  von  der 
Auswanderung  des  Aeneas  nach  Italien.  Heynens 
nngleiches  Benehmen  gegen  Verdorbene  ond  Le* 
bende« 

BR»  XXXII.  Die  Gigantomtehiei)  und  Dionyfiaden»  wor« 
In  Pan»  die  Satyte  und  Herakles  vorkommen» 
jünger  als  HeiSodus.  Homera  Gtganten  Riefen  in 
Thriuakia,  vahrfchetnlich  am  Aetna*  HeHodua 
kennt  fie  nicht  anders»  Bald  nach  ihm  mit  den 
götter bekämpfenden  Titanen  vervechfelt>  als  Erden- 
ibhne  mit  Scfalangenfufsen  gedacht »  von  den  Mah- 
lern beflügelt»  nnd  Urvater  der  vcftiichen  (lyper* 
boreer  genannt»  Der  Ort  des  Kampfes«  die  Quel- 
len des  Ocetilt  oder  Tartefiiii  oder  Flegra%  Flegr« 
ta  KmAt   dano  2a  Paliene  umgedeuut»     tieynt 


xvin  INHALT: 

Iflfst .  unrichtig  iii  vörhomerifchen  Kosmegonien  die 
Giganten  mit  den  Göttern  kämpfen.  Zöge  des 
Dionyfos  und  Herakles  nach  dem  fpäter  bekannten 
Indien«  Der  Berg  Nifa  von  Arabien  nach  Indien 
gerückt.  Herakles  ,  bei  Xanthos  noch  in  Helden- 
«  ruftnng,    bei   Pi.fandejr   und  Stefichorus  mit  Löwen- 

haat  und  Keule.  Blieb  die  Thiergeftalt  den  Panen 
und  Saryren «  warum  nicht  deiii  Vater  Pans »  dem 
trkadifchen  Hermes?  Spott  des  Hermes  über  feinen 
8ohn  beij^ucian. 

• 

BR*  XXXIII.     Unter   Homen   Gottheiten  gar  keine  halb« 

thlerifche     M^nfchengeftalt.        Die    Kentauren    nur 

zottig^    Berglingeheuer.      Der    N^ime    <J>»5fec    deutet 

nicht  auf  Thiere..      Auch   bei' Hefipdus  nichts  von 

ihrer   Kofsgtftalt.       Cheiron  mit    eifler   Kymfe  vef- 

snäblt»      In    einer* alten    Heraklee    ift    der   Kentaur 

Folos  ein  Söhn  des  Silenus  und  einer  Nynife.    Rofs* 

leibige     Kentauren     xuerft     im     Zeitalter     Findars. 

^   .  Poch    blieben    die    Kentaurinnea-    in     menfcblicher 

Geftalt,      XeuKis    Gemablde    einer   Kentaure'nfamilie. 

Cyprifche  gehörnte  Kentauren.      Die  Rofskentauren 

enidanden    vahrfcheinlichcr    aus    atlmählich^    Ver« 

bildung  iiil   Thierifche,    «}s  aus  der   Erfindung   des 

-'   .     Reitens.     Bei  Emtoßbenes  der  Schuie,   Kentnur  ge^ 

"    .    fiannc ,  ein  Mann  mit  R«>(sbei««a  ood  ^bvnift    Ani 


INHALT.'  xm 

«  dem  ICafteii  des  Cyprclus  ein  Kenttir  mit  6tn  VoH 

dertufsen  vom  Maone.  Bejde  Vorftelbiogvii  auf 
ctruskifchen  Kunftw^erkci;  Schluff  ans  dieftmi  Aus- 
drückliches Zeugnis  des  KatUftrattis ,  dafs  dt«  bome- 
jrifchen  K«ntaaren  nenfchenähiilidi  waren.  Käitaareii 
im  Gefolge  des  Oioiiyföt« 

BR«  XXXIV.  Ueberzähluhg  ^er  halbthierifcben  Gotthetteii 
neueres  Urfpruugs ,  wozu  noch  Afkiepios,  Jupiter 
Ammon  u.  a.  gehören.  Nicht  fiüher  auch  der  ge« 
hörnte  Dionylbs,  ein  Sinnbild  der  Anpftanznng,  vf'ie 
der  kampanifche  Hebon*  Der  Befrachtung  vegen 
auch  als  vielgeftaltet  vorgeftellt.  Die  befruchtenden 
Stromgötter  in  Wandelbarer  Geftalt,  oft  als  Stiere« 
öfter  mit  Stierhäuptern  und  Stierhörnern.  Bacchus 
als  flufsgott  auf  einem  Denkmal.  Okeanos,  Pol'ei- 
don  nicht  ftierhÖrnig« 

BR.  XXXV.  Gesner  nnd  ^inkelmann  Verleiteten  Heyne- 
das.  Zvittergefcblecht  der  fpäteren  myftifche«  Gott* 
heiten  für  alt  anzufehn«  Seine  Bew'ehe  gerügt. 
Gevandbeit  der  Priefter,  die  Lehre  der  Phtlqiophea 
YOfl  Einem  Katurgotte  fich  zuzueignen.  Dahin  ge- 
hört auch  die  Vorftellung  der  aas  (ich  felbft  fchaffen- 
den  Kraft  all  Mannveib.  Nacblefe  orfifcher  Zwit- 
tergötter nach  Gesner.  Noch  Phetecydes  kennt  die* 
f         fei  Symbol -mcht« 

♦  ♦'  a 


XX  INHALT. 

iR«  yCXKVl  Die  CfptlCcht  fitrtgdttin  Ift  veder  die  ure* 
nifche  Afrodite»  noch  die  pafifche,  noch  die  ema« 
thnürchet  ho<b  dtt  fyrifi^he  Himftieisgöttin,  fondem 
•  eine  Cpiittt  Abbiidong  d<r  myftifchen  Zeogungigöttin« 
t^ie  griechtfche  Afrodtte  ward  mit  der  fyrifcben  und 
anderen  hur  Verglichem  Alte  Biideif^der  Afrodite 
bei  Paufanias«  Die  ofanirche  bei  ihm  bevafnety 
Wlt  bei  andern.  Herme  von  ihr  2tt  Athen  als  def 
Ültellen  der  Mören»     Die  pafifche  durch  einen  Kegel 

^  Vorgeftellt,      In     der    (chönfteh    Mf^ciblichkclt    von 

.  t*raxiteles  und  bei  Anakreon.  Die  ^mathuHfche 
Afrodite  war  Gemahlin  des  Adonis,  Auch  die 
fyrifche  Urania  noCh  in  fpäteren  Zeiten  Weiblich 
Vorgeftellt»  Diefe  'unterfchieden  die  Griechen  feibÜ 
Von  der  uranifchen    Afrodite»      Noch  mehr   Keben» 

,  beweife -gegen  das  Zwlttergefchlccht  der  Göttin» 

ttL  XXXVlh  Auch  PriapnS »  Aach  Heyne  dai  Itralt«; 
Symbol  der  Erzeugung,  jünger*  Unbekannt  bei 
Homer^  Hefioddi ,  ApoUodor»  Ken  genannt  voa 
fitrabo»  Utrpriingllch  ein  Unipfakenirther  Feldgott» 
ebitammend  von  Diunyibi  nnd  Afrüdite,  hadi  andern 
Von  einem  Pan  oder  Satyrn  Hiednrch  fein  Zeitalter 
bcftimnit»  Nicht  blofs  Gott  der  Gürten»  fondcrn  dee. 
lindilchfen  Befrechtang  Uberheapt»  Hierauf  deutet« 
dai  Zeichen  der   Männlichkeit^    wie   bei  mehreren 


INHALT.  xxt 

iäadUchea  'Gottheiten,  taeb  Uttimfchtiu  Von  den 
Myftikern  za  «incm  Sinn]>iicle  der  Katnr  uingtdeDtetv 
stiit  mehreren  Gottheiten  vermifcht ,  nnd  mit  mannig« 
faltigen  Namen  belegt«  Bildnifle  dcfielben  mit  Attrt" 
buten  mehrerer  Götter«  Mehrere  gemifchte  Götter« 
gehalten  fpäterer  Zeit* 

BR«  ^tXXVriL  Ueber  das '  lCnochenO|)fer  bei  Heüodan 
Xrläoterang  der  Fabel  von  der  Äasgietchung  der  Götter 
tind  der  Menfciieii»  Heynent  MisdcotoBg  nnd  vill« 
kflbrliche  Behandlung  der  Stelle. . 

B&*  XXXl)t.  Unterfchied  t^ilchen  M<f^o/>  Schenke!»  und 
ft^gtetf  Schenkelknochen»  Erwiefen  aus  Stellen  der 
Alten,  aUi  alten  Scholiaften  nnd  Grammapkern» 
ffficut  bexeichnet  römifche  Opfcrgcbiäuche,  die 
ton  den  griechifchen  terfchieden  t^areii.  Dionyiiut 
von  Halikarnafittt  vergleicht  fie  mit  Unrecht.  Die 
lingtweidc  verbrannten  fpäterc  Griechen»  Omentim 
nicht  Fetti  Ibadcrn  Nezhaut» 

Bit«  XL  Der  Gebrauch  des  Knochent>prerS  Anerkannt  vo» 
mehreren  Alten  bei  Klemens  von  Alexandrien ,  vott 
Alten  Scholiftften  nnd  Hygin,  Wat  */# y*  and  ee^kam 
finift»  dnd.  Gelenke  und  Kreuzbein  geopfert  bei  Aefchy- 
ittt«   Abirrangen  dee  Konnai  nnd  anderer,    Urrpmng 


xxn  INHALT. 


l 


in  VP^om  Kw0tretfytf0  Ob  dit  RAmer  dtt  Kreux- 
bdii  gloptert.  f  crtullicof  Spott  fiber  die  Kcrghesc 
der  Opferer«  VerbreniiQijig  der  Hiopter  sad  Tüiit 
Im  bomeAdlkkta  HyrnRot  an  Herittei« 

-      ••■     ,  -       '  ' 

tlL  XtC    Rückblick  tnf  du  Vorige.    Wi«  genau  Heyncaf 

Urpbilofopbie  öbercinftimme  mit  den  Deutungen  der 

,    ^on  Him  vflr«<ihtetfcn  AHegortker«    Sdne  Ent«1ckelttiif 

1         dft  Begri&  von  Apollo»    Kitfxer  Ihhak  der  folgenden 

*    .     Biicf«  über  ApoUon  ttod  Arfimti^ 


I. 

JL/ie  verbrochene  Sammlong  von  FlUgelgOt« 
tern»  Ich  werde  2war  Milbe  haben,  fie  aus  ein« 
ander  zu  finden^  und  einigermarsen  zu  ordnen» 
Wenn  Sie  noch  irgendwo  auf' Ihren  Spazier« 
grSngen  dnrch  das  Alterthum  einen  faerumflatCern 
febn,  fo  verföumen  Sie  nicht,  ihn  einzufangen. 

Pörphyrins  C^*  abfi.  3  p.  085)  eifert  wider 
das  Fleifcheffen:  auch  darum,  weil  Thier;en 
gleich  die  Götter  nicht  nur  den  Aegyptern 
fchienen;  fonderh  felbft  die  Griechen  den  Zeus 
mit  Widderhörnern ,  den  Dionyfos  mit  Stierhör- 
nem  bildeten,  und  den  Pan  aus  menichlicher 
und  Ziegengeftalt  zufammenfezten.  "Auch  die 
**Mufin,u  fährt  er  fort,  "beflügelten  fie,  und 
*^die  Sirenen  9  imgleichen  die  Nikif  und  die 
"/m,  den  Eros^  und  den  Hermes.  ^9 

Es  fcheint,  dafs  die  fpäteren  Beflügeler  fich 
auf  den  Ausdruck  der  fchwebenden  Gewandheit, 
der  fittlichen  Flüchtigkeit,  und  der  Geifteserhe- 
bung,  einfchrKnktem 

A 


2         MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   ll.  B, 

Zuerft  erwartet  man  natürlich  die  Beflügelung 
"weitftreifender  Gottheiten ,  die  nicht  immer  einen 
Rofswagen  zur  Hand  haben  konnten.  Hermes 
indefs  und  /m,  obgleich  fie  unaufhörlich  zu 
Fufs,  in  Gefchäften  der  Götter  imd  der  Menfchen, 
den  ganzen  Erdraum  durchwandern,  haben  den 
Gang  auf  Fittigen  erft  kurz  vor  Ariftofanes, 
Bei  den  Dichtem  zum  \(renigften.  Es  kann  gerne 
fein,  dafs  auf  älteren  Bildwerken  Paufanias  ihre 
BeüUgelung  darum  nicht  anai€(rkte,  weil  üe  ge« 
wohnlich  fehlen. 

Die  Winde f  nur  feiten  im  Wagen,  erfchienen 
geflügelt,  wofern  ich  richtig  gefchlollen  habe, 
auf  dem  Kaften  des  Cypfelas,  gewifs  in  den 
orfifchen  Hymnen;  auch  die  Borsaden  um  die 
felbige  Zeit. 

Kurz  vor  Aefchylus  beflügelten  lieh  auch  die 
ffarpyeHf  als  häfsliche  Weiber;  und  bald  nachher, 
denn  Aefcbylus  felbfl:  {Sept.  c.  Theb.  499)  be- 
fchreibt  ihn  nur  als  Flammenfpeier  mit  Schlan- 
gengeringel, der  wirbelnde  Stofswind  TyfoSy 
.deflen  Fitdge  Apollodor  und  Nikander  anführen; 
imgleichen  Manilius  (4,  5S1  )* 

^     AngMipedtm  alatis  huinerii  TypJyona  fitrentevh 

Tyfoii,  der  rchlingelndes  Gangs  mitobc  mit  geflügelceA 

Schulcem. 


ERSTER   BRIEF,  3 

Auch  andere  Dämonen  der  Luft,  der  regnende 
Bonner  er  und  die   Geßirne^    wurden   im  tragi- 
Tchen    Zeitalter    mit    fchnelltragenden   Fittigen  * 
ausgeruftet. 

Der  Regengott,  Jupiter  Pluvius,  Zevc  ofißfio^ 
oder  wcT/oc,  hat  Fittlge  auf  der  Seule  Antonins, 
deflen  Heer  er  durch  einen  Gewitterfchauer  vom 
Duflt  rettete;  und  auf  zwei  gefchnittenen 
Steinen  bei  Winkelmai\n  (Mon,  ined.  N.  i.  2) 
erfcheint  der  Donnerer,  wie  er  Semelen  unter 
Blizen  naht,  mit  grofsen  ausgebreiteten  Flügeln. 
Der  Beiname  vstioq  ift  aus  den  Zeiten,  da  Welt* 
weife  und  Priefter  öffentlich  umdeuteten.  Ich 
finde  ihn  zuerft  bei  Ariftoteles  (^de  mundo  7 ,  i )• 
.Mit  Panfanias  (^^  p.  119)  einen  Altar  des  regnen- 
den Zeus  bis  zum  thebanifchen  Kriege  hinaufzu- 
iezen,  verbietet  das  Stillfchweigen  der  älteften 
Dichter.  Bei  den  Orfikern  (Ä  ig,  19)  ward  er 
als  Donnerer  und  Blizer^  zcvc  mgatwtoQt  a^eaTrtv;, 
angerufen.  Hefycbius  erklärt  ihn  für  den  phry- 
gifchen  SabazioSy  einen  Sohn  der  Göttermutter 
(^Strab.  10  p.  470),  der,  als  Gott  des  Wachs- 
thums,  auch  zum  Dionyfös  gedeutet  ward,  und 
giebt  ihm  die  Beinamen  't«»c  und  'rifc :  denen  der 
Scholiaft  des  AriftofanesCat;«  873)  noch  't««  und 
Ev/3«<0c  zufüget. 

A  2 


4         MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B. 

Dieren  wetteftiden  Zeus  hat  Wielafid  b  feinen 
Göttergefprächen »    nicht   nach   defr  berühmten 

^  pichterffeiheit,  fondern  mit  Kenntriis  des  Alter- 
tbums»  von  dem  erhabenen  Himmelskönige 
nnterfchieden*  Auguftusi  wie  Sueton  in  feinem 
Leben  (91)  erzÄhlt,   hatte,  dem  ffupiUr  tomans 

.  einen  Tempel  auf  demKapitol  erbaut,  und  durch 
häufigen  Befuch  geehrt.  Im  Traum  erfchien  ihm 
Jupiter  Capitolinti^  9  und  befchwerte  fich ,  dafd 
ihm  die  Verehrer  entzogen  würden.  Auguftus 
antwortete,  er  habe  den  Donnerer  ihm  zum 
Thtirhüter  geftellt;  und  behängte  darauf  den 
Giebel  des  Tempels  mit  Glocken  ,  wie  fie  an  den 
Thüren  der  Vornehmen  zu  hangen  pflegten^ 

Siogar  die  geflügelten  DonnerkeiU  der  bild* 
liehen  Sprache  fchienen  dem  Künftler  fähig  def 
Darfteilung»  fchon  bei  dem  Orfiker  (Ä  18»  8) 
und  Ariftofanes  (av.  1714),  und  auf  vielen  übri- 
gen Kunftwerken* 

Den  Föbos,  der  Leto  ferntreffendeln  Sohn^ 
welchen  die  aufgeregte  Priefterfchaft  zum 
Sonnenfymbot  umdeutete,  nennt  die  oriifcbe 
Theogonie  (/r.  32  )  mit  der  Anrede: 

Heliof,  der  auf  goldner  Beflugelaiig  hoch  (ich  erhebet; 


ERSTER   BRIEF.  5 

Man  könnte  ein  geflügeltes  Wagengelpann  ver« 
flehen,  wenn  nicht  Eos  und  SeUne^  nnd  die 
'  Nacht  ikmtWxvtn  Geßimen,  eigene  FlUgel  darbö- 
ten. Einen  geflügelten  Helios  erkennt  auch 
Aefchylus  (^SuppU  220),  ohne  eben,  wie  der 
SchoHaft  wShnt|  auf  den  weckenden  Hahn  an- 
zufpielen; 

Auch  ihuj,  Zeai  Vogel  dord  rafc  jexo  •■• 

Und  die  Antwort: 

Wir  rafeo  Helios  Stral  ^  den  helfenden. 

Geflügelt  kömmt  aus  dem  £rebo&  die  tranm« 
gebende  Nacht  bei  Euripide^  (^Qr.  178)» 
fchwarzgeflügelt  bei  Ariftofanes  (av.  695). 
Was  Winkelmann  (fnoii.  ined.  n.  :»7}  für  eine 
Nacht  mit  Fledermausflügeln  ausgab,  und  Herr 
Heyne  (Tifc  2,  1 ,  8?)  g^f^ig  annahm,  fcheint 
ein  fpäterea  Fabelgefchöpf. 

Eine  geflügelte  Eosi  mit  vier  mutigen  Roflen 
bemerkt  Coper  auf  einer  Münae  des  plaottfchen 
Haufes,  bei  Antonius  Auguftinus  iCHat.  5) 
und  ürfinus*  Dies  ift  grade  die  Yorftellung  des 
Euripldes,  der  fie  (^Troai.  84g)  AevKo^t^ov 
'Af«fÄV,  die  hellgefiUgette  Hemeraf    oder  Tags-* 

A3 


6        MYTHOLOGISCHER  BRIBFR  II.  B. 

göttin,  nennte  und  v,  855  hinzufügt,  wie  ihrea 
Gemahl  Tithonos 

Der  Steruenbabtt  viergaoliger 
Safraiiwagen  einporgerafu 

Der  bomeridircbe  Hymnus  an  Sttem  fitngt 
alfo  an : 

FoFgt  mir»  Muten»  zu  fingen  dif  breitgefliigeltc  Menr» 

Und    darauf  beifst  es:    mrt  einer  leochtendea 

Stratinkronef  welcher  Schmuck  des  Sonnengottes 
lind  der  Mondgöttin  auch  den  Bildnern  gehört^ 
gebadet  im  Oceanus»  und  in  fernfchimmernde 
Cewande  gehüllt,  fahre  fie  bei  ihrer  Beflügerung 
auf  einem  Wagen,  mit  glänzenden  Rollen  be« 
ipannt.  Jenes  Jlbwohl,  als  das  neuere  Wort 
tv^txat^t  ich  tage,  leuchte  (v.  6),  und  ihre  dem 
Zeus  gebohrene  Tochter  Pandeia,  die  in  Athen 
(^Etym.  M.y  und  von  den  Orfikern  {^Tzetz. 
ffoU  Hif.)  anerkannt  wurde,  find  entfcheidendp 
£eweife  für  die  Jugend  des  Gedichts. 

Auch  die  fackettragenie   Diana f     von   den 
^Späteren  zur  Mondg(kttiftr  gedeutet,  fand  Cnper 


ERSTER    BRIEF.  J 

auf  einer  Münze  beiTriftan,  wie  fie,  auf  Flügeln 
ichwebend»  die  Fauftina  gen  BUmniel  trag. 

In  dem  nüchften  der  homeridifchen  Hymnen 
crfcheinen  die  Dioskuren,  Kaftor  und  Polydeukes, 
als  Erretter  der  Me^rfcbifie  im  Stürm: 

Mit  gelbfunkelndea  Schwingen  einher  darch  den  Aethcff 

fich  ftürzend« 

Das  Folgende,  r»x^w  sTiß^roseQ  /»swv,  der  Äiirfl- 
gen  Rojft  iBeßeigiTf  möchten  wir  ^övohl  von 
.  Wagenleakern ,  wie  bei  Homer  (  Odyfll  1 8 ,  262) , 
verfteha  muffen.  .  Zu  Reitero  machte  fie  zwar 
bereits  der  Bildner  des  amyklSifcherv  Throns  bei 
Paufetiias  (3  p*  I97>»  i^^  wahcfcheinlich.  mit 
Kröfus  lebte.  Aber  noch  belEuripides  werden 
fie,  die  Lenker  der  weiße^  S.oJJjßf  Ägi/x/T^rat 
(Ä'W.  646),  alfo  augerufen  (1511),: 

MoAo/r«  »0^^*  iTFViOv   ec^fjui 

irfcheiui  aaf  dem  Roflegefchirre 
Durch  den  Aether  dahcrgefchwungeiv 
Söhne  des  Tyndaros  ihr» 
Xn  dci:  heHen  Gefticn^'ttmpolkndtm  Staun. 

A4 


g        MYTHOLOaiSCHSR  BRIEFE  II.  p. 

Homer  (OdyfH  ii,  ^98)  nennt  beide  desT3m« 
dareos Söhne;  aber  in  dem  Sinne»  wie  Herakies 
Amfitryons  Sohn  hiefs.  Denn  die  Unfterblich-i 
keit,  die  Polydeukes  mit  dem  geftorbenen  Bruder 
theike,  beweift,  dafs  jener  famt  Helenen  von 
Zeus  war  erzeugt  worden«  Nach  der  Faliel  deä 
Hefiodus,  die  Pindars  Scholiaft  (  iVewi.  16^  150) 
erhalten  hat,  flammten  beide  von  Zeus«  Erft 
jezo  demnach  konnte  der  Name  Diöskureni  oder 
^eus  Söhne,  entftehn.  Nachmals  wurden  diefe 
lakonifchen  Heroen  mit  den  myftifchen  Gottheiten 
der  Samothracier»  den  Kureten^  Koryhanten  oder 
AnakUn  verwechfelt  *  «?rpÄ.  H.  37,  ai),  und 
aU  £!wiUingi(^v.  23),  die  den  Schiffenden  Heil 
brachten,  unter  die  Sterne  verfezt«  Dies  bezeu-^ 
gen  auch  Philo  bei  Eufebms  Cprttp.  tfi^  i »  10)» 
und  Nigidius  beim  SchoUuften  des  Germanicua 
unter  Gsiffiffi  Was  fUr  Gottheiten,^  fagt  Paura« 
Utas  ( 10  j9.  686}»  die  jungen  Änakten  fein,  wird 
verfchiedea  beantwortet;  einige  nennen  fie 
Dioskuren,  andere  Koiy bauten,  die  aber  mehr 
zu  wifien  fich  dUnken,  JCabinn^  Je«t  wurden 
auch,  wiederSehottaftdosEUiripide&COr.  465) 
meldet,  Homers  Worte,  da(s  fie  einen  T^gum 
den  andern. «bwechfelud  leben  und  fterben,  auf 
die  wechfelnde  Erfcheinung  bei  Nacht,  und  Ver- 
dankelmig  bei  Tage^»   umgedeutete 


ERSTER    BRIEF«     ^^  9     . 

'  Einen  nicht  fchwÄcheren  Beweis  der  Neaheit 
•giebt  die  fpütefe  Sternkunde  gegen  den  homeri- 
difehen  Hymnus  an  Ares  (7):  wo  fcbon  der 
flehen  Planeten  gedacht  wird,  von  welchen  Ares, 
Im  dritten  der  Kreife,  mft  flammimden  Gäulen 
fährt  Dazu  das  Wort  Tvf«»voc,  das  im  Zeitalter 
des  Archilochus  griechifch  ward,  wie  der  Scho- 
liaft  des  Sofokles  (in  arg.  Oed.  T.)  verfichert. 

Den  Morgenflem  beflügelte  der  Tragiker  loh 
in  einem.  .Dithyrambus,  wovon  wir  dem  Scho« 
Haften  des  Arif^ofanes  iPax.  832)«    und  dem 
Suidas  unter  h^vgattßah^fKOÄßtt    diefen  Anfang* 
verdanken : 

Des  MorgenHchts  lufc wandelnden  Stera  erl»iTCa  vir»    ^ 
'    Der  dem  Helios  voran  sfi^eUsflügclich  läuft« 

Inngieichen  Valeriuii  Flaccus  {Arg.  6,  527): 


5«a/i>  ra/cx>  it  Lucifev  alijtt 

Qn^m  Vfnw  illnfixi  gandet  frQducer^  c<f/a. 


wie  Lucifer  geht  mit  rofigtn  Fttigch» 


Den  am  crheUcten  Himmel  die  fröhliche  Venns  herauf« 

fährt« 

ßpSteren  ritt  er  am  Morgen  auf  einem  weifsen 
Rofs  QOvid.lL  am.  11,   Mit.  rj,  189),  dann 


so      MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  II»  B. 

«tnwechielnd  (StaL  Thtb.  6,  240)  am  Abend 
auf  einem  duakelen  (  Quid.  fafi.  2»  3r4).  Wes- 
halb ihm  die  Wechfelreiter ,  deftdtores  oder 
vertumni  (  Math  5  9  .^.  Prap,  4,  3,  35),  ihre 
Siegsroir4&  zu  weihn  pflegten   (  Caßod.  3.  Jßd. 

Selbft  die  Bären  am  Pol  beflügelte  Euripides 
in  einem  Fragmente  des  Piritbous  bei  Klemens 
yon  Alexjandria  Cßr.  5  f.  563  )r 

-^ Der  Barinnen  Paar 

Mit  der  Fittige  fchueli  umirrendem  Schwang; 
Be^^brt  ailft«u  den  aclantifchen  Pok 

Als  gefliigelteD  Hund  alfo  wird  wohl  derfelbe 
fcet  Longin  (^15,  4)  den  Sirius  lieh  gedacht 
haben ,  worauf  Helios  dem  Faethon  nachreitet: 

TtxTiif  Z* QfitJ^s  vuTX  ^tiffta  ßgßtaQ 

Ttji    fßt\    Tgt^*    «f/tMTy    T|j2i€t 

I>er  Vater  fchwang  aof  Seirios  Rücken  ftch, 
.    Kitt  ua^li.  diEin  Sohn,  nod  warnte:  Dort  geknkt! 
Hieher!  gewandt  dtn  Wagen,  hieher! 

Bei  Quintus'  C8>  30)  fährt  der  Sirius,  wie 
pudere  Sternbilder^  auf  einem  Rofswagen« 


EI^STER  BRIEF»  XI 

Za  Aetcbylus  Zeitea  inde&  mafi  die  Beflüge» 
long  der  Geftirne  noch  feiten  gewefep.  fein;  itk 
in  feinem  Fr^mente  bei  Atbenlkis  (ii,  iz 
f.  491  >  des  Atlas  lieben  Ti)chter  am  Himniel 
«nnoch  ungefiedertg  Feleiadtu,,  oxrifo«  ntxttaisu 
mit  Anipielung  auf  srtAff«,  Taube ,  genannt 
werden.  Feleiaden  für  PUjadem  fand  Athenäos 
£:hon  in  der  alten  Aftrononue^  die  man  dem 
Heiiodas  zufclirieb.. 


IL 

Wir  haben  nocli  einige  Gottheiten  SbrFg,  deren 
Yorzügikrhe  Schnelle  die  Bildner  manchmal  dnrcli 
Fittige  bezeichnetem 

Artemis  9.  bei  Homer  Göttm  des^  Heirs^ 
^wandelt  gewöhnGch.zu  Fuß,  oder  lenkt  (11. 
6,  205)  ein  goldgezügeltes  Ge(pann.  Nachmafa 
mehr  als  Jagdgötlin  gedacht,  ward  fie,.  zur 
ichnelleren  Verfolgung  des.  Wildes»  auf  dem 
Kalten  des  Cypfelus  (  Pauf.  5  p»  324)  n«t  Fittigeii 
gebildet»  Den  Paufanias  fcheint  die  Vorftellung 
zu  befremden ,  die  gleichwohl  auch  auf  anderen 
Denkmälern  von  Cuper  und  Winfcelmann  gefan- 
den ward.  In  wie  vielen  derfelben  fie  die  Mond- 
göttin  vertrete »  Icann  nur  ein  Augenzeuge 
futfcheiden. 


I 


II      IMYTHOLOaiiSCHER  BRIEFE    II.  B, 

Aucb    ihre     Nymfen^     bei    dem    Orfiker 

wandelnde  Läuferinn^n  von  leichtem  Tritt ^^  und 
die  bei  Euripides  (Suppl.  993)  ihr,  der  fackel- 
tragenden MondgQttin>  wozu  die  fpütere  Fabel 
fie  erhob. 


als  fchnellrennende  Nyinfen 


Darch  Dunkelheit   lenken  das  Rofsgefchirr ; 

auch  iie  bezeugt  Winkebnann  bSofig  mit  Fittigen 
gefehn  zu  haben*  y 

^  BeflUgelung  der  Eumeniden  hatte  noch 
Aefqhylus  CEum.  51)  nicht  wahrgenommen; 
aber  Euripides  iOr.  31t)  >  ^»d  der  Orfiker 
(  ff.  6g  f  5  ) ,  der  auch  bereits  Schlangenhaar  und 
Verwechfelung  mit  den  Mören  vorfand. 

Die  drei  (chickraIQ>endenden  M'dren  find  zuerft 
bei  CinSthua  in  dem  homeridifchen  Hymnus  an 
Hermes  (v,  550) 

Jan^fraaa,^  ^c^elche  mit  rafcher   Beflügelung  froh  fich 

erbeben^ 

Eben  fo  erkannte  fie  der  Orfiker  (ff.  58»  S)» 
fliegend  Über  die  grenzlofe  Erde»   aus  ihrei^ 


ZWEITER    BRIEF.  IJ 

.Wohnung  am  himmlirchen  See»  xiiiun  ^fwm^  wo 
(das  Wafler  aus  der  nächtlichen  warmen  Quelle 
durch  eine  Felsgrotte  hervorbricht* 

Der  hirnfnlifchi  See^  welcherl  Getsner  an* 
ftaunet,  ift  nichts  anders,  als  der  weltumftrö- 
ttiendeOceanus,  der  damals,  durch  neue  Gerüchte 
und  Vermutungen  erweitert,  bald  Meer,  bald, 
mit  faifcher  Anwendung  des  homerirchen  Wortes 
COdyiT.  3>-  t)i  -xiiivfij  See 9  genannt  wurde» 
Himmlifch  aber  hie(s  er ,  weil  der  Rand  det 
himmlifchen  Gewölbes  fich  auf  ihn  neigte.  iFoI* 
gende  B^fchreibung  des  weftlichen  Endes  der 
Welt  bei  Euripides  (  Hifp.  744)  erklärt  alles : 

Vo  de»  Meen^s  Turft  nicht  vtiter  den  ^tg 
Det  dankelen  Sees  den  Schiffinu  yergönut» 
^Shrenil  die  heUige  Grenze 
Üe»  Himmels,  den  Atlas  tragn 

Noch  Maxirht»  Tyrius  (55)  zweifelte,  tb  def 
Ocean  eine  Art  von  Strom  fei,  der  ins  innere 
Meer  lieh  ergiefse,.  oder  ein  See»  jder  den  UnteN 
gang  der  Sonne  und  des  Mondes  aufnehmt!» 
Kreifender    See    wird    er   auch    von    Notmqf 


t4      MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B. 

(  Dionyf.  3,3)  genatinh  Aus  diefem  am  Weft- 
geftade  der  nördlichen  Halbrcheibe  entfprin- 
S^enden  Oceanus  riefelte  iHef.  Th.  786)  ein 
Theij,  als  Styx,  durch  Felfengekrüft  in  das 
Schattenreich  innerhalb  der  ,Erde:  bei  Hefiodus 
mit  kaltem  Gewäffer,  hier  mit  warmem,  wegen 
der  zugemifchten  Begriffe  von  Schwefel,  Erd- 
harz oind  Feu^rergufs, 

•     Die    Gorgonen  find  zuerft  bei  Aefchylus  im 

Prometheus  (V.  797) 


Tfii^  KocretTre^n 


4f«xovroffaAA0/  tog^wic  ß^or^^uyuji. 


- —     drti  geflügelte 

Gorgonen  f  drtchenbckig,  meafchenfeind. 

Auch  das  Mediifenhaupt  auf  dem  Schilde  der 
Pallas  ift  in  einenu'alten  Kunftwerke  bei  Witikel- 
mann  (mum.  med.  N.  141 )  mit  Flügeln  verfehn ; 
imgleichen  auf  dem  Schilde  de«  Achilleusy  den 
ein  gefchnittener  Stein  bei  Bracci  icomnu  di  ant. 
fculptor.  I  tah.  8)  »a  homerifcber  Rüftung  wan- 
delnd, und,  was  merkwürdig  ift,  mit  Bein^ 
decken  und  darunter  barfufs,  zeigt. 

Sogar  den  Hades  oder  Aides  erkennt 
Alceftis  bei  Euripides  (^Atc.  260)  da  jener  fie 
entführt,  als  einen  geflügelten  Gott: 


ZWEITER   BRIEF.  i< 

Mich  Tuhri,  mich  führet  wer,  (fcl^auft  du  nicht?) 
Zu  der  Todteii  Wohnung,  dem  aus  düÄeren  Wimpern 
Auffunkelt  der  Blick,  der  geflügelte  Hades» 

In  der  Weltfchöpfuug ,  die  Ariftofanes  in  den 
Vögeln  (v.  693)  vor  Augen  hatte,  war  nicht 
nur  eine  fchwar^geflugelte  Njzckt,  aus  deren 
wlndbefmchtetem  Ei  der  liebliche  Eros  mit 
goldenen  Fiügelnrchlüpfte}  fondern  auch  ein 
geflügelter  nlichth'cher  Chacs.  Der  Verfaffer 
jener  Theogonie  lebte  gewifs  nach  Hefiodns; 
vielleicht  war  es  Epimenides,  den  die  Attiker 
mehrmals  anführen^ 

So  wurden  dem  dreihaoptigen  üeryon,  wie 
der  Scholiaft  des  Hefiodus(  Tkeog.  256)  bezeugt^ 
von  Stefichorus  211  feinen  fechs  Armen  und  Fliisen 
noch  Fittige  verliehn:  wahrfcheinlich  vier,  weil 
ihn  Ariftofanes  CJckam.  1082)  r,r?*.Tr.A.v.  den 
Vitrfdiwingigin^  nennt. 

Es  giebt  auch  Spuren ,  dafs  man  die  himmel- 
ftiirmenden  Giganten  der  fpäteren  Fabel,  welche; 
mit  den  Titanen  vermengt,  erft  nach  Hefiodus' 
aufkamen,    nicht    nur     mit     Schlangenfü&en,. 


|6      MYTHOj.oai5CH£R  BRXBFE  II.  B. 

fonderti  eben  fo  Wohl»  als  den  Tyfon ^mt 
Fittigeri  voFgeftellt  habe.  .Bei  Ariffbfanes 
(flt;.  1250)  fpottet  einer  des,  wie  es  fcheint, 
Von  Aefcbylus  aufgeführten  Giganten  Porfyrion : 
er  wolle  folche  Porfyrionen^  Vögel  in  Pardel- 
felle  gehiillt,  mehr  als  fechshundert,  gerf 
Himmel  fenden;  da  fchon  Einer  den  Göttern  2u 
Iphoffen  gemacht  habe.  Der  Scholiaft  bemerkt, 
dafs  auf  die  dunkle  Beflügelung  diefes  von  Afro* 
tlite,  nach  Pindars  Sdioliaften  (Py/Ä.^S)  von 
Apollon,  bezwungenen  Gig^ten  angefpielt 
verde*    Martial  fagt  ( 13 ,  78  ) : 

'     Nbnieif  bahfri  tHagni  lolucrii  tat»  parva  gigantL', 

".  Mach  ^em  grof^en  Giganten  benamt  (ich  der  vc'inzige 

VogeU 

Auch  diefe  Meinung  fbheint  einen  gefIDgetten 
Giganten  vorauszufezen»  Den  Giganten  PaUas; 
fagt  Lykofrons  Scholiaft  (V,  355),  habe  feine 
Tochter  Pallas  Athene  in  Vertheldigung  ihrer 
Keufchheit  getödtet,  feine  Haut  als  Aegide  fich 
umgeworfen,  und  feine  FlUgel  (Ich  an  die  FQfse 
gefezt.  Etwas  ähnliches  erzählt  Ptolemäus 
Hfefäftion  (^Phot  p.  252)  von  der  geflügelten 
Barke f  einer  Schwier  der  Iris,  die  *mit  tlen 
Titanen  gegen  Zeus  kämpfte.  Der  fiegende 
Zeus  verftiefs  fie  in  den  Tartarus  ^  und  gab  ihre 


2WEITER   BRIEF.  .     ty 

abgenommenen  Fittige  der  Thetis  zum  Brautge- 
fcbenk:  welche  darauf  ihrem  Achilleus  die, 
Wahrfcheinlich  unfichtbaren ,  Götterfqhwingeh 
an  die  Ferfen  fügte ,  und  den  homerifchen  "Bei- 
namen woJafxifc,  nicht  der  fußrafche,  fondem 
der  harkifüßige  9  veranhfste. 

Selbft  die  angeftümen  Thiere  ans  göttlichem 
Gefchlecht  bekamen   zum  Theil   Fittige.      Die 
thebanifche  Sfinx  bei  Sofokles  (^Oed.   T.  516), 
der/  Ibnft  keine  Beilligelung  liebt ,  und  bei  Euri- 
pides  QPhcßH.  1026).    Die  Umeifche  Hyder  fah 
Earipides  (/o«.  195)  in  einem  Kunft werke  dcfs 
delfifchen  Tempels»  wo  Herakles  ihr  mit  golde* 
nem  Schwerte   die  Häupter  abfchlug,  und  fein 
Geliülf  lolaus  die  Wunden  zubrannte»  damit  nicht 
neue  bervorwUchfen ,  als  ein  geflügeltes  Unge- 
heuer vorgeftellt.    Noch  ein  gar  feltenes  Wun- 
derthier  macht  uns  Aelian  (no^.  anim.  12  9  38)* 
aus  Artemon  bekannt,   einen  geflügelten  EbeTf 
der,   gleich  jenem   kalydonifcheq ,   den  Klazo^ 
menern   die  Aecker  verwüftete:   eine  Gegend 
biefszum  Wahrzeichen  Flügetfchwiim  9  und  wai^ 
in  Sagen  und  Liedern  berühmt     Wem  die  Er- 
zählung ein  Mährbhen  fcheint,  fiigt  der  verftän« 
digc^  Aelian,  dem  fcbeine  fie. 

Werden  Sie  fich  noch  wundern,  daß  in  diefer 
Zeit  der  Beflügelang  auch   die  Vorfpanne  der 


A 
k 


I^      ÄlYTHOI«OGISCH£R  BRIEFE  II.Ib. 

GöHerroJJe,  die  wandfelnd  auf  Luft  und  Wafler 
erfcheinen  foUten,  auch  der  ftllrmirche  Reitgaul 
Fegafus,  mch  die  verdienftvollen  Efelemj  wor- 
auf Dionyfos,  Hefäftos  und  dieSatyre  zum  neue- 
ren Gigantenkafnpf  ritten,  auch  das  fpätere 
Schtangengefpann  der  Demeter  und  des  Helios, 
und  oft  fogar  die  H%pfokamp6  pder  fifchfchwä'n- 
zigen  Seeroffe  der  fpäteren  Fabel,  in  Kunft wer- 
ken und  Gedichten  Fittige  annahmen? 


III. 

Ein  Räzel  der^Sfinx  ift  es  Ihnen,  dafe  fogar  die 
tlügel  diefes  thebanifchen  Ungeheuers  eine 
Neuerung  des  tragifchen  Zeitalters  fein  follen? 
Die  Auflöfung  wird,  wie  bei  RKzeln  gewöhnlich 
ift,  ganz  naturlich  ausfallen. 

•  Wenn  auch  der  Sfinx  in  Homers  Erzäbhmg 
vom  Oedipus  (Odyff.  II,  »70)  gar  nicht,'  und 
in  der  hefiodifchen  Theogonie  (v.  326)  nur 
beiläufig  erwähnt  wird;  fo  ift  es  doch  ficherer, 
die  Misgeftalt,  welche  die  beiden  Dichter  als 
bekannt  vorausfezten ,  fich  ohnfe  Flügel  zu  den* 
ken,  als  der  einzigen  Sfinx  eme  Ausnahm«  voit 
der  durchgehenden  Jlügellofigkeit  der  älteften 
Gottheiten  zu  geftatten« 


DRITTER    BRIEF.  I9 

Hefiödus  (agt  vorher:  im  Arimerlande  habe 
Echidna»  die  oberwärts  Nymfe,  uoten  Schlange 
war,  zuTyfaon,  dem  tro'zigen  Stürmer,  fich 
,  gefiellt,  und  hartherzige  Kinder  hervorgebracht.  . 
Den  Orthos  ziierft,  den  Hund  des  dreihauptigen 
Geryoneus  in  Erytheia;  von  ApoUodor  (2 , 5 ,  10) 
wird  er  ein  zvireihauptiger  Hurid  genannt.  Drauf 
Äum  zweitert  den  funfzighauptigen  Kerberos, 
mit  Einfchluß  nemlich  der  Sclilangenhäupter, 
des  ATdes  erzftimmigen  Hund.  Zum  dritten  die 
lernelfche  Hyder,  welche  Here  zur  Plage  dem 
Herakles  erzog.  Auch  die  dreifache  Chimäre, 
aus  Löwe,  Schlange  und  Ziege  gemifcht,  welche 
Bellerofontes  durch  Hülfe  des  Pegafos  vertilgte. 
Endlich ,  von  ihrem  Sohn  .  Orthos  überwältiget, 
die  Fix,  oder  Sfinx,  und  den  Löwen,  den  Here 
nach  Nemeia  verfezte,  v.  326: 

*H  d'ff^ff  4>fx*  eXoiiv  rsKS^  Ka^ßtto*9t¥  oAf5f«y, 
Of^M  vvo^fui^stta  9  TQtfittat9¥  Vt  ami^tä. 

Jen*  aach  gebthr  die  verderbliche  Fix,  den  lUdmciem 

ein  Unheil,   . 
])arch  des  Orthot  Gewalt»  and  den  nemeiäirchen  Low^o. 

Offenbaf  Fabeln  aus  alten  Volksliedern,  woraus 
fchon  Homer  die  Abentheuer  des  Herakles,  Per- 
feus,  Bellerofon,  lija  Vorbeigehn  berührt. 


aO       MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B. 

Es  fällt  auf,  dafs  den  feltfatnften  ünthieren 
diefer  älteften  Volksfagen  das  Arimerland  zur 
Heimat  gegeben  war^i. 

Das  Land  der  Arimer,  welche  Strabo  fUr 
Syrer  erklärt,  war  der  Winkel  an  der  iflifchen 
Meerbucht,  der,  wie  die  ganze  Strecke  bis  Libya 
(Odyff.  4,  83;  vergl.  3,  321),  noch  fejten  und 
zufällig  befucht  wurde,  und,  weil  die  Umrifle 
jener  Gegenden  unbekannt  waren ,  mit  Kilikien 
in  eine  unförmliche  IVIaiTe  fo  zufammenflofs,  dafs 
Tyfon  bei  Pindar  und  Aefchylus  aus  einer  kiliki- 
fchen  Höhle  flammte.  Unterirdifcbe  Feuer  und 
andere  Befremdungen  der  ungiaftlichen  Küile 
konnten  fchon  allein  SchiiFermährchen  von 
fchreckUchen  Ungeheuern  in  dampfenden  Erd- 
fchlünden  veranlaiTen«  Vielleicht  kamen  thie- 
rifche  Göttergeftalten,  zumal  fchlangenähnliche, 
hinzu,  wodurch  das  früher  gebildete  Morgenland 
fchon  damals  myftifche  Lehren  zu  bezeichnen, 
von  dem  helleren  Gemeinfinn  genöthigt  fein  . 
tnochte,  , 

Ueberfehn  Sie  die  fcheufelige  Familie  noch 
einmal,  und  fagen  Sie  mir,  welcherlei  Brut  von 
einer  Nymfe,  die  unterhalb  Schlange  ift,  und 
einem  hundähnlichen  Unthiere,  Sie  aufser  dem 
Löwen  wohl  erwarten.  Ein  Landungeheuer^ 
meine  ich^  wenn  auch  von  der  wUdeften  Zu&m- 


DRITTER    BRIEF.  ^  Sl 

Qienfezniig.  Wer  dies  wider  das  Herkommen 
geflügelt  verlangt,  dem  liegt  der  Beweis  ob* 
Denn  dafs  Pberecydes  CSch.  Apoä.  4«  1252) 
auch  den  ^dler  des  Prometheus,  mit  CSck.  ApoU. 
4>  1396)  ^^^  hunderthauptjgen  Drachen  der 
hefperifchen  Gärte'n,  zur  Zeugung  des  Tyfon* 
und  der  Echidna  rechnete,  war  fpätere  Fabel. 

.  Aber,  wenden  Sie  ein,,  fchon  bei  dem  alteti 
Pi&nderfand  der  Scholikft  des£uripides  iPhoen. 
174S)  die  Sfinx  in  der  gewöhnlichen  Geftalt^ 
nur  mit  einem  Drachenfchwanz.  '<  Durch  den 
*<Zorn  der  Here,  „  meldet  er,  ''ward  die  Sfinx 
''den  Thebäern  von  den  äuiserften  Tbeilen 
"Aetbiopiens  gefandt:  die  Sfinx  aber  war,  wie 
'<fie  gemahlt  wird,  den  Schwanz  eines  Drachen 
"habend.  „ 

Wie  fie  gemahlt  wird:  foll  dies  die  Fiagel 
einfchliefsen ,  fo  war  fie  bei  Pifander  zuerft  ge- 
flügelt; und  grade  die  fchon  fo  frühe  Erfchei- 
nung  der  Sfinx  in  ihrer  fpäteren  Mahlergeftalt, 
mit  der  einzigen  Abweichung  des  Drachen- 
feh wanzes,  war  dem  Scholiaften  merkwürdig. 
Hätte  nun  aber  vollends  der  Scholiaft  blofs  die 
wefentliche  Zufammenfezung  des  Sfinxleibes  ge- 
meu3t,  und  die  Flügel,  die  er,  der  Alexandriner, 
auf  der  einen  Abbildung  fah,  auf  der  anderen 
vermiiste,   als  etwas  zufälliges  betrachtet;  was 

B3 


32      MYTHatoaiSCHER  BRIftFB  ll.  B. 

imnt  Sein  Zettgi^fs  bewtefe  allem ,  fcfaoit  die^ 
piikndri(bhe  Sfißx  Babe  Antliz  und  Bruft  e^r 
Jungfrau^  Leib  und  Klanen  von  einem  Untfaiera 
gehabt»  aber  dazu  einen  Dracbenfdtwaiiz» 

So  wäre  die  Sfinx  urfprünglich  ein  zweiFör-^ 
'miges   Schenfal,,    da  doch  der  aufonifche  Vers 
{Griph.  40}:  vülucriSf  tea^  virgo  trif ärmst   fie 
dreiförmig  darftelttV 

Das  wäre  fie  freilich.  Auch  fand  Kodor 
(4,  66)  fie  bei  alten  Fabelfehrem  nicht  anders 
als  hfto^ov  ^ijfioy,  ein  zweiförmiges  Onthier.  Für 
«werformig  nahm' fie  auch  Herodof  (2,  175 )V 
indem  er  die  gehefligten  Mannlöxven  der  Sgyptl- 
fchen  Religion,  welche  Ktemens  (ßr.  5  p.  561) 
als  ein  Sinnbild  der  göttlichen  Sanftmut  und 
Starke  auslegt»  troz  den  mangelnden  Flügeln» 
m^^yyxi^  männliche  Sfinxe^  n,enfit«  Die 
Sfin;s  von  doppelter  Natur»  ^^tuf»  fagt  Aelian 
inat.  anim.  12»  7)»  pflegen  fowohl  die  ägypti« 
fchen  Bildhauer»  als  die  thebifchen  Fabeln»  uns 
2weif6rmig  aofzuftellen»  aus  jui^frSulichem 
Antliz  und  Löwenleibegemifcht,  wie  auch  £uri«> 
pides  andeutet: 

Den  SehveiT  luiiitrekciid  oater  den  Ttlxt  der  Lovrenkfaim 
Sais  jene. 


DRITTER   BRIEF.  2^ 

Zwiefache  t7atur  erkenot  an  der  Sfinx  auch  Pin* 
tarch  (Gfryff.),  da  er  aus  nnnattlrlicher  Begat- 
tung ,  wie  die  Minotaure ,  Pane  nnd  Kentauren, 
fie  ableitet  Mit  den  ielbigen  Ausdrücken  nennt 
Herodot  (4,  9)  die  fbythifche  Echidna,  die  bis 
zum  Gefäfs  Weib,  unterwärts  Schlange  war, 
f*<SoTfff:><N/0v-r<y«.ff%f^y^  ^t^ecit  itfie  halbjungfräU' 
tichi  Natter,  zwiefacher  Natur;  und  Sofoldes 
CTrack,  iiia)  die  Kentauren  h^pvtt  hzaßxnovti 
seotraj  ^- die  zweiteUnge  roßhufige  SchaarJ 

Noch  bei  Pindar  und  Aefchylus»  fo  viel  uns 
geblieben  ift»  erfcheint  nirgends  eine  geflügelte' 
Sfinx,     Von  Pindar  zwar  hat  Prifciah  nur  folgen- 
des Fragment  (^Schneiit.  p.  80)  erhalten: 

Der  Jungfrau  Räzelworc  aus  ungehearem  Schlund.. 

AefchjHlus  in  den  fieben  Heerf obrem  (v.  547- 
564)  nennt  die  auf  einem  Schilde  erhobene  Sfinx 
sin  r^hfreffendis  UntMer,  das  unter  fick  einen 
Xadmeier  tragi;^  und  in  einem,  Bruchftücke  des 
Schaufpiels  Sfinx  bei  Ariftofanes  (rom  1287  )• 

Sfinx,  oabäadiger  Wiit,  die  herfchendt  Hiiadiii. 

Aus  dem  Worte  Hündin  allein  läfst  fich  init 
Sicherheit  nichts  föhliefsen »  weil  im  Prometheus 

B-4 


^4      MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  II.  B. 

auch  der  Adler  Zeus  Hundf  und  die  Greife  jZms 
fcharfmaulige  lautlofe  Hunde  ^  bei  Pindar  Pan 
der  großen  Mutter  aüweilender  Hundf  und  hei 
Apoll  onius  die  Harpyen  Zeus  Hündinnen  heifsen« 
Hier  könnte  indefi  woM  ein  Hundeleib  angedea« 
tet  fein. 

Denn  nicht  nur  Sofokles  (Oed.  T.  399) 
j;iennt  die  Sfinx  mv  fff\|/^^oy  ttwa,  die  begeißerte 
Hündin;  fondem  der  nüchterne  PalSfatus  (7) 
giebt  der  kadmeifpben  Sfinx  den  Leib  einer 
Hündin  9  ein  Mädchenhaupt ,  Menfchenftimme, 
und  Flügel:  wozu  der  Scholiaft  de$  Sofokle$ 
COed.T.  1223)  noch  Löwenklauen ,  und  Klearch 
bei  Natalis  Kornes  den  Drachenfchwanz  von  Pi- 
fander  fügt. 

Diefe  Vorftellung,  welche,  die  Flügel  abge- 
rechnet, leicht  die  Sitefte  fein  könnte,  ward 
uns  in  mehreren  Denkmälern  der  Kunft ,  überlie« 
fert.  So  erfcheint  eine .  fizepde  Sfinx  auf  einem 
Denar  bei  Spanheim  (^num.  ant.  5,  2  f.  246):. 
ein  Mädchenhaupt  zum  geflügelten.  Hundeleib  mit 
Zizen,  und  aufgeringelten  Schlangenfchwanz. 
Auf  der  Münze  des  Augnftus  (p.  245)  fteht  fie 
mit  zweideutigem  geflügeltem  Leibe,  den  fchup- 
pigen  Schwanz  unter  fich  beugend,  eine  fpizige 
Müze  auf  dem  Haupt,  Eine  andere  im  Cabinet 
de  pierres  antiques  (  2  ».  527  ) ,  mit  vielbrüftigem 


OHITTKR  BRIEF.  tf 

gefl&geltetn  Leib^ »  woran  ICIauen  and  Schwanns 
vom.  Löwen  lindy  b^lt  eiqen  Mann  unter  fich. 
Noch  eine  laufende  dafelbft  (2  n.  617)  hat  Ifings 
dem  Bauch  Brüfte,  auch  Handspfoten ,  wie' es 
fcheint »  und  einen  Drachenfchwan2.  Auch  die 
fizende  (3'»«  190%  mit  zwei  weiblichen  Brüften 
und  einem  Drachenfchwanz ,  hat  Leib  and  Fttfse 
wohl  eher  vom  Hände  als  vom  Löwen.  In  der 
Abbildung,  die  der  deutfcbe  Montfaucon  (täb» 
77  «.  9)  aus  Beger  giebt,  hat  fie  Weiberbrttfte 
anter  dem  ganzen  Leibe,  daza  Löwenklauen, 
den  Schweif  untergekr^mmt^  and  fehr  kleine 
FlügeL 

Bei  Sofokles  alfo,  wie  bei  Aefchylus,  hatte 
wahrfcheinlich  die  Sfinx  einen  Hundelexb.  In 
demfelbigen  Schaufpieie  (^Oed.  T*  1222)  nennt 

Sofokles    fie    yxfulfmuxov    va^^wvov    Xf^ciu^^ay,    etm 

krummklauige  weiffagenäe  Jungfrau  ^  wodurch 
!|L<öwenklauen ,  die  auch  Euripides  im  obigen 
Fragmente  ihr  giebt,  bezeichnet  fcheinen;  und 
(v.  516)  imgo$f9»v  KosQtVi  ein  geflügeltes  Mädchen. 
Gewifs  mufste  die  mahlerifche  Beilügelung  fehr 
häufig  geworden  fein,  da  Sofokles  feine  Flügel- 
fcheu  tiberwand. 

Weniger  darf  von  dem  allbeflUgelnden  Euri« 
pidesi  der  auch  die  lerneifche  Hyder,  die  Halb« 

BS 


A6      MYTHOLOdlSCHBR  BRNkFE   H.  B. 

fchwefter  der  Sfinx»  mit  Fitiigen  annahm ,  der 
Ausruf  befremden  {Phoßn.  1026): 

KobSiAum  igTayXf 

.    Da  k^unft,  du  kamft»  o  geflügelte,  der  Erde  Brut» 
Und  der  unteren  Echtdna, 
Zu  der  Kadmeier  Raub, 
'JammervoH,  verderbenvotf» 
HalbjoDgfraa ,  Ktlegesgräul» 

'Mit  der  Fitüge  Sturm»  , 

Und  rohzerreirteuden  iUann!  ' 

©le  häufigen  Goldflügel  bei  Kuripides  waren 
fchon  den  Alten  fa  auffallend,  da(s  Plutarch 
(  an  fini  ger.  resp. )  von  den  Freuden  der  Tugend 
rühmt»  wie  fie  nicht  mit  des  Euripides  goldenen 
Fittigen,  fondern  mit  jenen  platonifchen  und 
liimmlifchen  Flügeln  die  Seele  emporheben. 

Ein  von  Plutarch  bei  Stpbäus  (62  j^  4a2) 
erhaltenes  Bruchftück  eines  mir  unbekannten 
Dichters  beweift,  dafs  die  Mahler  ihre  Sfinxe 
mit  bunten  Flügeln  geziert  haben : 


fiRITTBK    BHIBF. 


»7 


.'  Xvay«lrfty^  «C  i»$  «^C».    ayr«tf7<f  ffrA«««. 

Bald  i«hiie»  am  Soanenllrat  wie  heUes  Go!^ 
Des  U^thTer»  RücImo;  hM  aon»  Gevölk  gekehrt» 
.    Sj^ieit^».  Iris  gleich»  fin  ^uiUoeiibiaaer  Glanau 

Es  verfteftt  ficfc^  d!aßf  des  Dichters  EmbÄdnng 
defJD  Geml^faid&eii!i  wenig  nacbbalf. 

.  Am  Throx^e  des  amyklltifchen  Gottes  &h 
Pai)|^as  (3  jp-^  ^$!7)  fcboa  Sfioxe  in  mehrerer 
ZabU  x>ebit  einem  Löweu  und  eisern  Panther^ 
^uter  den  Reitpfeirden  der  Diosknsea  gebildet : 
die  Vorfielluag  einer  veriorenen  Kampfgefchichte 
im  Moxgeiüande«.  Auch  der  Thron  des  Zeus  in 
Olympia  iPauß.  5  j^.  306 >  zeigte  an  den  Vorder-p 
f üfsen  zw^i  SfinÄ&>  die  attf  geraubtpa  Kindern 
der  Thebaner  ftanden:  vermuthlich  nur  als 
Schreckbilder»  So  wie  auch  Euripides  (  EL  470) 
als  HelmfcJimuek  mehrere  Sfinxe  nüt  raubv^llen 
Klauen^  und  die  gegen  den  Pegafus  anfpringende 
ChimSEra,.  befchreiht*  Ob  diefe  willkübrlich  ver* 
mehrten  Sfinxe  den  Leib  vom  Hunde  oder  vom 
Löwen  hatten,  bleibt  ungewifej  geflügelt 
ma&ten  iie  wohl  fein»  fonfi:  hätte  Paufanias  es 
angenoerkt* 

Den  fpSteren    griechifchen  Künftlem  ward» 
wie  ans  Aelians  Thiergefchichte  ( 12  >  7  und  3g) 


28      MYTHOLOGISCHER  B»£FE   II.  B« 

erhellt ,  die  g^memfte  VorftelluQg  das  geflügelte 
Löwenmädcben«  So  erfcfaeiot  üe  in  den  herku- 
lanifchen  Alterthümern .  (  Tofif.  6  tab,  14.  15). 
Dreifolcbe  ftehn  auf  einem  profetifchen  Dreifufs 
in  Winkelmanns  Monummti  imdiü  (iV.  44)  nnd 
anderswo  >  unleugbar  als  Andeutungen  der  räzeU 
haften  Orakelfprüehe-  Leo  Allatius  in  der 
Schrift  von  Homers  Heimat  zeigt,  eine  Münze  der 
Chier,  wo  auf  einer  Seite  Homer  mit  aufgerolle- 
tem  Buche  fizt,  und  auf  der  anderen  jene  geflü- 
gelte Löwin  mit  Mädchengeficht  und  Bruft'eine 
Leier  unter  dem  Fufse  hält:  ein  Sinnbild  aus 
Zeiten ,  da  die  Griechen  in  ihrem  Homer  fchoh 
geheime  Weisheit  zu  enträzeln  fich  gewöhnt 
hätten.  Eine  römifche  Münzei  fogar  mit  der 
Infchrift  AEGYPTOS,  bei  Spanheim  (in»». 
anU  5f  2  p.  245)9  it:ellt  di^e  griechifche  Sfinx, 
nicht  die  ägyptifche,  dar. 

Das  ägyptifche  Thierbild,  ein  ungeflügelter 
liegender  Löwenleib  mit  menfchlichen  Oberthei- 
len  oder  Haupt  allein ,  welches  der  Grieche  auch 
Sfinx  nannte,  wie  er  den  mendefifchen  Bocksgott 
und  apdere  mit  einheimifchen  Gottheiten  verglich, 
bleibt  den  Forfchern  der  ägyptifchen  Symbole 
anheim  geftellt.  Spanheim  fagt  (5  •  2  jt7.  241), 
man  finde  die  liis  als  Löwih  mit  weiblichem 
Haupt    au£   ägyptifchen  Münzen.      Von  dieür 


DRITTER    BRIEF.  39 

ibgenannten  Siinx  giebt  der  deutfcbe  Montfaucon 
(toft.  7 7), zwei  Abbildungen  aus  BoiiTard  und 
Beger,  wo  allein  das  Haupt  mit  bedecktem  Haar 
weiblich  ift.  Am  Sonnenobelisk  des  römifchen 
Marsfeldes  i^Monum.  ined.  N,  7g)  hat  iie  auck 
Weiberarme.  Winkelmapn  bezeugt  es.feib  auch 
bärtige  Siinxmänner  der  ägyptifchen  Sinnbildnerei 
übrig  9  felbft  weibliche  mit  männlichen  (je- 
fchlechtstheilen»  die  man  fürHerodots  ayi^o^^tyygQ 
ausgebe;  auch  eine  bekleidete.  Die  Deutung  der 
Androffinxef  deren  grammatifche  Form  ja  den 
Hippokentauren ,  Aegipanen  und  mehreren 
folchen  entfpricht,.  möchte  ich  fo  wenig  verbür- 
gen/ als  dafs  auch  die  Griechen  männliche 
Sfinxe  deswegen  gehabt,  weU  räuberifche 
Männer  bei  Athenäus  (6^  15;  14,  22) 
Sfinxe  gefcholten  werden. 

Zu  den  wildeften  Ausfcbweifung^n  der 
griechifchen  Kunft  gehört  die  Geftalt  der  Sfinx^ 
wie  Lykofirons  Scholiaft  (v.  7)  fie  befchreibt: 
Torn  ein  Löwe,  hinten  ein.  Menfch,  mit  Greifs« 
Uanen  und  Adlersflügeln;  und  wofern  Winkel- 
inann  fie  richtig  benennt,  eine  Sfinx ,  die  hinten 
em  Pferd  ift.  Solch  ein  Unwefen  von  willkühr- 
lieber  Zufammenfezung  finde  ich  auch  in  dem 
Cabinet  dt  pkms  antiques  (7.  3  n.  62):  ein 
knfendes  Roft  mk  meofchlichem  Geficht  und 


30      MYTHOLOiSISCHKR  BRIEFE  IL  B. 

und  Greifsklaaen,  ohtie  FlUgeK  Zwei  mit 
jungMaüchem  Gefleht  und  Brüften,  mit  vorderen 
Löwe&klauen,  und  eitiem  geringelten  Fifch- 
fchwaoZ)  enchieneti  bei  üßliori  (^^^r,  ^)  ^f 
den  Waadgemählden  eines  GrabmaU 


IV. 

Wir  kommen  zu  den  Göttergeftalten ,  wodurch 
geiftige  Begriffe  verfinnlicht  wurden,  Diefen,  die 
gröfstentheils  jünger  als  Homer  find,  bildete 
inan  häufig.  Fittige,  um  Flüchtigkeit,  Schnelle 
und  Erhabenheit  zu  bezeichnen.    • 

Geflügelt  ift  Eros^  nicht  nur  jener  uralte  der 
Weltfchöpfung  bei  Arittofanes  (ai;.  697); 
fondern  auch  der  fchalkhafte  Sohn  der  Afrodke 
fchon  bei  Anakreon  {3,  18),  mit  gold- 
rchimmemden  Fittigen  (jfr.  107).  Nach  Euri*. 
pides  von  Zeus  tind*  Afrodite  gezeugt  ( ffipf* 
534)  fliegt  er,  der  buntgeflögelte  (v,  1270), 
von  Gold  fchirnnrernd.  Über  das  Land  und -di* 
falzige  Flut  In  dem  euftathifcben  Rofnah 
i  Ismen,  a)  flnd  ihm  die  Ffi&e  Uo^rrfftv»  gant 
Ftügei.  '    '■'  - 

Seine  Geliebte  P/ydif«  init  -Schm^berling»» 
fiUgeln,  ein  Sinnbild  der  Seeie^i  ift^aus  Ap.i4?juf 


VIERTER   BRIEF.  gl 

und  Falgentius  bekannt;  Nadi  Martianns 
Kapella.  (^nupt.  fhil.  i)  war  fie  Tochter  des 
Sonnengottes  nnd  der  Endelecheia  oder  Ente- 
lecheia,  das  ift,  der  Stetigkeit  oder  Strebekraft; 
Die  fchöne,  auf  Unfterblichkeit  deutende 
Allegorie  gewann  durch  den  Doppellinn  .des 
Wortes  ^vxn  9  Seele  und  Schmetterling. 

Eine  geflügelte  AfroditB'  meint  Winkelmanii 
hei  Euripides  iHipp.  563  )  zu  erkennen,  wo  fie 
^t?it99a  o!m  m  tMinraTott  WH  eine  Bkn»  umher* 
fliegt»  Cuper  fand  fie  auf  einer  Gemme  bei 
Leonard  Ai^uftini  (ifXis),  und  anderswo«. 
Im  Cabinet  de  pierres  antiques  (a  s.  .531)  er« 
fcheint  eine  geflügelte  Göttin,  gekränzt  und  die 
Harfe  fpielend,  mit  der  Auffchrift  Venus;  ein 
Amor  hält  einen  weiblichen  Oberleib,  worüber 
^ocus  fteht.  Der  verdeutfchte  Montfaocott 
iiah.  21.  ^.  I.  i)  zeigt  zwei  geflügelte  Weiber 
bei  Maffei  als  die  urariifche  Venus  an:  die  erfte 
bekleidete,  eine  Weltkugel  haltend,  vor  welcher 
ein  Schmetterling  über  einer  brennenden  Fackel 
fchwebt;  die  andere  mit  zurückfliegendem  Ge- 
wände, die  einem  Amor  ein  Armband  reicht. 

Niki  fliegt  bei  Ariftofanes  («tf»  574)  mVt 
goldenen  Schwingen,  die  dem  mutwUligen 
Eros  ein  Götterfpruch  abnahm,  daa)it  er  nicht  in 
den  Himmel  zurückfliegen  könnte  (^Ariflophoä 


ä*      MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    II,  B. 

I 

tip.  Athen.  13 ,  2.    Euß.  IL  14  p.  979)-     Sie 
ferhielt  alfo  die  Flügel  fpäter  als  Eros. 

Weil, Athens  Schu25göttin  Pallas  Athene  den 
Beinamen  Nike  führte  (£f<r.  Ion.  1529.  Pauf.  % 
p.  79),  fo  ward  auch  diefe  mitriügeln  vorgeftellt 
{Ion.  460.  Kuß.  IL  II  p.  879)5  nach  Winkel- 
manns Meinung  fchon  bei  Aefchylus  {Eum.  1004)9 
wo  doch  unter  den  Flügeln  der  Pallas  fein  9  nur 
das  biblifthe  Bild  einer  Gluckhenne  fein  möchte. 
Ih  Frörhlichs  Notitia  numifmaium  {tat.  8  «•  10) 
fehn  wir  auf  einer  goldenen  Münze '  des  Agatho» 
kies  diefe  fiegende  Pallas  mit  Flügeln;  fie  trägt 
Helm  und  Schild ,'  und  wirft  die  Lanze ;  vor  ihr 
'  fteht  die  Eule.  Indefs  auch  eine  ungefltLgelUi 
Nike  {Pauf.  i  p.  39;  37?.  189;  5  P-  34») 
Verehrten  die  Athener,  dieftets  bleibende  anzu- 
deuten. 

Von  der  rhamnufifchen  Nemefis  des  Phidias 
fagt  Paufanias  (i  p.  63):  **  Flügel  hat  weder 
<< diefe  Nemefis,  noch  eine  andere  der  alten 
"Abbildungen.  Bei  den  Smyrnäern  fknd  ich 
«nachmals  ihre  heiligften  Bildniffe  geflügelt; 
«denn  fie  behaupten,  die  Göttin  äufeere  fich . 
«* vorzüglich  in  der  Liebe,  daher  fie  ihr,  wie 
f'dem  Eros,  Fittige  verliehn.,,  Philorfrat  {ep.  19  J 
warnt  einen  Jühgling:  Eros  und  Nemefis  fein 
Uzige  Götter,  und  wandelbar^ 


VIERTER    BRIEF«  gj 

Der  rauchenden  Diki  BeflOgelung  zeigt:  Cuper 
beim  Sofiften  Aeneäs  (ep.  penutU');  nnd  im  Pin- 
dar  (Pyth.  &  Nem.):  weichesiezte  ein  IrrChom 
ilL  Dagegen  finden  wir  iie  bei  Eratofthenes 
Ccat  9)  im  Sternbilde  der  Jungfrau.  Schon 
Hefiodus  kannte  üe  als  Tochter  des  Zeus  nnd  der 
Themis;  aber  gewifs  nahm  er  das  Sternbild  flü- 
gellos,  famt  denen,  die  es  für  Demeter  anfahn»  ' 

Die  Schamhaftigkeit  glaubt  Winkelmann 
iMon.  ined.  N.  26)  in  d<3r  geflügelten  Göttin  za 
erkennen»  die,  von  einem  knieenden  halbnack« 
ten  Weibe  mit,  einem  Fruchtkorbe,  woraus  ein 
Phalfus  hervorragt,  am  Zipfel  des  Gürtels  gefaiS^ 
eilfertig  entflieht 

Die  Friedensgöttin  Eirene  f  wie  Cuper  von 
Antonius  Auguftinus  QDial>  a)  lernte,  erfcheint 
auf  lokrifchen  Münzen  fi^send  mit  Flügeln  und 
einem  Friedensftab;  eben  fo  auf  einer  Münze  des 
Kiaudius.  Bei  la  ChaufTe,  welche  Abbildung  im 
deutfchen  Montfaucon  (tob.  39  ff.  5)  mitgetheil^ 
wird,  fteht  iie  geflügelt,  den  Schlangenftab  in 
der  Hand,  vor  fich  eine  Schlange^  als  Zeichen 
der  Klugheit. 

Nomos^  welchen  die  Nacht  ans  fich  felber  ge« 
bahr  (Ä?/.  Theog.  014),  hat  Flügel  in  einem  Epi- 
gramm des  Komikers  Alcäus  (^Anth.  r,  11, 4): 

C 


34      MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    II.  B# 

Mttfiu  A«i4/>f?««  9^t<pt/^i  5rTffi/y«c* 

tt  allein  im  geweihten  Profetettchor  Dionyfos 

Konnte  vor  Momos  daher  faafenden  Schwingen  ent«- 
'  fiiehtt« 

Von  der  Tyche  oder  Fortuna  meldet  Platarch 
(idefort.  Rom^)9  fie  habe,  um  in  Rom  zn  blei- 
ben r  die  Flügel  und  die.  Schwungfolen  abgelegt, 
und  die  unfichere  rollende  Kugel  verlaffen*  Mit 
Flügeln  fand  fie  Cuper  auf  mehreren  Münzen 
bei  Suarefius  und  Kircher. 

Den  Plutos  oder  Reichthum ,  welcHen  Deme- 
ter dem  Mos  gebahr  (^Uef.  Th.  969),  beflügelt 
Euripides  in  diefem  Fragmente  der  Inö: 

t 
Auf  Flögeln  hebt  fich  Plutos:  wo  er  war  vordem. 
Die  feh  ich  von  der  Höhe  der  Hofuungen  umgcßüriJt 

So  ftellten  ihn,  wie  PhÜoftrat  {icon.  2,  ä8) 
lehret,  dieRhodier  in  ihrer  Burg  auf,  den  Gold* 
regen  aöÄüdeuten ,  der  nach  Athenens  Geburt  fie 
befeligte*  Der  Gott  ift,  fagt  er,  mit  Flügeln 
gemahlt.  Wie  aus  den  Wölken  kommend,  gol- 
den, wegen  der  Materie,  worin  er  erfchien, 
und  fehend,  Weil  er  aus  Vorfaz  kam. 


VIERTER   BRIEF*  35 

.  Auc^  die  Bofnungm^  im  Gefolge  defTycli«, 
\t\€  es  fcheiöt,  find  geflügelt  in  einem  Bruch« 
^ücke   des  Enripides   bei   Stob^us  (^mot.  CX 

Oedogelte  dort  verfolgt  ctu»  Sohii«  die  tiöfnUMgeDt 
*  Kicht  dich  ^^  Gläckt  die  Cöttin  hält  iiich;  fteteti  Gang. 

Den  Schlaff  der  bei  Homef  mit  der  Here  2U 
\tuCs  durch  Walter  und  Luft  wandelt,  beflügelt 
Öiiomakritus  CArg.  1009)  mit  goldenen  Schwin« 
gen;  auch  Kallimachus  (//.  in  DW.  2)4),  im« 
gleichen  TibuU  (2  £/.  i,  89);  tind  an  Füfsen 
und  Schläfen  fisugleich  Statins  (^Theb.  tö,  131): 
wobei  Leiling  in  der  Abhandlung  Vom  Tode 
CS.  30)  fich  Flügel  an  Hut  und  Solen  z\x  denken 
Wünfcht. 

,  Des  Schlafes  Bruder »  den  Todf  erkeÄtit  Ho« 
t2iZ  {^  Sau  I)  58)  mit  fch warben  Fictigen;  defl 
felbigen,  unter  dem  gelinden  Namen  1  da«  geflu« 
gelte  Schkkfal  (a  Od.  17,  214.)*  So  auch  meh- 
rere Denkmäler  in  Leffings  berühmter  Ab« 
handlung. 

Der  beilfam«    Tfäüm  bei&t   im  orfifchen 
Hymnus  (85>  1}  fätm^ttt^^^  breitfckwMgig ; 

Ca 


^       MVTHOLOGISCH&R  BRISlFE   II.  &, 

bd  Eiirlpidcs  iHec.  71)  find  die  Träunre  üWr* 
hawpt  fchwafzgeflügelt;  utid  bei  TibuH  i^i  EU 
j  y  «po)  fnftchen  fie  wankende  Liiftfc)»*itte.  Eben 
davon,  der  menfchliche  Gewalten  nacbahmte, 
JUorfeuSf  der  Bildner»  genannt,  fchildert  Ovld 
(Mrt.  II,  650):  • 

J/te  «a/at,  w«flox  fltepitHt  facientibns  alif^ 

Jener  entflog  im  \^ehn  der  geräufchlos  glekenden  Flügd» 

Die   Tffg^fii»    die  Statins  (7%^^.  10,  640) 
thachtig  einherfchreiten    läfst,   hebt  bei  Hora2   . 
<3  Vd.  3,  23)  ihre  Erkohreaen  zur  ünfterblich- 
kelt  gen  Himmel : 

CcrtKTfKe  'Vulgares ,  &  uäain 
Spemk  humum  fugisnte  fentuk 

Vom  Schwärm  des  Volks,  and  feachtem  Erdreich» 
/  Schwingt  fie  wrachtend  Ynrpor  den  Flttlg. 

Karos f  der  Gott  der  GetigenluUf  war  von 
Lyfippos  gebildet,  als  fchöner  Jüngling,  mit  den 
Spizen  der  geflügelten  Füfse  auf  einer  Kugel 
flehend,  das  Haupt  vorn  behaart,  hinten  kaM, 
in,  der  Rechten  einScheermeffer,  in  der  Linken 
eine  Wage  (^Callißr.  6.  AnthoU  4,  14.  Hirn. 
tcU  14,  i). 

Der  Zeitgott  Chronos  oder  Kranos  erlbheint 
auf.  einem  Chalcedonier  bei  Sandrart  (Teutfche 


J^kad^.  a,  A  p^  25)  tmt  Sqbiilterflllgelo»  die  FfiOe 
mit  einem  Seile  verbaadeii^  auf  einen  «:weizab- 
nigenKarft  üßh  ftOaend;  geflügelt  auch  anf  eifier 
laUnze  deis  Herakleer  bei  Cnper,  und  auf  der 
arcbelaifchen  Vei^ttei^ung  Homersw  ^ 

Da(s  Ich  Hm^zecs  geflügeltfiEi  Tag  C^^*  3»*^  ; 
4r  I3.>.  aidit  vergeiTe».  dea  Soha  der  Nacbt^ 
£:hon  in  ECeiiods  Theogonie.  Einen  geflügelten 
Autuwnut   gewiüirt   Sandrart    (JH.  Akad..  z^  z 

Auch  T^^^^^ron*  ETefiodt»^  (Lb.  764)  alk 
Götti»  erkamity  und  ip  Athen  veiiehrt  iPaußt 
f.  29«>,  ift  bei  VivgU:'  (^tm^  4^  s8o>  an  F^fseä  - 
geichwlnd'  und  hortigea  Flttgeki;  inagleicben  bei 
Nonnus  CI^&^  i}«^  Selbft  die  iii/ofmoc Jäfst  Siliw 
.  (15^  j^i  mit  fcbwarzem  Qpfieder,  prangen. 

Hlezu  dus  vielfache  Heer  geflügdter  Genim^ 
womit  bald  befondere^  bald  aUgem^ine  Mächte 
der  Erzeugung»  auch:  myftifqhe^  bald  wiedepo^ 
zugegeben«  Begleiter  der  Hauptge^tter  gemeiafc 
werden«. 

Hiezu  endlich  die  linnbitdlTcKen  ITngeheneF^ 
der  Myftiker;  Zeusy  aTs  Weltgeift^  deffen  All- 
gegenwart Ftttige  bezeichneten  (OrpH.fr.  6,35). 
Chrono^  oder  Herakles  9.  eiD  Drache  mit  Häuptern 
vom  Stier  und  Lüwen^  in  der  Mitte  eines  Gottes 


3-8      IäYTHOLOGISCHER  BRifeFE;.  II,  B, 

*Antfi2  XDamafCn  princ.  13),  Der  vierSugigie 
fihaues  lAit  goldenen  Fittigen  (OrpÄ,  fr.  p,  405), 
ein  *  anderes  unförmliches  Sinnbild  der  Natur, 
Aach  der  mit  ihm  vermiiTchte  Priapus  der  Myfti* 
ker  bei  Said9$  \  nnd  niehrere  diefer  Art, 

;  Näcbften«  von  geifterhebonden  Fittigen,  die 
vleUeicbt  fcboo  manchem  der  obigen  asukommenv 


V. 

Clbne  daran  zu  ztmfeln,  wenn  ich  bitten  darf! 
Auch  Geifteserbebang  ward  von  den  KUnftlerDji 
obgleich  feitener»  ;durch  Fittige  bezeichnet, 

Wä^  hätten  fie  denn  wohl  anders  bei  den 
"ifSufen  und  Sirenen  gedacht ,  welche  Porphyrius 
pns  znerft  unter  den  geflügelten  Gottbeitenf  auf-* 
»«biet? 

Haren  Sie  doch,  wie  der  lauttönende  Hime^ 
rlua  (an  14,  27)  feine  Göttinnen ^  die  Mufe»^ 
anredet;  «O  Zeus  Töchter,  kommt,  kommt, 
**ihr  goldgeflügelten  Mufenj  denn  ea  wandelt 
^<mich.  an,  auch  poetifch  -euch  anzurufen!,. 
Aus  älteren  Dichtern  alfo  entlehnte  der  Maim 
fein  poetiibhea  Beiwort  ;^f  vwarT«^ vyfli% 

Von  griechifchen  Vorgängern  lernte  auch 
Ovidi  da&  die  Mufen  ihre  Fittige  nach  Gefallen 


FÜNFTER   BRIEF.  '39 

nahmen  und  ablegten;  da  fie  (Afff.  5,  288) 
dei*  gedroheten  Gewalt  fumtis  aliSf  mit  genomtne- 
nen  FUügen ,  entflohn.  Winkelmann  ( Mon. 
ined.  p*3)  ftnd  an  mehreren  Gottheiten  die 
Fitigel  mit  Binden,  die  fich  über  der  Bruft  kreu- 
zen, an  die  Schultern  gefügt. 

Andere,  nach  Eoftathius  (//.it^ox)  und 
Stefanus  vx)n  Byzanz  (Asrrefa),  gaben  den  Mufen 
nur  einen  Hauptfchmuck  von  Federn ,  die  iie  den 
im  Gefang  überwundenen  Sirenen  follten  geraubt 
haben;  und  au$  diefer  fo  fpXten  Befiederung, 
denn  geflügelte  Sirenen  erkennt  erft  Euripides, 
gllaubten  Iie  die  geflügelten  fTortc  bei  Homer 
zu  erklären.  In  der  juftinianifchen  Gallerie 
(Deutfeh,  Montf.  tob.  I2  n.  11)  ift  Apollo  mit 
den  neuen  Mufen  vorgeftellt,  von  welchen  die 
komifche  und  die  tragifche ,  Thalia  und  Melpo- 
jpene,  eine  Feder,  wie  nach  der  neulieben  Mode  ' 
unferer  Damen,  auf  dem  geordneten  Haare  tra- 
gen. Den  Mufen,  fagtKafliodor  (4,  51),  wer- 
den Spizen  von  leichten  Federn  deshalb  an  die 
Stirne  gemablt,  weil  ihr  Geift,  mit  fchnellen 
Gedanken  auffliegend  1  die  erhabenften  Dinge 
anfchauet« 

Die  tonreichen  Sirenen  find,  wie  Euftathius 
(Odyfl',  13,  39)  bemerkt,   bei  Homer  und  eini- 
gen anderen  nur  zwei  ungeflügelte  Jungfraun: 
I  C  4 


4P      MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B« 

^zwei,  denn  Homer  (v.  ga,  167)  nenne  fie  in  der 
zweifachen  Zahl;  upgeiltigelt,  denn  fonft  würden 
fie  den  Qdyffeos  ycrfolgt  haben.  Sie  waren  zwar 
Göttinnen ,  aber  von  niedriger  Art ,  wie  Kirke 
und  Kalypfo,  die  ihre  Wohnfize  nicht  verliefsen; 
obgleich  fie  dort  mit  übermenfchlicher  Leichtig« 
keit  (Odyff.  ro,  571),  und  nach  Gefallen  wh 
fichtbar,  wandelten. 

2a  den  anderen  Dichtem,  die  mit  Homer 
Lierin  einftimmten,  gehört  wohl  vorzi^Iich 
Hefiodös.  Eratofthenes  iStrab.  I  p-5t3)  fagt^ 
Hefiodas  gedenke,  in  der  Irrfahrt  des  Odyffeus 
*  um  die  dunkel  bekai;inten  Weftg^enden,  nicht 
aur  der  von  Honier  befangenen  Oerter,  fondera 
auch  des  Aetna,  und  der  Infel  Ortygia  vor  Syra- 
kos,  und  der  Tyrrhener.  Aus  der  hefiodifchen 
Erzählung  von  den  Surenen  hat  der  Scholiaft  des 
ApoUonius  (4,  89a)  den  Vers  aufbewahrt: 

Za  der  blühenden  Infel,  wo  jenen  gewährt  der  Kronide. 

Der  Scholiaft  hält  das  Beiwort  Anthemoejfa  für 
.den  Namen  der  Sireneninfel,  wofür  Spätere  es 
annahmen:  mir  fcheint  Hefiodas  die  blühende 
Wiefe  der  homerifchen  Sireneninfel  (Odyfl: 
3^>  '59)  2ai  bezeichnen.  Noch  meldet  Hortiers 
Scholiaft  (V.  168),  dafs  bei  Hefiodqs  der  Sire- 


VtlKFTEK  BRIEP^  ^         4I 

^engefimg  die  Winden  g^ftült  habe.  Die  Namett 
jder  beiden  l^ralten  Sirenen»  die  Eaftatbius  oder 
jder  ausg^fcbriebene  Alexandriner  bei  Homers 
gleichftimmigen  Nachfolgern  fand  »  wpkven  /IglM» 
femi  und  Thetxiepeiaf  das  ift,  Bellton  und  ^am^ 
bemäe.  Er  fügt  hinzu»  dafs  fie  vor  Schmer2s;r 
den  OdyfTeus  allein  vorbeifchifien  zn  fehn,  fich 
ins  Meer  gefturzt,  und  an  die  gleichnämigexi 
Oerter  au^elpült  worden» 

Nomer  üzt  ihre  Abftammnng  als  bekannt 
▼orans;.  Die  folgenden ,  die  ihre  Geftalt^  Zahl^ 
Kamen  nnd  Wobnfiz  veränderten ,  machten  iie» 
wie  £u(lathiu&»  ApoUodor^  Hygin»  Theony 
LykofroGs  Scboliaft  und  andere  melden ,  ge« 
VfOhnlick  zn  Tticlitem  de&  Stromgottes .  Äcfae* 
I00&»  bald  von  Sterope»  Amythaons  Tochter» 
bald  von  der  Mufe  Terpfichore  oder  lAelpomene» 
bald  ans  dem  Blute  ^  welches  vom  zerbrochenen 
Hörne  des  Acheloos  im  Kampfe  mit  Herakles,  aof 
die  Erde  flol&  Vielleicht  dafs  Ichon  Euripides 
(ffrf.  167)  in  Ruckficht  auf  die  lez|:e  Fabel  fie 
TächtiT  der  Erde  nennt»  Sofokles  in  einem 
Fragmente  beiPlutarcb  iSymf.  9^  14)  läfet  dea 
Odyfleus  iagen^  er  fei  den  Sirenen  genaht  j» 

Des  ForkiQj  Töcbteni,  der  des  H»de$  Gefez*  erkenaL 

CS 


42      MYTHOLöaiSCHER  BRIBFE   II.  B. 

Dies  könnte  leicht  die  ältere  der  erhaltenen 
Stammtafeln  fein,  wo  nicht  gar  die  verhorne* 
rifche,  -  In  dem  Leben  des  Sofokles  wird  ange»- 
merkt  I  da&  er  in  den  Fabeln  meift  dem  Homeir 
folge. 

Dem  Verfaffer  der  orfifchen  Argonautik 
(v,  1262)  iizen  die  Sirenen»  man  fieht  nicht 
wie  viele,  ohnfern  dem  ftrudelnden  Geftade:  des 
Aetna,  auf  einem  vorragenden  Fels,  durch  ver- 
derblichen Gefang  die  Argonauten  heranlockend» 
Aber  OrfeuS' fingt  in  feine  Laute, ein  erhabenes 
Lied,  welches  den  Zauber  bändiget  (v,  1281^: 

"    Km  i*  ^  fMV  Awrtfc,    ^  l*  ai/  x^^^  fxßofAe  X^'f**** 
A«vflS  i*  eevewecx^^^»  ^^^'  vFQtiiQQ  i^ü  ^vygoQ 

'£(  ßv^ov  hcHtvffxv  aMffiO^foto  ^etfiotcffifi' 

Sq  hoo  tönte  mein  Spiels  und  herab  vom  fchneeigeQ 

Felfen 
Sahn  die  Seirenen  erftaant,  des  eigenen  {.iedes  vergeflend« 
piefe  warf  die  flöten  hinv^^eg,  und  jene  di?  Leier; 
Schwer  dann  feu&ten  üe  aufs  denn  es  kaiii  ihr  grau(e< 

Verhängnis, 
Tragend  befchiedenea  Tod  4  nnd   vom  zackigen  Hang 

dei  GeWSfte« 


Scht^angen   0e  üch  tor  Tiefi$'  du    ftbaiifltradeliiden 

Meero»  .  ; 

Felfei) :  crfcbieueii  flc   nun  an  Cetttdt  tmi  foFchtbttrcr 

BUdtitig, 

Dem  Odjrffeus  konnten  diefe  verfteih^rten  Sirenen 
am  ätnäifchen  Geftade  nicht  mehr  gefährlich 
fein.  Für  ihn  alfo  mufste  der  Argonautiker  noch 
andere  im  tyrrhenifcben  Meere  annehmen, 

Plato  im  zehnten  Bnche  der  Republik  erdichtet 
acht  Sirenen,  die,  auf  den  acht  Kreifen  de^  Him- 
mels umhergetragen ,  zufammen  die  Sf ärenhar- 
monie  anftimmen :  wofür  andere  ( Macr.  Somn. 
Scip.  2  9  3*  Mart.  Cap*  nupt  Phil,  i )  die  neun 
Mufen  wählten*  Von  diefer  Erdichtung  kommt 
es  wohl,  dafs  im  rhetorifcben  Lexikon,  wie 
Euftathius  bezeugt,  der  Name  5ir«i^  durch  Sterne 
erkllirt,  und  mit  s;«<fi0c  zu  einem  Stänomworte, 
^ftfifVi  teuchtens  gerechnet  ward«  Um  dachte  fich 
jezt  den  Sirenengefang  hiiufig  nur  reizend ,  und 
vergafs  der  Schädlichkeit,  Paiifanias  (i  p,  36) 
erzählt;  als  Sofokles  ftarb,  waren  die  Lacedä- 
monier  in»  Attika  eingefallen;  da  erfchien  dem 
Feldherrn  im  Traum  Diony fos,  und  gebot ,  mit 
allen  Ehren,  die  Todten  gebührt ,  die  neue 
Sirene  zu  ehren :  welches  der  erwachende  von 
Sofokles  verftarid.  Wir  pflegen ,  fagt  Paufunias, 
noch  jezt  in  Gedichten  und  Reden ,  was  einnimt, 


^     JttTTHatOdlSCHER BRIEFE   II.B.. 

t  , 

icin^  i&»ite  2B  vergleichen.  Einige  melden 
auch»  fagtderLeb^Qsbefchreibery  man  habe  auf 
ieii^  Grab  eine  Sirene  geftelit;  andere  >  eine 
Schwalbe  von  ÜjrZt  Dafs  auf  des  Redners  Ifo- 
krates  Grabmale  eine  fingende  Sirene  ftand» 
bezeugen  Plutarch  und  Philoftrat.  Spätere 
Beiipiele,  wo  Sirenen  unfchädliche  Ueberreduug 
andeuten »  übergehe  ich,  und  bemerke  nur;  da(s 
noch  bei  Kolumella  ( lo ,  263 )  die  Acheloiden 
<sefthrtiaeien  der  pegafifchen  Mufbn  find. 

Als  die  Sirene^  zuerft  Sinnbilder  der  Sf  ären^ 
Wmonie  und  des  2^ubers  in  Gelang  und  Rede 
wurden,  konnten  fie  noch  nicht  zu  Ungeheuern 
entftellt  worden  fein.  Höchftens  erfthienen  fie 
mit  Fittigen,  die  der  Bildner »  den  Schwung 
ihrer  Begeifterung  anzudeuten,  einführte.  Sa 
nahm  fie  Euripides  (  Utl.  166) ; 

Ö  ihr  gcüngelteii  Mägdelefiv 
'   Jaogfräoliclie  JErdentöchtcr, 
Seireiieii^  möchtet  ihr  mir 
Annahn,  in  der  Hand  dea  fib^fchca 
Loto(»  oder  Syringeu  t 


FÜNFTER   BRIEF.  45 

Und  in  dem  Fragtronte  (^CLIF)  bei  Klement 
(ffr.  4  p.  543)  erkennt  er  an  ihnen  fchöne 
Schwungfolen,  die  nicht  mit  VogelfUfsen  ver- 
einbar find: 

Xfvvtat  iif  IUI  9rrggvYE(  itift  w»rai  xa# 

Ha!  goldeae ^Fittige  mir  am  den  Rucken 
Und  4^^  lieblichen  Solen  der  Seirenen  gefngti 
Dafs  ich  vrandle  zom  weiten  Aether 
Erhöht«  in  Zeus  Gemeinrchaftl 

Aber  nicht  lange  dauerte  es,  dafs  die  KQnftler 
den  geflügelten  Sirenen  auch  Vog^üise,  wie 
den  neageftaketen  Harpyen,  vermntMich  alg 
Bezeichnung  ihrer  fchädlichen  Natur,  zu  bilden 
anfingen.  Weshalb  Lykofton  (v,  653)  fie 
karpyenfüßige  Nachtigaüm  nennt. 

Wir  haben  das  Fragment  des  Komikers 
Anaxilas  ans  AthenStus  (13,  x)  fchon  oben  bei 
Betrachtung  der  Harpyen  genuzt,  wo  die 
Sirenen  zuerft  als  gefiederte  Weiber  mit  AmfeU 
beinen  vorgeftellt  werden.  Natalis  Komes  ver-' 
fiebert,  die  VogelfBfse  der  Sirenen  auch  bei  dem- 
gleichzeitigen  Komiker  Tfaeopomp  gefanden  zU 
haben:    welches  dem  redlichen  Manne  zu  be* 


46      MYTHOLOaiSCHrfilA  BRlBFfi   ll.fi. 

aweifeln  liart  fein  würde«  Schade  um  die 
Alterthumskutide»  dafs  fo  viele  Scbolien,  Voll 
fielefenheit  in  Verloreüen  Scbrif tftellero »  tioch 
immer  der  zerftöretiden  Zeit  au^efe^t  bleiben» 

Apollonius,  (4»  gpi)  feist  die  Sirenen»  Von 
Acheloos  und  Terpfichore  erzeugt >  auf  die 
blühende  tnfel  des  Heliodusi  und  folgt»  mit 
anderen  Vorgängern  Ovids  (.Met.  5,  55^)  und 
Hygins(/fl*.  141 ),. der  fpäteren  Fabel,  fie  fein 
vormals  Nymfen  im  Gefolge  der  Perfefone  auf 
Silielien  geWefen: 

*  ■  ■  «     " — ' tptt  i*  aXko  puv  ättivotttv^ 

AAAo  ^c  9r«f^fVix^c  tvaXtyntat  €9mv  t^iff^ai, 

.  M  ,.  .^ .,  .,,>». — '    >•  ..  j«t  theils  hochflieg«t](!eti  VogeUi, 
Theili  jungfräuliche^  Mädchen  von  Anfehn  ^arenifie 

fifanlich* 

•  Das  Wort  ütmoi  bedeutet  hochfliegendie  Raub- 
Vögel,  die  dem  Wahrfager  Kunde  aus  den  Höhen 
des  Himmels  brachten.  Hygin  meldet,  die 
Sirenen  fein  nach  Entführung  der  Perfefone 
umherirrend  2um  Lande  ApoUons  gekommen» 
und  dort  von  Ceres  in  Geflügel  Verwandelt 
X^orden.  Die  Sage  entftand  alfo ,  da  noch  Italien^ 
mit  dem  übrigen  Weftlande  Äufammengedrängt, 
Von  Hyperboreern»  den  Lieblingen  ApoUons, 
bewohnt  fbhieil* 


FÜNFTSR   BRIEPi  47 

Suidas  g^e>t  den  Sirenen  die  unteren  Theile 
vom  Strauft;  Hyginus  {fab.  ifiS)  ^ota  Huhn; 
und  Fulgentms  (2)  deutet  aus  den  Huhnerfiifiieii 
das  artige  Philofophema  9  dafs  die  Leidenfchaft 
der  Wolluft  alles,  was  fie.befizt»  faerumftreue» 
wie  ein  fcharrendes  Huhn« 

Auf  einer  MUn^e  von  Neapolis  be!  Spanheim 
Cnumifm.  ant.  5>  3)  fleht  die  Sirene  Parthenope, 
eine  Pfeife,  blafend,  ein  geflügeltes  Weib  mit 
eines  Vbgels  Beinen  und  Schwann.  Eine 
ähnliche  mit  nachfliegendem  Gewände  und  2wei 
Pfeifen  in  den  Händen ,  betrübt  naeh  der  Mufe 
fleh  umfehend,  die  den  einen  Flügel  ihr  rupft, 
ift  bei  Winkelmann  CMoH»  ined.  N.  46)  abge«» 
Seichnet» 

Sogar  mit  Männchen  verfahn  die  fpäterett 
Künftler  ihre  verbildeten  Sirenen.  Ein  folchef 
Sirenenmann  fleht  auf  einer  Gemme  in  dem 
Cabinet  de  pierres  antiques  (PL  230.  n.  482): 
über  den  Hüften  gan2  Menfch ,  gekränzt  und 
bärtig,  in  den  Händen  eine  Lyra  mit  liebea 
Saiten,  unterwärts  Hahn,  an  Flügeln^  Füfsen 
und  aufwallendem  Schweif;  über  ihm  ein  Stern« 
Der  Schazifche  Montfaucon  (  Tab.  42)  gewährt 
einen  etwas  verfcbiedenen ,  der,^  geflügelt  an  d^n 
Schultern,  ohne  Schweif,  eine  Lyra  hält* 


48     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B.      ^ 

Von  allen  diefen  Veränderungen  der  Sirenen* 
geftalt  ahndete  dem  Herrn  Heyne  gar  nichts. 
Die  Tpätefte  Bildung  ift  ihm  befiändig  das  uralte 
peksgifche  Symbol  voll  verdeckter  Natur- 
philofophie. 

Beim  ApoUodor  war  er,  wie  gewöhnlich, 
mit  Citaten  befchäftigtt  die  er,  ohne  imtner  zu 
lefen,  getroft  abfchrieb.  ^  So  wundert  er  fich 
f.  ii3f  woher  Libanius  ^Narr.  28)  es  habe, 
dafs  die  Sirenen  aus  dem ;  Blute  von  dem  abge- 
brochenen Hörne  des  Acheloos  entftanden  fein; 
und  weifs  nicht,  dafs  Euftathius,  den  er  p,  37 
citirte,  das  felbige  aus  den  Alten  erzählt  Beim 
TibuU  (4,  I,  69')  berichteter,  vob  den  Sirenen, 
deren  Mädchengeftalt  in  einen  Vogel  fich  endige, 
habe  Broukhufius  vieles  zufammengehäuft,  wo- 
mit man  den  Bochart  vergleichen  könne,  und 
Seine  Anmerkung  zum  Virgil  (^Am.  5,  864  > 
Und  was  hat  er  da  angemerkt?  Etwas  über  dea 
Sirenentempel  auf  der  furrentinifchen  Landfplze, 
wovon  in  den  Wunderfagen,  die  man  dem 
Ariftoteles  beilegt,  auch  im  Stefanus  und. 
Strabo,  Erwähnung  gefchteht  Hiebel  lehret  er 
folgendes: 

*^  Teneant  adeUfanies^. « ,  Sirenes  fymbolica 
^ffeciif  eaque  antiquißmai  effe  effiSas^  cultas*' 
**que  tempiö  &  fücrisin  ipfi  protH^nt^h* ,, 


FÜNFTER     BRIEF.  49 

Welche  iltefte  lymboUrdie  Geftalt  meint  der 
Belebrer  ?  Gewib  wohl  keine  andere,  als  die  der 
Halbvögel,  die  erft  nach  Eoripides  von  den 
Bildnern  beliebt  wurde.  Quod  ne  tmeat  ado^ 
tefcentis!  Woher  weifser  auch,  dafa  unter  diefer 
Geftalt  die  Sirenen  dort  aufgeftellt  waren? 

Es  ift  wahr,  Herr  Heyne  lälst  fich  feiten 
einmal  auf  ErkUrung  alter  Gottheiten  ein;  aber 
fo  oft  er  es  tbut»  tröftet  er  dadurch,  dafii  er 
falfch  erklärt. 


VI. 

ich  ftehe  bei  mir  an,  ob  Patas  Atkim  mit  ge^ 

fiügelten  Fursfolen,  die  Tochter  des  Giganteta 
Pallas,  an  der  Geiftesbeflügelung  Theil  habe. 
Aus  einem  Gigantenkampfe  des  Q)fiteren  Älter* 
thnms,  wie  es  fcheint,  haben  Cicero  (^KaL 
Dtor.  3,  59)  und  tykofirons  Scholiaft  (v.  354) 
die  Fabel  entlehnt,  dafs  fie  ihren  unzUchtigen 
Vater  ermordete,  feine  Haut  als  Aegide  fich 
umwarf,  und  die  Fittige  an  die  Fü(se  band. 

Die  Jagend  der  Fabel  wird  fcbon  an  den 
himmelftUrmenden  Giganten  und  an  der  Beflfige* 
Inng  erkannt.     Auch  daran,  da&  Pallas  Athene^. 

D 


50      laVTHOLOGISCHER  BRIEFE   II«  B. 

die  bei  Homer  wohl  mit  Zeus  Aegis ,  als  Ärm« 
fchilde,  fich  wafnet,  hier  bereits  «ine  «igene 
Aegis  fuhrt,  und  zwar  (ApoUod,  r,  6,  2).al^ 
Brufth^mifch.  Diefe  bruftbedecicende  Aegis 
fchien  einigen  mit  der  Qöttin  gebohren ,  wie 
dem  Steiichorus  beim  Scholiaften  des  Apollontus 
(4>  1310)»  ^öd  dem  Chryfippus  bei  Galenns  (rf« 
Hippocr»  &  Plat.  dogm»^;  dem  Euripides 
(fo»,  995)  wir  fle  die  Haut  der  Medufa;  und 
änderen,  die  fie  zur  Tochter  des  Pallas  fabelten» 
die  Haut  ihres  Vaters. 

Vielleicht  wollte  ein  Bildner  durch  die  Fufs- 
flUgel  eine  vorragende  Tugend  der  kriegrifchen 
Pallas  andeuten,  ihren  erhabenen  Mut,  ihre  be- 
hende Erfihdungskraft ;  und  eigenmächtig  er- 
klärte der  fpätere  Dichter  fie  für  erbeutete  Flügel 
eines  der  Giganten,  denen  die  Kunft  nur  als 
attffcfawebenden  Himmelsftürmern  fie  verlieha 
hatte. 

An  des  geift^fhebenden  Dienyfos  Beflugelung 
läfst  Paufanias  kaum  zweifeln.  "In  Amyklä,  ,^ 
fagt  er  (3  />.  199),  "verehren  fie  vorzüglich 
"d^n  Gott  Amykläos  (den  Apollon),  und  den 
**Dionyfos,  den  fie  fehr  treffend,  Xvie  mirs  . 
'^fcheint,  Pf%las  nennen:  denn  4//a«  find  den  Do*  ^ 
<^riern  Fittige;   die  Menfchen  aber  erhebt  der* 


SECHSTER    BRIEF.   '  51 

«Wein,  und  fchwingt  den  Gedanken  empor,  nicht 
"weniger,  als  den  Vogel  der  Fittig.  „  *) 

Ein  Wunder,  wenn  den  treffenden  Gedanken 
eines  gefittigten  Dionyfos  kein  Künftler  verfinn- 
licht  hätte.  Ward  doch  der  Herotdsfiab  dea 
Hermes,  ein  Sinnbild  der  üeberredung,  beflü- 
gelt ;  und  auf  einer  katanifchen  Münze  bei  Cuper 
Qjlpoth.  Hom.  f*  44)  «in  Zepter;  auch  auf  einer 
agrigentinifchen  QSic.  vet.  num.  T.  8.  n.  17) 
ein  profetifcher  Dreifuß.  So  fuchte  ich ,  und 
fprach  mit  mir  felbft.  Endlich  unter  den  herku- 
lanifchen  Alterthümern  (^Tom.  5.  tab.  7)  fand 
ich  ein  ehernes  Bruftbild  des  Bacchus^  mit 
doldigem  Efeukranz,  emer  Stirnbinde,  und 
Flügehi. 

Selbft  die  Gflnftllnge  des  begeifternden  Bac- 
chus, die  Dichter  9  welche  Horaz  carminis  aUtes 
des  Liedes  Geflügelte  nennt  (i  Orf.  6),  erhielten 
zum  Siegspreife  des  feierlichen  Wettgefangs  eine 
geflügelte  Befchuhung.  Diefen  Gebrauch  feiner 
Zeit  fezt  der  Orfiker  Onomakritus  in  das  heroi- 


♦)««Diefe  Erklärung,,,  ftgt  Herr  Heyne  QAnt.  Auff. 
1  S.  80),  "ift  mehr  wizig,  als  im  Gciüe  des  Alter- 
•<thain$  gefafst;  denn  in  der  altern  Zeic  wurden  alle 
«Gottheiten  mit  Flegeln  Torgeftellt.  „  Schweige  doch 
Er  gegen  einen  Paufaniiu  vom  Geifte  des  Alterthnmi  l 

Da 


53      MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  XI.  B« 

fche  Altertbntn  zartick ,  und  isrst  dem  Orfeus 
zum  Ehrenlohn  des  Gefanges  von  lafon  darbieten 
(.Ag^  590S 

Edle  Bclchohaiig  von  Gold  mit  ansgebreiceten  Flögelju 

Denn  Bifchuhtmg,  nicht  ein  Hnzetuer  Sckuhp 
iftbier  ffc/3ac>  wie  b.ei  Herodot  (2,  9i).emittJuovt 
und  anderswo  TtitAsv.  Die  Schuhe  der  bacchifchen 
Tragödie  waren,  wie  Poliux  meldet,  Kothurne» 
und  Embaden  von  tbrakifcber  Erfindung,  an 
(ieftalt  niedrigen  Kothurnen  gleich« 

Auf  dem  Helikon,  lehrt  uns  Kalliftratua 
(yla^.  7),  ftand  im  Mufenbaine  das  Bildnis  des 
Orfeus,  auf  dem  Haupt  eine  perfifche  Tiare  mit 
Gold  durchwirkt,  um  den  Leibrock  einen  golde* 
Ben  Gurt,  den  Mantel  bis  zu  den  Knöcheln  ge« 
fenkt,  und  die  Befchuhung,  vthAoy^  vom  gelbe- 
ften  Golde  blühend.  Ich  müfste  mich  fehr  irren, 
wenn  nicht  diefe  goldenen  Solen,  als  Nachbild 
der  erhebenden  Götterfolen,  den  erhabenen 
Schwung  feines  Gefanges  bez^chneten. 

Und  was  wollen  wir  ?  Unter  den  Gemähldqu 
in  Athen  fand  Paufanias  (i  f.  39)  einen  MufSos 
merkwürdig,  der,  aUen  Liidim  getxAts 9  fliegend 
erfchien  durch  des  Boreas  Gefchenk.    Da  fehen 


SECHSTER    BRIEF.  53 

wir  klar,  wie  es  mit  der  metfteo  BeflSgelang 
zuging.  Die  Xlteften  Dichter»  wie  die  neoefteiv 
gaben  dem  heftigen  Schwünge,  des  Leibes  fo\  ohl 
als  des  tieiftes,  den  bildlichen  Ausdruck  des  lU« 
ges;  der  Mahler  kam,  und  mahlte  die  Metafer: 
und  nun  wurden  aus  figürlichen  Flügeln  unver« 
merkt  eigentliche.  Es  kann  gerne  fein,  dafs  auf 
manchem  Gemäblde  der.Tohen  Kunft  auch  die 
g^fi^g^i^^  If^orte  dem  Redenden  als  eine  geflü- 
gelte Schrift  aus  dem  Munde  hingen.  Wenig- 
ftens  hStte  Uz,  wie  er  mit  fonnenrothem  Antliz 
2ur  Gottheit  fliegt,  fich  dem  llahler  des  Alter- 
thums  bequemen  mttflen,  ein  Paar  purpurner, 
mit  Gold  verbrämter  Fittige  zu  entfalten. 

Das  Bild  des  poetifchen  Fluges  war,  zumal 
unter  den  Lyrikern,  fehr  gangbar.  Ariftofanes 
In  den  Vögeln  fpottet  der  tuftfliegendiu  Dühy^ 
rambinfänger ;  wobei  er  eine  von  Hefäftion  und 
dem  Scholiaften  (av.  137a)  erhaltene  SteUe 
Anakreons  ins  Komifche  verdreht: 

Ha  zo   dem   Olymp  flieg*  ich  empor  ichwebend  auf 

leichten  Flügeln, 
Durch  das  Geichenk  des  Eros. 

D3 


54     MYTHOtibGISCHER  BRIEJ^E   11.  B. 

Pratinas,  der  mit  Aefchylus  wetteiferte,  ge- 
währt uns  in  einem  Chorgefange  bei  Athenäus 
(14,  2  f.  617): 

Vielfacbgeflügelce  Melodie  der  ^^eHUige. 
Und  ein  Lyriker  bei  demfelbien  (141  8.p*^}: 

MeAfff   iieÄtrroTTtfUTX  MüffoiVf 
Bieiiengeflügelte  Melodien  der  Mafen. 

Die  Bienen,  fagt  Varro  (^de  n  ruft.  3,  16), 
heifsen  der  Mofen  GeflUgel,  weil  fie  durch  ge* 
meffene  Töne  des  gefchlagenen  Erzes  verfam- 
melt  werden,  und,  wie  jene  den  Olympus  und 
den  Helikon,  fo  diefe  blühende  und  einfame 
Bergthäler  lieben.  Selbft  die  Mufen  in  Bienen- 
geftalt  foUen,  wie  Fbiloftrat  (^icon.  2,  8)  und 
Himerius  (or*  10,  i)  verlichern,  die  Kolonie 
der  lonier  nach  Afien  geführt  haben. 

Deswegen  fagt  Plato  im  Ion:  "Die  Dichter 
^'behaupten  mit  Wahrheit,  dafs  fie  den  Bienen 
*' gleich  fliegen:  denn  ein  leichtes  Wefen  ift  ein 
««Poet,  und  geflügelt,  und  heilig,  und  nicht 
**eher  fähig  zu  dichten,  bevor  er  der  Gottheit 
«*voll  und  entzückt  wird,  und  die  Befinnung  ihn 
"verläfst.  „  Drauf  zum  Beweife,  dafs  der 
Dichter  nicht  durch  Kunft  rede,  fondern  durch 
göttliche  Kraft,    wie  Pindars  göttlicher  Vogel 


SBCHSTBR    BRISF»  55 

Sber  RabengekrMcbz  (<M.  2»  J56),  fich  empor- 
ichwinge»  fi^t  er  den  fchmeichelhaften  Aos» 
ipmch  hinzu:  **Gott  beraubt  die  Dichter  des 
^< Verbandes j,  rnn  iie  zu  feinen  Dienern,  zu 
^Wahrfagern  isnd  heiligen  Profeten  zu  gebraü-^ 
^^cben;  damit  wir,  die  es  hören,  erkennen, 
^'dafs  nicht  fie  es  find,  die  fo  erhabene  Dinge 
^^ reden,  da  fie  keinen  Verftand  haben,  fondern 
'Mars  Gett  felbft  der  redende  ift>  und  durch  jene 
^fich  uns  o&nbaret.  ^ 

Voll  diefer  Gottheit  erklang  der  Schwam 
Fenußn,  da  verwandelt  er  dahinflog  (,Hor.  a 
Od.  2o>,  um  mit  Klopftocks  Worten,  eines 
nicht  weniger  fertigen  Luftfliegers^  von  fo  er- 
habenen Dingen  zu  reden  i. 

Nnt  ußtata,  nee  tenui  fem 
Fenna  biformU  per  li^idum  ^berm 
Vate^l  neque  in  terris  moraiwt 
Longius,  invidiaqne  maioT 
Vfbes  relinfuarm 

£in  ntchc  gewohnter  Fittig,  noch  fbnder  Kraft, 
Trägt  umgeformt  mich  durch  die  geklärten  Höhn,. 
Sen  Himmelifänger ;  nicht  soi  Staabe- 

Weil'  ich  hinfort,  und  zu  gro(i  der  Scbeeirachl:, 
.Laff*  ich-  4ie  Städie. 

Aber  Freude  roachts ,  wenn  Ibgar  der  Redehalter 
Himerius    Qor.    14»    3^5)  zum.  Luftfluge  fich 

d'4 


$6     MYTHOLOCLISCHBR  BKIStE  II.  B« 

aufraft.  ^ Wohlan ,  beflQgelt  euch  mir»  6 
*^  Worte,  unid,  das  Niedere  verlaflend»  fchwingt 
^'in  den  Aetber  euch  empor!  •  •  •  Eure  Fittige 
^<  erzeugten  die  Mufen  in  den  Gärten  der  Mnemo« 
<<fyne,  iie  emälirten  die  Hören  und  die  Chariten^ 
''aus  den  Quellen  der  Wahrheit  iie  beiprengend. 
'^Drum  hebt  ihr  euch  über  die  Menge  leicht« 
'Schwebend;  ungeweiheten  aber  und  fchwung« 
'Mofen  Seelen  ieid  ihr  unfichtbar,  nicht  veniger, 
^als  den  Kimmeriern»  wie  man  iägt«  die 
*•  Sonne !,, 

Kaum  zweifele  ich»  dafs  die  poetifchea 
Flügel  des  Ruhms  und  der  Unfterblichkeit  dem 
iiachbildenden  Pinfel  nnd  Grabftichel  entgangen 
£nd.  So  bekennt  der  alte  Tbeognis  (v.  237) 
dem  Kymos  Fittige  des  verbreiteten  Lob^s  ver« 
liebn  zu  haben: 

Sat  ffffi»  fyw  vrff  *  g^u»»%  €w  9tc  nt*  mwatgova  9Wtw 

£y  troffati^  «oAA«v^  Kf/fCfMC  ty  ^^ta^u 

Siehe,  dir  gab  ich  Flügel,  ig/omit  das  unendliche  Meer 

durch 
Fliegen  du  kannft,  hochher  über  die  linder  erhöht» 
Leichtes  Schvungs;  dafs  da  Schmäufen  und  Feftgelageo 

gefeilt  feift 
UeberaU,  und  viel  preifende  Upftn  nmichvebfi. 


SECHSTER    BUIEF.  S7 

Und  Entiins  in  der  bekannten  Grabfchrift»  die 
Virgii  (Lb.Sf  lo)  im  GediCcbtnts  hatte: 

Nemo  me  lacmmit  dtevntt  ntfue  fimerä  flemh 
Faxit^  pnm  voliu  vivo'  ftr  mra  vinm» 

Ehrt  mich  nicht  durch  Thräneu»  noch  feirt  mcia  X^ 

cheabegliignif 
VehmnUToUi    ich   durcbSieg'  tthmend   die   lipfui 
dei  Voiki. 

Auch  die  nnfterblicheo  Menfchent  die  von 
den  Göttern  in  die  Infein  der  Seligen  verfezt 
wurden,  fcheinen  zuweilen  mit  Flügeln  vorge. 
ftellt  worden  z^  fein.  PtoIemSus  Hefäftioa 
iPhot.  p.  247)  erzählt  in  feinen  Wunderge- 
fchichten,  dafs  Helena  dem  Achilleus  in  den 
feiigen  Eilanden  einen  geflügelten  Sohn  Nament 
Euforion  gebohren,  welchen  Zeus,  verfchmäbe« 
ter  Liebe  wegen»  mit  dem  Biize  vertilge  habe. 
Diefe  Beflügelung  entftand  .  aus  der  Slteren 
Fabel,  dafs  die  Lieblinge  der  Götter,  die  vom 
gemeinen  Loofe  des  Todes  befreit  wurden,  gleich 
den  Göttern,  wo  nicht  auf  Luft,  wenigftens  auif 
WaiTer,  einhergingen.  Dem  Peleus  verheilst 
Thetis  bei  Euripides  QAndromoek.  1258),  er 
werde  mit  ihr  als  UnfterbHcher  im  Haufe  des 
Nereus  wohnen,  und  oft  mit  trockenem  Fufse 
auf  dem  Meere  hinwandeln,  feinen  Achilleus  in 
Leuke,  einer  Infel  des  etixinifchen  Meers,  zu 
befuchen« 

1^5 


5$     MYTHOLOdlSCHER  BRIEFE  XI.  B.' 

VIL 

Auf  tnahlerifchen  FitHgen  erhoben  fich  Jezt  mft 
den  Gottheiten  zugleich  ihre  Reitthiere ,  fowohl 
Tegafus  und  die  Efelein,  deren  ^ir  fchon  in 
Ehren  gedacht  haben,  'als  die  Zngrofle  ihrer 
goldenen  Schwebewagen,  Was  von  dem  Dichter 
die  erhizte  Einbildung  iidi  gefallen  ließ,  ein 
Gefchirr  aus  hefäftifchem  Metall,  welches  erzbu- 
figen,  rafchfliegenden  Götterroffen  über  Gewäfler 
und  Luft  nachroliete :  damit  getraute  der  Bildner 
fich  nicht,  auch  das  kalt  zweifehide  Auge  abzo« 
finden. 

Mit  erleichternden  Flögein  demnach  bezeich- 
nete der  alte  Kiinftler  auf  dem  Kaften  des  Cypfe- 
lus  iPaufi  5  p.  320)  das  pofeidonifche  Zweige« 
fpann,  womit  Pelops  über  das  Meer,  als  Freier  der 
Hippödameia,  zum  Wettreouen  gekommen  war. 
Der  Betrachter  des  Bildes,  der  die  alltäglichen 
Vorftellungen  der  Fabel  kannte^  nahm  fie  für 
tinfichtbare  Scheinflügel,  und  verfchonte  den 
Künftler  mit  der  Frage,  warum  der  mitrennende 
Oenoroaos  der  fichtbaren  Ueberlegenheit  fich 
nicht  widerfezt  habe»  Durch  goldene  Flügel 
unterfchied  der  felbige  ( p.  324 )  die  meerwan«» 
delnde'n  RoiTe,  von  welchen  gezogen  die  Meer- 
göttin Thetis  famt  einer  anderen  Nereide  die  eben 
von  Hefäftos  empfangenen  Waffen  dem  Achil- 


SIEBEI7t£R    BRIEP.\  59 

Teils  brachte.  Auch  Plato  im  Kritias,  den 
alterthtlnillchen  Tempelverziernngen  feiner  Zeit 
folgend,  ftellt  Pofeidons  Bild  im  Tempel  def 
gefabelten  Atlantis  auf  einen  Wagen,  mit  geflü« 
gelten  RojQTen  beipannt 

Den  geheiligten  Gemählden  undSchnizwerken 
bequemte  fich  allmählich  die  Poeiie  und  die 
Volksfabel. 

Nicht  Pegafos  allein,  auf  Fittiglh  einher« 
fchwebend,  trug  bei  Euripides  (Seh.  Arißophm 
Fax  75)  vor  Zeus  Wagen  den  Bliz,  fondem 
auch  die  nebengefpannten  Rofie.  Denn  auf  einem 
geflügelten  Wagen  f  agizee,  das  heifst  nach  grie- 
chifchem  Gebrauch,  mit  geflügeltem  Forgefpann, 
fährt  Zeus,  welchen  Pindar  (O/.  4,  1)  den 
Lenker  des  raftlosfliegenden  Donnergefpanns 
nennet,  fowohl  in  Piatons  Phädrus  (^Steph, 
p.  246),  als  in  ApoUödors  ( i ,  6,3)  Erzählung, 
wie  er  den  frevelnden  Tyfon  zu  beftrafen  kam^ 
und  bei  Lucian  Qbisaccuf.). 

Ich  leugne  nidit,  da(s  in  fpäteren  Kunfi:? 
werken  und  Gedichten  auch  geflügelte  Wagen 
ohne  Vorgefpann  vorkommen.  Zum  Beifpiel 
bei  Sandrart  Qicon.  &?•)  der  Luftwagen  der 
Fortuna;  und  bei  Martianus  Kapella  inupt. 
PhiU  I)    das   fliegende    Fuhrwerk,    vekuulum 


60     SITTHOLOaxSCIlSlt^llXEFE  XI/B. 

ii^f«#  votatitis  roUif  welches  Merkur  der  Pryche 
zum  Gefchenke  gab.  Der  iQtere  Sprachgebrtudi 
aber  wird  ans  dem  folgenden  erhellen* 

Bei  Euripides  (  JfA.  AuU  250)  führt  des  Tbe- 
feus  Sobn  als  Scbifszeichen  die  heimifcbe  Schüsse 
gOttin  Pallas  Athene, 


fy  fe«y«%aic 


ZlrffMUDi^iy  afiaa€tV9 


anf  ftirkhofigem 


GdBngekem  Wagenge^aan. 

Eine  Vorftellang»  welche  die  kunftreiche  Lieb« 
lingsftadt  der  Athene  dem  Dichter  Wohl  häufig 
genug  zu  fehen  |;ab. 

Gleichwohl  lie(s  noch  Aefchylus  {Eum.  406) 
die  Athene  in  einem  Wagen  mit  ungeflügeltea 
Rolfen  Ober  die  SchaubObne  bereinfchwebem 
So  trift  alles  znfammen»  die  Späte  der  Beflfige^ 
lung  zu  zeigen« 

Dem  flügelliebenden  Euripides  (£/.  464)  ftralte 
tnch  mitten  auf  dem  SchUde  des  Achilleus : 

^«f5«ii  xvxAac  AffAin^ 
'Itto/c   «y    wrif9t€0»t^% 

Des  Heliof  lenchtcndet  Rund. 
Auf  geflügeltem  Roflcgelchirr. 


SISBENTBR  bribp«  6t 

Wo  5;^Iedenim  l^^ct  in  der  ttlteren  Bedentmigt 
für  H^gin  Mnd  Roffi  zugleich,  ftehet;  wie 
•x*it*»ra  im  folgenden  Fragmente  ans  dem  Falfthoa 
desfelbigen  Dichte»»  welches  Longin  (15,  4) 
erhalten  hat: 

Xf ifr«c  ^f  vMvfmtf  WTifo^gmv  •xnfiarmf 

rUrriff  I'  cTTis^t  ifUT»  Zuins  ßtßitQ 
*tinr9Vip  Tmtim  yii5fr«y*  tUttg*  tjui! 
Tjf  f»\  rft^*  iei*»$  Tjßh\ 

Die  Seite  fporm'  er  mm  dem  gelcbvingten  Znf» 
Und  entliefs :  aaf  flogeo  fle  za  det  Aethen  HÖhtu 
Der  Vater  fchvang  anf  Seirioi  Rücken  fich, 
Ritt  nach  dem  Sohn»  und  warnte:  Dort  gelenkt I' 
Hiefaer!  gewandt  den  ^agen,  hieher! 

'*Darf  man  nicht  lagen, ,,  mft  der  pathetifcbe 
Longm»  ^'dafs  der  Geift  des  Verläflers  mit  den 
«<  Wagen  befteigt,  und  kiihn  mit  den  Roflen  fich 
«<befliigelt?  Denn  nimmer,  wenn  er  nicht  jenen 
'^himmlifchen  Lauf  begleitete,  hätte  er  fo  etwas 
«< erdacht!,,  Aus  folchen  Verwunderungen  be- 
gebt faft  das  ganze  Buch  des  Söfiften.  Wie  wani 
möglich,  dafs  fein  Urtbeil  über  Homers  Odyflee 
Nachi^recher  fand? 

Das  BOd   der  geflfigelten  Sonnenroffe  hat 
Euripides  noch  fonft  hSnfig,  z.  B.  Onß^  zcoi^ 


fyt      MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B. 

und  Jon  laat  «f«*  hcai»  vmfvYi  ^ovi  ^lit  dgs 
Helios  rafchir  Beflügetung.  Denn  an  eigene 
Flügel  des  Sonnengottes  ift  hier  wohl  nicht  zu 
gedenken.  Auch  haben  es  viele  nach  ihm ,  wie 
Ovid  Cfaft.  i,  416  >,  der  QMet.  2,  48-)  a«ch 
ftifsgeflügelte  Sonnenrofse  erkennt.  Noch  gehört 
hieher  der  zum  Sonnengott  umgedeutete  Jupiter 
bei  Arnohius  (  3  f>.  n?) »  wo  er  pinnatos  currus, 
einen  geflügelten  Wagen,  lenkt 

Hingegen  fcheint  Sofokles,  eia  getreuerer 
Darfteller  der  homerifchen  Fabel,  ficK  hier 
aJj»  860),  wie  allenthalben,  der  mahlerifchen 
Beflugelung  mit  Fleifs  zu  enthalten. 

Gleich  dem  Helios,  fchien  feine  Vorläuferin 
l^os  um  diefe  Zeit  eines  Flügelgefpanns  zu  be- 
dürfen. Afklepiades  (5cÄ.  i/.  6,  155)  erzählt 
aus  den  Tragikern,  Eos  habe  den  geflügelten 
Pegafus  von  Zeus,  der  ihn  vor  feinen  Donner- 
wagen gefpannt  hatte,  fich  zum  Gefchenk 
erbeten,  um  ohne  Mühe  die  Umläufe  der  Welt 
zu  vollenden.  Auf  diefe  fchon  gangbare  Fabel 
bezieht  fich  der  Ausdruck  des  Euripides 
(^Oreß.  1004), 

yLovoTuXov  »K  AWf 
Zar  eingauligen  Eos: 

wobei  der  SchoUaft  meldet,  Earipides  laflfi  die 
Tag^ötdn  «rf  «nein  Roffe  reiten,  and  dies  fiä 


SIEBENTEIt   BRIEF.  (Sj 

der  Pegafas;  anderen  fähre  &e  im  Wagen« 
Daher  fingt  Lykofron  (  AUx.  16): 

T#5«yov  §¥  »otT^€t  TJf«  Kfffvye  irffAa« 

Doch  Eos  fibeiflog  die  fteiiie  Bnchenhöh 
Aojezt  aaf  rafchen  Futtgen  dei  Pegafot» 
'  im'Xager  den  TichoiKX»  tnh  an  Kerne  bta» 
Verlaflend« 

Auch  hier  wiederholt  der  Scholiaft,  die  Tags- 
göttin habe  von  Zeus  das  Flügelrofs  lieh  erbeten, 
um  darauf  reitend  den  täglichen  Kreislauf  zu 
wandeln.  Das  felbige  verfichert  Euftathius 
(^Odyff.  2,  i),  Eos  werde  entweder  fahrend 
im  Wagen,  oder  reitend  auf  dem  Pegafus,  und 
überdies  als  FackeltrICgerln ,  vorgeftelit 

Dennoch  ift  kein  Zweifel ,  dais  Pegafus  bei 
anderen  Dichtemals  einzelnes  Wagenrofs  der  Eos 
gedient  habe;  und  mich  deucht,  jenes  Beiwort, 
die  eiugautigej  bedeutet  natürlicher  eine  Lenkeria 
des  einzelnen  Gauls,  ald  eine  Reiterin.  Es  wäre 
faft  lächerlich ,  wenn  von  der  Reiterin  Euripides 
den  Umftand  bemerkenswürdig  geglaubt  hätte^ 
da&  üe  nur  Einen  Gaul  ritte. 


^4     MYTH.OI.OaiSCHBR  BRIBKK  II.  B. 

Ein  gefchnittcjwr  Kryftall  bei  Sandrarfe 
ikonoL  deor.  lab.  i>.)  «eigt  Eos  im  Wagen, 
welchen  der  geflügelte  Pegafus  Über  Gewölke 
zieht:  fie  trägt  in  der  Rechten  eine  Fackel,  und 
ftreut  Blumen  mit  der  Linken;  ein  krfihender 
Hahn,  jener  wachftme  Vogel,  der  nach  Ovid 
(Mrf.  II,  597) 

.  ■■  cfifi^  etmtUms  ms 

EvHüt  Attroramt 

^ .     -     yalt  porpnrkamiiiig^m  Andb 

Singend  Aurora  trwtdsU 

fleht  vor  ihr  auf  dem  W^en,  und  oben  ftralet 
der  Morgeaftem. 

VIIL 

Eos,  die  den  tSgUchen  Umlauf  der  Welt  vollen* 
det !  Wie  das  tn  verftehen  fei,  fragen  Sie.  Nun 
denn:  die  vor  Helios  des  Morgens  aufgeht,  und, 
am  Abende  untergehend ,  auf  dem  Oceanus  zum 
Aufgange  zurückichift.  Oder  foU  fie  etwa  nicht 
untergehn,  fondern  dem  Bruder  nur  das  Morgen- 
thor  öfnen,  und  fogleich  umkehren? 

Wohlan  denn,  vernehmen  Sie  der  aufdäm« 
mernden  Göttin  Sitte  und  Befugnis,  den  vollen 
Tag  hindurch  auf  der  Himmelsbahn,    es   fd 


ACHTER    BRIEF.*  .      65 

£ihrend  mit  zwei  RolTen,  \ne  Homer  wQl 
(Orfy/,  23,  245),  oder  wie  Euripides  iTroad. 
855)»  Ti^fiTT^  xftofc««!  «%y,  mit  fafranfarbigem 
Viei^efpann,  oder  wie  andere  (^Aefch.  Ptrf, 
386-  Tkioer,  13,  11),  mit  weilsfchimmernden 
Gäulen ,  oder  fogar  reitend  auf  dem  Pegafus,  zu 
erfcheinen,  und  am  Abend  durch  das  weftliciie 
Himmelsthor  fleh  in  den  Oceanus  zu  Tenken. 

Bei  Quintus »  der  älteren  cyklifchen  Dichtem 
folgte,  fteigt  Eos  (2,  188)  «ni  borgen  des 
Tages,  da  ihr  Sohn,  der  äthiopifche  Held  Mem- 
non,  durch  Achilleus  fterben  foll,  unwillig  am 
Himmel  empor.  Der  furchtbare  Zweikampf  be- 
ginnt endlich,  und  voll  mütterlicher  Angft  be* 
trachtet  ihn  Eos  (  v.  499) : 

üfi^fi  y  Hfrytvtm  ^Ay  «rffi  vrmth  xai  mtmh 
•liTTf/j  tiißtßctum  J/  flfi5ff»c'  ml  Ji  ^i  myxß 
HiAtwi9  $uyaTfki  fB»iißtw  hnwMn 
B$tx99iw  wtfi  xvkA^v,  i¥  HiXi^  mutiunn 

Bang*  om  den  tnutcften  Sohn  vw  felbft  die  tagende  Eoi, 
Die  mit  Roflea  den  Aether  dorcliw*ndertei   nahe   der 

*  Göttin 
Standen  ungleich  die  Töchter  des  Heiiof  voll  ErfUuneni, 
Im  hochherlühen  Kreii»  wo  dem  raftlo»  leochtenden 

Herfeher 
Zeof  dk  jlhrige  Bahn  ahuicfapcte. 

E 


66      MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B. 

Memnon  ffiUt;  die  traurend«  Eos  (v.  548)  hüllt 
fich  in  Gewölke,  dafs  die  Erde  dunkelt,  und 
gebeut  den  Winden,  diefie  gebahr,  den  Leich- 
nam aus  dem  Scblachtfelde  zu  entführen.    Und 

Jezo  tauchte  des  Helios  Licht ,   und  es  fetikte  fich  Eos 
Himmelab»  beweinetid  den  Ittben  Sohn. 

Memnons  Tod  i&  unter  den  philoftratifcben 
Gemählden  (fco«,  i,  *7>  vorgeftellt.  Auch  hier 
erfcheint  Eos  mit  ihren  Nymfen  am  H5mmeL 
Oben,  fagt  der  Verfaffer,  fchweben  die  Göttin- 
nen; Eos  um  den  Sohn  traurend  verdunkelt  den 
Helios,  und  bittet  die  Nacht,  dafs  fie  vor  der 
Zeit  komme. 

Vielleicht  that  Eos  an  diefem  Tage  ein  Aufser- 
ordentHches.  So  würde  ich  auch  denken,  wenn 
fie  nicht  bei  Quintus  im  erften  Gefange,  ohne 
einige  VeranlaiTung,  ebeni^als  den  Sonnenwagen 
bis  zum  weftlichen  Ende  der  Welt  begleitete 

H/IOC   y   »ty^n^^fm    KCtT*   nK9Ct»0t9   ßißilHit  * 

Jezo  nachdem  glanzvoll  zum  Okeanos  niederge^s^udelt 
Eof  t  und  aber  die  Erde  die  fchaorige  Nacht  fich  verbreitet. 


ACHTER    BRIEF.  (^ 

£ben  fo  im  vierten  Gefange  V.  62: 

Eot  anjezt  erreichte  dei  tiefen  Okemnos  Scrömang» 
Und   die  düßefe  Erd'  atnzog  nnermefsiiches  DankeL 

Und  diefe  Vorftellung  hat  nidht  Quintus  allein. 
Aach  Muräus  befcfareibt  die  einbi'echeode  Nacht 
alfo,  V.  210: 

fy  vffarif«  y  tni^nfM  ßx^veniec  'Uwtfog  a^tf^, 

Vß^ahrend  nunmichr  Leiandros  die  heimliche  Stande  ilch 

auskohr, 
Jezo»ydcn  Glana^  einhüllend ,    verfank   fchou  Eos  zaoi 

Abend, 
Und  TOn  dem  Rand'  erhüb  fich  ii?  Dämmerung  Hefperos 

funkelnd. 

Auch  Nönnus  (JWoify/..  7,  286)  läfst  feinen 
Zeus  voll  Verlangen  nach  Semelens  Umarmung 
ausrufen: 

XyyfTT»  Nttf  ^0v<v»  ^^avffA  rare  It/arm  H«f; 

Sage  mir»  graufame  :^acht»   ^ann  fiukt  die  Verderb* 
Itche  Eosf 

Selbft  der  Römer  Valeriüs  Flacctts,  getreu  der 
Vorftellung  des  griechifchen  0ich:ers^    den  er 

E  2 


6g       MYTHOLOGISCHER  BRIBFB  tl.  B. 

nachahmte,  führt  Aurora  {Arg.  I»  &83)  durch 
die  ganze  Bahn  des  Tages  herum: 

Sehern  Aurora  viaS^  iotidv»^  ftreierat  tmbrat 
Lima  polo. 

Sie1>en   vollbracht'  Aurora  der   '^eg\  und  fiebea  der 

«  Schatten 
Lutia  am  Pol. 

Wo  vielleicht  die  Lesart  dies  für  viaSf  die  Hein* 
iius  am  Rande  gefchrieben  fand,  ßebiH  dir  Tage, 
nicht  zu  vierachten  fein  möchte.  Und  wenn 
Virgil  C^*  3^2149)  von  den  Antipoden  fagt: 

Ant^redit  a  nohii  Aurora^  .diemque  redttcit; 

Oder  es  kehrt  Aurora  von  un^,  und  führet  den  Tag  htm 

fo  mufs  in  unferer  Weftgegend  Aurora  mit  der 

Sonne  ssugleich  gedacht  werden» 

/ 

.  Uns  Deutfchen,  die  bei  Eos  und  Aurora  nur 
Morgenröthe  zu  denken  gewohnt  lind/  mufs 
jener  Kreislauf  der  Eos  vom  Morgen  bis  zunv 
Abend  allerdings  auffallen.  Aber  das  griechifche  . 
Wort  H«c*  deffen  Begrif  in  der  Fabel  zu  einer 
Perfon  belebt  ward,  bedeutete  in  der  Natur  lAcki 
oder  Helle.  Es  konnte  daher  zwar  eben  fo,  wie 
nnfer  Morgen  9  vom  beginnenden  und  zunehmen« 
den  Tage  gebraucht  werden;  aber  auch,  in 
weiterem  Umfange,  von  der  ganzen  Tageszeit: 
und  diefes  nicht  blofs  nach  einer  bekannten  Figur,  - 


ACHTER   BRIEF.  69 

als  ein  Theil  ffir  das  Ganze ,  fondern  eigentlich» 
Das  haben  fchon  die  alten  Ausleger  Homers 
iEußatL  Odyff*  a,  1)  und  Porphyrius  iQuaß. 
Mam.  12}  angemerkt 

Allgemein  für  Tageslicht  finden  wir  v««  bei 
Onomakritus  (Argon.  ^7)« 

AAA'  iT9  «rfo«  (itwatTtiii  ifn  ^tfgv  ükm^  /«nriic 
HcA<a^ 

Aber  fobaU  zn  der  Mitte  des  Lichtt  die  hortigeu  Roflc 
Helios  trieb» 

Eben  fo  allg:emem  in  Bions  Idylle  von  der  Früh* 
lingszeit  (6,  18): 

Anbh  Ift  gleich  den  Menfchen  die  Nacht,  und  gerade 

das  Tagtlicht. 

Imgleichen  bei  Quintus  (i»  xi8): 

dkxt^ttr*  «€  Aiu«va<0  ^«5w  foov'  «fvvre  V  y«c* 

Helios  aber  umher  in  dem  hnrt^en  Kreife  fich  drehend« 
Sank  in  des  tiefen  Qkeanos  Strom;  und  das  Licht  w«c 

vollendet. 

Auch  in  dem  Abendgemlüilde  des  Nonnus 
<JDi<Miy/.  I8f  IS7)- 

E3 


79     HYTHOLQQXSCHER  BRXJPFK   II.  B^ 


üvatAi^H  ^»t^üvrac  vtfo  axiou^ei  Keniat 


'  ■■  •»  dunkelte  fprcnklieb  der  Luff-^ 

räum» 
Als  der  feuclitefide  Gott  »bfatik  in  den  Ichactigen  KegA^, 
Und  nnr  wenig  behielt,  ^er  dei  nachwärt»  glanxeiidea 

LichteSi. 

Ikrfihattige  Reget  ift  der  kegelförmige  Schatten 
der  Erdkugel,'  für  welchea  die  Nacht  m  den 
Schulen  der  Weltweifen  erklärt  wurde.  Diefe 
Übel  verftandene  Lehre  vermifcbt  der  thörleht© 
Alfifich  mit  der  alten  finnltcbea  Vorftellung  von 
Erdücbeibe  und  Sonnenlauf,  und  läfst  den  Helios 
in  feinen  eigenen  Schatten  linken» 

Dergleichen  Vermüchungen  find  hStufig  genug,, 
auch  wohl  bei  befleren  Schriftftellern.  Lefen 
Sie  zum  Beifpiele  Ovids  Erzählung  vom  Phae« 
tbon.  Hier  finden  Sie,  dafs  der  Sonnenwagen, 
nach  der  alten  Weltkunde,  am  öftlichen  Geftade' 
liinter  den  indifcben  Aethiopen  aus  der  Pforte 
Aurorens  auffahrend,  unter  der  umgefchwunge- 
jien  Stemenffäre  der  neuen  Weltkunde,  auerlt 
die  f^eile  Bahn  bis  zur  Mi^agshöhe  erfteigt,  dann 
afofchüffig  in  den  Oceanus  hinabeilt:  indem  der 
kreifende  Himmel  zugleich  als  Hohlkugel  an  den 
Polen  hängt  9  nach  deren  Verbrennung  er  ein« 


'achter   BRIEF«  71 

jftttrzen  \i?Urde,  und  zugleich  als  ein  Gewölbe 
auf  den  Schultern  des  Atlas  rohtr 

Im  weiteren  Sinne  braucht  Klandian  auch 
Aurora  für  TagestichL  Oder  was  verfteht  er 
anders,  wenn  er  im  Raube  der  Proferpina  (2,  46) 
den  Sol  und  die  Lnna  mit  der  Benennung  ehrt^ 

Annra  noBisqnt  duetT^ 

Führer  det  tageocflen  Lfcfatt  und  ifor  Nacht;    ' 

4>der.wenn  er  in  der  Gigantomacbie  (v.  34)  dem 
Sol  habenas  Aurora,  die  JSUgei  dn  Lichts,  zu 
lenken  giebt? 

'  Diefer  umfaiTenden  Bedeutung  wegen  ward 
4ie  Lichtgöttin  Eos  nach  Homers  Zeit  auci^ 
Jäemera  oder  Tag^Ottin  genannt  Am  früheften» 
glaube  ich,  bei  denTn^ikem.  So  erfcheint  bei 
Aefchylus  CPerf.  384)  A«/K9T«A«c'Hfiff«,  die  weiß^ 
faulige  Hemira;  bei  Euripides  (^Troad.  84ft) 


ÄiVKOVFTt^ 


^AiiggecQ  ^iJuoVi  ßg9t0if  ^f^TT^ft 


der  heUgeflSgelteo 


Hemer«  menfcbeiierfreaender  Glanz. 

Den  folgenden  SchriftftelTem  ilt  dfefer  Name  der 
gangbarfte.  Jch  nenne  nur  KalliSrat  (9),  di^ 
Scholiaften  Homers  CiL,  11,  x)  und  Piadars 
(O/.  2,  14&),  Fhik)ftrat  (i^oii.  i,.  7)» 

E  4 


yi     MYTHOLOGISCHER  BRISFE  11.  B. 

/ 

Ohne  den  Begrif  einer  Tagsgöttin»  wie  un«» 
natfirlicb  wäre  die  hefiodifehe  Dichtung  (  Theog,  j 

378)»  daft  £05  dem  Afträo&die  drei  göttlichen 
Winde»  Zefyros»  Notos  und  Boreas»  famt  dem 
Hefperos  und  den  Sternen,  gebohren  habe;  und 
nicht  vor  allen  den  (iftlichen  Euros»  der  als  un- 
göcttidier  Misbauch  verfchrieen  war ! 

Werd^  Sie  nicht  überdrüiug,  mein  Freund. 
Ich  wei(s  eSf  die  Grazien  lieben  einen  rafcberen 
Zef3rrgang;  aber  di^  emftere  Mufe  gebeut  um-^ 
fchauende  Weile»  undxlen  feften  Tritt  des  Be* 
ladenen. 

Solche  Domhecken  mußte  man  durchkrie« 
eben»  um  für  den  Kranz  der  alten  Geografie  die 
folgereiche  Bemerkung  zu  pflücken:  dafs  die 
Gegend  der  £05  nicht  blois  Morgenland»  wie 
bei  Enripides  (flreß*  1006)»  bedeute;  fondem 
gewöhnlich»  entweder  allgemein  die  ganze  er« 
leuchtete  ErdflSche»  oder  befonders  die  füdliche 
Seite  des  Erdkreifes»  über  welche  den  Griechea 
Sonne  und  Tag  hingeht»  im  Gegenlaze  der  ab- 
gewandten Nacbtfeite. 

Für  die  ganze  ErdflHche»  fo  weit  der  Tag 
leuchtet»  fteht  «m«  bei  Homer  ilU  5»  267): 


ACHTER   BRIEF.  7g 


edel  ▼öf  alleii 


Rofleiis  fo  viel*  umftrtlet  du  TageiUcht  ond  die  Sonne» 

Wo  der  Scholiaft  mit  Recht  das  Licht  des  Hirn- 
mels  gemeint  findet.    Eben  fo  nimt  es  Theokrit 

Tic  yet^  TWßt  iitQ99t  yxmunmß  itmhieiiß  Ar*  mm; 

NTcr  von  allen»  fo  viel  der  blaoliche  Tig  anch  beftralec» 

Und  Kallimachos   im  Lol^efimge   an   Artemis 
(V.  249)- 

■■■    ■  nichtt  gönlicher    wird    je   ichanea  dei 

Tagiliche. 

Von  der  befonderen  Bedeutung  fOr  Südhttlfte 
des  Erdkreifes  hoffe  ich  anderswo  nmftindlicher 
zu  handeln.  Hier  nur  dies  eine  Beifpiel  aus 
Homer  von  Ithaka  und  den  benachbarten  Infehl 
(Orfy/.  9,  25)2 

Avrn  i§  x^tffttvAif  wenn/Ttfrarn  riy  mkt  neint*» 
Ilfec  ^0^0»  *  al  U  r*  mtii5§  «f«c  n«  r'  ntXiw  re. 

Selber  liegt  fie  im  Meer  am  höchften  biiiaaf  an  die  Vefte» 
Nachtwärti;  aber  die  andern  zum  Licht  und  der  Sonne 
gewendet. 

Deswegen  wird  in  dem  alten  Orakelipmehe  bei 
PindarsSchoIiaften^Py^A.  4»  as),  wekhesdem 

Es 


7^     MYTHOJ^OGISCHBR  BRIEFE  11.  B, 

Tfaeräer  Battus  eine  Kolonie  nach  Libyen »  dem 

l^cbmaligen  Cyrene,   zu  führen  gebeut »  jenes 

Land  nach  der  Lichtfeite  das  eoifche  genannt: 
i 
Sf%«0)  A<i^*  ikm»  x^iu»'  HTtttfo^  aft§tvai» 

XTaudere,  Ufs  dts  nmfiatete  Ltnd;  mehr  fironunet  die- 

Vefte, 

Gegen  dai  Liclit. 

.Diefe  «Itere  Zweitheilung  der  Erdfeheibe  in  Tag- 
feite und  Nachtfeite  dauerte  noch  lange  unter  den 
neueren  Namen  Afia  und  Europa  fort. 


IX. 

Sie  fn^n  tntcb,  in  welchem  Sinne  Aurora  bei 
Virgil  QAiu.  6,  535)  über  die  Mitte  des  Pols 
im  ätherifchcn  Laufe  hin\^egeilte: 

Hai  vice  fermonnm  rofeU  Aunra  qnadrigtr 
Jam  mtÜHm  atbereo  aarßi  Uajecerat  axem^ 

Bei    dem    VeehfeTgerpracb  hatt*   Anrora  mit   ro^em 

Vietrpann 
Schoa  dk  Mitte  des  PoU  im  ätheci&heii  Laafe  dorcli- 

vandert.  ^ 

Ich  möchte  die  Frage  meinem  fcherzhaftea 
freunde   zurttckgeben.      Doch    fei   es    darum^ 


NEUNTER   BRISr.  75 

aneh  einmal  eine  Aufgabe^  wie.  vid  zweimal 
zwei  mache  y  sm  beantworten. 

Vorher  meldet  Virgil  (v.  235),  daß  Aeneas 
in  der  Nacht  vor  einer  unermefslichen  Felsböhle 
am  Avernus,  dem  Eingänge  des  Todtenreichs, 
ein  Sühnopfer  von  fchwarzen  Thieren  den  unter- 
irdifchen  Gottheiten  brachte,  bis  (v.  255)  mit 
dem  erften  Schimmer  des  Tages  ein  Erdbeben 
die  Ankunft  der  Hekate  verkündigte: 

Beet^  tuaem »  frimi  fut  Irnitina  fiih  W  «ftivr, 
SiA  feükus  mngire  fiinm,  ^  XH^  atpta  «Mvera 
Silvaxnm^  vipepte  Ciaus  ubdaxe  fer  mnbtam^ 
4LdvtHtante  de(u 

Siehe  aiuunthff»  vor  te  Helfe  der  naheiidett  Soan*  wmI 

dem  Aufgang, 
,    Brüllte  das  Land  tief  nmei  dem  Fi»fs»  es  erbelitea  di« 

Berghöhn 
Samt  dem  Gehöh;    auch  ^ont'  es  wie  Hondegeheiii 

dtarch  den  Schatten» 
"AJm  die  kommende  Göttin. 

Auf  diefes  Zeichen  ftürzte  die  Sibylle  mit  Aeneatf 
in  di»  Höhle. 

Haben  Sie  keine  Vorliebe  für  eine  andere 
Zeit,  fo  wifien  Sie  beftimmt:  Aeseas  ftieg  zur 
Unterwelt  in  der  Morgendüramerung ,  als  die 
ei^en  Licht;{lralen  im  Often  aufgimeten. 


^6      MYTHOLOGlSCHEIt  BItIBFE   IKB. 

Lefen  Sie  weiten  Die  beiden  wamdeln  deif 
dunkeln  Pfad  zum  Vorhofe  des  Orkus»  wo  die 
Schreckengeftalten  der  KÜmmemiiTe  and  Sorgen, 
der  Krankheiten j  des  Alters»  wo  Furcht» 
Hunger  und  Armut»  Tod  und  Elend»  Schlaf» 
Leidenrchaften  und  Krieg»  (amt  den  Furien  und 
der  Zwietracht»  den  Träumen  und  anderen 
Scheufalen  der  Fabel »  baufeten.  Sie  wendei^ 
fich  drauf  zu  den  ftygifchen  GewItiTern»  wo 
Charon  einige  Seelen  einnimt»  andere  abweift« 
Aeneas  ftaunt»  befn^t»  unterredet  iicb.  Der 
mUrrifche  Charon»  endlich  gewonnen»  fährt 
fie  hinüber  in  das  Todtenreich»  und  die  Sibylle 
befänftigt  den  Cerberus»  Sie  erreichen  den 
Bezirk  der  Kinderieelen^  dann  der  unfchuMig 
verurtheilten^  dann  der  fchwermtltigen  Selbft« 
märder»  dann  der  unglücklich  liebenden»  unter 
welchen  Dido  den  Aen^  aufhält»  und  zulezt 
der  Kriegshelden«  Hier  erfolgen  wiederum  Qe- 
fpräche  mit  Freunden»  befonders  ein  langes  mit 
DeXfoboa» 

Unter  fb  vielen  Begebenheiten  verging  wohl 
natürlich  die  Hälfte  des  Ti^es  auf  der  Oberwelt. 
Der  Wagen  Aurorens»  der  vor  dem  Sonned- 
wagen  die  Bahn  des  gewölbten  Himmels  vom 
Morgen  zum  Abend  durchlief»  hatte  bereits  die 
UUtagshiihe   zurückgelegt;    und    die    Sibylle 


NEUNTSR    BRIEF.  77 

ermahnt  den  Zaudernden  ,  die  Zeit  nicht  zsa  ver- 
lieren. Nox  raitf  Anna!  ruft  lie:  Die  Nacki 
ßürzt  daher,  Aen^asJ  Denn  nie  braucht  Vii^il 
Nox  rait  anders,  als  von  der  einbrechenden 
Nacht:  Aen.  3,^350;  8»  369. 

Aeneas  gehorcht;  fie  gehn  den  qualvollen 
Tartarus  vorbei  in  Elyfium,  wo  fie  das  Uebrige 
des  Tages  Kubringen,  und  in  der  Nacht  durch  die 
jezt  geöfnete  Elfenbeinpibrte  der  teufcbenden 
Tiüuffle  zu  den  Lebenden  wiederkehren» 

Diefe  Anordnung  iil,  denke  ich,  klar  genug« 
Sie  erkannte  Donatos,  der  durch  Aurorens 
Wagen  die  Sonne  bezeichnet  glaubte,  und  Pom« 
ponius,  der  jene  Stellung  der  Aurora  durch 
midium  dkm  erklärte;  fie  bewies  der  ibftarf« 
finnige  Ruäus,  und  felbft,  obgleich  mit  einiget! 
IrrthDmem,  Catron, 

Graulicher  doch,  meinen  Sie>  wilre  ein 
nächtlicher  Befuch  bei  den  Todten. 

Wie?  Abfahrt  in  dei*  Nacht  und  Wiederkehr, 
worauf  es  allein  ankommt ,  l^ben  Sie  ja.  Unten ' 
£ilt  es  wohl  gleich,  ob  in  der  Oberwelt  M»chl 
fei  oder  Tag.  Vielmehr  wird  die  untere  Nacht 
dem  lebenden  Befucher  noch  gri^fslicher  durch  die^ 
Erwägung,  da&  jezt  den  Mitlebenden  Ober  ihm. 
der  helle  Tag  leuchte» 


7S      MirTHOtOGISCkER  BRIEFS  II«  B. 

Aber  Homers  kimmerifche  Höllenfahrt  war 
doch  anders*' 

Immerhin!  Warum  Toll  die  avernifche  nicht 
ihre  befondere  Einrichtang  haben?  Dafe  Virgil 
die  uraken  Gebräuche  der  avernifchen  Todten* 
befchwörung  beobachtete,  erfehn  wir  aus  SHius. 
Hier  wird  (13^  404)  dem  Sdpio  von  der 
Priefterin  des  Äyernus  geboten,  den  Schatten 
nach  der  fTeifi  das  fchwarze  Sühnopfer  fut 
lucemp  gigin  den  Morgen  f  zu  opfiem,  und 
deshalb  (v.  413)  nach  Mitternacht  an.  dem  Fels« 
fchlunde  (ich  einzufinden. 

Eben  (o  bei  ApoUonius  (3,  3[ip5)  bringt 
lafon,  auf  den  Rath  der  Medea  (v.  1029),: 
nach  Mittemacht  den  Unterirdifchen  SUhnopfer» 
WozU'Hekate  im  Gebell  ihrer  Hunde,  unter 
Erdbeben  und  Geheul  der  Fluisnymfen ,  herauf- 
fteigt;  bis  mit  der  Morgenröthe  der  Held  zu 
feinen  Genoffen  kehrt.  Auch  erzählt  Plutarch 
(^de  Svcr.  gtffiO»  ^^s  ein  gewiffer  Timarchus 
a;ur  Abfahrt  in  das  unterirdifche  Orakel  des 
Trofonius  zwei  N^hte  und  einen  Tag  ge^* 
braucht  habe. 

Aber  das  roßgt  Vtergefpann  der  Aurora 
fcheint  Ihnen  vielmehr  eine  aufglühende  Morgen» 
r6the^  als  den  heUftrolendeo  Mittagsghuus,  an- 
zudeuten 


I 


NEUNTER    BRIEF.  79 

AU  ob  die  Rofle,  die  bei  der  Abfahrt  rofig 
waren,  die  Farbe  unterwegs  änderten!  Vergeflen 
Sie  denn ,  dais  Aurora  mit  ihrem  Gefpann,  als  be« 
lebte  Wefen,  einen  verabredeten  Schmuck  von 
Dichtern^  und  Kunftbildnern  erhielt?  unddafs 
diefer  Schmuck ,  wenn  er  auch  anfangs  mit  eini-^ 
ger  RQckiicht  auf  den  IVlot^enfbhimmer  gewiChlt 
wurde,  doch  nicht  als  allegorlfche  Hülle  der 
wandelbaren  Naturerfcheinung  zu  betrach-' 
tenifl:? 

Ich  mtfchte  daher  bei  dem  fplg^den  Ge« 
mÄhlde  Virgils (  A».  7 ,  as): 

Jam^  mhfceUt  radiis  mar*»  W  aihtrt  ai  alu 
Aurwä  in  rofiif  fidgtkat  lutea  Hgisf 

Schon   erglänzt'  In   R5thc   du  Meer,    am   er^bcaca 

Aetber 
Leuchtete  gelblich  Aurora  fom  rofsgen  Doppelgeipannes 

ich  m2$chte  hier  eher  darüber,  dais  VirgU  der 
Aurora  in  dem  felbigeh  Gedichte  bald  vier 
Rofle,  bald  zwei  vorfpannt,  mich  verwundern^ 
als  an  Herrn  Heynens  Verwunderung  über  das 
fonderbare  Farbengemifch  Theil  nehmen.  Was 
ift  da  befremdendes,  da(s  der  Dichter  die  Göttin 
im  gelben  Gewände,  auch  wohl  mit  gelben 
Haarlocken  zeigt,  und  il^'e  RoiTe  jeztro/f^ ,  wie 
den  Mahlern  beliebte,  und  «In  andermal  iener«' 


80     MYTHOLOGISC]»ER  BItlSFE  II.  B* 

färb  oder  weirs?  Selbft  Mrenn  wir  die  Allegorie 
zulaiTen;  vrie  bSufig  erfcheint  Roth  und  Gelb  am 
Morgenhimmel  gemifcht! 

Schon  alte  Granmültiker  erklärten  den  home» 
rifcheir  SafrannimUl  der  Eos»  und  Telbft  ihre 
Rofenfinger^  £nt  Anfpieiang  auf  die  Feuerröthe 
des  Morgens  und  die  auslaufenden  Lichtftralen; 
und  in  dergleicliea  Gewizel  pflegen  die  neuen 
Grammatiker  nicht  nachzuftehn%  £s  verfcfaii(gt 
den  Leuten  nichts ,  wenn  auch  andere  Göttinnen 
im  iSafranmantel  (Ä/I  TAwjg.  358  )>  oder  mit 
Rofenarmen  (  Heß.  Tk.  047,  251.  Sappk.  fr.  3* 
jinacr*  53i  21 )  fich  darftellen,  die  durchaus  keine 
Allegorie  der  Farbe  annehmen« 

Purpur  und  Hochgelb  waren  die  feftlichften 
Farben  des  Alterthums.  Naturlich  gab  man  den 
Göttern  die  ftattlichften  Prachtgewande,  zu 
Kleidern  fowobl,  als  zu  untergebreiteten  Ded^en» 
Das  bekannte  Safranlager  des  TUhonui^  aus 
Reichem  Aurora  bei  Virgii  fich  erhebt»  ift  ein 
Ehebette  von  köftlicfaen  hocbgelben  Gewanden» 
und  nichts  weiter.  Ein  Safraniicht  der  Natur 
entftebt  ja  erft»  wann  Aurora  das  Lager  ver- 
laden hat;  und  wahrlich  ein  Wolkenlager»  wie 
heil  es  ajach  fchimmerte»  möchte  der  alte  Titho» 
WS  nicht  fehr  befangUch  findi^k 


.      NEUNTER    BRlfeP«  8:1 

Si^werien  alfo  die  Beactwortong  Ihrer  Frage 
fich  gütig  gefallen  laiTen.  Aeneas  flieg  xni( 
Tagesanl^ruch  in  die  Unterwelt«  Die. vielen  be^ 
fremdenden  Wunder ,  die  ihm  auf  der  Hälfte  de^ 
Weges  begegneten,  nahmen  über  die  Hälfte  de$ 
befcbiedenen  Tages  weg;  Aurpra  hatte  mit  Sol 
fchqn,  die  Mitte  der  Stherifchen  Laufbahn  zurück^ 
gelegt;  und  die  profetifche  Jungfrau  mufst^ 
ihren  Begleiter,  der  noch  den  Anchifes  in 
Elyfium  fprechen  follt?,  an  die  nahende  l^acht 
erinnere« 

Die  Nebenfrage,   ob  nicht  hier  einmal  Herr 

Heyne  für  fich  felbfl:  eine  richtige,   wenigftens 

eine  fcheinbare  Erklärung  gefunden  babe^  würde 

ich  mit  tragifchem  Stillfchweigen  beantworten, 

/  vrenn  lie  ernfthai):  gemeint  wäre. 

Was  haben  Sie  dem  Manne  denn  abgehärC, 
das  Ihnen  ein  verbiflenes  Ucheln  erregt? 

.Bei  jeuer  deutlichen  Angabe  des  erften 
Morgenlicbts  ^Aßn*  6,  055),  da  die  HöU^« 
fahrt  anfängt,  verfichert  er,  man  mUfTe  di^ 
Zeit  nach  Mitternacht  denken,  tmpHS  a  media 
naSe  inieBigendtmjffet  ^"^  beruft  fich  wegen 
der  MUteruacht  auf  Servins,,  der  durch  den 
hellwerdenden   Aufgang   nur    deg   altrömifcben 

Tages  Anfang  von  ^Micternacbe.ai^ezeigt  findet^ 

F 


%%      MYTHOLCHlISCHfilt  BRlMFK  II.  B* 

teigleieheki  auf  Cerdäd  Bew^isftelfeii)  >da6  den 
U4terlrdifcbei]  tmh  M4ttemacfafc  päegte  geopfert 
.  2&a  \^rdeti«  Alfe  ift  der  Müfgeh  hier  MitUf^ 
macht  i  Nein  das  ift  er  dooh  wiederum  nicht; 
Denn  ob^n  bei  den  Variianten  fcbreibt  Hert 
Heyne  einen  anderen  ab,  feinen  Biirfnannus»  de# 
den  wahren  Anbruch  des  Lichts  x  erkannt ,-  unä 
(V.53S)  jener  ttiitternächtlichen  Attrora  fpotteti 
Nan  ift  alfoxier  Morgen  ein  wirklicher  MorgenS 
Ein  Beilpiei  zn  den  vielen ,  wo  Herr  Heyne  Uüteili 
etwas  anderes  f^t,  als  Herr  Heyne  oben» 

Was  denn  bedeutet  ihm  (V..  5^5)  Aüförä  idi 
der  Mitte  des  Stherifcbeti  Laufs?  "  Aurora,  fagt 
«er,  fahrt  Von  OfteH  nach  Weßen  duröh  dal 
«fiimmelsgfewblbe;  und  das  thut  iie  intra  te^püi 
^^dUuculi  &  otti  ISoliSy  zu  Deutfch/  '^wifchen  det 
i*  Dämmriu^  md  dem  4^fgmg:  der.  Sonne.  ^ 
Alfo  mit  Soane|3pii}fgaag  eine  >v^ftlj{;^e.  Aürora-t 
Um  das  iza  werben,  müfs  fie  fich  anftrengen,  die 
^ute  Aiii'ora,  Äumal  Wenn  toan  die  Kürtte'der 
Dämmerung  in  Itaiien  bedenkt!  'Djbch  es  fei;  wtt 
weiter?  -^  **Bei  Nacht  war  das  Opfer  gefchehn* 
«'Sie  Hatten  die  Reife  nach  der  Unterwelt  kuc* 
<*vor  dir  Dämmerung  angetreten,  primi  füi 
^Humina  Sdtis  &  örtus  v.  «55. »,  ~  Nun  ift 
ilfp  der  mitternächtliche  Morgeit^des  SerVins  gani 
Wgegeten,.  -Weiter!  -^   «^Jeat  :,bÄWJe..Auöwf* 


•fbtüB  m^fiMim  ^«i^Aim  faetfsen)  in  ihre«  Laufe 
•<ÄUiÖ<5fcgfetegt,  «nd  folglich  war  Are  Nacht  am 
«  alterSoiTsetftctt  Efide>  Ä(f»^  dri#i»  extretnu  no&U 
^jHift  oifi  ♦»aarlm^  ixgebaturi  lind  deswegen 
*«fagt  der  Dkhter:  JV^x  ftift,  Aenea^.y,  — . 
Welches  ÜÄt  Heytie  von  der  eödenden  Natihfc 
ZQ  vet^hn  Ach  ftiilfcliweigeQd   die  Eflaabni« 

Redhheö  Sk  eiÄttial  öaeh.  Die  Zeit  äwlfchen 
Dämimefong  tind  Ais^gang^  -da  Aurora  den 
Ütnlaiif  macht)  foU.  elfte  Stunde  daüeriK  In 
Italien  dauert  ße  keine  halbe  j  aber  wif  Wollen 
glicht  kargen^  Kur^  Vor  der  Dfimmening  fiiiegen 
fie  hinab}  und  jezt^  nach  fo  vielen  Begegniffen 
ütid  Gefprächen>  hatte  Atifora  einen  Theil  äet 
Stunde  Verbraucht  Es  W4f  alfo  ungefähr  eine 
lialbe  Äuiide  Verfti^ichen.'  Hätte  Aeneas  FlÄ^t 
»n  den  Ferfen  und  geflügelte  Worte  gehabt)  in 
einer  halben  Stünde  fo  viel  zu  wandern  nnd  Eti 
plaüdefh)  War  unmggUch%  Ueht  2e!t  efA)derte 
die  einzige  Unterhandlung  mit  Charon  tmd  di^ , 
Ueberfährt  Doeh  Tfiabe  Äeneas  fn  fo  kurzer 
Zeit  fö  Vieles  bdlchaft»  WA«  treibt  ihn  die  g«tar^ 
liehe  Sibylle?  Sie  haben  ja  füe  Elyfium  noch  den 
langen  Heben  Tag  Vor  fieh.  Odör  tratm  mÖl&flL 
ile  sEurttck?   Hett  tieytil^  WiH  mit  der  Sprach« 


84      MYTHOLOai5CH£R  BRII^FE  II,  B. 

nicht  recht  heraus:  "Von  der  Zelt  der  RBckkehr 
melde  der  Dichter  nichts»  alfo  brauche  man  iich 
darum  nicht  zu  bekümmerut  «>  -*•  Bravo !  r^ 
"Indefs  nach  der  Weife  der  Todtejiopfer  müiTe 
Aeneas  wohl  mit  anbrechendem  T^ge.die  Unter« 
Welt  wieder  verlafien.  „  —  Dann  freilich !  Aber 
gleichwohl  t  in  der  übrigen  halben  Stande  wird 
er  nicht  weniger  leiften »  als  in  der;  vergangenen« 
Was  erlebte  jener  arabifche  Prinz  nicht  albs  ia 
dem  Äugenblick  9  da  er  den  Kopf  ins  Wafler 
fteckte! 

Am  Ende  fertigt  Herr  Heyne  noch  feine  Vor- 
gänger ab:  Argutias  taptat  Sfrvius  cum  aliis^ 
Saniora  afferi  drda.  Nach  einer  Erörterung 
folcher  Art  den  Vorgängern  Spizfiiidigkeit  vor- 
zuwerfen! und  darunter  dem  helldenkenden 
,RuSus! 

O  hätten  wir  ein  Amfiktyonengericht ! 


X. 

Waren  es  Bildner,  Welche  die  (Götterroffe  be- 
flügelten; fo  wird  es  erlaubt  fein,  die  Luftfahr- 
ten mit  anderen,  von  Natur  oder  wUlkührlich 
beflügelten  Thieren,  ebenfiik  fUr  Erfindung  der 
bildenden  Kunft  anzufebn. 


2&HNTSS.     BRIEF.  g5 

Ich  weifi  im  Homer  und  Hefiodus  keine 
Spur  9  dafs  man  den  Göttern  eigene  Lieblings-* 
Vögel  verliehn,  noch  weniger  vorgefpannt  habe. 
Der  Adler  Zeus  und  Apollons  Habicht  waren, 
als  hochfliegende  Vögel»  zwar  gefendete  Ver« 
kündiger  Stherifcher  Anzeigen;  die  Tauben  tru- 
gen den  Göttern  zwar  Ambrofia  zu;  aber  als 
Gefellfchafter  befonderer  Gottheiten  finden  wir 
fie  niemals» 

Das  folgende  Zeitalter  ffihrte  durch  ausge- 
breiteten Verkehr  Reichthum  und  Ueppigkeit  ein, 
deren  Gefolge  die  bildenden  Künfte  waren.  Die 
6ötterbilder  bedurften  finnliche  Abzeichen.  Man 
gab  dem  Apollon  den  fingenden  Schwan,  dem 
Zeus  den  königlichen  Adler,  der  Afrodite  den 
verbuhlten  Spaz  oder  die  Taube,  der  finnenden 
Athene  die  Nachteule,  und  anderen  andere.  Sie 
mufsten  ferner  in  der  neueren  Pracht  der  vornehr 
men  Welt  erfcheinen:  mit  tyrrhenifchen  Sanda« 
lien,  mit  perfifchen  Hauptzierden.  Einen  wei- 
teren Weg  zu  Fufse  zu  wandern ,  w^  unfchick« 
lieh;  fie  betraten  einen  fchwebenden  Gold  wagen, 
und  lenkten,  theils  gefliigeltb  Kofie,  theils  nen 
erworbene  Lieblingsvögel,  wenn  fie  zugleich 
fchön  waren. 

Dem  Zeus  in  Olympia  bildete  Phidiäs  (Pauf.S 
f.  306)   einen  Adler ,   auf  dem  Zepter  fizend« 

F3 


ScboD  Aoakreon  (Futgent.  if  25>  erka&nte  £e& 
AbzjeicbeB,  weil  dem  2.eo6»  da  er»  in  den  Tit»-. 
I^enkampf  gebeod,  dem  Uraoos.  opferte»  ein 
Adler  dea  Siieg  tiodeiiiteto^  luaid  Pludftr  ioo^ 

Is  fc^oß  aor:Eeiif  ]^achtl|a2>«  «Qff  A^M  täi^ 

In  efbaltes^E  Kibftwerkea  etftbeiiat  der  Adlier 
bäufig  deoi  Zßus  zngeüiltt,  oft;  d^n  ßlizi  1e  die« 
Klauen;  aucb  wobl  dem  Poi^oerer  felbft  tr9ge&d^ 
^uch  die  H^re»  de»  Ganymede*»  oder  einea 
Vergöttertem. YOFgefpaoxit  fah  ich  ib^  «ue,  Päc 
Herfcbdf  der  Weit  fuhr  mit  dem  ediere^  Roßrt 
gefpaime  de«.  AUertbußi«»  wr  dafs  der  Künftler 
€s  maacbmal  beflügelte;  felteu  (Q«tt«t  Ji^»  ^§7;^ 
voa  den  vier  Wiudea.ge?.og;ei** 

BiMaera  hatte  bereits  Sappbo  abgelernte ,  wfe 
Afrodifeemit  Sperfißgo«  doTcfe  die  L«ft  febx^ 

■■■  ■■■  ■.■■■■.. „■    ««7^  $«  ^0fMy  A/T0/<v% 


IffEUNTBIt  JIJR.»Fw  ^7 

.     „,,,..„,  ^    ipM  vcihfini  das  Hans,  cht  V^cerr» 

Kamft  da,  den  goldnei» 
Vageu  diT  t»khkjtnd%  es  trog  ein  (cbonec 
Rafcher  Sperliogtziig;,  dec  die  diinjula  Flügel 
.Wirbelnd  raftlos  (cUwang»  dich  voin  Himmel  dmrch  dio 

Mitte  it$  Aethers«  f 

Sp&ser  fbheiht  die  Sitte  des  T^tibengef|>ftnns« 
Sonft  hätte  wohl  Anakreofis  artige  Taabe  aucfi 
von  ihren  Schweftern  bei  Afrodite  wenigftens 
ein  Wörtdien  geplaudert;  wenn  fie  gleieh»  für 
eine  Taube  ihres  Gelpanns  fith  zu  rilfamen »  dtza 
befcheiiden  gewefen  wäre.  Ramlers  fehöne  Er- 
dichlung  verliert  dsdurdi  mehts»  da&  fie  gegea 
das  Alterthum  ift« 

Der  Komiker  Alexis  bei  Atheo&s  (99  xx 

Der  A&odite  veiiser  Tauber  bia  icli  ja. 

Ubd  febön  der  alte  Komike»  Phcrektates  (  ibid. ) 
verglich  die  laftfahrenden  Tauben  der  Afrodite 
an  Weifte  mit  feineiA  Geliebten: 

AaaV  «f  «tfftrcr^ay  if*Pt93f  KaÄM0Beyttf 

F4 


8i      MYTUOLOai^CHCR  I^RZlCPE  IJ.  B. 

V^^ohlan,  a  Taubchcttr  gleich  an  Zier  dem  KaUtfih«)ie% 
Fleug,  bringe  gen.Kythera  inich  nnd  Kypros  hin. 

Weiße  Taauben  aber,  wie  Athenäus  dort  und 
Aelian  (v^n  hiß.  t,  15)  aus  dem  Latnpfaker 
Charon  melden»  erfchienen  in  Griechenland  zu* 
erft,  als  unter  Mardonius  die  perfifche  Flotte  am 
Athos  verunglückte.  Die  Tauben  in  Dodona, 
fagt  Herodot  (2»  55)»  waren  dunkdfarb. 

Etwas  nacli  Pherekrates  erwähnte  der  Komt« 
ker  Antifanes  C  Athen.  14,  20  /'.  O55)  der  vor^ 
züglichen  Tauben  in  Cyprus:  welche  Spanheim 
iimm,  ant  3»  i)  auch  auf  cyprifchen  Münzen 
fand.  Di«fe  Sorgfalt  der  Cyprier  für  fchöne 
Tauben  ftammte  gewifs  aus  Syrien,  wo  die 
weifse  Taube  für  heilig  gehalten  ward  iTibulL 
I  Et.  7,  18),  weil  fie  die  fyrifche  Göttin,  die 
man  der  Afrodite  gleich  achtete,  aus  einem  von 
den  Fifchen  des  Eufrates  ans  Ufer  gewälzten  Ei 
gebrütet  hatten  (^Hygin.  197).  Es'fcheint  alfo^ 
dafs  bei  Klaudian  (31 ,  104): 

Floren  ptrpureas  adneihtnt  frena  columbas, 

klumengezaam    verbindet    die    porparfchtmmerndta 
Taoben  s 

nur  der  blendende  Glanz,  wie  in  den  Redensar- 
ten, purpurner  Schnee ,  purpurner  Narciffus  und 
Purpurfehwänef  zu  verfteben  fei. 


NBUNTSR     BRtsr«  80 

Auch  die  Eryctiiery  wovon  Spanbeitii  einigt 
Mttnzen  zeigte  plagten  das  Bild  der  Taube. 
Athenäas  und  Äelian  (^nat  aninu  49  a)  erzä*hlen, 
man  habe  in  Eryx  ein  Feft  gefeirt,  «vay«y<a  oder 
Abfahrt  9  da  die  Göttin  mit  allen  Tauben  nach 
Libyen  zu  gehen  geglaubt  ward;  und  nach  neun 
Tagen  ein  anderes ,  Kceraymym^  Ankunft  ^  da  zu« 
^rft  eine  einzelne  Taube»  die  durch  Purpurfarbe» 
wie  Anakreons  purpurne  Afrodttif  von  dem 
Schwärme  fich  auszeichnete»  aus'  dem  Meere  in 
den  Tempel  flog»  und  darauf  die  übrigen  nach* 
folgten. 

Bei  Horaz»  der  anderen  Abbildungen  folget» 
crfcheintdie  Liebesgöttin  (4  Od.  i»  xo):  ' 


fttrpttreit  ales  ohrikus^ 

vom  Fing  purparner  Schwan'  erhöbt. 


Und  wieder  .(3^  Od.  2g»  «4): 

-'  ■  '  ^  Tafhw 

JunSis  vißt  olorUmtf 

■  ■  die  Pafof  Hais 

Mic  der  SchvSne  Gefpann  belucht. 

Wiewohl  ich  fehe ,  dafs  auch  Ovid  (  ATrt  W,  717) 
ihr  zur  Abwechfelung  Schwäne  vorfpapnL 

Sogar  wird  auf  einer  Münze  bei  du  Chout 
(f.  2io>  ihr  Wagen  von  geflügelten  LiebesgöC* 

P5 


90     BlYTHCriiOQlSCHI^lt  BItmFE   ZI,B. 

ter»geaK0g€»]}.  Dagegen  fahKlaudian  (3!,  rix  % 
wie  die  matwiUigeB  Amoro  felbft  ihre  MoUeir 
liaf  einem  e^eBeo  Luftwage«  beg^eiteleo» 

FrenatisqHe  fruces^  avihis  per  nuhitß  ve&i^ 

« 
KecK  mit  gezügeltem  VÖgelgefpana  die  Qlew^lk^  dnrcfc» 

Und  auf  ehern  philoftratifehen  GemSSblde  (icM^ 
X»  9>  halten  die  Eroten  in  einem  Teidie  eia 
Wettrepöen  mit  goldgezügelten  SchwSaeiu 


yVpollons  Luftfahrten  mit  Schwänen  warea 
den  Späteren  fo  gewöhnliqhÄ  dafe  Nonaua 
(  DmKf.  aS»  5i06  )  fagt; 

ScKwäue  imr  tr^^en  m  Fing,  kein  I^urti^et  1^06,  dea 

Vlety  Vovftelluftg  war  ichon  im  Zeitalter  der 
Lyriker,  PhereGydes  heil?!  Scholiaften  dea 
^poUojaiu$i  (a„  500)  erzählt ^  die  Nymfe 
Cyrene  ffei  von  Apolloi\  auf  einem^Wagea  nut 
Schwänen  9  tm  Hpxvm,  ox^^t^^^v^  nach  Libyen 
entfährt*  worden.  Auch  Sappho »  wie  Himeriu^i 
(  ^.  i^x  7}  m^li^U  w4  Pißifar  in  einer  Od«  m 


iApollMk»  lyinttdLteii  den  Mofi^teii  wAb  gd-i 
deaem  Ha«ptb«ar  osd  ak  d«F  Lyr^^  und>  fimdten 
iba  »uf  «io^m  SchwimeQgefcbkir»  mvxvm«^  »wox^h 
IVt^  HelUto»!,  nk  deck  Mu&a  lunt  Cbaciteu 
RejbeDtaii«  aiif^.ülirei^  Welghi^moach,  ilpoU 
ipa  9«icl|  wohl  int  Pixul^rs  aicbtef'  oilynipUbliei^ 
. Ode  iy^(a^9»£  m^m ScbcWW^wag;eja  g^dad»^ 

Al>er  wansm  Beniie  2c^  isictii  gtelch  deisi 
tlcUifchea  P«au  aa  Apolloa»  fOr  d^ffe»  Auszugs 
vrte  er  «Lieh  ift  ^  wir  dem  HimeriuÄ  (  pr.  14  „  xq) 
Dauk  uijd  VerzQih^ng  eigener  Gebrechen  fchuldig 
find?  V^eUefcbt  habea  Sie,,  dureh  d^e  katte?i 
Anze^eu  imfercr  Kunffrichter  geteufchfe»  fichi 
die  Schäae  des  Hioiedus  poch  ixioht  zu  eigeq^ 
gemacht,  Empfai^eB  Sie  alß).  de«  wichtige« 
Nachlaß  z:uerfl;  ai^s  weiuer  Haud* 

^Icb  Witt  eneh»  ^  be^Dtder/ehriiehe  Mafm^ 
<*aHch  yoB  AlcMa»  eine  Stelle  vorfagen,  die  jenej 
<^in  Ge&ng  ahmafs>  da  er  d«»  Piki»  fehrieb  an 
^'AbqUoiu  Ich  werde  fie  euch  «^ber  weht  oach 
<*der  lesbifcbeo  Tonweire  vortragen »  "deuu  ich 
vhiu  gar  kein  Poet>  fond^ra  den  Ijrifqheu  Y^ra 
<<auflöfeöd  i»  Rede.,» 

*OTft   AvO^AaisI  fy«1«<TA»  XfltffMf^«#  ««r^K.  ^  9«!^  9^''ff 


99    '  MYTHOLOGISCHES.  BRIEFE   II.  B. 

A<a<  vmiutretf  tKH^fv  fFf9^nT9U9oifT»  hn^v  tun  !^tftt¥  Tßi$ 
'£AAif^fv.      *0  ^««Ti/^arc  «»#  TW  agt»»rmv,    t^v  x«<  ri#4 

peBo)frü%  TPCtimv»  ^ity^rtQ  Kmt  jtcffAoc»  n»*  X^t^^  n'iS^tmv 
it'9fi  'fov  TfiiFO^a  ^tirävrti  f  tiecAHv  *roy''-5fM  ff(  ^Tirfffl«* 
fffitfy  iX^Miv,  *0  ^«  cr^c  ^A«y  irötfät  roi^  §tttt  ^tfurtv^MC 
«v5f «70/C  9  'Wttiii  %»tf9v  tvono^trtt  n»  f  wc  AeA^fietft 
if^Vffffi  rfi»o^»Qf  .««5ic  »ffAfvfff  roi«  itMcytfic  t|  Vsrfff^a« 
f ffttv  t^ivrav^at.  Hy  fiiv  hv  5ef of »  le«/  rw  5f f VC  ra  fMr0# 
MVTOj  iri  c|  *Tirtgßügtmv  AAxffftfC  ^«f  rov  ATtfAAofV«* 
^rs  ^if  ^cfHC  ff}cAafiT0yr0C  >  ««<  C9r<d«fftHyroc  AsroAAArvtf«^ 
'degtvov  ri  %9m  ^  At/f«  irffi  roy  5f0v  aßfwtrau  Atiutt 
luv  »if^oytf  avTtp,  ixotov  «ümc  fr«<  4r«f'  AAiuri^i  r«c 
«fv/5«C*  fc^Hfi  dt  IME«  xcAidovfC  JMT/  Timyic»  if  riiy 
iecvTw  rvxnv  Tifv  fv  «v5f«sroic  «^ffAAtir««i  «AA«^  4r«yr« 
r«  ficAH  xar«  5f »  ^^Myyofitvett,  Pfi  x«i  «f yvf «fC  4 
XartfAf«  aear«.  wointtv  vütfut€i  $  *xt  Kii^iesvi  fuya  migtrmif 

hict^trm  §iiv  yae  AAk««««  iiiomQ  ^Ofuig^  94iiiwStt  nm  vlüf 
9<«y  fT«^ifft/«y  utw^tf^cii  iwantvw* 

Als  Apollon  gebohrea  wtr,  fchmuckte  ihn  Zeat  mit 
goldener  Sti'rtibinde  'tmd  mit  der  Lyra ,  und  gab  ihm  daztt 
ein  Gefpann  zu  lenken,  (Schwäne  aber  waren  da$  Ge- 
fpann , }  und  fandte  ihn  nach  Oelfi  und  den  GevülTern  der 
Kaftalia ,  von  dort  zu  verkündigen  Recht  und  Gefez  den 
Hellenett.  Er  aber  trat  in  den  Waagen »  and  gebor  den 
SchvSncii>  auch  kq  den  Hyperboreern  zu  fliegen.     W10 


JCUTTCR    BRIKP;    '  9} 

8011  Üelfi  et  ▼tfii«hiii«  ordneten  fie^iimHaaiind  Cefimf« 
ftelltca  Chöre  der  JiMigliiig^  nitt  d<n.I>9etfiirt»  und  Hefofi 
4kii  Gott,  v«ii  den  ^yperi}orcerit •  zu  kommen«  Jeticr 
weiflkgete  ein  ganzes  Jahr  bei  den  .Menfcben.  dort ,  und 
nachdem  er  die  Z^it  befttmmt«  Ms  auch  die  delfiichea 
breifiifse  töneteti ,  geb'ot  er  wiederum  den  SchiK^änen  dahin» 
zafliegen*  Ei  var  nun  Sommer»  nnd  grade  des  Sommers 
Mitte,  da  von  den. Hyperboreern  Akäns  den  ApoUon  fiihrt: 
daher,  vom  erheitenen  {Sommer  and  «v^^?^«>> '^poUon, 
mit  Sommergetön  auch  die  Lyra  am  den  Gott  lispelt»  Es 
fingen  die  Nachtigallen  ihm,  wie  zn  erwarten  ißr,  ein 
Vogelgeiang  bei  Aicins;  es  fingen  aoch  Schwalben  nnd 
Gikadcu,  iiicht  ihr  eigenes  Scfatckto' '  umfer  den  Menlchen 
erzil^lend  y  fonderh  lauter'^elodieen  von  dem  Gotte  tönend. 
Es  flrömt  auch  Kaftalia  mit  poetilchen  Silberfluten,  und 
Kefiflbs  erhebt  fich  hoch  mit  purpurnen  Wogen,  den  Edi- 
pens Homers  nachahmend»  Dfnn  es  wagt  Alcäus,  gleich 
Homer,  aoch  das  Gewäfler  za  bclchreiben,  als  könnte  e» 
der  Oötter  Ankooft  eq^finden» 

Wie  ift  Ihnen?  Sie  ftehii  in  fich  gekehrt  «^ 
der  heiligen  Trümmer,  nnd  horchen  dem  ver« 
hallenden  Geifterlaate ,  der  sas  der  Zerftttrung 
herauf  tönt  I  oder  zu  tönen  fcheint 

Einfamer  Sonderling!  Noch  lauter  rufta  in 
Könchseinöden  und  BUcherf älen  aus  den  erblei  • 
chenden  Pergamenten  alter  Grammatiker !  noch 
lauter  ans  den  Schlacken  des  Vefttvius:  wie 
Stimmen  des  ÄldCu^,  derSappho,  desHenander» 
des  TheopoQ»pas,  dfs  Liviiis,  des  Afiaius^  de« 


tp4      MVl'ltt^X;iOä£StlHi:ft  B^lEl^li  It.  & 

Si'fthlt  ttuf  ttateh  Eteükmifleftt  ffit  tfen  Sti6«t^ 
Silin,  ^eri  Ef tfäg  WrechneÄk  Eörydlc^,  dem 
Lichte  Tcliön  tibhe  finkt  zurSckj  Ul^d  in  ^ie 
vTieife  Veriieirt  ficb  ifer  GelW|zi,  / 

••■  fe^Ä  vdtftrA;  äffttfkpte  iünantin  imnhtä  fiiftiriAf 

s.  |{lUE«e:<9«IUik;kV.  Mi  «i  Annm  tue   lÜivirnMAi^ 


öetn  tonfelelreifiL  Sch^Mmne  Apotko^  gtüKifbi»  iiib 

den  ürfpiting  feinps  poetifcheti  Adeb  iziit  'ekigef 

;  iAÜo&ei^i'ti^en  Wäf  ttoeh  ill<^  i^  Itede 
davon  >  diife  der  ScHVwifl  vot  ^f^eiüeitiexi  Smäph 
yJJgeUi  durch  Wphlteut  ficli  ^üszieichtiew  VieK 
fiöehr  hßreh  ^it  ihh  (II.  ä,  459)  iü  das  wüfte 
GeiTchrei  der  afifch^ö  Wiefe  einftinmien« 


Dort)  gleich^i^  der  Gevögel  atazählbar  fliegende  Scbaaretl« 
Kraniche ,  oder  GanC»  wid  das  Volk  langhaK^er  Schvace» 
lieber  die  afifche  ^lef*,  ttm  Kayftrioi  v/eite  Gcwäfler, 
Hicrhia^^Mm  und  dorthin»  tio  freudigeli  Schvtuig« 

der  Flageli 
Dann  mit  Getpn  faittfeiikeK  den  flog»  daii  nxsAati  4ü 
/        .  Gefild*'  halk. . 

.  Habe  ich  Ihnen  fchon  gefegt,  dals  Heficxla*» 
*h  Spraqhe  fowohl,  als  an  Heueren  Sitten  nnd 
Ketintniffen  der  Erde,  mir  jünger  «Is  Homer  um 
Äwei  Jahrhunderte  erfcheintf  Homers  Auslegef 
(11.  23;  683)  bezeugen,  Heiiodus  habe  riackto 
Wettkämpfer  ohne  Gurt  eingeführt,  namentlich 
den  Hippometies,  det  mit  Atalanta  liefk  Dlefe 
Sitte  entftand,  nebÜ:  dem  Worte  yfafcy«r/9y,  nadli 
der  vierzehnten  Olympiade  iDioHgf.  Bak  ani^ 
tom.  7  FiH,)  und  einige  Olympiaden  mufsten  doch 
wohl  vergangen  fein,  ehe  HeKiodüs  die  Neuerung 
ins  heroifche  Alterthum  Verfesten  konnte^  Daft 
Öefiodus  nach  der  firbaUütig  Von.  Cyrene  geiebf 
habe ,  beweift  feine  Fabel  Von  dfer  Entführung 
der^  peneifebtjtt  Nymfe  Cyrene,  die  Pindard 
Scholiaft  iPythu  9>  6)  aus  den  £öenänftthrt| 
auch  feine,  obgleich  VerfkUchte  EfwihttUftg 
eines  cyreaifchen  Arkefikos  bei  demfeiben'  iai 


f(S      MYTHOLOaiSCHPR  BRIEFE    II.  B. 

Eiogai^C  der  vierten  pytbifcben  Ode.  Cyreoens 
ErbidiiuDg  aber,  etwa  zweihundert  Jahr  vor 
Pindar,  erklärt  Herqdot  (4,  152)  für  gleich- 
S^eitig  mit  der  erften  fahrt  des  Samiers  Koläus 
tiach  dem  reichen  Weftlande  TartelTus. 

.  Da  alfo  Hefiodus  die  erftea  Fabelgerttcbte.der 
weftlichen  Entdeckungen  durch  die  Phocäer  und 
Si^miek'  erlebte;  fo  begreift  ttian,  wie  er  zwar 
Homers  Wunder  in  der  Weftgegend  noch  gelten 
lieft,  aber  Tyrrhener  (^Strab*  1  p.  23)  und 
Latiner  ( TÄ.  1013)  und  Ligyer  (^Strab.  7, 
p.  300)  und  Hyperboreer  {Herod.  14,  37)  und 
öreiiFe  der  weftlichen  RhipSen  (^Sch.  Aefch. 
Proni.  803)  hinzufügte.  Auch  den  Eridanus 
befang  er  in  der  Fabel«  vom  Phaethon  (^Hygin. 
15^) i' aber  in  feiner  alten  Geftalt  aus  fönicifchen 
Sagen ,  wie  er  auswärts  in  den  Oceanus  von  den 
Rhipäen  gegen  Norden  ausftrömte.  Denn  Phe- 
recydes  war  der  erfte  (^Sch.  Germ.} 9  der  den 
neu  entdeckten  Padus  im  Inneren  des  adriatifchen 
Meers  für  einen  Arm  jenes  alterthümtichen 
Bernfteinflufses  aus  den  Wundermährchen  der 
lonier  aufnahm. 

.  Wie  di^e  geografifche  Wetsbeit.  mit  dem 
3chwane  zufammenhüngt?  Seht  nahe,  .wenn 
Sie  erlauben.  Unter  den  Merkwürdigkeiten »  die 
laan.ind^mglUckfeUgen  Weftlande.  am  Oceann» 


ZWÖLFTER     BRIEF.  97 

entdeck!:  zu  haben  fich  rühmte,  war  eine  der  vor* 
nehmften  der  ßng$nde  Schwan  bei  den  Ligyern. 

Hefiodus  fand  dies  Wnnder  fchon  fo  beglau- 
bigt, dafs  er  ihm  einen  mythologifchen  Grund 
erdichtete,  Kyknos,  fagc  er  bei  Hygin,  der 
König  der  Ligyer,  fei  aus  Kummer  über  den  Fall 
feines  Verwandten  Faethon  in  einen  Schwan  ver- 
wandelt worden,  der  auch  fterbend  noch  Trauer- 
gefang  finge.  SpSter  fabelte  man  auch  andere 
Kyknen  zu  Gefangfchwänen.  Und  da  er  den 
Schild  des  Herakles,  wie  Homer  den  achillifchen, 
mit  dem  kreiftnden  Oceanus  einfafste;  fo  ver- 
färtnte  er  nicht,  den  Weltftrom  durch  das  melo- 
difche  Geflügel  feines  Weftufers  zu  erheitern, 
V.  314: 

Kvitvct  at^^tirorm  fAtyecX*  firvov*    ot  fet  yi  TOKXoi 

Ringsher  floft  um  den  Rand  der' Okeanot«  tSer»  wt« 
gefchwoMen. 

Ganz  den  känftlichen  Schild  uniflutete:  über  dem  Strome 

Flogen  Schvin*    h\  der  Luft^  und  jubelten;    andere 

fchaarveis 

Schwammen  omber  auf  der  ^eile»  von  Tch^rmenden 
'  Fifchen  utntaamelt. 

G 


98      ÄlYtHOLoaiSCHER  BRIEFE   11.  B. 

Das  Wort  ifwt/f/v  braucht  Homer  oft  vom  Raft^ 
einmal  (OdyiT»  17,  271)  fogar  irom  Klaftge  des  i 

Saitenfpiels« 

Für  die  ligurirche  AbftammöDg  der  fingendeit 
Schwäne  zeugt  auch  Ovid  in  den  Verwandlung* 
gen  (2,  367);  und  Paufanias  (i  p,  58)  mit 
dem  Zufa^y  dafa  der  König  Kyknos  die  Rlulik 
geliebt  habe»  Auch  auf  Philoftrats  Gemähide 
(^icon.  T,  11)  von  Faethons  Sturz  in  den  Erida* 
21U8,  der  9  noch  der  älteren  Fabel  gemäfs,  in  den 
Oceanus  nusftrömend »  den  Barbaren  geronnenen 
Bernfteln  zuführt,  fliegen  Schwäne  mit  füfsem 
Geiang  empor,  um  die  Jammergefchichte  dem 
Kayftros  und  dem  Iftros  zu  verkündigen.  Und 
wie  melodifch  befingt  VirgÜ  i^en.  10,  189} 
dieF^el: 

'Santque  ferutti,  ttiäu  Cytmtin  Phaethontis  amatit 
Topuleat  inter  fmidei^  uiHbramqne  forortrm^ 
Dum  caftity  i^  mteflunt  rmifa  fittttkr  omorefH^ 
Canenum  molli  pluma  duxißt  fineStam^ 
Linqueiitem  terras,    ^  ßdera  voce  fequentem* 

Denn  man  erzählt,  dafs  Cyknus,  um  j^haethon  trattrenJ 

den  Liebling» 
Unter  granendem  Pappelgefprofs»  snd  dem  Schatten. der 

Schvellern, 
^K^äbrcnd  er  lang,  dvrcfa  Lieder  den  GrUm  der  Liebt  zu 

trögen, 


ZWÖLFTER   BRIEF«  99 

Sflbtrgran  fciii  Alter  mit  w«ichtin  Flaame  I>«rc!il«iii]igt, 
Und,  von  der  JErd'  außSIe^nd,  mit  Klang  die  GeHirnt 

verfolget. 

Auch  Lucian  {de  tk^ro)  fpottet  der  fortdauren- 
den  Sage.  Nachdem  er  mit  feiner  Erlumdigung 
»ach  Faethotis  Fall  \mi  den  Bernfteinpappeln  voa 
den  Schiffern  des  Padns,  der  jezo  allein  Eridanus 
hiefs,  verlacht  worden  {  wagt  er  dennoch  die 
asweite  Frage:  *<  Aber  die  Schwäne,  wana  fingen 
♦'•fie  euch  jenen  bellen  Gefang,  hier  und  da  auf 
**dem  Flufle  fchwebead?  Man  fagt  ja,  fie  feiu 
^^Apoltens  Beißzer,  tonliebende  Menfchen,  die 
^^hier  herum  zu  Vögeln  geworden,  und  deswe» 
**gea  noch  fingen^  weil  fie  d-Je  Mufik  nicht  Ver- 
*<gafs€n,  „  Sie  aber  mit  Getechfcer  antworten^ 
*^Du,  oMenfch,  wirft  de  nicht  aufh^Jren,  heut 
**u«fer  Land  und  den  Flufs  zu.  belBgen?  Wir,  die 
♦'beftändig  fchiffen,  und  faft  von  Kind  auf  im 
**Eridao«s  «a  than  haben,  febo  zwar  «anchmat 
<<ei»fge  5chwäae  in  den  SBmpfen  des  Stroms, 
**und  diefe  krächzen  ganz  tonlos,  uud  fchwacb, 
^dafs  die  Raben  und  die  Krähen  Sirenen  dagegen 
^*find.-  fingende  aber,  und  fo  lieblich,  wie  du 
**fagft,  haben  wir  aueh  im  Traume  nicht  gebort. ,, 
Bern  Spotte  der  Kundigen  zum  Troz ,  wagt« 
noch  Klaudian  Schwäne  des  BernfteinfluiTes  ßibel- 
haft  einzuführen  (40^  11)  j  '       ■ 

Ga 


lOO     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    II.  B. 

Fra&aque  nobUinm  raniis  eleära  joromm 
Cycnus  olovifcri  vexit  ab  amne  Padü 

Auch  gebrochenen   Ambra  rom   Sprofs   der  beAingenen 

Seh  weltern 
Fuhrete  Cyknus  vom  rchwaiiprangendeu  Padus  daher» 

Jezt  wird  uns  des  Ariftoteles  Bericht  von  den 
Schwänen  {hijl.  anlm.  9 f  12)  vtriländlich  fein: 
"Auch  melodifch  find  fie,  und  fingen  zumal  vor 
*^deni  Tode;  denn  fie  fliegen  auch  in  das  Meer; 
«*und  einige,  wann  fie  an  Ligyen  hinfchiften, 
<*  trafen  im  Meere  viele,  die  mit  trauriger  Stimme 
^< fangen,  und  fahen  einige  davon  fterbend.  », 
Denn  Ligyen t  ohne  Zweifei,  fchrieb  Ariftoteles |^ 
ungeachtet  der  Schreibfehler  Libyen  von  Aellan 
(^nat  an.  10,  36),  oder  von  defien  Abfchreibern, 
wiederholt  worden.  Jezt  auch  erklärt  fich ,  was 
Himerius  (or.  6,  i)  meint:  "Der  Schwan  tönt 
"bald  am  Oceanus,  und  überftimmt  das  fchal« 
'^lende  Meer;  bald  an  des  Kayftros  Wirbeln ,  und 
'Men  Fluten  des  Hermos  und  Hyllos.  „  Beide 
erzählen  die  SchifFerfage ,  dafs  an  der  fernen 
Ligyerbucbt,  die  auf  den  alten  Welttafeln  famt 
der  zufammengedrängteü  Weftgegend,  nahe  der 
Mündung  des  Oceanus  zu  li^en  fehlen,  fingende 
Schwäne  im  Meere  gehört  würden,  und  dals 
diefe  aus  den  benachbarten  Landfeen  und  f  lüffeDg 
vorzüglich  aus  dem  £ridanu9>  dahinflögen. 


ZWÖLFTER    BRIEF.  lOI 

Ein  fo  melodifcher  Wundervogel,  wie  follte 

er  nicht   mit    dem   benachbarten    Apollpn   der 

Hyperboreer,    die  feit  Hefiodus    im    äufserPten 

Weftlande  am  Oceanus  wohnten ,  in  Verbindung 

ftehn?    Hekatäus  von    Abdera,    ein   Zeitgenofs 

Alexanders ,    unter   welchem   die   Hyperboreer 

durch    erforfchtere    Volksnamen    6es    Wefteni 

fclion  höher  in  den  Norden  des  damaligen  Erd- 

Hrerfes  hinaofgedrä'ngt  waren,   hat  aus  der  alten 

$age  folgendes  erhalten  (  Ail»  nat,  anim.  1 1 »  i  )• 

•*  Wann  die  Hyperboreer  dem  Apollon  durch  drei 

''Söhne  des  Boreas,  die  fechs  Ellen  hoch  findf 

**fein  geordnetes  Feft  feiren,   dann  fliegen  von 

**den  rhipäifchen  Gebirgen   unendliche  Schwa- 

*'nenzüge  herab;  und  nachdem  üe  um  den  Tem- 

**pel,  wi^  in  heiligem  Umgang,  fich  gefchwun- 

•*gen,  fenken  fie  fich   in  des  Tempels  grofsen 

<*iind  fchönen  Bezirk.    Sobald  nun  Sänger  und 

'^Saitenfpieter  dem  Gott  das  harmonifche  Lied 

"erheben;   ftimmen  auch  die  Schwäne  mit  ein, 

«•nicht  wild  und  mishellig,    fondern,   wie  vom 

«Chormeifter  geführt,  helfen  fie  den  kundigften 

"Sängern  des  Feftliedes;   und  nach  Vollendung 

•*des  Hymnus  fliegen  fie  hinweg.  „     Welcher 

Fabel  auch  Ifidor  (,orig.  I2,  7)  beiftimmt« 

Ea  wetteiferten  nun  Dichter  und  Bildner  und 
Tempeldiener,    Apöllons   heiligen  Gefangvogel 


102     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    II.  B, 

ZU  ehren.  Nahte  der  Gott  dem  delifchen  Heilig- 
thnm  9  der  Dichter  hörte  den  begleitenden  Lieb* 
ling  (Caliim.  Af.  g): 


'  und  der  Schwaii  ü»  «ien  Lufshöho  Hn^et 

ine^difcb! 

Den  delifchen  Tempeltelch,  ivelcher  bei  Hero- 
dot  und  Theognis  v.  7  Tfo,vo5/Jjfc».  der  gerün» 
deti,  mit  Namen  hei&t,  nennt  Euripideü  (^Jpb^ 
Tanr.  1103): 

MHffcti  l^egXTtvti. 

Den  valTerroHetTden  Sch>K^anenteicb» 
Vo  der  tonreich  fitigende  Schwan 
Den  Mufeu  dienet. 

Zu  welchem  Teiche  bei  demfelben  (Jon,  161) 
vom  delfifchen  Heiligtbum  der  heranlllep;ende 
Schwan,  der  Mittöner  des  föbifchen  Saitenfpiels, 
verfcheucht .  wird.  Auch  ^  Ariftofanes  (  av.  869  ) 
bezeugt  feine  Verehrung  dem  pythifchen  und  deli* 
f che»  Schwan  f  und  rühmt  der  Schwäne  gellen- 
des Tiotinx. 

Welchen    würdigeren    Vogel    konnte    der 
Bildner  dem  luftfahrenden  Goldwagen  ApoUons 


ZWÖLFTER    BRIEF,  lOJ 

vorfpätinen,  um  zugleich  die  unnhülrliphe 
Befliigelung  eines  Landthiers  zu  verhüten,  und 
zugleich  den  Gott  des  Gefangs  auszuzeichnen? 
Eine  fpätere  Nachbildung  fand  Spanheim 
(^Callint*  H.  Apoll.  5)  auf  einer  Münze  der 
Kalchedonier,  dieTriftan  (  T".  2  p.  54g)  bekannt 
gemacht:  wo  die  eine  Seite  das  Bildnis  der 
Tranquillina  Augufta,  die  andere  den  Apollo  auf 
dem  Schwanenwagen  enthält. 

Da  die  Schwanenmufik  einmal  zur  poetifchen 
Wahrheit  erhoben  war ,  fo  glaubte  man  bald  auch 
in  einheimifchen  Gewäffern  fie  gehört  zu  haben, 
nicht  nur  um  AppUons  Tempel,  fondern  felbfl: 
in  der  Wildnis,  vorzüglich  am  homerifchea 
Kayilros.  Dort  vernahm  ihn  bereits  Anakreong 
Zeitalter,  der  iiii  Liede  an  ApoUon  (v.  7) 
fingt: 

i»^vyiai  fv^[i,»  ßoijSUf 

'AT8    rti    KVKVOQ    KjBVS-fV, 

n^A/o/C  vTeffOi€t  fig\z'äiv 

In  der  Frygerwcife  ruf*  ich, 

^ie  oin  Schvran  am  Strom  Kayftrot, 

Der  mit  Sliberfiügeln  töiiciid 

lu  den  Hall  einltlnimt  des  ^^indes. 

Und  am  Peneus  im  thejlalifchen  Terape  läfet  ihm 
der  Verfaflcr  des  kleineren  homeridifchen  Hj^m- 

G  4 


104     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    II.  B« 

nus  an  Apollon  die  melodifchen  Fittigeim  Wind^ 
fäureln : 

^otßtf  9t  fjtnv  Kctt  KVKvoi  vro  '^rt^vyjuv  hty*  atiinp 

Föbof,   dich   ßngt  auch  tnelodirch  der  Schwan  mit  gc» 

hobenen  Flügeln, 
An  dns  Geftad'  safhupfend»  ve^o  virbelvoll  der  Pene^'ot 
Hioftröinc 

Woraus  die  Jnj^end  diefes  Hymnus  erhellt.  Des 
Schwanen^eGinga  auf  dem  Iftros,  dem  Hermos' 
und  Hyllos,  gedenken  Philoftrat  und  Himerius, 
am  Hebrus  hörte  ihn  Ariftofanes  (av.  774)1  und 
Lukrez  (4,  552)  auf  den  Gewäflern  am  Helikon, 
andere  anderswo.  Un^  felbft  zu  ApoUops 
Geburt  führt  Kallim^chus  {tn  Del.  349)  die  be* 
grüfsenden  Schwfine  vom  lydifchen  Goldftrome 
Paktolos  her: 

«-^  Kt/xvffi   Je  5»»  fuATOVTiQ  uot^ot 

Mjfovtov  TlecKTuAov  tKVnXto9etwo   Atfrovrt^ 
^EßiofiaKic  irtfi  AifAov,   »migijxy  ig   Ao;^«!)), 
JAvca$t¥  offvtBet  f  uoiioruTot  irtreijvuy, 
EvScv  i  watQ  T99€a9Zi$  Avgp  tytZiicaTO  X0f  JffC 


^.>~   Und  Schwäne,    dt%   Gottes   melodifehc 
Sänger, 
Laflend   Paktolm  Geftr6iii  in  Mäonia,  fchvangen  fich 

rundum 


ZWÖLFTER    BRIEF*  I05 

Siebenm«^  irm  Ddoi«  nnd  wirbelten  hell  das  Geburcs- 

lfd. 
Vögel  den  Mtifen  geweiht,  toiireicif  vor  allem  GefiogeL 
Darum  fpaniite  der  Knabe  Co  vielfach  Saitengecön  auf 
Nachmalt,  als   zur  Geburt  die   kreifendeu  Schwäne  ge- 

fuiigen. 

Kühn  war  es,  ein  folches  Naturwunder  dem 
<Xicht  und  der  Nähe  zu  vertraun.  Aber  auch  hier 
umnebelten  es  fo  fchwierige  Bedingungen «  dafg 
nur  feiten  einmal  ein  Gläubiger  die  Seligkeit  der 
Wahrnehmung  erlebt  zu  haben  fich  rühmen 
konnte. 


XIIL 

JL)ie  gemeinde  Bedingung  für  den  Schwanen* 
gefang  war:  der  Schwan  mufste  fterben.  Dies 
foderte  fchon  Heüodus  von  dem  Schwane  in 
Ligyen;  obgleich  ihm  auch  Schwäne,  die  nicht 
ftarben ,  über  dem  benachbarten  Oceanus  jubelten. 
Bei  Aefchylus  (  Agam.  1455)  finden  wir  bereit! 
das  bekannte  Sprichwort  vom  Schwanengefang 
des  Abfcheidenden: 


'H    Iff    TOt^    KVKVH    ^/K^y 


Tom  v^ajov  fUAJixca  ^uvxffif^ov  ycav. 


Sie  aber ,  gleich  dem  Schwaty 


Die  lezte  Klag*  acftimmend  vor  dem  Tod. 

G5 


I06    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B. 

Auch  Arifloteles  fagfc ,  im  Meere  an  Ligyen 
finge  der  Schwan,  zumal  flrerbend,  in  melodi- 
fchem  Traiierton.  Welchen  Gefang  gleichwohl 
Sokrates  in  Piatons  Phädon  und  Cicero  (  Tufc. 
I,  30)  als  einen  Jubel  des  apollonifchen  Wahr- 
fagergeiftes  und  des  Vorgef  Uhls  von  der  Gllick- 
feligkeit  nach  dem  Tode  auslegen,  mit  Aelian« 
(jiat.  anim.  5,  34)  herzlicher  Beiftinimung. 

'  Einen  Schwan  fterben  zu  febn,  war  fchon 
hicht  jedermanns  Sache.  Doch  glückte  es  eini- 
gen ;  und  ?  —  der  Gefang  blieb  aus.  Der  Myn- 
dier  Alexander  meldete  QAthen.'^f  11  p.  393)» 
er  fei  vielen  fterbenden  nachgegangen ,  und  habe 
fie  niemals  fingen  gehurt.  Beim  Tode  der 
Schwäne,  fagt  Plinius  (10,  23),  erzählt  man 
von  einem  Trauergefang:  falfch,  wie  ich  glaube, 
nach  einigen  Erfahrungen.  Selbft  Aelian  fpottet 
(nat.  anim.  10,  36):  "Der  Schwan  foll  in  den 
•*Gcwäflorn  mit  feinen  Mufen  der  Weisheit 
•* pflegen,  wie  die  Weifen  in  folchen  Dingen  vor- 
•*  geben.  „  Und  anderswo  (var.  hiß.  i,  14)  wie^ 
derrnfc  er  völlig:  "Einen  fingenden  Schwan 
**habe  ich  felbft  nicht  gehurt,  vielleicht  auch  kein 
"anderer;  doch  glaubt  man  es,  er  finge,  und 
"  dann  am  hellften  und  tonreichften ,  wann  er 
"  dem  Ende  naht.  „ 


DREIZEHNTER    BRIEF«  10/ 

Aber  was  habt  ihr  denn ,  fragten  andere ,  zn 
hören^verlangt?  Einen  gellenden  Trompetenton 
wahrfcheinlich !  Wie  konntet  ihr  den  aus  der 
engen  Kehle  erwarten  V  Man  halte  es  doch  mit 
dem  fein  empiindenden  Dichter  (  Suid.): 

AuiTS^Oq     XVKVK'J    fllK^OQ     ^^00^,     IfS    XOAO/ttV 

Lelfes    Schwaiieiigetön     ift     lieblicher,     kls    venn    dv 

Krächzen 
Schwärmender   Krähen   im   Lenz   nns  den  Gewölkeit 
ericliallr. 

Womit  auch  Luk^-ez  (4,  182)  einftimmt: 

Farvus  ut  tfi  cyciii  mtlior  cmor^  ilUgrumn  fHam 
Clavior, 

Schwach   ift   befler   des  Schwanes  Getön,   wie  der  Ki*- 

niche  lautet 
Luftgcfchrci. 

Man  fagt,  belehrt  Ifidor  (12,  7),  der  Schwan 
finge  lieblich,  well  feine  Stimme,  durch  d%n 
langen  und  gebogenen  Hals  fich  herausarbeitend^ 
nothwendig  mancherlei  Töne  geben  mu&. 

Falfch  I  unterbrachen  andere  (Himer.  or. 
Ig,  4"):  eng  irt:  des  Schwans  Kehle;  aber  fubaU 
er  fingt,  ertönt  vom  Halle  die  ganze  Gegend. 
**Den  fingenden  Sclrwänen,,,  fagt  Dionyfius 
^de  aucup.  a>  19),  "hallen  Felfen  und  Gekiüfte 


X08     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  II.  B. 

*' entgegen;  fie  find  die  tonreichftep  Vögel,  die 
"wir  kennen,  und  darum  heilig  dem  Apollon, 
•'  Auch  fingen  fie  nicht  klagend ,  wie  die  Alcyo- 
^'nen,  fondern  lieblich  und  honigfUfs,  wie  mit 
*<  Pfeifen:  und  Citherklang.  Sie  fingen  vor 
"Sonnenaufgang,  um  dann  in  der  Einfamkeit 
"hörbarer  zu  tönen;  auch  an  den  Meerufern, 
"  wenn  nicht  Sturm  und  Wellengeräufch  fie 
"ftört,  dafs/fie  die-  eigenen  Wohllaute  nicht 
** hören.  Ja  des  Gefanges  gedenken  fie,  auch 
^*  wenn  zum  Ende  fie  das  Alter  führt;  nur  ift  er 
"fchwächer,  als  in  der  Jugend,  weil  fie  weder 
**den  Hals  emporheben,  noch  die  Fittige  aus- 
*•  breiten  können.  Denn  fie  nehmen  den  Weft- 
"wind  zu  Hülfe,  da  träge  fchqn  die  Gelenke, 
"und  die  Glieder  kraftlos  find.  Und  wer  fterben 
"will,  geht  bei  Seite,  wo  kein  anderer  Vogel 
"ihn  fingen  hört.  Von  den  Schwänen  ftört 
"keiner  den  fingenden,  auch  wenn  er' nahe  ift, 
''eingedenk,  dafs  auch  ihm  ein  folches  Ende 
"bevorftebe.  „  Selbft  das  Wellengeräufch, 
tneint  Himerius  {or.  6,  i  ),  fchrecke  den  Schwan 
im  geringften  nicht;  er  überftimme  das  fchallende 
Meer. 

Nicht  gezankt,  ihr  Lieben!  traten  wiederum 
«ndere  ins  Mittel :  im  eigentlichen  Verftande 
fingt  der  Schwan  weder  leife  noch  ftark;   feine 


DREIZ&HNT EU    BRIEFE  IO9 

Kehle  ift  nicht  znm  Gefange  gebaut.  Aber  er 
tönt,  gar  lieblich  tönt  er  mit  den  Flügeln,  auf 
jedem  Gewäder ,  wo  ihr  ihn  antreft;  ohne  dafs 
ihr  eine  Meerreife  nach  Ligyen  und  dem  Erida- 
nus  machen  dürft.  Nur  müfst  ihr  den  FrUhling 
abwarten,  und  das  Wehen  des  Zefyrs,  auch  ein 
v^enig  auf  den  launifchen  Eigenfinn  der  Ton« 
künftler  rechnen. 

Mit    iiefer    Erklärung    fchüzten    fich    di© 
Hlteften  Griechen,    welche  die  Schwarienm'ufik 
auch  auf  einheimifchen   GewälTem    wollten   ge«  • 
hört   haben.      Anakreon    in    der    angefahrten 
Stelle  rühmt  den  Schwan  des  ICayftros  9 

Der  mit  Silbfrfiügelki  tönend 

In  dtxi  Hall  eiuftimmt  des  Wlndtu 

Und  der  Homeride  in  dem  Hymnus  an  Apollon 
fagt  von  dem  peneifchen  Schwan: 

FÖbof ,   dich  fingt  auch   melodifch  der  Schvan  mit  gt^ 

hobenen  Flägelo, 
An  das  Geftad'  auflbqpfend»  vo  virbelvoU  der  Peneio»  . 
Hinftrömt. 

Aber  auch  hier  theilte  man  fich  in  Parteien« 
Einige y  und  diefe  mit  Recht»  behaupteten ,  da(s 
man  beim  Fluge  des  Schwans  ein  helles  Getön 
der  Flt^el  höre;  andere ,  dais  auch  fonft  in  die 


1IO    MYTHOLOGISCHfiR  BRIßPC   II.  B. 

ftufgefpannten    FIDgel    der     Zefyr     melodlfch 
fäufele. 

♦*\Vir  fehn,,,  lagt  Himerius  (or»  17,  3), 
**(]ie  Gefangvögel,  nachdem  fie  vorgeübt  die 
«* Melodien,  empor  ßch  jezo  erheben,  und  auif 
«liohen  Bäumen  die  Mufik  Qbem  So  beginnt  die 
**Cikade  ihr  Lied,  fo  bereitet  der  Schwan  den 
««Fittig  zu  den  Hymnen  Apollons.  „  Eben 
derfelbe  (er/.  I4>  5)  bemerkte  den  Schwan 
auf  der  Fruhlingsau,  der  im  Begrif  war,  dem 
Zefyr ,  fsum  Gefange  die  Fittige  auszubreiten» 
Denn  der  Zefyr  allein ,  glaubte  man ,  fiimme  des 
Schwans  riügelgetön.  "Es  fchweigt,,,  fagt 
Himerius  deswegen  (or.  14,  7),  **auch  der 
**  Schwan  am  Kayftros,  wann  ein  anderef 
<<Wind  bIStfet;  und  fingen  noch  fo  viel  Vögel, 
/«er  erwartet  den  Zefyr,  um  unter  jenem  ftlleia 
*•  feine  Mufik  zu  üben.  „  Auch  Gregorius  von 
Nazianz  (^ep.  i)  fchreibt  diefer  Meinung  gemafst 
•»Unferthalb  kommt  wohl  mancher  in  die  Wüfte, 
«*  um  den  Wohllaut  zu  hören,  wann  wir  dem 
"Zefyr  die  Fittige  darbieten ,  fie  zu  fchwellen 
**mit  füfsem  und  harmonifchemTon.  „  Und  Non« 
nus,^wie  follte  Ncnnus  einer  folchen  BefchreU 
bungfich  enthalten  haben  (^Dlonyf.  26,  ao2)? 

Kvxvoc  avx)c^\itt  Zc^bfiy2'd<  ffw^fco^  ttvgff 
'    WfivQroKm  9fr$$\iym$  tnifii^ha  fot^w  ««AAaia 


DREIZEHNTER.    BRIEF.  III 

Laut  aarfchmettert  der  Schwan»  mit  Zefyros  Lüften  im 

EinkUngt 
Hymuengetdu    aas    der   Fittige   Schvrung   iut  Gcfdafel 

verfendend» 

Auf  Pliiloftrats  GemäWde  vom  Faethon  (icon. 
I,  II)  war  auch  der  Zefyros  vorgeftefit,  deffen 
Hauch  die  auf fliegefidea  SchwSne  begleiten  und 
mit  Wohlklang  erfüllen  feilte.  «Der  Zefyr,,, 
fagter,  "wird  ihnen  nüzen  niic  fanft  anwehen- 
**dem  Hauch;  denn  man  fagt,  er  ftimme  har- 
«monifch  in  die  Wehklage  der  Schwäne.,, 
Eben  fo  auf  dem  Gemüblde  eines  Sumpfs  (iconm 
I»  9)  fofsen  tönende  Schwäne  am  Ufer, 
welchen  Zefyros,  als  geflügelter  Jüngling,  die 
Flügel  mit  Gefang  füllte. 

Ariftofanes  giebt  uns  in  einem  komifch  be* 
geifterten  Chor  diefe  Fiügelfymfonie,  welche  die 
Schwäne,  wie  der  Scholiafl:  anmerkt,  dafch  der 
Flügel  Bewegung  zu  ApoUons  Preife  am  Hebron 
aufführen  (««/.  769): 

ttO   TiO   tto   T/ö  TiOT/y{, 

JlTtgotQ  sifsiKoyrfc  saKZ^v  Afr^AA», 
*rto  Tto  tid  rt$  tt^Tty^t 
Ox^ffi  i^t^oiAiV9t  ^of*  *Eßff9v  worafUfm 
Tif  T4§  rto  tto  r/«riyf . 


I 
III    MYTHOLOGISCHER  BRI£FK  II.  B* 

Af«  y  atS'gftov  vt^oQ  ifA^f  ßat* 
Kvijuers   r*  gjßtfft  vvivefMQ  A<<^f*f> 

TOTOrO    TOTOTO    TQTOTOTty^. 

n«c  9*  aiTiKTvififC*  OAufiiroc* 

£/Aff  Sa  ^etfiß*^  efvoiK  - 

r'a^'  OAt/fCT/ft^iFC  ^f  fe«A0ff  Xaftr§49 

Idüffat  r'  f;r<oAoA(/|an/. 

Tifl  T*o  Tio  T<«  rtoTty^, 

Alfo  di>  Schwäne, 
Tio  tio  tio  tio  tiotiiix, 
IDen  vereinigten  StimmenkUng 
Mit  Flügeln  raufchend,  feierten  üe  den  ApoIIon» 
Tio  tio  tio  tio  tiotinx, 

Sizend  auf  grünendem  Bord*  an  dei  Hebros  Gellr6im 
Tio  tio  tio  tio  tiotinx. 
Die  ätherifche  ^olke  durchdrang  der  Schall] 
Starr  horchten  die  mancherlei  Wiidesgefchiechter» 
Und  die.Btandangen  löfchte  die  heitere  Still(u 
♦    Tototo  tototo  totototinx. 

Ganz  auch  fchmetterte  drein  der  01ym|poi,  ; 

Wo  Stamien  die  Herfcher  ergrif; 

Die  olympifchen  Chariten  hallten  in  das  Liec^ 

Und  die  Mufen  mit  hohem  Lauü^ 

Tio  tio  tio  tio  tiotinx. 

Unter  den  Alten ,  wie  Sie  fchn ,  fcheinen  die 
guten  Gefangfehwäne  nicht  fonderüche  Ver« 
theidiger  zu  finden.     Die  Scbiiferfage,  dals  fie 


DREIZEHNTER    BRIEF.  II3 

am  Ligyen  gehört  würden ,  duldete  Arißoteles» 
M^eil  die  Weftgegend  noch  Im  Dunkeln  lag.  Aber 
der  Spötter  Lncian  verfcheuchte  fie  auch  ans 
ihrem  Geburtsftrome« 

Mit  dem  Sterbegefange  des  Schwans  vertra* 
,  ^en  fich  netiere  Gelehrte  noch  fo  ziemHch« 
IMQIler  im  deutfchen  Linne  hSit  es  für  möglich, 
dafs  das  abgebrochene  Stöhnen  aus  der  langen 
Luftröhre  ungefähr  wie  ein  leifer  Gefiing 
tönen  könne« 

Erneili  erzählt  beim  Kallimachus,  er  habe 
einen  Mann  aus  Alien  gefragt,  ob  die  iSchwäne 
in  feiner  Heimat  fangen;  und  der  Mann  habe  Ver- 
fiebert,  fie  fangen.  Wir  beiden  hätten  lieber 
die  Vorfahren  des  lül^annetf  abgehört»  Def 
Isländer  Faul  Vidallnusin  feiner  Lobrede  auf*  den 
König  von  Dännemark  wundert  fich  Über  die 
Zweifel;  er  felbft  habe  in  feinem  Vaterlande 
jenem  hisUen  und  anmutigen  Schwanenton  oft-* 
mals  nicht  ohne  Vergnügen  gehorcht. 

Von  den  vier  fingenden  Schwänen  in  Chan« 
tilly,  die  vor  einigen  Jahren  aus  der  Fremde, 
wie  man  vermutet ,  aus  deh  H^riden ,  ankamen, 
Qnd  gegen  nahe  gebrachte  Gänfe  ihren  Unwillen 
in  gewiflen  Tönett  ÄU  erkennen  geben,  haben 
Sie  gewid   in    Halems  Reife  gelefen.       Ualea( 

H 


114    MYTHOLOGISCHER  BHIEFB   II.  Ö. 

hörte  fie  in  der  Federzeit;  dennoch  fand  ef  die 
Töne  nicht  unangenehm,  und  traute  den  hebri- 
difchen  noch  angenehmere  zu» 

Wie  wenn  ähnliche  Zugfchwäne  die  erften 
Phocäer  in  den  h'gurifchen  Gewäffern  durch  ihreii 
Gefang  überrafcht  hätten?  höre  ich  Sie  fragen. 
Aber  woher  denn  dieBernfteinpappeln,  die  Greife, 
die  einäugigen  Arimafpen,  und  was  fonft  für 
Wunder  in  diefem  Winkel  zu  Haufe  gehören? 
Und  unter  fo  vielen  Bedingungen  des  Schwanen« 
gefangs  warum  fehlte  die  Gans? 


XIV- 

'  jDen  Pfan  weDigftefis  mit  feinem  regenbogigen 
Schimmer  möchten  Sie  gar  gern  als  uraltem 
Symbol  der  Luftgöttin  Hera  fefthalten.  Ich 
bedaure  Sie,  dafs  der  fchöne  myftifche  Regen« 
bogen  verduften  >vh-d. 

Allerdings  kannte  Homer  die  Fabel  von 
Argos,'  dem  Hliter  der  verwandelten  lo;  aber 
des  Pfaues  Entftehung  aus  dem  Blute  des  hundert- 
äugigett-fo  wenig,  als  den  Pfau  felbft.  Noch 
ApoUodor  (2,  I,  3),  fo  viele  Veränderungen 
der  Fabel  er  auch  anführt,  weifs  von  dem  Pfaue 
Aidits«  '  Dies  bemerkte  fchon  Bocbart  QSieroz. 


VIERZÄH  JTTER    BRIEF.  11$ 

B,  l6);  Herr  Heyne  ging  ftiU  vorüber,  wie 
gewöhnlich, 

'  Mofchus  ziierft  von  den  erhalteinen  Dlchtwn 
ipand  Jen«  Neuerung  auf  .Kunftwerken  gebildet« 
Denn  fo  befcbreibt  er  den  Koz*b  4er  Europa 
<v.  55)5 

Af7«C>  ttxoiftiitoi€i   icfKatftgyflC   o^ttAftotSu 

OCff/fOM  rmAafOto   ^e^icutfct  x^'^^»  rxf€otQ. 

19ak    a«ch>    unter    dem   Krattz«   <tes  ^ohlgerfin^tni 

Korbes, 
War  Hermeits  geformt;  uni  neben  ihm  llreckte  fich 

langhin 
Argoi=,  )>eftclk  »um  Wäcliter  inft  niemals  fchlafendeA 

Aagen* 
Ihm  uns  pürj)uniem  Ströme  cles  TodesbTates  erliub  fich 
In  vidftrSlger  Blüte  der  Fittige  prangend  em  Vogel, 
Aafgerottc   daft   <>efiederi  und  gleich   dem  geflägelten 
.  Meerfcäif 
^     Vebervöibf'  «r  den  Rand  des  gpidenen  Korbs  mit  den 

Pederft. 

Weniger  natörlicli  erdlclitet  Övid  (  Met.  i ,  7^2  ) , 
dais  Juno  Ihrem  Pfau  nur  die  Augen  in  den 
Schwan«  gefftgt  babes 

Ha 


Sl6    MYTHOLOGISCHER  BKI£F£  II.  B« 

Excifit  hoSt  votkcrUque.fua  Satumia  pennit 
Collocatj  W  getnmis  caudam  ßdlantibus  impUt, 

Jene  nimt,  und  verfchönc  dem  Lieblingsvogel  die  Federn» 
Joiio«  ^cn  Schweif  anfüllend   mit  farbiger  Sterne  Ge- 

funkel. 

Aber  woher  denn  der  Here  Verbindung  mit 
dem  Pfau?  Das  werden  wir  gleich' vernehm'en. 

Der  Samier  Menodot  in,  der  Schrift  von  den 
Merkwürdigkeiten  im  Tempel  der  famifchen 
Here  meldet  (^  Athen.  14 ,  20  p.  655):  die 
Pfauen  fein  der  Here  heilig ;  weil  fie  vordem  in 
Samos  zuerft  entftanden  und  genShrt  wurden, 
und  von  dort  auswärts  lieh  verbreiteten.  Auch 
bezeugt  der  Komiker  Antifanes,  der  noch  mit 
Sokrates  lebte: 

£y  ^Aiu  fccv  ^ccffi  »ytvvaff^Mi  ToAfi 

Inv'Heliopolis,  erzählet  man,  endiand 
Der  Fönix;  in  Athen  die  Eule;  Kypros  hege 
Der  Tauben  anserlefne»  Volk;  in  Samos  auch 
Hat  Here,  witf  man  fagt»  die  goldne  Vögelbrut, 
Die  fchöngeftalteten  und  wuuderfameu  Pfaun. 

Noch  in  ipäteren  Zeiten,    nachdem  Hortenlius 
zuerft  einen  priefterlichen  Antrittsfehmaus  durch 


VIERZEHNTER    BRIEF«  II7 

#iiien  aufgetragenen  Pfan  verherlicht  hatte, 
lobten  die  römifchen  Wollüftlinge,  wie  Varro 
bei  Gellias  (7,  16)  verfichert,  den  Pfau  au« 
Samos.  Und  in  dem  Wirtfchaftsboche  (3»  6) 
meldet  Varro,  dals  Heerden  von  Pfauen  za 
Samos  in  dem  Haine  der  Juno  genährt  wurden. 

Die  heiligen  Väter,  die  ihrer  Göttin  die  Ent- 
ftebung  des  P£ius  zueigneten,  haben  es  gewifr 
nicht  an  finnreichen  Deutungen  auf  die  Her- 
fcberin  der  unteren  Luft  mangeln  laflen:  der 
Pfau  ward  ein  auszeichnendes  Symbol  der  Here» 
Man  prägte  ihn  auf  die  Münze  der  Samier 
{,  Athen.  14,  ao);  man  bildete  ihn  auf  Ktinft* 
werken ,  und  veränderte  die  Fabel  vom  Argos. 
Und  Ovid  iMtt.  2»  531)  fimg  griechifchen 
Dichtern  nach: 


h<Mt  Sattmäa  etmru 


Ingredttur  H^idum  favoniims  ae'ra  piBis, 


aof  leichtgfwendetem  Vagen 


Lenkt  in  die  heitere  Ltift  SatnrnU  farbige  Pfauen. 

Auch  auf  römiichen  Münzen  bei  du  Ckoul  (p. 
46.  47)  erf<^beitit  Juno  mit  ihrem  Pfau;  und  auf 
einer  (p.  75)  trägt  er  fliegend  die  vergötterte 
Fauftina  gen  Himmel,  mit*  der  Ueberfchrift 
CONSECRATIO. 

Hj 


Il8    MYTHOLOCISCHER  BRIEFE  11.  B. 

In  Alben  wurdeh  fie  znr  Zeit  des  Sokrate$ 
ihrer  Seltenheit  wegen  fo  geachtet,  daü  der 
Redner  Antifon,  wie  Athenäus  (9,  12  p.  397) 
und  Aeüan  (^nat  an*  ^9  21)  melden,  üe  in 
einer  ausführliGhen  Rede  pries,  worin  er  fie 
noch  bunte  Vögel ,  nicht  Pfauen  nannte.  Viele^ 
fagte  er,  kämen  aus  Lacedämon  und  TheflalieD^ 
bei  dem  Athener  Demos ,  dem  Sohne  des  Pyri- 
lampes,  die  Geftalt  der  Vögel  zu  fchaun,  und 
fachten  fich  Eier  zn  verfchaffen.  Ein  Männchen 
und  Weibchen  würden  an  taufend  Drachmen  g^e- 
icbäzt.  Nur  an  NennK3ndeß  liefse  man  die  Neu-» 
gierigen  für  Geld  hinzu;  an  anderen  Tagen 
würde  es  keinem  vergönnt.  Dies  fei  der  Ge- 
brauch feit  länger  als  dreifsig  Jahren»  Nemlich 
fchon  im  Haufe  des  PyrUampes^  der,  als  Freund 
des  Perikles,  wie  Plutarch  im  Leben  defielbea 
erzählt^  mit  leinen  gehegten  Vögeln  und  Pfauea 
ein  GeipötC  der  alten  Komiker  war» 

Sie  breiteten  fich  jezo  allmähncb  aus  in  den 
Häufern  der  Vornehmen,  doch  ohne  den  Werth 
der  Seltenheit  zn  verlieren.  Zwar  fagte  der  ob- 
gedachte  Komiker  Antifanes  mit  Laune  {AthiB^ 

Tom  Ttfttfv  fiffu  &i  ixa^  ric  ^svyo^  ifyMytv  fiüvWf 


VIERZEHNTER     BRIEF.         .  II9 

Jenen  Pfaut  den  bracht'  ant  einer  anfangt  nar  ein  ein- 
zeln Paar, 

Ob    der    Seltenheit;    doeh    jezo    find    fie    mehr   alf 

Wachteln  fchon. 

Gleichwohl  geftand  noch  unter  Philippas  der 
Komiker  Eubulas: 

£s  verdient  ja  der  Pfan  dnrch  Seltenheit  Be^omndernng. 

Und  defTen  Mitwerber  Anaxandrides  eiferfce 
(^ Athen*  14»  20): 

Ovx'  fiavt^ov  er<v  fv  oiKtx  Tft^ttv  r«MC» 

O  \srle  rafend  et  ifb,  in  feinem  Hof  üch  Pfanen  ziebn; 
Da  nm  ein  Paar  zwei  MarmorbUder  kanfbar  find! 

Selbft  als  Alexander,  fagt  Aelian ,  lie  in  Indien 
fand,  bewanderte  er  ihre  Schönheit  fo,  dafs  er 
bei  fchwerer  Strafe  fie  zu  tödten  verbot. 

Bereits  in  den  perfifchen  Kriegen  erfuhr  man, 
der  Pfau  fei  häufig  auch  in  Perfien,  Ariftofanes 
nannte  ihn  deshalb  (Acharn^  63)  einen  perfifchen 
Vogel;  und  andere,  nach  Suidas  und  Klemens, 
einen  medifchen*  Für  eingeführte  Vögel  in  das 
vordere  Afien,  Samos  nicht  ausgefchlofl*en ,  er- 
klärte Theofraft  (>öir,  10,  41)  die  Tauben,  die 
Pfauen  und  die  Raben.    Und  Aeliau  gedenkt  der 


150    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II,  B. 

ftehenden  Sage,  dafs  von  den  Barbaren  der  Pfau 
zu  den  Griechen  gekommen  fei.  Wie  den  famU 
fchen  Prieftern  diefe  Aufklärung  gefallen  habe» 
wird  nicht  erzählt 

Ichiann  mir  die  Freude  nicht  verfagen,  Ihnen 
Tertullians  prunkendes  Gemähide  vom  Pfau  (dE# 
fall.  r.  3)  mitzutheilen.  Pavo  pluma  veßiSf  &f 
quidem  de  cataclUis;  imo  omni  conchylio  depreß* 
ßoTf  qua  coüa  florent;  &  omni  patagio  inaura^ 
thrf  qua  terga  fulgent;  &  omni  fyrmäte  folu* 
tibr^  qua  caudajacet,  multicolor^  &discolorf  & 
verficolor:  nunquamipfaf  femper  ßlia;  etßfemper 
ipfßi  quardo  alia;  totiens  denique  mutandaf 
quotiens  movenda,  ^'Dem  Pfau  ift  das  Gefieder 
**ein  Kleid,  und  zwar  von  den  Schmausgewan- 
*^den;  ja  tiefer  wie  in  Purpur  getaucht,  wo 
<* der  Hals  blühet;  und  vergoldeter  als  alle  Ver* 
"brämung,  wo  der  Rücken  ftralt;  und  wallen* 
<*der  als  jede  Prachtfchleppe ,  wo  der  Schweif 
♦*fich  fenkt,  der  vielfarbige  und  buntfarbige  und 
£*wech feifarbige:  der  niemals  er  felbft  ift,  immer 
**ein  anderer;  obgleich  immer  er  felbft,  auch 
«'wann  ein  anderer;  kurz  fo  vielfach  veränder- 
*Micb,  als  vielfach  beweglich.  „ 

Glaub€;n, Sie, /dafs  Tertullians  Schreibart  den 
Mitlebeoden  abzuweichen  von  der  Bahn  der 
Natur  f   oder  durch  Blumen  des  feineren  Wizes 


VIERZEHNTER    BRIEF.  III 

fie  zu  verfchönem  fchien?  Gewifs  ward  aach 
damals '  von  Uebe^trefTung  der  aleerthümltchen 
Einfalt  geplaudert.  Selbfl:  ja  ein  Sidonias  ApoU 
linaris  (fp.  3 9  8)  durfte  von  feinem  Zeitalter, 
wie  ehmals  der  jüngcire  Plinius  (6,  21)  von 
dem  feinigen ,  das  billige  UrHieil  abgeben: 
Veneror  antiquos^  fion  tarnen  ita^  ut  qm  aqum" 
vorum  meorum  virtuUs  aut  merita  poflpomam. 
^*Ich  verehre  die  Alten  9  doch  nicht  fo,  dafs  ich 
'* meiner  Gleicbzeidgen  Tugenden  oder  Ver« 
^Mienfte  nachfeze.  ,, 

Niemals  erkannte  ein  Zeitalter  fich  felbft  für 
barbarifch.  Nur  einzelne  Spätlinge  der  abfcheU 
denden  Menfchlichkeit,  oder  Vorboten  der  kom« 
tnenden»  ahndeten  es,  und  wurden  den  Ihrigen 
zur  Thorheit, 


iLinen  höheren  Uriprung  werden  Sie  den^geflO* 
gelten  Drachen  nicht  zutrauen,  womit  Demeter 
und  ihre  Lieblinge  und  die  Zauberin  Medea 
durch  die  Luft  fahren.  > 

In  Homers  Hymne  an  Demeter  wäre  ein 
folches  Gefpann  fehr  brauchbar  gewefen,  all 
Demeter,  ihre  geraubte  Tochter  zu.  fachen,  den 

H5 


laa    MYXHOLoaiSCHER  BRIEFE   11.  B. 

ganzen  Erdkreis  neun  Tage  durchwanderte. 
Ab^r  zu  Fufs  wanderte  fie  auf  ihren  Schwung« 
foien,  V.  43; 

Und  fle  entflog,  wie  ein  Vogel,  durch  fettes  Land  und 

GewäfTer : 

mit  brennenden  Fackeln  in  den  Händen,  iim  fich 
durch  die  Nächte  und  durch  das  kimmerifche 
Geftade  der  nördlichen  Halbfcheibe  zq  leuchten  ; 
und  zu  Fufs  ftieg  fie  am  Zehnten  Morgen  mit 
Hekate  auf  der  tragenden  Dunftluft  (v*  62)  zum 
Wagen  des  Helios  empor. 

Noch  bei  Euripides,  nachdem  fie  mit  der 
Erdgöttin,  und  der  phrygifchen  Göttermutter, 
verwechfelt  worden,  irrt  fie  laufend  nach  der 
Tochter  umher  (Het.  1317): 

Ogei»  vare  iffOfJSih  twAt» 

Av*  v^Jttvra    vecTriif  ' 

TioTUftiov  re  x^^l**  vB^ruy, 
Becgvßgofiov  re  KVfi*  oAioy.   . 

Die  Bergherfcherin  einft  mit  laafendem  Fufs, 

Der  Götter  Mutter,  entflog 

Durch  waldige  Felfentbäler, 

Und  ftrömeude  ^ellenflut« 

Und  •  dumpfes   Geräufch  dts  wogenden  Salzet« 


FÜNFZEHNTER  BRIEF.  II3 

Hefiodus  bemerkte  im  eleofiotfcben  Heilig- 
thume  der  Demeter  bereits  den  Gebrauch  der    . 
Schlange.      In    Salamis,    fagt    er    bei    Strabo 
(9  P«  393  )>  ^'^^  ^'^  Drache  Kychriodes,   von 
Kychreus  genährt,  der,   da  er  die  Infel  verwü- 
ftete,  von  Euryklos  verflrofsen  ward;  Demeter 
nahm  ihn  in  El^ufis  auf,  und  er  ward  ihr  Diener. 
Bei  anderen  (.Bcchart.  Chan.  1,  21)  heifstEury- 
lochos  oder  Afopos ,  der  den  Drachen  umbrachte. 
Und  nach  Enforion  iScJu  Lyc.  iio,  451)  töd- 
tete  Kychreus,  Pofeidons  Sohn  von  der  Salamis, 
den  verwiiftenden  Drachen,  und  ward  Drachen- 
könig  oder  Drache  X^Stepk.  Kuxetni)   genannt: 
daher  einen  Drachen ,   der  den  Athenern  in  der 
Schlacht  gegen  die  Perfer  zwifchen  den  Schiffen 
erfchien,   das  Orakel   für  den  Heros  Kyobreus 
erklärte  QPauf.  i  f.  67).        ^  ' 

Der  Dienft  der  heiligen  Schlange  fcheint  auf 
,  die  Erdgöttin  zw  deuten,  wozu  die  Myftiker 
die  fruchtbringende  Demeter  erhoben.  In  den 
älteften  Zeiten  ward  der  Drache  als  ein  der  Erde 
geweihetes  und  durch  eingefogcne  ErddUnfte 
weilTagendes  Thier  geehrt;  fpätcre  bildeten  alle 
Erdgebohrenen  als  Schlangen  oder  Halbfchlan« 
gen:  die^  Giganten,  die  örtlichen  Dämonen» 
den  Tyfos,  den  Cdu'ops,  den  Erichthonios. 


114    MYTHOLOGlSCHE^n  BRIfe^FlS   II.  B« 

Auf  einem  Drachenwagen  finden  wir  die 
Erdbeherrcherin  zuerft  in  dem  orfifcfien  Liede  an 
die  eleufmifche  Demeter  (//.  39,  I4): 

Die   da,    das   Vragengefchlrr   mit   gezugeltea  Drach«^ 

befpannend. 
Deinen  Thron  ringsher  in  wirbelnden  Kreifen  nmjnbelft. 

Weil  diefe  Drachen  al$  göttliche  Thiere  durch 
die  Luft  fchwebten,  hiefsen  fie  in  der  bildlichen 
Sprache  geflügelt »  und  würden  in  Kunftwerken 
mit  FlUgeln  vorgeftellt»  die  anfangs  für  allego« 
rifche  9  bald  für  wirkliche  galten.  Der  gewöhn- 
liche Gang  aller  Beflügelung.  \ 

Jezt  änderte  fich  die  Fabel  von  den  Irren  der 
Demeter.  Nur  Sicilien,  wohin  Neuere  den 
Raub  der  Perfefonefezten,  durchwanderte  fie  za 
Fufs:  wie  Ovid  {fafl.  4,  461)  aus  verlorenen 
Griechen  meldet.  Ab  aber  hier  die  Nachfor- 
fchung  umfon^l  war,  zündete  fie  Fackeln  am 
Aetna  an,  und  eilte  in  die  Felsgrotte  ihres  Ge« 
fpanns;  (v.  497): 

^   £m  fimmt  «r  V€mt ,  frtntttei  curfihus  auptes 
Jmtptt  ^  ät^reas  fieea  fererrat  äqnas» 


FÜNFZEHNTER    BRIEF,  l%$ 

Alf  ^  dafelbH  ankam ,  da  (paont  fie  gezdgclM  Schlitzen 
Vor    das   Qelcht^ry    und    da^chrchweift   trocken  dat 
wogende  Meer. 

So  bei  Nonnns  (6,  109)  führt  Demeter  ihre 
Tochter  auf  einem  Wagen  mit  geflügelten 
Drachen  durch  die  Luft.  Und  bei  Klaudian 
(33,  179)  befuchte  fie  ihre  Mutter  Rhea,  wo- 
für jezt  die  phrygifche  Cybele  angefehn  ward : 


ßnuofa  Araconum 


Membra  tegtni^  votucri  qui  pervia  nubÜa  traäu. 
Signant ,  ^  flacidU  humt^^nt  frena  venenif, 
Frontem  erifla  tegit;  pingtüit  macnlofa  virenus 
Terga  noUPf  mtilftm  fyuamis  intermicat  aurmu* 


und  gewundene  Drachen 


Lenkte    &tt    die    iu   geflügeltem    Zog    dorchwegiaml 

Wolken 
Zeichneten«    mit    unfchädlichem    Gift    die   Zägel    be« 
,  feuchtend. 

Boichig  erhob  fich  der  Kamm ;  den  gefpreukelten  Rücken 

betropfte 
Grünender  Glanz,  und  die  Schuppen  durchrSthelten  gol« 

dene  Schimmer. 

Zwei  Münzen  bei  Spanheim  (nirM.  o«^.  4^  11) 
zeigen,  uns  die  fachende  Ceres  der  Späteren: 
auf  einer  erythräifchen  fährt  fie  mit  zwei  unge» 
flUgelten  Schlangen,  in  jeder  Hand  eine  Fackel} 
auf  einer  nicfiifchea  mit  zwei  geflügelten»  UmI 
•merFackeL 


Il6    MYTHOLOGISCHER  BRIEFS  II.  B# 

Von  fiterer  Erdiclitutig  alfo  ift  auch  die 
Luftreife  des  Triptolemos  auf  dem  DrachenVagen 
der  Demeter.     Ihrer  gedenkt  Nonnas  (  Dionyf* 

Xroiru  ^t^t^eextftv  tirtputrn  y«r«   ^f«itoyranr. 

Ans  dem  Blute  gexeugc  des  Triptolemos  c  welcher »  der 

Deo 
Scbliiigelodes  Prachtgefchlrr   durch   die  Luft  emft  Icn» 

kend,  die  Geifsel 
Schwang  auf  die  fleckigen  Rücken   der  flhrentragenden 

Drachen. 

tmgleicheti  Ovid  in  den  Verwandlungen  (5^  645)» 
Vor  ihnen  fand  fie  fchon  Apollodor  (i,  5,  2) 
befuöä^n;  auch  Paufatiiaa  (7^.  431),  Phumutn« 
(28)f  und  Hyginus  (/j*.  147). 

Da  der  Drache  als  weiflagend^s  Thier  den 
Wunderthätern  geeignet  War;  fo  erdichtete  die 
Fabel  des  beflügelnden  Zeitalters,  auch  der 
koIchift:hen  Medea  habe  ihr  Gfofsvater  HeliDü 
eui  Gefpann  geflügelter  Drachen  gefchenkt^ 
womit  fie  aus  Korinth  nach  Ermordung  ihrer 
Kinder  durch  die  Luft  nach  Athen  entflobn  fei« 
Diefe  Luftfahrt  wurde  in  der  Medea  des  Euripi* 
des  (v«  1321)  durch  die  fcenifche  Mafcbine  vor« 


.rUNFZEHNTEk    BRIEF.  tlf 

geftellty  wie  der  Scholiaft  dort  und  im  voran«« 
gefcbickten  Inhalte  anzeigt.  So  erkennt  fie  auch 
Apollodor  (ii  9i  28)  9  und  Horaz  in  der  dritten 
Epode ;  und  eben  fo  brachte  der  Tragiker  Senek« 
CMedm  1020)  fie  auf  die  Bühne»  Mit  jenem 
Gefpann  fährt  'in  Qvids  VervUtndlungen 
(7,  220)  Medea»  um-  filr  Aefon  das  Zauber* 
gemifch  der  Verjüngung  zu  fucheUi  über  gans 
Griechenland  hin: 

Et  }am  HOna  dies  cnrru  fenniitpte  drac^tittHy 
^9naqHe  nox  omnes  Inßrantem  viderat  agroy; 
Oan  rediit:  mqne  tränt  pafli»  niß  vdore^  dracoms. 

Als   fchoQ  ncanmal  der  Tag  mit  fahrendem  Drachen* 

ge£eder, 
Neoomal  die  Nacht  fie  gefehu  ringsher  aasforfchen  die 

Aecker; 
Ktm  fit  zarück;   ukkts»  anfser  Geruch,   gab  Nahniog 

den  DracheiK' 

Bochaft  bemerkt  {HUroz^  2>  3»  14)9  auch 
Circe,  die  Tochter  des  Sonnengottes  und  Bafe  der 
Hjsdeif,  fei  nach  Apollodors  Fabel  (3,  308)  «uf 
ihres  Vaters  Wagen  in  die  Weftgegend  geführt 
worden ;  und ,  wie  der  Scholiaft  melde ,  fchon 
bei  Hefiodus:  es  fei  aber  em  Drachenwagen  fea 
verftehni  weil  ValeriusFlaccus(7,  i2o>fage: 

«  '■'^      *\  Ät  ttliz^ri  Green  raptttre  dracvnes^ 

■■'■■■.■"     -    ^'le  die  Circe  geflügelte  Drachen  geranbetf 


Ilg    MYTHOLOCLISCHER  BUIEFfi  II.  B« 

Ich  glaube  nicht,  dafs  wir  beide  Sagen  verbtndea 
mliflen.  Die  ältere  des  Heüodus  führte  die  Circe 
,vom  öftlichen  Ende  zum  weftlichen  aaf  dein 
Rorswagen  ihres  Vaters,  der  täglich  den  Weg 
nachte:  in  der  fpiteren,  die  Valerius  wählte 
oder  erfand,  gab  Helios  ihr,  wie  feiner  Enkelin 
Medea.,  em  Drachengefpann^  womit  er  feibft 
niemals  fuhr« 

Eii^  verliehener  Dracbenwagen  kömmt  noch 
in  einer  Veränderung  der  Fabel  von  Kadmus 
vor.  Gewöhnlich  heilst  es,  Kadmns  und  feine 
Gemahlin  Harmonia,  die  Ares  mit  d^er  Afrodite 
gezeugt,  fein  in  Schlangen  verwandelt  worden. 
Pindars  SchoHaft  dagegen  meldet  (Py*Ä.  3,  157): 
**  Kadmus  ward  vergöttert  famt  feinem  Weibe 
^* Harmonia;  und  hinfahrend  auf  einem  Dracben« 
'^ wagen,  wohnte  er  im  elyfifchen  Gefilde:  wie 
•*die  Poeten  und  Fabelfchreiber  uns  überliefert 
«haben.,,  Bei  Euripides  (Bacch.  1336)  ver- 
fezt  fie  Ares  nach  ihrer  Verwandlung  zujezt  in 
Elyfium: 


£f  d'A^ifC  *AftJtovmv  Tff  fu^tratf 


HatUifm  r'  fC  «iay  rov  Kot^t^fu  ßiov. 


'  ■  ■  ■  Befreit!  wird  Ares  dich  und  HarmonSt; 
<  .  Auf  dal«  in  der  Seligen  Eiland  du  dem  Leben  lcb& 


FÜNFZEHNTER    BRIEF.  1^9 

Ob  fie  als  Schlangen,  oder  in  Menfchengeftalt 
wiedergekehrt ,  zur  Unfterblichkeit  eingehn 
follen,  wird  zwar  in  der  Weiflagung  ver* 
fchwiegen:  doch  follte  man  denk^n,  das  lezte; 
obgleich  der  bekUnmerte  Kadmus  (v.  1358)  jenes 
fchlimmere  zu  erwarten  fcheint.  Die  Vermutung, 
dafs  der  Dfachenwagen  vielleicht  auf  eleufinifcbe 
Lehren  von  Seelenwanderung  anfpielen  könne; 
iiberlaffe  ich  Ihnen  zu  verfolgen ,  wenn  Sie  der- 
gleichen luftige  Scheine  nicht  lieber  für  fich 
hüpfen  laffen,  • 

Gab  *  es  depn  wirklich  Drachen  mit  Flü- 
geln? Allerdings!  rufen  heilige  2^ugen,  und 
gemeine.  Herodot  (a,  75)  forfchte  mit  feiner 
Forfchbegler  nach  den  geflügelten  Schlangen  aas 
Arabia,  die  im  Frühlinge,  nach  Aegypten  flie- 
gend» vom  Ibis  vertilgt  würden;  und  er  fand  eine 
Bnausfprechliche  Menge  von  Schlangengräten: 
der  Schlange Geftalt  fei,  wie  derHydern;  Fittige 
trage  iie,  nicht  gefiederte,  fondern  faft  wie  die 
Fledermaus«  Geflügelte  Schlangen,  fagt  Paufa- 
nias  (9  f.  573 )>  glaube  ich,  ohne  fie  gefehn  zu 
haben;  denn  ein  Phry gier  brachte  nach  lonien 
einen  Skorpion  mit  Heufchreckenflügeln.  Lukan 
(9,  73a)  glaubte  fie  in  Afrika«  Paul  Jovius 
glaubte 'fie  in  Georgien  mit  GSdfefüfsen.  Schla« 
gen  Sie   ein  Kreuz;    der  Schwarz«   wird  fo 

I 


130    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    II.  B. 

gemahlt.  Der  Kirchenvater  Hieronymus  bei 
Efaias  (13,  22),  wii?  Bochart  lehrt,  benennt 
die  geflügelten  Drachen  gar  Sirenen ,  und  andere 
mit  ihm :  welches  Wort  iü  der  griechifchen  Bibel 
i^ob.  30,  29.  Ef.  34»  13»  43 f  ao)  vom  Dra- 
chen gebraucht  wird. 


XVL 

Ihre  Bemerkung  ift  fein»  dafs  dem  Mafcfaineth* 
xneifter  der  SchaubUhne  die  auszeichnende  Man* 
nigfaltigkeit  fchwebendet  Zugthiere  befondeJs 
willkommen  fein  mufste,  und  dafs  wahrfchein* 
lieh  er  felbft  zu  ihrer  Vermehrung  beitrug.  Die« 
könnte  leicht  mit  den  Greifen  gefchehen  fein. 

Auf  einem  Wagen,  mit  Greifen  desijeu  er- 
forfchten  Weftlandes  befpannt,  fühft  Aefchylus 
im  Propietheus  (v.  128)  die  Töchter  des  Okea« 
iios  durch  die  Luft;  weil  ihm,  wie  wir  gefehn 
haben,  die  unvollkommene  Mafchinenkunft  den 
Luftfehritt  auf  magifchen  Solen  noch  nicht  ver* 

ftattete. 

/ 

Bald  nachher  kommt  er  felbft,  der  Vater 
Okeanos,  von  feiner  Quellgrotte  am  Sufserftea 
Weftgeftade  Europa*$ ,  und  fagt  ( v.  fl84  )  ^ 


SECHSZEHNTEU   BRIEF.  13t 

*Hit9t  ^oAtx^i  Ttfffia  XffAft/5tf 

Ich  erreiche  das  Ziel  da  langen  '^egf, 
Darchw^aiidernd  den  Raum  za  dir>  Prometbeat» 
Den  Vogel  hier  in  reifsendem  Flug 
Herlenkend  darch  Sinn,  auch  ohne  Gebi(s. 

Und  von  dem  unbieg&men  Prometheus  zurück* 
kehrend,  v.  393: 

Atvfov  yaf  9tfiiO¥  at^tgoi  ^eti^u  vrtftt^    1 

Mir  eilenden  befahleft  du  dies  lante  ^ort; 
Denn  es  fchlägt  des  Aechers  breiten  Pfad  mit  den  Fhtigeii 
Der  viergefcbenkehe  Vogel  fchon.     Mit 'Freude  vohl 
Im  Stall  der  Heimat  benget  er  fein  läfles  Kuie^ 

Er  wird  gern  die  Kniee  beugen,  für  ausruhn,  Ift 
ein  homerifcher  Ausdruck  (IL  7,  118;  lp>  72): 
der  alfo  nicht  auf  die  knieende  Lage  einiger 
Thiere  fich  bezieht. 

Was  Herr  SchiU  gegen  die  Greife  haben 
mag,  verliehe  ich  nicht.  Die  Greife  werden  im 
Folgenden  der  lo  als  unnahbare  Raubthiere  ge<* 
Bannt.     Dlefe  hat  aber  der  Gott  gezfihn^t.    Zum 


igi     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B. 

Reiten  wäre  ein  geflügeltes  ftofs,  ein  Pegnfus, 
doch  edler,  kh' wüfsi;e  nicht;  wenigftens  ift 
'bedeutender  der  Greif.  Auch,  könnte  ein  Rofs 
wohl  vr^vov,  aliSf  oder  Gtflliget^  genannt  wer- 
ilen;  aber  fchwerlich  €i«vo«,  Raubvogel. 

Hefiodus,  deferfte  (^Herod, /^,  32),  der  von 
den  neu  entdeckten  Hyperboreern  des  gliickfeli- 
gen  Weftlandes  fang ,  gedachte  ^uch  zuerft  (  Sch^ 
JefcL  Prom.  803)  jener  Griffen  oder  Greife, 
der  fabelhaften  Goldwächter  auf  der  rhipäifchen 
Bergkette,  wofür  man  die  zufamitiengedrängten 
Pyrenäen,  Alpen  und  folgenden  Gebirge  in  der 
noch    unentwickelten   Landmafle  anfah.      Diefe 
Sage  entftand  durch  die  beginnende  Entdeckung; 
der  Phocäer  und  des  Samiers  Koläus,     Man  war 
erftaunt ,  nicht  dunkle  Kimmerler,  nicht  Schlünde 
des  Schattenreichs,  anzutreffen;  fondern  glück- 
liche, metallreiche,   gelittete  Völker  unter  Oel- 
bäumen,    und   ohne   den    flehenden    Nordwind 
Griechenlands,   der  dorch  die  hohe  Gebirgkette 
;ibgewehrt  fchieur    Das  Erftaunen  der  Betrach- 
tung wuchs,  da  es  zu  Haufe  fich  mittheilte.    Man 
erzählte  von  den  groisen,  gefunden  und  langle- 
benden Menfcben  im  Schuze  des  Nordwinds,  als 
Lieblingen  Apollons,  dem  fie  in  fruchtreicbeti 
flainen  mit  Muiik  und  geopferten  Efeln  dienten« 
Man  erzählte  von  wilderen  Bergbewohnern  mit 


SKCIISZEHNTER     BRIEF.  I33 

Einem  Auge,  ArimaQ)en  genannt,  dte  aus  den 
homerifchen  Kyklopen  des  Wefteilands  Thrina- 
kia  fich  gebildet,  und  einigen  auch  Kyklopen, 
oder  altrümifch  Koklites,  hiefsen.  Man  erzählte 
von'neidifchen  Unthieren  mit  Flügeln,  welche 
die  gediegenen  Goldklumpen  dqr  Rhipäen  be- 
"U'achten ;  von  Lygiern,  die  noch  jenfeits  der 
Tyrrhener  das  innere  Meer  anwohnten,  bis  nahe 
zu  den  Seuien ;  von  dem  angrenzenden  Eridanos, 
der,  aus  den  Rhipäen  nordwärts  in  den  Okeapos 
fliefsend,  an  feiner  Mündung  den  Föniciern  Bern- 
ftein  zu  fammeln  darböte;  von  iingenden  Schwä- 
nen in  Landgewäflern  und  auf  dem  Meere;  vom 
gefegneten  Lande  Ombria,  wo  dreimal  des  Jahrs 
die  Heerden  jungten,  gewöhnlich  mit  Zwillin- 
gen ,  oft  mit  drei ,  vier  und  mehreren ,  wo 
zweimal  des  Tags  die  Hühner  legten,  wo  man 
dreimal  Früchte  einfammlete,  wo  auch  die  Wei- 
ber fad  nur  Zwillinge  und  Drillinge  gebäbren. 

Solche  Gerüchte  verräth  fchon  Herodots 
kurze  Erzählung  von  den  Seefahrern  unter  Ko- 
laus. **Sie  wurden,  „  fagt  er  (4,  J52),  "auf 
"der  Fahrt  nach  Aegyptus  vom  Oftwinde  bis 
**aufser  den  heraklifchen  Seuien  hinweggeraft, 
**und  kamen  nach  Tartellus  durch  göttliche 
"Fügung.  Diefer  Handelsort  war  zu  der  Zeit 
**noch  ungebraucht:  fo  dafs  fie  die  unermefslichi- 

13 


134    MYTHOLOGISCHERBRIEFE   II.  B. 

**fl:en  Reich tliümer  mitbrachten.  .  .  •  Den  Zehn- 
"ten  des  Gewindes  nahmen  die  Samier,  fecbs 
*•  Talente,  und  machten  ein  ehernes  Gefchirr, 
**i^ch  der  Weife  des  argolifchen  Mifchkruges, 
"und  umher  Greifshäupter  aufgeftuft,  und  fezten 
"es  in  den  Tempel  der  Here.,  ihm  ujuterftellend 
"drei  eherne  Koloffe  von  lieben  Ellen,  auf  die 
**Kniee  geftüzt.  „  Die  Greife  und  die  grofeea 
Männer,  worauf  deuten  fie  anders,  als  dafs  die 
grofsem  Hyperboreer  einen  Theil  ihrer  von 
Greifen  bewachten  Metalle  der  Here  zum  Ge- 
fcbenke  gefand t? 

Es  irre  Sie  nicht,  dafs  Herodot  fich  des 
Namens  Hyperboreer  enthält.  Wahrere  Ge- 
rüchte hatten  den  Namen  fchon  aus  dem  Weften 
verdrängt,  und  auch  im  Norden  bezweifelte  er 
fie.  Noch  Pindar  indefs  (^Pyth.  lo,  46),  ob- 
gleich er  ihr  Land  jezt  unzugänglich  für  Schiffe 
und  Fufswandler  erkennt,  fezt  fie  mit  den  alten 
Volksliedern  in  den  äufserften  Wetten ,  wo  Per- 
feus  auf  dem  Zug  gegen  die  Gorgo  fie  befuchte; 
und  (O/.  3,  25)  an  die  fchattigen  Ifterquellen, 
woher,  hinter  dem  Hauche  des  kalten  Boreas 
(^»  56)»  Herakles  den  Oelbaum  nach  Olympia 
brachte.  Der  Ifter  aber  entfpringt,  nach  Hero- 
dot (a,  33),  bei  den  Kelten  und  Pyrrhene, 
jenfeit   der  heraUifcbeü  Seulen»  und  (4,  49) 


SECHSZEHNTER    BRIEF,  I35 

durohftrömt  ganz  Europa;  hinter  ihnen  wohnen 
im  änfserften  Wetten  die  Kyneten  oder  Kyiiefier. 
Verta'ufchen  Sie  die  neueren  Namen,  Kelten  und 
Pyrrhene,  mit  den  verdrängten,  Hyperboreer 
und  Rhipäenj  und  Sie  haben  die  urrprüngliche 
Fabel,  wie  die  Dichter  Pindar  und  Aefchylus  fie 
behielten.  Denn  auch  Aefchylus  QSclu  Apollo 
4,  284)  fagteim  gelöften  Prometheus,  der  Ifter 
komme  von  den  Hyperboreern  und  den  rhipäi- 
fchen  Gebirgen. 

Aber  in  dem  gebundenen  Prometheus  (\\r. 
797  fF.)  foU'ja  Aefchylus  die  byperborifchen 
Arimafpen  und  Greife  famt  den  Gorgonen  und 
Gräen  ins  öftliche  Alien  verfezt  haben.  Das 
fagt  Pauw,  und  hurtig  ihm  nach  —  Herr  Heyne 
CPind.P.  10,  48).  Ein  bekanntes  Volltsmähr- 
chen  von  Weften  nach  Ollen  zu  verfezen ,  und 
das  auf  der  Bühne;  und,  was  noch  kUnftlicher 
ift,  ohne  dem  Volke  nur  einen  Wink  darliber 
zu  geben !  Wie  machte  crs  denn ,  da(s  der  Hörer 
nicht  Weften  dachte,  wo  Often  gemeint  ,fein 
füllte? 

Die  ganze  Wanderung  dpr  lo  ift  ein  zu  Wich- 
tiges Denkmal  der  alten  Weltkunde,  als  dafs  ein 
befcheidener  Mann,  ohne  fich  einiges  Eifers  für 
diefe  fchwierige  Kenntnis  bewufst  zu  fein,  die 
Erklärung  davon  ohne  Noth  übernehmen,    oder 

14 


136    MYTHOLOGISCHERBRIEFE    II.  B* 

die  übernommene  fo  leicht  von  der  Hand  fto&en 
wird.  Herr  Sci>üz ,  der  als  Ausleger  des  Aefchy- 
lus  nicht  umhin  konnte,  hat  doch  durch  Flei(s 
und  Scharffinn  den  Vermiffenden  ausgef()hnt, 
und,  wenn  er  gleich  niit  der  Ausfpähung  der 
Greife  und  Arimafpen  nach  Afrika  fich  verirrte, 
wenigftens  die  Weftgegend  und  den  unverlegba- 
ren  Siz  der  Forkiden  für  nothwendig  erkannt. 

Ich  wollte  aus  meinen  geografifchen  Papieren 
noch  etwas  über  jenen  Theil  der  Wanderung  bei- 
fügen. Allein  auch  ein  kurzer  Auszug  würde 
den  Brief  überbden«  Nächflens,  wenns  Ihnen 
gefällt. 


XV  IL 

L/es  Prometheus  Weilliigtmg  von  den  Irren  der 
lo  unterbrach  fich  beim  üebergang  nach  Afien, 
V.  740^: 


verlai&nd  danu  Europa's  Flur« 


Kotnoift    da    los    Erdreich    Afi^.   —       Nun?    fcheinet 

«uch  -  •  « 

Der  Faden  wird  wieder  angeknüpft,  v.  796: 


SIEBZEHNTER    BRIEF.  I37 

.*Ot«v  ^e^aetßt  fnOfov^  ttTrti^uv  Äfov, 

\|^atii]   du   den   Strom  durchdrüugeft«    der   die  Vcftea 

trennt. 
Dann  zu  des  Aufgangs  flammenhelier  Sonnenbahn  . .  • 

Hier  ifr  eine  ziemliche  Lücke;  denn  wir  vermif.. 
fen  alles,  Wiis  lo  im  ößlichen  A/ien  durchwan- 
dern füll.  Wahrfcheinlich,  weil  der  Al/fc-hrei- 
ber  von  dem  Ausgange  des  nächften  VerlVs,  gg 
T*  €t)f  t%tK^9  zu  dem  ähnlich  ausgehenden,  der 
nun  finnlos  foJgt»  Uberzuhüpfen  verleitet  ward. 

Jener  Grerzftrom  zwifchen  Europa  und  Afia 
ift  weder  der  Tanuis,  noch  die  kimmerifche  Meer- 
enge; fondern  der  altefafls,  der  noch,  wie  auf 
Homers  Welttafel,  aus  dem  Oceanus  herabftrö- 
mend,  mit  der  weftlichen  Einftromung  des 
Oceanus,  die  Erdfeheibe  in  zwei  gleiche  Hälften, 
Nachtfeite  und  Lichtfeite,  fonderte.  Nur  dafs 
fowohl  der  Often  als  der  Wetten  geformtere 
Länderund  wahrere. Voiksnaraen  zeigte.  Zwar 
nahm  zur  Zeit  Herodots  (4,  45)  fchon  mancher 
den  Tana'is  für  den  Fafis  zur  Bc-gren/.ung  der 
Erdtbeile  an,  weil  diefer  nicht  mel-.r,  wol)l  ührp 
jener,  aus  dem  Oceanus  zu  kommen  fcijitfiu 
Gleichwohl  blieb  der  Fafis  bei  Pindar  und  Spä- 
teren der  Scheideftrom,  durch  welciit-n  die 
Argonauten,   wie  bei  Hefiodus,  in  den  umkrci- 

I5 


138    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  II.  B, 

fenden  Oceanus,    der  jezt  eines  Meer^  Breite 
gewonnen  hatte,  hinausfuhren*  ' 

Von  Aefchylus  bezeugt  Arrian  (petipL  Pont. 
Eux.)i  dafs  er  im  gelöften  Prometheus  den  Falls 
tX&  Grenze  Europa's  und  Afiens  anerkenne.  Denn 
4ort  fagen  die  Titanen  zu  Prometheus: 


Hko/hv 


Wir  kommen  her. 


Um  deine  Kämpf  alhier,  Prometheus« 
Und  der  Fefielang  Pein  mit  anzulchaun. 

Und  darauf  erzählen  fie,  wie  weit  fie  her- 
kamen:   . 

T^  ftev  hivfJtov  x^ovoc  Ev^u^m 
Mfyav  hJ*  AftxQ  rtsfAoy»  ^ccffiv  .   .  • 

VTo  ihn,  der  zwver  das  europtfche  Land 
Und  Alia  trennt,  den  grofseu  Fafis  .  •  • 

So  lieft  Voflius  für  tjj  ft«v  .  .  .  rp^*  An««,  wel- 
ches den  Sinn  und  den  Vers  zerftört.  Um  die 
Rede  zu  runden,  möchte  ich  lefen:  Anrofjuv 
hivfiov  —  ,  irir  verließen ,  der  zwier  —  ;  und 
mit  Cafaubonus  und  Stanley  diefes  BruchftUck 
beiStrabo  (i  |y.  33)  unmittelbar  anfügen: 


SIEBZEHNTER    BRIEF*  139 

^0/yix0irff^oy  r*  fffv5fdrc  U^ov 
Xtvfix  BaKx9€fi9ß  ;i;«AK0Xff«vy0» 
Tf  nof  SlH$avtf  ^ißvaif  vet^ro" 

*HAi0C  ect»t  Xf^'^'  ccBtcvaraPf 
Kafutrov  5'  l^vuv  5fffidr<c  v^tiraQ 
HzAaxH  9r0oxo»iC  eevxvctvti, 

tJnd  mh  parpurnem  Grand  die  heilige  Hot 
Des  gerötheten  Meers,  und  erzninftralc 
An  Okeanos  Rand  der  Aethio^eii 
Allnährenden  Teich,  wo  Helios  ftets. 
Der  alles  (chaat,  den  unflerblichen  Letb 
Und  der  Rofl?  Arbeit  in  des  fanften  Gewegfl 
Lauwarmer  Umufecnng  ausruhe 

Der  nmftrömende  Okeanos  hiefs,  Jezo  erweitert 
zugleich  Meer,  wie  bei  Pindar  (^Pytk.  4,  447), 
Pherecydes  (^Sch,  JpoB.  4, 1396.  Athen,  ir,  6), 
Onomakritus  (^Arg.  1079,  1167),  und  Difilus 
iCUtn.  ßr.  7);  und  ini  Often  das  rothe  Meer» 
von  der  durchfcheinenden  Söthe  des  Bodens; 
Wo  aus  diefem  meerweiten  Okeanos  der  Grenz« 
firom  Fafis  nach  dem  kolchifchen  tjeftade  herab- 
ilrömte,  dort  an  der  Lichtfeite  bei  den  öftlichen 
Aethiopen  glaubte  man  einen  Teich  durch  fcbim« 
mernde  Erzfeifen  vom  Okeanos  gefondert,  ia 
deflen  leichtem  Vorwaffer  (vfoxom,  Odyff.  5,  433) 
Helios  ficb  und  feine  RoiTe,  nach  der  fchnellen 
nächtlichen  Umfchifiung  Earopa*S|  abkühlte. 


I4Ö    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  II.  B, 

In  dem  felbigen  Teiche  fchwemmt  Helios  bei 
Homer  (Odyfll  3,  i)  fein  Gefpanri,  bevor  er 
die  weite  Fahrt  durch  den  Himmel  aritrit:   • 

HfAipc  <i*  mQ^HVtp  Xiitm  sr'f/KaAAmr  A/f«vv»y 
'Ovgavov  BQ  70A(/;i;«Axov. 

Helios  drauf  erhuh  (ich  aus  lieblich  ftralendem  Teiche 
Auf  zum  eheriieu  Himmel* 

Allem  Anfehn  nach  ward  mit  diefem  fabelhaften 
Teiche  das  dunkel  bekannte  kaspifche  Meer  ge- 
meint, welches  in  dem  befchränkten  Often  des 
gerundeten  Erdkreifes  nothwendig  fich  verengen 
mufste,  bis  Herodot  die  Runde  anfocht,  und 
Demokritus   fie    gegen   Often   und  Weßen  zur 

.  LängUchkeit  eines  Eis  ausdehnte.  Auch  jezt 
erhielt  fick  der  Name  A/Aev>f,  Teich.  Der  Teich 
Am  Kaukafüs,  fagt  Ariftoteles  ^MeteoroL  i,  [3), 
welchen  fie  dort  Meer  nennen.  Und  der  Geo- 
graf  Alexander  bei  Stefanus  CTeKovoi)  nennt 
das  kaspifche  Meer  'r^nzyt^x  A<f4vjfv,  den  hyrkanu 

Jchen  See» 

Gerüchte  von  der  Fruchtbarkeit  der  hyrkani- 
fchen  Gegend,  die  auch  nachmals  berühmt  war, 
yerfchaften  dem  Teiche  das  ehrende  Beiwort 
»AVTOTf o4>ov ,  den  nBnährenden,  Wo  der  befruch- 
tende Helios  fich  badet,  da  mufs  wohl  Segen 
auffproflen  in  Ueberflufs.    Die  gemeinen  Lesarten 


SIEBZEHNTER     BRIEF.  14t 

irxvTdTfa^av  s  der  aünährifiden  jietkiopent  welches 
ungereimt  ift  9  und  iravrof^o^m ,  der  aUgewandten^ 
welches  erklärbarer,  aber  geändert  fcheint, 
widerftreben  denii  anapäftifchen  Rhythmus;  den 
der  duftere  Pauw  mit  allen  feinen  Kanftwörtern 
nichts  inne  hat. 

Ein  ähnlicher  Vorfpuk  vom  arabifchen  Meer- 
bafen  fand  fich ,  in  Geftalt  eines  mäfsigen  Land« 
fees,  auf  den  alten  Welttafeln.  Homers  Un- 
Xande  davon  zu  widerlegen,  beruft  fich  Strabo 
umfonft  auf  das  ägyptifche  Theben,  welches 
Homer  genannt  habe;  denn  Oerter  an  Küften 
und  an  Strömen  werden  eher  durch  Gerüchte 
bekannt ,  als  folche  ,  die  Landreifen  erfodern. 
J\rarunv.  hätte  wohl  Hekatäus,  da  er  die,  Süd- 
hälfte feines  Erdkreifes  in  Afia  und  Libya  theilte, 
den  Nilus  zur  Grenze  -genommen^  und  nicht  den 
arabifchen  Meerbufen  ?  Späjtere ,  wie  Straba 
lehrt,  wählten  diefen,  weil  er  faft  von  einem 
Meere  zum  andern  reiche ,  der  Nilus  aber  zä 
weit  vom  Ocean  zurückbldbe,  um  ganz  Afien 
Von  Libyen  zu  fondern:  dennoch  blieb  die  ge« 
wohnte  Abtheilung.  Die  alten  lonier,  fagt 
Herodot  (2,  15 )»  rechneten  nicht  mehr  zu 
Aegypten,  was  über  der  Theilung  des  Nilus  13:, 
fondern  zu  Arabien ,  oder  Libyen.  Alexander 
glaubte  daher  (^Strab.  15  f.  696),  der  indifche  Hy« 


J41     MYTHOLOGISCHERBRIEFE   II.  B. 

daspes  fei  der  Nilus;  andere  (^Lucan.  lo»  292) 
leiteten  ihn  von  den  Serern  ;  noch  andere  (^Pauf. 
29  f«  94)  s^us  dem  Eufrates,  der  in  einen 
Sumpf  verfchwinde,  und  über  Aethiopien  als 
NiUis  wieder  aaf(\)radele.  ^  Schriftfteller  aus 
Alexanders  Zeitalter  wurden  von  Eratoftjienes 
getadelt  (  Straft.  I  p.  47 ) ,  dafs-fie  den  arabi- 
fchen  BufeH  für  einen  See  hielten«  Auch  der 
Dichter  Herqdor,  der  nach  Alexander  lebte» 
fezt  den  arabifchen  ßerg  Nifa  (ScA.  Apoü.  a, 
J215)  nahe  an  den  Nilus  9  ohne  durch  einen 
Meerbüfen  gefiört  zu  werden: 

Er<  ^f  r/$  Nt/rv,  vxccrov  ic«fac»  »v^tov  vAf, 

Kyfa    Sft    ein    erliabnef    Gebirghaupt,    blQhtnd    voti 

'  Waldung, 
Pern   vom   FönikerU^d'i    und   tithe    dem  Strom  de« 

'  AegyptoSk 

Und  noch  Efbrus  (^Plut.  pL  pÄ.  4,  i)  erklärte 
das  Anibhwellen  des  Nils  dadurch»  dafs  im  Som« 
mer  gani5  Aegyptenland  fchwiÄe,  wozu  auch 
Arabien  und  Libyen  beitrage» 

Wie  aber  konnte  Aefchylus  die  Titanen^ 
welche  der  fiegfende  Zeus  in  den  Tartaros  unter 
der  Srdfcbeibe  hinabfUefst  vom  ()ftUchen  End« 


SIfiB2EHNT£R     BRIEF.  I43 

der  Welt  herführen?  Ift  vielleicht  die  Familie 
des  Titan  Helios  gemeint,  der  mit  feinen  Schwe- 
ftern  Eos  und  Selene  an  dem  Kriege  nicht  Theil 
hatte?  Ich  denke  anders.  Die  nacbhomerifchen 
Dichter  gaben  den  Titanen  Erlöfung  aus  ihrem 
Kerker» 

Xs  löfte  Zeuf  der  unendliche 
Die  Titanen  I 

fingt  Pindaf  QPyth.  4,  518);  und  erkennt  den 
Kr^onos  COh  dj  127)  als  Beherfcher  des  feligön 
Eilands  im  weftHchea  Oceamis,  wie  fchon  bei 
Heüodus  (Z.&.  169)  ein  zwar  verdächtiger  Vers» 
Anderen  wohnten  die  Titanen  bereits  vor  ihrer 
Verftofsung  am  öftlichen  Ende  des  Erdkreife^ 
wo  Kolchis  mit  den  neu  vernommenen  Gegenden 
unförmlich  zufammenflofs^  und  was  war  natür« 
lieber,  als  dafs  fie,  aus  dem  Tartaros  entlaffen^ 
den  heimifchen  Siz  bei  ihrem  Bruder  Helios  wie- 
der einnahmen?  Aus  f'olchen  Gedichten  erzählt 
Strabo  (10  f.  472),  dafs  einige  gefagt;  von  den 
Titanen  fein  der  gebührenden  Rhea  zu  gewafne- 
ten  Dienern  gegeben  worden  die  Korybanten^ 
die  aus  Baktriana  gekomtnen;  oder,  wie  andere 
gewollt,  aus  Kolchis.  Beiderlei  Fabeler  bezeichne* 
teo  den  felbiges^Winkel  des  da&mligen  Erdkreifes* 


144     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    II.  B. 

Dorthin  alfo,  woher  nachmals  die  Titanen 
zum  Prometheus  kamen ,  foll  jezt  lo,  nachdem 
jße  über  den  Fafis  gegangen  fein  wird,  fortwan- 
dern, bis  wo  Helios  aus  dem  Oceanas  zum 
Himmel  fteigt. 

Vom  Aufgang  wieder  mit  einem  Umweg 
durch  Afien  fich  wendend ,  foll  fie  zum  Nieder- 
gang durch  Europa  irren.    Und  wie? 

Des  Meercf  V^ogengeräufch  darcbdringcnd« 

Das  heißt  ja  wohl :  die  thrakifche  Meerenge 
durchfchwimmend ,  welche,  wie  die  kimmeri- 
fche,  von  ihr  den  Namen  Bosporos  oder  Rin^ 
derfuhrt  trug.  So  der  Erdbefchreiber  Dionyfius 
(v.  140)^: 

Dann  der  thrakifche  Schlund  des  Borporos.  iK^elchen  vor 

Ahers 
lo  durcbfchwinniny   auf  Herein  Gebot,   m  der  Starke 

Verwandlung. 

Den   zwiefachen    Uebergang  der  lo  durch 
Meerengen  bezeugt    Aefcfaylas   auch  anderswo^ 
CSupfL  549 )f  obgleich,  er  fie.  dox:C  einen ^ver« 


SIEBZEHNTER     BRIEF,  145 

(chiedenen  Weg  durch '  Afiens  MeerkUften  nach 
Aegypteä  bringt : 

ii>5iv  lü 

4^ivyst  »fucgTtvoou 


von  wannen  tOf 


Rafch  von  der  fircmfe  verfolgt, 

keuche  mit  verwildertem  Gcift, 

Viele  Gefchlechte  der  Sterblichen  darch' 

rennend;  und  zwier  geht  fie  m  jen- 

feitiges  Landi  duiLch  das  Cefchick« 

Veber  des  Sands  wogende  FIuC  iich  ftfirzfiuL 


xvin. 

Wir  fcheineii  nnfere  lo  glücklich  in  Earopa 
tkixk  Trockene  gebracht  2ti  haben«  Mit  grofsett 
kraftvollen  Pinfelzugen  mahlt  Aefchylud  drao£ 
das  vorftechende  der  weftlichen  Wand^fong« 
immer  dem  Ziele  zueilend  (v«  798): 

K 


146    MYTHOI^OGISCHER  BRIEFE   II.  B. 

AI  ^0fx<^fC  vaiHSif    ^fiyattxt  %of«t 

TgstQ   KvxyofiO^^ot  y  KOtvov  oyt!*    tiCT^fteväitt 

.TliÄcec  y  aBg^^xt  ^ay$e  rffStQ   »XTCtvrs^^t, 
A^ocKovrofucXf.ot  To^'yovc^  ß^oroTvystCi 

Totara.  nsv  ffot   tüto  ^fü^tov  Asyu. 
AA/ifv  $*  axüffoif  ^vff%efii  Stugtoiv* 

Aoifiua'KQv  iTF^oßxßov* f   oi  p^ft/tf9ffvr0y 

TvTOtQ  rv  f*Jf  flffAÄ^ff.      TffA«foy  J«  yjfw 
Vl^ff<C»  tte^xivov  ^t/Aov,  5<  T^oc  'HA/t* 

Thth  vxff*  ox^xg  fff^* »     ^A*«  «V  ^S'Xf 
KxTxßxs(AOVf  eifSx  ßvßXtvuv  e^Wf  xito 

^llitt    etTTOV   Nff^AoC    tPTOTOV    fC9C« 


Dei    Meeres   Wogengeräofch  ilarchdringend ,    bb    da 

kommft 
Hin  zur  gorgonifchen  $chreckenflur  Kifthene,    wo 
Des   Forkys  Töchter  4iauient    Jangfraun  hochbetagc. 
Drei  fcbwtnenfkrbne ,   Eines.  Aogs  tUeilnehmendet 
Biaxahsig »  die  nicht  Heltot  votyi  Himmel  fcUaac 


'achtzehnter   BRIEF.  147 

Mit  Stralen«   noch  die  nächtliche  Selene  je. 
Obnfern  find  ihre  Schweftern,   drei  geflügelte, 
Die  drachenlockigeii  Gorgonen,    menfchenfeind, 
Die  fehend    nie    ein  Sterblicher  den  Geift  behält; 
Dich   abzumahnen  nenn*   ich   folche  Warnung  dir* 
Vernim   anjezt   noch   eine   nicht   wülkommne  Schau» 
O  ddfs  da  Zeus  ftimmlofe  Hunde,   fcharfes  Mauls» 
Die  Greife  fcheuft;   auch  jenen  Schvarm  Einäugiger» 
Die  Arimufpen  Im  Rofletrab,    die  das  GoIdgeroJl 
Umvohnen  lijings  des  Plutonftroms  Gev^äffern  hin: 
Auch  diefen  nicht  genaht.    £iu  Fernes  Land  nunmehr 
Erreichet  du«   das  fchwarze  Volk,  das  an  Helios 
Brannquellen  baut,  wo  mächtig  llrömt  der  Aethiops» 
An   deffen   Ufern    wandle  fort,    bis  dafs  du  kommft 
2a  dem  Kiederfturz,    wo  hoch  vom  Byblosberg^  herab 
Der  Neilos  giefst  des  Segenftroms  trinkbare  Flut. 
Der  fähret  dich  nun  endlich  ins  dreieckte  Land 
Keilotis. 

• 

Die  Schrecketiflur  Kißhene,  wo  die  Vorhfite- 
rimien'^def  Gorgonen»  die  graiifaarigeti  GrHen^  in 
cwigef  Dunkelheit  wohnen,  mtifs  die  ICuiserftö 
Spi«e  Europa*«  rein>  die  Gegend  der  Vofmaligen 
Kiratnerief.  Hohe  Ufer  deö  Oceatius,  und  von 
der  Landfeite  die  RhipKen»  hemtnen  den  Stral 
der  Himtdelslichter»  Aber  Welch  ein  Name? 
Die  Handfchriften  geben  u^hym^  K'^^<vifc»  K/v 
*W5.  WÄhrfcheiftlich  Tchrieb  Aefchylus  Kim^r^^ 
des  Kynttenlandes,    Denn  die  Kyöeteh  bei  Hero* 

Ka 


148    MYTHOLOGISCHERBRIEFE    II.  B. 

nennt,  und' bei  Herodor,  wie  Stefanns  untef 
ißnfixi  ihn  anführt,  find  um  diefe  Zeit  daa 
äufserfte  Volk  gegen  Wetten.  Oftwärts  voa 
ibnen  fezt  Herodot  feine  Kelten  und  Pyrrherje, 
wo  der  Ifter  entfpringt.  Herodor,  das  Ocean- 
ufer  verfolgend,  fezt  nordwärts  Gleten,  dann 
Tarteiuer,  dann  Elbyfinier,  dann  lVl,aftiener, 
dann  Kalpianer,  und  drauf  fchon  den  Rhodanus. 
Sehn  Sie  den  iberifchen  Bernflreinftrom  Eridanus, 
wovon  Aefchylus  bei  Plinius  meldet,  er  werde 
auch  Rhodanus  genannt,  und  Fileas  fatnt  TimSus 
bei  Avienus,  er  ftrecke  den  einen  Arm  ins  äufsere 
Meer ,  den  andern  ins  innere. 

Nahe  der  europifchen  Landfpize  Kynetet  denv 
Siz  der  Gräen,  wohnen  auf  einer  Oceaninfel  die 
Gorgonen,  wovon  ich  bereits  geredet: 

* 
Hart   an    der    Grenze  der  Nacht ,    bei    4eu  fingende« 

Hefperiden : 

wie  Hefiodus  (Th.  a75)  fagt;  das  heifst,  an  der 
Grenze  der  Lichtfeite  und  der  Nacht(eite,  oder 
Afiens^  welches  Libyen. begreift,  und  Europa's« 

Die  beiderlei  Unholdbtfea  foll  lo  meiden; 
fber  vorher  noch  die  w^üiden  Greife  der  Rhipäen^ 
wd  die  einäug^en  ArinKufpiifj    die  Rpfsreiteir 


ACHTZEHNTER    BRIEF.  I49 

<lei*  rhJpUJfchen  Bergfchäler»  bei  welchen  der  gold- 
führende Strom  JPluton  von  den  Metallbergen 
berunterfttirzt.  Sie  foU  alfo  durch  die  freund- 
lichen Hyperboreer  in  den  Olivenebenen  fort- 
wandeln ^  bis  fie  zu  den  weillichen  Aethiopen 
in  Afrika  hioüberfchwimmt. 

Greife  und  ArimaQ)en  find  immer  zu  Hyper- 
boreern und  Rhipäen  gefeilt,  auch  nachdem  die. 
Fabel  von  der  helleren  Entdeckung  des  Weftian- 
des  in  den  Norden  verdrängt  wurde«  Der  Dich- 
ter Antimaohus  {Stepk.  'ttf^ /3a>f 0; )  erklärt  die 
Arimafpen  für  Hyperboreer;  Stefanus  und  der 
Scholiaft  des  Kallimaehus  ( DeL  291 )  für  ein 
Volk  der  Hyperboreer ;  und  Klemens  (yfr.  4/«. ) 
verbindet  die  fabelhafte  GlUckCeligkeit  der  hyper- 
borifchen  und  arimafpifchen  Staaten,  uod  der 
elyfifchen  GefiWe.  Pindars  glückliche  Hyper- 
boreer, wie  wir  gefehn  haben,  wohnten  im 
Weftlande.  Ihnen  eignete  der  alte  M^tholog,, 
welchen  Apoliodor  (2,  5,  11)  ausfchrieb,  auch 
die  hefperifchen  Gärten  mit  goldenen  Aepfeln 
zu;  Sie  wuchfen  nicht,  fagc  er,  wie  eirrige 
behaupten,  in  Libyen,  fondern  am  Atlas  bei  den 
Hyperboreern.  Zu  verftehn:  auf  einer  In  fei  am 
•Atlas,  die  durch  die  hyperborifchen  Rhipäen  vor 
dem  Nordwinde  gedeckt  War,  Ich  mö'chte'  fogaf 
glauben,  dafc  die  hyperborifchen  Tarkynken  und 

K3 


I50    MYTHOLOCIISCHER  BRIEFE  II.B. 

TarkynSer  des  Hierokles  bei  Stefanos  zu  Tarra^ 
kon  in  Iberien  gehören« 

Wie  Herodot  die  weftlichen  Hyperboreer  nnd 
Rhipäen,  woher  der  Ifter  zu  kommen  geglaubt 
wurde,  mit  den  neueren  Namen  Kelten  und 
Pyrrhene  nannte;  fo  befchreibt  noch  der  Chier 
Skymnos  die  Kelten,  die  ihm  vom  Weften  des 
Erdkreifes  bis  Nordweft  wohnen,  gleich  den 
alten  Hyperboreern,  v,  182: 

Xgmrxt  Ic  KfArof  rot(  t^tttv  'EAAvyix9iCi 

Kai  reiq  vTPoiox»^  rttv  iKt^tvüfASvwß, 
'    Ztnt    [AüttK^    i*   ftynfft    rtti    CKKAifC<«Ct 

Die  Kelten  find  hellenifcher  Sitten  froh. 
Und  üben  Freundfcbaft  gegen  Hellas  Volk, 
Und  gütigen  Empfang  der  Freindlinge. 
Mit  Mufik  begehn  iie  der  Verfamnilung  Fell, 
Nacheifernd  ihr,  zur  Milderung  des  Siuni. 

Daher  Mnafeas  beim  Scholiaften  des  Apollonius 
(2>  677)  wohl  nicht  anders  zu  verftehen  ift^ 
als  dafs  die  Hyperboreer  jezt  Kelten  (für  daa 
yerfchriebene  AgA(|>tfc)  genannt  werden. 

Der  Name  Rhipäen  ward  zur  Zeit  Herodots 
von  der  Pyrrhene  aus  Weften  verdrängt ;  länger 
hielt  fich  die  Dbrige  Anordnung«    IJoch  Bafilins 


ACHT2CHNT£R    BRIEF.  I5I 

(^Hexaem.  kotn.  3»  6)  meldet  aus  der  eudoxU 
fchen  Erdkunde:  von  dem  Pyrenäengebirge  fliefee 
der  TarteiTus  und  der  Ifter;  danp  von  den  Rhi- 
päen  der  Rbodanus»  oder,  wie  einige  lefeo^ 
Eridanas,  mit  vielen  anderen  in  das  hefperifche 
Bleer,  das  beifst  ihm  (Aom*  in  hex.  6»  li)  in 
den  Ocean.  Protagoras  bei  Stefanus  C^rteßo^iot') 
fagt,  die  Alpen  heifsen  Rhipäen,  und  die  Völker 
hinter  den  Alpen  Hyperboi^eer.  Nun  werden 
Sie  nicht  mehr  lachen,  wenn  Heraklides  Ponti- 
kus,  ein  Hörer  des  AriftoteleSj  von  dem  Gerücht 
aus  Werten  erzählt  (PiuL  in  Camiüo):  ein 
Kriegsheer  aus  den  Hyperboreern  fei  gekommen 
von  aufsen  her 9  und  habe  die  griechifche  Stadt 
Rome  erobert,  die  dort  wo  bewohnt  werde  um 
das  grolse  Meen  In  dem  zufammengedrängten 
Weftlande  nemlich  lag  Rom,  wie  Karthago» 
nahe  an  der  Meerenge  des  .Oceans.  Hyperboreer 
fezt  auch  Poiidonius  (SrÄ.  AppU.  2,  677),  hin- 
ter die  Alpen,  und  meldet  zugleich  Q Athen* 
6,4):  die  Rhipäen  der  Vorzeit,  nachmals  Oibia, 
dann  Alpia  genannt ,  fein  durch  Entzündung  der 
Wälder  mit  Strömen  gediegenes  Silbers  umher- 
gefloifen.  In  welcher  alten  Fabel  die  Rhipäen 
doch  wohl  die  Pyrenäen  bedeuteten.  Die  orfifche 
Ai^onautik  (v.  1121)  verfezt  an  den  nordweft- 
liehen  Ocean  die  Kimmerier  zugleich  mit  den 
verdunkelnde«  Bergen,    Rhipäon,   Kalpis  (aus 

K4        ■ 


15a    MVTHOI.OGISCHBR  BKIßFB   JI.  B. 

dem  ibwfchen  Kalpe) ,  Flegra  und  den  Alpen.  Es 
erhellt,  ms  welchen  Gliedern  die  alte  Kette  der  Rhi*- 
pfien  beftand ;  auch  Flegra  fcheint  Pyrene  zu  fein,  das 
Brandgebirge  der  Gigantenfchlacht,  welches  noch 
Euripides  (/on  988)  im  äufterften  Weften  fand, 

Jezt  wird  der  arimafpifche  Goldftrom  Pluton 
jucht  fchwer  zu  enträzelti  fein.  Der  orßfche 
Argonautiker  hat,  famt  den  Kimmeriern,  auch 
den  Eingang  des  Todtenreichs  aus  dem  Weften 
verfezt.    Dort  mit  tiefem  Geftrudel  (v,  11 29) 

IMh  der  Acberpo,  ftrömeiid  von  Gold,  durch  fcbsiii* 

drige  Gegend. 

Beide,  der  Pluton  und  der  Acheron,  deuten  auf 
den  Tarteffus,  deffen  fabelhaft  gepriefene  Reich- 
thümer  ficb  mit  den  ölteren  Fabeln  vom  Eingange 
des  Erebos  vermifcbten.  Der  Tarteffus  ftrßmt 
aus  dem  Silberberge,  deffen  Stefanus  und  Avienua 
gedenken,  fcbon  irfdem  Fragmente  des  Stefipho- 
Tus  CStrab.  SP-  ^48)- 

An  dt%  ^tromi  TsrteiToi  Quellen, 
Pen  uuendlicbeo^   filbcrgewurzelieq» 

Auch  bei  Skymnos  prangt  die  berUhmte  Stadt 
Tarteffus  mit  dem  Ruhme  der  Vorxeit ,  v.  164: . 


ACHTZEHNTER    BRIEF,  I53 

Xfveov  Tf  •  HXt  ;i(aAxoy  (^tfvees  wAtiiva* 

p!c  ftromgerolltes  Zum  am  Kehiks, 

Auch  Gold  zugleich  und  £rz  .iu  Menge  tragt. 

Strabo  (ä  p.  146)  rllbmt  von  der  Turditaneiv 
gegend:  weder  Gold,  noch  Silber,  noch  Erz, 
noch  Elfen,  fei  irgendwo  auf  der  Erde  in  folcher 
Menge  oder  fo  gut  zu  finden ;  das  Gold  werde 
nicht  nuü  gegraben ,  fondern  in  FlUflen  rolle  es, 
und  fogar  aus  trockenem  Sande  werde  es  gewa- 
fchen.  Gleichwohl  fcheint  ihm  Pofidonius  zu 
tibertVeiben,  der,  von  gefchhiolzenen  Gold-  und 
SUbermetallen  aus  dem  Brande  der  Bergwälder 
fabelnd,  hinzufüge;  nicht  nur  TAa^/«,  reich, 
fei  die  Gegend,  fondern  ptq^äuto;,  auf  Reichthum 
gegründet;  und  bei  jenen  fei  in  Wahrheit  der 
nnterirdifche  Ort^  den  nicht  Hades,  fondern 
P/i^^o»  bewohne. 

Da  wäre  zugleich  der  gefabelte  Name  des 
Stroms  P/m/cw  erklärt,  und  warum  die  Späteren 
CArifioph.  PlutlT-Tf  c.  SchoL^  den  Hades,  mit 
Plutos  vermifchend ,  Ptuton  genannt  haben ,  oder, 
/wie  in  der  orfifchen  Argonautik  (v.  180),  den 
unterirdifchen  Pluteus,  Dtefe  Bemerkung  ent- 
zieht wieder  drei  orfifche  Hymnen  ( 17,  28,  70) 
wo  Pluton  vorkommt,  dem  pelasgifchen 
Alterthum-« 

K5 


154    MYTHOLOGISCHER  BRIEFS  II.  B. 

An  die  arimafpifchen  ScliSze  wird  noch 
Lukan  (7,  *755)  durch  das  Gold  der  Iberer 
erinnert: 

i^icqnid  fodit  Iber ,   quicquid  Tapis  expuUt  aurU 
j^uodque  legit  dives  fummis  Arimafpui  nrefiU; 

Was    der  Iberer    entgräj[>t',    was    Golds   auslpiilte  dar 

Taguf, 
Was  im  oberen  Sande  den  Arimafpen  bereichert; 

obgleich  feiner  Zeit  die  Arimafpen  bereits  hinter 
den  nördlichften  Rhipäen  in  alter  hyperborifcher 
Seligkeit  zu  leben  -fcheinen.  Dort  bat  Vibius 
Sequefter  einen  Flufs  Arimafpa ,  aus  welchem  die 
Scythen  Gold  fammeln. 

Bei  der  folgenden  Irre  der  lo  in  das  ferne 
Land  der  Schwarzen  denken  Sie  fich  Libyen 
nicht  viel  anders,  als  auf  der  homerifchen  Welt- 
tafel. Noch  Ariftoteles  imund.  3)  drängt  die 
Weftgegend  zwifchen  Sicilien  und  der  Ocean- 
xnündung  fo  ins  Kurze,  dafs  gleich  dem  ein- 
fchiffenden  das  Mittelmeer  rechts  in  die  Syrten- 
bucht  fich  zurückzieht,  und  links  ih  das  fardoi- 
fche,  galatifche  und  adriatifche  Meer,  Die^* 
Schmale  wu*d  durch  die  Rundung  der  Erdfeheibe 
beftimm^.  .  Nur  ein  folches  Afrika  hielten  die 
Alten  für  umfchift,  mit  Zeugnißen,  die  nicht 
«mlthafter  findf  als  andere  für  die  UmfchiiFuog 


ACHTZEHNTSR    fiRl£F,  I55 

des  Nordens  y   und   dennoch  felbft  bei  neueren 
Gefchichtforfchern  Gehör  finden. 

Den  Oceanrand  diefes  mfißigen  Erdftreif$ 
bewohnen  die  Weftäthiopen.  Hier  fiud  di^ 
Wunderquellen  des  Helios  9  die  bei  Nacht  und 
Tage  mit  Mize  und  Kälte  wecbfeln,  von  eipigea 
um  den  Ammonstempel  gefezt,  von  anderen 
2U  den  Troglodyten,  Hier  ftrömt  auch  der 
Aethiops  oder  Niger,  reich  "an  Byblospllanzen, 
bis  er,  von  einer  Hohe  fich  ftürzend,  zum  Nilus 
V^ird«    Die  Beftättigungen  liegen  am  Wege, 


XIX. 

yVuch  vor  den  Sonnenwagen  wurden  im  fpKterea 
Zeitalter  manchmal  Greife  gefchirrt.  Dag 
gefchah  wohl  nicht  eher,  als  bis  man  dem 
Helios,  der  anfangs  nur  am  Oftüchen  Ende  der. 
Erdfeheibe  nahe  hinter  Kolchis  eipen  Palaft 
bewohnte  ,  zugleich  einen  anderen  am  Weflrande 
des  Oceanus  verliehn  hatte. 

Herr  Heyne  ^war  lehrt  feine  Jünglinge' bei 
Gelegenheit  der  Sonnenrinder  in  Erythia 
(^Apoüod.  :Li  6,  1):  **  Des  Sonnengottes  Palaft 
«<war  im  äufterften  Weften;  dort  auch  der  Stall 
'^fUr   die  SonnenroiTei    dann  auch' die  Rinder» 


I5&    MVTHQItOGISCHER  BRIEFE.   II.  B, 

«welche  Geryon  mit  dem  Orfchrus  hütete;  bald 
«•wurden  fie  Geryons  Heerde*  Auch  waren 
« dafelbfl;  fein^  GSrten » .  von  den  befperifchen 
•^'Nyaifen  bewacht;  bald  ward  auch  diefe  Fabel 
<*detn  Sonnengott  entzogen»  und  in  die  Ge- 
«* fchichte  des  Herkules  verleg^,>  Kein  wahres 
Wort,  Blofs  die  heiligen  Rinder  des  Helios 
waren  >  nachdem  das.  zu  bekannte  Sicilien  fie 
nicht  mehr  zuliefs,  nach  Erythia  verfezt  worden; 
i^Ues  übrige  hat  Herr  Heyne  für  fich  hinzuge* 
fabelt. 

Sowohl  Helios»  als  feine  Vorgängerin  und 
Schwefter  Eos,  hatte  Wohnung  und  Familie  am 
Oftrande  der  Erdfeheibe,  wohin  er  auszäruhn 
im  Anfang  der  Nacht  von  dem  geflügelten  Schiffe 
init  wunderbarer  Gefchwindigkeit  uöi  das  nörd- 
liche Geftade  zurückgebracht  wurde.  Das  be- 
weift  Stefichorus  bei  Atben^us  ( i  r,  6); 

AfTÄfi  gg  xxnßxivt   Xf^^^^H 
O^get   ^t*  SlKiuvoto  yrsfce9tt^ 
A4>/xi}5*  ii^ai  itort  ßev^ea  vvKTOf  tgtiAvx^f 
'     TloTi  ßXT€fx  KH^shetv  T*  a^ox^^f 
Jlai^xi  V6  ^avc* 

Helios  jczt,    Hyperions  Sohn, 
'  Lenkt*   in  den  goldenen  Becher  hinab, 
^     Damit»  des  Okeaiios  Flut  durchfchiffeiüd, 


NEUNZEHNTER    BRIEF.  1S7 

lEi  käme  2a  den  Tiefen  de^  heiligen  dunkleti  Nacht, 
Zar  Mutter  und  Jngendgenoiliii 
Und  den  trauten  Erzeugten  hin. 

Der  Elegiker  Mimnermus  bei  demfelbigeti 
(p.  470}  läfst  ihn  fchlafend  die  nächtliche  Um-» 
fchiffung  vollbringen: 

Ov^t  vror^  afi9r$tv9tc  ytvtrat  aitfiiä 
*Isr9r0i(r/y  rt  xxi  aar^y  npnv  foM»»TvAoi  H«6 

Slxsavov  le^o^i^vff'  afatvov  st0etvetß\i. 
Tov  fcev  yxf  ^ta  kvijuc  ^t^tt  9roAt/iff«roc  ti/viif 

KotTitf ,  'H^ä/s-«  %*f  ff/v   «A>/A«fe«VJf 

r««d;v   f  c  Ai^ioTMv  *  hat  0/  5otfy  ^f^  f'  /Tsr«< 

£y^'  forcßif   ireguv  oxciov    TxtfioyoQ  utoc» 

Arbeit  gab  dai  Gefchick  dem  Helios  jeglichei  Tages;' 

Nimmermehr  wird  Ruh  oder  Erholung  vergönnt, 
Veder  den  RofTeii  noch  ihm,  nachdem  die  rofige  Eoa 

Aus  dem  Okeanos  (Ich  wieder  zum  Himmel  erhob. 
Denn  ihn  trägt  durch  wogende  Flut  das  erfreuliche  Lager« 

Selchet  Hefäftos  Hand  höUend  aus  köftlichem  Gold' 
Ihm  erfchuFy  und  von  nnten  beflügelte:  aber  die  VTafler 

Schwebet  er  eilend  im  Schlaf  von  der  hefperiichen  Flur 
Hin  za  der  Aethiopen  Geftad,  wo  Wagen  und  KoSk 
'     Harrend  ftehn,  bia  heran  Eoa  die  dämmernde  naht: 
Jhmf   befteigt    er    ein    andres    Gefpann «    der   Sohn 

Hyperiom« 


158     MYTHpLOGiSCHBR  BRIEFE   II.  B, 

Aber  das  ift  nur  ein  kleines  vorlSofige« 
Sclilummerchent  Den  rechten  Schlaf  geniefst  er 
hinter  Kolchis  in  feinem  b,ehaglichen  Kämmerlein, 
welches  Mimnermus  fehr  wohl  kennt.  Denn 
fo  fagt  er  bei  Strabo  ( i  p.  47  )  •  ^ 

Ainreec  jroA/v,  to5i   t*  uksoc  H^A/o/» 
AxTtvti  Xf^^'^  itstecirctt  tv  ^ah»ittff 

Zu  des  Aeeces  Stüclc»  ks^o  des  eilenden  Sonnengebietert . 

Helios  Stralen  fanft  ruhen  im  goldnen  Gemach, 
An  des  Okeauos  Rande,  da  kam  der  edle  lafon. 

Dort  bei  den  Aethiopen  des  Aufgangs  fanden 
des  Helios  Wohnung  auch  die  folgenden  Dichter. 
In  Euripides  verlorenem  Schaufpiele  Faethoa 
(^Strab.  I  f»  33)  war  Klymene  vermählt  dem 
Aethiopen  Merops, 

.    I      ■ '   ■  .     ■   ■  '     rifff^*  KfantTt  V^Ci 

'Haioc  tevtifXw  Ä^wö-FÄ  pirAA^i  ^koyu 
tiAP\,a9t  J'äVtjJv  yntovei  ffis\xßß^6t9t 
tot  ^xtwen  'UAf»  ]^'  l7tfeot»tuio 


des  Lisädes  K6ti(ge» 


Vf^ohin  vom  viergefpannten  V^ageniiz  zaerft 
Auffteigend  Helios  mit  goldner  Flamme  ftralt 
Es  nennet  jene  Flar  der  Nachbarn  fchwartei  Vbfr 
Der  lichten  £os  und. des  Helios  RofieflalL 


^     NSUNZEHNTER    BRIEF«  I59 

So  erklärt  Strabo  den  lezten  Vers;  vielleicht  las 
er  &8C  ^«mifc-  Auch  Ovids  Faethon  CMet. 
I,  777)  erreicht  den  Palafl-  des  Sonnengottes 
jenfeit  feiner  Aethiopen  und  Indien 

Aalser  diefem  eigentlichen  Sonnenpalafle 
indefs,  gefiel  es  einigen  Neueren,  dem  Helios 
Mch  am  weftlichen  Ende  ein  Haus  und  einen 
Kofsftail  zu  fchaffen.  Wo  er  fich  und  fein  ermü- 
detes Gefpann  vor  der  Umfchiffbng  des  Nord-, 
geftades  mit  ambrofifcher  Nahrung  erquicken 
könnte.  Der  Aetoler  Alexander,  deflen  Verfe 
■wir  beim  Pegafus  (i,  36)  angeführt,  bedenkt 
den  Helios  mit  Gras  aus  den  Infein  der  Seligen, 
um  vor  dem  Lauf  feine  Rofle  zu  ftärken.  Wie 
frühe  ein  Gutmütiger  am  Ende  des  Laufs  für 
Ruhe  und  Pflege  geforgt  habe,  weifs  ich  zwar 
nicht  zu  beftimmen ;  doch  wette  ich  drauf,  dafs 
nicht  Statins  der  erlle  war,  der  (  Tkeb*  3,  407) 
den  Abend  alfo  befchrieb : 

Stlvtrat  Utfftfii  tUvixo  nutriüt^  fond 
Flair anus  Sol  fronus  eqnos^  rutilamque  lawthi 
Oceani  fitb  fniu  comam.     CtU  tnrba  frtftmäi 
hfertßSt  ^  rapidis  aceummt  pt^hts  Horap 
Frena^  ^  rnrntta  icxtnm  fitblilHe  ctrofut 
Diripinnt;  iaXaHt  calidis  bumektiä  l^rit 
^    TtBvra:  pari  metitot  vmitnt  ad  IkoUe  juguUs 
Gnmtm^  ^  ^näo  {urrum  tm§nk  fitpinahti 


.l60    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  11.  B. 

> 
An  dci  h^rpertfchen  Meers  tbhängiges  Ufer  fich  fenkend, 

Löfete   Sol    fein    Flainmeugerpann,    und   das    röthelnde 

Haupthitar 
Spület'  tt  nahe  dem  Quell  des  Oceanus.    Töchter  des 

,         tiefe  11 
Kereos   laofett  heran«   und   in  reifsendem   Schritte  die 

Hören: 
Zügel   fofort   and   der  goldenen  Krön'  hochprangendet 

Kunflwerk 
Kehmen  üc  ab;   ans  vs^rmem  Ceriein  die  (chaamigen 

Brülle 
Löfen  (te«  binden  alsdanu  die  verdieneten  Renner  tum 

weichen 
Graf»    ax&d    erheben    deh   Wagen    mit   tngelehneter 

DeichfeL 

Denn  eten  fo  aus  älterpn  Griechen  befchreibt 
Konnus  (^Dionyß,  12  f  i)  des  Helios  Haus  am 
Weftlichen  Okeanus:  wo  dem  herabletikendefl 
Gotte  der  muntere  Fo^foros  Zügel  und  Geifsel 
abnimt,  und  die  Roffe,  am  Vorgrunde  (  *ä^ä 
wffoxov^i)  des  nahen  Okeanos  abgefpiilt^  an  die 
glänzende  Krippe  führt;  indefs  Helios,  Von  den 
Hören  begrüfet,  in  feine  mit  weiiTagenden 
Tafeln  des  erftgebohrenen  Fanes  gefrhmückte 
Wohnung  geht,  und  bald  darauf  (117),  von  deö 
Hören  begleitet ,  fein  Gefpann  zu  der  Flut  des; 
eoUcheä  Okeanos  hiodurchlenkt.       .  ^       .     j 


NEUNZEHNTER   BRIEF»  l6t 

Die  Nähe  der  gefabelten  WeftrhipMen  gab  dem 
Künftler  ein  gleiches  Recht,  den  Helio^  mt 
Abwechfelung  mit  einem  Greifengefpann  vorzu- 
•ftellen,  wi^  dem  Aeichylus,  feinen  Okeanos 
und  deflen  Töchter  von  der  heimifchen  Quell* 
tnit  gezähmten  Greifen  daherreiten  und  fahren  za 
laflen*  Auf  einem  Marmor  bei  Spon  (.Afi/Jr. 
jE>.  3  )  und  auf  einer*  unter  Kommodus  geprägten 
Münze  von  Aureliopolis,  fährt  der  ftralende 
Sonnengott  mit  zwei  Greifen.  Wogegen  ihm 
Philoftfat  ix)it.,  Apoll.  3#  48)  bei  den  indifchell 
Künftlern  vier  Greife  zum  Vorfpann  giebt*  Auch 
einen  Greif,  der  den  Vordeffüfs  auf  ein  Rad 
leget,  als  Sinnbild  def  umrollenden  Zeit^  lieht 
man  auf  Münzen  und  anderen  Denkmälern* 

Eine  Münze  Hadrians  iSpanh.  MrH.  anU 
5,  16)  zeigt  den  zum  Sonnengott  umgedeuteten 
Apollon  mit  der  Lyra,  der,  gleich  dem  äfcHy- 
lifchen  Gotte  des  Wdtftromes,  einen  Greif  ohne 
2auta  reitet.  Auf  einer  Lampe  bei  ßellort 
'(2.  fig.  14)  fiJ^t  Apollon,  die  Lyra  fpielendj 
Vor  ihm  fteht  -ein  horchender  Greif*  Diefel* 
Vermifchtmg  Wegen,  die  noch  durch  ApoUons 
Verkehr  mit  den  Hyperboreern  begtinftigt  Ward, 
läfst  Klaudian  (Mif  ^o)  den  Phßbus  Von  dert 
nördlichen  Rhlpäen  eiöeti  S(ffkgen  mit  gezÄurtJten 
Greifen  nach  Delfi  lenken  i 


lÖl    MYTHOLOÖISCRER  BRIEFE   II,  B. 

At  ß  PbtBbtiS  adeß,  ^  frenis  gry^ha  jugaltM 
Rhifha^o  tripodas  repetens  datorfit  ah  axe; 
Tunc  filva ,  tunc  antra  Uqui ,  tnnc  vivere  fontef» 

>      Doch  wann  Phöbäs  er(cheint,  und  im  Joche  dtn  Greif 

mit  Gezügel 
Vom  rhipäifchen  Pol  herlenkt  «um  profctiTchen  Oreifiifs) 
Dann   ift  Haiu»    dami   Grotte   beredt«    daim  leben  die 

Quelienr 

Bei  Sidomus  icarfn.  a,  -307)  kommt  im 
fpäteren  Fuhrwerk  mit  Greifen  der  umgedeutete 
Apollo  9  zugleich  mit  dem  heilenden  Päan ,  mit 
dem  Sonnengott,  und  dem  begeifternden  Bacchas 
im  Efeufchmucke  v^ermifcht: 

N«»c  ndes^  0  Taah^  iauro  cui  grypbaf  ohtiueot  t 

Doffti  lupata  ligant,  qnotUnf  per  frondea  lora 
Fleäii  peHnifirof  hideriy  hicolorihu^  airmoi* 

Jczo  erfchein,  o  Päan,  dem  klauige  Greife  mit  Lorber 
Bindet  ein  llrcnges  Gebifs,  lo  oft  durch  laubige  Zügel 
Mit    zweifarbigem    Efeu    du     Icnkft    die    gefiederte« 

Schultern. 

Eben  fo  bei  demfelben  (g  eff.  9): 

Ac  fi  t>dphka  Delitr  tulißerH 

tnflrumenta  tuo,  naüusque  Apollo  , 

Cortinanii  tripodas  ^  chelyn,  pharetraff 

AfckSi  gryphas  agam »  dupUqut  frowtit 

Hinc  haecasjjuatiäm^  vH  hinc  cotymkiAf^ 


NEUNZEHNTER    BRIEF.  .         163 

Alt  ob  deinem  Apoll  fein  delfifch  Rfiftzeog 
Ich  .entv(^andt\  und«  ein  neaer  Gott  von  Delof« 
Dreifufs,  Wölbung  zugleich,  auch  Laut'  und  Kdcher, 
Bogen  führend  und  Greif,  auf  doppler  Stirnc 
Lotbeern  fchüttelte  hier,  dort  £feadoldcn« 

Auch  auf  Helmen  otid  anderen  Waffen  bildete 
man  die  fabelhaften  Greife,  ivie  die  Sfinxe  und 
mehrere  Schreckwunder.  Paufaniaa  (i  p*  45) 
befchreibt  fie  als  löwenähnliche  Unthipre,  mit 
Fittigen  und  Schnabel  des  Adlers,  und  (g  p.  457) 
Von  fleckiger  Haut  wie  die  PardeL  Weil  fie  in 
Bewachung  des  rhipäifchen  Goldes  mit  den  rofs« 
reitenden  Arimafpen  beftändige  Händel  hatten ;  fo 
MTurden  fie  auch  als  pferdefcheu  vorgeftellt*  Zur 
Erklärung  der  virgilifchen  Stelle  (ßcL  8»  a?}: 

Kon  gefeilt  (ich  xum  Greife  das  Rofii 

bezeugt  Scfvius,  dafs  fie  die  Pferde  fehf  haffen» 
mit  dem  Zufaz,  fie  fein  dem  Apollo  heilig*  Das 
waren  fie  gewifsj  aber  erft  in  der  fpätef^n^ 
tielfach  umgebildeten  Fabel. 

Herr  Heyne  Verwandele  diefe  fchltchte  Be% 
merkung  in  ein  Philofophema  nach  feiner  Art} 
Fabulofum  moußrum  tx  hieroglypho  duBuntp 
quod  ad  Apoüinem  fpißabaL     **  Ein  gefabel€M 


l(J4     MYTHOtOGiSCHER  BRIEFE    II.  B. 

**Unthier,  aus  einem  Hieroglyf  genomtnen,  das 
"auf  den  Apollo  deutete.  „  Defto  tonreicber 
freilich  der  Klang ,  je  hohler  das  Gefchirr* 

Dafs  fcbon  Aefchylas  die  Greife  für  eine 
Zwittergattung  vom  Adler  gehalten  habe,  fehn 
wir  aus  Ariftofanes  (ran.  929),  wo  Euripidea 
ihm  feine  prunkhaften  Graunbilder  vorwirft, 
als  die  zw  Schildzeichen  gewählten  y^v^entrH^ 
;^«AxifAar8Cf  erzßarrenden  Greif adler:  ein  nach 
der  Aehnlichkeit  von  ^iwoKtvTctvffiQ ,  Ai^isr^vj 
Ayigo9pY^t  gebildetes  Wprt, 

Im  Folgenden  verCpottet  er  auch  feinen 
iaöov  iTTeiÄeKTffvovee  f  den  rafchßH  Rofshahnf  nnd 
feine  rfa'yeÄcc(p3Q  oder  Bockhirfchef  und  was  fonß 
für  'Sckeufale  in  medifche  Teppiche  gewirkt 
w&den.  Hieraus  fcheint  zu  folgen,  dafs  viele 
vermifchte  Thiergeftalten  diefes  Zeitalters  aus 
morgenländifcher  Einbildung  ftammten« 

Den  Hippalektryon  f  welchen  A«fchylus 
(^Arifloph.  ran.  933)  als  Schifazeichen  gemahlt 
ausgiebty  und  aus  feinen  Myrmidonen  der  Scho« 
liaft  (^Pax.  1175  >  als  ein  rothgefiügcltesThier 
anführet,  war  nach  deffclben  Scholiaiften  Ver- 
ftcherung  (ra«.  93a)  ein  wu-kliches,  obgleich 
Xon  den  Weitweifen  geleugnetes  Seetfaier..    EiA 


NEUKZEHMTKR    BRIEF.  165 

Bekannter  von  ihm  habe  eines »  das  von  Ohn- 
gefähr  skue  dem  WaiTer  kam »  get(5dtet  >  UQd  allen 
gezeigt,  und  die  Abbildung  in  Siegel  (^vfi«««) 
und  Sc&ild  zum  Denkmale  gefezt* 


XX. 

oie  bewundern  die  vielfachen  Veränderungen, 
wodurch  der  griechifche  Künftler  dem  Noth- 
behelf  der  BeflUgelung  fogar  das  Anfehen  der 
Ueppigkeit  zu  verfchaiFen  wufste.  Ich  kann  es 
leiden.  Weniger  Bewunderung  haben  Sie 
vielleicht  für  die  nachwehenden  Winde,  die  dem 
Bildner  >manchmal  die  ftürmifchen  Luftfehritte 
der  Götter  und  ihrer  RofTe  veriinnlichten. 

Es  ift  möglich,  dafs  Homers  gemisdeutete 
Worte,  die  Solen  trugen  fie^  «iia  vnoifc  aviitcto, 
gleich  den  Bauchen  des  lindes,  welche  der 
fpätere  Griedie,  zugleich  mit  Hauchen  des 
Windes f  verftehn  konnte^  und  etwa  die  wind* 
fößige  Iris  und  die  ßurmwandelnden  Rofle,  den 
Gedanken  zuerft  veranlafsten*^ 

Befördernde  Windhauche  fand  bereits  Aefchy- 
lus  eingeführt.  Im  Prometheus ,  da  die  Töchter 
des  Okeanos  auf  einem  fchwebenden  Wagen  mit 
Greifengefpann  ankommen,  fingen  fie  im  Chor, 
▼.  132 : 

La 


l6$    MYTHOLOGISCHER  BRIEFS  U«  B. 

6chn«lltragend  geleiteten  Lüfte  mich  her« 

Und  in  den  Eumeniden  Tagt  Athene »  aufeinetn 
fchwebendenRofswagen  nahend,  v.  406: 

Ey5fv  ^iuKV9*  ifA5ov  arfvrov  srol«» 

na;Ao/£  ajifiutotc  tov$*  g^i^tv^asv*  oxov. 

Von  dort  enteilt'  ich  uiigefäamtes  Ftifset  her, 
Aach  fiügel!os;  wind  laut  erfcholi  der  Aegis  SchooffS 
Kraftvolle  Gaule  fpannt'  ich  diefem  ^ageu  vor. 

Auf  einem  Sai^kofag  zeigt  Winkelmann  (  Mon» 
ined.  T.  43)  um  den  Sonnen  wagen ,  womit 
Phaethon  verunglückt,  zwei  geflügelte  Winde 
durch  Röhren  blafend.  Er  bemerkt  hiebe*,  dafg 
fie  eben  fo  anfeiner  Lampe  bei  Bellori  (a  tab»  9) 
Über  dem  Viergefpano  des  Sonnengottes  und  dem 
asweifpännigen  Wagen  der  Mondgüttin  frfchei- 
Sien.  Aber  jene  halbilchtbaren  Geftalten  blafen  mit 
Meer fch necken  in  die  Höhe,  ab^ewandt  von  den 
Luftwagen.  Mehr  diefes  Ortes  ift  der  FJügel- 
wagen  der  Fortuna  bei  Sandrart  (^iconoLiab.  5), 
dem  ein  WincUbaupt  aus  den  Wolken  nacbbläfl:. 
Im  Hofe  des  herzoglichen  alten  PallaÖes  za 
Florenz  fleht  ein  fchöner  Merkur,  der  auf  den 
Hauch  eines  untergelegten  Windshauptes  den 
fufe  Hemmend  fich  emporfchwingt.      Er  ward^ 


ZWANZIGSTER    BRIEF.  167 

Wie  ein  Freund  mir  meldet,  vom  berUhmten 
üiovanni  da  Bologna  im  fünfzehnten  Jahrhundert 
gcgoflen.  Aber  der  Gedanke  ift  nicht  neu.  Be- 
gleitenden Winden  Geftalc  zu  geben,  erlaubten 
fich  auch  Philoftrats  Mahler  (fron.  1 9  9;  l«  II  )f 
v/o  Zefyrus  als  geflügelter  Jüngling  den 
Sdiwänen  in  die  Flügel  blies. 

Häufig  mufs  diefe  Windbegleitung  gewefen 
fein^  weil  felbfl:  bei  dem  lyfippifchen  KSros 
(^«iÄ.  4,  14),  wo  der  Künftler  fie  verfchmäht 
hatte ,  die  Einbildung  iie  hinzudachte.  Denn  auf 
die  Frage,  wozu  die  Fulsflügel?  antwortet  der 
Gott:  Hiermit 


'isrr/efi'  Jxnvtiu^^ 


'  flieg*  ich  im  hebenden  Viiid. 

I 

Gewifs  auch  aus  älteren  Darftellungen  in  Bild 
und  Gefang  fchwebte  Hermes  dem  Nonnus  vor, 
x;ie  er  zum  Himmel  flog  (  Dionyf.  9,  156  ), 

KtMA««*««  ßet^ip^tv  uxHvtfitov  XTSfov  auf^u 

Wirbelnd  im   Schwang  der   Lüfte  den   aufgebUheten 
fitüg. 

Imgleichen  Rhea  (14t  3): 

L4 


|68    MYTHOt.oaiSCHER  BRIEJT«   II»  B. 

Und  $€  trhoh  nfrlndfclmtU*  dtt  (m  Hauch  toAchv»- 
bende  Fe.rre, 

porcb.die   laftigea  F^ifume    dahin   mit   der  Sole  iicb 

rädernd»    / 

Dafs  ich  nfcht  mehrere  Stellen  anhäufe,  wo 
i/jr»fV8f*/a5  >  vom  Winde  gehoben  ^  ein  Wort  des 
fpäteren  Alterthums»  dem  Luftgange  beigelegt 
wird. 

Sogar  vorgeQ)annte  Windgötter  giebt  Qulntus 
von  Snjyrna  (i2,  187)  dem  Zeus,  da  er  vom 
Jlande  des  Erdkreifes  zur  ä/iherifch^n  Götterburg 
guf  dem  Olympus,  öder  dem  Gipfel  ^ts  gewölbt 
ten  Himmels,  mit  Donner  und  611;^  wieder« 
kehrt; 


^L.vimi>m*v'A 


T8^  Ä*  vwQ  Btewfw'oy  ^vy9v  psioAoq  ifyaytv  Ift^ 


Aber  ei  trugen 


Puros  und  Borcas  ihn,  auch  Zefyros,  neben  dem  Notos; 
.    Pie  ins  fae!Uge  Joch  die  fchimmernde  Iris  gefuget. 
Vor  dea  ewigen   Vagen,    den   ihm   der   nnfterbiiche 

Aeon 
Schlaf  mit  gevp^aUigem  Ann  aus  unverwefendem  Demant, 

Schwerlich  wohl  nahm  s^us  eigenem  Gehirne  der 
Smyrnäer    dies    Gefpann»     da  .  fchon     David 


^ZWANZIGSTER     BRIEF.  I69 

(P/  I8f  i^)  von  feinem  Donnerer* fang:  "Und 
•*er  fuhr  auf  dem  Cherub,  und  flog  daher,  er 
^<  fchwebete  auf  den  Fktigen  des  Windes.  „ 

Nicht  ohne  Vorgänger  demnach  entlehnte 
Virgil  von  den  Künftlern  den  treibenden  Wind. 
In  der  Aeneis  (4,  223)  geheut  Jupiter  dem 
Merkurius: 

Vadi  age,  nate^  vo^a  Zephfrof,  W  iahtre  fennit. 

Geht t  mein  Sohn,  ruf  |2:efyrt   her,   und  eutglcica  mir 

Flügeln,      ^ 

Der  willfährige  Sohn  (v.S38)  knüpft  an  die 
Ferfen  fleh  Schwungfolen  aus  hef äftifchem  Golde, 
die  ihn,  fubtimem  aliSf  auf  Schwingen  erhöht^ 
fowohl  über  Gewöffef  als  Land  hinweg,  rapido 
paritir  cum  flammet  in  gleicher  Kraft  mit  dem 
reißenden  Hauche  das  ift,  gleich  dem  Winde 
oder  windfchnell,  forttragen;  und  fa&t  deu 
mächtigen  Zauberftab»  v.  245: 

lila  fretHS  agit  vmtQS^  V  Vtrbidß  trauai 
Nnbila, 

Httrmit  treibt  er  herichend  die  Wmd',   und  fchvlniinc 

•  durch  gewirrtet 

>Iebelgcwölk, 

Er  treibt f  was  kann  es  wohl  anders  fein,  als,  er 
bewegt  fie  durch  die  magifcbe  Kraft  des  Stabes^ 
ihai  nachzuwehn? 

L5 


170    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B. 

Gleichwohl  erklärt  Herr  Heyne  mit  Quis 
duhitei?  ihm  voranzuwehn.  Wozu  das?  Hat 
denn  der  Erklärer  vergeffen,  dafs  er  nur  eben 
vorher  (v.  223)  den  Wind  in  die  Flügel ^  alfo 
nicht  voran ,  zu  bauchen  beftimmt?  Aber  warum 
bei  jenem  verworrenen  Kopf  uns  aufhalten?  *) 

Auf  gleiche  Art  fliegt  (Aen.  5,  605)  auch 
Iris,  nicht  nur  windfchnell,  fondern  durch  den 
Windhauch  befchleuniget: 

Dnm  variis  turrutlo  rößtrunt  follemnia  ludir^ 

Irim  de  c<elo  mißt  Saturnia  Juno 

Jliacam  ad  da  fern,  ventorqne  adffirat  euntu 

VTeil  am   Grab  das  Gedächtnis  mit  mancherlei  Spiele« 

gefjpirt  wardi 

Sandte  dich,   Iris,    Yom  Hifninef  herab   die  faturnifche 

Juno 

Zu  der  iltfcheA  Floct',  und  der  gehenden  hauchte  fie 

Wind  nach. 

Beiläufig  merken  Sie  die  Eigenheit  der  Fügung: 
dumrefermtt  mißt:  die  im  Römifchen  Regelift. 


•)  Sokhe  Widerfprüche  mit  ficb  ftibft ,  vovon  der  Hey- 
nifche  Virgil  wimmelt,  rügt  Cicero  (^thtt»  60)  fehr 
unbarmherzig:- 5(?^  nihil  turfins^  quam  4jmd  etiam  in 
fcriptis  Qblivifieretur  9  quid  paullo  ante  pojuißet.  .  .  « 
Tum  Brutus  admiram:  Tantamite  fiiife  oblivitmem^ 
inqufty  ut  ne  legens  quidem  unqmm  feuferit^  quantnm 
FLAGJTII  crnmififet? 


2SWANZiaSTKR     BRIEF.  I7I 

Sie  erinnern  fich,   welchen  Frevel  die  neueren 
Wortgelehrten  y    aus  Unkunde  der   Regel  9    ani 

SchluiTe  des  virgtlifchen  Landbaus  geübt  haben. 

Den  Römern  find  überhaupt  treibende  Winde 
fo  gewöhnlich,  dafs  ich  diefe  Vorftellnng  auch 
in  Horazens  Epiftel  an  Auguftus  (2  JSf.  i,  117) 
annehmen  möchte: 

feuern  tidit  ad  fienam  ventofi  Clorsa  currtL 

Ihn.   den   trug  zur  Bühne  der  Ruhm  auf  vehcndeui 

Wsgen. 

Kein  unebenes  Bild,  foUte  ich  meinen,  wenn^ 
wie  den  Sieger  die  Viftoria,  fo  den  Schaufpiel- 
di<:hter  die  Gottheit  des  Ruhms  in  einem  Wagen 
mit  geflügelten,  vom  Winde  gehobenen  Rollea 
führete,  Ventofus  currus  ftünde  alsdann  in  der 
Bedeutung,  wie  bei  Statins  {Theb.  10,  13^1) 
des  Schlafgottes  vsntofa  temporUf  wehende  Schlä" 
fin.  Auf  einem  Wagen  fährt  der  Ruhm  fchoa 
tei  dem  Orfiker  (Ä  58»  8)* 

Wie  Virgil;  läfst  auch  Statius  (Theb.  j,  292) 
ieinep  Japiter  dem  Merkur  alfo  gebieten; 


Jgiwre  impiger  alts 


Fcrtantef  praeede  l^otos,  Cyll^a  froltf, 
.  AKra  fer  liquidum» 


172    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B* 


Drdm  rafch  intt  Gefieder 


^andere  trageiiden  Süden  voraa«  cylienifcher  SpröfiUng» 
Durch  die  geläuterte  Lufc 

Jener  darauf,  nachdem  er  die  Ferfenfittige  fich 
angeknüpft,  dag  Haupt  mit  dem  Reifehüte 
gedeckt,  und  den  Zauberftab  in  die  Rechte, 
gefafst,  V.  309: 

Dißiluitf  tennique  exceptuf  MorrHit  aurn; 

Sprang   er   hinab,    and   braalte    von   fanft  anfFaiTender 

Lufc  auf. 

Und  als  er,  nach  vollendetem  Gefchäft,  aus  dem 
Schattenreiche  zurückwanderte ,"(  TA^ft.  2,  a): 


Undique  pigra 


Ire  vetant  nuhef^   ^  turbidtis  implicat  a^r; 
Nee  Zepbyri  rapuere  gradum ,  fed  fada  füentis 
Aura  polu 

Trage  Gevölke 

Hemmen  den    Gang  ringsher«    und    ftärmi(cher   Nebel 

verveirrt  ihn; 
Auch  nicht  Zefyre  raffen  den  Schritt,  nein  fchve^eigen- 

des  Himmels 
Granfe  Lnft. 

Ihnen  darf  ich  nicht  fagen ,  dafs  Zefyre  hier,  wie 
die  obigen  Sude,  nach  römifchem  Sprachgebrauch 
überhaupt  Winde  anzeigen« 

So  wird  auch   bei  Valerius  Flaccus  (.Arg. 
4,  501)  den  geflügelten  Boreaden  zur  Verfol- 


ZWANZIGSTER    BRIEF.  I73 

gung  der   Harpyen  ein   helfender  Wind  nach« 
.  gefandt: 

Emicat  hie  fuhito ,  fefeque  Aquilonia  froUi 
Cum  clamore  levaf;  genitor  ßmul  impulit  alaS* 

^iözlich  nunmehr  erhebt  fich,  aad   ftärmt   des  Boreii 

Jugend 
'  Auf  mit  lautem  Gefchrelj  und  die  Fittlgc  fchnellt  der 

Erzeager« 

Wo  gleichfalls  nicht  gerade  ein  nördlicher  Wind 
zu  verftehn  fein  möchte«. 

So  fingt  auch  Klaudian  iraft  Prof.  3i  3) 
von  der  Iria: 

m  €oUm9  Zifbym  pratapfa  V9latn 
hiumiha  cofulamat  pi^if» 

Jen'  Im  fflritgen  Flage  Torin  den  Zefyrra  dlfikl 
Kah  ringshcr  die  Ctvilten  d«r  Flitt.  > 

Und/dafa  ich  mit  einem  glänzenden  Gemähldf 
des  felbigen  Dichten  fchlieffei  der»  wenn  er  fq 
viel  GeiD:  «od  Würmer  ali  iAuflbüdung  def 
Einzelnen  hStte,  zn  den  vortreflicben  gezithlt; 
iverden  könnte;  hören  Sie»  wie  die  Göttin 
Roma  auf  ihrem  geflügelten  Wagen  (Prob,  ti 
Olyb.  Conf.  77)  im  Gezifch  der  Zefyre  über 'die 
Gewölke  entfliegt,  V.  100: 


174    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  II.  B. 

'    Jittfi  ßw^  emißif  rapido  veUcior  Emtü 

Fertwr  eqwis ;  ßridunt  Zephyriy  cHrfiiqne  rotantm 
Saucia  dividtUs  clarefitmt  nubila  fukis. 

Jezo  fobald  (le  ralcher  wie  reifsender  Oft  mit  gerpreagten 
Roflen   entflengt;    zifcht   veftlicher  Hsuch,    und   vom 

Laqfe  der  Rädef 
Eingerizt  erglänzen  mic  trennendem  Gleis  die  Gevölkc« 

Hier  haben  Sie  drei  tnahlerirche  Erhebung«« 
mittel  zugleich:  Beflügelung,  Windhauch,  und 
Wolkenbahn.  Eben  (b  kräftig  gehoben  erfcheint 
bei  Sandrart  iiconol.  tab*  5)  jene  Fortuna,  die, 
allerlei  Gaben  aus  dbm  Hörne  fchUttend ,  in 
einem  geflügelten  Wagen  ohne  Gefpann,  bei 
abnehmendem  Monde,  durch  die  Wolken  fährt, 
mit  einem  voranfliegenden  Genius  ein  Gewand 
an  den  Enden  haltend , '  in  welches  ein  Winds- 
haupt  aus  dem  hinterenGewölke  bläftj  ein  anderer 
Genius  fliegt  mit  dem  Schlangenftabe  voran;  und 
hinter  ihr  fleht  a^if  des  Wagens  Höhe  ein  Jung- 
fing,  der  gute  Erfolg,  In  einer  Hand  eine 
emporgehaltene  Schale,  in  der  anderen  eine  Aehre 
tind  ein  Mohnbaupt,  als  Lenker  des  herabreU 
«henden  Steuerruders* 


einundäwanzigstkr  br.      175 
•XXL 

KlandisiDS  tragendes  Gewölk,  vermuten  Sie, 
gehöre  zu  den  früheren  Mitteln  der  bildendea 
Kunft,  die  fchwer  fcheinenden  Maßen  def 
Götter  Jn  Menfchengeftalt  und  ihrer  Wagen- 
geTpanne,  zur  Befriedigung  des  Auges»  durch 
die  Luft  zu  ^beben«  • 

Was  fchelnt  auch  natürlicher,  als  für  ficht- 

iDBre  Luftwax^ler  eine  ficbtbare  Lufcbahn,  deren 

lockerer  Stof  die  Leichtigkeit   jener  andeute? 

Dennoch  könnte  <iie  Erfindung  wohl  ein»  der 

fpäteren  fein. 

Die  Götter  Honiers,  wiflÄn  Sie,  wandelten 
und  fuhren  auf  d^r  zwar  dickeren,  doch  unficbt« 
baren  I^uft,  welche  des  Himmels  unterfte  Schicht 
unter  des  Aethers  entwölkter  Heitere  war.  Nuc 
wenn  Ares,  von  der  Wunde  gefch wacht,  ohne 
Wagen  ÄUr  heiteren  Höbe  des  Götterberga 
Olympos  zurückkehren  foU,  nimt  ihn  eine  ficht<i 
bare  Dunftwoike  auf,  II.  5,  364: 

0/if  y  fX  w^fdlfV  iftfiwYvil  ^tfttät  aif^g 
1eot9i  Tiiitti^  Aibfinht  ;i;aAxf0C  Af ifC 
^rftA'MMC  i*  inatt  f^gmy  i%^,  ät*kn  0Avfttif, 


176    MYTHOLOGISCHER  BÄIJfcfEi  11.  B. 

Jeio,  ^le  hoch   aus   Volken">rtinjtchtete$  tlunkel  er- 

fchehiet, 
tC^eiin  iwch  drückender  Sch^jf'tir  ein  Donnerftüfm  fich 

erhebet  1 
Alfo  dem  Held  Dlorfiedes  erfchieii  der  eherne  Ares, 
Als    er    m   Wolken    gehallt    aafFohr   zum    erhabenen 

Himmel. 
Eilendes  Sthwungs   erreicht'  er  die  feligen  Höhn  idw 

Olympos* 

Wie  könnte  auch  det  gefchwächte  die  Luft 
durchlfchreiten ,  deren  mtihfame  Pfade  fchon  der 
Hifttge  Hermes  durch  einen  Umweg  über  da« 
Meer  vermied? 

In  dem  hometidifcheü  Hymntig  an  Äfrodite, 
der  aufs  höchfte  Anakreons  Zeitalter  erreicht, 
entfchwingt  fich  die  Göttin,  nach  Troja  aus  dei» 
duftenden  Kypros,  v*  671 

•    Hochhin  durch  die  GewÖlke  den  VTeg  in  Eile  Tollendend/ 

Durch  die  Gewölke;  noch  nicht  auf  tragendem 
Gewölk.  Daher  die  Gelehrten,  ehe  fie  dem 
Anakreon  {Athen*  13  ♦  8  j».  599)  durch  Aende- 
rung  einen  Eros  auf  purpurner  Wolke  mittheilen 
(  Fifch.  fr^  36),  wohl  erft  die  Sitte  der  Wolken- 
fahrt au  beweifen  hätten,.  : 


EINUNDZWANZIGSTER  BR.         I77 

Es  find  Beifpiele  in  Menge,  wie  gar  will* 
fährig  Euripides  die  mahlerifche  Beilugelang^ 
feinem  Mitbnhler  Sofokles  zum  Troz,  in  die 
Pqeiie  aufnahm.  Nach  einer  Luftbahn  habe  ich 
vergebens  mich  umgefehn. 

Aus  dem  Fragmente  des  Faethon,  weichet 
wirclem  bewundefungsvollen  Longin  (17)  ver« 
danken,  erhellt  es  vielmehr,  dafs  ihm  dir 
Sonnenwagen,  obgleich  mit  geflügelten  Roflen> 
noch  ganz  nach  homerifcher  Anordnung,  auf 
der  Dunftluft  fchwebt.  Denn  fo  ermahnt  Helio« 
den  Sohn  bei  Ueberreicbung  der  Zügel : 

EAdE  dff,  nifh  Atßi/Kov  at^i^*  iteßotKwX 

Treib'  an»  npr  nicht  dem  libyrchen  Aedier  itahl 
Denn  unvermircht  mit  Mäfle,  läfst  er  durch 
Dem  fiukend  Rad« 

Um  diefe  Warnung  zu  verftehn ,  muffen  wir  uns 
erinnern ,  dafs  der  Weltweife  Anaxagoras,  deffen 
Lehre  Euripides  bekannte ,  die  Erde  für  eine  auf 
dicker  Luft  fch webende,  aber  füdwärts  hangende 
Scheibe  hielt;  wodurch  ihm  der  Pol  feine 
fchräge  Richtung  bekam.  Die  Beweife  findeti 
Sie  in  meinem  Aoffaz  über  die  Geftak  der  Erde^ 

M 


iyg     MYTHOLOGISCHER  BRIEFJE   11.  B. 

wofern  Sie  das  neue  Wlufeum  zur  Hand  habend 
fonft  fehen  Sie  nur  im  Diogenes  von  Leerte  nach» 
Jenen  füdlichen  Hang  aber  erklärte  er  mit  detö 
Naturfbrfcher  Diogenes  daher  (Phtt.  plac.  fhiU 
3,  12),  weil  die  Luft  von  der  übergehenden 
Sonne  dort  fchwächer,  das  ift,  feiner  und  äthe* 
rifchef,  als  im  dunftreichen  Nordeb>  und  tiber^ 
dies  das  Aidliche  Land  von  Gewächfen  belaftet 
fei.  Mit  Recht  alfo  ermahnt  Helios  den  unkun- 
digen Faefhon ,  das  Sonnengefpann  auf  der  tragen«^ 
den  Luft  ja  nicht  zu  weit  links  in  die  lockere 
Aetherluft  über  Libyen  abzulenken,  wo  ihm  die 
Räder  einfmken  würden.  Denn  nur  auf  der 
Dunftluft,  wie  wir  gefehn  haben,  konnten  die 
Götter  und  ihre  Wagen  fich  hinfchwingten» 

Bei  Apollonius  zuerft  finde  ich  dife  Athene 
auf  einem  leichten  Gewölke  den  Argonauten  zu 
,  Hälft  eilend  1 2,  537)* 

AvTtxa  y  fffffvnivüc  v«4>sA»j€   eTißaffcs  Ttohff^t 

Nicht  iJidefs  dtr  Athene  vcrabfäumt  dirangen  fie  vor* 

wärts; 
«ouderii  in  fdüeunigtm  Sch^ng*  ein  Gewölk  mit  den 

Füfsen  betretend. 


EINUND^WANZIGSTER   BK,       17CJ 

Luftig  und  leicht,  das  fofort,  wie  fchwcr  fie  auch  vog 

fie  eintrüge, 
Schwang   fie    den    Lauf  lam   Pontos ,    den    Huderen^ 

nahend  mit  Wohltiwt. 

• 

Man  kann  mit  Sicherheit  annehmen,  daft 
nunmehr  Gottheiten  aUf  Wolken  fchwebend  ein 
gewöhnlicher  Gegenftan^d  der  Kunftwerke  waren: 
Avie. auf  einer  hicäifchen  Münze  bei  Spanheim 
(^Callim.  Del.  169),  und  auf  einem  Marmor  bei 
Sandrart  {iconol,  deor.  -E.  i),  Helios  den  vier- 
fpännigen  Wagen  über  ein  hingebreitetes  Gewölk 
unter  deöi  Thierkreife  emporlenkt.  Obgleich 
auch  jezt  einzelne  Künftler,  z.  B*  auf  zwei 
Gemmen  tei  Bracci  (^  3),  und  tfuf  einer  Lampe 
beiBellori  C^^a&.p),  den  Sonnenwogen  frei  in 
der  Luft  bildeten. 

Aus  älteren  Dichtern  nahm  auch  Qüintnj 
(7,  558)  die  tragende  Wolkenhülle,  in  weichet? 
Athene  die  Luft  durchfchreitet: 

£i|0fC0Vifv  V8^stS€i¥f  ihm^orvfuiv  I'  ävsfieto*  > 

Hoch  auf  Cehirglhöhh  trat  ^e  einher,   mit  deti  futuA 
*  .  das  Land  nicht 

Kübrend  in  eirriger  Hn^  |  und  ts  trug  die  heilige  Luft  fiei 
Anzufchauu  ^ie  Gewölk»  und  leichteres  Schwungs  wi# 

ein  Wiudbauch« 

'Mi 


igO    MYTHOtOGiSCHER  BRIEFE    II.  B. 

Eben  fo  (9,  '291 )  fprin^^t  Apollon  vom  Olympos, 
und  eingehüllt  in  Wolken  wird  er  von  rafchen 
Sturmwinden  getragen;  indetn  die  goldene 
Rüftang  hervorbliat,  und  der  Köcher  raffelt. 

Griechifche    Vorbilder  demnach ,     der  Kunft 

wie  der   Poefie ,    hatten  die  römifchen  Dichter, 

die  fo  häufig  Gottheiten  auf  Wolken  uhd  anderen 

'  fcheinbaren     Grundveften     der    Luft    fchildern. 

Zum  Beifpiele  fei  Virgils  Apollo  QJen.  9,  638): 

Aetheria  tum  forte  pla^a  crinitus  Apollo 
Defuper  Aufinias  acies  ufbemque  videhat, 
Hube  fedens. 

Jezo  fah  yon  ärhcrifchcn  Höhn  der  gelockte  Apollo 
Auf    dei    Aufoniervolks   SchUcbtreihn    und    die   Vefte 

herunter, 
Sizend  auf  leichtem  Gewölk. 

UüdJuno^Cia,  791): 

Junonem  interea  rex  omnipotentis  Olympi 
Adloquitut ,  fulva  pugnas  de  nube  tuentem. 

Drauf  zur  Juno  wandte  des  allmachtvollen  Otympot 
Herfcher  das  ^ort,  die  vom  goldnen  Gewölk  auf  die 

Kämpfe  herabfah. 

Iris ,  die  bei  Homer  grade  durch  die  Luft  auf 
goldenen  Solen  wie  geflügelt  einhefftürmte, 
inufs  jezo  im  farbigen  Bogen  ihren  von  Flügeln 
gehobenen  Lauf  nehnaen,  Aen.  5,  609: 


EINUNDZWANZiaSXER   BR,        Igl 

lUa^  viam  e^teranr  per  mlle  colorib^s-  ateum^ 
Ifulli  vifa ,  cito  decnrrit  tramite  vjir^o^ 

Jene  befchleiuiigt  den  Weg  durch  den  taafendfarbigen 

Bogen, 
Kebem  gefefin,  and  enteile  im  ftürmiichen  Pfade»  dit 

Jangfrau. 

Und  wiederum ,  Aen.  g^  14: 

Dixit ,  ^  in  calum  faribus-  fe  fufiuHt  dit, 
Xngattem^ue  fuga  fecuit  fuh  nubibus  arcum. 

Sprachs»    und   zum    Himmel  empor  gleich  Ich  webende 

Flügel  erhebend. 

Streifte  fie  unter  den  VC^oIken  im  ^lug  den  gewaltigen 

Bogen« 

Dies  mahlerifche  Bild  wird  voü  Ovid  mehrmal 
(Met  i.i,  632;  14,  830)  wiederholt.  Auf 
einem  alten  Kunftwerke  bei  Sandrart  (  iconoL  tab. 
-D-  9)  erfcheint  Iris  im  fliegenden  Lauf,  eine 
Kfone  tragend »  und  zur  Seite  ein  Regenbogen. 

Klaudian  (35,  98)  braucht  den  farbigen 
Himmelsbogen  zur  Ausfchmückung  des  kommen- 
den Winters^  der  in  Italien  bekanntlich  nijir 
Regenzeit  ift : 

Nee  fic  tnnumerot  arcu  mtftmte  cohres 
Incipiatr  redimitur  HiemSy  cum  tramite  flex9 
Semita  distretis  interviret  humida  nimbis* 

'  M  3 


iil   MTtHOLOGiSCHESR  BRIEFE    IIB. 

Kiclit  Cq  linendlichei  Farbengeinifch  !in  ändernden  Bogen 
iSurtet  der  nahende  Winter  fleh  um,  wann  nnter  dem 

Fafstrict 
Thauig  der  Pfad  dnrch'  Schauer  in  grünlichem  Glänzt 

fich  krümmet. 

Nicht  weniger  fcheint  die  Sonnenfahrt  durch 
den  fchräg  gebogenen  Thierkreis  den  Griecbeci 
des  ptolemäifchen  Zeitalters  ai^zngehören.  Denn 
Khnliche  Mufter  hatte  Nonnus  (  Dionyf.  38)  zu 
feinem  buntfcheckigen  Gemähide  des  Faethon, 
wi^  der  zierlichere  Ovid  (  S/!et.  2,  158"  166)  zu 
dem  feinigen.  Der  Sonnengott  zeigt  dem  Sohne 
4ie  Bahn,  v,  133? 

Hac  fit  im;  mavifcßa  rota  veßigia  cemet. 

Hier  fei  der  Weg,  wo  deutlich  der  Räder  Gleis  da  er- 

Henneft, 

Und  nachdem  Tetfays,  des  alten  Oceanus  Ge- 
mahlin, dem  vorwizigen  Lenker  der  Sonnen- 
rolTe  die  Riegel  des  Morgenthores  surückge- 
drängt,  und  die  unermefslicbe  Freie  des  Himmels 
Jbmgeöfnetj 

Corripuere  viam^  fcdthuf^ue  per  aSra  imtif 
Obftanus  pnännt  neMnSt  penm^^ue  levati 
Trattrennt  ortof  Udtm  de  partikus  Euros. 
Sfd  hve  'poifidus  eraty  nee  qmd  cögriofcere  poJfeHt 
Solis  fqui;  ßitofic  jn^tm  g,ravitat9  carehat. 


KINÜNDZWAXZIGSTER  BR.        l$%  , 

Utque  Uhant  curva  jußo-ßne  ptndere  naver, 
Ptrque  mare^  inßabiles  nimia  levitatet  feruninr: 
.   Sic  onere  adfnet9  vacuHf  Hat  in  nira  fidtuf^ 
•     SuccutitttrqHe  alte^  fintflisque  eft  cwrrus  inani» 

Siehe«  £e  raifen  den  Weg,  und  die  Luft  mit  den  FüCicn 

durchdampfend, 
Spalten  de  dick  vorgehend  Geduuft«   and  aufhebenden 

Flügeln 
Rennen   fie  motig   voran   dem   zugleich   ausftiirmenden 

Oi^wind. 
Doch   leicht  war   das   Gewicht,    uud   ganz   nnkehnbar 

dem  edlen 
Sonnengefpaun ;    es  gebrach  au  gewohnter  Schwere  des 

Joches. 
Wie    der    gebogene    Kiel    hinfchwankt   mit  dürftiger 

Ladung,       , 
Und  von  zu  leichtem  Gewicht  unßät  durph  die  Wellen 

umhertreibt : 
Alfo ,  der  vorigen  Laft  entlediget ,  fprang  in  die  Luft  nun 
Hüpfend  in  Stufsen  empor,  wie  mit  eiceler  Leere,  der 

Wagen. 

•Sehn  Sie  auch  hier  die  drei    Erhefaungsmittier 
der  Bildner:  Luftbahn,  Fitt^ge  und  nachwehea- 
den  Wind« 


M4 


184    SiVTÜOLOGlSCHER  BRJSFS  JI.B. 

xxir. 

Mit  jenen  luftfahrenden  Flügelgöttern  und  Flu- 
gelgefpanöen  werden  wir  wohl  die  vielgefialte* 
ten  Meerungeheuer ,  die  im  fpäteren  Alterthume, 
tald  auf  den  Rücken,  bald  auf  Mufcheln  und 
anderem  Fuhrwerk,  die  Dämonen  des. Waffer- 
reichs  famt  der  meergebohrenen  Afrodite  und 
ihren  Eroten  über  die  Flut  tragen,  flir  BeheK 
und  Spiel  der  bildenden  Kunfl:  erklären  muffen. 

Wir  k^innen  darin  nichts  ändern,  mein  Theuer- 
fter.  Wie  fchmerzbaft  auch  immer  das  pelas- 
gifche  Altcrthum  unferer  Mythenphilofophen  den 
Abgang  des  falzigen  Gütterviehs  mit  fymboli- 
fchen  Kiemen  und  Floffen  und  Fifchfch wänden 
empfinden  mag;  der  ungläubige  Forfcher  erkennt 
in  den  angeblichen  Symbolen  nichts  weiter,  als 
verabredete  Bildnerzeichen,  um  das  Auge  mit 
den  übernatürlichen  Meerwanderungen  der  Götter 
zu  verföhnen. 

In  Arions  Loblied  an  Pofeidon ,  welches 
Aelian  inat*  anim.  12,  45)  erhalten  hat,  beglei«» 
•tan  den  Meerherfcher  .  noch  die  .  gewöhnlichen 
Seethiere,  die  bei  Homer  (IL  13,  aj)  feinen 
Wagen  umtaumelten; 

Xttf$Vit9t¥    $¥    nVKAf 


-    ^WKIUNOZWANZiaSTSR  BR«      I85 

Knietet  nrtftfytiy  fifitAce^t» 
EA«^  '  Ay«9rdrAA«fif voi  * 
XfiTOt  rt  <pgiiavZ9y$9 

£v«A«  B^euvtcir»  nUfCt» 
Niigfl'i^m  5e«v, 

Kiemöhrige  Scheufale  dich  umrchwimtnend 

Tanzen  den  Rundereihn, 

Und  in  leichterem   Schwünge  der  Flofle 

Heben  He  hupfend  üch  empor; 

Und  rege  mrr  ftraubigem  Nacken» 

Die  Meerhund*  eUendci  Lauft, 

Tonliebende  Delfine, 

Die  falzige  Heerde  der  Jungfraon» 

Der  göttlichen  Nereüden, 

Die  Amfitrite  gebahr. 

Nur  Wallfifche  annoch,  und  Meerhunde  und 
Delflne,  von  den  Nereiden  nicht  geritten  einmal, 
nur  genährt,  wie  Homers  Proteus  die  Robben 
Neidete;  keine  Halbfifche ,  weder  mit  Menfchen 
gepaart,  noch  mit  Landthieren.  Ein  ficheref 
Beweis  für  das  Alter  des  Gefangs, 

Anakreon,  um  Welchen  bereits  die  frühe, 
von  Pindar  C0/.'7,  94)  gepriefene  ßildnerkunft 
der  goldreichen  Rhodier  blühte  (^Anacr^  d8f  3)t 

M5 


I86    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  il.  B. 

.  befingt  in  der  51  Ode. eine  Scbeibe  mit  erhobener 
Arbeit,  wo  Afrodite  in  werdender  Schönheit  auf 
der  Meeritille  ans  Ufer  fchwanjini,  und  die  Lie- 
besgötter fie  begleiteten,  •  v.  ^3 : 

AöAsfOV  voov  fiSTaTTUp 
Efo;,  'iße^OQ  ysAavrt^, 

Et/   }CV[xxrci}V   HvßtTWVf 

*Xva  yi/;^6T«/  yE?\,03fae, 

Und  erhöht  in  Silber  fahren 
Auf  entzückten  Tauzdelfinen» 
Den  Ce^rÜgerHnn  im  Autliz, 
Die  Eroten  fchalkbaft  lädiehid. 
Und  der  Flfche  Chor  gekrümmet. 
Auf  dem  Niederfchlag  der  Wellen, 
^  Um   den  Leib  der  Göttin  fpielt  er, 

"Wo  fie  icWimmt  mit  holdem  Läcfaelfi* 

•  Den  Eroten  zur  Haltung  hat  der  Künftler*  fchon 
.Seethierc  untergelegt;  aber  gewöhnliche,  die 
xnenfchenfreundlichen  Delfine. 

Noch  wenn  Plato  im  Kritias,  nach  dem 
.Mufter  älterer  Tempelbiider,.  Pofeidons  Heilig- 
M^VLtß  in  der  gefabelten  Weltinfel  Atlantis  mit 


ZWEIÜNDZWANZIGSTER  BR.      Ig? 

goldenen  Bildfeulen  prangen  läfst;  wie  wenig 
entfernen  fie  fich  von  Homers  Vorftellungen? 
Der  Gott  felbft,  auf  dem  Wagen  ftehend,  hielt 
die  Lenkfeile  der  geflügelten  Rofle,  und  ragte 
bis  zur  Decke  empor;  umher  fafsen  auf  Delfinen 
hundert  Nereiden.  Um  das  Schweben  auf  der 
Meerfläche  zu  bezeichnen,  gab  der  Künftler 
Pofeidonsalterthümlichen  Landroffen  nur  habende 
Fittige,  welche,  wie  an  den  pofqidonifchea 
Rollen  des  Pelops,  allegorifch,  nicht  eigentlich^ 
gemeint  waren ;  die  Nereiden  fezte  er  auf  natUr« 
liebe  Scbwimmthiere« 

Man  darf  hieraus  fchliefsen,  dafs  auch  auf 
dem  Kaften  des  Cypfelus  bei  Paufanias  die  gold- 
geflügelten RoiTe  vor  dem  Wagen,  worauf 
Thetis  mit  einer-  anderen  Nereide  dem  Sohn 
Achilleus  die  heffiftifchen  Waffen  bringt,  cor 
Meerwandler  andeuten  follen.  Dena  nach  der 
fpäteren  Fabel  fchmiedete  Hefäftos  in  einer  Inf^^l 
beiSicilien  (^Afoll,  3,  41).  ^  Auf  einem  irdenen 
Gefäfs  bei  Winkelmann  (  ß/Jonum.  ined.  n.  131 ) 
crfcheint  Thetis ,  mit  Haarbinde  und  Öhrgehen« 
ken  gefchmUckt,  als  eine  die  vom  Befuche  • 
kömmt,  den  Harnifch  noch  in  der  Hand,  nebft 
einer  Nereide,  lizend-  auf  einem  fchuppigen 
fifchfchwänzigen  RofTe  oder  Hippokamp  der  fpü« 
teren  Fabel.    Selbft  diefer  Behelf »  fchwere  Klk^ 


|8&    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B« 

per  auf  Schwimmthieren  über  dem  Waffer  zxk 
'halten ,  ward  manchmal  mit  dem  älteren  Zeicbea 
der  Beflüp:elung  verbunden,  dafs  geflügelte  fifch* 
irofle  nnd  Fifchgreife  herauskamen* 

Die  ältefte  Spur  von  halbfifchigen  Meerdä^ 
monen  finde  ich  vor  dem  Throne  des  amykläi- 
fchen  ApoUon, .  Hier  fah  Paufanias  (3  p,  196) 
links  die  Echidna  und  den  Tyfos  geftellt^  rechtsi 
gegenüber  Tritonen» 

• '  Eine  folche  Zufammenftellung  mit  Uhge^ 
beuern  von  vermifchter  Geflalt  erfodert  allerdings 
die  unförmigen  Tritonen  der  Späteren:  die  auch 
Ichon  das  Stillfchweigen  des  Paufanias  über  die 
alltägliche  Bildung  verräth.  Ihr  Zweck  war, 
wie  es  fcheint,  kein  anderer^  als,  gleich  den 
Sfinxen  am  Throne  des  olympifehen  Zeus,  den 
'Nahenden  mit  Graun  zu  erfüllen.  Denn  eine 
'allegorifche  Beziehung  auf  Apollon  wüftte  ich 
mit  meinem  Kopfe  nicht  hei'auszugrübeln ;  am 
allerwenigften  auf  die  liebe  Sonne :  wozu  Herr 
vHeyne  in  den  Antiquarifch^n  Auffäzen  (i  S.  9) 
•fich  geneigt  fühlte ,  unwiffend ,  dafs  Apollon  erft 
durch  fpätere  Umdeutung  ein  Sonnenfyrabol 
ward.      ' 

Ple  Misbildung  fowohl  als  die  Mehrheit  der 
•  Xätoji^  iilt^  .yrie  die  Mehrheit  der  am  Throne 


ZWEIÜNDZWANZIGSTER  BR.       I89 

felbft  gebildeten  Sfinxe,  eine  entfchelclende 
Anzeige,  dafs  Bathykles,  der  Künftler  des 
Werks,  nicht  fo  frühe,  als  Herr  Heyne  (S.  113) 
"wünfcht,  könne  gelebt  haben;  fondern  wahr- 
fcheinlich  zur  Zeit  des  Kr^fus,  deffen  Gold 
(Pauf.  3  p.  178)  zum  Schmucke  des  amykläifchen 
Gottes  verwandt  wurde.  Früher  glaube  ich  auch 
nicht,  dafs  der  Grieche  den  Panther  gekannt 
habe,,  ein  Öftliches  Thier,  welches  unter  dem 
RoiTe  Kaftors  gebildet  war» 


XXIII.  X 

Ifiton  war  in  der  älteften  Fabel  der  Gott  Aeg 
libyfchen ,  in  die  fchlammvolle  und  dadurch  den 
küftenfahrerii  berüchtigte  Syrtenbucht  ausftfö- 
menden  Sees:  an  deflen  Bergufern  gebohren, 
Pallas  Athene  den  Beinamen  tritogeneiot  oder 
die  Trltongebohrene,  führte« 

Homer  fand  ihn  befonders  zu  nennen  nicht 
Anlafs.  In^efs  aus  der  beiläufigen  Erwähnung 
der  aübefungenen  Argo  hinter  Thrinakia  iOdtfJf, 
la,  70)  erhellt  deutlich,  dafs  ihm  die  ältere, 
von  Hefiodns  (^Sch.  Apoll.  259-  283)»  von 
Pindar  (  Pgth.  4),  von  Menekles  iSch.  Lycophr, 
887)9  Antlmachus  und  anderen  berührte  Sage  aus 
vorlebenden    Volksdicbtem    bekannt    gewefen: 


190     MYtHOLOarSCHER  BRIEFE  II.  B. 

wie  die  Argonauten  den  Fafis  hinauf  in  den 
Weltftrom  Okeanos,  und  darauf  fUdwärts  bis 
über  Libya  fuhren,  dann  zu  Lande  das  Schif 
in  den  Triton  trugen,  und  von  deffen  Ausflufle 
zu  der  fchrecklichen  Irifelgruppe  hinter  Thrinakia 
ficli  verirrten. 

Den  Herfcher  jenes  libyfchen  Sees  und 
Stromes  befchreibt  Hefiodus  (  Theog,  930)  als 
einen  gewöhnlichen  Waffergott: 

Tfftrm  iVfvßtfi9  'yevsTO  fisyssQt  brt  BeeÄxtwifC 

Amfitrice  fodanti  und  der  tofende  Ländererfchüttrer 
Zeugeten  Tritons  Macht,   des  gevaltigeii,   der  an  des 

Meeres 
Tiefem  Grand>    zur  Mutter  gefeilt'  nud  dem  herfcheji« 

.  den  Vater, 
^ohnt  im  goldenen  Häuf,    ein  furchtbarer  Gotf. 

Später  fabelte  ttian  ihn  äu  einem  def  unteren 
Meerdämonen,  der  nicht  utri  die'  graunVolleü 
Syftengewälter  allein,  fonderh  auch  in  anderen 
Gegenden  des  Mittelmeers  waltete* 

Noch  def  Verfaffer  der  otfifcbeö  Argonautik^ 
wofür  Onomakritus  angefehn  wird>   läfst   den 


toREIüNDZWANZlGSTER  BR*       19! 

Orfcns  vor  der  Abfahrt  der  Argonauten  unter 
anderen  Meergüttern  anrufen  (v.  337): 

Tl^arsaf  Hat  ^o^HVvXf'KXt   sv^vßiyjv   t^iTuvo!, 

Proteus y   Forkys   zugleich,   und   den   wehvermögeadea 

Triton. 

Dagegen  im  orfifchen  Hymnus  (23)  an  die 
Nereiden  wird  mit  der  neueren  Vorftellung,  die- 
Pauianias  vor  dem  amykläirchen  Gotte  gebildet 
f«b,  zugleich  die  Herabwürdigung  zu  dienftbaren 
Schwimmthieren  angenommen.  Nicht  ein  ein- 
zelner Triton  tliehr,  fondern  Tritonettf  die,  gleich 
den  fpäteren  Pflnen,  Priapen  und  Silenen,  ihr^s 
Stammvaters  Namen  geerbt,  erfcheinen  in  halb- 
thierifcBer  Geftalt  unter  anderen  Meerwundern, 
aeti  Nereiden  zum  Gefpaün  und  zum  Reiten  fleh 
hergebend: 

tlevriiicdvj^  %of»t  irt^t  kviiaft  ^x%Xiv^dti 
Tftruvuv  STT*  ox9ti*  '5*  ayaÄÄoiAevat   vs^t  vwr»  *) 

kXMtQ  ^  9  0/  vatü^i  ßv^ovp  t^ttuvtev  ot^(xa, 
T^fo^OfJtot  ffxi^T^,T«i ,  e^,tffcofievot  ^egt  nviiXf 
tlovrOTiP^cevüi  SsX^tvt^f    «A/f^o^/«/,  yvAvai/^yeti:* 

"     "  '     '         •" i 

♦)  So  fiir  tT*  o%otfftv  uyaAÄOfzevat  TS^t  vura,  ^ijfo^ 
Tv^oti  —  Fodert  Jer  Sinn.  JÖeyi  öeflatten,  pbetifcll 
ffir  ditÜ^.  Des  Herrn  Hermanns  Dolmttfchuhg  (a  S.  0) 
fchenken  wir  ihm,  wie  fein  StÜlfchweigen  voa  dm 
fpäteren  Trjtonen  und  übrigen  Meergöttcin. 


19a     MYTHOLOGISCHER  BUIEFE   H.B. 

Fünfzig  Meerjungfrauen ,  Ate  wellige  FIttt  darchfciiwär- 

mend 
Auf  cler  Tritoncn  Gcfchirr,    und  fchcrtcnd  in  Luft  um 

die  Rücken 
Den    thierglcichen   Geftj*lten,    die   grofs    genähret   der 

Abgrund ; 
Anderen  auch,  die  wohnen  am  Grund  der  tritonifchen 

V^allung, 
Waflerbauende   Springer,    im   Tanze    gedreht    am    die 

Salzflnt, 
'    Schweifende  Meerdelfin',  aufftrudelnde ,  btäuh'chet  Blickest 

Finden  Sie  mir  ein  ähnliches  Gemählde  in 
Dichtern ,  die  vor  den  Bildnern  gelebti  Und 
wenn  Sies  nicht  können  ;  fo  betrachten  Sie  hier, 
um  fich  völlig  zu  überzeugen,  die  Marmorarbeit 
von  Skopas,  welche  Plinius  (36,  4,  7)  im 
Tempel  des  Cnejus  Pomltius  auf  dem  f&minifchen 
Circus  Tah:  *<Neptunus  feibft  und  Thetis  famt 
<<  Achilles,  die  Nereiden  auf  Delfinen  und  Wall- 
«fifchenund  Hippokampen  fizend;  ferner  Tri- 
<«  tonen,  und  der  Chor  des  Phorcus,  und.Priften, 
«und  viel^  andere  Meerwunder:  alle  von  der 
i'felbigen  Hand,  ein  vörfträlendes  Werk*  wäre 
«•auch  ein  Leben  darauf  verwandt. 


#f 


Von  Bildnern  alfo  nahm  ApoUonius  (4,  i6ro) 
die  Geftalt  des  libyfchen  Triton:  ein  Mann  mit 
Äweiendigem  Fifchfchwanz  und  fichelförmigen 
Flofsfittigen  j  wie  noch  Nonnus  (43,  265 )'  iha 


DREIÜNDZWANZIdSTER  BR.       I93 

vorftellt.  VoIIftändiger  meldet  uns  Pauranias 
(pp.  572)»  was  er  an  den  Tritonen  bemerkte: 
das  Haupthaar  grünem  Sumpfkraute  gleich  den 
Leib  von  feilharten  Schuppen  umdarrt»  Kiemen 
unter  den  Ohren ,  menfchliche  Nafen,  weite 
Mäuler  und  Thierzähne,  blaue  Augen ,  ichuppige 
Hände  und  Finger  und  Klauen,  an  Bruft  und 
Bauch  FlofTen»  wie  den  Deliinen«  Dabei,  fagt 
^r  (8  p*  457)9  hatten  fie  Menfchenftimme,  und 
bliefen  durchbohrte  Schnecken. 

AlsSchneckenbläfer  erfcheinen  fie  bei  Mofchn« 
(2,  120),  fchwimmend  um  Poreidon  vor  dein 
ftierf örmigen  Zeus ,  der  die  Europa  trägt, 

Aat   langwindeadeii   Schnecken  die  Braatmelodie  tafr 
2  tönend. 

In  einigen  der  fpätereh  Gigantomachien ,  wie 
Hygin  (^Poet.  aftr.  a,  23)  meldet,  verdankte 
Qian  das  Schrecken  der  Giganten '  nicht  jenem 
Qefchrei  der  Efelein,  wovon  wir  gehört  haben» 
fpndern  dem  neu  erfundenen  Meerhorne,  das 
Triton  blies.  Und  bei  Ovid  CMet.  i,  330), 
nach  der  Sündflut,  befänftlget  Neptun  mi^;  dem 
Preizack  die  Gewäflfer ; 


—  fitprapte  pr^ftmHum 


Kantern  >  atf  «#  humet^i  innatü  mwriC9  ttß$mh 

N 


194    MVTHOLOQlSCHfiR  BRIEFS  II.  B% 

CdmrfdvM  THWfa  ^egt^  conchdP^e  finaci 
'  if^^are  jnhtt^  finBnsqnt  isf  fiwnUna  fipiB 
Jam  nvocart  dato.    'Cava  bnccina  fumitur  ÜU^ 
Tcrtüti ,  in  latum  put  turhine  crcfcit  ah  imo : 
Buceirui^  pkt\  tnedi»  concepit  «t  aiira  pnt$^ 
Littora  Iföce  repUt^  fub  utro^ns  jacejitU  Fhaho^     • 


■   ■'     "  "  '"    ■  *      ^^■'  and  ihn«   4«r  empor   ans  dem 

Abgrund 
Ragte^     die '  Scknlteni    bedeckt    mit    ange^achfeueo 

'  Mufcheln, 
Unft  er»  den  bläufiehen  f  riton,  heran,  und  die  Scimeckea» 

drouimece 
ticlift  er  %n  fdliea  mit  Hauch  *  nnd  xurudc  durch  lancei 

Gefchmecter 
finndangen  mfen  mid  Strömt     Er  fafst  das  geh'öhlete 

Meerbora« 
.  ^k^tiches  gedreht  in  die  Breit*  anwächft  von  der  nnvci^ 

Iteh  'Windürtg^ 
VTelches  Hom  >  wenn  Athem  auch  mitten  im  Meer  ft 

empfangen, 
Alle  Geftad^  amhailt  vom  Niedergang  bis  zum  Aufgahg. 

Obgleich  d^ta  felbigeri  ätadei^sWo  (^Hef.  %  50) 
Tritött  üiil  bläulichen  Roffbn  das  Meef  dui*cbjagt> 
und  dfo  des  Fi((ihfchSvan2es  feu  (entbehren  feheinti 
Auch  bei  Kläüdiän  (48»  378)  fährt  Triton,  äldi 
libyfchef  Stroingott  im  Schilf  kranke,  mit  gebSn* 
digtefa  Roffem  Und  PhUoftrat  (feö#i.-i,  äg)  üihr 
Tritonen^  die  beraufcht  tanzten*  Zwei  TritoneU 
von  beideriei  Art  Uafen  vor  j^eptuos  W^geo  bet 


DRSIUND^WANHOSTfilt  BR.      I95 

Stodmrt  (^icoH^  H^  4)$  ein  fchwithmendef  mit 
Verborgenem  Fifchfchwanz »  und  einer  mit  über« 
ge\(rotfenem  Gewände  den  Hippokamp  reitend} 
«in  junger  Triton  htflt  einen  Korallenafti  ein  ande* 
ter  taucht  nieder»  die  fifchfcliw^nzigen  Schenkel 
•ufftre&kend»;  Winkelmann  (  Af^fi.  imd.  if*%%) 
bemerkt  einen  mit  Krebsfcheeren  geh^rntea 
Triton»  womit  fonft  auch  Oceanus  und  Amfi« 
trite  fich  aaszeichnen;  andere  (p.  42)  mit 
Augenbrauen  von  Floflen^  Und  im  verdeutfchten 
Montfaucon  (  TL  7  «.  9)  ift  aus  Charlet  ein 
Triton,  deffen  beide  Schenkel  in  geWüödene 
Fifchrch>x^änze  auslaufen^  So  einen  Tcheint 
Cicero  ^^äU  Deot.  t,  2S)  ^Q  beiseichni^n :  wo 
in  Vermifchter  Geftalt  Tfiton  gemählt  Witd> 
«inf  fchwimmenden  Ungeheuern  fahrend»  4it 
feinem  menfchlichea  Leibe  anfaafcem 

Zu  allen  ilefeii  Vefnnl^aiinngön  fögt^n  umdem 
Bildnef  taöeh  zwei  Rofsfuise)  bald  mit  Huftd^ 
t>ald  mit  ^wei^aekigen  FloÖen  2um  IScbwtmmelK 
l^ykofrons  Scholiaft  (v*  88?)  »enöt  den  iDfitoil 
teinen  Manadellin  mit  iswt^  koCsfäd'en»  tatiA 
(v.  34)  einen  ^ifcbcentau]^  Dergleichen  tidCiß^ 
fiiMet  Von  brttunlieber  färbe  landen  Ach  in  deil 
rSoiifirhen  Wandgemtthlded»  die  hach  U^gß 
geftoehen 'und  atisgemahlt^Wx>rcleäv  AUch  ti^ 
ter  deA  faerkula&i&heii  Älterthdm^rn  ( Tom.  t 


tg6    Ml'THOLOGISCHE]tBRI£P£    II.B. 

fab.  44)  ^"^  zwei  dunkelrothe  Tritonen  mit 
RorsfüITen  9  eine  Meerfchnecke  btafend ,  und 
cÄnen  Korb  haltend;  noch  ein  gelber  Triton 
(Tom.  2  tab»  50),  als  fifchfcbwänziges  Ma^-^ 
rotsf  mit  erhobenem  Roder ,  adi  Geftade  aufge-^ 
ftellt;  und  (Tom»  4  tab.  3)  einer »  der  den 
Seeftier  der  Afrodite  am  Zügel  führt  Ein  «hn- 
Kcher  ift'  in  der  wildifchen  CTemmenfaramlang 
itab.  14  II.  51  )>  mit  einem  Dreizack  in  d«r 
Rechten. 

Dafs  alfo  dem  wackeren  Ge&ner  wohl  etwas, 
tnenfchliches  begegnet  wäre  9  da  er  dem  klaudi- 
anifchen  Triton  (^nupt  Hon»  &  Mar*  144 )  die 
Rofsfüfse  ableugnete,  und  dafür  zweizackige 
}iorriharte  FloiTe  gab: 


jr  Prorupit  ffirgite  Unna 

Semifer:  nndoß  verrebant  brachia  crinet; 
^   Hifpida  Undebat  bißdo  veftigia  coruu. 
Qua  prijlis  commißa  viro,     Ter  pe^ora  movit; 
yatn  quarf  Papbias  traStu  fulcabat  arenas» 
Vmbratura  deam  retro  finuatur  in  arcnm 
Bellna;  tum  vivo  fqüalentia  murict  terga 
*    TuTpnrets  mollita  fori  f.     Hoc  navigat  äntr9^ 
«  Fulta  Venus;  nivea  delibttni  deqnora  phnut» 


■  Es  durchdrang  dea   Strndel    das^ 

Halbihier 
Üulleret  Aogs:  Uim  fegte  die  Arm'  abtriefendei  H«upt-t 


4 


DREIUNDZWANZIGSTBR  BR.       I97 

Zottige  Ftiis'  auch  ftreckt*  er  mit  zv^eigefpaltenein  Home, 
Wo  fich  Flieh  vereinte  zum  Manu.      Fort  fchvang  Cf 

die  Brtifte 
preimal;  im  vierten  Ruck  fchon  furcht'  er  den  pafifchea 

Meerfand. 

Rückwärts  bog  er  fich  ringelnd  zur  Ueberfchattang  der 

^  Göttin, 

> 

Ungehear;   wid  der  ^Rücken,    nmftrozt  von   lebenden 

Mufcheln, 
XITard   mit  purpurnem  Polfter  geweicht/     Dann  fehift' 

•      in  der  Wölbung 
Venus  gefchmiegt;  fanft  flteifte  der  fchneeige  Fnfs  die 

Geväfier. 

Die  Wölbung  des  ungeheuren  Firchfchweifes» 
vtrorunter  Venus  wie  in  einer  fchattigen  Grotte 
gedreckt  ruhete,  begrif  Heinfius  nichts  da  ei* 
at^a  iu  das  matte  oflro  verlUiderte. 


XXIV. 

►  IMafste  der  alte  unfterblich  gebohrene  Triton 
fich  dergleichen  Mutwillen  von  den  Bildnern 
gefallen  lalTen  ^  was  konnte  Gtaukus  dagegen, 
ein  gcwefener  Fifcher  aus  Anthedon  in  Böotien, 
deffen  Aufnahme  unter  die  Volksgötter  nicht 
lange  vor  Aefchylus  in  das  l^ädende  Zeitalter 
traf? 

N3 


198   MVTHOLOÖISCHKR  BRWFE  II,  B, 

<<Eme  Stelle,,,  fligfe  Paufanlas  (g  p.  575), 
•*^am  Meer  bei  Anthedon ,  nenoen  fie  Glaukug 
<*  Sprung,  Er  fei  Fifbher  gewefen,  und  vo» 
•<  einem  gekofteten  Kraute  ein  Meerdämon  ge* 
,  ^* worden,  der  den  Menfchen  noch  jezt  w^iflage, 
<* behaupten  fowohl  andere,  als  befo^ders  die 
«•Itteerfahrer  jährlich  vieL  nepesi  von  Glaukus 
^^Wahrfagung  melden,  Pindar  und  Aefcbylus, 
<*die  folches  von  den  Anthedoniern  gehört, 
<«  befangen  e^,  jener  nur  beiläuflg,  di^fer  in 
«eip^m  ganzen  gchaufpiele.  „ 

Ihm  fchemt  gleich  anfangs,  feineov  Namen 
geipäfs,  ein  blaufchuppiger  Leib  mit  einem 
rifphfthwanze  geworden  zu  fein.  Weshalb 
Strabo  (9  p,  405)  die  Fabel  (b  anflihret,  der 
Anthedonler  Glaukua  fei  in  ein  Me^rnngebeuep, 
¥^T^t  verwandelt  worden.  Sogar. ei«  Se^fifch 
V«rd  naQh  ihm  Giankna  genannt. 

Seiner  auiFallend^n  Jag«nd  w^gen  mochten, 
die  MyftJker  ihn  ^um  Symbole  nicht  brauchbar 
finden«  In  d^n  arfifchea  Liedern  wird^er,  fo 
beq^^m  auch  ferne  filbhhaftigkeit  f ttr  ein  PbÜQ« 
ioph^nw  vom  Waffer,  als  dem  gepriefenen 
yrftoff^,  üch  ftigtet  nicht  einmal  der  Nennung 
g?fchweigß  d^r  Entr8?elnng »  gewürdiget 

Bei  Euripidea  (On  363)  W^ififtget   er  xm 
Malea  den  Schiffenden» 


VIBRUNDZWAN«aSTBE  Bit«     I99 

Kereoi  Vcrkänder»  ein  tragloier  Gott, 

Ariftoteles  in  der  Staatsverfaflang  der  Delier, 
vrie  AthenSus  (7,  ta)  bezeugt »  meldete: 
Glaukos  habe,  in  Delos  wohnend ,  mit  den 
Nereiden  auch  den  Göttern  Zukunft  enthüllt. 
Die  übrigen  Schriftfteller,  wo  AthenSus  fefeer 
gedacht  fand»  find  alle  aus  fpäterer  Zeit,  da  der 
neue  Gott  mit  älteren  Sagen  vermifcht  wurde« 

So  iSfst  auch  Apolloniu^  (t,  1310)  ihn 
fchon  den  Argonauten  am  myfirchen  Geftade 
weiflagen: 

T«io>iy  If  TXmtni9t  frvX'V€  «A0C  ffff^«y5vi 

Jenen  erfchien  nnn  Glankot,  ifen  falzfgen  Vogen  ent- 

tauchend, 
Itn  Tleiknndiger  Denter  beftellt  vom  göttlichen  Nereni; 
Hoch  empor  ieio  aottlges  Haopt  und  den  BoTen  erhob  er» 
Bis  za  den  Haften  hinab. 

Eine  Stellung,  die  hier  fdnen  unter  der  Fhxt 
fchwebenden  Flfchfchwan«  verrathen  dürfte. 

Ohne  Zweifel  hat  Ovid  (Met.  13,  961) 
SU  diefer  Befchreibung  griechifcbe  Vorbilder 
gehabte 

N  4 


2tOÖ    MYTHOLOÜISCHER  BRIEFS  II.  B« 

Hmu  ego  tum  prinrnm  viridem  ferrugfne  karkavh 
Cajariemipte  meam^  fuam  huga  per  aquora  vtrrüt 
IngentasqM  humeros,   W  carula  bracbia  vidh 
Cruraque  pinnigtro  curvata  jtovijßma  pifce, 

Jezo  erfchieh  mir  zuerft  meiu  Bart  von  dunkelet  Crfine, 
Und  ditt  bangende  Haar,  das  lang  die  Welle  durchlTegee, 
Auch    die   bUulicheu    Arme»   zugleich   die   gewaltigea 

Schultern, 
Und  die  Schenkel  gekrommt'  zum    flofligen    Schveife 

de«  Fircbet, 

Auf  ähnliche  Art  fand  ihn  Philoftrat  iican. 
af  15)  in  einem  Gemähide,  mi(  triefendem 
Bart  und  Haupthaar,  mit  ftruppichten  zufammen- 
laufenden  Augenbrauen,  die  zottige  Bruft  voll 
Seegras,  den  Bauch  in  einen  zurUckgebogenen 
Fifchfchwanz  fich  verlierend,  deffen  Ende  mit 
rothen  ilchelf örmigen  Finnen  ftieg.  In  Sandrarts 
Iconologie  (H.n.  i )  zeiget  fich  Glaukus ,  nach 
einer  alten  Bildung  in  Erz,  als  Greis  mit  ftraubi« 
gern  Haar  und  Bart,  den  Tchuppigen  Schwanz 
»uf krUmmeod »  und  in  der  Linken  ein  See» 
gewiichs. 

Doch  ward  Glaukos  von  den  Späteren 
manchmal  auch  ohne  Fifchfchwanz  gebildet. 
Nonnus  läfst  ihn  CDumuf.  43»  20p),  mit  See- 
roflen  fahren,  und  (v.  388)  zum  Gefange  des 
Forkys  tanzen«    Eine  fonderbare  Ausnahme  von 


VIKRUITDZWANZIGSTBR  lilU      SOI 

der  Regel,'  dals  aus  Menrcfaengeftalthalbthierii^be. 
ward.  Oder  will  man  ihn  lieber  mit  flofsiä)rti<» 
liehen  Füfsen  und  einem  Fifchfchwanz  >  htlpfe^n 
fehn?  Wienach  Veilejus  (a,  83)  ^iöft  Planku$ 
ihn  vorßellte:  der»  blaagefärbt  nnd  nackt,. das 
Haupt  umwunden  mit  Rohr,  und  einen  Schwanz 
xiachfchleppend,  auf  die  Kniee  geftüzt,  den 
Glaukus  tanzte. 

Von- dem  vergötterten  Proteus ^  dem  weifia* 
genden  Diener  Pofeidons,  der  fchon  zu  Homery 
Ze\t(^OdyJf.  ^9  385)»  in  den  wenig  bekannteil 
GewSflem  um  Aegypten  die  Robben  weidend, 
manchmal  auf  einer  öden  Infel  gefehen  ward, 
ift  bei  Virgils  Landbau  (4,  387)  geredet 
Worden.  Als  gebohrenen  Gott  kennt  ihn  weder 
Heßodus,  noch  Euripides,  dem  er  QHiL  4), 
wie  dem  Stefichorus,  ein  fterblicher  König  in 
Aegypten  war.  Selbft  Maximus  Tyriu«  (37 
p.  362  )  erklärt  den  homerifchen  Proteus  nur  f  Ur 
einen  Meerheros. 

Den  Myftikern  freilich  hiefs  er  nicht  umfc^ft 
Proteus  9  Erfter,  und  ein  Aegyptier.  Nach 
Pberecydes  {Strab,  10  p.  472)  flammten  die 
gehetnmisvoUen  Kabiren  von  des  Proteus  Tochter 
Kabeire  und  Hefäftos;  und  der  Orfiker  fimg 
<Äa4): 

NS 


a^2    MYTHOLOGISCHER  BEXEFS  II.  B. 

nf«r«^ffvif»  v«^ifc  ^»rf«9  «fiv<  ^9  c^*fV€V» 

Proteus  tötit  mein  Gelkng ,  der  MeeresfchlülTel  Befizcr«  • 
Welcher,  zuerft  gezeugt,  <!er  Natur  Anfänge  geordnet, 
Wandelnd. den  heiligen  Stof  lu  vtelgeftalteter  BÜdong, 

Schon  dieJJJeuhelt  der  Sprache  verrSth  den  trug«* 
haften  Urphilofophen.  Der  AUegorift  Heraküdes 
lehrt »  der  waodelbarß  Proteus  bedeute  den  rohea 
Urftof ,  4®r  in  vier  Elemente  fich  entwickele: 
der  Löwe,  deffen  Geftalt  er  annehnie,  fei  Aether, 
der  Drache  Erde,  der  Baum  Luft,  und  das 
Wafler  fei  zur  Deutlichkeit  de3  Sinnbildes  gerade» 
9&U  WalTer  genannt  worden. 

Seine  eigene  Geftalt,  wenn  er  den  Taufend* 
liUnftler  nicht  Q)ielt,  ift  bei  Homer  menfchlich. 
Hächmats  ward  ihm ,  wie  anderen  Untergöttern 
des  Meers,  der  Leib  mit  blauen  Schuppen 
bedeckt;  doch  blieb  die  Menfchengeftalt,  Als 
folchen  nahm  ihn  Virgil,  wo  Proteus  in  blauer 
Farbe  mit  Hippokampen  fSbrt,  und  auf  dem 
Trockenen  wandelt  und  üzt' 

Aber  auch  dabei  liefsen  es  die  leiehtfertigeii 
Mahler  nicht  In  den  herkulanifchen  GemShlden 
i,Tom%.%  tab,  39)  erfcheint  Proteus,  durch 
feinen   gekrümmten    Hirtenftab    ausgesseichnet^ 


VlBRUND2WAN4BiaST£K  BIT;      30} 

mit  Sehenkelfi,  die  iii  FUbhfdiwfiQze  endigen, 
«twei  Delfine  an  Seilen  haltend,  und  vor  ficb  ein 
^hfqhwSnssiges  fiinhorn« 

XXV. 

£fwSgen  Sie  jezt,  ob  meine  bei  Vli^ilü 
Proteus  geKoi^rte  Behauptung  zu  gewagt 
fcheine,  dafs  den  Waffei^ottheiten  blaue  Geftalt, 
grüne  Haare  und  Schilf  kränze ,  wie  Oberhaupt 
JiUe  Avistcbmtickung  mit  Meer^rzeugnUTen,  voa 
im  Wählern  verliehn  worden, 

Ihrem  Vorwurfe,  dafi  ich  felbft  gleich woh! 
hei  Homer  einen  btäutich  gelockten  PofeidoQ 
anerkenne ,  bin  ich  durch  die  neue  Üeberfe^ung 
entrchlüpft«  War  bläulich  das  Haar  Pofeidon»; 
fo  mufsten  es  auch  die  Brauen  Kronions  fein, 
deren  Wink  den  Olympos  erfchUtterte«,  icu»y«M 
t>ezeichnet  den  Alten  die  dunkle  Farbe  des  Haar^ 
V^ie  fK»uMQ  der  Augen  Bläue,        . 

Ganz  anders ,  wenn  die  Späteren  von  blauen 
Tritonen,  vom  blauarmigeu  -  Glaukus ,  vom 
blauen  Proteus  auftimmen.  Dann*  verftehn  fie 
blaufchuppige  Fifchhaut,  die,  naqh  Pauflinia^, 
denTritonen  nicht  nur  die  Fifchglieder,  fondern 
felbft  Hände,  Finger  und  Klauen  tiberzog,  NuP 
l^oa  dem  Mablerfpiele  nichts  ftetiges  erwartet! 


304    MTTHOLtiGiSCHKIl  BRIRFK  J;^ .  B. 

Blau  kädnen  daher  die-  Hlppokampe  fein». 
Detm  .der,^  welchen.  Thetis  mit  einer  Nereidt^ 
in  Winlj^elmanns  Abbildung-  reitet  ( JHv».  ineiL 
ff*  131),  ift  ganz  von  Sjchuppen  bedeckt  j  und 
die  Piftrix  der  Androöieda  wird  von  Cicero. 
QArat.  14^.)  bläuh'ch  gebannte  Gleichwohl 
weftnbeiOvid  (/feroirf.  7,  50)      ^ 

Cafuleis  Triton  per  mare^  curret  e^>, 
.Tricon  ieokt  durch  das  Meer  bläulichcc  Rolfe  Gefpanni^ 

•  fo  wage  ich  nicht  zu  beftimmen,  ob  nicht  meer- 
farbenes  Haar  an  den  Rofsgliedern  gedacUt 
werden  folL.  In  den  herkulanifchen  Qemählden 
haben  die  beiden  halbfifchigen  Ungeheuer  (3 
iab.  lö^'iy),  worauf  Nereiden  geftreckt  find, 
die  Farbe  des  MeerwaiTers ,  das  zweite»  ein  See- 
tiger, mitdunkelen  runden  Flecken. 

Mit  "meerblauem  Haupthaar  prangen  bei  Ovid 
Cad  Liv., /^3S)  auch  Panope,  und  {Met.  5, 
432)  die  Nymfe  C3^ane:  da  die  herkulanifchen 
'Mahler  den  Nereiden,  wieVirgil  feinen  Nymfen, 
V  blondes  Haar  gaben«  Bei  demfelben  (Paß.  i, 
375  )  wendet  fich  Proteus  zum  Ariftäus,  in  feine 
XJeftalt  wiedergekehrt, 

Qraqne  Cdmdea  tollens  rorantia  harta. 

Sein  mit  bläalichein  Bart  abtriufclndes  AntUz.  erhebend« 


c     ]rÜN7U]!fD2WANZiaST£R  BR»      20$ 

Und  als  Zufchmier  des  Triompfzoges  erklärt  der 
Dichter  den  neugierigen  Mädchen  die  vorgeträ« 
geoen  Bilder  {art.  am.  I9  223): 

H$c  ^ß  Enphraus,  fracinSus  armtditi^  fiwttem, 
Cui  C9fna  dependet  cttnUy  Tigris  eriu 

*  '  '         •      ■  > 
Jener  ift  Eufrates,   dem  Rohr  die  SchlSIfen  nrngfirtet« 

,    .  'V^em  d«s.bltnii(he  Hav  hanget,  fei  Tigris  genannt. 

Auch  bei  Apnlejns  {Met.  4  p.  157)  ift  Portum- 
^us  ftruppig  mit  bläulichen  ßartzotten. 

*  Von  diefer/  Meerfafbe  ^es  Haars  möchte  ich 
me  bläulichen  .Nereiden  und  Najaden  genannt 
j^lauben ;  weil  die  felbigen  manchmal  auch  grün 
Vom  anhaftenden*  Moofe  des  Haars  heifsen,  und 
iuch  Jäv^o«  und  ^flavus  nur  gelbliches  Haar  an- 
zeigt. So  die  bläuliche  Doris  (  MeL  13 ,  742 ), 
von  welcher  gebohren  zu  fein  die  fchöne  Galatea 
fich  rühmt;  fo  die  bläuliche  Näis  {Stat  f%lv.  3, 
4,   4a),  die  den  fchöpfenden  Hylas  unter  die 

.Quelle  zog;  fo  beim  Tragiker  Seneka  {Hipp'. 
335  )  ^^^  blauliche  Schaar  der  Nereiden.  Doch 
werde  ich  nicht  hadern ,  weQn  einer  an.  die 
blanen  Augen  der  Meergottheiten  zu  denken 
Wünfcht,  daHoraz  {Epod.  16,  7)  die  blauäu- 
l^gen  Germanen  bläuliche  nennt;  oder  an  di^ 
llaoe  Tracht;  oder  an  alle  Bläue  zugleich. 


ao6    MYTHOLOaiSCHfiR  BRISrS  It.B» 

Blaue  Augen»  v^ie  Virgils  Proteos  lie  verdrehte» 
erkennt  an  Neptun  Cicero  {nat.  Dtar.  i,  30)»  ain 
Flufsgotc  Fafis  der  jangere. Philoftrat  (8)»  an  den 
Nereiden  flimerius  itcL  13»  di)>  nnd  an  den 
Nymfen  überhaupt  der  Orfiker  (A".  54»  aa)» 

Meerfarbene  Gewände  fcheinen  die  herfchende 
Tracht  der  Waffergottheiten  äu  fein,  obgleich  fie^ 
\xTtk  im  Gemähide  abzüftechen^  auch  mit  andere» 
Farben  umwechfeln»  Dergleichen»  von  mileii« 
fcher  Wolle,  gefärbt  mit  Glasgrün ,  rpinnen  fich 
Virgils  Nymfen  in  der  peöeifchen  Grotte  det 
Cyrene;  und  fowohl  bei  Lukrez  (4,  iiao)> 
ab  bei  Theolcrit  (28>  li)  werden  thataffina  uiu} 
bjfdatina  9  meerfarbene  und  waiTerblaue  Gewände^ 
eur  modifchen  Pracht  gerechnet  Leicht  könnte 
demnach  auch  Ovids  Cyrene  (  Faß.  i  >  365  )  blaa 
Von  der  Kleidung  heifsent  wie  bei  Himeriu^ 
(on  16,  ä)  die  Nereiden  meerpurpurn*  Theokrita 
blÄue  Nereiden  (7,  59)  verbeut  der  Scholiaft  mit 
blauem  Leibe  uns  vorÄuftellen.  Und  wenn  TibuU 
(t,  5»  46)  Teln  blondhariges  Mädchen  (bbÖH 
findet,  wie  einft 

Auf  getiigehem  Fifch  Thetii  die  bllaliche  itüirl 

(b  <)arf  wohl  keine  andere  Bläue,  als  des  deü 
Wandesi  gedacht  werden»     Ein  blaqes  (iewan4 


tiüd  M009  auf  der  Brufl:  trifgt  bei  Stadua 
ifilv*  I,  3»  71)  der  Flafsgott  Anienuß»  Der 
Venus,  fagt  Apulejus  (^Met.  10  p.  354),  fei 
^eifs  der  Leib,  Weil  fie  vom  Himmel  komme^ 
blau  das  Gewand,  weil  fie  auf  dem  Meere 
ÄUriickwandle. 

,.  Meint  Apulejus,    auch  der  Leib  würde  blau 

fein,  wäre  fie  eine  völlige  Meergöttin? 

\» 

Ich  darf  es  nicht  bergen,  dafs  mancher  Mahler 

auch  den  Leib  der  Waflergötter  mit  dem  blauen 

Pinfel  nicht  verfchonte.     Philoßrat  fand  es  be* 

toerkenswerth,    dals  auf  einem  GemShlde    (ir. 

a,  14)  Pofeidon  nicht  blau  noch  meerhaft  aus« 

fah,   fondeftt  als  Landbewohner.     Indefs  nahm 

feiten  ein  Dichter  die  blauen  Meerwunder  auf; 

uüddann  nur  Götter  niedriger  Art;  Göttinnen; 

glaube  ich,  am  feltenften.     Klaudian  verfchmÄ-i 

hetezwar  nichts  äu  befchrelben  (33,  46),  wie 

des  Oceanus  Gemahlin  Tethys  die  neugebohrenen 

Sol  und  Luna  als  Amme  gepflegt,  und  der  blaue 

Bufen  ihres  Gewandes  von  den  rofigen  Kindern 

geleuchtet   häbe^,    indem   Snl,   ttit  werdcndtQ 

Hauptftralen,  wimmernd  ein  zartes  Licht  ausfple, 

und  Lüna^    aus  der  gUi/trfiin   Srufl  laugend, 

febon  Hörnchen  an  der  Stirne  keimte»     Oder 

glauben  Sie,  dafs  die  gläferne  Bruft  hier  nur  die 

gtänxmtU  bedeute?  Idi  fürchte,  fie  Hk  glasfartu: 


sog    MYTUOLOGISCHVK  BAIKFE   II.  B. 

Schon  Properz  (3,  a6,  16)   ftellt  tioe  weiße 
Nereide  mit  einer  blauen  zufammen. 

Ovids  blauen  Neptun,  der  einigemal  vor- 
komoäty  können  wir  durch  Bläue  des  Haars  ^'  der 
Augefn  oder  der  Kleidung  retten»  Aber  der 
Vater  Tiberinus  (ai  Liv.  223  )  kann  fein  Geficht 
der  Bläue  fchwerlich  entziehn ;  obgleich  ein  ver- 
fchriebene^,f£rrfi/ffim  ihm  zu  Hülfe  kommt: 

Tum  falice  implacim,  inufcoqw  )^  arundine  crinem^ 
Otruleo  magna  kgit  ab  ore  manu* 

Dann  fein  Haar»  von  beiden   nnd  Mooi  nnd  Rohr» 

gekränzet. 
Streicht  er  vom  blauen  GeHcht   mit  der  gevaltigen 
Hand. 

Noch  weniger  kann  es  Acis,  wenn  er  (Jlf/I» 
139  893)  dis  junger  Fiufsgott  mit  einem  Schilf* 
kränz  um  die  Hörner  fich  erhebt:  | 


'     Qui,  nifi  qnod  Maior^  qaod  UU  carulus  ore  ej?» 
AcU  erat; 

^  Der,  nur  daOi  er  gröfser»  und  blaa  im  ganzen  Geficht  ift, 
Acis  war. 

•  Die  Grüne  der  Meergötter  könnte  die  felbige^ 
iwifcben  Grün  nnd  Blau  fpielende  Meerfarbe 
ibheinen;  da  zumal  die  blaugefchminkteh  Britao- 
nier  bei  Ovtd  (am;  2 ,  16»  39)  auch  grün  heiisen^ 


I 


PÜNFUNDZWANZiaSTER  BR.      209 

und  Philoftrat  (f^.  i,  6)  die  Farbe  des  getnahl- 
ten  Quellwaffers  zugleich  blau  ojnd  grün  nennet* 
Aber  die  grünen  Götter  Ovids  (i  Triß.  2,  59) 
und  die  grünen  Nereiden  iHeroid.  5,  S7)  ^®- 
deuten  grünharige:  wie  Statius  (fitv.  I»  5»  15) 
feinen  grünen  Najaden  gläfernes  Haar  .verleiht. 

Das  Haupthaar  der  Tritonen  verglich  Paufanias 
mit  grünem  Sumpf  kraute.  Nonnus  (43,  205) 
mahlt  Tritons  halbthierifche  Geftalt,  woran  wohl 
Borften  nicht  fehlen  durften. 


—  ^oatücav  IT*  <$voc.«Xf<  J««?Jfv», 


'  umgrfint  von  den  Hüften  empor  bii  zur     ^ 

Scheitel. 

An  Glaukus  bemerkte  Ovid  den  Bart  voll  grünea 
Anfezes,  und  Philoftrat  die  zottige  Bruft  voll 
Seegras.  Unfer  *  *  erzählt,  dafsan  den  KÜften 
Italiens  ein  zartes  grünes  Moos  fchwimme, 
welches  die  befpültenFelfen  umziehe,  getrocknet 
weifs  werde,  und  die  Gegend  mit  Wohlgeruch 
füUe/ 

Solche  natürliche  Grüne,  womit  gleichfam 
gepudert  auch  blondes  Haar  fich  fo  übel  nicht 
ausnehmen  mochte,  duldete  felbft  Horaz  (3  Oi. 
28 >  10)  auf  dem  Haupte  der  Nereiden:  wobei 
der  alte  Scholiaft  faget,  die  grünen  Haare  feia 

O 


2lb    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  II.  B. 

Tcrautähnlich  durch  Schminke  des  Waffers. 
Gefchweige  der  weniger  ekele  Ovid,  dem  der 
Doris  Töchter  <  Met.  2y  12)  in  einem  Bildwerke 
fcheinen, 

Pars  in  mole  fedens  virides  ßccare  capülof, 

Theils  auf  dem   Felshaapt  fizend   die   grünlichen  Häaro 

zu  trockueu. 

Oder  Nonnus  (43,  99)»  l>ei  welchem  Panope 
Seemoos  aus  den  Locken  fchiittelt  Es  tanzte, 
fagt  Himerius  (,ecL  13,  21),  der-  Chor  der 
NereMen,  weifs  alle,  ^ie  geronnene  Milch, 
blau  von  Auge,  behaart  mit  Seemoos,  noch 
weifsen  Meerfdhaum  aus'  den  Enden  der  Locken 
tröpfelnd. 

Hierdurch  erklären  fic^  die  grünen  Roffe  bei 
Klaudian(7,  197): 

Vobif  loHM  virides  NeptuHuf  in  alga 

N«tri>  eqüos,   qui  fimma  freti  per  carula  poßnt 

tarre  viam^  fegetemqtie  levi  percurrere  motu. 

Euch  ernährr  am  ionifchen  Strand  Neptunus  im  Meergrt* 
Grüne  RofTe^  gewandt  durch  obere  Bläue  des  Sundes 
Hinzugehn,    und    die   Saat   mit  leichtem  Schwung   z« 

durchrennen. 

Nicht  vom  genoffenen  Meergrafe,  wie  Gefsner 
meint,    grünen  fie;   .  fondern  fie  gleichen  den 


FÜNPüNDZWANZIQSTER  BR,'     an 

meerwandelndfen  Roffen  Neptuns,  deren  Haar  der 
Mahler  durch  anhaftendes  Seemoos  auszeichnete, 
Aebnlicher  Art  ift  Klaudians  Meerftier,  dereine 
Nereide  im  Gefeige  der  Venus  trägt,  (lo,  163): 


hae  earulea  fifpenfa  Utena 


tnnatatt  hac  viridem  trahifur  eomplexa  juveHcum. 

'• die    fchwimmt    luf    bläulicbem    Rücke« 

der  Löwin 

Hoch  einher;  die  fchwebet  gefchmicgt  um  den  grünen- 
den Meerftier, 

Grünlich  gefärbt  ift  auch  auf  dem  herkulani- 
fchen  Gemähide  (3  ^  18)  der  Seeftier,  der  eine 
Nereide  durch  die  Wellen  trägt;  und  jener  bei 
Sidonius  ica'rm.  II,  43),  an  deffen  Hörnern  ein 
Amor  hängt. 

Selbft  die  übrige  Verzierung  der  Waflergötter 
und  ihrer  Wohnungen  mit  allerlei  Geftein,  Glas 
und  Mufcheln  fcheint  den  ausbildenden  Mahlern 
zu  gehören.  Homers  Pofeidon  (II.  13,  21) 
wohnt  in  einem  goldenen  Palafte  unter  dem 
Meere,  wohin  Hefiodus  (Th.  933)  auch  den 
Triton  fezt;  Okeanos  (II.  14,  201;  ig,  402) 
in  einem  Palaft  unter  der  Quelle  des  Weltftroms; 
Thetis  (IL  18,  50)  in  einer  filbernen  Grotte  am 
Grunde  des  Meers,  bei  ihrem  Vater  Nereus. 
Gläferne   Grotten ,    oder   mit  ,  Glasbänken    ge- 

O  » 


tia    MYTHOLOGISCHERBRIEFE    II.  B. 

fchmückte,  wie  fie  den  Stromgöttern  (^Georg^ 
4>  350)  viele,  Klaudian  (12,  34)  auch  dem 
Oceanus  zugeeignet,  finden  wir  erft  in  fpäteren 
Zeiten. 

Befchreibungen  des  zugleich  beftehenden  in 
Ruhe  vermeidet  der  gute  Dichter,  indem  er, 
ftets  fortfchreitend ,  durch  wenige  Züge  voll 
Inhalts  die  ausfchaiFende  Einbildung  erregt. 
Damit  wird  nicht  geleugnet,  dafs  nicht  zuweilen 
auch  die  Dichtkunft  zu  vollendeteren  Seegemähl- 
den  veranlafst  werde;  wie  wenn  die  Dichterin 
Hedyle  i Athen.  7,  12)  den  verliebten  Glaukus 
zur  Grotte  der  Skylla  führt: 

H  Koyxü  ^agfifia  ^sgovr*  ffv5fffc  oto  ^tr^Qf 
H  TüQ  Aäkvovuv  vxiietQ  tr*  a^rrtfvyHCf  * 

Kai  Ztigifv  ygiTUV   T«f5»v0C  9iHTt9»TQ. 

Mufcheln  bringet  er  bald  zom  Gefcbenk  vom    öftlicheik 

Meerfels, 
Bald  ungefiederte  Brut  aas  der  Alkyone  Ncft, 
Der    hartherzigen    Nymfe    Beluftigiing.      Ach    wie    er 

weinte ! 
Selbft  die  Siren'  in  dtr  Näh  trauerte  jüngferlich  mit» 


SECHSUNDZWANZIGSTER  Bit.      21^ 

XX  VI. 

Iliin  würdiges  Paar  fcheint  Ihnen  der  fifch- 
fchwänzige  Glaukus  und  die  fifchfcbwänzige 
Skylla,  mit  bellenden  Hundshäaptern  umgürtet. 
Ob  aber  die  Mahler,  die  Satyren  und  Panen  und 
Centauren  ihre  Weibchen,  Sfinxen  und  Sirenen 
ihre  Männchen  zu  fchafFen  wufsten ,  nicht  auch 
die  Tritonen  bei  dem  langwelligen  Trompeter-i 
gefchäft  mit  gleichartigen  Tröfterinnen  bedacht 
haben  V 

Infandumt  dile&et  juber  renovare  iolwem! 

Leider!  den  Grazien  fei  es  geklagt !.  Die  fchön« 
f üfsigen  milchweifsen  '  Nereiden ,  mit  deren 
Schönheit  zu  vi^etteifern  die  fchöne  Kafliopea  bei 
Sofokles  und  Euripides  CByg»  P.  aflr.  lo)  aus 
Uebermut  fich  vergafs:  diefe  wurden  von  einigen 
der  Ipäteren  Bildner  zu  blauen  Meerwundern  mit 
ringelnden  Fifchfchwänzen  entwürdiget! 

Plinius  erzählt  (9,  4);  Unter  Tiberius  fei 
ausplifipo  feierlich  gemeldet  worden  ,  man  habe 
in  einer  Felshöhle  einen  Triton  von  bekannter 
Geftalt  gefehn,  und  gehört,  wie  er  die  Mufchel 
blies.  Auch  der  Nerei'den  Geftalt  fei  nicht  falfch ; 
nur  ftarre  von  Schuppen  der  Leib,  fogar  wo  er 
menfchh'che  Bildung  habe.  So.  eine  fei  an  dem 
felbigen  Strande  gefehn  worden^  und  der  fter- 

03 


5114    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   11.  0. 

benden  trauriges  Geächz  habe  die  Nachbarichaft 
weit  umher  angehört.  Auch  dem  Auguftus 
habe  der  Legat  Galliens  von  dei*  Erfcheinung 
mehrerer  entfeelter  Nereiden  am  Meerufer  ge« 
fchrieben. 

Zu  Plinius  Zeit  alfo  mahlte  man  fchon  häufig 
halbfifchige  Nereiden,  den  Tritonen  fo  ähnlich 
an  Geftalt,  dafs  lie  Tritoninnen  genannt  werden 
könnten;  nur  noch  mit  den  Schuppen  an  den 
menfeblichen  Gliedern  verfchonte  man  fie ,  wozu 
die  männlichen  Tritonen  in  mancher  Abbildung 
fich  bequemt  hatten.  Einigen  fehlen  diefes 
Ueerweib  ein  Unding,  ein  Mahlereinfall ;  andere 
bezeugten,  der  und  jener  glaubhafte  Mann  habe 
fie  doch  wirklich  am  Meerufer  gefehn.  Und  nun 
kam  der  entfcheidende  Bericht  aus  Olifipo  am 
ruchtbaren  Ocean,  wo  es  der  Wunder  fo  viele 
gab.  Der  Nereiden  Geftalt,  hiefs  es,  fei  nicht 
erfunden;  man  habe  fie  gefehn  und  gehört:  nur 
an  den  Obertheilen  fei  in  den  Gemählden  ein 
kleiner  IrrChum;  in  der  Natur  fein  ihre  menfch* 
liehen  Glieder  nicht  glatt,  fondern  mit  rauben 
Schuppen  bedeckt. 

Es  fanden  lieh  immer  wohlmeinende  Männer» 
\relche  die  übernatürlichen  Dinge  des  Volksglau- 
bens durch  nene,  gewüTenhaft  angeheilte  Erfah- 
rungen zu    bekräftigen   fich   erweckt  fühlten« 


SECHSUNDZWANZIGSTER  BR.      ai5 

Befönders  nuzte  man  damals  die  wenig  erkunde« 
ten  Geftade  des  Oceabs.  ^  Der  Magnefier  Kieon 
bei  Päufanias  (lo  jp.  615)  fagte:  Ungläubig  für 
das  Wunderbare  fein  nur  die  Menfchen  ^  die  in 
ihrem  Leben  nichts  gefehn,  was  über  die  ge* 
meine  Vorftellung  hinausgehe."  Er  für  feine 
Perfon  glaube  alles,  was  von  Tityos  und  anderen 
folchen  gelehrt  werde.  Denn  er  habe  um  Gades 
einen  ausgeworfenen  Meermann  gefehn,  der 
gewifs  fünf  Plethra,  oder  fünfhundert  Fufs> 
eingenommen,  und  vom  Donnerftrale  des  Gottes 
fei  gerührt  worden. 

Abbildungen  fo  ungeheurer  Meerweiber  hat 
uns  die  ipäter^  Kunft  genug  und  von  allerlei  Art 
überliefert.  In  dem  Cabinef  de  pierres  antiques 
(i,  60  ff.  113)  ift  eine  fifchfchwänzige  Meer- 
jungfrau von  Riefenwuchs,  am  Bauche  zwei 
rioffen,  in  der  Linken  ein  Dreizack  r  auf  dem 
langen  emporgewundenen  Fifchfchwanze  fizt  ein 
.bekleidetes  Weib,  wie  es  fcbeint,-Afrodite,  ein 
aufwallendes  Tuch  haltend»  und  mit  der  zuge« 
wandten  Trägerin  im  Gefpräch.  Eben  dafelbfl: 
(2,  126  fi.  6g>  eine  mit  rudernden  Schwimm- 
füfsen,  den  Fifcbfcbwanz] aufringelnd,  die  Linke 
in  die  Seite  geftemmt,  in  der  Rechten  eine» 
Zweig  darbietend.  Für  eine  Nereide  erkennt 
Spanheim  Qnum,  ant  5«  3)  auf  einer  rSmifchen 

04 


al6    MYTÖOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B. 

Münze  ein'  Meerweib  mit  einem  Gürtel  von 
Floffen  9  der  ftatt  der  Füfse  zwei  Fifchfchwänze 
fich  aufwärts  drehn;  und  rügt  die  irrige  Benen- 
nung Sirenen.  Eine  ähnliche  wird  im  verdeutfch- 
tenMontfaucon  (^.8)  aus  Bandelot  mitgetheilt. 

Auf  einer  licilifchen  Münze  ( Sie.  vet.  num. 
t.  I.  II.  17)  ift  eine  weibliche  Geftalt,  deren 
geftreckte  Arme  und  Schenkel  fich. in  Schlangen 
verlieren;  und  bei  de  Wilde  (^gemm.  U  14.  fi.  5a) 
ein  Meerweib^  das  mit  langem  Hyderfchwanz 
einen  jammernden  Menfchen  umfcblingt,  und 
ein  Ruder  zum  Schlage  erhebt.  Beide  möchte 
ich  eher  für  Abarten  von  Nereiden  anfehn,  als 
für  Scyllen ,  wozu  die  umgürtenden  Raubthiere 
fehlen.  Um  fo  mehr ,  da  bei  Sandrart  (iconoL 
JET.  II.  3)  auf  einem  alten  Marmor  ein  ähnliches 
Meerweib  mit  zwei  Fifchfchwänzen  am  Geftade 
des  Aetna  einen  umwundenen  Mann  mit  dem 
Ruder  fchlägt. 

Der  felbige  zeigt  (H.  ii.  4)  um  Neptuns 
Wftgen  dreierlei  Nerei'den:  zwei  ganz  menfch- 
liche»  diefe  auf  dem  Hippokamp  fizend ,  jene  in 
der  Mufchel  von  einem  Meergott  umarmt;  und 
zwei  fchwimmend  mit  endendem  Fifchfchwänze, 
wovon  die  eine  den  jungfräulichen  Leib  fchup- 
penlos  hat  9  die  andere  mit  grofsen  Schuppen 
imd  Flolsfittigen.    Schuppige  Meerweiber,  der- 


SECHSUNDZWANZIGSTER  BR.      ^IJ 

gleicheb  noch  Plinius  nicht  fth ,  wurden  vertnnfc« 
lieh  Dach  den  eingefandten  Berichten  vom  Ocean 

voi^eftellt*         .  / 

So  vielfach  indeis  diefe  Scheufile  in  fpStercn 
Kunftwerken  fich  darboten;  bei  den  Dichtern 
Vermiffen  wir  fie  ganz.  Alles  mögliche  nahmen 
fieauf;  aber 


ut  tttrpttCT  atrmtf 


Deßnat  in  fifcem  mulier  formofa  fitpcrne, 

daf$  häGlich  in  dunkle 

FiTchesgeftalt  fich  ende  das  VTelb  liebreizend  von  oben: 

eine  folche  Entheiligong  des  fchönen  Gefchlechts 
liefsen  fie  die  Mahler,  wofern  den  fpäteren  Rhy- 
parografen  der  Name  der  Apelle  zukommt,  ver- 
antwortefa.  Statius  (^fih.  i ,  a,  120)  giebt  den 
Meergöttinnen  tragende  Mufcheln;  und  fogar 
Nonnus,  fo  wenig  er  fonft  ekel  ift,  fezet  die 
Nereiden  (i,  72)  mit  Anftand  auf  Delfine. 

Doch!  Auf  einpnb^finne  ich  mich,  und  dazu 
einen  angefehenen  aus  Olifipo,  wo  ja  die  fchuppi- 
gen  Meerdamen  mit  nach  wallenden  Fifchfchleppen 
recht  eigentlich  zu  Haufe  waren.  Der  Dichter 
der  Lufiade  erzählt,  dafs  Venus  die  weiisen 
Töchter  des  Nereus  mit  der  ganzen  blauen  Gefell- 
fchaft  berief,  und  felbft ,  von  einem  Triton  ge- 
tragen ^    fie  zub.  Rettung  der  Flotte  anführte* 

,05 


2l8    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.B. 

Und   wie  befchreibt   er  den  Zog  der  wei&en 
Göttinnen  (2»  ao)? 

Ja  n'agoa  erguendjt  vao  com  grande  preßk 

Com  as  argenteas  cauäas  tranca  efctma; 

Cloto  CO  petto  corta  ^  atraveßa 

Com  mais  furor  0  mar,  do  que  cojluma;  . 

Salta  Nife .  Nerine  fe  arremeßa 

Tor  cima  da  agoa  creffa^  em  for^a  fumma, 

Abrem  caminho  as  otidas  encurvadas^ 

De  temor  das  Nereidas  aprejfadas* 

Schnell  durch  die  WafTer  raufcht  die  Schaar ,  und  theilet 
Mit  Silberfchwänzen  wciTsbefchäiimte  Flut; 
.    Die  BrUft  fchwmgt  Klotho  vorwärts,  and  durcheilet 
Den  Ocean  in  ungewohnter  Wut; 
Auch  Nife  hüpfet ,  auch  Nerine  fteilet 
Auf  kraufen  Wogen  fich  mit  rafchem  Mut. 
Voll  Ehrfurcht  linkt  die  Brandung  weggekrütnmet. 
Wo  ftolz  der  Chor  der  Nereiden  fchwrmniet. 

Wahrfcheinlich  würde  es  Camoens  nicht  gut 
Iieifsen,  dafs  ihm  la  Harpe  die  filberfchwänzigen 
Nereiden  in  Tritonen  verwandelte. 

Bei  den  Bildnej-n  fogar  waren  die  edlen 
Menfchengeftalten  der  Nereiden  häufiger,  um 
vieles.  Untergelegt  zwar  wurden  den  fcbönen 
Jüilgferchen ,  damit  ihre  Seerelfen  nicht  mUhfam 
fchienen,  allerlei  fchwimmende  Ungeheuer,  aber 
von    wenigen    mit  ihrem  Wuchfe  vereiniget. 


SE<^B§ÜNDZWANZ^GSTER  BR.      II9 

Und  aoch  jenes  nicht  immer.  In  [Kalliftrats 
Gemähide  ( 14 )  find  Nereiden  um  Amfitrite 
gehend  auf  der  Wafierfläcbe.  Nicht  anders  als 
he}  Euripide»  (  Tro.  2  ),  auf  der  ägäifcben  Flut, 


tv$a  N)ff)}$A)y  %Of0C 


K«AA/90V    tXVOQ    €%S^tff9H€l9    ^ohf. 


wo  der  Nereiden  Chor 


Den   boiden  Tric  des   Fofses  wtit  aoskreifeiid  dreht 

Auch  fcheint  es  forcdaurende  Mahlervorljel. 
lung,  wenn  Himerius  {or.  16,  a)  der  meer- 
purparnen  Nereiden  Chöre  auf  der  Fläche  4er 
Wellen  um  Konftantinopel  im  Tan2:e  herum- 
hüpfen fab.  '    ' 

Wie  indeß  in  Pl^tons  atlantifchem  Tempel- 
gebilde ,  und  in  der  Meergruppe  des  Skopas ,  die 
Nereiden  auf  Delfinen  lafeen,  und  Wallfifcheh 
und  Hippokampen:  fo  noch  ahne  Ausnahme 
in  den  herkulanifchen  Gemählden  (3  t  16 -»ig). 
Hier  liegen  ße  in  reizenden  Stellungen :  diefe 
auf  einem  Seeftier ,  der  ihr  Liebkofen  erwiedert# 
jene  mit  Haarfchmuck  und  Ohrgebenken  auf 
einem  Seetiger,  dem  fie  eine  Schale  zum  Lecken 
vorhält,  aus  einem  Kruge  zugiefsend;  die  dritte 
auf  einem  gezügelten  Hippokamp.  Und  war  den 
-geifsfüfsigen  Satyren  und  Panen  mit  fchönen 
Waldnymfen  zu  fcherzen  erlaubt;   was  binderte 


aao    MYTHOLOGISCHERBRIEFE    II.  B. 

den  Dichter  iClaud.  10/137),  feirtem  halb- 
fifchigen,  Rofsfüfsler  Triton  die  fträubende 
Cymothoe  in  den  Arm  zu  legen?  was  den 
Kttnftler^  auf  einem  gefchnittenen  Steine  (  Cab. 
2  fU  232.  n.  488)  einen  anderen  Triton  im 
"woÜüftigeti  Kampfe  mit  einer  holden,  vom 
Fifchfchwanze  umfohlungenen  Meernymfe  ohne 
thierifche  Misbikiung  vorzuftellen? 

Nicht  einmal  wüfste  ich ,  wo  jene  häfslichen 
Dinger,  ein  Grieche  Nerei'den  genannt  hätte. 
In  Philoftrats  Kyklopengemählde  (2,  ig) 
kommen  Dienerinnen  der  Galatea  vor,  die  ein 
Viergefpann  von  Delfinen  zäamen.  Ihr  Name 
verräth  die  Geftalt:  fie  heifsen  ^at^^evot  r^irmo^^ 
Tritons  Jungfrauen,  Hätte  ich  Anlehn,  ich 
würde  die  nnterfcheidende  Benennung  Trito* 
niolen  vorfchlagen. 

Was  dencht  Ihnen  nun  zu  Herrn  Heynens 
Einficht  in  die  Gefchichte  der  Kunft  und  der 
Allegorie?  Die  fpäteften  Mjsgefchöpfe  der 
Hildner,  nicht  die  Tritonen  allein,  fondern  fogar 
die  von  Dichtern  und  empfindenden  Bildnern 
verfchmäheten  Nereiden  mit  Fifchfchwänz^n, 
alle  zählet  er  ohne  Bedenken  zu  den  fymbolifchen 
Vorftellungen  des  höchften  Alterthums.  Je  zu- 
fammengefezter ,  defto  nachdenklicher !  *^  Die 
<^  Verbindung  »t»  f^gt  er  (^Antiqu.  Auf  f.  St.  2 


SPCHSUNDZWANZIGSTER  BR.      221 

S.  58  )  >  "  der  thierifchen  Geftalt  mit  der  tnenfch- 
"liehen,  wie  man  an  den  Centauren ^  Tritonen^ 
^^Nere'iden^  Giganten  shnehmen  kann,  war  für 
<<die  alten  Menfchen  das  einfacbfte  Hülfsmittel, 
''eine  zufammengefezte Idee  auszudrücken,  f, 

Der  arme  Mann  mit  feinen  alten  Philofopbe« 
men !  Alle  diefe  vermifchten  Geftalten  find  Jahr* 
Jnunderte  neuer  als  Homer,  die  Nereiden  ein 
Jahrtaufend.  Und  lefen  Sie  gleich  das  Folgende, 
wie ,  fchnöde  der  feine  gründlichen  Vorgün^^er 
behandelt. 


xxvir. 

Die  Summe  unferer  Rechnungen  war:  Nur  ge- 
ringere Meergottheiten  entftellte  der  Bildner, 
der  nach  gefälliger  Mannigfaltigkeit  ftrebte, 
durch  Vermifchung  mit  der  Schwimmthiere 
Geftalt;  anderen,  deren  Erhabenheit  und  Schöne 
dem  gefühlvollen Künftler  heilig  zu  fehlen,  wur- 
den entweder  tragende  oder  ziehende  Seethiere, 
wahre  und  gefabelte ,  zugefellt. 

Schon  in  der  bewunderten  Meergruppe  des 
Skopas  erfchienen  die  edleren  Götter  theils  auf 
Delflnen  und  Wallfifchen,  theils  auf  Hippo* 
llßmffen.    Und  Philoftrat  ( icon*  i  >  7  )  vergleicht. 


m     MYTHOLOGISCHERBRIEFE  ll.  B. 

wie  gegen  Homers  meerfahrenden  Pofeidon  der 
getnahlte  abfteche :  "Dorterkennft  du  Landroffe, 
«^erzEüfsig,  und  rafchfliegend ,  und  mit  der 
**  Geifsel  gehaun ;  hier  find  HIppokampe  das  Ge- 
"fpaiui,  mit  Hufen  zur  Wafferfahrt,  und 
"  fchwimmend ,  und  blauäugig ,  und  wahrlich 
"wieDelfine.  „      ^  ^ 

Hippokampe  erklärt  der  Grammatiker  Nonius 
durch  Möerroffe,  von  der  Beugung  des  Fifch- 
ichwanzes  alfo  genannt;  das  Wort  finde  fich  bei 
Menander,  und  in  folgender  Stelle  des  Tragikers 
Nävius,  wo  die  Sirenen,  obgleich . längft  mit 
Fittigen  begabt ,  dennoch  ein*  fchwimmendes 
Fuhrwerk  vorlieb  nehmen : 


Sirents  citis 


Delpbino  junäis  vehiclis^  bippocampit^  afperir* 


Die  Sirenen  angeftöm 


Auf  der  Meerdelfine  ^l^agen,    und  der  Hippokamp*  in 

Mit  dem  felbigen  Namen  wird  fonft  das  Seepferd- 
chen, ein  Meerfifch  mit  pferdMhnlich^m  Haupte, 
genannt.  Den  fabelhaften  Hippokamp  von  dem 
vierf  üfsigen  Flufspferd  oder  Hippopotamus  zu  un- 
terfcheiden ,  haben  fchon  andere  gewarnt 

Dife     Vorftellang     diefer  "  fifchfchwänzigen 
Halbrofle  ift  fehr  häufig  auf  Münzen  und  Kunft- 


SIEBENÜNDZWANZIGSTER  BR.      ÄIJ 

werken^  wo  lie  bald  mit  zwei  Rofshnfen  die 
Woge  treten,  bald  mit  gefpaltenen  Flofsfiirsea 
fchwimmen,  bald,  wie  bei  Winkelmann  (  iHon. 
ined*  u.  131),  über  den  ganzen  Leib  mit 
Schuppen  bedeckt  find.  Bei  Maffei  (Deutfcb. 
Montf.  8 ,  I )  ruht  eine  Nereide  auf  zwei  ge- 
zäumten Hippokampen ,  wovon  der  vordere  den 
Rofsleib  behaart  und  mit  natürlichen  Hufen,  der 
andere  flöfsartige  Schwimmfüfse  hat 

Es  ift  angenehm  zu  fehen ,  mit  welcher  Scheu 
die  befleren  Dichter  diefe  Verunftaltung  aufnah- 
men. Euripides ,  fo  gefällig  er  fonft  gegen  di^ 
Bildner  war,  läfst  QAndrom.  1012)  den  Pofeidon 
mit  dunkelen  RofTen  die  Salzwoge  durchfahren. 
Statins  (  Theb.  2»  45)  giebt  ihm  hufig^  Hippo- 
kampe: 

llHc  Aegeo  Neptmius  gHrgite  fifos 

In  portum  deducit  tquos:  prior  baurit  artnas 

Vngula ,  poflremi  filvnntur  in  aqu9ra  pifces. 

Dorthin  lenkt  Neptnn  das  Gefpann  vom  ägeiTchen  Strudel 
Made  gejagt  in  den  Port:   es  dutcbfcharrt  der  vordere 

HufTchlag 
Tief  den   Sand ,    von   hinten  ins  Meer  hin^  rollet  der 

Fifchleib. 

Virgils  feineres  Urtheil  duldete  zwar  bei  dem 
Untergott  Proteus   die   mahlerifche    Bläue   der 


^24    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B, 

Schuppen  und  die  fifchfchwänzigen  Hippokampe 
(Georg.  4,  387)^ 

Caruleus  Proteus  ^  magtium  qui  -pifcibus  aquor 
'      Et  junäo  bipedum  curru  metitur  tquomm, 

Proteus,   blau  von   Geftali^  der  des   Abgrunds  Flut  in 

dem  .Wagen 

Weit    mit    befchupptem    Gefpann    z>x^lfürsiger    Rofle 

durchw^anderc. 

Aber  den  obwaltenden  Neptunus  zeigt  er  (  jien. 
5  »  8*6)  von  den  edleren  Roffen  der  bomerifchen 
VorfteHung  geführt,  im  Geleit  der  neugefabelten 
Meerungeheuer: 

Hts  übt  laeta  äea  permnlßt  pe^ora  diitis, 
Jungk  equos  mro  genitor ,  fpnmantiaque  addit 
Frena  feris,  manibusque  omnes  egundit  habeHof^ 
Caruleoper  fumma  levis  vol'at  aquora  curr*. 
Subfidunt  unda^  tumidumqut  fub  üx4  tonnnti 
Stemitur  aquor  aquis ;  fuginnt  vaßo  ather«  nimbu 
Tum  varia  comitum  facies;  immania  cete. 
Et  fvnior  Glauct  t'horus,  Inousque  T^alamon^ 
Tritonesque  citi,  PMrcique  txercitus  cmnit, 

'    Ais  er  (o  der  Göttin  den  fröhlichen  Bufen  befanftigt. 
Schirrt   an   Gold   der   Vater  die  Rofl*',   und  fugt  den 

empörten 
Schaumig  Gebiit,  und  den   Händen  entfchüttet  er  alle 

die  Zügel; 
Fliegt  dann  iin  bläulichen  Wagen  behend'  auf  der  oberen 

Fläche.  . 


.«lSB0|ffUM9SWAN2iaSTifeR  BR«     ^1^ 

Mieder  finkt  4$9  Gevog*,  aiul  oater  der  doiiiieriidea*Axe 
fibnet  (ich  fdivtllendc  Fiat;    es  entflieim  durch  de» 

Aether  die  V(^olkeo. 
JezQ  erfcheint  vielfechef  Geleit;  Scheafale  des  Abgronds» 
Gltukas  im  altenden  Chor,  und  der  luoide  Paltmont 
Auch  der  Trhonen  Gewühl»  und  des  Phorkos  fämtlichc' 

Heerfchaar. 

Bildner Ibgftr». die  fich  Ober  das  Gemeine  er* 
boben»  wagten  häufig  die  homerifche  WaiTer- 
fahrt:  wie  auf  jener  Abbildung  aus  la  ChauiTe 
(Deutfcb.  Montf.  7  n.  3)  PofeidoQ  in  einem  boot-' 
ähnlichen  Wagen  von. zwei  natürlichen  RoiTett 
über  die  Wellen  gezogen. wird.  In  Pofeidoni^ 
ifthmifchen  Tempel  (Pa«/.  2  f.  8?)  ft»ftete 
Herodes  Attikas  vier  vergoldete  Rofle  mit  Hufen 
van  Elfenbein ,  vor  einem  Ws^en ,  worauf  Am^ 
fitrite  und  Pofeidon  ftanden:  bei  den  RofTep. 
xwei  Tril:onea  von  Gold  mit  elfenbeinenen. 
Schweifen ;  auch  den  Palämoa  auf  einem  Delfin^ 
aas  Gold  tind  Elfenbein*  beide;  «uid  im  Meere^ 
das  den  Wagen  trug »  eine  auftauchende  jung6 
Afrodite,  und  Nereiden  umhen  Weiterhin  waf 
anch  ein  balbfifehiges  Rofs  gebildet.  Die  Kunftler 
rertraqeten  mit  Recht»  das  Auge  würde  aus  det 
bekannten  Leichtigkeit  der  Unterlage  die  unbe-^ 
kannte  Leichtigkeit  der  getragenen  MaiÜe  ab« 
nehmen» 


a%6    MTTfiOLOaiSCHi:R  BltlS^E  II.  B. 

Uebertriebcne  Aengftlichk^it  das  Auge  zu 
bedeuten  verband  die  neueren  Schwitnmglieder 
noch  mit  dem  älteren  Erhebungsmittel  der  Be- 
flügelung.  Ein  Achat  in  dem  Cabinet  de  pierres 
antiques  (2  pt.  155  «.  18O  Ä^llt  einen  rofs- 
hufigen  'Hippokamp  vor,  der  mit' flofsartigen 
fittigen  über  einen  Dreizack  fich  fchwingt. 
.Beim  Marefchall  d'Etries  (Deutfeh.  Moutf.  7 
11.  6.  7  )  wird  ein  iJeptun  von  zwei  Hippokampen 
mit  grofseh  Fittigen  und  Schwimmfüfsen  getra- 
gen, deren  zurammengewundene  Fifchfchwänze,' 
hts  Äu  feinen  Lenden  lieh  emporhebend,  eine 
natttrllche  Stüze  der  Bildfeule  gewähren:  der 
Öott  ftellt  deb  lirtken  Fufs  auf  einen  der  Röcken, 
den  aüde^n  auf  das  Haupt  eines  vom  zwifchen 
den  Hippokampen  hervorragenden  gefittigten 
Delfins,  und  fcheint  vor  Alters  einen  hoherf 
Dreizack  in  beideö  unter  einander  geftreckten 
Öändeti  empbrgehalten  zu  haben.  Gefiederte 
pegaie  mit  geringelten  Fifchfchwänzen  find  auf 
fyrakufifchc  Münzen  < Sic.  veLnüm.  T.  83*  84) 
geprägt. 

'  Auch  einen  geflügeltett  Meergräf  mit 
Schwimmfüfsen  und  einem  gewundenen  Fifrh- 
fchwanz  enthält  ein  alter  Achat  (Cabinet.  z 
it.  1^4  n.  {>$));  mehrere  auf  Münzen  weift- 
Spwheina  in  dem  Golzifchen  Werke  nach. 


r  Der  fpidcnden  Einbildmig  iJ^IEtecer  Künftler 
verdanken  wir  auch  halbfifchige  Rinder,  Tiger^ 
Einhörner,  Böcke,  Löwen  und  Elefanten^ 
wovon  bei  klaudian  (lo,  i6o)  und  feinem  Er- 
klärer Gefsner  eine  anfehnliclie  Sammlung  zu 
finden  ift. 

Am  merkwÜfdigften  find  wohl  die  Seeböcig, 
in  deren  Geftalt  Pan  felbft  unter  den  Sternbildern 
wfcheint:  weUefr,  wieEratofthenes(rato7f.  27) 
figt,  die  Titanen,  durch  eine  geblafene  Meer« 
fchnecke  gefcheucht  haben  foUte;  oder  weil 
er  in  diefer  Geftalt  d«i  Tyfos  aus  der  Meertiefe 
Äog  (^Opp.  HaL$,  15),  undfo  von  den  Fifcheni 
CSch.  Soph.  Aj.  707)  als  meerirrender  SchuÄ- 
gott  verehrt  wurde.  PtolemÄus  Hefgftion  lehrt 
i^PkoU  p.  aSf),  Pan  heiise  ein  ungeheurer 
Meerfifch»  der  dem  Pan  an  Geftalt  gleiche. 

Zum  Sternbilde  zog  man  den  fifchfcfawSnzi« 
gen  Pan  dem  bockf lifiigen  Landwandler  vor,  um 
die  Regenzeit  zu  bezeichnen.  Worauf  auch  die 
beiden  folgenden  Wintergeftirne,  WaiTermana  ^ 
tind  Fifche,  Beziehung  haben.  Gewöhnlich 
erfcbeint  der  Kaprikorn  mit  geftümpftem  Fifch- 
fchwanz;  in  Sandrarts  fchöner  Vorftellung 
^Teutfchi  Akad;  a,  2  S.  15)  mit  langgewun-* 
denem:  unten  ein  Delfin,  Und  oben  ein  jugend- 
liches Haupt  des  Auguftus,    der   unter  feinem 


woUthltigcn   Etoftnfii    geböhnm  sb  fein  fick 

Da«  alte  Vorrecht  der  Lufhiranderung  ward 
von  der  Thetis  noch  bei  Euripides  (^jlndrom., 
i22g)  zu  Faß  öder  im  Wagen  ausgebbt  Die 
fpStere  Fabel  entzog  es  den  Meergottbeiten. 
}jÜfMS$  geringet  dcmotch  ibeinte  die  Sage*  des 
fE^lemiiis  HefVftim  iPhöt.  pk  i^i),  wenn  Zemi 
4er  Tlietia  an  ihrem  Brauttage  die  der  Titanin 
B«rke,  einer  Schwefter  der  Int»  akgenommew 
ilen  Fafsfictige  ti»fei  isefchenk  bradte»  wdcbe^ 
die  JBlirtUche  Mutter  docb  Hcker  ihrräi  AcbiUei» 
«fifiigtei.  Bei  Aefia^  inaL  mrim.  14»  7)  wird 
als  Fifehermährchen  erzählt:  Nerites^  ein  bUd« 
lishüder  Sohn  ä^  Nerena,  kabe  von  der  A&odite^. 
4te  während  ibrea  Anfenthalts  kn  heknlfeben 
Meer  ihn  lieb  g^w'&äk  f  die  <Iabe  erkaken,  Fittige 
zum  Lufcflage  anzunehmen,  aber  aus  Trägheit 
fie  vernachlSfliget;  worauf  die  gekränkte  Bim« 
melsgöttin  ihn  in  eine  Meerfcbnecke  diefes 
Namens  verwandelte,  und  einem  anderen  Lieb- 
Ibge,  dem  Eros,  die  Flügel  fchenkte.  Vielleicht 
deutet  auf  diefe  Fabel  die  Gemme  iCab.  2  fU  244 
«•  537 )f  wo  ein  geflügelter  Jüngling,  halb  i« 
ein  fchwimmendes  Schnecken^ehäufe  verfteckt, 
ib  gefchwoUenes  Sejgel  ao  Seileo  hält. 


ACHTÜNOZWANZIGSTBR  BR.     ^9^ 

xxviir. 

Von  der  nuirfahnndin  AffdiU  noch  ein  Wort; 
und  wir  find  am  Ziele  des  weiten  Zuges  durch 
Luft  and  Gewäifer,  wozu  die  fchlimmen  r«A«rii 
der  faeynifcfaen  Lehrftuode  ans  verleiteten. 

Aus  der  hefiodiPchen  Fabel ,  dafs  Afrodite  im 
Meere  aas  der  VerftOmmelung  des  üranos  er- 
wachfen  fei,  welche  Fabel  der  gelehrte  Scholiaft 
des  ApoIIonius  (3»  52)  eine  neuere  nennte 
floflen  mehrere  Vorftellungen.  Man  verehrte 
unter  anderen  eine  Afrodite  Pontia  und  Lin^niOp 
als  Obwalteria  des  Meers  und  der  Häfen  X/'m/  2 
f»  15  O»  °°d  ^°  Knidos  l^lbft  eine  Suptöa,  als 
Geberin  guter  Fahrt  ^Pauf.  1  p.  a):  in  welcher 
Eigenfbhaft  fie  Horaz  um  jQeleitnng  feines  VirgUs 
anfleht 

Bildner  fi&tten  die  Fabel ,  um  erhOlieten 
Weiberreiz  I  nur  durch  venütteifehe  Wellen  und 
jangfrXuiicht  Scbttcfatemheit  verfchlefert,  }n  iek 
lieblichen  Stellungen  dei  Schwimmens  und  AuP- 
taoebens  zu  entfalten.  ^*3cfa90  auf  Anakreons 
.Scheibe  <0if*  51)  (ehwattiöi  4^  Neugebobren^ 
mic  d«rehfeheinef(d6n  Gliedern  aii^  Gefiiade,  vcfti 
Eroten  ^mf  hüpfenden  Detßliefi  «iHirnngt ,  und 
von  iberiiaffietefidea  fifeiiefi«^  Aqdi  «Ai-^Seft^ 
des  olympifchön  Zeus  (Pao/T  5  f.  307)  4MfeM«ii 

P3 


S|i    MYTHÖt-OaiSCHEIt  BltlCyB   n.  B. 

Meergottbeitett  flieht  vblebr  zu  vornhin.'  Sie 
trachteten»  wie  die  f^Mteren  Dichter,  den  geiftu 
reichen  Alten  es  wenigftens  dareb  ungewöbiw 
liche  DarfteltoRgen  zuvor  zu  than*  Eine  laA>- 
wandelnde  Afrodite  mochte  an  fich  erhabener 
fein;  aber  wie  verbraucht,  wie  altmodifch!  Als 
MeergOtrin  auf  einem  Triton  oder  Hippokamp 
oder  anderem  Mahlergefcböpf  r^ifete  ile  Mbk 
vielleicht  weniger  angenehm.  Was  thats?  Das 
Bild  fiel  doch  in  die  Augen^  und  bewies  uofere 
Eriindiamkeit. 

Unter  ^  den  herkulanifchen  Alterthümern  find 
hievon  die  erften  fieberen  Abbildungen^  Bald 
(.tom.  %  tab.  44)  trägt  die  halbverhüilte  Liebes- 
göttin mit  geordnetem  Haar  ein  gezligelter  Hip- 
pokamp,  von  einem  Eros  gelenkt,  indem  ein 
anderer  nachfliegend  ihr  einen  Schirm  überhälCy 
und  ein  rofsfü&iger  Triton  voranfchwimmt. 
Bald  (4«  58)  liegt  fie,  nur  ein  leichtes  Tuch 
um  die  Schenkel,  auf  dem  geringelten  Schweif 
eines  Seeftiers,  dem  fie  eine  Schale  vorhält;  ein 
Triton  als  Fifcbcentaur  führt  ihn  am  ZUgel; 
voran  und  hinten  fliegt  ein  Eros,  Delfine  an 
Seilen  haltend.  Wiederum  (4,  3)  geftreckt  auf 
eine  grofse,  vom  nachfliegenden  Eros  gefcho- 
bene  Mufchel ,  nackt  mit  gefchmücktem  Haupt* 
haar  und  Ohrgehenken,  Ringe  an  Armen  umi 


ACHTüNDZWANZIÖSTKR  BR.      13$ 

Füfsen,  lehnt  fie  fich  aof  die  Rechte,  ein  Kolo* 
'Jtafienblatt  haltend ,  und  fafst  mit  den  Fingern 
der  Linken  das  Übe^gewölbte  Ende  des  Gewan* 
ifei,  worauf  iie  ruht 

Aehnliche  Meerfahrten  macht  fie  anderwärts. 
Ein  Achat  bei  Sandrart  {iconoL  tab.  L  «.  L.) 
zeigt  fie  entblöfst  von  den  HQften  hinauf,  einen 
Myrtenzweig  in  der  Hand,  fizend  auf  einem 
Meerbock,  welchen  ein  Eros  fortgeifselt  Ein 
anderer  (Gl*,  de  pUr^  i,  17,  34),  wie  fi« 
naqkend,  ein  fegelndes Tuch  in  d^n  Händen,  auf 
einem  Paar  Seeeinhörnem  fteht,  die  ein  hinter 
ihr  ftehender  Amor  am  Zügel  lenkt.  Noch  ein 
•gefchnitfceiier  Stein  dafeibft  (a,  232,  487)»  wie 
fie  vorgeftreckt  um  den  gezäumten  Hippokamp 
fich  fchmiegt,  und  Amor  nachfolgt.  Bei  Mafiei 
CD.  ßSantf.  21  >  5)  fi2t  fie  auf  einem  Hippokamp, 
mit  welchem  ein  anderer  verbunden  ift,  unter 
einem  umwölbenden  Tuche,  und  Amor  fchwimmt 
vor.  ihr.  Auch  bei  de  Wilde  (p.  43)  fcbeint  es 
Afrodite,  die  ein  Achat  auf  einem  Hippokamp 
und  dem  vorragenden  Delfinshaupte  vorftellt, 
oben  entbl(>r$t,  das  Haupt  gefchmllckt,  und  einen 
'Schild  in  der  Hand.  Eben  fo  bei  la  Chaufle 
*(D-  Montf.  aif  4)  fiztfieaufdem  Fifchfchwanze 
«ines  Tritons,  mit  einem  Schilde,  worauf  eia 
'Medblenhaupt  'ift.      Es  fei  nun  die  gewafndie 

^5 


^34    MYTHOtO<Sl8CHElt  BRIEFE  II.  B. 

Venns  gemeint^  die  im  cärarirchen  Rom  ak 
Scbuzgöttin  der.julier  häufig  gebildet  ward; 
pder.  fie  bringe  den  Schild  ihrem  Aeneas. 

Den  Dichtern  gleichwohl  blieb  die  meerfah- 
rende V^nus  noch  lange  anftöfsig.  Obgleich 
"Virgils  Neptunus  felbft  {Aen.  s»  800)  ihre  Ge- 
walt über  das  heimifche  Meer  erkennt,  doch 
reifet  fie  anders,  als  durch  die  Luft,  bei  keinem 
der  guten  Dichter» 

\irer  vohl  ruhete  gern  beim  Viigebeaer  des  Meerts? 

dachten  fie  mit  Vater  Homer  (^Odyjf.  4,  443) 
und  fpannten  ihr  Tauben  oder  Schwäne  vor  den 
Luftwagen. 

Aber  Nonnus,  über  dergleichen  Bedenklich- 
keit fich  hinwegfezendy  fang  von  der  Europa 

(It57)- 


•^m  9f  M'v»  <r  rax»  ^iMifC. 


-      ■  der  Ichaaende  mochte  fie  Benoes 

Thetii»  vo  nicht  Galateit»  vielleicht  aoch  die  Gattia 

Poftidons« 
i)itt  fogtr  AFjredite,  gefezt  auf  dea  Röck^udef  Triton. 


ACHTUNOZWAN2IGSTER  BR«      2%$ 

Aber  Klaudi^n  (10,  151)  freute  fich  auszutnahlea» 
vrie  feftlich  g6fchmUckt  Venus  auf  einem  ro&« 
fQfsigen  Triton  über  die  Wogen  fch wehtet  im 
Geleit  der  Amom  und  der  prunkenden  Meer« 
götter.  Aber  Apul^jus  (  Mit.  10  p»  254)  führte 
die  Venus  vom  Paris  ailf  dem  Meere  zurück;  und 
(4  p.  157)  mit  einem  Hippokaropengelpann  in 
den  Ocean«^  begleitet  unter  anderen  voni  blau« 
bärtigen  Portumnus ,  von  der  fifchduftenden 
Salacia,  und  von  Tritonen,  deren  einer  in  die 
mufchel  lermte»  einer  mit  feidenem  Schirme  fie 
befchattete»  einer  ihr  vor  die  Augen  den  Spiegel 
hielt.  Und  wie  hätte  Sidonius  dem  Zapber 
widerftehn  können?  In  einem  Gedichtchen  (fp, 
4>  S).  preifet  er  beiiäufig  die  Mufchel,  auf 
welcher  ein  halbiifchiger  Triton  die  Cythere 
trägt.  Kaum  aber  enthalte  ich  mich  die  präch« 
tige  Befchreibung  (carni.  ii,  34 )  zu  verdeut« 
fchen:  wie  Triton  mit  feurigem  Herasen  die  Lie- 
besgöttin  auf  fein  fchuppiges  Geringel  nimt» 
nachdem  ihm  die  leichtfertige  Galatea  die  fchim- 
tnernde  Mufchel  als  Sattel  auflegte;  und  wie 
hinter  ihr  ein  Amor  feinen  Delfin  mit  Rofen 
säumt,  jener  an  eines  grünlichen  Secßiers 
"Hiüraenr  Heb  hält,,- und  andere  ftehend  auf 
;Schwiiiimtbierea  l^erabgltgiten»  und  fiatter;nd  üch 
.^vriedcr  ftellem 


'^36    MYtROLOGISCItER  BKIBFK  11.  B* 

$Ie  fchetncfi  mir  nachdenkend.  Gewifi  liegt 
Ihnen  die  medicelf(che  Venus  im  Sinn,  und  die 
Frage  der  Antiquare:  was  der  Delfin  mit  den 
Amorn  bedeute ,  der  an  den  FtUsen  der  verfchMm« 
ten  Göttin  fioh  aufwindet 

Die  Antwort  bietet  fich  ielbft.  Venus  trat 
eben  aus  der  Mufchel,  worin  ein  gefabelter 
Halbfifch  fie  brachte.  Ihr  Haar  ift  für  die  Fremde 
gefchmUclit;  ihr  Gewand,  das  in  der  Meerwüfte 
entbehrlich  war,  ruht  noch  in  der  Mufchel  am 
Geftade;  in  dem  AugenbliclL,  da  fie  es  nehmen 
wollte,  fah  oder  glaubte  fie  fich  überrafcht 
Der  freundliche  Delfin  trug  die  begleitenden 
Amorn  durch  die  Flut;  bewegt  von  dem  zan- 
brifchen  Einfinde. der  Liebesgöttin,  folgteer 
ihr,  und  verweilt  noch,  fich  wollUftig  an- 
fchmiegend. 

Ein  anderes  Kunftwerk  in  Rom  (Deutfcb. 
Montf»  21,  9)  zeigt  die  landende  Venus  in  frühe- 
rer Stellung.  Mit  geordnetem  Haupthaar  fteht 
£e  nackend,  und  breitet  das  eben  genommene 
Gewand  fcherzhafit  über  den  Amor,  der  noch  im 
WaflTer  feinen  Delfin  reitet 

Die  Wünfche  demnach  ffir  das  Alter  der 
medice'ifcfaen  Statine,  die  ffk  Vermutungen  fich 
ausgeben,  mUflen  wohl  fo  lange  atir  Hohe  gdw. 


ACHTt|Nll2WAN2I05T£]t  BR.  .  337     "' 

Vk  gezeigt  worden,  dafs  vor  derHericbaft  der 
Qifiurti  ^e  metrheHbbeiide  Wenns  als  MeerwaDd-' 
lerin  ericbienen  fek  Hätte  ein  Phidias,  «!a^ 
Praxiteles»  ein  Skopas,  oder dn  anderer  Künftler 
von  Rangt  ^e  dazo  emiedrig<^^  wir  würde» 
diefe  Vorftellang  weder  bei  Paufanias  vermifTent 
noch  bei  den  Dichtem  der  erften  Jahrbanderte. 

.  In  den  Antiquarifcben  Auffäzen  des  Herrn. 
I^yne  ift  ei;i  eigener  Anffaz  von  fünfzig  Seiten 
( I  S.  1 15  - 1 64  ) ,  der  uns  **  über  0$  in  der  Kunjt 
^^übluken  Arten  die  Vennis  vorzußellen  „  belehren 
km.  Ein  Schutt  von  raben  Wahrnehmangen 
iftid  Vemratcmg^  und  Citaten^  wie  fie  einer 
amfii  Papier  ijvirfty  der  oboe  VorketttifcniiTe  in  die 
Satfae  bineingdm  will;  aufgeftust  durcb  vor« 
Aebme  Gebehrden  und  verachtende  Seitenblicke. 

'  Nachdem  er  (eine  gewöhnliche  Klage  von  der 
Verworrenheit  der  VorgMnger,  von  zu  wenigen^ 
Verftändnis  des  Künftlercofbims»  von  flehen 
bleibenden  Antiquariem  ohne  einige  Kritik,  ange- 
bracht;  fifingt  die  Belehrung  über  die  medicelTche 
Yenus  alib  ai^:  **Wie  in  aller  Welt  konnte  man 
**fie  für  die  Venus,  die  aus  der  See  hervor« 
'*kammt,  halten t  da  fie  ein  (o  fck&n  giflochUniM 
^Smot  bat !  Dafi  fie  dwrcUdtrie  Okrm  hat,  um 
^fterieo  einzuhängen ,  führ*  ich  nicht  ao.  Die» 
«egelMirt  htaft  M  Oem  CUfisiun^  ^m  entweder    \ 


^35    MYÜÄaLOÖSCHBR  BRXBFIJ  Jl,  B. 

^XünfltergrlBi  od^T  übertrieheM  Andacht  ein« 
«fahrte.  Von  Alexander  Sever  ßigt  Lamprid 
0(50):  er  habe  zwei  vortreflicbe  Perlea,-  die 
«•ihm  ein  Gefandter  gefchehkt  hatte,  der  Venu« 
^  zn  Öhrgebenken.  geweiht.  „ 

Mit  der  airftauchenden  Veniis  alfo  yertrUgt 
fich  kein  Haarfchmuck.  Aber  kennt  Herr  Heyne 
nicht  die  meerfahrende,  die  bei  Künftlern  und 
Pichtern  ungenezt  im  Haarfchmuck ,  und  oft 
mit  Ohrgeheüken ,  erfcheint?  • 

Ohrgehenke  will  er  «war  anch  «n  der  anffaai*. 

chenden  gerne  dulden.       Wie?  waren  fie   ihr 

öngebohren?  Sie  gehören,  fagter,  blofszudem 

Ueblichen,   das  Künftleigrille  oder  übortriebene 

.Andacht  einführte. 

Das  nenne  ich  mir  Klarheit  der  Begritfef 
Wollte  man  fagen ,  der  Künftler  gab  feiner  Venus 
den  modifchen  Schmuck,  aber  nicht  gleich  nach 
der  Geburt;  der  Verehrende  weibete  woM  köft« 
liebere  Kleinode,  aber  die  Sitte  fie  zu  tragea 
mufste  vorher  dafein:  -^  ich  wette,  HerrHejmo 
klagte  über  Verwirrung.  ' 

^  Nun  was  mekite  denn  der  Künftler?  ««Der« 
»Delfin  zur  Seite,  mit  den  beiden  Amorn,  gj^r 
f^thfl-mallgsmßmixAlümbwUer  Vinus  aft»  ^ 


4t 


ACHTUNDZWANZIGST£R  BSU     a3Cj^ 

**der  Künftlfer  ßnnreick  ftatt  des  Tranks  gebraucht 
**hat,  welcher  fonft  die  Statue  in  feftem  Stande 
**halten  mufste.  Wie  oft  kömmt  hingegen  nicht 
"eben  die  Vorftellung.der  Venus  mit  einem  ff^- 
**fäß  zur  Seite  und  einem  Gewände  vor?  OflFen- 
*fbar  ift  diefe  eine  Venus  aus.  dem  Bade,  die  im! 
•'Begriffe  ift,  ihr  Gewand  anzulegen.  ,  .  ^  An.^ 
**der  tnediceifchen  findet  man  eben  die  Idee,  eben 
ifeÄ' Charakter.  .  .  .'  Wollte  man  aber  auch 
^gcgen^das  Konimen  aus  dem  Bade  Einwendung  ^ 
"machen,  fo. bleibt  doch  offenbar  fo  rlel  übrig, 
«daQi  es  —  liffr  mtkkidete  Fenus  ifl,  die  ßch[ 
^fchämt.  ff  '       ,  ' 

-.   Ich  fibeflafffi  Sie  Ihrer  ftiUen  Verwunderung« 


XXIX. 

In  Punft»  me}ae  kh,  zeribhwebt^  dea  pel^gl« 
leben  ,  Göttci^eflligels  wahnfchaffenes  Fantom^ 
Reiches,  auf  Winkelmanns  faft  fcher^hafte  Ver-^- 
ijcherung,  Herr  Heyne  aus  den  Nächten  dear 
Uralterthums  auffteigen  zu  fehn,  fich  und  dea 
Seinigen  einbildete.  Was  mit  unbefangenen 
Augen  zu  fehen  Wir,  dafs  den  menfchlich  geftal- 
tfiten  Göttern  der  älteften  Zeit  erft  die  bildend« 
Kunft  Fittige  und.  andere  Bezeichnungen  über- 
mtUrlicher  Schnelle  und  Leichtigkeit  verlieh^; 


94^  MTTHOl^OGISCHEIl  BRIEFE   lU  B. 

und  fortgehexid  vervielfältigt  l^be:  das  blidi  dem» 
anftiiuneiideii  Blicke  in  Nebel  gebültt. 

Doch  etwas  zum  wenigften  glaubte  Herr 
Heyne  fUr  fich  wahrnehmen  zu  muffen.  Ein 
gar  merkwürdiges  Etwas!  MitnorabiU  aliquodt 
um  in  heynifchem  Latein  (^Arg.  EcL  3  Pirg.") 
taich  auszudrücken. 

Sowob)  das  gepriereiie  Mythenboeh  (3  S«  iS&)»* 
als  Ihre  Hefte ,  mein  Freund «  berichten  asis' 
Herrn  Heynens  Vorlefangen:  «*/»,  rfÄn.ÄtejIifi' 
^ZeHm   Grieihentßnis  m^rägn  äUe  (hitkritmt 

**  gehörnt  und  gtfchwänzt  vorgeßeUt. ,,. 

Nor  keine  Angi»  gemacktf  Süi  flrlbft  hAea 
es  nachgefchrieben.    Was  man  als  Jüngling  doch 
'  annehmen  kann:  einen  gehörnten  ApoUon,  eine 
gefchwänzte  Afrodite!     -  -  '- 

<^  Gab  der  Leb^r  bei  Jener  Gelegenheit  nicht 
eine  Vermfutviog^  einen  verlorenen  Wink »  ykng 
die  zürückfcti^efide  AfrodUe  Kaäipifgos  ^)  hiti» 
tei  za  fachen  habe?  Ich  nkeine,  fie  muis  ttrQ>rBfig* 


*}  In  den  Antiquarifchen  Aafßzcn  ( i  S»  1^%^  htifn  fie 
beftändig  Kallipygn:  welche  ganz*  neue  Benennung^ 
cbenfo  nngriechtfch  ift,  als  nurdmifc^  die' ▼om  Herrif 
Heyne  Teoliichte»  P^ßeritaum  fn^ämt*  Pieltiae 
w«i:4 ,20111  Sj^ttXk  ußtndtB,  iK|^.im£rdU 


Hth  m(  die  üppigen  Bewegdngen  des  antiken 
Schwanzes»  den  die  Zeit  leider  zerftörte,  ihr 
fehalkfaaftes  Antlis  gewandt  haben:  ähnlich  dem 
Pan ,  der  bei  Silius  ( 13 ,  340  ) 

fUffieit  arrident  biria  UuUMa  canda^ 

Ruckwäro   ichaut',    anUchcDd   d«i    Spiel  des    sonigen 

Schig^'attEet. 

Und  das  Philofophema?  Befinnen  Sie  fich  nur« 
Afrodite  ift  ja,  nach  Heyne  -  Hermann  (Handb« 
I  S.  258)«  ''^^^  ^<^hr  zufammengefezter,  altjer 
'^philorophifcberBegrif»  bei  dem  man  fleh  bald  die 
^'fchaSende»  bald  die  fich  erneuernde  und  zeu« 
•Agende  Kraft  der  Natur,  bald  die  Natur  felbft 
•*  dachte*  „  Nun  denn?  Der  Schwanz  der  Natur« 
gOttin,  was  kann  er  fein»  als  -^  Symbol  d^r 
seugetiden  Kraft  I 

Noch  geftostt  Haren  Sie  weiter.  Nitar«^ 
göttin  un(l  Naturgott  ift  Ja,  nach  einem  anderen 
Grundfaze  unfers  Zweinamigeo»  vttlUg  ein  upd 
der  felbige  Begrlf;  weil  die  ogygifchen  W.^d« 
SJiilofppben  den  Gottheiten  ein  zs^^iüch^  ^Qe^ 
Ichlecbt  gaben«  Afrodite  demnach  hiefii  in  den 
orfiicben •  Myftefien  euch  Pbime^:  der  ja»  wie 
PFokias(«ii  Tim»  3f«  137»  il)«05^hii2dertt  zu« 
gleich  W^  und  Erzeuger  war.  Und  von  diefem 
Mannweibe'  I^hanes  bat  uns  ein  Geheimniikenner 

Q 


ti^t    MYTHOI^GISCHER  BR1SF£   11.  B. 

eitle  überaus  nachdeokliche Eigenheit  überliefert: 
Er  trug  als  SchwaoÄ  am  After  ein  -^  ich  weiis 
nicht  was,  das  feine  belebende  KrafI  an« 
deutete.  ♦) 

Da  haben  wirs!  EJ^jfx«,  «vfw^l  würde  der 
ehrliche  Pfarrer  Adams  ausrufen. 

Verlangen  Sie  auch  Homer  für  die  altpelas- 
gifche  Naturgöttin?  Gleich.  Unfere  Orfiker 
laflen  uns  nie  in  Verlegenheit.  In  den  zufam- 
mengeftellten  Fragmenten  {Gesn.  VI)  erfcheint 
die  felbige  Naturgottheit  unter  dem  Namen 
Zeus  9  der  ßetebenäff  wieder  als  Mannweib : 

Ztat  vard  Mann,  von  Geftalt,  Zeas  ward  tmüerbllcb« 

Kymfe. 

Dies  Mannweib  aber»  fonft  Afrodite  genannt, 
trSgt  zwei  goldene  Stierhörner,  die  myftifch  die 
beiden  Thore  des  Himmels  andeuten  : 

"  Zwiefach  ragen  empor  fticrförinigc  goI<1ene  Höraer« 
*  Morgen  zugleich  und  Abend,  die  V^eg'  uranllcher Götter« 

^'N«Meii/  in  ek^.  hißhr.  ap,  Kaaiimz^  nf.  «ir  f*  t^^r 

. .    7o9  ^MVfira  tt^^tfMi  athiev  sxovr»  ort^m  wiffi  mm 


:D^KUNUNOJBWAK;ZiaSTER  BR,      9^^ 

Wo  Sie  noch  nicht  zufrieden  find ;  fo  rufe  ich 
^le  Bartgöttin  Afroditos»  die?  auch  gehörnte 
Mondgottheit ^  Luna  und  Lunus,  ift,  und  diot 
«gyptifche  Ifis  zu  Hälfe, 

Was  gilts?  ebep  fo  leicht  enträzele  ich  Ihnen 
Apollons  Hörner  und  Schtranz.  Mir  ift  fo 
luftig  und  leicht  m  dem  Wehen  des  Wahrfager« 
geiftes. 

Nur  eine  Klefaiigkeit  fezen  wir  mit  Herrn 
Heyne  voraus ;  und  das  übrige  folgt  von  felbft. 
Diefe  nemüch:  ApoUon  ift^  ein  altpelasgifchei 
Sonnenfymbol,  und  jedes  andere  Götterbild, 
welches  Spätere  auf  die  Sonne  deuten,  gehört 
in  diefer  Gewalt  und  Bedeutung  ^ur  älteften 
Religion  Griechenlands.  Wem  fällt  nun  nicht 
fogleich  der  gehörnte  Sonnengott  Diony  fos  ein  ? 
Wem  nicht  der  kampanifche  Hebon»  ein  Stier 
init  bärtigem  Mannshaupt,  Rindsohren  mid 
Hörnern,  und  einem  ftattUchen  Schweif ? 

Den  Hebon  zwar  giebt  uns  Mafcrobius  (  Satm 
1 ,  18)  nur  für  ein  Bild  der  Anpflanzung,  gleich- 
finnig mit  dem  thebifchen  Dionyfos.  Da  indeft 
Dionyfos  und  ApoUon  den  Fabeldeiitern  zwei 
Natnen  für  Eine  Gottheit  find^  fo  nennt  getroft 
Martorelli  (deW  ani.  Cot.  i  p.  227),  und  getroft 
Herr  Heyne  ^Ant.  Juff.  i  Ä  20),  den  .Mami>. 
ftler  Groisgrlechenlands  ein  Symbol  der  Sonae^ 

Q2 


144     MYTHOLOGISCHER  URIEFE   II.  n. 

Anch  der  libyfche  Amtnon,  der  bei  Makro- 
bius  CSat,  if  aO  ebenfals  die  Sonoe,  Dod 
folglich  den  Apollon,  bedenten  mufs,  ftebt  mit 
feinem  Widdergehörn  uns  willig  zn  Gebot; 
nicht  weniger  der  geisbörnige  Pan,  welchen 
der.Orfiker  (Ä.  33.,  25)  Apollon  nennt. 

•'  Sie  ftaunen,  mit  welcher  Salbung  ich  unter 
den  WeüTagern  der  Naturphilofopheme  mit 
jinftimme?  Faft  treibt  mich  der  Geift^  alle 
Götter  und  Göttioaen  nach  der  Reihe  in  ihrem 
{»ela^girchen  Aufzuge  vorzufiUirecu  Aber  Ne« 
mefia  winkt: 


j^»0  cauAaf  ttc  cütnna  neäitis?  inptitf 


Mvitt  »ijr,  pueri;  fxtis  •ß  f^tmfff  vütfru 


XXX. 

Woher  4och  dem  Herrn  Heyne  die  unerhörte 
Nachricht  gekommen  fei,  und  welchen  Beweia 
er  führe?  Das  follte  ich  Sie  fragen.  In  Ihren 
Heften  fleht  nichts  davon  ^  auch  anderswo 
nicht. 

3  :J)ie  äUifiin  GotthHtin  waren  alle  gehörnt  und 
^eßjmänzt.  Diefen  trockenen  Lebrfas  ftellt  er 
mit  mOnchhaufifcher  Ehrbarkeit  bin  9  und  pbilo-^ 
fophirt nur  darüber^  wie  es  wobl  sogebn  konnte» 


OftBISSlÖSTER    BRIEF.  «45 

dafs  die  alten  P^las^er  (ich  ihre  Gottheiten*  ge- 
fa^$rnt  und  gefchwänzt  bildeten.  Ihre  und 
Hermanns  Hefte  lauten  beinah  einftimmig; 
etu^as  fchUchterner  Tagt  er  es  felbft  in  den  Anci4 
guarlfchen  AuffiSzen  (2  S.  58): 

''Die  Menfchen  des  faöchften  Alterthums 
<' hüllten  fleh  in  roheThierfelle,  an  denen  dttf 
**  Hörner  und  die  Schwänze  blieben.  -  Aehnlicb 
^verhüllt  dachten,  fie  fleh  ihre  Götter,  und 
«•liefsen  unvermerkt  Hörner  und  Schwanz  mit 
**dem  Leibe  zufammenwachfen;  vielleicht  auch 
«abfichtlich,  um  die  zufammcngefezten  Begriffe 
**der  Gottheiten  zu  bezeichnen.  Selbft  die 
♦•Ziegenfüfse  der  Pane  entftanden  aus  dem 
**  teufchenden  Anblick  umgeworfener  Ziegenfelle. 
**  Mit  der  verfeinerten  Tracht  der  Menfchen  ver- 
*'feinertefich  auch  der  Götter  Geftalt;  und  nur 
"folche,  womit  man  den  Begrif  des  Alterthums 
^^ verband 9  behielten*  Hörner  oder  Schwänze^ 
"alsPan,  die  Satyre,  Herkules.  Oder  vielmehr 
^'(heifstes  bei  Hermann),  einige  Stämme,  wie 
**die  Arkadier,  blieben  bei  der  alten  TracTit,* 
**  folglich  auch  ihre  Gottheiten  bei  den  attpiodi- 
•*fchen  Hörnern,  Schwänzen  /und  Zi^en- 
•'füfsen.  „ 

Das  ift-  alles.  Man  fcbämt  Geh  fürwabij 
folcherlei  Erfcbeinungen  eines  emfthaften  Blfck<^ 

Q  3 


^4^  MYTHOLOGiSCHBk  BRIEVB  IIB. 

zn  vi^ürdigen.  Und  felbft  diefe  Armreligkeitt 
daß  Kleider  von  Thierfellen  thierifcbe  Gefidt 
veranlafsten,  verdankt  Herr  Heyne  dem  Sehe» 
Haften  Horazens  (2  Od.  ipi  4> 

Gatter,  mit  denen  man  den  Begnf  de^ 
Altertfaums  verband »  behielten  ihr  uraltes  Gehörn 
und  den  Schwanz !  Alfo  vorzüglich  die  Titanen» 
der  Altvater  Uranos  mit  den  Seinigen »  Kronos» 
Helios»  Themis,  Eos?  Kein»  nicht  die; 
, fondern —  wer  denn?  —  Pan»  <3ie  Satyre^ 
Herkules ! 

Unmöglich !  Der  Lehrer  mufs  fich  verlprochen 
haben,  oder  ihr  Lehrlinge  verhört  oder  ver- 
fchrieben.  Er  follte  im  Ernfl:  nicht  wüTen ,  dafs 
Herodot  für  die  jüngften  der  hellenifchen  Götter 
anfah  den  Herakles  9  Dionyfos  und  Pan?  nicht 
wifTen,  dafs  den  arkadifchen  Feldgott  Pan  erft 
Epimenides  befang»  erft  Philippides  den  Athe- 
nern bekannt  machte  ?  Gleichwohl »  was  können 
wirthun,  w6nn  Herr  Heyne  felbft  (Ant.  Auff. 
a  S.  70)  mit  dem  Philo fophema  vortrit:  *'Pan 
^<  war  überhaupt  ein  altes  philofophifches  Symbol, 
<<bald  für  die  Natur  überhaupt»  bald  für  die 
**Zeugungskrafl:,  und  fö  weiter:,»  und  wenn 
er  hierbei  auf  die  Hymnen  an  Pan »  die  nur  Un« 
Jnitidige  dem  Homer  und  dem  Orfeus  zufchreiben, 
^  auf  alte  DedcmSler  ficb  beruft ! 


;  Avtch  von  SUimn  und  SäHfrn  weiß  nocb 
Hotner  nicht  das  -  mindefte.  Hefiodus  zuerttf 
etwa  zweihundert  Jahre  ntch  Homer,  gedenkt 
der  Satyre  in  einem  Fragmente  bei  Stra^bo  (10 
f?.  4,71),  als  peloponnefifcher  Waldgötter;  doch 
ohne  die  Geftalt  zu  beftimmen.  Ihre  Mütter» 
Tagt  er,  waren  fünf  Enkelinnen  des  argeiifcben 
Königes  Foroneus : 

Welche  dem   Waldgebirge   die   göttlkheo  Nytnftn  er* 

zeuget, 
.  Uiid  leichtfertiger  Satyre  Volk  von  eitelen  Thaten, 
Auch  koreufche  Götter,  geübt  10  fcberzendem  Tanze. 

Der  berQhmtefte  der  Satyre;  dnrcb  Erziehung 
de^  Dionyfos,  war  der  alte  SileBus*  Ihn  finden 
wir  bei  Anakreon  (37,  il)  im  fetyrifchen Tanze 
vougeftellt: 

Ey»  ytfaov  fisy  ttfttf 

Zwar  grau  ii^  meine  Scbeitd ; 
Doch^  vtl^  Ich  nlen  Seilenot 
^achahmeod  Av<fr  each.  tanzen. 

Q4 


141    MYTBOLOrGISCBER  BRIBFS   II.  B. 

Von  ihm  wtirden .  di^  ältere  S^tyre  SiUtnn  ge- 
nannt; oiancbmal  auch  alle,  Sp  fagt  der  Home* 
ride  in  dem  Hymnus  an  Afcodke  von  den  Dr}^»« 
den»  V.  265: 

Tlß^t    ^t    XtXlIVOt    Tf»    um    $V9H0X9(    ^yti^vrifff 

Die  der  Silenen  Gefcblecht«  and  der  (jpehende  Argos^ 

Würger, 
'  Oft    befoche    mic   Verlangfn    im    fnocrfteu   trftulicher 

Crottetu    . 

Nach  Pindar  (/r.  Schneid,  p.  85  )  ^ar  Silenn« 
von  Malea  gebUrtig;  denn  ihm  hei&t  Dionyfoa 

E^ff'^f   N«i'^9C  äixotTfCC  S'Aifyoc. 

Der  begetfterte,    der  rtigcobüdeiide ,   den  der  Malca^ 

gebvhreiie 
Etzog,  der  Nasi  Gcnubit  SUeoot»  \ 

Aus  einem  anderen  Gedichte  giebt  Suidas  die^ 
Anrede  Siiens  an  den  Phrygier  Olympos,  denü 
er  auf  dem  indifchea  Znge  des  Oionyfog  be* 
gegnete: 

Armfcligcrt  tböriclRer  Tagesföhn, 
Du  kkvmtSt  mir  Hib'  loiprctfciidi 


\ 


DREISSIGSTeiK   BRIBT.  949 

Welche«  t4mßtff  Arii^ofanes  Cnuh.  aas)  dem 
ßokrates  in  den  Mwnd  legt,  weil  er»  durch  feine 
fiäruiDpfnafe  und  Giaze»  dem  Silecus  glich. 

In  der  orfifchen  Anrufung  an  den  Satyr  Sile- 
hoß  (ff.  53)  wird  er  der  vornehmfte  der  Silenen 
genannt,  der.  jugendlich  fchtrzend  mit  feinen 
Silenen  und  Najfden  und  Bacchen ,  zur  Dionyfos» 
feier  erfcheinen  foll. 


Zxrvf9t^  afiat  jt««-« 


, -.— .^     mft  Jen  Satyren  allen. 

Thtcrtfchcr  Form« 

Wie  weit  die  ThJergeftalt  reiche,  wird  nich^ 
gefagt.  Das  Fragment  eines  alten  Schaufpiels  bei 
Plutarch  (de  cap,  ex  ko/l.  utiL)  fcheint  einen 
beträchtlichen  Zufaz  vom  Bock  zu  verheifsen.' 
Als  der  Satyr,  fagt  er,  das  Feuer,  wie  es  zuerft 
Ärfchien,  kßffen  und  umarmen  wollte,  rief  Pro- 
metheus: 

'O  Bocic,  d«n  B«rt  %t^iU  becraaerft  du  Moni 
El  brennt  den  rührenden! 

Die  Anführung  ohne  Namen  iKfst  ein  fehr  bekann- 
te» Gedicht  vetmuten.    Und  welches  wohl  eher) 


aSO    MYTHOLOGISCHER  BRIEFS   II.  B. 

als  den  FenerbriageF  Prometheus  von  Aefchylasf 
Dennoch  ergiebt  fich  aus  der  Benennung  B^ck 
nur  weniges«  Hefychius  fagt»  da&  Böcke  die 
Satyre  heifsen ,  weil  fie  Bocksohren  haben. 

Von  gleicher  Art  ißt  der  dorifcbe  Name  T$t^$ 
für  Satyre  (JEit/f.  //.  ig  p.  1214.  Seh.  Thiocr. 
7,  72)»  denn  r/rc^^ac  bedeutete  einen  Bock  (^Sch. 
Theoer.  3,  2),  und  zwar,  wie  Servius  (^ecU  i) 
will,  einen  Leitbock.  Theofraft  (jchar.  6)  nennt 
fo  eine  Art  zahmer  Affen,  die  Plinius  (g»  60) 
und  Solinus  (27)  unter  dem  Namen  Satyre  an« 
ftihrfen.  Dies  hat  einige  verleitet,  fchon  Alte, 
den  Urfprung  der  Satyre  bei  den  Affen  zu  ver- 
muten. 

Mehr  auch  beweifet  es  nicht,  wenn  bei  Euri- 
pides  (Cyc/.  620)  die  Satyre  5»ffc,  Thiere,  ge- 
nannt werden,  und  (pnesQ  von  den  loniern,  wie 
Galenus  beim  Hippokrates  Cepidem.  6)  bezeugt, 
hinzufügend ,  dafs  davon  den  Aerzten  ^itf$a  oder 
^tffff<«  die  harten  Knorpel  an  den  Ohren  heiisen, 
womit  man  Satyre  mahlt  und  bildet  Die  Be- 
merkung gehört  dem  fleifsigen  Cafaubonus:  danut 
Sie  durch  Herrn  Heyne  iJnt.  Aujf.  a  5.  6x) 
nicht  geirrt  werden. 

Es  entfprach  alfo  jene  bockXhnUche  Gefttlt 
iem  lucianücben  Gemiihlde  ide^.  cohc.)^  wo 


DREISSIGSTER  BRIEF.  ajt 

fie  fpizöhrig  find 9  gtasig»  und  gehörnt,  wie  mit 
keimenden  Hörnern  neugebohrener  Böcklein; 
Die  Bildner  verlängerten  diefe  Gefchwalfte  oft  zu 
wirklichen  kleinen  Hörnern.  Auch  die  Schwan« 
ze,  dieLucian  bemerkt,  mögen  fie  fchon  damaU 
gehabt  haben.  Diodor  (agt  (3»  72),  dafs  Sileous 
fie  allen  Nachkommen  anerbte.'  FürRofsfehweife» 
wie  alte  BildniiTe  fie  zeigen,  werden  fie  von 
Paofanias  (i  f.  41)  und  Phüofirat  (Je.  i,  22) 
erklärt;  obgleich  Fulgentius  (399)  dem  Satyr 
Marfvas  einen  Saufchwanz,  als  Symbol  der 
FUhllofigkeit  für  den  Reiz  der  Mufen,  verleiht. 
Auch  von  ihren  tbierifchen  Geburtstheilen  ent- 
lehnten fchon  alte  Aerzte  die  Beneannng  Sat^ 
riastnus  f ttr  eine  gewi/Te  Krankheit. 

Weil  die  Silenen  ältere  Satyre  mit  Barten 
find;  fo  haben  natürlich,  wie  dieSileoen,  auch 
'  die  Satyre  MenfchenfOfse,  bis  beider  Geftalt  von 
den  Künftlern  erniedrigt  worden.  So  fchlofs 
Gefsner  (^di  Sileno  &  Siknis  p.  23)  bei  Lucians 
Befchreibung,  wo  keiner  GeifsfUfse,  die  Spätere 
einführten,  gedacht  wird;  und  Winkelmann 
nennt  die  menfchenftifsigen  ( lUon.  ined.  7\  60) 
ganz  recht  Satyre,  wohlwifiend,  wie  zu  erwar- 
ten ift,  dafs  der  Übliche  Name  Faun  römifch, 
nicht  griechifch  fei.  Beides  trägt  Herr  Heyne 
<S.  61»  74)  als  neue  Bemerkungen  vor. 


95^     MYTHOI.OGISCHER  BRIEFJE  II.  B. 

Der  gewöhnliche  Gang  der  Kunftbildung, 
wie  wir  ihn  kennen »  ift  allmähliche  Entedelong 
der  Menfchengeftalt  zur  thierifcben.  Herr  Heyne 
(S.  54)   erwartete  das  Gegentheil,   und  wan« 

äderte  fich 9  die  menfcMicheren  Satyre,  die  man 
Fauneit  nenne,  als  die  ältere  Vorftellung ,  fchon 

,  an  dem  lyfikrjitifchen  Denkmale  zu  Athen 
(Stuart.  Antiqu.  of  Ath.  4),  wahrzunehmen« 
Ein  Satyr  bei  Kalliftratus  Ci)»  d^«*  Dionylbg 
tanzend)  erhob  rllckwärts  die  Ferfe  des  rechten 
Fufses»  natürlich  des  menfchlichen ,  und  war 
übrigens  rauh  von  Geftalt,  als  Bergdämon»  und 
mit  Efeu  gekränzt;  neben  ihm  iland  Pan,  die 
Echo  umarmend.  So  fand  in  Gemählden  Philo-r 
ftrat  ( icon.  i ,  aa  )  die  Satyre  rauh  und  blutreichg 
grofsöhrig,  hohl  an  den  Hüften,  üppig,  und 
mit  Rofsfchweifen ;  von  Geifsfüfsen  redet  er  fo 
wenig»  als  Lucian.       ^  . 

Spätere  Künftler^  die  dem  Sonderbaren  die 
Schönheit  aufopferten,  erfanden  ein  Mittelding 
vom  Satyr  und  Pan ;  indem  fie  den  Satyrn  die 
vorragenden  Knollen  am  Haupte  zu  ^igentlicfaeQ 
Hörnern  von  beliebiger  Gröfse,  und  die  Füfse  zi| 
Geifsbeinen  umfcbufen.  Pollux  (4,  19,  4)  be^ 
merkt  im  fatyrifchen  Drama  einen  Papppülenus» 
deflen  Geftalt  thierifcher  war.  Vielleicht  nur 
haariger.       Aber   Heraklit    {incred.  25)  deutet 


DREISSIGSTER   BRIEF.  253 

Paoe  und  Satyre  mit  Bockshaar  und  Füßen  vom 
Bock.  Bekannt  find  die  bockf  U&igen  &tyre  bei 
Lukrez  und  Horaz« 

Gleiche  Erfind  famkeit  brachte  ftumpfnafige 
Satyrinnen  mit  fpizen  Ohren  und  Hörnchen 
hervor;  und  krummnafige  Paninnen  mit  langen 
Geifshörnern ,  die,  ein  Panchen  im  Arm,  aaf 
Geifsfiifsen  trippelten  (D.  Montf.  t.  30.  31). 
Die  Dichter  wandten  fich  mit  Abfcheu« 

Da  der  Römer  feinen  Faunus  für  den  lycäi- 
fchen  Pan  anfah,  fo  dürfen  wir  unter  Faunen 
^oht  nichts  iTnders  als  Pane  verßehn;  und  ein 
verdriefsl icher  Misgrif  wars,  wenn  die  Gelehrten 
jeneti  Namen  den  menfchlicberen  Satyrn  zueigne« 
ten«  Dennoch  wünfcht  eine  folche  Beseiebnung 
Herr  Heyne  (S.  75)  aligemein  angenommen. 

Hätte  man  durchaus  einen  unterfcheidendea 
K>'imen  verlangt,  und  nicht  blindlings  den  erften 
herausgefühlt;  fo  waren  fghicklicher  noch  die 
neurömifchen  Silvane.  Zwar  macht  Plntarch 
CparalL^  auch  den  SUvanus  zum  Aegipan;  und 
Kalpurn  (2,  d8)  bezeichnet  ihn  durch  Pfeife  und 
fichtenkranz.  Aber  bei  Ovid  (Met  i,  193)  er? 
icheinen  ia  Gefellfchaft,  als  verfchiedene  Wefen,' 
FflMntqni,  Saprique ,  JST  »onticoU .  SävmU 

Faunen   and  Satyre  auch,   und  das  Ber^gefl^hleclit  ier 

Silxaue. 


954    MYTHOLOGISCHERBRIEFE  II.  B. 

Plinius  (i2»  2)  giebt  den  Wäldern  zu  Gotthei- 
ten Sitvan€  und  Faunen  9  das  ift«  Satyre  und 
Pane.  Und  will  man  noch  zweifeln ,  Lukaa 
(3,  402)  nennt  Pane  «nd  Silvane  mit  einander. 
Ob  der  griechifche Name  Satyr,  oder  der  römifcbe 
Sllvan,  für  die  menfchlichere  Gattung  fein  follte; 
das  hätte  fich  mit  dem  Würfel  fchon  ausmachen 
laflen. 


XXXI. 

Wie  aber  Herr  Heyne  (S.  58>  Tagen  könne: 
der  Urfprung  der  Idee  von  Silenen  und  Satyrea 
verliere  fich  in  den  früheren  Zeiten?  Natürlich» 
.weil  er  Beweis  vor  fich  (ah. 

Schon  die  Verbindung  der  thierifchen  Geftalt, 
meint  er,  fei  das  einfachfte  Hülfsmittel.der  alten 
Menfchen  gewefen,  eine  zufammengefezte  Idee 
auszudrücken,  wie  man  an  den  Centauren, 
Tritonen,  Nereiden,  Giganten  abnehmen  könne. 
Folglich  müfsten  die  Satyre  fchon  deswegen  aus 
dem  Alterthum  ftammen.  •* Genug,,,  fagt  er» 
<' etwas  Symbolifches  lag  bei  der  Idee  im  erften 
<«  Gebrauche  zum  Grunde.  „  Dies  fcheint  zwar 
mit  der  zuerft  angegebenen  Entftehung  der  Satyr- 
geftalt  aus  Thierhüllen  nicht  recht  verträglich; 
aber  wir  haben  ja  die  Wahl,  dies  oder  jenes»  oder 


JBINUNDBREISSIGSTER   BR.        ^$$ 

beides  ZQgleiefa»  anzunehmen.  .  Nur  dafs  wir 
nichts  von  der  Satyridee ,  hierauf  dringt  Herr 
Heyne  fehr  cmftlich,  weder  dem  Teufel  zu- 
fcfareiben»  noch  den  grofsea  Aifen ,  noch  den 
gefcbwSnzten  Alenfcben ! 

Jezt  folgen  auch  hl&orifche  Belege  des 
Alterthums.  Erftlich  weil  in  der  fehr  friihea 
Fabel  der  Argiven  von  der  Amymone»  des 
Danaas  Tachter,  ein  Satyr  vorkommt  (  ^poBotU 
d»  if  4)f  der  ihr  AntrSge  that;  und,  fügt  er 
im  Kommentar  zum  Apoliodor  (p.  048)  hinzu, 
weit  fchon  der  hondertäugige  Argos  {ApoUod. 
a,  I9  2)  einen  arkadifchen  Satyr  tödtete.  Wie 
frtihe  denn  worden  diefe Volksmärchen  erdichtet? 
Wenn  alles,  was  Spätere  ins  Alterthum  fezen, 
gleich  dem  Alterthum  angehört ;  fo  fteigt  auch 
der  fifchfchwänzige  Triton  und  Glaukus,  undl 
jede  andere  Upabildung,  zum  Alter  des  Argo- 
nautenzugs. 

HiernSchft  weil  fchon  Hefiodus  Satyre  mitten 
unter  Nymfen  und  Kureten  anführt.  *)  Das 
wHre  zweihundert  Jahr  nach  Homer. 


^)  ««Aach  CafttMhüHyjf  fagt  hierbei  Herr  Heyne,  ««fährt 
««diefei  Fragment  an,  fo  wie  «ndere  $teUeti.  Aber 
««das,  was  im  Geiße  def  Alttrtbnmi  aus  den  Stellen 
««fich  fchliefsea  und  folgera  lafst,   erwarte  jnan  bei 


95^    MYTHOLOaiSCRfiABIlieFS  n.B. 

Endlich  weil  die  Siienen  bereits  in  einem 
bomerifchen  Hymnus  ( ^(f «•  363}  erwXfant/ 
werden ;  die  Idee  mtliTe  alfo  fehr  alt  fein»  ol^leich 
im  Homer  Ubrif^ens  nichts  davon  vorkomme. 
Wie  alt  fchäzc  wohl  Herr  Heyne  diefen  homer 
rifchen  Hymnus? 

Von  Homer  wenigftens  ift  er  nicht.  Der 
kennt  weder  mah  anders,  als  mit  langem  m 
CClarke  ad  IL  2«  43)9  da  es  hier  v.  29  und 
a02  verkürzt  wird;  noch  mtivo»  v.  13,  welcbea 
Üi  der  verwandten  Form  r«riy«  bei  Anakreon 
iA^hm.  12,  9f9.  533)  und  bei  Euripides  iHtL 
X337)  ein  PrachtwagiHf  nach  Heiychios.  und 
Favorinus  ein  Laflwagen  ift;  eben  fo  wenig 
4rffftf|9fff«9  geehrt  f  v.  32;  noch  |lM5«Afi«9«»  Umg^ 
Übend f  v.  190;  noch»  wie  ich  jezo  hinzuffigea 


••  diefem  gelehrten  Mann  und  M  andern  ftints  gf eichen 
** nicht. «,  Oiefe  anderen»  worauf  der  Alterthninskeii* 
ner  herabblickt,  find  Seimafius^  Ifaak  Voffius,  Sfanhehm^ 
PerizoTÜMf,  und  fein  Vorgänger  Geßner,  defTen  Ab« 
handlangen  aber  die  Siienen  damals  von  der  Göttingi* 
fchen  Societät  noch  als  Haudichrift  bewahrt  wurden« 
Gegen  Lebende  thut  Herr  Heyne  fo  artig,  fo  Hbefait 
Aber  lafs  einen,  der  ihm  remorfimtf  (Men  (^H9ri 
ß^d.  6^J om  die  Augen  fchliefsen;  er  wird  ihm  Qtdif 
befler  mitfpielen ,  als  Winkelmannen  und  Leflingeo. 

Cavef  eavef  Nomine  in  maks  rffenmns 


BIN0NDDREISSIGSTKR   BR.        257 

darf  9  die  Sitinen ,  und  manches  andere ,   was  zu 
.  I^r&ftern  nicht  nöthig  ift. 

Die  Gefchichte  des  Aeneas  gewinnt  einiges 
Licht  durch  die  Neuheit  des  Hymnus.  Denn  die 
Weiffagung  aus  II.  20,  307:  Aeneas  werde  mit 
Söhnen  und  Enkeln  unter  den  Troern  herfchen: 
wird  hier  v,  197  wiederholt.  Es  folgt  alfo,  dafs 
man  noch  um  Anakreons  Zeitalter  nichts  von 
einer  Auswanderung  des  Aeneas  fabelte ,  fondera 
vielmehr  jener  von  dem  Schoh'aften  aas  Akufi- 
laus  berichteten  Sage  anhing:  Afrodite  habe 
um  ihrem  Sohne  die  Herfchaft  zuzuwenden, 
den  troifchen  Krieg  und  die  Ausrottung  der 
Priamidenr  veranftaltet.  Homers  Worte  auf  eine^ 
Herfchaft  in  Italien  zu  deuten ,  verräth  ünkunde 
der  homerifchen  Welttafel. 

Ich  übergehe,  was  unfer  Alterthumskenner 
vfan  der  fpäteren  Einmifchung  der  Satyre  und 
Panfe  in  die  Fabel  des  Bacchus  vorbringt,  um  feine 
alten  Philofopheme  aufrecht  zu  halten.  Wer 
mag  folchen  Schutt  aufwühlen !  Als  rohe  arkat 
difche  Berggötter  mufsten  fie  allerdings  da  fein, 
ehe  fie  zur  thebifchen  Fabel  fich  mifchen,  und 
mit  jener  nach  Phrygien  und  nach  Indien 
wandern  konnten.  .  Aber  fchon  in  den  orfifchen 
Hymnen  *f    denen   Herr    Heyne   die  myftifchen 

R 


aS8    MYTHOLOdlSCHfiR.  B&IEPE  II.  B. 

Träume  nachträutnty  gehören  Pan  und  die  Satyre 
zum  Gefolge  des  Diouyfos;  Pan  auch  in  dem 
homeridifcben  Hymnus. 


XXXIL 

lAecBtib,  mein  Guter!  tragen  Sie  dem  Herrn 
Heyne  nur  WafFen  zu,  um  feine  uralten 
Schwänze  und  Hörner.zu  behaupten*  Herunter 
foUen  fie  doch ,  wie  komifcli  auch  die  fymboli* 
fchen  Fantome  fich  dabei  anftelleiu 

Pan  9  die  Satyre  und  Herkules ,  die  Herr 
Heyne  als  Refte  urweltlicher  Symbole  mit 
Schwänzen  und  Hörnern  aufführet ,  wollen  Ihnen 
fo  ganz  jung  nicht  fcheinen ;  weil  fie  bereits  in 
den  älteften  Gigantomachien  und  Dionyfiaden  fich 
ausnehmen. 

Die  Sache  ifl:  wohl  unleugbar.  Silenus  felbft 
rühmt  fich  bei  Euripides  (  Cyct.  5  ),  er.  habe^  im 
Gigantenkampf  y  zur  Seite  des  Dionyfos  fechtend, 
den  Enkelados  erlegt.  Eratofthenes  (^catafl.  ii  > 
erzählt,  wie  Dionyfos,  Hefäftos  und  die  Sat3rre 
auf  Efelein  zum  Gigantenkampf  ritten ;  und  (23) 
2HJS  Epimenides,  wie  Pan  vom  kretifchen  Ida 
mit  Zeus  gegen  die  Titanen  auszog,  und  ihnen 
durch  eine  geblafene  Meerfchnecke  ein  panifches 


ZWJSIUNDDRBlSSiaSTER  BR.      159 

Schrefcken  einjagte.  Auch  gegen  den  Tyfos 
half  Pan  dem  Zeus  (^Apoüod.  i,  6,  3),  und 
fifchte  das  Schenral  aus  der  Meertiefe  ( Opp. 
•H^i*  3f  ^5-  «^^Ä*  Soph.  Aj.  707).  Und  dafs 
Pan  mit  den  Satyren  den  Dionyfos  auf  dem  indi- 
fchen  Zuge  begleitet  habe  y  ruft  eine  Wolke  von 
Zeugen;  unter  diefen  der  Plünderer  alter  Dio- 
nyüaden,  Nonnus^ 

Aber  erlauben  Sie  mir  9  Ihre  Slteften  Giganto- 
machien,  famt  den  indifchen  Kriegszügen  des 
Herakles  und  Dionyfos,  in  das  Zeltalter  herabzu- 
fezen,  da  fchon  die  Gerüchte  von  glücklichen 
Hyperboreern  im  Weftlande,  und  von  Indiern 
jenfeits  der  Meder  am  öftlichen  Ocean  9  fich  ver- 
iUrkt  hatten :  einige  Zeit  nach  Heiiodus. 

Homers  Giganten  ^  wie  Paufiinias  (g  p.  503) 
richtig  bemerkt,  waren  blofs  fterbliche,  den 
Faaken  in  Thrinakia  benachbarte,  glückfelige 
Riefen ,  die  Zeus  ihrer  MüTethat  wegen  vertilgte 
(Orfyj^.  7,  59.ao6;  lö,  120  >  Wahrfcheinlich 
ieztQ  die  beiläufig  berührte  Fabel  fie  um  den 
Aetna,  von^deffen  früheren  Ausbrüchen  die 
Meerfahrer,  handelnde  fowohl  als  raubende» 
fchon  vor  Homer,  wenn  gleich  diefer  ihn  zu 
nennen  ulcht  wufste,  oder  nicht  achtete,  ein 
Gerücht    für    die   ausbUdende    Fabel    darbieten 

Ra 


^6o     MYTHOLOGISCHER  BRIBFß   11.  B. 

konnten,  Hefiodus  meldet  (  TTSi^og.  i85)»  da& 
aus  dem  Blute  des  entmannten  Üranos  die  grofsen 
krifegrifchcn  Giganten  erwachfen  fein:  welchen 
Urfprang  Akufilaus.und  Alcäus  (^Sek.  ApotL 
4»  992)  auch  den  benachbarten  Fäaken  andich- 
teten. Aber  von  einem  Kampfe  der  Giganten 
gegen  die  Götter  weifs  Hefiodus  noch  nichts. 

Bald  nachher  verwech feite  man  Giganten  mit 
Titanen  ,  und 'betrachtete  fie  als  Urväter  der  jezi- 
gen  Hyperboreer  (^Pheren.  ap.  Sek.  Find.  OL 
3  9  25.  Caüittt.  in  DeL  1 7a  ) :  in  deren  noch  un^ 
förmlich  zuiammengedrängtem  Hefperien  auch 
fie,  wie  die  alten  Titanen  und  der  Erdenfohn 
Tyfos,  gegen  die<iötter  gekämpft  haben  follten. 
Denn  das  Schlachtfeld  ift  bald  an  den  Quellen  des 
Oceanus  (^Callim.  in  Pall.  5)»  die  im  Wellen 
£uropa's  waren;  bald  in  Tarteffus  (^Sck.  IL  8» 
I  479.  ^if/fifi.449  4);  oder  in  Flegra,  der  nach- 
mals bekannteren  Gegend  um  Kumä  (  Strab,  5 
p.  243),  die  jezo  noch  (£iir.  lou.  989),  mit 
Pyrene  vermifcht,  unfern  der  ^Gorgoneninfel  des 
Oceanus  zu  liegen  fehlen.  Andere  QApoUod. 
I,  6,  i)  verfeztea  das  Schlachtfeld  Flegra, 
welches  auf  Bergbrand  deutete ,  nach  Pallene  in 
Macedonien  QEudox.  ap.  Stepk.  Sek,  Apoll.  3, 
234)9  wahrfcheinlich  durch  alte  S«gen  von 
Feuerausbrikhen  veranlafst. 


ZWBIUNDDREISSIGSTBR  BR«      26 1 

Wir  haben  gefehn,  dars  den  Giganten  der 
neueren  Fabel«  als  Erdgebohrenen,  Schlangen-:^ 
fUfse,  Von  einigen  auch,  damit  fie  den  luftwan- 
delnden Göttern  gewachfen  wären ,  hebende 
Fittjge,  verHehn  wurden« 

An  diefem  Gigantenkampf  aUb,  der  auch 
irrig  Titanenkampf  hiefs,  nahmen  die  Heroen 
Herakles  und  Dionyfos,  und  der  jüngfl:  erkannte 
Pan  mit  den  Satyren,  vorzfigllchen  Antbeil; 
Plonyfos  indefs  QPauf.  8  p«  515 )  nicht  vor  Ono« 
makritus. 

Herr  Heyne  in  ieiner  Abhandlung  Über  die 
homerifche  Fabel  (Coffifif.  Gott.  1777  f.  49)  laut 
fchon  in  vorhomerifchen  Kosmogonien  die  Gigan* 
ten  mit  Göttern  kämpfen ,  und  tbefTalifche  Berge 
aufthürmen.  Ohne  Beweis,  wie  fich  von  felbft 
verftebt.  Und  wenn  Apollodor  (1 ,  6»  x)  dag 
flegräifche  Gefilde  in  den  meiften  Giganto- 
machien  als  eine  Weftgegend,  in  einigen  zum 
nachmaligen  Pallene^es  macedöniichen  Dreizacks 
•  umgedeutet,  erkennt;  fo  belehrt  ihn  Herr  Heyne: 
ßefidero  hie  doSrinam  ApoUoioH^  ut  &fufpker 
interpolatum  ijfe  tocum.  PhUgra  &  PaUeni 
eadem  efl  regio.  Es  ift  erlaubt,  in  Entwirrung 
dunkeler  Alterthümer  einen  Fehler  zu  begehn; 
aber  fo  grob  mufi  man  nicht  zufahren. 

R3 


262    laYTHOLOGlSCHER  BRIEFE    11.  B. 

Da  während  der  Erhellung  des  Weftens  zu- 
gleich vom  Often,  durch  Landhandel  und  einzelne 
Abentheurer ,  mehr  Wahrheit  zur  überlieferten 
Meinung  fich  gefeilte;  fo  mufsten  in  neueren  Ge- 
dichten die  Weltdurchwanderer  Dimyfoi  und 
Herakles  auch  bis  zttm  jQngft  vernommenen 
Indien  den  Zug  nehmen«  r 

Dem  Dumyfos  folgten  zum  Sufserften  Geftade 
des  rothen  oder  öftlichen  Oceanmeers»  wo  er, 
wie  Herakles  im  Weften ,  Grenzfeulen  errichtete, 
die  neu  erworbenen  Begleiter  der  Weinfefte  und 
bacchifchen  GeheimniiTe:  Satyre  und  Silene,  und 
Pan  und  Priapusi  and  Kentauren.  Sein  heiliger 
Berg  Nifa  ttickte  mit  erweiterter  Erdkunde  dem 
zurUckweichendeil  Oceanus  nach,  aus  Arabien 
nlicb  Indien:  grade  fo,  wie  nachmals  unter 
Alexander  der  Käukafus  aus  dem  ttufserften 
kolcbifchen  Berge  am  Oceanus  der  äuiserfte 
Berg  Indiens  ward. 

Herakles  aber,  anjezt  ein  Heerf Obrer  n&d 
Städteeroberer  {Athen.  \2 9  i)f  zog  in  der 
Tracht  eines  StrafsenrSubers,  mit  Keule,  Löwen* 
baut  und  Bogen  umher,  welche  zuerft  Steficho* 
rus  ihm  andichtete;  da  ihm  der  früheren  Dichter 
Xanthus  noch  die  völlige  Heldenrliftung  Homers 
gab.      Strabo   (15  f.   688)    und    Eratofthenes 


ZWEIUlfDDRElSSICSSTeR  BR,      263 

(catafl.  la)  nennen  als  Urheber  der  Waldmanns- 
tracht den  etwas  älteren  Plfander,  der  noch  vor 
TyrtSus  Zeit  eine  Heraklee  in  zwei  Gelangen 
herausgab;  und  Alexanders  Romanfchreiber  ver« ' 
fieberten,  dafs  von  den  gleichgekleideten  Kriegs* 
genoiTen  des  Herakles  noch .  eine  indifche 
Völkerfcbaft  am  aornifchen  Fels,  mit ThierhSuten 
und  Kolben  gerüftet ,  abdämme» 

Wie  verfiel  doch  Herr  Heyne  darauf,  jener 
gefchwänzteh  Löwenhaut  wegen  dem  Herakles 
felbft  einen  Schwanz  zu  ertheilen?  Oder  verhör- 
ten Sie  fieh,  und  Herr  Heyne  wollte  nur  den 
pifandrifchen  Herakles  als  ein  Beifpiel  der  alten 
Fellkleidung  anführen?  Auch  dann  wählte  er 
unglückliche 

Zugegeben  indefs,  dfe  alten  Pelasger,  fo 
philofophifch  fie  auch  ihre  Kosmogonien  und 
Theogonien  und  fymbolifchen  Myfterien  anord- 
neten, gingen  in  rohen  Tblerhäuten,  und  zwar 
am  liebften  mit  Schwanz  und  Gehörn.  Zugege- 
ben, die  Arkadier  behielten  am  l'ängften,  für  fich 
und  ihre  Götter,  die  altvätrifche  Munamerei, 
-^mrin  die  Götter  zufe^t  für  gefchwänzte  und 
gehörnte  Halbthiere,  einige  fogar  mit  Geifsfursen, 
angefehn  wurden.  Ich  will  nicht  darauf  di-ingen,  ' 
dafs  den  Pan  im  homeridifchen  Hymnus  (v.  23) 

R4 


364    MYTHOLOGISCHER  BRIEFS  II.  B. 

ein  gefpreilkeltes  Laxfell ,   die  Satyre  gewöhn^» 
lieh   iPkUpflr.  V.  Afoü.   6,    27)   ein    Rehfell 

fchmückt.  ^ 

Warum  aber ,  frage  ich ,  begegnete  dies  nur 
den  Panen  und  Satyren?  Warum  nicht- vor  allen 
dem  Vater  des Pan,  und»  nachNonnus(i49  ,ii3)f 
der  Satyre,  dem  arkadifchen  Hermes?  Warum 
thut  Hermes  in  Lucians  Göttergeipräcben  fö 
fremd  y  lieh  von  dem  bockähnlichen  Pan  Vater 
begrüfst  zu  hören?  *^Du,,;  antwortet  er,  "du 
*'mein  Sohn?  der  Hörner  hat,  und  folch  eine 
^^Naiby  tind  den  ftruppigen  Bart,  und  zweige- 
'^fpaltene  Bockfüfse,  und  einen  Schwanz  über 
«dem  Steift?,, 

Hätte  Pan  einer  Heynifchen  Lehrftunde  bei- 
gewohnt, wie  natürlich  war  feine  Rechtferti- 
gung: Sieh  doch  her,  lieber  Vater!  Die  Hörner 
und  die  Krummnafe  und  der  Bart  und-  die  Bock- 
{\X&e  und  der  nachwedelnde  Schwanz  find  ja 
nicht  Ich,  fondern  mein  ZiegenfelL  Ich  kleide 
mich  fo ,  weil  es  die  ältefte  einfachfte  Mode  ift, 
und  damit  die  Priefter  Philofopheme  anbringen 
können«  Mich  wundert,  dafs  du,  mein  Vater, 
als  ein  neumodifcher  Stuzer  einhergehn  magih 


mtEIUNDPREISSIGSTER  BR.      26f 

XXXIII. 

Was  hat  IhneQ  ^die  gute  Afrodite  zu  Leide  ge- 
than,  dafs  Sie  ihr  nodh  immer  mit  den  abfcheu- 
iichen  Hörnern  und  Schwänzen  jenes  Ava<pfoirro^ 
dröhn?  Ich  werde  e$  Ihrem  Mädchen  klagen. 

Um  Ihnen  die  kleinen  unruhigen  Aber!  und 
Soüte  nichtig  abzunehmen»  mufs  ich  wohl  einen 
hohen  Trumf  ausfpielen,  diefen:  Unter  den  alte» 
ften  Gottheiten  der  Achaier,  wie  Homer  iie 
befehreibt,  finden  wir  gar  keine  halbthierifche 
Menfchepgeftalt. 

Auch  nicht  an  den  heroifchen  .  Kentaurm  ? 
Ich  habe  die  vormalige  Frage  nicht  überhört »  die 
meiner  zufälligen  Aeufserung  halb  fpöttelnd  ent« 
gegen  trat.    Aijch  nicht  an  den  Kentauren ! 

Homer  gedenkt  ihrer,  als  haariger  Bergunge«^ 
beuer  am  Pelion,  im  ^^genfaz  anderer  Männer» 
ohne  jedoch  die  rauhe  Geftalt  näher  zu  bezeich- 
nen. Aus  alten  Volksliedern  meldet  er  (IL 
X,  266)9  wie  Neftor  mit  Thefeus  den  Lapithen 
wider  die  Kentauren  half: 

Xet^Tifoi  ficv  tcaVf  HUt  tutgrisotQ  ffMixovr0t 

R5 


St66    BIYTHOLOaiSCHER  BRIEFE'  II.  B^ 

l'rauiit  du  waren  die  fidrkften  der  lebenden  Erdcbc» 

vohner, 
Vetren  felbft  die  ftärkften,   und   kämpfeten  vider  die 

ftiirkften> 
.    ^ider  die  Bergkentaurem 

Und  11.2,  743   von.  dem  Lapithenfürften  Pei- 
rithoos: 

Jenes  Tags,  da  er  ftrafte   die  zottigen  Uageheuer. 
Und  wieder  Odyff.  21,  303: 

Hieraus  folgte  der  Streit  dem  Kent^urengerdilecht  nnd 
*  den  Männern. 

Sonft  wipd  noch  der  heilkundige  Cheiron  als  der 
gerechtefte  der  KentJ^uren  genannt. 

Schon  die  Einzelheit  der  angenommenen 
Klisbildang,  und  Homers  Stülfchweigen  darüber, 
mufs  Nachdenken  erreg-^n.  Dafe  q^^e  nur  etwas 
wildere  Menfchengeftait  anzeige,  haben  wir  bei 
den  Satyren  gefehn. 

Eben  fo  wenig  bemerkt  man  bei  Hefiodus 
von  Rofsgeftalt.  Die  Befcbreibung  von  dem 
Schilde  des  Herakles  ift  abßchtlich  ausmalend. 
Gleichwohl  wird  bei  der  Schlacht  der  Lapithen 
und  Kentauren  nichts  weiter  gefegt,  als  dafs  die 


UREIUNDDREISSIGSTER  BR.       367 

grofsen  Kentauren  mit  Tannen  in  den  Händen 
vorgeftellt  waren.  In*  einem  anderen  Fragmente 
(Seh.  Find.  Nm.  4>  95)  «ennt  er  fie  blofs 
Kevravftfc  flft^xy««,  bergbiwohnetide  Kentauren. 
Nach  demfelben  (&*.  Find.  Ptfth.  4,  132 )  hatte 
Cheiron  zur  Gattin  eine  Nais,  nach  anderen» 
Alten  eine  Tochter  des  Perfes,  oder  des-Okeanos. 
Wie?  ein  Mädchen  mit  einem  Halbrofle  ver- 
mählt? 

Aus  einer  alten  Heraklee  macht  uns  ApoUodor 
(2»  5>  4)  arkadifche  Kentauren  bekannt,  von 
welchen  Folos  ein  Sohn  des  Silenos  und  einer 
xnellfchen  Nymfe  war:  dem  Anfchein' nach, 
ein  rauher  Bergroenfch,  wie  fein  Vater.  Folos 
bewirtete  den  Herakles,  der  gegen  den  cryman- 
thifchen  Eber  zog,  mit  gebratenem  Fleifch;  er 
felbft  afs  rohes.  Durch  das  geöfnete  Weinfafs 
welches  Dionyfoff  gefcheiikt  hatte  iSch.  Theoer. 
7,  149),  wurden  die  anderen  Kentauren  in  die 
Höhle  gelockt;  fie  kamen  mit  Felsftücken  und 
Tannen;  und  es  erhub  fich  ein  Kampf,  worio 
Herakles  mit  dem  Bogen  fie  erlegte  und  vertrieb. 
Die  Bewafnung  des  Bogens,  ©hne  Keule,  beweift 
das  Alter  des  Gedichts. 

Roßleibige  Kentauren  finden  wir  crft  im  Zeit- 
alter Pindars  iPyth.  2,  85>,  entftanden  durch 
Vermifchung  des  Kentauros,  welchen  dem  Ixron 


a6g    MYTHOLOGISCHEIt  BRIEFE   II.  B» 

die  Nefele  oder  Wolke  gebabr^  mit  magnefifchen 
Stuten.  An  Pindar  auch  wendet  fich  Galenus 
Ide  uf.  pari.  3»  1  )»  als.  an  den  Urheber  der 
Fabel  9  da  er  die  Unmöglichkeit  Tokher  Doppel« 
geftalt  zeigt.  Dem  Pherecydes  (  ScL  jipoU. 
a,  1235)  ftammt  der  zwei  förmige  Cheiron  von 
Kronos,  der  die  Filyre  als  Rofe  überwältigte. 
Und  Cinäthus  (  H.  in  Merc.  224  )  redet  von  den 
unmenfchlichen  Sparen  der  rauhhalfigen  Ken- 
tauren: denen  Onomakritas  iArg.  394)  Rofs- 
hufe  giebt.  Noch  Theognis  (v.  542)  nennt  fie 
nur  iüf*o4>«yHc,  rohf reffende* 

Gleichwohl  wurden  die  Kentaurinnen  mit 
Rofsgliedem  verfchont  Bei  Euripides  ward 
Cheirons  Tochter  Melanippe  {Eratojl.  ig)  oder 
Euippe  (  Poü.  4 »  19  )  erft  durch  Verwandlung 
ein  Hofs. 

Der  Mahler  Zeuxis,  der  neue  und  ungewöhn- 
liche Vorftellungen  liebte,  mahlte  unter  anderen 
Wagniflen  diefer  Art  zuerft  eine  liegende  Rofs- 
kentaurm  mit  zwei  Kindern,  wovon  eins  an  der 
tnenfchlichen  Bruft,  das  andere  am  Rofseuter 
fog;  indefs  der  Mann  obenber  lachend  einen  jun- 
gen Löwen  eriiob,  um  die  Kindlein  zum  Scherz 
|[>ange  zu  machet!  (Lucian.  Zeuxis^  Der  Mann 
war  fürchterlich  und  wild,  ftark  von  Haar, 
gro&entheils  rauh^    auch  an  ded  menfchlichen 


ORETUNDDRfilSSlGSTieR  BR.       269 

Gliedern^  liochfchulterig,  und  im  Geficht ,  ob« 
gleich  lachend,  thierifch  und  bergartig  und  un« 
fanft.  Das  Weib  war  in  beiden  Naturen  fchön, 
bis  auf  die  Ohren,  welche  fatyrhaft  waren.  Und 
eins  von  den  Kindern  hatte  in  der  zarten  Geftall 
fchon  des  Vaters  Wildheit. 

Jezt  erlaubte  man  fich  auch  andere  Umbildun« 
gen.  Aus  älteren  Gedichten  entlehnte  Nonnuf 
(5»  614)  cyprifche  Kentauren  mit*  Hörnern, 
welche  Zeus  unwillkUhrlich  erzeugt  hatte. 

Es  kann  fein,  dafs  nach  einer  Volksfage, 
welche  den  Kentauren ,  einer  lapithifchen  Völr 
kerfchaft,  die  Erfindung  des  Reitens  zueignete, 
die  Bildner,  um  eine  Wundergeftalt  mehr  zu 
Tiaben,  diefe  Ungeheuer  zufammenfezten.  Auch 
unter  den  altitalifchen  Aufoniern  fabelte  man 
einen  Mares,  der  vorn  ein  Menfch,  hinten  ein 
Rofs  war;  und  Aelian  (var.  hift.^^  16)  deutet^ 
er  habe  zuerft  ein  Pferd  beftiegen  und  gezäumt. 
Aber  der  gewöhnlichen  Umbildung  der  Fabel 
fcheint  es  gemäfser^'  einen  allmählichen  Ueber« 
gang  anzunehmen. 

Eratofthenes  fagt  {cataft.  28):  *«Den  Schü» 
^'zen  am  Himmel  nennen  die  meiden  Kentaur: 
♦'andere  feugnen  es,  weil  er  nicht  vierfüfsig  er- 
" fcheint,   fondem  aufrecht,  und  mit  Bogenge^ 


270    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE  II.  B. 

^'fchofs,  welches  keiner  der  Kentauren  führt. 
^^Diefer,  ein  Mann,  hat  Rofsbeine,  und  einen 
*< Schwanz»  wie  ^ie  Satyre.  Daher  halten  fie 
«<ihn  lieber  für  Krotos,  den  Sohn  der  Enfeme» 
^^der  Pflegerin  der  Mafen.  ,,  Die  Bemerkung, 
dafs  keiner  der  alten  Kentauren  einen  Bogen 
. führe, »ift  richtig,  wenn  wir  den  Cheiron  aus- 
nehmen, der  von  Apolion  und  Artemis  üXenopk. 
cyneg.  I,  i)  die  Jagd  lernte« 

Ferner,  auf  dem  Kaften  des  Cypfelus  fah  Pau- 
faniasCs  p.  324)  einen  Kentaur,  der  die  Hinter- 
füfse  vom  RofTe,  die  vorderen  vom  Manne 
hatte. 

Beide  Vorfiellungen  findet  man  auch  in 
etrufkifchen  Kunftwerken;  wie  bei  Dempfter 
(^Etrur,  Reg.  tab.  ai)  und  Pafferi  CParatip.  in 
ßnnffl.  p-  54);  und  fo  genannte  Satyre  mic 
Pferdefüfien  und  Rofsfchweif  (  Muf.  Kirch,  i 
f»  47  )•  Ich  verdanke  diefe  Nachweifungen  dem 
Herrn  Heyne.  Aber,  um  in  feinem  Tone  zu 
reden ,  was  im  Geifte  des  Alterthums  aus  diefen 
Abbildungen  fich  fchliefsen  und  folgern  lä&t^ 
das  erwarte  man  bei  dem  belefenen  Manne 
nicht. 

Der  Schluis,  den  der  ähnliche  Gang  anderer 
Mahierneuerungen    uns    aufdringt,    ift    diefer. 


DRSXUND^DREISSiaSTER.  BR.      2yt 

Die  Siteften  Kentauren  waren,  wilde,  mit  Haar 
überwachfene  Befgmenrchen,  Alioiählich  er- 
hielteri  fie,  wie  «die  verwandten  Satyre,  mehr 
Annäherung  zur  Thiergeftalt,  Rofsfüfee  und 
einen  Schwelt  Dann  ward  zur  Menfchengeftalt 
der  Hiuterleib  eines  Rofses  gefügt.  Und  endlich 
verlor  fich  der  Menfch^  am  Gürtel  in  einen  vier^ 
ifüisigen  Rofsleib« 

Scheint  Ihnen  die  Sache  noch  drigewifs;  fo 
hören  Sie  das  Zeugnis  eines  Mannes,  der,  beffer 
als  wir  armen  Schuttwühler,,  die  Abftufungen 
der  Kentaurengeftaltvon  Homer  herab,  in  unzer- 
trümmerten  Gedicbten  und  ßildniffen,  verglrf. 
chen  konnte.  Der  Mann  ift  JCälliftrat.  «Ani 
"Eingange  des  Tempels,  „  fagt  er  Cflat.  12), 
'Tab  ich  einen  Kentaur  aufgefteUt,  «««v5^,,  x«r« 

''nicht  einem  Manne,  nach  der  komerifchen 
''Forflettung,  /andern  einem  ITaidthkre  gtrich. 
"Menfch  war  er  bis  zum  Unterleibe  hinab,  wo 
«er  in  ein  vierfüfsiges  Pferd  fich  verlor.  Der 
«Leib  war  wüd,  und  im  Geficht  etwa« 
«thierifches.,, 

Wegen  ihrer  Verwandfchaft  mit  den  Satyrea 
wurden  die  Kentauren  auch  den.  dionyfifchen 
Spielen  emgemifcht.  Didymus  fagt  (Ca/auk  de 
Sat.  I,    I  p.  ao);    «Die  Ch^re  fangen   im 


ajra  MYTHÖLoiiiscHER  Briefe  ii.p. 

«Anfang  einen  Dlthyrätqbus  auf  den  Dionyfos; 
*<  nachmals  überfchritten  die  Dichter  diefe  Ge- 
«•wohnheit,  und  fchilderten  Ajaffe  und  Kentau- 
*«ren,  wodurch  fie  den  Spott  der  Zufchauer  fich 
••zuzogen:  Nichts  zum  dionyfos!  ,  Deshalb 
"liefsen  fie  die  Satyre  vorher  auftreten,  damit  fie 
**nicht  fchienen  des  Gottes  zu  vergeffen.  „  Auf 
Denkmälern  finden  fich  häufig  Kentauren  im 
Zuge  des  Dipnyfps.   . 


XXXIV. 

Wur  her  mit  detf  Eiilwendungen ,  wo  noch 
welche  im  Hinterhalt  lauren !  Sie  werdea  doch 
meinem  Saze  nichts  anhaben. 

Erft  nach  Homers  Zeiten,  theils  durch  pfäffi- 
fche  Sinnbilderei,  einheimifche  4ind  fremde, 
theils  durch, örtliche  Volksmärchen,  die  Homer 
liicht  kannte  pder  verachtete,  theils  durch  das 
Spiel  darftellender  Künfte ,  erhüben  fich  allmäh- 
lich in  der  gripchifchen  Religion  die  vielförmigen 
Dämonen  der  Luft,  des  Landes  tind  deä  Meers. 
Erft  jezo  erfchienen,  mit  dem  Wuchfe  der 
fTögel,  der  Fifche  und  Delfjne,  der  Schlangen 
und  der  edletfen  vierfQfsigen  Thiere  gemifcht, 
geflügelte  Götter  und  Roffe,  Sirenen  und  Har- 
|)yen,  Tritoneri,  Glauke,  Hippokampä,  Scyllen 


VIBkUNDDREISSIGSTER  BR.       273 

nnd  Nereiden»  famt  den  ungehalten  Giganten» 
dem  myftifchen  Fanes  und  Korybas  ( Orpk.  Hm 
3g  )y  und  dem  epidaurifchen  Afklepios.  Erft 
jezo  gingen  aus  Arkadiens  Bergwäldern  die 
Silenen  und  Satyre,  und  der  Felskletterer  Pan, 
mit  dem  ähnlichen  Bocksgotte  der  Aegyptef  ver- 
mifcht;  aus  theiTalifchen  und  arkadifcben  die 
rofsftampfenden  Kentauren;  aus  Phfygien  der 
tnyftifcbe  Sabazios  mit  Hörnern  und  Flügeln; 
Alts  der  libyfchen  Sandwtifte  Zeus  Ammon  mit 
Widderhörnern ,  die  Alexander  und  defTen  Nach« 
kommenfchaft  entlehnte.  Erft  jezo  trug 
keimende  Kuhhörner,  und  endlich  völlige 
Kuhgeftalt,  die  jungfräuliche  lo,  mit  der  aegyp« 
tifchen  liis  vermengt;  Kuhhörnerauch  die  durch 
Thau  befruchtende  Selene  der  Orfiker  (Ä  8»  Ä)f 
der  ^man  zugleich  Kühe  vor  den  Luffcwagen  zu 
fpannen  anfing« 

Wie  wollten  Sie  früher  einen  gehörnten 
Z)iofia/oi  erwarten ?  Nach  Diodor(4,  4)  erhielt 
Dionyfos  die  Hörner  durch  Verwechfelung  mit 
dem  phrygifchen  Sabazios,  dem  nächtlich  ver- 
ehrten Sinnbilde  der  Anpflanzung:  diefer  habe 
^uerft  mit  gejochten  Rindern  die  Saat  beftellt; 
daher  fti  gehörnt  fein  Antllz.  In  dem  orfifchen 
Hymnus  (51,  2)  wird  er  unter  vielen  anderen 
Umdeutungen  auch  rxvgomeui ,  fiierhorniger »  an« 

S 


\  ■ 

1274    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    II.  B. 

gerufen.  Den  Myßikern  alfo  gehört  wohl 
c  ßMKe^ua  ixuxoQi  der  farretigehürnte  ^acchos, 
bei  Sofokles  {Strab.  15  p.  687);  ohne  dafs  wir 
eben  von  dem  Namen  Satyr,  den  ein  Dichter 
bei  Cafaubonus  (  SaL  i,  2  p,  49  )  dem  Sohne  der 
Semele  beilegt ,  feine  Stirnknollen  und  daraus 
verlängerten  Hörner  ableiten  dürfen. 

Ein  Ähnliches  Symbol  der  Anpflanzung  war 
Beben  9  jener  kampanifche  Mannftier,  der  auch 
auf  ficilifchen  Münzen  nicht  feiten  ift.  Der 
fiierhauptige  Minotaurosy  ebenfals  ein  fpäteres 
Fabelfantom,  ward  meines  WUTens,  obgleich 
Herr  Heyne  es  keck  vermutet  (^AnU  Auff.  i 
S.  20),  niemals  verehrt;  als  Ungeheuer  enthält 
er  nichts  myftifches  für  den  Enträzeler. 

Dem  befruchtenden  Dionyfos  gaben  die  Myfti* 
ker  unter  andern  das  Beiwort  «/oAo/tÄflf ^oc ,  vkU 
geflaltig  {Orph.  H,  j^g^  5);  anzudeuten,  wie 
es  fchcint^  dafs  vielfach  des  Wachsthums  Säfte  üch 
umbilden.  Gleich  dem  homerifchen  Proteus  und 
anderen  Waflergöttern,  verwandelte  fich  je?t 
Dionyfos  in  jede  Geftalt.  Als  Löwen  fand  ihn 
Horaz  (2  Od.  19}  in  einem  alten  Gigantenkampf; 
in  anderen  Gedichten,  die  Nonnus  (40,  41) 
ausfchrieb,  wechfeite  er  als  Unthier»  als  Feuer, 
als  Baum  und  WafTer.  Und  bei  Euripides  (  Bacch^ 
1015)  fingt  ihm  der  Chor: 


VIERUNDDREISSIGSTER   BR,      ^75 

^Og»9^ai  ACMv! 

Erfchein  als  Scier,   erfchein  vielhauptig  anzofchaan 
Ein  Drach'»  und,  in  ftralender  Glut 
pas  Antliz,  eiu  Leu! 

In  gleicher  Geftalt  und  Wandelbarkeit  erfchie« 
nen  nunmehr  auch  viele  der  befruchtenden 
Stromgdtter.  Pindar  befang  (  Seh.  IL  21 ,  194), 
wie  Heraktes  dem  ftierförmigen  Achejloos  ein 
Hörn  abbrach ;'  lind  nach  Sofokles  warb  Acheloos 
um  Deianeira  (  Track.  11): 

^«iroiy  «vrKf7vc  rav^oQf  ctk^or*  atoAoQ 
Af»xu¥   sAtxTOQf  ffAAor*  avigSfU  tvt^ 

KffUVOt     iltg^MtVOVTO     X^itVmH     9F0TH, 

Bald  handelnd  ats  Scheinbarer  Stter»  gefprenlcelt  bald 
Als  Drache  rollend,  bald  In  Bildung  eines  Manns 
Stlerhauptig ;  und  herab  vom  fchattenreichen  Bart 
Verfprudeltcn  Urquellen  riefelndes  Geiränk. 

.Wegen  der  Stierbildung  nennt  Euripides  CfyJ^» 
in  Aul,  275 )  auch  den  Alfeos  r«t/^oirwy  >  den 
ßkrfUßigen.  Häufiger  wurden  ihnen  nur  Stier- 
bäupter  oder  Stierhörner  g^mahlt  i^ei,  var.  hiß» 
A»  33)*  Ob  man  hierdurch  aufser  Anbau  un^ 
Befrachtung  noch  Nebenbegriffe  von  Kraft  und 

S  2 


a7<5     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    II.  B. 

Gebrüll  andeuten  wollen,  fei  dabingeftellt.  An* 
deutung  der  Fruchtbarkeit  beweift  der  Bacchus 
in  Geftalt  eines  liegenden  Flufsgottes,  welchen 
Lefling  in  den  Kollektaneen  ( i  S.  132 )  aus  Ma- 
nillis  Befchreibung  der  Villa  Borghefe  anmerkt. 
Die  Statue  hat  einen  Traubenkranz »  und  in  der 
Hand  ein  Füllhorn  mit  hervorgehenden  Trauben  j 
dabei  fteht  ein  fpielender  Knabe. 

Auch  der  Stammvater  der  Ströme,  der  krei- 
fende  Weltftrom  Okeanos ,  heifst  bei  Euripides 
iOreß.  13^8)  '»'««'ffl^f«"»«»  d^r  flierhauptige. 
Zur  Abwecb feiung  ward  ihm  (^IVink.  Mon.  ined. 
f.  25)  >  wie  der  Amfitrite  und  den  Tritonen, 
manchmal  ein  Paar  aufragender  Krebsfcheeren  an 
die  Scheitel  gefügt. 

Den  Herfcher  des  inneren  Meers  Pofeidon 
wollen  Grävius  und  .Winkelmann,  durch  den 
wunderlichen  Tzetzes  bei  Hefiodus  (Scut  ff. 
104)  irre  geführt,  ebenfals  mit  einem  Stierhaupt 
oder  mit  Stierhörnern  vorgeftelltwiffen  j  in  ihrem 
Gefolge  wollen  es  die  Herren  Heyne  und  Hermann 
(Handb.  2  S.  265).  Welche  Ehre  indefs 
Pofeidon  inftändig  verbitten  mufs,  weil  er  nicht 
Anfprüche  macht,  ein  Beförderer  des  Anbans  zu 
fein.  Nur  Weide  fflr  gröfseres  Vieh  giebt  er 
hie  und  da  an  niedrigen  Meerufern;  und  nur  des« 
wegen  nennt  ihn  Hefiodus  rccuetav,  den  ßiernäk* 


VIERUNDDREISSIOSTBR  BR.       2^7 

rinden :  fo  wie  er  von  andereir  iTrttm  oder  iwna-, 
wcffsiiaiv,  der  Roßpfldger  oder  Roßtränker^  ohne 
darum  Mähoe  und  Huf  zu  bekommen ,  genannt 
wurde. 

Aber  wozu  weitläuftige  Gründe  gegen  den 
grundlofen  Ausrpruch?  Es  ift  nicht  wahr,  fei  die 
kurze  Abfertigung,  dafs  die  älteften  Gottheiten 
Griechenlands  Hörner  und  SchwSnze  hatten. 

Wenn  doch  einer»  den  die  weife  Mutter 
Natur  zum  folgfamen  Nachfprecher  ausriiftete, 
nicht  für  fich  felbfl:  auf  Entdeckung  ausgefan, 
nicht,  wie  der  ätnäifche  Rofskäfer  des  Ariftofa- 
nes»  ein  Pegafus  fein  wollte!  ' 

n«fffdo|«  ruv  ravTti !  rief  Lucians  Notus  beinx 
Anblick  der  entrinderten  lo:  m%  tn  r«  xffAr«»  »de 
»f « ,  «AA*  fT«f«f0f  leofif.  Wie  fonderbar  doch! 
ruftunfer  Mythenphiiofoph  bei  feiner  Kallipyga: 
nicht  mehr  Hörner  und  Schwanz,  fondern  ein 
liebenswürdiges  Mädchen! 


XXXV. 

^uverläffig,  mein  Freund.  Auch  zu  Zwittim 
macht  Herr  Heyne  die  fämtlichen  Gottheiten  der 
griechifchen  Vorwelt^  damit  ihr  doppeltes  Ge^ 
fchlecht  ihm  die  belebende  Naturkraft  andeute. 

S3 


178    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    II.  B. 

Was  fage  ich,  er  macht  fie  dazu?  Nein,  er  wie- 
derholt gläubig,  was  Gefsner  bei  der  orfifchen 
Argonautik  (v.  14),  und  was  fein  Orakel  Win- 
kelmann im  Eingange  der  Monumenü  inediHf 
ihm  offenbarten. 

Gefsner  beweift  das  Doppelgefchlecht  des 
orfifchep  Zeus  (fr.  6,  11),  der  Selene  ( i?.  8>  4)f 
der  Athene  (Ä  31,  10),  der  m/e  (//.  41 ,  4% 
des  Eros  (Arg.  14),  und  des  gleichfinnigen 
Protogonos  C  fl.  5 ,  1 ) ;  zu  welchen  im  Regifter 
noch  Dionyfos  QH.  29,  2),  und  Korybas  {H. 
38»  5)»  fich  gefeilen.  Aus  diefer  Aufzählung 
folgert  er  Allgemeinheit. 

Kürzer  erklärt  fich  Winkelmann:  "Orfeus, 
•'einer  der  Religionsftifter  der  Griechen,  um 
"allegorifch  die  Herablaffung  Gottes  zur  Men- 
^'fchennatur  auszudrücken,  dichtet  dem  Zeus  ein 
*^ zwiefaches  Gefcblecht  an,  indem  er  fagt:  ' 

«'Zeos  ward  ]VIann  von  Geßalt,  Zeus,  ward  un^erbliche 

Nymfe.  -  , 

«Und  diefe  Vorftellong  hatten  die  Alten  von  tdUn 
**GottheiUnf  die  fie  deshalb  «frm5vAfi(,  Mann- 
**weiber,  nennen.  ^, 


FÜNFUNDDREISSIGSTER  BR.       279 

Diefen  Saz,  durch  einige  Wahrnehmungen 
des  Seldenus  gefchmückt,  trug  Herr  Heyne  in 
den  Lehrftunden  vor,  wo  Ihre  und  die  Herman- 
nifchen  Hefte  (^Handb.  2  S.  23.  462-464)  ihn 

alfo  auffafsten:  v 

<<  In  den  älteften  BUchern  ift  die  Vorftellung, 
**dafs  die.  Götter  beiderlei  Gefchlecht  haben; 
"f.  Gesu.  ad  Orph.  Arg.  v.  14.  Dies  war  ein 
**Saz  der  orllfchen  Phiiofophie,  um  die  Wirk- 
**famkeit  der  Natur  in  der  allgemeinen  Zeugung 
**zu  bezeichnen;  denn  ohne  beide  Gefchlechter 
**l?ifst  fich  keine  Fertilität  denken.  Hieraus  er- 
" klären  fich  viele  Gebräuche  der  Babylönier  und 
"anderer  alten  Völker,  auch  der  Dienft  der 
"Naturgöttin  Venus  Aftarte.  Dahin  gehört  auch, 
<*  dafs  viele  Gottheiten  mit  einem  tüchtigen  Phal- 
**lus  vorgefteltt  wurden,  der  nachmals  nur  eini* 
"gen  blieb,  vorzüglich  dem  Priapus,  deffen 
"Dienft  fich  in  Lampfakus  am  längften  erhal- 
"tenhat.  „ 

Sollte  der  Mann  fich  felbft  wohl  begreifen  ? 
Er  verfpricht,  aus  den  älteften  Biichern  das  Dop- 
pelgefchlecht  der  Götter  zu  befcheinigen.  Unfere 
Erwartung  ift  gefpannt,  wo  doch  irgend  im 
Homer  oder  Hefiodus  oder  einem  der  nächftfol- 
genden  nur  eine  Vermutung  von  Zwittergöttern 
zu  finden  fein  könne.     Aber  fo  ernfthaft  meint 

S4 


agO    MYTHOLOGISCHER  BRIEFS   II.  B. 

er  es  nicht.  Aus  der  orfifchen  Philofophie  wird 
der  Beweis  geführte  das  beifst,  aus  der  Sinn- 
bildnerei  der  fpäten  Orfiker,  die  ihren  mylüfcbeQ 
Gottheiten  jede  neae  VernunftwJihrheit  aus  den 
Schulen  der  Weltweifen  als  urrprUngliche  Be* 
deutung  anlogen.  Aus  den  unzüchtigen  Gebräu- 
chen der  Babylonier  und  anderer  alten  Völker; 
befonders  aus  dem  Dienfte  der  phönicifchen 
Aftarte,  die  mit  der  gr;echifchen  Liebesgöttin 
einige  Aehnlichkeit  hatte.  Und  wenn  das  alles 
nicht  zureicht  9  aus  dem  unmäi^igen  Zeichen  der 
Männlichkeit,  womit  der  lampfacenifche  Feld- 
gott und  andere  feines  gleichen  im  ipätereo 
Alterthume  gebildet  wurden. 

Hütte  Herr  Heyne  doch  jemand  um  fich,  der 
ihm  das  Ding  mit  der  orfifchen  Philofophie  ein-* 
mal  recht  aus  einander  fezte,  damit  er  Ruhe  be* 
käme  vor  den  Neckereien  der  fymbolifchen  Ge* 
fpenfter. 

Die  Orfiker  und  andere  Geheimniskrämer 
nahmen  im  Zeitalter  der  Weltweisbeit  eine  auf- 
fallende Ofienherzigkeit  an.  Ein  Glaubenslied 
nach  dem  andern »  bald  in  diefer^  bald  in  jener 
Geftalt,  trat  unter  dem  ehrwürdigen  Namen  ihres 
Altvaters  ins  Freie:  um»  was  feit  kurzem,  vom 
Lichte  der  Vernunft  entdeckt,  oder  zum  Wahr- 
fcbeinlichen  gebracht,  den  Gemeinfinn  umlenkte. 


FÜNFUNDDREISSIGSTER  BR.       2^1 

tiefes  in  myftifche  Sinnbilder  gehüllt  dem  uralten 
Schaz^  des  Heiiigthums  zuzueignen.  Nicht  ein* 
mal  Widerfprliche  mit  lieh  mieden  in  ihrem  Eifer 
die  andächtigen  Brüder»  felbft  Ober  die  damals 
U'ichtige  Frage  von  der  Geftalt  der  Erde;  die 
*^inig^  mit  der  ionifchen  Schule  für  flach,  andere 
mit  den  itaUrchen  für  rund  ausgaben.  Allen  alles 
zu  fein,  war  ihr  Wahlfpruch. 

Ihrer  prtefterlichen  Weltklugheit  fehlen  es  der 
ernfthafteften  Aufmerkfamkeit  werth,  wie  jene 
iiegreiche,  aus  allen  Schulen,  obgleich  mit  ver* 
fchiedenen  Beftimmungen,  hervorbrechende  Lehre 
vom  Einem  Naturgott  unfchädlich  für  ihren 
Orden  gemacht  werden  könnte.  Den  Strom  ab- 
zudiCmmen,  «verzweifelten  fie  nach  einigen  mis- 
lungenen  Verfuchen ;  ihn  zu  lenken  und  zu  eige- 
nem Gebrauch  anzuwenden»  ftrebteh  fie  jezt» 
nicht  ohne  glücklichen  Erfolg. 

Unfere  vielfachen  Gottheiten,  fangen  fie, 
anlockender  durch  halbe  Enthüllung  u^d  fchmei- 
cbelnder;  unfere  für  den  fchwachen  Sinn  der 
Sterblichen  gebildeten  Gottheiten,  fo  viele  wir 
auch,  theils  mit  dem  Volke  gemeinfchaftlich, 
theils  aus  befonderen  Ueberlieferungen  für  uns 
in  heiliger  Abgefchfedenheic  anbeten:  was  fin^ 
fie  denn  anders  im  Grunde,  als  kernhafte  Sinn- 
bilder von  den  mannigfaltigen  Eigenfchaften  des 

S5 


28^    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B, 

tinerforfcblichen  Einen.  Und  alle  cfie  Götter- 
zeugiingen,  wovon  eure  Volksdichter  und  unfere 
gevveiheten  Brüder  fingen  v  was  ftellen  fie  dem 
Nachdenkenden  vor,  als  des  Alleinigen  allwir- 
kende Schöpfungskraffc  ? 

E/C  ^iOi  SV  tFOtvTfffffi'   ri  9M  itx*  reevT*  «yo^suul     . 

Ein  Zeus ,  Ai'des  Ein ,  Ein  Helios ,  Ein  Dionyfos ! 
Ein  Gott  valtet  in  Allem!    V^as   nenn'   ich   dir  jenes 
gefoudertS 

Jener  vielnamige,  namlofe,  unter  fo  manchen 
finnbildlichen  Verehrungen  angelallte  Natui^ott 
oder  Wcitgeift  fchaft  ja  und  zeugt  aus  fich  felber. 
Er  ift,  wie  ihr  ihn  auch  mit  dem  Volke  benennen 
wollt,  in  fymbolifcher  Sprache  zu  reden,  zu- 
gleich Mann  und  Weib ,  «ff i yo5if avc 
• 
Gefsner  könnte  demnach  wohl  Recht  haben, 
alle  myftjfchen  Gottheiten  der  Orfiker,  die  uns 
enthüllt  worden  find ,  als  Mannweiber  zu  be- 
trachten. Ich  füge  zu  den  aufgezählten  noch 
den  Zwitter  Phanes  bei  Proklus  (i«  Tim.  3), 
und  die  Notkwendigkeit  oder  Adrafteia  bei 
Damafcius  (dip    f^mr.   13),    welche   a^ffsvoBttÄu^ 

hiefs,    7foc  sv$et^tv  r\iq  tfxvtuv  ytvviiTtttitc  atrtxQf  ftfH 

ihre  aüerzeugende  Wirkung  zu  bezeichnen. 


fUnfunddreissigsteir  jäk.     ^83 

Aber  was  haben  jene  untergefchobenen  Lebren 
des  Orfeus  mit  dem  Alterthum  gemein?  Nichfc 
einmal  beweifen  fie,  dafs  vorTbates  bereits  did 
Orfiker  nnd  ähnliche  Brüderfcbaften  den  Gott- 
heiten ein  zwiefaches  Gefchlecht  beigelegt; 
wovon  ja  felbft  in  des  bilderreichen  Pberecydes 
NachlafTe  keine  Spur  zu  vernehmen  ift:  viel  weni« 
ger  9  dafs  Homers  Zeitgenoflen ,  oder  fogar  vor- 
homerifche  Hellenen  und  Pelasger,  die  Götter 
als  Mannweiber,  in  GeheimnifTen  oder  öSent- 
licher  Verehrung,  fich  vo^geftellt. 

Homers  Götter,  und  aller  folgenden  Dichter, 
wenn  wir  die  Myftiker  ausfchliefsen,  find  Eine« 
Gefchlechts,  entweder  Mann  oder  Weib,  durch 
deren  Vermifchung  unter  einander  und  mit  Sterb- 
lichen jüngere  Götter  und  Heroeh  erzeugt  wor- 
den.   WiSen  Sie  eine  Ausnahme? 


XXXV  L 

\J  nicht  doch,  Graufamer,  nicht  die  holdlä- 
chelnde Afrodite!  Nur  eben  des  fcheufeligen 
Schwanzes  entledigt,  foUte  fie  gar  zur  fymboli- 
fchen  Zwitterfchaft  fich  bequemen? 

Wo  ein  Ausweg?  feufzen  Sie;  Homer  nennt 
fie  nun  einmal  Kypris,    Ih  jCyprus  aber,  Herodot 


384    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    II.  B. 

(  ( t  105  )  und  Paaranias  ( i  p*  37  )  find  Bürge, 
ward  die  uranifche  Afrodite  verehrt ,  deren  Dien& 
von  den  Syrern  oder»  wie  fie  auch  hiefsen, 
AiTyrern  ftammte,  und  durch  Phönicier  nach 
Cythere/  durch  Aegeus  nach  Athen,  durch 
andere  anderswohin,  überging.  Und  das  Bild 
der  Venus  in  Cyprus  befcbreibt  Makrobius  (5a#. 
3,  g):  es  fei' bärtig,  ia  weiblicher  Kleidung, 
mit  einem  Scepter  und  männlichen  Wuchs;  man 
glaube,  fie  fei  zugleich  Mann  und  Weib;  Arifto- 
fanes  nenne  fie  Afroditos;  auch  bei  Lävinus 
werde  fie  mit  Ungewifsheit,  ob  Mann  oder  Weib, 
angerufen;  und  Philochorus  in  der  Gefchichte 
Ton  Attika  melde,  die  felbige  fei  der  Mond,  dem 
Männer  in  weiblicher  Kleidung  opfern,  und 
Weiber  in  männlicher,  weil  der  felbige  fowohl 
Mann  fcheine,  als  Weib.  Dem  Makrobiua  flimmt 
Servius(if^».  2^,  632)  bei,  mit  der  Abweichung, 
der  bärtigen  Venus  in  Cyprus  habe  Leib  und 
Kleidung  vom  Weibe,  einen  Scepter,  und  — 
das  Abzeichen  des  Mannes.  Imgleichen  Hefy- 
chius,  der  unter  Acpfohro^  aus  einer  Schrift  über 
Amathus  berichtet ,  in  Cyprus  werde  die  Göttin 
als  Mann  mit  einem  Barte  vorgeftellt.  Auch 
Suidas  gedenkt  der  bärtigen  Afrodite,  die 
männliche  und  weibliche  Werkzeuge  habe ,  weil 
iie  die  Auffeberin  aller  Erzeugung  fei ;  von  der 
Hüfte  hinauf  fei  fie  Mann,  unterwärts  Weib. 


SECHSUNDDREISSiaSTER  BR.      2^$ 

Das  fiebt  ja  betrübt  aus;  doch  lafTen  Sie  nns 
näher  gehn.  In  Cyprus,  verfirhern  Spätere, 
wovon,  wenn  Ariftofane^  der  Grammatiker  ift, 
keiner  über  den  vierten  Ptolemfius  hinanfreichtf 
ward  eine  bärtige  Zwitterafrodite  verehrt,  mit 
einigen  dogmatifchen  Unbeftimmtheiten  der  Be- 
deutung und  der  Geftalt.  War  dies  jene  Himmels- 
göttin  aus  Syrien ,  mit  welcher  der  Grieche  dei 
Uranoa  Tochter  Afrodite  verglich  ? 

Verglich,  fage  ich :  wie  Pofeidon  und  Athene 
mit  libyfchen  Gottheiten ,  Pan  und  Bacchus  mit 
ägyptifchen ,  Apollon  und  Artemis  mit  wefteuro- 
pifchen,  verglichen  wurden«  Die  Abftammung 
der  cytherifchen  Afrodite  aus  Cyprus  oder 
Phönicien,  die  Herodot  fich  gefallen  liefs,  war 
dem  älteren  Hefiodus  fo  unbekannt,  dafs  er 
(^Theog.  192)  grade  das  Gegentheil  fang:  Afro- 
dite, aus  der  verftümmelcen  Mani^eit  des  Üranos 
im  Meerfchaum  erwach  fen,  fei  zuerft  in  Kythere 
gelandet,  und  von  dort  nach  Kypros  gekommen. 

Es  wird  fleh  ausweifen,  ob  den  älteften 
Vorfteliuogen  der  Urania  etwas  Männliches 
beiwohne. 

In  Theben  fah  Paufanias  (9  p.  56Ö)  drei  alte 
hölzerne  Bildniffe  der  Afrodite  neben  einander, 
iKe  der  Sage  nach  von  des  Kadmus  Gemahlin 
Harmonia  aufgeftellt  fem  foUten:  die  himmVifche, 


ag6    MYTHOI-OGISCHER  BRIEFE  II.  B. 

ugavmy  welcher  Paofaaias  unvorfichtig  den  erba- 
benen  Sinn  der  umdeutenden  Sokratiker  beileget; 
^ie   gemmtf    a-Äv^Hfio« ;    «nd  <ii«    abwendende^ 
«;tot??^i«-    Di«  Abzeichen  fcheinen  ihm  zum  An- 
führen allzu  bekannt  oder  unerheblich.     An  dem 
uralten    Bildniffe  der   himmlifchen  Afrodite   in 
Cythere  fand  er  (3  p.  207)  gleichwohl  die  Be- 
wafnuag    nierkwürdig,     die     auch    in    Sparta 
(3  P-  190)  Jhtn  aufFieh     Würde  er  des  Barts  und 
der  Männlichkeit  nicht  erwähnt  haben?  Möglich, 
dafs  auch  in  Cyprus  die  Urania  mit  einem  Spiefse 
bewafnet  war,  da  Hefychius  dort  eine  srx^to;  *) 
kannte.     Auch  auf  Münzen  der  römifchen  Kaifer 
erfcheint  die  himmlifche  Venus  mit  einem  Spiefs 
und  anderer  Wehr.      Dagegen  in  den  Gärten  zu 
Athen  fah  Paufanias  (l  p.  33)  ^e  blofs  als  ein 
vierecktes  Bild,    wie  ein   Hermeszeichen,    roh 
Vorgeftellt,   mit  der  Auffchrift:   die  himmlifche, 
Afrodite ,  die  aUefle  der  Maren.    Wahrfcheinlich 
War  diefe. Fabel  aus  der  Theogönie  des  Epimeni- 
des,  bei  welchem  i  Seh.  Soph.  Oed.  C  42)  des 
Kronos  T<5chter   genannt   werden  die  goldene 
Afrodite,   die  uofterblichen  Mören,  und  die  ge- 
fchenkreichen  Erinnyen. 


t)  Nicht  Enchesa ,  wie  Herr  Heyne  CAnu  Anff  i  51 138) 
fie  nennt.  Die  Endigung  OQ  mttfste  ja  ihm  bei  einer 
Manngöttin  angcuchm  fein. 


SECHSUNDDREISSIGSTER  BR.      287 

In  Cyprus  war  die  ältefte  Vorftellung  der 
Liebesgöttin    zu    Pafos   {Tac.   Ann.    3,    62): 
wohin  fie  bereits  bei   Homer  aus  des  Gemahls 
Banden  entflieht*     Das  Bildnis  war  ein  Tpizge-, 
i:Undeter  Kegel  ^Tac.  Hiß.  a,   3),   oder,  wie 
Maximus  (38)  ß«gt,  eine  weifse  Pyramide.   Eine 
pergamenifche  Münze  (^Spanh.  num.  ant.  g,   6) 
zeigt  den  gefpizten  Kegel  mit  einem  Knopf  oben» 
zwifchen  zwei  Pyramiden ,   mit  der  Unterfchrift 
nAoiA,     Es  .ward   alfo   noch   fpät  die   pafifche 
Afrodite    durch    ein    altvätrifches    Schnizwerk 
({oavov)  eigentlicher  vorgeftellt,  als  in  Menfchen- 
geftalt   (p?«T«c)  gebildet.     Für  ilir  eigenes  Bild 
^i^^ennt  die  pafifche  Kythereia  Celh&f  in  Piatons 
Epigramm  (^Antk.  4,  12  p.  323),  des  Pra.\iteles 
knidifche   Afrodite:     die    fo   wenig  männliches 
hatte,    als   die   Abbildung  bei  Anakreon  (51), 
wo  fie  doch  Kypris  und  Pafia  genannt  wird. 

Ob  demnach  jene  bSrtige  Mänpin,  welche 
Hefychlus  aus  einer  Schrift  über  Amathus  anführt» 
wohl  die  amathufifche  Afrodite  fein  könnte» 
deren  Tempel  ( Tac^  Ann.  3 »  62 )  nach  deni 
paiifchen  erbaut  worden  war?  Ich  fürchte,  wir 
werden  auch  hier  abgewiefen.  In  Amathus,  Tagt 
Stefanus,  ward  Adonis  Ofiris  verehrt,  ein  ägypti- 
fcher  Gott,  den  die  Cyprier  und  Phönicier  ilch 
zu  eigen  gemacht;   Natürlich »  follte  man  denken, 


288     MYTHOLOGISCHERBRIEFE   II.  B. 

auch  die  pKönicifche  Afrodite  Urania,  die  Gattin 
de.3  Adonis,  die  der  Orfiker  {tvx*  41)  zufani- 
tnenftellt.  Wer  aber  vermag  diefe  bei  Theokrit 
.und  Bton  fo  innig  wehklagende  Geliebte  des 
fchönen  JUnglinges,  wer  vermag  iie  mit  einem 
Bart  nnd  anderen  Mänr)Iicbkeiten  lieh  aufzndrin* 
gen?  Ihr  Bildnis  auf  Libanon ,  nur  dies  findet  Ma« 
krobius  (^Sat  i »  2(  )  bemerkenswürdig ^erfchieh 
traurend,  mit  verhülletem  Haupt,  das  Geficht 
mit  der  Linken  ftüzend,  und,  wie  man  ficb  ein« 
bildete,  weinend. 

.  Selbft  an  der  fyrifchen  Urania,  die  als  Mond- 
götcin  am  Hinomel  herfchte,  haftete  auch  fe'fpä- 
terer  Zeit  nicht  einmal  ein  Nebenbegrlf  vom 
Manne :  welches  doch  unvermeidlich  war  bei 
häufigeren  Vorftellungen  einer  Zwittei^eftalt. 
Oppian  im  Eingange  feines  Jagdgedichts  (1,6) 
nennt  Severs  Gemahlin  eine  affynfche  Kythereia 
und  nie  abnehmende  Selene :  fchwerlich  wollend, 
da&  man  ein  bärtiges  Mannweib  verftehe.  Und 
Herodian  (5,  6)  meldet,  Heliogabal  habe  ein 
uraltes  Bildnis  der  Urania  aus  Karthago  genom- 
men, welches  Dido  gebracht  haben  foUte.  Die 
Libyer  nannten  es  Urania,  die  Phöriicier  Aflro* 
arche^  oder  Sternkönigin  ^  für  die  Mondgöttia 
fie  ausgebend,  die  fchon  d^r  Orfiker  (Ä  8>  10) 
«rf«fxv  anruft«     Schicklich  fei  alfo,  fagte  der  als 


SECHSUNOORBISSIGSTER  BR.        289 

Helios  verehrte  HcliogabaU  die  Vermählung  des 
Helios  und  der  Selene.  Wie?  eine  bärtige 
Männin  hätte  er  2ur  Braut  fleh  erkohren  ? 

KnrZt  ich  fehe  kein  Mittel,  die  cyprifche 
Bartgöttin  9  deren  Bekannt&baft  wir  den  Gram« 
matikerü  fchuldig  findf  wed^r  mrt  der  paii&hen 
Afrodite ,  noch  mit  der  amathufifchen , .  noch 
überhaupt  mit  der  Urania,  es  fei  der  Phönicier 
oder  der  Griechen  j  zu  vereinigen« 

Die  hochtönenden  Namen  der  fyrifcheti 
Atargatis  und  Derceto ,  der  pfaönicifchen  Aftarte» 
der  babylonifchen  Salambo ,  Mylitta  und  Benoth, 
lafien  wir  ganz  aus  dem  Spiele.  Wir  wüTen  von 
allen  kaum  mehr  als  nichts;  und  was  wir  mit 
Seldenus,  der  die  Bartgöttin  ohne  Umftände  nach 
Syrien  hinüber  nimt,  noch  kümmerlich  z\a 
wiffen  uns  überreden :  wer  ftehf  uns  dafür ,  ob 
es  urfprünglicb  fei,  oder  ob  auch  der  fyrifche 
Pfaffe  zu  Umdeutungen  genöthigt  worden.  Eine 
Bedenklichkeit,  die  auch  den  Enträzelern  ägyp« 
tifcher  Bilder  nicht  undienlich  fein  möchte* 
Der  Grieche  wenigftens  unterfchied  die  fyrifche 
Göttin,  deren  Lucian  gedenkt,  von  feiner  urani« 
fchen  Afrodite.  Beide  fand  Paufanias  (  8  p»  45 1 ) 
zu  Aegira  in  verfchiedenen  Tempeln  und  mit  ab- 
weichenden Gebräuchen  verehrt;  und  bei  Apu* 
lejüs  (^Mit.  8  P*  ^^3}  wird  nacli  der  fyrübhen 

T 


290    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   II.  B. 

Göttin  die  Herfcherin  Venus  mit  ihrem  Adonli 
befonders  genannt. 

Zur  allegorifchen  Ümdentung  gehört  ficher, 
was  oben  Makrobius  ans  der  Atthis:  des  Philo- 
chorus,  der  unter  Ptolemäus  PhUopator  und 
Epifanes  Priefter  in  Athen  war,  von  der  halb- 
männlichen  Afrodite.als  Mondgottheit  anführte. 
Die  Griech^n»und  Aegypter,  fagt  Aelius  Spartia* 
nus  im  Leben  des  Karakallay  nennen  den  Mond 
zwar  im  weiblichen  Gefchlecht  Göttin,  aber 
inyjlifch  nennen  fie  ihn  Gott, 

Was  würde  denn  mm  aus  unferer  cyprifchen 
Bartgöttin  Afroditos?  Nichts  anders,  fo  viel 
ich  abfehen  kann,  als  einp  fpätere  Abbildung 
der  Myftiker,  die  mehr  folcher  fymbolifcher 
Scheufule  zutaxavaeöfezteii.  Ein  ähnliches  Un- 
wefen,  wie  bei  dem  Orfiker  (fl.  8)  die  zwitter- 
hafte gehörnte  Selene,  die  fruchtbringende 
Sternkönigin. 

Aber  es  gelte  xum  Spafs,  Afrodite  als  Gott* 
6eit  der  Erzeugung  fei  fchon  in  Homers  Zeitalter 
myftifch  mit  zwiefachem  Gefchlecht  erfchienen  ; 
und  grade  dies,  famt  dem  ehr^Vürdlgen  Barte^ 
fcabe  den  Ares  *)  Und  den  lüfternen  Hermes  fa 

m,  •      I      I    .      1.      ■    r i r     ■      ^l    I  .,. ^ i_S — V.      <■  t 

*»)  «*An  didfcm  Beifpfcl,  „  fagtHerr  Heyne  (^Ant.  Anff.  t 
•    51  t^^T  ''lälstfich  recht  deutückjnach^i  wie  ciu« 


SECHSUNDDREISSIGSTE&   BR,     39I 

entfiammt  Waren  es  darum  auch,  die  übrigen 
Gottheiten ,  auch  die  von  ganz  anderer  Bedeu« 
tung,  felbft  Ares  mit  eingefchlofftn,  und 
Hermes,  und  der  fchöne  Apollon?  Auch  dies 
fei  dem  Herrn  Heyne  gefchenkt ;  nur  fage  er  un«»  ^ 
wodurch  Hermafrodittis  y  des  Hermes  und  der 
Afrodite  zweideutiges  Kind  {Diod.  4f  6),  fich 
auszeichnete.  Er  fage  uns«  warum  die  Götter 
vor  der  Zwittergeftalt  des  phrygifchen  Attes  oder 
Agdillis  mit  Entfezen  zuriickfuhren ,  als,  nach 
der  Erzählung  der  Galater  bei  Paufanias  ( 7  p^^ 
430),  ihn  die  Erde  aus  der  verfchütteten  Kraft 
des  fchlafenden  Zeus  gebahr.  Diefe  Mährchen 
find  neu  ;  ich  weifs  es.  Dedo  mehr  aber4)ewei« 
fcn  fie,  dafe  die  myftifche  Lehre  vom  Doppel-, 
gefchlecht  der   Götter  nie  aufserhalb  dem  hei« 


«*  urfprÜnglich  gan«  philofophirche  Idee ,  fymbolirch 
"ausgedrückt,  ennlich  ein  glückliches  Sajet  fiir  die 
**  Kund  ^erd^ii  k»nn.  In  den  alten  Kosmogonien  Vard 
«*der  vorausgefezte  Streit  der  Elemente«  und  ihre  nach» 
^  ,  **  herige  Vereioigung  zur  Schöpfung  oder  Bildung  der 
"Welt  auf  vielfache  Weife  vorgeftellt.  Dahin  gehört 
**die  Eris,  der  Eros,  und  endlich  Mari  und  Venus, 
•»vereiniget  urtd  als  Elftrn  der  Harhionie.  „  Wjis  giltj, 
jene  Vereinigung  ift  eine  (innreiche  Aikdeutung  d«t 
Zvittergefchlechts  1  Das  Philöfophema  von  der  Erzea* 
gong  'uter  llannonia  ift'  aat  dim  Leti«a  Hoaletl  gc* 
Ichöpft  (r4  Cr«/,  p.  3dS^«  ^  . 

Ta 


29^     MYTHOLOGISCHER  BRIEFE    XU  B. 

ligen  Dunkel  der  Priefterfchaft  fich    fonderlich 

ausbreitete. 

Befremdend  ift  es ,  dafs  in  dem  antiquarifchen 
Auffaze  des  Herrn  Heyne  über  die  in  der  Kunft 
tiblichen  Vorftellungen  der  Venus,  wo  ein 
Langes  und  Breites,  auch  (S.  134)  **von  der 
**bald  irfchaffendeHi  bald  der  fich  erneuernden 
**und  zeugenden  Kraft  in  der  Natur,  bald  der 
*'  Natur  fetbfl,  einer  urfprüngUchen  Idee  in  Pko- 
**  nieten  f  Syrien  f  Cypern  /•  «/.„  zofammen- 
gerührt  worden,  gleichwohl  der  bärtigen  Afro- 
ditos  mit  keines  Sylbe  Erwähnung  gefcbieht. 
So  liebreizend  auch  die  holdTelige  Männin  ihm 
entgegen  wandelte;  Herr  Heyne  fühlte  fich 
tmruhig,  und  —  umrcbüch  fie< 


XXXV  tl. 

jSei  jenem  Doppelgefchlechte  der  alten  Gottheit 
ten ,  will  uns  gleichwohl  Herr  Heyne  nicht  Vor- 
enthalten ,  dafs  aü  einigen  die  männliche  Natur 
fich  wunderbar  austiehme«  Wie  genau  er  datf 
alles  erwogen  hat  \ 

.;  H\ixA\  die  Fruciidiarkeit  der  Natur  au62a-r 
^MfUcken,  „  lehrt  er  durchs  HermaiHi  (dS.  d^)^ 


SIEBENUNODREIS^ICSTER  BR.      393 

''ergrif  man  das  Zeichen  der  männlichen  Fracht* 
<< barkeit,  und  gab  mehreren  Gottheiten  gro&e 
**Priape,  welches  Symbol  befonders  in  der  orfi- 
**fcben  Religion  goutift  wurde,  in  welche  es  aus 
**Aegypten  her  war  aufgenommen  worden.  „ 

Ihre  Hefte  fügen  hinzu:  Nur  dem  Priapus, 
deflen  Dienft  inLampfaknsfich  am  längften  erhal- 
ten, fei  ein  folches  Symbol  unverkümmert  geblie- 
ben; und  man  habe  in  Berlin  fein  Biid  mit  der 
ünterfchrift :  PriapuSf  Erzeuger  der  Natur. 
Als  Gewährsmann  für  das  hohe  Alter  des  Priapus 
wirdLucian  {defaltat.)  genannt;  der  allerdings 
(p.  920)  die  bithynifche  Sage  anführt:  Priapus, 
ein  kriegrifcher  Dämon ,  der  Titanen  einer,  wie 
er  vermute,  oder  der  idäifchen  Daktyler,  habe 
den  jungen  Ares  znerft  im  W^flentanz,  dann  in 
der  Kriegskunft  unterrichtet,  wofür  er  von  Ares 
immer  den  Zehenten  der  Kriegsbeute  empfange. 

Auch  Phurnutus  ohne  Zweifel ,   der  ,grofse 

•£ntr%zeler  myflifcher   Philofopheme,    lag   de\n 

^Herrn  Hejme  im  Gedächtnis,   als  welcher  {de 

nat.  deor.  27)  in  finfterem  Ernfte,  was  Lucian 

lachend  zu  tbun  fcheinen  möchte,  einen  Pan  und 

Priaptis  >den  alten   Dämonen  beizählt ,    und  des 

'Priapus  geheime  Bedeutungen   fo  gründlich  als 

umßändlich    herausklaubet.       Den     ägyptifchen 

Urfpning  aber,    woher  follte  er  ihn  wifferi,  als 

T3 


^94    MYTHOLOGISCJaEit  BRIEFE  IX.B« 

ans  dem  lehrceichen  Sjuidas,  wo  Priapos  für  dea 
Horus  der  Aegypter  erkläret  wird  ? 

Es  macht  Vergnügen «  fo  etwas  anzofehn« 
Aus  den  dunftenden  SunipflacheB  der  fpätefteo 
Umdeutung  fchöpft  der  Mahn  feine  Weisheit, 
UDÄ  predigt  in  eins  weg,  ein  philofophifcher 
Mytbolog  mllfle  vor  allen  Dingen  die  urfprüng- 
lichfte  frifchefte  Auffprudelung  der  höcbften 
Quelle  bei  Homer  und  den  nächften  Alten  vor- 
iichtig  auffaflen;  damit  er  ja  nicht,  wie  die 
traumvollen  Gramhiatiker  und  neueren  Gelehrten, 
ganz  heterogene  ^rkVdrutigshyfoihefen  hinzu- 
mifche !  *) 

Weder  Homer,  noch  Hefiodus,  noch  irgend 
ein  alter  Dichter  bis  zu  den  orfifcben  Betriegem 
hinab  9  weifs  von  dem  garftigen  Natorgott  Pria- 
pus,  oder  von  einem  ähnlichen  Symbolträger. 


♦)  Ohw  Uypotheff  zeichne  das  Hermannifche  Werk  fick 
aus ,  nathdem  ÜT  dabin  faft  nur  Seher  und  TramH9r 
**  dies  Fach  behandelt :  „  —  verßcbert  Herr  Heyne  iu  d^r 
€öttii)gircheH  Kecenfion  des  zweiten  Bandes  (G*  Anz» 
1790  51  1515),  die  mir  fo  eben  vorkömmt,  Def 
v/egeti  räth  er ,  beim  Lefen  der  alten  Dichter  es  immer 
znm  Vergleichen  neben  ßch  Hegen  zu  haben.  Was  mag 
in  der  Recdnfion  des  erlten  Bandes  noch  alles  ftefaal 
Zwei  lobende  Vorreden,  und  hinterdrein  noch  zwei 
lobende  Recendonen.  Und  der  Gelobte?  Herr  Heyne 
fcM.  ^ 


StfiBENUNODUEISSIGSTKR  BR.      äQf 

Auch  nennt  nicht  einmal  ApoUodor  dtefen  nichi^ 
tigen  Priapns  der  Waldphilofophie.  Und  die 
Urftche?  <<DieferGott»  „  figtStrabo  (131^.588)^ 
** ward  von  den  Neueren  aufgenommen;  dena 
*'Hefiodus  kennt  keinen  Priapos;  fondern  et 
^'gleicht  den  attifchen  Gottheiten  OrtlianeSt 
**Koniflälos,  Tychon,  und  anderen  folchen,  ^^ 
Ja  Fulgentius  {voc*  ant.  interpr.  11)  bezeug<^ 
dafs  er  nur  unter  die  Semonen  oder  Halbgötter 
gerechnet  worden:  die  man  weder  des  Himmels 
würdig  achtete,  ihres  geringen  Verdienftes 
wegen,  wie  Priapus,  Hippo,  Vertumnus;  noch 
auch  zu  irdifchen  herabfezen  wollte,  aus  dank- 
barer Erkenntlichkeit. 

Priapus  war  urfpriinglich  ein  Feldgott  ia 
Lampfakus ,  einer  myfifchen  Stadt  mit  weinrei- 
chem Gebiete  (^Steph.  AaiA^^axog)  f  die  dem  The- 
«liftofcles  vom  perfifchen  Könige  zum  Weine 
gegeben  ward,  wie  Magneiia  zum  Brot,  und 
Myus  zum  Gemüfe.  ;  Der  Scholiaft  des  Apollo« 
fiiQs  (I9  933 }f  und  der  Etymologiker  (Aßagm) 
erzählen  mit  den  (eibigen  Worten,  Stefanus  im 
"Auszüge:  Den  Priapos  habe  Afrodite  dem  aus 
Indien  zurückkehrenden  Dionyfos  in  der  lampf«^ 
Jkenifchen  Stadt  Aparnis  oder  Abarnis  gebohren, 
durch  Bezauberung  aber  der  Here  fo  ungeftalt 
und  mit  fo.unmäfsiger  Scham ^  dafs  üe  ihü  au£*- 

T4 


.♦ 


»9^    MYTHOLOGISCHER  BRIEF£^  XI.  B. 

eünehmen  verfcbmäbt  {aitetfißMtsBxi),  wovon  der 
Ort  feinen  Namen  erbalten.  Tbeokrits  Scholiaft 
CI9  2t)  giebt  ihm  zur  Mutter  eine  Nais,  oder 
Chione,  und  macht  ihn  zum  Erbauer  der  Stadt 
PriapuH.  Nach  Afranius  (^Macr.  6,  5)  ertheilte 
ihm  die  Volksfage  fogar  einen  langührigen  Vater; 
es  fei  nun  Pan  oder  ein  Satyr  gemeint,  oder, 
.was  leicht  fein  könnte ,  das  beilige  Thier  des 
Priapus,  der  EfeU 

Jenes  Mährchen  weifet  dem  Prlapus  das  Zeit- 
alter an,  da  fchon  vom  indifchen  Zuge  des  Dio« 
nyfos  gefangen  ward.  Und  es  ift  ganz  in  der 
Ordnung,  wenn  die  gleichzeitigen  Sänger  der 
fpSteren  Titanen-  oder  Gigantenfchlacht  ihm 
«ucb  dort,  wie  feinem  Vater  Dionyfos,  und  dem 
neuerkannten  Pan  und  Süenus-mit  ihrem  Gefolge, 
Antbeil  am  Siege  gaben. 

Ein  Feldgott,  fage  ich,  war  Priapos;  nicht 
{)Iafs,  wie  man  zu  reden  fich  gewöhnt  hat,  Vor- 
tteher  der  Gürten.  «'Diefen  Gott,,,  meldet 
Pänfanias  (9  p.  588)9  ^'verehrt  man  auch  ander- 
<*wttrts,  wo  man  Ziegen  weidet  und  Schafe, 
"auch  wo  man  Bienenftöcke  beforgt;  aber  die 
^  Lampfakener  achten  ihn  mehr  als  andere  Götter, 
•♦'des  Dionyfos  Sohn  und  der  Afrodike  ihn  nen- 
<'  nend.  „  Bei  Theokrit  C  i »  aO  fteht  fein  Bild- 
nis mit  den  Nynifen  an  einem  fi^hattigen  Quell 


SI&BENUK&DRBISSIGSTKR  BR.      397 

von  den  Hirten  aufgcfftellt.    Virgil  vertraut  ihm 
^ie  Obhut  der  Bienen»  Lb»  4 »  1 10: 

Et  cnßof  furum  atque  avium ,  cum  falee  faligHßf 
Hellefpontiaci  firvet  tutela  friafu 

Und  zur  ^ehr  dtm  Gevögel  und  Dieb»  mit  weidener 

Sichel,  , 

Steh'  ihr  Schttz  Priapus«.der  bellesponti(che  Häter. 

Weshalb  ihm  Kalpurnlus  (a,  66)  Fladen. und 
Honig  opfern  läfst.    Ovid  fingt  ^Tnfi.  I,9»fl6): 

Et  U  niricoUi  LamffacCj  tuta  deo* 

Pich»  o  Lampfakus,  auch,  iicher  vom  ländlichen  Gatt» 

Sogar  als  Auffeher  des  Uferfangs  am  Geftade 
aufgeftellt,  erhielt  er  von  denFifchern  geweihete 
Gefchenke  iAnth.  6,  3  f.  414.  415).  Und 
Mofchüs  in  dier  Klage  um  Bion  (3,  27)  erkennt 
Priape  in  der  mehreren  Zahl  unter  den  Feld- 
göttern:   . 

Kmt  lUtvee  79VifX'^T*  f^  (foy  fifAfff» 

Satyre  euch  wehklagen,  and  fchwarznmhüUte  Priap'e» 
Pane  feufzen  auch  deinem  Gcfang  nach. 

Man  biUete  den  Priapos,  wie  uns  Phurnutus 
-bielehrt,  mit  grofsen  Naturtbsilen,  im  Schoofse 
'läes  Kleides  idlerki  Frikbtep  in  der.  Hand  eine 

Tg 


3^8     BlVtHOLÖGlSICfiER  BRIEFE  11.  B. 

^Hipi^6  zum  Schnelteln  und  zur  Abwehr  haltend, 
auch  gewöhnlich  ein  Hörn  der  Amalthea.  Theo- 
krit  iep»  3)  giebt  ihm  einen  gelbdoldigen  Efeu- 
kranz,  den  Schmuck  des  Dionyfos.  Weil  er, 
gleich  anderen  Feldgöttern  blutreich  von  Farbe 
gedacht  wurde,  röthete  man  ihm  das  Geücbt 
mit  Mennich» 

:  Ich  habe  nichts  dawider ,  dafs  der  ungebeni« 
Naturtheil  des  Priapus  feine  ländliche  Eefrnchtuog 
für  Heerden,  Pflanzungen,  Bienen  und  Fifche 
andeute.  Dazu  diente' er  bei  mehreren  alten 
Gottheiten  des  Feldbaus,  die  der  fpätere  Myftiker 
iri^Sionbilder  der  allfchaffenden  Natur  ummodelte: 
bei  Hermes,  Dionyfos,  Pan,  den  Satyreh. 
**Des  Hermes  Bildniffen, ,,  fagtHerodot  (2,  51), 
** gerichtete  Naturtheile  zu  geben,  haben  die 
** Hellenen  nicht  von  den.  Aegyptern  gelernt, 
*<  fondern  von  den  Pelasgern,  da  zuerft  die  Athe- 
'<ner  es  annahmen,  und  von  diefen  die  ande- 
<'ren«  •  •  %  Hievon  haben  die  Pelasger  eine 
<< heilige  Sage  erzählt,  die  in  den  GeheimnUTen 
<<|o  ^amothracien  offenbart  wird.  „  Nach  Phor- 
nutus  (16)  wurden  Jie  älteren  und  bärtijgen 
Hermen  fo  vqrgeftellt;  nicht  die  Jüngeren  und 
•bartiofen.  <In  den  heiligen  Umgliogen  des  Die« 
•  nyfos  und  des  aegyptifchen  Ofiris  ward  ein  g^- 
;  riohfieter.  Phallos  oder  Itbypbailos,    als  Smnbttd 


SIEBENUNDDRElSälGSTE«!  BR.      ^99 

der  Fruchtbarkeit,  mit  phallifchen  Liedern  umher- 
getragen,  und  in  Weinpflanzungen  aufgehängt: 
welche  Sitte  nicht  nach  unferen  Begriffen  zu  be- 
urtheilen  ift.  Auch  der  italifche  Mutinus  oder 
IMutunuSy  ein  Gefpött  der  Kirchenväter,  war  6i^ 
dem  Alterthum'e  nicht  anftöfsiges  Z^ichdn  d^ 
Vermehrung,  von  welchem  entweder,  denn  er 
wird  mit  Sterkulius  zufammen  genannt,  der 
Landmann  Oberhaupt  Segen  erflehete,  oder  di^ 
Braut  nur  und  die  Gattin. 

Schon  zu  Hippokrates  Zeit  ward  Priapus  ia 
Griechenland ,.  obgleich  mit  geringerem  Anfehea 
als  in  Lampfakus,    fo  häufig  verehrt,   däfs  di^ 

•Aerzte  gewifle  Dinge, ^  deren  gemeine  Benen« 
nung  die  Schamhaftigkeit  verlezte,  mit  Andeu- 
tungen feiner  Geftalt  fowohl,  als  der  üppige^ 
Satyre,  bezeichneten.  Den  Urfachen  der  ausge- 
breiteten Verehrung  nachzufpüren,  fehlt  Sicher- 
heit. Vielleicht  entlehnte  man  von  den  blühen- 
den Lampfakenern ,  zugleich  mit  forgfältigerer 
gartenmäfsiger  Landbeftellung,  den  obwaltenden 
Feldgott.  Vielleicht  ward  fein  Name  dem  ähn- 
lich gebildeten  Hermes  und  anderen  myflifchea 
Gottheiten  in  den  benachbarten  GeheimnUTea 
Samothraciens  und  des  orfifchen  Orakels  in  Thra- 

'  cien  (^Eur.  Hec.  1267)  beigelegt,  und  durch 
Priefter  und  Geweihete  verktlndigt«     Gewifs  id^ 


300    MYTHOiLOai5CHE;R  BRIEFE   II.  B, 

dafs  erft  im  Zeitalter  der  Weltweisheit  der  lamp» 
fakenifclie  Feldgott  auch  anderswo,  nur  mit 
untergeordneter  Macht »  Fluren  und  Gärten  za 
.  befchllzen  fand,  und  von  betriebfamen  Umdeu- 
teru  zu  den  Sinnbildern  der  gro&en  Natur  gezählt 
wurde. 

Jezo,  und  nicht  früher,  befangen  die  Orfiker 
(H.  5)  den  myllifchen  Zwitter  Protogonos,  der, 
als  Eros,  aus  dem  urfpriinglichen  Ei  gebohren, 
mit  goldenen  fittigen  fich  umherfchwingt,  und 
die  Namen,  der  fchwärmende  Erikapäos,  der 
Erleuchter  Phanes,  der  Her/eher  Priepos,  und 
der  anftralende  Heliköpos ,  führt.  lezo  erklärte 
man  den  Priapus  (  Athen,  i ,  23)  für  den  allbe- 
fruchtenden Dionyfos ,  dem  folcher  Beiname,  Ü 
'wie  Thriambos  und  Dithyrarobos,  geworden  fei; 
oder,  wie  Euftathius  (//.  7  f.  569)  aus  Arrians 
Bithynien  berichtet,  für  eine  Allegorie  der 
Sonne,  wegen  der  Zeugungskraft.  Arrian  fand 
ihn  rifiÄToc,  nf/jf^fic  und  neniro;  gefchrieben. 
Beide  Deutungen,  auf  Dionyfos  und  Helios,  be- 
zeugt Suidas,  und  erklärt  ihn  zugleich  für  den 
"ägyptifchen  Horus.  Immer  andere  Namen  für 
;den  Naturgott,  und  deiTen  offenbarfte  Wirkfam- 
^keit  durch  die  Sonne. 

<<Sein  Bildnis,  y,  fagt  Suidaa   und   Kodinus 
X4^  ^g*  Confi.  f.  Z5),  «'hat  Menfchengeftak, 


SiEBENUNDDRElSSIdSTBR  BR.    3OI 

«in  der  Rechten  ein  Scepter,  weil  darch  ihn* die 
"VefVe  und  das  Meer  erfchien,  in  der  Lmken  die 
"gefpannte  Scham  f  weil  er  die  in  der  Erde  ver- 
"borgenen  Samen  hervorbringt;  feine  Flügel 
'•bedeuten  die  Schnelligkeit  der  Bewegung ,  und 
"die  fcheibenförmigen  Kreife  auf  der  Mitte  der 
«Flügel  den  Umfang  der  Scheibe:  denn  fie  halten 
"ihn  für  den  Sonnengott*,,  Im  Folgenden, 
wo  er  die  oben  Erzählte  Fabel  feiner  Geburt  ins 
Kurze  fafst,  aber  ihn,  wie  Phurnotus,  zum 
Sohne  des  Zeus  macht,  meldet  er  noch,  er  habe 
die  Scham  oben  am  After  gehabt.  Eine  andere, 
aufser  der  zuvor  gedachten?  Nein,  vielmehr  in 
anderen  myftifchen  Vorftellungen,  wo  er  völlig 
als  das  geflügelte  Mannweib  Phanes  bei  Nonnus 
erfchien.  Denn  bei  fo  vielfältiger  Sinnbildnerei 
mufste  wohl  auch  die  Geftalt  fehr  verfchiedei| 
fein. 

In  der  Wildifchen  Gemmenfammlung  (^.45) 
fteht  ein  Jüngling  mit  einer  Thurmkrone,  wie 
fie  mehrere  Gottheiten  der  Erde  trugen,  ein 
zurückgeworfenes  Gewand  um  die  Schulter,  in 
der  Linken  ein  gefchmücktes  Fruchthorn,  und 
mit  der  Rechten  die  Natur  haltend ,  aus  welcher 
er  durch  einen  Ring  feine  belebende  Kraft  in  die 
Flamme  eines  mit  Früchten  umwundenen  Altare« 
gie(st.       Die    Unterfchrift    Gsnius   meint    den 


303   MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   IIB. 

myftirchen  Priapas,    als  Gott  der   allgemeinea 
Erzeugung« 

Die  Späteren  hatten  mehr  folche  gemifchte 
Göttergeftalten,  die  aus  myftifcher  Umdeutung 
iu  Einem  Weltgeifte  entftanden.  Spanheim  in 
den  kritifchen  Anmerkungen  zu  Julians  Cäfarn 
(p*  97)  ^^"^  ^^^®  Fortuna  omnium  gentium  & 
deorum ,  mit  den  Symbolen  faft  aller  Gottheiten 
gefchmllckt;  auch  eine  Fortuna  barbata;  und 
aus  Lucian  eine  Here  mit  Abzeichen  der  Athene, 
der  Afrodite,  derSelene,  derEhea,  der  Artemis, 
der  Nemefis  und  der  Mören.  In  der  Anthologie 
(4,  12  p.  337)  befingt  Philodemus  einen  geils« 
hörnjgen  Fan,  der  den  Rumpf  vom  Heraklea 
liatte,  die  Filfse  mit  Fittigen  vom  Hermes« 


XXXVIIL 

i\icht  wahr?  Eih  treflicherForfcher  der  MyÖio- 
logie»  der  aus  Homers  Gedichten  die  Slteftett 
Vorftellungen  von  den  Göttern,  rein  und  unver* 
mifcht  mit  fpäteren  Träumen ,  ankündiget»  und 
äer  immer  die  wildeften  Misgeftalten  und  TrSume 
der  Späteren  als  uralte  Phtlofopheme  voranfchlei«^ 
chpn  läfst!  Ein  Verdienft  wfire  es,  den  vorlauten 
und  herfchfüchtigen  Entfcheider  mit  feinen  Nach* 
idHffern  zu fcbwicbtigen j  und  ihn,  wp  m(>£UGh| 


.      ACHTUNDDREISSiaST£R  Bit.      303 

▼QU   der 'gedroheten  Entweibuog  Homers  ab« 

zuhalten.  •  ^ 

Wie  fahrlos  Herr  Heyne  bei  den  wichtigften 
Vorftellungen  und  Reh'gionsgebräachen  des  Alter- 
thums  2utappt,  davon  habe  ich  neulich  eine  mir 
felbft,  fo  viel  ich  ihm  zutAute,  dennoch  auf- 
fallende Erfahrung  gemacht.  Sie  betrift  die 
Sitte  des  Knochenopfers. 

Hefiodus  gedenkt  diefer  Sitte  in  der  Gefchichte 
des  Prometheus,  Theog.  535: 

Vieti  yx$  hr    sH^tvovTo  ^sot  SvtjTOt  r*  uvS^guvot 
MijKuv^f  TOT     iffstra  fieyav  ßav  Tfo^ovt  ^vfxtfi 
Aätffffafjis'joi  «fu^jfxf»  A<oc  voov  s^avot^iCMtv, 
lifi  fiiv  yaf   ffUfnaQ  re  x«i   gynar»  irtovt  itififii 

♦    Tjj  J*  avT*  ovtee  Aev<a  ßooi  J0A/9   «*/  ''^«%v!» 

-'  Benn  %Is  cinft  (kh  verglichen  die  Götter  und  fierblicbeti 

Menfchen 
tn  Mekon',  izt  freundliches  Muts  zerleget*  er  theilend 
Einen  gewaltigen  Stier,   Kronions  Sinn  zu  verleiten. 
Hier  dus  zerfiückelte  FleiYch  and   die   fettumwachsnen 

Geweide 
Legt'  itt  der  Haut  er  nieder»    bedeckt  init  dem  rlnder- 

iien  Magep;       ..    ; 


304    MYTHOLOGISCHER  BRIEFE   It.  B. 

Dort  iie  weirseu  Gebeine  des  Stierj»  voll  teafchender 

Arglift, 
Ordnet'    er    v^ohlgeiegt,    mit   fchimmerndem    Fett  fie 

bedeckend« 

Hierauf,  fährt  Hefiodus  fort,  hiefs  Prooietheü« 
den  Zeus  wählen.  ,  Zeus,  obwohl  des  Betrug« 
kundig,  langte  abfichtUch  nach  dem  Fett  (äbvkov 
u)^ii(^oi^)f  worunter  er  zUrnend  die  Gebeine  fand« 
Und  nun  der  Zufaz  v.  556: 

Seitdem   pflegen  den  Göttern  die  Stamm'  erdbuuender 

Menfchen 
Weifses  Gebein   zu  verbrennen   anf  duftenden   Op^er« 

altären. 

Der  Dichter  berührt  die  damals  bekannte  Fabel, 
wie  ^inft  in  Mekonef  welches  in  der  Folge  Sikyon 
hiefs  (^Strab.  8  p*  38a),  die  Götter  und  die 
Menfchen  ßcli  aus  einander  fezten ,  sn^m^ro :  das 
ift,  die  verfchiedenen  SchuzSmter,  Ehren  nhd 
Pflichten  mit  einander  ausmachten« 

Diefen  erften  natürlichen  Sinn  des  «M^/yoyr«« 
welches  gute  Ausleger  geirrt  bat,  erkannte  aoch 

der  Scholiaft:  Sy  Mffx«v)f  iHgtyovrOf  mtc  ^fot  rvc 
(vielleicht  nvoec)  uv^fUTtv^  kax^*^   ß^'^*  ^^    itoAittv 

(nicht  iisra  T9V  ^uMiigv).     In  Mekone  fezten  fi$ 


ACHTUNDOEEISSiaSTKll  Bit«      ^0$ 

fick  aus  einander f  welche,  Gotikeiten  die  Men/ehen 
famt  den  StMten  :tnm  AntheÜ  empfangen  foüien. 
Zum  BeWeire«  dafii  u^mn  fondetn^  iheilen^  be« 
detitei  führt  er  lU  5«  50t  an.  Pindars  Scholiaft 
{ffem^pt  1^7)  fagt,  Stkyoti  werde  die  heiJige 
gekannt  I  weil  Mekone  dabei  fei^  wö  die  Gätief 
fick  in  die  Ehren  getkeili;  et  beruft  iich  auf  diefe 
Stelle  de$  Heiiodus»  und  dafskdlimachas^Mekone 
der  Seligen  Si2  nenne.  Durch  Villoifona  Scho* 
liaften  bei  Momera  Ilian  (151  ig)  erfahren  wirs 
da(s  die  berühmte  Theilung,  in  welcher  Pofeidon 
daa  Meer»  Aidea  daa  unterirdifche  Dunkel»  und 
2eud  den  Himmel  in  Aether  und  Gewölk»  odef  - 
die  obere  Heitre  famt  der  unteren  Dunftluft»  2um 
Loofe  empfing»  nach  der  Fabel  in  Sikyon  gefche« 
lien  fei«  £ä  fcheint  die  felbjge  Fabel»  deren 
Pindar  (OL  7,  100)  nnd  Pläto  im  Kritiag 
iStepk  3.^.  tög)  gedenken:  wie  die  Götter  üch 
mift  durch  das  Loos  in  die  Oerter  der  ganzen 
Erde  getheilt»  und  jeder  feinett  Bezirk  mit  Weiö« 
beit  geordnet  und  gefcbmückt  habe* 

Bei  jener  heülgett  Auögteichung  nun  vertrat 
Prometheua  feine  Menfchen  aig  Auwald »  damit 
nicht  die  Gtfttef  für  die  übernommenen  Scfau^«* 
timter  Ihnen  za  läftige  Pflichten  und  Gebühren 
«uflegten«  Nach  Zerftückung  eine^  Stiera  legte 
lif  awel  Hmifent  auf  einer  Seite  ddi  Fleifch.  und 

V 


306    MYTHOLOatSCHfilt  BRIBFE   II,  B. 

die  fettigen  Eingeweide ,  ^)  in  der  Haut  M« 
fammengefa(bt/und  mit  dem  Magen  überdeckt; 
auf  der  anderen  die  Knochen ,  in  das  Nierenfett 
öder  Talg  gewickelt.  Zeus,  der  für  die  Götter 
EU  wählen  hatte,  wählte  den  Knochenhaufen* 
Daher,  Tugt  der  Dichter  hinzu ,  befteht  die  Sitte, 
den  Göttern  fleifcblofes  Gebein  zu  opfern» 

Für  uns,  dächte  ich,  wäre  die  Sache  klar» 
Lafien  Sie  uns  je2t  die  Herren  Hermann  und 
Heyne  anhören» 

In  dem  HermanuiTchen  Handbnebe  ( i  &  51) 
wu*d  dem  Heliodus  folgender  Sinn  oder  Unfinti 
untergelegt.  "Bei  einem  Streiti  awifchen 
"Göttern  und  Menfchen  zu  Mjfcent  (für 
"Mekone)  opferte  Prometheus  einen  Stier,  und 
"fchied  däsFlelfch  von  den  Knochenv  Hierauf 
"fchlofs  er  die  Eingeweide  >  das  Fleifch  md  das 
**Ten  —  Wo  fteht  das?—  in  ei»  Fiti  befon- 
"ders;,,*—  In  welches  Feil?  und  wo  bleibt  def 
Stiermagen?**)  -*■   "«nd  die  Knochen  gleich« 


^}  Dilf  i|itti  nicht  iyfM^»  üttovt  itifAtji  in  9ttova  ta  inderit 
verfacht  werde,  erinnere  ich  an  dis  hömeridifched 
Hytntaüs  Qin  Mite.  lib)  xf««  itton  ^^fitf. 

.^*).Mit  dem  $neniiageh  iß  iudi  Htrr  Heynfe  Ih  Vefl^geir« 

*  heit.    «*An  dvr  einen  Seite,,,   fagt  er  (^Tbtoi,  53^ 

M.  IV9lf.^^   ^•yeg»  Proavci^eui  dai  Flciftfa  und  daf 


ACHTUNDDRKISSIGST£&  BR.       307 

^<fals  fehr  kUnftlich  in  ein  zweites  Feüt  »>  -« 
Woher  das?  nein  in  das  Fett !  —  "und  liefs  dem 
"Jupiter  die  Wahl,  welchen  von  beiden  Stieret^ 
**er  für  fich  haben  wolle,  „ —  Nun- gar  zwei 
Stiere!  —  "Jupiter,  de.r  den  Bietrug  wohl ein&b, 
"wählte  doch  abfichtlich  den^n  —  Nemlicb  den 
von  beiden  Stieren  !  —  "fcroHii  die  Knochen 
f Ziagen;  und  feitdem  beftebt  die  Sitte,  die 
"Knochen  der  Opferthiere  auf  den  Altären  za 
^*  verbrennen.  „ 

Schämen  fich  die  Herren  nicht  em  wenig, 
die  ein  folches  Buch  auf  die  Lofung  des  Herrn 
Heyne  fo  dringend  empfohlen  haben? 

**  Fett  n  —  Nein ,  das  fette  Eingeweide  l  —  « in  das 
•«Fell  des  Opferthiers  gehüllt;  an  der  andern  Seite  dit 
«* Knochen,  mit  Fett  umvickelrr  Der  Stiermagm  ift 
«<d»s  eben  genannte  StierfelL  Tarvf  ßosta  (ßostii) 
•*  </?  ipfitni  corium ,  f<vfi«.  ,» 

Schön!  Der  Magen  ilt  Haut,  and  das  Fell  ift  Hauu 
Ein  Dichter  darf  M^  das  Fell  aoch  Magen  nennen  1 

Das  heifst  interprttiren.  Eine  Kunft,  die  nach  den 
f ohen  Naturverfuchen  der  Cafaübone ,  Lipfe ,  Gronove, 
Gefsner,  HHerfiEmeflit  wie  Herr  Heyne  (^Cornntf  G^tt, 
178 1  ^7K)  fagt,  zu  verfeinern  anfing,  bis  endlich 
ein  Heyne  erfchien !  'Auf  welche  Erfcheinnng  Herr 
Heyne  felbft  in  einem  Zufaz  zur  Vorrede  vor.  dem 
dritten  Bande  feines  Virgils  (f*  2*)  uns  anfmerkfam 
snacht^  mit  eipem  V^inke,  wie  wenig  doch  cigemlicH 
Ernefti  geletftet  habe» 

V  2 


308    MYTHOLOGISCHER  BR<I£FE   II.  B. 

Uebef  die  Sitte  felbft  wird  (S,  49),  wo  dlt 
Fabel  gleichwohl  eine  ficyonifche  beifst^  die  An* 
tnerkang  gemacht.  **  Allein  mit  Recht  fcheint 
<<der  Recenrent  der  Wolfifchen  Ausgabe  der 
<<Theogonie  Hefiods  (^Bibt.  d.  atU  Litt,  und 
^^Kunfl,  I  S.  [66)  diere  Stelle  zu  den  inter- 
^^polirten  zu  rechnen,  und  zweifelt »  ob  je  die 
<<  Sitte  9  die  Knochen  der  Opferthiere  m  ver^ 
'' brennen  I  beftanden  habe«  1, 

Nicht  jener  Recenfent  äufsert  den  Zweifel; 
fondern  ein  Mann^  deiTen  Zweifel  Entfcheidudgea 
find,  -r-  der  Herr  Hofrath  Heyne  in  eigener 
Perfon!  Von  feinen  **reichhattigen' Bemerkungen  ff 
zur  Wolfifchen  Ausgabe  der  Theogonle  Ve^fpricht 
der  entzückte  Recenfent  *'nur  die  wickHgßeHff 
auszuheben« 

Wir  wollen  die  wichtige  Bemerkung  de§ 
Herrn  Heyne  deutfch  geben.  '  "Den  2ufa2S 
"  V.  556  und  557:  Seitdem  pflegen  .  .  «  Altären! 
«begreife  ich  nicht.  Denn  dafs  die  Knochen  def 
^< Opfer  jemals  verbrannt  worden,  erinnere  ich 
''mich  nicht  gelefen  zu  haben«  M^fd/  brenneo 
''zum  Opfer,  und  profiüaf  in  Omentum  ge* 
''wickelt,  um^i  &  prößda  adotentut  invofutet 
**  Omenta.  Daher  halte  Ich  die  Verfe  für  ver- 
«dfichtig.^,  . 


ACHTUNDDREISSICSTER  BR.      309 

Daher!  —  Das  begreife  ich  nicht;  «davon 
habe  ich  nichts  gelefen;  oder  noch  ftolzer»  ich 
erinnere  mich  nicht:  daher!  —  So  vor  der 
Fauft  weg  zerfezt  und  ftUmmelt  man  in  den 
Alten»  was  (ich  von  dem  vornehmen  Ich  nicht 
flugs  ans  blo(ser Erinnerung  deuten  läfst!  Apollon, 
der  Fluchab Wender 9  behttte  feinen  Homer! 

Hätte  die  zerftörende  Zeit,  die  von  den 
Denkmalen  faft  aller  KenntnUTe  und  Anordnun- 
gen des  Alterthums  nur  einzelne,  fchwer  zu 
erkennende  Trümmer  nachlieis,  diefe  einzige  Stelle 
vom  Knochenopfer  verfchont;  fo  wäre  doch 
kaum  eine  andere  Verfälfchung  denkbar,  als 
dafs  etwa  eii^  fpäterer  Grieche  einen  noch  be» 
kannt  gebliebenen  Gebrauch  der  Vorfahren  zur 
Fabel  des  Prometheus  gefügt  hätte.  Der  Ge- 
brauch felbft  wäre  aufser  Verdacht ;  wenn  auch 
der  Erzähler,  nicht  Hefiodus  zu  fein,  aus  anderen 
Spuren  vermutet  oder  erkannt  würde. 


XXXIX. 

IVlit  mäfsiger  Belefenheit  gelangt  man  zu  der 
demütigenden  Erfahrung,  dafs  bei  keinem  Theile 
der  Alterthumskunde  die  Anmafsung,  etwas  un- 
bekannteres fofort  der  Falfchheit  zu  zeihen^ 
Ubeler  angebracht  fei ,   als  bei  den  räzelhaften 

•U3 


3fO    MYTHOLOGISCHER  BRIEFjfi   11.  B. 

Gebräuchen  der  Götterverföhnungen.  Wen  alfo 
die  geopferten  Knochen  befremdeten ,  der  hätte 
anftändig  genug,  nach  dem  alten  Seufzer,  wie 
gar  wenig  wir  Gelehrten  eigentlich  fo  recht 
wUTen,  den  alten  Wunfeh  zu  einem  vornehmen 
Wink  auffrifchen  können :  Da(s  doch  endlich  ein- 
mal jemand  die  dunkelen  Ueberbleibfel  von  Opfer-r 
gebrauchen,  nach  Völkern  und  Zeiten  gefondert^ 
ins  Licht  ilellen  möchte;  da  felbft  ja  die  Griechen 
fo  manche  Abänderungen  des  Alters  und  des 
Orts  darbieten. 

Doch  Ihm,  der  mit  Winken^ diefer  Art  am 
freigebigften  ift,  ahndete  hier  von  Anlafs  zum 
Entwirren  fo  gar  nichts»  dafs»  indem  er  den. 
Belefenen  machte,  er  in  den  drei  Worten,  die 
nach  Belefenheit  ausfehn ,  Griecbifches  und  Rö» 
mifches,  Altes  und  Neues  und  Unwahres,  zafam« 
inen  warf. 

*^Mitffot  brennen  zum  Opfer,  und  proßda, 
<*in  Omentum  gewickelt. ,,  —    Was  meinen  die 

Worte? 

Miffoi  find  Schenkel:  die  aber  bei  Homernor 
ausgefcimitten ,  niemals  verbrannt  werden*  Nicht 
fuffoi  verbrannt?  Nein,  beftändig  (itifMf  oder  zu« 
iammengezogen  fuffts:  welche  Worte  wiederum 
bei  Homer  nirgends  £Ur  Sckenhl  Aehn.    Jene 


NEUNtmDDREISSlCISTEIt  BR.      3II 

ausgefchnittenen  f^fot  felbft  erkiSrt  der  Scholiaft 
U.  1 9  460*464  durch  ftiigm,  und  (t^fam  QVM.  £r 
foheint  zu  fagen,  was  aus  den  Schenkeln»  nn^tt 
genannt  9  gefchnitten  worden ,  heifse  mit  dem 
Verkleinerungsworte  mv^««,  und  diefe  (iitgt»  fein 
Knochen. 

Auch  bei  Späteren  kenne  ich  nur  Eine  Stelle 
in  Bions  Klage  um  Adonis  (i,  84)»  wo  vom 
Schenket  f  der  v.  7  und  16  m^o^  hiefs»  das  Wort 
Uffft»  gebraucht  fcheinet.  Aber  auch  Hort  find 
Ittf^i«  die  oberen  fleifchigen  Theile  der  Schenkel, 
aus  welchen  die  Opferbeine  genommen  wurden ; 
die  felbigen»  die  Xenofon  (mftKtxi  nennt:  Der 
Hunde  lA^Mtm»  fagt  er  (^ven.  4>  i),  follen  hart 
fein  (fo  las  PoUnx  5»  lo»  und  tadelt  pttte^ha  Jy^ott 
weiche  Obertheile  der  Schenkel);  vttoku/jx^  die 
Untertheile  bis  zum  Gelenke»  l^ngi  rund,  ge- 
drungen; «>xffAtf«  die  Beine,  weit  lätiger  hinten 
als  die  vorderen,  und  ianflt  gebogen;  sro^^ct  die 
FU&e,  rund- 
Unter  den  eigentlichen  Redensarten  des  Opfers 
erkennt  Julius  PoUux  nur  finfi»  e7<5s/v««,  nicht 
ftjyftf;.  Und  faft  ohne  Ausnahme  wird  bei  Alten 
und  Neuen  das  Wort  nneiae  vom  brennenden  Opfer 
gebraucht:  z*  B«  f^nftm  MKVfitvm,  bei  Simonides 
im  Etymologikoti  unter  ^xwa;  srri  ßMfAo»^  oti^iro^ 
itneta,  in  einem  PSan  desBacchyltdes;  die  Afche 

•    -U4 


der  geopferten  iJ^i^ftm  bei  Herodot  4,  35;  m 
fififiot  j^H79M»v,  und  ^«rAP»  Mfw  «mpvf  bei  Apolla» 
&!os2»  69iun(16p9» 

Wenn  demnach  feiten  einmal,  nichf  nur  aus- 
gefchnlttene  >f*iff 91 ,  fondern  verbrannte  vorkom* 
men,  fo  find  gleichwohl,  wie  bei  Homer,  jene, 
nusge&hnittenen  Theile  der  Schenkel  oder  fi^e'^ 
S5U  verftehn.  So  bei  SofoWea  i4ntig.  X006)  in 
der  EfÄShlang  des  Tireüw^r 


-7«    E»e  h  Buiutrm 


MvW«   KUHtq   fA'iif$fiv   9niK§r99 

H'Uf9f   H^^VWrn^  ff$Mf¥T9   W't49Ait;f 

'"'•'""  ■"  ' '  •    -  ■'*■•■    Pocb  Mtc  »fcki 

PI»  Opfin^luti  mn  »qf  der  Afche  fcbtnob 

l^iii  ftocbter  Strat  d^r  Scheiikelbeinf  bia. 

Und  dJiiupft',  und  fpröbt'  ruipor;  und  wuFgfkhntVt 

Zerflog  die  Gair,  es  U|;en  oingeAärz^ 

t>k  Schenkel,  911«  dei  Pcwi  WW  wtMöfst, 

Hier  werden  die  in  Fett  gewickelten  und  mit  der 
Galle  Überlegten  fi^fi«,  die  ich  fttr  Scimhßlbeim 
annehme,  das  « weitemal  mw^,  Schäkel,  ge- 
kannt} aber  gleich  darauf  v.  xo2o  wird  der  Ge^ 
danke  mit  dem  gewöhnlichen  Ausdruck,  i^em. 


NSUNONBOREISSIGSTBR  BR»     $1% 

«M0y«»  der  Schenkilbelni  Brandt  wiederholt  So 
fiigt  zwa(  Paufaoias  (it  p*  42 ),  Phrixas  hab^ 
von  feinem  geopferten  Widder  die  Schenkel 
(fijffHc)  nach  griechifcher  Sitte  ausgefchnitten  und 
verbrannt;  doch  nennt  der  felbige  (g  p.  51g), 
was  von  dem  geopferten  Eber  dem  parrhafifchen 
Apollo  ausgefchnitten  und  verbrannt  wurde,  mit 
dem  gemeinen  Namen  fin^m. 

Aus  Vorficht,  wie  ich  hoffen  will»  liefs  Herr 
Heyne  die  fu^f^i  nnOberfezt»  weil  im  römifcben 
Opfer  weder  coxa  noch  femora  erfchienen. 
Welchen  griechifchen  Begrif  denn  getrante  er 
ücb  durch  froficipf  auszudrucken? 

Proficim  oder  frofitta  9  mch  abhgminaf  biefs 
In  der  rdmifchen  Priefterfpracbe.»  fo  viel  uns 
Arnobin^f  Varro»  Feftus  und  andere  erhalten 
haben,  eigentlich  was  der  Opferer  von  den  kunft» 
gemK&  Äerfcbnittenen  Eingeweiden,  oder  inne- 
ren Lebenstheilen,  deti  Göttern,  entweder  roh, 
oder  auf  mancherlei  Art  gekocht  lind  gebraten, 
^erhaupt  darreichte  (^porricere  war  die  Formel), 
nicht  immer  verbrannte.  Zugleich  aber  umfafste 
das  Wort  proßda  die  Abfcbni^l  der  HUfte  (^oro 
ßribHla)^  des  Schwans^es  (bei  Rindern  ptafiOf 
^fonft  offa  penita)f  des  Euters  (mma) ,  der 
Weichen  (ftirflp);  welche  Stücke  man  gewfih»- 

Us 


314    MYTH0IX>GISCHER  BRIEFE   II.  B« 

lieb  als  Vermehrung  oder   Zugabe  CaugumiHp 
magfmntum)  jiinzuf%te.  ^ 

^  Was.  follen  nun  die  proßdct  des  grieqhifchen 
Opfers  fein?  Die  Eingeweide  vermutlich?  ^Aber  • 
von  den  Eingeweiden  wird ,  bei  Homer  wenig- 
ftens,  nichts  verbrannt;  nur  Abfchnizel  der 
Glieder  werden  auf  jenen  mit  Fett  umwickelten 
SchenkelfiUcken ,  die  der  Scholiafi:  fUr  Knochen 
ausgiebt,  Jn  die  Opferflamme  gelegt.  Während 
folche  verbrannten,  worden  die  edleren  Einge- 
weide an  Funfzacken  in  der  heiligen  Flamme  ge- 
röftct  (II.  I,  463;  2,  426),  und  unter  die 
opfernden ,  und  andere,  die  am  Segen  der  Gött^ 
Theil  nehmen  follten ,  ausgetheilt 

Ich  weifs  wohl,  dafs  Dionyfius  von  Halikar« 
saflus  (^antiqu.  ratn.  7  p»  478)«  der  die  römi- 
fcben  Opfergebräuche  den  altgriechifchen  ähnlieh 
wUnfcht,  unter  den  rohen  Abfchnizeln  der 
Glieder  bei  Homer  auch  Theile  der  Eingeweide 
vermutet.  Seine  Vermutung  fcheint  lieh  auf 
nichts  weiter  zu  gründen,  als  da(s  die  fpätereii 
Griechen  den  Gottheiten  zugleich  von  den  Eing«- 
weiden  verbrannten«  ^ie  fpät^  wüTen  wir  nicht: 
aber  noch  zu  Heüodus  Zeit  bekamen  die  Götter 
nur  Knochen  und  Fett;  die  Emgeweide  famt 
dem  Fleifch  fielen  in  Prometheus  Theilung  deo 
.Menfcheaza» 


NEUNUNBDREl'SSiastCR  BR«      ^1% 

Diefen  fpäteren  Opfergebranch  finden  wir  itl 
einem  Bruchftücke  des  Komikers  Eubnliis  bei 
Klemens  (ßrom.  7  p.  716):  wo  Bacchus  nur  Blut 
und  Blafe  zu  empfangen  fich  befehwert,  abei^ 
vom  Herzen  kein  Fäferchen;  denn  er  efie  nicht 
Galle  noch  Schenkelbeine«  Ich  werde  auf  diefe 
Stelle  zurückkommen.  Ferner  in  der  orfifchen 
Argonautik  v.  314  wird  das  zerftückte  Herz  den 
Göttern  auf  Opferfladen  gelegt ,  und  mit  Oel  ynd 
Schafmilch  beträufelt.  Wenn  ein  Opfernder, 
fagt  Ariflofanes  (av.  518)»  den  Göttern  in  di^ 
Handy  wie  der  Qebrauch  ift,  die  Eingeweide 
giebty  fo  nehmen  die  Vögel  vor  Zeus  die  Ein« 
geweide  hinweg.  Auch  bei  Anthenion  {Atken. 
14,  ^3)  lehrt  ein  Koch ,  dafs  man  die  Eingeweide 
den  Göttern  brate,  und  zwar  ohne  Salz. 

Noch  unfchicklicher  hätte  Herr  Heyne  durch 
ftoficia  die  Abfchnizel  der  Glieder  verdol* 
netfcht;  wiewohl  es  ihm,  der  wahrfcheinlich  nur 
frofecare  abfchneidenf  und  weiter  nichts»  dachte; 
am  ähnlichften  fieht.  Denn  fürs  erfte  wurdet 
die  profiäa  von  den  Eingeweidea  und  einigen 
ausgewählten  Gliedern  genommen,  die  homeri« 
fcfaen  Abfchnizel  aber  von  allen  Gliedern;  und 
zweitens  wurden  ja  die  Abfchnizel  bei  Homer 
sucht  in  das  Fett  gewickelt»  fondem  aof  das  Fakt 


3  l6    MYTHOLOGISCHER  BRIEFK  II,  B« 

gelegfcy  welches  zwiefach  um  die  aus  den  Sehen* 
l^eln  gefchnittenen  ßtiftx  gehüllt  worden» 

Diefes  umhüllende  Fett  endlich  war  bei  Homer 
vorzüglich  Nierenfett,  zu  Deutfch  Flaqmen  oder 
Talg  (II.  aif  363).  Omentum  aber,  wodurch 
Herr  Heyne  es  zu  Oberfezen  wähnt,  war  nur 
die  fette  Nezhaut  um  Magen  und  Gedärme,  die 
iler  römifche  Opferer  auswählte. 

Was  fagen  Sie,  Freund?  Trift  auch  ein  ein* 
ssiges  Wort  des  belefenen  Anmerkers,  der  gleich- 
wohl, um  fein  kritisches  Meffer  zu  gebrauchen, 
nur  feine  Erinnerung  m  Rathe  a^ieht? 


XL. 

Ich  fage,  dafs  die  hefiodifche  Stelle  vom  Kno- 
xhenopfer,  auch  der  Unäcbtheit  überführbar  und 
«inzeln,  dennoch  den  Gebrauch  Bewiefe.  Wie, 
wenn  fie  vollends  von  mehreren  Alten  anerkannt, 
wenn  ihr  auch  für  ficb  unverdächtiger  Inhalt 
durch  die  ehrwürdigften  .ZeugnüTe  bekräftigt 
würde? 

Dafs  Lucian  im  Prometheus,  bei  jener  aus 
Hefiodus  angeführten  Fabel,  von  der  Sitte  des 
'Knochenopfers  zu  reden  nicht  nöthig  fand:  hätte 
:wenigftens  ak  Scheingrund,  gegen  die  Aechtheit 


VIERZiGSTEfl    BRI£F.  317 

der  Stelle  gebraucht  werden  können«  Aber  aner« 
kannt'wird  iie  von  Klemens  dem  Alexandriner 
ißrom.  7  p.  716),  der,  indem  er  weitläoftig 
das  Lächerliche  der  Opfer  zeigt,  hinzufezt: 
'•Auch  Hefiodus  fagt,  bei  einer  gewiffen  Thei- 
**  long  des  Fleifches  habe  Zeus,  von  Prometheus 
«getenfcht,  die  weifsen  Gebeine  des  Stiers  ge- 
'•nommen,  die  durch  trügliche  Kunft  mit  rchim<« 
^  memdem  Fette  verhüllt  waren ; 

*' Seitdem  pflegen  den  Göttern  die  Stamm'  erdbaaeiidet 

Menfcliea  * 

•*5K^eirses   Gebein  2a  verbrennen   daf  duftenden  Opfer^ 
i      aleiben«  «< 

Anerkannt» 'Wird  fie  von  Apollonius  im  homeri- 
fchen  Lexikon,  wo  er  (A^^ta  für  die  aus  den 
Schenkeln  genommenen  und  geopferten  Theile 
erklärt,  und  dabei  auf  des  Heiiodus  Fabel  von  der 
Knochentheilung  fich  beruft*  Anerkannt  wird 
fie  in  der  Wenig  abweicheöden  Erzählung  bei 
Hyginus,  die  ich  unten  anführen  werde« 

*  Schon  mit  diefen  ZeugnüTen  wÄre  die  Sitte 
des  Knochenopfers  zugleich  beftättiget  Noch 
mehrere  gewährt  uns  der  Eifer  des  Klemens  aud 
jenem  Zeitalter  der  freieren  Weltweisbeit^  da  die 
geläuterte  Vernunft  die  altvätrifchen  Ideale  Von 
ißöttern  und  Religionsgebräuchen  nicht  länger 
ehrwürdig  fand,    und  durch  immer  kühneren 


3X8    MYTHOLOGISCHER  BRi£FE   II.  B. 

Ernft  und  Spott,  fogar  von  der  Scbaubtthne, 
endlich  die  Priefter  und  Orakel  felbft  zu  öffent- 
lichen Umdeutungen  nöthigte. 

Der   Komiker   Pherekrates»     fagt   Klemens 
(p*  7i<$)>  b^^^  ^Q  ^^^  Ueberlänfern  (AvrofMAo«). 

fcherzhaffc  die  Götter  felbft  den  Menfchen  ihre 
Opfer  vorrücken  laffen:   ov  r«  /«i/f«  ^»fi^a^mmt 

uofuin  ifi^wf*  ^ntQv  TW  ffsrov^vAoy  «t/rov»  mvwMg  fivvc«v- 
«/# %W0fef y0<  9      tiÄtHtesff't     (nicbt     n    Atffi«^/)    Kftf97t7t 

jr9AA«/Cf  Pflegt  ihr  ntchtt  nachdem  ihr  die  beiden 
Schenkel  ganz  kahl  gerupft  f  das  übrige  IFirbil^ 
bein,  wie  zum  Hohn,  uns^  als  wären  wir  Hunde, 
zu  ertheilen ;  und  dann  aus  Scham  vor  einander 
mit  vielem  Gewicket  (  d.  i.  dem  umwickelten  Fett 
und»  wie  jezt  Sitte  war,  auch  dem  edleren 
Kmge^eide)  es  zu  umhüllen?  Auch  der  Komi« 
ker  Eubulus  rfige  die  Kargheit  der  Opfer: 

At/ro/c  ^<  ^0*9  ^gotet  Tijv  K$e»ov  fuviivt 
Kai  futetv^  <&nr<f  irai^ifata*^^  ^vuru 

Den  05ttcrn  felber  reicht  ihr  nnr  den  Schwang 
Den  Schenkel  nur»  aU  KnabcnTchändern»  dar* 

Und  in  der  Sem^le  fUhre  er  den  Dionyfbs  auf» 
wie  er  fein  erlittenes  Unrecht  aus  einander  feze; 


VlBRZlGSTKn.  BRIEF«  .  31^ 

ttfUTov  ftiVf  hren  tfiot  ri  5i/«ff/v  t/j*c» 
ew4tv  äclfietf  xvTtv'    tf  )ii9  xafhav 

ZuerU,   wenn  mir  einmal  ein  Opfer  w(rd» 
>lar  £lut  iftsy  Blafe  nur;   vom  Herzen  nichts, 
Kern  Fjjrerchen;   denn  niemals  efl**  ich  FleiTcb» 
,  Nicht  Call'  und  Schenkelbeiii. 

VndMenaoder: 

■  Sie  legen  nnr 

Kreuzend'  und  Gali'  und  unefsbar  Gebein 

Den  Göttern  auf;  das  andre  fchhngen  fic. 

Welches  Bruchftück  aus  Meninders  Mürrifchem 
(j^uffMAoc}  etwas  vollftändiger  bei  Athenäus 
C4>  ")  gefunden  wird.  Endlich  befchliefet 
der  Kirchenvater  feine  gelehrte  Opferbetrachtung 
(?•  7^9)  "**^^  folgenden,  auch  von  Pofphyriua 
ide  abfiinenüa.  a)  angeführten  Verfen,  die  auf 
ilem  felbigeh  Menander  entlehnt  fcheinen: 

ÖTAw  aifce\^xm ^%att  %aAirc  vrvfüpuvn^ 
,  A  xxt  xvriv  vttyustv.  nx*  ßs^tiftXf 

Xm$ett¥  mtm¥Tai,  mi  r«f««  Am^^it  uUi 


9^0    MYTHOLOGiSCHfitt  BfttlCtr£   h.b. 

Wo  ift  (b  thöricht*  und  (b  btö<!ei  Statu 

£iti  Meitlch,  der  v^^ähntj  difi  Götter  am  Bctn^ 

FleircMofer  Bein'  und  bittrer  Galle  Brand« 

Was  felbil  ein  Hund  im  Hunger  nicht  geneoiit» 

Sich  frean«  und  dici  als  Ehrengab*  empfahn? 

ZettgnifTe  genag  gegen  den  Leichtfinn  des 
Kritikers.  Einen  Klemens  foUte  man  doch  nach- 
lefen»  ehe  tnan  im  Vertraun  auf  feine  Belerenheit 
einen  Religionsgebrauch  2U  bezweifeln  #  und  auf 
diefen  Zweifel  fogleich  das  entfezliche  Schneide^ 
gerSCh  2u  enthüllen^  iich  erlaubte.  Aber  nicht 
einmal  die  Grammatiker  hat  er  über  fi%ifoc  txvA 
imiftov  nachgelefen. 

Dafs  Homers  Scholiai):  die  Verbrannten  ii^m 
(IL  1  f  460  «  464)  durch  SchenketkHochiH  erkläre« 
glaube  ich  fchon  gefagt  zn  haben«  Sogar  die 
fetten  ii^^m  IL  i|  40  hinderten  ihn  nicht« 
Schenbelknocken  2u  verftehni  welehemnach 
mo)fa  ßtifut  nicht  mit  Fett  umwachfine  Schenket 
Wären«  fondern  in  Fett  gewickelte  Schenket* 
%nochenf  wofür  anderswo  (IL  s*  ^40)  it|ßoinp^ 
irnfia,  Fett  und  Schenkelf  gefegt  worden«  bei 
Theokrie  (17«  latf)  mct\fUwä  mpftf  gefetteU 
Schenket f  u;id  bei  ApoUonins«  1«  699  hitxoti  imsut^ 
gedoppelte  f  doppelt  umwickelte»  Für  Knochen 
nimt  die  ansgefchnittenen  Schenkel  IL  t«  460 
auch  Viiloifons  Scholiafti   denn^   ikgt  er«    &n 


VI&R2IGSTSR  BRISF.  Jll 

finn  mehr  Ur&cbe  des  Stehens,  als  andere 
Knochen« 

Nicht  anders  werden  in  Hefiodus  Landgedicht 
(v.  33[7)  «7A««  met»f  die  glänzenden  Schenkels  von 
den  Auslegern  gedeutet.  Mofchopulus  lehrt,  es 
fein  die  Knochen  der  Schenkel^  die  der  Dichter 
wegen  der  Weirseg/rt«Äf«rf^ genannt  ;undTzetzes, 
«lan  habe  die  Schenkelbeine  den  gefabelten  Göttern, 
als  Sinnbilder  des  Wandels ,  dargebracht«  Auch 
in  Aefcbylus  Prometheus  (v,  496): 

s    ^         Kvitf^ti  r$  »ttAü  evyiuiMmTüif  tun  lutufa» 

fieledk'  iti  Fett  gemckeltt  ond  ein  Itstg 
Kreuzbein  entflammend  — 

gelten  die  mii  Fett  umhüüiefi  Qetenh  den  befdeti 
Scholiaften  f  ttr  Schenkelknoehen.  Merkwürdig  ift, 
dafs  hfer  zu  dem  Scheokelgebeln,v^elches  in  Homers 
Opfern  alleirt  verbrannt  wird,  fchon  das  KreuXt  oder 
der  Theil'  des  Rückgrats  um  die  Gegend  des  Bauchs, 
hinzukommt:  nach  des  erften  Scholiaften  Erktü« 
rüng,  der  Beweglichkeit  wegen  >  und  weil  es»  den 
Nieren  benachbart,  den  Samen  enthalte.  Dlefes 
Kreuzbein,  fonft  auch  helliges  Bein  genannt,  ward 
oben  von  Eu^ulus  als  Schwanz  verfpottet. 

'  Einftimmig  mtt  den  ScboliaAen  erklären  dÜ 
dten  WörterbQ({her»    Apollonius  im  homerifi^ 

X 


Al%    MYTHOLOGISCHER  BRIBF9   II.  B. 

Lexikon:  m^?'«»  ^icht  die  Schenkel ^  Cux  oi  ß^^di^ 
für  vx  ^i  'if^stQ)j  fondern  was  aus  den  Schenkeln 
genommen  und  geopfert  ward;  nach  des  Heßodus 
Fabel  von  der  Theitung  der  Knochen,  So  auch 
Hefychius:  fitifipt»  die  aus  den  Schenkeln  genom^ 
ntenen  Knochen;  und  bei  «ar«  Tnva  (inft*  tniiacp 
die  glänzenden  Schenkelknochen.  So  Favorinus: 
|iHf/«,  Schenkelknochen.  So  das  grofse  Etyroolo- 
gikon  und  ViUoifons  Scholiaft  (H.  I,  464)  au« 
dem  Grammatiker  P/toIemäus:  w<«>  Schenkel* 
knochen;  denn  aus  iin^^a  wird  das  verkleinernde 
Hfi^tovi  tt^&oon  ms^»9  «ufammengexogen  >«;«• 
nicht  i^ne^ 

Gegen  fo  viele  Wackere  Zeugen  Wird  doch 
.  wohl  ein  Nonnus  nicht  gehört  werden,,  wenn  er 
iDionyf.  5,   ai)  <lcn  Üpfergebrauch  üCo  bte*- 
fchreibt: 

^,     -         .  ttnA  der  v/ohlgcwachfeiten  Schenket 

Hohes  Fieifch  xcrfchnitt  er>  und  deckt'  es  mit  doppefc 

tem  Fette* 

Die  Fatei  Votti  Üffpfutig^  des  Kübcheöopfert 
Mru-d  ebenfäls  von  Hyginus  iti   def  poetifcheii 
Aftronomle   (2,    15)   erzählt,    mit    geringerer  ^ 
AbwMchuDg,  als  Verwirrung,  die  noch-durch^ 


VIBRXIGSTER  BRIEP«  323 

Abfchreiber  gewann»  Uns  liegt  indeis  nnr  ant 
Inhalte.  Pronaetheus^  fagt  er,  um  feinen  Men« 
fchen  die  Koftbafkelt  ganzer  Opfer  za  erfparen, 
habe  von  zwei  gefchlacbteten  Stieren  das  Fleifch 
in  das  eine  FellV  und  die  Knochen  in  das  andere 
gehüllt,  und  dem  Jupiter  die  Wahl  g^laflen.  Da 
nun  Jupiter  die  Knochen  gewählt,  fei  der  Opfer- 
gebrauch entftandeni  dafs  man  das  Fleifch  ver« 
^ehre,  und  die  Knochen,  als  das  Antheil  der 
Götter,  im  Feuer  verbrenne.  *)  Jenes  vorent* 
haltene  Fleifch  den  Menfchen  unnUz  zu  machen, 
habe  der  zürnende  Jupiter  das  Feuer  entrückt» 

Stärker  ift  die  Abweichung  beim  Scholiaften 
des  Aefchylus  iProm.  1021);  Die  Götter,  er- 
zählt diefer,  da  fie  einefr  grofsen  Stier  bei  Sicyoa 
geopfert,  beftellten  den  Prometheus  2um  Aos- 
tbeiler  des  Fleifches.  Prometheus  aber  verbarg 
die  blofsen  Knochen  tiügUch  in  das  Fett,  nnd 
legte  darauf  den  übrigen  Göttern  zum  Antheil 
die  Eingeweide  und  das  Fleifch ,  dem  2eua  hin« 
gegen  die  Knochen  zu  fchmaüfen  vor»  WorQber 
Zeus  fehr  natürlich  in  Zorn  gerieth. 

Es  fcheint  auf  alle  Wetfe  entfchieden  EU  fein» 
dafs  die  Griechen  den  Göttern  weifte  Gebei&d 


-    --  -  - 


•)  Ich  lefet  Mip^tMfi  Hßd  pari  fuk  dt^mm^  ipd  <*#► 
htrWHU 


1^4    MYTHOLOGISCHER  BXIE3W:  II.  B. 

cder  fleirchlofe  Knochen ,  und  zwar,  ßewifEet 
Andeutungen  wej$/en ,  bei  Horaer  aus  den  Schen- 
keln, bei  den  Folgenden  auch  aus  dem  Unter- 
theite  des  Rückgrats,  verbrannt  haben.  Hieraus 
erklttrt  fich  die  Sage,  woher  das  attifche  Gymna^ 
fium  Kynosargis  den  Namen  führe,  die  uns 
Steftnus  und  Hefycbius  am  voUftändigften*  auf. 
bewahrt.  Als  ein  gewifler  Diomus  dem  Herakles 
opferte,  raubte  ein  w^ifser  Hund  die  (unta,  und 
trug  fie  an  jenen  Ort,  der  deswegen  Bundeweiß 
genannt  wurde.  Zwei  in  Fett  gewickelte  Sehen» 
kelbeine  konnte  der  Hund  wohl  im  Maule  forU 
tragen;  aber  fchwerlich  zwei  ganze  Schemkel. 

6ie  Anwendung  auf  die  Opfergebräuche  der 
Hebräer  mufs  ich  den  Bibelerklärern  überlaffen. 
Dafs  die  Römer  auch  Knochen  geopfert,  folite 
Inan  aus  Hygins  Erzählung  faft  fchliefsen,  wenn 
picht  Hygin  gew{)hnlich  blofe  üeberfezer  aus 
äem  Griechifchen  wäre.  Von  geopferten  Sehen- 
kelb^inen  ift  mir  in  römifchen  Scbriftftellem 
nichts  vorgekommen.  Das  Kreuzbein  indeis 
Amt  dem  anhangenden  Schwänze,  worüber  die 
giriecbifchen  Komiker  lacfateii,  fehöint  unter  <len 
ike&  und  barbarifcben  Opferbenennongen,  wet^ 
die  Amobius  (,adü.  gmt.  7),  Feftu»  und  Varr« 
^gfll^tep  bab^n,  ..vielleicht  unter  ftqfea-  un/äpffia 
pemta,  begriffen  zu  fein*     Wenigftena  ec«ählt 


\ 


VZratZIGSTKlC  BRIKF.  $1$ 

Ifidör  (ii,  i),  die  facraffina  öder  das  Kreuz, 
welchem  die  Griechen  u^m  oTom»,  das  heilige  Bein» 
nennen^  fei  von  ^en  Hcftden  (alfo  nicht  von  den. 
Grieohen  allein),  deswegen  weil  es  im  Kindtf 
sue^fl  entftehe,  den  Göttern  zuerft  geopfert 
worden«  Varro  beim  Geilins  (3,  lo)  will,,  in 
der*  vierten  Woche  nach  der  Empfängnis  bilde 
fich  Hanpc  und  Rückgrat;  und  ein  anderer  in 
einer  verdorbenen  Stelle  Plutarchs  (p/^c.  phiL 
5,  17),  es  entftehe  zaerft  c«s<^aic,  der  untere  Theil 
tfes  Rückgrats  um  die  Weichen,  als  der  Kiel  dei 
SchifTes«  Das  Aeufserfte  davon,  nemlich  was 
Menander  0«(pvy  «k^v,  das  Kreuzende^  und  Aefchy-« 
his  ««(^i/v  fMJtfa«,  das  langt  Kreuz ^  nennen,  heifst 
bei  Ruffus  und  Galenus  das  beilige  Bein,  wetchee 
mit  xoxKt^l,  dem  Schwanzbeine  ausläuft.  Auch 
im  Etymologikon  {l^w  mw)  heifst  heiliges  Bein 
das  Ende  des  Kreuzj^s,  entweder  feiner  Gröfse 
wegen ,  oder  weil  es  den  Göttern  geheiligt  oder 
^ebpfert  werde,  welches  die  obgedacbte  Stelle 
lAenanders  beweife;  oder  weil^  wie  man  (aget 
jdas  Kreuz  der  Thiere,  nemlich  der  geopferten» 
jssnerft  erwachle« 

-      Wahrfeheinlich  rechneten  die  Römer  auf  di^ 

,Genfig6mkeit  der  Götter  nicht  weniger r  als  die 

:fixxnuBea.  .Grönländer ,..  wofesn  .ich  mich  reclkt 

erinnere,  die  von  den  gefangenen  fifchem  ilureA 

X3 


0)6    MYTHOLOaiSCHER  BRIEFE  II.  B, 

Schuzgeiftern  die  Gräten  ond  die  Schwänze  hm« 
werfen,.  Denn  Tertullian  {apologet  14)  giebt 
ihnen  das  Zf^ngnis»  dafs  fie  nur  ausgemergeltes 
und  elendes  Vieh  opfern ,  und  vom  fetten  und 
gefunden  nur  den  Abfall  (lümmeln ,  als  Köpfe 
und  Klauen,  was  man  zu  Haufe  den  Knechten 
oder  den  Hunden  beftimmt  hätte.  Schon  von 
den  Griechen-  ward  manchmal  auch  diefer  knöch<* 
richte  Antheil  den  Göttern  im  Zeitalter  des  Ho« 
meriden  Cinäthus  geweiht ,  wie  aus  deiTen  Hym« 
Sii;s  an  Herqies  erheilt:  wo  der  Gott,  als  Urheber 
der  Opfergebräuche  v.  135,  Altäre  erhebt»  und, 
trockene  Scheiter  darauflegend»  »Afltr«^',  axaHMfwmt 
4ii  ganze»  Fußt  und  die  ganzen^  Häupter  9  in 
4e$  Feners  Lohe  vertilgt. 


XLL 

Jl#ine  artige  Leiter  von  Empfindungen ,  die  Sie 
beim  Anblicke  des»  entlarvten  Mythenphilofophen 
durchfliegen  zu  haben»  fo  treuherzig  bekennen! 
•*Erft  Befremdung,  dann  Verwunderung,  bald 
<<  darauf  Unwillen,  dann  wieder  Mitleiden,  und 
^<  endlich  gel^enes  Wohlbehagen  an  der  tragiko-- 
<^  mifchen  Erbürmlicbkeit.  9»  Wej-  hätte  gedacht^ 
dais  mein  imldr«dender  Freund  fo  boshaft 
Väre? 


nNUirDVlBR2IGSTE1t  BRIEF.     317 

Ihr  Gelaft  indelTea  nach  mehreren  Lächerlich* 
keiten  unferes  Anftroftp^Qc  fühle  ich  gar  keinea 
Beraf  zu  befriedigen.  Wir  wollen  das  mytfaolo« 
gifche  Gaukelfpiel,  das  feine  Zeit  währte,  ver« 
geben  und  vergeben ;  aber  auf  dem  unermefslichen 
•Fabelgefilde ,  wo  zehn  Leflinge  zu  thun  fänden» 
uns  felbft  jeder  ein  Pläzcfaen  nach  unferer  Be* 
quemlichkeit  zum  Anbau  wählen,  und  freund- 
liche Gehülfen  einladen. 

Ich  für  mein  Theil  habe  fchon  längft  aufFöbos 
Apoüons  und  der  jungfräulichen  Artemis  heiligefi 
Bezirk  mit  Wehmut  geblickt,  und,  wenn  nicht 
blühenden  Anbau ,  doch  Aufräumung  und  Anlage, 
doch  die  erfte  rohe  EntwUderung,  meinen  Kräf- 
ten gemäfs  geachtet. 

Aber,  o  Vater  Zeas^  and  Paliai  Athen',  und  ApoIIou! 

Welch  ein  Wuil:  von  alten  und  neuen    ZerrUt- 
'  tungen! 

Und  allen  den  Unrath  bat  zulezt  noch  Herr 
Heyne  von  neuem  aufgewühlt,  und  die  dufteren 
Staubwolken  der  Allegorie  für  altpelasgifche 
Philofopheme,  für  Vorftellungsart  der  Urwelt, 
für  Bilderfprache  der  vorl|omerifi)hen  Heroen, 
in  deren  Zeitalter  man  fich  r^^oht  lebhaft  hinein* 
denken  mUiTe,  ausgefchrien. 

Denn  fo  lehrt  er  in  feinem  Auf laze  i^ber  den 
Urfprung  der  homerifchen  Fabeln  (^amnu  Gott 

X4 


31$     MYTHOLOaXSCKER  BRIB^B  Xt.  B. 

1777  f.  37>  Nachdem  die  altvfttrifcfaen  Latidea- 
religioneD  der  zerftreaeten  Horden  GniecbenhuidB 
durch  Danaus  und  Cekrpps  mit  ägyptircben  Be- 
griffen i  durch  PiBiIops  mit  pbrygifchen,  durdi 
Kadmus  mit  pbönici&hen  vermilcfat  worden:; 
entftaijiden  bald  pbilofophifche  Myfterjeti  und  Tem^ 
peldienfte»  aus  ^eren  Schoofs  ^e  Art  von  Natu», 
philofopfaie  über  den  Ürfprutig  der  Dinge  tind  der 
Elemente  Entwickelung^  wegen  der  Armut  der 
Sprache  in  fymbolifohe  Bilder  von  Gottheiten  ge^ 
fafst,  hervorgingt  und  Dichter  erft  zu  Kosmo- 
Ironien  9  dann  zu  Theogonien  begeifterte*  Diefe 
Sinnbilder  der  ürphilofpphie,  die  Herr  Heyne 
diirchaiia  nicht  Allegorie,  denn  die  fei  fpSter» 
genannt  wiiTen  will,  entleböte  Homer  aus  de|i 
Kosmogonienj  upd  verwandelte  fie  in  wahre 
Perfonen  von  übermenfcblicher  Kraft,  die  an  den 
Handlungen  feiner  Heroen  Theil  nahmen;  oder 
vielmehr  nur  fo  thaten  „im  Grunde  aber  phyfifche 
imd  moralircbe  Siüzse  ausdrückten» 

Schon  Oarke,  fagt  Herr  Heyne,  habe  dfe 
Bemerkung  in  feinem,  übrigens  nicht  fe|ir  fehlEz* 
baren  Kommentar  zum  Homer  (H*  i,  35^9;  5, 
3855  »St  18)  gemacht,  aber  ans  ünkunde  der 
homerifchen  Sitte  und  Sprache,  nicht  gehörig 
ins  Licht  gefteilt  Weshalb  auch  dem  venerabUis 
%rne&XB  der  an  der  Bemerkung  zweifelte»  und 


in  der  Ürpfailofophle  Unter  fpütere  Allegorie 
waliriiahni  9  die  Lehre  gegeben  wird:  '^So  viel 
•**  konune  darauf  in »  fich  in  die  Zeit  des  Dichte» 
f'und  fetner  Helden  zu  verfezen!  ScUket^  mali 
•^  mSfle  gleich&m  mit  ihnen  leben»  man  mUlTe  fehn^ 
^<W98  jene  gefebn^xind  fühlen ,  was.  jene  gefUhlt; 
**  and  wer  die^i  nicht  durch  Natur  oder  Uebung  ge^ 
f*  lernt  habe,  mOiTe  den  Homer  ans  der  Hand  legen. 
^^  Deponenius  €X  manibusefl  Homirusl^^ 

Nun,  nun!  nicht  geeifert,  fondern  helehrti 
^  Wie  machen  wirs,  dafs  wir  mit  Homer  und. 
feinen  Heroen  gleichiam  leben,  dafs  wir  fehn^ 
was  jene  gefehn ,  und  fühlen ,  was  jene  gefühlt? 
Wie  vermeiden  wir  die  Gefahr,  uralte  orfifche 
und  famothracifche  Bilderphilofophie  für  fpfitere 
^Uegorifche  Umdeutung,  oder  nmgekehrt  diefe 
für  jene,  anzufehh? 

Di?8  weifs  Herr  Heyne  nicht  fo  recht  eigent- 
lich anzugeben;  durch  Natur  lerne  man  es,  oder 
durch  Uebung*  Zu  unferer  Uebung  wUl  er 
cmige  Beifpiele  dnrchphilofophiren.  ' 

Die  uralte  Kosmögonie,  fagt  er,  liefe  vor  der 
Erfchaffung  ein  allgemeines  Gewirr  herfchen:  das 
bedeutet  Eris,  die  Homer  zu  einer  handelnden 
t^erfon  machte«  Die  Zeit  der  Verwurung  und 
£ntwjckelung  wird  durch  Kronus,  der  feine 
Kinder  verzehrt«    und  durtffa  ,die  vseifio&enen 

x$ 


330    MVTHOLOaiSCHEU  BRIEFE.  IIB. 

Titanen  bexeietinet.  Daranf  die  Anordnung  der 
Elemente  dnrck  Jupiter,  Neptonus,  Pluto.  Das 
lerfte  Element  üchien  WaiTer;  daher  Oceanus  der 
Cötter  Vater.  Anderen  (chien  es  die  Luft; 
jdaber  Jupiter  die  obere,  und  Jono  die  untere 
XuSty  Bruder  und  Schwefter,  Mann  und  Weib; 
Malier  die  Begattung  auf  Ida,  eigentlich  befrach- 
jtender  Regen  imd  Thau;  daher  der  ewige  2^nk, 
eigentlich  Ungewitter;  daher  die  Ambo(se  an 
JuDo's  Füfsen,  Erddlinfteuad  Meerdlinfte;  daher 
auch  die  vom  Olympus  herabgelaflene  Kette,  *) 
die  vom  Aether  abftufehden  Elemente;  daher 
'ferner  die  Feflelung  Jupiters  durch  Juno ,  Neptu- 
nus  und  Miiierva,  oder  richtiger  Apollo,  eiia 
Bild,  wie  der  Aether  durch  Luft,  Waller  und 
Feuer  (denn  Feuer  fei  Apollo  als  Sonnengott) 
gehemmt  worden ;  daher  ... 

Uip  Vexgebung.  Alle  diefe  und  ähnliche 
Peutungen  haben  uns,  wo  mir  recht  ift,  fchon 
Katalis  Kornes  imd  Benjamin  Hederich  und  der 
biedere  Damm  jaus  älteren  Deutern,  vorzüglich 
aus  Homerivita  i^Gat.  p.  324-329),  der  Länge 
sach  vorgedeutet.    Nur  dals  diefe  wizigen  Deu- 


*)  Nicht  MM  OiympHS  fenkte  Jopiter  die  Kettie,  foadera 
fiuf  den  Berg  Olympuf  vom  ehernen  Gewölbe  des  Him* 
mels  herab,  ^te  fich  Herr  Heyne  4«s  homerifche 
VeltgebfiadevoAl  vorfteUea  xntg? 


SINUNDVIERZiaSTBR  BRIEF»     33  t 

Ifcongen  nicht  für  Einfälle  fpäterer  Allegoriften, 
fondern  für  ächte  Philofopheme  der  vorhomeri« 
fch^n  Geheimphilorophie 9  zu  halten  fein:  nur 
^avon  erbitten  wir  uns  einen  kleinen  Beweis. 

Wer  fo  verftockt  zweifelt,  dem  räth  Herr 
Heyne  den  Homer  aus  der  Hand  zu  legen,  und 
fährt  ruhig  fort,  die  Philofopheme  uralter  Kos« 
mogonien,  in  allerhand  Abtheilungen  geftellt^ 
2u  enträzeln:  wo  unter  andern  das  Feuer  bald 
durch  Jupiter  9  als  Symbol  des  Aethers,  bezeich- 
net wird ,  bald  durch  den  hinkenden  Vulkan ,  bald 
wieder  durch  jlpoüof  deflen  Kampf  mit  Neptun 
in  der  Ilias  ein  Streit  th  vre»  ««1  tb  {vf  u  ,  des 
tfajfm  und  dis  Trockenen' f  fei.  ♦) 

Endlich  kommt  er  (f.  52)  auf  jlpoBo  befon« 
ders,  und  ^iebt  für  ein  altes  Philofophema  die 
wohlbekannte  Umdeutung  der  Späteren:  <<Da 
•'  Apollo  für  den  Urheber  der  Peft  gehalten  ward» 
^^nach  dem  alten  Symbol  der  Sonne  t  die  Pfeile  als 
^*Stralen  ansfchiekt;  fo  hat  Homf&r  die  Peft  im 
^<  Lager  der  Achaier  mit  Recht  vom  Apollo  ab«i 
^'geleitet ,, 
—  -  -  ■  -         .,  ij,  j  _ 

f)Anch  dic£i  Veishek  floft  ans  Honten  vHa  (G«/. 
f.  33g),  oder  aus  einem  Mhnltchen  Brünnleio.  Bei 
Philoftrtt  {Heraic,  c.  3)  behauptet  ein  anderer,  dafsdie 
Götterkämpfe  von  Homer  nach  der  Weife  dei  Orfeoa 
9t^iXo€o^ijffB»t  9  fhilofiphife^  gemeint  worden  fein» 
Werken  Sie  die  Vi^unel.dei  Wörtlci&t  Fbüofi^enuh 


33t    IVIVTHOLOaXSCHBll  BKIEFS  X&  B. 

t  Lehrreicher  noch  entwickelt  er  dies  PJiiiofo» 
phensa  in  den  Lebrftunden  über  die  griechifchen 
Alterthümer»  woraus  Herr  Hermann  (i  S.  aji) 
folgendes  berichtet*  *^  Apollo ,  fchon  den  Pelas^ 
'*gern  das  Symbol  der  Sonne,  Die  Straten 
•* wurden  als  Pfeile  gedacht:  daher  Apollo  eia 
«•  Pfeilfchüze ,  der  Seuchen  und  plözlicben  Tod 
''fendet;  daher  Apollo  mit  goldenem  Schwer^ 
'<weil  die  Sonne  hell  blizt;  daher  Auffeher  der 
/•Heerden,  denn  die  Hize  erregt  theils  Vieh- 
•'^feuchen,  theils  Wachsthum.  Er  hatte  das 
^**  uralte  Orakel  zu  Delfi:  daher  ift  er  Gott  der 
,<*Wabrfagung,  Begeifterung,  Mufik.  Die  Maus 
**  verkündigt  vielleicht.  Witterpng:  daher.  Apollo 
<*Smintheus,  der  MSufegott.  Ferner  der  unbe- 
"**fchorene,  u.  f.  w.  „    * 

Welche  fämtliche  Urpfailofophie  aus  Phumii» 
.tns»  Heraklides»  Mofchopolus,  Sie  wiedemm, 
;Wenigftens  eben  fo  gut»  unter  Benjamin  Hederi^ 
iänäfftPritigen  Deutmigm  des  AfoüinU  ilndeiH 
»mit .  dem  halb  unwilligeo.  Zufaz  x  */  Allein  aaf 
**  diefe  Art  wird  der  Deutungen  von  demApollim 
**{o  wenig  ein.  Ende  werden,  als  wenig  alle 
'««Würkungen  der  Sonoe  werden  bemefket 
'* werden  können.,. 

Aber,  kann  man  einwenden,    der    Sonnen- 
gott h^USst  ja  Helios.  -*«»    «vRicbtig!,,  antwortet 


•  E1NU»D VIERZIGSTER  BUIEF'.      33^: 

Herr  Heyne  (,e<mm.  de  Tkeog.  Hef.p.xo^by  He* 
«*  lio3  liiefs  er  iö  dei^uralten  Mythologie*  >*  Nach- 
^  dem  aber  Krotios  von  Zeua  entthront  worden, 

V  jezt  folgten  neue  Gottheiten,  ais  Hades,  Vefta, 
^Demeter,  an  des  Oceanus  Stelle  Neptunqs^ 
^<,und  wie  jeder  von  felbft  hinzudenken  Xaifn;' 
^«ftatt.des  Titanen  Helios  der  ewig  ji^ige  Apollo 

V  mit  Pfeil  und  Bogen.  „ 

Das  lezte  folgert  mit  Herrn  v Hermann  (a 
St  52)  auch  Herr  Moriz  in  feiner  Götterlehre 
(S.  34):  welchem  die  Göttingifche  Anzeige 
Ci7S^»  ^6  St  S;  155,  157)  das  Lob  ertheilt, 
«verfchiedene  ^»/i/5n«ig^ff  der  Neueren  genuzt,. 
**  und,  dafsdie  Fabel  vom  alten  Heliosauf  den  jünge« 
<f-ren  Apollo  übertragen  fei,  gut  gefaßt  zu  haben.  ,# 
]^ine  Artigkeit  war  der  anderen  wertb.  Man 
'  hfinfele  nur,  unddie  Hanfe  wird  durcbhelfen. 

^ .  Sogar  der  rhodifche  Helios  wird  im  Herman- 
i|ifchen  Handbuche  (2  S.  392.  393*  419)  gradezu 
l|nd  allein  Apollo  genannt.  Auch  in  Ihrer 
Abfchrift  der  Archäologie  nennt  Herr  Heyne 
den  berühmten  Kolofs  des  Sonnengottes  in 
Rhodus  nicht  anders,  als  eine  der  älj^eften  Abbil- 
4tjngan  Apoüos. 

Das  ift  doch  wahrlich  ein  wenig  ftark!  Apollo 
fcbon  im  pelasgifcben  Alterthura  ein  Sinnbild 
der    Sonne,    an    der    S|:elle    des    verftofkenea 


334    MYTHOLOaiSCHSR  BRIBirs  It.  8« 

Titanen  Helios?  wie  Neptgnpg  ein  Sinnbild  det 
WaiTers,  an  des  abgeresten  Oceanns  Sfcatt?  Wenn 
atfo  Homer  und  ein  folgender  Dichter  Heliog 
nennt)  fo  Ift  Apollo  gemeint ^  und  wennOceanus, 
Neptunus?  Und  dabei  bieibts?  Und  wers  nicht  glau« 
ben  will,  der  lege  den  Homer  aus  der  Hand? 

Sie   fehn»    mein  ßefsteri    mit  den  Herred 

Heyne  und   Hermann  läfst  fich  über  die  Sache 

..  nicht  weiter  reden.    Wir  wollen  demnach,  ohne 

mis  umBufehn»  in   der  Stille»    die  dem  Gegen* 

ftande  gebührt»  unter  uns  ausmachen: 

I.  Honten  ApoÜon  iß  nicht  Helhs^  und  ffeÜof 
ifiicht  Jlpollon.  Diefer  beherfchtf  nach  wie  vor,  dm 
Sonnenwagm;  jener  allein  ff^ahrfagung ^  Mufik^ 
Bogenkünde.  Selbfl  noch  die  Artenei  hat  ihren  bt* 
fmderen  GoH.  Eben  fo  verfchieden  find  ArtemiM 
und  SeUni* 

IL  Erß  Jahrhunderte  nach  Homer,  durch unt'» 
deutende  Ifelttveife  und  Pf  äffen,  ward  ApoÜon,  wie 
mehrere  Volts gitter,  in  alle gorif ehern  Sinn  für  di$ 
Sonne,  Und  Artemü  für  den  Mond 9' erklärt. 

IIL  Dennoch  nahm  die  griechifche  Volksreti* 
gloH  nie  den  Apollon  zum  Sonnengott,  wie  dief 
Artemis  mur  Mondgöttin ;  felbß  nicht  die  römifchep 
die  den  Sol  jttvar  mit  dem  Beinamen  Phöbus  «si« 
milen,  nie  aber  Apollo  nennt»     " 


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MythologltctwBrM». 


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