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Full text of "Nachrichten von der Königlichen gesellschaft der wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-historische klasse. Beiheft[e]"

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Nachrichten 


von  der 


Königl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften 

zu  Göttingen. 


Philologisch  •  historische  Klasse. 


Ans  dem  Jahre  1898. 


i  Ghöttingen, 

CommismousTerlag  der  Dieterich'Bchen  UiÜTerritätsbuchhaiidlang 

Lflder  Hontmum. 

1898. 


Register 

über 

die  Nachrichten  von  der  Königl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften 

philologiscli  -  historisclie  Klasse 
ans  dem  Jahre  1898. 


G.  Eaibel,  Menanders  FeojQydg S.  146 

P.  Kehr,  Papstorkxmden  in  der  Romagna  und  den  ]\Iarken     „      6 

Papstnrknnden  in  Benevent  und  der  Capitanata    .     „     45 

Papsturkunden  in  Apulien.    Bericht  über  die  Reise 

des  Herrn  L.  Schiaparelli ;,  237 

—  —    Papsturkunden  in  Umbrien.    Bericht  über  die  Reise 

der  Herren  M.  Klinkenborg  u.  L.  Schiaparelli  .     „  349 

Diplomatische  Miszellen „  496 

H.  Klinkenborg,  Papsturkunden  im  Principato,  in  der 

Basilicata  und  in  Calabrien „  335 

F.  Leo,  Das  Schlußgedicht  des  ersten  Buches  des  Properz     „  469 

H.  Lüders,  Zwei  indische  Etymologien „       1 

W.  Meyer,  Der  Ursprung  des  Motetts.  Vorläufige  Be- 
merkungen        ;,    113 

Die  Anklagepunkte  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelärd    „  397 

A«  Rahlfs,  üeber  eine  yon  Tischendorf  aus  dem  Orient 
mitgebrachte,  in  Oxford,  Cambridge,  London  und 
Petersburg  liegende  Handschrift  der  Septuaginta    .     „     98 

M.  Rieger,  üeber  eine  mißverstandene  Stelle  in  Dantes 

Commedia „  479 

C.  Schmidt,  Der  Osterfestbrief  des  Athanasius  vom  J.  367    „  167 

TJ,  von  Wilamowitz-Moellendorff,    Das   Skolion 

des  Simonides  an  Skopas „  204 


Zwei   indische  Etymologien. 

Von 

Heinrich  Lftden. 

(Vorgelegt  von  F.  Kielhorn  in  der  Sitzung  vom  22.  Janaar  1898.) 

Fall  ludda. 

P.  ludda  %  „furchtbar,  böse"  und  „Jäger",  wurde  von  Fausboll 
zu  Sk.  lupta^  laptroy  lotra,  „Beute,  Raub",  gestellt').  Kuhn  fühi*t 
es  auf  Sk.  lubdha  zurück,  hält  aber  auch  die  Fau8b0llsche  Ablei- 
tung  für  möglich  ').  Bei  Childers  wird  ebenfalls  lubdha  als  Aequi- 
valent  gegeben.  Trenckner  stellt  das  Wort  offenbar  zu  rudra;  er 
führt  unter  den  Wörtern,  die  im  Päli  in  verschiedenen  Formen 
erscheinen,  ludra,  rudda^  ludda  und  rül<i  auf  ^).  Im  Glossar  zum 
Suttanipäta,  S.  306,  hat  Fausb0ll  diese  Etymologie  abgelehnt  und 
ludda  mit  lubdha  identificiert. 

Was  zunächst  ludda  in  der  Bedeutung  furchtbar  betrifft,  so 
scheint  es  mir  keinem  Zweifel  zu  unterliegen,  daß  es  Sk.  raudra 
ist.  So  haben  es  die  Inder  selbst  gefaßt.  G.  16  des  Saihkicca- 
jätaka  (530): 

icc  ete  affha  niraya  akkhätä  duratiJckawä  \ 
äkinnä  luddakammehi  paccekä  solas'  ussada  || 
lautet  in  der  Sanskritfassnng,  Mahävastu  I,  9: 

ity  eie  affau  niraya  äkhyäta  duratikrama  \ 
aklrnä  raudrakarmebhih  pratyeka^odaiotsada  \\ 
So  lassen  sich  auch  allein  die  gelegentlich  erscheinenden  Neben- 
formen erklären.    Einen  Beleg  für  ludra  liefert  Jät.  VI,  306,  26: 


1)  Gelegentlich  ludda  geschrieben ;  s.  B.  J&t«  V,  270,  4. 

2)  Five  J&takas,  S.  88. 

8)  Beiträge  xnr  Pali-Oramniatik,  S.  41. 
4)  Fall  MisceUftny,  I,  S.  68,  Note  19. 

Kfl.  Qm.  4.  Win,  MMhitofct— .    PkU«l«ff^Uitor.  KImn  1818.   Ult  1.  1 


2  Heinrich  Lüders, 

accähitaih  Jcamniam  karosi  Itidram^).  rudda  finde  ich  Jät.  lY,  416, 
25:  ayam  so  luddalco  eti  ruddarüpo  sahävudho.  Vielleicht  beraht 
das  anlaatende  r  hier  auf  Assimilation  an  das  folgende  r  von  rüpa] 
B**  liest  luddarupo.  rüla^)  (aus  *rilda,  *rudda,  raudra)  in  Milindap. 
276  (tassa  rälarülassa  bhimabhmassa)  scheint  wegen  der  Lingaali- 
sierong  aas  einem  andern  Dialekte  zu  stammen. 

Andererseits  scheint  es  mir  aber  unmöglich,  p.  ludda^  luddaka 
in  der  Bedeutung  Jäger  von  sk.  lubdhaj  lubdhaka  zu  trennen.  Die 
zu  erwartende  Form  würde  natürlich  luddha  sein.  Diese  Form 
kommt  aber  in  den  birmanischen  Handschriften  des  Jätaka  tat- 
sächlich vor,  z.B.  Jät.  UI,  331,  12  luddha]  II,  120,  15  luddhath] 
IV,  178,  1 ;  179,  9  luddho :  VI,  306,  26  luddliam.  In  den  drei  letz- 
ten Fällen  steht  luddha  sogar  fälschlich  für  das  Adjektiv  ludda^). 
luddlu)  wird  ferner  ausdrücklich,  neben  luddo,  in  der  Bedeutung 
Jäger  in  der  Abhidhänappadipikä  gelehrt  (s.  Childers  s.  v.).  In 
der  Spiegeischen  Ausgabe  der  KasavähinI  ist  ebenfalls  überall  lud- 
dhako  u.  s.  w.  gedruckt  (z.  B.  S.  25.  26. 29).  Angesichts  dieser  Tat- 
sachen dürfte  es  schwer  sein,  das  Bestehen  der  Form  luddha  im 
Päli  zu  leugnen*).  Die  beiden  ähnlich  klingenden  Wörter  sind  aber 
offenbar  schon  früh  mit  einander  verwechselt  worden.  Für  den 
Inder  lag  es  sehr  nahe,  in  dem  luddha  einen  ludda  zu  sehen.  Der 
Jäger  ist  ein  ruddarüpo  (s.  o.),  ein  raudrah  puru^ah  (Kathäs.  61,  59) ; 
er  heißt  ghorah  (Mbh.  XII,  143,  10),  ugrah  (Mbh.XVI,  4,  22);  sein 
Handwerk  ist  raudram  (Mbh.  XU,  143, 12),  glioram  (Mbh.  III,  207, 19) 
u.  s.  w.  Hemacandra  giebt  dem  synonymen  vyadlia  geradezu  die 
Bedeutung  du^fa  (Anek.  II,  244),  und  Bhägavatap.  III,  14,  35 :  vya- 
dhasyäpy  anukampyäiiäm  strinam  devah  SatTpatih  giebt  Sridharasvä- 
min  vyadhasya  durch  nirdayasya  wieder  %  Ich  halte  daher  p.  ludda, 
Jäger,  für  eine  volksetymologische  Umgestaltung  eines  ursprüng- 
lichen luddha. 

Sanskrit  dohada. 

Dohada,  im  vedischen  Sanskrit  nicht  belegt,  ist  ein  in  der 
klassischen  Literatur  überaus  häufiges  Wort.     Es  bezeichnet  das 


1)  B^  liest  luddham. 

2)  In  xwei  Handschriften  rula. 

8)  Andererseits  findet  sich  in  singhalesischen  und  zum  Teil  auch  in  birmani« 
sehen  Handschriften  auch  ludda  f&r  den  Adjektiv  luddha,  gierig;  vgl.  die  Les- 
arten KU  iasariydluddhOf  J&t.  HI,  161,  23. 

4)  Auch  im  Prftkrit  haben  wir  loddhaa,  s.  Yararoci  I,  20;  lU,  8;  Hemacan- 
dra I,  116;  II,  79. 

5)  Nach  dem  P.W. 


zwei  indische  Etymologien.  3 

seltsame  Gelöste  einer  Schwangeren  und  wird  daher  oft  auch  in 
Bezug  auf  die  Bäume  gebraucht,  die  nach  der  Sage  Blüten  trei- 
ben, wenn  sie  mit  einem  jungen  Mädchen  in  Berührung  kommen '). 
Bisweilen  wird  es  von  den  Kommentatoren  geradezu  durch  garhha 
wiedergegeben;  z.B.  Raghuv.  XIV,  71  dohadalingadcarsl]  Mall,  gar- 
bhacUinadarSt.  Eine  Nebenform  ist  dohcda.  Sie  erscheint  z.  B.  Mä- 
lavikägn.  (ed.  Shankar  P.  Pandit)  45,  3 ;  54,  5 ;  56,  8.  Ferner  be- 
gegnet uns  ein  daurhrda  in  derselben  Bedeutung;  siehe  Haläyudha, 
Abhidh.  I!,  343 ;  Hemacandra,  Abhidhänac.  541 ;  Raghuv.  (ed.  Shan- 
kar P.  Pandit)  lU,  1 :  Süddk^inä  daurhrdalakfanam  (Mall,  garbha- 
eihnam)  dcuUiau]  XIV,  26  mükhena  .  .  .  anak^aravyafijitadaurhrdena 
(MalL  daurhrdath  garbiwh).  Endlich  erscheint  auch  noch  ein  dau- 
hrda;  siehe  Vaijayanti  (ed.  Oppert)  98,  360;  Yäjfi.  lU,  79  v.  1. 
(nach  P.W.),  Susruta  I,  322;  323  u.s.  w.;  Bhävaprakääa  I,  71. 

Im  Päli  lautet  das  Wort  dohala  ^.  Reichliche  Beispiele  lie* 
fem  Jätakas  57.  208.  292.  546.  Ich  möchte  hier  nur  6.  2  des  letz- 
ten Jätaka  anführen : 

Dhammo  manuiesu  matinam  dohalo  nama  janinda  vuccaii  \ 

dhamniähafafh  nägaJcufljara  Vidhurassa  haday'  äbhipatthaye  \\ 
Häufig  ist  auch  die  Ableitung  dohalinl]  z.  B.  Jät.  VI,  270, 1 ;  326, 13; 
und  dohaläffaii,  Jät.  VI,  263,  11.    In   dem  Sanskrit  -  Dialekte    der 
nordlichen  Buddhisten  entspricht  dohala ;  z.  B.  Mahävastu  II,  249, 9. 

Was  das  Pr&krit  betrifft,  so  lehrt  Vararuci  (U,  12)  und  He- 
macandra (I,  221)  dohala  für  Sk.  dohada.  Belege  aus  Häla  und 
Mftlavik&gn.  giebt  Pischel  zu  Hemacandra').  Hemacandra  lehrt 
I,  217  femer  den  fakultativen  Übergang  des  anlautenden  Dentals 
in  den  Lingual.  In  Jainatexten  finden  sich  denn  auch  tatsächlich 
beide  Formen  nebeneinander,  wie  man  aus  dem  Glossar  zu  Jacobis 
Aasgew.  Erzähl,  ersehen  kann. 

Von  einheimischen  Erklärungen  des  Wortes  ist  mir,  abge- 
sehen von  der  nachher  zu  erwähnenden  Erklärung  bei  Susruta, 
nur  eine  bekannt.  Hemacandra  leitet  es  im  Kommentar  zu  Upä- 
dig.  244  von  duh  ^k^arane^  mit  dem  Suffix  ada  für  uda  ab.  Das 
beweist  nur,  daß  er  über  die  Entstehung  des  Wortes  nichts  mehr 
wußte.  Im  P.W.  wird  daurhrda  (s.  v.)  als  ursprüngliche  Form 
angesetzti  and  diese  Erklärung  findet  sich  darnach  auch  bei  Wacker- 


1)  Siebe  die  Stellen  im  P.W.  and  die  Ton  Mallinfttha  su  MeghadfiU  II,  15 
angeffthrten  Strophen. 

8)  Hnndtehriftlich  encheint  gelegentlich  auch  dohala-,  s.B.  Jftt.  II,  169, 1. 

8)  In  Alteren  Ausgaben  findet  sich  fUtchlich  aach  dohaa ,  x.  B.  Ratnlvall 
&  91,  29  (CaleutU  1882),  and  dohada,  s.  B.  Uttararftmac.  8.  15  (CalcotU  1881). 

1* 


4  Heinrich  Laders, 

nagel,  Altind.  Gramm.  §  194  ^).  Die  Bedentong  kömite  nach  von 
Böhtlingk  vielleicht  ursprünglich  nur  „Widerwille  der  Schwange- 
ren gegen  bestimmte  Dinge"  gewesen  sein.  Allein  wo  das  Wort  vor- 
kommt, bedeutet  es  stets  im  Gegenteil  gerade  das  Verlangen  der 
Schwangeren  nach  gewissen  Dingen.  Die  Ableitung  von  daurhrda, 
das  im  Mbh.  in  der  Bedeutung  Feindschaft  belegt  ist,  wird  daher 
meiner  Ansicht  nach  durch  die  Bedeutung  ausgeschlossen. 

Die  richtige  Erklärung  glaube  ich  bei  Susruta  zu  finden.  Er 
spricht  I,  322  über  die  Entwicklung  des  garbha :  caturthe  (müsi)  sw- 
vängaprcUyangavibhägah  pravyaktataro  bhavaii  \  garbhahrdayapravyak- 
tabhäväc  cetanädhätur  abhivyaklo  bhavcUi  \  kasfucU  \  tatsthdnatvCU  \  ta- 
smOd  garbhas  caturthe  mäsy  abkiprayam  indriyärtheau  karoti  \  dvihr- 
dayäm  ca  nOrtth  dauhrdimm  äcdk§ute  \  „Im  vierten  Monat  wird  die 
Teilung  aller  Glieder  und  Nebenglieder  deutlicher.  Infolge  der 
Ausbildung  des  Herzens  des  garbha  entwickelt  sich  das  Organ  des 
Bewußtseins.  Warum?  Weil  es  sich  im  Herzen  befindet.  Daher 
zeigt  der  garbha  im  vierten  Monat  ein  Verlangen  nach  Sinnes- 
objekten. Und  eine  Frau  mit  doppeltem  Herzen  nennt  man  dau- 
hrdinl^.  Die  gleiche  Auseinandersetzung  findet  sich  im  Bhävapra- 
kä^a  I,  71 : 

sarväny  angany  upängäni  caturthe  syuh  sphufäni  hi  \ 
hrdayavyakiahhävena  vyajyate  cetanäpi  ca  || 
tasmäq  caturthe  garbha^  tu  nänävastüni  vMchati  \ 
taio  dvihrdayä  yat  sydn  närt  dauhrdint  matä  || 
Und  ebenso  bemerkt  Mallinätha  zu  Raghuv.  III,  1 :  svahrdayena 
garbhahrdayena  ca  dvihrdayä  garbhinX  \  yathaha  Vähafah  \ 
matrjam  hy  asya  hrdayam  mOtus  ca  hrdayena  tat  | 
saihbaddham  tena  garbhinyah  src^fham  sraddhüibhimänanam  || 
iti  I  tatsarhbandhitvad  garbho  daurhrdam  ity  ucyate  \  sa  ca  tadyogad 
daurhrdinTti  \  tad  uktam  Samgrahe  \  dvihrdayam  nOrtm  daurhrdinlm 
äcdk§ata  iti  \\ 

Diese  Etymologie  ist  sprachlich  wie  sachlich  befriedigend. 
Wir  haben  von  einem  *dvihrdf  doppelherzig,  schwanger,  auszu- 
gehen, das  in  der  Päliform  etwa  *du/ia}l  lauten  würde;  vgl.  dutiya 
für  dvittya,  duvidha  für  dvividha,  duratta  für  dvirotra,  dutnatta 
für  dvimätra ,  dujihva  für  dvijihva ,   duia  für  dvika ,   su  für  svid  ^), 


1)  Nur  Aufrecht  hat,  soweit  ich  sehe,  diese  Etymologie  abgelehnt.  £r  be- 
merkt Halfiyadha,  S.  241,  zu  daurhrda:  This  word  was  invented  by  some  craxy 
etymologer. 

2)  Ich  mdchte  hierher  noch  ein  anderes  Wort  stellen,  den  Namen  des  Königs 
Diltpa.  In  der  Bengali-Becension  des  Padmapurft^a  findet  sieb  dafür  überall  die 
Form  DvUtj^.    Im  Q.  10  des  Nimij&talca  (541)  finden  wir  einen  König  Dudlpo\ 


zwei  Indische  Etymologien.  6 

tmd  Eahn,  Beitr.  S.  36.  Dazu  wurde,  einem  Sk.  ^dvaihrda  ent. 
sprechend,  ein  Adjektiv  dohoh  gebildet,  das  dann  anch  als  masku- 
lines Substantiv  *),  mit  stillschweigender  Ergänzung  von  iäntah,  ge- 
braucht wurde.  Dieses  Wort  wurde  in  mittelindischer  Zeit  aus 
der  Volkssprache  ins  Sanskrit  übernommen ,  und  zwar  entweder 
ohne  weiteres  als  dohaJa  oder,  da  man  sich  des  Zusammenhanges 
des  zweiten  Teiles  mit  hrd  oiFenbar  noch  bewußt  war,  als  dohada. 
dauhrda  und  daurhrda  sind  falsche  Sanskritisierungen ,  die  sich 
den   bei  Wackemagel  S.  LIII  angeführten  zur  Seite  stellen. 

Daß  die  Erklärungen  in  den  medizinischen  Werken  nicht  etwa 
der  Etymologie  zu  liebe  zurecht  gemacht  worden  sind,  sondern 
die  volkstümliche  Anschauung  wiedergeben,  ergiebt  sich  teils  aus 
Parallelstellen  in  der  übrigen  Literatur,  teils  aus  allgemeinen  Er- 
wägungen. Hrdisihai  cetanodhätuh  heißt  es  Mbh.  XIV,  43, 34 ;  von 
den  Jcämä  ye  hrdi  sthiiäh ,  den  Wünschen ,  die  im  Herzen  sitzen, 
wird  im  ^tapathabr.  (XIV,  7, 2, 9)  gesprochen.  Es  ist  femer  aus 
den  Eävyas  und  der  Erzählungsliteratur  zur  Genüge  bekannt,  daß 
nach  indischem  Glauben  die  Wünsche  einer  Schwangeren  unbedingt 
erfüllt  werden  müssen,  damit  das  Kind  keinen  Schaden  leide'). 
Auch  wird  die  Natur  des  Wunsches  als  Vorbedeutung  für  den 
Charakter  des  Kindes  betrachtet  ^).  Beides  ist  aber  nur  verständ- 
lich, wenn  diese  dohadas  als  wirklich  aus  zwei  Herzen  kommend 
gefaßt  werden,  nicht  nur  aus  dem  der  Mutter,  sondern  auch  ans 
dem  des  Kindes.    Der  Name  ist  also  nicht  umsonst  gewählt. 


handBcbriftliehe  Lesarten  sind  DutJjw,  Dudipo.  Im  Bbfiridattaj.  (543),  0.  129 
lesen  wir  Dt^'tpo,  allein  die  liCsarten  Dujipo,  Düdipo^  Dudipo,  Dutipo  und  die 
Ähnlichkeit  des  ganzen  ZusammenhaDges  lassen  kaum  einen  Zweifel  darüber,  daB 
wir  anch  hier,  wie  schon  Fausbpll  angedeutet  hat,  Dudipo  su  lesen  haben.  Die 
Sanskrit-  und  Pali-Formeo  zusammengenommeu  führen  also  auf  eine  Form  Dri- 
dipct  die  dann  weiter  wolil  auf  Dvidvipa  zurückgeht.  Zu  dem  Übergang  von  d 
in  l  Tgl.  Wackernagel,  Altind.  Or.  §  194.  Ich  bemerke  übrigens,  daB  Ludwig 
IHUpa  ans  düi-ap  ableitet,  Der  doppelte  Stammbaum  des  Somavan^a,  S.A.,  S.  9. 

1)  Als  Kentrum  finde  ich  dohada  nur  bei  Lexikographen  nnd  Kommentatoren 
wie  MalÜDatha. 

8)  Stehe  anch  Yi^fi.  HI,  79 :   d(>hada8yäpradänena  garbho  dosam  aväpnujfot. 

3)  Siehe  Sniruta  und  Bhftvaprakftsa  a.  a.  0. 


Papsturkunden  in  der  Romagna  und  den  Marken. 
Bericht  über  die  Reise  der  DDr.  M.  Klinkenborg  und  L.  Schiaparelli. 

Von 

F.  Kehr. 

Vorgelegt  in  der  SitzuDg  vom  22.  Januar  1898. 

Unsre  Mitarbeiter,  die  Herren  Dr.  M.  Klinkenborg  und 
Dr.  L.  Schiaparelli,  haben  sich  Anfangs  Oktober  vorigen  Jahres 
der  Erforschung  der  Archive  zunächst  der  Romagna  zugewandt. 
Sie  haben  die  Arbeit  in  der  Weise  getheilt,  daß  Dr.  Klinkenborg 
—  um  nur  die  wichtigeren  Orte  zu  nennen  —  Forli,  Cesena,  Savig- 
nano  und  Rimini  erledigt  hat,  Dr.  Schiaparelli  hingegen  Imola, 
Faenza,  Cervia  und  verschiedene  andere  kleinere  Orte.  Nach  Vol- 
lendung der  Nachforschungen  in  der  Romagna  haben  sie  dann  die 
Archive  der  Marken  und  TJmbriens  aufgesucht.  Hierbei  fiel  Dr. 
Schiaparelli  der  größere  Theil  der  Marken  zu,  doch  hat  Dr.  Klin- 
kenborg Fossombrone  und  Gubbio  allein,  Pesaro  und  Fano  ge- 
meinsam mit  Dr.  Schiaparelli  erledigt.  Die  Sammlung  des  Mate- 
rials, über  das  ich  hier  kurz  berichte,  ist  also  ausschließlich  das 
Verdienst  der  beiden  Herren,  die  sich  auch  nicht  die  Beschwerden 
des  Besuchs  selbst  der  kleineren  und  abgelegeneren  Orte  ^  ver- 
drießen ließen.  Jetzt  sind  sie,  nachdem  sie  auch  Umbrien  und  die 
Abruzzen  erforscht  haben,  mit  dem  gleichen  Eifer  in  Apulien  und 
Calabrien  thätig.  Ich  darf  hinzufügen,  auch  mit  dem  gleichen 
Erfolg.  Wie  reich  an  neuen  Ergebnissen  ihre  Arbeiten  sind,  zeigt 
die  stattliche  Zahl  der  im  Anhang  abgedruckten  oder  registrirten 
bisher  unbekannt  gebliebenen  Papsturkunden,  unter  diesen  hat 
eine  (Nr.  21)  eine  gewisse  Bedeutung  auch  für  die  politische  Ge- 
schichte. 


Papsturkunden  in  der  Romagna  und  den  Marken.  ^ 

I. 

üeber  die  Archive  and  Bibliotheken  der  Somagna  ist  auch 
heute  noch  L.  Bethmanns  Bericht  (Archiv  XII  570— 588)  von 
Werth :  er  erwies  sich  wie  immer  als  der  beste  und  zuverlässigste 
Führer,  wenn  er  auch  der  Papsturkunden  nur  gelegentlich  gedenkt. 
Auch  an  neueren  Nachrichten  fehlt  es  nicht.  lieber  die  größeren 
Archive  der  Romagna ,  über  R  a  v  e  n  n  a  (Nachr.  1897  S.  186  ff.), 
über  Ferrara  und  Bologna  (Nachr.  1897  S.  356—69)  haben 
wir  selbst  bereits  berichtet.  Jetzt  hat  über  die  Masse  der  klei- 
neren Archive  der  Provinzen  Ravenna  und  Forli  G.  Mazzatinti 
Gli  archivi  della  storia  d'Italia  I  (Rocca  S.  Casciano  1897)  das 
Nöthige  zusammengestellt.  lieber  die  Archive  von  B  agna Ca- 
va 11  o  ist  außerdem  zu  vergleichen  der  Bericht  von  Balduzzi 
in  Atti  e  memorie  deir  Emilia ,  Nuova  serie  VII  69  *) ,  über  die 
Biblioteca  comunalc  Mazzatinti  Inventari  VI  49.  Trotzdem  wird 
dieser  Bericht  nicht  zu  fürchten  brauchen  überflüssig  zu  sein. 
Nicht  überall  freilich  waren  die  Nachforschungen  von  Erfolg  be- 
gleitet. 

In  8.  Giovanni  in  Feraiceto,  wo  Dr.  Schiaparelli  freundliche 
Aufnahme  bei  dem  Marchesc  Tommaso  Boschi  und  dem  Cav.  Gio- 
vanni Forni  fand,  hat  weder  das  Archivio  capitolare  (begin- 
nend mit  1123)  noch  das  1869  durch  einen  Brand  verwüstete  Ar- 
chivio del  Comune  (es  begann  mit  1107  und  besaß  auch  eine  Copie 
saec.  XV  von  Lothar  III.  St.  3272,  vgl.  Schum  in  N.  Archiv  I 
136;  jetzt  ist  das  älteste  Document  von  1215)  noch  das  Archivio 
parrochiale  (beginnend  mit  1561)  ältere  Papsturkunden. 

In  Cento  fand  Dr.  Schiaparelli  einen  liebenswürdigen  Führer 
in  Herrn  Antonio  Orsini.  Das  Archivio  consulare  del  Comune 
beginnt  mit  1185;  vielleicht  haben  die  hier  aufbewahrten  Mss.  des 
Filippo  Monteforti^  Documenfi  j>er  la  storia  äella  citlä  di  Cento  von 
1765  und  Storia  della  citta  di  Cento  4  vol.,  einigen  Werth,  sie  ent- 
halten u.  A.  Abschriften  von  Heinrich  V.  St.  3140  und  Friedrich  IL 
BF.  1220*).  Das  Archivio  deUa  cougregazione  di  caritä  hat  zahl- 
reiche mit  dem  13.  Jahrh.  beginnende  Pergamene,  dagegen  fangt 
das  Archivio  notarile  (vgl.  A.  Orsini  L'archivio  notarile  di  Cento. 
Bologna  1892)  erst  mit  1423  und  das  Archivio  capitolare  erst  mit 
1586  an. 

In  Cervia  stellte  Dr.  Schiaparelli  fest,  daß  von  dem  bischöfli- 
chen Archiv  das  Archivio  della  mensa  27  Bände  Emphiteusen  nm- 


1)  Jetst  anch  bei  Masiatinti  QU  archivi  I  140. 

2)  mit  VIL  hol.  dtc. 


g  P.  Kehr, 

faßt,  die  mit  1333  beginnen,  während  in  dem  Archivio  della  can- 
cellaria  nur  jüngere  Manuscripte  sich  befinden,  in  denen  Urban  III. 
J-L.  16004  nur  citirt  wird^).  Auch  das  Archivio  comunale,  mit 
einer  Abschrift  saec.  XVIII  von  Gregor  V.  J-L.  3883  nach  Rubens, 
und  das  Archivio  notarile,    von  1467  ab,  sind  ohne  Bedeutung. 

Itnola, 

Wir  sind  hier  dem  bischöflichen  Secretär  Mons.  Bar  uz  zi  und 
dem  Bibliothekar  Romeo  G-alli  zu  Dank  verpflichtet,  die  beide 
Dr.  Schiaparelli  nach  Kräften  unterstützten. 

Archivio  della  Mensa  vescovile. 

Die  Originale  sind  verloren').    Aber  es  sind  mehrere  Copial- 
bücher  vorhanden,    von  denen  das  wichtigste  ist  der  Liber  trans- 
sumptorum  episcopatus  Imölq  factus  a  .  .  Scribonio  Cerbanio  TifervcUe 
episcopo  ImoUnsi  a.  1520,  cod.  membr.,  sign.  cod.  B. 
f.  19  Honorius  11.  s.  d.  J-L.  7390. 
f.  20  Eugen  IH.  1151  V.  18.  J-L.  9484. 
f.  22  Alexander  HI.  1179  HI.  30.  J-L.  13351. 

Aus  diesem  Ms.  sind  dieselben  Urkunden  noch  einmal  copirt 
worden  im  cod.  A  saec.  XVI — XVII  {codex  turtum).  Sie  stehen 
außerdem  auch  in  dem  Liber  rubeus,  cod.  membr.,  sign.  cod.  C,  den 
Scriboni  1522  hat  anlegen  lassen.  Hier  stehen  die  drei  Urkunden 
auf  f.  38.  38'.  45.  Der  cod.  D  endlich  mit  dem  Titel  Liber  reno- 
vatiomim  sancti  loannis  in  Pentacaso  collectus  ex  veteribus  fragmentiSy 
gleichfalls  von  Scriboni  1520  angelegt,  enthält  keine  Papsturkunden. 

Das  Archivio  della  cancellaria  vescovile  besitzt 
nur  moderne  Akten. 

Archivio  capitolare. 

Index  von  Francesco  Maria  Mancurti,    von  dem  auch  ein  Ms. 
Memoria  della  chiesa  cattedrdle  di  Imöla  3  vol.  vorhanden  ist.    Die 
Pergamene  von  964  bis   1702   sind  in  11  Faszikel   chronologisch 
geordnet;    die  Papsturkunden  sind  sämmtlich  in  Fasz.  IV. 
Originale : 

Nr.  72  Lucius  IH.  (1184—85)  X.  30.  J-L.  — .     S.  Anhang. 

Nr.  84  Urban  IH.  (1186-87)  VI.  23.  J-L.  15878. 

Nr.  85  Urban  HI.  1186  IX.  28.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

1)  Auch  ed.  von  Federico  Foschi  Synodus  Diocesana,  App.  XIV  Nr.  3,  Roma 
1898.  Die  Urkunde  steht  im  Lib.  commcmorialium  XIX  f.  82  (Nachr.  1897  S.  870). 

2)  A.  Ferri   (s.  Bibl.  comunale)  citirt  aus  diesem  Archiv  ein  Original  ron 
Innocenz  II.    Doch  hat  sich  keine  Spur  davon  finden  lassen. 


Papsturkunden  ia  der  Romagna  and  den  Marken.  9 

Nr.  124  Celestin  III.  1192  V.  25.  J-L.  16882. 
Nr.  149  Celestin  UI.  1194  XI.  26.  J-L.  17169. 

Copien : 

Nr.  82  Urban  III.  (1186-87)  V.  27.  J-L.  — .    Cop.  s.  XU. 

S.  Anhang. 
Nr.  82  Urban  HI.  (1186—87)  V.  27.  J-L.  — .    Cop.  s.  XH. 

S.  Anhang. 
Nr.  82  Urban  HI.  (1186  -  87)  VI.  3.  J-L.  — .    Cop.  s.  XU. 

S.  Anhang. 

Archivio  comnnale. 

Index  von  Antonio  Ferri  von  1713.  Die  Pergamene  reichen 
von  1084  bis  1590. 

Originale : 

Celestin  IH.  1194  VI.  10.  J-L.  17123  (Mazzo  I  Nr.  1). 

Copien : 

Eugen  m.  1146.  J-L.  8978.  Cop.  s.  XV  (Mazzo  I  Nr.  15). 

Der  Libro  rosso  oder  Registro  adle  ragioni  antiche  ddr  ill^ 
cMä  di  InioUt,  cod.  membr.  saec.  XIII — XVI,  enthält  keine  Papst- 
orknnden.  Uebrigens  befindet  sich  hier  das  Autograph  von  Zac^ 
caria  Corneliensium  episcoporum  series. 

Biblioteca  comunale. 

Vgl.  R.  Galli  I  manoscritti  e  gli  incunaboli  della  biblioteca 
comunale  di  Imola  1894.  Unter  den  schon  von  Bethmann  einge- 
sehenen Collectaneen  kommt  für  uns  nur  in  Betracht  das  Werk 
von  Antonio  Ferri  ^  des  verdienstvollen  Ordners  des  Stadtarchivs, 
Catalogo  antico  e  diffuso  dei  veseovi  d'Imola.  Origine  detla  chiesa 
Imolese  (GaUi  Nr.  48) 

p.  28  Honorius  II.  s.  d.  J-L.  7390. 

p.  32  Eugen  IIL  1147  IL  21.  J-L.  8834  (ex  orig.). 

p.  48  Urban  HI.  (1186-87)  VL  23.  J-L.  16878. 

p.  53  Celestin  IH.  1194  VI.  10.  J.-L.  17123. 

Hier  ist  auch  deponirt  das  noch  ungeordnete  Archivio  Sa s- 
satelli.    Ein  Papierfaszikel  saec.  XVlJi  enthält  Abschriften 
Nr.  7  Eugen  m.  1147  H.  21.  J-L.'  8834. 
Nr.  27  Celestin  IH.  1194  VI.  10.  J-L.  17123. 

Nach  dem  Katalog  befindet  sich  in  Mazzo  Vli  dei  documenti 
spettanti  alle  Spazzate  auch  eine  Abschrift  von  Alexander  m. 
1179  IIL  80.  J-L.  13351. 


10  P.  Xehr, 

Das  mit  1019  beginnende  Archivio  notarile  und  das  mit 
1209  anhebende  Archivio  della  congregazione  di  caritä 
besitzen  keine  alteren  Papsturkanden. 

Faenza. 

Anch  hier  fand  Dr.  Schiaparelli  freundliche  Hülfe  bei  dem 
bischöflichen  General vicar  Mons.  Berardi  und  dem  Bibliothekar 
Don  Antonio  Verna. 

Archivio  capitolare. 
Das   alte  Repertorium  scripturarum  archivii   cattedralis  Fa- 
ventin.  von  1698  (vol.  91.  92)  ist   ersetzt  durch  den  Indice  Gatti 
und  den  Indice  generale   von   1896.      Die  Urkunden   füllen  vier 
Schränke;  unser  Material  befindet  sich  in  Armadio  III. 

Originale  *) : 

Nicolaus  n.  1059  Xu.  26.  J-L.  4419  Fragment  (Munimenta 

8.  Xn  vol.  62  Nr.  40). 
Honorius  H.  1128  IV.  4.  J-L.  7298  Fragment  (ibid.  Nr.  40) «). 
Innocenz  11.    1143  IV.  26.   J-L.   8360  (Pergamene   vol.  54 

Nr.  14). 
Lucius  n.  1144  V.  20.  J-L.  8616  (ibid.  Nr.  20) »). 
Alexander  III.  —  VI.  4.  J-L.  —  (Pergamene  vol.  56  Nr.  9). 

Ed.  Tonducci  Historie  di  Faenza  (1675)  p.  210. 
Urban  IH.  (1186-87)  III.  18.  J-L.  15820  (ibid.  Nr.  130). 
Celestin  IH.  1195  L  3.  J-L.  17181  (ibid.  Nr.  192). 

Copien : 

Innocenz  II.   1143  IV.  26.  J-L.  8360  Cop.  von  1329  (Per- 

gsunene  vol.  54  Nr.  15). 
Lucius  II.  1144  V.  20  J-L.  8616.  Cop.  s.  XIH  (ibid.  Nr.  21). 

Copialbücher : 

1.    Iura  antiqua,  cod.  membr.  saec.  XIII  (vol.  53) 
f.  26'  Honorius  IL.  1128  IV.  4.  J-L.  7298. 


1)  Das  Orig.  Friedrichs  I.  St.  8824  Fragment  befindet  sich  in  Pergamene 
vol.  55  Nr.  48.  Außerdem  steht  eine  Copie  s.  XVII  in  Mantissa  cartarum  vol.  49 
f.  6  und  in  den  Memorie  stör,  del  capitolo  di  Faenza  vol.  II  App.  Nr.  7  der 
Kapitelbibliothek. 

2)  Die  Fragmente  Nicolaas  n.  und  Honorius  II.  liegen  zusammen  und  galten 
als  Theile  einer  und  derselben  Urkunde.  Für  die  Originalität  des  Honorius  II. 
tritt  Schiaparelli  mit  Entschiedenheit  ein,  ich  bezweifle  sie  vorläufig. 

8)  Lucius  IL  J-L.  8687  ist  nach  Schiaparelli  als  identisch  mit  J-L.  8616  su 
•treicheo. 


Papttarkimden  in  der  Bomagoi^  and  den  Marken.  H 

f.  25'  Innocenz  H.  1143  IV.  26.  J-L.  8360. 
f.  27  Lucius  n.  1144  V.  20.  J-L.  8616. 

2.  lus  eonferendi  et  concordia,  codd.  chart.  saec.  XYI  (vol.  89 
—41).    Im  cod.  39 

f.  65.  108  Nicolaus  U.  1059  XH.  26.  J-L.  4419. 

f.  108'.  510.  719  Innocenz  H.  1143  IV.  26.  J-L.  8360. 

f.  67'.  110.  511.  719  Lucius  II.  1144  V.  20.  J-L.  8616. 

f.  69.  112  Alexander  HI.  —  VI.  4.  J-L.  — . 
Auch  im  cod.  40  stehen  die  Privilegien  Nicolaus  11.,    Hono- 
rius  U.y  Innocenz  II.,  Lucius  11.  und  Alexanders  IQ.,  aber  unvoll- 
ständig, wie  z.  Th.  schon  im  cod.  39. 

3.  Mantissa  cartarum^  cod.  chart.  saec.  XVI — XVII  (vol.  49). 
f.  1  Nicolaus  IL  1059  XH.  26.  J-L.  4419. 

f.  3.  4  Honorius  H.  1128  IV.  4.  J-L.  7298. 

Biblioteca  capitolare. 

1.  Veterum  monumentorum  eollectio  ad  capitülum  Faventin^  ec- 
desiq  speäantium  in  4  vol.,  Ms.  von  1779. 

2.  Memorie  sioriehe  del  capiiolo  di  Faenea  in  3  vol.  von  1779, 
vgl.  Mazzatinti  Inventari  VI  248.  Beide  enthalten  Copien 
der  Faventiner  Papsturkunden  J-L.  4419.  7298.  8360.  8616. 
15820  (Urban  IH.)  und  Alexander  lU.  nach  den  oben  an- 
geführten Quellen. 

Außerdem  sah  Dr.  Schiaparelli  das  Archivio  della  can- 
cellaria  vescovile  (beginnend  mit  saec.  XV),  das  Archivio 
notarile  (das  älteste  Document  von  1367 — 78)  und  die  Biblio- 
teca comunale  (vgl.  Mazzatinti  Inventari  VI  242  sq.),  wo  sich 
auch  die  Urkunden  des  Archivio  del  Comune  (Pergamene  von  979 
ab)  mit  einem  Breve  Honorius  III.  von  1223  befinden. 


FarVk. 

Vgl.  Mazzatinti  61i  archivi  I.  41  und  Brando  Brandi  L'archi- 
vio  storico  del  comune  di  Forll,  Roma  1892.  In  Herrn  Professor 
6.  Mazzatinti  fand  Dr.  Elinkenborg  den  besten  Führer. 

Archivio  capitolare. 

Index  von  Ludovico  Bemardino  Rosetti  von  1767;  nach  zwei 
andern  damit  übereinstimmenden  Repertorien  (der  Comunalbiblio- 
thek  Nr.  280  resp.   Nr.  107  und  des  bischöflichen  Archivs)  hat 


12  P.  Kehr, 

Mazzatinti,  der  das  Archiv  selbst  nicht  sah,  seine  Bestände  an- 
gegeben. Es  ist  unbedeutend  und  scheint  als  einziges  Original 
eine  Papsturkunde  Lucius  in.  zu  besitzen.  Doch  war  die  Urkunde 
nicht  aufzufinden.     Der  Katalog  von  1767  gibt  folgendes  Eegest: 

ün  breve  di  papa  Lucio  III.  al  vescovo  di  ForTi  Älessandro 
segnato  col  segno  di  croce ,  nel  quäle  gli  ordina  che  propeda  a 
certi  ospitalari  che  facevano  deggere  la  sepultura  in  pregiudieio 
ddle  parochie  e  questo  fu  circa  Vanno  1182. 

Copien : 

Celestin  HI.  1192  Vm.  27.  J-L.  -.    S.  Anhang. 
Celestin  IH.  1193  VI.  15.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Die  beiden  Copien  stehen  neben  zwei  Mandaten  Innocenz  III. 
auf  demselben  Pergamentblatt  saec.  Xm,  von  welchem  Bethmann 
S.  571  die  beiden  Privilegien  Friedrichs  I.  und  Heinrichs  VI.  ver- 
zeichnet hat. 

Archivio  storico  del  Comune. 

Der  eine  Theü  des  Archivs,  das  Archivio  comunale,  besitzt 
keine  älteren  Papsturkunden.  Unser  Material  befindet  sich  in  den 
Archivi  delle  corporazioni  religiöse  soppresse. 

San  Mercuriaie. 
Paschal  U.  1115  H.  8.  J-L.  6447.    Cop.  s.  XIII '). 

San  Salvatore. 
Copialbuch  von  S.  ApoUinare  in  Classe,    bestehend  aus   ver- 
schiedenen Pergament-  und  Papierheften  saec.  XV.  XVI.  und  XVII. 
Alexander  IL  1062  XU.  27.  J-L.  f  4492. 
Lucius  n.  1144  XL  29.  J-L.  8667. 
Lucius  ni.  1184  IV.  27.  J-L.  15027. 
Urban  HL  1186  IH.  15.  J-L.  15562 «). 

Die  übrigen  Archive  von  J^orli  (vgl.  Mazzatinti  Gli  archivi) 
und  die  Biblioteca  comunale  (vgl.  Mazzatinti  Inventari  I  5  ff.)  haben 
keine  älteren  Papsturkunden. 


1)  Für  S.  Maria  in  Fiamana ,  vgl.  Brandt  p.  56 ;  ein  anderer  Theil  der  Ar- 
chivalien  dieses  Klosters  kam  in  das  Archiv  von  S.  Prässede  zu  Rom ,  ygl.  üg- 
beili  n  566  za  Celestin  III.  J-L.  16884.  Der  Liber  Biscia  enthält  keine  älteren 
Papstnrkonden. 

2)  üeber  die  Urkunden  selbst  vgl.  Nachr.  1897  8.  101.  108.  Auch  Ottos  lY. 
Präiepi  steht  hier. 


Papstarunden  in  der  Romagna  and  den  Marken.  13 

Cesena. 

Br.  Elinkenborg  erfreute  sich  hier  vielfacher  Unterstützung 
von  Seiten  des  Bibliothekars  der  Malatestiana,  des  Herrn  Profes- 
sors PiccolominL 

Schon  Bethmann  stellte  fest,   daß  das  mit  1042  beginnende 
Archivio  capitolare  nur  wenig  enthält.    Auch  die  beiden  Ur- 
kunden Alexanders  III.  J-L.  11293  und  J-L.  12488  scheinen  jetzt 
nicht  mehr  vorhanden  zu  sein.    Es  sind  nur  noch  da 
Alexander  III.  (1166—79)  V.  30.  J-L.  13234. 
Lucius  UI.  1182  VU.  18.  J-L.  14684. 

Das  eigentliche  Archivio  storico  comunale  enthält  nichts 
für  uns.  Dagegen  besitzt  das  hier  incorporirte  Archivio  delle 
corporazioni  religiöse  soppresse  zwei  wichtige  Mss.  gleichen  Inhalts. 

1.  Summarium  quod  voccUur  catalogm  iurium  tnanasterii  s.  Ma- 
riae  in  monte,  cod.  chart.  von  1627. 

2.  CcUalogus  scripttirarum  archivii  abbtUiae  sandae  Mariae  in 
monte  prope  Caesenam  a.  d.  Bonitialdo  Serra,  Ms.  saec.  XVUI. 
Nicolaus  IL  1060  n.  10.  J-L.  — .    S.  Anhang  *). 

Das  ganz  ungeordnete  Archivio  vescovile  enthält  keine 
älteren  Urkunden.  Was  Dr.  Klinkenborg  vom  Archivio  der  Chia- 
ramonti  sah,  war  gleichfalls  jüngeren  Ursprungs.  Auch  die 
Biblioteca  Malatestiana  (vgl.  R,  Zazzeri  Sui  codici  e  libri 
a  stampa  della  biblioteca  Malatestiana  in  Cesena)  ergab  für  uns 
keine  Ausbeute,  da  die  in  dem  Ms.  des  Carl  Antonio  Af^rcini  iVb- 
tisie  Sucre  e  profane^  raccoUa  di  monumenti  aniichi  voL  II  aufgenom- 
menen Urkunden  Alexanders  IIL  J-L.  11293  und  Lucius  III.  J-L. 
14684  auf  Drucke  zurückgehen. 

Vgl.  Mazzatinti  61i  archivi  I  67.  Dr.  Ellinkenborg  fand  freund- 
lichste Aufnahme  beim  Archivar  des  Kapitels  Can.  Peroni  und 
bei  dem  Bibliothekar  und  Archivar  der  Stadt  Cav.  Carlo  Tonini« 

Archivio  capitolare. 
e: 
Nr.  19  Innocenz  11.  1135  XI.  5.  J-L.  7729. 
Nr.  2B  Hadrian  IV.  1165  V.  6.  J-L.  10061. 


1)  Uod  eine  onedierte  Urkunde  Friedrichs  L  Die  Bolle  Nicolios  IL  dtirt 
B.  Zasseri  Storia  di  Cesena  (1892)  p.  110.  Er  f&hri,  indessen  irrig,  p.  135  anch 
eine  Urknnde  Alezanders  III.  an. 


14  P.  Kehr, 

Nr.  27  Alexander  IH.  1170  XH.  8.  J-L.  11853. 
Nr.  29  Lucius  HI.  1183  XH.  23.  J-L.  14959. 
Nr.  30  Lucius  HI.  1185  X.  2.  J-L.  16461. 
Nr.  33  Clemens  in.  s.  d.  J-L.  16657 1). 
Nr.  37  Celestin  HL  1194  X.  11.  J-L.  .17160*). 
Copien : 

Nr.  20  Linocenz  II.  1136  XI.  6.  J-L.  7729.    Cop.  s.  XII. 
Nr.  18  Lmocenz  IL  1136  XI.  6.  J-L.  7730.    Cop.  s.  Xn. 
Nr.  22.  299  Lucius  n.  1144  V.  21.  J-L.   8617.     Zwei  Cop. 
saec.  XV. 

Das  Archivio  vescovile  und  das  Archivio  comunale 
storico  mit  den  Archivi  dei  monasteri  soppressi  ergaben  keine 
Ausbeute.  Auch  die  andern  Archive  der  Stadt  (vgl.  Mazzatinti) 
besitzen  keine  älteren  Fapsturkunden. 

Biblioteca  Gambalunga  (comunale). 

Vgl.  Mazzatinti  Inventari  11  132  S.  und  über  die  mit  Lmo- 
cenz IV.  anfangenden  Fapsturkunden  Mazzatinti  61i  archivi  I  71. 
Wichtig  sind  für  uns  folgende  Mss. 

1,    Huste  di  Schede  e  appunti  dd  Card.  Garampi,  sign.  Nr.  161 

(D.  IV,  248),  vgl.  C.  Tonini  Cultura  letteraria  e  scienti- 

fica  di  Rimini  II  460.    In  Busta  248 ")  befinden  sich  die 

Copien  von 
^Nicolaus  n.  1059  m.  26.  J-L.  4398. 

Gregor  VIL  1078  in.  26.  J-L.  6073. 

Innocenz  IL  1135  XI.  5.  J-L.  7729. 

Innocenz  U.  1135  XI.  6.  J-L.  7730. 

Innocenz  H.  1142  UI.  23.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Hadrian  IV.  1156  V.  6.  J-L.  10061. 

Hadrian  IV.  1157  HI.  1.  J-K  10263*). 

Alexander  lU.  1170  XU.  8.  J-L.  11863. 

Alexander  HI.  1177  V.  6.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Lucius  m.  1183  xn.  23.  J-L.  14969. 

Lucius  in.  1185  X.  2.  J-L.  16461. 

Celestin  IH.  1193  IV.  3.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Celestin  IQ.  1194  X.  11.  J-L.  17150. 


1)  Nach  Kiinkenborg  unausgefertigtes  Original,  nach  ?.  Pflugk-Harttung  Acta 
ni  879  Nr.  489  gleichzeitige  Copialarkondc. 

2)  Damit  ist  identisch  J-L.  17145.   Weiter  ist  J-L.  17161  überhaupt  sa  strei- 
chen, wie  schon  aus  Tonini  hervorgeht 

8)  Hier  aoch  Copien  von  St.  3760.  8904.  4988. 

4)  Orig.  in  Lacca  Arch.  di  sUto,  vgl.  Nachr.  1897  S.  184  (Altopascio). 


Papsturkanden  in  der  Bomagna  and  den  Marken.  15 

2.  Series  chronologica  omnium  vderum  nionumentorum  insignis 
abbcUicie  Äriminensis  ss,  Petri  et  Pauli  ac  Itdiani  martyris 
ord.  8.  Benediäi  ab  a.  1059  usque  ad  a.  1501  y  Ms.  des  Ro- 
mudldus  Scrra  üaesenas  monachus  Cassinensis  von  1732, 
cod.  chart.,  sign.  170  (C.  T.  2,  7).  Dies  wichtige  Copialbuch 
des  uns  schon  aas  Cesena  bekannten  Romoald  Serra  kaufte 
Tonini  vor  etwa  10  Jahren  aas  Privatbesitz.     Es  enthält 

p.  1    Nicolaas  n.  1059  UI.  25.  J-L.  4398. 

p.  13  Gregor  VH.  1078  UI.  25.  J-L.  6073. 

p.  23  Innocenz  II.  1142  III.  23.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

p.  31  Hadrian  IV.  1157  UI.  1.  J-L.  10263  *). 

p.  39  Alexander  UI.  1177  V.  5.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

p.  68  Celestin  lU.  1193  IV.  3.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

3.  lacobus  Villanius  De  vetusta  Ärimini  urbe  et  eins  episcopis^ 
Ms.  saec.  XVU  in  2  vol.,  sign.  D.  UI.  3.  Vgl.  Tonini  La 
caltara  letteraria  U  149. 

vol.  U  f.  121   Innocenz  U.  1135  XI.  5.  J-L.  7729. 
f.  123'  Lucius  IL  1144  V.  21.  J-L.  8617. 
f.  126  Hadrian  IV.  1165  V.  6.  J-L.  10061. 
f.  130  Lucius  UI.  1186  X.  2.  J-L.  16461. 
f.  139  Celestin  UI.  1193  IV.  3.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Saviffnano. 

lieber  die  unbedeutenden  Archive  s.  Mazzatinti  Grli  archivi  I 
64,  über  die  Biblioteca  comunale  s.  Mazzatinti  Inventari  I  85  iF. 

Aus  den  Mss.  der  Bibliothek  notirte  Dr.  Klinkenborg 

1.  Privilegia  nannuUa  canonicorum  regtUarium  Lateranensium,  cod. 
membr.  saec.  XVI,  sign.  Nr.  46.  Aus  dem  Nachlaß  von 
Amaduzzi  (Mazzatinti  I  96). 

Anaclet  U.  1136  V.  29.  J-L.  — .   S.  Nachr.  1897  S.  372  Nr.  1. 
Celestin  U.  1144  UI.  3.  J.-L.  8510  *). 

2.  loh.  Ch.  Amadutius  Miscellanea  bulku^um  diplomcUum  insttth 
mentorum  .  .  ex  Mcmbranis  et  codicibus  mss.  potissimum  eruta^ 
cod.  Chart,  saec.  XVU,  sign.  Nr.  38  (Mazzatinti  I  118). 
Die  Papsturkunden  sind  Drucken  entlehnt'). 


1)  Orig.  jetat  im  Stadtardii?  an  Frankfurt  a.  M.  (Mittheilang  von  Jung). 
%)  Hier  aoeh  Copie  von  8t  4235. 


16  P-  Kehr, 


n. 


Auch  für  die  Marken  istBethmanns  Bericht  (S.  552 — 70)  noch 
heute  unentbehrlich.  Leider  ist  seitdem  Vieles  verloren  gegangen, 
besonders  durch  die  Auflösung  des  1808  von  Napoleon  L  in  Mace- 
rata  begründeten  Archivio  demaniale.  Davon  ist  einiges  Wenige  im 
Archiv  der  Intendenza  zu  Macerata  zurückgeblieben,  doch  ist  es, 
wie  mir  Herr  Professor  L.  Zdekauer,  dem  wir  auch  sonst  zu 
Dank  verpflichtet  sind,  mittheilt,  ohne  Bedeutung  für  uns. 

Es  war  zwar  vorauszusehen,  daß  die  Nachforschungen  an 
vielen  Orten  der  Marken  ein  Ergebnis  für  uns  nicht  haben  wür- 
den, indessen  haben  unsre  Mitarbeiter  mit  Recht  sie  soweit  aus- 
gedehnt als  Zeit  und  Mittel  es  irgend  zuließen.  Ihre  Ergebnisse 
werden,  denke  ich,  auch  da  wo  sie  vergeblich  nach  älteren  Papst- 
urkunden suchten,  als  Ergänzung  des  Berichtes  von  Bethmann 
wUlkommen  sein. 

In  Faloonara  constatirte  Dr.  Schiaparelli ,  daß  sowohl  das 
Archivio  comunale  wie  das  Archivio  parrochiale  nur  moderne  Ak- 
ten besitzen. 

Wichtiger  sind  die  Archive  von  Arcevia,  wo  ihn  Cav.  An- 
selmo  Anselmi,  der  1894  einen  Theil  des  Archivs  von  Fönte  Avel- 
lana  (beginnend  mit  1062,  darunter  Otto  IV.  BF.  312)  gekauft  hat 
und  auch  das  mit  1211  beginnende  Archivio  storico  Rocchense  be- 
sitzt, einführte.  Das  Archivio  comunale  (Catalog  von  Speranzini 
von  1825,  vgl.  Fr.  Brunamonti  Dimostrazione  istorica  del  nobile 
si  antico  che  moderno  stato  di  Rocca  contrada,  con  note  da  A. 
Anselmi,  Castelplanio  1897)  ist  nicht  unbeträchtlich,  aber  seine 
Materialien  beginnen  erst  mit  dem  13.  Jahrh.  und  die  älteste 
Papsturkunde  ist  Innocenz  IV.  1252.  Die  hier  befindliche  Samm- 
lung der  Copie  di  antiche  pergamene  e  memorie  storiche  von  Fran- 
cesco Äbbondanzieri  ist  nicht  ohne  Wichtigkeit  für  die  Localge- 
schichte.  Das  Archivio  notarile  und  das  Archivio  parrochiale 
enthalten  nur  moderne  Sachen. 

Auch  die  Archive  des  nahen  Pergola  (Archivio  capitolare, 
Archivio  della  curia  vescovile ,  Archivio  comunale  und  Archivio 
notarile,  seit  1312)  haben  nur  jüngere  Urkunden. 

Ebenso  steht  es  mit  Sassoferrato ,  wo  die  Pfarrkirchen  S. 
Pietro  und  S.  Facundino  und  das  Camaldulenserkloster  S.  Croce 
noch  kleine,  aber  moderne  Archive  besitzen.  Im  Stadtarchiv  be- 
ginnen die  Akten  mit  1460,  Urkunden  sind  keine  da. 

In  Xatalioa  stellte  Dr.  Schiaparelli  den  schon  von  Beth-* 
mann  nachgewiesenen   Bestand    des   reichen  und  wohlgeordneten 


Papatarkonden  in  der  Romagoa  and  den  Marken.  17 

Archivio  del  Comane  von  Neuem  fest;  aber  die  Papsturkanden 
beginnen  erst  mit  Innocenz  III.  1203  IV.  16  und  16.  Das  Ka- 
pitelarchiv  ist  1708  verbrannt  und  das  bischöfliche  Archiv  beginnt 
erst  mit  1787.  Auch  das  Archivio  notarile,  von  1445  ab,  und  die 
Bibüoteca  comunale  ergaben  keine  Ausbeute. 

Tolentino,  wo  der  Sindaco  G.  Benadducci  und  der  Bib- 
liothekar Prof.  Agostinelli  von  großem  Entgegenkommen  wa- 
ren, besitzt  ein  reiches  Stadtarchiv  (Archivio  antico  del  Co- 
mune),  dessen  mit  1099  beginnende  Pergamene  sich  jetzt  in  der 
Biblioteca  comunale  befinden,  indessen  keine  älteren  Papsturkun- 
den. Doch  wird  in  dem  Index  des  Archivs  von  S.  Catervo  di 
Tolentino,  das  Bethmann  in  S.  Pietro  in  Vincoli  zu  Rom  sah,  ein 
päpstliches  Privileg  angeblich  von  1047  citiert.  Das  Archivio  di 
S.  Nicola  beginnt  hier  mit  1235,  das  Archivio  notarile  mit  1369. 

In  Beoaoatl  sah  Dr.  Schiaparelli  das  mit  1285  beginnende 
Archivio  capitolare  neu  geordnet,  im  Archivio  comunale  antico  als 
älteste  Papsturkunde  Innocenz  III.,  während  das  schon  von  Beth- 
mann citirte  Privileg  Friedrichs  II.  jetzt  in  der  Stadtbibliothek 
aufbewahrt  wird.  Die  andern  Archive  (Archivio  della  cancellaria 
vescovile  seit  saec.  XV,  Archivio  notarile  seit  1350,  die  Familien- 
archive Leopardi,  Rafaelli,  Antici)  ergaben  nichts. 

In  Osimo,  wo  Dr.  Schiaparelli  die  beste  Aufnahme  bei  dem 
Prof.  Griosu^  Cecconi,  dem  Herausgeber  der  Carte  diplomatiche 
Osimane  fand,  stellte  sich  heraus,  daß  weder  das  Archivio  capi- 
tolare (die  wenigen  Pergamene  desselben  beginnen  mit  dem  14. 
Jahrb.)  noch  das  Archivio  della  cancellaria  vescovile  (Index  von 
A.  Zonghi;  das  Archiv  beginnt  mit  1202)  noch  das  Archivio  an- 
tico del  Comune  noch  endlich  das  mit  1246  anhebende  Archivio 
deUa  congregazione  di  carita  ältere  Materialien  besitzen,  lieber 
die  Bibliotheca  del  Collegio  v.  Mazzatinti  Inventari  VI  9.  Von 
den  Familienarchiven  Guarnieri,  Simonetti  und  Bellini  durften 
vielleicht  die  beiden  letzteren  noch  eine  genauere  Durchsicht  ver- 
dienen. 

In  Apiro  beginnt  das  Archivio  comunale  (Inventar  von  1872) 
mit  1215,  das  Archivio  notarile  mit  1385,  das  Archivio  della  Col- 
legiata  noch  später. 

In  Treia  hat  das  Archivio  capitolare  und  vescovile  nichts  Al- 
tes mehr.  Dagegen  ist  das  Archivio  segreto  del  Comune  wert- 
voll Die  Pergamene  beginnen  mit  1161,  aber  in  den  10  Bänden 
Copie  di  Archivio  ist  die  älteste  Urkunde  von  1021. 

Auch  Amandola  (vgl.  Ferranti  Memorie  storiche  della  cittä 
di  Amandola  1891),    Kontefortmo ,  S.  ▼ittoria  and  S.  Oineiio  (vgl. 

EfL  0«.  d.  W.  NMhiickUA.  PhUolOf.-kblOf,  Umm  18W.  Uft  1.  2 


18  I*.  Kehr, 

Salvi  Memorie    storiche    di   s.   Grinesio    in   relazione   con  le  terre 
circonvicine  1889)  ergaben  keine  Ausbeute. 

Von  Maoerata  wußte  man  bereits  durch  Bethmann ,  daß 
das  Kapitelarchiv  nur  noch  geringe  Materialien  enthält.  Dasselbe 
gut  von  dem  Archivio  della  cancellaria  vescovile.  Ueber  das  mit 
1176  beginnende  Archivio  municipale  (priorale)  vgl.  L.  Zdekauers 
Bericht  im  Archivio  storico  italiano  1897  p.  326.  Aus  der  Biblioteca 
comunale  sind  lediglich  zu  citiren  die  Mss.  55.  D.  6  saec.  XVII 
und  65.  D.  7  saec.  XVIII  mit  Abschriften  von  Alexander  III. 
J-L.  12917. 

Bezüglich  Loretos  genügt  der  Hinweis  auf  Bethmann  und 
das  demnächst  erscheinende  Registrum  der  Urkunden  der  Casa 
Santa. 

Ohne  Erfolg  hat  Dr.  Klinkenborg  Fennabili  besucht,  wo  das 
ungeordnete  Archivio  capitolare  mit  1250  beginnt.  Das  von 
Ughelli  ex  originali  gedruckte  Privileg  Honorius  11.  J-L.  7205 
scheint  also  verloren  zu  sein. 

In  ürbino,  wo  Prof.  Yalenti  sich  seiner  annahm,  setzt  das 
Archivio  capitolare  zwar  mit  1068,  einer  bischöflichen  Urkunde 
ein ,  aber  die  älteste  Papsturkunde  ist  erst  von  Honorius  lU. 
Wichtig  sind  die  hier  verwahrten  Mss.  Corradini*s  aus  dem  vori- 
gen Jahrh.  Excerpta  ex  archiviis  civitatis  Urbini  und  Spoglio  ddle 
pergamene  esisienti  nel  monastero  di  8.  Lucia  di  Urbino^  dessen  Ar- 
chiv mit  1182  begann,  als  älteste  Papsturkunde  aber  erst  einen 
Urban  III.  bestätigenden  Innocenz  IV.  von  1252  VIII.  29  enthielt. 
Zwei  Bände  Spoglio  ddle  pergamene  desselben  Autors  befinden  sich 
auch  im  Archivio  comunale,  dessen  Pergamene  erst  mit  saec.  XV 
anfangen.  Die  Papstprivilegien  des  Archivio  vescovile  setzen  mit 
1431  ein.  Auch  die  Bibliotheken  Albani  und  der  Universität  sind 
ohne  Bedeutung. 

In  Jesi  fand  Dr.  Klinkenborg  bei  dem  um  die  Geschichte 
der  Marken  hochverdienten  Bischof  A.  Zonghi,  der  ihm  auch 
seine  CoUectaneen  zur  Verfügung  stellte,  die  wohlwollendste  Auf- 
nahme. Doch  bestätigte  sich  nicht  nur,  daß  das  Archivio  capi- 
tolare, seit  1208,  das  Archivio  vescovile,  seit  saec.  XV,  das  Ar- 
chivio notarile,  gleichfalls  seit  saec.  XV,  und  das  Archivio  comu- 
nale (vgl.  Zonghi  Relazione  suU'  ordinamento  dell'  archivio  co- 
munale di  Jesi  1879)  nichts  für  uns  boten,  sondern  daß  auch  der 
angebliche  Alexander  III.  J-L.  12977,  zu  dem  Löwenfeld  bemerkte 
Aliena  manus  addidit  pontificatus  nostri  anno  F.,  wie  schon  Gian- 
dandrea  Carte  diplomatiche  Jesine  (1884)  p.  211  constatirt  hat, 
in  Wahrheit  Alexander  IV.  ist. 


Papstttrkonden  in  der  RomagDa  und  den  Marken.  19 

Im  schlimmsten  Verfall  fand  Dr.  Elinkenborg  das  bereits  mit 
1071  beginnende  Stadtarchiv  von  Serrasanqnirioo  (vgl.  Mazzatinti 
Gli  archivi  I  74),  doch  bot  es  uns  nichts.  In  der  Comanalbiblio- 
thek  ist  das  von  Mazzatinti  Inventari  I  158  citirte  Ms.  Bullae 
ei  constüutioncs  ord,  s,  Benedicti  montis  Phani  von  A.  Mannucci 
1696  (Nr.  26)  nicht  unwichtig,  aber  die  älteste  Papstarkonde  ist 
Innocenz  IV. 

Pesaro* 

Bei  dem  Bibliothekar  Marchcse  Antaldi  und  dem  Archivar 
des  Kapitels  Mons.  Massarini  fanden  nnsre  Mitarbeiter  freund- 
liches Entgegenkommen. 

Das  Archivio  capitolare  besitzt  noch  die  beiden  Ori- 
ginale : 

Nicolaus  U.  1060  U.  19.  J-L.  4431. 
Celestin  m.  1197  V.  12.  J-L.  17537. 

Das  Archivio  della  curia  vescovile  enthält  nur  Be- 
nefizien  (von  1625  ab).  Auch  das  übrigeas  noch  ungeordnete  A  r- 
chivio  comunale  hat  nur  jüngere  Urknnden  (vom  15.  Jahrh. 
ab).  Ein  Ms.  saec.  XVm  mit  dem  Titel  Epislolae  pontificum  cpU- 
copis  et  principibus  et  populo  Pisauren.  enthält  Abschriften  Bon- 
conVs  aus  dem  Vaticanischen  Archiv,  für  uns  ohne  Werth. 

Das  Archivio  notarile  beginnt  mit  1434. 

Die  Biblioteca  comunale  hat  besonderen  Werth  durch 
die  hier  aufbewahrten  Sammlungen  OHvieris.  Die  von  ihm  zasam- 
mengebrachten  Pergamene  beginnen  mit  1204.  Wertvoller  sind 
seine  Abschriften,  die  er  verschiedenen  Archiven  entnahm,  beson- 
ders dem  erzbischöfüchen  Archiv  in  Ravenna,  dem  Kapitelarchiv 
in  Rimini,  dem  Archiv  von  S.  Maria  in  Portu,  dem  Kapitelarchiv 
in  Pesaro,  dem  Archivio  della  Rocca,  dem  Archiv  von  S.  Lorenzo 
in  Campo  u.  A.  Es  sind  10  voL  Spogli  d'archivi  (cod.  376).  Doch 
sind  die  hier  copirten  Papsturkunden  alle  in  ihrer  ursprünglichen 
Ueberlieferung  erhalten,  mit  Ausnahme  von 

Urban  m.  1187  VI.  24.  (oder  25.)  J-L.  —  für  S.  Lorenzo 
in  Campo  (vol.  IV  f.  33),  das  Prof.  Vernarecci  in  Fossom« 
brone  demnächst  publiziren  wird. 

Außerdem  besitzt  die  Bibliothek  viele  für  die  Geschichte  von 
Pesaro  wichtige  Mss.  von  Hercolani ,  Tortorino  ,  Fabri ,  Zacroni, 
Betti  a.  A.,  femer  auch  eine  Copie  Garampis  vom  Codex  Bavarus. 


o* 


20  P.  Kehr, 

Mino. 

Der  Vicario  generale  Balanti  und  der  Stadtarchivar  An- 
tonio D  0  r  r  i  entsprachen  auf  das  BereitwiUigste  allen  Wünschen. 

Im  Archivio  capitolare  beginnen  die  in  Papierbände  ge- 
bundenen Pergamene  mit  1059. 

Originale : 

Urban  IH.  1186  I.  19.  J-L.  1563B. 

Copien: 

Eugen  m.  1152  IX.  27.  J-L.  9607.  Cop.  s.  XH.  u.  s.  XVL 
Urban  in.  1186  I.  19.  J-L.  15635.   Cop.  s.  xm.  u.  s.  XVI. 

Von  dem  in  diesen  beiden  Privilegien  citirten  Alexander  IL 
hat  sich  keine  Spur  mehr  gefunden.  Aber  im  17.  Jahrh.  ist  die 
Urkunde  wohl  noch  vorhanden  gewesen,  wenigstens  verzeichnete 
eine  Hand  dieser  Zeit  auf  dem  Rücken  der  Cop.  s.  XHI.  von  Ur- 
ban LH.  J-L.  15635  als  erstes  Privileg  in  der  Serie  der  Fanenser 
Privilegien  Alessandro  11.  . .  1061.  Hier  ist  auch  ein  Cod.  s.  XII. 
von  Nonantola  (Arm.  E)  mit  Heiligenleben,  beginnend  mit  der 
Vita  s.  Silvestri. 

Ueber  das  Archivio  comunale  vgl.  A.  Zonghi  Repertorio 
dell'  antico  archivio  comunale  di  Fano.  Aus  den  verschiedenen 
hier  beschriebenen  Abtheilungen  des  Archivs  kommt  für  uns  al- 
lein in  Betracht  das  Archivio  Amiani  mit  dem  Ms.  CoUecianea  bul- 
larum  diversorum  poniificum  s.  XVIII.  (Nr.  3) 

f.  186  Johann  VIH.  s.  d.  Amiani  11.  Somm.  IV. 
f.  188  Eugen  HI.  1152  IX.  27.  J-L.  9607. 
f.  181  Hadrian  IV.  1166  V.  5.  J-L.  10177. 
f.  189  Alexander  IH.  1178  IV.  17.  J-L.  13046. 
f.  191  Urban  HL  1186  L  19.  J-L.  15636. 
Nr.  30—31:  Nr.  26:  Lucius  lU.  1184  IV.  4.  J-L.  15016'). 

Leider  sind  die  Urkunden  für  S.  Paterniano  nicht  mehr  vor- 
handen. Dies  Archiv  soll  der  Can.  Billi  besessen  haben,  aus  sei- 
nem Nachlaß  hat  das  Stadtarchiv  die  Akten  erworben,  die  Per- 
gamene scheinen  verhandelt  zu  sein.  Andere  Beste  dieses  Archivs 
befinden  sich  im  Ufficio  del  Begistro  in  Fano,  in  das  Ein- 
tritt zu  erlangen  unmöglich  war,  doch  sollen  die  Materialien  erst 
mit  saec.  XV.  einsetzen.  Auch  das  zu  Zonghi's  angegebenem  Be- 
stand jüngst  hinzugekommene  Archivio  Carrara  beginnt  erst 
mit  1331. 


1)  Orig  in  S.  Severino. 


Papstarkimden  in  der  Romagna  und  den  Marken.  21 

Im  Archiyio  notarile  sind  die  ältesten  Docamente  ans 
dem  16.  Jahrh.  Ebenso  bietet  die  Biblioteca  Federiciana 
(Ms,  Nr.  80:  Noifi  Hisioria  di  Fano)  nichts  für  uns. 

Sendgallia. 

Das  Archivio  capitolare  beginnt  erst  mit  1530,  das 
Archivio  della  curia  vesco vile  gar  erst  mit  dem  17.  Jahrh* 
Auch  das  Archivio  comunale  geht  nicht  über  das  15.  Jahrh. 
zurück.  Aber  wichtig  ist  die  hier  bewahrte  Sammlung  Memorie 
diverse  in  16  vol.    In  vol.  VI  steht 

Anastasius  IV.  1153  XI.  27.  J-L.  9760.  Cop.  s.  XVHI  ex  orig. 

Die  Biblioteca  comunale  ist  ohne  Bedeutung. 

Ancana, 

Besonderes  Entgegenkommen  fand  Dr.  Schiaparelli  bei  dem 
Canonicus  B.  Bagnini. 

Im  Archivio  capitolare^)  fanden  sich  folgende  Originale : 
Alexander  IH.  1177  VI.  28.  J-L.  12873. 
Alexander  III.  1179  L  19.  J-L.  —  Fragment.  S.  Anhang. 
Lucius  m.  1184  VI.  17.  J-L.  16056. 

Das  Archivio  comunale  (seit  1308)  mit  dem  Liber  cro- 
ceus  magnus  buUarum  et  privilegiorumj  cod.  chart.  s.  XVI  (seit  1358) 
und  dem  Liber  et  registrum  privilegiorum  sive  liUerarum  papaiium  etc., 
cod.  membr.  s.  XVI  (seit  1384),  das  Archivio  della  cancel- 
laria  vescovile  (seit  saec.  XVI),  das  Archivio  notarile 
(seit  1391)  und  das  Archivio  parrochiale  diS.  Giovanni 
(beginnend  mit  1051  und  mit  mehreren  Bullen  des  13.  Jahrh.)  haben 
keine  älteren  Papsturkunden. 

In  der  Biblioteca  comunale  (vgl.  Mazzatinti  Inventari 
VI  3  sq.)  haben  die  Mss.  des  Localhistorikers  CamiUo  Älberiini 
(saec.  XIX)  einen  gewissen  Werth.  In  seiner  Sloria  d*Ancona  in 
14  Büchern  und  2  Bänden  Appendices  steht  vol.  II  lib.  7  f.  49  eine 
Copie  von  Alexander  III.  J-L.  12873. 

Fossofnbrone, 

Dem  Canonicus  Prof.  Vernarecci,  der  in  einer  Schrift  Del 
castello   di  Sant*  Ippolito  e   dei  suoi  scarpellini  e   marmisti  die 

1)  Die  Angaben  Bethmanns  (Archiv  XII  668)  über  das  Kapitelarcbiv  sind 
also  anrichtig.  Hier  ist  auch  das  Orig.  von  Heinrich  VI.  1186  XL  27.  f&r  &• 
Maria  de  Porto  noovo. 


22  P.  Kehr, 

noch  angedruckten  Urkunden  Paschais  11.  nnd  Urbans  III.  publi- 
ziren  wird,  verdankt  Dr.  Klinkenborg  schnelle  Orientirung. 

Das  Archivio  capitolare  beginnt  jetzt  mit  1420,  aber 
es  besaß  noch  vor  einem  halben  Jahrhundert  die  Bulle  flonorius 
III.  von  1224  V.  19.  Potth.  7255,  in  die  das  Placitum  Alexanders 
II.  von  1070  V.  15.  (Jaff6-L.  I  p.  685  zu  J-L.  4675)  inserirt  war  '). 

Auch  das  Archivio  vescovile  besitzt  keine  älteren  Mate- 
rialien mehr,  die  Bullen  beginnen  erst  mit  Paul  11.  1616.  Doch 
ist  das  hier  aufbewahrte  Ms.  des  1609  als  Bischof  von  Fossom- 
brone  gestorbenen  Ottavio  Accoromboni  Acta  ecclesiae  Forosempro- 
niensiSf  cod.  chart.  s.  XVI  (sign.  XXII.  X.  1),  von  Werth,  da  es 
eine  gute  Copie  des  Honorius  HL  mit  dem  inserirten  Alexander 
n.  enthält. 

Die  Biblioteca  comunale  hat  Pergamene  seit  dem  16. 
Jahrb.,  daneben  mehrere  wichtige  Mss.,  insbesondre  die  Sammlun- 
gen des  Modesto  Motosini  Spogli  d'archivi.  Ferner  2  Mss.,  in  denen 
jener  Honorius  III.  copirt  ist 

1.  Memoralia  illustris  cioitatis  Fori8(efnpronii)  von  1594  ab,    cod. 
chart.,  vol.  I  f.  23'  und 

2.  Memorie  storiche  di  Forsemprone  raccölfe  e  compilate  dal  doUor 
Modesto  Motosini  vol.  I  f.  125'. 

Ferner  befindet  sich  hier  ein  Ms.  von  G.  Bemardino  di  S. 
Maria  Nuova  von  1780  Eoocerpta  ex  archivo  s.  Andreae  civitatis  Per- 
gulae  und  Veterum  cartharum  copiae  et  excerpta  ex  archivo  ahbntiae 
s,  Laurentii  in  Campo  *) 

p.  152  Paschal  11.  mit  ganz  zerrütteten  Daten.  J-L.  — . 

p.  166  Anastasius  IV.  1153  XI.  27.  J-L.  9760. 

p.  170  Urban  in.  1187  VI.  25.  J-L.  — . 

Cagli. 

Dr.  Schiaparelli  ist  für  freundliches  Entgegenkommen  insbe- 
sondere dem  Canonicus  Mons.  Gregorio  M  e  i  zu  Dank  verpflichtet. 
Vgl.  auch  dessen  Catalogo  delle  pergamene  originali  degli  archivi 
di  CagU  (Cagli  1889). 

Das  Archivio  capitolare  beginnt  mit  1093.  Noch  im 
17.   Jahrh.  befand   sich   hier   das  Original   von  Innocenz  11.  1140 


1)  Offenbar  meint  Sarti  bei  Jaffd  mit  dem  archetypus  tabularii  ecclesiae 
Forosempronicnsis  dies  Original  des  Honorios  III.  Motosini  soll  es  vor  ca.  40 
Jahren  mit  nach  Hause  genommen  haben,  so  ist  es  verschollen. 

2)  p.  148  D.  Otto  III.  892. 


Pap8tarknnden  in  der  Romagna  nnd  den  Marken.  23 

VL  3.  für  S.  Pietro  in  Monte  Xerone,  das  Francesco  Bricchi  in 
seinem  überaas  seltenen  Bach  Degli  annali  della  cittä  di  Cagli 
I  46  (Urbino  1641)  pablizirt  hat.  Jetzt  sind  nar  noch  die  beiden 
Originale  da 

Alexander  m.  1170  IV.  2.  J-L.  11768. 

Clemens  m.  1188  XII.  16.  J-L.  16366. 

Im  Archiv io  comanale  beginnen  die  Pergamene  mit 
1211^),  im  Archivio  della  cancellaria  vescovile  mit 
1566,  im  Archivio  della  confraternitä  della  Miseri- 
cordia  mit  1262,  in  Archivio  notarile  Cagliense  mit 
1414,  im  Archivio  notarile  deCantiano  mit  dem  14.  Jahrb. 
Aach  die  Familienarchive  Matcrozzi-Brancaleoni  (seit  1200), 
Sertori,  Rigi-Lnperti  bieten  nichts  für  ans.  Ueber  die 
Biblioteca  comanale  endlich  mit  Mss.  von  Bricchi,  Gncci) 
Rossi  a.  A.  s.  Mazzatinti  Inventari  11  111. 

JPonte  Avellana. 

Vgl.  Gibelli  Memorie  storiche  sali'  antico  monastero  di  S. 
Croce  di  Fönte  Avellana  (Milano  1890). 

Der  jetzige  Administrator,  der  Camaldalenser  Don  Benedetto 
Piani,  Cnrat  von  S.  Biagio  in  Fabriano  nahm  Dr.  Schiaparelli 
anf  das  Liebenswürdigste  aaf. 

Die  ihm  noch  verbliebenen  Theile  des  Archivs  verkaafte  Abt 
Agostinelli  an  Monti  in  Bologna,  von  dem  sie  an  den  Antiqaar 
Teodori  in  Fano  kamen.  Hier  kanfte  sie  Herr  Anselmo  Anselmi 
in  Arcevia.  Aber  wie  schon  festgestellt  ist,  hat  diese  Parthie  nar 
jüngere  Papstarkanden.  In  Fönte  Avellana  selbst  ist  ein  dürf- 
tiger Rest  von  Pergamenen  verblieben,  daneben  verschiedene  Mss., 
von  denen  einigen  Werth  hat  das  Ms.  RcLCcolta  di  älcuni  diplomi 
dei  pantefici  e  imperatori  per  V Avellana,  cod.  chart.  s.  XVII  mit 

Gregor  VH.  1076  m.  23.  J-L.  4983. 
Engen  m.  1149  I.  31.  J-L.  9321 «). 

Fabriano. 

Das  Archivio  capitolare  ist  reich;  es  beginnt  schon  mit 
1046.  Aach  das  Archivio  comanale  setzt  bereits  mit  1011 
ein   (vgl.   A.  Zonghi  Carte  diplomatiche  Fabrianesi  1872)  and   im 

1)  Hier  sind  auch  die  Orig.  von  Friedrich  IL  BW.  14738  n.  Eniio  BW.  13815 

2)  Und  die  Diplome  St.  4191.  4224  (?).  4432. 


24  P-  Kehr, 

Lihro  rosso  s.  XIII  ist  die  älteste  Urkunde  von  1165.  Aber  Papst- 
urkunden vor  1198  sind  nicht  da.  Vollends  das  Archivio  ves- 
covile,  seit  1729,  und  das  Archivio  notarile  m  and  amen- 
tale, seit  1297,  ergaben  nichts.  Im  Archivio  della  Colle- 
giata  di  S.  Nicolo,  seit  1182,  beginnen  die  Papsturkunden  mit 
Honorius  lH.  Auch  das  nach  Rom  gebrachte  Archivio  deiSil- 
vestrini  fängt  erst  mit  dem  13.  Jahrh.  an.  Um  so  wichtiger  sind 
für  un8  die  Archivalien,  die  jetzt  Don  Giovanni  Benedetto  Piani, 
Pfarrer  von  SS.  Biagio  e  Romualdo  besitzt.  Er  hat  nicht  nur 
die  Haupturkunden  für  die  Camaldulenser ,  sondern  auch,  freilich 
nur  das  jüngere  Material  des  Archivs  der  Badia  del  b.  Angelo  del 
Massaccio,  Mit  Ausnahme  von  Hadrian  IV.  1156  III.  14.  J-L. 
10015,  das  nach  Bibl.  de  T^cole  des  chartes  LVn  267  nach  Lon- 
don verkauft  worden  ist,  ist  die  Serie  vollständig.  Sie  alle  ste- 
hen auch  in  dem  Ms.  saec.  XVIII  sign,  f ,  das  vielleicht  von  den 
Abt  CapeUi  herrührt. 

Originale : 

Gregor  VII.  1074  HI.  20.  J-L.  4844 '). 

Paschal  IL  1105  III.  23.  J-L.  6014. 

Lucius  IIL  1184  VIL  7.  J-L.  15062. 

Clemens  m.  1187  XH.  23.  J-L.  16095. 
Copien : 

Innocenz  IL  1136  IV.  22.  J-L.  7768.    Cop.  von  1322. 

Eugen  in.  1153  V.  17.  J-L.  9731.  Cop.  von  1322. 
Die    Comunalbibliothek    (vgl.   Mazzatinti   Inventari   I 
231  sq.)  hat  nichts  für  uns.    Vgl.  auch  desselben  Archivi  1 142  sq. 

Cameri/no. 

Bei  dem  gelehrten  Canonicus  M.  Santoni  fand  Dr.  Schia- 
parelli  die  liebenswürdigste  Aufnahme.  Aber  es  ergab  sich ,  daß 
die  Centralisation  der  Cameriner  Archivalien  durch  Napoleon  L 
im  Demanialarchiv  zu  Macerata  vernichtet  hat  was  die  wieder- 
holten Brände  der  früheren  Zeit  übrig  gelassen  haben.  Das  Ar- 
chivio metropolitano  beginnt  erst  mit  1500,  das  Archivio 
del  capitolo  di  S.  Venanzio  hat  überhaupt  keine  Pergamene 
mehr,  das  Archivio  notarile  hebt  mit  1386  an,  das  Ar- 
chivio della  congregazione  di  caritä   erst   mit   dem  15. 


1)  lieber  die  Originalität  der  Urkunde,  die  Bethmann  (Archiv  XII  560)  be- 
sweifelte,  Schiaparelli  aber  verficht,  soll  damit  noch  nicht  das  letzte  Wort  ge- 
sprochen sein. 


Papstarkunden  in  der  Romagna  und  den  Marken.  26 

Jahrh. ,  das  Archivio  comnnale  segreto  mit  1207  (über 
den  Uhro  rosso  vgl.  Santoni  II  libro  rosso  del  Comune  di  Came- 
rino.  Foligno  1885),  das  Archivio  comunale  antico 
mit  1600. 

Einen  wichtigen  Fund  bot  die  Biblioteca  comnnale. 
Hier  sind  verschiedene  Mss.  des  17.  nnd  18.  Jahrb.,  von  Matteo 
Pasencci ,  Venanzio  Argenti ,  Angelo  Benigni ,  Domenico  Passini 
und  vor  allem  von  dem  Historiker  Camillo  Lilio,  In  dessen  Ma- 
nuscripta  varia  (saec.  XVII)  vol.  III  85  steht  eine  bisher  unbe- 
kannte Urkunde  von 

Wibert  (aemens  III.)  1096.  J-L.  -,    für   das   Kloster  S. 
Flaviano  de  Rambona.    S.  Anhang. 

San  Severino. 

Mons.  Pellegrino  Caccialupi  Olivieri  und  der  Secretär 
Vitt.  Emanuele  Aleandri  unterstützten  Schiaparellis  Nach- 
forschungen auf  das  Eifrigste. 

Den  reichen  Inhalt  des  Archivio  capitolare,  seit  944, 
bat  schon  Bethmann  (Archiv  XII  663)  genauer  angegeben.  Hier 
sind  die 

Originale : 

Alexander  III.  1178  I.  20.  J-L.  13280  (Capsa  I  Nr.  6). 

Lucius  IIL  1184  IV.  4.  J-L.  15015  (Capsa  VHI  Nr.  9). 

Urban  IH.  (1186-87)  IV.  27.  J-L.  — .  (Capsa  I  Nr.  6). 

S.  Anhang. 

Celestin  HL   1191   VL  21.  J-L.  — .    (Capsa  XXXV). 

S.  Anhang. 
Celestin  III.  1197  IX.  9.  J-L.  17578  (Capsa  I  Nr.  8). 

Copien : 

Alexander  IH.  (1176).  J-L.  f  12836  (Capsa  I  Nr.  3). 
Cop.  8.  XIV. 

Außerdem  besitzt  das  Archiv  eine  Serie  von  136  Libri  saec 
XVIII  mit  Abschriften  und  Notizen,  von  denen  Lib.  LXXVIII, 
Lib.  CXXX,  Lib.  CXXXI  Abschriften  CriveUi's  und  Mazza's 
der  oben  verzeichneten  Urkunden  bieten. 

Die  andern  Archive,  das  Archivio  comunale  (Katalog 
des  Alberico  Amatori  von  1860)  seit  995,  mit  Papstbullen  von 
1290  ab ,  das  Archivio  notarilei  seit  1326 ,  und  das  A r- 
chivio  della  cancellaria  vescovile  mit  modernen 
Akten,  sind  ohne  Ergebniß  besucht  worden. 

Die    Biblioteca    comunale    hat    mehrere    für    die    6e* 


26  P*  Eebr, 

schichte  der  Marken  wichtige  Mss.  Vor  allen  die  Schcdae  des 
Angela  Massarellij  die  auch  ans  eine  reiche  Ausbeute  gewährten. 
Dann  verschiedene  Mss.  Notiisie  per  le  memorie  delle  abbaate  äi  S. 
Loreneo  in  DoliolOj  8.  Eustachio  de  Defnoris,  S.  Maria  de  Rambona 
(s.  XIX)  und  des  Luca  FanciulU  Memorie  storiche  delV  antica  hcuKa 
e  monastero  di  S.  Maria  di  Rambona  e  degli  altri  due  monasteri  di 
8.  Eustachio  de  Demoris  e  di  S.  Lorenzo  nel  Dogliuolo  (s.  XVEH). 
In  beiden  wird  eine  unbekannte  Urkunde  Celestins  III.  für  Ram- 
bona citirt. 

Ci/ngoU. 

Dr.  Schiaparelli  rühmt  besonders  des  Kanzlers  Don  Piett*o 
Antonelli  Güte.  Doch  ergab  sich,  daß  das  bischöfliche  Archiv 
wie  das  des  Kapitels,  seit  saec.  XV,  nur  sehr  wenig  noch  besitzen. 

Das  mit  1101  beginnende  Are hivio  comunale  (doch  ist  der 
Katalog  Vogels  nicht  mehr  vorhanden)  hat  in  dem  reichen  Fondo 
del  monastero  di  S.  Catterina  einen  besonderen  Schatz. 

Originale : 

Innocenz  H.  1142  III.  23.  J-L.  8217. 
Urban  HI.  1187  in.  13.  J-L.  15954. 


San  Mpidio  a  mare. 

Hier  kommt  allein  in  Betracht  das  Archivio  comunale 
(Index  von  Tommaso  Medaglia)  mit  dem  Summarium  privilegiorum 
et  iurium  monasterii  sanctae.  Crucis  de  Clcnte  von  1413  (S.  Croce 
am  Chienti) 

f.  4'  Celestin  IH.  1197.  J-L.  -.     S.  Anhang. 

Fermo. 

Dr.  Schiaparelli  ist  besonders  zu  Dank  verpflichtet  dem  Aw. 
LuigiFulvi.  dem  Prof.  G-abriele  Filoni  und  dem  Canonicus  Don 
Giulio  Ciferri. 

Das  Archivio  capitolare  (Repertorio  dell'  archivio  von 
1841)  hat  u.  A.  die  Urkunden  der  Badia  di  S.  Savino  (erste  Ur- 
kunde von  1016),  des  Monastero  di  S.  Maria  Maddalena  (erste  Ur- 
kunde von  1188,  älteste  Bulle  ist  Urban  IV.),  des  Priorato  di  S. 
Maria  a  Mare  und  des  Priorato  di  S.  Pietro  vecchio. 


Papstnrknnden  in  der  Romagna  und  den  Marken.  27 

jBadia  di  S,  Savino, 

Alexander  DL  1179  X.  10.  J-L.  — .     Orig.  n.  Cop.  s.  XVH. 
S.  Anhang. 

Priorato  di  S.  Pietro  vecchio. 
Alexander  III.  1180  XI.  27.  J-L.  — .    Orig.  und  Cop.  von 
1616.    S.  Anhang. 

Priorato  di  S.  Maria  a  Mare. 

Clemens  HI.  1188  VI.  10.  J-L.  — .    Orig.  und  Cop.  s.  XVI. 
S.  Anhang. 

Das  Archivio  della  cancellaria  arcivescovile  (Index  des 
Card.  Paracciani  von  1766)  hat  keine  alten  Urkunden  mehr.  Das 
Ms.  III.  C.  1.  Copie  di  privilegi  (1080—1236)  s.  XVm  hat  nichts 
für  uns ,  das  Ms.  IIL  C.  2.  Privilegia  ao  iura  Firmanae  ecclesicte 
von  Domenico  Maggiori  (1740)  ist,  wie  schon  Bethmann  bemerkte, 
lediglich  Abschrift  des  Libcr  episcopatus    des  Stadtarchivs. 

Das  Archivio  diplomatico  del  Comune  ist  jetzt  in 
der  Bibliothek.  Die  Papsturkunden  stehen  in  dem  Copialbuch  des 
Bistums 

Liber  episcopatus  (Firmum  Nr.  1030:  Iura  q[>iscoporum)  ^  cod. 
membr.  s.  XIII  (vgl.  Notizia  sul  regesto  dei  vescovi  di  Fermo  in 
Conferenze  di  storia  Maceratese,  Torino  1885) 

f.  60'  Alexander  III.  1177  VIIL  15.  J-L.  12917. 
f.  60'  Celestin  IIL  1196  IX.  4.  J-L.  17426. 
f.  60  Celestin  IH.  1197  XH.  22.  J-L.  17585. 

Daraus  auch  in  den  Monumenta  Firmana^  cod.  chart.  s.  XVIII, 
Ms.  4.  CC.  1  (Nr.  195.  196.  197)  und  in  dem  Ms.  m.  C.  2.  des 
erzbischöflichen  Archivs. 

Der  schon  von  Bethmann  (Archiv  XH  566)  vergeblich  ge- 
suchte Band  Firmum  Nr,  1029  (Liber  privilegiorum  saec.  XIII)  ist 
verschollen.  Firmum  Nr,  1031  (Liber  diversarum  copiarum  bidlarumj 
privilegiorum  et  instrumentorum  civitatis  et  episcopatus  Firman,  saec. 
XIV)  enthält  ürkundenabschriften  für  Chiaravalle  de  Fiastra. 

Das  Archivio  notarile,  mit  dem  15.  Jahrh.  beginnend, 
bat  nichts  von  Bedeutung.  Dagegen  besitzt  Prof.  Gabriele  Fi- 
loni  zur  Zeit  die  Urkunden  von  S.  Maria  de  Virginibus,  deren 
älteste  Alexander  IV.  1252  XU.  10  ist.  Das  Archiv  von  S.  Cat- 
terina  scheint  fast  ganz  verloren;  Reste  bei  Prof.  Filoni.  Der- 
selbe hat  auch  ein  Repertorium  des  Archivs  von  S.  Domenico  s. 
XVm;  erste  Bulle  war  (Jregor  IX.  1240. 


28  P*  Kehr, 

Offläa. 

Das  Archivio  capitolare  (Can.  Don  Baldassarre  Grilli) 
hat  als  einzige  Papstarkande  Offidas  das  schon  von  Bethmann 
(Archiv  XTT  566)  gesehene  Original 

Celestin  IH.  1192  V.  11.  J-L.  16870. 

Ueber  die  andern  Archive  der  Stadt  (Archivio  comunale  mit 
einigen  Pergamenen  des  16.  Jahrh. ,  Archivio  della  congregazione 
di  caritä ,  seit  1466 ,  Archivio  notarile ,  seit  1497)  vgl.  A.  Mar- 
chionni  Notizie  storiche  e  statistiche  di  Offida  1889  und  desselben 
Sunti  storici  delle  opere  pie  amministrate  dalla  congregazione  di 
caritä  di  Offida  1891. 

Vgl.  Bethmann  in  Archiv  XII  553;  Schum  in  N.  Archiv  I 
136 ;  V.  Pflugk-Harttung  Iter  p.  739.  Avv.  Cesare  C  e  s  a  r  i,  der 
Bibliothekar  Giulio  Gabrielli  und  die  Canonici  Emidio  Trenta 
und  Dr.  Emidio  M  o  n  t  i  kamen  allen  Wünschen  des  Dr.  Schiapa- 
relli  auf  das  Bereitwilligste  entgegen. 

Archivio  Capitolare. 

Katalog  von  Luigi  Pastori  1789.  Die  Papsturkunden  im  Bul- 
larium  B. 

Originale : 

Nr.  1  Leo  IX.  1052  Vn.  1.  J-L.  4278. 

Nr.  2  Victor  n.  1056  I.  2.  J-L.  4343. 

Nr.  5  Celestin  IH.  1191  L  11.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Nr.  6  Celestin  IIL  1192  I.  18.  J-L.  16828. 

Nr.  7  Celestin  IH.  1195  VIL  4.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Copien : 

Nr.  1  Leo  IX.  1052  VH.  1.  J-L.  4278.  Cop.  s.  XVHI. 
Nr.  4  Alexander  IH.    1179   X.  24.   J-L.   13481.   2  Cop.   s. 

XIV  u.  Cop.  s.  xvm  1). 

Nr.  7  Celestin  m.  1195  VH.  4.  J-L.  — .    Cop.  s.  XVm. 

Archivio  comunale. 
Inventar  von  1865.    Die  Pergamene  beginnen  mit  1140. 


1)  Nr.  3,  ein  angeblicher  Alexander  III.  ut  Alexander  lY. 


Papstarkanden  in  der  Romagna  und  den  Marken.  29 

Originale: 

Ell:  Celestin  HL  1197  XH.  23.  J.-L.  — .    S.  Anhang. 
Copialbficher : 

QuitUemonej  cod.  membr.  s.  XIII — XIV,  mit  Index  von  L. 
Pastori 

f.  276  Victor  H.  1056  I.  2.  J-L.  4343. 

Biblioteca  comanale. 

VgL  Gabrielli  II  palazzo  comunale  di  Ascoli-Piceno  e  le  sue 
raccolte.  1896.  Die  Pergamene  stammen  aas  den  Archiven  von  S. 
Aügelo  (seit  1028)  und  von  S.  Francesco  (seit  1238,  vgl.  Gr.  Fras- 
carelli  Memorie  ossia  iUustrazione  della  basilica  e  convento  dei 
padri  Minori  conventnali.  1855).    Aas  dem  ersteren 

Alexander  HI.  (1160—78)  IL  21.  J-L.  — .    Cop.  von  1491 
(XXIV  Nr.  15).    S.  Anhang. 

Im  Libro  maggiore  deW  archivio  di  S.  Angela  Magno  ^  Ms.  von 
1754 ,  stehen  verschiedene  Copien ,  darunter  der  eben  angezogene 
Alexander  III.  (p.  281).  Eine  zweite  Abschrift  derselben  Urkunde 
in  vol.  lU  p.  172  der  6  Bände  Abschriften,  die  Abt  Valeriana 
Malaspina  im  vorigen  Jahrh.  anfertigen  ließ. 

unter  den  Mss.  der  Bibliothek  haben  die  Sammelbände  des 
Localhistorikers  Francesco  Frascarelli  (s.  XIX)  einige  Wichtigkeit. 
£r  benutzte  das  Eapitelarchiv,  daraus  citirt  er  in  dem  Ms.  Estratti 
daW  archivio  del  duomo  (Ms.  110)  f.  433'  eine  angebliche  Ur- 
kunde von 

Urban  IL  1091:   concede  al  capitalo  di  Äscoli  la  dejnone  del 
proprio  vescavo^). 

Das  Archivio  della  cancellaria  vescovile  hat  keine 
Pergamene;  die  Abschriften  im  BuUarium  beginnen  erst  mit  1330. 
Das  älteste  Document  des  Archivio  notarile  ist  von  1461. 


1)  Aach  Marcncci  Saggio  delle  cose  Ascolane  (1766)  p.  215  weiB  noch  Yon 
einer  andern  angeblichen  Papstarkunde  für  AscoH.  Er  citirt  eine  Bulle  Ton  Leo 
VIIL  966  IL  „rignardante  la  conferma  di  Ancarano  alla  ehiesa  Ascolana'S 


30  P.  Kehr, 


Anhang, 
1. 

Nicolaus  IL  bestätigt  dem  Kloster  S.  Maria  in  Monte  bei  Cesena 
die  Besitzungen,  den  Zehnten,  den  Markt  und  das  Wahlrecht. 

Cesena  1060  Februar  10. 

Summarium  quod  vocaiur  catalogu^s  iurium  monasterii  s,  Marias 
in  Monte  von  1527  f.  153  Cesena  Archivio  storico  comunale  (Corpo- 
rajsioni  soppresse  Nr,  43).  —  Romualdus  Serra  Catalogus  scriptura- 
rum  archivii  abbatiae  s.  Mariae  in  Monte  prope  Caesenam  saec.  XVIII 
pars  1  f.  1,  ebenda  Nr.  45. 

Citirt  von  R.  Zazzeri  Storia  di  Cesena,  1892  p.  110, 

NICOLAUS  EPISCOPUS«)  SERUUS  SERUORÜM  DEI.  ÜE- 
NERABILI  MONASTERIO  SANCTAE  DEI  GENITRICIS  SEMPER- 
QÜE  *>  VIRGINIS  MARIE  SITO  IN  MONTE  MAÜRI  QÜI  alio  nomine 
dicitur  saltas  Spacianus  et  per  illud  conctis  eins  rectoribas  ibidem 
regulariter  promouendis  in  perpetuum.  Debitum  commissae  nobis 
specolationis  exequimur ,  si  piis  et  uenerabilibus  locis  oportnna 
mnnimina  contra  saecolarium  impetus  prouidemus.  Qaapropter 
praefato  monasterio  cunctisque  eins  rectoribus,  qualibus  snpra 
dictum  est,  constitoimus  in  perpetuum  et  per^^  presentem  decreti 
nostri  paginam  concedimus  et  confirmamus  predicto  monasterio  in 
perpetuum,  id  est  fundum  unum  qui^^  uocatur  saltus  Spaciani,  ubi 
ipsum  monasterium  situm  est,  quem  cognosco  esse  sanctae  Ro- 
manae  ecclesiae  a  me  datum  et  concessum  gratuito  beneficio  ,  ita 
ut  a  nullo  ullo  ulterius  *^  reuocetur ,  et  quicquid  hactenus  possi- 
det*^  uel  dehinc  quocumque  modo  diuinis  et  humanis  legibus  cognito 
poterit  acquirere,  et  nominatim  quae  habet  ^^  in  episcopatu  Raue- 
nati  intra  ciuitatem  et  extra  ciuitatem  et  in  episcopatu  Cesenati, 
Ariminensi,  Ficodensi  et  Montisferetrani,  scüicet  plebibus  et  ca- 
pellis  cum  decimis  et  primitiis  suis  et  cum  oblationibus  tarn  ui- 
uorum  quamque  et^^  mortuorum  ordinandi  et  disponendi  cum  om- 


a)  episcopos  fehU  Serra.  b)  sempor  Serra.  c)  per  fehU  Serra. 

d)  qaod  Serra.       e)  a  dqUo  alterias  /Sierra.       f)  possident  Sierra.        g)  babeot 
Serra.  h)  et  fehU  Serra, 


Papstarkanden  in  der  Romagaa  and  den  Marken.  31 

nibns  sibi  pertinentibas,  et  omnem  decimationem  conctoram  domi- 
nicaliam  ipsios  monasterii,  qne  ad  manns  suas  monacbi  retinaerint, 
at  adaenientibns  monasterio  hospitibns  proficiat,  et  debitum  mer- 
cati  ipsius  loci  sanctae  Mariae  Montis  nee  non  com  omnibos  obla- 
tionibus  quQ  ipsi  coenobio  quornmlibet  sea  collationes  fideliom  tarn 
pro  aiois  quam  et^^  pro  defanctis  pernenerint,  hac  nostra  decre- 
tali  pagina*^  concedimas  et  confirmamas  secandum  apostolicam  se- 
dem.  Preterea  nibilominns  corroboramas ,  nt  semper  liceat  ipsis 
monachis  defnncto  abbate  sno  abbatem  sibi  eligant  de  sua  congre- 
gatione  secnndam  regalam  sancti  Benedicti  nee  quomodolibet^^ 
homo  aim  faciat  eis,  donec  idoneam  habere  potaerint,  sin  alias  ex 

cognita   sibi  congregatione   comane   sibi'^ pagine 

qaelibet**)  coiascunque  conditionis  nel  dignitatis  magna  paraaqne 
persona  in  aliquo  oboiare  aoluerit  nel  corrampere,  apostolica  aacto- 
ritate  penitas  interdicimns.  Si  qoia  aatem  hoc  nostram  decretam 
sciens  temerario  aasa  infringere  pr^sumpserit  et  canonice  admo- 
nitos  emendare  contempserit ,  anathematis  nincolo  innodatom  se 
nouerit,  donec  forte  resipiscens  digne  satisfecerit,  et  insuper  tri- 
ginta  libras  auri  compositonun ,  medietatem  sacro  nostro  palatio 
Lateranensi**)  et  medietatem  aliam  ipsi  monasterio.  Qai  nero  hoc 
pro*'  reaerentia  apostolicae  sedis  fideliter  obseroanerit,  sanctorom 
apostolorom  precibos  possessor  sit  regni  c^lestis. 

R. 

Datnm  Cesenae  quarto  idas  febraarii  anno  domini  nostri  lesu 
Christi  millesimo  qninquagesimo  nono,  per  manns  VBERTI  sanctae 
ecdesi^  Sila^  *^  candidae  episcopi  et  apostolicae  sedis  bibliothecarii, 
anno  secundo  pontificatns  domni  Nicolai  papae  ^^  secnndi,  indictione 
tertiadecima. 


•)  hanc  nostram  decretali  paginam  Serra.  k)  qoilibet  Serra.  T)  co 

mü  folgender  Lücke  m  8ummar%um\   comune  sibi  mü  folgender  Lücke  8erra, 
»)....  quelibet  8ummainum\  ....  pagine  quilibet  Serra,  n)  Lateranensi 

palacio  8erra,  o)  boc  pro  fehU  Summanum.  p)  Siluie  Summarium. 

q)  pape  Nicolai  ^erro. 


2. 

Clemens  II I.  (Wibert)  überiaßi  dem  Äbte  Gisler  von  S.  Flaviano 
de  Rambona  und  dessen  Nachfolgern  auf  hundert  Jahre  die  Hälfte 
des  Castells  Arrianum  mü  Zubehör. 

Fano  1096  -• 


32  P-  Kehr, 

Co2)ie  des  17.  Jahrh.   in  Lilii  Mss.  varia  III  85  Cafnerino 
BibL  comunale. 

Clemens   episcopus    seruus    seruorum    dei.     Dilecto   filio  Gis- 
lerio  monasterii  saneti  Flaaiani   de  Rombona  abbat!  tuisque   sac- 
cessoribus.         Qaoniam  dei  uoluntate  ecelesiarum  cara  nobis  com- 
missa  est,    ut  eis  prouideamas  easque  exaltemus  et  augeamus:   ta 
quidem  Rambonensis  coenobii  abbas  cum  tua  congregatione  a  nobis 
suppliciter  postulatis,   quatenus   ecclesi^   saneti  Flauiani  tibi  com- 
missi de  bonis  sacrosanct^  Romano,  ecclesig  concederemns.    Et  qoia 
aestra  non  improbanda,  immo  uero  concedenda  uidetur  petitio,  pre- 
eibus  quoque  confratrum  nostrorum  tarn  Camertini  quam  Firmani 
et  Humanatis  episcoporum  flexi,  tibi  tueque  supradicte  ecclesi§  be- 
neficium  de  rebus  Romane  ecclesif^  inferius  nominandum  usque  ad 
centom  annos   pensione  prqfuncta  persoluenda  concedimus.     Dimi- 
diam  namque  castelli  Arriani  cam  media  ecclesia  saneti  Salaatoris, 
com  media  torri  einsdem  castri  et  media  carte,   cum  omnibus  suis 
pertinentiis ,    cum  introitu  et  exitu  suo ,   sicut   detinuit  Albertus 
quondam  Alebrandi  fllius,  cum  ecclesiis  et  terris  caeterisque  uineis 
siluis    aquis    aquimolis ,    cum   omnibus    sibi    pertinentibus   ecclesi^ 
saneti   Flauiani  ^^   usque   in  supradictum  terminum  concedimus  et 
confirmamus.     Prgcipimus    quoque  ut   deinceps   de   iis  qu§  tibi  et 
ecclesi^  tuQ  superius  concessa   sunt ,    nuUus   dux,   nullus   marchio, 
nullus  comes,  nullus   uicecomes   neque   episcopus,   nuUa  maior  uel' 
minor  persona  te  uel  ecclesiam  tuam  molestare  uel  inquietare  au- 
deat.     Qui  autem  tibi  uel  ecclesi^  tu^  de  bonis  supradictis  ex  nos- 
tra  liberalitate  ecclesi^  tu$  collatis  molestiam   uel   inquietudinem 
aliquam  sine  legali  iudicio  inferre  presumpserit,    sciat  se  daturum 
et  compositurum  centum  libras  auri  optimi,  dimidiam  partem   tibi 
uel  successoribus  tuis,  dimidiam  uero  camere  nostr^,   sedis  quoque 
apostolicQ  anathemati  se  subiacere,  quousque  ad  satisfactionem  ue- 
nerit,    cognoscat.     Fensionem   unius   bizantii   pro   unaquaque    in- 
dictione  Romano   ecclesi^   tam  tu  quam  successores  tu!  usque  ad 
terminum  constitutum  persoluatis. 

Ab  incarnatione    domini  MXCVI,    indictione  V.     Datum  Fani 
per  manus  Seruidei  Petusariensis  *^  episcopi. 


a)  Famiani  Ms.  b)  zu  emendiren  ist  wohl  Pesauriensis,    Ein  Bischof 

SerYUsdei  von  Pesaro  ist  iadessen,  so  viel  ich  weiß,  nicht  bekannt.  In  einer  an- 
dern nnedirten  Urkunde  Wiberts  von  1089  I.  8.  datiert  wohl  derselbe  Ser?osdei 
noch  als  sacri  palatii  subdiaconos. 


Papstarkunden  in  der  Romagna  und  den  Marken.  $3 

3. 

Innocene  IL  nimmt  das  Kloster  der  hh.  Peter  und  Paul  in  Ri- 
mim  unter  dem  Abt  Arduin  in  den  apostolischen  Schutz,  bestätigt  ihm 
die  Besitzungen  und  Zehnten  und  verleiht  ihm  das  Wahlrecht. 

Lateran  1142  März  23. 

Copie  des  16.  Jahrh,  in  den  Schedae  des  Card.  Garam^n  Pimini 
Biblioteca  Gambalunga  D.  IV.  248  (ex  regesto  s.  XIV  in  arch.  s. 
luliani).  —  Romualdus  Serra  Series  chronologica  omnium  veterum 
monumentorum  dbbatiae  Ariminensis  ss.  Petri  et  Pauli  ac  luliani  p.  23 
d>enda  C.  T.  2,  7  (ex  vetusto  codice  signato  A  pag.  5). 

Innocentias  episcopas  seruus  seraorum  dei.  Dilectis  filiis  Ar- 
daino  abbati  monasterii  beatorum  apostolornm  Petri  et  Pauli  iuxta 
pontem  marmoream  Ariminensis  ciuitatis  siti  eiusque  fratribas 
tarn  pr^sentibns  quam  futuris  regulärem  uitam  professis  in  perpe- 
tuom.  Quotiens  a  nobis  illud  petitur  quod  rationi  et  honestati 
conaenire  dignoscitur,  animo  nos  decet  libenti  concedere  et  peten- 
tiam  desideriis  congruum  impertiri  suffragium.  Eapropter,  dilecti 
in  domino  filii,  uestris  iustiä  postülationibus  clementer  annuimus 
et  pr^fatum  monasterium  quod  beati  Petri  iuris  existit  sub  apo- 
stolicQ  sedis  protectione  suseipimus  et  pr^sentis  scripti  priuilegio 
conununimus.  Statuentes  at  quascumque  possessiones  qnecumque 
bona  idem  monasterium  in  pr^sentiarum  iuste  et  legittime  possidet 
aut  in  futurum  concessione  pontificum,  largitione  regum  uel  prin- 
cipum ,  oblatione  fidelium  seu  aliis  iustis  modis  deo  propitio  po- 
terit  adipisciy  firma  uobis  uestrisque  successoribus  et  illibata  per- 
maneant.  In  quibus  h^c  propriis  duzimus  exprimenda  uoeabulis: 
plebem  sancti  Martini  de  Burdundo  cum  cappella  sua  et  terris 
siluis  et  Omnibus  suis  pertinentiis ,  curtem  sancti  Patriniani  ^^  in 
eadem  plebe  cum  omnibus  suis  appenditiis ,  tres  archus  de  ponte 
marmoreo  cum  terris  casLs  et  turribus,  terram  quoque  sanct^  Ro- 
man§  ecdesi^  qu^  est  posita  iuxta  ipsum  pontem  et  habet  a  primo 
latere  pontem  ipsum,  a  secundo  montem  de  Furcha,  a  tertio  mare, 
a  quarto  terram  Artinacam  cum  flumine  quod  inde  currere  con- 
Buenit,  ecclesiam  sancte  Marii^  iu  Curte  cum  mansis  et  mansionibus 
quQ  posita  est  in  Posterula  ducum ,  dccimas  quoque  omnium  ter* 
rarum  uestrarum,  sicut  a  prt^nlecesijoribus  nostris  uobis  concessQ 
sunt  et  scriptis  eorum  firmat^.  Obeunte  uero  te  nunc  eiusdem 
loci  abbate  uel  tuorum  quolibet   successorum,  nullus   ibi   qualibet 


a)  Paterniani  Strra. 

Kfl.  U«.  4.  Wim,  NAchriditoiL    PhUol«f.-liiBUr.  KImm  1898.    UA.  I. 


34  P.  Kehr, 

surreptionis  astatia  seu  aiolentia  prgponatur,  nisi  qaem  fratres 
communi  consensu  uel  pars  consilii  sanioris  secundum  dei  timorem 
et  beati  Benedict!  regulam  prouiderit  eligendum.  Decemimus  ergo 
nt  nee  episcopo  nee  alicoi  omnino  hominum  liceat  locam  ipsnm 
temere  perturbare  grauare  aut  bona  siue  possessiones  ipsias  au- 
ferre  uel  ablatas  retinere  minuere  seu  quibuslibet  indebitis  ex- 
actionibus  uel  molestiis  fatigare,  sed  *J  omnia  integra  conseruentur 
eorum  pro  quorum  gubernatione  et  sustentatione  concessa  sunt 
usibus  onmimodis  profutura.  Ad  indicium  autem,  quod  idem  locus 
beati  Petri  iuris  existit,  duodecim  denarios  Lucensis  monet^  nobis 
nostrisque  successoribus  annis  singulis  persoluetis.  Si  qua  igitur 
in  futurum  ecclesiastica  secularisue  persona  hanc  nostr^  constitu- 
tionis  paginam  sciens  contra  eam  temere  uenire  temptauerit,  se- 
cundo  tercioue  commonita,  si  non  satisfactione  congrua  emenda- 
uerit,  potestatis'  honorisque  sui  dignitate  careat  reamque  se  diuino 
iudicio  existere  de  perpetrata  iniquitate  cognoscat  et  a  sacratis- 
simo  corpore  et  sanguine  dei  et  domini  redemptoris  nostri  lesu 
Christi  aliena  fiat  atque  in  extremo  examine  districtQ  ultioni  sub- 
iaceat.  Cunctis  autem  eidem  loco  iusta  seruantibus  sit  pax  do- 
mini nostri  lesu  Christi,  quatinus  et  hie  fructum  bon^  actionis 
percipiant ''^  et  apud  districtum  iudicem  pr^mia  etern^  pacis  inue- 
niant.    Amen.    Amen.    Amen. 

Datum  Laterani  per  manum  Grerardi  sancte  Romane  ecclesie 
presbyteri  cardinalis  ac  bibliothecarii,  XI.  kaL  aprilis,  indictione 
V ,  incarnationis  dominic§  anno  MCXLI ,  pontificatus  uero  domni 
Innocentii  II.  pap^  anno  XIIT. 


b)  8cilicet  Garampi.  c)  percipiat  Garampi, 

4. 

Alexander  IIL  befiehlt  dem  Erwählten  Adam  und  den  Mönchen 
von  Farfa,  die  dem  Nonnenkloster  S.  Angelo  in  Ascoli  widerrechtlich 
entzogenen  Besitzungen  eurücheuerstatten, 

Anagni  (1160—78)  Februar  23. 

Gopie  von  1491  Ascoli-Piceno  Biblioteca  comunale  (Archivio  di  S. 
Angelo.  Cassetta  XXIV  Nr.  15).  —  Danach  Copie  von  1754  im  Libro 
maggiore  deW  archivio  di  S.  Angelo  Magno  p.  281  und  Copie  s.  XVIII 
in  der  Sammlung  des  Abtes  Vaieriano  Malaspina^  vol.  III p.  172,  ebenda. 

Alexander  episcopus  seraus  seruorum  dei.  Dilectis  filii«  Ade 
dicto  electo  et  monachis  Farfensibus  salutem  et  apostolicam  bene- 


Papsturkanden  in  der  Romagna  und  den  Marken.  36 

dictionem.  Ex  transmissa   conqnestione    abbatisse   monasterii 

sancti  Angeli  "^  de  ciaitate  Ascalana  accepimuSy  qaod  terras  et  ho- 
mines  monasterii  sni  ei  per  niolentiam  abstolistis  et  contra  iusti- 
tiam  detinere  non  dubitatis.  Quoniam  igitor  non  decet  nos  ad 
aliena  bona  diripienda  manns  extendere ,  qui  propriis  debetis  ter- 
minifl  esse  contenti,  per  apostolica  uobis  scripta  precipiendo  man- 
damns,  quatinns  predicte  abbatisse  prescriptas  terras  et  homines 
sine  mora  et  difficultate  restitaatis  uel  infra  triginta  dies  post 
hanun  sasceptionem  in  presentia  nostra  plenam  exinde  sibi  iusti- 
tiam  exhibeatis.  Qnod  nisi  feceritis,  in  nos  anctore  domino  durius 
nindicabimus.    Dat.    Anagnie  VII.  kal.  mart. 

a)  agneli. 

5. 

Alexander  III,  nimfnt  das  Kloster  der  hh.  Peter  und  Paul  in 
Bimini  unter  dem  Abt  Benedict  nach  dem  Vorgange  Innocenz  IL  in 
den  apostolischen  Schutz,  bestätigt  ihm  die  Besitzungen  und  Zehnten 
und  verleiht  ilim  das  ItecJU  auf  detn  ihm  von  der  Römischen  Kirche 
verliehenen  Territorium  eine  Kirche  zu  errichten,  das  Begräbnißrecht^ 
das  Wahlrecht^  das  Recht  einen  Bischof  für  die  bisdiöflichen  Leistungen 
£u  Waiden  und  bestätigt  die  zwischen  dem  Bischof  Opizo  von  Riniini 
und  dem  Abt  übert  geschlossene  Convention, 

Ferrara  1177  Mai  5. 

Copie  des  18.  Jahrh.  in  den  Schedes  des  Card,  Garampi  Rimini 
Biblioteca  Gambalunga  D.  IV.  248  (ex  reges to  s.  XIV.  in  arch,  s. 
luliani).  —  Roinualdus  Serra  Series  Chronologien  omnium  veterum 
matiumcntorum  abbatiae  Ariminensis  ss.  Petri  et  Pauli  ac  luliani 
p.  39  ebenda  C.  T.  2,  7  (ex  vetusto  codice  signato  A  pag.  6). 

Der  erste  TlieU  des  Privilegs  stimmt  mit  der  Urkunde  Inno- 
cenz  IL  (s.  oben  Nr.  3)  überein. 

Qaotiens  illnd  a  nobis. 

Datum  Ferrari^  per  mannm  Gratiani  sancte  Romane  ecclesie 
subdiaconi  et  notarii,  lU.  nonas  maii,  indictione  X,  incarnationis 
dominioQ  anno  MCLXXYU,  pontificatua  uero  domni  Aiexandri  papQ 
lU.  anno  XVm. 

6. 

Alexander  HL  bestätigt  dem  Archipresbyter  Mathäus  und  den 
Kanonikern  von  Ancona  die  Besitzungen  und  nimmt  sie  in  den  apo- 
ztoliMchen  Schutz. 

[Lateran  1179]  Januar  19. 

3* 


36  P.  Kehr, 

Orig.  Fragment  Ancona  Archivio  capüölare. 

Die  Urkunde  ist  fast  ganz  verstört.  Als  Jahr  gibt  ein  Dorsual  an  1178. 

[Dat.  Lat.  per  manum]  Alberti  sancte  Romane  ecclesie   [pres- 
byteri  cardinalis]  et  cancellarii ,   XIIII.  kal.    febraarii,    indictione 

[ .  .  . ,  anno]  incarnationis  dominice  M[ ] 

B. 


7. 


Alexander  III,  bestätigt  dem  Kloster  S.  Savino  in  Fermo  unter 
dem  Abt  Adam  die  Besitzungen  j  Zehnten  und  Kirchen  und  gewährt 
ihm  Freiheit  vom  Interdict,  das  Begräbniß-  und  das  Wahlrecht. 

Anagni  1179  Oktober  10. 

Orig.  Fermo  Archivio  capitolare  (Monastero  di  8.  Savino.  Chiese 
Nr.  2).  —  Ebenda  Copie  s.  XVII  (Monastero  di  S.  Savino.  Privilegi). 

Effectum  iusta  postolantibos. 

Dat.  Anagnie  per  manum  Alberti  sancte  Romane  ecclesie  pres- 
byteri  cardinalis  et  cancellarii,  VI.  id.  octobr.,  indictione  XTTT,  in- 

0  0  0  0 

carnationis  dominice  anno  M  .  C  .  LXXVIIII,  pontificatus  uero  domni 
ALEKANDRI  pape  III.  anno  XXI. 

B. 

Cardinäle:  TJieodinus  von  Porto  und  S.  Rufina,  Berner edus  von 
Palestrina;  JoJiannes  von  SS.  Giovanni  e  Paolo  j  Matheus  von  S. 
Marcello ;  Ardicio  von  S.  Teodoro,  Gratian  von  SS.  Cosma  e  Damiano, 
Johannes  von  S.  Angelo,  Rainer  von  S.  Adriano ,  Matheus  von  S. 
Maria  Nuava. 


8. 

Alexander  HL  bestätigt  nach  dem  Vorgange  Eugens  III.  und 
Anastasius  IV.  der  Kirc/ie  des  h.  Petrus  bei  Fermo  unter  dem  Prior 
Combo  die  Regel,  die  Besitzungen,  die  Zehnten  und  Oblationen,  und 
gewährt  ihr  das  Begräbnißrecht  ^  die  Wahi  des  Bischofs  für  die  bi- 
schöflichen Leistungen  und  das  WaMrec/U. 

Tusculum  1180  Noveniber  27. 

Orig.  Fermo  Archivio  cajntolare  (Priorato  di  S.  Pietro  vecchio 
TU.  XVII  Rub.  »).  -  Ebmda  Copie  von  1516. 

Die  angezogenen  Urkunden  Eugens  III.  und  Anastasius  IV.  sind 
nicht  erhalten. 


Pap8tarknnden  in  der  Romagna  und  den  Marken.  37 

Com  nobis  sit. 

Dat.  Tascnlani  per  mannm  Dauferi  sancte  Bomane  ecdesie 
sabdiaconi  et  notarii,  V.  kal.  decembr. ,    indictione  XIIII*,  incama- 

o 

tionis  dominice  anno  M.  C** .  LXXX®,   pontificatas   uero  donni  ALE- 
XANDM  pape  III.  anno  XX«.  IP«). 

B. 

Cardinäle:  Theodinus  von  Forto  und  S,  Rufina;  Petrus  von  S. 
Susanna  j  Vioianus  von  S.  Stefano  in  Celio  monte,  Matheus  von  S. 
Marcello;  Jacinthus  von  Ä  Maria  in  Cosnwdyn,  Rainer  von  S.  Geor- 
gia in  Velabro^  Gratian  von  SS.  Cosma  e  Damiano,  Rainer  von  S» 
Adriano. 


ä)  Vor  XXII  Rasur. 

9. 
Lucius  III.  verleiht  der  Kirche  des  h,  Petrus  in  CasuJa  Ufiter 
dem  Priester  Guido  das  Bcgräbnißrecht. 

Verona  (1184—85)  Oktober  30. 

Orig,  Irnola  Archivio  capitolare  (Mazzo  IV  Nr.  72). 

lustis  petentiom. 
Dat.  Verone  III.  kal.  nouembr. 

B. 


10. 

Urban  III.  nimmt  das  Kloster  S.  Salvatore  in  Simano  unter  defu 
AU  Alberich  nach  dem  Vorgmuje  Alexanders  III.  und  Lucius  HL  in 
deti  apostolischen  Schulz,  bestätigt  ihm  die  Regel,  die  Besitzungen  und 
die  Zehnten  und  gewährt  ihm  das  Auf  nahmer  edU,  Freiheit  vom  Inter- 
dici,  das  Begtöhniß-  und  Wahlrecht  und  andere  Vorrechte. 

Verona  1186  Septetnber  28. 

Orig.  Imola  Archivio  capitolare- (Mazzo  IV  Nr.  85). 

Die  angezogenen  Urkunden  Alexanders  HL  und  Lucius  IIL 
sind  nicht  erhalten. 

EfTectnm  iusta  postalantibus. 

Dat.  Verone  per  manum  Alberti  sancte  Romane  ecdesie  pres- 
byteri  cardinalis  et  cancellarii ,    IUI.  kal.   octubris ,   indictione  V, 

0         0  0  0, 

incamationis    dominice  anno   M.C.LXXX. VI,     pontificatas    aero 
domni  UKBANI  pape  HL  anno  I. 

B.  dep. 


88  P-  Kehr, 

Cardinale:  Heinrich  von  AlhanOj  Paul  von  Palestrina;  Johannes 
von  S.  Marco,  Petrins  de  Bono  von  S.  Susanna,  Lalorans  von  S.  Ma- 
ria in  Trastevere ,  Pandulf  von  SS.  Apostoli ,  Albin  von  S.  Croce  in 
GerusalenwiCj  Melior  von  SS.  Giovanni  e  Paolo;  Jacinthus  von  S. 
Maria  in  Cosmedyn,  Gratian  von  SS.  Cosma  e  Damiano,  Bdbo  von 
S.  Angelo,  Soffred  von  8.  Maria  in  Via  lata^  Roland  von  S.  Maria 
in  Porticu,  Petrus  von  S.  Nicolo  in  carcere,  Radulf  von  S.  Giorgio  in 
Velahio. 

U. 

Urhan  III.  nimmt  den  Prior  und  die  Brüder  von  S.  Severino  in 
den  apostolischen  Schute  nebst  allem  Besite,  insbesondef*e  den  Kapdlefi 
s.  Severini  de  Ponte,  s.  Mariae  de  SaoiO,  s.  Blasii,  s.  Martini,  s. 
Abundii,  s.  Venantii,  s.  Donati,  s.  Severini  de  valle  Materige. 

Verona  (1186—87)  April  27. 

Orig.  San  Severino  Archivio  capitolare  (capsa  I  Nr.  6).  —  Ebenda 
Abschriften  des  Bemardino  Crivelli  von  1755  im  Liber  CXXX  p.  160 
und  des  Guiseppe  Mazea  von  1758  im  Liber  CXXXI  p.  134. 

Sacrosancta  Romana  ecclesia. 
Dat.  Verone  V.  kal.  maii. 

B.  dep. 


12. 

Urban  III.  beauftragt  den  Erebischof  G(erard)  von  Ravenna,  die 
Klage  des  BiscJiofs  von  Imola  gegen  den  Prior  von  Volcina  und  die 
Aebtissin  von  S.  Maria  in  Diaconia  wegen  Entziehung  einiger  Kirchen 
und  Besitzungen  zu  untersuchen  und  zu  entscheiden. 

Verona  (1186^87)  Mai  27. 

Copie  des  12.  Jahrh.  Imola  Archivio  capitolare  (Mazzo  IV  Nr.  82). 

Proposnit  nobis. 

Dat.  Verone  VI.  kal.  iunii. 


18. 

Urban  III.  beauftragt  den  Erzbischof  G(erard)  von  Ravenna  auf 
die  Klage  des  Bischofs  von  Imola,  den  Abt  von  S.  Apollinare  in 
Glosse  zu  zwingen^  die  der  Kirche  von  Imola  entzogene  Glocke  zurück' 
zugeben. 

Verona  (1186—87)  Mai  27. 


Papsturknnden  in  der  Romagna  und  den  Marken.  89 

Copie  des  12.  Jahrh,  Imola  Archivio  capüolare  (Mazzo  IV  Nr.  82). 

Proposuit  nobis. 

Dat.  Verone  VI.  kal.  iunii. 


14. 

Urhan  111.  heauflragt  den  Erzbischof  G(erard)  von  Ravennaj 
die  zwischen  dem  Bischof  von  Imola  und  den  Uospitcditern  über  ge- 
wisse Pfarrrechte  getroffene  üebereinkunft  beobachten  zu  lassen  und  die 
Hospitaliter  zu  zunngen,  dem  Bischof  und  den  Kanonikern  von  Imola 
gewisse  Besitzungen  zurückzugAen. 

Verona  (1186—87)  Juni  3. 

Copie  des  12.  Jahrh.  Imola  Archivio  capitolare  (Mazzo  IV Nr.  82). 

Ea  que  inter  uiros. 

Dat.  Verone  lU.  non.  ionii. 


15. 

Clemens  III.  nimmt  nach  dem  Vorgange  Alexanders  III.  die 
Kirche  8.  Maria  de  Mari  unter  dem  Prior  Gibert  in  den  apostolischen 
Schutz,  bestätigt  ihr  die  Regel  und  die  Besitzungen  und  gewährt  ihr 
Freilieit  vom  Interdict  und  das  Begrabnißrecht. 

Lateran  1188  Juni  10. 

Orig.  Fermo  Archivio  capitolare  (Prioraio  di  S,  Maria  a  Marc 
Nr.  2).  —  Ebenda  (Nr.  4)  Copie  s.  XVI. 

Die  angezogene  Urkunde  Alexanders  III.  ist  nicht  erhalten. 

Quotiens  a  nobis  petitor. 

Dat.  Lateran!  per  manum  Moysi  sancte  Romane  ecclesie  sab- 
diaconi  nicem  agentis  cancellarii,  IUI.  id.  iunii,  indictione  sexta, 
incamationis  dominice  anno  M .  C .  LXXXVIII ,  pontincatas  uero 
domni  CLEHENTIS  pape  in.  anno  primo. 

B.  dep. 

Cardinäle:  Theobald  von  Ostia  und  Veüetri\  Johannes  von  S. 
Marco  ^  Laborans  von  S.  Maria  in  Trastevere^  Mclior  von  SS.  Ouh 
vanni  e  Paolo,  Itadulf  von  S.  Prassede,  Petrus  von  S.  demente,  Bobo 
von  S.  Anastasia,  Pett^us  von  S,  Pietro  in  Vincoli;  Jacinthus  von  S. 
Maria  in  Cosmedyn,  Oratian  von  SS.  Cosma  e  Damiano,  Oclavian 
von  SS.  Sergio  e  Baccho^  Soff  red  von  S.  Maria  in  Via  lata,  Gregor 
von  8.  Maria  in  Portieu,  Johannes  von  S.  Teodora. 


40  P.  Kebr, 

16. 

Celcstin  IIL  nimmt  nach  dem  Vorgange  Clemens  III,  die  Kirche 
des  h,  Kreuzes  hei  Zara  unter  dem  Prior  Mathetis  vom  Orden  der 
Krusiaten  in  den  apostolischen  Schute  und  bestätigt  den  in  dem  Streit 
darüber  zwischen  den  Kruziatcn  und  den  Templern  gefällten  Schieds- 
spruch. 

Rom,  S.  Peter  1191  Juni  21. 

Orig,  San  Severino  Archivio  capitolare  Xcapsa  XXXV),  —  Ebenda 
Abschrift  von  1755  von  Bernardino  Crivelli  in  Lib,  CXXX  p,  247, 

CELESTINUS  episcopus  seruus  seruorum  dei.  Dilecto  filio 
fratri  JFatheo  et  aliis  fratribus  ordinis  Cruciatorum  salutem  et 
apostolicam  benedictionem.  |  Controuersiis  iudicio  uel  concordia 
terminatis  ad  maiorem  firmita[tem]  scripture  debet  auctoritas  in- 
terponi  et  |  iaxta  postalantium  uoluntatem,  ne  illa  que  sopita  [fu- 
eriin]t  ualeant  in  recidiue  contentionis  scrupulum  |  deuenire,  con- 
uenit  ea  sedifs]  apostolice  munimine  roborari.  Eapropter  uestris 
iustis  postulationibus  annueii|tes ,  ecclesiam  sancte  crucis  que  sita 
est  prope  ladarensem  ciuitatem  cum  omnibus  suis  pertinentiis, 
sicut  eam  |  iuste  et  pacifice  possidetis ,  sententiam  etiam  qu[am] 
dilecti  filii  nostri  I.  archidiaconus  et  A.  archipresbyter  Ia|darenses, 
Petrus  sancti  Stephan!  plebanus,  Matheus  subdiaconus  [ecclesije 
sancte  Anastasie  de  controuersia  que  inter  uos  et  |  dilectos  filios 
nostros  Templarios  de  prescripta  ecclesia  uertebatur,  de  mandato 
sedis  apostolice  protulerunt,  sicut  |  eadem  sententia  rationabiliter 
lata  est,  ad  instar  felicis  recordationis  Clementis  pape  predecessoris 
nostri  j  auctoritate  apostolica  confirmamus  et  presentis  scripti  pa- 
trocinio  communimus.  Nulli  ergo  omnino  |  hominum  liceat  hanc 
paginam  nostre  confirmationis  infringere  uel  ei  ausu  temerario  con- 
traire.  Si  quis  |  autem  hoc  attemptare  presumpserit,  indignationem 
omnipotentis  dei  et  beatorum  Petri  et  Pauli  apostolorum  |  eins  se 
nouerit  incursurum.  Dat.  Rome  apud  sanctum  Petrum  XI.  kal. 
iulii  pontificatus  nostri  anno  primo"\  | 

B. 


a)  primo  auf  Basur, 

17. 

Celestin  IIL  ermächtigt  den  Bischof  von  ForU ,  die  von  dessen 
Vorgängei*  ohne  Zustimmung  des  Kapitels  veräußerten  Zehnten  und 
Kirchenrechte  zurückzufordern. 

Lateran  1192  August  27. 


PapstDrkanden  in  der  Romagna  und  den  Marken.  41 

C(>pie  s.  XIII.  Forlt  Archivio  capitolare  (Busta  28  Nr.  16). 

Cit.  von  Marchcsi  Supplemento  istorico  delV  antica  cittä  di 
Fern  p.  130. 

Celestinns  episcopus  sernus  seruorum  dei.  Uenerabili  fratri 
.  .  Liaensi  episcopo  salutem  et  apostolicam  benedictionem.  Ad 

aadientiam  apostolatns  nostri  te  significante  peruenit,  qnod  ante- 
cessor  tuus  decimas  et  alia  ecclesiastica  iura  commisse  tibi  ecclesie 
sine  consilio  capituli  et  asensu  laicis  personis  aliis  concedere  in- 
feudare  et  in  enorme  dampnum  ipsiiis  ecclesie  alienare  presumpsit. 
Uolentes  igitar  granamini  eiusdem  ecclesie  prouidere,  fraternitati 
tue  presencium  auctoritate  concedimus ,  ut  ea  qne  in  decimis  et 
aliis  dictus  antecessor  tuus  de  bonis  eiusdem  ecclesie  in  grauamen 
ipsins  iacturam  sine  capituli  sui  consen.su  distraxit,  legittime  ua- 
leas  in  eadem  ecclesia  sine  appcllationis  obstaculo  reuocare.  Dat. 
Laterani  VI.  kal.  septembris  pontificatus  nostri  anno  secundo. 

18. 

Celestin  III.  nimmt  da^^  Kloster  der  hh.  Peter  und  Paul  in  Ri- 
mini  unter  dem  AU  Philipp  nach  dem  Vorgange  Benedicts,  Gregors 
Vlly  Nicolaus  11.^  Innoceva  II.,  Hadrian  IV.  und  Alexanders  III. 
in  den  apostolischen  Schute  und  bestätigt  ihm  die  Besitzungen^  Zehnten 
und  Rechte. 

Lateran  1193  April  3. 

Copie  des  18.  Jahrh.  in  den  Schedae  des  Card.  Garampi  Rimini 
Biblioteca  Gambalunga  D.  IV.  248  (ex  regesto  chartaceo  s.  XIV.  in 
arch.  s.  luliani  civitatis  Ariminensis  p.  8).  —  Romualdus  Serra  Sc- 
rirs  chronologica  omnium  veterum  monumentorum  äbbatiae  Ariminensis 
SS.  Petri  et  Pauli  ac  luliani  p.  58  ebenda  C.  T.  2^  7  (ex  vetusto  co- 
dice  signato  A  p.  8). 

Die  Urkunde  xciederholt  in  der  Hauptsache  da^s  Privileg 
Alexanders  III.  (s.  oben  Nr.  5).  Die  angezogene  Urkunde  Be- 
nedicts VIII.  oder  IX.  ist  nicht  erhalten.  Die  andern  sind  Ni- 
colaus II.  J'L.  4398  y  Gregor  VIL  J-L.  5073,  Innocenz  IL  s, 
Nr.  3,  Hadrian  IV.  J-L.  10263,  Alexander  III.  s.  Nr.  5. 

Qaotiens  illad  a  nobis. 

Datum  Laterani  per  manum  Egidii  sancti  Nicolai  in  carcere 
Tolüano  diaconi  cardinalis,  III.  non.  aprilis,  indictione  nndeeima,  in- 
camationis  dominicQ  anno  MCXCIII,  pontificatus  uero  domni  Ce- 
lestini  pape  III  anno  secondo'^ 

a)m  Serra. 


42  P.  Kehr, 

EotQf  Benevalcte  und  Unterschriften  fehlen  auch  hier  wie  oben  bei 
Innocenjs  IL  und  Alexander  III.  Es  steht  hier  indeß  doch  eine  Un- 
terschrift :  Ego  Petrus  sancte  Mari^  in  Uia  lata  diaconus  cardinalis  ss. 

19. 

Celestin  IIL  befiehlt  dem  Klerus  des  Bisthums  ForVt^  dem  Bischof 
bei  seinem  loblichen  Unternehmen^  die  von  seinen  Vorgängern  veräußere 
ten  Zehnten  f  Besitzungen  und  Kirchenrechte  surücksufordern  ^  beisU" 
stehen. 

Lateran  1193  Juni  15. 

Copie  des  13.  Jahrh.   Forll  Archivio  capitolare  (Busta  28  Nr.  16). 

Cit.  von  Marchesi  Supplemento  istorico   delV  antica  cittä  di 
Forli  p.  130.     Vgl.  oben  Nr.  17. 

Celestinus  episcopus  sernns  seraomm  dei.  Dilectis  filiis  uni- 
uerso  clero  Forl(iuen8i8)  episcopatus  salutem  et  apostolicam  bene- 
dictionem.  Eias  honestatis  ac  peritie  nenerabilis  frater  noster 

episcopns  nester  esse  dignoscitnr  et  talis  propositi  eeclesie  sue  ac 
nestris  commimiter  utilitatibus  intcndendi,  at  merito  creatori  nostro 
intentas  et  deuotas  teneamini  gracias  exibere,  qui  talem  uobis  de 
saa  inmensa  dementia  prelatum  indolxit,  per  cnios  prouidam  cir- 
cumspectionem  et  spirituale  potestis  et  temporale  sperare  augmen- 
tum.  Qnia  aero  decime  possessiones  et  alia  iura  sui  episcopatas 
predecessores  eins  in  magnum  eeclesie  sue  dispendium  alienasse 
dicuntur,  que  idem  auctoritate  nostra  ad  candem  proposuit  eccle* 
siam  reuocare,  uniuersitati  uestre  per  apostolica  scripta  mandamus 
et  districte  precipimns,  quatinus  ei  tamquam  uestro  spirituali  patri 
reuerenciam  obedienciam  exibeatis  debitam  et  honorem  et  in  suis 
et  eeclesie  sibi  commisse  agendis  taliter  assistatis,  ut  et  idem  suum 
tam  pium  utileque  propositum  ualeat  adimplere  et  uos  super  hiis 
debeatis  merito  commendari.  Alioquin  scntentiam  quam  in  contra« 
dictores  seu  rebelles  rationabiliter  duxerit  promulgandam^  nos  ra* 
tam  habebimus  et  precipimus ,  ut  sine  appellacionls  obstaculo  a 
quibuslibet  inuiolabiliter  obseruetur.  Dat.  Laterani  XVIL  kal. 

iolii  pontificatus  nostri  anno  tertio. 

20. 

Celestin  IIL  nimmt  das  Kloster  8.  Croce  am  Ghienti  in  den  apo- 
stolischen SchutSy  bestätigt  ihm  die  Besitzungen,  insbesondere  die  Kirchen 
in  und  außerhalb  der  Stadt  Fermo,  die  Zehnten  und  llühlen. 

im. 


Papstarkunden  in  der  Romagna  und  den  Marken.  43 

AusBug  im  Summarium  privilegiorum  et  iurium  tnonasterii  sanäae 
Crucis  de  Clente^  cod.  charL  s.  XV  f.  4t  San  Elpidio  a  Marc  Ar- 
chivio  comunaie  (Caps.  V  Nr.  16). 


21. 

Celestin  III.  ermahnt  den  Bischofs  die  Consuln  und  das  Volk  von 
Ascdi,  seinen  Bevollmächtigten^  dem  Bischof  von  FermOj  dem  Abt  von 
Farfa  und  dem  Suhdiacon  B.,  den  Treueid  zu  leisten  und  beauftragt 
den  Bischof y  gegen  die  Anhänger  des  Markwald  ^  seiner  Nuntien  und 
aller  Deutschen  die  Excommunicaiion  zu  verJcünden. 

Lateran  1197  Dezember  23. 

Orig.  Ascoli'Piceno  Archivio  comunaie  (E.  I.  Nr.  1). 

Die  Urkunde  ist  ein  wichtiger  Beitrag  zu  der  Geschichte  der 
päpstlichen  Becuperationen  nach  dem  Tode  Heinrichs  VI,  Vgl. 
dazu  J'L.  17585.  —  Die  Lücken  ergänze  ich  dem  Sinne  nach. 

Celestinns  episcopus  sernas  seruoram  dei.  TJenerabili  fratri 
.  .  episcopo  et  dilectis  filiis  consulibus  et  populo  Escnlanis  salatem 
et  apostolicam  benedictionem.  Com  |  iuxta  prioilegiorum  ecclesie 
Romane  tenorem  tota  Marchia  et  Tascia  in  patrimonio  beati  Petri 
existant  et  nobis  tantom  in  spiritaab'bas  et  temporalibos  |  debeant 
respondere,  nostre  posset  negligentie  imputari,  si  uos  renocare  ad 
deaotionem  et  iidelitatem  ecclesie  differremns.  Sane  quod  hactenos 
alii  quam  |  Romano  pontifici  respondistis  et  affectnm  nestrum  circa 
deaotionem  ecclesie  non  potuistis ,  ut  in  proposito  habebatis ,  in 
opere  demonstrare ,  nobis  nallaienus  impntamns ,  quos  pro  certo 
nooimas  ecclesie  Romane  dominium  totis  uiribus  afFectasse.  Hoc 
nos  olim  diligentins  attendentes  de  comjmani  fratrum  nostrornm 
consilio  dilectnm  ßliam  nostrum  G.  sancte  Marie  in  Portion  dia- 
connm  cardinalem  *)  ad  partes  uestras  corauimas  dcstinare ,  qni, 
cnm  osqne  |  Pernsium  processisset,  a  Pernsinis  per  se,  a  Tndertinis 
aero,  Spoletanis,  Asisinatibns  ^\  AspcUanis ,  Egnbinis  ,  Amelinensi* 
bos  et  aliis  nicinis  eorum  per  clericos  et  nnn  tios  snos  fidelitatis 
sacramenta  recepit.  Qnia  ncro  cardinalis  ipse  pro  ardnis  ecclesie 
negotiis  reaocatns  nos  in  persona  propria,  de  quo  dolejmns  non 
modiconr,  non  potnit  nisitare,  per  uenerabilem  fratrem  nostrum  .  . 
Firmanum  episcopum  et  dilectos  filios  .  .  Farfensem  abbatem  et 

a)  Asisinat.  auf  Rasur. 


1)  Cardinal  Gregor  de  S.  Apostolo. 


44  P.  Kehr,  Papsturkunden  in  der  Romagna  und  den  Marken. 

magistrum  R.  |  subdiaconum  nostrum  dicti  cardinalis  nices  agentem "), 
quibas  uos  tamquam  eidem  cardinali  credere  nolumus  in  hiis  que 
uobis  ex  parte  nostra  proposu|eriiit  et  parere,  uniuersitatem  ue- 
stram  dnximus  commonendam  rogantes  monentes  et  exhortantes 
in  domino  ac  per  apostolica  scripta  mandantes,  |  quatinus  tarn 
honori  nostro  qu[am]  tranquillitati  uestre  in  posterum  proui- 
dentes  fidelitatem  eis  [nomine]  nostro  curetis ,  cum  a  uobis  ]  per 
nuntios  suos  requisierint  [cura]re ,  ut  nostro  dominio  restituti  a 
Teutonicorum  tirampnide  in  perpetu[um  nostra  u]os  gaudeatis  pro- 
tectione  |  defendi.  Nos  enim  uos  tamquam  speciales  ecclesie  Ro- 
mane filios  et  ciuitatem  uestram  honorare  intendimus  et  ita*^  uos 
ecclesie  Romane  unire,  ut  |  nullius  persecutionis  procella  nos  a 
uobis  aut  uos  ab  ecclesia  possit  uUo  tempore  separare.  Sciatis 
autem  quod  quam  citius  dominus  obtatam  nobis  contulerit  j  sospi- 
tatem,  de  salute  uestra  et  omnium  fidelium  nostrorum  uobiscum 
pariter  disponemus  et  inter  uniuersos  ecclesie  filios  curabimus  per- 
petue  pacis  federa  |  stabilire.  Ad  hec  uniuersitatem  uestram  uo- 
lumus  non  latere,  nos  eos  qui  Marcualdo  ucl  nuntiis  eins  aut  aliis 
Teutonicis  contra  patrimoni|um  ecclesie  aut  fideles  nostros  consi- 
lium  uel  auxilium  tulerint,  excommunicationis  uinculo  innodasse, 
ita  quod  preter  mortis  articulum  a  nuUo  absolutionis  |  possint*'^ 
beneficium  obtinere,  nisi  ad  sedem  uenerint  apostolicam  absoluendi. 
TJnde  fraternitati  tue,  frater  cpiscope,  presentium  auctoritate  man- 
damuS;  ut  in  Marcualdi  et  nuntiorum  eins  et  omnium  Teutonicorum 
fautores  qui  eis"*^  contra  Marchianos  uel  Tuscos  seu  alios  etiam 
in  nostra  fidelitate  manentes  auxilium  tulerint,  in  illos  quoque 
qui  occasione  qualibet  rcsistere  uel  impedire  presumpserint ,  quo- 
minus  Marchia  et  Tuscia  ad  |  nostrum  dominium  reducantur,  sen- 
tentiam  excommunicationis  promulges  nee  prius  eis  beneficium  ab- 
solutionis impendas,  nisi  mortis  discrilmine  imminente  quam  nostro 
se  conspectui  presentarint.  Dat.  Latcrani  X.  kal.  ianuarii  pon- 

tificatus  nostri  anno  septimo.  | 

B.  dep. 

h)  SchiaparelU  liest  ta  .  .  •  c)  possit.  d)  eos. 


2)  Winkelmann  Philipp  von  Schwaben  und  Otto  lY.  ?on  Braunschweig  I  35 
Anm.  8  vermuthet  in  ihm  den  Magister  Rainald  von  Celano. 


PapBturkunden  in  Benevent  und  der  Capitanata. 

Bericht  über  die  Reise  des  Dr.  L.  Schiaparelli. 

Von 

P.  Kehr. 

Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  19.  Februar  1898. 

Ich  behalte  mir  vor,  demnächst  die  bereits  angekündigten  Be- 
richte unserer  Mitarbeiter,  der  Herren  Dr.  M.  Klinkenborg  und 
Dr.  L.  Schiaparelli,  zunächst  über  ihre  Nachforschungen  in  Um- 
brien  und  den  Abruzzen  vorzulegen.  Der  Schnee  trieb  sie  schon 
im  Dezember  aus  dem  unwirthlichen  Gebirge  nach  dem  Süden; 
was  sie  dort  unerledigt  gelassen  haben,  werden  sie  im  März  voll- 
enden. Von  Neapel  aus  haben  sie  dann  ein  Jeder  sein  Gebiet  in 
Angriff  genommen ;  während  Dr.  Klinkenborg  in  die  Basilicata  und 
nach  Calabrien  ging,  wandte  sich  Dr.  Schiaparelli  nach  Benevent 
und  Apulien«  Ich  lege  zunächst  die  Materialien  vor,  die  der  letz- 
tere im  Beneventanischen  und  in  der  Capitanata  gesammelt  hat, 
und  berichte  kurz  über  die  neuen  von  ihm  gemachten  Funde,  die 
wir  seinem  Eifer  und  seinem  Geschick  verdanken.  Ich  lasse  auch 
hier  im  Anhang  diejenigen  Urkunden  abdrucken,  die  meines  Wis- 
sens noch  nicht  bekannt  sind.  Die  drei  ersten  sind  zwar  bereits 
von  Vipera  und  TJghelli  citirt,  aber  die  Kenntniß  ihres  Wortlauts 
ist  notwendig  für  die  Kritik  der  ganzen  Serie  der  Beneventaner 
Privilegien.  Zwei  andere  gehören  streng  genommen  nicht  in  diese 
Sammlung.  Aber  das  Protokoll  über  den  Prozeß  zwischen  Bene- 
vent und  Troia  und  die  von  Paschal  II.  gefällte  Entscheidung 
(Nr.  7)  verdient  schon  wegen  der  hier  enthaltenen  Angaben  über 
das  Itinerar  dieses  Papstes  mitgetheilt  zu  werden.  Auch  die  Be- 
neventaner Gerichtsurkunde  Alexanders  III.  von  1167  habe  ich 
darum  aufgenommen.     Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  femer  die 


46  P.  Kehr, 

Urkunde  Honorius  11.  für  die  Trojaner  (Nr.  10) ,  die  uns  in  den 
Kampf  zwischen  dem  Papst  und  Koger  von  Sizilien  führt;  auch 
ihr  Inhalt  ist  einer  kritischen  Untersuchung  würdig.  Endlich  die 
lange  Bulle  Urbans  III.  (Nr.  16)  gewährt  einen  wichtigen  Beitrag 
zur  Biographie  Gregors  VIII. ,  des  früheren  Kanzlers  Albert  von 
Morra,  und  zur  Geschichte  der  Klosterregeln;  wir  lernen  aus  ihr 
das  Statut  kennen,  welches  dieser  eifrige  Bekenner  klösterlicher 
Strenge  zwei  Klöstern  seiner  Beneventanischen  Heimat  gab.  Da- 
gegen sehe  ich  davon  ab  hier  den  Text  der  bisher  nur  im  Ex- 
cerpt  bekannten,  aber  wichtigen  Urkunde  Alexanders  111.  betreffs 
den  Streit  zwischen  Siponto  und  Gargano  von  1177  September 
25  (J-L.  14233  zu  1168 — 81)  wiederzugeben,  da  wir  hoffen  einen 
besseren  Text  in  Manfredonia  zu  finden. 


Die  Ueberlieferung  des  Südens,  über  die  so  mancher  Sturm 
hinweggegangen  ist,  ist  sehr  trümmerhaft.  Die  wenigen  wohl- 
erhaltenen Archive  ragen  wie  Inseln  aus  der  allgemeinen  Verwü- 
stung hervor.  Der  Besuch  der  meisten  Orte  brachte  nur  die  trau- 
rige Gewißheit,  daß  nichts  mehr  vorhanden. 

In  8.  Agata  dei  Goti  fand  Dr.  Schiaparelli  zwar  die  liebens- 
würdigste Aufnahme  bei  dem  bischöflichen  Generalvicar  Mona.  Do- 
menico Giannelli,  aber  keine  Gelegenheit  sie  auszunutzen.  Das 
Archivio  del  Capitolo  ist  klein  und  kümmerlich,  Pergamene  sind 
gar  nicht  da ,  die  Akten  beginnen  mit  1695.  Das  bischöfliche  Ar- 
chiv ist  durch  einen  Brand  im  Jahre  1500  zu  Grunde  gerichtet 
worden;  die  wenigen  Pergamene  gehen  nicht  über  das  16.  Jahrh. 
zurück.  Dagegen  sind  212  Bände  Misccllanea  antica  vorhanden,  die 
aber  keine  Ausbeute  gewährten.  Erwähnt  mag  werden,  daß  in 
dem  Libro  nuovo  o  FlcUea  bonorum  mensae  episcopalis  von  1721  f.  8 
ein  Diplom  Friedrichs  IL  von  1239  für  den  Bischof  Johann  citirt 
wird  betr.  das  Castell  von  Bagnoli.  Auch  im  Archivio  comunale 
sind  keine  Pergamene  erhalten.  £benso  hat  das  Archivio  dell' 
ospedale  e  della  congregrazione  di  caritä  nur  moderne  Akten.  Das 
bischöfliche  Seminar  hat  nichts. 

Das  alte  Archiv  von  Telese  scheint  ganz  zu  Grunde  gegangen 
zu  sein.  Der  Bischofssitz  kam  nach  Cerreto  vecchio,  nach  dessen 
Zerstörung  durch  Erdbeben  Bischof  und  Kapitel  nach  Cerreto  nuovo 
übersiedelten.  Hier  befinden  sich  auch  ihre  Archive,  aber  sie  ha* 
ben  nur  jüngere  Sachen.  Im  Archivio  del  Capitolo  della  catte- 
drale  sah  Dr.  Schiaparelli  nur  einige  Pergamene  ohne  Werth.  Das 
Archivio  del  Capitolo  della  coUegiata  di  S.  Martine  beginnt  mit 


Papstnrkanden  in  Benevent  nnd  der  Capitanata.  47 

1548.  Das  Archiyio  della  canccllaria  vescovile  mit  dem  16.  Jahrb. ; 
auch  der  Libro  magno  della  curia  di  Telese-Cerreto  saec.  XVI— XVII 
bot  nichts.  Das  Archivio  comnnale  hat  nur  Akten  dieses  Jahrh., 
das  bischofliche  Seminar  hat  nichts. 

In  Ariano  sah  Dr.  Schiaparelli  das  Archivio  capitolare ,  wo 
eine  kleine  Sammlang  schlecht  erhaltener  und  übel  geordneter  Per- 
gamenturkunden vorhanden  ist,  aber  sie  gehen  nicht  über  das  13. 
Jahrh.  zurück.  Das  Archivio  della  Collegiata  di  S.  Pietro  beginnt 
erst  mit  dem  17.  Jahrh.  Das  Archivio  delle  curia  vescovile  zer- 
störte ein  Brand;  es  soll  jetzt  nur  noch  Akten  dieses  Jahrh.  be- 
sitzen. Auch  das  Archivio  comnnale  ist  ganz  modern.  Die  Biblio- 
teca  Stanislao  Mancini  soll  Manuscripte  nicht  besitzen. 

In  Bovino  führte  ihn  Dr.  Gaetano  Gera  Canonico  tesoriere 
della  cattedrale  in  das  Kapitelarchiv  ein.  Die  Urkunden  beginnen 
mit  1100,  die  älteste  Papsturkunde  ist  Innocenz  III.  1208  11.  3  in 
Copie  saec.  XVI.  In  dem  Ms.  Produeioni  del  capitolo  di  Bovino 
confro  D.  Haffaele  Rocco  fand  Schiaparelli  eine  Copie  von  1826  von 
Tancred  1190  November.  Von  Handschriften  sah  er  ein  Missale 
Romanum  saec.  XT,  ein  Legendarium  saec.  XIII,  Commentaria  in 
psalmis  saec.  XIII,  Decretum  G-regorii  IX.  saec.  XIII.  und  meh- 
rere Breviarien  und  Missale.  Ganz  modern  sind  sowohl  das  bi- 
schofliche wie  das  1860  verbrannte  Stadtarchiv.  Auch  die  Biblio- 
thek der  Stadt  und  des  Seminars  sollen  nichts  haben. 

In  Lncera  fand  Schiaparelli  die  freundlichste  Aufnahme  bei 
dem  gelehrten  Kapitelarchivar  Alfonso  Piemonte.  Die  Perga- 
mene  des  Kapitelarchivs  beginnen  mit  dem  14.  Jahrh. ;  unter  ihnen 
sind  mehrere  Diplome  des  Anjou's.  Dürftig  soll  der  Inhalt  des 
bischoflichen  Archivs  sein;  die  Documente  gehen  nicht  über  das 
16.  Jahrh.  zurück.  Auch  im  Stadtarchiv  sind  nur  wenige  Per- 
gamentorkunden  vom  14.  Jahrh.  ab  vorhanden.  Die  Bibliothek 
des  Seminars  hat  nichts,  die  Stadtbibliothek  soll  300  Handschriften 
besitzen,  aber  im  Transport  in  ein  neues  Local  begriffen  waren 
sie  onzugSnglich. 

Senevento. 

Vgl.  Bethmann  im  Archiv  XII  625  und  den  Giornale  storico 
degli  Archivi  Toscani  VI  67  abgedruckten  Bericht  von  Del  Giu- 
dice;  Schnm  im  N.  Archivi  129.  Das  Kapitel,  besonders  der  Vi- 
car  Mens.  D.  Paolo  Schinosi,  Bischof  von  Gaza,  nnd  der  Biblio- 
thekar D.  Nicola  Colle  de  Vita,  gewährten  onserm  Mitarbeiter 
die  größten  Freiheiten  in  Bezug  auf  Benutzung  des  reichen  Ma- 


48  P*  Kehr, 

terials   des   Eapitelarchivs.     Auch  in   den   andern  Archiven  und 
Bibliotheken  Benevents  fand  er  alles  nötige  Entgegenkommen. 

Niemand  hat  sich  um  die  Erhaltung  der  Urkundenschätze  Be- 
nevents ein  größeres  Verdienst  erworben  als  der  Cardinalerzbischof 
Orsini,  der  1730  als  Papst  Benedict  XIII.  gestorben  ist.  Er  ließ 
durch  den  Benedictiner  Kasimir  Graiewski  und  den  Kapitelarchivar 
Agnello  Rendina  in  den  Jahren  1709 — 10  alle  Archive  der  Stadt 
systematisch  durchforschen,  ordnen  und  katalogisiren ;  dank  dieser 
Arbeiten  ist  die  Orientirung  nicht  schwierig. 

Archivio-biblioteca   capitolare. 

Index  generalis  voluminum  et  monimentorum  quae  servantur 
in  bibliotheca  R"*  Cap.  ecclesiae  metropolitanae  expensis  eiusdem 
capituli ,  cura  autem  et  studio  d.  can.  Caroli  Pedecini  procuratoris 
generalis  transcriptus  a.  1713. 

Die  Pergamene  des  Archivs  sind  in  Bände  gebunden,  andere 
sind  in  Capseln  (tubi)  und  Casetten  aufbewahrt. 

Originale : 

Leo  IX.  1053  VII.  12.  J-L.  4299.   (Pergamene  a  parte  Nr.  8). 
Anaclet  IL  1136  X.  21.  J-L.  8429.    (vol.  XXXII  Nr.  1). 
Anastasius  IV.  1153  IX.  22.  J-L.  9743.    (Perg.  a  parte  Nr.  11). 
Hadrian  IV.  1156  IX.  28.  J-L.  10206.  (ibid.  Nr.  13). 
Alexander  IH.  1168  IV.  26.  J-L.  11389.  (vol.  XLVIH  Nr.  19). 
Alexander  III.  1169  VII.  24.  J-L.  11636.  (vol.  XXXII  Nr.  8). 
Alexander  IIL  1179  VU.  27.  J-L.  13457.  (vol.  XXXII  Nr.  2). 
Urban  III.  1186  XII.  1.  J-L.  — .  (vol.  XL  Nr.  24).   S.  Anhang, 
ürban  lU.  1187  IL  1.  J-L.  16934.  (vol.  XL  Nr.  23). 
Urban  HI.  1187  IIL  26.  J-L.  — .  (Perg.  a  parte  Nr.  14).  S.  An- 
hang. 

Copien : 

Leo  IX.  1063  VII.  12.  J-L.  4299.  (vol.  XXXU  Nr.  3).    Cop.  von 

1290. 
Urban  IL  1091  IV.  1.  J-L.  5446.  (vol.  LXIV  Nr.  47).     Cop.  s. 

xvn. 

Paschal  H.  1101  XI.  17.  J-L.  6876.  (Perg.  a  parte  Nr.  9).  Cop. 

V.  1431. 
Gelasius  IL  1118  IV.  18.  J-L.  — .   (vol.  XLVIU  Nr.  12).    Cop. 

8.  XIV.     S.  Anhang. 
Calixt  n.  1123  L  6.  J-L.  — .    (vol.  XLVIH  Nr.  12).     Cop.   s. 

XIV.    S.  Anhang. 


Papstarkanden  in  Beneveut  und  der  Capitanata.  49 

Anadet  H.  1136  X.  21.   J-L.  8429.   (vol.  LXIV   Nr.  10).    Cop. 

8.  XVI. 
Anaatasius  IV.  1153  IX.  22.  J-L.  9743.  (vol.  LXIV  Nr.  8).    Cop. 

8.  XVI. 
Hadrian  IV.  1156  IX.  28.  J-L.  10206.  (vol.  LXIV  Nr.  9).    Cop. 

8.  XVI. 
Alexander  HI.  1169  L  30.  J-L.  11589.  (vol.  LXIV  Nr.  24).    Cop. 

8.  xvm. 

Alexander  HI.  1169  I.  30.  J-L.  11591  (vol.  LXIV  Nr.  23).  Cop. 

8.  xvni. 

Alexander  ÜI.  1177  IX.  26.  J-L.  14233.   (vol.  XLVIU  Nr.  49). 

Cop.  von  1417. 
Urban  UI.  1186  XU.  1.  J-L.  — .   (vol.  LXIV  Nr.  22).     Cop.  s. 

XVIL    S.  Anhang. 

Rotnlns  von  1464,  (alte  Sign.  AAI,  jetzt  tubo  XVIII),  1,81  m 
lang,  aoB  drei  großen  Pergamentstücken  zusammengesetzt,  doch 
fehlt  der  untere  Teil.  Er  wurde  angelegt  auf  Befehl  Pauls  II. 
durch  Bulle  von  1464  September  22  „Quia  quibusdam  bonis"  durch 
den  Greneralvicar  Facius  de  Galeranis  de  Senio  und  authentizirt 
durch  den  Notar  Nicolaus  Ruffus  1464  November  17  ^).  Die  Bulle 
Pauls  nennt  als  Quellen: 

librum  ufium  priuilegiorüm  Romanorutn  pontificum  et  imperatorum 
in  cfirta  membrana  et  de  littera  longöbarda  scriptum ,  sex  litteras 
apostolicas  similiter  in  carta  membrana  scriptas^  litteras  uidelicet 
domini  Änadeti  pape  secuftdi ,  bulla  plunibea  more  Romane  curie 
inpendente  cum  cordula  serici  uiridi  coloris  bullatas,  litteras  do- 
mini Älexandri  pape  tercii  sine  bidla  et  cordula  ^  litteras  domini 
Benedicti  pape  sine  bulla  et  cordula,  .... 

Gemeint  sind  Benedict  VIII.  J-L.  4006,  dessen  Original  aber 
nicht  mehr  vorhanden  ist,  Anaclet  II.  J-L.  8429,  Alexander 
ni.  J-L.  11635.  Die  andern  Papsturkunden  waren  aus  dem 
verschollenen  alten  Copialbuch. 

Nr.  1.  VitaUan  (658—71)  L  30.  J-E.  f  2098. 

Nr.  2.  Agapet  II.  947.  J-L.  3636. 

Nr.  4.  Marinua  H.  943  XI.  11.  J-L.  3623. 

Nr.  5.  Johannes  XIL  956  XU.  19.  J-L.  3680. 

Nr.  6.  Johannes  XIII.  969  V.  26.  J-L.  3738. 


1)  Dm  ist  des  Yipera  Cbronoiogia  episc.  et  archiepise.  Bene?entan.  (1636) 
Fasdcolas  pmilegioram,  aus  dem  er  die  Bene?eiitaner  Privilegien  theils  abdruckt 
Iheilt  cttirt 

Kfl.  0«.  4.  Wi«.    MtclirieklM.    Pklloloc..lüstor.  KIhm.  I9M.    0A.  1.  4 


60  P.  Kehr, 

Nr.  7.    Johannes  XIV.  983  XIL  6.  J-L.  3822. 

Nr.  8.    Gregor  V.  998  IV.  J-L.  3884. 

Nr.  9.    Sergius  IV.  1011  I.  21.  J-L.  3970.    S.  Anhang. 

Nr.  10.    Benedict  VHI.  1014  HI.  J-L.  4005.    S.  Anhang. 

Nr.  11.    Leo  IX.  1053  VU.  12.  J-L.  4299. 

Nr.  12.    Stephan  IX.  1058  L  24.  J-L.  4383.    S.  Anhang. 

Nr.  13.    Alexander  11.  s.  d.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Nr.  14.    Alexander  II.  s.  d.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Nr.  19.    Anaclet  /I.  1136  X.  21.  J-L.  8429. 

Nr.  20.    Alexander  IIL  1169  VII.  24.  J-L.  11636. 

Nr.  21.    Benedict  VIII.  1014  III.  J-L.  4006.    S.  Anhang. 

Copialbücher : 

1.  Bullarium  sdectum  s.  Benetientanensis  ecclesiae  ab  a.  668  ad 
a.  1691  contpilatum  a.  1694  iussu  .  .  eard.  Ursini,  cod.  membr. 
(vol.  XXVn),  zusammengestellt  von  Kasimir  Graiewsky, 
Mönch  von  S.  Amand  (Elnon).  Die  Minute  davon  befindet 
sich  im  erzbischöflichen  Archiv.  Die  meisten  Urkunden 
sind  dem  Transsumt  von  1464  entnommen,  aus  den  Origi- 
nalen abgeschrieben  sind  die  noch  jetzt  vorhandenen  Ori- 
ginale J-L.  8429.  10206.  11636.  13467  und  das  verlorene 
Originalfragment  Johannes  XIII.  J-L.  3738:  „ex  peruetusto 
et  pene  consumpto  originali^.  Auch  das  Original  von 
Leo  IX.  J-L.  4299  war  schon  damals  Fragment. 

2.  Äuctarium  bidlarii  sekcti  s.  Benmentan.  ecclesiae  ccmpHati  a, 
1694  .  .  ab  a.  1352  usque  ad  a.  1607  vom  J.  1695  (vol. 
XXVUI).  Auch  die  Minute  dieses  Ms.  ist  im  erzbischöf- 
lichen Archiv. 

Nr.  III  p.  68  Alexander  IIL  1177  IX.  25.  J-L.  14233. 

3.  Appendix  ad  äuctarium  bullarii  selecti  (vol.  XXIX). 

Nr.  XI  p.  100  Anastasius  IV.  1163  IX.  22.  J-L.  9743. 
Nr.  XII  p.  110  Hadrian  IV.  1156  IX.  28.  J-L.  10206. 
Nr.  XIV  p.  118  Urban  III.  1187  IIL  26.  J-L.  — .  S.  Anhang. 

Archivio  della  cancellaria  arcivescovile. 

Nur  eine  kleine  Sammlung  jüngerer  Pergamene  ist  vorhanden. 
Auch  die  Mss.  sind  ohne  Bedeutung.  Daß  hier  die  Minuten  (cod. 
chart.)  des  BuUarium  sdectum  und  des  Äuctarium  sind,  ist  bereits 
bemerkt. 

Orfanotrofio  femminile  di  S.  Pilippo. 
Hier  sind  die  Reste  des  Archivs  von  S.  Sofia  und  S.  Vittorino. 


Papsturkanden  in  fienevent  and  der  Capitanata.  51 

S.  Sofia. 

Inventario  dei  libri  e  delle  scrittare  della  canonica  di  S.  Sofia 
8.  XVIII.    Die  Pergamene  sind  in  38  Bände  gebunden*;. 

Originale : 

Alexander  III.  1167.  J-L.  — .  (vol.  VIII  Nr.  9).   S.  Anhang. 

aemens   III.    1189   XI.   8.    J-L.    164B0.    (vol.   II   Nr.    11). 
S.  Anhang. 
Copien : 

Leo  IX.  1052  V.  21.  J-L.  4276.  (vol.  II  Nr.  2).    Cop.  s.  XI. 

S.  Vittorino. 

Regestum  generale  scripturarum  in  perg.  et  papyr.  s.  Victorini. 
Die  Pergamene  in  9  Bände  gebunden.     In  Vol.  I  (donationes 
seit  1016) 

Nr.  8.    Alexander  III.  1168  IV.  26.  J-L.  11389.    Cop.  von 
1363. 

Archivio  comunale. 

Inventario  generale  dell'  archivio  comunale  1891. 
VoL  I.    Bullae  summorum  pontificum  saec.  XIII. 
Vol.  II.    Brevia  summorum  pontificum  saec.  XV. 
Vol.  III.    Diplomata  imperatorum,  regum  et  principum*). 

Hier  sind  auch  die  Archive  der  aufgehobenen  Klöster  S.  Mo- 
desto  (von  1139  ab),  S.  Spirito  (von  1356  ab),  S.  Bartolomeo  (von 
1020  ab) ,  S.  Caterina  (von  1299  ab) ,  S.  Domenico  (von  1086  ab), 
S.  Pietro  (von  1053  ab)  und  der  Jesuiten.  Aber  sie  haben  nur 
Privaturkunden. 

Andere  Theile  der  Archive  der  aufgehobenen  Klöster  sind  im 
Ufficio  del  demanio,  aber  es  sind  durchaus  jüngere  Mate- 
rialien: die  älteste  Urkunde  ist  aus  dem  13.  Jahrh.  vom  Archiv 
von  S.  Donato. 

Das  Archivio  parrocchiale  di  S.  Modesto  hat  noch 
Urkunden  in  11  Bänden,  anfangend  mit  1144,  und  einen  Libcr  iurium 
saec.  XVI. 

Die  Biblioteca  comunale  arcivescovile  endlich  besitzt 
eine  bescheidene  Zahl  von  jüngeren  Mss. ,   die  Bedeutung  für  die 

1)  Die  Kaiserurkunden  im  vol.  II  bat  schon  Bethmann  citirt.  Die  von  Beth- 
mann  (S.  52G)  bei  den  Jesuiten  benutzten  Materialien  von  S.  Sofia  sah  Schiapa- 
rt tti  jetzt  im  Regio  Liceo  Giannonc. 

2)  Hier  ist  auBer  den  von  Schum  (N.  Archiv  1 139)  citirten  Copien  von  Hein- 
rich VI.  St.  4702  nnd  dem  Original  von  Friedrich  IL  BF.  3184  ein  Original  and 
eine  Copic  von  Tancred  von  1198. 

4* 


52  ^-  Kehr, 

Localgeschichte  haben  mögen.  Abschriften  von  Papsturkunden 
fanden  sich  nur  in  dem  Ms.  des  6r.  de  Nicastro  Benevento  sacro 
1683,  nämlich  von  J-E.  f  2098,  J-L.  3738.  4299.  4383  und  von  Ce- 
lestin  IIL  1195  IV.  3.  J-L.  f  17211  für  S.  Modesto  ^). 

Traia. 

Dank  dem  wohlwollenden  Entgegenkommen  des  Bischofs  Mons. 
Tempesta,  des  Generalvicars  Can.  D.  Giorgio  Marziale  und 
des  Archivars  Can.  Vincenzo  Stefanelli,  hat  Dr.  Schiaparelli 
in  dem  reichen  und  so  gut  wie  unbekannten  Kapitelarchiv  von 
Troia  gründliche  Umschau  halten  und  eine  stattliche  Ausbeute 
gewinnen  köimen "). 

Das  Kapitelarchiv  ist  ungeordnet,  die  Urkunden  sind 
ohne  Prinzip  in  23  Säcke  verteilt,  von  denen  22  mit  den  Buch- 
staben A  —  Z  gezeichnet  sind,  einer  ohne  äußeres  Abzeichen  ist. 
Allerdings  gibt  es  ein  Repertorium  des  vorigen  Jahrh.  Eepertorio 
dt  tuite  le  scriiture  del  capüolo  registraie  alfabeticamente  e  riposte 
nei  sacchetii  con  la  distineione  dei  numeri,  das  aber  ganz  unzuver- 
lässig ist'). 
Originale : 

Alexander  H.  1067  IX.  9.  J-L.   — .    (Q  Nr.  10).    S.  Anhang. 

Paschalis  II.  1100  XI.  10.  J-L.  5843.   (M  Nr.  17). 

PaschaUs  II.  1113  X.  16.  Placitum.    (K  Nr.  11).    S.  Anhang. 

Hadrian  IV.  1156  VII.  6.  J-L.  — .    (C  Nr.  15).     S.  Anhang. 

Alexander  HL  1180  IIL  14.  J-L.  — .    (G  Nr.  11).     S.  Anhang. 

Lucius  ni.  1184  IL  24  (25).  J-L.  — .    (V  Nr.  23).    S.  Anhang. 

Clemens  m.  1188  IL  18.  J-L.    — .     (A  Nr.  22).     S.  Anhang. 


1)  liier  steht  p.  321  eine  Urkunde  Friedrichs  II.  Dat.  apad  Fercntinum  6. 
Oct  ind.  X  (?). 

2)  Vgl.  indessen  Yinc.  Stefanelli  Memorie  storiche  della  cittä  di  Troia.  Na- 
poli  1879.    Die  Oocumcute  sollten  in  einem  2.  Band  veröffentlicht  werden. 

8)  Ich  thue  wohl  ein  gutes  Werk,  wenn  ich  auch  die  hier  befindlichen  Her- 
zogs- und  Königsurkunden  verzeichne,  da  doch  wohl  so  bald  Niemand  den  entle- 
genen Ort  aufsuchen  wird: 

Roger  1096,  duc.  XI,  Dec,  ind.  IV.  Orig.  (B  Nr.  7). 
Roger  1105,  duc.  XX  et  I,  ind.  XIII.  Orig.  (Q  Nr.  10). 
Roger  1129,  ind.  VIII.  Orig.  (P  Nr.  11). 

Friedrich  II.  1200.  Mai.  ind.  III.   reg.  IL   Palermo.   Orig.  (Sack  ohne  Zei- 
chen Nr.  Ib). 
Friedrich  II.  1210.  Nov.  ind.  XIU.  reg.  XIII.  Messina.  Orig.  (A  Nr.  60). 
Friedrich  IL  1220.  Aug.  ind.  VIII.  Rom.  VUI.  Sic.  XXHI.  in  castris  apad 
Isinbrugge.  Orig.  (A  Nr.  61). 


Papstarkanden  in  Benevent  und  der  Capitanata.  53 

Clemens  m.  1189  X.  25.  J-L.    — .     (A  Nr.  11).    S.  Anhang. 
Celestin  III.  1192  I.  1.  J-L.    — .     (T  Nr.  15).     S.  Anhang. 
Celestinlll.  1194  III.  26.  J-L.   — .    (E  Nr.  9).     S.  Anhang. 
Celestin  ni.  1194  V.  12.  J-L.    -.    (Z  Nr.  32).     S.  Anhang. 
Celestin  III.  1194  V.  17.  J-L.    —.    (R  Nr.  16).     S.  Anhang. 

Copie : 

Alexander  II.  1067  IX.  9.  J-L.  4727  Cop.  s.  XVIII.  (B  Nr.  17). 
Clemens  III.  1190  lU.  20.  J-L.  — .  im  Transsumt  Clemens  VI 

(L  Nr.  13).     S.  Anhang. 
Ein  Rütulas    von  52    zusammengenähten  Pergamenen   enthält 
die  Akten   des  Streites   zwischen  Troia   und  Foggia  aus  der  Zeit 
Clemens  VI.,  darunter  Copien  von 

Hadrian  IV.  1156  VII.  6.  J-L.  — . 
Alexander  IIL  1180  III.  14.  J-L.  — . 
Clemens  III.  1190  III.  20.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Celestin  III.  1194  III.  26.  J-L.  — .  als  Clemens  HI. 
Celestin  IIL  1194  V.  12.  J-L.  — . 
Celestin  III.  1194  V.  20.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Von  Wichtigkeit  ist  endlich  auch   das  Ms.   des  Canonico   Vin- 
ceneo   Aceto    di  S.  Severo ,    Troia    sagra  2  vol.    von   1728  *).     Der 
Autor   hat   die   sämtlichen  Urkunden  für  Troia  copirt,   darunter 
auch  einige,   die  jetzt  nicht  mehr  vorhanden   sind    oder  doch  sich 
nicht  finden  lassen  wollten.     Nur  diese  verzeichne  ich 

VoL  I  f.  41     Alexander  II.    s.    d.   J-L.  4640*  aus   derselben 

Quelle,   auf  die  auch  Colettis  Abschrift   bei  v. 
Pflugk-Harttung  Acta  II 103  Nr.  138  zurückgeht, 
f.  39     Alexander  II.  1067  IX.  9.  J-L.  4727   ohne  An- 
gabe der  Quelle. 
f.  139  Honorius  IL  1127  XU.   5.  J-L.  — .  dall'  origi- 
nale deir  Univcrsita  di  Troia.     S.  Anhang, 
f.  156'  Hadrian  IV.  s.  d.  J-L.  -  % 
f.  193  Clemens  IIL  1189  X.  6.  J-L.  — .   S.  Anhang, 
ex  originali  arch.  capit. 


1)  Einen  Auszug  aus  diesem  Werk  von  Dom  Aut.  Longhi  Patriiio  Fog- 
giaoo  TOD  1710  besitzt  die  Biblioteca  uazionulo  in  Neapel  XV  F.  45. 

2)  Er  gibt  aber  nur  fol^jende«  Regest;  Papa  Adriano  quarto  per  un  privi- 
Itgio  ha  amcedato  al  deito  Guglithno  terzo  ve^covo  di  Troia  la  chiesa  delV  Inco- 
r<maia,  come  «  nofa  in  |«m  manoscritii  antichi  e  fra  ffU  altri  neUi  riportorii  an- 
tichi  deUe  ncriUure  deUa  chiesa  Troiana.  Qual  itrit^iltgio  hoggi  non  sta  nfUe 
teritture  del  capiiolo^  posso  ben  crcdere  dit  tti  cofutervasse  nelle  scritture  del  rw- 
covo,  spero  con  qualc/u  congiontura  A(irer/o  per  poterlo  esemplare  e  regittrarlo  in 
que$to  libro. 


64  P-  Kehr, 

Vol.  II  am  Ende  gibt  eine  Abschrift  des  Rotulas   betreffend 
den  Streit  zwischen  Troia  und  Foggia. 

Das  Archivio  della  curia  vescovile  soll  nur  Tauf- 
akten besitzen. 

Das  Archivio  comunale  ist  modern.  Auch  in  dem  hier 
befindlichen  Archiv  der  Benedictinerinnen  von  S.  Benedetto  sah 
Schiaparelli  nur  ein  par  Pergamente  saec.  XVII.  Doch  wurde  ihm 
erzählt,  daß  nach  1870  alte  Urkunden  daraus  verkauft  worden  seien. 

Das  Ufficio  delregistro  hat  Akten  der  aufgehobenen 
Klöster,  aber  nur  jüngeren  Ursprungs. 

Foggia* 

Der  bischöfliche  Generalvicar  Mons.  Dr.  Gennaro  Guida  ver- 
wirklichte in  hohem  Maaße  die  Hoffnungen,  die  sein  Name  er- 
weckt. Das  Archivio  capitolare  ist  zwar  klein,  aber  so  gut 
gehalten,  daß  man  ihm  einen  größeren  Reichtum  wünschen  möchte. 
Die  Pergamene  beginnen  erst  mit  1189  und  zwar  mit  dem  Ori- 
ginal von 

Clemens  III.  1189  VI.  5.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Außerdem  besitzt  es  63  Bände  Miscellanea  storica.  Deren  I. 
Band  Privilegi  enthält  Copien  saec.  XVIII  von 

p.  3      Celestin  III.  1190  III.  20.  J-L.  — .  nach  dem  Trans- 

sumt  Clemens  VI. 
p.  109  Clemens  III.  1189  VI.  B.  J-L.  — . 

Ferner  einen  Libro  rosso  von  1794,  verfasst  vom  Abt  Alessio 
Aurdio  Pclliccia  mit  einer  Abschrift  der  oben  angeführten  Bulle 
Clemens  III. 

Das  Archivio  della  curia  vescovile  hat  nur  ein  par 
Mss.,  darunter  einen  Band  Documenti  mit  Copien  s.  XVII — XVIII. 

Nr.  13  u.  29  Alexander  IL  s.  d.  J-L.  4727. 
Nr.  12  Paschal  IL  1100  XL  10.  J-L.  B843. 
Nr.  20  Clemens  UI.  1188  IL  18.  J-L.  — . 
Nr.  10  Celestin  UI.  1194  III.  26.  J-L.  — . 
Nr.    6  Celestin  lU.  1194  V.  12.  J-L.  — . 

Ein  anderes  Papierheft  saec.  XIX  mit  dem  Titel  Capitolo  per 
diriUo  elettivo  hat  Abschriften  von 

p.    1  Celestin  IIL  1194  HI.  26.  J-L.  -. 
p.  89  Clemens  IIL  1190  HI.  20.  J-L.  — .  nach  dem  Trans- 
samt  Clemens  VI. 


Papstnrkanden  in  Benevent  und  der  Gapitanata.  6^ 

Das  Archivio  comnnale  besitzt  keinerlei  Pergamene,  nur 
einen  Libro  rosso  in  3  vol.  von  Prospero  de  la  Basiia  ans  dem  16. 
Jahrb. 

Ebenso  wenig  haben  das  Archivio  provinciale  nnd  das 
Archivio  notarile  mandamentale  ältere  Urkunden. 

Die  Bibliothek  des  Seminario  vescovile  hat  nichts.  Die 
Handschriften  der  Biblioteca  comnnale  (vgl.  Mazzatinti  In- 
ventari  IV  142)  sind  ohne  Werth. 


Anhang. 
1. 

Sergius  IV,  bestätigt  dem  Erzbischof  Atfanus  vofi  Benevcfit  das 
Erzbistum  und  die  Weihe  der  Suffragane  seiner  Provinz^  das  Klo- 
ster S.  Michael  auf  dem  Gargano  mit  der  Kirche  von  Siponto  und 
verleiht  ihm  und  seinen  Nachfolgern  das  Pallium. 

1011  Januar  21. 

Copie  im  Rotulus  von  1464  Benevent  Archivio  capiiolare.  —  Da- 
nach auch  im  Bullarium  sdectum  von  1694  Nr.  XVII  p.  73  ebcjida. 

Vgl.  J-  L.  3970.  Der  Text  schließt  sich  im  Ganzen  der  Ur- 
kunde Gregors  V.  J-L.  3884  an;  der  die  Palliumverleihung 
enthaltende  Passus  ist  dem  Privileg  lohannes  XIV.  J^L.  3822 
entlehnt. 

Sergios  episcopas  seruus  seruoram  dei.  Dilecto  filio  in  do- 
mino  Alfano  nenerabili  archicpiscopo  sancte  Benenentane  ecclesie 
tmsqne  snccessoribns  imperpetnam.  Cum  sunmie  apostolice  di- 

gnitatis  apex  in  hoc  diuini'^  profectu^  nitore  prenoscatur  prc- 
fulgere  et  in  exercendis  dei  laudibus  sui^^  impensuis  studeat  la- 
boris  exercere  certamen,  ob  hoc  debita  nos  eiusdem  apostolice 
pastoralis  compulit  sollicitudinis  cnra,  queque  ad  stabilitatem 
piorum  locornm  promulgari  et  apostolice  institucionis  censura 
confirmari.  Igitur  quia  postulasti  a  nobis,  quatenus  concodere- 
mns  et  confirmaremus  tibi  tuisque  successoribus  imperpetuum 
integrum  Bcneuentanum  archicpiscopatum ,  sicut  a  predecessori- 
bns  nostris  tuis  predecessoribus  concessum  et  confirmatum  est, 
pro   qua   re   flexi  ^^   precibus   tuis   id  quod  postulas  libenter  con- 

a)  dioüie.  b)  tnit  c)  flexit. 


56  P.  Kehr, 

cedimus  et  perpetualiter  coufirmamas  integrum  ipsum  archiepisco- 
patam  Beneaentanam  et  infra  eodem  arcfaieplscopatam  saamqae 
diocesim  in  locis  quibus  olim  fuerunt  imperpetuum  episcopos  ^  con- 
secrari,  qui  uestre  subiaceant  dicioni,  scilicet  Bibine,  Ascolo,  Lu- 
ccria,  Larino,  Termnla,  Triuento,  Thelesia,  Alife,  sancta  Agathe, 
Sessula,  Abellino,  Quintodecimo,  Ariano,  Uulturaria,  confirmantes- 
qne  cciam  tibi  tuisque  successoribas  ecclesiam  sancti  Michaelis 
archangeli  in  monte  Gargano  cum  ipsa  Sipontina  ecclesia  et  cum 
Omnibus  earum  pertinenciis  et  omnia  predia  urbana  uel  rustica  cum 
ecclesiis  monasteriis  familiis  utriusque  sexus  massis  castris  con- 
structis  '^  et  amodo  et  deinceps  construendis  et  cuncta  que  uidentur 
esse  pertinencia  ipsarum  ecclesiarum.  Preterea  concedimus  tibi 
tuisque  successoribus  pallei  usum  ex  more  ad  missarum  sollempnia 
celebranda,  scilicet  in  his  festiuitatibus ,  id  est  in  natale  domini, 
epiphanie,  purificatione  sancte  et  semper  uirginis  Marie  et  in 
anunctiacione  eiusdem,  cena  domini  et  in  pascalibus  festiuitatibus, 
ascensione  domini  et  pentecoste,  in  festiuitate  sancti  lohannis  bap- 
tiste  et  in  nataliciis  beatorum  apostolorum  et  in  assumptione  et 
natiuitate  sancte  Marie  semper  uirginis  domine  nostre  simulque 
et  in  dedicacione  sancte  ecclesie  tui  archiepiscopatus  nee  non  et 
in  die  tue  consecracionis  et  in  consecracione  et  congregacione 
episcoporum  suffraganeorum  tuorum  et  in  consecracione  ecclesie, 
uerum  et  in  festiuitate  beati  Michaelis  archangeli  et  translacione 
corporis  beati  Bartholomei  apostoli,  sicut  a  predecessore  nostro 
domno  Gregorio  huius  sancte  sedis  presule  sanctitum  est,  in  secre- 
tarium  uero  tua  fraternitas  pallium  induere  debeat  et  ita  ad  mis- 
sarum sollempnia  uel  ad  sancta  sinoda  proficisci  et  nichil  tibi  am- 
plius  ausu  temerarie  presumptionis  arrogare,  ne  dum  exteriori  ha- 
bitu  inordinate  aliquid  arripitur,  a  proprio  et  licito  labetur.  Item 
concedimus  et  donamus  uobis  licentiam  et  potestatem  auctoritate 
beati  Petri  apostolorum  principis  et  nostra  per  uniuersas  eccle- 
sias/),  que  sub  tuo  archiepiscopatu  destitute  sunt,  episcopos  conse- 
crandi,  presbyteros  faciendi,  reliquias  recondendi  et  omne  sacrum 
officium  atque  ministerium  faciendi,  que  rite  episcopis  et  archiepis- 
copis  est  licencia^>  faciendi.  Hortamur  morum  tuorum  omamenta 
conuenienter ,  quatenus  auctore  deo  recte  et  ubique  possis  esse 
conspicuus.  Siquidem  insuper  apostolica  censura  sub  diuini  obte- 
stacione  iudicii  et  ualidis  atque  atrocioribus  anathematis  interdic- 
tionibus,  ut  nullus  umquam  alicuius  potestati  uel  dignitati  preditos 
homo  siue  clericus  siue  laycus  siue  sit  magna  siue  parua  persona 


(2)  episcopo  e)  constratis.  f)  uniuersis  ecclesiis.  g)  liccnciam. 


Papstarkonden  in  Benevent  und  der  Capiunata.  57 

aat  Grccas  aat  Latinus  tno  iasto  iadicio  nel  excomanicacionc 
spemere  aut  pro  nichilo  ducere  uel  in  predicta  tua  sancta  Bene- 
nentana  ecclesia  aliquam  nim  facere  aeU)  de  his  que  ei  pertinere 
uidentur*),  qnoqao  modo  aufer re  uel  alienare  uel  eius  minuere  ter- 
minos  •')  et  nee  quamlibet  maliciam  aut  iacture  molestiam  in  eadem 
inferre  quocumque  tempore  nee  licencia  sit ,  ut  dictum  erat ,  ex  *) 
eius  uel  omnibus  eidem  pertinentibus  cuiquam  magne  parueque 
persone  auferre,  ut  profecto  iuxta  id  quod  a  nobis  statutum  erat 
eadem  uenerabilis  sancta  Beneuentana  ecclesia  apostolicis  consti- 
tutis  atque  priuilegiis  consistens  ornata  inconcusse  dotata  per- 
maneat.  Si  quis  autem,  quod  non  optamus,  nefario  ausu  presump- 
serit  tuo  iusto  iudicio  et  excomunicacione  pro  nichilo  ducere  et 
noluerit  obaudire  uel  ea  que  superius  a  nobis  ad  laudem  dei  pro 
stabilitate  iam  dicte  ecclesie  Beneuentane  statuta  sunt  refragare 
aut  in  quoquam  transgredi  siue  Grrecus  sit  seu  quicumque  alter 
homo,  qui  dominacionem  et  primatum  habere  noluerit  per  se  aut 
per  alterum  quemlibet  hominem  in  prefatis  ecclesiis  sine  uoluntate 
et  iussione  Beneuentani  archiepiscopi,  et  illi  qui  eos  fortasse  reci- 
pere  presumpserint  et  uestro  iudicio  iusto  et  excomunicacione  pro 
nichilo  duxerint  et  non  obaudierint ,  omnes  pariter  sub  eodem 
nostro  apostolico  et  districto  insolubili  anathemate  permaneant 
et  in  nulla  ecclesia  intrare  presumant  aut  aliquod  officium  eccle- 
siasticum  faciant.  At  uero  qui  pio  intnitu  obseruator  et  in  om- 
nibus extiterit  custodiens  huius  nostri  apostolici  constitucionibus 
ad  cultum  dei  respicientibus ,  benedictionis  graciam  a  misericor- 
dissimo  domino  deo  nostro  multipliciter  consequatur  et  uite  ^^terne 
particeps  effici  mereatur. 

Scriptum  per  manus  Benedicti  notarii  regionarii  et  scriniarii 
sancte  Romane  ecclesie,  in  mense  ianuario,  indictione  nona. 

Bene  valete. 

Dat.  XII.  kal.  febr.  per  manus  Benedicti  episcopi  sancte  Por- 
toensis  ecclesie  et  bibliothecarii  sancte  apostolice  sedis  anno  deo 
propicio  pontificatus  domni  nostri  Scrgii  sanctissimi  quarti  pape  II, 
indictione  nona,  mense  ianuario,  die  XXI  ^. 


h)  ael  und  pertinere  aideatar  fMt;    ich  ergänzt  die  Warte  atu  der  Vorut' 
künde,  %)  zu  ergänzen  ist  etwa  presamat.  k)  ei. 


8. 

Benediä  VIII.   bestätigt  dem  ErsUschof  Alfanus  van  Benevent 
und  Sipatito  das  Ergbistum  und  die  Wtihe  der  Buffragane  seiner  iVo« 


68  P.  Kehr, 

f>inzy   das  Kloster  S.  Michael  auf  dem  Gargano  mit  der  Kirche  von 
Siponto  und  verleiht  ihm  das  Pallium, 

1014  Märe. 

Zwei  Copie^i  im  Rotulus  von  1464  (A  und  B)  Benevent  Ar- 
chivio  capiiolare,  —  Danach  auch  im  BuUarium  selectum  von  1694 
Nr.  XIX  p.  80  ebenda. 

Vgl.    J-L.  4005,     Die    Urhindc   ist  in   der  Hauptsache  eine 
Wiederholung  des  Privilegs  Sergius  IV.  (s.  Nr.  1). 

Benedictus  episcopus  seruus  seruorum  dei.  Dilecto  in  domino 
filio  Alfano  uenerabili  archiepiscopo  sancte  Benenentane  ac  Sipon- 
tine   sedis    ecclesie  tnisqae  snccessoribas  imperpetanm.  Cam 

summe  apostolice  dignitatis  apex  in  hoc  diuini  profectus*»)  nitore 
prenoscatur  prefulgeri  et  in  exercendis  dei  landibus  sui*)  impen- 
sius  studebit  laboris  exercere  certamen ,  ob  hoc  debita  nos 
eiosdem  apostolice  pastoralis  ^'^  compulit  soUicitudinis  cara,  qaeque 
ad  stabilitatem  piorum  locoram  promulgari  et  apostolice  institu- 
cionis  censura'^^  confirmari.  Igitar  quia  postulastis  a  nobis,  qua- 
tenus  concederemus  et  confirmaremus  tibi  tuisque  successoribns 
imperpetuum  totum  supradictum  Beneucntanum  ac  Sipontinum  ar- 
chiepiscopatum  ex  intcgro,  pro  qua  re  flexi  *^  precibus  tuis  id  quod 
postulas  libenter  concedimus  et  idco  ob  interuentum  ac  peticionem 
dilectissimi  filii  nostri  Henrici^^  imperatoris  augusti  concediraus  et 
confirmamus  tibi  tuisque  succossoribus  imperpetuum  per  hunc  no- 
strum  apostolicum  priuilegium  id''^  ipsum  supradictum  Beneucn- 
tanum ac  Sipontinum  archiepiscopatum  ex  integre  et  infra  eodem 
archiepiscopatum  suamque  diocesim  in*)  locis  quibus  olim  fuerunt 
imperpetuum  episcopos  consecrari ,  qui  uestre  subiaceant  dicioni, 
scilicet  Bibine,  Asculo,  Larino,  Triuento,  Luceria,  sancta  Agathe, 
Abellino,  Quintodccimo,  Ariane,  Uulturaria,  Thelcsia,  Alife,  Ses- 
sula,  episcopatum  Lesinensem  quam  et  cpiscopatum  Termola  ex 
integro  '^  confirmantesque  cciam  tibi  tuisque  successoribns  eccle- 
siam  sancti  Michaelis  archangeli  in  monte  Gargano  cum  ipsa  Si- 
pontina  ecclesia  et  cum  omnibus  earum  pertinenciis  et  omnia  pre- 
dia  urbana  uel  rustica  cum  ecclesiis  monasteriis  familiis  utriusque 
sexus  massis  et  cuncta  que  uidentur  esse  pertinencia  ipsarum  ec- 
clesiarum.  Prothestamur  insuper  ut  nullus  laycus  audeat  presby- 
teros  aut  quilibet*)  clericos  ex  totmn  uestrum  archiepiscopatum  a 
uestra  potestate   et  dominio')   quoquo  modo  auferre  et*")  qui  hoc 


a)  prospectas  AB.  h)  suis  AB,  c)  pastorali  AB.  d)  censura 

fehU  in  AB,  e)  flexis  AB.  f)  Herrici  A.  g)  9ä  A.         h)  et  B. 

t)  ex  in  integro  B.         h)  qaalibet  B,         l)  dominium  B.        tn)  et  feldi  in  B. 


Papsturkunden  in  Benevent  und  der  Gapitanata,  59 

agere  presumpserit,  interdicta  anathema  nisi  resipuerit  •*^  subiaceat. 
Preterea  et  concedimus  tibi  tueque  f raternitati  **>  pallei  nsam  ex 
more  ad  missarnm  soUempnia  celebranda,  qnod  non  aliter  ati  con- 
cedimas  nisi  solammodo  in  die  natiuitatis  domini  et  sanetam  epi- 
phanie,  cena  domini,  resurrectionem,  ascensionem,  pentecostes,  in 
natalieiis  apostolorum  et  sancti  lohannis  baptiste  et  in  assamptione 
sancte  Marie  domine  nostre  et  in  consecracione  episcoporum  suf- 
fraganeormn  tuorum  et  in  consecracione  ecclesie  et  in  natalicii 
tui  die'>  nee  non  in  sinodo  et  omni  concilio,  sicut  a  predecessore 
nostro  domno  Gregorio  huius  alme  sedis  presuli  sanctitum  est,  in 
secretariom  uero  indnere  tua  fraternitas  pallinm  debeat  et  ita  ad 
missarnm  soUempnia  nel  ad  sancta  synoda  proficisci  et  nichil  tibi 
amplins  ansu  tenerarie  persumptionis  arrogare,  ne  dum  exteriori 
habitn  inordinate  aliquid  arripitur,  a  proprio  et  licito  labetar. 
Item  concedimus  et  donamus  uobis  licenciam  et  potestatem  aucto- 
ritate  beati  Petri  apostolorum  principis  et  nostra  per  uniuersas 
eccle8ias^\  que  sub  tuo  archiepiscopatu  destitute  sunt,  episcopos 
consecrandi,  presbyteros  faciendi,  reliquias  recondendi  et  omne  sa- 
crum  officium  atque  ministerium  faciendi,  que  rite  et  licencia*^ 
episcopis  archiepiscopis  est  '^  faciendi.  Hortamur  *^  morum  tuorum 
ornamenta  conuenienter,  quatenus  auctore  deo  recte  et  ubique  pos- 
sis  esse  conspicuus.  Siquidem  insuper  apostolica  censura  sub  di- 
uini  iudicii  obtestacione  et  anathematis  interdictione,  ut  nuUus  um- 
quam  alicuius  potestati  uel  dignitati  preditus  homo  siue  clericus 
siue  laicus  siue  sit  magna  siue  parua  persona  aut  Grecus  uel  La- 
tinus  tuo  iusto  iudicio  uel  excomunicacione  spernere  aut  pro  nichilo 
dncere  uel  in  predicta  tua  sancta  Beneuentana  ecclesia  aliquam 
uim  facere  et  "^  de  bis  que  ei  pertinere  uidentur,  quoquo  modo  au- 
ferre  uel  alienare  aut  eins  minuere  terminos  et  nee  quamlibet 
maliciam')  aut  iacture  molestiam*'^  in  eadem  inferre  quocumque 
tempore  nee  licencia  sit,  ut  dictum  erat,  ex'^  eins  uel  Omnibus 
eidem^^  pertinentibus  cuiquara  magne  parueque  persone  auferre, 
ut'^  profecto  iuxta  id  quod  a  nobis  statutum  erat  eadem  uenera- 
bilis  sancta  Beneuentana  ecclesia  apostolicis  constitutis  atque  pri- 
oilegiis  oonsistens  ornata  inconcusse  dotata  pcrmaneat.  Si  quis 
autem,  quod  non  optamus,  nefario  ausu  persumpserit  tuo  iusto 
iudicio  et  excomunicacione  pro  nichilo  duccre  et  noluerit  obaudire 
nel   ea  que   superius   a    nobis  ad   laudem  dei  pro  stabilitate  iam 

n)  nisi  rettpuerit  fehlt  in  A,        o)  fraternitatis  B,       p)  diem  B.       q)  uni- 
nertis  ecciesiis  AB.  r)  licenciam  AB.  s)  fuit  A.  t)  optamus  B. 

ü)  et  fehlt  in  B.         v)  malicia  A.         tr)  molestia  A,       x)  ei  AB.       y)  ei  A. 
ji)  ad  ^;  aut  B. 


60  P.  Kehr, 

dicte")  ecclesie  Benenentane  statuta  sunt  refragare  aut  in  qno- 
qaam  transgredi  siue  Grecas  sit  scn  quiscumque  ^^  alter  homo,  qoi 
dominacionem  et  primatum  habere  uoluerit  per  se  aut  per  alterum 
quemlibet  hominem  in  prefatis  ecclesüs  sine  uoluntate  et  iussione 
Beneuentani  archiepiscopi,  et  illis  qui  eos  fortasse  recipere  pre- 
sumpserint  et  uestro  iudicio  et**^  excomunicacione  pro  nichilo  duxe- 
rint  et  non  obaudierint,  omnes  pariter  sub  eodem  nostro  aposto- 
lico  et  districto  insolubili  anathemate  permaneant  et  in  nuUa  ec- 
clesia  intrare  presumant  aut  aliquod  officium  ecclesiasticum  fa- 
eiant.  At  uero  qui  pio  intuitu  obseruator  et  in  omnibus  extiterit 
custodiens  huiu8  nostri  apostolici  constitutionibus  ^^  ad  cultum  dei 
respicientibus,  benedictionis  graciam  a  misericordissimo  domino  deo 
nostro  multipliciter  consequatur  et  uite  eterne  partieeps  effici  me- 
reatur. 

Scriptum  per  manus  Benedicti  notarii  et  scriniarii  sancte  Ro- 
mane ecclesie,  in  mense  marcio,  indictione  XII*. 

Bene  valete. 


a)  dicta  B,  b)  quisqae  B,  c)  constituti  Ä, 

3. 

Stephan  IX.  bestätigt  dem  Erjzhischof  Uddlrich  von  Benevent  nach 
dem  (falschen)  Privileg  Vitalians  alle  Rechte  und  Kirchen  und  ver- 
leiht ihm  das  Pallium, 

Monte  Cassino  1058  Januar  J24, 

Copie  im  Rotulus  von  1464  Benevent  Archivio  capitolare.  — 
Danach  auch  im  Bullarium  seledum  von  1694  Nr.  XXI  p.  93  und 
im  Ms.  des  G.  de  Nicastro  Benevento  sacro  (1683)  p.  113. 

Vgl.  J-L.  4383.  Das  Privileg  wiederholt  im  Oamen  den 
Wortlaut  der  noch  im  Original  erhaltenen  Urkunde  Leos  IX, 
J'L.  4299. 

Stephanus  episcopus  seruus  seruorom  dei.  Dilecto  confratri 
Vodalrico  archiepiscopo  et  per  eum  sancte  Benenentane  ecclesie  in 
honore  beatissime  dei  genitricis  semperque  uirginis  Marie  dicate 
cunctisque  successoribus  illius  ad  culmen  illic  pontificalis  dignitatis 
canonice   promouendis  imperpetuum.  Cum  summe  apostolice 

dignitatis  apex  in  hoc  diuine  auctoritatis  uigore  dinoscatur  pre- 
minere,  ut  in  releuandis  Christi  ecclesiis  sue  uigilancie  impensius 
studeat  conamen  adhibere,  debita  nos  eiusdem  apostolice  pastora- 
litatis  compellit  cura,  queque  ad  stabilitatem  piorum  locorum  pro- 


Papstarkanden  in  Benevent  und  der  Gapitanata.  61 

malgare  et  apostolica  censara  confirmare,  nt  presidentes  uel  eciam 
in  ipsis  locis  deo  famalantes  auetoritate  apostolica  ab  omniam  tue- 
antur  improborum  infestacione  et  calumpnia.  Igitar  secandum  quod 
posttdasti  a  nobis,  hoc  nostre  apostolice  constitacionis  prioilegio 
corroborantes  quicqoid  eidem  ecclesie  iaste  debetar  et  si  sabtracta 
aliqao  modo  oideantor,  tarnen  qoia  iasticia  nallias  arte  uel  calidi- 
tate  potest  inmutari  nel  corrampi,  concedimus  reuocamus  et  im- 
perpetaum  sancte  Beneuentane  ecclesie  ac  per  eam  tibi  tuisque 
successoriboä  canonice  ibi  promoaendis  conferimas  et  stabilimns. 
Diligentissime  itaque  nostrorum  antiqaoram  predecessorum  priui- 
legia  perscrutante» ,  Yitaliani  uidelicet  aliorumque  sancte  Romane 
ecclesie  presolom,  atqae  iasticiam  sancte  Beneaentane  ecclesie  con- 
siderantes,  ad  eins  ins  et  proprietatem  reuocamus  atqae  imperpe- 
taam  subdimus  et  tradimus  inter  alia  que  sibi  pertinent,  nomina- 
tim  ecclesiam  sancti  Michaelis  archangeli  in  monte  Grargano  posi- 
tam  et  ipsum  castellum,  abi  predicta  sacra  uenerabilis  sita  est  ec- 
desia,  ea  uidelicet  condicione  ut  numquam  per  cuiuscumque  hominis 
subreptionem  aut  suggestionem^  episcopus  aut,  quod  absit,  archi- 
episcopus  ibidem  promoueatur  aut  habeatur,  set  sub  iure  sancte 
Beneuentane  ecclesie  perpetuo  permaneat  secundum  tenorem  priui- 
legii  beate  memorie  Vitaliani  predecessoris  nostri,  deinde  Sipon- 
tinam  ecclesiam  cum  omnibus  sibi  legaliter  pertinentibus ,  pariter 
quoque  Luceriam,  Asculum,  Bibinum,  Troiam^^,  Draconariam  ciui- 
tatem,  Montem  Coruinum,  Tortibulum,  Viccarim,  Florentinum ,  La- 
rinum,  Termolam,  Triuentum,  Uulturariam^  Bobinianum,  Alifas,  The- 
lesiam,  sanctam  Agathen,  Tocchum,  Abellinam,  Montem  Maranum, 
Qointumdecimum,  Montem  de  Vieo,  Arianum  simulque  duas  abba- 
cias,  sanctum  Petrum  de  Duddi  atque  sanctum  lohannem  situm  iuxta 
portam  auream,  cum  singulis  proprietatibus  iusticiis  parrochiis  seu 
diocesibus  suis;  nichil  excipimus,  set  omnia,  sicut  iasticia  eoram  est, 
hole  iam  sepe  nominate  Beneaentane  ecclesie  in  honore  sancte  dei 
genitricis  Marie  dedicate,  ubi  preciosissimam  corpus  beatissimi 
Bartholomei  apostoli  requiescit,  salua  auetoritate  sancte  Romane 
et  apostolice  sedis,  concessimus  et  irreuocabiliter  imperpetuum  con* 
firmamus.  Concedimus  eciam  fraternitati  tue  pallei  usum  ad  mis- 
sanim  sollempnia  celebranda,  scilicet  in  his  festiuis  diebus,  natioi- 
taiifl  domini  et  apparicionis  ipsius ,  in  cena  eciam  domini  atque 
sancte  resurrectionis  die  dominico,  ascensionis  Christi  ad  celos  et 
die  dominico  sancti  pentecostes  et  in  nataliciis  apostolomm  ac 
beatissimi  precarsoris  Christi  baptiste  lohannis,   in  assumptione 

a)  Trolaot 


62  P.  Kehr, 

eciam  gloriosissime  et  sapereminentissime  dei  genitricis  semper 
oirginis  Marie  atque  in  consecracione  episcoporom  snffraganeorom 
tnoram,  in  consecracione  ecclesiaram  ac  in  natalicii  tui  die,  sicnt 
ab  antecessoribns  nostris  tais  institutom  est  ac  largitum  anteces- 
soribns;  in  secretarium  uero  tua  fraternitas  palleo  induatnr  et  sie 
ad  missas  procedat  neque  plus  aliqnid  temerario  ansu  presomas, 
quoniam  dum  qaicqnam  exterioris  habitns  inordinate  arripitar,  a 
proprio  et  licito  remouetur.  Hoc  eciam  tibi  concedimns,  nt  per 
singnla  loca  que  dicioni  sancte  Benenentane  ecclesie  sabiacent,  ubi 
ex  antiqna  et  legali  institacione  episcopales  sedes  habentar,  episco- 
pos  canonice  constituas  et  consecres  et  qnodcomque  aliter  qnam 
decnit  ac  sacri  precipiunt  canones,  institatom  est  extirpes  et  emen- 
des.  Et  quoniam  peccatis  exigentibus  contra  iura  canonum  et 
sanctorum  instituta  patrum,  dum  omnino  quidam  peruersa  mente 
non  metuunt  quod  episcoporum  est  proprium  sibi  usurpare,  sacro 
ordini  ascriptos  uidelicet  clericos  sue  dicioni  subdendo  de  episco- 
porum iudicio  subtrahere,  hoc  omnino  detestamur  ac  sub  anatbemate 
perpetuo  interdicimus,  [sed]  quicquid  illud  est  quod  ad  ecclesiasti- 
cum  atque  episcopale  pertinet  officium  intra  totam  parrochiam  Be- 
neuentanam,  sicut  superius  prefinitum  est,  tuo  regatur  atque  dispo- 
natur  sano  iudicio.  Omnia  itaque  que  ad  predictam  sanctam  Be- 
neuentanam  ecclesiam  iuste  ac  legaliter  pertinent  aut  pertinere 
poterunt  umquam  in  posterum,  sine  monasteria  seu  castella  ciui- 
tates  uel  predia  cum  ecclesiis  et  uillis  uineis  siluis  et  omnibus 
sibi  iuste  pertinentibus,  tibi  ac  tue  fraternitati  ecclesie  commisse 
tradimus  conferimus  et  stabilimus.  Censentes  insuper  apostolica 
censura,  saluo  circa  tuum  successorumque  tuorum  statum  sanctorum 
canonum  uigore^  decernimus  et  sub  diuini  iudicii  obtestacione  atque 
naiidissimi  anatbematis  interdictione  atestamur,  ut  nullus  umquam 
successorum  nostrorum  uel  alicuius  dignitatis  seu  potestatis  qui- 
libet  bomo  aliquo  temerario  ausu  audeat  predicte  diocesi.  aliquam 
oim  inferre  aut  [terminos  eins  imminuere  detruncare  uel  quocum- 
que  modo  seu  ingenio  subtrabere  inuadere]  uel  alienare,  set,  ut 
superius  sunt  tassata,  ita  sibi  perpetuo  maneant  inconuulsa,  et 
sancta  Beneuentana  ecclesia  in  honore  sancte  dei  genitricis  semper* 
que  uirginis  inuiolate  Marie  dedicata  et  ad  archiepiscopatus  hono- 
rem a  nostris  antecessoribns  sublimata  ac  preciosissimis  sanctorum 
corporibus  ditata,  uidelicet  Bartholomei  apostoli  atque  lanuarii 
martiris  et  Barbati  confessoris  eiusdem  sedis  gloriosissimorum  pre« 
sulum  ac  reliquorum,  inuiolabiliter  apostolicis  priuilegüs  semper 
maneat  dotata.  Si  quis  autem,  quod  non  optamus,  nefario  ausu 
presumpserit  hec  que  ad  laudem  dei  pro  stabilitate  et  firmitate  Be- 


Papstarkaoden  in  Benevent  und  der  Gapitanata.  63 

neaentane  ecclesie  constituimus  atqae  decenter  decreuimus,  infrin- 
gere  nel  diminuere  ant  qnocumqae  modo  aliter  ad  detrimentum 
prefate  dioceseos  stataere,  qaod  molitas  est  annichiletor  et  sub 
anathemate  percassns  diaino  pereat  in  eternam  nisi  resipiäicat. 
Conseraator  aero  huias  nostri  apostolici  priuilegii  apostolica  bene- 
dictione  refertas  intra  paradisi  menia  cum  omnibus  sanctis  gaudeat 
in  etemom.    Amen. 

Bene  valete. 
Dat.    in   Monte    Casino  Villi,   kal.   febr.   per   manas  Vmberti 
sancte  ecdesie  Silne  candide  episcopi  et   bibliothecarii   sancte  Ro- 
mane et  apostolice  sedis  anno  deo  propicio  primo  pontificatns  domni 
pape  Stephan!  noni,  indictione  XI^ 


4. 

Alexander  IL  ermdlint  den  Bischof  G(erard)  von  Siponto,  dem 
klaffenden  Erzbischof  JJ(ddlrich)  von  Benevent  vor  dem  päpstlichen 
Nuntius  Genugthuung  eu  leisten,  sonst  aber  bis  jsum  1.  November  zur 
Verhandlung  in  Rom  sich  einzufinden, 

Capie  im  Rotulus  von  1464  Benevent  Archivio  capitolare.  —  Da- 
nach auch  im  Bullarium  sdectum  von  1694  Nr.  XXII  p.  100. 

Im  Bullarium  wird  als  Jahr  genannt  1062,  Dagegen  spricht 
aber  die  Citation  zum  1,  November  nach  Rom,  während  Alexan- 
der IL  damals  in  Lucca  war.     Vgl.  Nr.  5. 

A.  episcopos  seruas  sernoram  dei.  Karissimo  fratri  Sipontino 
episcopo  Gr.  salutem  et  apostolicam  benedictionem.  Quia"*)  que- 

rimonia  Beneaentane  ecclesie  iam  pridem  nos  et  R(omane)  ecclesie  fi- 
lios  uehementer  agraaaoit,  ulterins  dissimulare  nee  possamus  nee  de- 
bemusy  qoin  ad  certom  diffinicionis  finem  amodo  aeniamus.  TJnde 
fraternitatem  tnam  apostolica  aactoritate  ammonemos,  ut  ante 
nnnetiom  nostmm,  qoi  deo  annaente  ad  partes  illas  in  proximo 
aentoros  est ,  iasticiam  karissimo  confratri  nostro  V .  Beneuentano 
archiepiscopo  de  his  qae  a  te  exigit  facere  studeas.  Quod  si  for- 
tasse  negociom  illad  ante  legatum  nostrom  ad  plenam  diffiniri 
neqaioerit,  Line  asqae  ad  festioitatem  omniam  sanctorom  iasticiam 
factorius  atqae  receptarus  ad  apostolicam  sedem  te  representes  et 
adaentom  taam  ita  tempestiue  prefato  archiepiscopo  indices,  et  at 
ipse  ad  eondem  terminam  ael  ante  possit  aenire*     Quod  si  for- 

a)  qua. 


64  P-  Kehr, 

tasse,  qaod  non  credimus ,  neglexeris ,  senties  uindictam  apostolice 
sedis. 

5. 

Alexander  II,  benachrichtigt  den  Erzbischof  ü(dalrich)  von  Be- 
neventj  daß  die  Lateranensische  Synode  über  seine  Klage  in  Bezug 
auf  die  Kirclie  von  Siponto  auf  den  Bericht  des  Archidiacons  H(ilde- 
brand)  eu  seinen  Gunsten  entschieden  habe. 

Copie  im  Botulus  von  1464  Benevent  Archivio  capitolare,  — 
Danach  auch  im  Bullarium  selectum  von  1694  Nr,  XXIII  p,  101, 

Das  Regest  im  Bullarium  gibt  als  Jokr  an  1063.  Danach 
wäre  die  Aprü-Synode  dieses  Jahres  gemeint.  Aber  der  Ansatz 
(s.  Nr.  4)  ist  ganz  unsicher  und  beruht  wohl  nur  auf  halbgelehrter 
Vermuthung. 

A.  episcopus  seraus  seruorum  dei.  V.  uenerabili  archiepiscopo 
Beneuentano  salutem  et  apostolicam  benedictionem.  Nobis  pre- 

sidentibas  in  sinodo  Lateranis  confratribus  et  coepiseopis  nostris 
circamsedentibas  querela  tae  Beneuentane  ecclesie  et  nostre  de 
Sipontina  ecclesia  delata  est.  Qaod  negociom  pertractandom  qoia 
karissimo  iilio  nostro  H.  archidiacono  commiseramus,  decreuit  sancta 
sinodns,  nt  secimdum  testimonium  eius  qaid  exinde  iieri  deberet 
decemeremus.  At  ille  confitens  priuilegiis  predecessorum  nostro- 
rum  auctorizantibus  Sipontinam  ecclesiam  et  saneti  Michaelis  mon* 
tis  Gargani  prefate  ecclesie  Beneuentane  iuste  subdi  debere  testa- 
tas  est.  Coi  attestacioni  tota  sinodas  acclamauit,  ut  Benenentana 
ecclesia  saam  iustitiam  consequeretur,  nobis  post  sancte  synodi  ac- 
clamacionem  iam  dicti  filii  nostri  karissimi  H.  sentenciam  confir- 
mantibos. 


6. 

Alexander  II.  bestätigt  dem  Bischof  Stephan  von  Troia  das  Bis- 
tum und  dessen  Besitzungen. 

Salermo  1067  Septeniber  9. 

Orig,  Troia  Archivio  capitolare  (Q  Nr.  10).  —  Danach  Vincenzo 
Aceto  Troia  sagra,  Ms.  von  1728^  voh  I  f.  40. 

Eine  Vergleichung  dieser  Urkunde  mit  J-L.  4727  (nur  aus 
jüngeren  Abschriften  mit  starken  Varianten  bekannt)  macht  sehr 
wahrscheinlich^  daß  J-L.  4727  zu  den  Spurien  zu  rechnen  ist. 


Papstorkunden  in  Benevent  und  der  Gapitanata.  65 

ALEXANDER  EPISCOPVS  SERVVS  SERVORVM  DEI.DILECTO 
IN  CHRISTO  FRATRI«)  STEPHANO  |  Troiano  episcopo  perpetuam 
in  domino  salntem.  Licet  ex  consideratione  apostolicQ  sedis,  cai 

indigni  deseruimas,  omniam  insta  poscentium  nos  conuenit  notis 
annaere,  molto  tarnen  sollicitias  eorum  petitionibns  |  debemas  as- 
sensom  prebere,  qnos  circa  profectum  locorum,  qae  eis  ad  regendnm 
sant  commissa,  cognoscimus  inoigilare.  Unde  qaia  postolasti  a  no- 
bis  ^\  qnatinos  Troianom  episcopatum,  coi  preesse  |  dinosceris,  iuris 
oidelicet  sancte  Romano  ecclesi^,  tibi  ad  regendnm  atqne  cum  dei 
timore  dispensandnm  concederemus,  inclinati  precibus  tnis  per  huins 
nostri  prinilegii  paginam  prephatnm  ^^  \  episcopatum  sie  in  integram 
denocioni  tu§  concedimus  et  confirmamns,  quemadmodom  ab  ante- 
cessoribns  nostris'')  taf  sedi  constat  esse  concessum,  scilicet  in 
ipsa  ciuitate  Troiana  monasterinm  |  sancti  Nycolai  cum  omnibus 
suis  pertinentiis  et  benedictionem  abbatis,  et  in  oppido  quod  uoca- 
tur  Biccarum*)  abbaciam  sancti  Fetri  in  burgo  et  benedictionem 
abbatis  omnesqne  Qcclesias  ad  Biccarum  |  pertinentes  cum  omnibus 
pertinentiis  suis,  abbaciam  quoque  sancti  Nazarii  et  benedictionem 
abbatis  et  fcciesiam  sancti  Petri  de  Sandorio  et  ^cclesiam  sancti 
Nycandri  cum  omnibus  pertinentüs  |  earum ,  ita  ut  nuUus  ex  pri- 
uatis  uel  clericis  aliquid  ex  bis  quQ  tibi  iuste  et  canonice  compe- 
tunt,  auferre  presumat.  Igitur  sub  diuini  iudicii  obtestatione  ac 
ualidis  interdictionibus  |  anathematis  statuimus,  ut  nullus  umquam 
alicuius  dignitatis  seu  honoris  preditus  potestate  sed  nee  ulla 
magna  uel  parua  persona  ex  bis  causis  quQ  tibi  canonici  pertinere 
oidentur,  |  quoquo  modo  conetur  auferre  seu  contrarietatem  facere. 
Si  quis  ergo,  quod  non  optamus,  temerario  ausu  prcsumpserit  h^c 
qu^  a  nobis  ad  laudem  dei  pro  stabilitate  iam  dicti  episcopatus  | 
sunt  statuta,  refragare')  aut  in  quoquam  süperbe  transgredi,  sciat 
se  anathematis  uincalo  innodatum  et  cum  diabolo  et  Inda  traditore 
domini  nostri  lesu  Christi  aeterni  incendii  supplicio  |  concreman- 
dum,  donec  digne  deo  et  sanct^  apostolicg  sedi  satisfecerit.  At 
uero  qui  huius  nostre  confirmationis  custos  et  obseruator  extiterit, 
apostolice  benedictionis  gratiam  consequatur  |  et  ab  omnipotente 
deo  a^tern^  oitf  gaudium  cum  sanctis  feliciter  percipere  MEREATVR 

R.  BV:, 

Datum  Salerni  V.  id.  septemb.  per  manus  Petri  sanct^  Romano 


a)  mit  überflüssigem  Jhkürsungszeichen.  b]  sti  a  no  auf  Basur. 

c)  prephatum  auf  Basur,        d)  oris  ckne  Abkürsungsseid^en.         e)  refragrare. 


1)  Vgl.  J-L.  4640«. 


66  ^'  Kehr, 

ecclesi?  subdiaconi  ac  bibliothecarii  anno  VI.  pontificatos  domni 
ALEXANDRI  pape  II,  ab  incarnatione  uero  domini  mil(esimo)  sex- 
(agesimo)  VI,  indictione  V. 

B.  dep. 


7. 

Paschal  IL  entscheidet  im  Placitwn  den  Prozeß  zwischen  dem 
Erzbischof  von  Benevent  und  dem  Bischof  von  Troia  über  Biccaro 
eu  Gunsten  von  Troia. 

Ferentino  1113  Oktcher  16. 

Orig,  Troia  Ärchivio  capüdlare  (K  Nr,  11).  —  Danach  Vincenzo 
Äceto  Troia  sagra.  Ms.  von  1728 ,  vol.  I  f.  121. 

Die  Urkunde  ist  nicht  nur  an  sich  lehrreich  genug,  um  hier 
aufgenommen  zu  werden,  sie  ergänzt  auch  in  erwünschter  Weise 
unsre  Kenntnis  des  Itinerars  Paschalis  IL,  da  wir  aus  ihr  er- 
faliren,  daß  die  Kurie  am  6.  Oktober  1113  in  Piperno  und  am 
16.  Oktober  1113  sich  in  Ferentino  befand.  Auch  die  Liste  der 
Bischöfe  von  Troia  am  Anfange  des  12.  Jahrh.  wird  durch  sie 
berichtigt 

t  IN  NOMINE  DEI  AC  SALVATORIS  NOSTRI  lESV  CHRISTI . 
ANNO  INCARNATIONIS  EIVS  MILLESIMO  CENTESIMO  Xmi. 
PONTIFICATVS  VERO  DOMNI  NOSTRI  PASCALIS  PAPE  SECVNDI 
ANNO  XV  .  INDICTIONE  VII .  MENSE  OCTOBRI .  DIE  XVI  |  quod 
est  XVII.  kal.  nouemb.  Acta  publica  solere  antiquitus  super 

negotiis  ante  iudices  uentilandis  in  iudiciis  frequentari,  ne  aliqua 
scilicet  dubietas  de  bis  qu§  ibi")  agerentur  aliquando  exoriretur,  | 
profecto  constat.  Quod  nos  quoque  secuti,  super  negotio  inter 
Troianam  atque  Beneuentanam  ecclesiam  orto  legitimeque  peracto 
memoriales  litteras  perpetui  testimonii  causa  seriatim  ad  postejros 
scribere  studuimus.  Troiana  itaque  predicta  ecclesia  castrum  Bic- 
cari  *)  iure  parrochiatus  possidente,  contigit  Rofredum  Beneuenta- 
num  archiepiscopum  eundem  parrochiatum  Walterio  prgdict^  |  ec- 
clesi^  episcopo  uiolenter  abstulisse  sibique  detinuisse,  cumque  a 
prefato  Troiano  episcopo  eiusque  successoribus  contra  iam  dictum 
archiepiscopum  querela  in  conciliis  sepe  super  tali  expoliatione 
mota  I  fuisset  neque  iustiti^  effectum  inde  consequi  potuissenti  uio- 


a)  corr.  aus  hibi. 


l)  Vgl.  Nr.  4640a  and  oben  Nr.  6. 


Papst arkunden  in  fienevent  and  der  Gapitanata.  67 

lenta  atqne  iniqua  tergiuersatione  ita  asque  ad  tempora  domni 
nostri  Urbani  pape  secandi  caasa  dilata  est.  Eixis  nero  temporibas 
coUecta  ultima  uninersali  sinodo  |  Korne  in  ecclesia  beati  Petri^), 
cum  qaerela  despoliationis  ab  Uberto*'^  Troiano  episcopo  contra 
eondem  Benenentanom  archiepiscopam  in  conspecta  concilü  iterom 
mota  foisset,  iussom  est  ei  huic  uiolente  expoliati|oni  et  per  lai- 
calem  mannm  sibi  facte  inaestitioni  respondere.  Cum  aero  ipse 
adhuc  eandem  parrochiam  contra  iastitie  rationem  tueri  sibi  desi- 
derasset,  respondit  per  Risonem  archidiaconum  suam,  se  non  laicali 
mann,  sed  canonica  |  auctoritate  ex  sententia  nidelicet  Uictoris  Ro* 
mani  pontifids  tertii  parrochiatas  illios  possessionem  accepisse. 
Quo  audito  iossit  idem  domnus  papa  Urbanus  certis  episcopis  et 
cardinalibos ,  at  quod  super  hac  causa  iustum  fuisset  |  pronun- 
tiarent.  Qui  causam  diligenter  examinauerunt  atque  communi  con- 
silio  archiepiscopum  hoc  quod  obponebat  debere  probare ,  si  posset, 
iudicauerunt,  sin  autem ,  Troianam  ecclesiam  esse  reinuestiendam. 
Com  itaque  ut  probatijones  sibi  impositas  prestaret,  ab  eo  exige- 
retor,  dixit  se  imparatum  de  hoc  aduenisse  et  probationes  huic  rei 
sufficientes  Beneuenti  reliquisse,  atque  ita,  indutiis  sibi  usque  ad 
proximam  sequentem  sinodum  prestitis,  |  predictus  Romane  sedis 
pontifex  factus  est  de  medio.  Functi  sunt  diem  suum  et  prenotati 
epificopus  atque  archiepiscopus ,  sicque  causa  sine  effectu  diu^^  re- 
mansit.  Diuina  uero  fauente  gratia  presidente  Romane  |  apostolice 
sedi  domno  nostro  P.  papa  U,  Beneuenti  uero  archiepiscopo  L. '), 
Troie  quoque  domno  W.  ^)  episcopo,  eadem  querela  ab  eo  reiterata 
est  uiriliter  contra  nominatum^  archiepiscopum  in  prima  sinodo, 
qn^  Laterajni  ab  eo  celebrata  fuit  post  regressum  regis  Uenrici^), 
comque  iussum  sibi  esset  ab  eodem  papa,  ut  querele  ab  episcopo 
contra  cum  renouate  responderet,  dixit  et  ipse,  se  inparatum  uenisse 
et  defensiones  ad  hanc'^  litem  |  idoneas  Beneuenti  reliquisse,  atque 
ita  ei  quoque  indutie  prestite  sunt  usque  ad  quintumdecimum  diem 
post  aduentum  eiusdem  pape  in  eandem  ciuitatem  Beneuentum. 
Nouem  uero  mensibus  fere  decursis,  domnus  papa  ad  eandem  |  per- 


6)  ab  überto  auf  Rasur,  c)  d  corr.  au$  p.         d)  vorher  kleine  Baaur, 

e)  vorher  a  für  unmutig  erklärt. 


2)  Gemeint  ist  Urbans  IL  römisches  Concil  von  1099  IV.  24—80,  vgl.  Jaff^L. 
1  p.  700. 

8)  Landalf,  seit  1106. 
4)  Wilhelm,  seit  1106. 
6)  Concil  von  1112  HL  18,  vgl.  Jaff^L.  I  p.  745. 


68  P-  Kohr, 

aenit  ciuitatem  ®),  cumque  episcopus  in  statuto  termino  causam  re- 
qaireret,  se  ei  respondere  isdem  archiepiscopas  simulanit  nee  tarnen 
probationes  quas  promiserat  ostendit,  sed  causam  ita  dissimulando 
usque  ad  subsequentem  sinodum,  |  qu^  ab  eodem  papa  in  eadem 
ciuitate  mense  februario')  celebranda  erat,  protraxit.  In  qua  si- 
nodo,  cum  iterum  episcopus  proclamasset  et  probationes  legitime 
inuestitionis  ab  archiepiscopo  postulasset,  dixit  se  testes  nonnisi 
ex  ipso  Bic|cari  habere  eosque  nuUo  modo  ad  presens  Beneuentum 
adducere  posse,  sed  si  indutias  habcret^  posset.  Domnus  uero  papa 
ut  omnis  illi  alicuius  proclamationis  auferretur  occasio,  assensit  et 
utraque  parte  presente  usque  ad  dimidium  |  quadragesime  prius  *,) 
deinde  ad  octauas  pasce'**)  indutias  tribuit  eumque  omnibus  proba- 
tionibus  preparatum  atque  instructum  uenire  iussit,  talibus  scilicet 
quibus  probaret,  predecessorem  suum  Bomani  pontificis  sententia 
inuestitum  fore :  |  quod  ille  se  per  omnia  facturum  promisit.  Ter- 
mino itaque  isto  adueniente,  domnus  Troianus  episcopus  festinus 
Romam-^  aduenit,  archiepiscopus  uero  duos  nuntios  misit,  per  quos 
simulatas  obponeret  excusationes ,  uidelicet  presbiterum  lohannem 
qui  et  I  Romanus  et  Granelli  uocatur,  et  Francolinum.  Dicebant 
enim  propter  nimiam  urbis  oppressionem^^  ciuiumque  angustiam 
eum  uenire  non  potuisse.  Cumque  prefatus  dominus  et  illum  om- 
nino  fugientem  et  episcopum  iusta  improbitate  insistentem  cerneret  | 
probationesque  secundum  quod  statutum  fuerat  exigentem,  statuit 
certas  et  ultimas  indutias,  ab  eo  uidelicet  usque  ad  octauas  beati 
Michaelis  archangeli  ^^) ;  misso  etiam  absenti  archiepiscopo  peremto- 
rio  libello  quo  precepit,  ut  in  hoc  termino  |  ad  hanc  causam  pera- 
gendam  ita  paratus  ueniret,  ut  nulla  deinceps  occasio  relinquere- 
tur*>  et,  si  qua  pars  abesset,  causam  prorsus  amitteret.  Metu 
igitur  tante  peremptorie  comminationis  ambo  apud  Pipernum  in 
conspectu  domni  pape  |  ad  hunc  terminum  presentes  fuerunt  ibique 
indutias  ab  eo  usque  Ferentinum  acceperunt.  Cumque  *^  ibi  et  idem 
domnus  aduenisset  et  non  parua  caterua  episcoporum  cardinalium- 
que  et  ceterorum  ordinum  collecta  fuisset,  congregatis  simul  tam 
dericis  |  quam  laicis    in   ecclesia   beatorum   martirum  lohannis  et 


f)  Romam  am  linken  Band  nachgetragen,         g)  op  ccrr,  am  ob.         h)  re- 
tur  airf  Basur,  i)  que  auf  Basur. 


6)  1112  XU,  vgl.  Jaff^-L.  I  p.  748. 

7)  Goncil  Yon  1113  II.,  vgl.  Jaffä-L.  I  p.  748. 

8)  1118  IIL  16. 

0)  ins  IV.  18. 

10)  1118  X.  6. 


Papstorkunden  in  Benevent  and  der  Capitanata.  69 

Pauli,  ex  precepto  domni  pape  prenominatus  W.  Troianus  episco- 
pas  per  aduocatam  suum,  uidelicet  lohannem  Romanam,  exegit  ab 
archiepiscopo,  ut  probationes,  quas  sepe  se  exhibiturum  promiserat, 
de*)  inuestiti|one  prefate  parrochie,  si  quas  haberet,  ostenderet *) ; 
ipse  enim  iastitie  Bcncuentane  ecclesi^  parere,  si')  eam  cognosceret, 
paratus  esset;  quod  si  non  haberet,  ne  Troianam"*)  ecclesiam  tot 
nexationibas  molestaret.  Ad  qu§  ille  per  aduocatam  suam  |  Pe- 
trmn  Transtiberinum  ita  rcspondit,  debere  causam  ab  initio  inci- 
pere  actioneinque  edere  atque  ad  probationem,  deinde  ad  finem  sie 
peroenire ,  aliter  autem  iudieium  fieri  non  debere.  Econtra  autem 
ita  responsum  est:  Si  iudieium  modo  initium  acciperet,  forsitan  ; 
dici  posset,  sed  quia  iam  diu  est,  quo  in  Romana  sinodo  initium 
accepit ,  episcopo  querelam  suam  ostendente  et  archiepiscopo  ex- 
ceptionem  eidera  opponente,  curia  quoque,  ut  hanc  exceptionem  iam 
sepe  nominatam  probaret,  preeipiente,  de  initio  iudicii  uel  |  de  edi- 
tione  actionid  iam  nunc  tractare  superuacuum  est,  cum  lis  iam  ad 
finem  per  episcoporum  sententiam  perducta  sit.  Cumque  ab  aduo- 
catis  hinc  et  inde  multa  de  hoc  narrarentur,  precepit  isdem  dom- 
nus  episcopis  et  cardinalibus ,  quia  iam  satis  ab  aduocatis  |  causa 
disceptata  fuerat ,  ut  surgerent  et  communi  consilio ,  quod  iustius 
oideretur,  dicerent.  Quod  et  feccrunt  et  reuersis  his  Albanensis 
episcopus  Rircardus  ex  consensu  aliorum  dixit :  Quia  in  Romane 
curie  conspectu  hcc  causa  tractata  iam  fuerat,  |  uideri  et  perfectum 
sumsisse  initium  et  litem  cuutestatam  neque  in  hoc  aduocatLs  am- 
plins  esse  immorandum.  £t  Troiano  episcopo  dixit,  quatenus  ac- 
ciperet consilium,  si  posset  probare,  causam  ita  olim  fuisse  agita- 
tam  in  sinodo,  sicut  asserebat,  et  onus  probationis  |  archiepiscopo 
impositum  fuisse,  uidelicet  ut  cogeretur  probare,  legal!  sententia 
siue  precepto  pape  Uictoris  se  possessionem  Biccari  accepisse.  Qui 
statim  consurg(»ns,  prudentum  uirorum  consilio  accepto  et  causa 
l>ene  ad  memoriam  reducta ,  |  reuersus  ad  iudieium  ita  respondit : 
Domini  ac  fratres  mei!  Quonium  Troianam  causam  in  conspectu 
totiofi  concilii  et  precipue  quorundam  uestrum,  qui  nunc  quoque 
interestis,  olim  actitatam  scio,  non  esse  aliis  probationibus  opus") 
ad  ocritatem  magis  uobis  delucidandam  |  pro  certo  credo.  Uiuunt 
enim  adhnc  gratia  dei  et^)  huic  intersunt  iudicio  quidam  ex  illis, 
qui  tunc  quoque  super  hac  eadem  causa  iudices  fuerunt  et  eam 
bene  «ciunt.      Quos  rogo  ueritatem  rei,  quam  ipsi  tractauerunt,  ad 


k)  de  ti&er  der  Zeile  nachgetragen.  l)  folgt  kleine  Basur.  m)  tir- 

$prünglidi   BeD(euentanaiD).  n)  opus   am   reiben  Band  nadtgetragen. 

o)  fdgi  kleine  Baaur, 


70  P*  Kehr, 

memoriam  reducere  et  eam  in  conspectu  |  omnium  circumastantium 
loco  testium  enarrare,  domnum  uidelicet  lohannem  Graietanom  dia- 
conum  cardinalem  et  domnum  Anastasium  qui  nunc  est  cardinalis 
sancti  Clementis  et  domnum  Riccardum  qui  nunc  est  Albanensis 
episcopus  et  iudices  Anagni^  Rambaldum  atque  Rofredum.  Oportet  | 
enim  iudices  causas  quas  sciunt  ad  memoriam  reuocare  et  ita  finem 
iustitie  consentaneum  ipsis  imponere.  Quo  dicto  iussione  domni 
pape  surrexerunt  et  consiKo  inter  se  habito  eundem  papam  cum 
ipsis  olim  huic  cause  iudicem  a  papa  Urbano  datum  |  fuisse  ad  me- 
moriam reduxerunt.  Unde  per  eundem  domnum  lohannem  diaco- 
num  cardinalem  eorum  consilio  interesse  rogauerunt.  Ipse  uero 
eorum  petitioni  annuens  surrexit  eorumque  consilio  interfuit  et  sie 
causa  ad  plenum  commemorata  testati  sunt,  omnes  se  interfuisse 
et  ne'cessitatem  probandi  Beneuentano  archiepiscopo  per  sententiam 
iussione  pape  Urbani  datam  et  eorum  consensu  comprobatam  olim 
impositam  fuisse  ^^  et,  nisi  probaret,  Troianam  ecclesiam  reinuestien- 
dam  esse.  Ueritate  igitur  ad  plenum  ita  comperta,  predicto  L. 
archiepiscopo  |  domnus  P.  papa  precepit  ut,  si  quas  iustas  proba- 
tiones  haberet,  ostenderet.  Qui  quamuis  prius  se  tunc  testes  ha- 
bere negaret  et  quasi  fugiendo,  donec  habere  posset,  se  non  debere 
grauari  submurmuraret,  ad  ultimum  tamen  consilio  habito  tres 
quos  I  ibi  habebat  testes  ostendit,  duos  presbiteros  et  unum  laicum. 
Quibus  separatim  a  prefatis  iudicibus  diligenti  examinatione  inter- 
rogatis  '^,  cum  nichil  ad  rei  ueritatem  sufficiens  dicerent,  iudicatum 
est  eorum  testimonium  nichil  ualere,  et  si  alios  haberet  |  ut  isdem 
archiepiscopus  eos  representaret.  Qui  ad  solitum  dilationis  diffu- 
gium  adhuc  quoque  decurrere  desiderans ,  dixit  se  utique  alios 
testes  Beneuenti  habere,  quos  pro  nimia  eiusdem  ciuitatis  oppres- 
sione  secum  ducere  non  ualuerat.  Tunc  quasi  ex  abundanjti  sibi 
papa  contra  hec  ita  respondit:  Faciamus  ergo,  frater,  in  hoc  con- 
iientu,  quod  in  conciliis  frequenter  fieri  uidimus,  uidelicet  ut  no- 
mina  testium  scribas  et  scripta  nobis  ostendas  et  postea  sacramento 
certifices,  quod  pro  sola  guerr§  oppressione  \  tecum  eos  ducere  non 
potuisti  et  quia  in  certo  ac  statuto  termino  in  presentia  nostri 
illos  representabis.  Quod  ille  audiens ,  se  hoc  facturum  omnino 
refutauit.  Sicque  causa  melioris  consilii  res  in  alterum  diem  di- 
lata  est.  Et  quia  eo  die  infir|mari  uidebatur,  nuntiis  a  domno 
papa  pro  se  missis  uenire  non  posse  respondit,  atque  ita  etiam 
tunc  in  alterum  diem  causa  protracta  fuit.  Mane  itaque  facto  dom- 
nus  papa    cum    episcopis   et    cardinalibus    in   domo   canonicorum 


p)  faise.  q)  folgt  Jcltine  Basur. 


Papsturkonden  in  Benevent  und  der  Capitanata.  71 

Ferentinatmn  qa§  sita  est  |  iuxta  ecclesiam  beati  Petri'  conaenit 
ibique  communicato  fratrum  consilio  utramque  personam  adnenire 
mandanit.  Qaibns  in  medio  positis,  domnus  Riccardus  Albanensis 
episcopas  ex  precepto  domni  pape  et  ceterorum  fratrum  consensu 
seilten  Itiam^  quam  in  seereto  firmauerant,  coram  omnibns  qai  ade- 
rant  tarn  clericis  quam  laieis  studiose  recitando  pronuntiaoit  et 
Troianam  ecclesiam  de  sapramemorata  parrochia  inaestiendam  esse 
iadicaoit.  Tone  dominus  papa  predicti  |  Albanensis  episcopi  podium 
accipiens  in  manibus  domni  W.  Troiani  episcopi  posuit  et  per  il- 
lud  Troianam  ecclesiam  de  parrochia  Bicari  in  integrum  reuestiuit, 
salua  tarnen  querela  Beneuentane  ecclesi^  suo  tempore  et  suo  loco.  | 
EGO  JOHANNES  ROMANVS  CAVSIDICVS  HVIVS  VLTIME 
DIFFINITIONIS  PRO  TROIANA  ECCLESIA  ADVOCATVS  EX  PRE- 
CEPTO do:mini  pape  aliorvmqve  fratrvm  consensv  qve 

VIDI  ATQVE  I  AVDIVI MANV  PROPRIA  SCRIBERE  CVRAVI .  AKSO 
PONTIFICATVS  DG^illNI  W.  TROIANI  EPISCOPI  8EPTIM0.  | 

Actum  Ferentini,  indictione  supradicta  VII,  coram  presentia 
domini  PASCALIS  pape  secundi  et  episcoporum  cardinaliumque  seu 
etiam  iudicum  aliorumque  nirorum,  quorum  nomina  suptus  scribun* 
tur,  septimodecimo  |  kal.  nouemb.,  dominice  incarnationis  anno 
millesimo  centesimo  XIIII,  pontificatus  autem  eiusdem  domni  P. 
anno  XV.  | 

Hü  autem  sunt  qui  interf nerunt :  Riccardus  Albanensis  episco- 
pus,  Cono  Prenestinus,  Leo  Hostiensis,  Agustinus  Ferentinas,  Cres- 
centius  Alatrinus,  Letus  Berolanus,  Berardus  Marsicanus,  «> 

Alifanus,  Anastasius  cardinalis  sancti  |  Clementis,  Boso  cardinalis 
sancte  Anastasie,  dominus  lohannes  bibliothecarius  atque  diaconus 
sancte  Marie  scole  Grece,  Aldo  diaconus  sancti  Sergii,  Petrus  Petri 
Leonis  diaconus  sancti  Cosme^^j,  Gregorius  diaconus  sancte  Lucie, 
qui  eiusdem  corporalis  |  inucstitionis  ab  eodem  papa  delegatus  fuit, 
Petrus  Pisanus  sancti  Adriani  diaconus,  iudex  Guidonis  Romanus, 
Anagnie  uero  iudices  Rambaldus  atque  Rofredus,  Leo  Albanensis 
aduocatus,  Leo  Fraianspanem,  Gualfredus  et  lohannes  |  Benedict!, 
Leo  de  Fomone  et  Bortraimua  frater  eins,  Lando  de  Pofe  cum 
filio  suo  ^)  et  Gregorio   sororis'^>   sue   et  comitis  Gregorii*^ 

filio,  Petrus  Racterii  atque  Crescentius  consules  Anagnini.  | 

Sane  ad  comprobandam  huius  membrie  ueritatem  dominus  papa 
Paschalis  kartulam  hanc  sigilli  sui  prccepit   impressione  signari, 

g)  Lücke  für  den  Namen,  r)  ursjnünglich  sorie.  8)  00. 


11}  Der  sp&tere  Auaclet  II. 


72  P.  Kehr, 

per  manuin  uidelicet  predicti  domni  lohannis  diaconi  cardinalis  et 
bibliothecarii. 

B.  dep. 


8. 

Gelüsius  II.  gibt  ßr  das  Kloster  S.  Sophia  zu  Benevent  IndnU 
genz, 

Benevent  1118  April  18, 

Copie  saec.  XIV  Benevent  Archivio  capitolare  (voL  XLVIII 
Nr.  11). 

Daß  die  beiden  Urkunden  Gelasius  IL  und  Cdlixfs  II.  (Nr.  9) 
Fälschungen  sind ,  bedarf  keines  Beweises.  Das  EschatokoU  der 
Indulgenz  Gelasius  II.  ist  dessen  Urkunde  J-L.  6643  vom  gleichen 
Tage  entlehnt;  doch  ist  der  Ort  Capua  in  Benevent  verändert;  fer- 
ner sind  einige  apokryphe  Cardinalsunterschriften  hinzugefügt. 

Gelasins  episcopas  seruus  seruorum  dei.  Uniuersis  presentes 
litteras  inspectnris  salutem  et  apostolicam  benedictionem.  üite 
perhennis  gloria,  qua  mira  benignitas  conditoris  altius  beatam  co- 
ronat  aciem  omniam  cioium  supernorum,  a  redemptis  pretio  san- 
guinis fusi  de  pretioso  corpore  redemptoris  meritorum  debet  acquiri 
uirtute.  Inter  que  illud  esse  pregrande  dinoscitur,  quod  ubique  in 
sanctorum  precipue  ecclcsiis  maiestas  altissimi  collaudetur  a  mi- 
nistris  fidelibus  lesu  Christi.  Rogamus  itaque  uniuersitatem  ue- 
stram  et  hortamur  in  domino  lesu  Christo,  in  remissionem  uobis 
peccaminum  iniungentes,  quatenus  ecclesiam  seu  monasterium  sancte 
Sophie  dilectorum  filiorum  abbatis  et  monachorum  ordinis  sancti 
Benedicti  regulam  profitentium ,  quod  quidem  monasterium  infra 
menia  ciuitatis  nostre  Beneuentane  esse  dinoscitur,  imploraturi 
delictorum  uestrorum  ueniam  in  humilitatis  spiritu  accedatis.  Nos 
enim,  ut  Christi  fideles  per  propria,  que  de  bonis  uobis  a  deo  col- 
latis  ipsi  ecdesie  sancte  Sophie  in  subscriptis  festiuitatibus  et  die- 
bus  soUempnibus  per  totum  anni  circulum  deuote  contuleritis ,  tcd 
etema  merita  in  celesti  patria  inuitemus ,  de  omnipotentis  dei  mi- 
sericordia  et  beatorum  Petri  et  Pauli  apostolorum  eins  auctoritate 
confisi,  Omnibus  in  Christo  uere  penitentibus  et  confessis,  qui  ad 
ecclesiam  seu  monasterium  ipsum  sancte  Sophie  in  singulis  festiui- 
tatibus et  transfiguratione  domini  et  omnibus  festiuitatibus  beate 
Marie  uirginis,  in  translatione  beati  Mercurii  et  in  passione  eius- 
dem,  in  translatione  quoque  et  in  passione  sanctorum  Xu  fratrum 
et  aliorum  triginta  sanctorum  martirum  scilicet  et  confessorum, 


Papstnrkanden  in  Benevent  nnd  der  Capiianata.  73 

qaonun  corpora  in  dicto  monasterio  requiescunt ,  sicut  nobis  ple- 
narie  et  euidenter  constitit,  ac  etiam  in  singnUs  festioitatibus  et 
festiois  diebos  inaentionis  et  exaltationis  sancte  cracis,  beati  Mi- 
chaelis archangeli,  beati  lohannis  baptiste,  natinitatis  domini  nostri 
lesa  Christi,  dominice  resorrectionis,  in  die  ascensionis,  pentecosten 
nee  non  et  in  singnlis  festiaitatibns  XII  apostolorom  et  Septem  diebns 
immediate  seqnentibus  festiuitates  predictas  et  in  omnibus  diebns 
dominicis  per  totnm  anni  circulnm  cansa  denotionis  similiter  ad 
ecclesiam  et  monasteriam  ipsnm  sancte  Sophie  et  ad  capellas  eidem 
monasterio  sabiectas,  uidelicet  ecclesia  sancte  MARIAE  de  Casal- 
arbore  cnm  omnibns  aliis  ecclesiis  et  capellis  ab  ipso  monasterio 
sancte  Sophye  dependentibus ,  accesserint,  annnatim  pro  singnlis 
festinitatibns  et  soUempnitatibns  supradictis  decem  annos  et  tre- 
centos  dies  de  iniuncta  ipsis  penitentia  misericorditer  in  domino 
relaxamns;  predictam  nero  concessionem,  nt  snperins  declaratnm 
est,  ipsi  monasterio  in  perpetunra  nalitnram.  Nnlli  ergo  omnino 
hominom  liceat  hanc  paginam  nostre  concessionis  infringere  nel  ei 
ansa  temerario  contraire.  Si  qnis  antem  hoc  attemptare  presnmp- 
serit,  preter  indignationem  sedis  apostolice,  qnam  se  nonerit  incor- 
snrmn,  a  sacratissimo  corpore  ae  sangnine  dei  et  domini  nostri  re- 
demptoris  lesn  Christi  aliena  fiat  atqne  in  extremo  examine  di* 
stricte  nltioni  snbiaceat.  Canctis  antem  ea  qne  dicta  snnt  per  nos 
ipsi  monasterio  concessa  sernantibns  et  impedimentnm  aliqnod  non 
prestantibus  sit  pax  domini  nostri  lesa  Christi,  qnatenns  hie  frnc- 
tmn  bone  actionis  percipiant  et  apnd  districtnm  indicem  premia 
eterne  pacis  inneniant.    AMEN. 

Ego  GELA8IUS  catholice  ecclesie  episcopns.    Bene  nalete. 

Ego  Petrus  Portuensis  episcopns  consensi  et  snbscripsi. 

Ego  Hugo  cardinalis  presbyter  titnli  apostolornm  consensi  et  ss. 

Ego  Petras  cardinalis  tituli  sancte  Sasanne  ss. 

Ego  Albinus  diaconns  cardinalis  sancte  Minerne  ss. 

Ego  Arditio  diaconns  cardinalis  tituli  sancti  Theodori  snbscripsi. 

Ego  Marcus  presbyter  cardinalis  consensi  et  snbscripsi. 

Ego  Oderisius  diaconns  cardinalis  tituli  sancte  Agathe. 

Ego  Hugo   cardinalis  tituli   apostolornm  prouisor  Beneuentane 
curie  consensi  et  ss. 

R. 

Data  Beneuenti  per  manus  Grisogoni  sancte  Romane  ecclesie 
diaconi  cardinalis,  XIHP.  kal.  madii,  indictione  XI*,  anno  dominice 

incamationis  M  .  C .  XVIII ,'  pontificatus  antem  domini  Gelasii  pape 
secondi  anno  primq.    Amen. 


74  P.  Kehr, 

9. 

Calixt  IL  nimmt  das  Kloster  S.  Sophia  eu  Benevent  unter  dem 
Abt  Johannes  in  den  apostolisclwn  Schutz  und  bestätigt  ihm  die  von 
Gelasius  IL  gewährte  Indulgenz  und  alle  Privilegien. 

Lateran  1123  Januar  5. 

Copie  saec.  XIV  Benevent  Archivio  capitolare  (vol.  XLVIII 
Nr.  11). 

Diese  Urkunde  Calixts  IL  ist  ebenso  wie  die  Gelaaius  IL 
(Nr.  8)  eine  grobe  Fälschung.  Doch  könnten  einzelne  Theile  und 
besonders  Rota  und  Datirung  (diese  wohl  J-L.  7004)  einem  ech- 
ten Privileg  entlehnt  sein.  Aber  die  Cardinalsunterschriften  gc- 
Iwren  Innocenz  III.  oder  Honorius  HL  an. 

Callixtus  episcopus  seruus  seruorum  dei.  Uniuersis  Christi 
fidelibus  presentes  litteras  inspecturis  salutem  et  apostolicam  be- 
nedictionem.  Accedens  ad  presentiam  nostram  Johannes  dilectns 
filius  in  Christo  abbas  monasterii  sancte  Sophie,  quod  infra  menia 
ciaitatis  nostre  Beneuentane  situm  esse  dinoscitur,  nobis  humiliter 
sapplicaait,  ut  indulgentias  et  concessiones  ipsi  monasterio  indultas 
per  condam  Gelasium  pontificem  predecessorem  nostrum  confirmare 
et  de  nouo  de  speciali  gracia  sedis  apostolice  ipsas  indulgentias  et 
concessiones  iuxta  tenorem  priuilegii  uestro  monasterio  indiilti  per 
predictum  condam  Gelasium  pontificem  concedere  dignaremur.  Cuius 
sapplicationibus  clementer  annuimus  et  prephatum  monasterium 
sancte  Sophie,  quod  beati  Petri  cameram  reputamus,  sub  protec- 
tione  nostra  benigne  suscipientos,  predictas  indulgentias  et  conces- 
siones ipsi  monasterio  indultas  per  prephatum  Gelasium  predeces- 
sorem nostram  iuxta  tenorem  priuilegii  sibi  indulti  auctoritate 
apostolica  et  fratrum  nostrorum  consilio  deliberatione  prehabita 
confirmamus  et  de  nouo  concedentes  ipsi  sancto  monasterio ,  quod 
in  singulis  festiuitatibus  ipsis  in  supradicto  priuilegio  dcclaratis 
ob  reuerentiam  dei  et  beati  Mercurii  et  sanctorum  XII  fratrum, 
quorum  corpora  in  dicto  monasterio  requiescunt,  sicut  in  supra- 
dicto priuilegio  condam  Gelasii  pape  predecessoris  nostri  plenarie 
et  euidenter  constitit,  auctoritate  predicta  de  speciali  gracia  nostra 
Omnibus  in  Christo  uere  penitentibus  et  confessis,  qui  ad  monaste- 
rium ipsmn  et  ad  omnes  alias  ecclesias  ab  ipso  monasterio  depen- 
dentes  causa  deuotionis  accesserint  et  de  bonis  a  deo  sibi  coUatis 
ipsi  monasterio  sancte  Sophye  et  sancte  Marie  de  Casalarbore  et 
Omnibus  aliis  supradictis  manus  porrexerint  adiutrices,  duos  annos 
et  trecentos  dies  de  iniuncta  ipsis  penitentia  misericorditer  in 
domino  relaxamus.     Preterea  omnes  libertates  et  immonitates  a 


Papstorknnden  in  Benevent  und  der  Capiutnata.  76 

predecesBoribas  nostris  BrOmanis  pontificibus  monasterio  oestro  et 
aliis  ecclesiis  prelibatis  concessas  nee  non  libertates  episcoporum, 
exemptiones  seeolariam  exaetionum  ab  impcratoribas  regibus  et 
principibos  ael  aliis  Christi  fidelibus  rationabiliter  aobis  indultas 
aactoritate  apostolica  confirmamas  et  presentis  scripti  patrocinio 
commuiumas ;  predieta  uero  concessione  et  confirmatione  sacra  per 
nos  ipsi  monasterio  et  aliis  ecclesiis,  at  superias  declaratom  est,  in 
perpetaam  nalitura.  Si  qua  igitiir  in  futuram  ecclesiastica  secu« 
larisae  persona  hanc  nostre  confirmationis  et  concessionis  paginam 
scienter  contra  eam  uenire  temptanerit,  secundo  tertioue  conunonita 
nisi  reatam  snom  congrua  satisfactione  correxerit,  potestatis  ho- 
norisqae  sui  dignitate  careat  reamque  se  dioino  iadicio  existere  de 
perpetrata  iniquitate  cognoscat  et  a  sacratissimo  corpore  ac  san- 
goine  dei  ac  domini  redemptoris  nostri  lesu  Christi  aliena  fiat  at- 
qoe  in  extremo  examine  districte  oltioni  sabiaceat.  Cnnctis  antem 
eidem  loco  sua  iura  seraantibus  sit  pax  domini  nostri  lesu  Christi, 
qaatenos  hie  fractnm  bone  actionis  percipiant  et  apad  districtmn 
iadicem  premia  eterne  pacis  inaeniant.     Amen. 

Ego  Calistns  ecclesie  catholice  episcopns. 
Ego  Pelagios  Albanensis  episcopns. 
Ego  Petms  Sauinensis  episcopns. 

Ego  Leo  titnli  sancte  crucis  in  lernsalem  presbj^er  cardinalis. 
Ego  Petras  sancte  Potentiane  tituli  Pastoris  presbyter  cardinalis. 
Ego  Robertas  titnli  sancti  Stephani  in  Celio  monte  presbyter  car- 
dinalis. 
Ego  Stephanus  basilice  XII  apostolorum  presbyter  cardinalis. 
Ego  Thomas  tituli  sancte  Sanine  presbyter  cardinalis. 

Ego  Almas  diaconos  cardinalis. 

Ego  Oetanianns  diaconos  cardinalis. 

Ego  Gregorins  diaconns  cardinalis. 

Ego  Gaido**>  diaconns  cardinalis. 

Ego  Aldebrandinas  diaconns  cardinalis  ^\ 

Data  Laterani  per  manas  Ugonis  sancte  Romane  ecclesie,  no- 

0        0 

nas^)  ian.,  indictione  prima,  incarnationis  dominice  anno  M  C  XXIII '>, 
pontificatns  aatem  domni  Calixti  pape  secnndi  anno  qnarto. 

R. 


a)  Quidias.  b)  die  Beihenfolge  der  (JardindlsubseripHoneH  islin  der 

Copie  in  Verwirrung.  c)  es  igt  wM  tu  ergangen  subdiaconi,  III. 

d)  ACXXXIL 


76  P.  Kehr, 

10. 

Honorius  IL  bestätigt  den  Bürgern  der  Stadt  Troia  ihre  Rechte 
und  Gewohnheiten. 

Benevent  1127  Dejsefnber  5. 
Vinceneo  Aceto  Troia  sagra  I  f.  139^  Ms.  von  1728,  Troia 
Archivio  capitolare;  „II  presente  privilegio  si  conserva  nelV  archi- 
vio  delV  Universita  di  questa  cittä  intiero  e  con  piomho  pendente*^. 
Danach  Ant  Longhi  in  Ms,  XV  F,  45  p,  88  der  Nazionaibihlio- 
thek  in  Neapel. 

Honorius  episcopus  seruus  seruorum  dei.  Dilec.tis  filiis  Tro- 
ianis   beati  Petri   fidelibus   salutem   et  apostolicam  benedictionem. 

Fideles  et  deuoti  beati  Petri  et  sancte  Roman^  ecclesig  filii  sunt 
apostolicQ  charitatis  et  familiaritatis  brachiis  aretius  amplexandi. 
Quocirca  preeibus  uestris  exorati  rationi  postulationuin  uestrarum 
assensum  pr^bentes  dilectioni  uestrej  concedimus  : 

Ut  nullus  Troianus  habitator  tarn  raasculus  quam  feinina  per 
nos  uel  a  nobis  personam  suinmiftsam  perdat  uitain  seu  membrum 
su§  persona  nee  ad  suum  daranum  sine  legali  iudicio  capiatur"). 

üt  pr^dia  et  omnia  loca  TroianQ  ciuitatis  seeundum  antiqua**) 
imperatorum  pr^eepta  appenditia  sub  eiusdein  ciuitatis  ditione  re- 
stituantur. 

Ut  Troiani  episcopii  et  sanctorum  iusta^^  et  monasteriorum 
priuilegia  a  ducibus  facta  de  redditibus  et  hfjreditatibus  firina  et 
inuiolata  permaneant. 

Ut  casaleFogi^,  quod  utroque  iure  sibi  parauit''^  Troiano  red- 
datur  episcopio. 

Ut  in  eadcm  ciuitate  rector  sine  ciuium  expetitione  non  con- 
stituatur. 

Pr^dictam')  ciuitatem  ex  beati  Petri  patrocinio  ac  propriis  raa- 
nibus  non  eiiciamus  neque  castellum  in  eadem  ciuitate  uol  eius 
pertinentiis  fieri  pr^cipimus  uel  ficri  conscntiamus;  quod  si  factum 
faerit,  delere  conabimur. 

Ne  aliquis  inuitus  sine  urbis  commodo  uel  sanioris  partis  ci- 
uium consilio  in  hostem  ire  cogatur. 

Datio^  uel  adiutorium  a  nobis  uel  per  personam  a  nobis  sub- 
missam  nuUo  modo  requiratur,  sed  nee  rapinam  nee  uiolentiam  cui* 
libet  ciuium  faciamus  nee  fieri  permittamus. 

Non  a  nobis  eorura  aliquis  angarietur. 

Ut  mulieri  uiolentia  non  inferatur;  quam  si  quis  intulerit  uel 


a)    capietar.  h)  antiquam.  c)  iuste.  d)  parati 

e)  prf  ctam.  f)  data«. 


Papstorkunden  in  Benevent  und  der  Capitanata.  77 

81  homicidium  perpctrauerit  scu  furtum  aut  incendium  fecerit  uel 
aliqnem  membro  minuerit,  pugne  aquQ  ferrique  probatione  remota 
Longobarda  lege  iudicetur  ^. 

Appellatns  de  domini  uel  ciuitatis  prodicione  si  se  saeramen* 
talibus  idoneare  uon  potuerit,  a  parte  ciuitatis^)  omni  probatione 
remota  Longobarda  lege  iudicetur. 

De  c^teris*)  uero  maleficiis,  ex  quibus  uiginti  solidi  uel  supra 
iubetar,  non  supra  duos  solidos  exigatur  a  publico. 

De  bis  quidem  qu^  minoris  p^n^  sunt  usque  duodecim :  solidus 
unus'^  parti  public^  componatur;  inferiora  itaque  maleficia :  quindeeim 
nummoram  compositione*)  multetur,  sie  tarnen  ut  ma]§  pass^  pei*son§ 
ad  eiusdem  iram  placandam  secundum  iusto  extimantium  proui- 
dentiam  maleficus  condignum  honorem  uel  commodum  exibeat,  quod 
81  explere  noiuerit,  ei  secundum  legem  componat.  Si  uero  male 
passus  hoc  recipere  renuens  aliquod  ob  id  intulerit  maleficium, 
legali  pr^cepto  multetur,  a  quibus  excepta  sit  fornicatio  mulierum 
et  in  uigore  legis  relicta,  quarum  si  fuerit  coniuglum  subsequutum, 
nulla  sit  inde  compositio.  De  meretrice  tamen  uel  de  extraneis 
mulieribus ,  quarum  uita  nescitur ,  non  componatur  nee  inuita  sit 
eins  coniunctio  nuptialis. 

Serui  uero  uel  anzill^^  si  cum  uoluntate  dominorum  furtum 
fecerint"*),  domini  eorum  furtum  sibi  notum**)  reddant,  si  sine  uo- 
luntate dominorum,  furtum  tantum  reddant. 

NuUi  probatio  a  curia  imponatur,  sed  neqne  pugn^  ferri  uel 
aquQ  examen  appareat. 

De  rcmissis  sacramentis  non  sit  a  parte  curif  molestatio :  Fa- 
rens  parenti  secundum  legem  succedat;  cuique  uoluerit  testamen* 
tum  facere  legaliter  liceat.  Viatores  tamen  aut  peregrini  si  testati  ^^ 
obierinf^  bonorum  suorum  quarta  parte  curie  nostr^  dimissa,  re- 
liqua  ad  eorum  uelle  disponant,  qui  si  decesserint  intestati,  pan- 
nis,  sicut  antiqna  consuetudo  fuit,  hospiti  conseruatis  sua  omnia 
in  uestri  episcopi  potestate  deueniant  secundum  Roberti  ducis 
concessionem. 

Naturales  masculi  feminine  sub  patris  seu  parentum  potestate 
permaneant  et  uolentis  patris  seu  parentum  legali  beneficio  per- 
froantur^)  et  ad  naturalium  sine*")  descendentibus  decedentium  *>  suc- 
cessionem^  prozimi  a  parte  patris  legitimi  accedant*>. 


f)  iodicentur.            g)  ciuis.             h)  c^tero.             t)  uni.  k)  oompos 

inde.           l)  aogill^.             m)  fecerit.             fi)  DOtum?  noaum.  o)  stenü. 

p)  obierit.           q)    perfmatar.          r)  siae.          t)  decidentiam,  i)  sucoet« 
gioiM.          u)  acoenda&t. 


78  P-  Kehr, 

Ut  nnllas  in  eadem  ciuitate  ab  extraneo  iadicetur  nee  in  eins 
causis  diffiniendis  alias  iudieandus  daeatur. 

Ad  eeclesiam  confugientes  postquam  muros  attingerint,  uita 
condonata  et  integritate  corporis  eonsernata  de  commisso  male- 
ficio  iudicentor  *').  Fngaces  sine  iudicio  uel  curi$  notitia  non  ea- 
piantur. 

Ut  cuique  sua  iura  reddantur,  exceptis  omnibas  quQ  sunt  nobis 
concessa  a  ciuibus,  qu$  omnia  libere  et  sine  calumnia  in  modo'^ 
proprio  dominio  permaneant. 

Omnibus  in  eadem  ciuitate  habitantibus  introitus  et  exitus 
cum  suis  Omnibus  libere  existat,  excepto  si  de  debito  aliquo  uel 
maleficio  fuerint  appellati,  unde  prius  eos  oporteat  idoneare. 

Alienatio  suarum  rerum  legaliter  facienda  nulli  sit  prohibita. 

Omnes  Troiani  una  lege  et  sub  uno  dominio  uiuant,  exceptis 
hominibus  reverendissimi  episcopi  et  abbatis  sancti  Nicolai,  sancti 
Angeli  de  Yrsaria,  monasterii  sancti  Nicolai  et  sancti  Angeli  de 
Rodingo,  qui  sub  eorum  dominio  maneant.  Exceptis  quoque  mili- 
tibus  qui  secundum  ueteres  usus  et  legem  suam  uiuant. 

Si  quis  uestrum  aliquem  ibidem  ab  habitandum  attraxerit,  se- 
cundum quod  cum  eo  pepigerit,  sit  sibi  concessum. 

In  monte  Grimaldi  si  quis  §dificauerit  domum,  et  omnium  gdi- 
ficiorum  fundi  §dificatornm  propra  fiant,  ita  tamen  quod  eundem 
montem  muro  et  fossato  ad  honorem  ciuitatis  ipsi  muniant. 

Casalina  ueterQ  ciuitatis  secundum  quod  unusquisque  possidet, 
suQ  proprietati  consociantur ,  sie  tamen  ut  eandem  ueterem  cini- 
tatem  muro  et  fossatis  ipsi  muniant. 

Pr^terea  qu§  infra  menia«'^  episcopii  continentur,  quQ'^  de  ip- 
sius  potestate  non  trahimus  et  ea  qu^  muro  ciuitatis  proxima  sunt, 
quQ')  nullius  proprietati  dimittimus. 

De  rebus  a  peregrinis  exemptis  uetus  consuetudo  seruetur. 

Troianus  incola  in  Troiana  ciuitate  uel  eins  pertinentiis  pla- 
teaticum  non  attribuat,  sed  ab  extraneis  uelut  hactenus  accipiatur« 

De  nulla  re  in  curia  per  placitum  recuperata  a  parte  publica 
tertia  requiratur.  In  terris  quQ  sub  sancta  iuxta  '^  sunt  certum  do- 
minum non  habentibus,  si  Troianus  habitator  laborauerit,  non  det 
inde  terraticum. 

Mulieres  carentes  parentibus  sub  curie  mundio  maneant. 

In  plateis  publicis  ab  utraque  parte  casalina  uel  casas  haben- 
tibus,  transeuntium  commodo  non  impedito,  liceat  arcus  leuare  et 
super  plateas  publicas  ad  suam  proprietatem  fdificia  faoere. 


tc)  iadicetur.  x)  nostro?  y)  monima.  $)  «ie. 


Papsturkundeo  in  Benevent  und  der  Capitanata.  79 

Et  generaliter  omnes  bonQ  consuetadines  in  eadem  ciaitate 
hucusque  uersat^  et  quQ  per  bonos  homines  memorari  possant,  per- 
petae  conseruentar  nee  a  nobis  nee  a  quolibet  peruertantar.  Malf 
aero  consaetudines  nullo  modo  memorentar. 

Ego  Honorins  catholicQ  ecclesie  episcopus. 

Ego  Mattheas  Albanensis  episcopus. 

Ego  Petras  cardinalis  presbyter  tituli  sancte  Sasann^. 

Ego  Romanas  diaconas  cardinalis  sancte  Mari^  in  Portica. 

Ego  Albertas  diaconus  cardinalis  sancti  Theodori. 
Datam  Beneaenti  per  manas  Aimerici"^  sancte  Roman^  eccle- 
si^  diaconi  cardinalis  et  cancellarii,  nonis^^    decembris,   indictione 
Vl\  incarnationis  dominic^  anno  M.O.XXVn,    pontificatas   autem 
domni  Honorii  secandi  pap^  anno  m. 

a)  Almerioi.  h)  nono. 

11. 

Hadrian  IV.  nimmt  die  Kirche  von  Troia  unter  dem  Bischof 
Wilhelm  in  den  apostolischen  Schute  und  bestätigt  ihr  das  Privileg^ 
daß  der  Bischof  immer  vom  apostolischen  Stuhl  die  Weihe  empfange, 
die  Besitzungen  und  die  bisc1u>flichen  Rechte,  insbesondere  die  Weihe 
des  Abtes  von  S.  Maria  Üoronata ,  dessen  Benediction  der  Papst  für 
den  Fall  der  Abwesenheit  des  Bischofs  in  Sizilien  übernimmt, 

Benevent  1156  Juli  6. 

Orig.  Troia  Archivio  capitolare  (C  Nr.  15).  —  Ebenda  Copie 
saec.  XIV  auf  dem  Rotulus  Super  Ute  int  er  Troianos  et  Foggienses 
und  bei  Vincenzo  Accto  Troia  sagra,  Ms.  von  17J28,  vol.  I  f.  152  ebenda 
=  Ant.  Longhi  Ms.  XV  F.  45  p.  39  Neapel  Bibl.  Nazionale. 

Effectum  iasta  postulantibas. 

Dat.  Beneuenti  per  manum  Rolandi  sanct^  Romane  QcclesiQ 
presbyteri   cardinalis    et  cancellarii,  U.  non.  iulii,   indictione  Uli, 

0000, 

incarnationis   dominice    anno  M.G.L.VI,    pontificatas  aero  domni 
ADRIANI  pape  IUI.  anno  secondo. 

B.  dep. 

Cardinäle:  Hubald  von  S.  Prassede,  Julius  von  S.  Marcelh, 
Gerard  von  S.  Stefano,  Heinrich  von  SS,  Nereo  e  Achilleo;  Guido 
von  8.  Maria  in  Porticu. 

12. 

Alexander  III.  entscheidet  im  Ptacitum^  daß  der  Abt  von  S.  Jih 
kanmes  in  Lama  die  dem  klagenden  Abte  Johannes  von  8.  Sophia  in 


80  P.  Kehr, 

Benevent  unrechttmßig  entzogenen  Besitzungen  in  Francisca  in  Apu- 
lien  zurückgeben  soll. 

Benevent  1167, 
Orig.   Benevent  Orfanotrofio  femminile  di  S.   Füippo    (Ärchivio 
di  S.  Sofia  vol.  VIII  Nr.  9). 

Der  AM  gehört  wohl  in   die  zweite  Hälfte  des  August  1167 
(vgl.  J-L.  11359—11361). 

f  Jü  nomine  domini.  Anno  dominice  [incarnationis  millesimo 
8e]xagesimo  septimo  et  octa[uo  pontificatus]  domni  Alexandri 
tertii  s[ammi   pontificiis    et   aniuersalis  |   papQ],    quintadecima   in- 

d[ictione ]   lolianne   iudice    institutum   de    hoc  [ 

Benjenentano  palatio  in  presentia  [domni  Alexandri]  |  tertii 
sammi  pontificis  et  uniuersalis  pape,  domni  B[ernardi  Portjuen- 
813,  domni  Guidelmi  Papiensis  episcopi  et  cardinalis,  domni  AI- 
berti  cardinalis  et  quam  plurium  hominum  et  |  mei,  domnas  lo- 
hannes  uenerabilis  sancte  Sophie  et  domnus  ^^  abbas  sancti  lo« 
hannis  qui  dicitur  in  Lama  residerent,  surrexit  domnas  lobannes 
abbaa  sancte  Sophie  et  cojram  domno  papa  et  predictorum  cardi- 
nalium  et  aliorum  hominum,  qui  ibi  residebamus,  de  predicto  ^) 
abbate  sancti  lohannis  in  Lama  querimoniam  preponere  ce|pit,  quod 
ipse  quasdam  terras,  quas  monasterium  sancte  Sophie  in  Apulia 
in  loco  qui  dicitur  Francisca  possidebat,  iniuste  et  sine  aliqua  ra- 
tione  inuasejrat,  unde  predictus  abbas  sancte  Sophie  querebat  a 
domno  papa,  inde  sibi  iustitiam  exhiberi.  Audiens  autem  hec 
domnus  Alexander  papa  precepit  predicto  |  ^^  abbati  sancti  lohan- 
nis in  Lama,  ut  terras  quas  malo  ordine  inuaserat,  sancte  Sophie 
monasterio  restitueret  aut  per  interpositas  perjsonas  ad  conue- 
nientie  concordiam  deueniret  aut  iudiciario  ordine  predicto  lohanni 
abbati  sancte  Sophie  super  hoc  responderet.  Et  ut  |  hec  omnia  que 
preleguntur  obliuioni  non  tradantur,  hoc  scriptum  inde  fieri  pre- 
cepi  et  a  te  Trasemundo  notario  taliter  scribi.  Ego  |  Trasemundus 
notarius  interfui.  | 

fEGO  QVI  SVPRA  JOHANNES  IVDEX. 


a)  Lücke  im  Text  für  den  Namen. 

13. 

Alexander  III.  nimmt  die  Kirche  von  Troia  unter  dem  Bischof 
Wilhelm  in  den  apostolischen  Schutz,  bestätigt  ihr  die  Besitzungen 
und  die  bischöflichen  Hechte. 

VeUetri  1180  März  li. 


Papsturkaaden  in  Benevent  und  der  Capitanata.  81 

Orig.  Troia  Archivio  cajntolare  (G  Nr.  11).  —  Ebenda  Copie 
saec.  XIV  auf  dem  liotulus  Super  Ute  inter  Troianos  et  Foggienses 
wid  bei  Vincenzo  Aceto  Troia  sagra,  Ms.  von  1728  ^  vol.  I  f.  177\ 
ebenda  =  Ant.  Longhi  Ms.  XV  F.  45  p.  45  Neapel  Bibl.  Nationale. 

Ex  iniuücto  nobis. 

Dat.  Velletr.  per  manum  Alberti  sancte  Romane  ecclesie  pres- 
byteri  cardinalis  et  caneellarii,  IL  idus  martii,  indictione  XII,   in' 

0     0  0  0 

camationis  dominice  anno  M.C.LXX. Villi  ,   pontificatus  uero  domni 
ALEXANDRI  pape  IIL    anno   eins  XXI*. 

B.  dep. 

Cardinöie:  Ilubald  von  Ostia,  Tlieodinus  von  Porto  und  S.  Ru- 
fina, Btrnercdus  von  Pidestrina ;  Johannes  von  SS.  Giovanni  e  Paolo, 
Vivianns  von  S.  Stefano  in  Celio  monte,  Hugo  von  S.  demente,  Ma- 
theus  von  S.  Mnrcello;  Laborans  von  S.  Maria  in  Partien^  Rainer 
von  S.  Giorgio  in  Velabro,  Johannes  von  S.  Angelo,  Matheus  von  S. 
Maria  Nuava. 

14. 
Lucius  III.  nimmt  das  Kloster  8.  Salvatore  de  Fagäo  unter  dem 
Prior  Johannes  in  den  apostolischen  Schutz,  bestätigt  ihm  die  Regel 
dfs  h.  Benedict  und  die  Besitzungen,  dazu  nach  dem  Vorgange  Alex- 
amiers  III.  die  Kirche  des  h.  Bartholomaeus  de  Vaccaricia  nach  der 
Sciienkung  weiland  Abts  Romald  von  S.  Nicolaus  in  Troia,  und  be- 
stätigt das  Verhältaiß  des  Klosters  zu  dem  genannten  Kloster  in 
Troia,  gewährt  die  freie  WaJd,  das  Aufnahmer ecld,  Freiheit  vom  In- 
tcrdict  und  das  Begräbnißrecht. 

Anagni  1184  Februar  24  (25). 

Orig.  Troia  Archivio  capitolare  (V  Nr.  23).  —  Datiach  bei  Vin- 
cenzo  Aceto  Troia  sagra,  Ms.  von  1728,  vol.  I  f.  182'  ebenda. 

Qaotiens  a  nobis. 

Dat.  Anagnie  per  manum  Alberti  sancte  Romane  ecclesie 
presbyteri  cardinalis  et  caneellarii ,  VI.  kal.  martii,  indictione  U, 
incarnationis  dominice  anno  M.C.LXXX.niy  pontificatus  nero 
domni  LUCII  pape  III.  anno  III. 

B. 

Cardinäle:  Theodinus  von  Porto  und  S.  Rufina,  Heinrich  von 
Albano,  Patd  von  Palestrina;  Johannes  von  S.  Marco,  Petrus  von 
S,  Susanna,  Laborans  von  S.  Maria  in  Trastevere,  Pandulf  von  SS. 
Apostoli;  Jacinihus  von  S.  Maria  in  Cosmedyn,  Oraiian  von  SS. 
Cosina  e  Damiano,  Bobo  von  S.  Angdo,  Soffred  von  S.  Maria  in  Via 
lata,  Alhin  von  S.  Maria  Nuova. 

Kf  .  Om.  d.  Wi«.  Kac^rivkUA.    PkÜoloc.-kictor.  XImm  188a.    HA.  I«  6 


82  P.  Kehr, 

15. 

ürban  III.  nimmt  die  Kirchen  Ä  Andreas  de  Benevento  und  S. 
Trinitas  de  Palaiiolo  unter  dem  Prior  Johannes  in  den  apostolischen 
Schute  f  bestätigt  ihnen  die  Regel  y  die  Besitjntngen,  Freiheit  vom  In- 
terdict,  Wahlrecht  und  andere  Vorrechte. 

Verona  1186  Deeemher  1, 

Orig.  Benevent  Archivio  capitolare  (vol,  XL  Nr.  24).  —  Do- 
nocA  Copie  saec.  XVII  ebenda  (vol.  LXIV  Nr.  22). 

Die  Urkunde  lautet  vmüich  gleich  dem  Privileg  ürbans  III. 
von  1187  Februar  1  J-L.  15934  mit  Ausnahme  des  hier  fehlenden 
Salzes  De  apothecis  qnoque  nestris  aat  tabnlis  earam  nichil 
amplius  plateatici  siue  cuiaslibet  publice  fonctionis  nomine 
amodo  reqairatar,  quam  sab  antecessoribus  nostris  felicis  me* 
morie  ALEXANDRO  et  LUCIO  usque  nunc  constiterit  esse  re- 
ceptom. 

Optimam  inioncte. 

Dat.  Yerone  per  mannm  magistri  Moisi  Lateranensis  canonici, 
kal. ")    decembris,    indictione    V**,    incarnationis    dominice    anno 

0         0 

M .  C .  LXXXVI**,   pontificatus  uero    domni  URBANI  pape  III.  anno 
secundo. 

B.  dep. 

Cardinäle:  Heinrich  von  Albano,  Paul  von  Palestrina;  Petrus  de 
Bono  von  S.  Susanna^  Laborans  von  S.  Maria  in  Trastevere,  Pandulf 
von  SS.  Apostolij  Melior  von  SS.  Giovanni  e  Paolo,  Adelard  von  S. 
Marcello;  Jacinthus  von  S.  Maria  in  Cosmedyn,  Grratian  von  SS. 
Cosma  e  Damiano,  Bobo  von  S.  Angelo,  Soffred  von  S.  Maria  in  Via 
lata^  Petrus  von  S.  Nicolo  in  carcere,  Badulf  von  S.  Giorgio  in  Ve- 
Idbro. 


a)  vorher  Rasur  von  VI. 


16. 

Urban  III.  nimmt  die  Kirchen  S.  Andreas  de  Benevento  und  S. 
Triniias  de  Palaiiolo  unter  dem  Probst  Johannes  in  den  apostolischen 
Schute  und  bestätigt  ihnen  die  Regel  des  h.  Augustin  nach  den  ihnen 
von  dem  Kanzler  Albert  Cardinalpriester  von  8.  Loreneo  in  Ludna 
gegebenen  Statuten. 

Verona  1187  Märe  26. 


Papstarkunden  in  BeneTent  and  der  Capitanata.  83 

Orig.  Benevent  Arch.  capitolare  (Pergamene  a  parte  Nr.  14).  — 
Danach  Copie  van  1694  ebenda  (vol.  XXIX  Nr.  XIV  p.  118). 

ÜRBANVS  EPISCOPVS  SERVVS  SERVORVM  DEI .  DILECTIS 
FILnS  lOHANNI  PREPOSITO  ET  FRATRIBVS  SANCll  ANDREE 
DE  BENEVENTO  ET  SANCl^E  TRINITATIS  DE  PALATIOLO  TAM 
PRESENTIBVS  QVA3f  FVTVRIS  CANONICAM  VITAM  PROFESSIS 
IN  PERPETVVM.  |  Cum  ex  iniuncto  nobis  a  deo  apostolatus 

officio  imiaersanun  ecclesiarum  profectibns  intendere  teneamar, 
super  eas  tarnen  que  in  Ulis  site  sunt  locis,  qae  ad  prouidentiam 
et  dominiam  beati  Petri  respiciont,  diligentiorem  caram  impendere 
no8  oportet,  precipue  nero  si  plantata  sit  in  eis  sacra  religio,  per 
quam  aliis  bone  |  opcrationis  detnr  exemplum  et  fractas  expectetor 
aberior  animaram.  Ex  eo  siqaidem  est  qaod  nos  rcligiosam  insti- 
tntionem  ecclesie  nestre,  que  per  dilectam  filiom  Albertam  titoli 
saneti  Laarentii  in  Lacina  presbyterom  cardinalem  et  cancellariom 
nostmm  facta  est,  ratam  habentes  et  uolcntes  ecciesias  ipsas  inxta 
nostri  officii  debitum  in  melius  |  promoucre ,  eas  sub  beati  Petri 
et  nostra  protectione  suscipimus  et  presentis  scripti  priuilegio  com- 
monimus.  Inprimis  siquidem  statuentes  ut  ordo  canonicus,  qui 
secundum  deum  et  beati  Augustini  regulam  in  loco  ipso  noscitur 
institutus ,  cum  aliis  regularibus  obseruantiis  per  huiua  scripti 
nostri  teuerem  expressis  perpetuis  ibi  temporibus  |  obseruetur,  sie 
tarnen  ut,  si  quid  circa  obseruantias  ipsas  uisum  fuerit  in  melius 
promouendum,  de  consilio  et  consensu  seniorum  et  meliorum  de 
domo  ipsa  ex  Romani  [po]ntificis  licentia  hoc  agatur.  Si  quis  sane 
ad  uos  accesserit  et  religionem  uestram  se  dixerit  uelle  recipere, 
non  statim  acquiescetis  ei,  sed  responsum  uestrum  in  suspenso  | 
ponetiB  et,  si  perstiterit  pulsana,  proponetis  ei  difficultatem  ordinis 
et  queretis ,  si  pauper  uelit  esse  pro  Christo ,  si  obcdientiam  ser- 
uare  preposito,  corpus  macerare  ieiuniis  atque  illecebris  continere, 
dimittere  in  se  peccantibus,  corporales  ferre  molestias,  opus  agere 
quod  iubetur  et  taliter  quantum  deus  dederit  se  habere,  ut  expo« 
liare  se  |  possit  ueterem  hominem  cum  actibus  suis  et  nouum  in- 
duere,  qui  secundum  deum  creatus  est  in  iustitia  et  sanctitate  ue- 
ritatis.  Quod  si  ad  hanc  inquisitionem  non  he8[itau]erit  diffidentia, 
sed  bonam  perseucrandi  spem  domino  donante  prebuerit ,  detur  ei 
beati  Augnstini  regula  cum  istis  institutionibus  ad  legendum,  et 
tunc,  si  constans  |  manserit  in  petendo,  confidenter  poterit  ad 
probationem  admitti.  Nichil  tarnen  pro  receptione  sua  promittat, 
nisi  tantum  si  habuerit  quod  ad  simplicem  habitum  su[um  secun]dum 
institutionem  domus  uisum  fuerit  expedire.   Tempore  quoque  proba- 

6* 


84  P-  Kehr, 

tionis,  si  facaltatem  habuerit,  de  proprio  indaatar,  ne  domum  cui 
utilis  ex  accessu  forte  non  |  extitit,  ex  recessu  afficiat  detrimento. 
Si  quis  autem  ultra  hoc  ante  plenam  receptionem  suam  quiequam 
dederit  aut  promiserit,  tarn  dantem  quam  accipientem  ab  omni  sa- 
cri  altaris  officio  tarn  diu  statuimus  remouendum,  donec  per  Ro- 
manam  ecclesiam  misericordiam  consequatur  et  ad  eins  arbitrinm 
culpam  suam  expurget.  Post  professionem  autem,  |  si  uel  is  qui 
recipitur  uel  amici  eins  gratis  aliquid  ecclesie  dare  uoluerint,  licite 
recipi  poterit  et  teneri,  dum  tarnen  tale  sit  quod  de  usuris  rapina 
uel  furto  non  constet  dantibus  prouenisse  et  de  quo  litigium  non 
uideatur  ecclesie  imminere;  quod  utique  in  cunctis  que  uobis  ab 
aliquibus  offerentur,  statuimus  obseruandum.  |  ßeceptio  alicuias 
sine  unius  ad  minus  anni  probatione  non  fiat,  nisi  forte  persona 
fuerit,  que  annum  quadragesimum  iam  transierit,  circa  quam  pro- 
fessionis  tempus  pot[er]it  breuiari ;  si  tamen  de  cuiusquam  moribus 
uisum  fuerit  dubitandum,  prolixior  de  illo  probatio  habeatur  nee 
professionem  aliquis  ante  faciat  quam  annum  uideatur  |  uicesimum 
compleuisse.  Nee  ignotus  quisquam  ad  ministerium  suscipiatur  al- 
taris ,  nisi  prius  per  episcopum  aut  ecclesiam  in  qua  seruiuit  seu 
alias  personas  [idojneas  compe[tente]s  de  ordinatione  ac  statu  ipsius 
testimonium  habeatur.  Si  facta  professione  aliquis  se  intemperanter 
habuerit  et  impatiens  discipline  ad  arbitrium  prepojsiti  ef^  non 
emendauerit  mores  suos,  tribuatur  ei  licentia  recedendi,  sie  tamen 
ut  non  reuertatur  ad  seculum,  sed  ad  religionem  aliam  transeat, 
in  qua  intirmitati  eins  melius  satisfiat.  Qui  si  postea  penitens  a 
uobis  misericordiam  postulauerit ,  uoluntatis  et  penitudinis  inqui- 
sitione  habita  diligcnti,  iuxta  id  quod  scriptum  |  est:  „Probate  Spiri- 
tus, si  ex  deo  sunt,''  recipiatur  ad  ueniam  et  seorsum  prius  ac  deinde 
cum  fratribus  iuxta  culpe  modum  ei  satisfactio  imponatur,  per 
quam  et  ipse  corr[ig]at  culpam  suam  et  alii  a  simili  deterreantur 
excessu.  Nee  uenianegetur  alicui,  dummodo  de  ipsius  emendatione 
bona  spes  possit  haberi  et  receptionem  suam  |  non  aliorum  instantia, 
sed  humilitate  propria  et  supplicatione  requirat;  non  enim  infra 
certos  terminos  misericordiam  oportet  includi,  dum  dominus  eam 
ad  numerum  uniue[rsijtatis  in  euangelio  decreuerit  extendendam. 
Fratres  post  receptionem  suam  nichil  proprium  retinebunt  nee  quie- 
quam accipient  nisi  ad  communem  utiiitatem  et  prejpositi  seu  prio- 
ris  licentia  precedente.  Vestimenta  fratrum  nigra  poterunt  esse 
nel  alba,  que  repellere  frigus  et  decenter  possint  tegere  nuditatem 
et  terram  [nujlla  parte  contingant;    togis  etiam  et  in  ecclesia  et 


a)  folgt  kleine  Basur* 


Papsturkonden  in  Benevent  and  der  Capitanata.  85 

extra  uti  nalebitis ;  qui  uelaminibus  snper  caput  opus  habuerint,  ca- 
patiis  sint  contenti ;    alia  secularia  |  uelamina  non  requirant,  cum 
apostoIoB  dicat:  „Omnis  uir  orans  siue  [prophetanjs  uelato  capite  de- 
torpat  caput  suum  et  beatus  Augustinus  :  „Nullus  in  psalmis  et  can- 
[ticis  spiritujalibus  uclamen  habeat  super  caput.  ^    Omnes    qui  pos- 
sunt  ad  arbitrium  prepositi  aut  alterius  qui  prefuerit  opera  faciant, 
que  loco  in  quo  manere  et  tenipori  |  congruere  uideantur.      In  ci- 
uitate  scribantur  libri,  suantur  panni,  conficiatur  panis  et  alia  bis 
similia,  extra  uero  in  agris  uineis  et  ortis  et  reliquis  m[ini]8teriis 
cum  ilaritate  fiat    quod   superiori   uisum    fuerit   conuenire.      Cum 
enim    beatus   Paulus    apostolua   precidendos    quosdam    ab    aliorum 
communione  proponat  qui  non  |   operabantur   sed   curiose  agebant, 
uos  etiam  oportet  insistere,  ut  de  labore  uestro  possitis  et  proui- 
dere  uobis  et  indigentibus  subuenire.    Quod  adeo  firmiter  statuimus 
obseruandum,  ut  si  aliquis  uestrum  operari  noluerit,  locum  ipsum 
deserere  compellatur,  cum  idem  apostolus  dicat :  „Qui  non  laborat, 
non  manducet."     Superior  etiam  |   offitii  sui  iacturam  incurrat,  si 
diligenter  id  non  fecerit  obseruari.    leiunium  continuum  erit  uobis 
ab  idibus  septembris  usqne  ad  dominicam  resurrectionem,  exceptis 
[trjibus  diebus  natiuitatis  dominice,  epiphania,  purificatione  et  festo 
omnium  sanctorum,   in   quibus    ieiunium   poteritis  sicut   in   diebus 
dominieis,  si  uolueritis,  relaxaro ;  qua|tuor  diebus  in  septimana  qua- 
dragesimalibus  cibis,  roHquis  uero,  oxcepto  aduentu,  caseo   et  ouis 
oti  ualebitis ,  si  uobis  f ucrint  ministrata.     Hoc  quidcm  cautius  ob- 
seruato,  ut  de  qualitato  cil)()rum  nuUus  debeat  murmurare.    Extra 
refectorium  nemo  canonicorum  bene  ualentium  manducet  aut  bibat; 
cellararius  |  slngulorum  necessitates   attendat   et,    si  quisquam  in- 
commoditate  propra  corporis  laborauerit,  prouideat  ut  oportet  tan- 
tnm,  ut  camea  in  refectorio  non  edantur  nee  extra  etiam,  nisi  magna 
qui«   debilitate   fuerit   aut   ex    modicina  soneotute   uel   infirmitatc 
grauatus.     Conuersis  tamen   laicis  in  dominicis  die1)us  et  magnis  | 
öoUempnitatibus,  si  in  tertia  uel  quinta  foria  uenerint,  si  facultas 
fuerit  et  uoluerint,    unum   forculum   carnium,    extra   canonicorum 
tamen  refectorium  ualo[b]it  apponi,   excepto  in  aduontu  et  soptua- 
gesima.    Canonici  quofiue  si  ex  ol)edientia  longe  fuerint  et  gratis  eis 
fuerit  parata  refectio,  illos  cibos,  si  reguläres  |  habere  nequiu(»rint, 
cum  modestia  et  gratiarum  actione  reripient,  s(»ruata  quidem  con- 
gmentia  temporis,  quo.s  hospos  bonus  eis  duxerit  apponendos;  a  malo 
quidem,  quantum  salua  pace    fieri    poterit,   statuimus  declinandum. 
A  pentecosten  usque   ad   festum    apostolorum   quatuor   diebus  in 
septimana,  exinde  duobud  aut  tribus  usque  |  ad  idus  septembris,  in 
cibis  quadragesimalibus  ieiunabitis,  nLji  aut  infirmitas  aut  ali^ois 


86  P.  ^ehr, 

grauis  labor  obsistat.  Duobus  autem  pulmentariis  in  parab3[ide] 
debetis  esse  contenti,  nisi  tertium  aliunde  uobis  ab  aliquo  ex  cari- 
täte  mittatur,  excepto  quadragesimali  tempore,  in  quo  ab  omnibus 
qui  possunt  districtius  est  |  uiuendum,  si  quid  preter  duo  fercula 
fuerit  apponendum  aut  ponatur  in  mensa  aut  cum  aliis  misceatur. 
Et  quia  deus  omnia  ereauit  sub  numero  ponde[re]  et  mensura, 
quod  inter  uos  statutum  est  nos  quoque  firmamuS)  ut  canonicorum 
numerus  professorum,  excepto  preposito,  uicesimnm  quartum  nume- 
rum  non  tran|scendat.  Et  possessiones  uestre  omnes  intra  Beneuen- 
tane  ciuitatis  territorium  includantur,  ita  ut  nichil  extra  recipere 
uobis  licoat  et  teuere,  nisi  quantum  ad  animalia  uestra  sufficiat 
nutrienda.  Si  que  uero  ecclesie  magisterio  uestro  se  deereuerint 
committendas ,  eritis  eis  in  bis  que  dei  sunt  et  temporale  ab  eis 
obsequium  |  non  queretis.  Parrochianos  aliarum  eeclesiarum  ad  se- 
pulturam  nullatenus  admittetis,  nisi  hoc  de  presbyterorum  suorum 
fuerit  uoluntate  aut  se  ad  coUegium  uestrum,  dum  corpore  ac  mente 
ualuerint,  deereuerint  transferendos;  neque  pro  cadaueribus  defe- 
rendis  egrediemini  septa  uestra,  ne  dum  queritis  placere  hominibus, 
quod  deo  displicere  possit  |  agatis.  Ad  regimen  domus  prepositum 
habeatis,  qui  omnium  curam  gerat,  et  sub  eo  priorem,  qui  babeat 
curam  claustri,  et  familiäres  idoneos  electos  a  d[omus  prejposito 
cum  ipsius  licentia  domus  ^)  substantiam  amministrent  et  ei  prepo> 
sito')  reddant  per  menses  singulos  rationem.  Cura  hospitum  et 
pauperum  |  uni  de  discretioribus  et  benignioribus  fratribus  iniun- 
getur,  qui  audiet  eos  et,  ut  expedire  uiderit,  caritatis  solatium  mi- 
nistrabit;  requiret  tamen  prius  ab  illis  [a]n  uiderit  admittendos, 
si  eis  que  fratribus  apponuntur  uelint  esse  contenti.  Ad  lauta  qui- 
dem  et  sumptuosa  cibaria  non  oportet  quemquam  admitti,  ne  dam 
illis  I  contra  uerbum  apostoli  fiet  remissio,  tribulatio  fiat  uobis  et 
aliis  quorum  conuenit  indigentie  subuenire,  salua  tamen  reuerentia 
personarum,  quibus  aut  pro  su[a]  h[on]estate  aut  pro  percepto  ab 
eis  beneficio  aliquantulum  accuratius  uidebitur  ministrandum.  Que- 
cumque  tamen  prestanda  sunt,  cum  ilaritate  prestentur  et  |  nulli 
maledictum  pro  maledicto  reddatur.  Sed  et  hoc  obseruari  debebit, 
ne  sub  hospitalitatis  optentu  res  pauperum  et  famulorum  dei  diui- 
tibus  huius  seculi  et  mundanis  hominibus  pro  uana  gloria  tribnan- 
tur,  cum  beatus  leronimus  dicat:  „Da  non  diuitibus,  non  potenti- 
bus,  sed  pauperibus,  da  non  ut  augeantur  opes,  sed  ut  inopia  susten- 
tetor'^  I  et  dominus  in  euangelio:  „Cum  facis  prandium  aut  cenam, 
noli  uocare  amicos  et  diuites  qui  te  reinuitent,   sed  uoca  pauperes 


h)  familiäres— domus  auf  Easur ;  es  fehlt  qui.  c)  preposito  auf  Rasur. 


Papstarkanden  in  Benevent  and  der  Gapitanata.  87 

et  debiles  qai  non  habent  retribaere  tibi ;  r[etr]ibnetar  autem  tibi 
in  resarrectione  iustorum.^  Si  frater  fratri  aut  alius  qailibet  in 
aerbo  uel  facto  iDiariam  quamcumqne  intulerit,  sastineat  patienter 
et  diseedendo  inde  |  oportunitatem  subtrabat  contendendi  nee  ui- 
cissitadinem  facti  seu  uerbi  mali  rependat;  cum  uero  commotio 
quienerit  animorum;  moneat  cam')  caritate  fraterna,  et  penitentiam 
agere  de  comnrisso  et  a  sirailibas  in  posterum  abstinere;  quod  si 
snperiori  dicendum  fuerit,  non  araore  uindicte  sed  causa  fiat  solum- 
modo  discipline,  ne  qai  |  peccanit^  aut  non  intelligat  culpam  suam 
aut  incorrectus  facile  recidat  in  id  ipsum.  Si  uero  quisquam  de  snb- 
stantia  domus  niolentiam  uobis  fecerit  et  ad  iudicem  oporta[er]it 
prouocari,  non  ante  hoc  fiat  quam  caritatiiie  ille  primo  a  uobis,  post 
ab  aliis  moneatur;  in  iudicio  uero  per  minoris  ordinis  clericos  aut 
conuersos  aut  laicos  bonos  |  causa  tractetur ;  qui  altaris  ministerio  sunt 
ascripti,  pro  rebus  transitoriis  nee  litigent  nee  faciant  inramentum, 
cum  apostolus  dieat:  ;,Nemo  militans  deo  impli[eet]  se  negotiis  se- 
cularibus'^  et  dominus  in  euangelio:  „Sit  sermo  uester  est  est,  non 
non,  quod  amplius  est,  a  malo  est^.  Cum  aliquem  fratrum  infir- 
mari  contigerit,  ad  curam  eins  |  frater  alius  conuersus  siue  clericus 
deputetur,  qui  ea  que  necessaria  sunt  inquirat  et  ministret,  sicut 
fuerit  ministrandum ;  infirmus  autem  delicata  nimis  et  8uper[fl]aa 
non  inquirat,  ne  curam  camis  in  desideriis  faeere  uideatur,  sed 
necessariis  et  que  facile  habeantur  eontentus  existat.  In  uendendis 
et  emendis  rebus  breuiloquium  |  teneatur  et  satis  sit,  si  semel  uo- 
luntatem  suam  exprimant  contrahentes,  cum  emere  carius  et  uen- 
dere  uilius  debeatis  et  non  oporteat  uestrum  reputare  dispendium, 
quod  in  utilitatcm  pronenit  aliorum.  Usuram  et  superabundantiam 
sub  nullius  umquam  aut  recipietis  aut  dabitis  necessitatis  uel  uti- 
litatis  optentu,  quia  non  potest  |  liber  esse  a  propriis ,  qui  peccatis 
communicat  alicnis.  Uasa  et  indumenta  sacra  plani  sint  operis  et 
coloris  unias,  que  kumilitatem  innuant  et  concordiam  [ani]morum; 
si  alia  data  fnerint,  non  habeantur  in  nsu,  sed  si  necessitas  super* 
uenerit,  in  alimoniam  pauperum  expcndantnr.  Nee  solnm  illa  sed 
alia  quoqne,  si  tanta  fucjrit  indigentia,  ut  duobus  solidis  cossina 
frumenti  uendatur,  in  subsi[diujm  transeant  egenorum  aut  etiam 
ciuitatiH,  si  contigerit  cam  ab  hontibus  obsideri.  Si  pro  necessitate 
domus  debitum  aliqnod  fuerit  contrahcndnro,  prius  fratribus  in  ca- 
pitulo  proponatur  et  cum  eorum  fiat  conscientia  et  assensu,  ut  sie 
et  dinpendium  caueatur  et  suspitioues  ac  |  murmura  euitentur.  In 
contractibus  qnoque  possessionum ,  ornatu  ecclesie  seu  librorom  id 


e)  eum  auf  Basur. 


88  P.  Kehr, 

ipsum  agatur;   quod   si   aliter  actum  fuerit,    ad  tenendiim  domut 
siue  conuentus  nullatenus  obligetur  nee  ad  soluendnm  nisi  uolueria 
teneatur.      Si  quis  fratrura  ad   superiores   ordines   petierit   promo- 
ueri,  postulationi  eius  minime  satisfiat,    sed  tarn  diu  |  in  suo  loco 
quiescat,  donee  a  preposito  ei  dicatur  ^Ascende  superius",  ne  dum 
foris  per  ambitionem  temptat  ascendere,  interius  decidat,  ubi  nemo 
nisi  per  hurailitatera  ascendit,    attestante  quippe   sacra   scriptura: 
;,Indignu3  est  sacerdotio  qui  non  fuerit  ordinatus  inuitus^  etalibi: 
^Sicut  qui  quesitus  refugit,    sacris  est   altaribus   admo|uendus,   ita 
qui  sponte  se  ingerit,  est  procul  dubio  repellendus".     NuUus  inter 
uos  missarum  appetat  sollempnia  frequentare,   sed  unicuique   satis 
sit,  exccpto  ebdomadario,  si  semel  in  septimana  licentiam   accipiat 
celebrandi.     Si  sane  accipere  uoluerit  eucaristiam,  de  manu  poterit 
recipere-^^  celebrantis;  cum  enim  ipsi  apostoli  raro  cele|brasse  cre- 
dantur,  temerarium  nimis  esse  uidetur,  ut  qui  uirtute   non  eminet, 
misteria  sacrosancta  frequentet;  cum  rai»a  etiam  celebratio  unicui- 
que possit  esse  terrori,    beato   Paulo   dicente:    „Probet  se   ipsum 
homo  et  sie  de  pane  illo  edat  et  de  calice  bibat.     Qui  enim  corpus 
domini  sumit  indigne,  iudicium  sibi  manducat  et  bibit."  |    Si  quis 
ad  quemquam  fratrum  accesserit  et  porrecta  oblatione   missam  ab 
eo  pro  quacumque  necessitate  sua   siue    suorum   petierit  celebrari, 
non   admittatur  eius  petitio,   ne   sub  temporali  mercede  poni  com- 
munio  sacra  putetur;    significetur  autera  priori  desiderium  eius  de 
habenda  oratione  fratrum  et  ille  pro  ipso  denuntiet  omnipotcntis  | 
dei  misericordiam  exorandam.    In  capitulo   etiam,  si  tempus  fuerit, 
ipse  proponat,  ubi   beneficiorum  quoque   commemoratio   est   fienda, 
que  uobis  ab  aliquo  tribuentur;  gratias  deo  in  comune  reddantur  et 
pro   eo   qui  contulit  oratio  fundatur   ad  deum.    In  soUempnioribus 
diebus  exhortationis  uobis  sermo  non  desit,  sed  per  prepositura  aut 
aliquem  |  fratrum  quod  uos  et  alios  edificet  proponatur.     Et  si  ex 
uobis  oportunitas  hoc  agendi  forte  defuerit,  alius  qui  hoc  faciat  in- 
uitetur.     Prepositus  sane  apud  Palatiolum  eligatur,  extraneis  laicis 
cunctis  absentibus,  per  quos  ulla  ualeat  turbatio  suboriri.    Rogentur 
autem  abbates  ciuitatis  uel  duo  ex  melioribus  et  maioribus  ecclesic 
maioris  |  adesse  uel  alie   bone  persone,    si   iste   defuerint,    ut  per 
earum  consilium  et  fauorem  et  foueatur  concordia   et  turbatio   re- 
primatur.    Ipsi  uero  singulorum  in  capitulo  singillatim  uoluntatibus 
requisitis  et  diligenti  discussione   habita   personarum,   illum   uobis 
de  uestro  collegio  uel  de  alio,  si  forte  idoneus  ibi   non  fuerit,    in- 
uocata  sancti  spiritus  gratia  denun|tient  eligendum,   quem  per  as- 


f)  eorr,  aus  accipere. 


Papstnrknnden  in  Benevent  und  der  Capitanata.  89 

ftertionem  omninm  sine  maioris  et  sanioris  partis  ad  rcgimon 
nestrum  niderint  aptiorem.  Ante  tarnen  agatnr  cum  maiore  solito 
restrictione  leioniuni  et  sancti  spiritns  gratia  per  missarnm  sol- 
lempnia,  decantationem  psalmorum  et  orationes  alias  inuocetur.  Nee 
per  appellationes  obstaculum  dimittatur  electio,  si  temere  |  qnis- 
qnara  daxerit  appellandnm.  Fiat  aiitem  electio  de  presbytero  siue 
tali  persona,  qne  in  eodem  anno  possit  presbyter  ordinari.  Qui 
etiam  aliunde  ducat  originem,  ne  de  frequentia  cognatorum  iaxta 
manentiuro  insoleacat  aut  occasionem  habeat  ecclesie  substantiam 
minnendi.  Adsit  etiam,  si  opus  fuerit,  rectoris  nostri  presentia,  nt 
nullas  I  in  facto  electionis  andeat  uiolentiam  exercere.  Presentetar 
antem  archiepiscopo ,  si  prope  fuerit,  confirmandus  et  sine  lurisin- 
randi  religione  obedientiam  promissurua.  Archiepiscopus  uero  pre- 
posito  uel  ecclesie  nichil  noui  oneris  aut  exactionis  imponat,  sed 
canonica  reuerentia  contentus  existat  et  censu  annuo  '^  libra- 

rnra  |  cere,  qui  ex  comrauni  oi  que  facta  est  inter  uos  et  eum  con- 
stitutione debetur.  Si  aliud  ei  gratis  aliquando  duxeritis  tribuen- 
dum,  pro  eo  quod  scriptum  est:  „Per  caritatem  seruite  inuicem'', 
in  nullam  uos  dandi  necessitatem  adducat  nee  aliquara  seruitutem 
imponat,  quantacumque  temporis  diuturnitate  prestetur.  Nee  ullus 
umquam  super  |  uos  prepositus  statnatur,  qui  conuenientem  non  ha- 
beat intelligentiam  scripturarum ,  ne  per  ignorantiam  ueritatis  aut 
ipse  a  nia  salutis  exorbitet  aut  eos  qui  exorbitauerint  a  deuio  non 
reducat.  Constitutus  autem  sicut  officio,  ita  presit  et  opere,  atten- 
dens  semper  quod  scriptum  est:  ^Rectorem  te  posuerunt,  noli  ex- 
tolH,  sed  esto  |  in  illis  quasi  unus  ex  illis*^"  et  in  omnibus  ita  se 
gerat,  ut  salua  disciplina  regiminis  tamquam  unus  ex  fratribus  ap- 
pareat  inter  fratres  et  unum  cum  eis  reficiendi  locum,  unum  habeat 
quiescendi ;  et  si  alia  necessaria  cura  non  irapedit,  et  in  ecclesia  et 
in  mensa  suam  faoiat  septimanam,  ut  Christi  discipulum  se  probet 
esse,  qui  ait:  „Filius  hominis  non  uonit  |  ministrari  sed  ministrare^ 
et  illnd:  ^Qni  maior  fuerit  inter  uos,  erit  uoster  minister  et  qui 
primus  esse  uolnerit,  erit  uester  seruns*^;  necrelicto  studio  spiritali 
seo  ne[oos]saria  cura  domns  per  exteriora  discurrat  aut  corporalibos 
86  implicet  negotiis  aliorum,  nisi  forte  superioris  fuerit  preceptione 
eoactus.  Nam  et  dominus  dicenti  cuidam,  |  ut  hereditatem  diuideret 
inter  ipsnm  et  fratrem  suum,  non  acquieuit  et  diacipnlo  ire  oolenti 
et  sepelire  patrem  suum  respondit  dicens:  „Dimitte  mortuos 
sepelire  mortuos  suos.  Tu  autem  ueni  sequere  me''.  Aposto- 
lice   quoque  sententie  memor,   qua  discipulo  suo    dixit,    uidelicet: 


g)  Lüde  für  die  Zahl.  h)  nnn«  ex  ill  auf  Basur. 


90  P.  Kehr, 

;,Sine  preiudicio  nichil  facias^  et  alibi :  ;,Si  sedenti  reaelatum 
fuerit,  maior  taceat^ ,  ante  cum  fratribus  que  sunt  agenda  dispo- 
nat  et  cum  conscientia  et  consilio  eorum  agat,  quod  magis  expe- 
dierit  negotiis  promouendis.  Sic  enim  et  suspicionum  amputabuntur 
obprobria  et  concordia  inter  fratres  firmior  permanebit.  Ad 
locnm  uero  alium  prepositus  profecturus  de  domo  comitem  babeat, 
non  unum  et  eundem  semper,  sed  modo  hunc  modo  illum,  dis- 
cretum  tamen,  |  ut  omues  habere  uideatur  in  gratia  et  in  actibus 
suis  nullius  conscientiam  formidare.  Fratres  itidem*^  si  ex  licentia 
uel  mandato  extra  ire  debuerint,  sine  bono  socio  quem  prior  de- 
derit,  non  procedant,  cum  Salomon  dicat:  „Ye  soli!  Quoniam  si  ce- 
ciderit,  non  habebit  subleuantem^.  Illud  preterea  inter  uos  caatius 
obseruetur,  ne  aut  prepositus  aut  aliquis  aliorum  |  quemquam  sibi 
ex  fratribus  iuramento  siue  fide  umquam  astringat,  penam  asperri- 
mam  recepturus  quisquis  in  hac  culpa  fuerit  deprehensus.  Sit 
autem  sermo  uester  ad  concordiam  retinendam  est  est,  non  non  nee 
obligatio  ulla  mundana,  sed  Caritas  Christi  uos  teneat  in  amoris 
sinceritate  legatos  iuxta  hoc  quod  apostolus  dicit:  ^^Nemini  quic- 
quam  debeatis  |  nisi  ut  inuicem  diligatis^.  De  cetero  ut  constitu- 
tiones  iste  numquam  de  corde  uestro  recedant,  numquam  de  uerbo 
et  operatione  deficiant,  sed  earum  semper  et  ad  agendum  et  ad  do- 
cendum  memoriam  habeatis,  semel  eas  per  menses  singulos  in  capi- 
tulo  uestro  statuimus  cum  regula  beati  Augustini  legendas,  ut  tanto 
Armins  teneantur  in  opere ,  quanto  ex  |  frequenti  lectione  firmius 
fuerint  memorie  commendate.  Penam  ad  hec  perpetuaih  uereatur 
quisquis  *]  post  factam  in  loco  uestro  professionem  aut  locura  ipsum 
sine  licentia  capituli  ex  animi  leuitate  reliquerit  aut  noti  quod 
compos  sui  et  sponte  prestitit,  remissus  fuerit  ac  negligens  obser- 
uator  et  culpam  suam,  ante|quam  exeat  de  hac  uita,  perdignam 
penitentiam  "^  non  curauerit  expiare,  scriptura  sacra  dicente :  ;,Ma- 
ledictus  homo  qui  opus  domini  negligenter  agit^.  Cunctis  autem 
statuta  ista  de  corde  puro,  conscientia  bona  et  fide  non  ficta  seruan- 
tibas  et  usque  ad  finem  in  proposito  permanentibus  sit  gratia  et 
pax  a  deo  patre  nostro  et  domino  lesu  |  Christo,  quatinus  et  hie 
in  bonis  operibus  ac  uirtute  proficiant  et  in  extreme  examine,  quando 
suorum  cuique  reddentur  stipendia  meritornm,  denarium  bene  ope- 
rantibus  in  fine  promittitur  ^  reddente  domino  consequantur  et  lau- 
dent  eos  in  portis  opera  sua  et  manuum  suarum  retributio  fiat  eis. 
Amen"*^    Amen.    Amen. 


t)  eorr.  aus  ididem.  k)  ad  hec ~ quisquis  auf  Rasur.  kk)  sie! 

T)  denarium— promittitur  auf  Rasur;  statt  promissum.  m)  Amen  auf  Rasur, 


Papstorkunden  in  Benevent  nnd  der  Capitanata.  91 

R.     Ego  Vrbanas  catholice  ecclesie  episcopus  ss.    BV. 
f  Ego  Henricas  Albanensis  episcopus  ss. 
f  Ego  Paulus  Prenestinus  episcopus  ss. 
f  Ego  Theobaldus  Hostiensis  et  Yelletrensis  episcopus  ss. 
f  Ego  Petrus  de  Bono  presbyter  cardinalis  tituli  sancte  Susanne  ss. 
f  Ego   Laborans  presbyter   cardinalis    sancte   Marie   Transtiberim 

tituli  Calixti  ss. 
fEgo  Pandulfus  presbyter  cardinalis  tituli  XII  apostolorum  ss. 
fEgo  Adelardus  tituli  sancti  Marcelli  presbyter  cardinalis  ss. 

fEgo  lacintus  sancte  Marie   in  Cosmydin   dia- 

Conus  cardinalis  ss. 
fEgo  Rollandus  sancte  Marie  in  Portion  diaco- 

nus  cardinalis  ss. 
f  Ego  Petrus  sancti  Nicholai  in  carcere  Tulliano 

diaconus  cardinalis  ss. 
f  Ego  Rad(ulfus)  sancti  Georgii  ad  uelum  aureum 

diaconus  cardinalis  ss. 
Dat.  Verone  per  manum  Alberti  sancte  Romane  ecclesie  pres- 
byteri  cardinalis  et  cancellarii,  VII.  kal.  aprilis ,  indictione  quinta, 

0         0  0  , 

incamationis  dominice  anno  M .  C .  LXXXVII,  pontificatus  uero  domni 
URBANI  pape  III.  anno  secundo. 

B.  dep. 

17. 

Clemens  IIL   nimmt  das   Kloster   S.  Maria  de  Fageto  in   den 

apostolischen  Schutz ,  bestätigt  ihm  die  Regel  des  h.  Benedict,  die  Be- 

siisungen^  das  Aufnahme-  und  Wahlrecht^  Freiheit  von  allen  Abgaben 

und  Tallien  und  vom  Interdict. 

Lateran  1188  Februar  18. 

Orig.  Troia  Archivio  capitolare  (A  Nr,  22).  —  Danach  Vincenso 
Aceto  Troia  sagra ,  Ms.  von  1728,  vol.  I  f.  191  ebenda. 

Religiosis  desideriis. 

Dat.  Laterani  per  manum  Moysi  Lateranensis  canonici  uicem 
agentis  cancellarii,  XII.  kal.  martii,  indictione  sexta,  incamationis 

0  0  • 

dominice  anno  M .  C .  LXXXVII ,  pontificatus  uero  domni  CLEBiEN* 

TI8  pape  IIL  anno  primo. 

B. 

Cardinäle :  Theobald  von  Ostia  und  VeUetri ;  Johannes  von  S.  Marco, 
Laborans  von  S,  Maria  in  Trastevere,  AUnn  von  S.  Croce  in  Oeru- 
salemme,  Mdior  von  SS.  Giovanni  e  Paolo;  Jaeinthus  von  8.  Mariß 
in  Cosmedyn^  Badulf  von  S.  Giorgio  in  Vdabro. 


92  P-  Kehr, 

18. 

Clemens  HL  bestätigt  den  Cleriket-n  von  S.  Thomas,  8.  Eleu^ 
therius  und  S.  Petrus  in  Foggia  den  zwischen  diesen  Kirchen  und  der 
Kirche  8.  Maria  in  Foggia  nach  längeren  Verhandlungen  abgeschlos- 
senen Vertrag. 

Lateran  1189  Juni  5. 

Orig,  Foggia  Archivio  capitolare.  —  Ebenda  zwei  Copien  von 
1790  (Privilegi  I  f.  109)  und  Copie  von  1794  im  Libro  rosso  des 
Pelliccia. 

Die    Urkunde  ist  wiciäig  ftir  die   Parrochialverfassung  der 
8tadt  Foggia  und  ihr  Verhältnis  su  Troia. 

Controuersiaram  litigia. 

Dat.  Laterani  per  manum  Moysi  sancte  Romane  ecclesie  sub- 
diaconi  uicem  agentis  cancellarii,  non.  iunii ,  indictione  septima, 
anno  incarnationis  dommice  M.C.LXXXIX,  pontificatus  ucro  domni 
CLEMEXTIS  pape  HL  anno  secundo. 

B.  dep. 

Qtrdinäle :  Älbinus  von  Albano,  Bobo  von  Porto  und  8.  Ettfina^ 
Octaviafi  von  Ostia  und  VcUctri;  Laborans  von  8.  Maria  in  Transtec 
rcrey  Pandulf  von  SS,  Apostoli,  Jordan  von  8.  Pudensiana^  Johannes 
von  S,  Cle$nente  und  Bischof  fx>w  Toscanelhi ;  Jacinthns  von  8.  Ma- 
rio in  Cosfnedjfnj  Gratian  von  SS,  Cosma  e  Damiano,  Gerard  von  8. 
Adriano^  Soffrcd  von  8,  Maria  in  Via  lata,  Bernard  von  8.  Maria 
yuova,  Oirgar  von  S,  Maria  in  Aquiro. 


Clemens  IIL  nimmt  d.9<  Kh\<trr  S.  Salvatore  de  Fageto  in  den 

aiH>stolischtn  Schufj^^  W.<filfi:jt  iJrn  die  Regel  des  h.  Benedict  und  die 

IfesUähUijen  und  die  itm  bereits  r\m  Alej ander  IIL  und  Lucius  IIL 

geu'iihten  luxhte. 

Laicrm%  1189  Oktober  6. 

VintYniii  AiYto  Tnua  s-j^ni  I  f,  193,  Ms.  von  1728^  Troia  Ar- 

n7«//t\^  if^rick  de9^  Crinnde  Lucius  IIL  (s.  obeti  Nr.  14). 

Quotion»  n  ttobis* 

!>At,  l#{U<^rÄwi  jy^r  roamini  Moysi  sancte  Romane  ecclesie  sub- 


Papstarkunden  in  BencTent  and  der  Capitanata.  93 

diaconi  uicem"^  gerentis  cancellarii ,  II.  nonis  octobris,  VHP.  in- 
dictionisy  anno  incarnationis  dominice  MCLXXXIX,  pontificatas 
nero  domni  Clementis  papQ  III.  anno  11. 

Cardinäle :  Alhin  von  Alhano^  Bobo^>  von  Porto  und  S.  Rufina ; 
Laborans  von  S.  Maria  in  Trastevere^  Petrus  von  S,  Pietro  in  Vin- 
coli^  JoJtannes  von  S.  Susanna;  Johannes  von  S.  Maria  in  Cosmedyn. 


a)  oice.  h)  Bubo. 


30. 

Clemens  III.  nimmt  die  Kirche  von  Troia  in  den  apostolischen 
Schutz  und  verleiht  dem  Bischof  Walter  das  Pallium. 

Lateran  1189  Oktober  25. 

Orig.  Troia  Archivio  capitoJare  (A  Nr.  11). 

Etemi  prouidentia  conditoris. 

Dat.  Laterani  per  manam  Moysi  sancte  Romane  ecclesie  snb- 
diaconi  uicem  agentis  cancellarii,  VIII.  kal.  nouembr.,  indic.  VIII**, 

anno  incarnationis  dominice  M.CLXXXIX,  pontificatas  uero  domni 
CLEMENTIS  pape  HI.  anno  secnndo. 

B.  dep. 

Cardinale:  Albinus  von  Albano,  Bobo  von  Porto  und  S.  Rufina, 
Octavian  von  Ostia  und  Velletri;  Johannes  von  S.  demente  und  Bi- 
schof von  Toscanella,  Johannes  Felix  von  S.  Susanna ;  Jacinthus  von 
S.  Maria  in  Cosmedyn^  Gregor  von  S.  Maria  in  Aquiro. 


21. 

Clemens  HL  nimmt  das  Kloster  S.  Sophia  in  Benevent  unter 
dem  Abt  Wilhelm  in  den  apostolischen  Schuts^  bestätigt  ihm  die  Regele 
die  Besitzungen^  das  Aufnahme-  und  Wahlrecht ^  das  Begräbnißrecht 
und  andere  VorrecJUe. 

[Lateran]  1189  November  8. 

Original '  Fragment  Benevent  Orfanotrofio  femminile  di  8.  Fi- 
lippo  (Archivio  di  S.  Sofia,  Privüegi  vol.  II  Nr.  11). 

Vgl.  J-L.  16450. 

[ ]  de  uninersaram  ecclesiarum  statu. 

[Dat.  Laterani  per  manos]  Moysi  sancte  Romane  ecclesie  sab« 
diaconi  uicem  agentis  cancellarii,  VI.  id.  nouenbr.,  indictione  Vnii 


94  P.  Kehr, 


.0       0 


incarnationis   dominice    anno   M .  C .  LXXX  Villi,    pontificatus  uero 
domni  CL[EMENTIS  pape  in.  anno  secundo], 

B.  dep. 

Cardinäle:  Älbinus  von  Albano,  Bobo  von  Porto  und  8.  Rufina, 
Oäavian  von  Ostia  und  Velletri;  [Pandulf]  von  SS,  Apostoli,  [Jor- 
dan] von  S.  Pudeneiana ,  [Johannes]  von  \S,  demente  und  BiscJiof 
vonlToscanella:  Jacinthus  [von  S,  Maria  in  Cosmedyn]. 


23. 

Clemens  HL  bestätigt  dem  Ärchipresbyter  und  Kapitel  von  S. 
Maria  in  Foggia  das  ihnen  von  Wilhelm  Erzhischof  von  Reggio,  frü- 
herem Bischof  von  Troia  1187  Mai  6  gewährte  und  hier  inserirte 
Privileg  des  Ehrenvorrarhgs  unter  den  Kirchen  von  Foggia, 

Lateran  1190  Märe  20, 

Inserirt  in  die  Bulle  Clemens  VI.  von  1347  L  12  Avignon,  Ori- 
ginal Troia  Archivio  capitolare  {L  Nr.  13).  —  Cqpie  saec.  XIV  auf 
dem  Rotulus  Super  Ute  inter  Troianos  et  Foggienses  ebenda. 

Tanc  bene  officii  nostri. 

Dat.  Laterani  tertiodecimo  kal.  aprelis  pontificatus  nostri  anno 
tertio. 


23. 

Celestin   in.   verleiht   dem  Abt  Johannes  von   S.  Nicolaus    eu 
Troia  Mitra  und  Ring. 

Lateran  1192  Januar  1. 

Orig.  Troia  Archivio  capitolare  (T  Nr.  15), 

Dignum  est  et  honestati. 

Dat.  Laterani  kal.  iannarii  pontificatus  nostri  anno  primo. 

B. 


24. 

Celestin  III.  bestätigt  die  von  dem  Kapitel  von  Troia  über  Clerus 
und  Volk  von  Foggia  wegen  Verweigerung  der  der  Kirche  von  Troia  schul" 
digen  Rechte  und  Mißhandlung  des  Bischofs  R(<ibert)  von  Bovine 
verhängte  Excommunication  und  befiehlt  sie  an  allen  Sonn-  und  Fest* 


Pap8turkanden  in  Benevent  und  der  Gapiianata.  96 

tagen  zu  verkünden^   desgleichen  die  über  den  Bischof  van  Torriboli 
ufui  die  van  ihm  geweißden  Cleriker  von  Faggia  verhängte  Suspension. 

Lateran  1194  Märe  26. 

Orig.  Troia  Ärchivia  capitalare  (E  Nr.  9).  —  Ebenda  Cap.  s. 
XIV  auf  dem  Ratulus  super  Ute  inter  Traianos  et  Foggicnses  und 
danach  bei  Vincenzo  Accto  Traia  sagra  I  f.  202f,  als  Urkunde  Cle- 
mens  III.  =  Ant.  Longhi  Ms.  XV  F.  45  p.  55  Neapel  Biblioteea 
nazianale. 

Celestinas  episcopas  aeraus  seraorum  dei.  Dilectis  filiis  ca- 
pitulo  Troiano  salutem  et  apostolicam  benedictionem.  Venera«- 

bilis  frater  noster  R.  Bibinensis  episcopas  et  aos  aestris  nobis 
lit.teris  iudicastis  et  aliorum  etiam  [pjlarium  insinuatione  didici* 
mu8,  qaod  cum  idem  episcopas  tamqaam  obedientie  filias  de  man« 
dato  nostro  Fogiam  properasset  |  et  cleram  ac  popalum  eiasdem 
[lo]ci  hamiliter  conuenisset,  ut  ecclesie  Troiane  obedire  cararent 
et  ab  eis,  sicat  consaeaerant  et  de  iare  tenen|tar,  ecclesiastica 
perciperent  sacramenta,  ipsi  tarn  clerici  qaam  laici  aasa  sacrilego 
in  eundem  episcopam  in  ecclesia  sancte  Marie  de  Fogia  hostiliter 
irmjentes  uiolentas  manus  inicere  presampserant,  pagois  eam  pla- 
rimis  contoderant,  duris  alapis  ceciderant  et  eo  in  terra  pro- 
strato')  per  capil,los  ipsam  diatins  pertrabentes  et  aestimenta 
dilaniantes  calcibas  amarissime  percasserant  ac  sangaine  craen- 
taruut,  nee  apostolice  sejdis  prohibitio  nel  defensio  sibi  ab  eo  in 
«Ol  subsidiom  sepias  inaocata  profecit,  qoin  ipsam  et  saos  in  apo- 
stolice sedis  contemptam  et  ponti|ficalis  dignitatis  opprobriam  in- 
ioriis  uariis  et  tormentis  afficerent  et  literas  apostolicas,  qnod 
aadita  existit  orribile,  igne  cremarent,  |  iam  dicti  episcopi  et  sao- 
rnm  equitatoras  et  uestes  neqoiter  auferentes.  Quia  igitar  tante 
presumptionis  excessom  relinqai  non  conaenit  im|panitam,  iam 
dicti  episcopi  obedientiam  plarimnm  in  domino  commendantes  et 
illomm  malitiam  execrantes  excomanicationis  sententiam,  qaam 
aos  in  |  illos  de  aactoritate  mandati  apostolici  protolistis  et  idem 
episcopas ,  sicnt  dicitor ,  confirmaait ,  ratam  habemas  et  tarn  dia 
innonari  iassimas  et  in'aiolabiliter  per  circampositos  episcopos  ob- 
seniari ,  donec  eidem  faerit  episcopo  de  dampnis  et  iniariis  con- 
grae  satisfactam.  Vestre  itaque  di|scretioni  per  apostolica  scripta 
mandamns,  qaatinas  sententiam  excomanicationis  singalis  diebas 
dominicis  et  festiais  soUempnitatibas  in  illos  |  appellatione  remota 
innouare  minime  differatis  et  per  uniaersas  ecclosias  Troiane  dio«* 

a)  protrato. 


96  ^'  üehr, 

cesis  publicari  et  innouari  similiter  faciatis,  donec  |  uobis  de  illata 
iniuria  iam  dicto  episcopo  ac  suis  et  ucstre  ecclesie  satisfactionem 
exhibuerint  competentem  et  restituerint  que  a  quinquen|nio  ipsi 
ecclesie  subtraxerunt  et  ablata  eidem  episcopo  ac  suis  reddiderint 
uniuersa  et  deinde  nostro  se  conspectui  representent.  Insuper 
etiam  |  uniuersis  paiTOchianis  uestris  sub  excomunicationis  pro- 
hibere  districtione  curetis ,  ut  interim  cum  Fogiensibus  mercimo- 
nium  aliquod  contrahere  |  non  presumant,  sed  eos  potius  usque  ad 
dignam  satisfactionem  tanquam  excomunicatos  euitent.  Tortibi- 
lensera  uero  episcopum,  qui  in  ipso  loco  Fogie  |  post  prohibitionem 
ex  parte  apostolica  sibi  factam  clericos  ordinäre  presumpsit,  tarn 
diu  ab  officio  pontificali  auctoritate  nostra  denun|tietis  esse  sus- 
pensum,  donec  nostro  fee  conspectui  presentarit,  illos  qui  per  eura 
ordines  acceperunt,  ab  eis  auctoritate  nostra  sus|pensos  esse  nichil- 
ominus  nuntiantes.  Dat.  Laterani  YU.  kal.  april.  pontificatus 
nostri  anno  tercio. 

B  dep. 


35. 

Celestin  IIL  beauftragt  die  Bischöfe  von  Melfij  Ariane  uml  Äs- 
coliy  schleunigst  stisamnien  in  Foggia  die  über  Clerus  und  Volk  ver- 
hängte Excommunication  zur  Ausführung  zu  bringen  und  an  den 
Sonn-  und  Festtagen  verkündigen  zu  lassen, 

Rom,  S.  Peter  1197  Mai  12. 

Orig.  Troia  Archivio  capitolare  (Z  Nr.  32).  —  Gopie  saec.  XIV 
auf  dem  Rotulus  super  Ute  inter  Troianos  et  Foggienses  und  bei  Ftn- 
cenzo  Aceto  Troia  sagra,  Ms,  von  1728  j  vol.  I  f.  204'  ebenda  = 
Ant.  Longhi  Ms.  XV  F.  45  p.  58  Neapel  Biblioteca  nazionale. 

Im  Ganzen  gleichlautend  mit  Nr,  24. 

Cum  uenerabilis  frater. 

Datum  Biome  apud  sanctum  Petrum  Uli.  id.  maii  pontificatus 
nostri  anno  quarto. 

B.  dep. 


26. 

Cdestin  IIL  verleiht  dem  Kapitel  von  Troia  das  Privileg  ^    daß 
der  Abt  des  ihm  unterworfenen  Klosters  S,  Nicolaus  de  Fogia  nur  vom 


Papstarkouden  iu  ßenevent  and  der  Capitaoata.  97 

Bischof  vofi  Troia  oder  von   einem  durch  diesen  bestimmten  Bischof 
die  Weihe  efnpfangen  soll. 

Rom,  S.  Peter  1194  Mai  17. 

Orig.  Troia  Archivio  capitolare  (R  Nr.  15).  —  Danach  Vin- 
cenzo  Aceio  Troia  sagra,  Ms.  von  1728^  vol.  I  f.  21Qf  ebenda  =  Änt. 
Longhi  Ms.  XV  F.  45  p.  62  Neapel  Biblioteca  nationale. 

Cam  in  eo  simus  loco. 

Dat.  Rome  apad  sanctum  Petrum  XVI.  kal.  iunii  pontificatus 
nostri  anno  qnarto. 

B.  dep. 


37. 

Celestin  III.  nimmt  die .  Kirche  von  Troia  nach  dem  Vorgange 
Innocens  IL^  Hadrians  IV.^  Alexanders  III.^  Lucius  III.  und  Cle- 
mens HL  in  den  apostolischen  Schute  und  bestätigt  ihr  die  Besiteun- 
gen  und  Rechte. 

Rom,  8.  Peter  1194  Mai  20. 

Cop.  saec.  XIV  auf  dem  Rotulus  Super  lue  inter  Troianos  et 
Foggienses  Troia  Archivio  capitolare.  —  Danach  Vinceneo  Aceto 
Troia  sagra^  Ms.  von  1728,  vol.  1  f.  206'  ebenda  =  Ant.  Longhi 
Ms.  XV  F.  45  p.  60  Neapel  Biblioteca  naeiondle. 

EjOPectum  iosta  postulantibus. 

Dat.  Rome  apud  sanctum  Petrum  per  manum  Egidii  sancti 
Nicolai  in  carcere  Tuliano  diaconi  cardinalis,  XIII.  kal.  iunii,   in- 

0        o 

dictione  Xn%  incarnacionis  dominice  anno  millesimo  C  XC  ITTI,  pon- 
tificatus uero  domni  Celestini  pape  in.  anno  IUI. 

'  Cardinale :  AMnus  von  Albano,  Johannes  von  Paiestrina,  Oäavian 
von  Ostia  und  Velleiri,  Petrus  von  Porto  und  S.  Rufina ;  Pandulf  von 
SS.  Apostoli,  Johannes  von  S.  demente  und  Bischof  van  Viterbo  und 
ToseaneilcLy  Johannes  Felix  von  S.  Susanna,  Guido  von  S.  Maria  in  Tras- 
tevere^  Johannes  von  S.  Stefano  in  Celio  monte.  Soffred  von  S.  Pras^ 
Bede,  Petrus  von  S.  Cecüia,  Romanus  von  S.  Anastasia,  [Hugo]  von 
S.  Martino,  Cencius  von  S.  Lorenio  in  LtAcina^  Johannes  von  S. 
Prisea ;  Oratian  von  SS.  Cosma  e  Damiano,  Gregor  von  S.  Maria  in 
Aqmro,  Lothar  von  SS.  Sergio  e  Baccho,  Bcbo  von  S.  Teodoro,  Cen- 
dus  von  S.  Lucia  in  Orthea,  Gregor  von  S.  Giorgio  in  Velabro,  Nico- 
laus von  S.  Maria  in  Cosmedyn,  Petrus  von  S.  Maria  in  Via  lata. 


KfL  O«,  C  Wl«.   NadtflektM.    PUIolH*-Uitor-  KImm  1896.    Hfl.  I, 


Ueber  eine  von  Tischendorf  aus  dem  Orient 
mitgebrachte,  in  Oxford,  Cambridge,  London  und 
Petersburg  liegende  Handschrift  der  Septuaginta. 

Von 

Lic.  Dr.  Alfred  Rahlfs. 

Vorgelegt  von  J.  Wellhausen   in  der  Sitzung  vom  19.  Februar  1898. 

Im  ersten  Teile  seiner  Septuaginta-Stadien,  S.  9 — 11  hat  La- 
garde  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  die  Petersburger  Hand- 
schrift, welche  E.  de  Muralt  in  dem  „Catalogue  des  mss.  grecs 
de  la  Biblioth^que  Imperiale  Publique^  (Petersb.  1864),  S.  34  unter 
Nr.  LXn  beschreibt,  und  die  Handschrift  des  British  Museum 
Addit.  MS.  20002  (Catalogue  of  Ancient  MSS.  in  the  Brit.  Mus., 
part  I,  London  1881,  S.  21)  nach  Tischendorfs  eigener  Aussage*) 
„reliquiae  eiusdem  codicis^  sind,  und  zur  Bestätigung  dessen  be- 
sonders auf  die  völlig  gleiche  Blattgröße  beider  *)  verwiesen,  üre 
Zusammengehörigkeit  ist  über  allen  Zweifel  erhaben,  da 
auch  der  Text  beider  genau  an  einander  schließt :  der  Petersburger 
Teil  enthält  Gen.  43 14 — Jos.  242$,  der  Londoner  Jos.  2427  — Ruth, 
der  Petersburger  wiederum  Regn.  a  —  y  16  28.  Beide  Teile  sind 
von  Tischendorf  aus  dem  Orient  mitgebracht,  aber  nicht  zu  gleicher 
Zeit,  wie  Lagarde  infolge  eines  Versehens  annimmt »),  sondern  der 
Londoner  1853  bei  der  zweiten  Orientreise,  der  Petersburger  1859 
bei  der  dritten  *) ;  jener  war  schon  längst  (nach  Lagarde  am  9.  Dec. 


1)  Lagarde  citiert  sie  nacli  Muralt,  dieser  aber  schreibt  nar  Tischendorfs 
„Notitia  editionis  codicis  biblioram  Sinaitici**  (Lips.  1860),  S.  56  aas. 

2)  Sie  wird  aach  in  beiden  Katalogen  übereinstimmend  auf  13 :  lO'/i  russ. 
SS  engl.  Zoll  (88  :  26V8  ^^)  angegeben. 

8)  Lagarde  beruft  sieb  für  seine  Angabe,  daB  Tischendorf  die  Petersburger 
Hs,  1857  nach  Petersburg  geliefert  habe,  auf  Muralts  Vorwort,  aus  dem  jedoch 
ebenso,  wie  aus  Tischendorfs  eigener  Angabe  (Notitia  S.  47)^  das  Gegenteil  folgt. 

4)  Demgem&S  giebt  Tischendorf  die  erste  Beschreibung  der  Londoner  Hs. 
1854  in  seinem  Aufsatz  „Neuentdeckte  Bibelhandschriften  vom   höchsten  Alter- 


Alfred  Rahlfs,  über  eine  Handschrift  der  Septnaginta.  99 

1854)  verkauft,  als  er  diesen  erhielt.  Man  kann  also  Tischendorf 
aus  der  Trennung  der  beiden  Teile  keinen  Vorwurf  machen,  wie 
Lagarde  zu  tbun  geneigt  ist ;  es  verstand  sich  von  selbst,  daß  die 
Schätze,  welche  Tischendorf  auf  seiner  dritten,  bekanntlich  im 
Auftrage  und  auf  Kosten  der  russischen  Regierung  unternommenen 
Reise  erbeutete,  nach  Petersburg  wandern  mußten. 

Mit  diesen  beiden  Teilen,  die  in  schöner  alter  Minuskel  ge- 
schrieben sind,  gehört  aber  noch  eine  dritte  Handschrift  zusammen, 
die  Tischendorf  ebenfalls  1853  aus  dem  Orient  mitgebracht  und  im 
Frühjahr  1855^),  also  wahrscheinlich  bei  der  Ferienreise  nach 
England ,  die  er  damals  unternahm ,  und  bei  der  er  auch  Oxford 
besuchte*),  für  den  sehr  anständigen  Preis  von  £  108')  an  die 
Bodleiana  verkauft  hat.  Es  ist  das  die  Gen.  1 — 42  is  enthaltende 
Uncialhandschrift  Bodl.  Auct.  T.  infra  U.  1  oder  Greek  Mise. 
312  ^j,  die  Tischendorf  selbst  1857  im  2.  Bd.  der  „Monumcnta 
Sacra  inedita.  Nova  coUectio"  nach  einer  vor  dem  Verkauf  ge- 
nommenen Abschrift  herausgegeben  hat.  Lagarde  hatte  schon 
längst  ihre  Zusammengehörigkeit  mit  den  beiden  andern  Hss.  ver- 
mutet und  daher  1882  in  seiner  „Ankündigung  einer  neuen  Aus- 
gabe der  griech.  Uebers.  des  A.  T."  S.  27  die  Londoner  Hs.  mit 
derselben  Sigel  E  bezeichnet,  welche  die  Oxforder  Hs.  seit  seiner 
„Genesis  graece''  trug.  Aber  in  den  Septuaginta- Studien  hat  er 
diese  Vermutung  wieder  fallen  lassen,  freilich  nicht  ohne  zugleich 
darauf  aufmerksam  zu  machen ,  daß  auch  die  Blattgröße  der  Ox- 
forder Hs.  sich  genau  mit  der  der  l)eiden  anderen  deckt  ^).    Wie 


thume^  in  der  „Deutschen  Ztschr.  f.  christl.  Wissenscb.  n.  cbristl.  Leben",  Jahrg. 
5,  8.  165  (etwas  erweitert  1855  in  den  „Anecdota  sacra  et  profana**  S.  7),  die 
erste  Beschreibung  der  Petersburger  Hs.  dagegen  1860  in  dem  „Gatalogus  co- 
dicom  naper  ex  Oriente  Petropolin  perlatorum**,  den  er  der  „Notitia  editionis 
codicis  bibliorum  Sinaitici"  angehängt  hat. 

1)  Macray,  Annais  of  the  Bodleian  Library,  S.  282  giebt  das  Jahr  an. 
DaB  der  Verkauf  im  Frühjahr  stattfand,  folgt  aus  Tischendorfs  „Anecdota  sacra 
et  profana**,  deren  Widmung  an  Alexander  t.  Humboldt  „diebus  festis  Pentecostes 
anni  salutis  1856"  unterzeichnet  ist,  denn  im  Index  dieses  Buches  heiftt  es  von 
oAserm  Codex:  „Nuperrime  .  .  .  Bodleianus  factus**. 

2)  VgL  Tischendorfs  Aufsatz  ^^Neue  doknmentliche  Schriftforschungen^  in 
der  ^Deutschen  Ztschr.  f.  christl.  Wissensch.  u.  christl.  Leben**,  7.  Jahrg.  (Berlin 
1866),  S.  9. 

5)  Macray  a.  a.  0.,  8.  283. 

4)  Beschreibung  in  Palaeographical  Society,  Series  II,  plate  26. 

6)  In  Palaeogr.  Soc  wird  13:1074  Zoll  angegeben;  die  kleine  Differenz  in 
dar  Brette  (om  67«  mm)  wird,  da  nach  Lagarde  die  Bl&tter  sich  .auf  das  Haar** 
decken,  ans  Abrondnng  der  Angaben  tu  erkl&ren  seio. 


iOO  Alfred  Rahlfs, 

Lagarde  auf  seine  Vermatiing  gekommen  ist,  erfahren  wir  nicht; 
wahrscheinlich  durch  die  Beobachtung,  daß  auch  der  Text  der 
Oxforder  und  der  Petersburger  Hs.,  wenn  man  nur  den  Ausfall 
eines  Blattes  annahm,  gut  an  einander  anschlössen.  Ist  dem  so, 
so  war  er  ganz  auf  der  richtigen  Fährte.  Das  fehlende  Blatt 
hat  sich  1891  *)  unter  dem  nach  Cambridge  verkauften  Nachlaß 
Tischendorfs  gefunden.  Der  glückliche  Entdecker  desselben,  Swete, 
der  über  seinen  Fund  in  der  Academy  vom  6.  Juni  1891,  S.  B38 
berichtete,  hat  sofort  constatiert,  daß  es  nicht  nur  in  der  äußeren 
Form  mit  der  Oxforder  Hs.  übereinstimmt,  sondern  auch  im  Texte 
mit  seiner  vorderen,  noch  in  Uncialen  geschriebenen  Seite  genau 
an  diese  anschließt.  Entgangen  ist  ihm,  daß  die  Rückseite,  auf 
welcher  der  Text  ohne  Unterbrechung  in  Minuskeln  fortgeführt 
wird,  ebenso  genau  an  die  Petersburger  Hs.  anschließt,  und  daß 
diese  samt  der  Londoner  eben  die  Fortsetzung,  nach  der  er  sucht, 
in  einem  weit  über  das  geahnte  Maß ')  hinausgehenden  umfange 
bieten. 

Uebrigens  hat  alles,  was  hiermit  festgestellt  ist,  schon  Tischen- 
dorf selbst  in  seiner  Septuaginta-Ausgabe  gesagt,  freilich  so,  daß 
es  sehr  leicht  übersehen  werden  konnte.  In  ihr  heißt  es  nämlich 
seit  1869  (ed.  IV)  in  dem  Verzeichnis  neu  hinzugekommener 
LXX-Hss.  in  §  XXIV  der  Prolegomena ; 

„Sextus  est  codex  Oxoniensis  cum   maxima  parte  libri  Ge- 
nesis, saec.  noni  medii" 
und  nachher: 

„Vicesimus  primus  est  altera  pars  codicis  sexti,  quem  quae 
proxime  sequuntur.  Gen.  42,  18 — 30,  eisdem  litteris  un- 
cialibus  scripta  sunt,  reliquis  eodem  saec.  nono  eademque 
manu  scriptura  minuscula  additis.  Sunt  autem  praeter  ex- 
trema  Genesis  capita  reliquae  Pentateuchi  partes,  libri 
losuae,  ludicum,  Ruth  et  Regum  libri  tres" 
und  am  Schluß  des  Paragraphen: 

„Primum  folium,    quod  codicem  VI.  excipere  diximus,  pro- 
pterea  unicum  est  quod  altera  pagina  uncialem,  altera  mi* 


1)  Der  Bogen  der  Septuaginta-Stadien,  welcher  Lagardes  Auafahrangen  ent- 
hält, ist  9.  7.  1890  abgezogen. 

2)  Swete  glaabt,  die  Oxforder  Hs.  habe  ursprOnglich  nur  die  Qenesis  ent- 
halten, und  sucht  daher  nur  „the  remaining  five  or  six  leaves".  Er  hat  sich 
hier  verleiten  lassen  von  Tischendorf,  der  auch  später  noch,  als  er  den  wirk- 
lichen Thatbestand  kannte,  von  der  Hs.  sonderbarer  Weise  als  von  einer  Qe- 
nesishs.  redet.  DaAsie  ursprflnglich  mehr  enthielt,  konnte  man  übrigens  schon 
n«ch  ihrem  grölen  Format  vermuten. 


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ober  eine  Handschrift  der  Septuaginta.  101 

nascnlam  scriptaram  habet.  Minnsculae  vero  nescio  an 
exemplam  omniam  sit  antiqaissimum ;  vix  enim  dubitari 
potest  qnin  medio  saecnlo  nono  adscribendom  sit.  Meae 
est  bibliothecae.  Reliqua  folia  partim  (libri  Indicoin  et 
Roth)  ad  Museum  Britannicum  transiere,  partim  ad  biblio- 
thecam  Caesar.  Petropolitanam.  Totus  codex  formas  Alexan- 
drinas, ut  Aiffi^ij,  iiolB^QSv^sigf fideliter  conservavit. 

Textum  vero   praebet  inprimis   notabilem  ac  paene  singa- 
larem".    (Folgen  Beispiele   aas   den  ersten  27  Versen  des 
Buchs  der  Richter.) 
Fassen  wir  nunmehr  die  wieder  geeinte  Hs.,  die  sich  also  aus 
folgenden  Stücken  zusammensetzt: 

1)  Gen.  1 — 42 18  sinev  ds  av  in  Oxford   (darin  fehlen  Gen. 

147  —  1824.     20l4  — 2454), 

2)  Gen.  42  u  xoi,g  tri  tuicQu  —  43  u  tov  bvu  xai.  in  Cam- 

bridge, 

3)  Gen.  43 14  tov  ßeviaiiei^v  —  Jos.  2426  in  Petersburg  (darin 

fehlen  Gen.  46  ii  — 4728.  Exod.  12t  — 138), 

4)  Jos.  24 17  —  Ruth  in  London, 

5)  Regn.  a  —  y  1688  (nach  Swetes  Zählung  1628d)  tanf  övii* 

xXaxav  in  Petersburg, 
etwas  näher  ins  Auge,  so  zeigt  sich  zunächst,  daß  sie  ursprüng- 
lich einen  beträchtlichen  Umfang  hatte,  ja  vielleicht  das  ganze 
A.  T.  oder  gar  die  ganze  Bibel  enthielt.  Der  uns  erhaltene  Teil 
besteht  jetzt  aus  192  Blättern,  nämlich  29  in  Oxford,  1  in  Cam- 
bridge, 16  in  London  und  146  in  Petersburg,  aber  es  fehlen  gegen 
Anfang  der  Hs.  einige  Blätter,  deren  Zahl  sich  aus  dem  Umfange 
des  fehlenden  Textes  leicht  berechnen  läßt.  Der  erste  Defect  des 
Oxforder  Teils  (Gen.  147  — 18 24)  entspricht,  wenn  wir  der  Be- 
rechnung den  Text  Swetes  zu  Grunde  legen,  ein  Verfahren,  das 
trotz  der  Verschiedenheiten  beider  Texte  filr  unsern  Zweck  genau 
genug  ist.  205,  der  zweite  (Gen.  20 14  — 2454)  270  Swete'schen 
2ieilen,  dazwischen  sind  zwei  Blätter  mit  134  Zeilen  erhalten; 
also  fehlen  3  und  4  Blätter.  In  dem  Petersburger  Teile  fehlt 
Gen.  46i2-4728  =  97—100  Zeilen  und  Exod.  12  t  — 138  =  106 
— 109  Zeilen,  d.  h.  je  ein  Blatt;  der  Inhalt  eines  Blattes  ist  hier 
in  der  Minuskel  naturgemäß  größer,  als  dort  in  der  Unciale; 
schon  die  in  Minuskeln  geschriebene  Rückseite  des  Cambridger 
Blattes  entspricht  487»  Zeilen  Swetes,  was,  auf  das  Blatt  be- 
rechnet, 97  Zeilen  ergiebt,  und  später  nimmt  der  Umfang  noch 
zu,  sodaß  sich  für  die  Londoner  Blätter  der  Durchschnittsnmfang 
auf  106—109  Zeilen   stellt.    Mithin  fehlen   im  ganzen  9  Blätter, 


102  Alfred  Rablfs, 

und   der   uns    erhaltene  Teil   zählte  ursprünglich  192  +  9  ^  201 
Blätter. 

Fragen  wir  sodann  nach  der  L  a  g  e  n  bildang ,  so  lautet  die 
Antwort  zunächst  bezüglich  des  Oxforder  Teils:  „Quire-formation 
lost;  all  the  leaves  being  separate"  (Palaeogr.  Soc.  II  26).  Aber 
trotzdem  können  wir  sie  mit  Sicherheit  ermitteln.  In  Oxford 
sind  nämlich,  wie  aus  Tischendorfs  Ausgabe  hervorgeht,  zunächst 
8  Blätter  vorhanden,  dann  fehlen  nach  unserer  Berechnung  3, 
dann  sind  wieder  2  vorhanden,  und  es  fehlen  wiederum  4.  Das 
heißt:  die  Lagen  waren  Quaternionen,  die  1.  Lage  ist  vollständig 
erhalten,  von  der  2.  dagegen  nur  das  innerste  Doppelblatt,  wäh- 
rend die  drei  äußei'en  Doppelblätter  samt  dem  ersten  Blatt  der 
3.  Lage  verloren  gegangen  sind.  Dies ,  übrigens  an  sich  schon 
sehr  wahrscheinliche  Resultat  wird  bestätigt  durch  die  Liniierung 
des  Oxforder  Teils,  die  ebenfalls  aus  Tischendorfs  Ausgabe  zu 
ersehen  ist.  Inwiefern  die  Liniierung  von  Belang  ist,  lehrt  Gardt- 
bausen,  Griech.  Palaeogr.  S.  68:  „Um  den  Linien  eine  gleichmäßige 
Entfernung  von  einander  zu  geben,  war  es  natürlich  nothwendig, 
dieselbe  mit  dem  Zirkel,  diaßaxriq^  abzumessen,  dessen  Spitze  die 
betreffende  Stelle  ,  nicht  nur  [für]  Ein  Blatt ,  sondern  für  den 
ganzen  Quaternio  bezeichnete" ;  man  muß  also  für  die  einzelnen 
Quaternionen  wenigstens  eine  ungefähre  Gleichmäßigkeit  erwarten. 
Nun  ist  in  unserm  Falle  bei  der  Annahme  von  Quaternionen  die 
Zahl  der  beschriebenen  Zeilen  in 

Lagel,Doppelbl.^)  1  (f.  1.  8):  40,  aber  f.  8  nur  89 

2  (f.  2.  7) :  40 

3  (f.  8.  6):  40,  aber  letzte  Co),  von  f.  3:  43 

4  (f.  4.  6):  44 

Lage  2,   Doppelbl.  1 — 3  fehlen 

4  (f.    9.    10):  87 

Lage  3,   Doppelbl.  1  (f.  — .  17):  37 

2  (f.  11.  16):  37 

3  (f.  12.  15):  37,  aber  f.  12^:  88 

4  (f.  13.  14):  38 
Lage  4,   Doppelbl.  1  (f.  18.  25):  39 

2  (f.  19.  24):  39,  aber  f.  24:  38 
8  (f.  20.  23):  39 
4  (f.  21.  22):  38 
Lage   5,   Blatt   1—4  (f.  26-29):  40. 

Es  ergeben  sich  also  folgende  Normalzahlen :  Lage  1 :  40,  (2 :  37,) 


1)  Nach  Doppelbl&ttern  muB  man  rechnen,  weil  die  Linien  über  die  ganze 
Breite  des  Doppelblattea  auf  einmal  gezogen  wurden. 


^  über  eine  Handschrift  der  Septuaginta.  103 

3:  37,  4:  39,  5:  40,  und  der  Uebergang  von  37  zu  39  und  wiederum 
von  39  zu  40  fallt  gerade  mit  dem  Uebergang  von  einer  Lage  zur 
andern  zusammen.  Die  von  dem  Schema  abweichenden  Blätter 
aber  schließen  sich  bis  auf  zwei  (f.  8.  24)  zu  Doppelblättem  zu- 
sammen (f.  4.  5  mit  44,  f.  13.  14  und  21.  22  mit  38  Zeilen),  die 
gerade  immer  die  Mitte  der  Lagen  bilden,  sodaß  man  unwillkürlich 
zu  der  Annahme  kommt,  der  Schreiber  habe  in  Ternionen  ein 
viertes,  separat  liniiertes  Doppelblatt  eingelegt ').  So  bleiben  bei 
unserer  Annahme  nur  verschwindende  Ausnahmen,  während  man 
bei  jeder  anderen  Verteilung  vor  Ausnahmen  keine  Regel  finden 
würde.    Damit  ist  ihre  Richtigkeit  vollends  erwiesen. 

Die  letzte  Lage  des  Oxforder  Teils  besteht  nur  aus  4  ein- 
fachen Blättern,  folglich  ist  zu  ihrer  Vervollständigung  hinzu- 
zunehmen das  Cambridger  Blatt,  das  nach  Swete  ebenfalls  40  be- 
schriebene Zeilen  hat  und  zwar  sowohl  auf  der  Majuskel-,  als  auf 
der  Mmuskel-Seite  *),  und  3  Blätter  aus  dem  Petersburger  Teile ; 
von  letzteren  sind  jedoch  nur  2  erhalten  (Gen.  43  u  —  46 12  = 
193—195  Swete'schen  Zeilen),  während  das  3.  (Gen.  46»  —  4728 
=  97 — 100  Swete'schen  Zeilen),  also  das  Schlußblatt  der  Lage, 
verloren  gegangen  ist.  Als  6.  Lage  der  ursprünglichen  Hs.  schließt 
sich  an,  was  zwischen  den  beiden  kleinen  Lücken  der  Petersburger 
Hs.  vorhanden  ist  (Gen.  4723— Exod.  12?,  nach  dem  Umfang  des 
Textes  auf  8  Blätter  zu  berechnen) ,  und  es  fehlt  wiederum  das 
Anfangsblatt  der  7.  Lage.  Von  da  ab  ist  alles  vollständig  er- 
balten; somit  bleibt  uns,  da  der  Petersburger  Katalog  über  die 
Lagenverteilung  schweigt,  als  einziger,  aber  auch  sehr  wichtiger 
Anhaltspunkt  die  Angabe  des  Londoner  Katalogs :  „From  the  sig- 
natures,  1^  on  ff.  8  and  15,  and  x  on  f.  16,  it  appears  that  this 
fragment  contains  quire  19  and  parts  of  quires  18  and  20  of  the 
original  MS.*'  Sie  lehrt,  daß  die  vollständige  Londoner  Lage 
ebenfalls  ein  Quaternio  ist ,  und  daß  ihr,  wenn  die  Lagenbüdung 
ganz  regelmäßig  war,  18  Quaternionen  =  144  Blätter  voran- 
gegangen sein  müssen.  Dies  trifft  nun  nicht  ganz  zu,  vielmehr 
müßten  nach  der  freilich  sehr  summarischen  Beschreibung  Tischen- 
dorfs in  der  „Notitia",  von  welcher  die  des  Petersburger  Kata- 
logs fast  nur   ein  Abklatsch  ist,    146  oder  146  Blätter  vorange- 


1)  Sicher  scheint  mir  dies  bei  der  1.  Lage,  da  das  mittelste  Doppelblatt 
4  Zeilen  mehr  enth&lt,  als  die  übrigen,  und  trotsdem  nach  Napier  bei  Lagarde, 
Sept.-Stud.  I,  8.  9  f.  die  Höhe  der  Spalten  auf  ihm  kleiner  ist,  als  sonst 

8)  Sp&ter  belauft  sich  die  Zeileniahl  in  dem  Minuskelteile  nach  aberein- 
stimmender  Angabe  des  Petersbarger  und  des  Londoner  Katalogs  auf  42* 


104  Alfred  Rahlfs, 

gangen  sein  *),  also  irgendwo  eine  kleine  Unregelmäßigkeit  stecken. 
Die  Entscheidung  kann  hier  nur  die  Petersburger  Hs.  selbst  geben, 
die  auch  wohl  ebenso,  wie  das  Londoner  Stück,  Lagenzählung 
haben  wird. 

Sehr  eigenartig  ist  der  Wechsel  der  Schrift  in  nnsenn 
Codex,  sofern  hier  nicht  Majuskel  und  Minuskel  nach  bestimmten 
Principien  wechseln  (Wattenbach,  Anleitung  zur  griech.  Palaeogr., 
3.  Aufl.,  S.  40),  sondern  der  ganze  Text  bis  Gen.  42  so  einschl.  in 
Uneialen  geschrieben  ist,  und  dann  plötzlich,  mitten  in  einem  zu- 
sammenhängenden Texte  *)  und  mitten  in  einer  Lage,  auf  der  Rück- 
seite desselben  Blattes ,  dessen  Vorderseite  noch  in  Uneialen  ge- 
schrieben war  *) ,  gewechselt  und  die  ganze  Fortsetzung  in  Mi- 
nuskeln geschrieben  wird*).  Wie  erklärt  sich  das?  Swete  nahm, 
als  er  zuerst  über  seinen  Fund  berichtete,  als  selbstverständlich 
an,  daß  der  erste  Schreiber  „left  his  task  unfinished",  und  ein 
zweiter  es  fortsetzte,  und  dies  ist  in  der  That  die  nächstifegende 
Annahme,  bei  der  man  den  Wechsel  der  Schrift  leicht  daraus  er- 
klären könnte,  daß  dem  zweiten  Schreiber  die  Unciale  unbequem  war, 


1)  Tischendorf  und  Muralt  gebcu  nicht  cimnal  an,  wo  sich  die  große  Lücke 
in  der  Petersburger  Hs.  findet,  aber  aus  einer  Notiz  Tiscbendorfs,  wonach  Kegn. 
tt  68  auf  Bl.  103  steht,  läßt  sich  berechnen,  daß  die  Lücke  hinter  Bl.  99  oder 
100  sein  muß.  Demnach  wären  der  mit  t<&  signierten  Lage  vorangegangen  29 
Oxforder  +  1  Cambridger  +  99,  resp.  100, Petersburger  +  7  Londoner  +  9 
verlorene,  in  Summa  145,  resp.  146  Blätter. 

2)  Mit  Gen.  42  so  beginnt  gerade  eine  Rede  der  Söhne  Jakobs,  die  bis  v.  84 
fortläuft. 

8)  Der  Wechsel  beim  Beginn  der  Rückseite  wird  denselben  ästhetischen 
Grund  haben,  aus  dem  man  bei  der  Zusammenstellung  von  Pergamenthandschriften 
Haarseite  gegen  Haarseite  und  Fleischseite  gegen  Fleischseite  legte:  die  beiden 
beim  Aufschlagen  des  Buches  neben  einander  liegenden  Seiten  sollten  dasselbe 
Aussehen  haben. 

4)  Zu  vergleichen  ist  der  Oxforder  Euklid  vom  J.  888,  in  welchem  auf  den 
fünf  Seiten  f.  118' — 120'  der  Text  von  erster  Hand  mit  sonst  nur  für  Randuoten 
verwendeten  „tenuioribus  litteris  uncialibus^  geschrieben  ist  (Wattenbach  und 
Velsen,  Exempla  codicum  Graecorum  litteris  minusc.  Script.,  S.  1,  zu  Taf.  II).  — 
Auf  lateinischem  Gebiete  bietet  wohl  das  ähnlichste  Beispiel  eine  Pariser  Hs. 
des  9.  Jahrh.,  German.  12236,  in  welcher  sich  mitten  in  den  f.  81^  beginnenden 
und  f.  110  endenden,  sonst  wie  der  ganze  Codex  in  Minuskeln  geschriebenen 
Differentiae  des  Isidor  von  Sevilla  18  Blätter  (f.  86—103)  in  Uneialen  finden, 
und  der  Uebergang  beidemal  mitten  in  einem  Satze,  das  erste  Mal  sogar  mitten 
im  Worte  stattfindet,  was  hier  jedenfalls  aus  der  Verteilung  der  Arbeit  an  ver- 
schiedene Schreiber  zu  erklären  ist,  s.  Wotke  in  der  Ztschr.  f.  d.  österr.  Qym* 
nasien,  42.  Jahrg.  (1891),  S.  297.  (Den  Hinweis  hierauf  verdanke  ich  Herrn 
Geb.  Reg.-Rath  Dziatzko,  der  mir  auch  sonst  bei  dieser  Arbeit  mehrfache  An- 
regung gegeben  hat.) 


über  eine  Handschrift  der  Septaaginla.  108 

und  er  deshalb  zu  der  ihm  geläufigeren  Minuskel  übergieng*). 
Aber  in  der  2.  Aufl.  seines  Old  Test,  in  Greek  1,  S.  xxvi  be- 
richtet Swete :  „Mr.  Rendel  Harris  regards  the  cursive  page  as 
contemporary  with  the  other,  and  possibly  the  work  of  the  same 
scribe",  und  Tischendorf  behauptet  sogar  bestimmt,  daß  beides 
„eodem  saeculo  nono  eademque  manu"  geschrieben  sei  (vgl.  oben 
S.  100). 

Für  eine  Entscheidung  der  Streitfrage  ist  es  wesentlich,  zu- 
nächst das  Alter  der  beiden  Schriften  zu  bestimmen*).  Tischen- 
dorf  hatte  anfangs')  die  Minuskel  an  das  Ende  des  9.  Jahrb., 
die  Unciale  dagegen  unbedenklich  ins  8.  Jahrb.  gesetzt,  und 
als  Hs.  des  8.  Jahrh.  ist  sie  auch  in  Oxford  gekauft  worden*). 
Vorsichtiger  äußert  er  sich  schon  1857*)  in  den  Prolegomena  zu 
seiner  Ausgabe  (Monnmenta  II,  S.  XXXVII),  die  Schrift  sei  „eins 
generis  quod  saeculis  maxime  octavo  et  nono  adhibebatur",  ent- 
scheidet sich  aber  dann  doch,  ohne  einen  Grrnnd  anzugeben,  für  das 
8.  Jahrh.  und  meint  nur,  sie  dürfte  vielleicht  eher  an  das  Ende,  als 
an  den  Anfang  des  Jahrhunderts  gehören.  Anders  entscheidet  er 
sich  1860  in  den  Prolegomena  zu  seiner  3.  Ausgabe  der  Septua- 
ginta:  „saeculi  octavi  vel  noni",  und  1861  in  der  neuen  Auflage 
der  Anecdota,  S.  X  des  Index:  „saeculi  noni  potius  quam  octavi''  ^; 


1)  8o  sind  ja  manche  defect  gewordenen  Uncialhss.  sp&ter  in  Minuskel  er- 
gänzt, aber  der  Fall  I&ge  hier  doch  ganz  anders,  weil  es  sich  nicht  um  Aus- 
füllung einzelner  LQcken,  sondern  um  Fortfuhrung  eines  in  den  ersten  Anfängen 
stecken  gebliebenen  Werkes  handeln  würde. 

2)  Eine  Seite  der  Unciale  ist  photographiert  in  Palaeogr.  Soc.  II  26,  eine 
Seite  der  Minuskel  auf  Taf.  20  des  Londoner  Katalogs.  Schon  Tischendorf 
hatte  Schriftproben  gegeben:  von  beiden  Schriften  in  den  Anecdota,  Taf.  1,  Nr.V 
u.  VI,  von  der  Unciale  auBerdem  auf  der  dem  2.  Bd.  der  Monumenta  beigegebenen 
Schrifttafel  unter  Nr.  2;  aber  nur  die  Uncialproben  geben  ein  ziemlich  treues 
Bild,  die  Minuskelprobe  dagegen  ist  ganz  vernnglückt,  sie  ruft  den  Eindruck 
herror,  als  habe  der  Schreiber  mit  unsicherer,  zitternder  Hand  gearbeitet,  wäh- 
rend die  Photographie  beweist,  daB  er  sich  gerade  im  Gegenteil  einer  auBer- 
ordentlich  sicheren  und  festen  Hand  erfreute. 

8)  1864  nnd  1855  in  den  S.  98,  Anm.  4  citierten  Beschreibungen. 

4)  Macray,  Annais  of  the  Bodleian  Library,  S.  288. 

6)  Das  Vorwort  ist  datiert  „mense  Octbr.  ezeunte  anni  salutis  1856". 

6)  DaB  im  Texte  selbst  S.  6  noch,  wie  in  der  L  Aufl.,  steht:  „uncialibus 
lltteris  octavi  saeculi  scriptus*,  ist  nicht  so  auff&llig,  wie  es  zuerst  scheinen 
k6nnte,  da  diese  ^editio  repetita,  emendata,  aucta"  im  Wesentlichen  eine  «editio 
repetiU",  zn  Deutsch  eine  nTitelanflage**  ist,  dadurch  veranlaBt,  dsB  das  Buch 
in  einen  anderen  Verlag  flbergieng.  S&rotliche  27  Teztbogen  der  1.  Aufl.  sind 
einfach  herftbergeDonmen,  nnd  nur  das  letzte  Blatt  (S.  216/216)  ist  durch  einen 


106  Alfred  Rahlfs, 

er  hatte  inzwischen  aaf  seiner  3.  Reise  (1869)  den  Rest  des  Codex 
bekommen  und  die  Zusammengehörigkeit  der  drei  Teile  erkannt, 
auch  stand  es  ihm  gewiß  schon  fest,  daß  alles  „eadem  manu^  ge- 
schrieben sei,   folglich  mußte  er,   da  die  Minuskel   nicht  wohl  ins 

8.  Jahrh.  hinaufgerückt  werden  konnte,  die  Unciale  ins  9.  herab- 
rücken. Sein  Schlaßurteil  giebt  er  dann  1869  in  der  in  extenso 
citierten  Stelle  seiner  LXX- Ausgabe;  wenn  er  sie  nunmehr  der 
Mitte  des  9.  Jahrh.  zuweist,  so  ist  das  als  ein  Compromiß  zwischen 
den  beiden  anfänglichen,  divergierenden  Ansätzen  für  die  beiden 
Schriftarten  zu  betrachten.  Daß  Tischendorf  hiermit  dem  Rich- 
tigen sehr  nahe  gekommen  ist,  kann  nicht  bezweifelt  werden ;  auch 
die  Herausgeber  des  Palaeogr.  Soc.  und  Swete ') ,  der  zugleich 
Rendel  Harris    zu  Rate    gezogen   hat,    entscheiden    sich    für   das 

9.  Jahrh.,  und  fiir  dieses  spricht  außer  der  Form  der  Buchstaben 
auch  die  vollständige  Setzung  der  Accente  und  Spiritus,  die 
reiche,  schon  das  Fragezeichen  einschließende  Interpunction ,  die 
Schreibung  des  i?v  von  trjv  mit  dem  tachygraphischen  Zeichen, 
das  offenbar  aus  der  Minuskelschrift  stammende  Compendium  für 
TtaQ^e'vog  mit  über  die  Zeile  gesetztem  0-,  u.  ä.  (s.  Tischendorf, 
Mon.  II,  S.  XXXX  ff.).  Fraglich  kann  meines  Erachtens  nur  sein, 
ob  wir  nicht  noch  etwas  tiefer,  als  Tischendorf,  herabzugchn  haben, 
und  diese  Frage  möchte  ich  im  Anschluß  an  Swete,  dcm^  das  Ende 
des  9.  Jahrh.  die  wahrscheinliche  Entstehungszeit  ist,  bejahen. 
Vor  allem  leitet  mich  dabei  die  große  Aehnlichkeit  der  Schrift 
mit  der  Pariser  Prachthandschrift  des  Gregor  von  Nazianz,  von 
der  Omont  in  den  „Fac-similes  des  plus  anciens  mss.  grecs"  (Paris 
1892),  pl.  XI/XII  eine  Probe  giebt,  und  die  deshalb  besonders 
wichtig  ist,  weil  sie  Bildnisse  des  Kaisers  Basilios  I.  (867 — 886) 
und  seiner  Gemahlin  Eudokia  mit  ihren  beiden  Söhnen  Leo  und 
Alexander  (dieser  um  870^)  geboren)  enthält  und  dadurch  Auf- 
schluß über  ihre  Entstehungszeit  giebt').     Jedenfalls  werden  wir, 


Carton  ersetzt;  die  „Verbesserungen "  stehn  lediglich  in  dem  neagedruckten  Index. 
Die  „Vermehrung*'  besteht  in  der  Binzufügung  der  drei  Bogen  28 — 30;  der 
darauf  folgende  „Tabularum  index^  ist  dagegen  wieder  aus  der  1.  Aufl.  beibe- 
halten, weshalb  er  die  Bogenzahl  28  trägt  (statt  Sl)  und  noch  immer  vermeldet, 
daß  die  nach  Oxford  und  London  verkauften  Hss.  „nuper''  dorthin  gewandert  sind. 

1)  In  der  2.  Aufl.  des  1.  Bandes^  S.  xxvi;  in  der  1.  Aufl.  war  Tischendorfs 
früherer  Ansatz  (Ende  des  8.  Jahrh.)  wiederholt. 

2)  L*art  de  v^rifier  les  dates  II  4  (Paris  1818),  S.  298. 

3)  Zuf&llig  trifft  es  sich,  daS  auch  die  Pariser  Hs.,  wie  die  Oxforder  (in  der 
1.  und  5.  Lage),  2  Golumnen  zu  40  Zeilen  auf  der  Seite  hat;  doch  haben  die 
Zeilen  in  ihr  größeren  „Durchschuß",   wie  überhaupt  alles  einen  prächtigen  and 


über  eine  Handscbrift  der  Septnaginta.  107 

glaabe  ich,  nicht  fehlgehn,  wenn  wir  die  2.  Hälfte  des  9.  Jahrh. 
als  die  wahrscheinlichste  Entstehnngszeit  ansetzen,  ohne  jedoch 
die  Möglichkeit  einer  solchen  Schrift  noch  zu  Anfang  des  10.  Jahrh. 
dorchans  in  Abrede  zn  stellen. 

Die  Minuskel  datierte  Tischendorf  anfangs^)  nach  ihrer 
angeblichen  genauen  Uebereinstimmung  mit  den  datierten  Hss. 
Paris.  Reg.  1470  (Heiligenleben)  vom  J.  890  und  Bodl.  Clark.  39 
(Plato)  vom  J.  896  oder  vielmehr  895.  Später  hat  er  auch  hier 
seine  Meinung  geändert  und  die  Schrift  höher  hinaufgerückt,  um 
sie  der  Majuskel  zu  nähern,  und  nun  versteigt  er  sich  in  den 
Prolegomena  zur  Septuaginta  sogar  zu  der  Aeußerung:  ^Minusculae 
nescio  an  exemplum  omnium  sit  antiquinsimum".  Umgekehrt  stellt 
Muralt  in  dem  Petersburger  Katalog  das  9.  und  10.  Jahrh.  zur 
Wahl,  und  weisen  die  Londoner  geschulten  Paläographen  sowohl 
1875  in  dem  „Catalogue  of  Additions  to  the  MSS.in  the  Brit. 
Mus.  in  the  years  1854—1860"  S.  27,  als  1881  in  dem  mehrfach 
erwähnten  „Catalogue  of  Ancient  MSS."  die  Hs.  geradezu  dem 
10.  Jahrh.  zu.  Abzulehnen  ist  jedenfalls  Tischendorfs  späterer 
Ansatz,  der,  wie  bemerkt,  nur  aus  einem  Compromiß,  vielleicht 
unter  Mitwirkung  der  bei  Entdeckern  gewöhnlichen  Neigung,  den 
Wert  ihrer  Entdeckungen  zu  überschätzen,  hervorgegangen  ist. 
Aber  auch  sein  früherer  Ansatz  ist,  wenn  auch  vielleicht  richtig, 
jedenfalls  nicht  richtig  begründet.  Denn  die  beiden  datierten  Hss., 
auf  welche  er  sich  beruft  *),  zeigen  in  Wirklichkeit  keine  irgendwie 
intimere  Verwandtschaft  mit  unserer  Minuskel,  ganz  abgesehen 
davon,  daß  sie  schon  unter  sich  selbst  stark  verschieden  sind'). 
TJeberhaupt  ist  es  bei  der  Datierung  unserer  Hs.  die  Hauptschwie- 
rigkeit, daß  sie   einen  ganz  eigenartigen  Ductus  zeigt,  zu  dem 


öberaos  aauberen  Eindruck  macht,  aach  die  Bachstaben  sorgfältiger  gemalt  sind, 
als  in  der  charaktervoll,  aber  etwas  hastig  geschriebenen  Oiforder  Unciale.  — 
In  dieser  Schriftart  giebt  es  übrigens  eine  größere  Anzahl  von  Hss«  (vgl.  s.  B. 
das  Yerxeichnis  bei  Thompson,  Handbook  of  Qreek  and  Latin  Palaeography, 
2.  Aufl.,  S.  167  nnd  Omont  pl.  IX,  auch  X),  aber  sie  helfen  uns  nichts,  da  sie 
aach  nur  schätiungsweise  zu  datieren  sind. 

1)  Auch  1860  in  der  Beschreibung  der  Petersburger  Hs.  wiederholt. 

2}  Proben  int  Omont,  Fac-similös  des  mss.  grecs  dat^s,  Taf.  1.  —  Palaeogr. 
8oc.  I  81.    Wattenbach  u.  Velsen,  Exempla,  Taf.  8. 

S)  Damit  darf  auch  die  an  jene  AeuBerungen  Tischendorfs  anknQpfende  Frage 
Lagardes,  ob  unsere  Hs.,  wie  der  Oxforder  Plato,  für  Arethas  geschrieben  und 
demnach  wahrscheinlich  in  Cappadocien  zu  localisieren  sei,  als  erledigt  gelten, 
zumal  die  Aehnlichkeit  gerade  mit  diesem  besonders  gering  ist,  und  sich  auch 
sonst  keine  Berahrongen  mit  den  fAr  Arethas  geschriebenen  Hss.  (Wattenbaeh, 
Anl.  s.  griech.  Palaeogr.,  8.  Aufl.,  S.  61  ff.  128)  zeigen. 


103  Alfred  Rahlfs, 

ich  nur  eine  einzige  nähere  Parallele')  gefanden  habe  in  dem  bei 
Holmes-Parsons  als  198,  im  N.  T.  als  33  der  Evangelien  gezählten 
Pariser  Codex  Reg.  14  (Colbert  2844)*).  Leider  ist  er  aber  auch 
undatiert  und  die  Meinungen  über  ihn  sehr  geteilt:  früher  setzte 
man  ihn  allgemein  ins  11.  Jahrb.,  jetzt  setzt  ihn  Omont,  Inven- 
taire  sommaire  des  mss.  grecs  de  la  Bibliothfeque  nationale,  I 
(Paris  1886),  S.  4  ins  9.,  Gregory  in  den  Prolegomena  S.  469  ins 

9.  oder  10.  Jahrhundert.  Da  also  feste  Anhaltspunkte  fehlen'), 
und  auch  die  Beobachtung,  daß  nach  der  Londoner  Photographie 
die  Schrift  in  unserm  Codex  noch  auf  der  Zeile  steht,  nur  eine 
Herabrückung  über  das  10.  Jahrb.,  an  welche  ohnehin  niemand 
denken  wird,  verbietet*),  so  kann  man  nur  nach  dem  allgemeinen 
Eindruck  urteilen,  und  nach  diesem  möchte  ich  meinen,  daß  unser 
Codex  jedenfalls  noch  in  die  Klasse  der  „Codices  vetustissimi^ 
gehört,  die  Thompson,  Handbook  S.  1B9.  162  ff.  bis  zur  Mitte  des 

10.  Jahrb.  rechnet,  und  enthalte  mich  im  Ilebrigen  des  Urteils, 
eingedenk  der  Warnung  Thompsons,  daß  gerade  bei  dieser  Klasse 
„it  is  extremely  difficult  to  place  the  undated  MSS.  in  their  pro- 
per Order  of  time''  (S.  165). 

Demnach  ergiebt  sich ,  daß  zwischen  den  beiden  Schriften 
keinenfalls  ein  beträchtlicher  Zeitunterschied  ist,  und  sie  eventuell 
sogar  ganz  gleichzeitig  sein  können.  Träfe  letzterer  Fall  zu,  so 
wäre  auch  Identität  der  Schreiber  sehr  wohl  möglich ;  den  Wechsel 
der  Schrift  müßte  man  sich  dann  etwa  daraus  erklären,  daß  die 
Unciale  sich  nach  einiger  Zeit  als  zu  raumfressend  herausstellte, 
und  der  Schreiber  deshalb  zu  der  viel  sparsameren  Minuskel  über- 
gieng  *).    Eine  sichere  Entscheidung  wird  nur  ein  genaues  Studium 


1)  Betont  sei  aber,  daB  Dur  der  Ductus  im  Ganzen  große  Aehnlichkeit  zeigt, 
dagegen  im  Einzelnen  manche  Unterschiede  vorhanden  sind. 

2)  Er  enth&lt  die  Propheten  und  das  N.  T.  außer  der  Apokalypse,  and  hat 
ein  anderes  Format,  als  unsere  Hs.  (37,8  :  24,8  cm;  vgl.  Qregory's  Prolegomena 
S.  469),  und  mehr  Zeilen  auf  der  Seite  in  nur  1  Columne.  Schriftprobe  bei 
Scriyener,  Introduction  to  the  Criticism  of  the  N.T.,  3.  Aufl.  (Cambr.  1883), 
Taf.  XIII,  Nr.  39;  Photolithographie  eines  größeren  St&ckes  bei  Abbä  Martin, 
Introduction  k  la  Critique  textuelle  du  N.T.,  t.  IV,  S.  92.  —  Zu  meiner  Freude 
sehe  ich,  daß  auch  Gregory  seinerseits  bei  der  Beschreibung  jenes  Codex  gerade 
unsere  Hs.  zum  Vergleich  heranzieht  („cf  Mus.  Brit.  Add.  20002''). 

8)  Das  h&ufige  Vorkommen  des  uncialen  e  möchte  ich  trotz  Qardthausen, 
Griecb.  Palaeogr.  S.  183  nicht  ^Is  solchen  betrachten. 

4)  Vgl.  Gardthausen,  Griech.  Palaeogr.  S.  68  f.  Wattenbach,  Anl.  inr  griech. 
Palaeogr.*  S.  57  oben. 

6)  HierfQr  ließe  sich  noch  anfahren  die  Ungleichmäßigkeit  in  der  ünciale 
selbst.    Auf  den  ersten  Blättern  ist  der  Schreiber,  wie  schon  Tischendorf  ange- 


über  eine  Handschrift  der  Septuaginta.  109 

der  ganzen  Hs.,  besonders  auf  die  kleinen  Schreibgewohnheiten 
hin,  geben  können,  oder  vielleicht  auch  dieses  nicht,  da  auch  auf 
griechischem  Boden  gelten  wird,  was  Chatelain  in  der  Revue  de 
Philologie,  Noav.  s^r.  XIV  (1890),  S.  80  vom  Lateinischen  sagt: 
„Des  copistes  de  la  meme  ^poque  et  de  la  meme  ^cole  ont  nne 
öcritore  qaelqaefois  identiqae*'  ^). 

Wichtiger  aber  als  die  Frage  nach  der  Identität  des  Schrei- 
bers ist  die  andere  Frage  nach  der  Identität  des  abgeschriebenen 
Textes,  welche  doch  insofern  mit  jener  zosanmienhängt,  als  ein 
aach  nur  mehrere  Jahrzehnte  späterer  Abschreiber  wahrscheinUch 
auch  eine  andere  Vorlage  gehabt  haben  würde.  Gehen  wir  non 
nach  der  von  Lagarde  wieder  hervorgezogenen  Aeoßernng  Tischen- 
dorfs über  die  Petersborger  Hs. :  „Textas  quem  praebet  non  vi- 
detor  LXX  virorom,  sed  fere  Theodotionis  vel  similis  interpretis 
antiqua  nobüitate,  cuias  nonnisi  specimina  innotaeront"  (Notitia 
S.  57),  auf  die  gestützt  Maralt  in  dem  Petersburger  Katalog  die 
Hs.  geradezu  als  „Fragment  de  la  traduction  grecque  de  TA^-T. 
par  Th^odotion"  ausgiebt,  und  vergleichen  damit,  daß  Tischendorf 
von  der  Oxforder  Unciale  nichts  Derartiges  aussagt,  sondern  sie 
als  LXX-Hs.  ediert,  so  scheint  allerdings  ein  beträchtlicher  un- 
terschied zwischen  beiden  vorzuliegen.  Aber  die  Probe  aus  der 
Petersburger  Hs.,  welche  Tischendorf  zum  Beweis  beibringt,  be- 
weist in  der  That  nichts  für  seine  Behauptung,  lehrt  vielmehr, 
daß  wir  es  mit  einem  stark  hexaplarisch  beeinflußten,  aber  nicht 


merkt  hat  (Monom.  II,  S.  XXXYII),  viel  sparsamer  mit  dem  Platxe  amgegaogen ; 
sie  eotbalten  über  80,  ja  die  beiden  Blätter  mit  44  Linien  (f.  4.  5)  sogar  dicht 
an  90  Swete'sche  Zeilen.  Dann  aber  wird  er  breiter;  in  der  2.  Lage  ergiebt 
sich  ein  Durchschnitt  von  67Vi  Zeilen,  wobei  freilich  das  Sinken  der  Linienaahl 
der  Hs.  mit  in  Rechnung  zu  sieben  ist,  und  in  den  folgenden  Lagen  kommen 
durchweg  nur  noch  64  Zeilen  auf  das  Blatt,  eine  Zahl,  die  sich  trotz  der  wieder 
steigenden  Liniensahl  der  Hs.  bis  zum  SchluB  der  Unciale  gleich  bleibt;  nur 
die  letzte  Seite  (die  Vorderseite  des  Cambridger  Blattes)  enthalt  blos  27  7« 
Swete'sche  Zeilen,  was,  auf  das  Blatt  berechnet,  55  ergiebt.  Man  könnte  sich 
denken,  dafl,  weil  durch  dies  Breiterwerden  der  Schrift  su  viel  Pergament  rer* 
braucht  war,  der  Schreiber  angewiesen  wurde,  die  Fortseuuqg  in  Minuskeln  su 
schreiben;  aber  man  könnte  auch  ebenso  gut  denken,  daft,  weil  der  erste  Schreiber 
sich  nicht  bew&hrt  hatte,  ein  anderer  an  die  Arbeit  gesetzt  wurde.  (In  dem 
Minoskelteile  scheint  die  Schrift  sehr  gleichm&Aig  zu  sein,  da  der  Durchschnitt 
bei  Rieht  und  Ruth  noch  genau  derselbe  ist,  wie  im  Exod.,  vgl.  oben  8.  101. 
Nur  am  Anfange  ist  er  etwas  geringer,  was  aber  z.  T.  auf  R^rhnnng  der  ge* 
ringeren  Linienzahl  (vgl.  oben  S.  103,  Anm.  2)  zu  setzen  ist.) 

1)  Zu  beachten  ist  noch  die  Bemerkung  Tischendorfs  (Notitia  8. 56)  ,foL  108 
aliam  incipere  scripturam  a  prisca  prioris  elegantia  pauUo  diversam*. 


110  Alfred  Rahlfs, 

rein  hexaplarischen  Texte  za  thun  haben.  Ueberhaupt  kann  ich 
mir  jene  Aeußerung,  wenn  sie  nicht  noch  einen  anderen,  nachher 
zu  berührenden  Grund  hat,  nur  aus  dem  Wunsche  des  Entdeckers 
erklären,  seinen  des  Nimbus  der  Uncialschrift  entbehrenden  Fund 
zum  Ersatz  dafür  mit  einem  anderen  Nimbus  zu  umgeben.  Uebri- 
gens  hat  Tischendorf  die  dort  geäußerte  Vermutung  1869  in  seiner 
Septuaginta  stillschweigend  zurückgezogen,  und  so  dürfen  auch 
wir  sie  der  verdienten  Vergessenheit  anheimfallen  lassen.  Ein 
endgültiges  Urteil  über  den  Text  kann  man  nach  dem  wenigen, 
was  davon  bekannt  geworden  ist  ^),  noch  nicht  füllen ,  doch  darf 
man  wohl  schon  jetzt  behaupten,  daß  die  ganze  Hs.  für  die  große 
Cambridger  LXX- Ausgabe  coUationiert  zu  werden  verdient. 

Zum  Schluß  drängt  sich  noch  die  Frage  auf;  Wie  kam  es, 
daß  die  Hs.  so  zerteilt  wurde?  An  Zufall  zu  denken,  ist  ab- 
solut ausgeschlossen,  da  gerade  der  Majuskel-  von  dem  Minuskel- 
teil getrennt  und  aus  letzterem  wiederum  ein  in  sich  abgeschlossenes 
Stück,  die  Bücher  Richter  und  Ruth  ^)j  herausgelöst  ist,  wobei,  wie 
oben  gezeigt,  der  Schnitt  an  allen  drei  Stellen  durch  die  Lage,  das 
erste  Mal  sogar  durch  sämtliche  vier  Doppelblätter  der  Lage  geht. 
Sie  kann  also  nur  absichtlich  so  zerschnitten  sein,  und  zwar  ge- 
wiß erst  in  neuerer  Zeit,  denn  während  sich  sonst  einige  Lücken 
finden,  sind  die  zerschnittenen  Lagen  selbst  mit  Ausnahme  eines 
Blattes  lückenlos  erhalten,  was  andernfalls  mindestens  sehr  auf- 
fällig wäre.  Dann  aber  kann  man  sich  als  Urheber  wohl  nur 
einen  pfiffigen  orientalischen  Händler  denken,  der,  da  er  um  Tischen- 
dorfs Glauben  an  die  alleinseligmachende  Unciale  wußte,  den  Un- 
cialteil  ablöste,  um  ihn  an  Tischendorf  als  reine  Uncialhs.  zu  ver- 
kaufen. Daß  dieser  Händler  ihm  dann  nicht  zugleich  die  ganze 
Fortsetzung  zum  Kauf  anbot,  ist  leicht  erklärlich,  da  ja  dadurch 
der  Betrug  gleich  ans  Licht  gekommen  wäre;  er  riß  also  nur  ein 
kleineres,  in  sich  abgeschlossenes  Stück  heraus  und  sparte  sich 
den  Verkauf  des  Restes  für  die  Zukunft  auf.  Als  Tischendorf 
dann  1859  wieder  kam,  verkaufte  er  ihm  auch  den  Rest,  aus  dem 
inzwischen  das  letzte  Blatt  der  ganz  zerschnittenen  6.  Lage  ver- 


1)  Außer  dem  Oxforder  Teile,  der  übrigens  von  Beard  für  die  2.  Aufl.  Swetes 
nachcollationiert  ist,  haben  wir  die  Collation  des  Cambridger  Blattes  bei  Swete 
(2.  Aufl.)  und  die  von  Rieht.  1—5  bei  Lagarde,  Sept.-Stud.  I  (Lagardes  Abschrift 
des  Londoner  Teiles  ist  jetzt  cod.  Gotting.  Lagard.  8).  Außerdem  ist  Jos.  1 1-« 
aus  Tischendorfs  „Notitia*',  Jos.  24  27  —  Bicht.  1  s  durch  die  Londoner  Photo- 
graphie bekannt. 

2)  Der  Schloß  von  Jos.  mußte  nur  deshalb  mit  Rieht,  u«  Ruth  wandern,  weil 
er  auf  derselben  Seite  steht,  auf  der  Rieht,  beginnt. 


ober  eise  Handschrift  der  Septuaginta.  Hl 

lorcn  gegangen  war  *).  —  Tischendorfs  Verhalten  bei  der  Sache 
ist  im  ganzen  durchaus  unanstößig.  Baß  er  sich  von  seinem  ori- 
entalischen Geschäftsfreunde  ein  Schnippchen  schlagen  ließ,  wird 
ihm  niemand  zum  Vorwurf  machen  wollen.  Auch  daß  er  die  1853 
erworbenen  Teile  der  Hs.  an  verschiedene  Bibliotheken  veräußerte, 
darf  ihm  nicht  übel  gedeutet  werden,  da  er  ihre  Zusammenge- 
hörigkeit nicht  kannte;  das  mit  beiderlei  Schrift  beschriebene 
Blatti  das  ihm  diese  bewies,  erhielt  er  gewiß  erst  1859,  denn  dem 
Händler,  der  eine  solche  Schlauheit  bewies,  dürfen  wir  nicht  die 
Dummheit  zutrauen,  daß  er  das  sein  Geheimnis  verratende  Blatt 
dem  UncialteUe  beigab;  auch  sahen  wir  ja,  daß  Tischendorf  zu- 
erst 1800  mit  seiner  geänderten  Ansicht  über  das  Alter  der  Un- 
ciale  hervortrat.  Auch  dafür,  daß  der  zuletzt  erworbene  Teil 
nach  Petersburg  wanderte,  obwohl  Tischendorf  seine  Zusammen- 
gehörigkeit mit  dem  Londoner  Teile  kannte  und  schon  1860') 
öffentlich  aussprach,  dürfen  wir  ihn  nicht  verantwortlich  machen; 
das  lag,  wie  schon  zu  Eingang  betont,  an  den  Verhältnissen.  Nur 
ein  Punkt  bleibt,  über  den  man  verschiedener  Meinung  sein  kann : 
Tischendorf  hat,  obwohl  er  1859  offenbar  sofort  die  Zusammen- 
gehörigkeit der  Majuskel  mit  der  Minuskel  erkannte,  diese  doch 
verschwiegen  ^)  und  das  sie  beweisende  Blatt  zurückbehalten.  Ja, 
man  könnte  sogar  auf  den  Gedanken  kommen,  daß  er  das  Märchen 
vom  Theodotion  damals  auch  deshalb  in  die  Welt  gesetzt  hätte, 
mn  den  Abstand  zwischen  der  Minuskel  und  der  Oxforder  Majuskel, 
die  er  als  LXX-Hs.  herausgegeben  hatte,  noch  zu  vergrößern  und 
die  Entdeckung  der  Zusammengehörigkeit  beider  zu  erschweren. 
Freilich  hat  er  dies  1809  dadurch  wett  gemacht,  daß  er  in  seiner 
iSeptuaginta  den  wirklichen  Thatbestand,  wenn  auch  in  sehr  son- 
derbarer Form,  dargelegt  hat.  Aber  es  bleiben  doch  die  Fragen: 
welchen  Grund  hatte  er  zu  seiner  anfänglichen  Verdunkelung  des 


1)  Ueber  den  Ort  der  Erwerbung  schweigt  Tischendorf  (aach  in  seinem  Buche 
„Aus  dem  heUigen  Lande**,  Lpz.  1862,  S.  347  ff.,  wo  er  über  Uandschriftenfunde 
der  d.  Reise  spricht).  Jedenfalls  muB  es  eine  Gegend  gewesen  sein,  die  er  so- 
wohl auf  der  2.,  als  auf  der  3.  Reise  berührte,  also  etwa  Aegjpten  oder  der 
SinaL  —  Ebenfalls  serteilt  ist  der  auch  1863  und  1859  mitgebrachte  Evangelien* 
Codex  r,  von  dem  Oxford  9,  Petersburg  7  Stücke  besiut,  und  der  Sinaiticus, 
von  dem  ein  Teil  in  Leipzig  als  Friderico- Augustanus  (1Ö44  mitgebracht)  liegt, 
aber  bei  beiden  ist  die  Zerteilung  schon  älteren  Datums. 

2)  Sowohl  in  der  »Notitia*  S.  66,  als  in  den  Prolegomena  zu  seiner  3.  Aus* 
gäbe  der  SeptuaginU,  8.  LVIU.  LXIV. 

8)  Dies  kann  kein  Zufall  sein ,  da  er  gleichzeitig  auf  ihre  Zusammenge- 
bOrigkeii  mit  der  Londoner  ausdrücklich  hinweist. 


112  Alfred  Rahlfs,  über  eine  Handschrift  der  Septaaginta. 

Sachverhalts  ?  und  welches  Recht  hatte  er,  das  entscheidende  Blatt 
zurückzubehalten?  Und  hier  endigen  wir  bei  einem  Non  liqaet 
und  können  höchstens  zu  Vermutungen  unsere  Zuflucht  nehmen, 
wie  der,  daß  Tischendorf  sich  die  Ausnutzung  und  richtige  Wer- 
tung der  Petersburger  Hs.,  die  übrigens  zu  denjenigen  zählt,  von 
denen  er  Notitia  S.  47  berichtet :  ,,iussu  supremo  meis  ipsios 
studiis  reservati  sunt",  um  so  sicherer  wahren  wollte. 


Der  Ursprung  des  Motett's- 

Vorläufige  Bemerkangen 
von 

Wilhelm  Meyer  aus  Speyer. 

Vorgelegt  am  14.  April  1898. 

Zu  den  dunkeln  Gebieten  der  Musikgeschichte  gehört  der  mehr- 
Btimmige  Gesang  des  Mittelalters.  Ein  wichtiger  Theil  jener  mehr- 
stimmigen Gresänge  waren  die  Motette.  Das  Merkmal  eines  Motett's 
ist  der  sogenannte  Tenor :  eine  Stimme  sang  eine  Melodie,  welcher 
in  den  Handschriften  einzelne  Silben,  Wörter  oder  kurze  Phrasen 
(Gro  Ta  Adiutorium  Aedificabo  Ad  nutum  Et  gaudcbit)  unterge- 
schrieben sind;  gleichzeitig  wurde  entweder  äin  Liedtext  von  1 
oder  von  2  oder  von  3  Stimmen  in  1  oder  2  oder  3  verschiedenen 
Melodieen  gesungen,  oder  es  wurden  gleichzeitig  zu  jenem  Tenor 
noch  2  oder  3  verschiedene  Liedtexte  von  2  oder  3  verschiedenen 
Stimmen  und  nach  verschiedenen  Melodieen  gesungen,  so  daß  also 
die  verschiedenen  Texte  nur  von  je  einer  Stimme  gesungen  wurden. 
Von  den  verschiedenen  Arten  der  mehrstimmigen  Gesänge  des 
Mittelalters  ist  das  Motett  am  meisten  erforscht  (vgl.  Cousse- 
maker's  L'Art  harmonique  aux  xii*  et  xm*  sieclcs  1865),  und 
dennoch  ist  in  Wahrheit  auch  über  das  Motett  unser  Wissen  noch 
sehr  unsicher.  Nicht  einmal,  woher  der  Tenor  kommt  und  was 
er  ist,  steht  fest,  geschweige  das  Uebrige. 

Bei  der  Untersuchung  der  Formen  der  lateinischen  Dichtung 
des  Mittelalters  haben  die  lateinischen  Motettentexte  mir  solche 
Schwierigkeiten  bereitet,  daß  ich  vor  ihnen  Halt  machte  und  auf 
die  Hilfe  eines  Andern  hoffte  (Ludus  de  Antichristo  in  Münchner 
Sitzungsber.  1882  S.  181).  Jetzt  hat  die  Bamberger  Motettenhand- 
schrift mich  nicht  nur  zu  den  palaeographischen  Untersuchungen 
veranlaßt,   welche  ich  in  der  Abhandlung  'Die  Buchstabenverbin- 

Kft  0«.  d.  W.  KMkrickUB.  PkUol«(.-lüst«r.  XImm  1896.  Hft  S.  8 


114 


Wilhelm 


aeyer, 


düngen  der  aogenannten  gotliisclien  Schrift' {GöttiogerGrcsollschaft 
der  Wissenschaften  1897)  verütfentlicht  habe,  sondern  sie  hat  mich 
gezwungen ,  die  Aufgabe ,  deren  Lüsmig  ich  von  Andern  gehofft 
hatte,  selbst  anzufassen.  Die  Mühen  der  Untersachung  waren  i'iir 
mich,  der  ich  zwar  gern  singen  höre,  aber  selbst  von  Musik 
Nichts  verstehe ,  ungewöhnlich  groß ;  doch  glaube  ich ,  die  Auf- 
gabe im  Wesentlichen  gelöst  und  den  Ursprung  und  das  Wesen 
des  mittelalterlichen  Motett'a  erkannt  zu  haben.  Die  Sachverstän- 
digen werden  vielleicht  von  hier  aus  die  umliegenden  Gebiete  der 
mittelalterlichen  Mnyik  besser  erkennen  können.  Jedenfalls  aber 
werden  neue  Räume  des  Wunderbaaes  der  mittelalterlichen  Kunst- 
formen erhellt  ond  zwar  gerade  jene  wichtigen,  in  welchen 
Sänger  nnd  Dichter  gemeinsam  unübertroffene  Kanstwerke  ge- 
schaifen  haben. 

Es  scheint  mir  nützlich ,  zunächst  ohne  Besprechung  der  bis- 
herigen Ansichten  die  Grundziige  meiner  Ansichten  schon  jetzt 
zu  veröffentlichen,  mit  dem  Vorbehalt  sie  später  im  Einzelnen  aus- 
zurühren,  zuzusetzen  oder  wegzunehmen,  und  mit  der  Bitte,  daß 
von  Handschriften  einschlägigen  Inhalts,  besonders  von  mehrstim- 
mig componirten  Antiphonen  und  ähnlichen  liturgischen  Stucken, 
mir  Mittheilung  gegeben  werde. 


Der  Gottesdienst  der  byzantinischen  Kirche  im  9.  und  10.  Jahr- 
hundert war  sehr  umfangreich  nnd  entfaltete  eine  überwältigende 
Pracht  und  Schönheit.  Priesen  die  Himmelaköriier  und  die  un- 
zähligen Engelachaaren  bis  herab  zum  Gethier  dieser  Erde  laut 
den  Üuhm  Gottes,  so  füMten  auch  die  Menschen  sich  verpflichtet, 
nach  besten  Kräften  mitzuthun.  Dasselbe  Streben  erfaßte  im 
9.  Jahrhundert  die  lateinische  Kirche.  Da  die  überlieferte  lateini- 
sche Liturgie  nur  bescheidenen  Raum  bot ,  so  ging  in  der  latei- 
nischen Kirche  des  Abendlandes ,  besonders  Deutschlands ,  dann 
noch  mehr  Frankreichs,  ein  mächtiger  Zag  dahin,  die  gottes- 
dienstlichen Formen  zu  erweitern  und  zu  verschö- 
nern. Schon  in  der  griechischen  Kirche  spielten  hiebei  Dicht- 
kunst und  Gesang  die  Hauptrolle ,  ja  diese  kirchlichen  Gesänge 
füllen,  wie  ich  schon  früher  bemerkt  habe,  eine  Lücke  in  unserer 
Kenntniß  der  byzantinischen  Literatur :  sie  ersetzten  den  Byzan- 
tinern die  lyrische  Poesie. 

Auch  der  lateinische  (Jottesdienst  wurde  hauptsächlich  durch 
Zusätze  des  Gesanges  nnd  der  Dichtkunst  erweitert.  Eeichen 
Stoff  für  die  Erkenntniß  dieser  Sache  bietet  Leon  Gautier,  Hi- 
stuii'c  de  lu  puesie  liturgi<],ue  au  muyen  age,  I  1886.     Schon  früh 


der  ÜrspniDg  des  Motett's.  '  115 

wurde  z.  B.  der  einfache  Psalmvers  (8,  3)  Ex  ore  infantiam,  deus, 
et  lactentiom  perfecbti  laudem  propter  inimicos  taos  entweder 
durch  hochrhetorische  Zusätze  durchbrochen ,  wie:  Ex  ore  infan- 
tium,  deus,  fecisti  laudare  nonien  tuum  et  lactentium  perfecisti  lau- 
dem. Triumphantes  de  hoste  vipci'eo  flore^n  aeternae  virginitatis  eos  in 
coelesti  gloria  suscepisti  propter  inimicos  tuos ;  oder  er  wurde 
durch  eingeschaltete  Verse  über  den  Kindermord  verziert,  wie 
Pangüe  ianif  pueri,  laudes  et  promite  Christo. 

Ex  ore  infantium,  deus, 
Note  dei  Clemens,  parvorum  stiscipe  laudes. 

Et  lactentium  perfecisti  laudem, 
Qui  tibi  iam  naJti  certarunt  sanguine  puro. 

Propter  inimicos  tuos. 
So  wurden  später  die  Lectionen  aus  der  Bibel,  ja  sogar  die  Gre- 
bete,  wie  Pater  noster ,  Credo  u.  s.  w.  mit  gesungenen  rhetori- 
schen Phrasen  oder  Verszeilen  durchbrochen.  Eine  Handschrift 
aus  dem  Ende  des  12.  Jahrhunderts  bietet  mir  gerade  folgenden 
Text,  welcher,  mit  Ausnahme  der  Ueberschrift  IN  DEDICATIONE, 
durchaus  mit  Neumen  versehen  ist: 
Äd  deeus  ecclesie  recitatur  hodie 

Lectio  libri  ApoccUipsis  lohannis  apostoli  (lectio  =  21, 2 — 6). 

V(erst$s)  Cui  revelata  sunt  secreia  celestia. 
In  diebus  illis     V(ersus)  Talis  diviiiittis  ostensa  est  visio. 
Vidi  civitatem  sanctam  lerusalem  novam, 
F.  qua  construitur  in  cdis        vivis  ex  lapidibus. 
L{ectio)  Descendentem  de  celo,  V,  nuptiali  thalamo. 
L.  Adeo  paratam  sicut  sponsam  omatam  viro  suo 

V,  super  solem  splendidum. 
L.  Et  audivi  vocem  magnam,  V.  nuntiantem  nova  gaudia. 
L.  De  throne  dicentem:  V.  Veni  ostendam  tibi. 
L.  Ecce  tabemaculum  dei  cum  hominibus. 
F.  Et  ad  eum  venient  omnes  gentes  et  dicent :  Gloria  tibi  damine. 
L.  Et  habitavit  cum  eis        F.  n\Ane  et  in  evum. 
L.  Et  ipsi  populus  eins  erunt 

F.  omnes  dei  gratia,        quos  a  nwrte  redemit  perpetua. 
L.  Et  ipse  deus  cum  eis  erit  eorum  deus, 
F.  qui  moderatur  cuncta  creata. 

L.  Et  absterget  deus  omnem  lacrimam  ab  oculis  eorum, 
F.  quorum  ttoti  sol  luna^  scd  Christus  vera  est  lucerna. 
L.  Et  mors  ultra  non  erit,  F.  uhi  cum  beatis  gloriamur, 
L.  neque  luctus  neque  damor,  F.  sed  celi  premia  perpetua ; 
Z.  neque  dolor  erit  ultra,  que  prima  abierunt.     F.  lusti  florebunt. 

8* 


116  *  Wilhelm  Meyer, 

L.  Et  dixit  qai  sedebat  in  throno,  F.  in  superna  maiestatis  arce: 
L.  Ecce  nova  facio  omnia. 

V.  Divina  Providentia  sancH  Spiritus  graiia 

per  Sacra  mysteria  renovantur  omnia. 

In  einer  Handschrift  des  13.  Jahrhunderts  lese  ich  eben: 
Pater  noster:  Audi  domine  hymnum  et  orationem,  tetnet  concincn" 
tium.  Qoi  es  in  celis:  In  ältissimis.  super  celorum.  Sancti- 
ficetur:  Glorificäur  in  nobis.  ad  te  suspirantibus,  Nomen  tunm: 
Quoniam  nomen  tibi,  novum  quod  os  domini  nominavit,  Adveniat : 
Velociter.  et  prestolamur  cernui.  Regnum  tuum :  In  quo  assidue 
felices  letantur.  cum  exultatione  portantes,  manipulos  stws  u.  s.  w. 
Oder  Credo  in  deum:  Confessione  fundatus.  Confessione  uere  fidei. 
Patrem  omnipotentem:  Celum  terramque  regentem.  potenti  virtute, 
Creatorem  ceU  et  terre:  Qui  solo  sermone  fecit  omnia.  Et  in 
lesum  Christum:  Quem  prophete  predicaverunt.  a^num  esse  ventu- 
rum  u.  s.  w. 

Diese  ^versiculi  ante,  inter  vel  post  ecclesiasticos  cantus  ap- 
positi'  und  ähnliche  Neuerungen  beschäftigten  die  kühnen  und 
kunstreichen  Sänger  und  Dichter  seit  dem  9.  Jahrhundert.  Das 
Lob  Gottes  bei  Tag  und  Nacht  zu  verkünden,  war  die  höchste 
Aufgabe  der  Menschen;  so  wurden  die  Sänger  außerordentlich 
geübt  und  Theorie  wie  Praxis  des  Gresanges  und  der  Musik  ent- 
wickelten sich  rasch.  Allen  andern  europäischen  Orten  ging 
in  diesem  kühnen,  neuartigen  Schaffen  St.  G-allen  voran,  dessen 
Euf  als  Sänger-  und  Dichtersitz  deßhalb  bald  Europa  erfüllte. 
Dort  hat  Tutilo  sehr  früh,  vielleicht  als  Erster  den  Tropi,  den 
gesungenen  Erweiterungen  der  Liturgie,  besondem  Eifer  gewid- 
met, dort  hat  sein  Freund  Notker  jene  Neuerung  geschaffen,  welche 
nach  meiner  Ansicht  nicht  nur  die  Formen,  sondern  auch  den 
Geist  der  mittelalterlichen  Dichtung  von  Grund  aus  verändert  und 
diese  auf  jene  Wege  geführt  hat,  auf  denen  sie  die  Höhen  der 
Schönheit  erreicht  hat.  Die  Erweiterung  Notker's  bestand  darin, 
daß  er  den  langen  und  schwer  zu  behaltenden  Coloraturen  einzelner 
Silben  des  AUeluia  Texte  unterlegte,  begeisterte  Loblieder  in  hoch- 
rhetorischer Sprache  zum  Preis  dessen,  an  dessen  Fest  die  be- 
treffende Melodie  gesungen  wurde.  Diese  Texte  wurden  den  Colo- 
raturen des  Alleluia  angeschmiegt,  so  daß  jede  Note  eine  Silbe 
erhielt.  Jene  Coloraturen  aber  waren  frei  musikalische  Schöpfungen 
neuerer  Zeiten;  mit  dem  Alterthum  und  den  altlateinischen  Klas* 
sikern  hatten  sie  Nichts  zu  thun.  Hatte  die  ganze  Bildung  der 
Earolingerzeit  an  den  alten  lateinischen  Vorbildern  geklebt,  so 
lernten  jetzt  die  Dichter  zunächst ,   daß  sie  schöne  Lieder  schaffen 


der  Ursprung  des  Motett's.  117 

könnten  in  Formen,  von  denen  die  berühmten  Alten  keine  Ahnung 
gehabt  hatten.  Sie  übten  die  neue  Kunst  mit  frommer  Freude, 
und  dem  Wagen  in  den  Formen  folgte  bald  auch  das  Wagen  im 
Geiste.  Dieser  neueWagemuth  strömte  bald  nach  Frankreich  und 
erfüllte  dort  die  Menschen  mit  Macht.  Fortan  bis  ins  14.  Jahr- 
hundert wetteiferten  Deutsche  und  Franzosen  in  der  Pflege  des 
Gesangs  und  der  Dichtung.  Die  Völker  aber,  welche  die  Sequenzen- 
dichtung gering  achteten,  blieben  Jahrhunderte  lang  in  Musik 
und  Dichtkunst  zurück. 

Die  Franzosen  hatten  die  Sequenzendichtung  mit  Begeisterung 
aufgenommen,  ja  bald  dieselbe  eifriger  gepflegt  als  die  Deutschen. 
Ihnen  scheint  auch  der  Ruhm  zu  gebühren,  eine  andere  Erwei- 
terung und  Verschönerung  des  Gottesdienstes,  den  mehrstimmigen 
Gesang,  erfunden  und  längere  Zeit  allein  gepflegt  und  ausgebildet 
zu  haben. 

(Mehrstimmig  componirte  Antiphonen).  InFrank- 
reich und  insbesondere  in  Paris  ist  im  12.  Jahrhundert  eine  grö- 
ßere Zahl  von  kurzen  kirchlichen  Gesängen,  ich  nenne  sie  Anti- 
phonen, mehrstimmig  componirt  worden.  Zuerst  wird  meistens 
der  Anfang  des  vorangehenden  Satzes  notirt ,  dann  folgt  der  Ge- 
sang selbst  und  oft  ist  noch  der  Anfang  des  folgenden  Gesanges 
beigegeben.  Die  Sammlung  war  so  geordnet,  daß  die  wenigen  4  stim- 
migen  Compositionen  zuerst  standen,  wie  'Viderunt  omnes.  Notum 
fecit  dominus  salutare  suum.  ante  conspectum  gentium  revelavit. 
Viderunt  omnes'  oder  'Sederunt.  Adiuva  me  domine  deus  mens. 
salvum  me  fac  propter  misericordiam.  Sederunt';  dann  folgten 
zahlreiche  8  stimmige  Compositionen  wie  'Alleluia.  Dies  sanctifi- 
catns  illuxit  nobis.  venite  gentes  et  adorate  dominum,  quia  hodie 
descendit  lux  magna',  oder  'Exiit  sermo.  Sed  sie  volo  eum  ma- 
uere donec  veniam';  endlich  sehr  zahlreiche  2 stimmige,  wie  'lu- 
dea  et  lerusalem.  Constantes  estote.  videbitis  auxilium  domini 
super  vos.  Gloria  patri  et  filio  et  spiritui  sancto'  oder  'Descen- 
dit de  celis.  Tanquam  sponsus  dominus  procedens  de  thalamo  suo. 
Gloria  patri  et  filio  et  spiritui  sancto'. 

Die  seit  alten  Zeiten  Überlieferle  Melodie  dieser  Antiphonen 
(die  ünterstimme  oder  die  erste  Stimme  möchte  ich  sie  nennen) 
war  ebenfalls  schon  in  alter  Zeit  durch  Coloraturen  auf  einzelnen 
Silben  verschönert  worden;  vgL  besonders  Palöographie  musicale 
Band  I  und  IV,  in  deren  Einleitungen,  besonders  unter  Ki^pons- 
Graduels,  diese  Gesänge  verzeichnet  sind.  Zu  dieser  alten  Melodie 
fügten  die  Componisten  des  12.  Jahrhunderts  zunächst  eine  2. 
Stimmej  oder  eine  2.  und  eine  3.  Stimme  oder,  freilich  selten^  eine 


118  Wilhelm  Meyer, 

2.  und  3.  und  4.  Stimme.  In  Mensuralnoten  war  je  eine  Stimme 
auf  je  B  Linien  (mitunter  auf  4  oder  6  Linien)  geschrieben ;  ich 
moclite  diese  neu  zugesetzten  Stinmien  von  der  untersten  alten 
aufwärts  gehend  als  2.,  3.  und  4.  zählen  und  sie  die  Oberstimmen 
nennen.  Diese  Oberstimmen  sind  kunstreicher  als  die  alte  Unter- 
stimme, und  zählen  also  mehr  Noten;  doch  folgen  sie  natürlich 
ganz  der  alten  Melodie  und  folgen  ihr  durchaus  auch  in  den  Co- 
loraturen,  welche  sie  oft  noch  reicher  gestalten. 

Diese  Bereicherung  des  Gottesdienstes,  d.  h.  der  mehrstimmige 
Gesang  jener  Antiphonen,  gefiel  in  Frankreich  außerordentlich, 
und  jene  Antiphonen  wurden  von  den  Vorständen  der  franzosi- 
schen Kirchenchöre  um  die  Wette  mit  kunstreichen  Oberstimmen 
versehen.  Wenn  nun  z.  B.  für  Hec  dies.  Conßemini  dotnino  quo- 
niam  honus  quoniam  in  seculutn.  Hec  dies  10  verschiedene  Compo- 
sitionen  zu  2  oder  3  oder  4  Stimmen  vorhanden  waren,  wie  sollte 
man  dann  die  sämmtlichen  Compositionen  von  den  mehreren  Hun- 
dert Antiphonen  zum  Gebrauch  der  Chorvorstände  zusammen- 
schreiben? Wollte  man  jede  componirte  Antiphone  so  oft  ganz 
schreiben  als  verschiedene  Compositionen  vorhanden  waren,  so  ging 
der  Umfang  der  Sammlung  ins  Ungeheuerliche. 

(Die  Tonarien  der  Antiphonencoloraturen).  Die 
mittelalterlichen  Praktiker  fanden  einen  einfachen  Weg.  Die  Ver- 
schiedenheit und  der  Werth  der  verschiedenen  Compositionen  lag 
nicht  in  den  einfach  dahin  laufenden  Theilen  derselben,  wo  mei- 
stens auf  eine  Silbe  nur  eine  Note  fiel,  sondern  in  jenen  Ver- 
zierungen, wo  auf  öinen  Vokal  vielleicht  60  und  mehr  Noten  ent- 
fielen. Diese  Coloraturen  waren  die  Glanzpunkte,  die  Bravour- 
stellen  der  verschiedenen  Compositionen;  ja,  mir  ist  wahrschein- 
lich, daß  in  der  Zeit  der  eifrigsten  Kunstübung  viele  Componisten 
überhaupt  nur  diese  2—4  Glanzpunkte  der  einzelnen  Antiphonen 
neu  componirten,  die  übrigen  Theile  aber  bei  Seite  ließen. 

Deßhalb  begnügte  man  sich  damit,  nur  diese  Coloraturen  in 
ihren  verschiedenen  Compositionen  aufzuzeichnen.  Dazu  hätte  es 
genügt,  nur  den  Vokal  a  oder  e  oder  i  oder  o  oder  u  mit  den 
sämmtlichen  Noten  der  verschiedenen  Stimmen  aufzuzeichnen: 
allein  dann  wäre  eine  heillose  Verwirrung  entstanden.  Denn  jene 
Coloraturen  gehen  in  die  Hunderte,  die  Vokale  sind  aber  nur  B. 
Deßhalb  schrieb  man  in  jenen  Verzeichnissen  unter  die  Coloraturen 
nicht  nur  den  colorirten  Vokal,  sondern  mindestens  eine  ganze 
Silbe  wie  Go  Ta,  meistens  ein  Wort  wie  Itegnat  DescendentibuSj 
oft  eine  Phrase  wie   Hec  dies^  Domino  quoniam^   In  seculum.    So 


der  Ursprung  des  Moiett's.  119 

fand  man  in  jenen  Tonarien  rasch  sich  zarecht  und  konnte  leicht 
merken,  zu  welcher  Antiphon  jede  Coloratar  gehörte. 

Dazu  kam  noch  eine  andere  Hilfe.  In  den  wenigen  mir  bis 
jetzt  bekannten  Handschriften  dieser  Sammlung  stehen  zuerst  die 
Texte  der  Antiphonen,  jede  Antiphon  einmal  in  vollständigem 
Texte  mit  einer  vollständigen  Composition,  selten  zweimal  also 
mit  2  verschiedenen  vollständigen  Compositionen ,  geschrieben. 
Hinter  dieser  Masse  der  Antiphonentexte  folgt  der  Tonarius  für 
dieselbe  Stimmenzahl.  Hier  stehen  (bis  zu  10)  verschiedene  Com- 
positionen von  einzelnen  Silben  oder  Wörtern;  diese  ausgeschnit- 
tenen Coloraturen  folgen  sich  in  derselben  Ordnung  wie  vorher  die 
Antiphonentexte  selbst.  Wenn  man  da  hinter  einander  Compo- 
sitionen liest  von  Le  Lu  Deus  Tum  Captivam  du  Ta^  so  ist  man 
nur  80  lange  in  Unsicherheit,  aus  welchen  Antiphonen  diese  Colo- 
raturen ausgeschnitten  sind,  bis  man  die  Antiphon  findet  ^Alleluysi, 
Ascendens  Christus  in  aitum  captivam  duxit  captivitotem  dedit  dona. 
AUeluya'.  Ebenso  klar  ist  die  Zugehörigkeit,  wenn  man  solche 
sich  folgenden  ausgeschnittenen  Coloratursilben  vom  in  Antiphonen 
findet,  welche  in  derselben  Reihenfolge  stehen.  So  kann  man 
z.  B.  selbst  von  den  Silben  Ta  Tobt  Totem  Te  Tebor  Tes  Tim  Tivi 
Tori  Tos  Tum  Tus  die  Zugehörigkeit  zu  dieser  oder  jener  Anti- 
phon bestimmen.  Der  mittelalterliche  Chordirigent  fand  also  in 
diesem  Tonar  für  häufig  gebrauchte  Antiphonen  oft  10  und  mehr 
verschiedene  mehrstinmiige  Compositionen  der  darin  vorkommen- 
den Coloraturen  und  konnte  nun  nach  Bednrfniß  und  Personalver- 
hältnissen diese  oder  jene  wählen« 

Diese  mehrstimmigen  Compositionen  waren  das  Erzeugniß  der 
reinsten  Freude  am  G-esang,  und  die  Componisten  besaßen  eine 
ganz  ungewöhnliche  Uebung.  Demnach  dürfen  wir,  bis  zu  siche- 
rem Beweise  des  Gegentheils,  annehmen,  daß  der  Formensinn  des 
Mittelalters,  wie  in  der  Dichtung,  so  auch  in  diesen  mehrstim- 
migen Gesängen  sich  bewährt  hat  und  daß  diese  Gesänge  wohl 
zusammen  geklungen  haben.  Soweit  haben  hier  die  Sänger  ge- 
holfen. 

(Der  Ursprung  des  Motett's).  Die  Antiphonen,  welche 
die  französischen  Sänger  des  12.  Jahrhunderts  mehrstimmig  setzten, 
enthielten  wenige  Worte,  und  doch  war  ihr  Vortrag  ziemlich  aus- 
gedehnt, da  in  jeder  Antiphon  2  bis  4  Vokale  mit  langen  Colora- 
turen belegt  waren.  Aus  der  Liturgie  des  Ostersonntags,  welche 
wir  in  der  Pal^ographie  musicale  I  S.  76  und  IV  S.  207  aus 
2  Handschriften  in  St.  Gallen  photographirt  sehen,  sind  in  die 
Sammlung  der  mehrstimmig  componirten   Liturgie  aufgenommen 


i20  Wühelm  Meyer, 

die  Sätze:  Hec  dies.  Confitemini  domino  qaoniam  bonus  qaoniam 
in  seculum.  Hec  dies.  Alleluya.  Pascha  nostrum  immolatas  est. 
AUelaya.  Alleluya.  Epolemur  in  azimis  sinceritatis.  Allein  schon 
in  dem  kleinen  ]\Iittelsatze  Pascha  nostrum  immolatus  est  finden 
wii'  sowohl  in  der  einstimmigen  alten  Composition  der  St.  Gallener 
Handschriften  wie  in  unserer  mehrstimmigen  Composition  die  Silbe 
siritm  und  noch  mehr  die  Silbe  la  reich  figurirt  und  im  Tonar 
finden  wir  für  Nostrum  manche,  für  Latus  viele  mehrstimmigen 
Compositionen  verzeichnet. 

Da  kam  ein  Franzose  des  12.  Jahrhunderts  auf  den  Gedanken, 
das  Lob  Gottes  könne  reicher  gepriesen  werden,  wenn  man  diese 
mehrstimmigen  Coloraturen  über  den  Vokalen  u  oder  a  so  ver- 
werthe,  daß  zwar  die  Unterstimme  ihre  alte  Weise  mit  steter 
Wiederholung  des  Vokals  u  oder  a  sänge,  daß  aber  inzwischen 
die  Oberstimmen  zu  ihren  neu  geschafienen  Tonweisen  statt  des 
einzigen  u  oder  a  verschiedene  andere  Silben,  d.  h.  einen  vollstän- 
digen neu  gedichteten  Liedtext  sängen.  Zu  den  bereits  vorhan- 
denen mehrstimmig  componirten  Oberstimmen  dieser  Coloraturen 
wurden  also  nachträglich  Texte  gedichtet,  und  so  wurde  das  Mo- 
tett  eine  Form  der  Dichtkunst.  Bald  geschah  der  weitere 
Schritt:  waren  die  neu  zugesetzten  Oberstimmen  2  oder  3,  so 
wurde  oft  für  jede  derselben  ein  besonderer  Text  gedichtet  und 
gesungen.  In  den  Handschriften  sind  die  verschiedenen  Motetten- 
texte mit  ihren  Melodien  entweder  in  verschiedenen  Spalten  pa- 
rallel neben  einander  oder  einer  nach  dem  andern  geschrieben; 
im  ersten  Falle  stehen  die  parallelen  Stücke  des  Tenor  in  der 
durchlaufenden  untersten  Reihe  der  Spalten,  im  zweiten  Falle 
stehen  die  sämmtlichen  Noten  des  Tenor  am  Schlüsse  aller  Texte ; 
bei  den  Noten  des  Tenor  steht  die  Silbe  oder  das  Wort,  welches 
sie  kenntlich  macht. 

(Eigenthümlichkeiten  der  Motetten).  Die  Fran- 
zosen folgten  in  diesen  Erweiterungen  und  Verschönerungen  des 
gottesdienstlichen  Gesangs  dem  Vorbild  Notker's.  Natürlich  riefen 
die  ähnlichen  Verhältnisse  der  Entstehung  auch  ähnliche  Eigen- 
schaften der  Sequenzen  und  der  Motette  hervor. 

Da  die  den  Sequenzen  unterlegten  Texte  das  Auswendiglernen 
der  Melodie  erleichtern  sollten,  so  hatte  Notker*s  Lehrer,  Iso, 
mit  Recht  verlangt,  daß  in  den  Sequenzen  nicht  wiederum  neue, 
wenn  auch  kleinere,  Coloraturen  vorkommen  sollten,  sondern  daß 
auf  jede  Note  eine  Silbe  fiele.  Im  12.  Jahrhundert  war  allerdings 
die  Kunst  des  Singens  mehr  entwickelt  und,  wenn  von  mehreren 
unter   sich  verschieden  modulirten  Oberstimmen  nur   ^in  gemein- 


der  ürspmog  des  Motett's.  121 

samer  Text  gesungen  wurde,  so  war  unvermeidlich,  daß  bisweilen 
noch  kleine  Coloraturen  vorkamen,  allein  im  Großen  und  Ganzen 
sehen  wir  auch  in  der  Composition  der  Motetten,  besonders  wenn 
auf  jede  Stimme  ein  besonderer  Text  fiel,  Coloraturen  mög- 
lichst vermieden. 

Bann  ergeben  sich  aus  dem  Ursprünge  der  Motetten  wichtige 
Folgerungen  für  die  Motettentexte,  vor  Allem  für  die  Formen, 
in  welchen  diese  Texte  verfaßt  sind.  Die  Wörter  sind  ja  nicht 
nach  dem  Gehör  und  Gefühl  des  Dichters  frei  gefügt,  sondern  sie 
müssen  mühsam  einer  gegebenen  Melodie  angeschmiegt  werden. 
Diese  Melodie  kann  freilich  für  die  öftere  Anwendung  der  gleichen 
Zeilen,  wie  zu  7u— -,  8— u  oder  8u—  oder  10 u—,  ja  sie  kann  sogar 
hie  und  da  für  die  Wiederholung  der  gleichen  Zeilengruppe  d.  h. 
für  Strophenbildung  günstig  sein,  allein  öfter  wird  sie  das  nicht 
sein  und  wird  für  ihre  nach  rein  musikalischen  Wohlklangsge- 
setzen erfundenen  Tonfolgen  meistens  solche  Silbengruppen  ver- 
langen, daß  die  Anwendung  der  jeweiligen  Modeformen  der  Dicht- 
kunst oder  gar  die  Durchführung  regelmäßiger  Strophen  unmög- 
lich wird.  Es  entstehen  dithyrambische  Formen,  welche 
den  sonstigen  Modeformen  der  Zeit  fern  stehen.  Wie  das  einst 
bei  den  Sequenzen  Notker's  der  Fall  war,  so  später  bei  vielen 
Motetten.  So  habe  ich  endlich  eine  mich  befriedigende  Lösung 
des  Bäthsels  gefunden,  das  mich  lange  beunruhigt  hatte. 

(Gleicher  Reim  aller  Zeilen).  Da  diese  Dichtungen 
von  den  Oberstimmen  gesungen  wurden,  während  die  Unterstimme 
(Tenor)  immer  ein  und  denselben  Vokal  erschallen  ließ,  so  kamen 
viele  dieser  Dichter,  welchen  die  Consonantia  ja  heilig  war,  leicht 
dazu,  alle  Schlüsse  ihrer  Eurzzeilen,  welche  mit  den  Pausen  der 
Melodie  zusammenfielen,  mit  demselben  Vokal  austönen  zu  lassen, 
welchen  inzwischen  der  Tenor  unaufhörlich  wiederholte.  So 
schlössen  ja  auch  manche  der  alten  Sequenzen  alle  ihre  Sätze  mit 
dem  Vokal  des  Alleluia  (besonders  mit  a),  dessen  Modulationen 
sie  unterlegt  wurden.  Allein  für  die  Motettendichter  hatte 
diese  Rücksicht  Verwicklungen  zur  Folge.  In  ihrer  Zeit  (seit 
etwa  1180)  mußte  nemlich  jeder  anständige  lateinische  Dichter 
(und  die  Motettendichter  gehörten  zu  den  feinen  und  geistreichen) 
zweisilbigen  Reim  gebrauchen.  Da  aber  .zweisilbiger  gleicher 
Reim  aller  Schlüsse  zu  übel  geklungen  hätte,  so  suchten  sie  beiden 
Rücksichten  auf  andere  Weise  gerecht  zu  werden.  Wie,  das  mag 
ein  Beispiel  lehren.  Von  den  3  Gedichten,  welche  zum  Tenor 
Doce-e-e-bit  gedichtet  sind,  bei  Dreves,  Analecta  hymnica  XXI 
S,  197  und  198,  reimt  no.  XIX  Doceas  hac  die   viam  patrie  und 


122  Wilhelm  Meyer, 

no.  XXI  Doce  nos  optime  in  allen  Grliedern  die  letzte  Silbe  auf 
e.  Die  Keime  selbst  sind  in  no.  XIX:  4  ie,  2  ane,  ere  ege  ege 
ere,  2  nee,  2  ere,  2  ite,  ere,  7  nnde,  2  ore;  in  no.  XXI:  3  ime, 
2  ite,  6  ue,  2  ie,  4  ue.  So  ist  auch  der  zweisilbige  Reim  gewahrt. 
Endlich  ist  auch  der  Inhalt  der  Motette  durch  ihre  Ent- 
stehung bedingt.  Wie  am  Auferstehungstage  keine  Weihnachts- 
sequenzen gesungen  wurden,  so  mußten  auch  die  Motetten  zu  dem 
Tage  passen,  an  dem  sie  gesungen  wurden.  Ja,  sie  sind  noch 
fester  verkettet.  Die  Motette  zieren  ihre  Antiphon,  wie  die 
Thürme  und  Kuppeln  den  Dom,  aus  dessen  Masse  sie  emporragen. 
Wie  aber  die  Thürme  und  Kuppeln  in  Steinmaterial  und  Bauart 
zum  übrigen  Bau  passen,  so  passen  die  Motette  zur  Antiphon  im 
Inhalte;  ja  sehr  oft  werden  einzelne  Wörter  der  Antiphon  in 
geistreicher  Weise  in  den  Motettentext  verflochten. 

Ein  möglichst  kurzes  Beispiel  mag  meine  Ansicht  verdeut- 
lichen. In  dem  oben  ausgeschriebenen  Stücke  der  Osterliturgie 
sangen  3  Stimmen  die  SUben  Pascha  no.  Dann  sang  eine  Stimme 
die  Silbe  strum  in  der  altüberlieferten  Coloratur,  welche  vielleicht 
für  die  darüber  neu  componirten  Oberstimmen  mehrmals  hinter- 
einander wiederholt  wurde  (Scriptores  ed.  Coussemaker  I  3B8: 
Dicitur  Otnnes  secundum  quod  extrahitur  a  Viderunt  omnes  —  Anti- 
phone —  et  sie  per  repetitionem  bis  vel  ter  vel  pluries  —  bis  zu 
10  Mal  —  sufficit  quoad  tenorem).  Während  also  die  Unterstimme 
(Tenor)  stets  den  Vokal  u  sang,  sangen  die  beiden  Oberstimmen 
entweder  ein  und  denselben  Text  oder  jede  einen  verschiedenen,  z.  B. 

Nostrum  est  impletum    -    gaudium; 
per  azimum  sit  animum  (fit  omnium?)        pascha  letum. 

Leto  letum        est  deletum;        exulat  exilium. 

Post  triduum        cessat  vacuum        tuum  mors  decretum. 

Amplexatur  parvulum,        dat  osculum, 
dat  anulum        pater  et  vitulum. 

0  quam  dulce  ferculum        in  ara  crucis  torridum. 

A  quo  fluit  sapidum  cruor  (in?)  poculum  nostrum. 
In  der  Sübe  stnim  vereinigen  sich  die  3  Stimmen  und  singen 
dann  alle  3  weiter  die  SUben  immo.  Dann  singt  wieder  die  eine 
Stimme  die  Silbe  la  in  der  alten  Coloratur  (Scriptores  ed.  Cousse- 
maker I  328 :  latus  quod  accipitur  in  antiphone  Immolatus  est  Chri- 
stus\  ein  Mal  oder  mehrere  Male,  während  die  beiden  Oberstimmen 
entweder  zusammen  einen  Text  singen  oder  jede  einen  besondem, 
wie  z.  B. 

Homo  quam  sit  pura 
mihi  de  te  cura 


der  ürspraog  des  Motett's.  128 

prout  (probe?  Dreves)  probant  plora: 
Dolor  et  pressura, 
verberum  tritura, 
lancee  fixara; 

Vinctus  in  catena 
nolla  vietas  pena 
potas  in  lagena 
myrrha  feile  plena. 
Gesa  gena        omnis  vena 
sangnine  crnenta. 
Stupens  hec  tormenta 
cqndolet  natura; 
veli  fit  scissnra, 
solis  lax  obscara; 
patent  monumenta, 

dam  sum  immolatus. 
Die  Endsilben  latus  est  singen  wieder  die  3  Stimmen  gemein- 
sam, dann  noch  Christus,    Damit  ist  die  Antiphone  zn  Ende. 

Reim  nnd  Inhalt  passen  hier  gut  zusammen.  Die  Worte 
selbst  treffen  in  vielen  andern  Fällen  enger  zusammen.  Z.B. 
wurde  in  der  Antiphon  'lustus  germinabit  sicut  lilium  et  florebit 
in  aeternum'  zu  der  Coloratur  der  Silbe  re  von  den  2  andern 
Stimmen  gesungen: 
Ecclesie        vox  hodie        sollcmpnia        iustus  (iusti?)  recenseat. 

subsidia        virtutibus        et  laudibus        obtineat. 
Fidelium        sicut  lilium        devotio        germinet, 

se  proprio        scrutinio        examinet. 
Spem  Caritas        nutriat, 

quam  firmitas        fidei  muniat. 
sollemnitas        domino  sie  placeat, 
floreat  in  aeternum. 
(Die  Weiterentwicklung  des  Motett's).        Dies   ist 
nach   meiner  Ansicht  der  Ursprung  des   Motett's  gewesen.    Man 
blieb  nicht  bei  diesen  Anfangen  stehen.     Einst   waren  kaum   100 
Jahre  verflossen,    seitdem  Notker  mit  schweren  frommen  Texten 
die  ersten  Sequenzen  zu  bauen  versucht  hatte,  da  wurden  schon 
am  Hofe  der  Ottone   und  ihrer   nächsten  Nachfolger  Damen   und 
Herrn  mit  fein  gebauten  Sequenzen  unterhalten,  in  welchen  histo- 
rische Stoffe,  Schnurren  und  Lügenmärchen,  wie  das  Schneekind, 
dargestellt   waren.     Die   Franzosen  des   12.  Jahrhunderts  waren 
von   ganz   anderem  Kunsteifer  erfüllt    und    nutzten    eine  solche 
Neo^rungy  wie  die  Motettenform  war,  eifrig  &us. 


124  Wilhelm  Meyer, 

Die  Gelegenheit  war  ja  zu  verlockend.  Dichten  war  die 
höchste  Freude  jener  Zeit;  aber  ein  Lied  ohne  Melodie  wirkte 
nicht  viel,  ein  Lied  mit  feiner  kunstreicher  Form  und  Melodie 
galt  sehr  viel.  Die  oben  genannten  Ton arien  enthielten  eine 
Fülle  kunstreicher  Melodien  ohne  Worte.  Ein  begeisterter  Dichter 
durfte  nur  dahinein  sehen  und  konnte  leicht  eine  passende  mehr- 
stimmige oder  einstimmige  Melodie  finden,  welcher  er  die  ihn  ge- 
rade erfüllenden  Grefühle  in  Worten  anschmiegen  konnte.  Hatte 
das  Lied  keinen  Zusammenhang  mit  der  Antiphon,  aus  welcher 
die  Coloratur  ausgeschnitten  war,  so  fand  sich,  wenn  der  Lihalt 
kirchlich  war,  im  Gottesdienst  leicht  eine  Stelle,  wo  es  wie  so 
viele  andere  eingeschoben  werden  konnte;  war  der  Inhalt  welt- 
lich ,  so  bot  sich  außerhalb  der  Kirche  in  dem  sangesfreudigen 
Treiben  jener  Zeit  leicht  eine  passende  Verwendung. 

Das  oben  gedruckte  Motett  Homo  quam  sit  pura  ist  als  Mo- 
tett  zur  Osterantiphone  gedichtet  und  paßt  dazu.  Offenbar  ist 
nach  der  Melodie  derselben  Oberstimme  das  folgende  Weihnachts- 
lied gedichtet,  das  bei  Dreves  Analecta  hymnica  XX  185  mit 
schlechtem  Text  und  verquickt  mit  einem  ganz  andern  Liede  ge- 
druckt ist: 

Stupeat  natura 

fracta  sua  iura 

virgine  fecunda. 

Omnis  creatura 

sua  pro  mensura 

hac  in  genitura 
iubili  iocunda 

Vota  placitura 

Ungua  det  facunda 

laude  non  obscura. 
Psallat  plebs  gratulabunda 

communi  censura. 

Sit  hec  nobis  cura 

lenis  et  non  dura 
voce  letabunda. 

nam  sine  iactura 

parit  parens  pura 

virgo  manens  munda. 
Also  durchaus  derselbe  Bau:  17  Zeilen  zu  6— u  und  nach  der  10. 
Zeile   eine  Zeile    zu  8  — u;    dem  Tenor   La-a-a-tus   entsprechend 
reimt  jede  Zeile  auf  a,   daneben  aber  reimen  noch   die  vorletzten 
Silben.     Aber    der  Inhalt    von  Mariae  unbefleckter  Empfängnis 


der  Ursprung  des  Motett^s.  126 

paßt  durchaas  nicht  zur  Osterantiphon.  Es  ist  ein  selbständiges 
Lied,  das  an  Weihnachten  oder  an  einem  Marientag  gesungen 
werden  konnte. 

Rasch  bemächtigten  sich  der  neuen  Liedform  die  altfranzösi- 
schen Dichter.  Hunderte  von  Motetten  in  altfranzösischer 
Sprache  sind  ans  i^  verschiedenen  Handschriften,  besonders  in 
der  berühmten  Handschrift  H  196  in  Montpellier  erhalten,  und 
Gaston  Baynaud's  Recueü  de  Motets  Frangais  des  xn*  et  xm* 
si^cles  (Bibliothique  Fran^aise  du  moyen  age,  2  Bände  1883)  ist 
noch  lange  nicht  vollständig. 

EUebei  tritt  eine  merkwürdige  Beschränkung  des  Inhalts  her- 
vor. Die  lateinischen  Motettentexte  sind  zumeist  fromm  kirch- 
liche ;  sonst  greifen  sie  in  ernsten  Worten  die  verdorbenen  Sitten, 
insbesondere  der  Geistlichkeit,  an;  historische  oder  gar  heitere 
Stoffe  habe  ich  bis  jetzt  in  lateinischen  Motetten  noch  nicht  be- 
handelt gefunden.  Dagegen  die  Motette  in  altfranzösischer  Sprache 
behandeln  so  gut  wie  nie  ernste  Gegenstände;  sie  besingen  nur 
sinnliche  Freuden  und  fast  immer  die  Freuden  und  Leiden  der 
Liebe,  oft  in  sehr  derben  Ausdrücken.  Betrachten  wir  diese  Ent- 
wicklung, so  ist  zunächst  erfreulich,  daß  bei  diesem  Kunstwerke 
Componist  und  Dichter  getrennte  Personen  waren«  Hätte 
ein  Componist  auch  so  schwierige  Texte,  ein  Dichter  auch  so 
kunstvolle  Compositionen  schaffen  sollen,  so  wäre  in  der  Regel 
der  eine  Theil  zu  kurz  gekommen.  So  aber  konnte  in  Jedem 
das  Beste  geleistet  werden,  und  zwar  zuerst  vom  Componisten, 
dann  vom  Dichter.  Für  den  Musiker  war  kein  Unterschied 
zwischen  den  Coloraturen  der  Antiphon  und  dem  Motett.  £s 
waren  dieselben  Melodien;  das  eine  Mal  hörte  er  in  der  Antiphon 
'Christus  resurgens  ex  mortuis  iam  non  moritur ;  mors  UU  ultra' 
etc.  in  nu>P's  den  Vokal  o  von  4  Stimmen  in  verschiedenen  langen 
Modulationen  gesungen;  das  andere  Mal  hörte  er  genau  dieselben 
Modulationen,  nur  andere  Vokale:  die  eine  Stimme  sang  stets  o, 
die  8  andern  sangen  verschiedene  Texte;  der  1.  begann  Mors  fnarsu, 
der  2.  Mors  que  siimulo,  der  3.  Mors  a  primi  parentis.  Hatte 
dieser  4  stimmige  Gesang  früher  ohne  Worte  wohl  zusammen  ge- 
klungen, 80  mußte  er  jetzt  mit  Worten  es  auch  thun. 

Wollte  man  behaupten,  bei  dem  gleichzeitigen  Vor- 
trag von  8  oder,  den  Tenorvokal  mitgerechnet,  von  4  Texten 
sei  ein  Verständniß  der  einzelnen  Texte  fast  unmöglich  oder  sehr 
schwierig  gewesen,  so  könnte  ich  aus  dem  Sinne  des  Mittelalters 
antworten,  wie  der  ganze  Gottesdienst,  so  sei  auch  dieser  Mo- 
tettengesang eben  nicht  für  die  Menschen,   sondern  für  Gott  be- 


126  Wilhelm  Meyer, 

stimmt  gewesen;  wenn  der  allgegenwärtige  und  allweise  Gott 
gleichzeitig  die  Musik  der  Sphaeren,  die  Loblieder  der  unzähligen 
Engeischaaren  und  aller  Geschöpfe,  wenn  er  die  Gebete  und  Ge- 
sänge aus  Tausenden  von  Kirchen  vernehmen  und  würdigen  konnte, 
so  brauchte  auch  ein  Sängerchor  sich  nicht  zu  sorgen,  ob  Gott  3 
und  mehr  gleichzeitig  gesungene  Texte  vernähme;  ihr  Verdienst 
war  um  so  höher,  je  schöner  und  kunstreicher,  ja  je  mühevoller 
ihr  eigener  Gesang  war.  Doch  solche  Erwägungen  braucht  es 
nicht;  was  manche  neuern  Componisten  thun  durften,  das  durften 
die  mittelalterlichen  auch. 

Aber  allerdings  ist  damit  ein  Hauptmerkmal  des  Motetts 
berührt.  Abgesehen  von  verwandten,  unbedeutenden  Arten  wie 
dem  Rondell  (Rädel),  gab  es  keine  andere  Art  von  Gedichten,  bei 
deren  Vortrag  mehrere  Texte  (denn  auch  der  Vokal  des  Tenor 
kann  als  ein  Text  gelten)  zu  gleicher  Zeit  gesungen  wurden. 
Das  andere  Hauptmerkmal  dieser  Motettentexte  bestand  darin, 
daß,  ob  nun  1  Text  von  einer  oder  von  mehreren  Stimmen  ge- 
sungen wurde  oder  mehrere  Texte  von  verschiedenen  Stimmen, 
stets  ein  Tenor  seinen  lang  gezogenen  Vokal  dazu  ertönen  ließ 
wie  eine  begleitende  Orgel. 

Diese  2  Merkmale  schieden  die  Motetten  im  Vortrag  scharf 
von  allen  andern  Arten  von  Gedichten.  Sollte  vielleicht  deßhalb 
ihr  Vortrag  nur  auf  bestimmte  Fälle  beschränkt  gewesen  sein?, 
und  sollte  damit  vielleicht  die  Beschränkung  des  Inhaltes  in  den 
nicht  kirchlichen  lateinischen  wie  französischen  Motetten  zusammen 
hängen  ?  Diese  Eigenschaften  der  Motette  sind  aber  durch  andere 
Umstände  bewirkt,  nicht  durch  die  Mehrstimmigkeit  der  Compo* 
sition.  Denn  es  gab  auch  mehrstimmig  componirte  Texte  ohne 
Tenor. 

(Andere    mehrstimmige    Compositionen).  Wir 

haben  bis  jetzt  nur  ein  enges  Gebiet  von  mehrstimmigen  Compo- 
sitionen kennen  gelernt:  die  kirchlichen  Antiphonen  und  die 
ihnen  nachgebildeten  Motetten ;  hier  ist  zu  der  alten  überlieferten 
einstimmigen  Melodie  der  Antiphone  von  den  französischen  Mei- 
stern des  12.  und  13.  Jahrhunderts  eine  2.  oder  eine  2.  und  3« 
oder  eine  2.  und  3.  und  4.  Stimme  gefügt  worden.  Sollten  diese 
kühnen,  zu  Neuerungen  so  geneigten  Meister  die  mehrstimmige 
Composition  nicht  weiter  verwendet  haben?  Es  wurden  ja  schon 
in  der  Kirche  so  viele  andere  Liedarten  gesungen,  Hymnen,  Se« 
quenzen,  Leiche.  Wie  einfach  war  es,  über  deren  überlieferter 
Melodie  eine  2.   oder  3.  und  4.  Stimme  aufzubauen.    Und  warum 


der  ürsprang  des  Motett's.  127 

sollten  sie  nicht  gewagt  haben,  einen  noch  nicht  componirten  Text 
mit  mehrstimmigen  Melodien  zu  versehen?  Oder  sollte  ein  mehr- 
stimmiger Gesang  ohne  den  Halt  eines  Tenor  oder  eines  den 
Tenor  vertretenden  Instrumentes  ihnen  unmöglich  geschienen  haben? 

Die  Antwort  lautet:  ja,  sie  haben  das  gewagt.  Allein  die 
Einzelheiten  sind  noch  sehr  wenig  erforscht  und  sehr  dunkel. 

Wenig  lehren  die  mittelalterlichen  Musiktheoretiker. 
Die  für  uns  wichtigsten  sind  bei  Coussemaker,  Scriptores  de  mu- 
sica  medü  aevi,  4  Bände  1864 — 1876,  zu  finden.  Hauptsächlich  ^in 
Abschnitt  kommt  hier  in  Betracht.  Er  rührt  wohl  von  Franco 
her  (Scriptores  I  130  und  132;  s.  H.  Bellermann  in  Festschrift 
. .  des  Grauen  Klosters,  Berlin  1874,  S.  401),  findet  sich  aber  bei 
Simon  Tunstede  (Script.  IV  294)  in  etwas  klarerer  und  gut  über- 
lieferter Fassung,  während  bei  Johannes  de  Muris  (Script.  II  395) 
nur  ein  Stück  (nach  Franco)  und  bei  dem  Anonymus  (Script.  III 
361)  derselbe  Text  wie  bei  Tunstede,  aber  in  schlechter  Ueber- 
lieferung  steht. 

Es  handelt  sich  hier  zunächst  um  den  oder  die  Texte  (litera, 
literae)  bei  mehrstimmiger  Composition  (discantus).  Aut  discan- 
tus  fit  cum  litera  aut  sine.  Si  cum  litera,  hoc  dupliciter:  aut 
cum  eadem  litera  discantus  fit,  ut  in  cantilenis  rondellis  et  in 
cantu  aliquo  ecclesiastico ;  aut  cum  diversis  literis  fit  discantus, 
ut  in  motetis  qui  habent  triplum  cum  tenore,  in  quibus  tenor 
aequipollet  litere  (unklar;  Franco:  qui  habent  triplum  vel  teue- 
rem, quia  tenor  cuidam  literae  aequipollet;  vielleicht  ist  vel  du- 
plum  quia  zu  schreiben).  Cum  litera  quippe  et  sine  litera  fit 
discantus,  ut  (ut  fehlt  bei  Franco)  in  conductis  et  in  discantu  ali- 
quo ecclesiastico,  qui  proprio  (improprie  Franco  und  Joh.  de  Muris) 
Organum  appellatur. 

Et  nota  quod  in  his  omnibus  idem  est  modus  operandi  (d.  h. 
hei  der  mehrstimmigen  Catnposition) ,  excepto  in  conductis :  Quia  in 
omnibus  aliis  primo  accipitur  cantus  aliquis  prius  factus  (secun- 
dum  aliquem  modorum  mensuratus  setsen  Twistede  und  der  Anonym 
mu8  zu)y  qui  tenor  dicitur,  eo  quod  discantum  tenet,  et  ab  ipso 
tenore  ortum  habet  discantus.  In  conductis  vero  non  sie,  sed 
fiunt  ab  eodem  (d.  h.  discaniore :  Tunstede  hat  nur  eo)  cantus  et 
discantus.  Unde  aliter  operandum  est  in  Ulis  quam  in  aliis  canti- 
lenis« Qui  igitur  vult  conductum  facere,  primo  cantum  invenire 
debefc  pulchriorem  quam  poterit,  deinde  uti  debet  illo  pro  tenore, 
super  quem  fiet  discantus. 

Biese  Lehre  bietet  manche  Aufklärung,  aber  auch  manche 
Schwierigkeit.    Es   werden   2  Gattungen  mehrstimmiger   Compo- 


128  Wilhelm  Meyer, 

sitionen  geschieden.  Bei  der  ersten  Gattung  liegt  eine  vorher 
von  einem  Andern  geschaffene  Melodie  vor  (Tenor),  zu  welcher 
der  moderne  Künstler  eine  2.  oder  noch  mehr  Oberstimmen  fügt; 
der  Art  sind  unsere  mehrstimmig  componirten  Antiphonen  und 
die  zu  ihnen  gehörigen  Motetten,  deren  Unterstimme  die  uralte 
Antiphonenmelodie  bildet ;  dann  die  cantilenae ,  d.  h.  wohl ,  be- 
kannte Lieder,  zu  deren  alt-  und  allbekannter  einstimmiger  Me- 
lodie die  modernen  Meister  Oberstimmen  gefügt  haben.  Für  die 
mehrstimmige  Composition  der  andern  Gattung  liegt  keinerlei 
Haltmelodie  vor,  sondern  die  sämmtlichen  2  oder  mehr  Stimmen 
müssen  erst  erfunden  werden. 

Ein  anderer  Unterschied  wird  gemacht  in  Hinsicht  auf  die 
Texte  (literae).  Cum  diversis  literis  sind  die  Motette,  auch  die 
duplices,  welche  nur  aus  dem  Tenor  und  einer  Stimme  mit  Text 
bestehen,  da  der  stets  wiederholte  Tenorvokal  als  Text  gezählt 
wird.  Nur  ^inen  Text  (eandem  literam)  haben  die  mehrstimmigen 
cantilenae,  rondelli  und  cantus  aliquis  ecclesiasticus :  das  sind  also 
unsere  mehrstimmig  componirten  Antiphonen  und  die  älteren 
Lieder,  cantilenae,  zu  deren  alter  Melodie  eine  oder  mehrere  neue 
Stimmen  gefügt  sind. 

Was  aber  soll  es  heißen,  daß  von  den  Conducti  gesagt  wird, 
sie  seien  cum  litera  et  sinelitera?  Wenn  z.B.  über  einem 
Texte  2  verschiedene  Stimmen  standen  und  die  Unterstimme  war 
eine  altbekannte  Melodie,  so  hieß  das  Ganze  cantilena,  wenn  aber 
auch  die  Unterstimme  neu  erfunden  war,  conductus.  Was  will  da 
der  Ausdruck,  der  Conductus  sei  *cum  litera  et  sine  litera*,  be- 
sagen ?  Was  ist  aber  überhaupt  ein  Conductus  sine  litera ,  wenn 
sogar  die  bloße  Wiederholung  desselben  Vokals  im  Tenor  als  li- 
tera, als  ein  Text,  gezählt  wird?  Als  Genosse  des  Conductus 
wird  genannt  *discantus  aliquis  ecclesiasticus,  qui  improprie  {so 
Franco  und  Johannes  de  MuriSf  proprie  Tunstede  und  der  Anony- 
mus) Organum  appellatur' :  allein  auch  das  Wesen  dieses  Organum 
bleibt  dunkel  (vgl.  Script.  I  354). 

Sollte  hinter  *sine  litera'  die  Instrumentalstimme  stecken?,  soll- 
ten die  Praktiker  in  Handschriften,  welche  für  die  Sänger  bestimmt 
waren,  diese  anders  klingende  Stimme  nicht  eingeschrieben  und 
die  Theoretiker  bei  ihren  Bezeichnungen  duplex,  triplex,  quadru- 
plex  zwar  den  Tenor  als  Stimme  mitgezählt  haben,  aber  nicht  die 
Instmmentalstimme ?  Dann  hätte  es  zunächst  einen  Sinn,  daß 
unter  den  mehrstimmigen  Compositionen  conducti  simplices  vor- 
kommen (1  Gesangstimme  und  Instrumentalstimme);  ferner  wäre 
begreiflich,  daß  zwar  sonst  oft  von  motetus  quadruplex  die  Rede 


der  ürsprang  des  Motett's.  129 

ist,  daß  aber  der  Anonymus  Script.  I  350  die  triplices  und  du- 
plices  condncti  ohne  Anstand  erwähnt ,  dagegen  die  qaadruplices 
mit  dem  zweifelnden  Zusatz  'si  fuerint' :  es  hätte  dann  mit  den  4 
Singstimmen  im  Ganzen  eigentlich  5  Stimmen  gegeben,  eine  Zahl, 
die  in  der  alten  Zeit  gemieden  wurde.  Ist  wirklich  hinter  ^sine 
litera'  eine  Instrumentalstimme  versteckt,  dann  ergäben  sich  fol- 
gende Gattungen  mehrstimmiger  Compositionen :  1)  sine  littera  et  cum 
littera ,  entweder  conducti  =  Instrumentalstimme  +  1  Singstimme 
(simplex)y  +  2  Singstimmen  (duplex),  +  3  Singstimmen  (triplex), 
+  4  Singstimmen  (quadruplex ;  es  gibt  einige) ,  oder  jener  discan- 
tus  ecclesiasticus,  qui  Organum  appellatur.  2)  cum  littera,  wobei 
die  Unterstimme  stets  eine  ältere,  jetzt  als  Tenor  benützte  Melo- 
die ist;  diese  Gattung  zerfällt  in  mehrere  Arten:  a)  cum 
eadem  littera,  mit  äinem  alten  Text,  wobei  zur  alten  Melodie  ent- 
weder 1  neue  Singstimme  gefugt  ist  (duplex),  oder  2  neue  Sing- 
stimmen (triplex),  oder  3  (quadruplex);  die  Texte  und  alten  Me- 
lodien sind  entweder  die  kirchlichen  Antiphonen  (cantus  aliquis 
ecclesiasticus)  oder  alte  Lieder  (cantilenae) ;  b)  cum  diversis 
literis,  mit  mehreren  Texten :  die  Motetten,  deren  ünterstimme  die 
Noten  der  alten  Antiphoncoloratur  mit  einem  stets  wiederholten 
Vokal  enthält,  während  darüber  entweder  1  Text  mit  1  Stimme 
(duplex)  oder  mit  2  Stimmen  (triplex)  zugefügt  ist  oder  2  Texte 
mit  2  Stimmen  (triplex)  oder  3  Texte  mit  3  Stimmen  (quadruplex). 
Damach  freilich  hätte  es  keine  Lieder  gegeben,  welche  nur  von 
2,  8  oder  4  neu  componirten  Gesangsstimmen,  ohne  eine  frühere 
Melodie  in  der  ünterstimme  oder  ohne  Instrumentalbegleitung,  vor- 
getragen wurden. 

Diese  Annahme  hat  manches  Bedenkliche.  Aber  das  ist  sicher, 
daß  die  Conducti  eine  wichtige  Gattung  der  mehrstimmigen 
Compositionen  waren.  Um  so  unangenehmer  ist,  daß  die  Theore- 
tiker sonst  nur  Weniges  und  Unklares  darüber  sagen:  Script.  I 
247  Walter  Odington :  Conducti  sunt  compositi  ex  plicabilibus  can- 
ticis  decoris  cognitis  vel  inventis  et  in  diversis  modis  ac  punctis 
iteratis  in  eodem  tono  vel  in  diversis ;  Script.  I  115  lohannes  de 
Garlandia :  In  florificatione  vocis  fit  color  ut  commixtio  in  conduc- 
tis  simplicibus. 

(Sammlungen  von  mehrstimmigen  Compositionen). 
Die  angeführten  Sätze  der  alten  Theoretiker  lehren  Manches, 
Vieles  lassen  sie  dunkel.  Wenden  wir  uns  von  der  Theorie  zur 
Praxis,  so  gibt  es  Viel  zu  lernen.  Die  Untersuchung  über 
die  mehrstimmige  Musik  ist  leider  vom  verkehrten  Ende  ausge- 
gangen.    Conssemaker  hatte   zuerst  hauptsächlich  etliche  mehr- 

Kfl.  0«,  4.  Wi«.  1lMkfl€k«M.    FkUolH *-kMor.  Harn  1896.   HfU  S.  9 


130  AVilhelm  Meyer, 

stimmig  componirten  Lieder  untersacht;  dann  fand  er  die  be- 
rühmte Handschrift  in  Montpellier  H  196,  welche  fast  nur  2,  3 
oder  4  stimmige  Motetten  mit  lateinischen  oder  altfranzösischen 
Texten,  also  hauptsächlich  die  Ausläufer  der  alten  Kunst,  enthält. 
Wiederum  reizten  ihn  die  französischen  Lieder  mehr  als  die  latei- 
nischen; die  wenigen  Reste  der  mehrstimmig  componirten  liturgi- 
schen Texte  ließ  er  hier,  wie  sonst,  bei  Seite.  Nicht  besser 
machten  es  seine  Nachfolger. 

Aber  wer  im  Mittelalter  klar  sehen  will,  muß  stets  von  la- 
teinischen und  kirchlichen  Texten  und  Einrichtungen  aus- 
gehen. Das  ist  auch  hier  der  Fall.  Der  über  die  Geschichte 
des  mehrstimmigen  Gesangs  vortrefflich  unterrichtete  und  weit 
blickende  Anonymus  bei  Coussemaker  Script.  I  327 — 364  berichtet 
uns  (besonders  S.  342  und  S.  360)  von  einem  starken  Bande 
mehrstimmiger  Compositionen,  welcher  lange  im  Chor 
von  Notre-Dame  in  Paris  gebraucht  wurde.  Der  Grundstock,  ein 
magnus  liber  organi  (d.  h.  wohl  dupla)  de  gradali  et  antiphonario, 
war  von  dem  alteii  Meister  Leoninus  zur  Erweiterung  und 
Verschönerung  des  Gottesdienstes  (pro  servitio  divino  multipli- 
cando)  geschaffen.  Aber  das  Hauptverdienst  hatte  der  berühmte 
Meister  Perrotinus  (magnus);  er  hatte  des  Leoninus  liber  or- 
gani gekürzt  und  verbessert,  dann  prächtige  quadrupla  wie  Vide- 
runt  und  Seilerunt  und  tripla  wie  Allcinia  Posui  adiutarium,  also 
Antiphonen,  hinzugefügt;  ebenso  hatte  er  hinzu  componirt  Con- 
ducti triplioes  wie  Salvaioris  Jtodie,  Conducti  duplices  wie  Dum  «- 
gilium  snmmi  palris  und  Condncti  simplices  wie  ISeaia  risco'a.  Diese 
große  Sammlung  war  lange  im  Gebrauch  in  choro  Beate  Virginis 
maioris  ecclesie  Parisiensis  (Script.  I  342). 

An  der  andern  Stelle  (Script.  I  360)  spricht  der  gelehrte 
Anonymus  von  multiplex  numerus  voluminum,  beschreibt  den  In- 
halt von  6  Volumina  und  deutet  den  Inhalt  anderer  an.  Die  Vo- 
lumina sind  ebenfalls  hauptsächlich  nach  der  Zahl  der  Stimmen  ge- 
ordnet und  zweifellos  beschreibt  der  Anonymus  hier  dieselbe  Samm- 
lung, von  der  er  S.  342  gesprochen  hat  und  welche  schon  Johan- 
nes de  Garlandia  als  magnum  volumen  bezeichnet  hatte  (Script.  I 
116).  Zuerst  kommen  2  Volumina  mit  Quadrupla  und  Tripla, 
also  Antiphonen,  mit  so  viel  Ton  Verzierungen  und  Schönheiten 
der  Melodie,  daß  ^si  quis  haberet  servitium  divinum  sub  tali  forma, 
haberet  optimum  volumen  istius  artis'.  Dann  kommen  2  Volumina 
mit  Conducti,  triplices  und  duplices,  mit  Schlußfiguren  (cum 
caudis ;  diese  caudae  können  nicht ,  wie  sonst  meistens ,  die  cau- 
dae    der  einzelnen  Mensuralnoten  bedeuten).     Diese  4  Volumina 


der  Ursprung  des  Motett's.  ISl 

gehen  wohl   in  der  Hauptsache   auf  Perrotin  zurück.        Das 

5.  Volomen  enthielt  qnadruplices,  triplices  and  daplices  sine  cauda, 
also  kunstlosere  Compositionen,  deren  sich  hauptsächlich  die  unge- 
übteren Sänger  (minores  cantores)  bedienten.  Es  waren  wohl  Anti- 
phonen ^),  nicht  Conducti ,  schon  weil  unser  Anonymus  4  stimmige 
Conducti  nicht  kennt.  Ob  und  in  wieweit  Perrotin  an  diesen 
schlichten  Compositionen  Antheil  hatte,   ist  nicht  gesagt.        Das 

6.  Volumen  enthielt  Compositionen  de  organo  in  duplo  ut 
^ludea  et  Jerusalem',  also  wohl  hauptsächlich  jenes  von  Perrotin 
gekürzte  und  verbesserte  magnus  liber  organi  de  gradali  et  anti- 
phonario  des  Leoninus,  d.  h.  zweistimmig  componirte  Antiphonen  ^). 
Unter  den  plura  alia  volumina  werden  simplices  conductus  ge- 
nannt, wie  deren  viele  auch  Perrotin  componirt  hatte. 

Wenn  es  sich  nun  um  eine  Grundlage  für  Forschungen  über 
den  mehrstimmigen  Gesang  handelt,  welche  ist  werthvoller,  diese 
im  Centrnm  des  mehrstimmigen  Gesangs,  in  Paris,  von  dem  be- 
rühmten Meister  Perrotin  zuerst  begründete  und  im  Chor  der 
pariser  Kathedrale  lang  gebrauchte  umfangreiche  und  mannig- 
faltige Sammlung,  oder  die  in  Montpellier  und  sonst  erhaltenen 
Motetten  ?    Die  Antwort  ist  selbstverständlich. 

Diese  werthvoUste  Sammlung  mehrstimmiger  Compositionen 
ist  nicht  verloren,  wie  man  meint,  sondern  sie  ist  ziemlich  voll- 
ständig erhalten.  Ziemlich  vollständig  glaube  ich  sie  gefunden 
za  haben  in  dem  sogenannten  Antiphonarium  Mediceum,  der  hüb- 
schen im  13.  Jahrhundert  geschriebenen  Handschrift  der  Laurenziana 
in  Florenz  (Plut.  29, 1),  dann  wenigstens  größere  Brachstücke  in 
2  Handschriften  in  Wolfenbüttel,  besonders  in  Helmstedt  no.  628; 
kleinere  Stücke  sind  in  dieser  und  jener  Handschrift  zu  finden. 

Die  Florentiner  Handschrift  hatte  ich  schon  1874 
untersucht  und  mir  ein  Verzeichniß  der  Liederanfänge  angefertigt, 


1)  Ich  dachte  daran,  ob  biemit  die  Motetten  oder  ihre  im  Tonar  sniammen- 
gettellten  Melodietcbablonen  gemeint  sein  könnten.  Sie  haben  nat&rlich  keine 
caada:  allein  gerade  die  feinsten  Sftngpr  muBten  sich  ihrer  beim  Absingen  der 
ganzen  Antiphon  am  meisten  bedienen. 

2)  Das  Organum  de  gradali  et  antipbonario ,  organnm  in  dnplo  wird  bei 
Pranco  (Scriptt.  I  118)  genannt  organnm  proprio  snmptnm,  Organum  duplnm, 
quod  pnmm  Organum  appellatur;  es  besteht  aus  Tenor  und  einer  Stimme  mit 
Text.  In  der  Yita  Ludwig  des  Frommen  ist  also  die  naturgemftBe  Entwicklung  ein* 
gebalten  41  fit  chanter  la  messe  et  tont  le  Service  a  chant  (einstimmig)  et  a  de- 
cbant  a  orgue  (duplum  es  den  einstimmigen  Tenor,  cantus,  +  eine  2.  Stimme 
discantus)  et  a  treble  (triplum,  Tenor  +  2  Discantstimmen)»  w&hrend  Perrotin 
•eine  Tolnmina  so  geordnet  hat,  daft  er  mit  dem  Schwierigsten  anfing. 

9* 


132  Wilhelm  Meyer, 

wobei  ich  fehlende  Seitenzahlen  in  der  Handschrift  einschrieb.  Bei 
meinen  Untersuchungen  über  die  rythmischen  lateinischen  Dich- 
tungsformen hatte  ich  nur  den  Text  der  Gedichte  berücksichtigt 
und  die  Handschrift  mit  ähnlichen  zusammengestellt  (1882  Ludus 
de  Antichristo  S.  181).  Dann  hat  L.  Delisle  1885  (im  Annuaire- 
Bulletin  de  la  Societe  de  THistoire  de  France)  ein  Verzeichniß 
der  Liederanfänge  gegeben  und  die  historischen  Texte  abgedruckt 
und  erläutert.  1895  hat  Dreves  im  20.  und  21.  Bande  seiner 
Analecta  hymnica  die  meisten  Lieder  abgedruckt,  leichtsinnig  wie 
immer,  und  die  Handschrift  beschrieben;  während  er  sonst  gern 
seine  Kenntnisse  der  alten  Musik  zeigt ,  hat  er  von  dem  Werthe 
dieser  Handschrift  für  die  Geschichte  des  mehrstimmigen  Gesangs 
keine  Ahnung  gehabt. 

Als  ich  1897  bei  Einsicht  der  Wolfenbüttler  Handschrift 
Helmstedt  628  zuerst  die  oben  dargelegten  Ansichten  über  den 
Ursprung  des  Motett's  gefaßt  hatte ,  reiste  ich  nach  Florenz  und 
die  abermalige  Einsicht  der  Handschrift  überzeugte  mich,  daß  ich 
nicht  irr  gegangen  war.  Da  es  sehr  wichtig  wäre,  weitere  Ab- 
schriften dieser  Sammlung  zu  finden,  deren  gewiß  noch  manche 
unter  den  Namen  Antiphonar,  Graduale,  Missale,  Rituale  oder 
ähnlichen  versteckt  sind,  und  weil  die  Beschreibung  der  Hand- 
schrift die  dunklen  Gegenstände  dieser  Untersuchung  etwas  klärt, 
will  ich  den  Inhalt  der  florentiner  Handschrift  mit  der 
Beschreibung  des  Anonymus  vergleichen. 

Der  Hauptunterschied  der  florentiner  Sammlung  von  jener, 
welche  der  Anonymus  beschrieben  hat,  besteht  darin,  daß  in  der 
florentiner  Handschrift  zuerst  die  liturgischen  Compositionen  bei- 
sammen stehen  Bl.  1—184,  dann  die  Lieder  (Bl.  201 — 477),  und 
daß  die  Lieder  sine  cauda  von  den  Liedern  cum  cauda  nicht  ge- 
schieden  und  nicht  in  ein  besonderes  Buch  geschoben  sind. 

Auf  dem  Yorsetzblatt  zeigt  eine  Miniatur  in  3  Streifen  die 
Musica  coelestis,  humana,  instrumentalis. 

Bl.  1 — 10  vier  stimmige  Compositionen:  Zuerst  die  2  Anti- 
phonen Viderunt  und  Sederunt,  Compositionen  des  Perrotinus 
(Script.  1 116,  342  und  860),  deren  colores  und  pulchritudines  der 
Anonjmius  rühmt.  Sie  standen  auch  im  1.  Volumen  des  Anony« 
mus  und  auch  Johannes  de  Garlandia  sah  sie  in  principio  magni 
voluminis.  Hier  folgt  noch  die  4  stimmige  Coloratur  Mors  und 
3  vierstimmige  Lieder  Dens  misertus^  Mundus  vergens  und  Vetus 
ahit.  Diese  3  Lieder  sind  gegen  das  Ordnungsprinzip  hier  einge- 
schoben, weil  es  zu  wenige  sind  als  daß  es  sich  lohnte,  vor  Bl. 
201  ein  besonderes  Bach  daraus  su  bilden.    Außerdem  sind  sie 


der  üripniDg  des  Motett'e.  133 

wohl  spät  zugesetzt ;  denn  es  sind  Conducti  qnadruplices :  aber  der 
Anonymus  (Script.  I  350)  nennt  die  conducti  quadruplices  mit 
dem  Zusätze  ^si  fuerint',  und  in  seinen  Volumina  erwähnt  er  nur 
triplices,  duplices,  simplices. 

Bl.  lO*' — 47^  enthalten  dreistimmige  Antiphonen  und  einige 
Coloraturen;  BL  47^  bricht  mit  Bene|  ab;  es  fehlen  jetzt  Bl. 
48—64.  Die  Sammlnng  beginnt  eigentlich  mit  BL  14,  dem  ersten 
Blatt  der  2.  Lage.  Nach  einer  Miniatur  folgt  Dcscendit  de  celis. 
TcMtquam  sponsus  dominus  procedens  de  tJialamo  suo.  Gloria ,  dann 
das  2.  Stiick  Allduya  Dies  sanctificatus,  Bl.  41 — 46  stehen  einige 
Coloraturen,  dann  ludca  et  ler.  Constantes,  Dies  letztere  ist  wohl 
späterer  Zusatz;  denn  der  Anonymus  sagt  S.  360  ^ludea  ei  ler. 
et  Catistantes  numquam  fit  in  triplo  neque  potest  fieri':  hier  aber 
steht  es  in  triplo.  Hauptsächlich  Nachträge  zu  dieser  Abthei- 
lung sind  die  auf  dem  Schlüsse  des  1.  Volumen  Bl.  10^ — 13  ein- 
getragenen dreistimmigen  Coloraturen.  Dies  ist  das  2.  Volumen 
des  Anonymus  'de  triplicibus  maioribus  magnis,  ut  Ällduya  Dies 
sanctificatus^  etc. ,  wohl  in  der  Hauptsache  von  Perrotinus  compo- 
nirty  welcher  *fecit  tripla  nobilissima  sicut  Alleluya  Posui  adiuto- 
rium,  Nativitas  etc.'  (I  342).  Auch  an  diesem  Volumen  rühmt  der 
Anonymus  die  'colores  et  pulcritudines  cum  abundantia',  und  wie 
er  das  Volumen  der  Quadrupla  empfohlen  hatte  mit  den  Worten 
'pro  maiore  parte  totius  artis  huius  habeatis  ipsa  in  usu  cum 
quibusdam  similibus',  so  empfiehlt  er  dies  Volumen  der  Tripla  'si 
quis  haberet  servitium  divinum  sub  tali  forma,  haberet  Optimum 
Volumen  istius  artis'.  Unter  den  Antiphonen  sind  welche  auf 
den  h.  Dionysius  und  auf  den  h.  Germanus. 

Bl.  66  Lagenanfang,  Miniatur:  zweistimmige  Antiphonen 
in  2   Sammlungen.  1)  Bl.  65  ludea   et  Jerusalem,     Constantes 

u.  8.  w.  Darin  enthalten  Bl.  86—90  verschiedene  Benedicamus  da- 
mino.  Bl.  92 — 98  sind  leer.  2)  Bl.  99  Lagenanfang,  Miniatur. 
'  Viderunt  omnes  Notum  fcciV:  im  Großen  nach  dem  Kirchenjahr  ge- 
ordnet.   BL  145^  und  146  sind  leer. 

Bl.  147  Lagenanfang,  Miniatur.  Tonarius:  nur  Coloraturen 
mit  den  betreffenden  Silben  oder  Wörtern,  im  Großen  2  Auslesen, 
in  ähnlicher  Reihenfolge  wie  die  Antiphonen.  Bl.  184^  endet 
mitten  im  Text.  Die  Blätter  185 — 200  fehlen  jetzt;  im  Anfang 
mögen  sie  eine  Fortsetzung  des  Tonars  enthalten  haben,  dann 
war  wohl  viel  Raum  leer. 

Die  Blätter  6B— 145  (und  147—184*)  entsprechen  wohl  dem 
6.  Volumen  des  Anonymus  'de  organo  in  duplo,  ut  ludca  et  leru- 
salcm  et  Constantes.    Dies  ist|  wie  ich  glaube,  das  Script,  I  842 


134  Wilhelm  Meyer, 

erwähnte  'magnus  liber  organi  de  gradali  et  antiphonario'  des 
Leoninas;  Terotinns  abbreviavit  eondem  et  fecit  claasnlas  sive 
puneta  plnrima  meliora'. 

Mit  Bl.  201  beginnen  die  Lieder.  Bl.  201  ist  I^agenanfang 
und  beginnt  mit  einer  Miniatur.  Es  folgen  dreistimmige 
Lieder  bis  Bl.  2B4  (Bl.  229»  ist  bei  Dreves  Analecta  XX  260  fa<5- 
similirt);  255  und  256  sind  ausgefallen;  BU.  257—262  sind  leer. 
Sie  beginnen  mit  Salvatoris  hodie  und  Relegentur  ab  area.  Dies 
ist  des  Anonymus  3.  Volumen  'de  conduetis  triplicibus  caudas  ba* 
bentibusy  sicut  Salvatoris  hodie  et  Relegentur  ab  area,  et  similia,  in 
quibus  continentur  puneta  finalia  organi  in  fine  versuum  et  in 
quibusdam  non,  quos  bonus  organista  perfecte  scire  tenetur.  Viele 
waren  wohl  vonPerrotin  componirt,  der  'fecit  triplices  conduetus, 
ut  Salvatoris  hodie\  Jedoch  scheinen  hier  auch  viele  Conducti 
sine  cauda  eingeschoben  zu  sein. 

Bl.  263—374  (380)  enthalten  zweistimmige  Lieder;  die 
Bll.  375—380  sind  leer.  Bl.  263  Lagenanfang  und  Miniatur, 

dann  Fraude  ceca,  Hec  est  dies  u.  s.  w.  Die  folgende  große  Lieder- 
masse ist  3  Mal  (Bl.  299,  336  und  349)  durch  Miniaturen  unter- 
brochen; allein  dieselben  stehen  mitten  in  der  Blätterlage  und 
kein  äußeres  oder  inneres  Zeichen  deutet  auf  Abtheilungen,  und 
nachher  werde  ich  beweisen,  daß  Bl.  263 — 313  zusammen  gehören 
und  Conducti  enthalten  müssen.  Dies  ist  das  4.  Volumen  des 

Anonymus  'de  duplicibus  conduetis  habentibus  caudas,  ut  Ave  Maria 
antiquum  in  duplo  (Flor.  284)  et  Paler  noster  comtniserans  (Flor. 
278)  vel  Hac  in  die  rege  nato  (Flor.  332),  in  quo  continentur  nomina* 
plurium  conductorum,  et  similia.  Auch  von  diesen  Liedern  wird 
viele  Perrotinus  componirt  haben,  der  'fecit  duplices  conduetus 
sicut  Dum  sigillum  summi  patris^  (steht  im  Flor.  Bl.  344  mit  außer- 
ordentlich vielen  Verzierungen).  Jedoch  zeigt  schon  die  Masse 
dieser  Lieder,  wie  beliebt  diese  Form  war:  hier  war  also  auch 
am  meisten  zuzusetzen.  Außerdem  scheinen  in  der  florentiner 
Handschrift  auch  hier  die  Conducti  sine  cauda  unter  die  Conducti 
cum  cauda  geschoben  zu  sein. 

Bl.  381  Lagenanfang  und  Miniatur,  dann  Ädveniam  per  veniam, 
Formam  hominis  u.  s.  w.  Dreistimmige  Motetten ,  doch  eine  be- 
sondere Art.  Denn  die  über  dem  Tenor  stehenden  2  Stimmen 
werden  mit  dem  gleichen  Text  gesungen.  Bl.  398^  endet  mitten 
im  Satze,  es  fehlt  also  mindestens  eine  Blätterlage.  Solche  Mo- 
tetten erwähnt  der  Anonymus  nicht. 

BL  399  Lagenanfang  und  Miniatur,  Mens  fidem  und  Doce  nos 
XX.  8.  w.   BL  414^  bricht  mitten  im  Satze  ab,  also  fehlt  mindestens 


der  ürsprQDg  des  Motett's.  13g 

1  Blätterlage.  Es  sind  2  stimmige  Motetten :  Tenor  and  1  Stimme 
mit  Text.    Der  Anonymus  erwähnt  solche  nicht.  Es  ist  cha- 

rakteristisch, daß  in  der  florentiner  Handschrift  die  3-  and  2  stim- 
migen Motetten  zwischen  die  Condacti  za  2  and  zu  1  Stimme 
gestellt  sind. 

Bl.  414  Lttgenanfangy  'Miniatur,  einstimmige  Lieder:  Homo 
n(Uus  ad  labarem,  Omnis  in  lacrimas  u.  s.  w.,  bis  Bl.  461  oder  462 
(die  BU.  4BP-462  sind  leer);  die  Seiten  439»>  und  440»  sind  bei 
Delisle  photographirt.  Diese  reichhaltige  Sammlung  enthält  ge- 
wiß Condacti  simplices.  Der  Anonymus  erwähnt  unter  plura 
alia  Volumina  auch  simplices  conductus,  und  Perrotinus  'fecit  etiam 
simplices  conductus  cum  pluribus  aliis  sicut  BecUa  viscera  (steht 
in  der  Florentiner  Handschrift  Bl.  422). 

Bl.  463-471  (Bl.  47P— 476  sind  leer):  einstimmige  Com- 
Positionen.  Bl.  463  Lagenanfang  und  Miniatur,  dann  De  patre 
principio,  Ftlix  dies  et  grata  u.  s.  w. ,  höchst  einfache  Strophen, 
deren  Melodie  durch  die  Wiederholung  der  einzelnen  Zeilenmelo- 
dien gebildet  wird,  z.  B.  (a)  Novum  ver  oritur,  (a)  letemur  igitur, 
(a)  iam  flos  egreditur ;  (b)  cesset  tristitia,  (a)  floralis  gaudia  (b)  dat 
epiphania.        Der  Anonymus  erwähnt  solche  Lieder  nicht  besonders. 

Was  diese  einstimmigen  Compositionen  auf  den  BU.  415—471 
mit  dem  Discant  zu  thun  haben,  ist  schwer  einzusehen,  wenn  nicht, 
wie  oben  S.  128  vermuthet  ist,  die  Angabe,  die  Conducti  würden 
cum  litera  et  sine  litera  vorgetragen ,  auf  die  Begleitung  einer 
Ldstrumentalstimme  hindeutet. 

Von  den  470  Blättern  der  Florentiner  Handschrift  entfallen 
also  146  auf  Antiphonen,  gegen  40  auf  den  Tonarius  zu  den 
2 stimmigen  Antiphonen ,  über  200  auf  Conducti:  aber  nur  16 
auf  Motetten.  Die  Praxis  zeigt  also,  welch  bedeutende  Rolle 
in  Frankreich  ^)  die  Conducti  (Conduis)  spielten. 

Ein  hübscher  Beweis  für  die  Beliebtheit  der  Conducti  ist  auch 
der  folgende.  Der  Anonymus  beschreibt,  wie  S.  134  erwähnt,  das 
Volumen  de  duplicibus  conductis  habentibus  caudas,  ut  Ave  Maria 
antiquum  in  duplo  et  Pater  noster  cammiserans  vel  Hoc  in  die  rege 
naio^  in  quo  continentur  nomina  plurium  conductorum  et  similia\ 
Was  soll  dies  4n  quo*  etc.  heißen?   Die  Antwort  ist  überraschend. 


1)  Auierbalb  Frankreichs  siod  die  Sparen  selten  und  deBhalb  sorgftitig  au 
sammeln.  So  verdient  besondere  Beachtung  die  Handschrift  in  Engelberg  no.  814 
(14.  Jahrhundert),  in  der  auch  liturgische  Sätse,  Huieti  und  Conducti  in  mehr- 
stimmigen Compositionen  Torkommen.  Qerbert's  Handschriften  Ton  St.  Blasien 
sind  verbrannt;  über  mehrstimmige  Lieder  der  Mondsee •  Wiener  Handschrift  s. 
Acta  Germanica  lY  S.  214.    FOr  England  vgl.  Early  English  Haraony,  1S97. 


136  Wilhelm  Meyer, 

Jenes  in  der  Florentiner  Handschrift  Bl.  332  stehende  and  von 
Dreves  Analecta  hymnica  XX  128  gedruckte  Lied  besteht  aus  den 
Anfangsversen  einer  Reihe  anderer  Lieder,  welche  innerhalb 
der  Blätter  268 — 313  der  florentiner  Handschrift  zu  finden  sind; 
also  ist  entweder  nomina  in  principia,  initia  u.  s.  w.  zu  ändern, 
oder  es  hat  denselben  Sinn  gehabt.  Jet2t  wird  zunächst  die  rohe 
Form  jenes  Liedes  verständlich,  dann  wird  sicher,  deiß  die  Blätter 
263 — 313  zu  äiner  Abtheilung  gehören  und  daß  alle  hier  stehenden 
Lieder  Conducti  zu  nennen  sind.  Deutlich  erhellt  auch,  wie  be- 
liebt diese  Conducti  waren  und  wie  verbreitet  gerade  diese  Samm- 
lung derselben.  Denn  Lieder,  welche  man  zu  einem  solchen  lite- 
rarischen Potpourri  verwendet,  müssen  fast  bis  zur  Uebersättigung 
bekannt  sein. 

Schon  der  historische  Lihalt  vieler  Conducti  beweist,  daß  sie 
auch  zu  Festeantaten  dienten.  Sie  waren  also  für  die  Dichter 
und  noch  mehr  für  die  Componisten  Bravourstücke.  Unter  den 
Texten  dieser  Conducti  sind  ebenso  feine  zu  finden,  wie  unter 
denen  der  Motetten;  es  ist  ja  auch  vielfach  bezeugt,  daß  viele 
derselben  von  einem  so  feinen  Kopfe  wie  Philipp  de  Grfeve  her- 
rühren, dem  1237  gestorbenen  Kanzler  der  pariser  Universität. 
Allein  die  Conducti  theilen  mit  der  ganzen  mittelalterlichen  Lite- 
ratur den  Nachtheil  und  doch  größeren  Vortheil,  daß  nicht  alexan- 
drinische  oder  römische  Schulgelehrte  in  langer  Thätigkeit  nur 
das  scheinbar  Beste  ausgeschieden  haben,  sondern  daß  uns  Gutes 
und  Schlechtes  durcheinander  überliefert  ist;  ja,  da  die  Conducti 
vielfach  Gelegenheitspoesie  und  Gelegenheitsmusik  waren,  so  sind 
gerade  unter  ihnen  manche  sachlich  interessante,  aber  künstlerisch 
minder  werthvoUe  Stücke  überliefert. 

Die  Formen  der  Texte  sind  durchaus  regelmäßig:  es  sind 
die  damals  gewöhnlichen  Zeilen  und  Strophenformen.  Die  Ver- 
suchung lag  ja  nah,  von  einer  hübschen  Antiphonencoloratur  den 
Tenor  wegzulassen  und  die  Oberstimmen  der  Coloratur  als  Stro- 
phenschablone zu  gebrauchen  und  dieser  Strophe  nun  noch  weitere, 
gleich  gebaute  folgen  zu  lassen:  allein  es  lassen  sich  nur  wenige 
Texte  zugleich  mit  Tenor  als  Motett  und  ohne  Tenor  als  Con- 
ductus nachweisen. 

Wurden  die  Motettenmelodien  zuerst  geschaffen  und  nachher 
erst  von  beliebigen  Dichtern  die  Motettentexte,  so  gings  bei  den 
Conducti  umgekehrt  zu.  Dadurch  entstanden  aber  Schwierigkeiten. 
Die  Dichter  der  damaligen  Zeit  bauten  ihre  Gedichte  meist  aus  glei- 
chen Zeilen  oder  Strophen  auf;  ganz  fremdartig  waren  ihnen  Dithy- 
ramben ähnliche  Formen,  wo  sich  von  Anfang  bis  zu  Ende  stets 


der  Ursprung  des  Motett's.  137 

neue  Zeilenformen,  ohne  Wiederholnng  in  Strophen,  mischten,  eine 
Form,  wie  nur  die  Motettenmelodien  sie  ihnen  oft  abzwangen.  Den 
Componisten  ist  die  Composition  nur  einer  oft  zu  wiederholenden 
Strophenmelodie  eine  kleine  Aufgabe :  eine  würdige  und  hohe  Auf- 
gabe ist  ihnen,  wie  der  Inhalt  des  Gedichtes  vom  Anfang  bis  zum 
Schlüsse  sich  entwickelt  und  stets  neue  Gedanken  bietet,  so  auch 
in  ihren  Tönen  sich  nicht  zu  wiederholen,  sondern  ein  einziges, 
sich  entwickelndes  Tongebäude  mit  stets  neuen  Einzelheiten  zu 
schaffen. 

So  verstehen  wir  manche  Eigenthümlichkeiten  dieser  Com- 
positionen.  Hymnen  und  ähnliche  Lieder,  welche  nur  aus  glei- 
chen Strophen  bestehen ,  haben  sie  oft  auch  so  componirt ,  d.  h. 
fiber  der  ersten  Strophe  steht  die  mehrstimmige  Melodie  ge- 
schrieben ;  die  folgenden  Strophen  sind  ohne  Melodie  an  den  Rand 
geschrieben  oder  ganz  weggelassen.  Allein  öfter  suchen  sie  mehr 
Abwechslung  der  Composition  zu  gewinnen,  als  die  Textform 
bietet.  Nicht  nur  wirkliche  Sequenzen,  sondern  auch  aus  gleichen 
Strophen  bestehende  Gedichte  haben  sie  oft  als  Sequenzen  com- 
ponirt, d.h.  sie  haben  über  der  1.,  3.,  6.  Strophe  eine  stets  ver- 
schiedene Melodie  geschrieben,  haben  dagegen  die  2.,  4.,  6.  Strophe 
ohne  Melodie  au  den  Band  geschrieben  oder  ganz  weggelassen, 
weil  diese  Strophen  ja  mit  der  stets  vorangehenden  Strophe  gleiche 
Melodie  hatten. 

Aber  oft  haben  sie  ein  Lied,  das  ganz  aus  gleichen  Strophen 
besteht,  durchcomponirt ,  so  daß  alle  Strophen  verschiedene  Melo- 
dien haben  und  das  Tonwerk  sich  stets  weiter  entwickelt.  Viele 
Texte  der  Conducti  sind  deßhalb  schon  von  den  Dichtem  darauf 
eingerichtet.  Wenn  da  auch  die  Modezeilen  in  einfachen  Verbin- 
dungen auftreten,  so  sind  doch  die  einzelnen  Strophen  verschieden, 
und  die  Componisten  sind  schon  auf  diese  Weise  auf  eine  fort- 
schreitende und  sich  entwickelnde  Composition  gewiesen. 

In  diesen  Paradestücken  der  Componisten  sind  natürlich  mei- 
stens auch  Zierrathen,  wie  kleinere  und  größere  Coloraturen,  ver- 
wendet, besonders  im  Anfang  und  noch  mehr  im  Schluß  der  Ab- 
sätze. So  entstehen  ausgedehnte  und  kunstreiche  Tonwerke,  welche 
einer  umfangreichen  Antiphon  sammt  ihren  Coloraturen  sehr  ähn- 
lich sehen,  und  ich  würde  mich  nicht  wimdem,  wenn  sich  einmal 
die  Stimmen  eines  Conductus  als  die  Oberstimmen  einer  Antiphone 
enthüllten. 

Ein  Beispiel,  wie  völlig  gleiche  Zeilen  und  Strophen  durch 
die  Composition  verschieden  gemacht  werden  und  musikalisch  ein 
fortschreitendes  Ganze  bilden,  können  schon  die  Coloraturen  des 


138 


Wilhelm  Meyer, 


in  sigillo  somme  mei(^/6  Z.)tTis 

nee  sigillam  eastitatis 

nee  sigillam  deitatis 

Dum  (Vi  Z,)  humanam  oscula('/i  Z.)tur 

ex  contacta  fecundatur 

mi(V4  Z.)ta  vir(3c)tTis  oseulan(3c)di, 


vom  Meister  Perrotin  componirten  zweistimmigen  Condnctus  Dum 
sigülum  geben,  welche   ich   nach  Zeilen  {Zy   oder  Centimeter  (c)- 
länge  aus  der  florentiner  Handschrift  BL  344  notire: 
Dum  (1  Z.)  sigillum  summi  pa(3c)tris      sig(V8  Z.)natum(2c)  di(V8  Z.)- 

vi(lc)nitus 
8igna(2c)tur  humani(3c)tus, 
in  puella  frangitur 
detrimentum  pati(2  Z.)tur. 
na(Vi  Z)tu(lc)ram  di(V8  Z.y 

yinitas, 
intacta  virginitas. 
mi(V4  Z.)randa  sunt  (1  Z,)  os- 
cu(l  Z.)la, 
que  dant  vires  fecundandi  sine  carnis  copu(2V8Zet7en)la. 

Von  jenen  Conducti,  welche  nicht  aus  gleichen  Strophen  bestehen, 
wo  also  schon  der  Text  den  Componisten  dazu  anleitet,  ein  ein« 
ziges,  fortlaufendes  und  sich  entwickelndes  Kunstwerk  zu  bilden, 
will  ich  2  bescheidene  Beispiele  mittheilen,  weil  diese  aus  der 
Pariser  Handschrift  15139  (einst  St.  Victor  813;  vgl.  Cousse- 
maker  Histoire  S.  259)  entnommenen  Texte  vielleicht  die  Histo- 
riker interessiren.  Sie  sind  zweistimmig  componirt;  während  die 
gleichen  Kurzzeilen  oder  die  gleichen  Zeilengruppen  oft  auftreten, 
sind  die  Melodien  derselben,  so  viel  ich  sehe,  stets  verschieden. 
Gau  (1  Zeüe  ^o^c»i)de(l  Zeile  Noten). 
Gaude,  felix  Francia, 

speciali  gaudio! 
Felix  es  militia, 

felix  es  et  studio  (1  cm  Noten). 
Set  precellit  omnia 

tui  regis  unctio  (1cm), 
quam  (1  ctn)  regnans  in  gloria 
qui  solus  in  solio 
Cu(V4  Z.)ius  miseratio 
in  misericordia 
Felix  regnum  Francie, 
regibus  rex  glorie, 

qui  tonat  in  nubibus, 
oleum  letitie 

pre  suis  consorti(V3  ^.)b^s ; 
Quam  (Va  Z.)  coronat  hodie 
in  misericordie 

mi8eratio(l  Z.)nibu8, 


tibi  donat, 

regni  to(lV«c*M)nat, 

te  co^o(^'8  Z.)nat. 
cuius  donat 


der  ürsprang  des  Hotett*«.  139 

Das  andere  laatet: 

Scy8(l  Zeile  Noten)mB,  mendacis  Grecie 

vexilla  Christi  desernnt 
et  ad  fidelis  Francie 

castitatem  se  transfemnt, 
abi  sponsns  ecclesie 

samendom^)  meditatar, 
adversus  quem  non  poteront 
perfidoram  insidie, 

quin  sponsam  tuea(lV«  Z.)tuT. 
0  C/aZ.),  cuius  imperio 
paretur  a  superis 
terrenis  et  inferis, 
quanto'  benificio 

Frandam  prosequeris 
pre  regnis  ceteris. 
lam  omatu  regio 
tota  splendet  regio, 

cum  crucem  cum  lanceam 
cum  coronam  scyrpeam"), 

que  subtrahis        Danais        miscris'), 
ad  ipsam  miseris        quodam  presagio, 

arma,  quibus  viceris, 
cum  sub  Pontio        iudicatus  fue(lVs^)ris. 

Quid  sibi  volunt  talia, 

Francorum  rex  catholice, 

quod  sis  inunctus  celice, 
quod  te  ditent  insignia 

passionis  dominice, 
quod  assumis  et  alia?: 

cum  a  supremo  iudice 
tua  pulsantur  hostia, 

ne  nesciat,        ad  quem  refugiat, 
ezul  ecclesia,        que  sie  opprimitur. 
En  a  summo  pontiiice 

vocaris  ad  subsidial 


1)  maneodom?  Dann  doo  poteront  =  oon  praeTalebant  ?,  nadi  Maitb. 
16, 18  portae  inferi  non  praeTalebant  adversus  eam. 

8)  spineam?  Marc.  15,17  and  Job.  19,6  coronam  spineani;  dazu  Hattb. 
87, 29  und  Job.  19, 7  coronam  de  spinis. 

3)  qae  sabtrabis         miseris  Danais? 


140  Wilhelm  Meyer, 

niac  confugitar, 
ubi  Christus  diligitnr. 
Ex  bis  tibi  conicitnr 
deberi  monarcbia. 
Von  diesen  Gedichten  ist  das  2.  wahrscheinlich  Ende  des  Jahres 
1244  gedichtet^),  das  erste  hängt  jedenfalls  eng  damit  zusammen : 
sie  stammen  also  aus  verhältnißmäßig  später  Zeit. 

1)  Li  benoiez  Saint  Loya  avoit  (1289)  la  co rönne  d'espines  nostre 
eeigneur  Jhesu-Crist  et  (etwas  später)  grant  partie  de  la  sainte  croiz  ou  dieu 
fu  mis  et  la  1  a  n  c  e,  de  laquele  li  costez  nostre  Seigneor  fu  percids  . .,  pour  les- 
queles  reliques  11  fist  f^re  la  Chapele  k  Paris;  so  berichtet  der  Confesseur  de  la 
Reine  Marguerite  in  der  Vie  de  S.  Louis  (vgl.  noch  Wallen,  Saint  Louis  I  111). 
Der  Anfang  Texilla  Christi  ad  Francie  castitatem  se  transferunt*,  ebenso  das 
Praesens  in  'tua  pulsantur  hostia'  und  in  *a  summo  pontifice  vocaris  ad  subsidia' 
führen  sicher  auf  die  Flucht  luuocenz  des  IV.,  der  vor  seinem  Todfeind  dem 
Kaiser  Friedrich  II.  Ende  1244  aus  Italien  nach  Lyon  entwich.  Unter  dem  ersten 
mächtigen  Eindruck  dieses  Ereignisses  scheint  dieser  Conductus  geschrieben  zu 
■ein.  Aus  dieser  Begeisterung  heraus  erklärt  sich  vielleicht  der  SchluB  der 
kühnen  letzten  Strophe:  *Ex  his  tibi  conicitur  deberi  monarcbia'.  König  war 
Ludwig  schon  seit  18  Jahren:  monarcbia  kann  also  durchaus  nicht  regnum  be- 
deuten.  Es  muß  etwas  Höheres  bezeichnen.  Entweder  hat  Innocenz  IV.  Ludwig 
dem  Frommen  die  Krone  des  excommunicirten  Friedrich  IL  angeboten ,  wovon 
freilich  kein  Historiker  Nachricht  gibt,  oder  unser  Dichter  hat  im  Sinne  vieler 
begeisterter  Anhänger  des  Pabstes  Ludwig  dem  Frommen  die  Kaiserkrone  (mo- 
narchia  &s  imperium)  gewünscht  und  prophezeit.  So  hat  das  Gedicht  einen  wür* 
digen  und  energischen  SchluB.  Merkwürdig  bleibt,  daß  ein  so  scharfer  Ausdruck 
persönlicher  Ansicht  mit  wichtiger  politischer  Tendenz  von  einem  zweistimmigen 
Chore  öffentlich  dem  Könige  Ludwig  IX.  vorgetragen  worden  ist,  welcher  4  Jahre 
vorher  ähnlichen  Plänen  Qregor's  IX.  in  Bezug  auf  seinen  Bruder  Robert  ent- 
gegen getreten  war  (vgl.  £lie  Berger,  Saint  Louis  et  Innocent  IV.  1893  S.  4). 

Die  Worte  quod  sis  inunctus  celice  deuten  auf  das  erste  Gedicht,  wel- 
ches am  Tage  (hodie)  der  unctio  und  coronatio  des  französischen  Königs  gesungen 
worden  ist.  Da  ferner  die  beiden  Gedichte  in  der  Handschrift  sich  folgen,  da 
beide  zweistimmig  componirt  sind,  so  möchte  man  folgern,  daB  sie  nicht  nur  von 
demselben  Dichter  gedichtet  und  von  demselben  Sänger  gesetzt  sind,  sondern  auch 
daB  sie  zeitlich  zusammen  gehören.  Allein  Ludwig  IX.  ist  1226  gesalbt  und  ge- 
krönt worden:  18  Jahre  müBten  also  zwischen  den  beiden  Gedichten  liegen.  Und 
doch  bedenke  man  wiederum :  der  Schmerz  um  den  todten  König,  das  Mitgefühl 
mit  dem  12jährigen  Nachfolger  und  seiner  Mutter  erfüllten  1226  alle  Herzen; 
wie  nichtssagend  ist  da  das  1.  Gedicht;  aber  das  ist  wiederum  anbegreiflich,  da 
der  Dichter  offenbar  sehr  redegewandt  ist. 

Aus  dieser  Verlegenheit  führt  vielleicht  ein  Weg.  Dr.  Schwalm,  welcher 
die  Ordines  für  die  Krönung  der  deutschen  Kaiser  und  Könige  bearbeitet,  wies  mich 
zu  Georg  Waltz,  Deutsche  Verfassongsgeschichte  VI.  Band  (2.  Aufl.  1896  S.  291), 
wo  es  heiBt  'An  den  hohen  Festen  —  namentlich  Ostern  und  Pfingsten  —  oder  ein- 
zeln bei  andern  besondern  Gelegenheiten  war  es  Sitte ,  daB  der  König  öffentlich 
mit  der  Krone  erschien:  sie  ward  ihm,  wo  er  sich  aufhielt,  in  der  Kirche  wäh* 


der  Ursprang  des  Motett's.  141 

Die  gegebenen  Beispiele  von  Motetten  nnd  Condacti  ent- 
sprechen den  Sätzen  der  mittelalterliehen  Lehrschriften  über  die 
mehrstimmige  Musik.  Doch  die  Erforschung  der  überlieferten 
zahlreichen  mehrstimmigen  Gesänge,  welche  ja  weit  wichtiger  ist, 
wird  viele  Fragen  auf  werfen,  auf  welche  jene  Lehr  Schriften  keine 
Antwort  enthalten,  viele  Lehren  geben,  von  denen  jene  schweigen. 
Wie  natürlich  ist  es  z.  B.,  verschiedene  Theile  eines  größeren  Ge- 
sanges von  einer  verschiedenen  Stimmenzahl  vortragen  zu 
lassen!  Die  mittelalterlichen  Theoretiker  schweigen  gänzlich  da- 
von: allein  schon  Meister  Perrotin  hat  seinen  Conductus  'Sal- 
vatoris  hodie*  und,  wie  es  scheint,  noch  andere  Conducti  so  ge- 
setzt, daß  die  erste  Hälfte  von  3,  das  Uebrige  von  2  Stimmen 
vorgetragen  wird.  Ferner  steht  unter  den  dreistimmigen  Con- 
ducti des  Florentinus  (BL  250)  folgender  Text: 

Beatis  nos  adhifre  caritate  fervidi 

ieans  vita  celibe,  modulando  cantica 

rex  celorum  domine,  fide  vocum  mellica 

ut  summo  cum  agmine  tibi  benedicamuSf 

6  stolis  albis  candidl  10  tibi  laudis  solvanttt^ 


rend  der  Messe  von  eiDem  Qeistlichen ,  wenn  ein  Erzbiscbof  zugegen  war  von 
diesem,  förmlich  aufgesetzt ,  so  in  gewissem  Sinne  der  Akt  der  Krönung 
wiederholt.  Von  Otto  L  wird  gerühmt,  daB  er  stets  vorher  gefastet,  Ton 
Heinrich  lü.,  daB  er  gebeichtet  nnd  gebüBt  liabe,  ehe  er  den  Schmuck  anlegte' ; 
dasu  werden  Tiele  Belegstellen  angeführt,  unter  andern,  daB  in  England  am  Tage, 
qua  primum  ooronatns  est  rex,  ein  besonderer  Königsfriede  herrschte.  Dr. 
Sehwalm  erkl&rt  auch  so,  daB  solche  Ordines  in  den  Pontificalia  von  Bischöfen 
sich  finden,  welche  gewiB  nie  die  erste  Krönung  vollziehen  durften.  Ob  die  fran- 
Bötischen  Historiker  Aehnliches  schon  notirt  haben,  weiB  ich  nicht;  aber  in 
einem  so  frommen  Gebrauche  blieb  Ludwig  IX.  gewiB  nicht  zurück. 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  sehen  wir  die  beiden  Gedichte  im  richtigen 
Lichte.  Nehmen  wir  an:  kurz  vor  oder  nach  der  schweren  Krankheit  Ludwigs 
(im  Dezember  1244)  an  einem  hohen  Festtage,  z.B.  am  Jahrestage  (hodie)  der 
Krönung  Ludwigs,  dem  29.  November,  während  man  die  Ankunft  des  Pabstes  in 
Lyon  erwartete  (am  2.  Dezember  traf  er  in  Lyon  ein,  vgl.  Berger  S.  32),  wurde 
Lodwig  wiederum  gesalbt  und  gekrönt.  Wahrend  diese  Ceremonie  in  der  Kirche 
an  ihm  vollzogen  wurde,  sang  der  zweistimmige  Chor  das  erste  Lied;  dazu  paBt 
trefflich  der  aUgemein  gelialtene  Inhalt  des  Liedes  und  die  darin  für  Ludwig  ge- 
branchte  8.  Person.  Dann  ging  es  zu  der  feierlichen  Tafel:  dabei  wurde  das 
iwdte  Lied  an  den  König  gerichtet.  Gans  Frankreich  war  in  Aufregung  über 
die  Nachricht,  daB  der  Pabst  in  Lyon  Zuflucht  suche:  war  der  Dichter  ein  so 
bedeutender  Mann  wie  der  7  Jahre  vorher  verstorbene  Philipp  de  Qröve,  so 
konnte  er  es  wagen,  Ludwig  dem  IX.,  dem  neuen  Schirmherrn  der  Kirche,  die 
Kaiserkrone  in  Aussicht  lu  stellen. 


142 


Wilhelm  Meyer, 


dona  cantn  placic^o, 
throno  cnias  fulgido 
astat  cum  preconio 
angelorom  contio, 

15  in  celesti  solio 
laadat  cum  tripudio 
carentem  principio. 
Quorum  nos  collegio 
tua  miseratio 

20  iungat  e  vestigio 
in  celi  palatio, 
ne  morf  dispendio 
scelerum  collectio 
nostra  sit  contritio 

25  in  arcto  iudicio. 

Sed  qui  more  proprio 


donas  in  convivio 
anulum  cum  pallio 
penitenti  filio 

30  pasto  in  exilio 
porcorum  cibario, 
pascat  cum  sollemnio 
vultus  tui  visio 
in  summo  cenobio, 

35  ubi  pari  gaudio 
cum  leto  consortio 
efFundamus  vario 
carminis  indicio 
pia  sine  termino 

40  yota  cordis  intimi 
ac  medullas  animt 
domino. 


lieber  diesem  Texte  stehen  2  Stimmen;  darunter  steht  1 
Stimme,  deren  Textsilben  gleich  lauten  mit  jenen  Silben  des  obe- 
ren Textes,  welche  fett  gedruckt  sind,  und  unter  welchen  sie 
geschrieben  stehen.  Das  Ganze  ist  also  ein  2 stimmiger,  aber 
gleichzeitig  gesungener  Tropus  zum  Benedicamus  domino;  auf  do 
fallen  28  Zeilen,  auf  die  anderen  7  Silben  je  2  Zeilen :  also  liegt 
auf  do  eine  lange  Coloratur. 

Mitten  unter  den  Motetten,  welche  außer  dem  Tenor  noch 
^inen  Text,  der  von  2  Stimmen  gesungen  wird,  umfassen,  steht  in 
der  florentiner  Handschrift  folgender  Text  zu  2  Stimmen,  unter 
dem  eine  einfachere  3.  Stimme  geschrieben  ist  mit  einem  Texte, 
dessen  Silben  ich  hinter  diejenigen  Silben  des  oberen  Textes  setze, 
unter  welchen  sie  in  der  Handschrift  stehen.  Man  beachte  auch 
hier  die  künstliche  Fügung  der  Reime: 


Ve(t;e)ni,  doctor  previe, 
Spiritus  scientie, 
dono  cuius  gratie 
laudes  sonant  sobrie 
6  Christo  regi  glorie, 
qui  nutu  potentie 
clausas  transit  hodie 
portas  matris  filie. 
Per  hunc  datus  adveni  (ni) 
10  et  nos  semper  preveni, 

8anc(5anc)te  sanctis  debite  {te) 
Clemens  et  paraclite. 


Per  te  fiant  cognite 

veritatis  semite, 
15  Spes  (spi)  et  dator  premii 

et  veri  consilii  (ri) 
Spiritus  {tus). 

Re(re)ple  sacro  flamine  {ple) 

congregatos,  domine, 
20  sub  illius  nomine,    . 

qui  natus  de  virgine 

homo  fit  pro  homine, 

ut  mundum  a  crimine 

mundo  mundet  sanguine. 


der  Urspmog  des  Motett*s.  143 

• 

25  Ta  {tu)  patri,  ta  filio  astringe  sedulo 

compar  in  imperio(o)y  derom  com  popolo, 

commone  solatiom,  at  tandem  qneralo 

cnios  ad  aoxilium  (rum)  45  transacto  secolo 

Vota  pendent  omnium,  sit  in  propatolo, 

30  cor(cor)da  sana  saacia  (da)y  qnod  mentis  ocnlo 

nt  pari  concordia  cernnnt  in  specalo. 

sonet  oris  gloria.  Et  ne  monascnlo 

Fi(/i)dem  da  cum  opere  (de),      50  torpescat  emulo 
ne  sit  vanam  credere,  vis  amoriä(rt5)y 

35  ex  oliva  fidei  {li)  in  (in)  eorum  pectore, 

nt  fons  fluat  olei  dorn  adhuc  in  corpore(6) 

fidelium  {um).  brevi  manent  tempore 

Et  tai  {d  tu)  precipoi  55  spe  metu,  que  famulis 

mitis  ac  perpetui  (i)  alimenta  sedulis  {is)t 

44)  amo(aiiio)ris  vincalo  ignem  accende. 

et  pacis  osculo 
Wenn  in  diesen  2  Gedichten  die  Unterstimme  Benedicamus 
domino  und  Vaii  sancte  Spiritus,  reple  tuorum  corda  fuhlium  et  am(h 
ns'  tui  in  vis  ignem  accnide  eine  alte  bekannte  Melodie  hat ,  auf 
welcher  als  auf  einem  Tenor  die  beiden  oberen  Stimmen  mit  ihrem 
Liedtext  aufgebaut  sind,  so  paßt  wenigstens  das  zweite  Gedicht  zu 
den  es  umgebenden  Motetten;  nur  muß  man  annehmen,  daß  man 
dazu  fortgeschritten  war,  den  Tenor  statt  mit  dem  Vokal  einer 
einzigen  Silbe  einer  Antiphone  auch  mit  den  verschiedenen  Silben 
eines  längeren  Satzes  zu  singen.  Wenn  aber  die  Unterstimme 

in  diesen  Compositionen  eine  neue,  eben  erst  erfundene  Melodie 
hat,  also  von  demselben  gesetzt  ist,  welcher  die  beiden  Ober-* 
stimmen  dazu  gesetzt  hat,  wenn  also  jede  Art  von  überliefertem 
Tenor  fehlt,  dann  paßt  einigermaßen  das  1.  Lied  zur  Reihe  der 
8 stimmigen  Conducti,  an  deren  Schluß  es  steht:  jedoch  wider- 
spricht es  insofern  der  Theorie,  als  diese  Composition  2  Texte 
hat,  ein  Conductus  aber  nur  äinen  Text  haben  soll. 

Doch  gerade  in  Sachen  der  Dichtnngsformen  sind  die  antiken 
und  mittelalterlichen  Lehrschriften  ganz  besonders  lückenhaft; 
heutzutage  steht  es  freilich  nicht  besser:  wer  aus  Lehrbüchern 
die  heutige  ars  poetica  der  verschiedenen  Nationen  vom  Zeilenbau 
bis  hinauf  zu  dem  Aufbau  der  Strophen  und  der  ganzen  Gedichte 
kennen  lernen  wollte,  würde  nicht  weit  kommen.  Wenn  also  auch 
die  mittelalterlichen  Theoretiker  nichts  davon  sagen,  weßhalb 
sollten  die  mittelalterlichen  Tonkünstler,  welche  in  den  Motetten 
von  einem  Tenor  begleitet  sehr  oft  verschiedene  Texte  von  ver« 


144  '    Wilhelm  Meyer, 

• 

schiedenen  Stimmen  gleichzeitig  singen  ließen,  nicht  auch  mehr- 
stimmige Conducti  mit  verschiedenen  Texten  oder,  um  es  so  aus- 
zudrücken, mehrstimmige  Motetten  ohne  Tenor  haben  singen  lassen, 
wo  also  2  oder  3  jugendliche  schöne  Schwestermelodien,  jede  von 
einem  besondern  jugendlichen  Text  begleitet,  auftraten,  ohne  die 
Begleitung  der  alten  und  wohlbekannten  Tenor-Gardedame? 

Die  mittelalterlichen  Künstler  waren  eben  keine  Pedanten, 
sondern  so  freudig  und  kühn  im  Erfinden,  wie  die  Künstler  irgend 
einer  sturmbewegten  Zeit.  Deßhalb  müssen  wir  darauf  gefaßt 
sein,  daß  auch  bei  der  Erforschung  der  Motetten,  bei  denen  noch 
Vieles,  und  der  Conducti,  bei  denen  fast  noch  Alles  zu  erforschen 
ist,  viele  neuen  Formen  und  Eigenschaften  entdeckt  werden. 

Dadurch  wird  die  Geschichte  des  mittelalterlichen  mehrstim- 
migen Gesanges,  dem  wir  Vieles  verdanken,  bedeutend  geklärt 
werden,  anderseits  wird,  und  das  liegt  mir  besonders  am  Herzen, 
ein  sehr  wichtiger  Theil  der  herrlichen  Kunstschöpfungen  des 
Mittelalters,  welcher  aus  dem  gemeinsamen  Schaffen  der  Dichter 
und  Sänger  hervor  gegangen  ist,  unserm  Empfinden  und  Ver- 
stehen näher  gebracht  werden.  Für  solche  gewinnreichen  Unter- 
suchungen ist  aber  fast  unentbehrlich  die  photographische  Wieder- 
gabe der  florentiner  Handschrift  oder  einer  ähnlichen  bessern, 
falls  eine  solche  gefunden  werden  kann. 


Nachtrag  zu  S.  122. 

Wie  der  Motettentext  in  Inhalt  und  Klang  der  Antiphon  und 
dem  Tenor  angepaßt  wurde,  zu  denen  er  gehörte,  so  wurden  auch 
bei  den  Tripla  oder  Quadrupla  die  gleichzeitig  gesungenen 
'2  oder  3  Motettentexte  mehr  oder  weniger  unter  sich  selbst 
in  Uebereinstimmung  gebracht.  Gleicher  Inhalt  derselben 
war  natürlich;  aus  der  ähnlichen  Melodie  ergab  sich  die  gleiche 
Zahl  der  Absätze  und  ein  ähnlicher  Umfang  derselben;  hieza 
fügten  die  Dichter   oft  noch  die  gleichen  Reime.  Hiefür  will 

ich  aus  der  Weihnachtsliturgie  zwei  Beispiele  geben.  Die  ersten 
Motetten  wurden  bei  der  Antiphon  Stirps  lesse.  Virgo  dei  genürix; 
virga  est  flos  filius  eius,  Oloria  patri  etc.  über  der  Coloratur  von 
E-e-e-ius  gesungen;  der  Dichter  schwelgt  in  Wohlklang  und  man 
glaubt  aus  dem  Klang  der  Worte  den  Gesang  heraus  zu  hören. 
Das  folgende  Motettenpaar  ist  ein  musikalisch  -  poetisches  Konst- 
•  stück.    Jeder  Text  besteht  aus  2  großen  Absätzen  zu  40  und  41 


der  Ursprung  des  Motett's.  146 

Silben;  der  1.  Theil  jedes  Gedichtes  ist  gleich  dem  2.  Theil 
des  andern;  Worte  und  Noten  der  Schlnßzeilen  sind  gleich;  ähn- 
lich ist  anch  die  Melodie  der  wiederholten  Zeile  Cum  sit  ncUus; 
die  fibrigen  sich  entsprechenden  Zeilen  haben  wohl  gleiche  Silben- 
zahl, aber  nicht  gleiche  Noten.  Der  ganze  Gesang  zerfallt  also 
in  2  gleiche  Theile  (a  +  b  nnd  b  +  a):  aber  anch  der  Tenor  Hcc 
dies  besteht  aus  der  wiederholten  gleichen  Melodie  (a  nnd  a). 
Eine  engere  Verkettung  zweier  verschiedenen  Lieder  ist  kaum 
möglich. 

3.  Stimme:  2.  Stimme: 

Nobili  precinitnr  Flos  de  virga  nascitnr, 

yatidnio  sol  de  radio; 

virgo,  cnins  redditur  radios  incenditnr 

pnerperio  sole  previo. 

liberatio  In  misterio 

homini  et  mmpitor  virge  virgo  panditar, 

hostis  cantio.  flos  in  filio. 

O  tote  studio,  0  que  compassio, 

0  toto  mentis  gaudio  o  qnanta  miseratio! 

psalle,  contioi  pro  remedio 

qnia  solvitnr  nostro  clanditar 

Abrahe  promissio  fosos  matris  gremio, 

et  homo  reduditnr  qui  non  circnmscribitnr 

ab  exilio!  orbis  spatio. 

1.  Stimme  (Tenor):  Eins. 

3.  Stimme: 
Ut  celesti  possimns  fmi  dnlcedine, 

serviamos  illi,  qni  nos  redemit  sangnine  (27  Silben)  ] 

3  laas  et  gloria  sit  regnanti  sine  fine!  (13). 

Cum  sit  naius  hodie  de  virgine  (11) 
6  Inmen  de  lumine,  manens  sine  crimine  (13), 
servi  farmam  dominus  sumit  pro  hominis  sdlamine  (17). 
2.  Stimme: 

Cum  sit  natus  hodie  de  virgine  (11) 
Christas  mondi  redemptor  et  lux  de  lumine  (13), 
servi  formam  dominus  sumit  pro  hominis  solamine  (17). 

4  Benigne  verbum  caro  factum   est,   ut   mundo  sanguine 

mundum  mundet  salvator  a  crimine  (27); 
6  laus  et  gloria  sit  regnanti  sine  fine  (13). 
L  Stimme  {Tenor):  Hec  dies. 


KfL0«.4.WlH.    ladolcMM.    rUktof <-Ui*w*  Umm.  UHl   BA.t.  10 


MenanderB  retogyög. 

Von 

Georg  Eaibel. 

Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  27.  Nov.  1897« 

Die  Hoffnangy  daß  irgend  eine  Bibliothek  der  ostlichen  Hälfte 
des  römischen  Reichs  uns  dereinst  noch  einen  Band  Menander- 
koraödien  bescheren  werde,  ist  nachgerade  wol  anch  von  Sangui- 
nikern zu  den  Schatzgräbertränmen  gelegt  worden.  Man  wird 
'Menandreische'  Einzeiler  noch  in  Menge  finden,  in  griechischem, 
syrischem,  arabischem,  slavischem  Sprachge wände,  und  man  wird 
sich  den  Lydischen  Stein  wünschen,  um  attisches  Gold  von  byzan- 
tinischer Imitation  zu  scheiden,  aber  die  Komödien  selbst  waren 
aus  den  Bücherschränken  längst  verschwunden,  so  gut  wie  etwa  die 
gewiß  gern  gelesenen  christlichen  Nachahmungen  des  Apollinaris 
von  Laodikeia  (Sozom.  h.  eccl.  V  19).  Einen  unverächtlichen  Er- 
satz für  den  schweren  Verlust  gaben  die  Porfiri-Tischendorf  sehen 
Fetzen  vom  Sinai,  in  denen  V.  Jernstedt  scharfsinnig  Reste  des 
Menandreischen  Oiöfia  erkannte,  weiteres  durften  wir  von  den 
aegyptischen  Gräbern  erwarten,  und  diese  Hoffnung  hat  sich  zu 
erfüllen  begonnen.  Auf  einem  in  zwei  Theile  zerrissenen  Blatt 
einer  aus  Aegypten  stammenden  Papyrushandschrift  hat  Jules 
Nicole  in  Genf,  der  glückliche  Besitzer  dieses  Schatzes,  größere 
und,  wie  sich  herausgestellt  hat,  zusammenhängende  Stücke  von 
Menanders  FecoQyög  entdeckt  und  seinen  Fund  sogleich  der  Philo- 
logenwelt zugänglich  gemacht  ^).  Er  hat  die  schwer  lesbare  Schrift, 
so  gut  es  beim  ersten  Anlauf  gelingen  wollte,  in  Minuskeln  wieder- 


1)  J.  Nicole  Le  Labonrear  de  M^nandre.  BMe  et  Qeoöve  1898.  Vgl.  ▼.  Wi- 
lamowitz-Möllendorff  Deutsche  Litteratnrzeit.  1897  S.  1784.  H.  WeU  Joarnal  de« 
Savants  1897  Nov.    Blase  Litterar.  Centralbl.  1897  S.  1648. 


Menanders  rtoffySf,  147 

gegeben  and  manche  schwierige  Textfrage  zonächst  offen  lassen 
müssen.  Eine  genauere  Copie  in  üncialschrift  haben  neuerdings 
die  um  die  Papyrnslitieratar  hochverdienten  Engländer  Bernard 
P.  Grenfell  und  Arthur  S.  Hunt  veröffentlicht  und  vor  allem  den 
von  Blass  glucklich  erkannten  Zusammenhang  der  beiden  Halb- 
blätter urkundlich  bestätigt").  Die  Herstellung  des  Textes  wird 
trotz  der  vielen  sicheren  Besserungen ,  die  theils  Nicole  selbst, 
theils  die  englischen  Herausgeber  nebst  ihren  Helfern  beigesteuert 
haben,  noch  Mühe  genug  kosten.  Das  Hauptgewicht  liegt  auf  dem 
Verständniß  der  vom  Dichter  erfundenen  Handlung,  wofür  uns 
außerdem  nur  wenige  und  nicht  allzu  ergiebige  Bruchstücke  des 
Stücks  zur  Hilfe  kommen.  Ich  habe  schon  vor  Monaten  in  einer 
Sitzung  der  Grött.  Gesellschaft  der  Wiss.  allzu  voreilig  einige  Ver- 
muthungen  über  den  Inhalt  der  Komödie  geäußert :  jetzt  hoffe  ich 
ein  andres  Bild  besser  begründen  zu  können.  Ich  schicke  einen 
möglichst  vorsichtig  emendirten  Text  mit  den  nothwendigsten  Fuß- 
noten voraus. 


Secto  ^ tcfoöihv  icffdxzmv 

'  •  .  .  .  ijxofpoßoiifuvo^ 

fyf  d^  iyb  %ovfi[Q\hg  o]ü'  [l\8ixomf  .... 
ixBitf  Zx\b  6  (iBi(fax{6xog  iv  iyf&i  dietiXa^ 

6  töif  ^^^^]  ^vftßsßfptbg  8  fi*  &xol6lsxs 

ixödfiliiov  ilg  KÖQivd'ov  ixl  %qc^Iv  xiva. 


Z  (Seitenzahl)  aaf  dem  oberen  Rande  1  IlPAl^CON  (so  geschrielicn, 

▼gl.  17  «oOTCIN,  43  nPAPTCIC,  48  CKoOTWN,  64  AOArreAAWN,  67 
nPAPMATA)  ist  verderbt  8  ergänzt  von  N(icole)  nach  Choerob.  in  Theod. 

U  839,36  H  i%omif  91  r^y  294^*^  ^^  *h^  h^^  nciQk  MspapSg^n  iv  ^&i  TiOifyAi 
*i{v  ^  . . .  Mwfnnf  dirrl  ro6  {ntflQxop,  Der  unfollst&ndige  Vers  nimmt  auch  im 
Papyrus  einen  weit  geringeren  Raum  ein  als  die  übrigen;   er  war  schon  in  der 

Vorlage*  Terstümraelt  4 €OM€IP  Q(renfeII)-H(unt),  ....  ^o/»»^ 

N:  h  flb*  dl  6  fMif.  Q-H  €NArPiü,  das  stumme  Iota  ist  geschrieben  nur  54 
rPA'f^lON  und  vielleicht  noch  72  (i)N6r  (für  £»tt^)  5  (OM'AnOAOAHKe , 

verb.  N  6  erg.  N 


2)  Menanders  ri»^6g.  A  revised  tezt  of  the  Geneva  Fragment.  Oxford 
1898.  Die  Abfolge  !•  II»  I^  U^  (nach  Nicoles  Z&hlung)  war  ja  dem  Wortlaut 
nach  ohne  weiteres  sicher  und  ist  auBer  mir  gewil  noch  vielen  andren  klar  ge- 
weteo.  Aber  den  buchstiblichen  Anschlul  der  Theile  trota  der  mannigfachen 
Verlctongen  der  ersten  Aasgabe  richtig  erkannt  au  haben  ist  das  Verdienst  von 
Blase  9  daa  hier  um  so  eher  hervorgehoben  werden  mag,  da  et  alsbald  dem 
Sohieksal  Jeder  haodschrifUich  besttUgten  Yermuthung  verfalleo  wird. 


148  Georg  Kaibel, 

Ijxanf  d*  i]xb  vtSxra  *yivoiuvfi  xai>g  ydfUivg 
X€ctalaii\ßivm  {loi^  Toi>g  d^€oi}s  6r€q)avav(jiivav)g  ^ 
xbv  xati]Qa  ^vovxa  Ivdov  ixdidaöi  dh 

10  6]  lUctiiQ.    iiiOTUctQia  y&Q  i6xi  (lot^ 

ftfltQbs  dh  xijg]  vwl  ywMxbg  xf€q>oiiivfigy 

i]d€X<pij.     [x]£va  81  dx)6fp€iixtmi  otax&i 

$i}(fm  ipvyiiv  aix  ol8]a'  xXi^v  oüzmg  i%m. 
ix  xf^g  ol)fUag  (ybSlv  q>Qd6ag; 

16  oßta]  litchv  dh  xbv  ydfiitv  x^  fpikxixrfv 

.  .  .  ov  iiiXTf(6aifl  6v'   od  yäf  siösßig. 
x6]xxHv  81  iiiXlmv  ti^  ^(fav  ixv&  %iXm* 
od]x  ol8a  yäg  xbv  iSsX^bv  el  vvv  S^  iyQOi> 
ilvd'äif  i%i8tiiul'  icdvxa  %Qovotl6^al  [U  8^1. 

SO  i\XX  ixxo8hv  ixBifti  xal  ßovXsvöoiioi 

xavx^  a6&*  Sxag  8$t  8tafpvyBlv  (U  xbv  yifiov. 

(MYPPINH.0IAINNA) 
MY.  i]XX  Sg  Xfbg  süvowj  i  Oiliv{v)a^  xo{>g  Xiyovg 
9c]oav(iivii  6$  xdvxa  xifucwilg  Xiya' 
iv  x]ot68*  iyh  vi/v  BlfL^.  <t>l.  xal  vi^  xi>  ^ih 
25  ty]ay   ixoiiov6\  &  xixvov^  iux(foi>  8im 

nolbg  x^  ^Qav  iXd'ovöa  xal  xaXi6a6a  xbv 
iXa\iiM  iSo  xoitxov  bIxbIv  56a  fpfovA. 
^Y»  fii)  ^"^y^y  OiXiv(y)a'  xaiffixm.  <t>l.  xi  %aiQixm] 
otfk\miixm  liiv  oiv  xo[io]vxog  &v'  yofistv 
30  6  fujmfbg  aixog^  ^txfpihg  xijv  xögt/Vy 


1  äi9mv  hfh   94%ta   yivo^ivovg   {^i|   yd/Lovg    Blass,    besser    Tielleicht  hfh 
p^ta  TijVr  ho^iww>9  to^  y.  s.  Aom.  8  8  e60rC€CT€<PAN0rC ,   der 

Vers  ist  so  auch  yoo  Blass  hergestellt  9  erg.  N  10  [f^v  %atS*  6] 

xavfiif  N,   [uiftbg  6]  srcmje  Bury,   beides  schwerlich  richtig,  vielleicht  [ffMiy'  h\ 
xttti/lif  12  vielleicht   [o^  a^a}8ilf^  12—18  so  anch  Blass,  s.  n. 

Aom.  6  14  KIAC  G-U,  f^6  N.   [i^fß^ov  in  tfls  oi]%üeg  G-H,  vielleicht  9^ 

yoifi'  av  in  ti^g  ol]n{ag  als  Frage  15  o^m  G-H ,   wenn  nicht  etwa  tMhv 

^^cag  [oidsviH        16  vielleicht  [TCso{)tf]air ,  nämlich  seine  Stiefmutter,  dieswar 
ihn  nicht«  wol  aber  seine  Schwester  geboren  hat,  s.  0.  S.  153. 161  6TC6B0C 

verb.  N  17—20  erg.  N  21  der  Scenenschlni  (Actschlnt?)  ist  in  der 

Hs.  so  wenig  angedeutet  wie  das  Auftreten  der  neuen  Personen        22.  23  erg.  N 
22  OIAINA,   ebenso  28,  aber  vgl.  86  25  .  .  «  QP  G-ü,  .  .  vy'  N:  ly»y' 

Blass  26  erg.  N  27  ZCON'  erg.  N  28  .  .  .  IFE  Q-ü,  .  .  y«  N: 

erg.  anch  von  Weil  u.  a.  XAIF€T(0-  TlXAlPeid)  (Personenwechsel) 

29  [o4»]«C^«  erg.  N      T01.T(0C(a)N  Q-H,  co  .  .  vtmtmpN:  verb.  v.  WUamowiU 

n.  a.  vgl.  Alkiphron  ep.  111  28  wanhg  nanAg  in6liHO  roM^os  &9f  danach  die  In- 
terpnnction  80  erg.  M 


Menandera  PimoySg.  149 

•  •  .  .  toöovtovg,  MY.  xtxtä  t\vxijp]  KQ06i(f%$tai 
flfLAv  6]  ^Bffixav  S^  äyQov  jdäog'  figaii 
t[fiid]l  {utaöt&iuv.  <t>l.  ti  8*  iiiitVj  sind  fftoi, 
xovtav]  fLÜSi]  naX6v  y^  &v  stq,  vil  jdia. 

m 

(AAOC) 
86     ^A.iyfhv  yemfystv  si6€[ßi6tSQ(}v  oid]iva 
36*           olfuci*  fpigsi  y&Q  fivp^[^vi}i;  mtthv  difpvii{v 
86^  Q6a  ^Botg]  fplka , 

6v^  xoöavta*  x6lXa  8^  S[v  ttg  9cataßdl]rii 

iacidanuv  ÖQ^&g  Mal  iiKaCmg^  od  [srA/oJtf 

iXX  ainh  xh  ftixQOV.    6  Siigog^  el6ivsy%*   Si^og 
40  *icipta  Z6a  fpigof^v  xaiiTa  xivx*  $lg  xoi>g  ydfLovg, 

i  X^ifs  icoXXA^  MvQfivij.  MY.  (x£)w  xal  6'iy[B. 
Lk,ü^sii  i^ec&^ow,  }^€v(v)i«i)  jca2  xo6fUa 

jniviUf  xi  XfdrtHg,  ßoMoiuU  tf'  iya^Av  X&ynv 

fLäXXov  8h  iCQdJ^Bmv  iöoftivavj  ttv  oC  d^ol  || 
46  d]iX(06i,  yvii[v]M,  nal  ^iaai  3rpAro[$  fpffdöag,       Yerso  Z 

6  KXicUvixog  ydf,  od  xb  f^BiQtbuov  [XiyfOj 

i](fyii€xai  XQibrfv  mn    iv  xatg  ii»[xiXo^g' 

6i^d]xxav  8*  ixixoifs  xb  6xiXog  Z^i}<f[TAff]  ndw. 
MY.  xdXaiv^  iyA,  L^  9ifQH ,  xb  xdfag  8^  äxovi  ftov. 
60  ixb  ToO  yäQ  SXxovgy  &g  xgixatav  iyivsxoy 

fhvßiov  ixillf^  x&i  yifovxi  d'iffuc  xs 


81  das  erste  Wort  ist  nicht  sicher  za  ergänzen ,   etwa  &xffii&tog  MT.  o^og 
natit  r[^x^]  «9.  tgl.  unten  S.  154  82  ^fiiV  Q-ü  83  T  . .  IIMETA 

erg.  Q-B,  $iuta  N  ([^sv^]!)  S4  to6tav  erg.  N;  in  der  Hs.  ein  leerer  Ranm 

M6A6I '  KAi\ON  (Personenwechsel),  Tgl.  Anm.  8  85—89  Qber  die  Parallel- 

ftberlieferoog  bei  Stobaeus  Tgl.  Anm.  7  35  a.  £.  6NA  G-H,  9a  N;  «i^y^^jr 

i^ißicttifov  yttoQys^p  tMiwa  Stob,  vielleicht  iLyqhv  yenffyiiv  ^di^  B^csßintSQOV 

96ß^  MTPP KAAON  Q-U  nnd  N,  aber  über  dem  K  las  N.  ein 

dentliches  ^,  s.  Anm.  7  87  erg.  N  ans  Schol.  Arist.  III  541  Di;  man  las 

&9  tig  88  AIIEAOKCN         a.  £.  CT G-U.   00  ....  y  N:   erg.  N 

89  EICeNerKOMCOC  40  die  Herstellung  Ut  unsicher,  nav^'  '6n6«a  9.  N ; 

Tielleicbt  (mit  Interpunclion  nach  Zims)  ndv^'   ica  ^^^ofMy,  unurta  ta^'  tlg 
«o^  rift99g  41  MrPPJNH:  NTKAICIT.   (NT  aus  NH   corrigirt):   %dpv 

Q-H,  wol  das  wahrscheinlichste  42  OCrCKAeECOPÜTN    0-H,  o  .  m ««^««h 

eow  N,  Tgl.  Anm.  9      TeNIKH  Q-H,  ysMxa  N         45  Z  auf  dem  oberen  Rande 

45  Tom  ganzen  Verse  nur   wuip^caiy^  .  .  .  N ,  9r9ATo[ff  ^Qd^ug]  Blass 

4«  0KAA16N6T0C  47  .  PFAZETAI  GH,  .  9««z«vm  N         Af^niXo^g  erg.  N 

48  CK.nT(i)NAI€KOV€  Terb.aus  Aelian  ep.  rust.  2  XPHC  .  .  .  OANT 

G-H,  x^«  .  .  «o#9  N,  erginst  ans  Aelian,  Tgl.  Anm.  10  49  eFlO:  BAPPEl 

( Personen wecbsel)  51.  52  fovf^  —  a^6p  Zonaras  p.  1080 


160  Georg  Kaibel, 

inikafiev  avxöv,  xal  xaxAg  i6%Bv  %ivv, 
^X.&kX  iTtxoQfid'etijg  6iiy\  ola  tiyad^ä 

i^xeig  inayyiXXan/.  AA.  6iAna,  ygäidiov. 
55  ivtav^a  XQBiag  ysvoiisvrig  a{n3n>  rivog 

xfidBii[6]vog j  ot  fi^i/  oUirai  xal  ßdQß\aQ)pt^ 

£[9'  ol\g  ixBtvög  iöuVf  oIiiA^blv  ii[ax]Qäv 

lX[B]yov  SnavtBg*  6  di  6bg  vtbg  o[to]v\sl 

vofkl6ag  iavtov  xatiga 

60  UlBiipBVf  iytQißBVj  &niv[i\tBVf  fpayBlv 

7CQo6i(pBQB,  itagsiiv^Btt'  av  Zrs  q>aiiXiDg  i%or 

;t'&'t]S[((]v  ii  ivi6rri<f  ccbthv  inifiBXovuBvog. 
^\.g>i]Xov  rixv[o]v.  AA.  v^  tbv  Jfj  si  d^r*  oinoöl 

iieÖBi  *  X]aßhv  y&f  a'inbv  ivSov  xal  tf^oAi^ 

65  &y']aVf  AxalXayBlg  dixikktig  xal  xax&Vj 
{oütcai]  xig  iört  öxXi^gbg  6  yiQcav  t&u  ßimi) 
TOt)  (iBiQJaxiov  rä  XQdyiiat^  ivax(fCvBi  xlva 
l6t]j  (yöxl  %avxd%a6iv  iyvo&v  t6ag. 
dLBQxo](iivov  dh  TOi)  vBav£6xov  t[(£\d8 

70  XBfl  t]flg  i9BXq>ijg  (r*)  ifißaXövtogy  ov{vB)xa 

vwdii  nä^]ii*  Sxad'iv  xi  xoivhv  xta  %Affw 

53  AAA'  (Paragraphoi)       vgl.   Schol.  Arist.  Pac.  69   iwwo^ij^e/f];  *  iiQu,  xiq 
a^Tti  toig  &ifxa£oi9j  mg  nov  xal  6  MivavdQ6g  tpriai  noXldnig  64  FEAACON : 

ClOOnA  und  55  tNTATBA,  aber  die  Worte  «idoiva,  yodidiop  der  Myrrhioe  za 
geben  kann   ich   mich  nicht  entschließen ;   für  Daos  passen   sie  vortrefflich 

66  xfidiy^vog   auch  Weil  u.  a.  nach  N's  Abschrift  »  .  .  cf»  .  vog         ßdffßaQoi  N 

67  eZHC'6K€IN0C  G-H,  s%  .  .  icsneivoa  N      a.  E.  M  .  .  PAN  G-H,  f*  .  .  ov  N, 

erg.  G-H  68  CA. TON  erg.  G-H,  «...  or  N      riOCO  .  .  N  .  .  G-H,  r*o- 

aexfl»'  .  .  .  N :  otovei  Blase  59  nAT€PAnOPeOCA  G-H ,  natB^a  .  ro  .  . 

a  .  .  .  N.    Die  Herstellung  ist  ganz  unsicher  eVlIAPeMTeeiPOnANT 

<PATA0C€X€1  G-H,  naifsiivd^iv'onawtpavlmcexH  N,  vgl.  Anm.  11  62  A  .  . 

Z  .  NT'AN   G-U ,  .  .  ai.v^   av  N :    a%dtovr'   &vi6tric'  N ,    schwerlich   richtig 

a.  E.  AOTMENON  verb.  N  63TTaONT€KN  .  S:   Q-U,  .  .  l.fun  .  .v 

N :  l%a\l6v  t.  N ,  schwerlich  richtig.  Zweifelhaft  ist ,  ob  Myrrhine  den  Jungen 
lobt   oder   Philinna;   das  letztere   scheint  weit  angemessener  AHTAPOT« 

T(OC€I,   verb.  auch  von   GH  64  ...  .  ABCONPAP   Q-H,   aß.vnap  N 

65  ...  .  CONAIIAAA  G-H,  .  .  .  anaXX  N;   der  Raum  scheint  für  äynv  zu  groft, 

nnd  doch  palt  nichts  andres  66  o^fo»  erg.  auch  von  Blase         67 

AKlOr  G-H,  «MOV  N:  erg.  auch  von  G-H  nnd  R.  Eilis       itan^iwH  G-H:  €N€- 

• 

KP1N6IT1NA  G-H  mit  der  Bemerkung,  dai  das  zweite  €  auch  ein  A  sein 
könne,  schwerlich  aber  das  erste,  ayaic^ove» :  tiva  N.  Die  nicht  nnbedenklicbe 
Erg&nzung  tha  \  iat'  ist  ein  Nothbehelf.  69  N€ANICKOn\A€  Q-H  ,  vm- 

wtap^  .  .  71  .  .  otf  N  70  [ntQl  t]1ig  auch  Blass         eMBAAAONTOCCOrKAl 

G-H,  t^€cXlo9to^cmf .  ocai  N  \  die  Herstellung  ist  unsicher  71  itd(h^*  N 


Menanders  Ftm^ig,  15X 

xiilg  imiuXsücg  &i€t'  ix  Movxbg  löyov 

dit]v  aitbv  ixodoi>vMy  ftdvog  "i  hv  Mal  yifmv 

v]ov[v]  16%$*  Ti^  yäf  xatd*  {>ni6x[fiT]cu  yafutv. 

75  xi^alaiöv  i6xi  xovxo  xov  xavxbg  Xöyov. 

fi\i[o]v6iv  ijdfi  dsvf\  &%Bi6i,v  Big  iygbp 

Xaßfov.     itaii6B6^[€  8^  olfun  fiajjtfficvoi 

dvövov^Bxi^ai  [yB]  ii[vxL  x&t  vimt*  ^avBtv 
di]ä  xaih*  [iQ]a6xal  d[v6xvxBtg  ßoiiXovx*]  [öag 

80  ^  5f|v,  Sjc[(0$]  dii  (lii  [liBxd  y]B  t[ov]  8v6xv%bIv 

%[o\kXoiig  xig  b^bi  xoi}g  6f&vxag  *  iöxl  6h 
6x6xo]g  Big  xb  xoioin^  Bixtbv  fj  "i  igruUa, 
Bi]ayyBXi6a69ai  9C(f[bg]  6h  ratHr'  ißovXöntiv' 
iff]iD6o  xoXld.  MY.  xal  6iiyB.  <t>l.  xi  xixov^ag^  xixvov; 

86            xi  XB]QiicaxBtg  {6)xfoßov6a  xäg  XBtfag]  MY.  xi  ydQ^ 
OC\Xiw'' ;  iacoQi^fMi  vi>p  xi  noiffiai  fLB  ÖBt ' 
inB]l  xivog  i}  %alg  iöxiy  xoikmt  xaidBvl 
&XXai] 


72  riK  N     CONereK  Q-H,  dmcn'in  N,  vgl.  Anm.  12  78  MONOJCT'CON 

G-H,  itowmif* .  N  74  .  OT.  6CX6  erg.  Q-H,  .  .  a .  w%9  N  ^iaxn^ai 

erg.  K       76  .  S  .  TCIN  erg.  Q-H,  . . .  imp  N       77  . . .  OTAABOJN   G-H ,  . .  y . «- 

Xapmp  N:   [6fA]ol>  erg.  Q-H,   man  erwartet  i^^  78  ^tfyov^fri]«  .  .  N 

79  .  ATAH'  .  .  ACTAIA  Q-H,  «« lamaid  .  .  .  N  80  HZHNOn 

.  .  MHMI  ....  AT  .".  ATClTXeiN   Q-H    mit  der  Bemerknog,    daS  das  erste 

.       .  . 

M  auch  ein  A  sein  könne,  das  folgende  A  auch  ein  €,  .  ^Hpwta  .  .  .  m^t  .... 
.  .  To  dv^tvxHP  N  81  .  •  .  pem^s^BitovctifmpTaüBC .  ide  N  82  [6*6^ 

to]g  erg.  N  83  ...  .  yElißa^i^at  ta  .  .  Bymy'  s§ .  vlop^ip  N  (erg.  tal^'  i- 

tmf*  $p.)  84  .  .  .  (OC(i) ,  io^t^o  erg.  N  vielleicht  %al  ^6      TCR'ND  -K 

G-B,  tinpov  N.    Die  Koronis  hinter  Hupop  scheint  den  Abgang  des  Daos  zu  be- 
setchnen  85  ...  .  PinAT€ICTPIBOrCATAC  G-H,  .  .  .  .  ^»«cttm.t^- 

ßmf€€ccaü  N:  Myrrhine  wird  nicht  die  H&nde  gerieben  sondern  gerungen  haben; 
ti  %§^tM€ttiF£  N  86  erg.  N  87  [ixt]l  und  88  &Xlm  WilamowiU 

a.  £.  novdtpi  N,  KOT.AINNA  G-H 

.    .  . 

y.  1 — 21  enthalten  den  Monolog  eines  jongen  Mannes,  dessen 
Name  unbekannt  ist  und  den  ich  nur  der  Bequemlichkeit  wegen 
*P(amphilo8)  nennen  wilL  Mit  V.  3  beendet  er  den  ersten  Theil 
seiner  Betrachtungen:  bis  dahin  habe  er  trotz  einigen  Mißtrauens 
(vxwpoßoviuvog)  keine  eigentliche  Sorge  gehabt  {f^v  <f  od  xovtigbg 
oM'  idöxow  icgi^Biv  xax&g  oder  dgl.).  Dann  aber  habe  er  eine 
Greschäftsreise  nach  Eorinth  machen  müssen,  gleichzeitig  sei  sein 
Bruder  (6  lUiQaxiöxog^  vgl.  18)  auf  dem  Lande  gewesen:  da  habe 
sich  etwas  ereignet  i  dessen  Folgen  er  nun  bei  seiner  fiUckkehr 


148  Georg  Kaibel, 

t^xanf  d*  i]iib  vihtta  *yivoiuvri  toifg  ydfiovg 
xataXan]fidva  fioi,  toig  9€oi}g  6t€fpavov(ßivov)g  ^ 
xbv  itatijga  d'vovra  ivdov  ixdidmöi  dh 

10  6]  nari^Q,    6iiOxatQia  yäf  iöxi  fiOi, 

liriVQbg  dl  tUg]  i/tn/l  ywaixbg  xQBtpofkivrig^ 

iL\dBkfpifi.     [x\Cva  Sh  dv6g>6iixtmi  xax&t 

sÜQO)  q>vyii[v  o'bx  ol6]a'  nXi^v  oiixiog  l%(0. 
ix  xf^g  ol]xiag  oiSkv  fpQA6ag] 

15  o{$t(d]  Xmiav  S%  xbv  ydfiov  xijv  tpiXxäxtfv 

.  .  .  av  idixii^aiii*  6v'   ofb  yäg  iiösßdg. 
x6\xxBtv  81  iiiXlmv  xi^  ^fav  6xv&  xdXcu' 
oi]x  oÜa  yäg  xbp  id$X^bv  bI  vvv  i%  iygo^ 
ilvd'dif  intdtiuBt'  ndvxa  icgovostö^ai  {ib  öbZ. 

20  i\XX  hatoHnv  RnBifLi  xal  ßovXBvöofuu 

xoirv^  aü^^  Sxa)g  ÖBt  SuLfpvyBlv  fts  xbv  ydukov. 

(MYPPINH .  (WAINNA) 
MY.  £\XX  ibff  iCQbg  dh/ow,  &  OiXtv{v)(Xy  xoi>g  Xöyovg 
x]oov(iivri  6b  ndvxa  x&fiavxf^g  Xiya* 
iv  x]ot68*  iyh  vvv  bI\ii.  <t>i.  xal  vi^  xin  ^Bh 
25  iy\(oy   &xoiiov6\  &  xixvov^  (iixQoi}  dim 

iiQ]bg  xi(v  ^(fav  iX^avöa  xal  xaXiöaöa  xbv 
iXa]iM  il^m  xovxov  BlnBtv  56a  ipQov&. 
^^Y*  fii)  ^^]y^9  <biXtv{y)a'  %aiQixio,  <t>l.  xC  xaifixm] 
otfi]midxiD  liiv  oiv  xo[io]vxog  &v  yaiiBtv 
30  6  li^i]a(fbg  aixog,  '/iduxijxhg  xiiv  x6Qr[Vy 


7  iX^flbv   ^h  vinta   yivoiitivavg  tjSfi   ydnovg    Blass,    besser    vielleicht  hfh 
phita  tfip9'  hofkivavg  tahg  y.  s.  Anm.  8  8  eE0rC€CT6<PAN0rC ,   der 

Vers  ist  so  auch  von  Blass  hergestellt  9  erg.  N  10  [f^y  %ai9^  6] 

naxi/JQ  N,   [aitbg  6]  xctvi^Q  Bury,   beides  schwerlich  richtig,   Tielleicht  [if^oty'  i] 
nati/i(f  12  vielleicht   [o^  a^ajBil^  12—13  so  aach  Blass,  s.  a. 

Aum.  5  U  KIAC  G-H,  squc  N.   [i{i}Zdoy  ix  tfjs  oi]%lag  G-H,  vielleicht  9^ 

yoifi'  ay  i%  tfjg  ol]iUag  als  Frage  15  oCkoo  G-H ,  wenn  nicht  etwa  1MI9 

tp^cas  [iy6divi\]        16  vielleicht  [rexoC^Jair ,  n&mlich  seine  Stiefmatter,  die  swar 
ihn  nicht,  wol  aber  seine  Schwester  geboren  hat,  s.  u.  S.  153. 161  6TC6B0C 

▼erb.  N  17—20  erg.  N  21  der  Scenenschlut  (Actschlnt?)  ist  in  der 

Hs«  so  wenig  angedeutet  wie  das  Auftreten  der  neuen  Personen        22.  28  erg.  N 
22  OIAINA,   ebenso  28,  aber  vgl.  86  25  ...  (OP  G-ü,  ..  vy'  N:  ly»y' 

Blass  26  erg.  N  27  Z(ON'  erg.  N  28  .  .  .  ir€  Q-ü,  .  .  yt  N: 

erg.  auch  von  WeU  u.  a.  XAlPeTQ  •  TIX AlF€T(i)  (Personenwechsel) 

29  [o4»Kir«  erg.  N      TOI .  TOJCQN  Q-H,  co  .  .  vtcmmN:  verb.  ▼.  WUamowiu 

u.  a.  vgl.  Alkiphron  ep.  III  28  nanhg  nanAg  ^«^loto  ^0*0^09  &9f  danach  die  In- 
terpunction  80  erg.  M 


Memmders  ruHfy6g.  149 

•  •  •  .  toöiyvtovg,  MY.  xatä  tl'öxriv]  %Q06i^i%ai 
^li&v  6]  f^Bgdnmv  /|  iyQov  jd&og'  ß(f(xxi> 

(AAOO 
86     Lk.iyqhv  ysa)fy$tv  si6€[ßd6xsfov  (^d]iva 
36*           o2ftai*  q>iQ€i^  yäg  iivQQ[ivriv  Mxtbv  difpvnfif 
36^  Stfa  ^Botg]  iptla , 

Bv^ri  xoöavxa*  xßlXa  d*  5[v  xtg  xataßiX]rii 

ixidmxsv  df^&g  xal  iixcUfog^  ofb  [%Xio\v 

iXX  (tbxb  xb  iiixfov.    6  Siifog^  el6iv$y%*   SiM^g 
40  *itipxa  Söa  ^ifOftsv  xaiixa  xivx*  elg  xoi>g  ydftovg. 

i  XatQS  tcoXkä^  Mvff^vij.  MY.  (xd)w  wd  6iiy[e. 
AA.o(hf£i^  i^cc&pow,  ysv{v)txil  ual  xaöfUa 

yövfUf  xi  XQdxxBig^  ßoriXofuU  tf'  iya^&p  Xöyatv 

fLoXXov  di  Xffdismv  iöofLivaVf  2v  of  9$ol  || 
46  d]iXa6ty  yvA[v]iUf  xal  ^iaat  %QS^xo[g  ^pffdöag.       Verso  Z 

6  KXtaCvexog  yiQ,  ai  xb  fk^iifJouov  [Xiymj 

i\QyHlBxa^  xifAffv  xofz    iv  xatg  ii»[xiXoig' 

6K[d]xxav  8'  ixixoips  xb  6xdXog  XQV^'^^s]  xdw. 
MY.  xäXmv^  iya.  ^«  ^dffsi ,  xb  xifag  8^  ßxovi  ftov. 
60  ixb  rot>  yäg  iXxovg,  Sg  XQixatov  iyivsxOy 

ßovßhv  ixiif^  x&i  yifovxi  ^iffLa  x$ 


81  das  erste  Wort  ist  oicbt   sieber  sa  ergänzen,   etwa  &xifiierog  MY.oltog 
natit  t[4xnv]  xq.  Tgl.  unten  S.  164  82  i^y^v  Q-ü  83  T  . .  HM6TA 

erg.  Q-B,  ifitra  N  ([^st^]0  S4  co^ov  erg.  N;  in  der  Hs.  ein  leerer  Raum 

M6A6I  •  KAAON  (Personenwechsel)»  Tgl.  Anm.  8  35—89  über  die  Parallel- 

überlieferoog  bei  Stobaeus  Tgl.  Anm.  7  35  a.  £.  €NA  G-ü,  wt  N;  &yifb¥ 

i^gßiütiQOP  ytm^iCv  o68d9a  Stob,  viel  leicht  &y(fbp  yBtoQytip  o^Sii^  i^csßictSQOv 

86«^  MTPP KAAON  Q-ü  und  N,  aber  über  dem  K  las  N.  ein 

dentlicbes  0,  s.  Anm.  7  37  erg.  N  ans  Schol.  Arist  III  541  Di;  man  las 

&9  W  88  An€AOK€N  a.  £.  OT Q-U,   av y  N:   erg.  N 

89  €IC6N€rK0M(i)C  40  die  Herstellung  ist  unsicher,  xdp^'  'ix6«a  tp,  N ; 

Tielleicbt  (mit  Interpunction  nach  ^i^g)  xuv^'   Zca  ^^^ofMy,  anavta  tu^*  tig 
tobgydftavs  41  MVPPINH :  NTKAlCTr.   (NT  aus  Nil   corrigirt):   ndpv 

Q-H,  wol  das  wahrscheinlichste  42  OCrCKAeECaPOTN    0-H,  o .  mm^coh 

eow  N,  Tgl.  Anm.  9      TeNlKH  Q-H,  ytvina  N         45  Z  auf  dem  oberen  Rande 

45  Tom  gmnxen  Verse  nur   wu^p^htcaiy^  .  .  .  N,  n^Ato[g  ^^0ug]  Blass 

48  0KAAI6N6T0C  47  .  PFAZeTAI  QH,  .  ^iixitai  N         Af^Hoig  erg.  N 

48  CK.nTCONAICKOrC  Terb/aus  Aelian  ep.  mst.  2  XPHC  .  .  .  HANT 

Q-H,  x^«  .  .  xQOtf  N,  ergftnst  ans  Aelian,  Tgl.  Anm.  10  49  erco :  8AFP61 

(Personenwechsel)  51.  52  favf^  —  u^ip  Zonaras  p.  1080 


164  Georg  Eaibel, 

senis  sermo^  ut  in  Hydriae  prohgo,  auf  mulieris,  ut  in  Geargo ,  inci- 
dit,  tremula  vel  effeminata  voce  pronuntiafit.  Der  iuvenis  ist  zweifel- 
los unser  *P. ,  er  hat  im  ersten  Theil  des  Stücks,  in  der  Exposi- 
tion, einen  Dialog  mit  einer  Frau  gehabt.  Dieser  Dialog  kann 
nicht  auf  den  Monolog  gefolgt  sein,  wie  die  anschließende  Scene 
zeigt,  er  muß  also  vorher  Statt  gefunden  haben.  Wer  war  die 
Frau,  mit  der  er  gleich  bei  seiner  Ankunft  gesprochen  hat?  Die 
Frage  läßt  sich  erst  beantworten,  wenn  wir  die  folgende  Scene 
kennen  gelernt  haben. 

*P.  geht  ab  und  ah  seiner  Statt  treten  zwei  Frauen  auf, 
Myrrhine  und  Philinna.  Beide  sind  so  sicher  und  scharf  chara- 
cterisirt,  daß  auch  da,  wo  der  Schreiber  des  Papyrus  das  Zeichen 
des  Personenwechsels  (Paragraphos,  Punkt  oder  Doppelpunkt)  ver- 
gessen hat,  die  Vertheilung  des  Dialogs  keine  Schwierigkeit  macht. 
Philinna  ist  eine  ältere  Person,  da  sie  Myrrhine  mehrmals  mit 
tixvov  anredet:  ihre  Mutter  ist  sie  nicht,  da  Myrrhine  sie  nicht 
anders  als  mit  ihrem  Eigennamen  nennt.  Myrrhine  ist  ein  sanftes 
Wesen,  still  und  ergeben,  wie  wenn  sie  unter  irgend  welchen  Er- 
eignissen oder  Verhältnissen  zu  leiden  hätte.  Philinna  ist  ihre 
Vertraute,  treu  und  gutherzig,  im  Ausdruck  ihrer  Gefühle  derb 
und  unduldsam,  wenn  sie  Myrrhines  Interessen  in  Gefahr  sieht. 
Myrrhine  ist  die  Herrin  des  Hauses,  nur  sie  wird  von  dem  Sclaven 
herzlich  und  ehrerbietig  begrüßt,  während  er  die  Philinna  igno- 
rirt  und  nur  ihre  ungeduldigen  Zwischenreden  derb  zurückweist 
(54).  Philinna  kann  demnach  sehr  wol  eine  alte  Dienerin  sein; 
ihre  Sprache  wie  ihr  Benehmen  weisen  sie  deutlich  eine  Stufe  tiefer. 

Die  beiden  Frauen  treten  zusammen  auf  die  Bühne.  Myrrhine 
hat  gerade  eine  vertrauliche  Mittheilung  beendet,  deren  letzte 
Worte  4n  dieser  (üblen)  Lage  befinde  ich  mich  nun'  das  einzige 
sind  was  dem  Zuschauer  gegönnt  wird;  das  übrige  muß  ihm  also 
schon  bekannt  sein.  Nur  Philinnas  Zornesausbruch  belehrt  uns, 
die  wir  den  Anfang  des  Stückes  nicht  kennen,  daß  sie  von  einem 
(jungen)  Mann  geredet  haben,  der  'das  Mädchen  gekränkt  hat'  (30). 
Philinna  nennt  ihn  einen  (iiaQÖgj  einen  iXa^mv,  sie  möchte  ihn  so- 
gleich aus  dem  Hause  rufen  und  ihm  die  Leviten  lesen,  läßt  sich 
aber  von  Myrrhine  besänftigen.  Was  er  dem  Mädchen  gethan 
hat  und  wer  'das  Mädchen'  ist,  würden  wir  vielleicht  zu  sagen 
wissen,  wenn  die  Verse  29.  30  heil  überliefert  wären.  Es  fehlen 
nur  wenige  Buchstaben,  aber  ich  finde  keine  befriedigende  Ergän- 
zung, die  dem  Infinitiv  ya^stv  den  nöthigen  Halt  gäbe*).     Trotz- 

6)  Da  aaSerdera  zu  toco^ovg  sieh  kein  passeDdes  Nomen  denken  l&it»  aach 
nicht  abzusehen  ist,  wie  dieser  Accusativ  zu  ya^tv  in  Beziehung  zu  setzen  wftreg 


Menanders  r««ey^.  156 

dem  scheint  als  Snbject  des  yaiistv  nur  eben  jener  junge  Mann 
gedacht  werden  zu  können  and  da  mit  seiner  Heirath  eine  i8i%ia 
gegen  'das  Mädchen'  verbunden  ist,  so  scheint  er  dieses  Mädchen 
zu  Gronsten  seiner  eigenen  Heirathspläne  sitzen  lassen  zu  wollen. 
Das  sind  Verhältnisse  die  auf  *V.  durchaus  passen  würden.  Phi- 
linna  wird  in  ihren  Ergüssen  unterbrochen  —  offenbar  damit  der 
Zuschauer  bekannte  Dinge  nicht  nochmals  hören  muß  —  durch 
die  Ankunft  des  Daos,  der  eine  Botschaft  bringt.  Man  darf  ohne 
weiteres  annehmen,  daß  seine  Botschaft  unmittelbar  den  Gegen- 
stand berührt,  der  die  Frauen  beschäftigte,  und  da  es  eine  gute 
Botschaft  sein  soll  (43. 83),  daß  sie  die  Lösung  für  eben  die  Schwie- 
rigkeiten bringt,  die  Myrrhine  in  Sorge  versetzt  haben.  Freilich  ist 
es  eine  nur  scheinbare  Lösung,  wie  wir  sie  aus  der  Tragödie  ken- 
nen ;  aber  das  wird  sich  erst  später  herausstellen.  Daos,  begleitet 
von  einem  andren  Sclaven  (Syros  39),  kommt  mit  Blumen  und 
Kränzen  reich  beladen  vom  Lande  und  singt  auf  das  Landgut,  wo 
er  sich  aufgehalten  hat,  ein  Loblied.  Aber  das  Lob  ist  Lronie: 
der  Acker  der  so  gewissenhaft  seine  Pflicht  thut,  daß  er  nicht 
mehr  Frucht  giebt  als  er  an  Saat  empfangen  hat,  ist  gewiß  kein 
Muster  von  Fruchtbarkeit;  daß  er  allerlei  Blumen  in  Menge  trägt, 
ist  im  Sinne  des  Besitzers  gewiß  kein  ernsthaftes  Lob^j.     Daos 


•o  habe  ich  versacht  V.  31  ein  Adjectiv  «uf  -ro;  eu  ergänzen ,  wovon  yaniiv 
abhinge.  Ana  dem  nnn  übrig  bleibenden  OITOTC  war  dann  ohog  zu  machen 
and  mit  dem  folgenden  zn  Terbindeo :  ovro;  %atä  T[vx^y]  nQOcif^inai^  d.  h.  oppor- 
imte,  m  temportj  wie  es  so  oft  bei  Plantns  und  Terenz  heiBt.  Nur  hätte  ich  für 
&X^9tog  gern  etwas  passenderes  ausfindig  gemacht. 

7)  An  Stelle  der  Vt.  86  fi*.   hat  Stob.  fl.  67,5   aus   demselben  Stück  vier  er* 
hebltch  abweichende  Verse  erhalten: 

oliuit  *  ^Sqsi  yetQ  Stfa  4tsoi£  &v9fi  %ald , 

dinaimg  itniSax*  ^^^  ^^  uataßdlm. 
So  die  Hss.  Dal  V.  2  nicht  in  Ordnung  ist,  leuchtet  ein  und  ist  Ton  Nicole  mit 
Recht  betont  worden.  Die  These  ist  einfach:  <ybd§lg  &Y(fbg  w^tßiots^og.  Der 
Beweis  ist  doppelt,  die  zweite  H&lfte  nntadelig  'der  Acker  giebt  alles  was  er 
bekommen  hat  genau  wieder  zurück'.  Die  erste  Hälfte  aber  muft  besagen  'er  trägt 
eine  Menge  Blumen  und  Pflanzen  an  denen  die  Götter  ihre  Freude  haben'.  Weils 
Vorschlag  Zß«  (^tott  ^hv  %alei  läftt  sich  hören,  aber  Nicoles  Papjrusblatt  weist 

auf  einen  andren  Weg:   ^i^i  yo^  f^^^«^ J  «a^U^y»   &v^  codtt^a. 

Dai  die  6  fehlenden  Buchstaben  für  einen  passenden  Gedanken  nicht  ausreichen 
ist  Uar,  nnd  Nicoles  Vermuthnng,  daft  ein  Vers  ausgefallen  sei,  sicher.  Ueber 
wuliv  steht  nnn  'träs*distiuctement'  ein  <t>  geschrieben ,  von  dem  Grenfall*Hunt 
leider  gäaslich  schweigen.  Man  darf  Termutben,  dai  der  Corrector  4>l  schreiben 
wollte  oder  sollte,  und  anf  Grnnd  des  Stobaeasteites  Sca  ^to£^  ^Aa  verbessern, 


166  Georg  Kaibel, 

xnacM  sich  also  über  das  Landgat  und  das  armselige  Leben  des 
Landmanns  Instig;  er  ist  ein  rechter  Städter  nnd  gehört  offenbar 
zu  Myrrhines  Hanshalt,  nnr  nm  Blnmen  zum  Hochzeitsschmuck 
zn  holen  ist  er  anfs  Land  geschickt  worden.  Der  Herr  aber  des 
Landguts  ist  Kleainetos,  der  Titelheld  des  Stacks.  Wenn  Daos 
nun  von  Kleainetos  ganz  intime  Dinge  zn  erzählen  weiß,  so  maß 
er  auf  dem  Lande  jemanden  gefanden  haben,  der  dem  Eleainetos 
nahe  steht  nnd  dessen  Vertrauen  er  selbst  besitzt.  Das  ist  sein 
junger  Herr,  der  vorübergehend  bei  dem  alten  Eleainetos  lebt, 
derselbe  ohne  Zweifel,  von  dem  *F.  geredet  hatte  (4  6  iieiQaxiöxog 
iv  AyQ&i  distiX€i)t  derselbe  von  dem  '^P.  bei  seiner  Heimkehr  sagt 
oinc  olda  yäg  tbv  idsXfpbv  sl  vvv  ^|   iy(fov  ivd'dS*  iiciSrifUt^   also 


Denn  Zca  tsotq  &vd7i  tpCXa  bat  der  Papyrus  nicht  gehabt,  wie  das  abschlietende 
&v9iri  tocaüta  zeigt.  Falsch  ist  bei  Stob,  auch,  daB  nur  zwei  Pflanzensorten,  die 
den  Göttern  lieb  sind,  genannt  werden,  xittbv  ddtpvriv]  drei  dürfen  wir  nach  9«a 
zum  mindesten  erwarten.  Eine  dritte  giebt  in  der  That  der  Papyrus,  denn  fMi^ 
(fivriv  hat  Nicole  mit  Sicherheit  ergänzt.  Der  zweite  Vers  (36)  ist  also  herge- 
stellt :  tpigsi  yetQ  nvQifirqv  xittbv  ddgunip,  ^^^  nächste  endete  mit  Zca  4^ioig  tpÜa. 
Was  davor  ausgefallen  ist,  wage  ich  nicht  zu  ergänzen.  Eine  deutliche  Nach- 
ahmung der  Stelle  bei  Alkiphron  III  16  {ti  ysmifysiv  ißo6Xov  .  .  I^e^ig  &v  nal 
toig  d-ioCg  xittbv  xal  ddtpvag  %al  iivQQ^vag  %al  &v97i  Zca  c^y^aiQa)  scheint  zu 
beweisen,  dal  weitere  &v9ri  nicht  aufgezählt  waren.  —  Auch  in  den  Schlulversen 
hat  Stobaeus  offenbar  einen  schlechteren  Text:  ngid-äg  S'  iäp  cne^m  konnte 
Daos  (überhaupt  nicht  sagen,  da  er  weder  säet  noch  erntet.  Der  Papyrustext 
wird  zum  Theil  bestätigt  durch  das  anonyme  Citat  beim  Scholiasten  zu  Aristides 
(III  541  Di):  nataßaliip  &ptl  roD  cnUffHV,  iml  Mivapdffog  *t&XXa  9*  &iß  r»;  (I. 
9*  &v  Ciff)  %ataßdlrn\  Die  Gorruptel  bei  Stob.  Sinaiag  dniSrnj^  Zca  dtP  luttaßdXm 
läftt  sich  zwar  leicht  verbessern  (dixaiog  S^v  Mein.  Zcag  av  Bentley),  aber  diese 
Besserungen  schaffen  gerade  das  bei  Seite  was  der  Papyrus  aberliefert  &p  tig 
nataßdlrn  &nidanLip  difd-Ag  %al  dinaimg.  Zu  dem  Papyrus  stimmt  auch  das  Zeug- 
niß  Quintilians  besser  als  zu  Stobaeus :  XII  10,  26  (gegen  die  welche  nnr  die 
lcxp6trig  für  echt  attisch  halten)  guas  ego  epeUtimo,  8%  guod  in  üs  ßnibus  uberiua 
invenerint  solum  fertUioremve  segetem,  negcUuroa  cMieam  esset  quod  jplus  quam  oe- 
ceperit  senUnis  reddat,  quia  hanc  eins  terrae  fidem  Menander  eludU  (esse  ludUfJ. 
Selbst  PoUnx  (I  227  Mipavdgog  9C%aiov  yif^idiov  maXst  tb  fkiidlv  nXiop  to9  cni^ 
fuxtog  iwpiQov)  kommt  dem  Papyrustext  näher,  obwol  er  die  Menanderverse  mit 
einer  Xenophonstelle  vermengt  (Kyrop.  8,  3, 88  fu%ifbp  yi/iiSiov  .  .  ndptap  dinaU' 
tatav'  Zti  yoQ  Idßoi  cniiffia  %aX&g  md  dixaCatg  &md£dwf).  Es  geht  aus  alledem 
hervor,  daft  Stob,  keineswegs  eine  andre  von  Menander  selbst  herrührende  Bear- 
beitong  des  rsonfv^  benützt,  sondern  nur  einen  schwer  corrnpten  nnd  lücken- 
haften Text.  Da  non  der  Text  des  Papyrus  an  eben  dieser  Stelle  eine  Lücke 
aufweist,  so  mut  der  Schaden  schon  in  einem  weit  älteren  Exemplar  begonnen 
haben,  nittbv  Sd^priv  hat  Stobaeus,  fi^^vtip  der  Papyrus  bewahrt;  dal  alles  drei 
echt  ist,  bezeugt  Alkiphrons  Nachpüunnng.  Es  ist  aber  in  der  That  nicht  leicht 
sich  den  Zustand  einer  Handschrift  anschaulich  zn  machen,  aus  der  diese  beiden 
Texte  durch  allmälig  wuchernde  Corroption  werden  konnten. 


Menanders  rt»^6g.  167 

der  Brader  des  *P.,  den  ich  der  Kürze  halber  '*'Ch(armos)  nennen 
will.  Da  '^'Ch.  nun ,  wie  sich  aas  Daos'  Erzählung  ergiebt ,  der 
Sohn  der  Myrrhine  ist,  so  ist  auch  '^P.  ihr  Sohn  und  zwar  ihr 
Stiefsohn y  da  er  eine  Halbschwester,  ein  Eind  seiner  zweiten 
Matter,  hat.  Wahrscheinlich  ist  auch  *Ch.  sein  Stiefbruder,  da 
er  von  ihm  als  nsiQOKiöxog  redet,  sich  also  als  beträchtlich  älter 
bezeichnet.  '^'Ch.  wäre  dann  der  leibliche  Bruder  der  Schwester 
—  ich  nenne  sie  *Ant(iphile)  —  und  Myrrhines  leiblicher  Sohn. 

Myrrhine  hat  Daos  mit  einiger  Aufregung  kommen  sehn,  sie 
erwartet  also  irgend  etwas  von  ihm.  Trotz  Philinnas  Einrede 
(33)  tritt  sie  zunächst  bei  Seite  ^)  und  Daos  kann  sieben  Verse 
reden,  bevor  er  ihre  Anwesenheit  bemerkt  und  sie  begrüßt.  Er 
freut  sich  ihr  gutes  melden  zu  können,  ist  ihr  also  wolgesinnt, 
und  da  er  doch  naturgemäß  die  Interessen  des  '^'Ch.,  seines  jungen 
Herrn,  vertritt,  so  sind  eben  die  Interessen  des  '^Ch.  und  seiner 
Mutter  Myrrhine,  scheinbar  oder  wirklich,  identisch.  Daos'  Bericht 
ist  sehr  langathmig,  er  hält  sich  umständlich  bei  Nebensachen  auf, 
die  ihm  darun^am  Herzen  liegen,  weil  sie  seinen  jungen  Herrn  in 
ein  gutes  Licht  stellen,  und  weil  er  weiß,  daß  die  Mutter  ihre 
Freude  daran  haben  wird  *).  So  kommt  es  daß  er  zunächst  Dinge 
erzählt,  die  nichts  weniger  als  gutes  ahnen  lassen.  Er  fühlt  das 
selbst:  darum  fügt  er,  da  er  mit  einem  Unglücksfall  beginnen 
muß,  der  den  alten  Kleainetos  betroffen,  beruhigend  hinzu :  6  KXa- 
aivitog  yiQf  oi  rfr  lutQcauov  [Uya]  ^^).  Der  Alte  hat  sich  beim  Gra- 
ben das  Bein  verletzt  und  zwar  ganz  tüchtig.  Der  Zwischenruf 
lines  (49)  befremdet :  sie  sagt  nicht  'der  arme  Mann',  sondern 


8)  Die  Worte  wiUp  y'  ctp  tfn  yj^  Jüc  (34)  giebt  man  der  Myrrhine,  fQr  die 
steh  ein  Flacb^  and  sei  er  noch  so  arbao,  doch  wenig  schickt.  Der  Sinn  scheint 
sn  sein  'dms  könnte  mir  gerade  passen'  oder  *das  wire  noch  schöner*,  etwa  wie 
das  lateinische  htrde  eHam  hoc  tuM  (Ter.  Ad.  190).     Sicher  sagt  das  Pbilinna. 

9)  Daos  scheint  (42)  sa  sagen  *weil  ich  wol  sah,  in  welch'  übler  Lage  da  bist, 
freoe  ich  mich  dir  gates  melden  sn  köanen'.  Man  sollte  statt  oibrfx'  i^cdb^oiw 
ans  syntaciischen  Gründen  eher  oibrena  ^«oi^a  erwarten,  aber  die  Beobachtang, 
daS  Myrrhine  Sorgen  hat ,  ist  dem  ßo^XoiuU  ««  ywAiwi  nicht  gleichzeitig.  Der 
treoe  Sdare  hat  das  lange  gesehen.  Im  folgenden  hat  Blass  für  ypAvai  knrxer 
Hand  yi^aai  ge&ndert  und  davon  die  Euglinder  Aberseagt.  Aber  an  dem  Genetiv 
dy«Mr  Idfwß  i^oiUvmw  ist  kein  Anstol  'da  sollst  sehen  wie  gnte  Dioge  im  Werke 
sind'.  Beispiele  wie  Plat.  Apol.  27a  itifa  yv^^txai  6  «0969  ^i^  ifioe  %a^iwxiti^ 
1U90V  sind  bekannt. 

10)  Die  Herstellong  von  V.  46  bei  Grenfall-Hnnt:  6  Kl,  yo^,  01^  tb  lut^mov 
^^hp  l^yaCtta«,  n^dn^v  «ort  .  .  9nuntmv  dihwipi  t6  eiUlog  29*74^^1  ^*v  kann 
schon  darum  nicht  richtig  sein,  weil  es  t^  ityff&iß  heiB«n  mOlte :  es  ist  aber  auch 
mwahrschcinlich,  dai  KL,  der  in  gesunden  Tagen  hart  su  arbeiten  pflegt  (66), 


168  Georg  Eaibel, 

4ch  unglückliche'.  Eleainetos  muß  also  ihrem  Herzen  irgendwie 
nahe  stehen.  In  der  Noth,  so  erzählt  Daos  weiter,  da  der  Alte 
einen  Pfleger  brauchte,  verlassen  ihn  seine  Haussclaven,  die  er 
verächtlich  oUixai  tuA  ßdgßaQot,  nennt  *^)  —  ein  deutlicher  Beweis, 
daß  er  selbst  nicht  zum  Haushalt  des  Kleainetos  gehört  —  und 
*Ch.  übernimmt  allein  die  Pflege  des  Kranken.  Die  ruhige  Zeit 
der  Keconvalescenz,  wo  Elleainetos  an  der  gewohnten  harten  Feld- 
arbeit gehindert  ist,  ermögUcht  eine  intimere  Aussprache  zwischen 
ihm  und  seinem  jugendlichen  Pfleger.  ;Ch.  muß  von  seinen  häus- 
liehen  Verhältnissen  erzählen,  die  freilich  dem  Alten  gar  nicht 
ganz  unbekannt  sind  (67),  und  thut  dabei  auch  seiner  Schwester 
Erwähnung.  Was  er  von  ihr  erzählt,  wird  nicht  gesagt,  war  also 
dem  Zuschauer  schon  bekannt.  Das  Resultat  des  Gesprächs  ist, 
daß  Kleainetos  das  Mädchen  —  es  kann  nur  die  Schwester  des 
*Ch.  und  also  auch  des  *P.  Halbschwester  gemeint  sein  —  zu  hei- 
rathen  sich  erbietet  {ijciffx'^^^  yaiistv  74),  und  zwar  um  den  jun- 
gen Mann  für  seine  treue  Pflege  zu  belohnen:  der  andre  Grund, 
daß  Kleainetos  während  der  Krankheit  sich  seiner  Einsamkeit  und 
Hilflosigkeit  recht  bewußt  geworden  ist,  soll  nur  die  psychologische 
Wahrscheinlichkeit   des   abenteuerlichen  Entschlusses    erhöhen  ^^). 


dem  *Ch.  die  ganze  Arbeit  ftberlassen  haben  sollte.  Ferner  ist  die  Verwundung 
zwar  schwer,  aber  bis  zum  ^taxc^at  ist's  hoffentlich  nicht  gekommen.  Aelian 
(ep.  rnst  2)  hat  anders  gelesen:  ^Hfiigav  6  iiala%6g  tpsUia  {di%ilXfn7)  hinaus 
xb  a%ilos  ndw  %Qriat&g  (die  Conjectur  IcxvQ&g  hat  Uercher  selbst  zurückgezogen), 
%al  ^i^fifi  inilaßsv  aittbv  (airtov  Hs)  xal  ßovßmv  ini^Q^,  Danach  kann  man 
nur  zweifeln,  ob  Menander  ä*  ixoijjs  oder,  wie  ich  glaube,  8'  iTtiito^s  geschrieben 
hat. 

11)  Die  schwere  Aenderung  (57)  i<p'  otg  i%8Cv6g  ictiv  schien  von  allen  mög- 
lichen noch  die  leichteste.  Der  Ausdruck  selbst  'in  deren  H&nden  er  ist'  paftt 
wol  zu  dem  verächtlichen  Ton,  mit  dem  Daos  von  dem  elenden  Junggesellenleben 
des  Kleainetos  redet  Der  Mann  mit  dem  Namen  ^&og  z&hlt  sich  natürlich  nicht 
zu  den  ßoQßaQoi.  Der  Ausdruck  oUkai  %al  ßoQßaifoi  wie  V.  65  dixUXrig  %al 
tutuL&v,  —  Im  folgenden  weii  ich  V.  59  nicht  zu  erg&nzen,  R.  EUis'  Coigectur 
&noi^infag  ndUv  ist  mir  unverständlich  geblieben.  ¥.61  geht  Btav  fpavl»g  ix^^ 
(Wilamowitz)  wegen  des  Imperfects  naifeftv^iiTo  schwerlich  an;  mein  Versuch 
erwartet  durch  einen  wahrscheinlicheren  ersetzt  zu  werden.  V.  62  zeig^  der 
Aorist  &viüxri0i  nach  all  den  Imperfecta,  daß  dies  das  Resultat  seiner  BemOhan- 
gen  ist  'er  brachte  ihn  wieder  auf  die  Beine'.  Davor  kann ,  da  ein  Particip  sich 
nicht  finden  läit,  nur  etwas  wie  %^it6v  gestanden  haben. 

12)  Die  Herstellung  von  V.  69  ff.  ist  durch  die  Corruptel  V.  70  erschwert. 
Der  Alte  fragt  ihn  aus,  *Ch.  erz&hlt,  also  stand  69  ein  Particip  wie  disf^xoiUpiWf 
dazu  ist  xddB  das  Object ,  d.  h.  das  wonach  Kl.  gefragt  hatte.  Ein  zweites  Par- 
ticip  folgt  und  zwar  das  des  Aorists  iiißal6iftog  ^  das  dem  ersten  nur  coordinirt 
gewesen  sein  kann,  »os  dem  allgemeinen  Bericht  ein  besondres  hervorhebend 


Menaodera  rsaHyf6s.  159 

Dem  '^Ch.  also  geschieht  damit  ein  Gefallen :  inwiefern  aber  glaabt 
Daos,  daß  aach  Myrrhine  sich  darüber  frenen  werde?  Nachdem 
er  gesagt ,  Eleainetos  würde  alsbald ,  d.  h.  noch  heutigen  Tages 
kommen  am  die  Braat  zn  sich  aufs  Land  zu  holen  (76),  fährt  er 

fort  iucji686^ ]r($fi£t/ot    dvCvor^^sv^fta):    das    kann 

kanm  zu  einem  andren  Gedanken  ergänzt  werden  als  diesem:  4hr 
werdet  nun  also  aufhören  ihm  Widerstand  zu  leisten,  da  ihm  doch 
schwer  zuzureden  ist'.  Wenn  sich  daran  in  gewohnter  Weise  eine 
Schlußsentenz  anfügt  'Liebende  sind  verzweifelte  Leute,  die  wenn 
ihnen  ihr  Wille  nicht  geschieht  lieber  sterben  wollen  als  weiter- 
leben, damit  sie  nicht  überdies  noch  ausgelacht  werden^  so  ist  es 
klar,  daß  diese  Worte  auf  Kleainetos  keinen  Bezug  haben,  sondern 
zu  Gunsten  eines  andren  gesprochen  sind,  dem  seinen  Willen  zu 
verweigern  jetzt  kein  Grund  mehr  vorhanden  ist.  Dieser  andre 
aber  ist  '^'P.,  dem  die  Halbschwester  sehr  wider  seinen  Willen  zur 
Frau  bestimmt  war,  nicht  nur  von  der  Myrrhine  allein,  sondern 
auch  vom  Vater ,  wie  wir  schon  wissen  und  wie  das  maskuline 
Participium  [iia]x6iuvoi  (77)  bestätigt.  *Ch.  also  hatte  auf  dem 
Lande  treulichst  die  Sache  seines  älteren  Bruders  geführt :  es  war 
vielleicht  seine  eigene  Idee  gewesen,  seine  Dienste  dem  einsamen 
Alten  anzubieten  und  ihn  dafür  zu  gewinnen,  das  Mädchen  zu 
heirathen  und  damit  den  Bruder  aus  seiner  Noth  zu  befreien. 
Aber  hier  begegnet  eine  Schwierigkeit,  die  wir  mit  unsren  Mitteln 
nicht  sicher  lösen  können:  warum  haben  die  Eltern  die  Tochter 
dem  Sohne  bestimmt,  warum  wendet  sich  *Ch.  um  diesen  Plan  zu 
zerstören,  an  den  alten  Kleainetos  ?  fand  sich  denn  unter  der  gan- 
zen attischen  Jugend  kein  Freier  für  ein  braves,  vielleicht  auch 
wolhabendes  Mädchen?  warum  macht  dieses  Mädchen  und  ihre 
Yerheirathung  der  Mutter  so  große  Sorgen?     Wir  werden  auf 


9$^i  Tf^  &diXipfjg  (vgl.  XeiL  Kyrop.  V  5, 48  cif  d*  iifUv  fyßalt  mtQmv  %9qI  cov- 
rov).  Die  Copala  fehlt,  ist  also  autgefallen.  Daon  folgt  der  Hauptsatz,  vermuth* 
lieh  schon  mit  OTKAI  beginnend  (70),  in  dem  Kleainetos  Subject  ist;  fM^yo^  r* 
mv  %ui  yi^mv  90^p  ic%M'  riiv  yitff  naiS'  hnhiritai  yct^BCp,  Zu  diesem  EntschluB 
bringen  ihn  zwei  Umstände ,  einmal  weil  er  nd^hui  ina^iv  xt  %oiv6v  d.  h.  was 
Jedem  jederzeit,  also  auch  ihm  immer  wieder  passiren  konnte,  nAmlich  die  Er* 
krankung ,  sodaon  weil  er  %d^ip  t^g  imuBliiag  («)N€T  i%  navtbg  16yqv  .  .  .  N 
fli^T^  itnodo^poi.  Diese  beiden  S&tze  sind  durch  %ai  verbanden,  müssen  also 
jeder  ihr  Verbum  finitum  haben.  Folglich  genügt  die  Verbesserung  von  Qranfell- 
Hont  nicht  As  it'  i%  n,  l.  [dio\v  ninhw  %xl.  Ich  halte  ^tro  .  .  dtiv  a^hw  %xl, 
für  sicher ,  und  am  Accus,  c.  inf.  wird  niemand  Anstoi  nehmen ;  Piaton  hat  ihn 
oft,  Poljbios  liebt  ihn  sogar  besonders.  Diese  beiden  Sätze  sind  causa]  und  dem 
Hauptsätze  (iro^y  {9%$)  untergeordnet  gewesen.  Folglich  ist  eine  Coigaoction  nö- 
thig,  vielleicht  war  es  V.  70  oiviw  (für  OTKAI). 


160  Georg  Kaibel, 

diese  Fragen  vielleicht  später  eine  probable  Antwort  finden.  '^P. 
selbst  kann  im  verlorenen  Theil  seines  Monologs  davon  gesprochen 
haben,  es  kann  aneh  in  einer  Seene  vorher  davon  die  Rede  ge- 
wesen sein.  Qointilian  hat  den  Dialog  eines  jungen  Mannes  mit 
einer  Frau  fiir  die  Exposition  des  Stücks  bezeugt :  wir  werden 
jetzt  nicht  mehr  bezweifeln,  daß  er  mit  seiner  Stiefmutter  Myr- 
rhine  eine  Unterredung  gehabt  hat.  V.  21  ging  er  verzweifelt  da- 
von, war  entschlossen  *Ant.  nicht  zu  heirathen,  aber  ohne  zu  wis- 
sen wie  er  seinem  Geschick  entgehen  könnte.  Gleich  darauf  zeigt 
das  Gespräch  zwischen  Philinna  und  M3nrrhine,  daß  sie  auf  *P.' 
Einwilligung  nicht  mehr  rechnen:  sie  wissen  daß  er  einer  andren 
zu  Liebe  die  Halbschwester  verschmäht.  Soweit  ist  *P.  aber  noch 
keineswegs  zu  Beginn  seines  Monologs ,  noch  V.  16  scheut  er  sich 
vor  der  icißsia,  wie  er  es  nennt,  die  Braut  und  die  Hochzeits- 
götter im  Stich  zu  lassen.  Wenn  Mjorrhine  also  mehr  weiß,  muß 
sie  vorher  mit  ihm  gesprochen  haben.  Damals  war  er  fest  in  sei- 
ner Weigerung;  durch  ihr  bittendes  Zureden  ist  er  ins  Wanken 
gekommen,  aber  erst,  nachdem  sie  ihn  allein  gelassen.  Er  ist 
sichtlich  keiner  von  den  festen  Characteren,  die  sich  mit  ja  und 
nein  entscheiden:  der  Entschluß  (21)  ßovXsiiöoiiai  xovi  aliff  Sjcag 
dal  dtaq>vyslv  {is  xbv  yiiiov  zeigt  das  am  besten.  Er  ist  weich, 
zaghaft  und  rücksichtsvoll,  vor  einer  Aussprache  mit  dem  Vater 
scheut  er  sich  und  bedenkt  es  lange,  ob  er  ins  Haus  treten  soll 
oder  nicht.  Er  thut  es  schließlich  nicht,  obwol  es  das  einfachste 
und  nothwendigste  war.  Durch  diese  Eigenart  wird  er  ein  treff- 
liches Gegenstück  zu  seinem  jüngeren  Bruder,  der  thatkräftig  und 
ohne  viel  Besinnen  dem  kranken  Kleainetos  beispringt,  der  wäh- 
rend der  Bruder  überlegt,  schon  gehandelt  und  ihm  die  unwill- 
kommene Braut  vom  Halse  geschafft  hat.  Es  ist  auch  bezeichnend 
für  '^'P.'  Character,  daß  er  nicht  nur  ein  ganzes  Heer  von  Bedenken 
hegt,  sondern  auch  darüber  grübelt,  wer  und  was  ihn  wol  in  seine 
üble  Lage  gebracht  haben  möge.  Seitdem  der  Bruder  auf  dem 
Lande  und  er  selbst  nach  Korinth  gereist  war,  hat  sich  das  Ge- 
witter zusammengezogen :  man  hört  es  heraus,  daß  er  seinen  Bru- 
der als  Anstifter  verdächtigen  möchte,  eben  den,  der  ihn  zu  retten 
bemüht  ist.  Das  alles  ist  dramatisch  wirksam  genug.  Wenn  der 
Dichter  zwei  eng  verwandte  Personen,  Brüder  oder  Schwestern, 
nebeneinander  auf  die  Bühne  bringt,  so  ist  es  einfaches  Kunst- 
gesetz, daß  sie  sich  entweder  schroff  feindlich  gegenüberstehen 
oder  aber  durch  verschiedene  Charactcrbildung  sich  gegenseitig 
ergänzen.  Characterdoubletten  haben  in  der  Characterkomodie 
keinen  Platz. 


l 


Menanders  rfm(fy6g.  Ißl 

Myrrhine  also  hat  in  einer  vorhergehenden  Scene  den  *P.  ver- 
geblich za  bewegen  versacht :  er  braucht  gar  nicht  allzu  energisch 
nein  gesagt  zu  haben  und   die  Mutter  konnte  doch  herausfühlen^ 
daß  sie  ihm  das  verlangte  nicht  zumuthen   dürfe.      Sie  mag  ange- 
deutet haben,  daß  er  ihr  eine  besondere  Liebe  thun  würde  (darauf 
gründet  sich   die  Ergänzung  V.  16  ti^i/   fpiXxaxriv  tsxovffav  ajtxij- 
tffti/i^  &v)j   und  eben  darum  nicht   allzu  dringlich  geworden  sein. 
Dann  hat  sie,  während  *P.'  Monolog,  Philinna  aufgesucht  und  sie 
ins  Vertrauen  gezogen.     Von  diesem  Gespräch  liegt  der  Schluß 
y.  22  ff.  vor.     Ein  scheinbares  Bedenken  gegen  die  Identification 
des   von  Philinna   so  hart  verurtheilten  jungen  Mannes   mit  *P. 
läßt  sich  leicht  heben.    *P.  geht  Y.  21 ,   wie  das  Leute   zu   thun 
pflegen  die  nachdenken  wollen,  abseits  {ixxoähv  &xsiiii):  trotzdem 
nimmt  Philinna  (26)  es  als  sicher  an,  daß  er  sich  im  Hause  befin- 
det.    Nun  kann  das  ja  eine  falsche  Vermuthung  sein,  aber  da  sie 
zwecklos  ist,   trauen  wir  sie  dem  Dichter  nicht  zu.      In  Terenz' 
Andria  708  geht  Famphilus  zu  Glycerium  hinein  und  da   er  in 
den  nächsten  Scenen   nicht  auf  der  Bühne  erscheint,   setzt  man 
voraus,  daß  er  872  von  daher  kommt.   Aber  er  kommt  vom  Vater 
gerufen  und  zwar  aus  seinem  Hause   (871) ;    der  Vater  nimmt  an, 
daß  er  zu  Hause  ist,   und  hat  sich  darin  auch  nicht  getäuscht. 
Nun  liegt  freilich  ein  Actschluß  dazwischen  (820),  d.  h.  ein  Moment, 
wo  alle  Personen  die  Bühne  verlassen  haben  (Donat.  praef.  Andr. 
p.  6,  8) ,  und  damit  scheinen  unwichtigere  äußere  Situationsvoraus- 
setzungen ihre  Wirkung  zu  verlieren  —  aber  mit   dem   gleichen 
Rechte  darf  man  bei  Menander  nach   dem  Monolog   des  *P.  Act- 
schluß ansetzen  (vgl.  Leo  Plaut.  Forsch.  205  ff.).   Die  Continuität  der 
auftretenden  Personen  hat  hier  ein  Ende :  mit  *P.'  Abgang  ist  die 
Bühne  leer,  und  ganz  neue  Personen  treten  auf.    Der  Monolog  ist 
das  letzte  Stück  des  ersten  Acts ,  d.  h.  der  Exposition,  deren  6e- 
sammtumfang  sich  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  daraus  berechnen 
läßt,   daß  mit  den  ersten  erhaltenen  Versen  des  *P.  in  der  aegy- 
ptischen  Handschrift  die  6.  Seite  (c)  beginnt.    Wenn  die  vorher- 
gehenden 6  Seiten  nichts   als  den  Anfang  des  FiojQyög  enthielten, 
so  fehlen  zu  Anfang,  die  Seite  zu  46  Zeilen  berechnet,  226  Verse : 
dazu  die  21  erhaltenen  Verse  des  Monologs,  giebt  im  ganzen  246 
Verse,  wovon  für  den  Titel  und  das  Personenverzeichniß,  wenn  es 
vorhanden  war,  noch  einiges  abgeht.    Im  Heautontimorumenos  hat 
der  erste  Act  229  Verse,  in  den  übrigen  Stücken  ist  er,  die  rich- 
tige Abtheilnng  vorausgesetzt,  etwas  kürzer. 

Daos  hat  sich  geirrt:   er  hat  seiner  Herrin  keineswegs  eine 
Freudenbotschaft  gebracht.    Kaum  hat  er  sich  entfernt  —  und  er 


162  Georg  Kaibel, 

geht  nach  so  aasführlichem  Bericht  mit  einem  auffallend  kurzen 
Abschiedsgruß  {iggaöo  noXXd),  als  hätte  er  selbst  schon  eine  böse 
Ahnung  —  so  sieht  Philinna  mit  Erstaunen,  wie  Myrrhine  auf- 
geregt die  Hände  ringend  umhergeht.  Die  Erklärung  folgt  auf 
dem  Fuße :  ti  ydg,  Oikivva ;  &noQovfLai,  vvv  xi  noif^6ai  (is  dst.  [ixs]l 
xCvog  fi  TCtttg  iöri,  tovtfoi  x(yd[dsvl  SlXat. ...  Es  ist  ärgerlich,  daß 
uns  gerade  an  so  wichtiger  Stelle  die  Ueberlieferung  im  Stich 
läßt;  aber  die  Hauptsache  ist  doch  erhalten.  Die  Uebersetzung 
^who  is  to  have  the  girV  ist  natürlich  unmöglich,  da  es  i6xai  heißen 
müßte,  von  einem  eben  gebomen  Kinde  kann  auch  nicht  die  Bede 
sein,  da  es  xh  jcaiSiov  heißen  müßte :  Myrrhine  kann  nur  von  ihrer 
eigenen  Tochter  sprechen  und  ihre  Frage  sich  nur  auf  deren  Vater 
beziehen.  Der  Vater  ist  offenbar  das  Hindemiß,  das  die  von  Daos 
überbrachte  Lösung  hinfällig  macht.  Eheprojecte  zwischen  älteren 
Herren  und  jungen  Mädchen  sind  in  der  Komödie  nichts  ungewöhn- 
liches, aber  sie  sind  nur  dazu  da,  um  an  einem  zwingenden  Hinder- 
niß  zu  scheitern,  wie  z.  B.  in  der  Aulularia.  Das  tägliche  Leben 
brachte  in  Athen  gewiß  manche  Ehen  der  Art  zu  Stande,  aber 
die  Komödie  ist  nicht  eine  getreue  'Photographie'  des  Lebens,  son- 
dern nur  ein  stark  retouchirtes ,  ein  aesthetisch  gereinigtes  Bild, 
eine  poetisch  stilisirte  Wirklichkeit.  Bei  Flautus  kann  der  alte 
Megadorus  Euclios  Tochter  darum  nicht  heirathen,  weil  sein  Neffe 
Lyconides  insgeheim  ein  unbestreitbares  Anrecht  auf  sie  erworben 
hat.  Bei  Menander  ist  es  anders  gewesen :  Kleainetos  ist  als  Gatte 
der  *Ant.  darum  unmöglich,  weil  er  selbst,  ohne  es  zu  wissen,  ihr 
Vater  ist.  Myrrhine  war  eine  Bürgerstochter,  die  dereinst  im 
Gedränge  etwa  der  Dionysien  einem  von  Wein  und  Begehrlichkeit 
erregten  jungen  Mann  {vini  vitio  atque  amoris  Plaut.  Aul.  746)  zum 
Opfer  gefallen  war.  Der  Verführer  kennt  sein  Opfer  nicht,  sie 
aber  hat,  vielleicht  erst  seit  kurzer  Zeit,  an  einem  Ringe,  den  sie 
ihm  abgenommen,  den  E^eainetos  als  ihren  Verführer  erkannt. 
Inzwischen  ist  sie  aber  als  zweite  Frau  in  das  Haus  ihres  jetzigen 
Gatten  eingetreten,  der  aus  irgend  welchen  besondren  Gründen 
scrupellos  das  Kind,  das  sie  unter  dem  Herzen  trug  oder  schon 
geboren  hatte,  mit  in  den  Kauf  nahm.  '^'Ant.  war  also  in  der 
That  weder  iiioxaxQia  noch  6iioiiijxQia  des  '^'P.,  und  sein  Vater  wie 
seine  Stiefmutter  konnten  ihm  mit  gutem  Ge¥d8sen  die  Heirath 
empfehlen.  Lag  in  diesen  Verhältnissen  auch  der  Grund  dafür, 
daß  den  Eltern  die  Verheirathung  der  Tochter  Mühe  und  Sorgen 
machte  ?  Der  Vater  hatte  das  Kind  ins  Haus  gelassen,  aber  seine 
Tochter  war  es  damit  noch  nicht  geworden;  den  Söhnen  durfte 
das  Erbe  nicht  geschmälert  werden.     Das  Mädchen  bekam  also 


Meoanden  reoMfyis.  IßB 

auch  keine  Mitgift,  und  nur  der  Freier  war  möglich,  der  sich  ohna 
viel  zu  fragen  in  diesen  Mangel  fügte ,  da  doch  Myrrhine  und  ihr 
Gatte  das  G-eheiraniß  zu  enthüllen  nicht  geneigt  sein  konnten.  Soviel 
Enthaltsamkeit  war  aber  nur  von  einem  Verwandten  wie  *P.  oder 
von  einem  befreundeten  alten  Manne  wie  Kleainetos  allenfalls  zu 
erwarten  oder  zu  verlangen.  *P.  hat  sich  geweigert,  •Ch.  kommt 
nicht  in  Betracht ,  weil  er  allem  Anschein  nach  leiblicher  Bruder 
der  *Ant. ,  zudem  auch  jünger  als  seine  Schwester  ist,  und  der 
'Onkel  vom  Lande'  erweist  sieh  als  unmöglich. 

Kleainetos  wird  mit  seiner  Fahrt  in  die  Stadt  nicht  lange  ge- 
säumt haben.  In  der  Mitte  des  2.  Acts  tritt  der  Titelheld  auf 
die  Buhne  «nd  ist  von  jetzt  an  wol  die  Hauptperson,  die  alle  an- 
geknüpften Fäden  zwar  nicht  in  die  Hand  nimmt,  wol  aber  in  ihrer 
Entwicklung  beeinflußt.  Es  ist  natürlich  nicht  möglich  ein  Sce- 
narium  für  den  Rest  des  Stücks  zu  entwerfen,  aber  da  die  x^ÖTaatg 
und  die  iititaetg  im  wesentlichen  vorliegen,  muß  sich  die  tunct- 
itrpoqnrj  ungetahr  ermitteln  lassen. 

Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  daß  Myrrhine  sofort  ein  Geständ- 
nis ablegte ,  menschlich  nicht ,  weil  es  ihr  doppelt  schwer  fallen 
mußte  das  so  lange  Jahre  glücklich  gehütete  Geheimniß  jetzt,  wo 
die  Tochter  erwachsen  war,  preiszugeben  und  damit  zugleich  ihren 
Gatten  vor  aller  Welt  zu  compromittiren,  dem  sie  Dank  schuldete: 
auch  dichterisch  ist  es  unwahrscheinlich,  daß  Menander  in  so  bru- 
taler Weise  die  Lösung  herbeiführte,  wobei  zudem  dem  Titelhelden 
nichts  als  die  wenig  interessante  und  kurze  Rolle  des  reuigen 
Sünders  zugefallen  wäre.  Glaublicher  ist  es ,  daß  Myrrhine  im 
Verein  mit  ihrem  Gatten  nochmals  alle  Ueberredungskiinste  auf- 
wendete ,  um  *P,  zum  Schwiegersohn  zu  gewinnen.  Es  sind  Spu- 
ren vorhanden,  die  diesen  Hergang  wahrscheinlich  machen.  In  den 
Hermogeneascholien  (V  B26  W :  iv  ritopyöt)  sind  folgende  Verse 
überliefert : 

dußsßQÖvzfjCai ;  yekoiov,  Ög  xdpijg  iUv&^gag 
tlg  ipat&'   i'ixcov  Ciaaüig  xal  fidtrjv  noioviiinovs 
neQioQBig  ydjtovg  aeavTüi. 
Bass  *P.  der  angeredete  ist ,   kann  nicht  zweifelhaft  sein ,   ebenso 
wenig ,    daß  ein  mitfühleuder  Freund  der  Sprecher  ist.     Die  Rede 
klingt  genau  wie  die  des  Chaeribulus  bei  Plautus  {Epid.  106): 
stultus  es.  Straf ippoclcs. 
idne  pitdet  te  quia  capUvam  genere  prognalam  bono 
de  praeda  es  mereiUiis?    quis  erit  vitio  qui  id  vortat  tibi? 
Die  Scene,    der  diese  Verse  entstammen,    kann  dem  ersten  Act 


l64  Öeorg  Eaibelt 

schon  daram  nicht  angehören,  weil  der  Zuschauer  erst  am  Ende 
desselben  erfährt ,  daß  die  Hochzeit  gerüstet  ist  (V.  7  ff.) ,  folglich 
fällt  sie  hinter  Daos'  Bericht,  und  wir  sehen,  daß  der  leicht- 
bewegliche *P.  in  der  That  sich  wieder  hat  bereden  lassen  seine 
Halbschwester  zu  heirathen  und  daß  er,  nach  der  kraftvollen  Rede 
des  Freundes  zu  schließen,  diesmal  ziemlich  fest  entschlossen  ist 
auf  seine  eigentliche  Liebe  zu  verzichten.  Wir  erfahren  zudem, 
daß  diese  Liebe  ein  ehrsames  Biirgermädchen  ist,  gegen  das  keine 
andren  Einwände  erhoben  werden  konnten,  als  daß  *P.  eben  die 
*Ant.  heirathen  sollte.  Auch  die  Vermuthung  drängt  sich  auf, 
daß  der  Freund  nicht  ganz  uneigennützig  plaidirt :  ist  er  etwa  ein 
stiller  Liebhaber  der  '^'Ant. ,  der  nur  weil  er  arm  ist  mit  seiner 
Werbung  zurückhält? 

Myrrhines  verzweifeltes  Zureden  hat  also  geholfen,  und  bevor 
noch  Kleainetos  mit  ihr  zusammentrifft,  ist  es  Thatsache  gewor- 
den, daß  *P.  die  Bräutigamstelle  anzutreten  bereit  ist.  Das  leh- 
ren, wenn  nicht  alles  täuscht,  einige  weitere  bei  Stobaeus  und 
Orion  erhaltene  Bruchstücke,  die  alle,  wie  es  scheint,  aus  einer 
und  derselben  Scene  stammen. 

1.  Stob.  Flor.  96,  5  MbvccvSqov  rsoQy&i : 

sixaragiQÖvrjröv  iöti^  FoQyicCy  Tcivtjg, 
xav  nivv  Xiyi^t,  dixaia'  tovtov  y&Q  Xiyaiv 
Ivsxa  ^övov  t/ofit^fd-'  oinog,  rov  Xaßetv. 
xal  0vxoq)dvtrig  sifdifg  6  t6  XQißdyifiov 
lX(ov  xaXctrai,  x&v  idixoiiiisvog  xfSxrii, 

2.  Stob.  Flor.  lOB,  28  MevivSQov  Feajpyöt : 

6  d'  iiSixtixAg  y  Sötig  iöx*  oit6g  notSy 
tifp  ifLBtiQav  TCsviccv  xaxoSaiiifov  iöff,  ort 
Tovr'  '/jdixrixsv  oi  tv%hv  {istaXi^STai, 
el  xal  6(p6S(^  sixoQSt  yiff^  ißsßaimg  XQvgwL. 
tb  tilg  Tiix^g  yäQ  ^sviia  yLBxanlnxai  xa%v, 

3.  Orion  Anth.  7,  9  {ix  xov  ramQyov) : 

oixog  xQoxiöxög  iöil  &^9y  &  FoQyia^ 
Söxtg  iSixBl6^ai,  xKb16iI  ijciöxax*  iyxQOtff^g' 
xb  d'  ögiSO'Vfioi/  roOro  xal  kCav  nixgbv 
detyii*  iöxlv  €idi}g  xa6i  iiMQoifvxiag, 

Der  Sprecher  ist,  wie  der  lehrhafte  Ton  beweist,  ein  älterer  le- 
benserfahrener Mann.  Gorgias,  der  angeredete ,  hat  sich  bei  ihm 
über  eine  Ejränkung  beklagt,  die  ein  reicher  Mann  oder  eine  reiche 
Familie  sich  ihm  dem  armen  Schlucker  gegenüber  erlaubt  hat. 
Den  Namen  des  Beleidigers  hat  er  nicht  genannt  (fr.  2, 1) ,   er 


Menandert  Ftmoydg,  135 

selbst  maß  ihn  kennen,  sonst  wüßte  er  nicht  daß  es  ein  reicher 
Mann  sei.  Er  verschweigt  also  den  Namen  aas  besondren  Grün- 
den,  vielleicht  weil  es  ein  dem  andren  nahe  stehender  Freand  oder 
Verwandter  ist.  Er  hat  nar  im  allgemeinen  angefragt,  wie  er 
sich  in  solchem  Falle  verhalten  solle.  Der  Alte  verurtheilt  den 
Beleidiger  aaf  das  nachdrücklichste,  mahnt  aber  zar  Yernanft,  da 
offenbar  nichts  gegen  ihn  geschehen  kann.  In  dem  Sprecher  haben 
jetzt  aach  Grenfell-Hant  ohne  Zweifel  mit  Recht  den  Kleainetos 
erkannt,  and  vielleicht  haben  im  Anfang  derselben  Scene  die  Verse 
gestanden  die  Orion  Anth.  1, 19  {ix  rov  rs(OQyoi>)  überliefert  : 

£^fil  lilv  Rygocxog^  xaitbg  oix  ßXkos  iQ&y 
xal  t&v  xat^  &6tv  nQayfidtav  oi  xccvrsX&g^^) 
ilinscQog'  6  dh  x(f6vog  ti  yl  eidivai  »oul 
xkiov, 

Kleainetos  begründet  mit  seiner  Lebenserfahrang  das  Recht,  einem 
andren  —  doch  wol  dem  Gorgias  —  mit  seinem  Rath  zar  Seite 
za  stehen.  Wer  aber  ist  Gorgias  and  welcher  Art  war  die  erlit- 
tene Unbill?  Es  war  keine,  die  vor  dem  Gesetz  strafbar  war, 
nar  eine  Kränkang,  eine  Rücksichtslosigkeit,  wie  eben  ein  armer 
Mann  sie  sich  gelegentlich  bieten  lassen  maß.  Wenn  E^eainetos 
räth  das  anabänderliche  mit  Geduld  za  ertragen  (fr.  3, 1),  so  weiß 
er  keine  Abhilfe:  da  aber  geschehenes  Unrecht  in  der  Komödie 
nothwendig  seine  Sühne  finden  maß,  so  kommt  die  Sühne  eben  an- 
derswoher. Vielleicht  genügt  es  zar  Lösang,  daß  Gorgias  schließ- 
lich doch  den  Namen  des  Beleidigers  nennt.  Gorgias ,  der  arme 
Mann,  gehört  gewiß  nicht  in  die  Familie  der  Myrrhine  and  ihres 
Gatten,  da  Daos  nicht  so  geringschätzig  von  Kleainetos'  mühseli- 
gem Leben  and  von  seiner  wenig  ertragreichen  Landwirthschaft 
reden  würde,  wenn  er  bei  anbemittelten  Leuten  im  Dienst  stünde. 
Er  vertritt  also  eine  zweite  Familie,  die  der  Dichter  sicherlich 
nur  darum  in  seine  Handlang  einführte,  um  schließlich  eine  Ver- 
schwägerung mit  dem  wolhabendcn  Hause  herzustellen.  Ich  denke, 
Gorgias  wird  der  Vater  der  x6qmi  ilev^dQu  sein,  die  *P.  aufgeben 
soll  und  nun  auch  will,  um  seine  Halbschwester  zu  heirathen.  Das 
idiMStv  (fr.  2, 1)  würde  so  auch  hier  in  der  gleichen  Bedeutung 
stehen  wie  V.  30.  Gorgias  klagt  also ,  daß  *P.  seine  Tochter  im 
Stiche  gelassen  habe,  der  er  die  Ehe  versprochen  habe.    Er  findet 


18)  Diese  Stelle  hat  wol  Alkiphron  III  70  vor  Augen,  wo  eia  tUdtiscber 
Hoogerleider  sich  bei  dem  Bauern  Korydon  einschmeicheln  will,  um  ihn  aossu* 
saugen:   to^oi^  Idmp  Sp^ioir  coiif^ir,  ii  t&9  %at'  &9tv   n^y^tmv  intaVMytlg 


Igg  Georg  Kaibel,  Menanders  rimi^6g. 

dafür  keine  andre  Erklärung,  als  daß  sie  ihm  nicht  wolhabend 
genug  gewesen  sei.  Dies  Gespräch  fand  Statt,  als  Kleainetos  eben 
in  die  Stadt  gekommen  war:  der  erste  der  ihm  begegnete  war 
Gorgias,  vielleicht  ein  alter  Freund,  der  ihm  nun  sein  Herz  aus- 
schüttete. Als  er  schließlich  den  *P.  als  den  Uebelthäter  nennen 
hört,  verspricht  er  Hilfe:  er  ruft  den  *P.  heraus  und  erfährt  von 
ihm,  wie  die  Sache  steht ,  d.  h.  soweit  *P.  davon  weiß.  Sehr  er- 
staunt, daß  nicht  er  sondern  *F.  den  Bräutigam  spielen  soll,  wird 
er  zornig.  Myrrhine  kommt  dazu,  und  nun  muß  sie  bekennen. 
Kleainetos  erkennt  seine  Tochter  an,  verspricht  sie  auszustatten, 
so  daß  sie  nun  einen  Freier  findet,  vielleicht  eben  jenen  Freund 
des  *P.,  dessen  eigene  Armuth  nun  kein  Hinderniß  mehr  ist  —  so 
daß  nach  dieser  Seite  hin  die  Aehnlichkeit  mit  der  Andria  voll- 
kommen würde.  *P.  heirathet  die  Tochter  des  braven  Gorgias, 
und  alles  ist  in  Ordnung. 

Der  Schwerpunkt  des  Stücks  hat  natürlich  in  der  Charakter- 
zeichnung des  Kleainetos  gelegen,  den  man  sich  wol  als  einen  Mann 
vorstellen  darf,  der  in  harter  Arbeit  als  einsamer  Junggeselle  sich 
einen  schönen  Schatz  von  selbstzufriedener  Lebensphilosophie,  von 
Weisheits-  und  Tugendbegriffen  erworben  hat,  und  dann,  als  er 
durch  einen  ernsten  Unfall  gemahnt  aus  seiner  einsamen  Höhe  in 
das  Leben  der  übrigen  Menschen  hinabsteigen  will,  zurückgewiesen 
wird  und  für  eine  Jugendsünde  büßen  muß.  An  Stelle  des  lang 
verschmähten,  vielleicht  auch  oft  ersehnten  Glücks  an  der  Seite 
eines  Weibes  wird  ihm  nun  wenigstens  das  Glück  zu  Theil,  für 
ein  Kind  sorgen  zu  dürfen'*). 


14)  Carl  Schenkls  Versuch  die  Handlung  des  Menandreiscbcn  Stücks  zu  ver- 
anschaulichen  (Jahreshefto  des  oesterr.  arch&ol.  Instituts  I  49)  habe  ich  erst  ge* 
sehen  als  das  vorstehende  bereits  gedruckt  war.  Seine  Auffassung  weicht  von 
der  meinen  mehr  ab  als  ich  auf  Qrund  des  überlieferten  Textes  für  möglich  ge- 
halten h&tte.     Zu  nachtriLglichen  Aenderungen  sehe  ich  mich  nicht  veranlait. 


Der  Osterfestbrief  des  Athauasius  vom  J.  367. 

VOQ 

C.  Schmidt. 

Vorgelegt  von  N.  Bonwetsch  in  der  Sitzung  am  14.  Mai  1898. 

Wexm  ich  ans  der  Zahl  der  in  der  koptischen  Literatur  er- 
haltenen Osterfestbriefe ,  speciell  des  Athanasins ,  den  Osterbrief 
vom  Jahre  367  veröffentliche,  so  leitet  mich  dasselbe  Interesse, 
welches  schon  die  alte  Kirche  bewog,  diesen  Brief  aus  der  Zahl 
der  übrigen  herauszuheben.  Denn  in  ihm  hatte  Athanasins  ein 
Verzeichnis  der  in  der  alexandrinischen  Kirche  geltenden  kanoni- 
schen Schriften  nebst  den  Yorlesebüchern  aufgestellt,  und  bei  dem 
großen  Ansehen,  welches  er  im  Morgen-  und  Abendlande  besaß, 
mußte  seine  Stimme  weit  über  den  engen  Kreis  Aegyptens  gehört 
werden.  Freilich  hat  man  in  die  späteren  byzantinischen  Kanon- 
Bammlungen  nur  das  den  Kanon  betreffende  Stück  ^)  übernommen, 
wo  Zonaras  und  Blastares  den  auf  uns  gekommenen  griechischen 
Text  kommentirten ;  aber  diese  Verstümmelung  kann  erst  in  spa- 
terer Zeit  stattgefunden  haben;  denn  Rufin,  Hieronymus  und  an- 
dere kannten  ohne  Zweifel  den  vollständigen  Text  des  Briefes  aus 
der  ganzen  Sammlung  der  Osterfestbriefe,  welche  bald  nach  dem 
Tode  des  Athanasins  von  einem  unbekannten  Anhänger  heraus- 
gegeben wurde,  die  Hieronymus  unter  den  Werken  des  Athanasins 
als  ^io(fra6tinal  epistolae'  *)  anführt.     Doch  bei  der  geringen  all- 


1)  Eine  syrische  Uebersetzung  desselben  St&ckes,  nur  am  Anfang  nm  einige 
8&ue  verkünt,  gab  Gureton  in  seiner  Pablication  der  Festal  leiters  of  Athana- 
sins London  1848,  I,  62  f.  heraus;  vgl.  Mai:  Patrum  Not.  Bibl.  VI,  168 ff. 

2)  de  vir.  Ul.  87.  —  Ueber  die  Sammlung  Tergl.  die  Bemerkungen  von  Zahn 
Gesch.  d.  N.  T.  Kanon's  II,  208  ff.  —  Larsow :  Die  Fesibriefe  des  belügen  Atha« 
nasitts  Obersetst    Leipsig  1852. 


IgS  G.  Schmidt, 

gemeinen  Bedeutung  der  Osterfestbriefe  ist  die  Sammlung,  ob- 
wolü  noch  im  6.  Jahrhundert  benutzt,  allmählich  in  der  griechischen 
Kirche  untergegangen.  Nur  in  sjorischer  Sprache  ist  uns  diese 
Sammlung  durch  einen  wahrscheinlich  im  8.  Jahrh.  geschriebenen 
Codex  des  Brit.  Museum  erhalten,  der  aus  den  Natronklostern 
stammt  und  von  Cureton  in  dem  obengenannten  Buche*)  publicirt 
wurde.  Doch  fehlen  infolge  Beschädigung  der  Handschrift  die  in 
den  Jahren  349  bis  379  geschriebenen  Briefe  und  damit  auch  der 
Osterfestbrief  vom  Jahre  367,  der  nach  der  eigentümlichen  Zählung 
der  Sammlung  die  Nummer  39  trug. 

Waren  aber  die  Festbriefe  in  erster  Linie  für  die  aegyptischen 
Gemeinden  und  Klöster  bestimmt,  um  ihnen  den  Termin  des  Qua- 
dragesimalfastens  und  des  Osterfestes  anzukündigen^),  so  durfte 
man  erwarten,  daß  die  koptische  Kirche  jene  Sammlung  mit  der- 
selben Pietät,  wie  die  Syrer  aufbewahrt  haben,  zumal  da  wahr- 
scheinlich die  einzelnen  Briefe  gleichzeitig  ins  Koptische  übersetzt 
wurden,  da  viele  Kleriker,  wenn  überhaupt,  so  doch  nur  mangelhaft 
griechisch  verstanden.  Und  in  der  That  findet  man  in  den  ver- 
schiedenen Bibliotheken  Europa's  zerstreut  eine  Reihe  von  Frag- 
menten, die  die  Existenz  jener  Sammlung  sicher  bezeugen.  Unter 
diesen  habe  ich  auch  ein  größeres  Stück  des  Festbriefes  vom  Jahre 
367  abgeschrieben,  das  auf  der  Bibliotheque  Nationale  zu  Paris 
aufbewahrt  wird  und  mir,  wie  überhaupt  die  gesammten  herrlichen 
Schätze  dieser  Bibliothek,  von  der  Verwaltung  mit  der  größten 
Liebenswürdigkeit  zur  Verfügung  gestellt  wurde. 

Der  Cod.  Copt.,  dem  ich  dieses  Stück  entnommen  habe,  trägt 
die  Nummer  151.  Leider  sind  nur  4  Blätter  erhalten,  die  einem 
Pergamentcodex  (c.  X — XI.  Jahrh.)  entstammen,  dessen  Blätter  eine 
ungewöhnliche  Größe  zeigen,  nämlich  36  cm  h.  und  29  cm  br.  Sie 
sind  poA. — poH  paginirt,  bilden  also  einen  halben.  Quaternio ,  der 
unzweifelhaft  aus  einem  Codex  herausgerissen  ist,  welcher  ur- 
sprünglich die  ganze  Sammlung  der  Festbriefe  des  Athanasius  ent- 
hielt. Bemerken  vdll  ich  noch,  daß  die  Blätter  in  der  ganzen 
Ausdehnung  und  nicht,  wie  gewöhnlich,  in  2  Colunmen  beschrieben 
sind ;  die  Zahl  der  Zeilen  ♦  schwankt  zwischen  28  und  30.  Die 
Initialen  der  einzelnen  Abschnitte  sind  nicht  mit  farbiger  Tinte 
verziert. 


1)  Eine  bessere  Pablication  von  Mai:  Patrum  Noy.  Bibl.  VI»  1—161,  der 
auch  die  Fragmente  gesammelt  und  das  Qanse  ins  Lateinische  Qbersetst  hat  In 
der  deutschen  Uebersetzung  von  Larsow  fehlt  unser  Brief. 

2)  Cassianns,  collatio  X,  2  und  Yorbericht  der  syr.  Uebersetsnng. 


d«r  Ofterfestbrief  des  AthaoaBios  Tom  J.  367.  169 

Was  den  Text  des  Brachstückes  ^)  anbetrifiPt,  so  liefert  er  uns 
nicht  nur  das  schon  bekannte  Kanonsverzeichnis,  sondern  am  An- 
fang wie  am  Ende  noch  Teile  des  Briefes  selbst,  so  daß  wir  den 
ganzen  Znsammenhang  überschauen  können.  Im  Folgenden  bringe 
ich  zunächst  den  koptischen  Text  zum  Abdruck  and  schließe  daran 
die  deatsche  Uebersetzang ,  die  natürlich  möglichst  wörtlich  ge- 
halten ist. 


1)  Der  griech.  Text  neben  Zahn:  Gescb.  d.  M.  T.  Kanons  II,  210 ff.  und  den 
daselbst  angeführten  Ausgaben  auch  bei  Preuschen:  Analecta  8.  Heft  in  der 
Sammlung  von  Krfiger  S.  144  ff. 


Text 


fteqjütA.eHTHC  xe  ne^-xai  iiMoq  ftH 

nrit  gii  nKA.Ke  A.xiq  gibt  novoem.  AXiJj 
n€T€Titcunrii  epoq  git  ft6nriijiAA.A.X6 
TA.}jjeoei}jj  AJUAoq  gixft  ftxcrrenojp. 

JXSÜLOOY  itItOYOY   Alt  lt€.   AT^Tk^  IteitTAYCOT 

lAOY  fte  efto?\  gi^TÜ  nccüTHp.    e^r&e  uaa  K^tt 
cpjäAit  HÄV^oc  'f-c&u)  A^?\Ä  n^xß  nCTJÖÄ. 
3te  ftgH^rq.    axuj  KA^rr  equ|A.ftxooc 
eT&e  nxoeic  xc  A.qKA.-g6ftcA.g  gft  rreKK^ai 

CIA..      A?\7\A.  J^yAq^TCAAoOY  ltU|Opn   lAltltCCüC 
ItqTItltOOYCOY.      OYOII   Hill  ll€lt   66   CT 
gli   nCCÜltX.     T€Y<|>YCIC  n€   XIC&U) 

•kl 

ncitxoeic  2Le  a^yoi  ncrt2LYiiio¥proc  ov 
cAg  ne  KATA^lyrciit.    itTAqTCAÄo  rAp 
Aif  ginrit  KeoYA.  epcA.g.    a.?\7\a.  itpujiie 
TMpov  KAit  ev^AjtJütovTe  epooY  xe  ca.^ 
a7^7\a.  A.rpAAA.eHTHc  itjjjopn.    cti-c&u) 
ort  itovort  rtiii.    cpt  ncuiTHp  x^ 
pHTci  itA.Y  JütncooYrt  JütnenitA  xcka.c 
eYej^uine  THpoY  itpeqxic&uj  irril 


OA 


172  G.  Schmidt, 

Kopmeoc.    A^YU)  rfccA.pxci  ^oinoit 
€u)t9  gl?  ftxoüoüJütc  itAnorpÄ<|>orr  0  cyä 
HÄTÄ  ÄJUtooY  gnrn  npA.ft  itgeitxoüoü 
jüte  JütJütc  goüc  cpc  ftc*TnjütA.Y  Hn  cpooY 

Bio  I  __  __ 

i"nÄpÄKÄ^ei  2Le  JutJutoüTfi  Aitix^*)  itTCTitriÄY 


po2^ 

X€   €«€   itXOÜOüJUl€   CTCTItCOOYlt   JUtJUtOOY 
ItAt   lt€   6i"ltACgÄifC0Y  flHTit   CT&C   TAVÄ. 
nH(sic)  JUiit   T€XPIÄ  ltT6KK?\HCIA..      gÜ 

nTpÄTuity  2l6  cpnJuiecYe  i"itÄ.xp^  AJinTY 
noc  jüineYÄrre^ioit  it^oYKÄC  ncYÄrrc 

^ICTHC.      eiCYltglCTÄ.   ltTÄJUtitTTO?NJUlH 

poc  A^YO)  eixu)  lAJüioc  goüoüT  rt^Tcige 

■ic! 

x€  cnet^cepei')  ecgÄi  itÄY  Jüuutiit  JutJutooY 
ftrtxoüoüjuie  cTOYiiOYTe  epooY  xe  Äno 

rpÄ^OIt  Ä.YOÜ  €Ä.YTÄgOY  jutit  ftcrpA.c|>H 

ftrtiqc  itTe  nitoYTe  tai*)  itTÄitTOüT 

ItgHT  ItgHTC   KÄTÄ  06  FfTÄYTÄAC   eTOOTOY 

rtftefteioxc  it(n'  itertTÄYitÄY  git  iteYÄÄ^ 
xiit  itjaopn.        eÄYjÄjoüne  itgYne 

pe^THC   Jütnu)A.XC.  A^C^OKCI   ftA.1    gOJ 

oü*T  eA^iciJüte  xift  ftujopn  qJx  nnrpc  gcrtcitHY 
itgA^K  npoTpene  jutjutoi  eTpÄTÄUtoüTit 

eitXOÜOÜJÜte   ft*TA.YKA.ftOÜftl^C   JütJütOOY 
eÄYTAÄY   eTOOTIt .  gOÜC   €ÄYTAItgOY 

TOY  X€  geite&o^  S'"^*^  nitoYTe  ite. 
xeKA.c  nert*TA.YA.nA.TA.  jutert  jutjuioq  cqe 
TtfÄeto  ititeitTÄYnTvÄitÄ.  JUtJUioq 
nertTA.qtfuj  2l€  eqoYox  eqepA.}:ye  CYi" 


1)  80  stets  statt  it^^noRpf^on 

2)  1.  e«^nixc 

8)  Die  Stelle  verderbt,  1.  cncrui  ^ni^eipe 

4)  T'&'i,  als  wenn  *re*Tp«^^H  vorherginge,  wie  im  Griech.  der  SingoL 


der  Osterfesibrief  des  Atbantsias  vom  J.  367.  173 

ftuirtt^e  ÜJüiooY.    iiArruA.'i^A.iA.  jutert 

2LtA.eHKH.      XOYTCflOOYC   flG   gl?  TeYHn€ 

itAt  rÄ.p  itefiTA.YTÄ.Ä.Y  enrooTit  goüc  evgAg 
THfi  itg€&pÄ.ioc  fiTeige.    ttä^ic  Xe  it 

TÄiltOJÖOY  AYOJ  flÄl   lt€   lt6VpA.lt 


njyopii  n€  Tvcitecic.    Hititcoüc  TegoÄ^oc 
eixA.  n?\6Yei*Tiicoit.    JutititcA.  m^t  Xe  itA. 
pieiütoc.    Axuj  nXcY^repoitOJütioit 

7\0in0lt  IHC  rritA^YH  axuj  ltClcpi*THC 

jud?  gpoYe.    juiititccüc  neqTOOY  itxoüoü 

•ic  ! 

juie  it&A.c?M A. ').    nj^yopn  juieit  rrxoüoüjutc 

JUÜt   nSJLBQCStAX   CYOün  lAJmOOY   60YA. 

nsjLBQ^OMjJi'T  sjjR  nJütcgq^TOOY  eYOjn  jui 

JütOOY  60YA..      JütmtCA.   ItA.!   nSCItA^Y   ItXU) 

uüjuie  itJuinA.pA.?\cinojütcitoit  eYoün  üjüiooy 
eoYA..    gojuioioüc  oit  nujopn  jutit  njutcg 
citA.Y  itxoüuijuie  eYcxin  iajüiooy  coya. 
juütitciuc  nxuicjüjuic  itite\|/A.?NJütoc 

sie! 

AXiJJ   JütnA.ppOIJUllA..      i^TA.   neK?\HCIA.C*THC') 

AAit  u'XiA}  ititxu).    exit  itA.i  2Le  oit  ioü& 
7\oinoit  itenp(Ki>HTHc.    JuiitTcitooYC 

jütert  JLuip(Ki>HTHc  eYuin  üjüiooy  eYxiu 

UÜAA€   ItOYUJT      nitItCA.  tHCA.IA.C^) 

A.YUi  icpHJUiiA.c  eYgonrp  itnjüiA.q  JiSf  &A. 
poYJC  A*^  iteepHitoc  iiit  TcnicTroTvH. 

A.YUI  AAltltCA.   nA.i  ie^eKIH?\  A.YU)   2LA.ItlH7^ 

ÜJA.  neiuA.  itA^i  ite  itxajuijüte  itTnA7\A.iA. 


1)  l.    IjLlIpIU&C€<fC 

2)  L  nA*.ciAi«i> 

8)  L  ncRRXKa«hC*rRC 

4)  L  juinnc«^  n«i.'i  HC«hi«hC 


oe 


174  C.  Schmidt, 

6Te  itAi  it€  neqTOOY  rrevÄrre^ioit 

niCA.*TA.  ^OYKÄC   nKA.*TA.   lOÜgA^ltltHC 

ciTA  rrenpÄgic  ititAnocTO?\oc 

A.YOÜ  TCAj^yqc  ftenicTo?\H  ftKA.eo?Micoft 

ovei  juteit  itTe  ia.icoüAoc  citTc  itTc  neTpoc 


E22r 

cyojüt^TC  ittoügAftrtHC  Keovci  nxc 
ioy2^a.c  €xn  itÄi  2^6  jmnTÄqTC  itcnic 

TO^H   itT€    nÄ.Y?\OC   nAnOCTO?\OC.      €Y 
CgAl   JUtJUtOOY   KÄTA  TÄgIC   ItTeigC 

Tujopn  Te  Tenpoc  gpu)JütA.ioc  juirmcoüc 
TcitTc  lÄnpoc  Kopifteoc  eiTA  Tenpoc 
gcApAtoc.    ciTA  Tenpoc  icä?\athc. 
A.YOÜ  Tenpoc  ec|>ecioYc  eiTÄ  Tenpoc 
c|>i?MnnHcioYc  AXiJJ  Tenpoc  ko^oc 
CA.eic  JütftftcA.  fiAÜ  TCftTe  Unpoc  eec 
cA.?\ortiKeYc.    iutftftcoüc  TcrtTe  juinpoc 
Tiiioeeoc  A.YOÜ  Tenpoc  titoc.    en^e 
Tenpoc  ^i?\HJütoürt .    HaticA.  ttAÜ  Xe 

■ie! 

TÄ.nOKA7^Yll\[/IC  lttOÜgA.ftltHC .      ItÄt  ite 

Sic! 

juinYrH  JuinoYXAi.    gojcTe  neTO&e 
iLiApeqA.no7\A.Ye  ftrtu|A.^e  eTitgHTOY 
eYTA.}jjeoei}:y  rÄ.p  ftTec&ui  itTJtiitTeY 
ce&HC  ETfigHTOY.    JuinpTpe-pcxjiie 

OYOJg  eXfl  ItAI  AXUJ  AuipTpeYqi  ItgH 

TOY.    itTA  n^oeic  rAp  xnio  rtftcAJ&^OY 
KA.toc  ctBlHHTOy  eqxoü  juuutoc  xe  teti? 

•ic! 

n7\A.ftA.  ItTETItCOOY  ^)  Alt  ltfterpA.c|>H  OYT€   TÄÖJül 

juinitoYTe.    Aqi"cÄoü  Sle  oit  itntoYiLAt 

eqxuü  Ajumoc  xe  ^ot^t  itfterpA.^H  xe  fteTim 

SJLAX  fteTpjutirrpe  eT&HHT.    xcka^c  ^e 


1)  L  nTc^rncoorn,  im  Ms.  oy  als  Ligatur 


der  Osterfestbrief  des  Athanasius  Tom  J.  367.  176 

rief 

eiitA.cc|>A.7M;^6  0  lAAiuiTit  enegovo  +itA 
ov€g-nciiccu)Axe  itA.itA.ricA.ioit  cxit  itcit 

TÄIXOOV   Xe   OYlt  -  gCltKEXOÜOÜJUlC   JJLSJLAX 
JxnK07\  ltltA.1  AAnOYKAltUJlti;;C  jüluooy 

eÄVTojaov  Ä.e  giTit  iteiteioTe.    eTpevojyov 


itcTitA.ei  egovit  it&ppc.    ävuj  ctov 
ojja  eTCA&o  enujA^c  nTAiitTevce&Hc 

TC04>IÄ  itCO?SOAlUJlt   TCOc[>IÄ^   AAnujH 

pe  ItCipÄ^C  ÄVOJ  CC0Hp  A.YUJ  iov2.i0. 

•ie! 

AYOJ   TOJ&IAC.      AAlt   T2.ICKA7MKH^)   ItltA^HOC 
T07\0C      ei(AjAXC    Alt   eTCTOVÄUJ   JÜLUOC 
epOC  XC   CCTtflXCIO  nn2.CYTCp01tOAA101t 
AYOJ   Oft  nnOIAAHlt.      gOAAAlOJC^)   OJ   ItA. 

AiepÄT€  gü  nTpe-iteneioTC  KAnouftii^e 
mtj£|opn  tttiXiUJUJSLXB^)  itceTeuj - it a.i 
Xc  6TpeYO}^oY.    AAnovpnAACCYe  en 
THpq  it?\AAY  it(AjA^c  rtAnorpA^^it 

A.?S?\A.  T6IIC0TC   ItTeiAAlIte   TAltgAipeTIKOC 
T€.     HtGOV   TÄp   ItETCgÄI   JÜUUtOOY  AinitAV 

€Tovajja*).    Axuj  ceoveg-xpo'^oc  cpoov 

X€1CAC   eVCitTOY   €A0?^  git   ItAp^AlOlt 

itce6it-ee  itA.nA.TA.  reite igA.n7\0YC.    ov 
itoiT^e  Te  TJJUtTitA.jaTgHT  mteTEipe 
ititAi.    A.Yaj  CTpgoTC  A.it  gHTq  jJtnixjA. 
X6  eTCHg  xe  ftitETitoYuag  exjji  h^aja. 

^C  €+ßajlt  JÜUUtOq  €TOOTTH VTS  .      OVT€ 

ititeTitqi  e&o?\  itgHTq.     itijji  n6itTA.q 
Tp€-itgA.n?\orc  nicreve  xe  itACituix 


1)  cifMi«x^Ai7e 

2)  L  Tco^i«k  lUHarjf 

8)  L  ^iiA^H  oder  ^i^^ck^Ai«^ 

4)  1.  {oaainc 

5)  besser  wohl  nviniiijuie 
6^  L  cxoYo^pnijg 


174  C.  Schmidt, 

cTe  ffAi  ffe  neqToov  rfcvATTeTMorc 

nKA.TA.  ?SOYKAC   nKA.TA.   lUlgAftltHC 

eiTA.  ftcnpA^^ic  itftAnocToT^oc 

A.YUJ   ^CAC;9qC   ltCniCTO?SH   ftlCA.0O?MKOlt 

ovei  jjieit  ffTe  iAKui&oc  citTe  itTe  ncTpoc 


222; 

UJOAATC   ltlUJgA.ltltHC   KEOYCt    ItTe 

lOY^AC  cxit  ftAi  2Le  AAftTAqTe  itcnic 
To7\H  ItTe  nÄV?soc  n AnocToTsoc .    ev 

CgAl   AIAIOOV   KÄTÄ  TÄ^IC   ftTCIge 

Tjaopn  Tc  Tenpoc  gpujAAA.ioc  jjtrmcujc 
TCffTe  Hnpoc  Kopmeoc  eiTÄ  Tenpoc 
gc&pAioc.    eiTÄ  Tenpoc  icä?\äthc. 
A.YUJ  Tenpoc  e4>ecioYc  eiTÄ  Tenpoc 
4>i7MnnHctoYC  a.yuj  Tenpoc  koT^oc 
cA.etc  jjiftftcA.  ttAA  TcrtTe  Hnpoc  eec 
cAT^oitiKevc.    jjiftftcujc  TcitTe  jjinpoc 
TiAAoeeoc  Axuj  Tenpoc  titoc.    eng^e 
Tenpoc  4>i^HAAUJit.    JxnJicA.  ttAÜ  ^e 

■ic! 

TAnOKA.?\YAA\|/IC  ItlOÜgAftltHC .      ItAI   Ite 

riet 

jjinvrH  jJtnoYXÄi.    guicTc  neTO&e 
jL&A.peqA.no?\A.Ye  ftit(ijA.xe  eTitgHTOV 
evTAtyeoeicy  rAp  itTecAuj  iiTJJtitTev 
ce&HC  eTit^HTov.    jJtnpTpe-puüjjte 
oYOjg  exn  ftAi  AYoj  jjinpTpevqi  ft^H 
TOY.    itTÄ  nxoeic  r^p  xnio  mtcA^^^ov 
ICA.IOC  €tBlHHT0V  eqxoj  ijtjjioc  xe  TeTit 

•ic! 

n7\A,iiA.  itTeTitcoov  *)  ah  ititerpA.4>H  ovTe  täÖjji 
jjinitOYTe.    Äq+cAoj  Ä.e  oit  itrfiOYÄ.Äi 
eqxoj  JULUOC  xe  goT^T  rrrrerpA.<l>H  xe  iteTJJi 
jULAY  iteTpjüurrpe  eTBiHHT.    xeicA^c  ^e 


1)  L  nxe*riicoaYn,  im  Ma  o^  als  Ligatur 


der  Osterfestbrief  des  Athanasias  Tom  J.  367.  176 

■ie! 

0Y€g-nCIIC6U)A.XC   nA.ltA.rKA.l01t   CXI?  itcit 
TAIXOOV   Xe   OYlt  -  gCltKEXUlOÜAAC   AAAAAY 

Jiußio7\  mtAi  AAnoYKAftami;;c  jüuüiooy 
cAVTOjaov  7s.B  giTft  fterrcioTc.    eTpevojyov 


ftcTitAci  egovit  n&ppc.    ayuj  ctov 
ojuj  eTCAKo  cn^AXC  itTAirfTevceÄHc 
TCo4>iA  itco?soAiujn  tcoc|>ia^  Sixumn 

pe   ftCipAX   AYOJ   CC0HP   AYUJ    IOY^I0. 

•io! 

AYOJ   TOJ&IAC.      JJllt  T^ICKATMKH^)   ItltAHOC 

To?soc    ei(AjAxe  Alt  eTeTOYXoj  juuutoc 
CpOC  XC  ECTtfACIO  nn2.eYT8poitoAAioit 

AYOJ   Olt  nnOIAAHlt.      gOiülAlaJC^)   OJ   ItA 

jjtcpATc  gü  nTpc-ftcftcioTC  KAnoufti^e 
itit}ijopn  itftxujujAAE  ^)  rrce^ejij  -  it AI 

XC   6Tp8YO(AjOY.      AAHOYpnAACeYC   BU 
THpq  ?r?\AAY  it(AjAX6  ftAHOrpA^n 
A?S?\A  T6IK0TC   It^CIJJimc   ^AftgAipSTIICOC 
T€.     itTOOY   TAp   It^TCgAI   JÜUUtOOY  AlHltAY 
eTOYOJja^).      AYOJ  CBO^BQ'XP^^^^   €pOOY 
XCKAC  €Y€itTOY   eAo?S   gl?   ItAp^A^IOIt 

itce6jt-e€  itAHA^A  ititeigAn?soYC.    oy 

ltCMr^€  T€  TJJtltTItASäTgHT  ItltCTCipC 
ItltAI.      AYOJ   €XpgOT6   Alt   ftHTq  AAH^A 
X6  €TCHg  xe  itlteTitOYOUg  EXJJI  H^Aja 
^€  e+gOUIt  JÜUUtOq  eTOOTTHYTIt .      OYT€ 

itit€Xitqi  €Ao7\  itgHTq.     itijjt  ncitTAq 
Tpc-itgAnTvoYC  nicTCYe  xe  itAeitoux 


1)  cin«k«^^Xi7e 

2)  L  nrco^i«k  lUHarjf 

8)  L  ^j^^A^^H  oder  ^i^b^cKa^AiA^ 

4)  1.  {ojuiinc 

5)  besser  wohl  nwauuie 

6)  L  cxoYOYtojg 


176  G.  Schmidt, 

cyoon    gA.0H   IIUUJYCHC      CflO?S  TOÜlt 

X8  evrcA^xoGC  xc  ovitTe  -  hca.ia.c  xujuj 

gIXit  ftTOOV  GTxoce  git  OVaA^ppHCIA. 

A.YUJ  6*Txa)  iJiAAOc  xc  ftci(AjA^e  A^it  git  ov^oun 


pOH 

ovrfTc  -  AiujvcHc  xoüujAAc  ftA.norpA<l>oit 
nAi  itTÄqTAve  -  nÄ^evTeporf OAiioit  eq€i 
pe  itTne  xxtt  uka.^  üjmitTpe.    a7\7\a.  nei 
guj&  nKc7\A.AY  A.it  ne  eiJUiHTet  cvguig 

JÜUUtAA.XC.      Ali?  OVtflitepety^T  ttTAlltT 
CYCC&HC.      A^VOJ   OYtftftA.piCKC   ftftCglOAAC 

A.qu)pnu)A.xc  ^e  c*T&e  npuijuie  itTiAAiite 

fttfr  HÄVTsOC   CqCgA.i  iJtncqAAA.0H*THC   X€ 
OYft-OYOCIU)   ftA.U)UJnC   ftCCftA.A.ftC^C   A.n 

itTecKoj  eTOVox  äTsT^a  kätä  itevov 
uau)  nutiftc^)  njutoov  ccftA^no  m^x  rt 

genCA^g  Cpe  ftCYAAA.A^C  8^6*     A.Yua  f? 
CCK*TO  AACIt  ftltCYAAAA.XC   C&0?S   gl?  *TiLie 

ffcefLoüK  git  gcitu)&uj.    gl?  oYJJic  rÄp 

■io! 

g6itu)x^&aj  itA*)  nA.norpA.4>oit  axuj 
OYguj&  eqcyovciT  ne  n^-gTaq  epoov 
e&oT^  X€  gelte AAH  evjöoveiT  ne.    axuj  ev 
BlHT.        itAi  r^p  geitApxH  itcTÄCic  ite. 
A.YUJ  neiciconoc')  itTeiAinte.    ov+Tojit  ne 
ngenpujAAe  ev^ine  A.n  ncA.  Tnoqpe 
nTeKKT^HciA.  A,7\7\A,  eveneievAAei 
exi  itgenTÄeio  eflo?s  giTit  neTovAnÄTÄ 
üuooY.    xeicA^c  gjui  nTpe vTÄve  -  genjöÄ 


1)  L  juiAjan 

2)  L  ne 

8)  im  Ms.  das  erste  c  übergeschrieben. 


der  Osterfestbrief  des  Athanasius  vom  J.  $67.  177 

x€  n&ppe.    eveAAccYc  epoov  xe  geitno6" 
ne.    OYKOvft  ncxc;9^c  nc  expcnnApA.1 
Tel  ftftctxajujjuie  nTCiJuiifte  KA.n  CY^Ait 

Sic: 

ge  VAp  eV^A^XC   It^CPVCIJtlOIt   ItgHTOV.      A7\ 
7\A,  ItAlfOV  niCTEVe  ItAV  Alt      OVgUJ& 

r Ap  ne  n AiitTAiit'Tn Aitovproc .     ititeit 


Uebersctznng. 

[Jesus  sprach  za]  p.  i7i  seinen  Jungern  ((lad'fiTai) : 

gWas  ich  euch  in  der  Finsternis  sage,  sprechet  es  aus  im  Lichte! 
und  was  ihr  mit  euren  Ohren  höret,  verkündet  es  auf  den  Dä- 
chern"*), Denn  (yap)  die  Worte,  welche  die  Jünger  (juxd'tittti) 
verkündigten,  waren  nicht  die  ihrigen,  sondern  (iXXd)  die,  welche 
sie  vom  Erlöser  {öoti^Q)  gehört  hatten.  Deswegen,  selbst  wenn 
(x6v)  Paulus  lehrt,  ist  es  vielmehr  (illd)  Christus,  der  in  ihm 
redet,  und  selbst  wenn  (x&v)  er  in  betreff  des  Herrn*)  sagt:  „Er 
hat  Lehrer  in  den  Gemeinden  {ixxlij0iai)  gesetzt",  so  unterrichtet 
er  sie  vielmehr  (illd)  zuerst  und  darnach  sendet  er  sie  aus. 

Ein  jeder  nun  zwar  (jiiv),  der  in  der  Creatur,  —  ihre  Natur 
{ip^^s)  ist  belehrt  zu  werden,  unser  Herr  aber  (dd)  und  unser 
Schöpfer  {df^fiiovQyög)  ist  ein  Lehrer  von  Natur  (Korä  fpvöiv)^  denn 
(yäo)  er  ist  nicht  durch  einen  andern  unterrichtet,  um  Lehrer  zu 
werden,  vielmehr  {&XXd)  alle  Menschen,  selbst  wenn  {x&v)  sie  Lehrer 
genannt  werden,  sind  zuvor  Schüler  (jiad'titai)  gewesen.  Auch  leh- 
ren sie  einen  jeden,  indem  der  Erlöser  (tfoiTijp)  ihnen  die  Erkennt- 
nis des  Geistes  (sri/^vfta)  darreicht  (xoQtiyetv)  %  damit  „sie  alle  von 
Gott  gelehrt  sein  werden"^).  Unser  Herr  aber  (dd)  und  unser 
Erloser  (^onrijp),  Jesus  Christus,  gleichsam  {ig)  der  Logos  (Xiyog) 
des  Vaters  und  durch  keinen  andern  unterrichtet,  er  ist  mit  Recht 
{dinatag)  allein  der  Lehrer^),  wie  {xa^mg)  ich  euch  gesagt  habe. 
Daher  {&0u)  „wunderten  sich  die  Juden,  da  sie  ihn  hörten,  und 
sprachen:  «Wie  versteht  dieser  die  Schriften,  da  er  nicht  unter- 


1)  MattlL  10. 27. 

2)  1  Cor.  12,28.    Ath.  hat  das  überlieferte  ^i6g  in  nvQiog  Yerwandelt,  du 
DOfl  Auf  Christus  gedeutet  wird, 

8)  cf.  PhiL  1,  19. 

i)  Joh«  6, 46. 

5)  et  Matth.  23, 8. 

Kf L  0«.  C  WiM.  VtckHcklM.    Pkllolof  .-Uitor.  Dan«  189S.    Hfl.  9.  12 


178  0.  Schmidt, 

richtet  ist  ?"  ^).  Deswegen  nun ,  weil  er  in  der  Synagoge  (öwa- 
ycoyi})  lehrte  und  die  Kranken  heilte ,  verfolgten  ihn  p.  172  die 
Juden.  Deswegen  von  ihren  Füßen  bis  zu  ihrem  Haupte  sind  sie 
nicht  gewesen  entbehrend  der  Wunden  noch  (offw)  der  Striemen*), 
sondern  {ikX£)  eine  derartige  Frechheit  (roAfii^p^a)  ist  ihnen  zur 
großen  Thorheit  geworden.  Denn  {yiff)  »nicht  sind  sie  verständig 
geworden",  wie  (xad-cäg)  geschrieben  stehet'),  „noch  (oCr«)  weise 
geworden,  sondern  {&kka)  sind  wandelnd  in  der  Finstemiß"  *). 

Und  zu  ihnen  sind  aus  den  Häresien  (atgiöeig)  diese,  mit  wel- 
chen  sie  sich  selbst  vermischt  haben,  die  elenden  Meletianer  [ge- 
kommen]^). Dadurch  daß  sie  ihn  (den  Herrn)  verleugnen  {AqvbX' 
6d'ai),  wandelten  sie  an  Orten,  in  denen  kein  Wasser,  und  haben 
verlassen  die  Quelle  («i^yi})  des  Lebens  ®).  Deswegen,  selbst  wenn 
(x&v)  sie  inbetreiF  des  Passah  (jtdöxcc)  reden,  [so  geschieht  es]^  in 
Verstellung  {{fnöxQiötg)  um  der  Ehre  der  Menschen  willen,  und 
ein  Trauerbrod')  ist  ihre  Versammlung,  weil  sie  böswillig  (xaxöff) 
gegen  die  Wahrheit  sinnen.  Daher  (Böte)  spreche,  wer  eine  der- 
artige Versammlung  sehen  wird,  das  Wort,  welches  gleichsam  (ib^) 
für  sie  passend  (itQSTtHv)  geschrieben:  „Warum  toben  die  Heiden 
{id'VYjD  und  sinnen  {iisketäv)  die  Völker  (Xaoi)  Nichtiges?"  •).  Denn 
(ydo)  es  versammeln  sich  die  Juden  nach  Art  des  Pontius  Pilatus, 
die  Arianer  aber  (öe)  und  Meletianer  nach  Art  des  Herodes,  nicht 
damit  sie  feiern,  sondern  {ilkd)  damit  sie  den  Herrn  verlästern, 
indem  sie  sprechen:  „Was  ist  Wahrheit"  *°),  und  wiederum:  „Hin- 
weg mit  diesem,  kreuzige  (atavQovv)  ihn,  laß'  uns  aber  (di)  Bar- 
abbas  los"  ").     Denn  {ydQ)  wie  Barabbas  zu  bitten  (aitBt0^i)  ist 


1)  Job.  7, 15. 

2)  cf.  Jes.  1,  6. 

8)  Dieselbe  Stelle  yod  den  Jaden  in  epist  fest.  19,  cap.  2  (ed.  Mai),  wie 
aberbaupt  dieser  Brief  groBe  Yerwandtscbaft  zeigt. 

4)  Psalm  82,  5. 

6)  leb  erg&nze  dieses  Verbum  dem  Sinne  nacb,  da  der  Text  verderbt  ist;  die 
Constraction  des  kopt.  Satzes  ist  anklar.  Man  kann  aach  übersetzen :  „diese, 
welche  sich  selbst  mit  ihnen  vermischt  haben*. 

6)  cf.  Jerem.  17, 18 ;  2, 18. 

7)  Vielleicht  ist  die  Erg&nzung  annötig  ond  also  za  übersetzen :  „.  .  .  .  in 
Verstellong  a.  d.  E.  d.  M.  w.  reden,  so  ist  ein  Trauerbrod  etc.« 

8)  Bezieht  sich  auf  die  ätviia  der  Jaden.  Die  Meletianer  können  ebenfalls 
das  Osterfest  nur  in  Trauer  feiern  and  das  Brod  genieften,  weil  sie  Christas  ver- 
leognen.  In  epist.  fest.  19,  c.  1  redet  Ath.  von  den  Heiden,  die  nms  Brod  trauern. 

9)  Psalm  2, 1. 

10)  Job.  18, 88. 

11)  Luc  23,18.21;  Job.  19,15. 


der  Osterfestbrief  des  Athan&stns  vom  3.  367.  17d 

za  sagen'):  p.  173  „Ein  Geschöpf  ist  der  Sohn  Gottes"  und  „es 
gab  eine  Zeit,  wo  er  nicht  war''  *). 

Dies  ist  nun  kein  Wnnder,  daß  sie  tot  in  ihrem  ünglanben 
{i*i0tia)  geblieben  sind,  dadurch  daß  sie  gebonden  sind  an  ihre 
bösen  Gedanken,  wie  die  Aegypter  an  ihre  eigenen  Wagenachsen 
(iiovig)  gebunden  wurden*).  Wir  aber  (di)  mögen  jetzt  wiederum 
feiern  gemäß  (xat£)  den  üeberlieferungen  {xaQadöasig)  unserer 
Väter,  indem  wir  die  heiligen  Schriften  (ygatpai)  besitzen,  die  für 
uns  genügen,  um  uns  vollkommen  zu  belehren.  Wenn  wir  in  ihnen 
mit  Aufmerksamkeit  und  gutem  Gewissen  {övvsidtjaig)  lesen,  „wer- 
den wir  sein  wie  der  Baum,  der  gepflanzt  ist  an  Wasserlänfen, 
der  seine  Frucht  (xa^fitög)  bringen  wird  zu  seiner  Zeit,  und  dessen 
Blätter  nicht  verwelken  werden*). 

Aber  ^)  (iXXd),  da  {ixsidi^)  ich  ja  gesagt  habe ,  daß  die  Haere- 
tiker  (atQcnxoi)  eitel*)  sind,  daß  wir  aber  (di)  die  von  Gott  ein- 
gegebenen Schriften  (yga^C)  besitzen,  um  durch  sie  gerettet  zu 
werden,  und  ich  fürchte,  daß  etwa  (jiiixmg),  wie  (xa^Ag)  Paulus 
den  Eorinthem  gcsdirieben  hat ,  „durch  Menschenarglist  ( —  xa- 
vovqyCo)  Arglose  (iatiQaiOi)  von  der  Lauterkeit  {&xk6xrig)  und  Hei- 
ligkeit ab,  die  zu  Christus  führt'' ^),  verführt  (Kkava6ftaC)  werden 
und  in  Zukunft  {koi%6v)  beginnen  {&Q%B6f^aC)^  in  den  Apocryphen 
{jk%6%QVffa)^  zu  lesen,  getäuscht  {iitat&6f^ai)  durch  den  Namen 
von  echten  Büchern,  gleichsam  {üg)  als  gehören  jene  zu  ihnen  *)  — , 
so  ermahne  (naQaxakBlv)  ich  euch,  auszuhalten  {(kvi%B6^aC)  und  zu 
sehen '"),  p.  174  ob  die  Bücher ,  welche  ihr  kennt ,  diese  sind ,  von 
denen  ich  euch  wegen  der  Notwendigkeit  {ivd^xri)^^)  und  des 
Nutzens  {iQ^Ca)  der  Kirche  (ixxXijaia)  schreiben  will. 

Indem  ich  aber  {di)  den  Entschluß  fasse,  [dieser]  '*)  zu  geden- 


1)  d.b.  beides  stebt  aaf  gleicher  Linie. 

2)  Der  kopt.  Text  bietet  f&lschlieb  „es  wird  eine  Zeit  geben,  wo  er  nicht  ist*. 
8)  Äthan,  denkt  wohl  an  Ezod.  H,  26. 

4)  Psalm  1, 8. 

8)  Hier  beginnt  der  griech.  Text 

6)  Im  griech.  Texte  m«^/,  bexogea  auf  das  Vorhergehende:  ^tot  in  ihrem 
ünglanben*«  Das  kopt.  Wort  entspridit  einem  griech.  (tätatoi  oder  uivoi,  wQrde 
sich  alao  aof  das  Ciut  Ps.  2, 1  beitieben. 

7)  2.  Cor.  11,8.  Bemerkenswert  die  Lesart  ««1  rfg  ayr^n^ro«;  den  Znsatx 
ri)g  t/e  Xffiet69  resp.  tig  tlhf  Xq,  hat  der  Kopte  nach  dem  Qrnndtexte  gemacht. 

8)  Der  Kopte  bait  stets  it%^^€upa  st.  dsr^n^v^. 

•)  Das  Gaaae  mehr  parapbrasirt  als  wörtlich  Qbersettt. 

10)  Der  Kopt.  amschreibt  hier. 

11)  Im  Text  ftlachlich  dyibfi|. 
li^  Im  Text  aosgefallea« 


l80  ^'  Schmidt, 

ken,  werde  ich  mich  des  Vorbildes  (tiinog)  des  Evangelioms  ^)  {ei- 
ayyiXtov)  des  Evangelisten  (siayysXiatrig)  Lucas  bedienen  (xQäöd'aL)^ 
indem  ich  mein  Wagnis  {rokiiYiQia)  empfehle  {öwLötdvai)  und  selbst 
also  spreche :  [Da  nun  {iiCBid^iCBQ)  einige]  *)  versucht  {ini%Eiiftlv) 
haben,  für  sich  selbst  die  sogenannten  Apocryphen  {induffvtpa)  zu 
verfassen  und  sie  mit  der  von  Gott  eingegebenen  Schrift  (ypayij)') 
zu  vermischen,  diese,  in  der  wir  beglaubigt  sind,  wie  (xad-raff)  sie 
unseren  Vätern  *)  überliefert  haben  die,  welche  von  Anfang  an  mit 
ihren  Augen  gesehen  haben  und  Diener  {iTtif^ixai)  des  Wortes  gewor- 
den sind,  —  so  habe  auch  ich  mich  entschlossen  {doxBlv\  indem  ich 
von  Anfang  an  erforscht  habe,  —  dadurch  daß  echte  *)  Brüder  mich 
bewogen  {xQoxQinBiv)  haben  ^  —  euch  zu  zeigen  die  Bücher,  welche 
sie  kanonisirt  {wivovlisiv)  und  uns  überliefert  haben,  und  die  gleich- 
sam {hg)  beglaubigt  sind,  daß  sie  von  Gott  sind,  auf  daß  der,  welcher 
getäuscht  {7ikava6^aC)  ist^),  diejenigen,  welche  ihn  getäuscht  {nka- 
vav)  haben,  verdamme,  wer  aber  {ßi)  rein  geblieben,  sich  freue, 
indem  er  an  die  kanonisirten  {xavovClBiv)  Bücher^)  erinnert  wird. 

Die  des  alten  (^raAatct)  Testamentes  (dtadijxi})  sind  22  an  ihrer 
Zahl,  denn  {yAo)  dies  sind  die,  welche  uns  überliefert  sind,  indem 
sie  sind  gleichsam  {üg)  bei  uns,  also  [bei]  den  Hebräern').  Die 
Ordnung  {ta^ig)  aber  {di)  ihrer  Vorlesung  und  ihre  Namen  sind 
diese:  p.  175. 

Zuerst  Genesis,  dann  Exodus,  dann  (bIxu)  Leviticus,  nach  die- 


1)  Fehlt  beim  Griechen. 

2)  Im  Kopt.  sind  durch  den  gleichen  Anfang  von  insidijn.  and  inix^tgsCv 
die  beiden  ersten  Worte  ausgefallen. 

3)  Im  Kopt.  der  Plural  ygatpai^   doch  im  Relatirsatz  ebenfalls  der  Singular. 

4)  Der  Kopte  hier  wie  im  Folgenden  to^g  natQdeiv  iiii&9.  Der  Syrer  um- 
schreibt den  ganzen  Gedanken. 

6)  Das  kopt.  Wort  ^«^k  entspricht  eigentlich  dem  griech.  intHwig,  vertritt 
hier  yniatog. 

6)  Der  Kopte  hat  beide  Sätze  umgedreht  statt  des  Griech.  nQOtQonivTi  und 
lui^ovTi;  auch  ist  bei  in^ic^ai  das  i^ljg  ausgefallen. 

7)  Der  Kopte  übersetzt,  als  ob  er  statt  ünactog  al  fUv  ^onj^ip  —  6  iilv 
'ipttttfiiUpog  gelesen,  ebenso  6  dh  na^a^bg  dutfuivag.  Da  die  Ausgaben  auBer 
Pitra  6  9\  hm^.  duc^,  bieten,  so  scheint  eine  Conformation  des  ersten  Gliedes 
▼orzuliegen. 

8)  Zusatz  des  Kopt,  darum  fehlt  im  n&chsten  Satte  ß^ßUa. 

9)  Der  Uebersetzer  hat  offenbar  das  Griech.  tocai^a  yd^  ^  ^novtfa  nal  xii 
0TO«2**'<K  9^9*  ^Ep^ü>ig  thai  xa^fadiSoxai  nicht  verstanden  und  nuQuSiSotai  auf 
die  Ueberliefemng  der  kanon.  Bücher  statt  aof  die  der  hebr&iscben  22  Bachstaben 
belogen.    Es  scheint  aber  «ach  eine  Textverderbnis  voraali^n. 


der  Osterfestbrief  des  Athanasias  toiii  J.  367.  181 

sem  aber  (di)  Numeri  imd^)  Denteronomimn.  Femer  (lomöv)^ 
Josna ,  Sohn  des  Nun ,  und  Richter  und  Rath.  Darauf  4  Bücher 
der  £onige,  das  erste  {{liv)  and  das  zweite  Bach  werden  als  eins 
gerechnet,  das  dritte  and  vierte  [ebenfalls]')  als  eins  gerechnet. 
Nach  diesen  die  beiden  Bücher^)  der  Chronik,  gerechnet  als  eins, 
ebenso  (ifioims)  *)  das  erste  und  zweite  Buch  [EsraJ  ®) ,  gerechnet 
als  eins.  Darauf  das  Buch  der  Psalmen  und  ^)  die  Sprüche ,  dann 
(Blta)  der  Prediger  und  das  Hohelied;  zu  diesen  aber  (di)  auch 
Hiob.  Femer  (XoiJtöv)  die  Propheten,  zwölf  {iilv)  Propheten^  als 
ein  Buch  gerechnet;  nach  diesen  Jesaias  und  Jeremias,  indem  mit 
ihm  verbunden  Baruch  und  Klagelieder  und  Brie?,  und  nach  diesem 
Ezechiel  und  Daniel.  —  Bis  hierher  sind  die  Bücher  des  alten 
{xaXaid)  Testamentes  (dtadi{xi}). 

Die  des  neuen  (xaivii)  Testamentes  (ßia^iixfj)  —  nicht  ziemt  es  sich 
uns  Bedenken  zu  tragen,  sie  zu  sagen  —  d.  h.  diese :  Vier  Evangelien : 
das  nach  Matthaeus,  das  nach  Marcus,  das  nach  Lucas,  das  nach 
Johannes.  Dann  {nra)^)  die  Acta  der  Apostel  und  die  sieben  ka- 
tholischen Briefe  ^^) ,  einer  des  Jakobus ,  zwei  des  Petrus ,  p.  176 
drei  des  Johannes,  ein  anderer  ^^)  des  Judas.  Zu  diesen  aber  {6i) 
14  Briefe  des  Apostel  Paulus ,  geschrieben  in  der  Ordnung  (xard 
xi\/Lv)  also :  Zuerst  an  die  Roemer,  darauf  zwei  an  die  Korinther, 
dann  (ctra)  an  die  Hebräer,  dann  {dxa)^*)  an  die  Galater  und^') 
an  die  Epheser,  dann  {Blxa)  an  die  Philipper  und  an  die  Colosser. 
Nach  diesen  ^^)  zwei  an  die  Thessalonicher ,  darauf  ^^)  zwei  an  Ti- 
motheus  und  an  Titos,  zuletzt  an  Philemon^^).  Nach  diesen ^^ 
aber  {8i)  die  Apocalypse  des  Johannes. 

1)  XoM6if  fehlt. 

2)  liier  steht  loisrtfv  tUtt  i^f^i  9i  tovtoig, 

3)  6iioi<og  fehlt. 

4)  Griecb.  %Q&tov  %al  SivttQOv  Snoiag. 

5)  6^ü^  aus  dem  Yorhergeheodea  statt  iha, 

6)  Der  Name  aus  Versehen  atisgefalleu. 

7)  »iftg  fehlt. 

8)  Griech.  nur  of  i^hv  Smdtwu, 

9)  nal  i^ttä  TaOra  fehlt  wie  in  andern  grierb.  Codd. 

10)  Der  Kopte  hat  uaXov^9<u  rAv  &»oct6lm9  und  ovtc»^  ausgelassen.     Der 
Sjrer  fibersetit:  „7  Briefe,  die  also  sind*. 

11)  Grieeb.  vai  fitra  ta^ag. 

12)  nal  iura  ta^ag  fehlt. 
18)  lifig  fehlt 

14)  MoDtfaucon's  Aasgabe  bietet  hier  auch  ft$tic  tavrag. 

15)  8utt  i^4^  entweder  {ifjg  oder  »lut  gelesen. 

16)  Bei  Titos  and  PbUemon  fohlt  lUa. 

17)  Griedt  tuA  ndUv. 


180  0-  Schmidt, 

ken,  werde  ich  mich  des  Vorbildes  (fönog)  des  Evangeliums^)  (ei- 
ayyikiov)  des  Evangelisten  {BiayyBkCiSxrig)  Lacas  bedienen  {xQa6^ai\ 
indem  ich  mein  Wagnis  (roAftt^p^a)  empfehle  {öwiötdvai)  und  selbst 
also  spreche :  [Da  nun  (ijtBidi^jtSQ)  einige] ')  versucht  (ixixsiQstv) 
haben,  fiir  sich  selbst  die  sogenannten  Apocryphen  (iTtöxQVipa)  zu 
verfassen  und  sie  mit  der  von  Gott  eingegebenen  Schrift  (yp«9)i})') 
zu  vermischen,  diese,  in  der  wir  beglaubigt  sind,  wie  (xad'Ag)  sie 
unseren  Vätern  *)  überliefert  haben  die,  welche  von  Anfang  an  mit 
ihren  Augen  gesehen  haben  und  Diener  {inr}Qirai)  des  Wortes  gewor- 
den sind,  —  so  habe  auch  ich  mich  entschlossen  (doxstv)^  indem  ich 
von  Anfang  an  erforscht  habe,  —  dadurch  daß  echte  ^)  Brüder  mich 
bewogen  (xQotQdnHv)  haben  ^  —  euch  zu  zeigen  die  Bücher,  welche 
sie  kanonisirt  {xavoviisiv)  und  uns  überliefert  haben,  und  die  gleich- 
sam {&g)  beglaubigt  sind,  daß  sie  von  Gott  sind,  auf  daß  der,  welcher 
getäuscht  {jclaväöd'm)  ist^),  diejenigen,  welche  ihn  getäuscht  (xla- 
vav)  haben,  verdamme,  wer  aber  {di)  rein  geblieben,  sich  freue, 
indem  er  an  die  kanonisirten  {aavovilBiv)  Bücher^)   erinnert  wird. 

Die  des  alten  (xakaid)  Testamentes  (dta^ijxi^)  sind  22  an  ihrer 
Zahl,  denn  (yiQ)  dies  sind  die,  welche  uns  überliefert  sind,  indem 
sie  sind  gleichsam  {&g)  bei  uns ,  also  [bei]  den  Hebräern ').  Die 
Ordnung  (td^ig)  aber  (di)  ihrer  Vorlesung  und  ihre  Namen  sind 
diese:  p,  175, 

Zuerst  Genesis,  dann  Exodus,  dann  (e2ra)  Leviticus,  nach  die- 


1)  Fehlt  beim  Griechen. 

2)  Im  Kopt.  sind  durch  den  gleichen  Anfang  von  Snniifn,  and  tnixiiQtCv 
die  beiden  ersten  Worte  ansgefallen. 

3)  Im  Kopt.  der  Plural  ygutpai^   doch  im  Relativsatz  ebenfalls  der  Singular. 

4)  Der  Kopte  hier  wie  im  Folgenden  xotg  natQdeiv  4f*A«r.  Der  Sjrrcr  um* 
schreibt  den  ganzen  Gedanken. 

6)  Das  kopt.  Wort  ^j^k  entspricht  eigentlich  dem  griech.  ininniig^  vertritt 
hier  yvi^üiog. 

6)  Der  Kopte  hat  beide  S&tze  umgedreht  statt  des  Griech.  ngotoauivti  und 
lui^owt]  auch  ist  bei  in^ic^i  das  i^flg  ausgefallen. 

7)  Der  Kopte  abersetzt ,  als  ob  er  statt  ünactog  §1  fUv  ^nen^j^w  —  6  iihv 
'iptatiiitivog  gelesen ,  ebenso  6  Sh  %a^Q6g  Suciuivug.  Da  die  Ausgaben  auBer 
Pitra  6  dh  %a»,  diay,,  bieten,  so  scheint  eine  Conformation  des  ersten  Gliedes 
▼onnliegen. 

8)  Zasatz  des  Kopt,  dämm  fehlt  im  n&chsten  Satze  PißJJa. 

9)  Der  Uebersetzer  hat  offenbar  das  Griech.  toaa^a  yitQ  ^  flnovaa  nal  tä 
croix^Ca  na^  'Efioaü^ig  ilwai  naQadidotui  nicht  verstanden  und  na^didotai,  auf 
die  Ueberlieferong  der  kanon.  Bfioher  statt  auf  die  der  hebr&isehen  22  Buchstaben 
betogen.    £e  scheint  aber  «ach  eine  Textverderbnis  voraoli^n. 


der  Osterfestbrief  des  Athaoasias  toiii  J.  367.  Igl 

sein  aber  (di)  Numeri  ond^)  Deateronomiom.  Femer  (loixiv)^ 
Josna ,  Sohn  des  Nun ,  and  Richter  and  Rath.  Daraaf  4  Bücher 
der  £8nige ,  das  erste  (fiiv)  and  das  zweite  Bach  werden  als  eins 
gerechnet,  das  dritte  and  vierte  [ebenfalls]')  als  eins  gerechnet. 
Nach  diesen  die  beiden  Bücher^)  der  Chronik,  gerechnet  als  eins, 
ebenso  (Sfioims)  ^)  das  erste  and  zweite  Bach  [Esra]  ^ ,  gerechnet 
als  eins.  Daraaf  das  Bach  der  Psalmen  and  ^)  die  Sprüche ,  dann 
(elta)  der  Prediger  and  das  Hohelied;  za  diesen  aber  (6^)  aach 
Hiob.  Ferner  (XoiJtöv)  die  Propheten,  zwölf  (ftiv)  Propheten*)  als 
ein  Bach  gerechnet;  nach  diesen  Jcsaias  and  Jeremias,  indem  mit 
ihm  verbanden  Barach  and  Klagelieder  and  Brief,  and  nach  diesem 
Ezechiel  and  Daniel.  —  Bis  hierher  sind  die  Bücher  des  alten 
(naXa^d)  Testamentes  (diad^xfi). 

Die  des  neaen  (xaiviji)  Testamentes  {dtad'i^fi)  —  nicht  ziemt  es  sich 
ans  Bedenken  za  tragen,  sie  za  sagen  —  d.  h.  diese :  Vier  Evangelien : 
das  nach  Matthaeas ,  das  nach  Marens ,  das  nach  Lacas ,  das  nach 
Johannes.  Dann  (etra)^  die  Acta  der  Apostel  and  die  sieben  ka* 
tholischen  Briefe  ^^) ,  einer  des  Jakobas ,  zwei  des  Petras ,  p.  176 
drei  des  Johannes,  ein  anderer  ^^)  des  Jndas.  Za  diesen  aber  {6i) 
14  Briefe  des  Apostel  Paalas,  geschrieben  in  der  Ordnang  (xarä 
xdlß^v)  also:  Znerst  an  die  Roemer,  daraaf  zwei  an  die  Korinther, 
dann  {dxa)  aa  die  Hebräer,  dann  {Blxa)^^  an  die  Galater  ond^') 
an  die  Epheser,  dann  {bIxo)  an  die  Philipper  and  an  die  Colosser. 
Nach  diesen ^^)  zwei  an  die  Thessalonicher ,  daraaf'^)  zwei  an  Ti- 
motheas  and  an  Titas,  zaletzt  an  Philemon^^).  Nach  diesen^') 
aber  {d£)  die  Apocalypse  des  Johannes. 

1)  Xoin6v  fehlt. 

2)  Uier  steht  lo%n6v  statt  /{^ff  ^^  xovxotg, 

3)  6^(n9  fehlt. 

4)  Griecb.  %Q&tov  %al  SivtiQOv  dfioitog. 

5)  Siioiiog  aas  dem  Vorhergehenden  statt  bU«, 

6)  Der  Name  aus  Versehen  aasgefallen. 

7)  iiil9  fehlt. 

8)  Griech.  nur  of  iihv  dAdtva, 

9)  nal  i^txä  TaOra  fehlt  wie  in  andern  griech.  Codd. 

10)  Der  Kopte  hat  naloviiivai  tA9  Anoax6lap  und  ovtiog  ausgelassen.     Der 
Sjrer  fiberseUt:  „7  Briefe,  die  also  sind*. 

11)  Griech.  vai  f^tra  tavras, 

12)  Nal  lUtii  tu^as  fehlt. 
18)  1(4«  fehlt 

14)  Montfaacon's  Aasgabe  bietet  hier  auch  lutcc  tavtag. 

15)  Sutt  c^4^^  entweder  {ifjg  oder  »Iva  gelesen. 

16)  Bei  Titos  and  Philemon  fehlt  lUa. 

17)  Griech«  »«l  ndUv, 


Ig2  C.  Schmidt, 

Das  sind  die  Qaellen  (ntiyai)  des  Heils.  Daher  (S^ti)  möge 
der  Dürstende  von  den  in  ihnen  befindlichen  Worten  genießen 
{&xolaveLv)  *),  denn  (ydo)  *)  in  ihnen  wird  die  Lehre  der  Frömmig- 
keit {evödßsia)  verkündet.  Niemand  darf  zn  diesen  (etwas)  hinza- 
fdgen  und  von  ihnen  (etwas)  wegnehmen  •).  Denn  (ydo)  *)  deswegen 
hat  der  Herr  die  Saddaeäer  getadelt,  indem  er  sprach:  „Ihr  seid 
im  Irrtum  (nlava6^ai)j  da  ihr  nicht  die  Sdiriften  (ygatpai)  noch 
(oiks)  die  Kraft  Gottes  kennt"  *) ;  er  belehrte  aber  (di)  auch  die 
Juden,  sagend:  „Erforschet  die  Schriften  (ygatpai),  denn  jene  sind 
es ,  die  von  mir  zeugen"  % 

Damit  ich  aber  (di)  euch  noch  mehr  sicher  mache  (iöipaXiieiv), 
will  ich  auch  dieses  Wort  notwendig  (ivayxaimg)  zu  dem  Gesagten 
hinzufügen,  daß  es  andere  Bücher  außerhalb  von  diesen  giebt,  die 
nicht  kanonisirt  (xavovtßati/),  aber  (di)  von  unsern  Vätern  bestimmt 
sind,  gelesen  zu  werden  p.  177  von  denen,  die  neu  hinzukommen 
und  in  dem  Worte  der  Frömmigkeit  (siisißeuc)  unterrichtet  zu 
werden  wünschen ') :  Die  Weisheit  Salomo's,  die  Weisheit  [Jesu]  *), 
des  Sohnes  Sirach,  und  Esther  und  Judith  und  Tobias  und  die 
Didache  der  Apostel  —  ich  meine  nicht  die,  von  der  gesagt  wird, 
daß  sie  das  Deuteronominm  tadelt  —  und  der  Hirte.  Dennoch 
(Sftoff)*),  0  meine  Geliebten,  indem  unsere  Väter ^•)  die  ersteren 
Bücher  kanonisirt  (xavoviiB^v) ,  diese  aber  (di)  zu  lesen  bestimmt 
haben,  haben  sie  überhaupt  nie  ein  apocryphes  (inöxQvtpoii)  Wort 
erwähnt,  sondern  (&XX£)  eine  derartige  Verschlagenheit  ist  Sache 
der  Haeretiker  {atQSXixoC),  denn  {yio)  sie  sind  es,  die  sie  schreiben, 
wann  sie  wollen,  und  sie  legen  ihnen  Zeiten  {xq6voi)  bei,  damit 
sie  sie  aus  den  alten  {&QiBla)  bringen  ^^)  und  Grund  haben,  diese 
Einfältigen  {anXovq)  zu  täuschen  {jkTtarav). 

1)  Der  Kopte  ersetzt  das  unbekanntere  ift^o^sr^^ai. 

2)  Fehlt  im  Qrieck 

8)  Deut  4,  2,  nicht  Apoc.  22, 18. 

4)  Im  Qriech.  dL 

6)  Mattb.  22, 29.  Beim  Griechen  und  Syrer  fehlt  der  letzte  Teil ,  dagegen 
haben  die  Aasgaben  von  Beveregias  und  Pitra  dafür  den  Zusatz  f*i|^>  xa^  dvpd- 
Itiig  a^&v.  Dieselbe  Stelle  in  epist.  fest.  2.  cap.  6 :  „sie  irren,  zumal  da  sie  die- 
selben in  der  That  nicht  kennen,  geschweige  denn  ihre  Kraft.'' 

6)  Job.  6,89.    iniCvai  nach  dem  Grundtext. 

7)  Derselbe  Ausdruck   Apost.   Const.  VII,  89  6   i^iXliov  xoiwp  icaTi]2«rtf^a» 

8)  Der  Name  aus  Versehen  ausgefallen. 

9)  Im  Text  6fto^. 

10)  Das  Subject  aus  dem  Vorhergehenden  eingesetzt. 

11)  Ungeschickte  UeberseUung  des  griech.  yifatp6vta9  ithp  9xi  ^iloveip  a^ra. 


der  Otterfestbrief  des  AUiAnMitiB  ▼om  J.  867.  1S3 

Groß  aber  (dd)  ist  die  Yerstockung  derer,  welche  dieses  thxm 
and  sich  nicht  fürchten  vor  dem  Worte,  das  geschrieben:  „Nicht 
sollt  ihr  hinzufügen  za  dem  Worte,  das  ich  euch  befehle,  noch 
{oik$)  wegnehmen  von  ihm**  *).  Wer  hat  die  Einfältigen  (icTtkovg) 
glauben  (xiöxeikiv)  gemacht,  daß  jene  Bücher  die  des  Henoch  sind, 
da  es  keine  Schriften  (ygatpai)  vor  Moses  giebt?  Woher,  daß  sie 
sagen  werden:  Jesaias  hat  apocryphe  {ixöxQvtpa)  Bücher?  dieser, 
welcher  aof  den  hohen  Bergen  offen  (xaggtiai^)  predigt  {iiayyfXi- 
ißö^i)*)  und  der  spricht:  „Nicht  habe  ich  im  Verborgenen  ge- 
redet !>.  178  noch  (pOti)  an  einer  Stätte  finsteren  Landes"*).  Wie 
hat  Moses  apocryphe  {ixöxQwpa)  Bücher  ?  dieser,  welcher  das  Den- 
teronomiom  verfaßt  hat,  indem  er  Hunmel  und  Erde  zum  Zeugen 
machte '). 

Aber  (iXXd)  diese  Sache  ist  za  nichts  anderem,  wenn  nicht 
(ill$iiti)  zum  Jacken  der  Ohren  ^)  and  znr  Erwerbsquelle  der 
Frömmigkeit  {ev6ißna)  *)  und  zur  Gefallsucht  ( —  iQd0%Biv)  der 
Weiber  ^).  Es  hat  aber  (dd)  über  derartige  Menschen  Paulus  zuvor 
seinem  Jünger  (^adijrijg)  geschrieben :  „Es  wird  eine  Zeit  konunen, 
wo  man  die  gesunde  Lehre  nicht  erträgt  {ivdxea^ai),  sondern  (iXXd) 
nach  seinen  eigenen  Lüsten  sich  Lehrer  erzeugt,  indem  ihre  Ohren 
jucken  und  sie  ihre  Ohren  von  der  Wahrheit  abwenden  und  sich 
zu  Mythen  hinwenden**  ^).  Denn  {ydg)  in  Wahrheit  sind  die  Apo- 
crj^hen  {ixöxgvipa)  M3rthen,  und  nichtig  ist  die  Aufmerksamkeit 
auf  sie ,  weil  sie  nichtige  und  abscheuliche  Stimmen  sind.  Denn 
(ydo)  dies  sind  Anfange  (äQXui)  von  Zwistigkeiten  (ötdaeis)  und 
ein  derartiges  Ziel  {6xon6g)  ist  Streit  von  Menschen,  die  nicht 
nach  dem  Nutzen  der  Kirche  (dxxXriöia)  fragen,  sondern  (iXXd) 
begehren  {ixi^iutv)  geehrt  zu  werden  von  denen,  die  sie  getäuscht 
(ixatäv)  haben,  damit  man,  dadurch  daß  sie  neue  Sachen  (Worte) 
verkündigen,  von  ihnen  denkt,  daß  sie  groß  sind.  Also  (ovxovv) 
geziemt  es  sich,  daß  wir  derartige  Bücher  ablehnen  (xaQaintöd'M) ; 
denn  (ydQ),  selbst  wenn  (xäv)  man  ein  nützliches  (xQii^^lMg)  Wort 


—  Xa^itofUmp   di  fehlt,  nalatd  in  ^Qx^ia  uud  &xiifaioi  in  anloi^  verändert. 
Hier  brechen  der  Grieche  and  Syrer  ab. 

1)  Deot.  4, 2. 

a)  VergL  Jes.  40,9. 

8)  Jes.  46, 19. 

4)  Deal.  82, 1. 

5)  2.  lim.  4, 8. 

6)  1.  Tim.  6,4. 

7)  VergL  3.  Ti».  8, 6. 

8)  2.  Tim.  4.  S.  4. 


184  C.  Schmidt, 

in  ihnen  findet,  dennoch  (AlXd)  ist  es  gut,  ihnen  nicht  zn  glauben 
(mötevsLv),  Denn  (ydo)  das  ist  Sache  der  Arglist  (jcavovgyia)  derer 


Untersuchungen. 

Gehen  wir  von  dem  bekannten  Teile  aus  und  vergleichen  den 
koptischen  und  den  griechischen  Text  mit  einander,-  so  wird  zu- 
nächst in  formeller  Hinsicht  ein  großer  Unterschied  in  die  Augen 
fallen,  und  doch  wird  jeder,  der  mit  der  kopt.  Uebersetzungs- 
methode  vertraut  ist,  mit  mir  urteilen,  daß  der  Uebersetzer,  ab- 
gesehen von  kleinen  Differenzen,  ein  und  denselben  griech.  Text  vor 
sich  gehabt  und  mit  großem  Geschick  übertragen  habe.  Die 
Schwierigkeit  liegt  in  der  parataktischen  Form  der  kopt.  Sprache 
gegenüber  dem  langen  Periodenbau  der  Griechen,  die  den  Ueber- 
setzer zwingt,  jeden  Satz  in  seine  einzelnen  Bestandteile  aufzu- 
lösen und  manche  Worte  auszulassen,  resp.  hinzuzufügen.  Aus 
diesem  Grunde  habe  ich  von  einer  Textreconstruction  abgesehen 
und  nur  in  den  Anmerkungen  die  Abweichungen  angegeben. 

Anders  verhält  es  sieh  bei  einer  Vergleichung  in  materieller 
Hinsicht.  Hier  bemerken  wir  zwei  bedeutungsvolle  Discrcpanzen, 
•welche  eine  eingehende  Untersuchung  erfordern. 

Abweichend  nämlich  vom  griech.  und  syr.  Texte,  die  den 
Hebräerbrief  in  der  Sammlung  der  Paulusbriefe  an  zehnter,  d.  h. 
an  der  üblichen  Stelle  aufzählen,  wird  hier  derselbe  zwischen  dem 
zweiten  Corinther-  und  Galaterbrief  angeführt.  Diese  Stellung 
ist  nun,  wie  die  Untersuchungen  Zahn's^)  gezeigt  haben,  nicht 
unerhört.  In  Alexandrien  war  seit  den  Tagen  des  Clemens  und 
seines  Gewährsmannes  der  Hebräerbrief  als  paulinisch  in  die 
Sammlung  aufgenommen.  Leider  läßt  sich  nicht  bestimmen,  welche 
Stellung  ihm  in  der  Bibel  des  Clemens  und  Origenes  angewiesen 
war,  doch  kann  man  m.  E.  aus  der  seltsamen  Thatsache,  daß 
Theodor  von  Mopsuestia  ihn  ebenfalls  nach  dem  zweiten  Corin- 
therbrief  commentirt  hat,  den  Schluß  ziehen,  daß  er  einer  älteren 
Ueberlieferung,  die  in  Alexandrien  ihre  Hauptvertreter  hatte,  ge- 
folgt ist.  In  der  Vorlage  des  Vaticanus  stand  er  zwischen  Ga- 
later  und  Epheser,  in  zwei  griechischen  Minuskeln  des  15.  und 
16.  Jahrh.  noch  heute  an  vierter  Stelle,  wie  auch  die  ältere  sa- 
hidische  Bibelübersetzung  die  gleiche  Reihenfolge  zeigt.    Es  ent- 


1)  Qetch.  d.  NT.  Ean.  II,  858  ff.    Tergl.  Overbeck:  Zur  Geschichte  des  Ka- 
nons. Ahth.  1. 


der  Osterfestbrief  des  Athanasias  vom  J.  367.  185 

sieht  daher  der  Verdacht,  als  habe  der  kopt.  Uebersetzer  ihm 
erst  diese  Stellang  zu  Gunsten  seines  Kanons  angewiesen.  Daß 
dies  möglich  ist,  läßt  sich  nicht  bestreiten;  aber  auf  der  andern  Seite 
maß  man  mit  Zahn  die  Frage  aufwerfen,  woher  denn  die  kopt. 
Kirche  zu  dieser  von  den  übrigen  Kirchen  abweichenden  Stellung 
gekommen  ist,  wenn  sie  ihr  nicht  durch  die  TJeberlieferung  ge- 
heiligt und  von  ihren  Vätern  bezeugt  war,  und  zu  diesen  muß 
doch  Athanasius  in  erster  Linie  gerechnet  werden.  Ich  bin  mithin 
der  TJcberzeugung ,  daß  wir  im  kopt.  Texte  die  genuine  lieber- 
lieferung  vor  uns  haben,  zumal  da  der  griech.,  wie  der  syr.  Text 
aus  der  kanonistischen  Sammlung  der  Byzantiner  geflossen  ist, 
wo  dem  Hebräerbrief  seine  der  griech.  Kirche  entsprechende 
Stellung  angewiesen  werden  mußte. 

Viel  größere  Schwierigkeit  bietet  dagegen  die  zweite  Vari- 
ante, welche  sich  auf  die  Didache  bezieht.  Der  kopt.  Text  ist 
augenscheinlich  corrumpirt,  da  der  Abschreiber  den  Titel  didaxii 
nicht  mehr  verstand  und  mit  dLÖaöxalia  verwechselte;  man  sieht 
diese  Contamination  noch  in  dem  Worte  diöxahxri.  Im  griech. 
Text  steht  didaxij  xakoviiivti  röv  iico6x6X(ov\  der  Syrer  übersetzt 
„die  sogenannte  Didascalia  der  Apostel".  Letzterer  hat  mit  Ab- 
sicht den  Titel  geändert,  da  er  die  alte  Didache  nicht  kannte, 
sondern  sie  mit  der  in  Syrien  entstandenen  und  in  hohem  An- 
sehen stehenden  Didascalia  identificirte,  welche  noch  in  syr.  Sprache 
erhalten  ist  und  die  Ueberschrift  trägt:  „Didascalia,  d.  i.  katho- 
lische Lehre  der  zwölf  Apostel  und  heiligen  Schüler  unseres 
Erlösers"  *).  —  Jemehr  aber  die  Didache  in  die  jüngeren  Bear- 
beitungen überging,  um  so  schneller  wurde  sie  auch  in  der  griech. 
Kirche  vergessen,  bis  sie  den  Blicken  der  Väter  ganz  entschwand. 
Der  Commentator  Zonaras  (um  1120)  kennt  die  Schrift  selbst 
nicht,  da  er  zu  unserer  Stelle  bemerkt:  ri^  diSax^iv  8\  t&v  ino* 
6x6Xiov  xivlg  kiyov6iv  clvat  t&g  öiä  tov  Kli^fievxog  yQaq>8i6ag  dia- 
ti^Hg^  &g  ^  kcyoiiivri  ?xxri  6vvodog  it/HyLv66xs^ai  (yö  6vyx(OQSt  &g 
vo^ev^eiöag  xal  naQaq>^aQBl6ag  vno  at(fBxix&v^.  Blastares  weiß 
von  einem  Unterschied  überhaupt  nichts  mehr. 

Während  also  bei  den  Byzantinern  im  Laufe  der  Zeit  die 
Didache  durch  eine  andere  Schrift  verdrängt  wurde,  wird  im 
kopt.  Texte  durch  die  Bemerkung:  „ich  meine  nicht  die  (sc.  dida%^^ 
resp.  didaöxalia)^  von  der  gesagt  wird,   daß  sie  das  Deuterono- 


1)  Lftgarde:   DidMcalia  apostolorum  syriace  1864;  griech.  Rackabersettung 
in  Bonseo's  AnalecU  Ante-Nicaeua  Vol.  II,  p.  226  ff. 

2)  Dm  Scholion  im  Cod.  Colbertinus  ist  wOrtUch  tob  hier  eqtnomm^n. 


186  C.  Schmidt, 

mium  tadelt",  vor  einer  Verwechselung  gewarnt,  und  gerade  vor 
einer  Verwechselung  mit  der  Didascalia,  resp.  den  Apostolischen 
Constitutionen  ^).  Denn  diese  Bemerkung  über  das  Deuteronomium 
bezieht  sich  auf  die  Stelle  I,  6  der  Didascalia :  srA^  xal  rbv  v6^i4>y 
&vayLv&6x(ov  &n66%Qv  t&v  trjg  devtSQmöamgj  wie  auch  11,6 
vom  Bischof  gefordert  wird:  xgb  jcavtaw  dl  dia6tolBi}g  yevü^m^ 
v6(iov  xal  ö evcdgcoöiv  diaiQ&v  xal  dsixvvmv  tt  söti  vöiiog  mtfx&p 
Tcal  xC  d£6[i&  &nC6x<ov^, 

Diese  eigentümliche  Stellung  zum  Deuteronomium  erregte  auf 
der  truUanischen  Synode  vom  Jahre  692  Anstoß,  die  deshalb  bei 
der  Aufnahme  der  86  apostol.  Kanones  sich  bei  den  im  85.  Kanon 
sanktionirten  Staxd^Big  zu  der  Bemerkung  veranlaßt  sah^):  ixeUHi 
d'^  iv  roikoLg  xotg  xavööLv  ivxiraXxac  8i%B6^aL  ii^ag  xäg  x&v  avx&v 
&yCmv  ano6x6X(ov  diä  KXi^fisvxog  diaxdl^aig^  alg  xi6l  ndXai  i}jtb  x&v 
£xBQod6i<ov  inl  Xvnij  xilg  ixxkijöiag  vö^a  xivä  xal  ^dva  xijg  ei^Bßeiag 
xaQBVBxi^i^öaVf  xb  BixQBxlg  xdXXog  x&v  taCeiv  doyndx(ov  ii(itv  afLOv^ 
Qm^avxa,  xijv  x&v  xoiovxmv  diaxdl^BCDV  XQogfp6Q(og  ixoßoXijv  iCBXOii/f- 
(iB^a  XQbg  xijv  xov  XQiöxiavixmxAtov  noiiiviov  ülxodofii^v  xal  i^ffd- 
XaiMVy  oiSaii&g  iyxgCvovxBg  xä  r^^  atQBXixf^g  ifBvSoXoyiag  xvi^iMxa 
xal  xfl  yvi^öia  x&v  &no6x6kmv  xal  6AoxAt}pG7  Sida%xi  TtavBvaigiyvxBg^). 

Auch  in  die  kopt.  Literatur  ^)  ist  diese  Sammlung  der  86  Ea- 
nones  übergegangen  und  zugleich  die  Grundlage  des  Kirchenrechts, 
ebensowie  in  der  syrischen  und  aethiopischen  Kirche  geworden; 
hier  ist  aber  im  85.  Kanon  die  auf  die  Apost.  Const.  bezügliche 
Stelle:  Ttal  at  diaxayal  v(itv  xotg  ixiöxöxoig  dv  i[iov  KXi^fisvxog  iv 
dxxo)  ßißkioig  7CQogx6(p(ovij(iivaL  ^  &g  oi  xgii  druioöwÖBLV  inl  xdvxmv 
d^ä  xä  iv  aixatg  (ivöxtxd  —  ausgelassen,  u.  z.  sowohl  in  der  sahi- 
dischen  wie  in  der  boheirischen  Version  %  während  die  beiden  Cle- 


1)  Im  Folgenden  nenne  ich  die  syrische  Qrundschrift  (Buch  I — VI)  Didascalia 
und  die  interpolirte  Qestalt  (Bnch  I-YIII)  Apost  Const. 

2)  Vergl.  die  Erweiterung  di^er  Stellen  in  den  Apost.  Const. 

3)  Canon  2  bei  Pitra,  Jnr.  eccl.gr.  hist.  et  mon.  11, 21  f.  und  die  Bemerkungen 
der  Commentatoren  Balsamen,  Zonaras  und  Blastarcs. 

4)  Anch  Photius  hat  abgesehen  von  swei  anderen  Punkten  AnstoE  an  der 
Beurteüung  des  Deuteron,  genommen;  vergl.  biblioth.  nr.  212—213  .  .  .  wd  3ti 
%atä  toü  Jivtt^ov6iiav  ^ßgng  tivicg  inafpificecv ^  f&gt  aber  hinzu:  Sc  ntd  (fetov 
SucX6aaa^ai. 

6)  Vergl.  Tattam :  The  apostolical  constitutions  or  canons  of  the  apostles  in 
coptic  1848,  und  besonders  Lagarde:  Aegyptiaca  1888  p.  209->238,  wo  die  sah. 
und  boh.  Version  abgedruckt  ist 

6)  Wenn  einige  aethiop.  Texte  diese  Stelle  bieten,  andere  nicht,  bo  beweist 
dies  m.  £.  nur,  daß  letztere  nicht  nach  der  kopt  Vorlage,  sondern  mit  Benntiung 
eines  syr.,  resp.  griech«  Textes  gearbeitet  aiud, 


der  Osterfestbrief  des  Athanasius  vom  J.  867.  187 

mensbriefe  beibehalten  sind.  Nehmen  wir  noch  hinzu,  daß  die  kopt. 
Kirche  die  Liste  der  daselbst  kanonisirten  Bücher  von  den  Evan- 
gelien ab  nach  ihrem  Kanon  umgestaltet  hat,  so  kann  es  nicht 
mehr  zweifelhaft  bleiben,  daß  die  diatd^sig  mit  Absicht  vom  Kanon 
ausgeschlossen  sind.  Und  in  der  That  finden  wir  in  der  kopt. 
Literatur  keine  Spur  weder  von  der  Didascalia  noch  von  den 
Apost.  Const.,  d.  h.  vom  Buch  I— VI ;  ebensowenig  ist  das  7.  Buch 
bekannt,  nur  vom  8.  Buch  ist  ein  Auszug  gemacht.  Die  85  apost. 
Kanones,  welche  den  Schluß  des  8.  Buches  bilden,  sind  wahrschein- 
lich aus  kanonistischen  Sammlungen,  die  sie  unabhängig  von  den 
apost.  Const.  bieten,  geflossen,  ebenso  aber  ist  auch  das  8.  Buch 
handschriftlich  sehr  häufig  gesondert  überliefert^).  Die  kopt. 
Kirche  besaß  vieLnehr  in  der  älteren  Zeit  nur  das  uns  noch  er- 
haltene und  in  2  Büchern  abgeteilte  Rechtsbuch,  welches  den 
Titel  nccvövsg  ixxlriöMötixol  t&v  ayCcov  ino6x6X(ov  führte. 

Gegen  diese  meine  Ansicht  könnte  geltend  gemacht  werden, 
daß  der  von  Tattam  herausgegebene  kopt.  Text  der  boh.  Re- 
oension  in  7  resp.  8  Bücher  zerlegt  ist,  sodaß  hier  ohne  Zweifel 
dem  Octateuch  der  Apost.  Const.  ein  anderer  klementinischer 
Oetateuch  an  die  Seite  gestellt  werden  sollte.  Aber  diese  Anlage 
des  Werkes  ist,  wie  man  bald  bemerkt  hat,  jüngeren  Datums'); 
sie  fehlt  in  der  sahid.  Recension,  wie  in  der  davon  abhängigen 
aethiop.  und  arab.  Uebersetzung ,  die  übereinstimmend  eine  Ein- 
teilimg  in  zwei  Bücher  zeigen.  Hat  mithin  ein  Kopte  der  spä- 
teren Zeit  gegen  die  TJeberlieferung  seiner  Kirche  das  Werk  einer- 
seits in  einen  Octateuch  künstlich  und  zugleich  gewaltsam  umge- 
staltet, andererseits  dem  Clemens  zugeschrieben,  so  muß  dem 
Bearbeiter  eine  Quelle  von  außen  zageflossen  sein.     Diese  Quelle 


1)  Vergl.  Pitra:  Jar.  eccl.  graec.  hist.  etc.  I,  46  f. 

3)  Ueberhaupt  stammt  die  Handschrift  aus  dem  Jahre  1804,  and  es  w&re 
dankbar,  dai  erst  in  diesem  Jahrh.  eine  Uebersetsaog  aus  dem  sahid.  Dialekt  in 
den  boh.  stattgefunden,  wie  der  Schreiber  am  Schlüsse  des  Werkes  zu  behaupten 
scheint;  aber  es  ist  kaum  anzunehmen,  daft  erst  in  so  später  Zeit  eine  Ueber- 
Iragnng  dieses  so  wichtigen  Werkes  in  die  spätere  boh.  Kirchensprache  besorgt 
worden  sei.  Gleichen  AnstoE  erregt  die  Annahme  Ton  dem  ganz  jungen  Ursprung 
der  Zerlegung  des  Werkes  in  einen  klementinischen  Octateuch,  da  in  diesem  Falle 
BOT  ein  gelehrter  Kopte  mit  Hülfe  eines  gedruckten  griech.  Textes  der  Apost. 
Const  jene  Procedur  forgenommen  haben  könnte.  Wir  mOssen  daher  die  Hand* 
•ebrift  Tom  Jahre  1804  als  eine  Copie  einer  älteren  boh.  Uebersetzung  betrach- 
te, deren  Verfasser  die  octateuchische  Anlage  forgenommen  habe,  denn  in  der 
sah.  Vorlage  kann  sie  niemals  durchgeführt  sein.  Der  sah.  Text  aus  dem  Jahre 
1006  11*  Chr.  bietet  m  fiicbt. 


188  G.Schmidt, 

war  eine  syrische  kirchenreclitliche  Sammlung^),  die  uns  noch  im 
Cod.  Paris.  62  (=  St.  Germain  38)  vorliegt  und  durch  Lagarde*) 
zugänglich  gemacht  ist.  Die  syr.  Recension  bietet  nämlich  8  Bücher 
und  giebt  als  Verfasser  der  einzelnen  Bücher  den  Clemens  an. 
Funk'*)  beruft  sich  nun  auf  die  große  Diflterenz  zwischen  der 
Anordnung  des  Stoffes  beim  Syrer  und  Kopten;  aber  gerade  dies 
beweist  die  ganz  mechanische  Arbeit  des  Kopten,  der  durch  seine 
sahid.  Vorlage  an  die  Ueberlieferung  gebunden  war  und  so  eine 
Einteilung  auf  eigene  Hand  vornehmen  mußte.  Seine  Stümper- 
haftigkeit  dokumentirt  er  zur  Genüge  durch  die  Zählung  von 
8  Büchern,  obwohl  er  das  Ganze  nur  auf  7  Bücher  hatte  bringen 
können.  Und  dann  die  Ironie  des  Schicksals!  Er,  der  so  ge* 
flissentlich  seinen  TJeberschriften  der  einzelnen  Bücher  die  hoch- 
tönende Etiquette:  „durch  die  Hände  des  Clemens"  gegeben,  hat 
gerade  an  der  Stelle,  wo  die  Abfassung  des  Octateuchs  durch 
Clemens  sanktionirt  war ,  d.  h.  im  85.  Apost.  Canon ,  wohl  die 
beiden  Klemensbricfe  erwähnt,  aber  die  diarayai  übergangen.  Und 
ganz  natürlich,  denn  in  seiner  sahid.  Vorlage  fand  er  sie  nicht 
und  von  der  Existenz  der  Apost.  Const.  hatte  er  keine  Ahnung! 
Ebensowenig  wird  unsere  These  durch  eine  andere  Thatsache 
erschüttert.  Die  Didascalia  in  der  interpolirten  Gestalt  liegt 
nämlicli  für  Buch  I — VI  noch  in  einer  arab.  und  aethiop.  Textge- 
stalt vor,  letztere  von  Platt*)  herausgegeben  und  übersetzt,  erstere 
noch  unedirt;  nur  Funk*)  giebt  eine  deutsche  Uebersetzung  der 
Vorrede  und  capp.  XXXV— XXXIX  nebst  Inhaltsangabe  der  ein- 
zelnen Kapitel  nach  einer  Uebersetzung  von  Prof.  Socin.  Funk 
möchte  auch  für  diese,  welche  mit  einander  nahe  verwandt  sind, 
eine  kopt.  Uebersetzung  als  Zwischenglied  annehmen.  Aber  eine 
solche  Hypothese  ist  m.  E.  bedenklich,  da  wir  bis  jetzt  die  Exi- 
stenz dieser  Didascalia  in  der  kopt.  Originalsprache  nicht  nach- 
weisen können,  ja  ihre  Existenz  in  Frage  stellen  müssen,  da  sie 
sonst  mit  den  xavövsg  ixxkij6ia6tixo£  überliefert  worden  wäre. 
Vielmehr  ist  diese  Diascalia  in  Aegypten  —  denn  nur  hier  ist 
sie  entstanden  —  von  einem  kopt.  Kanonisten  von  Anfang  an  in 
arabischer  Sprache  zusammengestellt  worden,  u.  z.  mit  Hülfe 
syrischer  Rechtsquellen. 


1)  Ueber  Bepatiang  syr.  Quellen  bei  den  kopt.  Kanonisten  8.  u. 

2)  8.  0. 

S)  Die  Apostolischen  Konstitutionen  1891,  8.  249  ff. 

4)  The  ethiopic  Didascalia  or  the  ethiopic  Version  of  the  Apostolical  Con« 
stitotions  etc.    London  1884, 

5)  1.  c.  8.  216  ff. 


der  Osterfestbrief  des  Athanasias  vom  J.  367»  189 

Wer  nämlich  einen  Blick  auf  die  kanonistischen  Arbeiten  der 
Kopten  im  12. — 14.  Jahrb.,  besonders  der  Brüder  Ibn  ai  Assal 
(1.  Hälfte  des  13.  Jahrh.)  und  des  Abulbarakat  (2.  Hälfte  des 
14.  Jahrh.)  wirft,  bemerkt  sofort,  daß  sie  neben  den  kirchenrecht- 
lichen Bestimmungen  ihrer  eigenen  Kirche  die  Kechtsbücher  der 
syr.  Nestorianer  und  Jacobiten*)  benutzt  haben,  wie  überhaupt 
in  diesen  Jahi*hunderten  ein  reger  literarischer  Verkehr  zwischen 
Aegypten  und  Syrien  geherrscht  haben  muß.  Das  Bindeglied 
bildete  das  in  der  Nitrischen  Wüste  gelegene  hochberlihmte  Kloster 
„der  Maria  Deipara  der  Syrev^  oder  kurz  „der  Syrer",  das  eine 
sehr  wertvolle  Bibliothek  syrischer  Handschriften*)  besaß,  von 
der  uns  noch  die  größtenteils  vom  British  Museum  erworbenen 
Handschriftenschätze  Kunde  geben.  Aus  dieser  Bibliothek  haben 
die  kopt.  Kanonisten,  zu  denen  noch  der  Patriarch  Gabriel  von 
Alexandrien  (Mitte  des  12.  Jahrh.)  und  ein  gewisser  Macarius  zu 
rechnen  sind,  ihre  gelehrten  Kenntnisse  geschöpft.  Daß  sie  außer- 
dem griech.  Quellen  bei  ihren  Arbeiten  benutzt  haben,  scheint  mir 
unmöglich,  so  lange  es  sich  um  Aegypten  handelt.  Nun  berichtet 
freilich  Ibn  al  Assal  in  der  Einleitung  seines  großen  Nomokanons, 
der  das  Rechtsbuch  der  Aethiopier  geworden  ist,  bei  der  Aufzäh- 
lung seiner  Quellen  über  die  Didascalia  nach  der  lateinischen  Ueber- 
setzuBg  von  Joh.  Bachmann ')  Folgendes :  Didascalia,  i.  e.  doctrina, 
liber  apud  Coptos  celeberrimus,  in  quo  enarratur,  duodecim  Apo- 
stolos  et  Paulnm  selectum  et  lacobum,  episcopum  Hierosolymita- 
rum,  ad  (librum)  statuendum  Hierosolymis  congregatos  fuisse.  In 
eo  autem  evulgando  Copti  studium  collocaverunt.  Neque  quidquam 
in  60  inest,  quod  inferius  sit  Canonibus;  plurima  sua  testimonia 
peiierunt  ex  Evangelio  Vetereque  (Testamento).  Atque  eins  nu- 
merus sunt  39  capita  estque  eins  siglum  Didascalia.  —  Aus  diesen 
Worten  geht  unzweifelhaft  hervor,  daß  im  Anfang  des  13.  JahrL 
diese  Schrift  in  der  kopt.  Kirche  ein  besonderes  Ansehen  besaß, 
wenigstens  daß  sie  Ibn  al  Assal  sehr  hoch  schätzte,  aber  über  die 
Zeit  ihrer  Entstehung  erfahren  wir  schlechterdings  nichts.  Zu- 
gleich wird  der,  welcher  hinter  den  Zeilen  zu  lesen  versteht,  sich 
nicht  durch  die  hohen  Lobesprädikate  über  den  wahren  Sachver- 


1)  Tergl.  die  Bemerkangen  ?on  Aehelis:  Ctnones  Hippolyti  S.  20  f.  nnd 
Stern:  Artikel  „Kopten"  in  Ersch  und  Oraber. 

2)  Bemerken  will  icb,  daß  im  Jahre  932  der  Abt  dieses  Klosters,  Moses  ans 
Ktsibis,  auf  seiner  Reise  nach  Bagdad  260  wertvolle  syr.  Handschriften  sammelte 
nd  seinem  Kloster  einTerleibte.  Das  weist  aof  ein  bedeutendes  geistiges  Interesse. 

8)  Corpos  Joris  Abessiniorom  Pars  I :  Jos  connnbii  p.  XXXIV. 


190  .  G.  Schmidt, 

halt  täuschen  lassen.  Denn  einerseits  hat  der  Verfasser  der  Di- 
dascalia  in  den  Eingangsworten  die  Kanones  sanktionirt,  giebt  also 
deutlich  zu  erkennen,  daß  er  eine  neue  Rechtssammlung  der  alten 
hinzufügen  will;  andererseits  zeigen  die  Worte  des  Kanonisten: 
neque  quidquam  in  eo  inest,  quod  inferius  sit  Canonibus  etc.,  daß 
diese  neue  Sammlung  zu  ihrer  voUgiltigen  Anerkennung  noch  einer 
eingehenden  Rechtfertigung  bedurfte,  vielleicht  weil  gewichtige 
Stimmen  laut  geworden  waren,  welche  ihre  Apostolicität  neben 
der  alten  Schrift  anzweifelten.  Somit  möchte  ich  die  Behauptung 
aufstellen,  daß  ein  Vorgänger  des  Ibn  al  Assal  die  Didascalia  in 
arabischer  Sprache^)  verfaßt  habe.  Leider  fehlen  bis  jetzt  die 
Mittel  zur  Lösung  dieser  ganzen  überaus  wichtigen  Frage,  da  das 
Material  noch  unzugänglich  und  die  Arbeiten  der  kopt.  Kanonisten 
nicht  hinreichend  untersucht  sind. 

Wenden  wir  uns  nach  dieser  langen  Digression  zu  der  oben 
wiederholten  Bemerkung  des  Briefes  über  die  Didache  zurück,  so 
ist  zunächst  klar,  daß  sie  von  dem  kopt.  Uebersetzer  nicht  her- 
rühren kann,  denn  Wert  konnte  sie  doch  nur  dann  haben,  wenn 
die  Didascalia,  resp.  die  Apost.  Const.  bei  den  Eopten  als  bekannt 
oder  im  Gebrauche  vorausgesetzt  wurden.  Auch  an  eine  in  den 
Text  geratene  Randglosse  kann  nicht  gedacht  werden,  da  das  „ich^ 
solcher  Annahme  widerspricht.  Die  Bemerkung  muß  also  bei  der 
Uebersetzung  des  Briefes ,  resp.  der  ganzen  Briefsammlung  vom 
Grriechischen  in's  Koptische  im  Text  gestanden  haben.  Wir  haben 
nun  oben  gesehen,  daß  die  griech.  Ausgabe  gleich  nach  dem  Tode 
des  Athanasius  erfolgt,  daß  sie  schon  bald  in's  Syrische  übertragen 
und  dies  noch  viel  mehr  für  die  Kopten  anzunehmen  sei.  Freilich 
muß  ich  bemerken,  daß  diese  zwar  die  gleiche  Sammlung  dem  TJm« 
fange  nach  besessen  haben,  aber,  soweit  ich  nach  dem  mir  zu  Gte* 
böte  stehenden  Material  urteilen  kann,  fehlen  die  gelehrten  Bei- 
gaben in  den  üeberschriften  und  somit  auch  der  Vorbericht.  Hier 
beginnt  die  Sammlung  mit  den  Worten :  „Dies  sind  die  Briefe  un- 
seres heiligen  Vater,  des  Apa  Athanasius,  Erzbischofs  von  Alexan- 
drien,  inbetreff  des  heiligen  Passah  ^,  und  die  Titel  der  einzelnen 
Briefe  lauten:  »Der  ....  Brief  des  Apa  Athanasius,  Erzbischofs 
von  AI.,  inbetreff  des  Passah".  Doch  ein  Schluß  auf  eine  andere 
griech.  Vorlage  wäre  voreilig,  da  die  Kopten  m.  E.  dieses  gelehrte 


1)  Aehelis  ist  freilich  der  Meincmg,  daS  die  Sammlang  Ton  den  Monophysiten 
nach  dem  Concil  Ton  Chalcedon  (461)  losammengestellt  sei,  aber  der  Beweis  feUt 
YergL  Artikel  in  Heraog's  Bealeui^elop.  8.  Aufl.  „Apoit  Gonstitotionen  und 
Canonet^ 


der  Osterfestbrief  des  AthAoasias  Tom  J.  367.  191 

Beiwerk,  weil  für  sie  wertlos  und  za  der  Sammlimg  nicht  gehörig, 
mit  gutem  Gnmd  fortgelassen  haben. 

Die  Interpolation  müßte  also  in  sehr  früher  Zeit  geschehen 
sein,  and  zwar  von  einem  Kenner  der  patristischen  Literatur,  der 
die  griech.  Bidascalia  gelesen  hat.  Oder  es  wäre  die  Möglichkeit 
in's  Auge  zu  fassen,  daß  derselbe  den  Kanon  2  der  trullanischen 
Synode  ^)  gekannt ,  d.  h.  ohne  jede  Kenntnis  des  Werkes  selbst 
sein  Urteil  abgegeben  habe,  denn  in  der  That  ist  der  Ausdruck 
^es  wird  gesagt*'  etwas  unbestimmt,  während  auf  der  andern  Seite 
die  alte  Didachc  noch  im  Grebrauch  der  Kirche  vorausgesetzt  wird. 
Diese  wurde  aber  noch  längere  Zeit  nach  Athanasius  in  der  alexan- 
drinischen  Kirche  benutzt.  Wir  finden  sie  wieder  in  der  pseudo- 
athan.  Fides  Nicaena')  und  in  einer  arabisch  erhaltenen  Rede  des 
berühmtesten  Kanzelredners  der  kopt.  Kirche,  des  Abba  Schenudi ') 
(um  die  Mitte  des  5.  Jahrb.),  wenn  die  Schriften  de  virginitate 
(Migne  T.  XXVIII,  2.  col.  266  sq.)  und  das  Syntagma  doctrinae 
(ibid.  T.  XXVUI,  col.  836  sq.)  dem  Athanasius  selbst  angehören 
sollten. 

Aber  was  mich  an  der  Annahme  einer  Interpolation  hindert, 
sind  zwei  Gresichtspunkte.  Vor  allem,  wie  kommt  es,  daß  in  der 
alex.  und  kopt.  Kirche  die  Didascalia,  resp.  die  Apost.  Const.  nie- 
malfl  benutzt,  ja  direkt  verworfen  sind?  Wie  ist  zu  erklären, 
daß  die  späteren  kopt.  kanonist.  Sammlungen  sie  ignoriren ,  und 
daß  überhaupt  das  alte  kirchliche  Rechtsbuch  auf  ganz  andern 
Quellen,  die  freilich  teilweise  auch  der  Didascalia  zu  Grunde  lie- 
gen, aufgebaut  ist  ?  Sonst  haben  ja  die  Kopten  sich  nicht  so  ängst- 
lich gegen  die  apocryphe  Literatur  abgeschlossen,  vielmehr  allen 
möglichen  Producten  einen  sicheren  Schlupfwinkel  in  ihren  Biblio* 
theken  gewährt!  In  diesem  Falle  kann  nur  eine  hervorragende 
Autorität  der  Kirche  ein  bestimmtes  Veto  ausgesprochen  haben, 
dem  die  Kopten  sich  gebeugt  haben.  Und  wer  besaß  wohl  ein 
Ansehen  als  Athanasius  I 


1)  Diese  hat  in  demselben  Kanon  2  die  Kanones  des  Athanasios  tAnktionirt. 
Ob  sie  anter  anderem  den  Brief  oder  bereits  den  kanonisiitchen  Aossog  ?or  eich 

bleibt  fraglich,  ersteres  aber  wahrscheinlicher.     B(an  könnte  fersncht 
y  ans  der  Bemerkung  des  Athanasius  die  Stellung  der  Synode  su  den  Apost. 
Const  erklaren  sn  wollen. 

2)  Migne  T.  XXYIU,  col.  1686  sq.  und  Batiffol:  Stadia  PatrisÜea  1890 
p.  119  sq.  und  Didascalia  CCGXVIII  patrum  psendeplgrapha  Paris  1887  mit  kopt 
Tm  fon  Hyremat 

3)  Aa^Uneaa:  Les  meines  tigyptiens.  Vie  de  Schnudl  Paris  1889,  data 
bsUa  in  den  Teiten  und  untersuch.  Bd.  XITT,  1. 


192  C.  Schmidt, 

Der  zweite  Gesichtspunkt  ist  der:  würde  sich  nämlich  der 
Zusatz  in  einer  kanonistischen  Sammlung  finden,  würde  ich  an- 
bedingt an  eine  Interpolation  glauben,  aber  räthselhaft  bleibt  es, 
aus  welchen  Gründen  man  in  einem  Briefe  an  so  entlegener  Stelle 
eine  derartige  Bemerkung  einschieben  wollte.  Umgekehrt  ist  es 
leicht  erldärlich,  daß  die  byzantinischen  Kanonisten  diesen  Zusatz 
unterdrückten,  da  ja  die  Apost.  Const.  ganz  abgesehen  vom  Trul- 
lanum  im  85sten  Apost.  Kanon  anerkannt  waren.  Der  Syrer 
kommt  nicht  in  Betracht,  da  er  m.  E.  direkt  aus  der  Eanonsamm- 
lung  der  Griechen  schöpft  und  überhaupt,  wie  erwähnt,  die  Di- 
dascalia  an  die  Stelle  der  Didache  setzt. 

Nun  könnte  man  mir  entgegenhalten,  es  sei  fraglich,  ob 
Athanasius ')  die  Didascalia  gekannt  habe.  Doch  fällt  dieser  Ein- 
wurf dahin,  wenn  nach  Harnack-)  diese  im  letzten  Drittel  oder 
der  ersten  resp.  zweiten  Hälfte  des  3.  Jahrh.  und  nach  Funk') 
vor  der  Mitte  des  3.  Jahrb.,  die  Apost.  Const.  nach  Harnack*)  im 
4v  Jahrb.,  nach  Funk*)  nicht  vor  400,  auch  nicht  viel  später  ent- 
standen sind.  Somit  kann  für  Athanasius  nur  die  Didascalia  in 
Frage  kommen;  und  wenn  wir  auch  die  ersten  Spuren  dieser 
Schrift  in  Syrien  und  Palaestina,  d.  h.  bei  den  Audianern  *) ,  Epi- 
phanius  und  dem  Verfasser  des  „opus  imperfectum  inMatthaeum^^ 
finden,  so  konnte  ohne  Zweifel  auch  Athanasius  von  ihr  Kunde 
haben,  besonders  von  ihrer  Stellung  zum  Deuteronomium ,  die  ihn 
in  seinem  Briefe  um  so  peinlicher  berühren  mußte,   weil  er  nicht 


1)  Daß  Athanasius  ^t^a;i;if  und  didaanaUa  gleichgesetzt  hat,  ist  nicht  za 
pressen,  da  auch  letztere  eine  Lehre  der  Apostel  sein  wollte;  überhaupt  w&ren 
die  zahlreichen  Verwechselungen  unmöglich  gewesen,  wenn  nicht  beide  Ausdrücke 
für  identisch  gehalten  wurden.  —  Die  Ansicht,  welche  vielleicht  auftauchen  könnte, 
daß  ein  Interpolator  die  oben  erwähnte  arabische  Didascalia  von  der  syrischen 
habe  unterscheiden  wollen,  bedarf  wohl  kaum  einer  Widerlegung. 

2)  Texte  n.  Unters.  II,  1,  S.  242.  und  ibid.  II,  6,  S.  76. 
8)  Apost.  Const.  S.  64. 

4)  l.  c.  S.  77. 
6)  1.  c.  S.  05. 

6)  £piph.  h.  70,  1. 

7)  Die  Annahme  von  Cave  (Script,  eccl.  bist.  Tom.  I,  817)  und  Berends  (Sta- 
dien über  Zacbarias-Apocryphen  etc.  1895  S.  68  Anm.  4)  von  der  Entstehung 
dieses  Werkes  in  Gallien  scheint  eine  neue  Stütze  zu  finden  in  der  altlateinischen 
üeberseuung  der  Didascalia  aus  dem  Griechischen,  welche  Hauier  in  einer  Yero- 
nenser  Handschrift  entdeckte  (vergl.  SiUungsber.  d.  K.  K.  Acad.  d.  Wissensch.  in 
Wien  Bd.  CXXXIV  1895).  Wenn  nach  Uauler  diese  UeberseUung  bereiU  ans 
dem  4.  Jahrh.  stammt,  so  moB  auch  Athanasius  unbedingt  das  griechische  Origi* 
nal  gekannt  haben. 


der  Otterfestbrief  des  Athftnasias  vom  J.  367.  193 

nur  das  Deuteron,  im  Kanon  des  A.  T.'s  aufzählt,  sondern  pag.  178 
unseres  Textes  den  Häretikern  entgegenhält:  ;,Wie  hat  Moses 
apoeryphe  Bücher?  dieser,  welcher  das  Deuteronomium  verfaßt 
hat,  indem  er  Himmel  und  Erde  zum  Zeugen  machte!" 

Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  noch  auf  zwei  Thatsachcn  auf- 
merksam machen.  -  Epiphanius  hat  uns  nämUch  eine  Reihe  von 
Citaten  aufbewahrt,  die  nach  Funk's  Untersuchungen  ^)  der  Didas- 
calia  entnommen  sind.  Es  ist  aber  bis  jetzt  m.  W.  noch  nicht  be- 
merkt worden ,  daß  er  die  Didache  mit  der  ÖLdta^ig  resp.  den  dta- 
td^stg  r&v  iitoötöXav  fiir  identisch  gehalten,  die  alte  Didache  über- 
haupt nicht  gekannt  hat.  Er  schreibt  nämlich  h.  70,  c.  10  bei 
Besprechung  der  Osterfeier:  Elg  rovro  di  ot  ainol  A-bdiavol  naga- 
q>iQ0v6i  tipf  t&v  ixoötökmv  diäta^Lv^  ovdav  [ihv  rotg  TCoXXotg  iv  ifi- 
fpiXixtp^  iXX  oix  adöxiiiov.  naea  yag  iv  airtfl  xavovixii  tä^ig  ifir- 
(pBQBxai  iucl  oidlv  naQuxBxagayfiivov  xf^g  xiötemg  oidh  tfjg  6(ioXoyiag 
ovdh  tUg  ixxXri6ia6xiXT\g  dioixi^ösmg  xal  xavövog  xal  niöximg.  Funk 
bemerkt  S.  62  dazu:  „Die  Schrift  galt  hienach  den  meisten  Christen 
des  4.  Jahrhunderts   als   zweifelhaft,    ihr   apostolischer  Ursprung 

stand  näher  hin   in  Frage Epiphanius   fand  jedenfalls  in 

der  Schrift  nichts  Unkatholisches.  Er  hält  jenen  Zweifel  nicht 
für  begründet.  Die  Schrift  ist  nach  seinem  Urteil  nicht  zu  ver- 
werfen, da  in  ihr  die  gesamte  kirchliche  Ordnung  enthalten  ist 
und  nichts,  was  dem  Glauben  und  dem  Bekenntnis  oder  der  kirch- 
lichen Verwaltung  und  Regel  zuwider  wäre".  Offenbar  ist  es  dem 
Epiph.  nicht  um  den  Erweis  der  Katholicität,  sondern  der 
Apostolicität  des  Werkes  zu  thun.  Das  Argument,  welches 
die  Haeretiker  für  ihre  Deutung  des  Osterfestes  auf  Grund  der 
Diataxis  aufgestellt  haben,  sucht  er  eingehend  mit  Hülfe  anderer 
Stellen  zu  entkräften,  während  er  sonst  die  von  den  Haeretikern 
benutzten  Bücher  ohne  Besinnen,  wo  sie  ihm  unbequem  sind,  als 
apocryph  verwirft  und  auf  eine  Widerlegung  sich  nicht  einläßt. 
Er  glaubt  in  diesem  Werke  authentische  Aussprüche  der  Apostel 
zu  haben  und  citirt  es  darum  wie  kaum  eine  andere  Schrift;  so 
schreibt  er  h.  46,  4:  iXXä  xal  ot  ixööxoXoi  tpa^tv  iv  rg  diaxäl^Bc  xfj 
xaAovfi/vg  oder  h.  76,6:  oC  aixoi  ixööxoXot  iv  rg  diaxdisi  iXtyov 
oder  h.  80,  7 :  iv  xatg  diccxd^B6i  x&v  ino6x6X(ov  (pdöxsi  6  ^stog  Xöyog 
tud  4  8ida6xaXCa.  Mit  den  Worten  fiv6av  iihv  xotg  TCoXXotg  iv  A(i' 
^Xixxffj  iXX  orbx  idöxiinyv  will  er  nun  das  Urteil  anderer  Eirchen- 
autoritaten  über  die  Schrift  charakterisiren,  das  dahin  lautet:  sie 
ist  zwar  iiuptX€xtogy  aber  doch  ot^  idöxifLog.  Was  diese  aber  oder 


1)  1.  c.  8.  44  ff. 

Igt  e«.  4.  W.  VMkriAM«.  PkUolOf.-Uclor.  Dmm  18M.  Ul  S.  13 


194  C.  Schmidt, 

besser  Epiph.  unter  &(i(pik6xrog  versteht ,  möge  eine  Stelle  h.  8,  6 
erläutern,  wo  er  bei  Aufzählung  des  jüdischen  Kanons  schreibt: 
elöl  dl  xal  &kkai  nag*  airotg  diio  ßLßkoi  iv  i^q)Lkixtp,  i^  Uofpia 
tov  EsiQCL%  xal  fi  rot)  Uakoficjvog  x^Q^S  tiv&v  ßtßkLCDv  ivaxoxQVfpcav. 
Und  dem  oix  &d6xLfiog  steht  ein  anderes  Urteil  über  dieselben  bei- 
den Bücher  parallel,  nämlich  de  mens.  4  (Lagarde  Symmicta  II, 
p.  157,38):  aitat  xqi^6i(iol  fiiv  bIöl  xal  d)g)eki(iOL,  äkX  slg  &- 
QLd^iibv  XGiv  Qfit&v  oix  ivaq>6Qovrat,  Somit  lautet  das  Urteil  der 
noXkoC:  Die  Schrift  ist  zwar  nicht  in  den  Kanon  aufzunehmen, 
aber  als  kirchliche  Schrift  im  vollen  Sinne  zu  betrachten,  da  sie 
sich  in  jeder  Beziehung  bewährt  hat,  oder  sie  gehört,  um  mit  Eu- 
sebius  zu  reden,  nicht  zu  den  b^ioloyovfiBva  ^  sondern  zu  den  &vti- 
key6(i€va'v6^a,  Epiph.  erkennt  das  ovx  idöxiiiog  voll  an,  verglei- 
chen wir  aber  seine  übrigen  Citate  und  nehmen  noch  die  einge- 
hende Begründung  seines  Urteils  hinzu,  so  kann  nicht  zweifelhaft 
sein,   daß  er  an  ihrem  direkt  apostolischen  Ursprünge  festhält. 

Um  so  auffallender  ist  es,  daß  eine  Schrift,  von  der  wir  hier 
zum  ersten  Male  Kunde  haben,  mit  so  hohen  Prädikaten  ausge- 
stattet und  zugleich  als  alte  Urkunde  eingeführt  wird.  Denn  die 
noXkoC  sind  nicht  allein  die  Zeitgenossen  des  Epiph.,  sondern  ins- 
besondere hervorragende  Autoritäten  der  Kirche,  welche  ihr  Ur- 
teil über  die  Schrift  schriftlich  niedergelegt  haben,  und  Kirchen- 
gemeinschaften, bei  denen  das  Buch  anerkannt  ist.  Von  der  Di- 
dascalia  resp.  der  Diataxis  wissen  wir,  daß  sie  über  Syrien  hinaus 
kein  kanonisches  Ansehen^)  besessen,  vor  allem  nicht  imKatechume- 
nenunterricht  benutzt  ist  und  nicht  als  Vorleseschrift  galt.  Epiph. 
hat  also  ebenso,  wie  später  der  Syrer  beim  Festbrief  des  Äthan., 
die  Diataxis  mit  der  Didache  vertauscht,  da  er  letztere  wohl  im 
Original  nicht  kannte  und  erstere  in  Syrien  dasselbe  Ansehen  wie 
jene  genoß.  Von  der  Didache  wußte  Epiph.  und  las  es  auch  bei 
Eusebius  (h.  c.  III,  25, 4),  daß  sie  als  xSiv  ijcoörökmv  at  Xeyöiisvat 
6ida%aC  zu  den  äinLksydusva-vöd^oc  gestellt  war,  und  ferner  hatte  er, 
wenn  er  den  Osterfestbrief  des  Äthan,  noch  nicht  kannte,  während 
seines  Aufenthaltes  in  Aegypten  die  Gelegenheit  gehabt,  zu  er- 
fahren, daß  daselbst  ein  Buch  unter  diesem  Titel  von  alters  her 
im  Unterricht  benutzt  wurde.  —  Bei  dieser  seiner  Hochschätzung 
der  Didascalia  dürfen  wir  die  Benutzung  in  der  Expos,  fid.  cath. 
c.  21  nicht  wunderbar  finden.     Funk  hat  dies  bestritten  (S.  48  f.), 


1)  Vergl.  freilich  die  oben  erwähnte  Entdeckung  einer  altlat.  Uebersetzung, 
welche  der  Verf.  des  opus  imperf.  in  Matth.  benutzt  haben  soll,  doch  stehen  wei- 
tere üntersachongen  noch  ans. 


der  Osterfestbrief  des  AthanasiuB  vom  J.  867.  195 

Harnack ')  schließt  auf  eine  andere  Recension  als  die  uns  erhaltene 
syrische ,  aber  wir  kennen  doch  die  Quellenbenutzung  des  Epiph. 
zur  Genüge,  um  ihn  noch  durch  Aufstellung  von  Hypothesen  retten 
zu  wollen ;  auch  liegt  ja  kein  wörtliches  Citat  vor. 

Damit  wende  ich  mich  zum  zweiten  Punkte,  nämlich  zu  Ru- 
fin^s  Expositio  in  symbolum  apost. '),  der  zu  den  neutestamentlichen 
Vorleseschriften  ein  Werk  unter  dem  Namen  „duae  viae  vel  iudi- 
cium  secundum  Petrum"  rechnet.  —  Schon  viele  haben  über  diese 
Stelle  geschrieben*),  zahlreiche  Hypothesen  sind  aufgestellt,  aber 
bis  jetzt  ist  man  zu  keinem  positiven  Resultate  gelangt.  Auch 
ich  möchte  meinerseits  nur  zur  erneuten  Debatte  der  Probleme 
durch  meine  Untersuchungen  anregen. 

Als  Ruiin  nach  der  wahrscheinlichsten  Annahme  um  400  in 
Aquileja  jene  Expositio  verfaßte  und  darin  auch  einen  Kanon  der 
Schriften  veröffentlichte,  legte  er  dieser  Arbeit  die  monumenta 
patrum ,  d.  h.  insbesondere  schriftliche  Quellen  zu  Grunde.  So 
.schreibt  er  gleich  im  Anfang  §  36 :  Et  ideo  quae  sunt  novi  ac  ve- 
teris  instrumenti  volumina  ....  sicut  ex  patrum  monumentis  ac- 
cepimus  und  §  37  am  Schluß  der  kanonischen  Schriften :  Haec  sunt 
quae  patres  intra  canonem  concluserunt,  und  §  38  nach  Anführung 
der  Yorleseschriften :  Haec  nobis  a  patribus,  ut  dixi,  tradita  .  .  . 
Welches  sind  nun  diese  monumenta  patrum?  Man  hat  in  erster 
Linie  auf  die  Katechesen  des  Cyrill  von  Jerusalem  hingewiesen, 
die  er  schon  bei  der  Auslegung  des  Symbols  stark  benutzt,  dem 
folgend  Rnfin  auch  ein  kurzes  Kanonsverzeichnis  ad  instructioncm 
eorum,  qui  prima  fidei  elementa  suscipiunt,  beigefügt  hat.  Als 
zweite  Quelle  gilt  die  Tradition  der  alexandrinischen  Kirche,  d.  h. 
der  Osterfestbrief  des  Äthan.,  den  er  sicherlich  während  seines 
Aufenthaltes  in  Aegypten  und  seines  Verkehres  mit  Äthan,  kennen 
gelernt  hatte. 

Die  eigentümliche  Reihenfolge  der  ATlichen  Schriften  läßt  sich 
in  beiden  Quellen  nicht  nachweisen,  vielleicht  stammt  sie  aus  der 
lateinischen  Bibel  in  Aquileja  —  für  diese  Stadt  war  wohl  zu- 
nächst die  Arbeit  bestimmt,  da  er  ja  ihr  Symbol  zu  Grunde  legt. 
Abweichend  von  Ath.  zählt  Rufin  Ruth  zu  Richter  und  fügt  Esther 
ein,  wie  es  auch  Cyrill  thut.  Doch  kann  man  darauf  kein  großes 
Gewicht  legen,  da  diese  Zählung  auch  sonst  häufig  ist.  Cyrill  nennt 
keine  Apocalypse  und  —  was   die  Hauptsache   ist  —  überhaupt 


1)  GMch.  d.  altchr.  Lit  S.  616. 

2)  VergL  Zahn :  Gesch.  d.  NTlichen  Kanons  II,  240  ff. 
8)  TergL  Hamaek:  1.  c  8.  28f. 

13 


196  C.  Schmidt, 

keine  Vorleseschriften.  Hier  sieht  man  deutlich  den  Einfluß  des 
Äthan.  Schon  die  Anfangsworte  in  §  38:  Sciendum  tarnen  est, 
quod  et  alii  libri  sunt,  qui  non  canonici,  sed  ecclesiastici  a  maio- 
ribus  appellati  sunt  —  weisen  auf  die  entsprechende  Fassung  bei 
Äthan. :  ^AkX  evsxd  ys  nksiovog  &XQiß6(ag  XQogtid'rjiit  xal  toiho  etc. ; 
nur  scheint  Bufin  das  griech.  &vayiV(o6x6fi€vot  mit  ecclesiastici 
übersetzt  zu  haben,  da  sich  bei  den  maiores  diese  Bezeichnung  im 
Latein,  nicht  findet.  Wie  diese  Uebersetzung  entstanden,  zeigt 
die  Bemerkung  zum  Buche  Weisheit  Jesu  Sirach:  qui  liber  apud 
Latinos  hoc  ipso  generali  vocabulo  Ecclesiasticus  appellatur,  quo 
vocabulo  non  auctor  libclli ,  sed  scripturae  qualitas  cognominata 
est ,  d.  h.  er  hat  einfach  den  Namen  auf  die  ganze  Gruppe  über- 
tragen. 

In  der  Gruppe  der  Hbri  ecclesiastici  werden  noch  die  Bücher 
der  Makkabäer  aufgezählt,  die  merkwürdiger  Weise  Äthan,  nicht 
erwähnt,  obwohl  Origenes  (Euseb.  h.  c.  VI,  25,  2)  sagt :  i^ca  dl  rotJ- 
tmv  iörl  tä  Maxxaßatxd.  Ihre  Hinzufügung  ist  nicht  aufföllig; 
ganz  anders  stellt  sich  aber  die  Sache  bei  den  beiden  NTlichen 
Vorleseschriften,  der  Didache  und  dem  Pastor.  Hier  sagt  Rufin: 
In  novo  vero  testamento  libellus,  qui  dicitur  Pastoris  sive  Her- 
mae ,  et  is  ^) ,  qui  appellatur  duae  viae  vel  iudicium  secundum  Pe- 
trum.  Der  Pastor  steht  an  erster  Stelle  und  wird  näher  als  Her- 
mas bezeichnet  —  beides  vom  Gesichtspunkte  des  Abendlandes, 
wo  der  Pastor  als  in  Bom  entstandene  Schrift  ein  großes  Ansehen 
genoß  — ,  das  zweite  Buch,  das  der  Didache  entsprechen  sollte, 
hat  einen  ganz  abweichenden  Doppeltitel. 

Der  gewöhnlichen  Meinung,  daß  beide  Titel  ein  und  dasselbe 
Buch  bezeichnen,  ist  Zahn ')  mit  dem  Hinweis  auf  Hieronymus  (de 
vir.  ill.  1) ,  der  unter  der  Zahl  der  pseudopetrinischcn  Schriften 
ein  „iudicium"  nennt,  und  mit  der  Deutung  des  „vel"  als  Synony- 
mum  von  „et"  entgegengetreten  und  hat  letzteres  als  ein  drittes 
selbständiges  Werk  angesehen.  Indem  ich  zunächst  von  Hieron. 
absehe,  so  ist  die  Gleichsetzung  von  „vcl"  mit  „et"  unannehmbar, 
da  ein  Nachweis  dieser  Bedeutung  in  so  früher  Zeit  von  Zahn  nicht 
geliefert  ist.  Wenn  ferner  Zahn  wie  beim  „Hirten"  statt  des  „vel" 
wieder  ein  „sive"  erwartet,  so  hat  er  den  Parallclismus  der  Sätze 
zu  wenig  beachtet,  der  ßufin  zum  Wechsel  der  Wörter  veranlaßte. 
So  variirt  er  auch  an  einer  früheren  Stelle  den  Ausdruck  von 
„dicitur"  und  „appellatur".  Und  wollten  wir  auch  Zahn  folgen,  so 


1)  So  nach  Z&hn's  richtiger  Verbesterung. 

2)  Gesch.  d.  NT.  K.  248,  Anm.  4. 


der  Osterfestbrief  des  Athanasius  Tom  J.  867.  197 

m 

gewinnen  wir  damit  garnichts,  da  er  uns  über  seine  dritte  Schrift 
trotz  der  Bemerkung  aof  S.  828,  Anm.  1  nicht  aofzoklären  ver- 
mag. Vor  aUem  hat  er  nicht  die  Schwierigkeit  berücksichtigt,  die 
darin  liegt,  daß  es  sich  nm  eine  Yorleseschrift  handelt,  da  unmit- 
telbar darauf  der  Relativsatz  folgt:  qnae  omnia  legi  qoidcm  in 
ecclesiis  volaenmt  (sc.  patres).  Beabsichtigte  also  Rofin  noch  eine 
dritte  Schrift  hinzuzufügen,  so  hätte  er  nur  durch  die  Tradition 
der  abendländischen  Kirche  dazu  veranlaßt  werden  können.  Eine 
derartige  lateinische  Schrift  muß  aber  noch  entdeckt  werden. 
Ueberhaupt  ist  sich  Bufin  gamicht  bewußt,  eine  Singularität  hier 
vorzulegen,  da  er  sich  ja  auf  die  „  Väter  ^  beruft,  mithin  in  seinen 
Quellen  diese  Schrift  vorgefunden  hat.  —  Drei  Punkte  müssen 
deshalb  bei  der  Untersuchung  unverrückt  festgehalten  werden: 
Identität  der  beiden  Titel,  XJeberlieferung  bei  den  „Vätern"  und 
Vorleseschrift  in  der  abendländischen  Kirche. 

Aber  Hieronymus  kennt  ja  ein  Werk  unter  dem  Titel  „iudi- 
cinm  Fetri"  ?  —  Zunächst  will  ich  im  Allgemeinen  bemerken,  daß 
man  Kuün  und  Hieronjnnus  nicht  als  zwei  verschiedene  Größen 
werten  sollte,  denn  sie  sind  nicht  nur  Zeitgenossen,  sondern  beide 
haben  in  Aquileja,  beide  in  Aegypten,  beide  in  Jerusalem  geweilt  und 
sind  daneben  lange  Zeit  befreundet  gewesen,  so  daß  sie  räumlich  wie 
zeitlich  eine  Tradition  vertreten.  —  Bei  Hieron.  finden  wir  diese 
Schrift,  wie  gesagt,  de  vir.  ill.  c.  1  am  Schluß  der  von  Euseb. 
(h.  e.  III ,  3)  genannten  4  pseudopetrinischen  Schriften ,  d.  h.  an 
fünfter  Stelle.  Ob  man  hier  zum  Titel  ein  Petri  oder  secundum  Pc- 
trum  zu  ergänzen  hat,  bleibt  gleichgültig.  Ebenso  ist  iudicium, 
wie  Zahn  mit  Recht  hervorhebt,  durch  die  Uebereinstimmung  von 
Ruiin  und  Hieron.  gegen  die  Vermutung  von  Grabe  (Spicil.  I,  56) 
geschützt,  daß  eine  Abkürzung  von  xiJQvyna  als  xgtfia  niisverstan- 
den  sei ,  zumal  da  er  die  praedicatio  nennt.  Nun  macht  Zahn  zur 
Stütze  seiner  obigen  These  geltend,  daß  Hieron.  nur  den  letzten 
Titel  nenne,  dieser  sei  also  der  gewöhnliche  gewesen  und  Rufin 
würde  ihn  als  solchen  dem  andern  vorangestellt  haben.  Diese  Be- 
hauptung wird  schon  ohne  weiteres  durch  die  Thatsache  widerlegt, 
daß  Hieron.  an  der  betreffenden  Stelle  einen  Catalog  aller  mit  dem 
Namen  des  Petrus  betitelten  Schriften  giebt,  daher  mit  dem 
Titel  duae  viae  hier  garnichts  anfangen  konnte.  Aber  auch  an- 
genommen, er  hätte  den  ersten  Titel  überhaupt  nicht  gekannt,  so 
bleibt  der  Thatbestand  zurück,  daß  er  in  einer  Quelle  den  Titel 
iudicium  Petri  resp.  sec.  Petr.  gelesen  und  aus  dieser  ihn  an  die 
ihm  passend  scheinende  Stelle  gesetzt  habe.  An  Rufin  kann  nicht 
gedacht  werden,   da  er  seine  Expositio   erst  nach  der  Abfeissung 


198  C.  Schmidt, 

von  de  vir.  ill.  geschrieben  hat,  eher  wäre  das  Umgekehrte  der 
Fall.  Wir  sind  nun,  wollen  wir  methodisch  weiter  gehen,  an  eine 
gemeinsame  Quelle  gewiesen. 

Bei  der  Erörterung  des  Problems  hat  man  bis  jetzt  niemals 
den  Schriftenkanon  des  Hieron.,  welchen  er  in  dem  sogen.  Prologns 
galeatus  vom  Jahre  390  veröffentlicht  hat,  herangezogen.  Und 
doch  springt  bei  einer  Vergleichung  mit  Rufin  die  nahe  Verwandt- 
schaft beider  Kanonsverzeichnisse  in  die  Augen.  Hier  ist  Ruth 
mit  Richter  vereinigt,  hier  finden  wir  Esther  im  Kanon  des  A.T's., 
hier  werden  die  3  Bücher  des  Salomo  zusammengefaßt  als  Salomo 
tres  libros  Labens  (=  Rufin :  Salomonis  vero  tres  ecclesiis  traditi), 
und  vor  allem  sind  hier  die  von  Rufin  als  ecclesiastici  bezeichneten 
Vorleseschriften  aufgeführt,  sogar  die  Makkabäer,  welche  bei  Ath. 
nicht  standen.  Hieron.  schreibt  nämlich  am  Schluß:  Hie  prologus 
scripturarum  quasi  galeatum  principium  omnibns  libris ,  quos  de 
Hebraeo  vertimus  in  Latinum,  convenire  potest,  ut  scire  valeamus, 
quicquid  extra  hos  est,  inter  &7c6xQvg}a^)  esse  ponendum.  Igitur 
Sapientia,  quae  vulgo  Salomonis  inscribitur,  et  Jesu  filii  Syrach 
Über  et  Judith  et  Tobias  et  Pastor  non  sunt  in  canone.  Macha- 
baeorum  primum  librum  hebraicum  reperi,  secipidus  graecus  est 
etc.  (IX ,  458  Vallarsi).  Man  ist  ganz  erstaunt,  den  Pastor  mitten 
unter  den  alt.  Apocryphen  zu  finden,  während  man  doch  die  Mak- 
kabäer vorher  vermutet  hätte,  ja,  wollte  man  die  ganze  Stelle  ih- 
rem Wortlaute  nach  deuten,  so  hätte  Hieron.  den  Pastor  zu  den 
von  den  Hebräern  aus  ihrem  Kanon  ausgeschlossenenen  Schriften 
gerechnet,  deren  Uebersetzung  ins  Lateinische  ihm  zur  Aufgabe 
gemacht  wäre.  Man  könnte  versucht  sein,  die  Stellung  des  Pastor 
aus  dem  Kanon  Muratori  Z  78 f.  erklären  zu  wollen*),  wo  er  aus 

1)  HieroD.  kennt  überhaupt  nicht  die  Dreiteilung  Ton  libri  canonici-ecclesia- 
stici-apocryphi,  sondern  nur  die  erste  and  letzte  Gruppe;  in  letzterer  unter- 
scheidet er  aber  wieder  zwei  Abteilungen  mit  verschiedener  Dignit&t,  nämlich 
apocryph  im  Sinne  der  Hebr&er,  d.  h.  Schriften ,  welche  nicht  in  den  Kanon  auf- 
genommen sind,  aber  in  den  Gemeinden  gelesen  werden,  und  apocryph  im  Sinne 
von  „haeretisch*.  Diese  ungenügende  Begriffsbestimmung  hat  Hieron.  selbst  und 
noch  vielmehr  seine  Nachfolger  in  große  Unsicherheit  bei  der  Beurteilung  ein  und 
derselben  Schrift  versetzt.  —  Aus  diesem  Mangel  scheint  hervorzugehen,  daB  erst 
Rufin  jene  Dreiteilung  nach  dem  Vorbilde  des  Ath.  eingeführt  und  den  Ausdruck 
ecclesiastici  selbst  geprägt  hat. 

2)  Erst  dem  Mittelalter  blieb  es  vorbehalten,  die  Worte  des  Hieron.  wörtlich 
aufzufassen  und  den  Pastor  zu  den  alttest.  Apocryphen  zu  zählen,  wie  z.  B.  Petrus 
Comestor,  Job.  Saresberiensis.  Wir  verdanken  diesem  Irrtume  die  üeberlieferung 
des  Pastor  in  lat.  Bibeln  des  A.T's.  im  16.  u.  16.  Jahrb.  Vergl.  v.  Qebhardt, 
Prolog,  in  Past  p.  XY.  XVm  £d.  Lips.  1877  und  Hody :  de  bibl.  text.  origin. 
p.  669  col.  106. 


der  Osterfestbrief  des  Athanasius  vom  J.  867.  199 

der  Zahl  der  Propheten  and  Apostel  ausgeschlossen  wird,  aber 
dieses  Kanons  Verzeichnis  war  ihm  unbekannt,  denn  nach  der  Tra- 
dition des  Hieron.  de  vir.  ill.  c.  11  war  der  Verfasser  des  Werkes 
der  Hermas  des  Roemerbriefes.  Im  Uebrigen  weiß  er,  daß  die 
Schrift  in  der  griech.  Kirche  öffentlich  gelesen  und  als  nützliches 
Buch  von  den  alten  Schriftstellern  viel  citirt  wird,  während  er  be- 
richtet, daß  sie  „apud  Latinos  paene  ignotus'^  sei^).  Man  kann  m.  E. 
den  Hieron.  von  jener  Strudelei  nur  unter  der  Annahme  retten, 
daß  er  fälschlich  eine  Liste  der  jüdischen  Apocryphen  mit 
einem  Verzeichnisse  der  christlichen  Vorlescs^chriften 
verwechselt  habe,  was  um  so  verzeihlicher  ist,  als  ja  in  den  letz- 
teren die  jüdischen  Apocryphen  an  erster  Stelle  standen  und  ihnen 
die  altchristlichen  folgten. 

Doch  zu  den  vielen  Räthseln  scheint  ein  neues  zu  treten.  In 
einem  kirchlichen  Kanonsverzeichnisse  wäre  der  Pastor  als  einzige 
neutest.  Vorleseschrift  unerhört  gewesen,  wie  schon  Iluiin  beweist. 
Handelt  aber  Hieron.  in  dem  Prolog,  gal.  nur  vom  hebräischen 
Kanon  und  dessen  Apocryphen,  so  konnte  er  bei  seiner  bekannten 
Flüchtigkeit  noch  den  Pastor  gleichsam  als  prophetische  Schrift 
nennen,  aber  eine  Schrift  mit  neutest.  Namen  an  dieser  Stelle  hätte 
das  Maß  von  Unsinn  voll  gemacht.  Daher  hat  Hieron.  die  zweite 
im  Verzeichnis  genannte  Schrift,  welche,  wie  wiederum  Rufin  zeigt, 
an  letzter  Stelle  stand,  mit  Bedacht  ausgelassen.  Wohin  diese  x 
Schrift  transponirt  ist,  braucht  man  wohl  kaum  noch  zu  verraten, 
nämlich  in  den  Catalog  der  petrinischen  Apocryi)hen -). 

Somit  lautet  das  Ergebnis  unserer  Untersuchung:  Ruiin  hat 
ein  von  Hieronymus  um  390  in  Rom  benutztes  und  wahrscheinlich 
in  latein.  Sprache  abgefaßtes  Kanonsverzeichnis  in  seine  Expositio 
aufgenommen,  dieses  aber  schon  mit  Rücksicht  auf  seine  Arbeit 
treuer  überliefert.  —  Freilich  könnte  Hieron.  nur  den  Titel  „iudi- 
cium"  gefunden ,  Rufin  das  „duae  viae^  auf  eigene  Hand  hinzuge- 
fügt haben.  Dagegen  spricht  aber  die  Nennung  an  erster  Stelle; 
80  nennt  er  Pastor  und  dann  Hermas ,   d.  h.  den  Titel  zuerst  und 


1)  Vergl.  auch  die  beiden  andern  Citate  bei  Hieron.  Hb.  I  in  Habac.  1,14 
(T.  VI  p.  604  Vall.)  nnd  Hb.  II  in  Hob.  7, 9  (T.  VI,  p.  75). 

2)  Es  ist  wiederum  charakteristisch,  daß  Rufin  diese  Schrift  bei  seiner  Ueber- 
setzung  von  Kusebius*  Kirchengesch.  nicht  su  den  pseudopetrioischen  gestellt  hat, 
da  er  doch  sonst  Zus&txe  gemacht  hat ,  s.  B.  fugt  er  beim  Catalog  der  Apostel- 
acten  die  von  Matthaeus  und  Bartholomaeus  hinsu.  Ihn  hinderte  wohl  die  ge- 
naaere  Kenntnis  von  dem  Inhalt  des  sog.  indiciom. 


200  C.  Schmidt, 

dann  den  angeblichen  Verfasser  ^).  Dem  entsprechend  muß  auch 
„duae  viae"  der  allgemeine  Titel,  „secundum  Petrum"  der  Autor- 
titel sein ,  letzteres  natürlich  im  ideellen  Sinne ,  d.  h.  Petras  als 
Haupt  der  Zwölfe. 

Führte  also  zur  Zeit  des  Hieronymus  und  Rufin  eine  Vorlese- 
schrift  in  einem  latein.  Kanonsverzeichnis  diesen  Doppeltitel,  so 
kann  darunter,  wenn  wir  auf  Athanasius  und  auf  die  abendländische 
Kirche  blicken,  nur  die  Didache  gemeint  sein.  Dieselbe  existirte, 
wie  jetzt  nachgewiesen  ist,  in  latein.  Sprache*)  und  diente  als 
Vorleseschrift,  auch  war  sie  ja  aus  den  Vätern  genugsam  bekannt. 
Freilich  bleibt  der  Titel  duae  viae,  wie  iudicium  sec.  Petr.  trotz- 
aUedem  ein  Räthsel ;  der  erstere  läßt  sich  zwar  ohne  Schwierigkeit 
mit  der  Didache  vereinigen,  aber  der  zweite  bleibt  in  Dunkel  ge- 
hüllt'). Wir  müssen  diese  Singularität  anerkennen,  denn  um  eine 
solche  hat  es  sich  schon  damals  gehandelt,  denn  weder  vor  noch 
nach  den  Tagen  des  Rufin  und  Hieron.  haben  die  Väter  irgend  einen 
der  beiden  Titel  erwähnt.  Denn  Rufin  selbst  übersetzt  bei  Eu- 
sebius  richtig  doctrina  apostolorum  *) ,  ebenso  lautet  der  Titel  in 
der  aufgefundenen  lat.  lieber  Setzung  und  „doctrinae  apostolorum" 
bei  Pseudocyprian  adv.  aleat.  4. 

In  Folge  dessen  haben  andere  Forscher,  welche  die  Identität 
beider  Titel  festhalten,  zu  der  Behauptung  ihre  Zuflucht  genommen, 
Rufin  habe  eine  andere  Schrift  als  die  Didache  gemeint.  Harnack 
hält  eine  kürzere  oder  längere  Gestalt  derselben,  z.  B.  die  apostol. 
Kirchenordnung  für  möglich,  Krüger  *)  behauptet  schon  bestimmter, 
daß  die  Didache  aus  dem  Grunde  nicht  gemeint  sein  könne,  da 
Rufin  sie  bei  Euseb.  als  doctrina  bezeichne ;  wahrscheinlich  handele 
es  sich  um  die  apostol.  Kirchenordnung  und  der  zweite  Titel  finde 
durch  den  Urteilsspruch  Petri  in  Canon  30  genügende  Erklärung. 
Den  ersten  Punkt   darf  man   nicht  ernst  nehmen,    denn  bei  der 


1)  Denselben  Doppeltitel  setzt  auch  Hieron.  in  de  vir.  ill.  c.  11  u.  libr.  II  in 
Hos.  7,9  voraus.    Im  Prol.  gal.  hat  er  das  sive  Hermas  natürlich  unterdrückt. 

2)  Vgl.  von  Gcbhardt  in  den  Text.  u.  Unters.  II,  S.  276  ff.  und  Funk :  Quar- 
talschrift 186(3,  S.  650  ff.  lieber  den  Gebrauch  der  Didache  im  Abendlande  vergl. 
Harnack  Gesch.  d.  altcbristl.  Lit.  S.  87  f. 

9)  Vielleicht  war  der  Titel  für  den  Katechumenenunterricht  geschaffen  worden. 
Wie  einst  Hercules  am  Scheidewege,  so  wurde  der  Katechumene  vor  die  Wahl 
des  Weges  des  Lebens  oder  des  Todes  gestellt  und  hatte,  wollte  er  ernstlich 
Christ  werden,  sein  „iudicium"  abzugeben,  d.  h.  die  „Entscheidung"  für  den  Weg 
des  Lebens  nach  Anleitung  der  Apostellehre  zu  treffen. 

4)  Die  Uebertragung  von  didaxai  in  doctrina  braucht  man  nicht  allzu  sehr 
zu  betonen. 

5)  Gesch.  d.  altchr.  Lit.  S.  225. 


der  OsUrfestbrief  des  Athauasius  vom  J.  867.  201 

üebersetzong  ist  er  doch  an  den  Text  des  Easeb.  gebunden ,  hier 
ist  er  von  einer  andern  Quelle  abhängig.  Die  apostol.  Kirchen- 
Ordnung  würde  in  der  That  gut  passen,  da  wir  in  ihr  die  duae 
viae  und  auch  den  Petrus  finden.  Aber  der  Name  des  Petrus,  zu- 
mal da  er  nicht  so  bevorzugt  aus  dem  Kreise  der  Jünger  hervor- 
tritt, erklärt  noch  nicht  das  iudicium,  und  vor  allem  wird  nicht 
die  Schwierigkeit  gehoben,  daß  wir  die  apost.  Kirchenordnung 
weder  bei  den  Patres  noch  im  Abendland  als  Yorleseschrift  kennen 
und  gar   in  latein.  Sprache  —  denn  darauf  ist  das  Hauptgewicht 

zu  legen  M« 

Damit  breche  ich  meine  Untersuchungen  über  die  Didache  ab 
und  wende  mich  wieder  dem  Briefe  des  Athanasius  zu.  An  dritter 
Stelle  hinter  den  Vorleseschriften  stehen  die  Apocryphen.  lieber 
diese  gab  uns  der  griech.  Text  des  Briefes  keine  Kunde.  Aus  dem 
kopt.  Texte  ersehen  wir,  daß  Atban.  sich  heftig  über  diese  ganze 
Literaturgattung  ereifert  und  drei  namhaft  macht:  das  Buch  He- 
noch'),  ein  Apocryphon  des  Jesaias")  und  des  Moses  ^),  alle  drei 
auch  in  den  Apost.  Const.  unter  den  Apocryphen  aufgezählt.  Aber 
ebenso  wenig  wie  bei  der  zweiten  Gruppe  unterscheidet  Ath.  bei 
dieser  zwischen  AT-  und  NTlichen  Apocryphen,  auch  beabsichtigt 
er  gar  keine  vollständige  Liste  der  letzteren  zu  geben,  sondern 
greift  nur  drei  heraus ,  von  denen  er  leichter  Hand  ihren  apo- 
cryphen Ursprung  nachweisen  konnte.  Welche  Stellung  er  aber 
den  von  Clemens  und  Origenes  so  hoch  gehaltenen  Schriften ,  wie 
Barnabasbrief,  Evangelium,  Apocalypse  und  Kerygma  des  Petrus, 
Acta  Pauli  etc.,  die  noch  Euseb.  zu  den  ivxiX$y6ii$va'v6^a  rechnet, 
angewiesen  hat,  darüber  suchen  wir  hier  vergeblich  Auskunft. 
Ath.  setzt  die  Miene  eines  Literarhistorikers  auf  und  behauptet 
kühn,  daß  die  Väter  niemals  ein  apocryphes  Wort  citirt  hätten, 
daß  vielmehr  alles  Unheil  von  den  Haeretikern  komme,  welche  die 


1)  Andere  könnten  an  die  Didascalia  denken,  welche  wir  jeUt  in  lat.  lieber- 
•etsung  kennen  gelernt  haben.  Dann  hätte  Rufin  dieselbe  Verwechselung  began- 
gen, wie  vor  ihm  Epipbanius.  Der  Verf.  des  opus  imperf.  citirl  das  Werk  unter 
dem  Titel  „canones  apostolorum^.  Aber  damit  ist  noch  nicht  die  Benatsung  als 
Vorlesescbrift  im  Abend  lande  nachgewiesen. 

2)  Im  Verxeichnisse  der  60  kanon.  Bücher  an  2.  Stelle  der  ATHcben  Apo- 
cryphen, an  erster  bei  Nicephorus  und  Pscudo- Äthan. 

8)  Wohl  ideutisch  mit  Zffaoig  'Heatov  (im  Vers,  der  60  kan.  Bücher  an  llter 
Stelle)  oder  &9aßatt%69  'Hc.    Vergl.  Dillmana  Ascensio  lesaiae  1877. 

4)  dia4h^%7i  Mmeiwg  und  itvalri^ig  M.  (im  Vera,  der  60  Buch.  Nr.  7  n.  8, 
bei  Niceph.  Nr.  4  n.  5»  ebenso  Psendo-Ath.  —  AssompUo  Mosis  heraasgegeb.  voo 
Charles:  The  assomption  of  Moses  London  1897. 


202  Cl.  Schmidt, 

Apocryphen  zur  Täuschung  der  Laien  abgefaßt  und  zu  diesem 
Zwecke  mit  alten  Namen  etiquettirt  hätten.  Schon  Euseb.  (1.  c. 
III,  25.  6)  hat  diesen  Ton  angeschlagen,  aber  er  bleibt  dabei  der 
besonnene  Forscher;  hier  aber  wird  das  Wort  algsrixot  in  den 
gewaltigen  Kampf  hineingetragen,  der  gegen  die  Arianer  und  Me- 
letianer  geführt  wird.  Ath.  hat  sich  wohl  gehütet,  uns  die  Namen 
der  atQBTvxoi  anzugeben ,  war  doch  dieser  schillernde  Ausdruck 
sehr  geeignet,  ein  Sammelname  für  alle  unbequemen  Erzeugnisse 
zu  werden.  Und  so  beginnt  mit  dem  Nicacnum  der  Feldzug  der 
dogmatisirten  Kirche  gegen  die  (xcistosprodukte  ihrer  eigenen  Ver- 
gangenheit, ein  Kampf,  der  seinen  Hiihcpunkt  erreichte,  als  die 
Priscillianisten  ^)  und  Manichäer  sich  der  Apocryphen  zur  Stütze 
ihrer  Lehren  bedienten  und  das  Rocht  ihrer  Benutzung  erstreiten 
wollten.  Da  hat  man  das  Verdammungsurteil  über  die  ganze  nicht- 
kanonische Literatur  ausgesprochen  und  an  Stelle  der  Bezeichnung 
„apocryph"  „haeretisch"  gesetzt.  Damals  begann  die  Leidenszeit 
der  altchristl.  Literatur,  die  teils  dem  Untergange  geweiht,  teils 
interpolirt  oder  überarbeitet  wurde,  um  ja  keine  dogmatischen  An- 
stöße stehen  zu  lassen.  So  schien  zugleich  die  naive  Volksliteratur 
dem  Moloch  der  byzantinischen  Orthodoxie  zum  Opfer  fallen  zu  sollen, 
aber  soviel  man  auch  gefeilt  und  bearbeitet,  so  viel  man  auch 
neue  Schriften  zur  Verdrängung  der  alten  in  bewußter  Weise  ge- 
fälscht hat,  das  „undogmatische  Christentum"  ist  doch  Sieger  ge- 
blieben, da  man  mit  den  frostigen  dogmatischen  Spitzfindigkeiten 
der  Kirchenväter  das  Volksgemüt  nicht  befriedigen  konnte.  Noch 
heute  reden  diese  Zeugen  der  alten  Kirche  eine  deutliche  Sprache 
und  gewähren  uns  einen  tiefen  Einblick  in  das  eigentümliche  Ver- 
ständnis des  Christentums  von  seiten  der  großen  Volksmasse,  frei- 
lich ein  Verständnis ,  das  wir  auf  das  Tiefste  beklagen  müssen, 
denn  an  die  Stelle  der  Geschichte  trat  der  Roman,  an  die  Stelle 
der  lebendigen  Kräfte  der  Lehre  und  Person  Christi  traten  die 
Grauklerkanststücke  eines  Thaumaturgen ,  welche  mehr  und  mehr 
das  lebendige  Interesse  an  der  evangel.  Geschichte  ersterben,  ja 
die  Evangelien  selbst  dem  Blick  der  Menge  entschwinden  ließen, 
so  daß  sie  schließlich  geistig  erblindete  und  in  stumpfe  Superstition 
versank. 

Auf  der  andern  Seite  hat  diese  Periode  der  Verdunkelung  der 
eigenen  Vergangenheit  für  die  Geschichte  der  altchristl.  Literatur 
eine  Verwirrung  angerichtet,  wie  sie  nicht  schlimmer  gedacht 
werden  kann.     Noch  heute  schwebt  über  jedem  apocryph.  Werke 


1)  Vergl.  die  Aaseinandersetzuogen  des  Prisoillian  im  tract.  III  ed.  Schep88. 


der  Osterfestbrief  des  Athanasius  vom  J.  867.  203 

das  Verdikt  des  Haeretlschen  oder  des  Gnostischen ,  was  leider 
immer  als  gleichbedeutend  angesehen  wird.  Man  nehme  nur  die 
Ausgaben  und  die  Untersuchungen  über  die  apoeryphen  Apostel- 
legenden —  ich  denke  vor  allem  an  Lipsius  —  zur  Hand,  sie  gel- 
ten allgemein  als  gnostische  Fabrikate,  und  doch  kann  man  mit 
gutem  Gewissen  behaupten,  daß  die  Gnostikor  nicht  ein  einziges 
Stück  dieser  Romanliteratur  verbrochen  haben,  wie  sie  überhaupt 
an  der  naiven  Legendenbildung  ganz  unbeteiligt  sind,  daß  vielmehr 
die  Kirche  sie  ihnen  zugeschoben  hat,  um  ihre  Erzengnisse  von 
ihren  Rockschößen  abzuschütteln.  Solange  also  dieser  innerkircb- 
liehe  literarische  Kampf  nicht  nach  allen  Seiten  hin  untersucht, 
so  lange  der  Begriff  von  atgstixös  und  ixöxgvipos  in  Bezug  auf 
die  altchristl.  Literatur  nicht  festgestellt  und  insbesondere  der 
Umfang  der  gnostischen  Literatur  nicht  genau  begrenzt  ist,  wird  die 
Geschichte  der  altchristlichen  Literatur  zum  teil  auf  ganz  unsicherem 
Boden  aufgebaut  werden. 


Das  Skoliou  des  Simouides  au  Skopas. 

Von 

Ulrich  Ton  WIlamowltz-MocUciidorff, 

auswärtigem  Mitgliede  der  Gesellschaft. 
Vorgelegt  von  F.  Leo  in  der  Sitzung  am  23.  Juli  1898. 

Das  Gedicht  des  Simonides,  das  Piaton  im  Protagoras  be- 
sprechen läßt,  ist  ganz  allein  durch  ihn  erhalten;  alle  sonstigen 
Citate  daraus  gehen  auf  Piaton  zurück  *) ;  wir  hängen  also  aus- 
schließlich von  ihm  ab,  und  jeder  Versuch  das  Gedicht  herzustellen 
muß  von  der  Exegese  des  Protagoras  ausgehen.  Dabei  ist  mis- 
lich,  daß  Piaton  bei  seinen  Lesern  die  Kenntnis  des  Gedichtes 
voraussetzt,  von  dem  er  nur  die  Gedanken  im  Auge  hat,  so  daß 
genaue  Citate  nur  zu  erwarten  sind,  wo  es  ihm  auch  auf  den 
Wortlaut  ankommt.  Wol  war  ihm  schon  als  er  den  Protagoras 
schrieb,  klar,  daß  die  Dichtci erklärung  kein  wissenschaftlicher 
Weg  der  philosophischen  Forschung  wäre,  und  es  ist  nicht  anzu- 
nehmen, daß  es  ihm  mit  jeder  Einzelerklärung  Ernst  gewesen  ist, 
und  war  es  das,  so  kann  er  immer  noch  fremdartiges  hineingetra- 
gen haben.    Verbindlich  ist  nichts  für  uns,  was  nur  Deutung  Pla- 


1)  Das  geht  so  weit,  dass  bei  Diogenes  Laertius  L  76  mehr  aus  dem  Ge- 
dichte als  der  Spruch  ^^Xc^r^y  ia^lbv  ^niiivai  dem  Pittakos  beigelegt  wird,  und 
Polybios  XXIX  26  nicht  nur  den  Spruch  selbst  dem  Simonides  zuschreibt,  son- 
dern ihn  nach  der  sokratischen  Deutung  so  erklärt,  daB  er  bedeute  'ein  tüchtiger 
Mann  zu  bleiben,  ist  schwer'.  Wenn  von  Aristoteles  und  andern  auch  sonst  einige 
Verse  des  Gedichtes  angeführt  werden,  so  ist  glaublicher,  daB  sie  sie  aus  dem 
platonischen  Dialoge  im  Gedächtnis  behalten  haben,  was  sich  bei  Plutarch  darin 
zeigt,  dass  er  i{>Qv(dovg  in  dieser  attischen  Form  citirt,  wie  sie  Piaton  wider  die 
Mundart  des  Simonides  gegeben  hatte;  in  dessen  Ilandschriften  ist  die  echte 
iomsche  vorauszusetzen.  Wenn  Diogenes  Scifirät  mit  dem  echten  Vocalismus 
giebt,  so  hat  das  wol  auch  Piaton  getan. 


ü.  T.  Wilamowitz-Moellendorff,  das  Skolion  des  Simonides  an  Skopas.    205 

tons  ist,  aber  nur  über  seine  Deutung  geht  fiii:  uns  der  Weg  zu 
dem  unmittelbaren  Verständnis  des  Gedichtes.  Um  es  aus  sich 
zu  verstehen,  müssen  wir  es  uns  erst  herausschälen;  aber  wenig- 
stens für  dieses  erste  Geschäft  sind  alle  Angaben  und  Andeutun- 
gen Piatons  unbedingt  maßgebend.  Das  Verständnis  hat  von 
Schleiermacher  zu  Hermann,  zu  Bergk,  zu  Blaß  stetige  Fort- 
schritte gemacht,  aber  es  fehlt  noch  mehr  als  ein  Schritt,  und  um 
auch  nur  zu  wissen,  wie  weit  wir  sicher  gelangt  sind,  ist  es  not- 
wendig von  der  Erläuterung  der  Partie  des  Protagoras  aus- 
zugehen. 

Protagoras  citirt  den  Anfang  des  Gedichtes ')  (das  er  in  anti- 
ker Weise  eben  durch  ihn,  daneben  aber  auch  durch  die  Angabe 
des  Adressaten  bezeichnet)  und  darauf  eine  spätere  Stelle,  die  zu 
den  Anfangsworten  in  einem  offenbaren  Widerspruche  stehn  soll. 
Nach  einer  ersten  Debatte,  die  nichts  einträgt,  beginnt  Sokrates 
in  ausführlicher  Rede  seine  Erläuterung  S.  342*.  Er  setzt  aus 
einander,  daß  die  Weisheit  der  alten  Zeit  sich  in  karzen  Sätzen, 
yv&fLai,  geäußert  hätte,  eine  solche  berühmte  yvAiiri,  die  des  Pitta- 
kos  x^Ac^öi/  iöd'Xbv  Ififisvai  habe  sich  Simonides  ausgesucht  um 
durch  ihre  Widerlegung  seine  eigne  Weisheit  ins  Licht  zu  setzen. 
Diese  Absicht  des  Dichters  ist  dem  Sokrates  die  Hauptsache,  denn 
auf  sie  kommt  er  immer  zurück,  wenn  er  das  einzelne  erklärt, 
und  seine  Auffassung  des  ganzen  wurzelt  in  ihr.  Ohne  Zweifel 
ist  es  ein  sehr  gesundes  Princip  der  Interpretation,  alles  von  der 
gesammten  Tendenz  des  Schriftstellers  aus  zu  betrachten,  und  das 
ist  gar  nicht  selbstverständlich,  vielmehr  das  Gegenteil  der  Weise, 
mit  der  ein  Prediger  den  Text  zu  behandeln  pflegt,  den  er  für  seine 
erbauliche  oder  belehrende  Betrachtung  zu  Grunde  legt,  eine  Be- 
trachtung;sweise ,  die  später  dem  Piaton  selbst  und  schon  damals 
dem  Homer  und  den  anderen  für  den  Unterricht  verwandten  Dich- 
tem gemeiniglich  widerfuhr.  Es  ist  also  in  dieser  Richtung  die 
Rede  des  Sokrates  wirklich  methodisch  belehrend ;  aber  wir  wissen 
ans  Erfahrung  nur  zu  gut,  daß  auch  die  richtigste  Methode  in 
den  Sumpf  führt,  wenn'  man  sie  unentwegt  verfolgt. 

Nach  dieser  allgemeinen  Einleitung  werden  die  schon  von 
Protagoras  citirten  Anfangsverse  erläutert  und  dann  sofort  zu 
der   späteren   Partie   übergegangen*),    in    der    der   Widerspruch 

1)  339^  nach  den  Anfangs worten  roOro  iniötaaat  tb  &iö(ia,  848^  tb  «r^A- 
t09  ToD  &t9iiatog  von  den  beiden  ersten  ZeUeo.  Jede  Construction  ist  also  falsch, 
die  vor  diese  Worte  etwas  ansetzt. 

2)  Ueber  die  Distance  beider  Citatc  wird  nur  gesagt  833 «  n(foi6vxog  roO  £ttf- 
futtog  X^H  nWf  344  0  fina  roi^o  6Uya  duXd^ir.     Danach  kann  nicht  mehr  feh* 


206  tJ.  y.  Wilamowitz-Moellendorff, 

stecken  soll.  Hier  wird  nicht  alles  wörtlich  citirt,  aber  wenn 
sich  deshalb  auch  die  Worte  des  Simonides  nicht  alle  herstellen 
lassen,  so  zweifelt  doch  niemand  daran,  daß  eine  ganze  zusammen- 
hängende Strophe  Schritt  für  Schritt  erläutert  wird.  Danach 
heißt  es  „,,Das  ist  also  alles  gegen  Pittakos  gerichtet,  und  an 
dem  folgenden  Teile  des  Liedes  ist  das  noch  deutlicher.  Denn  er 
sagt:  „deswegen  werde  ich  niemals  Zeit  an  eine  unerreichbare 
Hoffnung  verschwenden ,  mit  dem  Suchen  von  etwas  was  es  gar 
nicht  geben  kann,  einem  ganz  vollkommenen  Manne  unter  uns 
allen,  die  wir  der  weiten  Erde  Frucht  genießen".  „Erst  ihn  fin- 
den, dann  will  ich  ihn  euch  zeigen"  sagt  er:  so  scharf  greift  er 
in  dem  ganzen  Gedichte  den  Pittakos  an.  „Alle  lobe  und  liebe 
ich  aus  freien  Stücken,  so  einer  nur  nichts  schmähliches  tut;  ge- 
gen die  Not  kämpfen  Götter  freilich  vergebens".  Das  ist  auch 
in  dieser  selben  Tendenz  gesa^"".  Dieser  letzte  Punct,  der  an 
einer  in  Wahrheit  falschen  Interpunction  hängt,  wird  des  näheren 
begründet  und  dann  (346^)  der  Fortgang  genau  bezeichnet.  %„  Nicht 
aus  freien  Stücken,  aber  gezwungen  war  Simonides  selbst,  wie  er 
wol  wußte,  oft  in  der  Lage  gewesen,  einen  Tyrannen  oder  einen 
anderen  Menschen  dieses  Schlages  zu  loben;  deshalb  sagt  er  zu 
Pittakos  u.s.w.^"0. 

Es  muß  auch  aus  der  Uebersetzung  deutlich  geworden  sein, 
daß  von  Simonides  drei  Stücke  hinter  einander  angeführt  werden, 
jedes  einzelne  durch  bestimmte  Worte  als  zum  Beweise  der  allge- 
meinen  Thesis   geeignet   bezeichnet.     Wenn   auch  in   den   beiden 


len  als  das  Versmaß  fordert,  der  Rest  der  ersten  Strophe,  und  es  kann  nichts 
darin  gestanden  haben  was  ausdrücklich  auf  das  Thema  Bezug  hatte. 

1)  345^  ravtd  r$  olv  ndvta  ngbs  xbv  Ilittanbv  stffritai^  »al  tä  bci6vxa  xo^ 
äiaiMtog  hl   ykällov  driXoi.    <^<rl   yd(f   „toiivt%ev   o^ot^  -f-alvvfi^sd'a  x^096ü**. 

ineii^xstai   x&i  rov  JltrraKoi)  jiffiart.     „ndvtas   d*  inaivri\i,i o^^^  ^eol  fia- 

%ovfoti^^  «al  7o{^'  hxl  ngbg  tb  aitrb  toü^  tiifruiivov.  Folgt  die  falsche  Deu- 
tung dieser  Worte,  die  aUes  auf  Simonides  bezieht,,  der  sagen  soU  „freiwUlig  lobe 
ich  jeden,  der  nichts  schmähliches  tut;  gezwungen  habe  ich  freilich  auch  andere 
loben  müssen".  Dann  die  Fortsetzung  tai^a  drj  nal  r&i  JTirvaxcbi  Xiyst  Zri 
„iya  &  üittanh  o^  duc  raOra  es  '^iya  Zxi  il^l  qpUö^oyoff,  iarfl  iii^iys  i^aifnti 
n.  8.  w.  Es  ist  doch  evident ,  da£  das  Gedicht  Schritt  für  Schritt  erläutert  wird. 
Insbesondere  ist  es  ein  Mis Verständnis ,  aus  den  Worten  „so  greife  er  in  dem 
ganzen  Gedichte  das  Wort  des  Pittakos  an"  zu  schlieBen,  nicht  die  dtirte  Zeile 
wäre  die  letzte  (das  lieBe  sich  huren;  aber  sie  ist  mitten  aus  einer  Strophe), 
sondern  die  Strophe,  in  der  sie  steht  Es  wird  zu  einer  Stelle,  deren  lebhafte 
Polemik  klar  iBt,  bemerkt  „so  stark  polemisirt  er  überall" ;  das  nai  ist  das  bei 
Yergleichungen  abondirende. 


das  Skolion  des  Simonides  an  Skopas,  ^07 

ersten  die  Worte  des  Simonides  unmittelbar  auf  einander  folgen, 
so  zeigt  doch  die  Wiederholung  von  g^iy^tV,  daß  sie  als  zwei  Citate 
gegeben  sind:  es  trat  eben  in  dem  Verse  ijiH%^  i/ilv  avgbv  iitay- 
yeksa  der  Hohn  so  klar  hervor,  daß  er  als  ein  besonderer  Beleg 
für  die  polemische  Tendenz  des  Gedichtes  angeführt  zu  werden 
verdiente.  Nun  zweifelt  niemand,  daß  trotz  der  Absätze,  die  So- 
krates  macht,  und  der  Erläuterungen,  die  er  einschiebt,  ein  zu- 
sammenhängendes Stück ,  eine  Strophe ,  angeführt  ist.  Dann  läßt 
es  sich  aber  nicht  abweisen,  daß  auch  die  Worte,  die  dieselbe  ein- 
führen, rä  intövta  rov  atöfiaxosj  ihren  unmittelbaren  Anschluß  be- 
zeichnen. Wie  sollte  auch  ein  ehrlicher  Exeget  ein  Stück  über- 
springen, wenn  er  beweisen  will,  daß  das  ganze  Gedicht  sich  an 
Fittakos  richtet,  der  nur  einmal,  grade  kurz  vor  der  fraglichen 
Stelle,  genannt  war?  Ebenso  klar  ist  es,  daß  346%  wo  ich  eben 
mit  meiner  Wiedergabe  abbrach,  das  unmittelbar  an  die  citirte 
Strophe  ansclüießende  paraphrasiert  wird.  „;,Deshalb  sagt  er  auch 
zu  Pittakos  „nicht  deshalb  tadle  ich  dich,  Pittakos,  weil  ich  tadel- 
süchtig wäre  ^) ,  denn  mir  genügt  es  ,  wenn  jemand  nicht  schlecht 
und  nicht  allzu  ungeberdig  ist,  so  er  nur  das  Recht  kennt,  das 
dem  Staate  frommt,  ein  ordentlicher  Mann;  den  schmähle  ich 
nicht  (bin  ich  doch  nicht  schmählsüchtig) ,  denn  .zahllos  ist  die 
Race  der  Gemeinen  (so  daß  wer  gerne  tadelt  sich  an  ihnen  satt 
schelten  kann):  alles  ist  gut,  worin  nichts  schmähliches  ist"".  In 
diesem  Abschnitte  bleibt  fraglich,  in  wie  weit  die  eignen  und  voll- 
ständigen Worte  des  Dichters  vorliegen,  in  wie  weit  Sokrates  sie 
verkürzt  und  verändert,  aber  es  ist  unwidersprcchlich ,  daß  auch 
die  ersten  Worte  „ich  tadle  dich  nicht  deshalb  ,  weil  ich  tadel- 
süchtig wäre"  in  irgend  einer  Form  an  dieser  Stelle  bei  Simonides 
standen,  also  das  später  eingeschobene  Sätzchen  „ich  bin  ja  nicht 
schmählsüchtig",  das  ich  eingeklammert  habe,  ganz  ebenso  ein 
erklärender  Einschub  des  Sokrates  ist  -)  wie  die  nächste  Paren- 
these, die  niemand  anders  beurteilt.  Den  zuletzt  angeführten  Satz 
„alles  i:it  gut,  worin  nichts  schmähliches  ist"  deutet  Sokrates  so, 


1)  Sokrates  bezielit  die  Erklärung  des  Simonides  „ich  tadle  nicht  aus  Tadel- 
socht**  auf  Pittakos.  Damit  irrt  er ,  wie  sich  zeigen  wird ,  aber  er  konnte  es 
nimmermehr  tun,  wenn  die  Worte  bei  Simonides  früher  standen  als  die  Erwäh- 
nung des  Pittakos.  Es  ist  also  jede  Construction  falsch,  die  irgend  etwas  vor 
die  Nennung  seines  Namens  rückt. 

2)  Das  gesehen  zu  haben  ist  ein  wesentliches  Verdienst  von  Bergk;  freiUch 
hat  er  verkannt,  dafi  der  Gedanke  simonideisch  sein  muß  und  selbst  das  Wort 
^tX6(uanos,  das  Piaton  das  erste  Mal  in's  attische  übersetzt,  das  andere  Mal  be« 
halten  muB,  weü  fU9fit{<rofi«(  dabei  stand. 


208  ü.  V.  Wilamowitz-Moellondorff. 

daB  darin  läge  „ich  bin  auch  mit  der  MittelmäBigkeit  zufrieden. 
„„Und  ich  suche ,  sagte  er,  keinen  ganz  vollkommenen  Menschen; 
erst  finden ;  dann  will  ich  ihn  euch  zeigen,  sodaß  ich  denn  gar 
niemanden  loben  könnte,  sondern  mir  genügt,  wenn  einer  nur  zum 
Mittelgut  gehört  und  nichts  böses  tut  ^).  Denn  ich  liebe  und  lobe 
aus  freien  Stücken,  so  einer  nur  nichts  schmähliches  begeht;  ge- 
zwungen muß  ich  manchmal  auch  einen  solchen  loben.  So  würde 
ich  dich,  Pittakos,  gewiß  nicht  tadeln,  wenn  du  etwas  leidlich 
wahres  und  richtiges  sagtest;  aber  so,  wo  du  über  eine  besonders 
wichtige  Sache  etwas  falsches  behauptest  und  dir  einbildest  das 
richtige  zu  sagen,  muß  ich  dich  freilich  darum  tadeln"".  Wer  ge- 
nau genug  zusieht,  muß  bemerken,  daß  Sokrates  selbst  kenntlich 
macht,  er  ziehe  hier  die  vorher  besprochene  Strophe  des  Simoni- 
des von  neuem  zur  Erklärung  heran,  obwol  sie  in  dem  Gedichte 
vorher,  eben  an  dem  Platze,  wo  sie  zuerst  besprochen  ist,  stand. 
Denn  nur  bei  dieser  zweiten  Anführung  steht  iipti  (346*) ,  sonst 
überall  ^6iv.  Ganz  wie  sich  gebührt,  kommt  der  Schluß  der 
erneuten  Anführung  genau  zu  dem  Puncte,  wo  auch  nach  der 
ersten  Paraphrase  der  Gedanke  kam  „ich  tadle  dich  nicht,  Pitta- 
kos, weil  ich  tadelsüchtig  wäre"  (346*  und  346").  Damit  ist  der  An- 
schluß erreicht,  der  Zusammenhang  der  ganzen  Partie  erklärt'). 
Sokrates  ist  am  Ende;  darin  liegt,  daß  auch  das  Gedicht  zu 
Ende  ist,  von  dem  er  gesagt  hat,  es  bezöge  sich  ganz  auf  Pitta- 
kos*). Schritt  für  Schritt  hat  er  es  besprochen,  wenn  auch  nicht 
jeden  Vers  wörtlich  angeführt.  Er  hat  es  gemacht,  wie  für  einen 
verständigen  und  redlichen  Interpreten  am  nächsten  liegt.  Falls 
sich  herausstellt ,  daß  das  durch  diese  Exegese  herausgeschälte 
Gedicht  Sinn  und  Verstand  hat  und  ein  Ganzes  ist,  so  können  wir 
uns  beruhigen  und  brauchen  uns  mit  allen  modernen  Aenderungen 
und  Umstellungen  gar  nicht  erst  zu  plagen.  Setzen  wir  also  ein- 
mal zusammen,  was  als  simonideisch  herausgekommen  ist;  das  ist 
zwar   für  mehrere  Partieen  nur  die  platonische  Paraphrase,  aber 


1)  Das  zielt  auf  die  Worte  der  folgenden  Strophe,  die  vorher  so  angeführt 
waren,  8;  &y  ft^  ««»^ff  ^^  ^^2^  &yfiv  &ndlafivog:  ein  Beweis,  daB  der  Inter- 
pret hier  die  Aussagen  des  Dichters  zusammennimmt,  um  eine  durch  die  andere 
zu  erläutern. 

2)  Es  ist  also  jede  Construction  falsch,  die  die  letzt  citirte  Strophe  von  dem 
letzten  Platze  rückt.  Damit  würde  die  unglückliche  Annahme  einer  Epode  fallen, 
wenn  sie  nicht  von  Bergk  längst  beseitigt  wäre:  es  ist  unerfreulich,  daB  die 
meisten  Herausgeber  Piatons  von  Bergk  und  BlaA  nichts  gelernt  haben. 

8)  Es  ist  das  Verdienst  von  Blaß,  den  Umfang  des  Gedichtes  richtig  be- 
schränkt und  damit  seine  Bestimmung  erkannt  zu  haben. 


das  Skotion  des  Simonides  an  Skopas.  209 

damit  müssen  wir  uns  eben  bescheiden;  ich  wenigstens  habe  keine 
Neigung,  sie  in  Verse  umzusetzen  oder  auch  nur  den  Dialect  simo- 
nideisch  zu  machen^). 

6vd^  iya^bv  iihv  iXa^iag  yaviö^ai 
%aXBx6vy  XBQ0iv  xb  xal  xoöl  xal  vo&i 
3  tBXQdyo9vov  &vsv  i^öyov  tstvyiiivov 


10    ovdd  iioi  i^iuUmg  xb  Ilnxixsiov 

viiuxaij  xaCxoi  0og>ov  xa^ä  ipaxbg  et- 

^ebs  &v  ^6vog  rothr'  Ixot  yigag^  ävöga  d*  oix 

i6xi  fii)  od  xaxbv  i^^uvai^ 
16     ov  av  aiii^xavog  6viig>0Qä  xa^sXtit. 
XQd^ag  yäQ  bv  x&g  ivijQ  iya^ög, 

xaxbg  d^  bI  xax&g,    inl  xXbI^xov  dl  xal  &qi6xol  oiig  av 

ot  ^Bol  <piX&0iv  ^). 

xoüvBXBv  o^no-i  iyio  xb  fii)  yBviö^ai 
20    dvpaxbv  dii,ijiiBvog  XBVBäv  ig  £- 

XQoxxov  iXnCia  ^lotgav  al&vog  ßaXim^ 
navofiio^iyif  &v^Qi07C0Vj  BigvBÖovg  Z6oi 

xaQxbv  aMiiBd'a  x^ovög. 
iiCBiff  ifilv  BVQhv  ixayyBXim^. 
26     %ivxag  (f  inalvvuLi  xal  tpiXim 
Bxhv  o6xig  Igdrii 
fiflSiv  al6%Q6vy  avdyxai^)  d^  oidl  ^boI  iul%ovxaL, 


1)  Einfach  falsch  waren  der  Aeolismen  nffd^aig  und  icX6gy  bedenklich 
&luiittPog,  überflüssig  ^fifiiv,  wo  doch  die  lonier  die  letzte  Sylbe  kurz  sprachen 
and  die  Elision  für  die  Aspiration  zengt.  Aber  anch  die  Herstellung  des  langen 
tt,  das  Piaton  darch  ij  ersetzt,  ist  außer  in  den  Nominalendungen  unsicher.  Das 
falsche  i^QviSoeg  hat  man  dabei  übersehen. 

2)  DaB  das  letzte  Glied  bei  Simonides  lautete  ofe  ^eol  ^iX&civ  oder  avg  %i 
^.  9.  ist  ziemlich  sicher.  Weiter  nichts,  da  nal  df^iirroi  Zusatz  sein  kann.  Es 
scheint  also  nicht  möglich  zu  bestimmen,  ob  hinter  dem  vorletzten  Verse  Fermate 
war  oder  nicht. 

3)  Die  überlieforten  Worte  geben  einen  so  vortrefflichen  Sinn  und  gerade 
in  fmutu  beim  Particip  liegt  der  Hohn,  den  Piaton  betont,  daB  es  unzulässig  ist, 
sie  um  einer  Hypothese  über  das  Metrum  willen  zu  zerstören.  Auch  genügt  hei 
^  nicht,  da  der  copulative  Anschluß  unerträglich  ist,  und  l^ct^crr  ist  nicht  nur 
nicht  besser  als  das  Simplex,  sondern  schlechter,  da  man  es  von  dem  sagt,  was 
gesucht  worden  ist:  das  Suchen  weist  der  Dichter  gerade  ab. 

4)  dmyzai  Diogenes,  d«ray»f]t  die  Platoncodd.    Vgl.  Seite  204  Anm.  1. 

Kgt  Q«s.  4.  Wia.    MMhrickI«.    Pkil«lH«-ki>^-  I^Imw.  1888.    Bfl.S.  14 


210  Ü.  V.  Wilamowitz-Moellendorff, 

. . .  ovx  sifLl  9>tA($fia)fio^ . . .  ^fiot^  iiuQXSt  bg  &v  fi^  fiaxbg  ^i 
30  litiS'  ayav  andkcciivogj  al- 

dfhg  y*  6vi^6t7c6Xtv  ölxav 

vyi'^g  ivi^Q  ,  ,  ,  06  ^itv  iyoi  ^) 

IKD^i^öoiuxi  *  r&v  yäg  '^Xi^toüv 
35     änetgav  ysvi^ka. 

icdvta  tot  xalä  rotötv  alöxgä  ^^  fi^^ftxreri. 

In  der  Lücke  nach  dem  zweiten  Verse,  deren  Größe  durch  das 
Versmaß  bestimmt  ist,  hat  die  Anrede  des  Skopas  gestanden, 
vielleicht  noch  etwas  mehr  persönliches,  und  ferner  muß  irgend- 
wie der  Uebergang  von  den  Eingangsworten  zu  der  Gnome  des 
Fittakos  gemacht  sein;  daß  der  Gedankenfortschritt  nicht  einfach 
war ,  sagt  Piaton ,  indem  er  bezeugt ,  daß  ^liv  keine ,  d.  h.  keine 
directe  Entsprechung  fand.  Protagoras  findet  zwischen  äväg^  iya- 
&bv  ysvdö^ai  xaXexöv  und  dem  Tadel  des  Pittakosspruches  xakaxbv 
iö&Xöv  ifiiiBvai  einen  Widerspruch ;  äokrates  löst  ihn  durch  scharfe 
Betonung  des  Unterschiedes  zwischen  den  Tempora,  Aorist  und 
Praesens.  Darin  folgt  man  ihm  allgemein.  Aber  das  ist  nicht 
möglich.  Niemand  hört  im  einfachen  Griechisch  einen  Gegensatz 
zwischen  ysvi^^ai,  und  alvai  ayad^öv  heraus :  wäre  es  dem  »Simoni- 
des auf  solche  Haarspalterei  angekommen,  so  hätte  er  auch  nicht 
iyad'ög  und  iöd^kög  ohne  weiteres  gleich  setzen  dürfen.  Aus  sei- 
ner eignen  Darlegung  kann  man  den  »Sokrates  widerlegen,  denn 
in  seiner  Erklärung  der  letzten  Strophen  spielt  jener  Unterschied 
gar  keine  KoUe  mehr.  Wäre  der  Gedanke  wirklich  „einmal  voll- 
kommen gut  zu  sein  ist  zwar  schwer,  aber  das  ist  möglich;  dage- 
gen dauernd  gut  zu  sein  ist  schlechthin  unmöglich,  darf  also  nicht 
bloß  als  schwer  bezeichnet  werden*',  so  müßte  die  Möglichkeit  des 
iya&bv  yaviö^ai,  eben  so  deutlich  gemacht  werden  wie  die  Unmög- 
lichkeit des  iöd'Xbv  alvat,  und  müßte  da,  wo  er  seine  eigne  Ansicht 
darlegt,  etwa  folgen  „ich  bewundere  den  Mann,  der  einmal  iya^bg 
iyivBxo  unbeschadet  späterer  Fehler  und  Schwächen^.  »Statt  dessen 
folgt  „ich  lobe  und  liebe  jeden,  der  nur  nichts  schimpfliches  frei- 


1)  luv  hat  Schleiermacher  aus  y^r^v  gewonnen;  das  ist  nur  Deutung  der  Ueber- 
lieferung.  Allerdings  hat  bimonides  viv  geschrieben,  aber  die  Ueberlieferung  gibt 
in  der  Lyrik  oft  ^kiv,  oi  ^fj  viv  von  Bergk  ist  nicht  unmöglich,  fordert  aber 
gleich  die  weitere  Aenderung  o^^^  fii{  inir,  die  für  Piaton  nicht  in  Betracht 
kommt  und  für  Simonides  nur,  wenn  man  um  iyt^ff  dinf^  zu  retten  V.  15  und 
27  ändert.  Aber  in  der  letzten  Strophe  gibt  Piaton  den  Wortlaut  am  freisten 
wieder  und  es  ist  mir  ungleich  wahrscheinücher,  daß  ^ir^s  Avi^ff  vor  den  Worten 
fii^d"  &Yav  &ndXafi,9Q9  stand,  wohin  es  das  Versmaß  weist. 


das  Skolion  des  Simonides  an  Skopas.  211 

willig  tut".  Damit  ist  yivdö^ai  iya^öv  nicht  minder  bei  Seite 
geschoben  als  elvai  iad'Xöv  and  sind  in  ixAv  und  al0%Q6v  zwei 
ganz  neue  Begriffe  eingeführt^  von  denen  Sokrates  den  einen  igno- 
rirt,  den  anderen  durch  eine  falsche  Interpunction  beseitigt: 
unmöglich  kann  eine  so  gewonnene  Deutung  richtig  sein.  Also 
behält  Protagoras  darin  Recht,  daß  der  von  ihm  constatirte  Wider- 
spruch in  der  Tat  vorhanden  ist.  Das  kann  dem  Simonides  selbst 
nicht  verborgen  gewesen  sein,  das  muß  er  vielmehr  selbst  so  ge- 
wollt haben.  Das  hat  er  auch.  Sehen  wir  uns  nur  die  Worte 
genau  an,  mit  denen  er  das  Wort  des  Pittakos  citirt:  oi)di  {loi 
ililisXftog  t6  IlirrdxiLOv  vdiiixai  Ttainsg  6o<pov  Ttagä  ipmrbg  elgi^iid- 
vov.  Darin  verbindet  man  seit  Heindorf  iiiiiBliag  mit  sigruidvovj 
Rodaß  es  heißen  soll  „ich  halte  das  Wort  für  ein  unpassend,  wenn 
auch  von  einem  weisen  Manne  gesagtes".  Aber  wer  wird  das 
Adverbium  über  das  nächste  Verbum  hinweg  auf  das  ferne  Parti- 
cipium  beziehen,  und  was  trieb  den  Simonides  dazu  statt  einfach 
ilgilö^at  oder  iii(iiXig  zu  sagen ,  den  Hörer  auf  die  Verbindung 
ovdi  iioi  iiiii£ld(og  vdfietai  gradezu  zu  stoßen?  Piaton  paraphra- 
sirt  obenhin,  oü  q>fi6iv  &%oddxB6^aiy  340®,  so  daß  nicht  einmal  klar 
wird,  wie  er  die  Worte  verstand.  Halten  wir  uns  also  an  den 
einfachen  Wortlaut,  sehen  wir  zu,  ob  es  einen  Sinn  gibt,  daß 
Simonides  sagt  xXvuLfiBXwg  fiot  vdiierat  to  IIixtdxBiov.  vdiieiv  gleich 
voii^iitiv  mit  einem  Praedicate ,  wie  es  Heindorf  faßt ,  wird  im 
Passivum  schwerlich  belegt  sein.  Aber  voiiL^srat  absolut  gebraucht 
ist  ganz  unanstößig:  „verkehrterweise  wird  von  mir  das  Wort 
des  Pittakos  anerkannt''.  Vgl.  z.  B.  Eur.  Hek.  326  ei  xax&g  voiii- 
tofMv  rifiav  tbv  dö^Xöv;  voiiiitvaij  „es  ist  Herkommen'',  ist  ja  be- 
kannt, ^$ovg  voiiiieiv,  „Götter  anerkennen,  glauben"  auch.  Diese 
Bedeutung  ist  vom  Passivum  sogar  ausgegangen,  voiii^etai  gleich 
v6iiog  d6tiv\  und  so  gibt  es  vdiis0^ai :  Thuk.  I  6  xoXXä  xHg  ^EXlddog 
ovtm  viiiöiieva;  dann  sagt  Simonides  „im  allgemeinen  gilt  unter 
den  Menschen  der  Spruch  des  Pittakos  und  ich  lasse  ihn  verkehr- 
terweise gelten"^).  Da  er  ihn  im  folgenden  nicht  gelten  läßt,  so 
fragen  wir ,  wo  hält  er  sich  an  ihn  ?  Am  Anfang ,  natürlich. 
Gewissermaßen  als  Text,  über  den  er  reden  will,  nimmt  er  sich 
den  allgemein  anerkannten  Spruch.  Da  stellt  er  ihn  hin,  ohne 
den  Urheber  zu  nennen;  daß  ein  anderer  Gedanke  ihm  gegenüber 

5)  Sophokles  hat  94fkii9  als  „vorlesen**  gebraucht ,  Fgm.  144 ,  Schol.  Find. 
IsthnL  2.  Weim  man  das  hier  einsetzt,  ergibt  sich  „nnd  unpassend  wird  von  mir 
der  Spruch  angeffthrt".  Ich  siehe  diese  Aoffassong  Tor,  aber  weU  sie  mir  so  gat 
paSt  und  doch  nicht  einzig  möglich  ist,  operire  ich  im  Texte  mit  dem  nnbeqae- 

flsereii« 


212  tJ.  V.  Wilamowitz-Moellendorff , 

gestellt  werden  sollte,  deutet  (liv  an.  Aber  ehe  dieser  vorge- 
bracht wird,  kommt  dem  Redenden  zum  Bewußtsein,  daß  er  den 
Spruch  gar  nicht  passend  als  einen  für  sich  verbindlichen  citirt 
hat  {jtXfi(i(i8l&g  r^t  ifiijt.  yvAiirii,  t6  rod  ntrxaxov  voft^frat),  das 
sagt  er  und  berichtigt  es :  nicht  schwer,  sondern  unmöglich  ist  es, 
vollkommen  zu  werden.  Er  bestreitet  also  nicht  eigentlich  das 
Wort  des  Pittakos,  er  geht  nur  noch  darüber  hinaus,  und  er  tut 
dieses  nicht  um  die  Anforderungen  an  die  Menschen  zu  steigern, 
sondern  er  stimmt  sie  herab ;  was  er  aber  fordert,  freiwillig  nichts 
schmähliches  zu  tun,  ist  eben  so  gut  als  Nachsatz  zu  dem  Ein- 
gange denkbar,  „ein  vollkommener  Mann  zu  werden  ist  schwer, 
ich  bin  ganz  zufrieden,  wenn  jemand  nur  nicht  freiwillig  etwas 
schmähliches  tut"  (fii/tfp'  iyad'bv  filv  yBviöd^ai  %aXB7c6v '  icivxag  6* 
inaivfifit  u.  s.  w.).  Also  das  war  von  Anfang  an  intendirt ;  Strophe 
1  und  4  geben  den  eigentlichen  Gedanken  des  Dichters;  die  Be- 
richtigung des  Pittakos  in  den  beiden  Mittelstrophen  retardirt 
die  Antwort,  aber  sie  kommt,  wie  sie  mußte.  Selbstverständlich 
hatte  der  Dichter  auch  diese  Correctur  von  Anfang  an  vor;  daher 
wird  der  Begriff  iviig  iyad'ög  sofort  erläutert ,  und  zwar  so ,  daß 
Vollkommenheit  an  Leib  und  Seele  gefordert  wird,  eben  damit 
nachher  sofort  einleuchte,  daß  das  eine  von  keinem  Menschen 
erfüllbare  Forderung  wäre.  Ich  meine,  das  ist  vollkommen  klar. 
Das  Gedicht  ist  in  sich  abgerundet  und  aus  sich  verständlich. 

Protagoras  hat  eine  Vexirfrage  gestellt,  auf  die  die  richtige 
Antwort  war:  freilich  ist  das  ein  Widerspruch,  aber  es  soll  auch 
einer  sein.  Sokrates  löst  ihn  durch  einen  geistreichen  Gedanken, 
den  er  aber  dem  Gedichte  unterschiebt;  übrigens  steht  nirgend, 
daß  seine  Lösung  als  richtig  anerkannt  wird,  am  wenigsten  von 
Protagoras.  Darin  dürfen  wir  mindestens  einen  Wink  Piatons 
sehen,  in  der  Deutung  keine  objective  Wahrheit  zu  suchen.  Es 
ist  ähnlich  wie  mit  den  Etymologien  im  Kratylos,  von  denen  er 
manche  geglaubt,  manche  als  tolle  Spiele  angesehen  hat,  ohne  daß 
sich  beide  Classen  sicher  scheiden  ließen.  Freilich  soll  dort  dar- 
getan werden,  daß  die  Etymologie  ein  wissenschaftliches  Resultat 
überhaupt  nicht  erzielen  könne,  während  wir  als  selbstverständ- 
lich ansehen,  daß  es  von  einem  Gedichte  eine  erweislich  richtige 
Deutung  geben  müsse.  Aber  Piaton  hat  das  nicht  geglaubt ') ; 
der  Philologe  muß  sich  darein  finden,  daß  der  Mann,  dessen  Werke 
zu  erläutern  mit  seine  schönste  Aufgabe  ist,   sein  Handwerk  in 


1)  Hipp.  II.  3G6«   tbv  n^v  "Ofiriifov  idctaiifv^   Iniidi}   %al  itdvvatov  InavBifi' 
o^ai  xl  nati  vo&v  ta^u  inofria.    Ganz  so  ülter  ein  Wort  des  Qorgias  Men«  71^. 


das  Skolion  des  Simonides  an  Skopas.  213 

allen  Teilen  als  ein  leeres  Spiel  verachtet  hat.  Darum  läßt  er 
seinen  Sokrates  gern  die  Dichterexegese  ablehnen  oder  er  läßt  ihn 
selbst  mit  ihr  spielen,  und  was  auch  immer  geistreiches  dabei  heraus- 
kommt, Spiel  bleibt  es  doch.  Ohne  Zweifel  dürfen  wir  dies  Vor- 
gehen dem  wirklichen  Sokrates  erst  recht  zutrauen ,  dem  Poly- 
krates  das  Verdrehen  von  Dichtersprüchen  vorgeworfen  hat  *), 
und  den  Piaton  auch  im  kleinen  Hippias  zwar  wirkliche  Wider- 
sprüche in  dem  I  der  Lias  aufzeigen  läßt,  sie  aber  zu  Folgerun- 
gen benutzen,  gegen  welche  Hippias  auch  in  Piatons  Sinne  berech- 
tigten Einspruch  erhebt*).  Wir  haben  anerkennen  dürfen,  daß 
Piaton  mit  dem  Principe,  die  polemische  Tendenz  des  Simonides 
zu  verfolgen,  etwas  wahres  und  methodisches  verfolgt ;  aber  über- 
treibend hat  er  auch  die  letzte  Strophe  auf  Pittakos  bezogen, 
and  da  nun  dem  Eingang  des  Gedichtes  seine  Entsprechung 
fehlte,  den  blendenden  Gegensatz  von  Sein  und  Werden  eingeführt. 
Er  sagte  sich,  daß  Simonides  tatsächlich  mancherlei  gelobt  hatte 
was  nicht  ohne  alöxgöv  war,  wo  sich  der  Dichter  also  nur  auf  die 
Entschuldigung  einer  Zwangslage  berufen  konnte:  das  hat  ihn 
dazu  verführt ,  den  Schluß  der  zweiten  Strophe  grammatisch  zu 
vergewaltigen.  Möglich  ist  es,  daß  er  die  sokratische  Deutung 
wirklich  geglaubt  hat;  aber  selbst  dann  hat  er  sie  nicht  für 
wissenschaftlich  verbindlich  gehalten. 

Wir  wollen  uns  nun  an  Simonides  selbst  halten  und  seine 
Gedanken  aus  der  historischen  Continuität,  in  die  sie  gehören, 
heraus  zu  begreifen  suchen.  Er  verfaßte  das  Gedicht  für  Skopas, 
den  Herren  von'Krannon'),  der  ihn  viel  beschäftigt  hat.  Wes 
Geistes  Kind  der  Mann  war,  wissen  wir  nicht,  aber  daß  ein  thessa- 

1)  Xenopb.  Mem.  1,  2,  57. 

2)  Höchst  geistreich  behauptet  Sokrates  Cap.  13  (370^71)  was  er  unmög- 
lich glauben  kann,  und  Hippias  widerspricht  aus  richtigem  Gefülile,  das  er  frei- 
lich nicht  begründen  kann.  Mit  diesen  Sophismen  bahnt  sich  Sokrates  den  Weg 
zu  dem  verblüffenden  Sophisma,  das  er  überhaupt  yertritt,  daB  derjenige  besser 
ist,  der  mit  Bewußtsein  lügt  als  wer  es  unfreiwillig  tut.  Er  ist  selbst  ein 
t7U99  ifHfdduiPog^  also  weiser  und  besser  als  sein  dünkelhafter  Widerpart,  wenn 
er  das  als  tC^nv  auch  ablehnt  (373^).  Das  ist  der  Humor  des  Dialoges,  dessen 
Verfasser  auch  inmv  fi>$vdixai  und  am  Schlüsse  gesteht,  daB  er  die  Thesis  selbst 
nicht  glaubt,  die  er  yerficht  (876^).  Der  Humor  ist  glänzend :  aber  dieser  Sokra- 
tes ist  noch  ganz  Sophist  und  dieser  Piaton  hat  den  Fels  des  Ewig  wahren, 
Ewig  guten  noch  nicht  gefunden,  auf  dem  er  Wissenschaft  und  Glauben  aufer- 
banen  sollte.  Er  erfaBte  auch  hier  das  Wesen  seines  Meisters,  aber  er  hatte 
diesen  nur  als  den  klügsten  Sophisten  begriffen. 

3)  Das  Gedicht  ist  natürlich  älter  als  der  Threnos  auf  den  Tod  der  Skopa- 
den,  und  wenn  wir  auch  keine  genauere  Zeitbestimmung  geben  können,  dürfen 
wir  es  doch  noch  in  das  sechste  Jahrhundert  rücken. 


214  ü.  V.  Wilamowitz-Moellendorff , 

lischer  Dynast  kein  Tugendspiegel  war,  der  Dichter  weder  ein 
alberner  Schmeichler  noch  ein  Pedant,  müssen  wir  voraussetzen. 
Es  ist  mit  der  bodenlosen  Vermutung  gar  nichts  gewonnen,  daß 
Skopas  grade  etwas  sehr  bedenkliches  begangen  gehabt  hätte,  und 
Simonides  ihn  gewissermaßen  entschuldigte.  Die  Frage  nach  der 
aQST'^  und  ihrer  Erreichbarkeit  für  den  Menschen  beschäftigt  damals 
auch  einen  Tyrannen  in  seinen  Mußestunden,  der  practisch  nicht 
nach  einem  Moralcodex  lebte,  und  der  Dichter  war  damals  der 
weise  Mann,  der  solche  Fragen  beantwortete.  Piaton  hat  die 
Entwickelung  von  den  Apophthegmen  imd  Gnomen  der  alten  Wei- 
sen zu  der  Sophistik  seiner  Zeit  ganz  richtig  geschildert.  Simo- 
nides beantwortet  dem  Skopas  die  Frage ,  „was  denkst  du  über 
das  Wort  des  Pittakos",  wie  uns  Apophthegmen  genug  von  ihm 
erhalten  sind,  wie  Hieron  ihn  nach  dem  Wesen  Gottes  fragt*) 
und  wie  er  bei  Xenophon  mit  demselben  über  den  Wert  der  Ty- 
rannis  disputirt.  Die  Legende  muß  doch  einen  realen  Hintergrund 
haben.  Natürlich  beeinflußt  der  Adressat,  wenn  nicht  die  Ant- 
wort, so  doch  ihre  Fassung,  und  es  wäre  für  das  Verständniß  des 
Ganzen  sehr  wertvoll,  das  direct  an  Skopas  gerichtete  zu  kennen; 
aber  das  hat  Piaton  ausgelassen.  Wir  hören  nur  den  Dichter 
seine  Antwort  auf  eine  alte  Frage  abgeben:  so  müssen  wir  denn 
die  Geschichte  dieses  Problcmes  verfolgen. 

Die  i^6Ti},  die  Eigenschaft ,  die  den  iv^Q  iya^ös  macht ,  ist 
von  Hause  aus  gar  kein  sittliches  Gut.  Unter  einem  gottesfürch- 
tigen  Könige  aQBt&öi,  Aaot,  gedeihen  seine  Leute,  heißt  es  in  einem 
der  ältesten  Stücke  der  Odyssee,  r  114 ,  was  Hesiod  (Werke  227) 
mit  iv^evifiv  wiedergibt.  Hesiod  ist  ein  mit  sittlichen  Pro- 
blemen ringender  Denker,  sein  Spruch  über  die  zwei  Wege,  die 
der  Mensch  im  Leben  einschlagen  kann,  ist  ein  Grundstein  der 
hellenischen  Ethik  geworden^)  und  in  das  Evangelium  übergegan- 


1)  Cicero  de  nat.  deor.  I  GO. 

2)  Simonides  bat  mit  der  hesiodischen  Stelle  von  dem  beschwerlichen  Wege, 
der  zur  &(fstij  führt,  die  Vorstellung  verbanden,  daB  die  Göttin,  die  frülier  im 
goldenen  Zeitalter  unter  den  Menschen  weilte,  vor  der  wachsenden  Schlechtigkeit 
der  Welt  in  die  Gebirge  entwichen  ist,  eine  Vorstellung,  die  selbst  mit  dem  £nt- 
weiclien  von  Aidos  und  Dike  bei  Hesiod  198  zusammenhängt,  wo  aber  die  Göttin- 
nen in  den  Himmel  gehen.  Das  hat  MaaB,  Aratea  138,  richtig  erkannt  und  mit 
Arats  Jungfrau  in  den  Bergen  bekräftigt  (127).  Aber  wenn  Aretc  in  den  Bergen 
ist,  kann  sie  nicht  bei  den  Göttern  sein,  wie  er  nach  Bergks  Vorgang  annimmt. 
Im  Gebirge  gibt  es  zwar  auch  göttliche  Wesen;  Gespielinnen  werden  der  himm- 
lischen Jungfrau  nicht  fehlen  (wie  Artemis  im  Nymphenchor  einherzieht,  die  der 
Partbenos  vom  Parthenion  wesensgleich  ist),  aber  das  sind  keine  andern  als  die 
Elementarwesen,  die  eben  in  den  Bergen  zu  Hause  sind,    Panach  verbessert  sich 


das  Skolion  des  Simonides  an  Skopas.  215 

gen*).  Aber  er  erhielt  dabei  eine  wesentlich  andere  Bedeutung 
als  der  Dichter  beabsichtigt  hatte.  Der  Gedankengang  der  Par- 
tie V.  274-— 326  ißt  folgender  „Höre  auf  das  Recht,  Perses,  und 
verschließe  der  Gewalt  dein  Ohr,  denn  dem  der  mit  Ueberlegung 
das  rechte  sagt,  gibt  Gott  Gedeihen,  Hkßov  didot  tvQiioica  Zevg, 
während  das  Geschlecht  des  wissentlich  meineidigen  herunter- 
kommt*). Die  xaxörrig  kann  man  bequem  und  nahebei  erreichen, 
die  ap£rij  kostet  viel  Schweiß;  der  Weg  zu  ihr  ist  steil  und  lang 
und  zuerst  rauh,  aber  wenn  man  erst  auf  der  Höhe  ist,  so  ist  sie 
leicht  erreichbar,  so  beschwerlich  sie  zuerst  ist.  Da  du  dir  nicht 
selber  zu  raten  weißt,  so  nimm  wenigstens  von  mir  den  guten 
Rat  an  und  arbeite.  Es  taugt  nicht  Drohne  zu  sein ;  Arbeit  macht 
wolhabend  und  ist  keine  Schande ;  wenn  die  Arbeit  dich  wolhabend 
gemacht  hat,  beneidet  dich  der  Faule  um  deines  Reichtumes  willen, 
und  dem  Reichtum  folgt  igsrii  und  xvdog.  Falsche  Scham  (daß 
Arbeit  nicht  fein  wäre)  ist  für  einem  armen  Mann  übel  angebracht. 
Aber  Raub  und  Gewalt  gedeiht  nie:  so  gewonnenes  Gut  lassen 
die  Götter  bald  zu  Grunde  gehen  und  dieser  Zkßog  hält  nicht  lange 
vor^^).    Ein  Gedanke  beherrscht  diese  ganze  Partie,  wie  sich  am 

das  Brachstück  (58  Bgk.  ans  Clemens  Strom.  IV  585 ,  natürlich  aus  einem  Flori- 
legiom). 

ftfTi  Tig  l6yog 

rccv  'J(firccv  vuUiv  dvos^ßdtoig  inl  nh^atg 

wii<p&v  di  (iiv  d'o&v  xoQ^v  ccyvhv  äfttpinnv . 

oi>d\  ndvtmv  ßXitpaQOig  9'vatäiv  iaanrog^ 

iKTji  r'  ig  &%QOv  &vd(ffiai. 
Hier  habe  ich  vviupäv  und  xo9<^v  &U8  ^^^  ^^^  x^9^^  gemacht;  außerdem  av- 
6gUug  in  den  Dativ  verwandelt :  dg  &%qov  heißt  ja ,  daß  der  Mann  im  Scliwciße 
auf  den  Berg  steigt,  wo  'A(fitd  zu  finden  ist;  das  leistet  er  durch  seine  Mann- 
haftigkeit,  seine  virtus.  &QfTq  ist  natürlich  dasselbe  was  sie  bei  llesiod  ist.  Man 
mag  auch  der  ersten  Rede  des  Dion  gedenken,  die  auch  eine  dienende  Umgebung 
der  Jungfrau  Basileia  and  als  Ort  das  Gebirge  gibt 

1)  Oder  wenn  das  Herrn  wort  Matth.  7,  13  unabhängig  ist,  so  kann  die  Aus- 
führung in  den  'Zwei  Wegen*  ihren  Zusammenhang  mit  der  Kynischen  Predigt 
nicht  verleugnen.  Noch  die  Diogenesbriefe  sind  voll  davon,  z.  B.  12.  80.  Beiläu- 
fig, den  Gegensatz  des  Kynismns  zum  Christentum  und  seine  Inferiorität  spricht 
kaum  etwas  so  klar  aus  wie  Brief  7 ,  wo  sich  Diogenes  im  Anschluß  an  Kerkidas 
mit  dem  Hundstern  vergleicht  t&p  oi*  xarä  do^ap  icllä  itatä  tpvöip^  iXiv^'fgog 
^6  xbp  JiUf  tig  ai>xbp  iLPOttd'Sixag  x&ya^bp  %al  oim  iig  top  nlriaiov. 

2)  Das  ist  individuell  gefaßt,  weil  Perses  nach  dem  alten  Procefi,  den  wir 
ans  Gortyn  kennen,  durch  einen  Eid,  den  der  Bruder  für  falsch  hielt,  Recht  be- 
kommen hatte. 

3)  Ich  muß  so  weit  ausgreifen ,  da  Hesiods  Gedicht  zu  denen  gehurt ,  bei 
deocn  man  vergißt  oder  gar  leugnet,   daß  sie  einen  Zosammenhang  haben,  und 


216  ü.  V.  Wilamowitz-Moellendorff, 

deutlichsten  darin  zeigt,  daß  zuletzt  der  Erfolg  der  Gewalt  be- 
leuchtet wird,  für  die  Perses  viel  größere  Sympathien  hatte.  Und 
es  sollte  keiner  Worte  bedürfen,  daß  Hesiod  zwar  einen  sittlichen 
Wandel  für  notwendig  hält ,  damit  einer  die  igsti^  erlange ,  daß 
aber  diese  gar  keine  sittliche  Eigenschaft  des  Menschen  ist,  son- 
dern das  höchste  Gut,  das  ein  jeder  gern  erringen  möchte.  Sie 
ist  ziemlich  dasselbe  wie  der  üXßog  oder  auch  das  xvdog,  sie  ist 
nichts  anderes  als  bei  Homer,  die  Geltung  als  ganzer  Mann,  als 
&viiQ  iya^ög  oder  iöd-Xög.  Hesiod  verficht  also  nur,  daß  es  der 
Rechtschaffenheit  und  der  rechtschaffenen  Arbeit  bedürfe,  damit 
man  wenigstens  auf  die  Dauer  das  tßXixbv  ayad'öv  erreiche:  das 
ist  Reichtum,  Ansehen,  Macht ^).  Die  homerischen  Rhapsoden 
schließen  ihre  Prooemien  mit  der  Bitte  an  den  Gott,  den  sie  ange- 
redet haben,  didov  d'  igsti^v  xb  xal  ülßov^.  Das  ist  nichts  ande- 
res als  ein  Gebet  um  guten  Erfolg  und  um  Beifall  beim  Publicum, 
von  dem  sie  ja  auch  leben.  Auch  sie  wollen  Svögsg  äya^oi  wer- 
den, so  -soll  man  sie  beurteilen  und  danach  bezahlen.  Solon  ist 
ihnen  an  Weisheit  und  sittlicher  Tiefe  unendlich  überlegen,  aber 
wenn  er  betet 

8A/3oi/  fiot  itQhg  d'€&v  iiaxägayi/  d6t€  xal  Ttgbg  an&vxiov 
ivd'QibTtav  aUl  dö^av  ixBiv  äyad'i^Vj 

bIvkv  8%  ykvTtirv  aÖB  (pCXoi^  ix^QOtöi  öh  ntxgövj 
totöL  [ilv  alSolov  totöi  dl  dsivbv  Idstv  (Fgm.  14,  5) 
so  ist  das  eine  Paraphrase   der  Formel  diöov  d*  igBrn^v  xb  xal  SA- 
/}oi/,  und  der  ükßog  ist  Reichtum,  die  döl^a  iyadi^  ist  die  des  iviig 
Ayad-ög,  des  Mannes,    der  Freund  und  Feind  den  nötigen  Respect 
einflößt. 

Solon   erbittet   dies  höchste  Gut   von  den  Göttern;  auch  bei 
Hesiod   verfügen  diese   über   das ,   was   freilich    der  Mensch   sich 


wenn  der  löbliche  Versuch  gemacht  wird,   ihn  aufzuzeigen,   so  gerät  er   selten; 
vgl.  PeppmüUers  Uebersetzung. 

1)  oi>%  ägetäi  %a%ä  ^gya  sagt  einer  der  spätesten  Odysseedichter  d  329: 
das  ist  ganz  und  gar  die  hcsiodische  Ansicht.  Eine  bezeichnende  AeuBerung  des 
Backchylides ,  in  der  noch  weniger  moralisches  steckt,  ist  in  dem  Excurse  be- 
handelt. 

2)  Homer  hymn.  15.  20.  Das  ist  dasselbe  wie  tvxriv  sifdaijioviTiv  ti  11,  und 
faBt  nur  allgemein,  was  sich  speciell  in  der  Bitte  um  Dank  und  Lohn  für  den 
Gesang  (10.  24.  25.  31)  oder  gradezu  lim  Sieg  (8)  ausspricht;  die  Schauspieler 
bitten  so  zum  Schluß,  daB  Nike  ihr  Leben  kröne.  Wie  die  hellenistischen  llym- 
nendichter,  die  nun  Scgtrij  als  sittliche  ^ig  betrachten,  mit  dem  alten  Schlüsse 
spielen,  kann  man  sich  selbst  abnehmen,  wenn  man  den  Begriff  und  seinen 
Wandel  verfolgt;  es  hat  aber  für  Kallimachos  1  und  Theokrit  17  zu  groBe  Con- 
sequenzen,  als  d&B  ich  es  bei  Wege  erledigen  könnte. 


das  Skolion  des  Simonides  an  Skopas.  217 

dnrch  sein  eignes  Handeln  bei  ihnen  erwirkt.  Es  ist  ganz  in 
der  Ordnung ,  daß  der  Erfolg ,  das  Gedeihen ,  in  Gottes  Hand 
steht,  und  daß  ein  willkürlieh  in  die  menschlichen  Dinge  eingrei- 
fender Gott  den  Menschen  znm  Ayad'ög  and  xaxög  macht,  ganz 
wie  es  ihm  beliebt.  Noch  Sophokles ,  ein  Mann  der  alten 
Frömmigkeit,  hat  die  Geschichte  von  Oedipus  zweimal  als  Exem- 
pel  für  diesen*  Satz  dramatisirt,  und  individuelle  Verschul- 
dung und  individuelles  Verdienst  mit  Bedacht  ausgeschlossen.  So 
kommt  die  äpstii  von  Gott.  Das  hat  auch  Simonides  einmal  ge- 
sagt %  und  Pindar  sagt,  ,,wenn  Gott  den  Anfang  zeigt ,  so  giebt 
es  für  jede  Unternehmung  einen  graden  Weg,  igstd  zu  erreichen, 
d.  h.  Erfolg  zu  haben,  und  der  Ausgang  wird  gut"  *).  Eben  der- 
selbe redet  aber  auch  von  einer  ^cöödorog  &triQ&  xccxörccg^).  Bei 
Pindar  tritt  ein  Glaube  daneben,  den  Simonides  nicht  teilt,  darin 
sich  als  lonier  offenbarend,  der  Glaube  an  die  eingeborene  Art, 
der  dem  Menschen  durch  die  Geburt  sein  Wesen  und  sein  Schick- 
sal zuweist;  wie  es  von  Geburt  Fürsten  und  Bettler  giebt,  so 
auch  geborene  iyad'ot  und  xaxoL  Das  ist  die  Ansicht,  die  auf  dem 
Festlande  vorwaltet,  so  lange  sich  der  herrschende  Stand  behaup- 
tet, d.  h.  so  lange  die  Götter  ihm  die  igsrij  erhalten.  Theognis 
ist  darum  so  interessant ,  weil  er  die  ständischen  Ansprüche  mit 
reactionärer  Schroffheit  festhält,  obwol  die  Welt  über  den  Adels- 
staat zur  Tagesordnung  übergegangen  ist,  so  daß  nun  igsti^  fast 
als  eine  angeborene  sittliche  Qualität  erscheint;  es  ist  ihm  auch 
wirklich  unklar,  wie  nah  er  innerlich  den  verhaßten  modernen 
Anschauungen  ist,  wie  das  Eeactionären  zu  gehen  pflegt  ^).    Pindar 


1)  Fgm.  69  o^t(  &vsv<9i>  9i&v  itgtrav  Idßiv^  oi  n6XiSf  o^  ßginog  ,  .  • 
was  weiter  der  Bischof  Theophüus  aus  seinem  Florilegium  anführt,  ist  so  zer- 
rissen, anBer  Satz  nnd  Vers,  daB  man  es  nicht  verwenden  kann. 

2)  Kgm.  108  dco4>  9h  dii^avxog  &QZ^^  inaütov  iv  ngäyog  B^iia  Öi}  xiUv- 
^6g  Aifttäv  IXiCv  ttlivtai  ti  naXXCovig. 

3)  Fgm.  42  f^  ^f  rt(  iv^Q^noiai  ^«dff^oro;  atlrjvrixoxag  ngomvirii ,  xavtav 
tfwkttt  nQvnttiv  (Sftftvoy.  Aus  dieser  Corruptel  hat  Boeckh  &tXdta  xa%6tag  ge- 
macht, evident  bis  auf  das  aus  Ol.  6,  88  genommene  Adjectiv,  dessen  feminine 
Endung  sich  nicht  entschuldigen  lässt;  daB  Bergk  mit  der  interpoUrten  Ueberlie- 
femng  bloB  ata  setzt,  ist  nicht  aus  wissenschaftlichen  Gründen  zu  erklären. 
Leicht  stellt  sich  &tripd  her :  das  ist  das  schrecklichste  an  solchem  gottgesandten 
Elend,  daB  es  &tri  weiter  verbreitet,  so  daB  es  verborgen  werden  muB;  so  ge- 
schieht es  mit  dem  blinden  Oedipus,  O.  T.  1412.  1430.  Für  die  Wortbedeutung 
vgl.   z.  B.   Theognis   433   nanixrig   «al  irnQal  tpQhig,   Soph.  Phil.   1272  nufxSg^ 

4)  Auch  aus  der  Entwickelung  der  sittlichen  BegrüTe  läBt  sich  zeigen,  was 
Metrik  nnd  Sprache  ebenso  fordern,  daB  die  Ueberliefenmg  richtig  ist,  die  Theog- 
nis in  den  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  setzt    Es  ist  für  seine  DarsteUnng  der 


218  U.  V.  Wilamowitz-Moellendorff, 

transigirt  auch  innerlich  nicht,  er  steigert  den  Glauben  an  die 
öiryyevrig  (pvd  zu  dem  tiefsinnigen  j^^i/ot^  olog  iööi  (lad'Av.  Niemals 
kann  das  noblesse  ohlige  tiefer  gefaßt  werden;  aber  eine  indivi- 
duelle Sittlichkeit  und  die  Kraft  der  Menschenseele  das  rechte 
trotz  allem,  ja  trotz  der  eignen  Art  und  trotz  der  &qbxi/^  ,  die  der 
Gott  gibt,  zu  tun,  hat  er  weder  erkannt  noch  anerkannt.  Er 
würde  dem  Skopas  geantwortet  haben  „Für  den  xaxönatQig  ^ogfo- 
dognldag  Pittakos  ist  es  nicht  bloß  schwer,  sondern  unmöglich  ein 
iö^Xög  zu  werden:  du  bist  Heraklide,  du  weißt  was  damit  gesagt 
ist,  was  damit  von  dir  gefordert  wird,  Sysiv  igeräv  ovx  aiöxio 
(pväg  (Isthm.  6,  22).  Du  bist  iö^lög ,  lebe  danach ,  so  wird  Gott 
deinem  Leben  die  igerd  nicht  versagen,  und  mein  Lied  deine  ipe- 
rai^)  verewigen".  So  erhaben  er  ist,  nicht  seine  Erhabenheit, 
sondern  die  sehr  viel  menschlich  läßlichere  Weise  des  griechischen 
Ostens,  die  der  Keer  vertritt,  führt  auf  den  schmalen  Pfad  der 
echten  dgarii» 

Wenn  Pittakos  sagte,  es  ist  schwer  ein  guter  Mann  zu  sein, 
so  sagte  er  es  als  der  Herr  von  Mytilene  und  als  der  Weise, 
d.  h.  weit-  und  lebenserfahrene  Mann.  Wir  kennen  zum  Glück 
nicht  nur  das  nackte  Apophthcgma,  sondern  die  zugehörige  Ge- 
schichte, die  den  Sinn  erläutert ').  Er  sprach  so,  als  er  sein  Amt 
freiwillig  aufgab,  der  Erfahrung  Ausdruck  gebend,  die  auch  dem 
Weisesten  nicht  erspart  bleibt,  wenn  er  dazu  kommt  die  Theorie 
in  die  Praxis  umzusetzen.  Tief  ist  der  Spruch  an  sich  so  wenig 
wie  die  meisten  der  Sieben  Weisen,  aber  es  imponirte  die  einfache 
Wahrheit  aus  dem  Munde  des  berufensten  Mannes.  Wir  werden 
höher  schätzen,  daß  für  ihn  hundert  Jahre  vor  Pindar  der  iöd^lög 
ai/i{p  der  Mann  ist,  der  das  sittlich  gute  tut,  und  wir  würden  das 
vielleicht  anzweifeln,  wenn  nicht  gleichzeitig  Phokylides  von  Mi- 
let  sagte,  daß  man  sich  viel  unerwünschtes  gefallen  lassen  müßte, 


adlichen  Gesellschaft  and  Uirer  Ordnung  sehr  schädlich  gewesen,  dafi  £.  Meyer 
diesen  wichtigen  Zeugen  ganz  falsch  eingeordnet  hat.  Historische  Facta  sind 
dem  Theognis  freUich  nicht  zu  entnehmen;  das  hat  Keitzenstein  in  seiner  treff- 
lichen Behandlung  des  Dichters  sehr  mit  Recht  betont. 

1)  Dieser  Plural  ist  bei  ihm  sehr  häufig;  es  sind  die  Betätigungen,  in  denen 
sich  der  geborene  ivi^g  &ya969  seinem  Wesen  gemäß  zeigt,  meist  die  wol  erfüll- 
ten Standespflichten. 

2)  Schol.  Plat.  Kratyl.  (aus  Lucill)  und  Zenob.  VI  38  (fehlt  im  Athous).  Als 
Pittakos  erfährt,  daB  Periander  durch  die  Herrschaft  schlecht  geworden  ist,  legt 
er  die  seine  nieder  und  sagt  xaXsnbv  ia^lbv  fyiitvai  (tp^at.  schol.  Plat).  Und 
uls  Solon  das  erfährt,  sagt  er  %€dexä  xä  %alä. 


das  Skolion  des  Simonides  an  Skopas.  219 

wenn  man  ein  rechtschaffener  Mann  sein  wollte  ^).  Darin  liegt, 
daß  es  die  xaxoi  vielfach  besser  haben ;  was  sehr  wahr  ist ,  aber 
nur  dann,  wenn  gut  und  böse  sittliche  Begriffe  sind,  von  der  Ge- 
burt und  von  der  Lebensstellung  und  von  dem  Glücke  unabhängig. 
Nun  werden  wir  besser  verstehn,  was  Simonides  dem  Herren 
von  Krannon  antwortete,  als  dieser  ihn  nach  seiner  Meinung  über 
das  Wort  des  plebejischen  Herren  von  Mytilene  befragte.  Natür- 
lich erwartete  er  ein  Compliment,  wie  Kroisos  als  er  fragte,  wer 
der  glücklichste  wäre;  der  Heraklide  wird  wie  Theognis  gedacht 
haben.  Aber  der  lonier  sagte  ihm  höflich  die  Wahrheit.  „Ge- 
wiß ist  es  schwer  ein  iöd'lög  zu  sein,  denn  dazu  gehört,  daß  man 
an  Leib  und  Seele  sans  reproche  ist;  ja  Pittakos  sagt  noch  zu 
wenig,  ich  durfte  mir  sein  Wort  gar  nicht  aneignen,  denn  es  ist 
absolut  unmöglich  diese  Vollkommenheit  zu  besitzen,  da  der  Er- 
folg, also  etwas  ganz  in  das  Belieben  der  Götter  gestelltes,  den 
Menschen  igsri^  gibt  und  nimmt.  Also  solch  Mensch  ohne  Tadel 
kann  gar  nicht  existiren^.  Pittakos  wird  übertrumpft  mit  dem 
alten  Glauben,   nach  dem  igerij  Gedeihen  ist^).     Dagegen  konnte 


1)  Der  Vers  ist  in  drei  verschiedenen  Fassungen  erhalten:  ein  sehr  merk- 
würdiger Beleg  für  die  Verwahrlosung  dieser  von  den  Grammatikern  nicht  ge- 
schützten Litteratur.  Das  echte  steht  in  dem  seltsamen  Tractate,  den  der  Heraus- 
geber Gramer  »c^l  'Inno(idxov  unpassend  überschrieben  hat,  An.  Par.  I.  166. 
StfTiff  ducvoettai  mg  .  .  ,  ntriüößivog  &QeTrjv  (utriödfitvog  &vi^q  cod.)  ngoadtavoBi- 
09m  xal  [f/(]  Srt  XQ^  ^'^  (i^6vov  tb  <^(o%vX£dsiov  na^Btv,  noXXä  äinovra^  Siti^fii' 
vov  fyfitvtti  io9X6v  (d.  oi}  ii6vov  xb  i6J&X6v  cod.,  verbessert  von  Dindorf  zu  der 
Clemensstelle),  &XXa  xal  novfjetti  9r($vovff  <yb  q>avXovs  %al  naxQidog  avtbv  &<pt' 
Xic^ai  XQ^o)v  %ttl  tf^g  oitöittg  Öi*  ifiiXiiav  &noXXv(iivrig  ^ag^fjöat  %al  &doiiav 
«al  6viidri  xa  inl  xovxoig  u.  s.  w.  So  viel  muss  man  lesen,  damit  an  der  Bedeu- 
tung deR  Spruches  für  diesen  Zeugen  kein  Zweifel  bleibt.  Plutarch  n,  t.  inov- 
Biv  18  p.  47«  ov  iiovov  ag  9>7]<rl  <P(o%vXiSrig  n6XX*  inaxri^vai  diti/jiiivov  f(iiievai 
i&9X6v,  &XXcc  nal  ytXaüd'fjvai  dei  noXXä  nal  Ado^iloai  n.  s.  w.  Clemens  Strom.  V 
733 :  der  Philosoph  muB,  wie  Heraklit  sagt,  bI  (idXa  noXXcdv  tcxmg  sein  (den  Phi- 
losophen bringt  Clemens  hinein;  er  gehört  nicht  zu  dem  Citat),  xal  xmi  6vxi 
&vay%ri  ytoXXa  nXavrid^iivca  dt^iiiievov  fyiiBvat  ia9X6v.  Geschrieben  hat  er  so  und 
es  von  der  Vielseitigkeit  der  Studien  verstanden,  aber  dies  ist  eine  Corruptel  der 
plutarchischen  Fassung,  der  versteht  „der  brave  Mann  wird  viel  betrogen**,  und 
es  zu  einer  sehr  ähnlichen  Deduction  benutzt  wie  sie  bei  dem  Rhetor  Cramers 
steht.  Die  Wahl  zwischen  noXXä  &i%ovxa  nad'Btv  und  noXXä  &7taxri9fjvai  kann 
nicht  zweifelhaft  sein.  Irgend  jemand  der  mit  dem  Spruche  so  operirte  wie 
unsere  Gewährsmänner,  die  ihn  sammt  seiner  Anwendung  überkommen  haben, 
hat  das  allgemeine  Ainovxa  na^sCv  mit  einem  olov  Anaxti^^ilvai  u.  s.  w.  exempli- 
ficatorisch  erläutert.  Theognis  10.S7  avdifa  xoi  hx'  iyad'bv  xtf^f^^rarov  i{««a- 
xij^ai  klingt  nur  äuBerlich  an ;  das  besagt  nicht  mehr,  als  daB  der  tüchtige  Mann 
auch  klug  and  umsichtig  ist. 

2)  nod^ag    bv   n&g  &vr}Q  &ya96g,    Eur.  Uipp.  700  bI  ^  ii  y*  in^lti^  kluqx* 


220  tJ.  V.  Wilamowitz-Moellendorff, 

Skopas  nichts  haben;  aber  Simonides  wußte  doch,  daß  er  die  Ab- 
lehnung des  Pittakos  nach  der  entgegengesetzten  Seite  erwartet 
hatte.  Indem  er  also  seine  eigne  Meinung  vorzutragen  beginnt, 
betont  er  sehr  nachdrücklich,  daß  er  mit  dieser  strengeren  Beur- 
teilung die  Menschen  keineswegs  heruntersetzen  woUe ,  im  Gegen- 
teil, „jeder  der  nur  so  viel  an  ihm  liegt,  nichts  schimpfliches  tut, 
jeder  ordentliche  Mensch,  der  nur  kein  Schurke')  und  nicht  gar 
zu  ungeberdig*)  ist  und  zu  leben  weiß,  wie  es  das  Wol  der  Ge- 
meinde verlangt"),  ist  eine  Ausnahme  von  den  nketöroi  xaxoi*) 
und  verdient  Anerkennung.  Es  darf  nur  kein  aiöxQÖv  dabei  sein, 
dann  ist  alles  xaXöv^.  Damit  ist  ein  neues  Kriterium  eingeführt, 
die  Gesinnung.     Nicht  auf  das  was  getan  wird  kommt  es  an,  denn 


av  ev  cwpotciv  ^,  Tcqhg  tag  tvxoeg  yccg  tag  dpQSvag  TLUQnovued'a,    Es  ist  durchaus 
gleich  %tttOQMffag  tiiv  ngä^iv  Plat.  Euthydem  28 1^. 

1)  hg  av  iiii  %a%bg  fjt  in  der  Paraphrase  V.  29  streitet  mit  n&g  Aviig  nanbg 
%a%&g  ngd^ag,  V.  17.  Piaton  hat  iiaii6g  in  seinem  Sinne  für  den  moralisch  schlech- 
ten gesetzt;  Simonides  kann  das  nicht  wol  getan  haben,  aber  ich  getraue  mich 
nicht  zu  sagen,  welches  Wort  er  gebraucht  hat;  passen  würde  z.  B.  Öeildg. 

2)  indXafivog  steht  hier  nicht  in  der  etymologischen  Bedeutung  „hilflos" 
wie  bei  Homer  £  697,  sondern  ist  vßgiatrig  wie  bei  Pindar  Ol.  2,  57,  Solon  27,  12 
und  dem  Elegiker,  der  einen  Simonides  anredet,  Theogn.  481.  Theognis  selbst, 
281  sagt  dnX&i  ydg  t*  &ndXafiva  ^^oräi  Tcdga  nöXX'  icvBlied'ai  nccQ  noSbg  ^yet- 
tfdcr^  9'*  mg  nala  ndvxa  Tt^ft;  da  sind  nicht  bloß  ^qya  vßQiütt%d  gemeint,  son- 
dern alle  zu  denen  der  anständige  Mensch,  der  iyccd'dg,  seine  Hand  nicht  bietet, 
iöxrjiiova.  Derselbe  sagt  1027  ^mdCri  toi  TCi^&iig  iv  Avd'Q&noig  %aii6tritog,  toi) 
8*  &ya9ü^  xaXsn^  Kvqvb  niXsi  naXdfiri. 

3)  fiÖAg  /  6vr\cinoXiv  dC%av  ist  überliefert  und  die  restringirende  Partikel, 
die  vielfach  mit  G.  Hermann  in  die  auch  an  sich  verkehrte  Copula  verwandelt 
wird,  ist  notwendig :  es  wird  ja  das  Minimum  angegeben ,  das  von  jedes  Mannes 
Lebensführung  gefordert  werden  muB,  damit  er  als  vyiifig  gelten  kann. 

4)  i\XCf^iog  kommt  hier  zuerst  vor,  und  die  Stelle  ist  für  die  Urbedeutung 
des  Wortes  wichtig.  Es  begegnet  sonst  in  zwei  Verwendungen.  Die  Athener 
sagen  es  wie  Simonides  von  Personen.  Da  ist  es  siultusy  dumm ,  tölpelhaft,  bo 
Komoedie  und  Satyrspiel  und  dann  die  Sokratiker,  die  die  Sprache  des  Lebens 
nicht  verschmähen :  Tragoedie  und  Kunstprosa  meiden  es.  Bei  Simonides  ist  die 
Ableitung  von  ^Xtdo,  dessen  Herkunft  selbst  ich  freilich  nicht  kenne,  fülübar. 
Gut  erklärt  es  Moeris  mit  dnatog  von  c/xQt.  Es  hat  sich  entwickelt  wie  unser 
„gemein ,  gewöhnlich".  Die  Dorer  brauchen  es  von  einer  Sache  bei  der  nichts 
heraus  kommt.  Das  wird  zuerst  negativ  gesagt  sein  wie  noch  in  dem  ältesten 
Beispiel,  Pindar  Pyth.  3,  21  „Götterzorn  ist  nicht  iiU^iog ,  ist  kein  gewöhnlicher, 
sondern  singulär''.  Aehnlich  Aischylos,  der  das  fremde  Wort  einmal  zugelassen 
bat,  das  er  in  SicÜien  gehört  haben  wird,  Agam.  366  „daB  der  Pfeil  nicht  zu 
kurz  und  nicht  ins  Blaue  gehe,  ifl.lQ'iog,  vorbei,  wie  die  meisten **.  Zu  ^Uö;, 
aeolisch  &XXog^  iiXadg  iLXaoc%onlr\  wüBte  ich  weder  formell  noch  in  der  Bedeutung 
die  Brücke  zu  schlagen.  ^ 


das  Skolion  des  Simonide^  an  Skopas.  221 

in  der  Not,  in  die  jeder  Mensch  einmal  gerät,  tut  er  Dinge  deren 
er  sich  schämt^).  Aach  aaf  den  Erfolg  kommt  es  nicht  an,  denn 
der  kommt  von  oben  and  wechselt,  aber  wer  sich  davor  hütet 
etwas  ehrloses  zn  ton,  der  ist  ein  Ehrenmann.  Das  ist  eigentlich 
keine  Berichtigang  des  Pittakos,  sondern  es  wird  für  eine  neae 
Zeit  and  Gesellschaft  ein  neaes  Princip  formalirt.  Die  Maximal- 
forderong,  an  deren  Erfiillang  jener  mit  Schmerzen  verzweifelte, 
wird  rcsolat  aufgegeben  and  dafür  eine  Minimalforderang  erhoben, 
die  jeder  erfüllen  kann,  dann  aber  aach  erfüllen  soll.  Die  Zeit 
des  bevorrechteten  Standes  and  seiner  Heroen  ist  vorüber:  die 
iQ€tij ,  das  weiß  man  jetzt ,  ist  nar  am  das  Leben  feil ,  and  erst 
wenn  der  Mann  für  das  Vaterland  stirbt,  sagt  man  ivijQ  iyad'bg 
iyivno  *)  and  dann  erhält  er  heroische  Ehren,  wie  er  sie  verdient. 
Aber  im  Leben  verzichtet  man  aaf  die  iö^Xoi  am  die  vyntg*)  zu 
bekommen.  Dieser  Terminas  hat  sich  nicht  eingebürgert,  aber 
man  brancht  nar  an  den  politischen  Gebranch  von  vööog  and  i/o- 
6€tv^)  zn  denken,  am  die  Beziehang  aaf  das  Ganze  za  spüren, 
dem  der  Einzelne  sich  als  ein  gesandes  Glied  einfügen  soll.  Dazu 
bedarf  er  der  Gerechtigkeit:  das  weist  rückwärts  aaf  Uesiod,  der 
seinem  Bruder  die  Wahrung  der  dixt^  ans  Herz  legte,  und  weist 
vorwärts  auf  die  Ableitung  des  Staates  aus  dem  Begriffe  der  Ge- 
rechtigkeit. Simonides  sagt  nicht  mehr,  als  auch  ein  Tyrann  und 
ein  Aristokrat  annehmen  kann,   aber  von  Pflichten  gegen  die  nö- 


1)  Dem  &pdy%ai  d*  o^^^  deol  fidxovtai,  steht  Pindars  6V9  9^  &ifdy%ai  n&v 
%al6w  (Fgm.  122,  12  aus  dem  Jahre  4G4)  so  nahe,  daß  man  an  eine  Reminiscens 
denken  könnte.  Aber  dem  Gedanken  nach  ist  auch  verwandt  Iv  daifiovioiöt  qptf* 
ßot^  tptvyovti  %al  naCSig  dcdy  (Ncm.  9,  27,  einige  Jahre  älter  als  das  vorige). 
An  die  oiphische  Personification  Auanke  ist  nicht  zu  denken. 

2)  'AvdffAv  iya^mp  97i%6s  heißt  bei  Simonides  selbst  das  Qrab  der  Spartaner 
an  den  Thermopylen.  Darin  liegt  heroischer  Cult,  und  so  ist  der  Cult  der  Qe- 
fallenen  auf  dem  Kerameikos  zu  beurteilen ;  dazu  stimmt  die  gewöhnliche  Formel, 
daß  Leute  fallen  &9dQig  Aya^ol  ycvöfiei^oi ,  &QBTi/i  als  £hre  die  nur  dem  Toten 
zu  Teil  wird  ist  gleichzeitig  geläutig.  Ich  habe  das  schon  Kydathen  2G  bemerkt, 
setze  aber  gern  wieder  aus  dem  Epigramm  auf  die  Gefallenen  von  Poteidaia  her 
fpvxäg  iLvtiffQona  ^ivttg  ^Xdiavt  &Qixiiv  naxffCdu  r'  li^luutav.  Ich  wiederhole 
sonst  so  wenig  wie  möglicli,  was  ich  in  der  Erläuterung  des  aristotelischen  Ge- 
dichtes an  die  Areta  ausgeführt  habe  (Ar.  und  Ath.  II  405);  aber  ich  setze  das 
Resultat  jener  Ausführungen  mit  in  Rechnung. 

3)  'Tyii/tg  und  ^Uux,  pflegt  nicht  auf  das  moralische  Gebiet  übertragen  zu 
werden,  nur  ^d\v  ^lig  wird  auch  von  solcher  Nichtsnutzigkeit  gesagt.  Nur 
etile  Stelle  ist  mir  im  Gedächtnis,  Aisch.  Eum.  635  {%  d^  ^uücg  tpgipAv  6  ^&ci9 
^ilog  %al  nol6iv%tog  ölßog. 

4)  Zu  Eur.  Her.  542. 


222  U.  V.  Wilamowitz-Moellendorff, 

Xig  würden  sie  schwerlich  geredet  haben.  Das  wirklich  neue  und 
bedeutende  liegt  in  der  Einführung  des  alöxQÖv.  Wem  fallen 
dabei  nicht  eine  Menge  Stellen  des  Euripides  und  der  thukydidei- 
schen  Eeden  ein,  in  denen  dieser  Begriff  hin  und  her  gewendet 
wird^).  Der  sophistischen  Gesellschaft  ist  der  feste  Ehrencodex 
der  Ritterzeit  abhanden  gekommen,  das  Individuum  ist  frei,  aber 
die  Stimme  des  Gewissens  redet  eben  darum  nur  vernehmlicher, 
daß  die  feste  Norm  des  Herkommens  zerstört  ist  und  das  was 
vöfKOL  besteht  für  das  unverbindliche  Erzeugnis  der  Convention 
gilt.  Das  Häßliche  wird  von  dem  Empfinden  des  einzelnen  in 
freier  Uebereinstimmung  mit  der  Gesellschaft  verworfen,  und  wenn 
auch  die  Consequenz  des  Denkens  diesen  Begi'iff  ebenfalls  als  re- 
lativ, als  voftigdfifi/ov,  zu  fassen  zwingt"),  so  sehen  wir,  wie  sich 
das  Gefühl  dagegen  aufbäumt,  daß  ein  Makareus  zur  Entschuldi- 
gung der  Blutschande  sagt  xl  d'  alöxQÖv,  st  (lij  xolöi  xgcoiiivoi^g  doxet. 
Es  ist  ein  Gemeinplatz ,  daß  das  Eigentümliche  der  hellenischen 
Denkweise  darin  bestünde,  daß  die  sonst  so  laxe  Yolksmoral  das- 
jenige verwerfe,  wogegen  sich  ein  sozusagen  aesthetischer  Wider- 
wille richtet,  daß  der  Hellene  im  Schönen  das  Gute  gefunden 
hätte.  Das  ist  wahr,  aber  doch  erst  für  das  attische  Jahrhun- 
dert. Wir,  denen  diese  ganze  Sinnesart  fern  liegt,  können  sie 
nur  durch  die  Einsetzung  des  so  ganz  verschiedenen  Ehrbegriffs 
veranschaulichen.  Die  Ehre  ist  auch  etwas  relatives  und  subjec- 
tives,  aber  ehrlos  will  keiner  gehandelt  haben  und  eine  ehrlose 
Handlung    findet    keine  Verzeihung.     Sittlich    schön    und    daher 


3)  Das  stärkste  $1  9'soi  tt  dQ&üiv  alaxQdv^  o^n  Uciv  d£o^,  Beller.  292,  7. 
Soph.  226  o{)d\v  cclöxQbv  &v  ^fpriyo^vtai  ^eoi:  das  sagt  Thyestes,  dem  ein 
Göttcrsprucb  den  Incest  geboten  hat,  was  er  als  #{(d  d^nrig  empfindet.  Das  ist 
eigentlich  unsittlicher  als  das  berufene  Wort  des  euripideischen  Makareus  (Aiol. 
19),  aber  das  ward  nicht  beanstandet,  und  für  den  wundergläubigen  Sinn  des 
Dichters  war  es  auch  berechtigt.  Wer  mag,  sehe  noch  folgende  Stellen  an,  £ur. 
Hek.dll.  Hik7G8.  Hipp  500.  Androm.  243.  Thuk.  II  40.  42  UI  42.  63.  Natür- 
lich ist  es  oft  nur  Svanleig ,  manchmal  aber  iniq>^ovoVf  worin  der  sittliche  Makel 
liegt.  Wenn  man  das  ionische  o^x  innig ,  das  attische  cvYyvüiitx6v  (d.  i.  etwas 
im  allgemeinen  alc%Q6v^  im  besonderen  Falle  o^x  ala%Q6v)  hinzunimmt,  wird  man 
noch  tiefer  in  die  alte  Art  zu  empfinden  und  zu  urteilen  eindringen. 

4)  So  die  zweite  sophistische  Dialexis.  Die  dort  citirte  Sentenz  (adesp.  22) 
die  die  Qualification  einer  Handlung  vom  %aiQ6g  abhängig  macht  (£ur.  Hipp.  885), 
bat  nicht  den  sophistischen  Sinn,  sondern  besagt  nur,  da6  die  Verletzung  des 
richtigen  MaaBes  und  der  richtigen  Zeit  jedes  %al6v  in  alox^  wandeln  können. 
Zu  schreiben  ist  oidlv  ^v  (Nauck,  &v  codd.)  ndvtri  %aXbv  o^d*  alc%if6v*  &XXa 
Tfdr^  {xu^  cod.  falsch  Meineke  xaW  \  dann  wurde  der  Numerus  gleich  sein) 
htolrfliv  lafiav  6  %ai(fbg  aicxifä   xal  iuiXldiag  %aXd. 


das  Skolion  des  Simonides  an  Skopas.  223 

anerkennenswert  ist  alles,  sagt  Simonides,  woran  nichts  häßliches 
ist.  Das  ist  als  Gnome  beinahe  bis  znm  Oxymoron  zugespitzt, 
denn  wenn  xaXöv  und  aiöxQÖv  Gegensätze  sind  wie  schwarz  und 
weiß,  so  ist  es  leer.  Aber  er  kann  auf  Verständnis  rechnen,  weil 
vorhergeht  (allerdings  nur  wenn  vorhergeht)  ndvxag  ^ikim^  sxhv 
oöxig  iQÖi^i  (ifidiv  al6%Q6v»  Das  häßliche  was  nicht  dabei  sein 
darf  ist  das  was  freiwillig  and  wissentlich  begangen  ist.  Damit 
ist  die  Beorteilong  seiner  eignen  Tat  dem  Menschen  anf  das  eigene 
Gewissen  geschoben  ^) :  So  lenkt  Simonides  die  Moral  anf  den  Weg 
zur  Sokratik.  Es  ist  wanderbar,  daß  Piaton  das  nicht  heraus- 
fand,  oder  vielmehr  es  ist  nar  für  seinen  damaligen  Standpanct 
bezeichnend.  Ihm  war  das  Problem  schon  nahe  getreten,  ob  denn 
jemand  überhaupt  ixciv  itovriQ6q  sein  könne,  da  sein  Meister  an 
die  Allmacht  der  menschlichen  Einsicht  glaubte  und  jede  Hand- 
lung aus  der  Einsieht  ableitete.  Aber  die  große  Erfahrung  hatte 
er  noch  nicht  gemacht,  daß  es  dem  Sterblichen  möglich  ist  ävÖQ* 
iyad'bv  aka^iag  yBviö^ai  und  (ir^dsvl  &Xk(Oi  nsi^sö^ai  i\  r&t  köymi^ 
ja  daß  die  wahre  igsti^  und  das  wahre  Glück  dem  Menschen 
erreichbar  sind,  selbst  wenn  ihm  die  Götter  igsrij  xal  üXßog  durch- 
aus versagen.  Der  Tod  des  Sokrates,  nicht  seine  Lehre  oder  sein 
Leben  rückten  den  ivijQ  iyad^ög  und  seine  nun  rein  moralisch  auf- 
gefaßte $iig^  die  igsri^,  dauernd  wieder  in  den  Mittelpunct  der 
äpeculation  über  die  menschlichen  Dinge;  man  nannte  ihn  jetzt 
den  Weisen,  während  er  in  der  alten  Zeit  der  Held  gewesen  war, 
weil  er  notgedrungen  auf  die  vita  activa  verzichten  mußte').  Li 
verändertem  Sinne  konnte  man  an  die  alte  Zeit  anknüpfen,  von 
der  Simonides,  der  Vorläufer  der  Sophisten  sich  abgewandt  hatte ; 
Piaton  speciell  hat  das  Sprichwort  gern  im  Munde  geführt,  das 
ans  dem  Pittakosworte  abgeleitet  ist  xccXmä  rä  xakd:  in  ihm  ist 
der  Gegensatz  zu  dem  simonideischen  advra  toi  xaka  totöiv  al6%Q& 
ffti)  iiiiuixtai  unverkennbar.  Aber  damit  das  möglich  würde,  mußte 
der  BegriiF  der  igstii  gänzlich  ungewertet  sein,  und  auf  diesem 
Wege  ist  das  Gedicht  des  Simonides  eine  wichtige  Etappe:  man 
darf  es  sich  nur  nicht  von  dem  jungen  Piaton  verwirren  lassen'). 

1)  Die  Anerkennong  der  force  majeure  uffoet  allerdings  eine  bedenkUche 
Hintertür,  denn  z.  B.  iifiog  konnte  als  eine  solche  Avdyxri  angesehen  werden.  In 
der  Tat  hat  das  sittliche  UrteU  aus  diesem  Gesichtspunkt  immer  sehr  müde  ge- 
urteÜt,  denn  wenn  es  später  unter  der  Wirkung  des  stoischen  Determinismus 
meistens  beut  faiaU  erat  o.  dgi. ,  so  ist  das  im  Grunde  dieselbe  Entlastung  der 
manschlichen  Verantwortung,  weil  diese  versagt. 

2)  Vgl  den  Excun. 

Z)  Vergeblich  ist  alle  Miihe  gewesen  aus  dem  Protagoras  ein  wissenschafs- 
Uchas  Resultat  herauszudestilliren  \  man  fand  es,  weil  man  meinte,  es  müBte  darin 


224  ü.  V.  Wilamowitz-Moellendorff, 

Es  gibt  die  moralischen  Anschauungen  der  Generation,  die  sich 
an  das  erreichbare  haltend  die  praktische  Tüchtigkeit  erzeugte, 
welche  den  Perser  vertrieb  und  das  attische  Reich  gründete. 

Wenn  wir  es  nun  verstanden  haben,  so  gewinnen  wir  für  die 
Beurteilung  des  Dichters  einen  Eckstein,  denn  wir  haben  ein  fast 


sein.    DaB  die  Beurteilung  des   i^dv  der  ganzen  Lebensauffassung  des   ernsten 
Piaton  zuwiderläuft ,   ist  zugestanden.    Zwar  •  war   der  Verfasser  des  Protagoras 
keinesweges  ein  Hedoniker;  er  würde  weiter  disputirt  haben  und  dargelegt,   daß 
das  &ya^6v  allein  iiSv  sein  könnte;   aber  er  läßt  doch  seinen  Sokrates  auf  einer 
Basis   disputiren,   die  er   bei   ihm  sonst   perhorrescirt.    Das  von  dem  Verfssser 
selbst  angegebene  Resultat   ist,  daß  Protagoras   und  Sokrates  in  der  Sache  sich 
im  Kreise   herumgedreht  haben.    Lassen  wir  das  einmal  gelten.    Sehen  wir  das 
als  von  dem  Dichter  beabsichtigt  an,  was  er  erreicht.    Das  ist,  daß  vor  der  Ver- 
standesschärfe und  Ironie  des  Sokrates   sich  die  vornehmen  Weisheitslehrer  alle 
blamiren,   der  größeste  am  meisten.    Die  Leute   disputiren   über  das  was  ihre 
Kunst  zeigen  kann,  über  ihre  Kunst  am  liebsten;   Dichtererklärung  und  Synony- 
mik sind  Mittel  zum  Zweck;   Sokrates   zwingt   sie  über  moralische  Probleme  zu 
disputiren;   das   ist  sein  Steckenpferd.    Er   ist  den  anderen  immer  über,   nicht 
durch  seine  tiefere  Weisheit,   nicht  durch  sein  moralisches  Ethos,  sondern  durch 
Schlagfertigkeit,  Witz  und  Humor.    Das  Moralische   ist  auch  für  den  Verfasser 
weder  Gegenstand  des  Studiums  noch  Kriterium  des  Wertes.    Er  hat  gar  nicht 
die  Absicht  abstracte  objective  Wahrheiten  zu  finden  oder  zu  suchen,  sondern  er 
giebt  als  Dichter  ein  Bild   des  Lebens,   das  er  gelebt,   der  Eindrücke,  die   er 
empfangen  hat.    Er  hat  wie  der  naive  Bursche,    den  er  zuerst   einführt,  erwar- 
tungsvoll den  Weg  zu  allen  genommen,  die  Weisheit  besitzen  sollten,  und  er  hat 
unter  ihnen  einen  getroffen,  der  ihnen  allen  über  war,  weil  er  erkannte  und  be- 
kannte, daß  er  keine  Weisheit  besaß.    Das  bewunderte  und  schilderte  der  Schü- 
ler, aber  eine  sittliche  Größe,  ein  Heros  war  er  ihm  noch  keinesweges;  er  sah  in 
ihm   den  weitaus   besten   <ro(pi<rTiiff  und   fand  ihn  noch  zuweilen  etwas  komisch. 
Wenn   ein  Anfanger  ein  Buch  schreibt,   so  pflegt   die  Anregung  dazu  sehr  stark 
litterarisch  zu  sein.    Piaton  stellt  denjenigen  Sophisten  in  die  Mitte,   den  er  nie 
gehört  hatte  und  der  längst   tot  war:   den  nimmt   er  also   aus   seinen  Büchern. 
Prodikos   kannte  er   persönlich:   das  zeigt  der  Baß  und  das  Costum  des  kränk- 
lichen Herren ;  aber  was  er  parodirt,  geht  seine  Schriftstellerei  an.    Hippias  wird 
hier  um  seines  pretiösen  Stiles  willen  verspottet:   die  Person  erhält  in  dem  Dia- 
log ihr  Teil,  der  nach  ihr  heißt.    Wenn  der  übermütige  Jüngling,  der  diese  Satire 
schrieb  und  eben  seine  Tragoedien  verbrannt  hatte,   als  Dichter  sich  nach  einer 
Anlehnung  umsah,  so  konnte  er  unmöglich  die  Komoedie  vergessen.    Und  richtig, 
er  hat  ja  direct  an  die  Schmeichler  des  Eupolis  angeknüpft,  der  später  auch  dem 
Xenophon  die  besten  Motive  lieferte.    Eine  Komoedie  ist  dieser  Dialog :  es  sollte 
bald  die  Zeit  kommen,   wo  derselbe  Dichter  zur  Tragoedie  zurückkehrte.    Aber 
was  ihm  dazu  die  Stimmung  und  zum  Prophetenberuf  die  Weihe  gab,  hat  er  noch 
nicht  erlebt.    Als  er  im  Qorgias  an  den  Protagoras  anknüpfend  seine  erste  Tra- 
goedie vollendet,   liegt  die   für  immer  entscheidende  Erfahrung  dazwischen.    Der 
Protagoras  ist  das  älteste  Werk  Piatons,   wenn  nicht  ein  Paar  Epigramme  älter 
sind,  Spielereien,  zu  denen  Onkel  Kritias  die  persönliche  und  litterarische  Anre- 
gung bieten  konnte. 


dM  Skolion  des  Simonides  »n  Skopas.  225 

vollständiges  Gedicht.  Es  ist  ein  Erzengnis  des  Witzes,  nicht 
der  Phantasie;  es  fehlt  nicht  nur  der  Mythns ,  sondern  auch  die 
ganze  künstlich  anfgepntzte  Sprache,  die,  so  viel  wir  sehen,  Pin- 
dar  niemals  ablegen  kann,  weil  sie  ihm  Natnr  geworden  ist^): 
Simonides  verfügt  über  verschiedene  Töne,  die  er  bewußt  anzu- 
schlagen weiß.  Hier  haben  wir  eigentlich  nur  durch  das  Vers- 
maß Poesie,  ganz  wie  in  vielen  sophistischen  Diatriben  des  Euri- 
pides.  Das  angemessene  Organ  für  solche  Gedanken  scheint  uns 
die  Prosa  der  sophistischen  Bede  oder  des  Dialoges,  und  doch 
werden  wir  diesen  Anfang  der  Gedankenlyrik  nicht  prosaisch 
schelten;  wir  werden  nur  verstehen,  wie  Lasos  Begründer  der 
Eristik  heißen  kann.  Die  Poesie  war  Jahrhunderte  lang  die  ein- 
zige Ausdrucksform  gewesen  und  immer  noch  die  leichteste  und 
die  einzige,  in  der  es  möglich  war,  Gedanken  vor  das  große  Publi- 
kum zu  bringen.  So  fremdartig  uns  jetzt  wäre,  daß  ein  Denker 
zur  Laute  griffe  und  seine  moralischen  Distinctionen  vorsänge, 
so  natürlich  war  es  damals ;  übrigens  bietet  ja  die  Spruchdichtung 
des  deutschen  Mittelalters  zu  der  des  hellenischen  eine  vollkommene 
Parallele.  Die  Elegie  und  bei  Phokylides  auch  das  rein  epische 
Maß  hatten  längst  inhaltlich  solche  lehrhaften  Gegenstände  be- 
handelt; Simonides,  melischer  Dichter  von  Beruf,  wendet  die  ihm 
vertraute  Form  an  mit  bewußter  Kunst  auf  die  Schmuckmittel 
des  prunkvollen  lyrischen  Stiles  verzichtend.  Wie  es  die  Elegie 
getan  hatte  und  die  Lyrik,  da  sie  keine  zwecklose  Schreibtisch- 
poesie ist,  auch  tut,  dichtet  er  für  einen  bestimmten  Anlaß  und 
an  eine  bestimmte  Person,  die  er  anredet;  aber  er  trägt  durchaus 
seine  subjectiven  Gedanken  vor  und  redet  aus  eigner  Person. 

Wo  und  wie  trug  er  sein  Gedicht  vor  ?  welcher  Gattung  gehört 
es  an?  Blaß  hat  die  richtige  Antwort  gegeben,  indem  er  es  ein 
Skolion  nannte.  Zwar  ob  es  eine  so  benannte  Abteilung  unter 
den  Werken  des  Simonides  in  der  alexandrinischen  Ausgabe  gege- 
ben hat,  ist  fraglich;  in  der  Pindars  gab  es  bekanntlich  keine, 
und  die  Gedichte  von  ihm,  die  in  voralexandrinischer  Zeit  Skolien 
hießen,  müssen  also  unter  den  Enkomien  eingereiht  gewesen  sein, 


1)  Nor  in  dem  Eingänge  eines  solchen  Gedichtes,  den  ChamaUeon  als  Beleg 
f&r  Pindars  Erotik  anführt  (127  Bgk.  aus  Athen.  XIII 601) ,  ist  Sprache  and 
Versmai  gana  schlicht:  cA)  %aliQäv  %al  fycni / xtt^^sff^^^  %axä  7utig6v, I fkii  srpftf- 
fivti^v  di^U^yio«  dinni  9via^  «f6{i«r.  Je  ein  enhoplisches  Kolon  als  Stollen,  zwei 
Torhandene  als  Abgesang.  Aber  das  wird  Zufall  sein:  das  Liebesgedicht  an  Tfae- 
zenofl  (12S),  das  auf  dieses  Bezug  nimmt ,  ist  ganz  in  dem  gewöhnlichen  hohen 
Stile.  Und  wenn  das  Trinklied  an  Thrasybolos,  wie  Blaß  richtig  gelehrt  hat, 
eine  ganz  kleine  Strophe  hatte,  so  ist  die  Uiis  doch  ^«ydlo»fMn}^. 

KgL  Q«.  4.  Wl«.  SMhftoklM.    nHolof.-Uflpr.  Dmw  1888.   Hfl.  S.  16 


226  ü.  V.  Wilamowitz-Moellendorff, 

was  dem  etymologischen  Simie  dieses  Namens  ja  auch  angemessen 
ist.  Auch  von  Bakchylides  ist  kein  Skolienbuch  bekannt;  da  hat 
aber  das  von  den  alten  Dithyramben  genannte  Buch  gelehrt,  daß 
wir  auf  die  antike  Einordnung  nicht  zu  viel  geben  dürfen.  Schließ- 
lich ist  der  Name  unwesentlich;  das  aber  leuchtet  ein,  daß  dies 
kleine  gesungene  Lied  an  denselben  Ort,  an  den  Tisch  des  Fest- 
males, gehört ,  wo  die  Elegieen  gesungen  (d.  h.  zu  einer  conven- 
tioneilen Flötenmelodie  recitirt)  worden  sind,  die  wir  in  der  The- 
ognissammlung  erhalten  haben,  und  die  Liederstrophen  zu  der  von 
dem  Sänger  selbst  gespielten  Laute  wirklich  gesungen  sind,  die 
den  Namen  Skolien  immer  behalten  haben.  Wenn  selbst  ein  Bü- 
mon  seinen  Vers  singen  konnte,  so  versteht  es  sich  von  selbst, 
daß  ein  Dichter,  wenn  er  an  den  Tisch  der  Vornehmen  zugezogen 
wurde,  sich  mit  etwas  besonderem  und  eigenem  hervormachen 
mußte.  Er  schuf,  wenn  sein  Lied  gefiel,  eine  neue  Weise  für  das 
Commersbuch,  und  die  platonische  Gesellschaft  im  Hause  des 
Kallias  wird  dieses  Lied  daher  so  gut  kennen,  daß  sie  es  beim 
Weine  hörten  und  sangen^).  Also  wir  haben  in  solchen  Liedchen 
gar  keine  chorische  Lyrik.  Bei  den  Männermalen  ist  das  echte 
Lied,  das  Lied  des  Alkaios  und  Anakreon  erhalten  geblieben  und 
auch  von  den  Chormeistern  geübt  worden.  Das  bestätigt  sich 
durch  das  Versmaß,  Der  Tanz  fiel  fort ;  Einfachheit  war  beinahe 
unerläßlich,  wie  wir  sie  in  manchen  kleinen  Stücken  des  Bakchy- 
liedes  auch  finden').  In  diesem  Falle  ist  unverkennbar  und  ent- 
scheidet die  Sache  endgiltig,  daß  das  Versmaß  des  Simonideischen 
Gedichtes  mit  der  bekanntesten  Skolienstrophe  die  allerengste 
Verwandtschaft  zeigt. 

Das   Versmaß    muß    ich  noch,   so   weit  ich  kann,    erläutern: 
dann  hoffe  ich,  darf  das  Gedicht  als  verstanden  gelten. 


I    o VAJ KJ I    \J VJU  U I    U U 


\ju  —  u—  I   •— ^J  — u\j  —  u—   I  — -u  — VA-»  — u  — 


\j^  I  — u  —  ^-AJ 


1)  Als  diese  Verwendung  aufhörte,  war  es  auch  um  die  Popularität  des  Lie- 
des geschehen,  so  weit  sie  nicht  mittelbar  durch  Piaton  erhalten  blieb.  Denn  die 
Gedanken  hatten  nach  der  Sokratik  keinen  Werth  mehr.  Aus  alter  Zeit  könnte 
man  einen  Nachklang  wie  bei  Pindar  (S.  221, 1)  so  bei  Theognis  finden,  der  11B3 
zu  Kyrnos  sagt,  daB  die  Sonnenstrahlen  keinen  bescheinen,  ai  fi^  ii&nog  inmoi' 
fuctai.  Aber  das  wird  eher  zu  fassen  sein  wie  es  601  stellt,  daß  es  Keiner  allen 
recht  machen  kann.  Semonides  4  ndfinav  9*  äii4Dfiog  o^vig  o^  &%ifiQi,oq  ist  objec- 
tiv  gesagt,  jeder  hat  seine  schwache  Seite.    Das  Kpos  kannte  noch  viele  «(fivfiovfff. 

2)  Aber  Fgm.  27  Bgk.  rivalisirt  er  mit  Pindar  in  dessen  Stile,  vgl.  Pindars 
Skolion  an  Thrasybolos. 


das  Skolion  des  Simonides  an  Skopas.  227 


V.  1  ist  ein  ionischer  Trimeter,  von  der  gewöhnlichsten  Form  des 
Phalaeceus  nur  dadurch  unterschieden,  daß  der  erste  Fuß  choriam- 
bische Form  hat.  Das  •  Skolion  hat  den  Phalaeceus  als  Stollen.  In 
V.  2  folgt  auf  einen  steigenden  loniker  die  Verbindung  von  zwei 
(xlykoneen  mit  einem  iambischen  Metron,  die  als  stichisch  wiederhol- 
ter Vers,  genauer  als  kleine  Strophe  der  Form  a  a  b,  in  mehreren 
Gedichten  des  Alkaios  vorliegt.  Für  jeden,  der  den  Glykoneus 
als  eine  Umbiegung  des  ionischen  Dimeters  kennt,  hat  die  Strophe 
bis  hierher  nichts  auffälliges.  Auch  V.  3  fügt  sich  noch  gut. 
Denn  in  ihm  steht  vor  zwei  Glykoneen  ein  iambisches  Metron  mit 
zweisylbiger  erster  Senkung,  was  wir  in  den  Trimetem  des  Dra- 
mas anapaestischen  Anlaut  nennen.  Das  findet  sich  genau  ebenso 
in  dem  Abgesange  des  Skolions,  dort  vor  einem  Choriamben,  so 
dass  die  Deutung  klar  ist.  Aber  nun  wird  es  unsicher,  weil  der 
Text  mehrere  Deutungen  zuläßt.  Zweimal  ist  ein  Dochmius  über- 
liefert, wenn  man  eine  Auflösung  und  damit  den  einzigen  Verstoß 
gegen  die  lesbische  Silbenzählung  zugiebt.  Für  den  Dochmius 
spricht,  daß  er  in  dem  Skolion  auch  steht,  und  das  schlägt  für 
mich  durch.  Aber  es  muß  zugegeben  werden ,  daß  die  in  der 
dritten  Strophe  tiberlieferte  Form  uu  —  u— ,  also  wie  in  V.  3,  sehr 
ansprechend  ist  und  sich  in  der  zweiten  Strophe  ohne  wirkliche 
Aenderung  herstellen  läßt^).  Der  Dochmius  ist  in  solchen  aeoli- 
schen  Strophen  der  „schiefe"  Vers,  wie  sein  Name  verlangt,  d.  h. 
er  durchbricht  die  Gleichheit  des  durchgehenden  Metrums.  Das 
tut  das  Glied  Maeccnas  afavis  auch,  mit  dem  er  in  V.  4  verkoppelt 
ist  und  das  in  V.  B  ein  regelmäßiges  iambisches  Metron  vor  sich 
hat.  V.  6  zwei  Bakcheen,  d.  h.  zwei  iambische  Metra;  vielleicht 
waren  sie  mit  dem  folgenden  letzten  Verse  verbunden.  Dieser 
verbindet  den  Pherecrateus  mit  dem  Ithj'phallicus,  die  sehr  häufig 
rhythmisch  gleichgesetzt  erscheinen  und  es  im  Grunde  auch  sind. 
Jeder  von  ihnen  ist  als  Schlußvers  gewöhnlich,  verbunden  stehn 
sie  z.  B.  in  anderer  Reihenfolge  am  Schlüsse  der  Strophe  von 
Pindar  Pyth.  2 ;  sie  werden  beide  den  Wert  von  je  zwei  Metra 
(Takten)  gehabt  haben.  Nach  welchen  Gesetzen  und  ob  überhaupt 
nach  einem  demonstrablen  Gesetze  diese  Glieder  zu  einer  Strophe 


I)  Nach  Entfernung  von  &v  beim  Conjunctiv,  Bv  &v  ccfi^x^^^^  oviupogä  na- 
^tliji,  das  zuzusetzen  dem  attischen  Prosaiker  nahe  lag. 

16* 


228  U-  ▼•  Wilamowitz-Moellendorff, 

verbunden  sind,  kann  ich  nicht  sagen.  Aber  sie  erscheint  aller- 
dings als  eine  Steigerung  der  Skolienstrophe ,  deren  metrische 
Ingredientien  alle  vorkommen. 


Excurs. 

Als  ich  zwei  Gedichte  des  Bakchylides  benutzen  wollte,  über- 
zeugte ich  mich,  daß  die  Gedanken  trotz  den  einfachen  Worten 
gänzlich  verkannt  waren.  Ich  mußte  sie  also  erläutern,  und  das 
ließ  sich  in  einer  Anmerkung  nicht  genügend  tun. 

XIV.         SV  (ihv  el^Agd'av  xagä  dai[iiovog  iv]d'Q&itotg  &Qi6tov' 
6v[iq)0Qä  d"*  iö^lbv  ifiaXdvvsi  ßaQvtXatog  [lokovöttj 
6     [kafinolbv  [dh  xai]  {}tlfiq>atr^  xbv%bi  xatog^io^atöa*  riiiav 
d*  &Xlog  iXXoiav  i%Bi, 

[!^vQi\ai  S*  ivÖQöbv  igstai'  (lia  d^  s v  XQdxsiraij 

10     [8^  tä]  it&Q  %BiQhg  xvßdQva[ösv  dt]xaitti6iv  q>Qivsööiv, 
[ovi^  iv]  ßagvndvd'Böiv  agfiö^e^  ftc^x^tg  g>6Qii^yyog  i(i(pä 
xal  hyvxXayystg  xogoi^ 

16     [oi)z^  iv]  ^alimg  xava%ä  [%ak7i\6xtvicog^  ikli^  iq>^  ixdötcDi 
[xmQbg]  ivdg&v  igyiiaxi  xAXXiövog'  £v  ig- 
dövra  dh  xal  ^sbg  6[g»ot,Y). 

Danach  geht  der  Dichter  zum  Thema  über.  Offenbar  steht 
der  letzte  Spruch  der  Eingangsbetrachtung  correlat  zu  dem  ersten, 
und  beide  sind  dem  Dichter  durch  den  Anlaß  seines  Gedichtes 
eingegeben.  „Gott  hält  den  aufrecht  der  tüchtig  handelt^,  das 
hat  der  Sieg  bewiesen;  „des  Menschen  bestes  ist,  daß  ihm  Gott 
gutes  beschert" :  der  Sieger  hat  diese  si8aiiiovia»  Was  dazwischen 
steht  muß  also  sich  zu  einer  Periode  des  Gedankens  abrunden. 
Leicht  ist  die  erste  Strophe;  sie  führt  nur  aus,  daß  die  Gunst 
Gottes  bald  den  bald  jenen  hebt  und  sinken  läßt;  ngd^ag  yäg  sv 
nag  ivijg  iyad'ög^  xccxbg  d^  et  xax&g,  inl  tcXbIövov  8h  xal  Rgiötoi 
ovg  av  ot  ^sol   q)tX&6iv.    Leicht  sollte  auch  verstanden  werden, 


1)  Ich  bezeichne  die  wichtigeren  Ergänzungen,  die  meist  von  Jebb  herrüh- 
ren; einiges  weitere  sah  dann  ziemlich  jeder,  5  and  10  habe  ich  schon  früher 
hergestellt.  BlaB  hat  einen  unmöglichen  Text  gegeben;  auch  22  kann  seine  Er- 
gänzung sich  nicht  behaupten,  denn  „dem  Kleoptolemos  zu  Liebe^  kann  man 
nicht  „des  Pyrrhichos  Sohn**  d.  L  den  Kleoptolemos  „besingen**. 


da8  Skolion  des  Simonides  an  Skopas.  229 

daB  später  in  der  gewohnlichen  parataktischen  Form  eine  Ver- 
gleichnng  gegeben  wird.  nVlie  Laatenspiel  und  Tanz  nicht  in  die 
Schlacht,  Waffengerassel  nicht  anf  das  Sjonposion  gehört  ^),  so  hat 
jedes  Ding  seine  Zeit,  und  wer  den  Augenblick  ergreift,  den  segnet 
6ott^.  Dann  bleibt  aber  auch  über  das  Mittelstück  kein  Zweifel 
(abgerechnet  eine  Lücke,  die  ich  nicht  füllen  kann)*)  „die  Men- 
schen haben  viele  verschiedene  igstai,  aber  es  wird  in  praxi  immer 
nur  eine  von  ihnen  gefordert,  dem  genug  zu  tun  was  just  vor 
ihnen  liegt".  Also  das  Ganze:  „Glück  braucht  der  Mensch;  das 
giebt  es  nicht  alle  Tage.  Viele  Wege  führen  dazu,  man  muß  nur 
jedes  mal  den  graden  finden.  Tue  im  Moment  was  im  Momente 
nötig  ist,  dann  hast  du  Glück.  Heute  feiern  wir  einen,  der  bv 
igsis^  der  Bidaifimv  iyiveto^;  man  kann  auch  sagen  iviiQ  iyad'bg 
iyivsroj  das  ist  ziemlich  dasselbe.  Die  igsrij  ist  nicht  gleich  xv^ 
dog,  aber  nur  das  ist  ivsQysiai  igsti^  was  xvSog  erhält;  die  andern 
sind  es  dwdfkBi.  Das  wird  hoffentlich  genügen ;  nur  noch  ein  Mis- 
verständnis  muß  abgewiesen  werden,  zu  dem  unser  moralisirendes 
Empfinden  leicht  kommen  kann.  Man  ist  über  dixaiaiöiv  q>Qivs66iv 
gestolpert  und  hat  das  gänzlich  deplacierte  hineingetragen,  daß  es 
sich  überall  darum  handelte,  Gerechtigkeit  zu  üben ;  wo  man  denn 
genötigt  wird,  wider  jeden  Sprachgebrauch  in  sv  igdovra  Y.  18 
eine  moralisch  gute  Handlung  zu  suchen.  Eine  Art  Moral  ist 
freilich  dabei;  der  Dichter  verlangt,  daß  der  Sieg  mit  erlaubten 
Mitteln  errungen  sei,  nicht  «äv  Igdovra,  wie  man  nur  dem  Feinde 
begegnen  darf,  navovgymg  (Pind.  Isthm.  3,  65).  Auf  dem  Sport- 
platze wie  beim  Pferdehandel  bilden  sich  leicht  üble  Usancen 
heraus,  denen  gegenüber  der  anständige  Mann  auf  fair  play  hält. 
Daran  mag  man  eher  denken  als  an  die  sokratische  dixaioöiivri. 
Daß  das  ganze  Gedicht  einem  Siege  mit  dem  Wagen  gilt,  also 
der  Sieger  gar  keine  andere  Leistung  aufzuweisen  hatte  als   die 


1)  Ich  wül  die  MisyerBtändnisse  der  Yergleichong  nicht  aufstechen.  Zu  V.  16 
YgL  Horas  1,  27,  4  vino  et  lucemis  Medus  acinaces  immane  quantutn  discrejMtf 
nach  Anakreon.  Natürlich  denkt  der  Dichter  nebenbei :  ich  weiB  auch,  für  jede 
Oel^enheit  den  Ton  zu  treffen,  habe  auch  die  Agtrij  and  darf  auf  ici^^o^  rech- 
nen. Aber  er  spricht  das  nicht  aus;  er  nimmt  nur  die  Yergleichong  aus  dem 
eigenen  Handwerk. 

2)  Jebb  ergänzt  geistreich  i^daifia^.  Aber  zu  &Qitii  n(f67Utxai  paBt  das 
nicht  gut;  es  ist  gesagt  wie  ^4Mo«r  «^^xfiroi,  aber  auch  &yat9  nQ6*nxai,  denn 
es  ist  «^  iffißti  zunjlchst  gefordert.  BlaB  ergänzt  ig  %oi969y  was  den  allerdings 
erwarteten  Gedanken  {«««rore,  &naoi9  nicht  gut  ausdrückt;  denn  wonach  alle 
Strebes,  das  wird  doch  nie  ihnen  gemeinsam. 


230  ü.  V.  Wilamowitz-Moellendorff, 

Sandra,  ist  unserem  Gefühle  mit  Recht  anstößig;   aber  das   trifft 
nicht  den  Dichter,  sondern  seine  Zeit. 


X.  Das  Gedicht  ist  für  einen  gewerbsmäßigen  Läufer  aus 
Athen  verfertigt,  der  vermutlich  Pasias  hieß.  Der  Dichter  hat, 
wie  ihm  aufgegeben  war,  die  Liste  der  Siege  in  Verse  gebracht^) 
und  fährt  mit  dem  ihm  geläufigen  Gedanken  fort,  „die  Menschen 
streben  auf  vielen  Wegen  zu  demselben  Ziele,  dem  Ruhme;  dafür 
wenden  sie  ihre  verschiedenen  Kenntnisse  an" ;  er  hätte  auch  sagen 
können,  ihre  agerai,  die  er  nun  aufzählt 

fivQtai  S*  ivÖQ&v  ijctörafiaL  TcdXovrai, 

^  yäg  6oq>bg  ^  Xagirov  riyi&v  Xskoy%ibq 
40     ilTtidt  xQv6iai  td^aXev, 

fl  tiva  ^BvngoicCav  eläihg'  Irsgog  S^  iitl  natöCv 

xoixCkov  rö^ov  xitalvBL' 

ol'  S^  in  iQyoiölv  xb  xal  i(iq)l  ßo&v  iyeXag 
45     d'Vfibv  aü^ovöiv*  tb  yiikkov  d*  Axgitovg  xCxxbi  xslBvxdgj 

n&L  xvjjt  ßQ^öBL.    xb  fihv  xdlhöxov  iöd'X&v 

avdga  noXk&v  in^  ivd'Qonov  nokv^tlkotov  bI^ibv 


5)  V.  18  redet  er  ihn  an,  von  da  ab  aber  spricht  er  von  ihm  in  dritter  Per- 
son. Also  hat  Blaß  richtig  dazwischen  voll  interpungirt.  Dieser  Wechsel  muB 
erklärt  werden.  £s  ist  in  der  Ordnung,  wenn  das  Verzeichnis  der  Siege  dasje- 
nige ist  was  Phema,  die  im  Eingange  angeredet  ist ,  über  alle  Lande  verkündigt. 
Das  Lied  ist  gleichsam  nur  ein  Instrument  der  Göttin.  Mit  ihrer  directen  Anrede 
(in  der  das  nackte  xaXa  bei  Blaß  stillos  ist)  beginnt  das  Gedicht;  man  erwartet 
eine  Schilderung  ihres  allgemeinen  Wirkens  in  den  lückenhaften  Versen,  mit  xal 
vvv  erst  den  Uebergang  zu  dem  speciellen  Falle;  passend  mochte  gesagt  sein, 
daß  Phema  sich  zu  ihrem  Geschäfte  der  Poesie  bediene.  In  dem  zweiten  Satze 
wird  der  Sieger  angeredet :  irgend  wo  hat  also  sein  Name  gestanden ,  der  über» 
haupt  nur  in  dieser  Partie  gesucht  werden  kann:  wo  sonst  als  in  dem  zweiten 
Satze,  wie  sonst  als  im  Vocativ?  Also  wird  es  bei  Uaaia  %lv  sein  Bewenden 
haben,  durch  Conjectur,  wenn  etwas  anderes  da  gestanden  hat,  a]%HQh  im  fol- 
genden Verse  ist  doch  auch  Nonsense.  Wer  den  Bakchylides  sagen  läßt  „und 
jetzt  regt  der  Schwager  die  Biene  von  der  Insel  an"  der  sollte  ehrlicherweise 
selbst  angeben,  daß  das  nur  der  Schwager  des  Bakchylides  sein  könnte,  und  dem 
ratlosen  Leser  verraten,  wie  er  sich  dessen  Verhältnis  zu  dem  athenischen  Sieger 
denke.  Hv'  &&dvatov  (tovaäv  &yaXiuc  ^vvbv  &v9'QAnoieiv  stt},  so  interpungirt  Blaß. 
Danach  ward  der  Dichter  veranlaßt  das  Gedicht  zu  machen  damit  es  unter  die 
Leute  käme.  Kenyon  hatte  nicht  übersehen,  daß  die  Absicht  nur  auf  die  Ver- 
breitung der  Siegeskunde  zielen  kann,  und  dalier  interpungirt  ^vvbv  &v^Q6moictv 
itr\  xcifffuc  tt&v  &Qft&v]  aber  das  Lied  kann  ni<;ht  ein  allgemeines  x'^QP^  der 
Großtaten  sein.  Auch  hier  ist  eine  Corruptel:  ^vbv  &v&Q&noiai  9iiri  x^^l'^ 
ist  zu  schreiben. 


das  Skolion  des  Simonidas  an  Skopas.  231 

olda  xal  «Xovtov  (layakav  dvvaöiVf 
50    &  xal  tbv  ixQstov  xC^riöi 

%Qiil6x6v'  xl  fiaxQav  yX&66av  l^vvag  ikavvio 
ixxbg  6dov\  7cdq>axai  d'varotöi  vixag 
VÖXBQOV  BvtpQOöfiva 

„unter  Flötenschall  und  Liedern".  So  viel  ist  von  den  letzten 
Versen  noch  kenntlich;  aber  von  der  Schlußgnome  nur  die  unzu- 
reichenden ersten  Buchstaben  XQtiri. 

Es  ist  zunächst  klar ,  daß  bis  V.  45  die  im6Tcc(iai  aufgezählt 
werden,  und  daß  darauf  die  Unsicherheit  des  Erfolges  angegeben 
"wird,  ganz  wie  XIV  2  *).  Dem  gegenüber  ist  das  beste  —  was  ? 
Es  konnte  sein:  Erfolg  von  den  (xöttern,  einerlei  womit,  zu  be- 
kommen. Aber  so  hat  er  hier  nicht  geredet,  denn  er  sagt  „ich 
weiß  wol,  auch  das  Geld  ist  so  mächtig,  daß  es  den  Lumpen  adelt, 
doch  wozu  weiter  schweifen  ?  hier  wo  wir  die  Wonne  eines  Sieges- 
festes miterleben  ist  offenkundig,  was  das  Beste  ist".  Schade,  daß 
die  Schlußgnome  uns  nicht  zu  Hilfe  kommt.  Aber  auch  so  ist 
klar,  daß  das  so  herrlich  belohnte  Streben,  der  Athletenberuf, 
gegenüber  anderen  als  der  beste  bezeichnet  war.  Der  Athlet,  der 
mit  seiner  Körperkraft  alles  macht,  verachtet  den  Schwächling, 
der  es  mit  seinem  Gelde  leider  nur  zu  oft  zwingt.  Aber  heute, 
als  Sieger  steht  er  erhaben  über  alle  da.  Er  wird  einer  von  der 
ungebildeten  Bande  gewesen  sein,  die  von  dem  vornehmen  Sports- 
man  über  die  Achsel  angesehen  wurden  und  bei  Denkern  wie 
Xenophanes  den  ganzen  Sport  in  Miscredit  brachten;  Bakchylides 
wird  den  obscuren  Gesellen  auch  nicht  geachtet  haben,  aber  er 
machte  das  Lied,  das  der  Schwager  des  Siegers  bestellte  und  be- 
zahlte. Darin  befolgte  er  denn  auch  die  Anschauungen  des  Sie- 
gers, und  wenn  er  sie  nicht  leicht  begründen  konnte,  so  trat  dafür 
der  Erfolg  des  Siegesfestes  ein.  Wenn  denn  also  in  der  ausge- 
schriebenen Partie  die  verschiedenen  Lebenswege  aufgezählt  wer- 
den, so  kann  das  xäXXiöxov  iö^X&v^)  unmöglich  sein  noXke^v  in^ 


1)  Ich  verstehe  nicht,  was  6ia%Q^tovg  ttltvtds  soU.  Das  Asyndeton  ist  bei 
dem  zweigUedrigen  Gedanken  unerträglich;  der  directe  Fragesatz  kann  nicht  mehr 
bestehen,  wenn  das  Dubitative  in  &%Qito9  entfernt  wird,  und  „das  Resultat  ist 
verschieden^,  ist  der  Misdentung  ausgesetzt,  daß  es  je  nach  der  in^fftdfia  ver- 
schieden wäre.  Dagegen  ist  die  Ueberlieferung  nicht  nur  grammatisch  untadel- 
haft,  sondern  ergiebt  auch  den  nötigen  Sinn  intl  dh  voi)  nillovtos  untccai  «ro- 
%utov%ai^  it9dy%ji  &diilov  dvai  xriv  xiXivxriv  iiidctrig  niji  &nofii)Citai^  tfjg  tv%rig 

2)  Die  ilandschrift  hat  toihnv^  aber  das  ist  wirklich  ein  lapsus  calami.  £ 
ist  ja  ein  onvoUstandigcs  9,    Auch   auf  Steinen  kommt  so  etwas  oft  genug  vor. 


232  ü«  ▼•  Wilamowitz-Moellendorff, 

avd'QtoTtoiv  xoXv^i^Xmrov  slfLsv,  denn  das  kann  eben  anf  allen  Wegen 
erreicht  werden,  sondern  es  muß  der  Beruf  des  Siegers  bezeichnet 
sein,  zumal  er  vorher  fehlt  ^),  „die  Leute  treiben  es  so  imd  so 
aber  schöner  als  alles  ist  es  von  den  Menschen  beneidet  zu  wer- 
den, als  was  ?  als  Sieger  in  den  Wettspielen,  erwarten  wir.  Also 
als  av^Q  iöd'Xög.  Das  ist  sehr  anspruchsvoll  gesagt,  aber  daß  der 
iXXdvLxog  vor  allen  anderen  sich  als  av^g  iyad-ög  yBvöfisvog  vor- 
kommen mußte,  wird  nun  wol  eingeleuchtet  haben,  und  hier  folgt 
gleich,  „mancher  meint,  er  könne  auch  durch  Geld  xQ'^l^'^^S  wer- 
den, aber  —  wir  sehen  ja  den  wahren  heute  vor  unsem  Augen **• 

Nun  die  andern  Lebensberufe,  eine  Partie  die  mir  gleich  beim 
ersten  Lesen  darum  so  merkwürdig  erschienen  ist,  weil  sie  mir 
im  Keime  die  in  späterer  Zeit  herrschende  Lehre  der  drei  ßioi 
zeigte,  q)cX6rifiog  q)LkoxQiiiJLaxog  ipcki^dovog.  Am  breitesten  ausge- 
führt stehn  sie  in  Dions  vierter  Rede;  kurz  und  scharf  bezeich- 
net sie  Eeanthes  in  seinem  Hymnus  V.  27. 

6t  fiiv  in^Q  dö^rig  öTtovdijv  8v6bqi6xov  Ixomsg, 
oC  S^  inl  xsQÖoövvag  tsxQafifidvoi  oidavl  KÖöfiCDij 
aXXoL  d'  Big  &VB6LV  xal  öa^iarog  f^dda  igya. 

Sie  stehen  aber  schon  bei  Aristoteles  Eth.  I  3.  Damals  war  die 
Entscheidung  zu  Grünsten  des  q>Lk66oq>og  gefallen;  das  konnte 
nicht  von  Anfang  so  sein ,  wo  der  Glanz  des  Ruhmes  zum 
äviiQ  i6^k6g  gehörte.  An  erster  Stelle  erscheint  der  q>M6oq>og 
auch  bei  Bakchylides ;  seine  Vertreter  sind  Dichter  und  Seher  ■). 
So    schon    bei  Solon   in    dessen  Aufzählung  der  Stände ,   14,  51 '). 


Der  Tüpfer  'Aqictovo^oq  ist  nun  wol  glücklich  begraben :  möge  ihm  die  dmQo<pia 
von  Naxos  bald  folgen,  die  trotz  dem  gesunden  Urteü  Röhls  über  I.  G.  A.  411 
namentlich  in  grammatischen  Büchern  paradirt. 

1)  Verkehrt  hatte  ich  versucht,  den  Worten  durch  die  Annahme  einer  syn- 
taktischen Härte  {noXX&v  iad'X&v  Fvexa  noXv^i^Xonov)  Sinn  zu  geben.  Die  Aen- 
demng  der  Quantität  ist  kaum  eine. 

2)  Da  unbedingt  auch  der  Seher  weise  ist,  gliedert  sich  dieser  Satz  so,  daft 
öotp6g  die  beiden  Unterabteilungen  hat,  je  nachdem  die  Weisheit  von  den  Chari- 
ten stammt  oder  aus  dem  Besitze  alter  Qüttersprüche.  Das  ist  allenfalls  möglich 
den  überlieferten  Worten  zu  entnehmen,  aber  ungleich  wahrscheinlicher  ist  rj  yo^ 

S)  Bei  Solon  handelt  es  sich  nur  um  die  verschiedenen  Wege  des  Erwerbes. 
Anf  Schiffer  und  Bauer  folgt  der  Handwerker,  dann  Dichter,  Seher,  Arzt.  Diese 
vier  haben  ihre  Kunst  von  besonderen  Göttern,  die  Handwerker  von  Athena  und 
Hephaistos  (wodurch  beiläufig  das  Alter  des  Gultes  der  beiden  im  Kerameikos 
bezeugt  wird,  wie  bei  dem  Alter  der  athenischen  Töpferei  natürlich  ist)  die  Dich- 
ter von  den  Musen,  die  Seher  von  Apollon,  die  Aerzte  von  Paieon,  der  notge- 


I 


das  Skolion  des  Simonides  an  Skopas.  233 

Dann  kommt  der  q>LXijdovog,  Da  erwartet  man  ztmächst  den  Trin- 
ker; aber  der  paßte  hier  nicht,  wo  es  sich  tmi  einen  sichtbaren 
Erfolg  and  eine  iniöriiiuc  handelt:  da  erscheint  denn  das  xwifyd' 
6LOV  xaidmv,  mit  Flaton  zn  sprechen').  Der  iganixbg  ivi^Q  kann 
gar  nichts  anderes  sein  als  der  ^>ik6naig^  wie  es  noch  Piaton  von 
seinem  Bmder  Glankon  sagen  läßt  (Staat  474  d).  Wer  Theognis 
kennt  und  Pindar  (123  z.  B.)  und  die  Sokratik  sollte  doch  über 
eine  solche  Stelle  nicht  stolpern.  Und  was  sagt  Solon?  üXßiog  &t 
naldig  xb  q>iXoi  xal  (lAwxBg  imtoi  xal  xvvsg  &yQ£vtal  xal  idvog 
iXXodaxög,  Die  Anschauang  hatte  im  vierten  Jahrhundert  tat- 
sächlich sich  etwas  verschoben,  aber  es  wäre  sehr  verkehrt,  wenn 
man  meinen  wollte,  daß  dem  Misgolas,  den  Aischines  als  einen 
rechten  q>Mxaig  schildert,  die  Neider  seines  G-liickes  and  seiner 
Gewandtheit  gefehlt  hätten.  Und  noch  Kallimachos,  selbst  ein 
rechter  fpikönai^g,  sagt')  yrigdöxet  d*  6  ydQtov  XBtvog  iXafpQ&tsQoVf 
xovQoi  xhv  q>iXdov6iv,  ibv  dd  iiiv  ola  yopf^a  xsiQbg  ijt*  olxBitiv  &XQig 
&yov6i  d'vQfiv.  Endlich  kommt  mit  denen  die  Aecker  und  Herden 
suchen  der  ßiog  q)iXoxQiifiaTog.  Diesen  allen  steht  der  gegenüber 
der  als  dö&Xbg  ivi^Q  beneidet  werden  will,  insbesondere  der  Athlet: 
ist  der  g>iX6Tiiiog  zu  verkennen?  Pindar  konnte  dem  Menschen 
die  Wahl  unter  vielen  Lebenszielen  nicht  frei  geben;  es  giebt  sie 
wol,  aber  sie  werden  angeboren  und  dem  Stande,  an  den  er  sich 
wendet,  ist  sein  hohes  Ziel  gesteckt,  nach  dem  alle  andern  verge- 
bens  ringen.     „Was   angeboren  ist   das   taugt  etwas.    Wol  ver- 


drängen Ton  Apollon  onterschieden  wird.  Man  hat  an  Y.  51  Terkehrt  geändert, 
weü  man  die  feine  Stnictor  nicht  Terstand 

ällog  'Mrivaifig  tt  %al  ^Htpaiatav  noXvxi%vim 

&lXog  Xyivuniadoüv  Movcioav  naQa  dAQa  dtdax^flg 
tfiiQxfjg  awpirig  iiixQov  imevtxitivog. 

Da  gehört  das  Yerbum  des  ersten  Satzes  auch  zum  zweiten  ond  dem  instrumen- 
talen Dativ  x^ftforr  entspricht  hier  der  Participialsatz.  Zu  d&ifa  vgl.  Archilochos 
1  nai  iiovaimv  ifforbv  d&gov  iniotdßfvog  und  Mimnermos  1, 3  nach  Nennung 
Aphrodites  nnvntad^ri  iptl6xrig  %al  ficAi^a  dcb^  %al  c^vij,  wo  man  auch  ange- 
stoBen  hat. 

1)  Protag.  Elingang.  Bei  Pindar  Isthm.  2,  2  heifit  es  von  den  alten  Dichtem 
ii^tpu  %aidtiovg  t6£cvov  tifftvov^.  Die  Jagd  des  ^ik^aig  ist  der  Inhalt  des  be- 
rühmten Epigrammes  von  Kallimachos  Sl. 

2)  Fgm.  11  aus  dem  ersten  Buch  der  Aitia.  Wer  leugnet,  dafi  das  in  den 
Buchstaben  h  n^inmi  inAv  bei  Stobaeus  Qberliefert  ist,  ist  dazu  reif  von  Lie- 
betelegieen  des  Kallimachos  zu  trftumen:  über  griechische  Texte  mitzureden  ist 
er  nicht  reif. 

E(U  Qm,  4.  WIM.    HMbricktea.    PUlolo(.*yrtor.  Smm  189S.    Hfl.  2.  16 


234  U.  V,  Wilamowitz-Moellendorff^ 

suchen  viele,  durch  angelernte  Vorzüge  Ruhm  zu  erlangen,  aber 
es  ist  besser  zu  schweigen  von  solchen  Gott  (der  Natur)  zuwider- 
laufenden Bestrebungen.  Es  giebt  ja  Wege ,  die  führen  höher, 
aber  die  sind  nicht  für  jedermann.  Meine  Dichterkunst  ist  eine 
solche  seltene  Gabe,  und  der  Sieger  den  ich  besinge  ist  auch 
von  Gott  zu  seiner  Kraft  und  Kunst  berufen"  (Ol.  9,  100). 
Diese  Parallele  wird  er  nicht  müde  zu  ziehen.  Es  ist  ge- 
wissermaßen der  q)M6oq>og  und  der  q)ikoTiiiog  ßCog^  die  complemen- 
tär  neben  einander  stehn.  Der  tpiXoxQff^ii^axoq  ist  insofern  unver- 
meidlich, als  jeder  sich  schaffen  muß,  wovon  er  lebe;  aber  er  ist 
gemein,  eben  weU  es  jeder  muß').  Wol  bedarf  der  adliche  Herr 
für  seinen  Sport  und  seine  Liberalitäten  Geld,  und  erst  recht  der 
König;  aber  das  ist  Mittel  zum  Zweck,  und  der  Dichter  begehrt 
kein  Geld  (sein  Auskommen  hatte  er),  weil  er  zu  seinem  Berufe 
es  nicht  brauchte*).  Das  geht  alles  oder  geht  doch  richtig  nur 
den  Weg,  den  Gott  einem  jeden  vorgezeichnet  hat ;  aber  der  Mensch 
hat  keine  Wahl.  Er  kann  ja  nicht  werden  was  er  nicht  ist.  Die 
Begabung  ist  verschieden ;  es  ist  der  eine  weise,  der  andere  kräf- 
tig, der  dritte  beredt  (Pyth.  I  41) :  in  so  engen  Grenzen  hält  er 
die  Unterschiede,  wo  er  nur  an  Standesgenossen  denkt.  „Man 
kann  auf  vielen  Wegen  mit  Götter hilfe  zum  Erfolge,  zur  cöjrpa- 
yCa  gelangen:  ihr  seid  dem  Zeus  zugefallen":  so  sagt  er  zu  einem 
Geschlechte  aus  Aigina  (Ol.  8.  13) ;  ganz  so  fühlte  er  sich  dem 
Apollon  zugetan.  Wenn  er  also  sein  Prinzip  dem  Streben 
anderer  nach  Gold  oder  Landbesitz  entgegensetzt  (Nem.  8,  37),  so 


1)  Wer  sieb  nicht  in  den  Theoxenos  verliebt,  sagt  Pindar  Fgm.  123,  muB 
von  Aphrodite  verlassen  sein  and  sich  entweder  von  der  Sorge  um  des  Lebens 
Notdurft  so  hinnehmen  lassen,  daß  er  für  etwas  Schönes  anempfänglich  gewor- 
den ist,  oder  frech  wie  ein  Weib  alles  ohne  Unterschied  nehmen.  Ich  citire  den 
Spruch  nicht  wegen  seiner  für  des  Dichters  Weiberverachtung  durchschlagende 
Bedeutung,  sondern  weil  nsgl  XQifi^kaai  i^ox^^Sbi  ßiaitag  so  ganz  zu  dem  vielmis- 
handelten  6  x^YlfMCTiffrr}?  (fi^og)  ß^aidg  xig  iariv  bei  Aristoteles  Eth.  Nikom.  I.  3 
p.  1096a5  stimmt  und  dessen  richtige  Deutung  durch  Rassow  (rhein.  Mus.  43, 586) 
bestätigt. 

2)  Entscheidend  ist  die  stolze  Sprache  an  Hieron  am  Schluß  der  dritten 
pythischen  Ode  „ich  werde  mich  in  alle  Verhältnisse,  in  die  mich  das  Leben 
führt,  zu  finden  wissen.  Selbst  wenn  ich  reich  werden  sollte,  bin  ich  mir  gewiß, 
daß  ich  meinen  jetzigen  Ruhm  nicht  einbüßen  werde.  Ich  werde  Dichter  sein, 
d.  h.  in  meiner  Hand  wird  der  Nachruhm  edler  Taten  ruhen:  und  nicht  vielen 
gewähre  ich  ihn".  Hieron  mochte  durch  seine  Erfahrungen  mit  anderen  Musen- 
vögeln leicht  denken,  daß  auch  der  Adler  durch  Geld  kirre  werden  könnte:  das  ist 
die  Antwort.  Und  da  hören  sie  jetzt  heraus,  der  Dichter  bettelte,  oder  ändern, 
damit  er  das  nicht  täte. 


das  Skolion  des  Simonides  an  Skopas.  236 

schätzt  er  nicht  den  Wert  der  Güter  ab,  verlangt  noch  viel  we- 
niger, daß  die  andern  sich  sein  Lebensziel  auch  wählen,  er  hebt 
nnr  seinen  ihm  von  Gott  gegebenen  Beruf  von  dem  auch  eingebo- 
renen der  Menge  seiner  Standesgenossen  ab.  Ich  habe  das  ausge- 
führt nm  mir  den  Weg  zn  dem  Verständnis  eines  Bruchstückes 
zu  bahnen,  das  Sextus  anführt  um  zu  beweisen,  daß  die  Dichter 
die  Verschiedenheit  der  Menschen  in  dem  Urteil  über  aCgstd  und 
ipevMxd  bezeugen.  „Den  einen  ergötzt  der  Wagensieg,  den  andern 
Leben  in  güldenen  Sälen,  den  dritten  glückliche  Seefahrt"  *).  Man 
sieht ,  es  handelt  sich  nicht  um  Berufe ,  sondern  um  Genüsse  im 
Leben.  Es  sind  natürlich  auch  bei  ihm  die  Elemente  da,  aus  denen 
ein  Bakchylides  die  vier  ßiot  ableiten  konnte;  aber  mit  Pindars 
Sinnesart  sind  sie  unvereinbar.  Wenn  also  Horaz  zu  dem  Wid- 
mungsgedichte seiner  drei  ersten  Liederbücher  aus  diesen  Pindar- 
versen die  Anregung  genommen  hätte,  so  müßte  er  sie  mis- 
deutet  haben.  Aber  ihm  lag  nicht  nur  Pindar  vor,  und  wir 
sehen,  daß  Bakchylides  die  Lebensziele  schon  unterschied,  wie 
das  Horaz  ähnlich  oft  in  seiner  philosophischen  Leetüre  gefanden 
haben  muß.  Es  ist  deutlich,  daß  er  an  die  vier  ßioi  gedacht 
hat ,  von  denen  er  jetzt  den  q>tX66oq>os  nur  als  den  des  Dich- 
ters faßt,  eben  in  der  Weise  der  griechischen  Lyrik;  ihm  selbst 
lag  es  schon  im  Sinne  sich  wirklich  der  Philosophie  zuzukehren. 
Er  stellt  zuerst  den  q)iX6Tifiog  hin ,  der  lockt  den  Griechen  zu 
Rennsiegen,  den  Römer  zur  Politik.  Der  q>iXoxQiiiicctos  macht  den 
Römer  zum  Großgrundbesitzer,  den  Griechen  zum  Großkaufmann : 
der  Römer  fürchtet  bekanntlich  das  Wasser.  Der  fpikijdovos  des 
Trinkers  ist  bei  beiden  Völkern  derselbe,  und  wenn  darauf  Horaz 
Kriegsdienst  und  Jagd  einführt,  so  hat  er  den  unkriegerischen 
Griechen  und  den  für  den  Jagdsport  unempfänglichen  Römer  frei- 
lich wieder  als  Paar  gedacht;  aber  das  erscheint  nicht  mehr  als 
Vertretung  des  Genußlebens.  Und  doch  gehörte  für  den  Griechen 
die  Jagd  ganz  dazu :  fimwxBS  innoi  xal  xvvsg  iyQivtai  stellt  Solon 
neben  die  q>{Xoi  natdeg^  die  Bakchylides  hervorgehoben  hatte.     So 


1)  Fgm.  221.      iLilXon6S(ov  ^iv  rir'  i^ipQa£vovciv  tknmv 

tijucl  xkI  tftitfavQi,  tohg  ^  iv  noXvxQ^oig  d-aXdiiots  ßioxdy 

(tAv  ducoxiißmp. 

Merkwürdig  ist  im  zweiten  Verse  die  Zusammenziehang  eines  Dactylos,  die  wir 
jetzt  wenn  auch  mit  Befremden  hinnehmen  werden;  Buckh  konnte  das  nicht  und 
glaabte  mit  t^iua  für  tiiuci  eine  evidente  Emendation  zu  machen;  Bergk  fühlte 
daB  das  Wort  in  den  Pindar  nicht  paBt  (es  ist  hellenistisch)  und   schrieb   flags 


236    U.  V.  Wilamowitz-Moellendorff,  das Skolion des Simonides an Skopas. 

hat  Horaz,  der  schon  durch  die  Hänfong  der  Beispiele  recht  lang 
geworden  war ,  auch  die  Gruppierimg  verschoben.  Da  aber  eine 
sehr  gute  durchschimmert,  so  dürfte  er  eine  bestimmte  Vorlage 
gehabt  haben;  vielleicht  Bakchylides,  sicher  nicht  Pindar.  Und 
da  der  Rennsport  bei  ihm  doch  eine  Reminiscenz  aus  der  alten 
Lyrik  sein  muß  (es  gab  ihn  längst  nicht  mehr),  die  Jagd  ihm 
auch  nur  litterarisch  bekannt  war,  und  auch  sie  schwerlich  aus 
der  späten  Zeit,  wo  es  in  Attika  kaum  mehr  Hasen  gab,  so  ist 
auch  die  Benutzung  eines  späten  Fopularphilosophen  unwahrschein- 
lich: in  der  Diatribe  treten  ganz  andere  Stände  auf,  wie  die  erste 
Satire  zeigt. 


•  I 


Papsturkanden  in  Apulien. 

Bericht  über  die  Reise  des  Dr.  L.  SchiaparellL 

Von 

P.  Kehr. 

Vorgelegt  in  der  Sitznng  vom  11.  Joni  1898. 

Mitte  Februar  d.  J.  wandte  sich  Dr.  Schiaparelli,  nach- 
dem er  zuletzt  in  den  Städten  der  Capitanata  (Vgl.  Nachr.  1898 
S.  45  ff.)  gearbeitet  hatte,  dem  eigentlichen  Apulien  zu.  Er  ging 
über  Barletta,  Trani,  Bari,  Brindisi  die  Küste  hinauf  bis  Otranto 
und  kehrte  dann  über  Grallipoli,  Tarent,  Matera,  Grravina  und 
Melfi  nach  Foggia  dem  Ausgangspunkte  dieser  Reise  zurück.  Von 
hier  unternahm  er  dann  den  Besuch  der  abgelegenen  Städte  des 
Monte  ßargano,  nach  deren  Erledigung  er  sich  Ende  April  in  die 
innern  Abruzzen  begab.  Ich  berichte  hier  zunächst  über  die 
Ergebnisse  seiner  Reise  in  Apulien ;  der  Bericht  über  die  Abruzzen 
und  über  Umbrien  soll  sich  unmittelbar  daran  anschließen. 

Die  Schwierigkeiten,  mit  denen  unser  Mitarbeiter  zu  kämpfen 
hatte,  waren  nicht  geringe.  Die  wohlwollenden  Förderer  uns  res 
Unternehmens,  die  wir  auch  im  Süden  Italiens  getroffen  haben, 
woUen  nicht  zürnen,  wenn  wir  über  den  geringen  historischen 
Sinn  in  jenem  alten,  an  geschichtlichen  Erinnerungen  so  reichen 
Lande  klagen.  Aber  die  Stürme,  die  es  heimgesucht  haben,  und 
das  soziale  Elend,  dem  seine  Bewohner  verfielen,  waren  zu  groß 
als  daß  sie  nicht  auch  die  historische  Ueberlieferung  des  Landes 
gefährdet  hätten.  Und  an  vielen  Orten  ist  sie  völlig  zerstört. 
Noch  jüngst  sind  den  Tumulten  dieses  Jahres  verschiedene  Archive 
zum  Opfer  gefallen.  Um  so  mehr  muß  anerkannt  werden,  daß 
neuerdings  eine  regere  Teilnahme  an  den  historischen  Aufgaben, 
die  eine  solche  Vergangenheit  den  jüngeren  Generationen  stellt) 

IfLO«.  4.  Wte.   iMkrlcU«.  Pknol«ff<-Uitw.  Daat.  1888.  Htfl  8.  17 


238  f.  Kehr, 

erkennbar  ist.  Vermögen  nun  aach  nicht  alle  Publicationen,  die 
diesen  rühmlichen  Bestrebungen  der  Commissione  provinciale  di 
archeologia  e  storia  patria  und  anderer  gelehrter  G-esellschaften 
and  Personen  Apoliens  ihren  Ursprung  verdanken,  unsre  unein- 
geschränkte Bewunderung  verdienen ;  immer  ist  ein  löblicher  An- 
fang gemacht  und  es  muß  dem  Eifer  solcher  Männer,  wie  Beitrami, 
A.  Prologo,  D.  Morea,  Gr.  B.  Nitto  de  Rossi,  Fr.  Nitti  di  Vito, 
Fr.  Carabellese,  L.  Pepe  u.  A.  alle  Anerkennung  für  ihre  Bemühungen 
gezollt  werden.  Es  braucht  ja  nur  daran  erinnert  zu  werden,  in 
welchem  Zustande  jüngst  noch  die  Herausgeber  des  Cod.  dipL 
Barese  Aslq  kostbare  Archiv  des  Domes  von  Bari,  das  bis  auf 
unsre  Tage  für  verloren  galt,  aufgefunden  haben.  Auf  verwüstete 
oder  ungeordnete  Archive  stößt  man  hier  noch  auf  Schritt  und 
Tritt.  Und  so  mag  auch  der  eine  und  der  andere  Schatz  noch 
verborgen  und  vielleicht  auch  unsern  Nachforschungen  entgangen 
sein. 

Ueberdies  fehlt  hier  gänzlich  die  Tradition,  die  die  nahen 
Beziehungen  der  italienischen  und  deutschen  Grelehrten  in  Ober- 
und  Mittelitalien  vorzüglich  in  archivalischer  Hinsicht  geschaffen 
haben.  Die  deutsche  Forschung  darf  sich  rühmen,  durch  die 
wiederholten  Besuche  ihrer  Jünger  in  den  Sammlungen  des  mitt- 
leren und  obern  Italiens  sowohl  die  Richtung  der  italienischen 
Historiker  wie  den  Zustand  der  Archive  und  Bibliotheken  daselbst 
nicht  wenig  und  sicher  nicht  zu  ihren  Ungunsten  beeinflußt  zu 
haben.  Davon  ist  im  Süden  der  Halbinsel  keine  Rede.  Weder 
Bethmann,  dessen  Notizen  (Archiv  XU  634)  hier  vollkommen 
unzulänglich  sind,  noch  einer  der  jüngeren  Sendboten  der  Monu- 
menta  Grermaniae  hat  die  Archive  Apuliens  gründlich  durchforscht. 
Nur  E.  Winkelmann  hat  die  Archive  von  Trani  und  Bari  be- 
sucht; mit  welchem  Mißerfolg,  sieht  man  aus  seinem  Bericht 
im  N.  Archiv  V  18.  Auf  eingezogene  Erkundigungen  hin  hat 
J.  V.  Fflugk-Harttung  einige  Notizen  über  das  Archiv  von 
S.  Nicola  zu  Bari  (Iter  p.  6),  das  Kapitelarchiv  zu  Brindisi  (p.  12. 
742),  über  Capurso  (p.  14),  über  Matera  (p.  B2),  über  Ostuni  (p.  67), 
über  das  Eapitelarchiv  zu  Trani  (p.  166.  786),  über  Lesina  (p.  767), 
über  Monopoli  (p.  762),  über  Taranto  (p.  782)  gebracht ,  aber  sie 
sind,  wie  es  nicht  wohl  anders  sein  konnte,  weder  zuverlässig  noch 
irgend  erschöpfend.  Weit  mehr  Nutzen  verdanken  wir  den  gele- 
gentlichen Verweisen,  die  das  bekannte  Werk  von  H.  W.  Schulz 
Denkmaler  der  Kunst  des  Mittelalters  in  Unteritalien  (Dresden 
1860)  über  die  historische  Ueberlieferung  der  Kirchen  Apuliens 
enthält.     Von  der  größten  Wichtigkeit  ist  natürlich   die   große 


t^apstarkandeii  in  Apalien.  239 

Püblication  von  D'Avino  Cenni  storici  snile  chiese  etc.  del  regno 
delle  dae  Sizilie  (Napoli  1848);  freilich  sind  die  einzelnen  Artikel 
ganz  nngleicb  gearbeitet.  Neuerdings  hat  endlich  6.  Mazzatinti 
seine  rühmlichen  Bemühungen,  die  Handschriften  der  italienischen 
Bibliotheken  und  die  Materialien  der  italienischen  Archive  zu 
verzeichnen,  auch  auf  Apulien  ausgedehnt  und  bereits  einzelne 
Berichte  darüber  publizirt.  G-enug,  die  Dinge  liegen  so,  daß  wir 
hoffen  dürfen,  daß  dieser  Bericht,  mag  er  auch  hie  und  da  der 
Ergänzung  bedürftig  sein  und  den  Wißbegierigen  wohl  auch 
manche  Enttäuschung  bereiten,  nicht  ganz  ohne  Nutzen  und  Werth 
sein  werde. 

Daß  am  Ende  die  Schwierigkeiten,  die  der  Zustand  des  Landes, 
die  geringe  Zahl  sachverständiger  Männer,  die  Verwahrlosung 
der  Archive  im  Gefolge  hatten,  glücklich  überwunden  sind,  ver« 
danken  wir  in  erster  Linie  der  Ausdauer  und  dem  Eifer  unsers 
unermüdlichen  Mitarbeiters,  in  zweiter  der  Unterstützung,  die 
einzelne  Persönlichkeiten  von  Bedeutung  uns  zu  Theil  werden 
ließen.    Wir  wiederholen  auch  hier  unsern  Dank. 


Die  Nachforschungen  auf  dem  Boden  Apuliens  begann  Dr. 
Schiaparelli  in  Cerignola  (s.  auch  unten  Ascoli  -  Satriano).  Nach 
D^Avino  p.  197  war  von  vornherein  hier  nichts  zu  erwarten.  Das 
Archivio  capitolare  soll  jungem  Ursprungs  sein,  dessen 
Urkunden  nicht  über  das  17.  Jahrhundert  hinaufgehen.  Auch  das 
Archivio  comunale  beginnt  erst  mit  dem  18.  Jahrhundert. 
Unzugänglich,  aber  auch  wenig  Ausbeute  versprechend,  war  die 
Sammlung  des  Herrn  De  Lachefaucould  duca  di  Doudeau- 
ville. 

In  Ouoia,  vgl.  auch  Mazzatinti  Inventari  VI  123,  besuchte 
er  das  Archivio  capitolare  (Archivar  Sac.  Vincenzo  de  Muro), 
das  eine  bescheidene  Urkundensammlung  hat,  die  mit  1269  beginnt ; 
auch  die  hier  befindlichen  Prozeßakten  ergaben  nichts.  Hier  ist 
auch  das  Archivio  prevostale  mit  einem  autographen  Ms.  des 
Tartara  Staria  di  Canosa.  Die  einzige  uns  interessirende  Urkunde 
des  Archivs  ist  die  von  Jaff^  ^^ '  P-  708  zu  J-L.  5871  eingereihte 
Aufzeichnung  über  die  Weihe  der  Kirche  durch  Paschalis  II.,  von 
der  auch  eine  von  Schulz  Denkmäler  I  66  publizirte  Inschrift  über 
dem  Eingang  zur  Sakristei  vorhanden  ist.  Die  Urkunde  selbst 
stammt  aus  dem  Ende  des  12.  oder  Anfang  des  13.  Jahrhunderts 
und  ist  mit  einer  falschen  Bulle  Paschalis  II.  ausgestattet.  Im 
Archivio  comunale  fanden  sich  nur  Papierakten  vom  16.  Jahr- 

17» 


240  ^'  Kehr, 

hundert  ab.     Ufficio  del  registro  und  Archivio  notarile 
sind  modern. 

In  Bezug  auf  die  Archive  von  Andria  ist  auf  den  Bericht  des 
Prof.  Fr.  Carabellese,  dem  wir  vielfach  zu  Dank  verpflichtet  sind 
(bei  Mazzatinti  Gli  archivi  I  21  ff.)  zu  verweisen.  Auch  hier  bietet 
weder  das  Archivio  capitolare  noch  das  Archivio  vesco- 
vile  ältere  Materialien,  die  Archive  aber  von  SS.  Annunziata 
und  von  S.  Nicola,  an  sich  wichtig  und  reich,  beginnen  erst  mit 
1348,  bezw.  mit  1322.  lieber  die  Hss.  des  Archivio  capitolare 
und  der  Biblioteca  del  Seminario  s.  Mazzatinti  Inventari  VI  115. 

In  Minervino-Murge  fand  Schiaparelli  nur  jüngere  Materialien. 
Das  Archivio  capitolare  (Can.  L.  Pascale)  beginnt  mit  dem 
16.  Jahrhundert  und  das  übrigens  in  diesem  Jahre  bald  nach 
Schiaparellis  Besuch  von  der  aufgeregten  Bevölkerung  zerstörte 
Archivio  comunale  mit  dem  18.  Das  Archivio  notarile 
ist  ganz  modern. 

Dürftig  ist  auch  der  archivalische  Bestand  in  Buvo,  wo  Dr. 
Schiaparelli  freundliche  Aufnahme  und  Unterstützung  bei  dem 
Provinzialrath  A.  Fatta  fand.  Das  Archivo  capitolare 
(Can.  Fr.  Fatelli)  beginnt  erst  mit  1348,  das  der  Curia  vesco- 
vile  mit  saec.  XVII  und  das  Archivio  comunale  ist  1894 
verbrannt.  Auch  was  Herr  Carlo  Laiodice  besitzt,  ist  ohne 
erhebliche  Bedeutung:  6  Urkunden  seit  dem  16.  Jahrhundert  und 
mehrere  Mss.  des  Can.  G.  Ursi,  des  Fr,  Chieco  und  des  M.  Ficco 
über  die  Geschichte  von  Ruvo,  deren  Inhalt  über  das  Interesse 
der  engsten  localen  Forschung  nicht  hinausreicht.  Ueber  die  ein- 
zige Hs.  des  Archivio  capitolare  s.  Mazzatinti  Inventari  VI  127. 

Ueber  die  Archive  von  Terlizzi  hat  Prof.  Fr.  Carabellese  bei 
Mazzatiuti  Gli  archivi  125  berichtet,  über  die  Hss.  s.  Mazzatinti 
Inventari  VI  106  ff.  Carabellese  selbst  bereitet  übrigens  jetzt 
eine  Ausgabe  des  Codex  diplomaticus  von  Terlizzi  vor,  die  für 
die  Geschichte  Apuliens  wichtig  zu  werden  verspricht.  Denn 
das  Archivio  capitolare  (arcipretile)  ist  eine  der  wichtig- 
sten Urkimdensammlungen  des  Landes;  es  beginnt  bereits  mit 
971,  doch  besitzt  es  weder  ältere  Bullen  noch  ältere  Diplome. 
Das  Archivio  vescovile  ist  unbedeutend. 

Verhältnißmäßig  alt  ist  auch  die  Ueberlicferung  in  Bisceglie, 
wo  der  bischöfliche  Kanzler  Can.  D.  Mauro  Quercia  unserm  Mit- 
arbeiter die  Wege  ebnete.  Das  Archivio  capitolare  beginnt 
hier  mit  Pergamenturkunden  des  13.  Jahrhunderts,  das  Archivio 
della  curia  vescovile,  wo  auch  die  Urkunden  des  Archivs 
von  S.  Audoeno  sind,   mit  einer   bischöflichen  Urkunde  von  1074, 


Papstarlrandeii  in  Apalien.  241 

das  Archivio  della  Collegiata  di  S.  Matteo  mit  Bischofs- 
ar künden  von  1099  und  1100.  Die  älteste  Urkunde  des  Archivio 
comunale  ist  ein  Diplom  der  Johanna  11.  von  1424  XI  26. 
Die  paar  Hss.  verzeichnet  Mazzatinti  Inventari  VI  125. 

In  Molfetta  fand  unser  Mitarbeiter  freundlichen  Empfang  bei 
dem  Arcidiacono  Prof.  D.  Panuzio,  Preside  del  Liceo.  Doch 
stellte  sich  heraus ,  daß  das  Archivio  capitolare  erst  mit 
dem  14.  Jahrhundert  und  das  Archivio  della  curia  vesco- 
vile  erst  mit  dem  16.  anfängt.  Ueber  das  Archivio  comu- 
nale mit  vielen  Diplomen  der  Anjou  und  Aragon  und  über  die 
Biblioteca  del  Seminario  vgl.  Carabellese  bei  Mazzatinti 
Inventari  VI  14  ff.  und  Carabelleses  Schrift  Antichi  capitoli  sta- 
tuti  e  consuetudini  deirUniversiti  di  Molfetta  (Trani  1897). 

Fr.  Carabellese  hat  auch  schon  über  die  Archive  von  Bitonto 
bei  Mazzatinti  61i  Archivi  1 148  ff.  berichtet.  Es  bestätigte  sich, 
da6  das  Archivio  capitolare  nur  unbedeutende  jüngere  Ma- 
terialien und  daß  das  Archivio  municipale  eine  kleine  Samm- 
lung von  Pergamenen  besitzt,  deren  älteste  von  1341  ist.  Ueber 
die  Hss.  von  Bitonto  s.  Mazzatinti  Inventari  VI  22  ff. 

Bitetto,  wo  sich  der  Arciprete  B.  Troccoli  für  uns  bemühte, 
bat  fast  gar  nichts.  Das  Archivio  capitolare,  übrigens  in 
völliger  Unordnung,  hat  nicht  einmal  eine  besondere  Sammlung 
von  Pergamenturkunden ;  einige,  die  aber  nicht  über  das  14.  Jahr- 
hundert hinaufgingen,  sah  Schiaparelli  in  den  Fapierakten  des 
Archivs.    Das  Archivio  comunale  soll  ganz  modern  sein. 

Auch  in  Polignano  a  mare  konnte  Dr.  Schiaparelli  nur  fest- 
stellen, daß  das  allerdings  ganz  ungeordnete  Archivio  capito- 
lare (Can.  Pasquale  Bellipario)  zwar  eine  schöne  mit  1169  anfan- 
gende Urkundensammlung  besitzt,  aber  ohne  ältere  Papst-  und 
Königsurkunden  ist.    Das  Archivio  comunale  ist  modern. 

JäarleUa. 

Das  Archivio  capitolare  di  S.  Maria  befindet  sich 
jetzt  in  großer  Unordnung.  Vor  einigen  Jahren  sollen  die  Per- 
gamene  (angeblich  1200)  nach  Montecassino  gekommen  sein,  aber 
Dr.  Schiaparelli  fand,  als  .er  endlich  Zutritt  zu  dem  Archiv  er- 
langte, noch  verstreute  Pergamente,  allerdings  keines  das  älter 
gewesen  wäre  als  das  14.  Jahrhundert.  Aus  diesem  Archiv  bat 
der  Canonicus  Vincenzo  Stampacchia  dem  Historiker  von  Bar- 
letta  Sabine  Loffredo  Prozeßakten  des  Kapitels  von  S.  Maria 
C^gen  das  Kapitel  von  S.  Giacomo  mitgetheilt,    die  Schiaparelli 


242  P.  Kehr, 

vergeblich  gesucht  hat^).  Nach  LofFredo  war  hier  eine  Urkunde 
Innocenz  11.  1140  I  10.  (?)  J-L.  —  für  Petrus  Angelus  Barretta 
Erzpriester  von  Barletta  *).    Die  Hss.  s.  bei  Mazzatinti  VI  117  ff. 

Auch  das  Archivio  della  Collegiata  di  S.  Sepolcro 
(Archivar  Can.  Suppa)  ist  ungeordnet,  doch  besitzt  es  nur  wenige 
ältere  Urkunden.    Die  einzige  Papsturkunde  ist 

Lucius  in.  1182  VII  14.  J-L.  14681.    Orig.»). 

Ganz  unbedeutend  ist  auch  das  Archivio  della  Collegiata 
di  S.  Giacomo  (Preposto  D.  Gennaro  d'Avino),  das  seine  Ur- 
kunden mit  der  Saecularisirung  verloren  und  jetzt  außer  wenigen 
Pergamenen  nur  noch  einige  Manuscripte  und  Summarien  besitzt. 
Unter  diesen  enthält  das  Faszikel  Relcufione  ddVardvescovo  di  Trani 
SU  la  chiesa  di  S,  Giacofno  eine  Copie  saec.  XVIII  und  einen  Ab- 
druck von  1796  von 

Hadrian  IV.  1159  I  1.  J-L.  10B31. 

Nicht  unwichtig  ist  dagegen  das  Archivio  comunale  (Archivar 
G.  Rocco).  Die  Pergamente  sind  freilich  1841  nach  Neapel  ge- 
kommen, wo  sie  im  Archivio  grande  deponirt  sind  (das  älteste  ist 
übrigens  erst  von  1258  VIII  1).  Aber  es  besitzt  außer  einigen 
Mss.  des  Paolo  de  Leon  und  des  Sabino  Loffredo  jüngere  Copien 
mehrerer  Papsturkunden.     So  enthält  ein  Faszikel  Copien  von  1621 

Alexander  IL  1063  V  15.  J-L.  4514  (unvollständig), 

Hadrian  IV.  1159  IV  19.  J-L.  10562 

Alexander  m.  1177  I  28.  J-L.  12772 

und  in  Einzelcopien  des  19.  Jahrh. 

Hadrian  IV.  1159  IV  19.  J-L.  10562 
Lucius  m.  1182  VU  14.  J-L.  14681. 

Das  Archivio  del  monastero  di  S.  Ruggiero  soll  so 
wenig  alte  Materialien  besitzen,  wie  dasUfficio  del  registro, 
in  das  die  Akten  der  aufgehobenen  Konvente  gekommen  sind. 
Auch  die  Sammlung  des  Marchese  Raffaele  Bonelli,  die  nach 


1)  Der  Can.  Stampacchia  hat  1888  in  60  Abzügen  ein  Sammarinm  pnblisirt 
Coram  sacra  congregatione  coneilii  dioc,  rev.  p.  D.  Camiüo  Saniori  archiepiseopo 
Seleuc.  secretario  Barulen,  preeminetUiss,  pro  rev.  capUulo  eaihedralis  Banden, 
contra  rev.  capUulum  collegiatae  a.  lacoH  Sutnmarium,  worin  gedrackt  sind 
p.  33  Innocenz  II.  1139  XL  28;  p.  85  Hadrian  IV.  J-L.  106S1 ;  p.  89  Urban  IIL 
J-L.  15618. 

2)  und  die  folgenden  Diplome:  Friedrich  IL  1205  YII  Palermo  (nicht  bei 
BF.)  und  BF.  2082;  Tancred  1190  IV.  Palermo. 

3)  £d.  V.  Pflogk-Uarttung  AcU  III  293  Nr.  322  nach  Abschrift  Tarantinis. 
Ueber  das  hier  verwahrte  Brevianun  s.  Mauatinti  YI  118  ff. 


Papstarkonden  in  Apalien.  243 

Fr.  Carabellese  bei  Mazzatinti  Inventar!  VI  116  einen  Liber  pri- 
ttkgwrum  Barvietanorum  enthalten  soll,  bot  uns  nichts. 

Dagegen  besitzt  Herr  Francesco  Vista  wichtige  Mss.  des 
Fdice  Fucciüif  Istaria  deUe  cose  ecclesiasHche  ddla  cittä  di  Barläta 
(1816)  und  Tratiato  suUe  arigini,  sulli  progressi  e  stdla  natura  deUe 
ehiese  deüa  cittä  di  Barletta  (1816)  mit 

Gregor  I.  591  Vn  2.  J-E.  1121. 

Johannes  XIX.  1026  VI.  J-L.  4068  (ans  Ughelli). 

Innocenz  H.  1139  XI  28.  J-L.  — .>) 

Ueber  die  andern  Hss.  des  Herrn  Vista  s.  Mazzatinti  VI  121  ff. 
Ebenda  S.  118  s.  die  Beschreibung  des  Ms.  des  G.  Seccia^  der  ein- 
zigen Hs.  der  Biblioteca  mnnicipale. 

Trani. 

Der  Erzbischof  von  Trani,  Mons.  Domenico  Marinangel i, 
gewährte  Herrn  Dr.  Schiaparelli  auf  das  Bereitwilligste  den  Zu- 
tritt zu  den  geistlichen  Archiven  seiner  Diözese.  Von  ihnen  ist, 
wie  man  bereits  aus  der  Publication  von  Prologo  Le  charte  che  si 
conservano  nel  capitolo  metropolitano  di  Trani  wei6,  das  wichtigste 
das 

Archivio  capitolare  (D.  Giovanni  Vescia)'}. 

Das  Archiv  ist  1886  von  dem  Prior  D.  Vincenzo  Rossi  geord- 
net worden,  der  auch  einen  chronologischen  Index  der  Documente 
besitzt.    Diese  sind  in  Cassetten  und  Packeten  verwahrt. 

Originale : 

Gregor  VU.  1078  HI  22.  J-L.  6071 »). 
Urban  U.  1069  J-L.  6414. 


1)  Qedrucki  Im  Sommariom  des  Can.  SUmpacchia.  Das  Stück  ist  eine 
grobe  Ftischong.  Als  seiae  Quelle  gibt  Foccilli  an  „roriginale  in  carta  perga- 
neaa  antica  presso  gli  atti  della  Camera  reale  nel  processo,  sistente  ora  uell' 
archino  generale  del  regno**,  aber,  so  fügt  er  in  dem  einen  Ms.  binzo,  „questo 
proeesso  fn  bmciato  nell'incendio  del  1799  alPingresso  delle  armi  francesL  In- 
tanto  Ti  esistotto  copie  legali  presso  le  Schede  de'  notarl". 

2)  Königsorkonden :  Roger  1189  VI,  Heinrich  VI.  St  4923;  KonsUnse  1199 
IX;  Tancred  1191  Y;  Friedrich  U.  BF.  628,  1820,  1667;  Manfred  BF.  4660, 
diese  in  Orig.;  Friedrich  IL  BF.  2082  und  zwei  Urkunden  Wilhelms  in  Copien. 

8)  Von  LOwenfeld  angezweifelt  und  von  v.  Pflugk-Harttung  (Specimina  tab.  116) 
unter  die  Spurien  gesetzt  Aber  die  Ton  der  Regel  abweichenden  Auleren  Merk- 
male eM&ren  sich  schon  dadurch,  daB  es  kein  päpstliches  Diplom  im  strengen 
Sinne  und  darum  nicht  von  einem  der  Kanzleibeamten,  sondern  von  einem  Notar 
geschrieben  ist  Jedenfalls  ist  die  Datirung  von  anderer  Band  als  der  Ck>nteit. 
Aach  die  Bolle  ist  echt 


244  P.  Kehr, 

Urban  ü.  s.  d.  J-L.  5677  (im  Processo  di  S.  Niccolö  Pelle- 
griuo  von  1603). 

Calixt  n.  1120  XI  6.  J-L.  6866. 

Anaclet  II.  1130  X  30.  J-L.  8415. 

Eugen  m.  1150  XEI  7.  J-L.  9421. 

Hadrian  IV.  1158  I  22.  J-L.  10382. 

Hadrian  IV.  1159  IV  19.  J-L.  10562. 

Alexander  lU.  1175  XI  13.  J-L.  12521. 

Alexander  UI.  (1159—77)  XEI  29.  J-L.  12760. 

Alexander  IH.  1177  I  28.  J-L.  12772. 

Alexander  IH.  1180  V  13.  J-L.  13658. 

Alexander  III.  (1171-81)  HI  27.  J-L.  14278. 

Celestin  III.  1192  n  29.  J-L.  16826. 
Copien : 

Eugen  III.  1150  XII  7.  J-L.  9421.  Cop.  saec.  XIL 

Dagegen  bieten   die  anderen  Archive  von  Trani  nichts.    Das 
Archivio   della  curia   arcivescovile   hat  nur  Papierdocu- 
mente  vom  16.  Jahrh.  ab.    Im  Archivio  delComune  beginnen 
die  Deliberazioni  conaigliari  mit  1668.     Das  Archivio  provin- 
üiale  setzt  mit  dem  17.  Jahrh.  ein,   das  Archivio   notarile 
mit  dem  16.  Jahrh.     Dagegen  besitzt  die  Sammlung  des   Comra. 
Vincenzo  V  i  s  c  h  i   mit   den   beiden   volumi  di   eibaldoni  Manfredi 
saec.  XVIII  erhebliche  Bedeutung.     Von  diesen  enthält 
vol.  U :  Alexander  II.  1063  V  15.  J-L.  4514. 
Urban  U.  1089  J-L.  5414. 
Paschal  11.  1101  IX  7.  s.  Canosa. 
Calixt  II.  1120  XI  13.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Alexander  III.  1175  XI  13.  J-L.  12521. 
vol.  lU:  f.  15  Hadrian  IV.  1159  IV  19.  J-L.  10562. 
Ueber  die  Hss.  in  Trani  s.  Mazzatinti  Inventari  VI  108. 

CHovetuizzo* 

Hier  fand  Dr.  Schiaparelli  Dank  dem  Entgegenkommen  des 
Vicario  generale  Can.  Mauri  Carlucci  und  des  Can.  Vincenzo 
Fiorentino  sogleich  Einlaß. 

Das  Archivio  capitolare  ist  sehr  reich  und  wird  jetzt 
geordnet;  die  Vorarbeiten  für  die  Ausgabe  des  Cod.  dipl.  durch 
Prof.  Francesco  Nitti  di  Vito  sind  im  Gange.  Als  einzige  ältere 
Papsturkunde  ^)  enthält  es 

1)  Küoigsarkunden :  Roger  11S4  VII  20  and  Wilhelm  II.  1179  VII,  beide 
in  Orig. 


Papstarkunden  in  Apalien.  246 

Anaclet  ü.  1130  J-L.  8418.  Orig. 

Das  Archivio  della  curia  vescovile  bat  eine  beschei- 
dene Sammlung  von  Pergamenen,  die  mit  dem  13.  Jahrb.  beginnen. 
Auch  das  Archivio  della  Collegiata  dello  Spirito  Santo 
soll  nicht  über  das  14.  Jahrb.  hinaufreichen.  Das  Archivio  co- 
munale  ist  ganz  modern. 

Bari. 

Archivio  del   capitolo  di  S.  Savino. 

Dank  den  Empfehlungen  des  Bischofs  von  Conversano  Mons. 
Antonio  Lamberti,  ehemaligen  Archivars  des  Kapitelarchivs, 
und  Dank  dem  Entgegenkommen  des  General vicars  Canonicus  Carlo 
Lamberti  und  des  Kanzlers  Canonicus  Carlo  Gatta  gelang  es 
Dr.  Schiaparelli  Zutritt  zu  diesem  wichtigen  Archiv  zu  gewinnen, 
lieber  seine  Schicksale  und  seine  Auffindung  gibt  ausfuhrlich  Kunde 
der  jungst  erschienene  Codice  diplomatico  Barese  edito  a  cura  della 
commissione  provinciale  d'archeologia  e  storia  patria :  Le  pergamene 
del  duomo  di  Bari  (962  — 1264)  per  G.  B.  Nitto  de  Rossi  e 
Fr.  Nitti  di  Vito,  vol.  I.  Bari  1897.  Hier  sind  auch  die  bis* 
lang  unbekannt  gebliebenen  Urkunden  gedruckt^).  Auch  diesen 
beiden  Herren  ist  unser  Mitarbeiter  zu  Dank  verpflichtet. 

Originale : 

Nr.  26:  Alexander  n.  1063  V.  J-L.  4516«). 

Nr.  46:  Anaclet  U.   1130  XI  6.  J-L.  — .    Cod.  dipl.   Bar.  I  80 

Nr.  42  zu  1131. 
Nr.  62:  Eugen  lU.    1152  UI  18.  J-L.  -.    Cod.  dipl.  Bar.  I  94 

Nr.  49  zu  1161. 
Nr.  63:  Alexander  HI.    1172  VI  28.  J-L.  12167. 
Nr.  65:  Alexander  UI.    1177  XI  20.  J-L.  -.    Cod.  dipl.  Bar.  I 

102  Nr.  63.  zu  1178. 

Spurium : 
Nr.  24 :  Nicolaus  H.    1059  Vm  24.  J-L.  — .     Cod.  dipl.  Bar.  I 
41  Nr.  24  als  Orig.     Vgl.  aber  p.  XV.     Das   Stück   ist 

1)  Die  Diplome  von  Robert  bis  Friedrich  II.  stehen  jeUt  alle  im  Cod.  dipl. 
Bar.  I,  mit  Ausnahme  eioes  noch  unbekannten  Diploms  Friedrichs  11.  von  1222 
V.  8  (Orig.  in  Cassetto  III  Nr.  72):  DaJt,  Melfie  VIIL  madii,  ind.  X,  das  den 
Heraosgebem  entgangen  zu  sein  scheint 

2)  Ed.  V.  Pflngk-Harttung  AcU  II  97  Nr.  132  ex  cod.  0. 94  f.  139  der  Yalli- 
oelliana  und  von  ihm  für  bedenklich  erkl&rt.  Aber  das  Original  ist  geschrieben 
vom  Notar  Gainiso,  dessen  Hand  wir  auch  aas  J-L.  4613  und  4564  kennen. 


246  P.  Kehr, 

eine  plumpe  Fälschung,  die  nach  dem  Original  Nicolaas  IL 
für  S.  Nicola  von  demselben  Tag  fabrizirt  ist. 

Copien : 
Nr.  13:  Johannes  XIX.  1025  VI.  J-L.  4068.   Cop.  saec.XI^). 
Urban  H.  1089  X  5.  J-L.  6412.     Cop.  saec.  XI«). 

Dazu  kommt  die  wichtige  Serie  der  Summarien  der  Prozesse 
zwischen  dem  Metropolitankapitel  und  dem  von  S.  Nicola.  Es 
kommen  in  Betracht 

Sommario  IV: 

Urban  II.  1089  X  5.  J-L.  5412.    Cop.  saec.  XVin. 
Sommario  IX: 

Alexander  U.  1063  V.  J-L.  4515.    Cop.  saec.  XVHI. 

Urban  U.  1089  X  5.  J-L.  5412.    Cop.  saec.  XVHI. 

Archivio  della  R.  basilica  di  S.  Nicola. 

Der  Abt  und  Großprior  Oderisio  Piscicelli-Taeggi  and 
der  Archivar  D.  Francesco  Nitti  di  Vito  ei-wiesen  unserm  Mit- 
arbeiter alles  wünschenswerthe  Entgegenkommen;  der  erstere  ins- 
besondere sorgte  für  jede  mögliche  Erleichterung. 

Das  reiche  Archiv  ist  jetzt  geordnet  und  catalogisirt  und  sein 
Inhalt  soll  den  IL  Band  des  Cod.  dipl.  Barese  füllen.  Es  beginnt 
mit  962.  Die  Fapsturkunden  hat  zum  Theil  bereits  v.  Pflagk- 
Harttung  Iter  p.  5  nach  Angaben  des  Herrn  A.  Loehrl  verzeichnet "). 

Originale : 

Nr.  35 :  Nicolaus  H.  1059  VIU  24.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Nr.  40:  Paschal  H.  1105  XI  18.  J-L.  6053. 

Nr.  54 :  Paschal  II.  1112  IV  2.  J-L.  6314. 

Nr.  57:  Paschal  H.  1115  IX  9.  J-L.  6468. 

Nr.  63 :  Calixt  H.  1123  IX  12.  J-L.  7076. 

Nr.  87:  Lucius  n.  1144  XI  25.  J-L.  8666.  • 

Nr.  115:  Alexander  HI.  1168  I  14.  J-L.  11377. 


1)  Die  von  den  Herausgebern  des  Cod.  dipl.  Bar.  (I  p.  22)  ausgeführten  Be- 
denken gegen  die  Glaubwürdigkeit  der  Urkunde  sind  hinfällig. 

2)  Die  Copie  war  eingen&ht  in  den  Papiercodez  „S.  Maria  di  Gastantinopoli. 
Istoria  di  Giuseppe  Ganonico  di  Cagno"  1864. 

3)  V.  Pflugk-Harttung  druckt  mehrere  dieser  Urkunden  in  den  Acta  nach 
Abschriften  des  Herrn  Luhrl  aus  den  Originalen.  Aber  Löhrl  hat  die  Abschriften 
vielmehr  aus  dem  Ms.  des  Bonazzi.  Daher  die  Nichtcoincidenz  seiner  Angaben  mit 
den  unsrigen  (z.  B.  Paschalis  II.  J-L.  6605  bei  v.  Pflugk-Harttung  AcU  II  214 
Nr.  258  ex  orig. ;  aber  die  Urkunde  ist  in  Wahrheit  nur  bei  Bonazzi  überliefert. 


PApatorknnden  in  Aptdien.  247 

Nr.  126:  Alexander  m.  (1170-79)  IX  8.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Nr.  127:  Alexander  UL  (1170—79)  X  9.  J-L.  12631. 
Nr.  125:  Alexander  HI.  (1175)  I  21.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Nr.  136:  Clemens  HI.  1188  XI  23.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Copien : 

Nr.  71.  87:  Paachal  H.  1105  XI  18.  J-L.  6063.      Zwei  Copien 

von  1244  und  1468. 

—  Lucius  II.  1144  XI  25.  J-L.  8666.    Cop.  saec.  XUI 

(Pergamene  inutili). 

—  Alexander  HI.  1168  I  14.  J-L.  11377.    Cop.  s.  XUI 

(Pergamene  inutili). 

Archivio  della  cancellaria  di  S.  Nicola. 

Das  unter  der  Leitung  des  Kanzlers  Can.  Giuseppe  Manzari 
stehende  Archiv  scheint  Pergamene  nicht  zu  besitzen,  dagegen  ist 
es  reich  an  jüngeren  Papiercopien.  Insbesondre  ist  von  Wichtig- 
keit der  Lil»^o  dei  privüegi  di  G.  B.  Bonaszi,  Ms.  chart.  sacc.  XVI 
mit  folgenden  Abschriften : 

f.  1.  28'.  349.  636  Paschal  II.  1105  XI  18.  J-L.  6053. 

f.  637  Paschal  H.  1112  IV  2.  J-L.  6314. 

f.  638'  Paschal  H.  1115  IX  9.  J-L.  6468. 

f.  639'  Paschal  H.  1116  H  18.  J-L.  6505. 

f.  640  Calixt  H.  1123  IX  12.  J-L.  7076. 

f.  641'  Lucius  U.  1144  XI  25.  J-L.  8666. 

f.  643  Alexander  VI.  1168  I  14.  J-L.  11377. 

f.  644'  Alexander  HI.  (1170—79)  X  9.  J-L.  12631. 

Ein  Liber  aecundus,  der  aber  nicht  von  Bonazzi  herrührt, 
enthält 

p.  476  Paschal  H.  1105  XI 18.  J-L.  6053.    Cop.  saec.  XVIII  >). 

Ein  anderes  Papierfaszikel  Bcüe  e  diplomi  enthält 

Nr.  1 :  Urban  H.  1089  X  5.  J-L.  5412.    Cop.  saec.  XVI. 
Nr.  2:  Paschal  n.  1105  XI  18.  J-L.  6053.    Cop.  saec.  XVII. 
Nr.  10:  Alexander  lU.  1168  I  14.  J-L.  11377.  Cop.  s.  XVII. 
Nr.  12  f.  2 :  Lucius  H.  1144  XI  25.   J-L.  8666.    Cop.  s.  XVIU 
(aus  Bonazzi). 
f.  4 :  Alexander  HI.  1168  1 14.  J-L.  11377.  Cop.  s.  XVID 

(aus  Bonazzi). 
f.  26 :  Clemens  m.   1190  XII  19.  J-L.  16542.    Cop.  von 
1706  (aus  Atti  processnali).    S.  Anhang. 

1)  Sowohl  bei  Bonusi  wie  im  Lib.  Mcundas  und  weh  di«  Diplome  copirt 


248  P.  Kehr, 

Das  Archivio  della  cancellaria  arcivescovile  ist 
ungeordnet,  doch  scheint  es  nur  moderne  Verwaltungsakten  zu  be- 
sitzen. Das  Archivio  provinciale,  dessen  Fergamene  sich 
im  Staatsarchiv  zu  Neapel  befinden,  beginnt  nach  den  Catastici 
erst  mit  dem  16.  Jahrhundert.  Das  Archivio  comunale,  des- 
sen Fergamene  gleichfalls  in  das  Staatsarchiv  zu  Neapel  gebracht 
sind ,  soll  ebenfalls  erst  mit  Akten  des  16.  Jahrh.  beginnen.  Das 
Archivio  notarile  setzt  mit  dem  15.  Jahrh.  ein.  Endlich  hat 
noch  das  Nonnenkloster  S.  Giacomo  Urkunden  (und  zwar  vom 
Konvent  di  S.  Scolastica),  aber  auch  sie  gehen  nicht  über  das 
14.  Jahrhundert  zurück. 

Biblioteca  consorziale   (Archivio  Addosiano). 

Die  hier  aufbewahrten ,  dem  F.  KafFaele  d'Addosio  gehö- 
renden Urkunden  (192  Nrn.)  beginnen  bereits  mit  1125,  doch  sind 
weder  Fapsturkunden  noch  Diplome  darunter.  Die  Mss.  sind  wich- 
tig für  die  Lokalgeschichte.  Für  uns  kommt  indessen  nur  in  Be- 
tracht Fascicolo  1^.  Chiese: 

Nr.  8:  Urban  H.  1089  X  5.  J-L.  6412.    Cop.  saec.  XVIII. 
Nr.  87 :  Pampeo  Sarnelli  Menwrie  dei  vescovi  di  PoUgnano ;  Ms.  s. 

XVIII  mit  Celestin  UI.  1194  VI  2.  J-L.  17111^);  femer 
Ms.  204 :  JEffemeridi  Ptäignanesif  owero  successi  e  storia  della  cittä 

di  Putignano  di  Domenico  M,  Campanella  dei  PredicatoH  1737 

— 1744   (Copie   von    1880   des   Autographs  im  Besitze    des 

Herrn  Giovanni  Casulli  in  Futignano). 

Conversano. 

Der  Bischof  von  Conversano,  Mons.  Antonio  La mb er ti,  ver- 
mittelte den  Zutritt  zu  den  geistlichen  Archiven  seiner  Diözese 
und  unterstützte  unsere  Sache  duröh  seine  gewichtige  Empfehlung. 

Sammlung  des  Mons.  Domenico  Morea. 

Die  Urkunden  des  alten  Klosters  S.  Benedetto  di  Conversano 
hat  der  unermüdliche  Benedictiner  Domenico  Morea,  getrieben 
von  der  Liebe  zu  seiner  Heimath  ;,perche  questa  che  tra  le  regioni 
d'Italia  h  la  piu  ricca  di  storia,  sia  pure  la  meno  esplorata  e  la 
meno  conosciuta''  gesammelt  und  1893  im  Chartularium  Cupersa- 
nense  (II  Chartularium  dei  monastero  di  S.  Benedetto  di  Conver- 
sano vol  I)  herausgegeben. 


1)  Mit  IV.  non,  iunii,  —  Orig.  in  Conyersano. 


Papstarkanden  in  Apalien.  249 

Leider  war  Mona.  Morea  schwer  erkrankt,  als  Dr.  Scbiaparelli 
Conversano  besuchte,  auch  befand  sich  das  ältere  Urkundenmaterial 
in  der  Obhut  seiner  Familie  in  Albero  Belle.  Wir  sind  Mens. 
Morea  und  dem  Vicerector  des  Seminario-CoUegio  in  Conservano 
zu  nicht  geringem  Danke  verbunden,  da  sie  jene  Urkunden  Ton 
Albero  Belle  nach  Conversano  zur  Verfügung  unsres  Mitarbeiters 
schafiPen  ließen.    Es  ergab  sich  folgender  Bestand  ^) : 

Originale  *) : 

Paschalis  IL  1110  VH  15.  J-L.  6275  (Morea  I  p.  146  Nr.  66). 
Paschaüs  n.  1117  IV  17.  J-L.  -.  (Morea  I  p.  147). 
Celestin  UI.  1194  VI  2.  J-L.  17111  (Morea  I  273  Nr.  140). 

Copien : 

PaschaUs  II.  1110  VH  15.  J-L.  6275.     Not.  Copie  von  1262 

und  Cop.  s.  XIV. 
Paschalis  U.  1117  IV  17.  J-L.  -.     Not.  Copie  von  1262»). 

Archivio  della  cancellaria  vescovile. 

Die  Urkunden  der  bischöflichen  Curie  beginnen  erst  mit  dem 
16.  Jahrhundert;  auch  die  hier  aufbewahrten  Urkunden  von  S. 
Benedetto  gehen  nicht  über  das  15.  Jahrhundert  hinauf.  Doch  be- 
sitzt  die  bischöfliche  Curie  drei  Bände  Atti  e  sommarii  riguardo  alla 
Ute  ira  il  vescovo  di  Conversano  e  Vabate  di  S,  Stefano  di  Monopoli 
vol.  II.  in.  IV  (vol.  I  ist  verloren)  mit 

vol.  n  p.  224.  311.  585:   Alexander  HI.  1175  XII  16.   J-L.  — . 

S.  Anhang, 
vol.  III  p.  256:  Heinrich  VI.  1195.  Cesena  (s.  Putignano). 

Das  Archivio  capitolare  hat  nichts  von  Bedeutung; 
keine  Pergamene,  Papieruikunden  erst  vom  17.  Jahrhundert  an. 
Das  Archivio  comunale  und  das  Ufficio  del  registro 
sind  dem  Aufstand  von  1886  zum  Opfer  gefallen;  sie  sind,  wie 
jetzt  im  April  d.  J.  die  Archive  von  Foggia,  wegen  der  hier  auf- 
bewahrten Steuerlisten  von  der  Bevölkerung  verbrannt  worden. 


1)  Wie  •chon  Morea  p.  XXI  anseinandenetzt,  findet  sich  für  die  F&Ischuog 
Leo  111.  815  XI  25.  J-£.  t2532  in  ConYersano  keine  Spar  einer  handschriftlichen 
Ueberlieferong.  Morea's  Versuch  die  Bolle  sn  retten  bedarf  kanm  der  Wider- 
legung. 

2)  Die  Originale  der  beiden  Paschale  hat  Morea  erst  aufgefunden,  als  das 
Chartnlarium  gedruckt  war  (p.  LVl  N.  6).    Er  druckte  sie  nach  der  Copie  you  1262. 

8)  Diese  Not.  Copie  von  1252  mit  den  beiden  Paschalurkunden  hat  Dr.  Schia- 
parelli  nicht  gesehen;  sie  sind  wohl  in  Albero  Belle  surttckgeblieben. 


250  P.  Kehr, 


FuMgndino. 

Dem  Cav.  Aw.  Giovanni  Casulli,  dem  trefflichen  Kenner 
d^r  Geschichte  von  Putignano,  sind  wir  zu  Danke  verpflichtet;  er 
führte  nicht  nur  überall  unsem  Mitarbeiter  ein,  sondern  öfPnete 
ihm  auch  seine  eignen  Sammlungen. 

Das  Archivio  capitolare  ist  indessen  ohne  Werth ;  seine 
wenigen  Urkunden  beginnen  erst  mit  dem  16.  Jahrhundert.  Da- 
gegen  bewahrt  das  Archivio  comunale  mehrere  wichtige  IJr- 
künden,  wie  eine  Urkunde  BoemuDds  von  1108  (Copie  von  1164), 
der  Konstanze  von  1197  (Copie  von  1427)  mit  einem  inserirten 
Diplom  Heinrichs  VI.  DcUum  apud  üesenam  1195,  ind.  13^  regn.  24^ 
imp,  5,  regn.  Sic,  i,  alle  in  dem  Bande  Frivüegi  bolle  cancessioni  ed 
altro  alla  Universitä  di  Futignano^)  und  mehrere  Manuscripte,  die 
für  die  Geschichte  von  Putignano  und  Mottola  von  Bedeutung  sind, 
für  uns  indessen  nichts  ergaben. 

Während  nach  eingezogenen  Informationen  die  Biblioteca 
comunale  keine  Hss.  besitzt,  hat  der  bereits  genannte  Cav.  C a- 
sulli  von  überallher  Abschriften  der  Urkunden  von  Putignano 
zusammengebracht,  von  denen  Schiaparelli  mit  besonderem  Nutzen 
verwerthet  hat  das 

Summarium  L  Litterae  executoriales  relaxatae  a  Sacra  Bota  Ro- 
mana  die  22.  decetnbris  1550  coram  hone  memorie  Antonio  de  Äugth 
sHnis  in  causa  Conversanefi.  iurisdictionis  etc.,  in  dem  eine  große 
Zahl  bisher  unbekannter  Papsturkunden  über  den  Streit  zwischen 
dem  Bischof  von  Conversano  und  dem  Abt  von  S.  Stefano  zu  Mo- 
nopoli  über  die  Jurisdiction  zu  Putignano  leider  nur  citirt  oder 
ausfährlich  notirt  werden,  nämlich 

Alexander  m.  1168  Vm  1.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Alexander  lU.  1176.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Alexander  III.  1177  V.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Alexander  IH.  1177  VH  1.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Alexander  IH.  1178  Vm  11.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Clemens  m.  1189  V  1.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Celestin  IH.  1194.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Celestin  IIL  1195  VI  6.  J-L,  — .    S.  Anhang. 
Celestin  IH.  1195  VI  6.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Celestin  lU.  1196  UI  14.  J-L.  — .    S.  Anhang. 


1)  la  einem  Inventar  von  1620  {Libro  magno)  wird  eine  soviel  ich  sehe  un- 
bekannte Urkonde  K.  Friedrichs  II.  von  1214  angeführt. 


Papstarkonden  in  Apalien.  251 

Ferner  besitzt  Herr  Casulli  das  Autograph  von  Domenico  M. 
Campanella,  Effemeridi  Piäignanesi  osian  successi  e  storia  della  cittä  dt 
Rdignano  1737 — 44  ^),  wo  außer  den  oben  verzeichneten  Urkunden 
auch  noch  Bullen  von  Paschalis  IL  und  von  Calixt  U.  von  1124 
nebenbei  citirt  werden. 

In  dem  Ufficio  del  registro  sollen  sich  keine  Urkunden 
befinden. 

ManopoU. 

Wir  sind  hier  Herrn  Prof.  Lodovico  Pepe  zu  vielem  Danke 
verpflichtet.  Vgl.  auch  das  wenig  kritische  Buch  von  Luigi  Fina- 
more  Pepe  Monopoli  e  la  monarchia  delle  Puglie  1897. 

Das  Archivio  capitolare  (Procurator  D.  Leonardo  Menga) 
hat  eine  schon  mit  1179  beginnende  schöne  Sammlung  von  Perga- 
menturkunden').    Die  einzige  Papsturkunde  ist 

Alexander  m.  1180  U  27.  J-L.  13624. 

Das  Archivio  comunale  hat  nur  wenige  Urkunden,  die 
erst  mit  dem  14.  Jahrhundert  einsetzen.  Aber  hier  ist  die  wich- 
tige Handschrift  Privüegia  civitatis  Monopolis  a  diversis  principtbas 
concessa  (der  sog.  Libro  rosso),  cod.  membr.  saec.  XVI ,  der  auch 
Ughelli's  Quelle  war. 

Nr.  1  f.  11 :  Urban  U.  1091  IV  1.  J-L.  5446. 
Nr.  2  f.  11' :  Calixt  U.  1123  lU  31.  J-L.  7038. 
Nr.  3  f.  12' :  Eugen  UI.  1160  XII  19.  J-L.  9427. 
Nr.  4  f.  13 :  Alexander  HI.  1177  U  10.  J-L.  12779. 
Nr.  5  f.  14 :  Alexander  lU.  1180  U  27.  J-L.  13624. 
Nr.  7  t  17:  Ferdinand  I.  1464  I  7.  mit  inserirten 

Alexander  UI.  1179  IV  19.  J-L.  — .  Ed.  Ughelli 
I  970. 

Alexander  UL  1180  U  27.  J-L.  13624. 

Die  Archive  von  S.  Pietro,  wo  die  18  Bände  Selva  d*oro 
des  Cirulio  (saec.  XVII)  mit  vielen  Abschriften  aufbewahrt  wer- 
den, und  von  S.  Salvatore,  wo  sich  noch  einige  Pergamene  seit 
aaec.  XIV  erhalten  haben,  boten  für  unsere  besondem  Zwecke 
keine  Ausbeute. 


1)  Mit  der  oben  dUrten  Urkunde  der  Conatanie  und  inserirtem  Heinrich  YI. 
(p.  122). 

2)  Mit  den  Origiiuüen  yod  Tancred  1192  X  und  Friedrich  IL  1221  lY  Tareni. 


252  P-  Kehr, 


Bri/ndiai. 


Dr.  SchiapareUi  ist  hier  den  Herren  Canonicus  Salvatore  C  h  i- 
mienti  and  dem  Bibliothekar  Professor  Giustino  Minunni  zu 
Dank  verpflichtet.  Es  kommen  wesentlich  in  Betracht  das  Ar- 
chivio  capitolare  und  die  Biblioteca  de  Leo. 

Das  Archivio  capitolare  (Procurator  Can.  Salvatore 
Chimienti)  hat  leider  arge  Verluste  erlitten  und  auch  was  jetzt 
noch  übrig  ist,  befindet  sich  in  übler  Ordnung. 

Originale  ^) : 
CaUxt  n.  1122  n  22.  J-L.  6953. 
Alexander  HI.  (1166-79)  VI  26.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Copien : 
Lucius  n.  1145  I  2.  J-L.  8638.    Copie  von  1542 «). 
Alexander  III.  1171  VI  25.  J-L.   — .    Copie   saec.  XVI/XVII. 

S.  Anhang. 
Alexander  m.  1173  VI  28.  J-L.  12226  und  J-L.  12231  ■).     Copie 

saec.  XIII  und  Cop.  saec.  XVI/XVII. 
Lucius  m.  1183  I  2.  J-L.  14810.     Cop.  saec.  Xm  und  Copien 

von  1542,  1592  und  saec.  XVI/XVII. 

Copialbuch : 

Einst  besaß  das  Kapitel  ein  altes  Copialbuch  auf  Pergament, 
das  aber  verloren  ging.  Auch  der  daraus  geflossene  Codex  di- 
plomaticus  Brundusinus  saec.  XVI  ex.  ist  nur  noch  als  Frag- 
ment in  Gestalt  eines  Papierfaszikels  erhalten  (Fase.  4  tit.  2). 
Wenigstens  steht  zum  Schluß: 

In  nomine  domini  nostri  lesu  Christi.  Anno  a  nativitate  eiusdem 
MDLXVf  indictione  VIIIj  mensc  octohris^  die  vero  decinia  eius- 
den»,  pontificatus  summi  in  Christo  patris  et  domini  nostri  domini 
Pii  pape  IUI  anno  scxto;  feliciier  amen.  Ego  Nicolaus  Marotta 
clericus  Brundusinus  pupUcus  apostolica  per  totum  orbem  auctoris 
täte  notarius  fidem  facio  prescntem  copiam  retroscriptarum  decem 
et  octo  litterarum  apostolicarum  privUegiorum  et  bullarum  extrac- 
tarn  fuisse  a  quodam  antiquissimo  registro  bergameni  quod  conser^ 
vatur  in  archivio  ecclesie  Brundusine  etc. 


1)  Einzige  Kaisenirkande  im  Orig.  ist  Friedrich  IL  BFW.  14666. 

2)  Die  Angabe  von  v.  Pflugk-Harttang  Acta  III  63  Nr.  62,  daB  das  Original 
Torhanden,  ist  ein  Irrtham.  J-L.  zu  1144  VI  2.  Aber  alle  Copien  haben  IUI. 
non.  ian, 

8)  Sowohl  J-L.  12226  mit  Mai  29  und  JL.  12231  mit  Juli  29  sind  falsch  an- 
gesetst;  es  ist  eine  and  dieselbe  Urkonde  aber  mit  Jon!  28. 


Papstarimnden  in  Apalien.  253 

Doch  sind  es  eigentlich  zwei  Theile,  von  denen  das  erste, 
eigentlich  Codex  diplomaticas  Brondusinus  zu  nennende  Faszi- 
kel die  folgenden  Privilegien  enthält 

Paschal  IL  1101  HI  23.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Paschal  U.  1105  X  18.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

CaUxt  n.  1122  II  22.  J-L.  6953. 

Lucius  IL  1145  I  2.  J-L.  8638  (unvollst.). 

Alexander  Dl.  1171  VI  25.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Alexander  HI.  1173  VI  28,  J-L.  12226  =  J-L.  12231. 

Lucius  m.  1183  I  2.  J-L.  14810. 

Im  andern  Theil  des  Faszikels  mit  dem  Sondertitel  De  variis 
et  diversis  questionibtis  inter  ecclesiam   Brundusinam    et  Haritanam 

Urban  IL  1089  X  3.  J-L.  5413  ')• 

Urban  H.  1094  V  20.  J-L.  6525. 

Paschal  11.  s.  d.  J-L.  5815. 

Paschal  H.  (1106)  IV  19.  J-L.  6109. 

Paschal  H.  (1110)  IV  29.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Paschal  H.  (1100—16)  I  7.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Gelasius  n.  (1118)  VHI  29.  J-L.  6650. 

CaUxt  U.  (1122)  II  22.  J-L.  6952.    S.  Anhang. 

Alexander  III.  (1173—74)  X  20.  J-L.  12325. 

Alexander  ni.  (1166-79)  VI  26.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Lucius  m.  (1183)  Vn  31.  J-L.  8639  =  J-L.  14906»). 

Biblioteca  pnbblica  de  Leo. 

Unter  den  zahlreichen  Manuscripten  dieser  Bibliothek  kommen 
für  uns  folgende  in  Betracht: 

Epistola  apologetica  Jo.   Bapt.  Casmirii  ad  Q.  Marcum  Cofm- 
dum  1567.    Ms.  chart.  saec.  XVI,  mit 

f.  65  Urban  H.  1089  X  3.  J-L.  6413. 

f.  65'  Urban  U.  1094  V  20.  J-L.  5525. 

f.  66  Paschal  IL  s.  d.  J-L.  5815. 

f.  66  Paschal  II.  s.  d.  J-L.  6108. 

f.  66'  Paschal  IL  (1106)  IV  19.  J-L.  6109. 


1)  Ldweafeld  emendirt  V,  non.  octobr.  in  F.  id,  oeUör.  Aber  aUe  Copien 
haben  das  entere  Datum. 

2)  Die  Urkunde  hat  das  Datam  Signic  IL  hol.  aug.^  was  nan  freilich  die 
tchon  Yon  Lowenfeld  bemerkten  Schwierigkeiten  nicht  hebt,  ais  er  sie  sn  Lncint 
II.  J-L.  8689  Hellte.  Die  Urkunde  gehört  doch  wohl  in  Lucius  III.,  wie  sp&ter 
Lowenfeld  erkannte,  da  er  sie  lu  J-L.  14906,  aber  su  1183  August  1  stellte. 

Ig  1.  0«.  «.  WiM.  SaOriiM«».   PkUotog^Urtw.  11mm  18S6L   H«A.  S.  18 


264  f-  Kehr, 

Ortensio  de  Leo,  Brundisinorum  pontificum  eorumque  eeclesiae  mo" 
numenta  1754,  vol.  I.  IE.    Ms.  chart.  saec.  XVIII  (anfoliirt). 

Gelasios  I.  s.  d.  J-K.  676. 

Gregor  I.  595  XI.  J-E.  1400. 

Gregor  I.  601  VH.  J-E.  1849. 

Gregor  VH.  s.  d.  J-L,  — .    S.  Anhang. 

Urban  U.  1089  X  3.  J-L.  5413. 

Urban  H.  1091  IV  1.  J-L.  5446  (aas  Ugbelli). 

Urban  II.  1094  V  20.  J-L.  5525  ex  antiqao  exetnplo  asser- 
vato  in  rev.  ecclesie  archivio  a.  1592  . .  deprompto  a 
qaodam  veteri  regesto  in  membranaceo  ibidem  tone 
extante,  quod  modo  desideratnr,  qoamvis  a  Casimiro  in 
Apolog.  p.  65  referatur. 

Paschal  H.  s.  d.  J-L.  5815  (wie  Urban  U.  J-L.  5525). 

Paschal  11.  s.  d.  J-L.  6108. 

Paschal  H.  (1106)  IV  19.  J-L.  6109. 

Paschal  H.  (1108—10)  IV  1.  J.  6253. 

Gelasius  n.  (1118)  VUI  29  J-L.  6650. 

Calixt  II.  1122  n  22.  J-L.  6953. 

Lucius  n.  1145  I  2.  J-L.  8638. 

Alexander  HI.  (1160)  XH  24.  J-L.  f  11255. 

Alexander  HI.  1173  VI  28.  J-L.  12226  =  J-L.  12231. 

Alexander  HI.  (1166—79)  VI  26.  J-L.  — .     S.  Anhang. 

Lucius  m.  (1183)  I  2.  J-L.  14809. 

Lucius  m.  (1183)  Vn  31.  J-L,  14906  (=  J-L.  8639), 

Codex  diplomaticus  Brundusimts  quo  diplomata  omnia  ad  Brundu- 
sitiam  ecdesiatn  vel  dvitatem  perünentia  continenlur  ab  a.  492  ad 
a.  1600.  Vol.  I— IV  (nicht. foliirt).  Ms.  chart.  saec.  XVIII.  An- 
geblich angelegt  von  dem  Erzbischof  Annibale  de  Leo. 

vol.  I:  Gelasius  I.  s.  d.  J-K.  676. 

Gregor  I.  596  XI.  J-£.  1400. 

Gregor  I.  601  VH.  J-E.  1849. 

Urban  U.  1091  IV  1.  J-L.  6446  (aus  UgheUi). 

Lucius  U.  1146  I  2.  J-L.  8638. 

Alexander  IQ.  1171  VI  26.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Alexander  UI.   1173  VI  28.    J-L.  12226  =  J-L.  12231. 

Lucius  lU.  1183  I  2.  J-L.  14810 »). 

vol.  IV:  Gregor  VII.  s.  d.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Urban  H.  1089  X  3.  J-L.  6413. 


1)  Femer  Friedrich  II.  BFW.  U666  and  Manfred  BF.  4768. 


Papatarkanden  in  Apulieo.  256 

Urban  U.  1094  V  20.  J-L.  5625. 

Paschal  U.  s.  d.  J-L.  5816. 

Paschal  n.  1101  HI  23,  J-L.  -.    S.  Anhang. 

Paschal  H.  1105  X  18.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Paschal  U.  (1106)  IV  19.  J-L.  6109. 

Paschal  II.  (1108—10)  IV  1.  J-L  6253. 

Gelasius  IL  (1118)  VIH  29.  J-L.  6650. 

Calixt  n.  (1122)  n  22.  J-L.  6952.    S.  Anhang. 

Calixt  n.  1122  n  22.  J.L.  6953. 

Alexander  in.  (1160)  XU  24.  J-L.  f  11265. 

Alexander  HI.  (1173—74)  X  20.  J-L.  12325. 

Alexander  m.  (1166—79)  VI  26.    J-L.  — .    S.  Anhang. 

Lucius  m.  (1183)  I  2.  J-L.  14809. 

Femer  auf  besonderm  Blatt 

Alexander  UI.   (1166—79)  VI  26.   J-L.  — .    S.  Anhang. 
Lucius  m.  (1183)  Vn  31.  J-L.  8639  =  J-L.  14906. 

Codex  diplomaticus  ecclesiae  JBrundusinae ,  Ms.  chart.  s.  XVIII. 
Angeblich  angelegt  von  dem  Erzbischof  Annibale  de  Leo,  enthält 

fol.  6   Gelasius  I.  s.  a.  J-E.  676. 
fol.  6  Gregor  I.  601  VIL  J-E.  1849. 

Gregor  I.  695  XI.  J-E.  1400. 
fol.  7  Urban  H.  1089  X  3.  J-L.  5413. 
fol.  7'  Urban  IL  1094  V  20.  J-L.  6526. 
fol.  8   Paschal  II.  s.  d.  J-L.  5815. 
fol.  8'  Paschal  IL  (1108—10)  IV  1.  J-L.  6263. 

Paschal  IL  s.  d.  J-L.  6108. 
fol.  9  Gelasius  U.  (1118)  VHI  29.  J-L.  6650. 

Paschal  U.  (1106)  IV  19.  J-L.  6109. 
foL  9'  Gregor  VII.  s.  d.  J-L.  — .    S.  Anhang, 
fol.  10  Calixt  n.  1122  n  22.  J-L.  6963. 
fol.  11'  Calixt  IL  1122  U  22.  J-L.  6962.    S.  Anhang, 
fol.  12'  Lucius  U.  1146  I  2.  J-L.  8638. 
fol.  16   Lucius  UI.  (1183)  I  2.  J-L.  14809. 
fol.  15'  Alexander  lU.  (1160)  XH  24.  J-L.  f  11265. 
fol.  16   Alexander  UI.  (1166—79)  VI  26.  J-L.  — .    S.  Anhang, 
fol.  17   Alexander  IIL  1173  VI  28.  J-L.  12226  =  J-L.  12231. 
fol.  19'  Alexander  UI.  (1173—74)  X  20.  J-L.  12325. 
fol.  20  Lucius  in.  (1183)  VU  31.  J-L.  8639  —  J-L.  14906. 
fol.  29  Lucius  m.  1183  l  2.  J-L.  14S10  >). 


1)  £b«nda  fol.  IOC  Frndrich  IL  BFW.  1466«  und  fol.  108  Manfred  BF.  4763. 

18  ♦ 


256  ^'  ^ehr, 

Von  andern  Manuscripten  der  Bibliothek  de  Leo  sind  noch 
benu^t : 

Vhri  opuscoli  e  cronache,  Ms.  chart.  saec.  XVII  mit  Notizen 
über  die  Papsturkunden  von  La  Cava  und  Salemo. 

Giovanni  Maria  Moricino  y  DelVantiquitä  e  vicissiludine  della  ciää 
di  Brindisi,  Ms.  von  1604,  mit  Urban  11.  J-L.  5413  ;,appare  il  breve 
originale  nel  sacro  archivio^  registrato  nel  21  fol.  des  registro  mag.^ 

Donienico  Tommaso  Älbanesej  Historia  delVantichiiä  di  Oria^  Ms. 
chart.  saec.  XVIII.,  citirt  fol.  262  eine  Bulle  Gregors  VII.  von 
1074  ;,diretta  al  clero  e  popolo  Oritano",  wohl  das  unter  Nr.  2 
gedruckte  Breve;  fol.  263'  Alexander  III.  J-L,  11255  und  fol.  278 
eine  Bulle  Paschais  II.  von  1101,  wohl  das  unter  Nr.  3  gedruckte 
Breve,  alle  aus  ;,nostro  archivio  ecclesiastico^. 

Risposta  che  per  parte  della  M^  del  Re  delle  due  Sicilie  si  da  alla 
memoria  trasmessa  da  S,  Santita  intorno  alla  B.  Chiesa  della  Bagnara, 
Ms.  chart.  saec.  XVIII,  citirt  (außer  mehreren  Pirri  entnommenen 
Bullen) : 

fol.  9'  Clemens  III.  1188  XII  4.  J-L.  — .  S.  Anhang. 

fol.  11   Celestin  m.  1192  V  6.  J-L.  — .  S.  Anhang. 

Badia  di  S.  Leonardo  in  Puglia^  Ms.  saec.  XVII.     Es  ist  ein 
allerdings   sehr   unzuverlässiges   und  verworrenes   Archivinventar 
dieses  Klosters,  in  dem  neben  spätem  Bullen  citirt  werden 
Hadrian  IV.  1197  a^  8  (wohl  statt  1157)   conferma  tutti  li  pri- 

vilegi  concessi  alla  badia  di  s.  Leonardo. 
Alexander  IIL  1167  (ind.  15.  a^  8)  IX  11. 
Celestin  III.  a®  5  (=  1196)  ordina  al  vescovo  di  Andria  che  scora- 

munichi  e  castighi  li  delinquenti  che  armata  mano  entrorno 

nel  monastero  di  Monte  Peloso  e  messero  il  laccio  al  collo 

della  badessa  per  strozzarla. 
Celestin  III.  s.  a.   esenta  li  PP.  di  S.  M.  de'Teutonici  da  qualsia 

pagamento  di  colletto  etc. 
Clemens  UI.  1189  m  18. 
Celestin  lU.  s.  a.  conferma  i  privilegi  concessi  alli  PP.  di  S.  Maria 

de'Teutonici. 

Femer  im  Appendix 
Breve  di  Celestino  UI,  dove  conferma  alli  PP.  suddetti  tutte  le 

donazioni  e  privilegi  esenz.  etc.  concesse  a  dd.  PP.  tanto  da 

secolsüri  quanto  da  suoi  antecessori. 
Anno  1183(1)  Breve  di  Alessandro  UI,  che  ordina  che  li  PP.  di 

S.  Leonardo  non  siano  soggetti  airarcivescovo  di  Bari  e  che 

possano  eleggere  il  cappellano  a  loro  arbitrio. 


Papstorkanden  in  ApalieiL  267 

Auch  im  Archivio  comunale  stellte  Dr.  Scbiaparelli  IJn- 
tersachungen  an.  Aber  es  besitzt  nur  moderne  Akten,  außerdem 
einen  Libro  di  contratH  e  scritture  deWospedale  di  S.  M.  de  Miseri- 
cordia  von  1708,  in  dem  die  Documente  mit  dem  16.  Jahrhundert 
beginnen. 

Im  Ufficio  del  registro  erhielt  er  die  übliche  Antwort, 
daß  nichts  vorhanden  sei. 


Im  Anschluß  an  Brindisi  besuchte  Dr.  Scbiaparelli  das  nahe 
Oria,  wo  nach  den  in  Brindisi  gesammelten  Notizen  sich  noch 
im  vorigen  Jahrhundert  *alte  Urkunden  und  ein  codice  Oritatw  be- 
funden haben  müssen.  Aber  es  ergab  sich,  daß  alles  verloren  ist. 
Das  Archivio  capitolare  hat  nur  eine  Pergamenturkunde  des 
14.  Jahrhunderts  und  was  es  sonst  an  jüngeren  Sachen  besitzt, 
ist  ohne  Werth.  Das  Archivio  della  curia  vescovile  be- 
ginnt mit  dem  16.  Jahrhundert  und  das  Archivio  comunale 
ist  eine  ganz  moderne  Registratur.  In  der  Biblioteca  comu* 
nale  sind  einige  für  die  Geschichte  von  Oria  wichtige  Manuscripte, 
von  denen  genannt  werden  mögen 

Gasparo  Papatodero,  Della  fortuna  di  Oria,  Ms.  chart.  von 
1770  (gedr.  in  zwei  Dissertationen  Napoli  1866.  1868),  wo  meh- 
rere auf  den  Streit  zwischen  Brindisi  und  Oria  sich  beziehende 
Papsturkunden  citirt  werden. 

Domenico  AJbanese,  Historia  dclVantichitä  di  Oria,  Ms.  von 
1761  (Copie  von  Pasquale  di  Nitto),  wo  Alexander  III.  J-L.  11256 
citirt  wird  „che  si  conserva  nel  nostro  archivio  ecclesiastico^. 

Mario  Matarrelli  Pagano ,  liaccdta  di  notizie  patrie  della  cittä 
di  Oria  (copiata  dall'orig.  dcl  scc.  XVI  da  Emanuele  B.  Pinto 
1874). 

Auch  besitzt  die  Bibliothek  ein  F  VI  9  signirtes  Pack  mit 
1469  beginnenden  Urkunden.  Mancherlei  das  Kapitel  angehendes 
Material  hat  Francescantonio  Conti  fu  Leonardo,  aber 
f&r  uns  ist  nichts  darunter. 

Besser  steht  es  mit  der  Uebcrlieferung  von  Ostimi,  vgl.  Lodo- 
vico  Pepe  Memorie  storico  -  diplomatiche  della  chiesa  vescovile  di 
Ostuni  1891.  Das  Archivio  capitolare  beginnt  schon  mit  1137, 
aber  es  enthält  nur  Privaturkunden.  Das  Archivio  comunale 
begannt  dagegen  erst  mit  1811.'  Auch  die  Biblioteca  comu- 
nale soll  keine  Manuscripte  besitzen.  Dagegen  sind  wichtige  Ma- 
terialien im  Besitze  des  Cav.  GaetanoTanzarella,  u.  A. 
eine  Copie  des  Libro  rosso  von  Ostuni,  den  Professor  L.  Pepe  her- 


258  P-  Kehr, 

ausgegeben  hat.  Das  Original  soll  der  Earabinierimarschall  a.  D. 
T  ab  eil  in  i  besitzen. 

Otranto,  wo  Prof.  D.  Francesco  Vitto  sich  für  uns  bemühte, 
hat  nichts  Altes  mehr.  Das  Archivio  capitolare  hat  ein  paar 
Pergamentfragmente  vom  16.  Jahrhundert  ab,  das  Archivio  co- 
m  u  n  a  1  e ,  dessen  Libro  rosso  vor  einigen  Jahren  zu  Grunde  ging, 
ist  ohne  Werth,  das  Archivio  della  curia  arcivescovile 
besitzt  zwar  Urkunden  und  Plateae  aufgehobener  Klöster,  aber 
diese  Materialien  gehen  nicht  über  das  16.  Jahrhundert  zurück. 

Zecce. 

Dank  dem  Prof.  Giovanni  Guerrieri  fand  Dr.  Schiaparelli 
überall  Zutritt.  Zunächst  im  Archivio  capitolare,  das  aber 
leider  wenig  Werth  besitzt  und  nichts  über  das  16.  Jahrhundert 
hinaufgehendes  bietet.  Auch  im  Archivio  della  cancellaria 
vescovile  fangen  die  Documenta  erst  mit  dem  17.  Jahrhun- 
dert an.«  Sehr  bedauerlich  ist,  daß  das  Archivio  provinciale 
ungeordnet  und  von  einem  unfähigen  und  eifersüchtigen  Archivar 
bewacht  wird.  Es  hat  Pergamene  schon  vom  13.  Jahrhundert  ab. 
Das  Archivio  comunale  ist  ganz  modern.  Die  Bibliotcca 
provinciale  mit  dem  Museum  hat  zwar  keine  historischen  Ma- 
nuscripte  von  Werth,  wohl  aber  eine  Sammlung  von  Urkunden, 
die  freilich  erst  mit  dem  14.  Jahrhundert  beginnen.  Endlich  ist 
zu  erwähnen  das  Archiv  des  1133  gestifteten  Klosters  S.  Gio- 
vanni Evangelista,  in  dem  noch  Urkunden  sich  befinden. 
Doch  gehen  diese  nicht  über  das  16.  Jahrhundert  hinauf.  Außer- 
dem ist  noch  vorhanden  Flatea  del  monastero  di  S.  Giovanni  Evan- 
gelista  di  Lecce  von  1691,  wo 

f.  3  Anaclet  11.  1134  Xu  7.  J-L.  — .    S.  Anhangt). 

Die  älteren  Urkunden  dieses  Klosters  sind  jetzt  im  Besitz  des 
Appellationsraths  Cav.  Luigi  De  Simone  in  Trani,  der  sie  neben 
andern  Sehenswürdigkeiten  gesammelt  und  in  seiner  Villa  Sant- 
Antonio  bei  Arnesano  aufgestellt  hat.  Wir  sind  dem  Herrn 
Cavaliere  sehr  zu  Danke  verpflichtet,  daß  er  nach  einigen  Schwie- 


1)  Hier  wird  f.  4'  noch  eine  zweite  Urkunde  Anadets  IL  citirt:  „Et  essendo 
passata  da  questa  a  meglior  vita,  come  si  spera,  la  sad«  abbatessa  Agnesa  doppo 
nno  anno  del  suo  abbadissato ,  fu  dinaovo  eletta  per  abbadessa  Guimarca,  sorella 
di  detta  Agnesa  nel  real  monastero  et  il  medesimo  pontefice  Anacleto  secondo 
prende  di  novo  sotto  rimmediata  saa  protettione  la  novella  abadeasa  eletta  e 
del  tutto  ne  li  spedisce  nuovo  breve  pontificio  quäle  si  couserva  in  Archivio  col. 
nomero  sesto  e  si  inseriri  a  suo  luogo". 


Papstarknnden  in  Apalien.  269 

rigkeiten  unsern  Mitarbeiter  zur  Benutzung  seiner  Schätze  zuließ. 
Außer  einem  schönen  Original  Jäogers  von  1142  Juli  (dcU.  in  ter- 
ritorio  Ariani  in  loco  ubi  Silua  marca  dicitur)  besitzt  er 

Anaclet  11.  1134  XII  7.  J-L.  — .  Copie  saec.  XII.  S.  Anbang. 

Alexander  UI.  1178  VI  15.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Nardö. 

Daß  das  alte  Kloster  S.  Maria  di  Nardo,  wo  der  Bischof  Mons. 
Giuseppe  Ricciardi  unserm  Mitarbeiter  alle  mögliche  Förderung 
gewahrte,  eine  stattliche  Serie  alter  Privilegien  besessen  hat,  weiß 
man  bereits  aus  D'Avino  Ccnni  p.  433  sq.  Dasselbe  ergaben  die 
Nachforschungen  in  Neapel ').  Leider  bestätigte  sich  aber  an  Ort 
und  Stelle,  daß  die  noch  in  diesem  Jahrhundert  vorhandenen  älte- 
ren Materialien  jetzt  verloren  sind.  Das  wichtigste  Archiv  ist 
das  Archivio  della  caria  vescovilo,  mit  dem  auch  das  Ar- 
chiv des  Kapitels  vereinigt  ist. 

Originale : 

Alexander  m.  (1174)  V  3.  J-L.  12375.    S.  Anhang. 

Alexander  lU.  (1174)  V  3.  J-L.  12376.    S.  Anhang. 
Daneben  ist  das  Archiv  reich  an  Manuscripten. 

Muicellanea  relative  a  Nardb  I  fasc.  16:  „Status  ecdesie  Herito- 
nensis^^  Ms.  chart.  von  1636,  wo  die  drei  Privilegien  von 
Urban  U.,  Paschal  II.  und  Hadrian  IV.  citirt  sind. 

Miscellanea  relative  a  Nardb  II  fasc.  6:  „Bclatio  de  statu  veteri 
et  recenii  Neritine  ecdesie  et  dioecesis  facta  a  Joanne  de  Epi^ 
phaniis  etc.  von  1412  (ed.  Ughelli  I  1038). 

Processus  originaiis  de  statu  iuribus  .  .  et  praecipuis  priuilegiis 
episcopcdis  ecdesiae  Neritinae  eiusque  mefise  confedus  a  delegatis 
apostolicis  1722  et  seq.,  Ms.  chart.  s.  XVUI  mit  2  Königs- 
urkunden '). 

Clarissimi  viri  d.  Pdri  Polidori  de  Lanciano,  De  Ncritina  ecde- 
sia  ac  de  suis  episcopis  disseriatio  historica,  Ms.  chart.  von  1767. 

Acta  visiiaiionis  Cacsnris  Bovii,  Ms.  chart.  von  1678,  wo  von 
f.  173'  ab  ein  wichtiges  Summarium  omnium  scripturarum  ca* 
thedralis  ecdesiae  Neritonensis  d  eius  mensae  cpisccpalis  steht  ■). 


1)  Archivio  di  stato:  Cappellania  maggiore  yoI.XIX  Nr.  166,  wo  citirt  wer- 
den Urban  U.  (orig.),  Paschalis  II.  (orig.  and  cop.  von  1848),  lladrian  IV.  (orig.), 
Alaiander  III.,  Urban  IlL,  Celestin  III. 

2)  f.  9  Friedrich  IL  BF.  1606  und  Wilhelm  I.  1166  Nov.  (Ughelli  X  296). 

3)  Wörtlich  wiederholt  1637  beim  Besach  des  Oeneralvicars  Giovanni  Qra- 
nafei.  Vgl.  auch  die  ans  den  Acta  visitationis  gegebenen  AnszQge  bei  Ughelli 
I  1086  sq. 


260  P.  Kehr, 

Hier  werden  mehr  oder  minder  ausführlich  citirt : 

f.  174'  Friedrich  U.  BF.  1505. 

Transsumt  von   1350    mit    1)  Friedrich  II.   BF.   1505, 
2)  Celestin  lU.  1194,   3)  Celestin  lU. 

f.  175  Bulla  Alexandri  pape  lU.,  in  qua  continetur  con- 
firmatio  unionis  facte  per  cardinalem  s.  Eustachii  in 
regno  Sicilie  legatum  apoatolicum  de  ecclesia  s.  Theo- 
dori  cum  omnibus  eins  bonis  ipsi  monasterio  s.  Mariae 
de  Nerito.  Cfr.  Chron.  Neritin.  (Muratori  SS.  XXIV 
893)  zu  1166^).  • 

f.  165'  Transsumt  von  1348,  in  quo  continetur  transsumptum 
cuiusdam  bulle  Paschalis  (11.)  pape  expedite  sub 
anno  domini  1110  etc.    S.  Ughelli  Italia  sacra  1 1040. 

f.  176  Bulla  privilegii  Adrian i  pape  IUI.  sub  plumbo  con- 
fecta  in  anno  1158  continens  in  omnibus  et  per  omnia 
exemptionem  monasterii  predicti  et  eins  susceptionem 
sub  protectione  b.  Petri  et  s.  apostolice  sedis  iuxta 
seriem  et  teuerem  dicti  precedentis  privilegii  Pascalis 
pape  II.  Cfr.  Chron.  Neritin.  (Muratori  SS.  XXIV 
893)  zu  1158. 

f.  177  Bulla  sub  plumba  Alexandri  pape  III.  confirmationis 
decimarum  predictarum  in  favorem  ecclesie  Neritonensis. 
(1179  IV  7  ?  vgl.  D'Avino  Cenni  p.  437). 
Breve  eiusdem  Alexandri  pape  III.  directum  baro- 
nibus  et  universo  populo,  quibus  mandat  ut  solvant 
dictas  decimas  abbati  Neritonensi.  Wohl  =  J-L.  12375. 
Breve  Celestini  pape  III.  directum  Tranensi  et  Po- 
linianensi  episcopis,  quibus  committit  causam  dictarum 
decimarum  decidendam.  Vgl.  D'Avino')  Cenni  p.  437 
und  J-L,  17143. 

Confirmatio   possessionis    predictarum   decimarum   per 
aliud  breve  pape  Celestini  (III). 
Breve  Alexandri  pape  III.    directum  baronibus   et 
universo  populo  Neritonensi,  quibus  precipit  nt  decimas 


1)  Vgl.  dazu  die  Note  Muratoris  (ebeoso  Michele  Tafari  vol.  II  884  Note  II), 
der  eine  Bulle  Alexandere  III.  von  1166  II  10  hierzu  citirt.  Aber  nach  der  Da- 
tierung (IV.  id.  febr.  pont.  a.  VII)  w&re  es  Alezander  IV.  Dagegen  spreche  aller- 
diogs  die  Chronik  (ad  a.  1166.  1166).    Aber  wie  steht  es  mit  deren  £chtheit? 

2)  D'Avino  Cenni  p.  437  wirft  hier  wohl  zwei  verschiedene  Mandate ,  eins 
an  den  Erzbischof  von  Trani  und  den  Bischof  von  Polignano ,  das  andere  an  die 
CardinAle,  zusammen. 


Papstarkandeii  in  Apalien.  261 

abbati  Neritonensi  solvere  velint.     Wohl  identisch  mit 
J-L.  12376. 

Breve  einsdem  Alexandri  papaelll.  directum  abbati 
s.  Mariae  Neritonensis,  cui  facultatem  tribuit  excoma- 
nicandi  quoscunque  renitentes  dictas  decimas  solvere. 
Confirmatio    Celestini   (UI.)    pape    super    sententia 
predictarum   dccimarum   lata   per  loannem  cardinalem 
tituli  8.  Clementis  et  per  loannem  cardinalem  tituli  s. 
Prisce,    Vgl/D'Avino  Cenni  p.  437  und  J-L.  17247. 
Breve   Alexandri   pape  III.   directum   abbatibus    s. 
Mauri  et  s.  Constantine,  per  quod  precipitur  eisdem  ut 
solvant  decimas,   quas   debebant  abbati  s.  Marie  Neri- 
tonensis. 
f.  177'  Confirmatio  Alexandri    pape    tertii    sententie    late 
per  archiepiscopum   Tranensem    super    solutione    deci- 
marum  monasterio  Neritonensi.     Wohl  =  J-L.  12376 
oder  12376. 

Breve  U  r  b  a  n  i  (HI.)  pape,  in  quo  inseritur  aliud  breve 
Alexandri  pape  tertii,  quibus  brevibus  confirmatur  pos- 
sessio decimarum  abbati  monasterii  Neritonensis. 
Instrumentum  in  pergameno  confectum  in  anno  1348, 
in  quo  continentur  nonnuUa   brevia  summorum  ponti- 
ficum   confirmantia    aolutionem   decimarum  in  favorem 
monasterii  Neritonensis.     Vgl.  D'Avino  Cenni   storici 
p.  437. 
f.  178  Constitutio    arcbivii    pro    conservatione    scripturarum. 
Wäre  sie  nur  befolgt  worden! 
Während  das  Archivio   comunale  nur  ganz   moderne  Akten 
besitzt,  sind  jetzt  noch  im  Kloster  der  h.  Clara  Documente,  frei- 
lich aus  jüngerer  Zeit.     Auch  das  TJfficio  del  registro  und 
die  Biblioteca  comunale  boten  nichts. 


Ohne  Ergebniß  besuchte  dann  Dr.  Schiaparelli  Alenano,  wo 
das  kleine  und  wertlose  Archivio  capitolare  nur  Pergamene 
des  16.  Jahrhunderts  aufweist  Das  Archivio  comunale  ist 
ganz  modern.  Die  Biblioteca  dei  Cappuccini  (comunale) 
hat  nur  4  (theologische)  Manuscripte.  Ein  Herr  Aw.  Giuseppe 
Sangiovanni  hat  eine  kleine  Sammlung  von  Urkunden,  die 
älteste  ist  aus  dem  16.  Jahrhundert. 

Aehnlich  liegen  die  Verhältnisse  in  Vgento.  Das  unbedeutende 
Archivio  capitolare  besitzt  eine  Pergamentnrkunde  des  17. 
Jahrhunderts.    Im  Archivio  della  cancellaria  vescovile 


262  P-  Kehr, 

fangen  die  Urkunden  mit  dem  16.  an,  imArchiviocomunale 
mit  dem  18.  Die  Bibliothek  des  Seminars  hat  nichts.  Auch 
die  Mensa  vescovile,  wo  die  Piatee  einiger  aufgehobener  Klo- 
ster noch  vorhanden  sind,  bot  uns  nichts. 

Auch  in  Gallipoli,  wo  sich  Prof.  Can.  Francesco  d'Elia  unsrer 
annahm,  fand  sich  nichts  Altes  mehr.  Das  Archivio  capito- 
lare  hat  einige  mit  dem  16.  Jahrh.  einsetzende  Pergamene.  Mit 
derselben  Zeit  beginnen  die  Urkunden  des  Archivio  della 
cancellaria  vescovile.  Die  Pergamenturkunden  des  Archi- 
vio comunale  kamen  1833  in  das  Staatsarchiv  nach  Neapel; 
jetzt  sind  nur  noch  Abschriften  hier,  doch  sind  keine  Papst- 
urkunden unsrer  Zeit  dazwischen.  Ein  päpstliches  Breve  von 
Clemens  VI.  von  1348  soll  sich  im  Besitz  des  Bischofs  selbst  be- 
finden (wahrscheinlich  die  bei  D^Avino  Cenni  p.  251  gedruckte 
Urkunde). 

In  Taranto  fand  Dr.  Schiaparelli  die  liebenswürdigste  Auf- 
nahme bei  dem  Uditore  des  Cardinalerzbischofs ,  D.  Francesco 
Cantelmo  Stuart  und  dem  Professor  Cav.  A.  Valente.  Er 
wandte  sich  zunächst  zu  dem  Archivio  capitolare,  dessen 
Bestände  in  das  11.  Jahrh.  (1083)  zurückreichen.  Aber  das  Archiv 
besitzt  weder  eine  Bulle  noch  ein  Diplom  aus  dieser  Zeit;  die 
älteste  Papsturkunde  ist  von  Innocenz  IV.  Zahlreich  sind  dagegen 
die  Diplome  der  Anjou  und  Aragon.  Im  Archivio  della 
curia  arcivescovile  fangen  die  Pergamene  erst  mit  dem  17. 
Jahrh.  an,  aber  es  sind  hier  viele  Piatee  der  aufgehobenen  Klö- 
ster.   Darunter 

Rubrica  delle  carte  appartenenti  al  monastero  di  S,  Maria  ddla 
Giustizia   di  Taranto  che  si  conservano  nelVarchivio  del  mona- 
stero di  Monte  Oliveto  di  Napoli  1784  mit  Innocenz  III.  1199 
Xn  24;    Wühehn  m.   1194  VU  12.   und  Friedrich  H.    1200 
V  15. 
Die  Urkunden  des  Archivio  comunale  sind  jetzt  deponirt  im 
Provinzialarchiv  in  Lecce,  darunter  befindet  sich  als  älteste  Papst- 
urkunde  eine  von  Clemens  V.  von  1310  V  2.     Ueber   den   Libro 
rosso  vgl.  Regolamenti   contenuti  nel  Libro  rosso  del  1400  sulla 
Pesca  dei  Mari  di  Taranto   ed   istruzioni  del  Codronchi  del  1743, 
Taranto  1877.     Die  Biblioteca  comunale  besitzt  nur  2  Ma- 
nuscripte,  von  denen  das  eine  eine  Abschrift  der  Storia  di  Taranto 
von  Ä.  Merodio  ist.     Auch  das  Ufficio  del  registro  und  das 
Archivio  notarile   sollen   nur  jüngere   Materialien  besitzen. 
So  gelang  es   nicht,   die  von  Volpe  Vita  di  S.  Giovanni  de  Scal- 
zonis  und  danach   von  A.  Valente  Sante  Maria  della  Giusüsiai 


Papstarkonden  in  Apolien.  268 

Taranto  1897,  auch  in  der  Schrift  Ragioni  del  clero  metropolitano 
di  Taranto  super  iure  vitandi  nella  causa  di  appellatione  alla 
Sacra  congregazione  del  concilio,  Taranto  1882  citirte  Urkunde 

Clemens  lU.  1188  concessa  ai  padri  liasiliani  deJVisola  S.  Pietro 
in  Taranto  aufzufinden. 

Ueber  Castellaneta  vgl.  Mauro  Perrone  Storia  di  Castellaneta 
1898.  Dem  Bischof  Mons.  G.  de  Nittis  ist  Dr.  Schiaparelli 
verpflichtet,  da  er  ihm  den  Zutritt  zum  Archivio  della  curia 
vescovile  eröffnete.  Doch  hat  dies  Archiv  keine  Pergamene ; 
es  beginnt  mit  dem  Konzil  von  Trient.  Aeltere  Materialien  sind 
nur  im  Archivio  capitolare,  das  mit  1205  beginnt.  Indessen 
sind  die  ältesten  Papsturkunden  erst  aus  dem  16.  Jahrhundert. 
Das  Archivio  comunale  und  die  Biblioteca  del  Semi- 
nar io  besitzen  nichts  von  Bedeutung.  Aber  gewiß  hat  der  Sin- 
daco  Cav.  Mauro  Perrone  Documente  und  Manuscripte;  leider 
war  er  abwesend. 

Mottola,  durch  das  Concordat  von  1818  mit  Castellaneta  unirt, 
soll  noch  im  vorigen  Jahrhundert  alte  Urkunden  besessen  haben, 
die  ein  Brand  1799  zerstört  habe.  In  der  That  fehlen  im  Ar- 
chiviocapitolare  die  älteren,  noch  an  der  Numerirung  der 
erhaltenen  festzustellenden  Bestände  ganz ;  jetzt  beginnt  es  mit 
dem  17.  Jahrhundert.  Auch  das  Archivio  comunale  hebt 
erst  mit  1664  an.  ImUfficio  del  registro  fand  sich  nur 
eine  Platea  des  Kapitels  von  1690. 

Ueber  Montesoaglioso  vgl.  Conte  6.  Gattini  Severiana  sive  Ca- 
veosana  (Napoli  1886).  Auch  hier  hat  sich  nichts  Altes  gefunden; 
sowohl  das  Archivio  della  Collegiata  di  SS.  Pietro  e 
Paolo,  wie  das  Archivio  comunale  und  das  Archivio 
della  Congregazione  di  Caritä  wie  endlich  das  Ufficio 
del  registro  haben  nur  moderne  Akten.  Im  Kloster  der  Bene- 
dictinerinnen  verneinten  die  Nonnen  jeglichen  Urkundenbesitz. 

In  Altamura,  wo  Can.  Vincenzo  Chierico  Schiaparellis  Nach- 
forschungen unterstützte,  stellte  er  fest,  daß  das  Archivio  ca- 
pitolare  mit  1278  beginnt,  während  die  Urkunden  des  Archivio 
comunale,  jetzt  im  Museum  verwahrt  (etwa  60)  der  Periode 
der  Anjoa  angehören. 

Hier  fand  Dr.  Schiaparelli  die  weitgehendste  Unterstützung 
bei  dem  Erzbischof  Mons.  Diomede  Falconio,  dessen  Empfeh- 
lungen ihm  alle  Thüren  offheten.     Er  besnchte  sonachst  das  Ar- 


264  P.  Kehr, 

chivio  capitolare,  dessen  Pergamene  mit  2  Urkunden  des  14. 
Jahrhunderts  beginnen.  Doch  sind  hier  wichtige  Manuscripte. 
Darunter 

Liber  iste  continet  contraduum  fncUrimoniorum  singrafes  multarum 
annorum  a  tempore  quod  Donatus  Frisonius  fnü  archipresbüer 
huius  eivitcUis  Matere,  hie  annotatas  ae  constitutioncs  synodales 
capitula  ordinationes  et  midta  alia  speetantia  ad  ecdesiam  istam 
Materanam  descriptus  manu  propria  D.  Frisonii  nunc  decani 
predide  civitatis  de  anno  1565^  Ms.  chart.  mit 

fol.  191  Alexander  U.  1068  IV  13.  J-L.  4647. 

fol.  192  Paschal  IL  1106  VI  16.  J-L.  6088 '). 

fol.  193  Eugen  lU.  1151  IV  1.  J-L.  9470. 

foL  194  Alexander  IIL  1179  IX  7.  J-L.  13465. 
Summario  delle  scritture  si  portano  dalla  cittä  e  capitulo  di  Mar 
tera  per  la  controversia  tiene  con  la  chiesa  d^Acerenza  j}rinui  e 
depo  runione  in  den  Memorie  del  Can.  Giorgi  Onofrio  von  1638. 
Hierin  ein  Catalogus  presulum  qui  fuerunt  in  ecclesia  Ächerun- 
tina,  Ms.  saec.  XVIII 

foL  4'  Alexander  IL  1068  IV  13.  J-L.  4647. 

fol.  6   Paschal  U.  1106  VI  16.  J-L.  6088 1). 

fol.  8  Eugen  m.  1151  IV  1.  J-L.  9470. 

fol.  10  Alexander  UI.  1179  IX  7.  J-L.  13465. 

Das  Archivio  della  curia  arcivescovile  hat  nur  Papier- 
akten seit  dem  16.  Jahrhundert ,  das  Archiv  der  Collegiata 
di  S.  Pietro  e  Caveoso  Pergamene,  gleichfalls  seit  dem  16. 
Jahrhundert,  ebenso  die  kleinen  Pfarrarchive  von  SS.  Pietro 
e  Paolo  in  Barisano  und  von  S.  Giovanni.  Die  Pergamene 
des  Archivio  comunale  beginnen  mit  1477;  in  dem  Ms. 
Privüegia  nonnuUa  Matere  civitatis^  Cod.  chart.  s.  XVI  sind  die 
Abschriften  der  jetzt  im  Staatsarchiv  zu  Neapel  deponirten 
städtischen  Privüegien  vereinigt.  Biblioteca  delLiceo  und 
Ufficio  del  registro  sollen  nichts  haben.  Dagegen  be- 
sitzt der  Comm.  Ridola  ein  Ms.  Notizie  della  cittä  di  Matera  dclV 
arciprele  de  Blasiis^  Ms.  chart.  von  1646  mit  Noten  von  D.  Carmenio 
Copeti  1712,  in  dem  sich  übrigens  nicht  vollständige  Abschriften 
der  vier  Papstprivilegien  für  Acercnza  befinden.  Vgl.  auch  6. 
Grattini  Storia  di  Matera. 


1)  In  allen  diesen  Copien  aber  lautet  die  Datirung  wie  im  Cod.  XL  l  der 
Barberiniana  (Tgl.  v.  Pflugk-Harttuog  Itor  p.  207)  nämlich  Datum  Albe  .  .  .  XVI 
Icah  iuliiy  indidione  X,  incamationis  dominice  anno  1103,  pantificaius  auiem 
domini  Paschalia  IL  pape  IIL  Die  Quelle  des  Ughelli  haben  wir  weder  in  Ma- 
tera noch  in  Acereoxa  aufgefunden. 


Papstnrkanden  in  Apalien.  266 

Ganz  ohne  Ergebniß  verlief  der  Besuch  von  Oravina.  Aas- 
nahmsweise  stieß  hier  Dr.  Schiaparelli  aaf  einen  Greistlichen ,  der 
alle  Traditionen  der  gelehrten  Gastfreundschaft  der  Italiener  ver- 
leugpiete,  Can.  Michele  Varvara.  Doch  ist  der  Schaden  schwer- 
lich groß.  Weder  das  Archivio  della  curia  vescovile  noch 
das  Archivio  capitolare  werden  alte  Bestände  besitzen. 
Das  gleiche  gilt  vom  Archivio  comunale  und  von  dem  Uffi- 
cio  del  registro. 

Auch  Montepeloso  ergab  keine  Ausbeute.  Im  Archivio  ca- 
pitolare erwies  sich  als  die  älteste  Urkunde  eine  solche  von 
1288  und  das  Archivio  comunale  ist  ganz  modern. 

Zum  Schlüsse  handelte  es  sich  darum,  die  Eeste  des  alten 
und  reichen  Archivs  von  B  a  n  z  i  zu  suchen ,  von  dem  sich  nur 
Trümmer  in  Neapel  befinden.  Aber  weder  in  Oensano,  wo  Dr. 
Schiaparelli  sowohl  das  kleine,  mit  dem  17.  Jahrh.  einsetzende 
Archivio  capitolare,  wie  das  mit  1616  beginnende  Archivio 
comunale  besuchte,  noch  in  Baasi  selbst  fand  sich  irgend  eine 
Spur.  Dagegen  stieß  er  in  Palaxso  8.  Gervasio  wenigstens  auf  No- 
tizen. Das  dortige  Archivio  capitolare  ist  freilich  modern 
und  das  Archivio  comunale  ist  1824  verbrannt.  Aber  im 
Besitz  des  Sindaco  R.  d'Errico,  dessen  Ahnen  Administratoren 
von  Banzi  zur  Zeit  der  Aufhebung  des  Klosters  waren,  fand 
Schiaparelli  ein  Ms.  Per  Vaccantonamento  ddU  terre  di  Banei.  Ate» 
moria  del  minisiro  Zurlo  al  Be  von  1812.  Hier  wird  zunächst 
ein  Ms.  citirt  Memarie  di  Banzi  e  ddla  nuova  e  deWantica  chiesa^ 
raccolta  dai  rcv.  padre  Francesco  da  Cancellara  minore  riformato, 
aber  es  heißt  gleich  „Questo  libro  esistente  nell'archivio  di  Banzi 
h  porduto  con  tutte  le  altre  carte".  Doch  werden  in  der  Folge 
verschiedene  Papsturkunden  citirt 

p.  14  Alessandro  II.  ordino  nel  1062  ad  Orlando  arcivescovo 

di  Acerenza  ed  XJrsone  arcivescovo  di  Bari  ed  ad  Am« 

brosio    vescovo    di   Terracina    che    astringessero    gli 

usurpatori  a  restituire  tutto  Tusurpato. 
p.  16  Urbano  II.   diresse  nel  1090  un  breve  a  Rugiero  duca 

di  Puglia  ed   al   conte  Boemondo   suo   fratello  perchi 

facessero  cessare  ogni  violenza. 
p.  19  Urban  IL  J-L.  5488. 
p.  20  Paschal  U.  J-L.  5946. 
p.  21  Paschal  II.  1106.     Vi  ripete   la  medesima  indicazione 

de'casali,  ch^^  descritta  nel  privilegio  precedente  (J-L. 

5946)  e  la  esenzione  del  monastero  daUa  giurisdizione 

dell'ordinario. 


266  P.  Kehr, 

Die  Benediktiner  behaupteten  sich  in  Banzi  bis  1620,  wo  sie 
der  Conunendatar  -  Abt  dorch  Augustiner  ersetzte;  1660  kam  das 
Kloster  an  die  Minori  riformati. 

In  Venosa  fand  Dr.  Schiaparelli  freundliche  Aufnahme  beim 
Bischof  Mons.  Lorenz©  Antonelli.  Das  Archivio  capito- 
lare,  obwohl  ungeordnet,  erwies  sich  als  reich;  es  beginnt  schon 
mit  1106,  aber  es  hat  weder  Bullen  noch  Diplome.  Unbedeutend 
und.  jung  ist  das  Archivio  della  cancellaria  vescovile, 
modern  das  Archivio  comunale.  Auch  in  den  Klöstern  di 
S.  Benedetto  und  di  S.  Maria  La  Scala,  wie  im  Ufficio 
del  registro  soll  sich  nichts  Altes  mehr  befinden.  Vgl.  Teo- 
doro  di  Ciesco  Catalogo  dei  vescovi  della  Venosina  diocesi  con 
brevi  notizie  intorno  a  Yenosa  e  le  sue  chiese  (Siena  1894)  und 
Giuseppe  Crudo  Venosa  e  i  suoi  vescovi  (Salerno  1894). 

In  Lavello,  seit  1818  mit  Venosa  vereinigt,  ist  das  Archivio 
capitolare  noch  ungeordnet;  es  beginnt  mit  1216;  das  Archi- 
vio comunale  ist  ganz  modern. 

In  Ascoli  -  Satriano  schloß  Dr.  Schiaparelli  seine  archivalischen 
Forschungen  in  Apulien  ab.  Er  fand  hier  im  Archivio  capito- 
lare nichts  Altes  mehr;  es  ist  1666  verbrannt.  Ebenso  besitzt  das 
Archivio  della  cancellaria  vescovile  nur  moderne  Akten. 
Desgleichen  das  Archivio  comunale  und  das  des  Convento 
dei  Minori  riformati,  das  Ufficio  del  registro  und  die 
Biblioteca  comunale.  Dagegen  besitzt  Herr  Dr.  Fasquale 
Rosario  eine  Sammlung  von  Documenten  und  Hss.,  darunter  ein 
Ms.  des  Arciprete  Giovine,  Memorie  storiche  di  Ascoli,  Ms.  chart. 
saec.  XVIII,  in  dem  A  f.  23'  ein  von  Karl  I.  1280  bestätigtes 
Diplom  Friedrichs  II.  von  1226  citirt  wird. 


Nicolaus  IL  verleiht  der  Kirche  der  hh.  Peter  und  Paul  in  Ru- 
iüiano  Freiheit  und  bestätigt  ihr  die  Verfügung  des  Rodelgrim  für  den 
Abt  Melis. 

Melß  1059  August  24. 

Orig.  Bari  Archivio  di  S.  Nicola  Nr.  35. 

Das  Siegel   ist  abgefallen  und  wird   besonders  außewahrt. 
Die  Schrift  {Minuskel)  kenne  ich  sonst  nicfd.    BV  und  Komma 


Papstorkandeii  in  Apnlien.  267 

in  der  unter  Stephan  IX.  üblichen  Form.  In  der  Rata  vielleicht 
XPC  VINC  von  der  Hand  des  Papstes.  Datierung  von  Humbert. 
Nach  dieser  Bulle  ist  die  Cod.  dipL  Bar.  I.  41  Nr.  21  aus 
angeblichem  Original  gedruckte  Urkunde  Nicolaus  IL  für  die  Kirche 
Sother  in  Bari  vom  gleichen  Tage  {Arch.  capitolare  in  Bari) 
gefälscht  worden. 

NICnOLAVS  EPISCOPVS  SERVVS  SERVORVM  DEI.  |  Omnibus 
Christi  fidelibus  perpetuam  salutem.  Cum  officii'^  apostolatns 

nostri  sit  omnium  ecclesiarum  dei  |  utilitatibus  generaliter^^  inui- 
gilare,  religiosis  tarnen  ac  piis  locis  propensiorem  curam  assidu^  | 
sollicitudinis  debemus  adhibere.  Qaapropter  ecclesiam  sanctomm 
principum  apostolorum  Petri  et  Pauli  |  in  loco  Rutiliano  a  quibus- 
dam  religiosis  uiris  constructam  liberam  esse  uolentes  ac  per  huius 
nostri  |  edicti  paginam  eandem  libertatem  et  Rodelgrimi  filii  quon- 
dam  Dabgy  Cnpersanensis  ordinationem  |  et  constitutionem  nee  non 
et  sigillorum  Grecorum  concessionem ,  seeundum  quod  in  scriptis 
eorum  legitur,  confirmantes  |  apostolica  auetoritate  sancimus,  ut 
sit  ipsa  predicta  ecclesia  libera  quieta  et  secura  cum  suis  perti- 
nentiis  |  et  rebus,  quas  nunc  habent  aut  deinceps  quocumque  modo 
diuinis  et  humanis  legibus  cognito  in  proprium  |  acquirent  in  om- 
nibus  ubique  territoriis  ac  locis.  Statuimus  preterea  per  iustici^ 
rectitudinem  et  nostr^  auctoritatis  |  constitutionem ,  ut  iam  dicti 
Kodelgrimi  ordinatio  iirma  et  stabilis  perpetnaliter  maneat  nee 
aliquis  parentum  illius  uel  |  h^redum  aut  aliqnis  presbiterorum 
monachorum  dericorumue  uel  qu^libet  alia  magna  paruaque  cuius- 
cumque  ordinis  aut  dignijtatis  persona  temerario  ausu  corrumpere 
presumant,  quam  abbati  Meli  iecit.  Quicumque  uero  illius  et  huius  | 
'nostri  edicti  constitutionem  int'ringere  presumpserit,  nisi  resipiscens 
condigne  satisfecerit,  perpetui  anathematis  \  uinculo  se  innodandum 
cum  diabolo  nouerit,  tam  ille  qui  hoc  temptauerit,  quam  et  illi  qui 
ei  consensum  et  adiuto,rium  prebuerint.  Qui  autem  eztiterit  con- 
seruator  et  custos,  apostolica  benedictione  repleatur  et  ^tem^  h^re- 
ditatis  particeps  esse  mereatur. 

E.  BV.  ♦ 

Datum  Melfit^  VIUI.  kal.  8EPTEMBRIS  anno  domini  nostri 
lesu  Christi  M.  L  Villi,  per  manus  Humberti  sanct^  ecclesi^  Silu^ 
candidf  episcopi  et  apostolica  sedis  bibliothecarii,  anno  primo  pon- 
tificatus  domni  pap^  NIÜUOLAI  secundi,  indictione  Xll"*. 

B. 


a)  corr.  aus  officium.  b)  g  corr.  auu  e. 


268  P.  Kehr, 

2. 

Gregor  VII,  benachrichtigt  den  Grafen  und  die  Kleriker  von  Oria 
von  der  Ernennung  des  Erwählten  Gregor  zum  Bischof. 

Copie  saec.  XVIII  im  Codex  dipL  ecclesiae  Brundusinae  foL9^{A).^ 
Ortensio  de  Leo  Brundisinorum  pontificum  monumenta  von  1754  (JB); 
Copie  des  18.  Jahrh.  im  Codex  dipl.  Brundusinus  vol.  IV  (0),  alle 
in  der  BüHioteca  de  Leo  eu  Britidisi. 

Cit.  von  Gasparo  Papatodero  Bella  fortuna  di  Oria,   Diss.  I 
p.  379  aus  dem  Archivio  capitolare. 

Grregorius  episcopus  seruas  seraorum  dei.  Nobili  comiti  et 
clericis  Oritanis  cunctisque  Oritane  ecciesi;  salutem  et  apostolicam 
benedictionem.  Nouerit^)   dilectio    uestra   electum  Gregoriam, 

quem  ad  apostolicam  sedem  misistis^^  a  nobis  esse  per  dona  sancti 
Spiritus  consecratam,  uestr;  saluti  largiente  domino,  sicut  speramus, 
admodum  profuturam.  Ac  nos  quidem  Uli  quod  nostram  est,  diuina 
gratia  fauente^^,  perficimus.  De  cetero  uolamas  ipsum  deuotioni  aestr^ 
ex  nobis  et  paatorem  bonum  et  utilem  esse  commendatum.  Qua- 
propter  monemus  et  apostolica  auctoritate  pr^cipimus  nobis,  nt  ei^ 
condigna  renerentia  debitaque  obedientia,  sicut  ecclesi;  decet')  filios, 
exbibere^)  studeatis. 


a)  Noveritis  B,  h)  insistit  AB\  iassistis  C.  c)  largiente  C. 

d)  et.  e)  licet.  f)  exhiberi  AB. 


3. 

Paschalll.  bestätigt  dem Ersbischof  Nicolaus  von  Brindisi  nament- 
lich den  BesifjB  der  Städte  Brindisi,  Oria^  Ostuni,  Mesagne  und  den 
von  dem  Grafen  Goffrcd  und  seiner  Gemalin  Sikelgaüa  geschenkten 
Grafenzehnten  aus  der  Stadt  und  dem  Hafen  von  Brindisi. 

Lateran  1101  Märe  23. 

Copie  von  1565  im  Codex  dipl.  Brundusinus  Brindisi  Archivio 
capitolare  {A).  —  Copie  des  18.  Jahrh.  im  Codex  dipl.  Brundusinus 
voL  IV  ex  ms.  vol.  Uritan.   Brindisi  Biblioteca  de  Leo  (JB). 

Pascbalis^)  episcopus  semns  semorum  dei.  Dilecto  fratri 
Nicoiao  Bmndusino  antistiti  eiusque  snccessoribus  canonice  substi- 
tnendis  in  perpetuum.  Sicut  ininsta  poscentibus  nuUus   est 

tribnendus  effectus,  sie  legitima  desiderantium  non  est  difFerenda  ^^ 


a)  PASCALI8  A  b)  differanda  AB. 


Papsturkanden  in  Apolien.  269 

petitio.  Tais  igitur,  in  Christo  frater  charissime,  pr^cibus  annuen- 
tes,  ad  perpetuam  sanct^  Brundusin^  ecclesi^  pacem  ac  stabilitatem 
presentis  decreti  aactoritate^^  sancimus,  nt  ipsam  Brandusii  ciuita- 
tem,  Oriam,  Hostunem,  Miianium  et  cetera  oppida  et  uillas,  qu^  pre- 
decessores  tui  qaondam  tenoisse  noscuntiir,  tarn  tu  quam  sacces- 
sores  tai  episcopali  dcinceps  iure  disponere  ac  possidere  in  per- 
petuam debeatis.  Confirmamns  pr^terea  tibi  tuisque  successoribns 
et  sanetQ  Brundasin^  ecclesi§  decimam  reddituum  omnium,  quos  ex 
ciaitate  uel  ciuitatis  portu  Brundusinus  comes  accipit,  sicut  nobilis 
memoria  Groffredus  comes  ona  cum  uxore  sua  Siclegaita'')  super 
altare  beati  Leutii  per  euangelium  obtulit  et  scripto  firmauit,  asti- 
pulantibus  et  similiter  per  euangelium  post  mortem  patris  oiFe- 
rentibus  eins  filiis  Roberto  nunc  comite,  Alexandro  et  Tancredo'. 
Cetera  etiam  qu^  in  eodem  oblationis  cyrographo  supradicti  uiri 
Brondusin^  ecclesi^  iuste  ac  legaliter  statuerunt,  firma  in  perpe- 
tunm  mauere  sanecimus.  Ipsam^^  sane  Brundusinam  ecdesiam  cum 
uniuersis  appenditiis  suis,  clericos  et  dericorum  res  libertati  per- 
petuQ  manere  decreuimus,  statuentes  ut  nuUi  omnino  hominum 
liceat  eandem  ecdesiam  temere  perturbare  uel  eins  possessiones 
auferre  minuere  uel  temerariis  uexationibus  fatigare.  Qu^cunque 
antem  bona  iuste  hodie  possidet  siue  in  futurum  iuste  atque  cano- 
nice  poterit  adipisci,  firma  tibi  tuisque  successoribus  et  illibata 
permaneant.  Si  qua  igitur  ecclesiastica  secularisue  persona  baue 
nostr^  constitutionis  paginam  sciens  contra  eam  temere  uenire 
tentauerit,  secundo  tertioue  commonita,  si  non  satisfatione  con- 
grua  emendauerit,  potestatis  honorisque  sui^^  dignitate  careat 
reamque*)  se  diuino  iuditio  existere*)  de  perpetrata  iniquitate 
cognoscat  et  a  sacratissimo  corpore  ac  sanguine  dei  et  domini  re- 
demptoris  nostri  lesu  Christi  aliena  fiat  atque  in  extreme  examine 
districte  ultioni  subiaceat.  Cunctis  autem  eidem  loco  iura*)  ser- 
uantibus  sit'^  pax  domini  nostri  lesu  Christi,  quatenus  et  hie  fruc- 
tum  bone  actionis  percipiant  et  apud  districtum  iudicem  pr^mia 
aeterne  pacis  inueniant.    Amen. 

-j-M)  Ego  Paschalis  **)  episcopus  catholic$  ecclesi^. 

Datum  Laterani^)  per  manum  lohannis  sanct^  Romane  ecclesi^ 
cardinalis,  X.  kal.  april.,  indictione  IX,  incarnationis  dominic^  anno 
M*.C^  primo,  pontificatus  autem  domini ^^  Paschalis "^  secundi  papell*. 

c)  sUbiliUte  AB,           d)  Sielegarta  Ä,  t)  Tanchredo  B,          f)  ipsa- 

rom  AB,       g)  saa  AB.       h)  reamqoe  AB,  t)  existimet  AB,       k)  nostra  AB. 

l)  nt  fehlt  in  AB.  m)  wcM  statt  der  Rota.  n)  PaMalis  A.  o)  Latera- 
nis  A.         p)  donni  AB. 

IffLOti.  4.  Wi«.    VMkriaMt«.  PUlolH^^Uitor.  Smm.  1896.  H«At.  19 


270  P.  Kehr, 


4. 


Paschal  II.  bestätigt  dem  Erebiscliof  Wilhelm  von  Brindisi 
namentlich  den  Besits  der  Städte  Brindisi,  Oria,  Ostuni  und  Mesagne 
und  den  von  dem  Grafen  Goffred  und  seiner  Gemalin  Sikelgaita  ge- 
schenkten  Grafenzehnten  aus  der  Stadt  und  dem  Hafen  von  Brindisi 
und  verleiht  ihm  das  Pallium. 

Lateran  1105  Ohtober  18. 

Copie  von  1565  im  Codex  dipl.  Brundusinus  Brindisi  Archivio 
capitolare  (Ä).  —  Copie  des  18.  Jahrhunderts  im  Codex  dipl.  Brun- 
dusinus vol.  IV  ex  ms.  vol.  Urifan.    Brindisi  Bibl.  de  Leo.    (J5). 

Die  Urkunde  wiederholt  zunächst  das  altere  Privileg  Pascluüis 
von .  UOl  März  23  {s.  Nr.  3)  und  schließt  dann  neu  die  Pallium" 
Verleihung  an. 

Paschalis  ^)  episcopus  'seruas  seruorum  dei.  Dilecto  fratri 
Guilelmo  Brnndusino  antistiti  eiusque  saccessoribas  canonice  substi- 
tnendis  in  perpetnum.  Offitii  nostri  nos  hortatur  auctoritas  pro 

ecclesiamm  statu  soUicitos  esse  et  qu^  recte  statuta  sunt  stabilire. 
Tuis  igitur,  frater  in  Christo  charissime,  precibus  annuentes,  ad 
perpetuam  sancte  Brundusine  ecclesi^  pacem  ac  stabiUtatem  pre- 
senti  auctoritate  sanccimus,  ut  ipsam  Brundusii  ciuitatem,  Oriam, 
Hostunem,  Miianiam^^  et  caetera  oppida  et  uillas,  qu^  predecesso- 
res  tui  quondam  tenuisse  noscuntur,  tarn  tu  quam  successores  tui 
episcopali  deinceps  iure  disponere  ac  possidere  in  perpetuum  de- 
beatis.  Confirmamus  pr^terea  tibi  tuisque  successoribus  et  sanct^ 
Brundusine  ecclesi^  decimam  reddituum  omnium,  quos  ex  ciuitate 
uel  ciuitatis  portu  Brundusinus  comes  accipit,  sicut  nobilis  memorie 
GrofPredus^^  comes  una  cum  uxore  sua  Siclegaita^  super  altare 
beati  Leutii  per  euangelium  obtulit  et  scripto  firmauit,  astipu- 
lantibus  et  similiter  per  euangelium  post  mortem  patris  ofPeren- 
tibns  eins  filiis  Roberto  nunc  comite,  Alexandre  et  Tancredo*>. 
Caetera  etiam  quQ  in  eodem  oblationis  cyrographo  supradicti  uiri 
Brundusine  ecclesi^  iuste  ac  legaliter  statuerunt,  firma  in  perpe- 
tuum mauere  sanccimus.  Ipsam  sane  Bundusinam  ecclesiam  cum 
uniuersis  appenditiis  suis,  clericos  et  clericorum  res  libertati  per- 
spetue  mauere  decreuimus,  statuentes  ut  nuUi  omnino  bominum 
liceat  eandem  ecclesiam  temere  perturbare  uel  eins  possessiones 
auferre  minuere  uel  temerariis  uexationibus  fatigare.     QuQCunque 


a)  PA8CALIS  A.       b)  Meianeam  B.       c)  Goffridos  B.       d)  SielegarU  iL 
e)  Tanchredo  B. 


Papstarknnden  in  Apnlien.  271 

aatem  bona  iaste  liodie  possidet  siue  in  fiiturum  iuste  atque  cano- 
nice  poterit  adipisci,  firma  tibi  tuisque  successoribus  et  illibata 
permaneant.  Pallii  etiam  dignitatem  ex  antiqno  ecclesi^  tue  more 
fraternitati  tu^  ex  apostolic^  sedis  liberalitate  concedimas,  cuias  tibi 
nsum  ad  sola  missarum  sollemnia  intra  ecclesiam  licere-^  cognouerid, 
diebus  tantum'^  illis  qu^*)  inferius  annotantur,  id  est  natiuitate  do- 
mini,  epiphania,  annuntiatione  domini,  cena  domini,  pascha,  ascen- 
sione,  pentecoste,  tribus  festis  sanct^  Mari$,  saneti  lohannis 
baptist^,  natalitiis  apostolornm,  soUemnitate  saneti  Leutii,  comme- 
moratione  omniam  sanctorum ,  consecrationibus  eccicsiarum  et 
annno  consecrationis  tu$  die.  Caius  nimirum  pallii  uolumiis  te 
per  omnia  genium  uendicare.  Hnius  siquidem  indumenti  honor  hu- 
militas  atque  iustitia  est :  tota  ergo  mente  fraternitas  uestra  se 
exhibere  festinet '^  in  prosperis  Iiumilem,  in  adversis,  si  quando 
aeniunt,  cum  iustitia  erectam,  anDicam  bonis,  peruersis  contrariam ; 
nullius  unquam  faciem  contra  ueritatem  suseipiens,  nullius  nnquara 
faciem  pro  ueritate  loqnentem  premens,  misericordiQ  operibus  iuxta 
uirtutem  substantif  insistens  et  tarnen  insistere  etiam  supra  uir- 
tutem  cupiens,  infirmis  compatiens,  beneualentibus  congandens, 
aliena  dampna  propria  deputans,  de  alienis  gaudiis  tanquam  de 
propriis  exultans ,  in  corrigendis  uitiis  pie  seuiens ,  in  fouendis 
uirtutibus  auditorum  animum  demulcens,  in  ira^^  iuditium,  sine 
ira  tenens,  in  tranquillitate  autem  seueritatis  iuste  censuram  non 
deserens.  Hqc  est,  f rater  carissime,  pallii  accepti  dignitas,  quam, 
si  sollicite  seruaueris,  quod  foris  accepisse  ostenderis,  intus  ha- 
bebis.  Fratemitatem  tuam  superna  dignatio  per  tempora  longa 
conseruet  incolumem. 

f ''  Ego  Paschalis  *")  catholicf  ecclesi^  episcopus. 
Datum  Laterani  per  manum  lohannis  sancte  Romano  ecclesi^  dia- 
coni  eardinalis,  XY.  kal  nouembris,  indictione  XIII,  anno  dominice 
incamationis  W.C.Y^j   pontificatus  quoque  domini">   Paschalis'") 
secundi  pape  anno  YP. 


f)  licite  A^  corr.  aus  licet  cognonisse.       g)  tantam  feMt  in  B,       h)  qni  B, 
%)  festinai  B.  k)  intra  A.  l)  wM  staU  der  Bota.  m)  Pascalis  A. 

n)  donni  AB. 

Paschal  IL  ermahnt  die  Königin  Konstanee,  mit  Klerus  und  Vcih 
van  Oria  dem  Bischof  vm  Brindisi  die  schuldige  Obedienz  eu  leisten. 

Im  Porticus  von  S.  Peter  {1110)  Aftil  29. 

19  ♦ 


272  P*  Kehr, 

Copie  van  1565  im   Cod.   dipl.  Brundusintis  Brindisi  Archivio 
capitdare. 

Das  Jahr  ergibt  sich  aus  der  Ortsangabe  (vgl.  J-L.  6267 — 
6273). 

Fasealis   episcopns   seruus   seruorum   dei.     Constantiae   regis 
Franchorum  fili^  salutem  et  apostolieam  benedictionem.  Quia 

in  pastoris  absentia  tarn  spiritualium  quam  temporalinm  gregum 
ones  facilius  deperire  solent :  idcireo  diligeotius  satagendum  est, 
ne  pastoris  solatio  ecclesia  Oritana,  que  qaomndam  insolentia  tanti 
temporis  spatio  peeeatis  exigentibns  regimen  animamm  ammisit, 
deineeps  careat.  Eapropter  dilectioni  tu^  sicnt  dilect§  fili^  spiri- 
tuali  mandamus  atqae  precipimus,  quatenus,  si  nos  diligis  et  beati 
Petri  gratiam  habere  desideras,  ulterius  a  Brundusina  eeclesia 
nullatenus  Oritana  separetur,  sed  Brundusino  episcopo,  eui  enram 
utrinsque  ecclesi§  dudum  commeDdauimus,  subieiator  atqne  tarn  a 
te  qaam  ab  incolis  loci  illius  sicut  pastor  honorifice  snscipiatur 
eique  debita  obedientia  inpendatur.  Nam  inter  eas  nullum  debet 
esse  diuortium ;  alioquin  noaeris  te  cum  clero  et  einsdem  ecclesi^ 
plebe  communione  priuari,  quia  sententia  quam  prefatns  episcopus 
uobis  intolerit,  nostro  fanore  firma  et  rata  erit.  Data  in  por- 

tieu  beati  Petri  III.  kal.  maii. 


6. 

Paschal  IL   ermahnt  den  Klerus  und  das  Volk  von  Oria^   dmn 
neuen  Bischof  von  Brindisi  die  schuldige  Obediene  eu  leisten. 

Lateran  (1100—16)  Januar  7. 

Copie  von  1565  im  Cod.  dipl.  Brundusinus    Brindisi  Archivio 
capitolare. 

Das  Mandat  gehört  wohl  entweder  ssu  1101  oder  eu  1105. 

Pascalis   episcopus   seruus    seruorum    dei.      Clero    et   populo 
Oritano  salutem  et  apostolieam^)  benedictionem.  Scriptum  ha- 

bemus,  quod  non  decet  a  capite  membra  discedere.  Iccirco  neque 
nos  ab  antecessoris  nostri  institutis  neque  uos  ab  apostolice  sedis 
preceptis  expedit  deuiare.  Idem  nempe  sanct^  memoria  in  Christo 
pr^decessor  noster  XJr(banus)  quantum  sategerit  nostis,  ut  antiquum 
cathedra  locum  Brundusii  ecclesia  uestra  reciperet^),  nos  prestante 
domino  ad  eandem  cathedram  cardinalem  episcopum  conseorauimus. 


a)  ApAstolicam.  ()  redpieret. 


PapstorkondeD  in  Apnlien.  273 

Rogamus  ergo  dilectionem  uestram  ut  eum  ^^  debita  obedientia  aus- 
cipiatis  nee  nllam  unitatis  ecclesi^  scissuram  faciatis,  quin  immo 
uigilanter  agite,  ut  tarn  per  Brandusiam  quam  per  Oritanum  muni- 
cipiam  honore  debito  nestra  ecclesia  potiatar.  Dat.  Laterani^  VU. 
id.  ianuarii. 


c)  com.  d)  Lateranen. 


7. 

Calixt  IL  verleiht  dem  Erzbischof  Hubald  von  Trani  das  Pallium, 

Troia  1120  November  13. 

Copie  saec.  XVIII  in  vol.  II  der  Zibaldoni  Manfredi  bei  Comm. 
Vinceneo  Vischi  in  Trani. 

Die  Urkunde  stimmt  bis  auf  gane  unbedeutende  Varianten 
wörtlich  überein  mit  der  am  6.  November  1120  gleichfalls  eu  Troia 
ausgestellten  Palliumverleihung  Calixts  IL  für  den  Erebischof  lii- 
santius  von  Trani  {J-L.  6866).  Aber  statt  Grisogonus  datirt  hier 
{eum  ersten  Mal)  Aimerich. 

Dignitatem  ecciesiastieis  {statt  ecclesiis  uel). 

Datum  Troi§  per  manos  Aimerici  S.  R.  £.  diaconi  cardinalis  et 
cancellarii,  idibus  nonembris,  indictione  XIV,  inearnationis  dominice 
anno  MCXXI,  pontificatus  uero  domini  Calisti  secnndi  anno  secondo. 


8. 

Calixt  II.  benachrichtigt  die  Gräfin  Sikelgaita  von  Britidisi  und 
den  Edlen  Tancred  von  Conversano  von  der  Ernennung  des  Cardinais 
Bailard  sum  Erzbischof  von  Brindisi. 

Benevent  {1122)  Februar  22. 

Copie  von  1565  im  Cod.  dipl.  Brundusinus  Brindisi  Archivio  ca- 

pitolare  {A).   —    Copie  saec.  XVIII  im  Cod.  dipl.  eccL  Brundusinae 

fol.  11*  ex  cod.  Uritan.  Bemardini  Militi^  Brindisi  Biblioteea  de  Leo 

(B).  —  Copie  saec.  XVIII  im  Cod.  dipl.  Brundusin.  vol.  IV ebenda  (C). 

Vgl.  J'L.  6952. 

Calistus  episcopns  seruus  semorum  dei.  Dilect^  in  Christo  fiÜQ 
Siclegaite  ""^  Brundusin^  comitiss^  et  filio  eiua  Tancredo*>  Cupersa- 


a)  Siglegaitf  BC,  h)  Tanchredo  BC. 


274  P-  Kehr, 

nensi  nobili  et  illustri  uiro  salutem  et  apostolicam  benedictionem. 
Fetitionum  uestrarnm  dos  instantia  ^^  exorati,  carissimum  filium 
noätram  Baialardum^Miaconum  cardinalem  ecclesi^  firundusin^  con- 
cessimus  [et]  in  archiepiscopum  nostris  per  dei  gratiam  manibus 
consecrauimus.  Uestram  itaque  benignitatem  rogamus,  ut  eum 
deineeps  tamquam  spiritualem  patrem  uestrum  afPectione'^  debita 
diligatis,  honore  ac  reuerentia  ueneremini.  Deeimas  etiam  et  alias 
episcopales  iustitias  de  Brnndusio,  Nerito  et  ei  cum  adiacentibus 
uillis  su^  parrochie  persolui  ei  quod  ex  iiobis  est  integrum  faciatis. 
Monemus  insuper,  ne  uobis  displiceat  quod  nos  eidem  fratri  iniun- 
ximus-^  episcopalia  in  Oritana^^  ecclesia  celebrare:  tanto  siquidem 
Brundusin^  ecclesi^  dignitas  maior  habetur,  quanto  plures  ei  ec- 
clesiQ  adiunguntur.  Preterea  in  peccatorum  uestrorum  remissionem 
uobis  mandamus,  ut  pro  dei  amore  et  defunetorum  carorum  uestro- 
rum remedio  nullum  hereditatem  suam  uel  possessionem  Brundu- 
sine^  ecclesi^  eonferre  cupientem  impedire  uelitis,  quatenus  ad  dei 
laudem  et  honoris  uestri  augmentum*>  Brundusina  per  uos  ecclesia 
sublimetur.    Dat.  Beneuenti  VIII.*^  kal.  martii. 


c)  istantia.  d)  Bailardum  BC,  e)  effectione  Ä,         f)  inioximas  A. 

g)  Uritana  BC,  h)  augamentum  A.  i)  VII  C 


9. 

Anaclet  IL  nimmt  das  von  dem  Baron  Accard  erbaute  Kloster 
S.  Johannes  in  Lecce  unter  der  Aebtissin  Agnes  in  den  apostolischeth 
Schutz^  unterstellt  es  unmittelbar  dem  römischen  Stuhl ^  bestätigt  ihm 
den  Besitz  und  verleiht  ihm  das  Recht ,  einen  Bischof  für  die  Uscliöf- 
liehen  Leistungen  zu  xcalden^  das  Wahlrecht  und  das  Begräbnisrecht. 

Oria  1134  December  7. 

Copie  saec.  XII  im  Besitz  des  Herrn  De  Simone  in  der  Villa 
Sant'Antonio  bei  Amesano  {A).  —  Copie  von  1691  in  der  Tlatea  des 
Klosters  S.  Giovanni  di  Lecce  f.  3  Lecce  Archivio  dei  monastero  di  s. 
Giovanni  Evangelista  (B). 

Die  ältere  Copie  hat  zugleich  als  Konzept  gedient  für  die  Ur- 
kunde Alexanders  II L  von  1178  VI  15  {Nr.  21),  indem  die  dazu 
nothwendigen  Korrekturen  über  die  Zeile  geschrieben,  das  Auszu^ 
lassende  oder  zu  Verändernde  unterstrichen  wurde.  Die  orthogra-^ 
phischen  Beso^vderheiten  der  Copien  sind  stillschweigend  verändert. 


Papsturkonden  in  Apolien.  276 

f  ">  Anacletna^^  episcopus  seruus  seruorum  dei.  Dilecte  in 
Christo  filie  Agneti^^  abbatisse  monasterii  sancti  lohannis  quod 
intra  ciuitatem  Liciensem  situm  est  et  ceteris  in  eiasdem  cenobii 
regimine  regulariter  substitnendis  in  perpetaum.  Pie  postulatio 

uoluntatis  eflPectu  debet  prosequen[te]'')  compleri,  quatenus  et*>  de- 
nocionis  sinceritas  laudabiliter  enitescat  et  utilitas  postulata  uires 
indubi tanter  assumat.  Eapropter,  dilecta  in  Christo  filia  Agnes -^ 
abbatissa  monasterii  sancti  lohannis  quod  sitnm  est  intra  ciuita- 
tem Lyppiensem^^  preccs  tuas  clemencius  admittentes  ^),  prephatum 
monasterium  quod  frater*^  tuus  Accardus  nobilissimus  baro  a  fun- 
damento  edificauit  et  tecnm  pariter  per  manas  nostras*)  beato 
Petro  optalit,  in  proprietatem  et'^  tutelam  sedis  apostolice  susci- 
pimns  et  ab  omninm  hominum  infestacione  atque  molestia  liberum 
fore  sancimus  et  tarn  tu*"^  quam  et**^  que  tibi  in  eiusdem  cenobii 
regimine  successerint,  nuUi  umquam  nisi  Romano  pontifici  respon- 
dere  debeatis.  Confirmamus  eciam  tibi  et  per  te  eidem  monasterio 
in  perpetaum  omnes  possessiones  omniaque  bona,  que  hae  presenti 
XIII  ^^  indictione  possidetis  uel  que  in  futurum  concessione  ponti- 
ficum,  liberalitate  prineipum,  oblacione  fidelium  iuste  poterit  adi- 
pisci.  Crisma,  oleum  sanctum,  consecraciones  altarium  seu  eccle- 
siamm,  benedictiones  clericorum  sine  monialium  a  diocesano  epi* 
scopo  accipiatis  '^ ,  si  gratis  et  absque  uUa  ^)  prauitate  dare  uolue- 
rit,  alioquin  liceat  uobis  quem  malueritis  ndire  pontißcem  et  ab 
eo  consecracionum  sacramenta  percipere,  qui  nostra  fultus  auctori- 
täte  que  postulatur  indulgeat.  Obeunte  autem  te  nunc*^)  eins  loci 
abbatissa  uel  illarum  qnalibef  que  in  eiusdem  cenobii  regimine 
tibi  ^  successerint,  nulla  ibi  qualibct  surreptionis  **)  astucia  seu  uio- 
lencia  preponatur*^  ,  nisi  quam*^'  sorores  communi  consensu  uel 
sororum  pars  consilii  sanioris')  secundum^^  dei  timorem  et  beati 
Benedicti  regulam  elegerint,  a  Romano  tantum  pontifice  conse- 
cranda'^    uel    cui    ipse    iniunxerit.      Decemimus   igitur,">  ut  nuUi 


a)  Das  Kreug  fehlt  in  B,  h)  In  A  durch  Unterstreichung  getilgt, 

e)  Darüber  in  A  Emme.  d)  persequenter  B,  e)  etiam  B.  f)  Darüber 
in  A  Emma.  g)  LapienBem  B.  h)  admittens  A^  tro  zugleich  der  neue  Text 
Alexanders  III.  übergeschrieben  uurde  =  intuita  et  consideratione  illustris  oiri 
comitis  Tancredi  Licii.  t)  in  B  corr.  aus  pater;  in  A  ist  übergeschrieben 

pater  bona  memorie.  h)  in  A  ist  übergeschrieben  simul  cum  Agnete  abbatissa 
iorore  ipsins  Aicardi  quo  te  precessit.  Q  ac  B.  m)  te  B.  n)  et 

fehlt  in  B.  o)  in  A  ist  übergeschrieben  XI.  p)  accipietis  B.  q)  uUa  fehlt 
in  A.  r)  ac  B,  s)  qo^libet  B.  t)  tibi  fehlt  in  B.  u)  sarrectionis  A, 
v)  propooatur  B,,         tc)  neque  B.  x)  longioris  B,  y)  seqoendo  B. 

s)  coosequanda  B.  a)  et  B. 


276  P-  Kehr, 

omnino  hominam  liceat  idem  cenobium  temere  perturbare  aut  eius 
possessiones   auferre  uel  ablatas   retinere  minaere  seu  temerariis 
uexacionibus  fatigare,  sed  omnia  integra  *^  conseruentur,  earum  pro 
quarum  sustentacione  ac  gubernacione   concessa  sunt  usibus  omni- 
modis*^^  profutura.    Ad  indicium  uero''^   facte   hnius  traditionis  et 
percepte  libertatis  singulis  annis  Lateranensi  palacio  dimidiam  auri 
unciam  persolnetis.     Sepulturam   quoque  eiusdem  loci  liberam  esse 
censemus,   ut  si  quis  illic')  sepeliri  deliberaaerit,   nullus  eius  peti- 
cioni   et   extreme   uolantati    contradicere   audeat.    Si  quis  ergo  in 
crastinum  huic  nostre  eonstitucioni  sciens-^  contraire^^  presumpserit, 
nisi*^  post  trinam  commonicionem  congrue  satisfecerit ,    a  sacratis- 
simo  corpore   ac   sanguine    dei   ac  domini   redemptoris  nostri  lesu 
Christi  alienus  fiat  atque  in  extreme  examine  districte  ultioni  sub- 
iaceat.     Cunctis    sane  hec  iusta  seruantibus  sit  pax  domini  nostri 
lesu  Christi,   quatenus  et  hic*^  fructum  bone  actionis  percipiant  et 
apud  districtum  iudicem  premia  eteme  pacis  inueniant.    Amen. 
Ego  Anacletus  catholicQ  ecclesi^  episcopus*^ 
jf^  Ego  Johannes  Prenestine  ecclesie  episcopus  ss.'^ 
f'>  Ego  Johannes*"^  episcopus  Portuensis  ss.*) 
f  *>  Ego  Gregorius"^  cardinalis  diaconus  sancti  Eustasii*^^  ss.*^ 
f  *)  Ego  Pandulfus^^  diaconus    cardinalis   sanctorum   Cosme   et 

Bamiani  ss.^ 

Datum  apud  Oriam«^  per  manum  Mathei  presbiteri  cardinalis  et 
cancellarii,  VU  idus  decemb.,  indictione  XITT**^^ ,  incarnacionis  do- 
minice  anno  MÖXXXIUI'^  pontificatus  autem  domini  nostri  Ana- 
cleti  secundi  pape'^  anno  V^.*^ 


h)  integre  B,  c)  huinsmodi  JB.  d)  uero  in  Ä  nachgetr<igen\  uobis  B. 
e)  illuc  B,  f)  scienter  B,  g)  coDtradicere  B.  h)  nee  B.  i)  de  his  B. 
k)  Die  Suhscriptio  des  Papstes  fehlt  in  A,  Q  f  und  88.  fehlt  in  B;  in  A  sind 
die  Cardinalsubscrijitionen  für  das  Konzept  Alexanders  HL  durchgestrichen, 
m)  lohannis  A.  n)  QO  A ;  episcopus  B.  o)  Eustachii  B.  p)  Pandolfus  B, 
q)  Ostiam  B,  r)  indictionis  VIll  B.  s)  domini  MCXXXUI  B.  t)  Aoacleti 
secundi  pape  fehlt  in  A.        u)  PP.  quinti  B. 


10. 

Alexander  HL  bestätigt  dem  Kloster  S.  Stefano  eu  Monopoli  nach 
dem  Vorgange  Paschais  IL  und  Cdlixts  IL  die  Schenkung  des  Bischofs 
Leo  von  Conversano. 

1168  August  1. 


Papitarknnden  in  ApuHen.  277 

Citirt  im  Summarium  von  1550  süb  AA  im  Volume  dei  do- 
cumenti  per  U  memorie  di  Putignano  bei  G.  Castdli  in  Puiignano : 

quae  donatio  videtur  quam  maxime  validata,  quia  Alexander  papa  III. 
illam  expresse  confirmat  in  quibusdam  suis  litteris  in  processu 
praesentatis  sub  datum  in  anno  domini  1168,  pontificatns  sui  anno 
9,  kal.  augusti,  indictione  1,  in  quibus  asserit  idem  fecisse  papam 
Pascasiam  et  Calistum. 


11. 

Alexander  IlL  bestätigt  dem  Erebischof  Lupo  von  Brindisi  nadi 
dem  Vorgange  Lucius  IL  die  Bistümer  der  Provinz  und  die  Besitßungen. 

Tusculum  1171  Juni  25. 

Copie  von  1565  im  Cod.  dipl.  Brundusin.  und  Copie  des  16/17. 
Jahrh.  Brindisi  Archivio  capitolare.  —  Auch  im  Cod.  dipl.  Brundusin. 
vol.  I  Brindisi  Biblioteca  de  Leo. 

Die  Urkunde  wiederholt  diejenige  Lucius  IL  J-L.  8638.    In 
den  Copien  fehlen  leider  die  Kardinalsunterschriften. 

£x  commisso  nobis. 

Dat.  Tascnlani  per  manum  Gratiani  sancte  Bomane  ecclesie 
subdiaconi  et  notarii,  VII.  kal.  iulii,  indictione  1111%  incamationis 
dominico  anno  MCLXXI,  pontificatus  uero  domini  Alexandri  pape 
in.  anno  XU"". 


12. 

Alexander  IIL  ermahnt  Klerus  und  Volk  von  Oria  eur  schuldi- 
gen Keverena  gegen  die  Metropolis  von  Brindisi. 

Lateran  {1166—79)  Juni  26. 

Orig.  Brindisi  Archivio  capitolare.  —  Copie  von  1565  im  Cod. 
dipl.  Brundusin.  ebenda.  —  Ortensio  de  Leo  Brundisinorum  ponti- 
ficum  monumenta  von  1754  und  Cod.  dipl.  Brundusin.  voi.  IV.  Brin- 
disi Bibl.  de  Leo.  — 

Wörtlich   danach   ist  die  Urkunde   Lucius  III.  J-L.  14809 
wiederholt  worden.  —  Wahrscheinlich  aus  dem  Jahre  1178  oder  1179. 

Alexander  episcopas  seruus  seruomm  dei.  Dilectis  filiis  clero 
et  popolo  Oritano  salntem  |  et  apostolicam  benedictionem.  Cum 
in  tranalatione  ecclesiarum  dignitates  pariter  transferantor,  |  mira- 


278  P-  Kehr, 

mur,  sicut  possumus  de  ratione  mirari,  quod  eam  queritis  ecclesie 
uestre  auctoritatem  |  honoremque  seruari,  quem  babuisse  dinoscitor, 
antequam  metropolis  Brundusium  trans|ferretar,  quainquam  apud 
Brundusium  multo  maior  multitudo  moretur  et  in  sacris  |  sit  ca- 
noDibus  institutum ,  ut  episcopatus  in  uillis  esse  non  debeant  nel 
modicis  uicis.  Quia  igitur  contra  Brundusinam  ecclesiam,  cui  sicut 
metropoli  reuerentiam  exbibere  tenemini,  non  |  est  uobis  super  hoc 
aliquatenus  litigandum,  aniuersitati  uestre  per  apostolica  scripta 
man|damus  atque  precipimus,  quatinus  in  prescripta  ecclesia  crisma 
confici,  sicut  in  priuilegi|is  continetur,  que  illi  apostolica  sedes  in- 
dulsit,  non  moleste  feratis  nee  propter  |  hoc  aliquam  prescripte  ec- 
clesie uel  archiepiscopo  subtrabatis  reuerentiam  aut  honorem,  |  quia 
non  est  uobis  de  hac  re  aliquatinus  disceptandum ,  cum  nichil  ex 
hoc  uestrarum  |  saluti  depereat  animarum.  Dat.  Lateran.  VI.  kal. 
iulii  |-. 

B.  dep. 


13. 

Alexander  III.  entscheidet  den  zunschen  dem  Abt  P.  und  den 
Mönchen  von  Nardb  und  dem  Bischof  von  Gallipoli  über  die  Parrochie 
und  die  ZeJmtcn  von  Nardb  schwebenden  Streit  auf  Orund  des  SprucJis 
seiner  Commissare^  des  Erzbischofs  B.  von  Trani  und  des  Abtes  P,  von 
S.  Stefano  in  Monqpoli  zu  Gunsten  von  Nardb. 

Anagni  (1174)  Mai  3. 

Orig.  Nardb  Archivio  deUa  curia  vescovile. 

Die  Urkunde  ist  durch  Feuchtigkeit  stark  beschädigt.     Vgl. 
J-L.  12375  nach  D'Avino  zu  1174  V  5  und  Nr.  14.  — 

Com  inter  [uos]  et  T.  [quondam]  Gallipolitanom. 
Dat.  Anagnie  V.  non.  m[adii]. 

B.  dep. 


14. 

Alexander  III.  befiehlt  dem  Klerus,  den  Baronen  und  dem  Volk  von 
Nardb,  dem  Abt  P.  und  den  Mönchen  des  Klosters  Nardb  auf  Grund 
der   von  ihm  Ober  die  zwiscJien  dem  Kloster  und  dem  Bischof  von 


Papitorkanden  in  Apulien.  279 

Gaüipoli  streitige  Purrockie  und  Zehnten  gefalUen  Entscheidung  die 
schuldigen  Zehnt"  und  Parrochialrechte  zu  leisten, 

Anagni  {1174)  Mai  3. 

Orig.  Nardb  Ärchivio  dclla  curia  vescovUe. 

Vgl  J'L.  12376  cü.  nach  D'Avino  zu  1174  V5.  Vgl.  Nr.  13. 

Alexander  episcopus  seruus  seruorum  dei.  Dilectis  filiis  clero 
baronibus  et  uniuerso' populo  de  Nejreto  salutem  et  apostolicam  bene- 
dictionem.  Nostis,  sicut  credimas,  quomodö  dilecti  filii  nostri 

P.')  abbas  et  fratres  |  monasterii  de  Nereto  pro  controuersia ,  que 
inter  eos  et  T.  quondam  Gallipolitanum  episcopum  de  |  deeimis  et 
parrochia  terre  uestre  uertitur,  diu  sunt  et  sepe  grauati.  Nanc 
aotem ,  sicut  ex  |  litteris  uenerabilis  fratris  nostri  B.'>  Tranensis 
archiepiscopi  et  dilecti  filii  P.^^  abbatis  sancti  Stephani  |  de  Mono- 
poli,  quibus  causam  ipsam  commisimus,  accepimus,  cum  episcopus 
Gallipolitanus,  qui  nunc  |  est,  se  contumaciter  absentasset,  sicut 
predecesaor  eins  sepius  fecerat,  idem  iudices  tenorem  |  mandati 
nostri  secuti,  prefato  abbati  et  fratribus  possessionem  predicte 
parrochie  ac  decimarum^>  |  adiudicarunt.  Nos  itaque  nolentes^^ 
aliquatenus  sustinere,  ut  quod  de  auctoritate  nostra  factum  |  est, 
temeritate  qualibet  uioletur,  uniuersitati  uestre  per  apostolica  scri- 
pta  mandamus  atque  |  precipimus,  quatinus  eisdem  abbati  et  fra- 
tribus decimas  occasione  et  contradictione  cessante  sol'uatis  et  uos 
filii  clerici  eis  de  iure  parrochiali  sine  contradictione  qualibet  res* 
pondere  cu;retis,  sicut  decimarum  et  parrochie  per  predictos  iudices 
possessio  ipsis  est  adiudicata,  donec  |  causa  de  proprietate,  si  Gal- 
lipolitanus episcopus  exinde  agere  uoluerit,  fine  debito  terminetur. 
Dat.  Anag(nie)  V.  non.  madii. 

B.  dep. 
a)  auf  Basur,       b)  cimarnm— nolentes  auf  Basur. 


15. 

Alexander  IIL  überträgt  dem  Erzbischof  R(iso)  von  Bari  das 
Kloster  TuUi  %  Santi  in  Cuti  bei  Bari  und  ermahnt  den  Abt  und 
die  Brüder  zum  Gehorsam  gegen  jenen. 

Anagni  {1173—74)  September  8. 

Orig.  Bari  Ärchivio  di  S.  Nicola  Nr.  126. 

Die  Verleihung  muß  erfolgt  sein  nach  1168  {J-L,  11377), 


280  P.  Kehr, 

aber  vor  1175  {s.  Nr,  16)j   fällt  also  nach  dem  Ausstellungsort 
entweder  in  das  Jahr  1173  oder  1174.     Vgl,  auch  J-L,  12631. 

Alexander  episcopus  seruus  seruorum  dei.  Dilectis  filiis  .  . 
abbat!  et  fratribus  Omnium  sanetorum  de  Cutis  |  salutem  et  apo- 
stolicam  bcnedictionem.  Curam   et  sollicitudinem,   quam   de 

uniuersis  dei  ecciesiis  disponente  domino  |  habere  tenemur,  ecciesie 
uestre  tanto  propensiori  studio  debemus  impendere,  quanto  specia- 
lius  ad  I  Bostram  prouisionem  pertinet  et  tutelam.  Inde  utique  fuit 
quod  nos  attendentes,  quomodo  |  ecclesia  uestra  correctione  indigeat 
et  eonsiderantes  prudentiam  deuotionem  et  seien tiam  ue|nerabilis 
fratris  nostri  R.  Barensis  archiepiscopi ,  eandem  ecclesiam  sibi  in 
uita  sua  de  comuni  fratrum  nostrorum  |  consilio  apostolica  aucto- 
ritate  eoncessimus,  ita  tarnen  quod  post  decessum  eius  nullus  suc- 
cesso{rum  suorum  in  ipsa  ecclesia  quicquam  iuris  sibi  audeat  uen- 
dicare.  Mandamus  itaque  discretijoni  uestre  atque  precipimus,  qua- 
tinus  memorato  archiepiscopo  obedientiam  et  reuerentiam  impen- 
datis  et  correctionem  et  disciplinam  suam  deuote  et  humiliter  sus- 
cipientes  ei ,  omni  occasione  [  et  appellatione  cessante,  ita  in  Omni- 
bus et  per  omnia  respondere  euretis,  sicut  nobis  ipsis  respondere  | 
deberetis,  quia  credimus  et  speramus,  quod  eadem  ecclesia  per  Stu- 
dium et  uigilantiam  eiusdem  archi|episcopi  in  spiritualibus  et  tem- 
poralibus  debeat  cooperante  domino  promoueri.  Dat.  Anagnie 
VI.  idus  septembr.  | 

B. 


16. 

Aleooander  III.  tadelt  den  Abt  und  die  Mönche  des  Klosters 
Tutti  i  Santi  in  Cuti  bei  Bari  wegen  ihres  Widerstandes  gegen  die  Ver- 
leihung  des  Klosters  an  den  Erebischof  von  Bari  und  beauftragt  den 
Bischof  von  Monopoli  und  den  Abt  von  Ä  Stefano  in  Monopoli,  deti 
Zustand  des  Klosters  zu  untersuchen  und  Bericht  zu  erstatten. 

Ferentino  {117S)  Januar  21. 

Orig.  Bari  Archivio  di  S.  Nicola  Nr.  125.  Vgl.  Nr.  15  und 
J'L.  12631. 

Alexander  episcopus  seruus  seruorum  dei.  Dilectis  filiis  .  . 
abbati  et  fratribus  Omnium  sanetorum  de  Cutis  salutem  et  apo* 
stolicam  bcnedictionem.  Quanto  monastejrium  uestrum  specialius 
nostri  iuris  existit,  tanto  puriorem  circa  nos  et  Romanam  ecclesiam 
deuotionem  gerere  deberetis  et  manda|ti8  et  monitis  nostris  Üben- 


Papstarkanden  in  Apulien.  281 

tias  obedire,  cum  non  sit  uoluntatis  uel  propositi  nostri  libertatem 
nestram  minuere  aut  monasterium  ipsum  in  al|teria8  ecclesie  iuris- 
dictionem  traasferre.  Sane  cum  nos  caram  eiusdem  monasterii 
uenerabili  fratri  nostro  .  •  Barensi  archiepiscopo  uiro  utique  |  ho- 
nesto  indastrio  et  discreto  personaliter  tantum  commisissemus  sub 
ea  confidentia,  quod  monasterium  ipsum  sicut  dicebatur  in  spiri- 
tu|alibns  et  temporalibus  ualde  dilapsum  et  multo  grauatum  onere 
debitorum  per  prouidentiam  et  soUicitudinem  suam  in  melius  refor- 
mari  |  deberet,  non  decuit  uos  in  hae  parte  nostre  contradicere 
uoluntati ,  qui  nobis  sicut  spirituales  filii  debetis  in  omnibus 
prom'pta  deuotione'')  parere.  Ceterum  quia  monasterium  ipsum, 
sicut  andiuimus,  a  diuinis  cessat  officiis  et  memoratus  |  archiepi- 
scopus  interdicti  sententiam  relaxauit,  placet  nobis  ut  diuina  offi- 
cia  celebretis,  sed  ne  uideamur  casum  et  ruinam  monajsterii  uestri 
dausis  oculis  pertransire  aut  predictus  archiepiscopus  uel  uos  pos* 
sitis  nos^^  in  bac  parte  decipere,  uenerabili  |  fratri  nostro  .  .  Mo- 
nopolitano  episcopo  et  dilecto  filio  abbati  sancti  Stephani  de  Mono- 
poli  dedimus  in  mandatis,  ut  ad  monasterium^)  uestrum  |  pariter 
accedentesy  statum  eins  diligentissime  perscrutentur  et  super  hoc 
ueritatem  rei  puram  et  simplicem  suis  nobis  |  litteris  non  di£Ferant 
aperire.  Mandamus  itaque  discretioni  uestre  atque  precipimus, 
quaÜnus,  cum  idem  episcopus  et  abbas  propter  hoc  ad  monaste|rium 
aestrum  accesserint,  eos  benigne  recipiatis  et  honeste  tractetis  et 
ipsis  statum  eiusdem  monasterii  studeatis  plenius  |  aperire,  ut  per 
eos  statu  prescripti  monasterii  cognito,  correctionis  manum,  si  opus 
faerity  apponamus.    Dat.  Ferentini  |  XU.  kal.  februar.  | 

B. 

a)  deuotione  auf  Baaur.  b)  qos  possitis  nos  auf  Basur,  e)  aitoriam 
auf  Eaaur, 

17. 

Alexander  III.  nimmt  das  Kloster  S.  Stefano  eu  MonopoU  unter 
dem  Abt  Palmerius  nach  detn  Vorgänge  Paschais  II.  und  Calixts  II. 
in  den  apo^olischen  Schutz  ^  bestätigt  ihm  die  Besitzungen  und  Privi- 
legien der  Päpste,  Könige ,  Bischöfe ,  Fürsten,  Grafen  und  Barone, 
insbesondere  das  Vorrecht  der  Mitra  und  des  Ringes  und  die  Conces* 
sion  der  Bisdiöfe  Bomuald  von  MonopoU  und  Leo  von  Conversano 
«im2  verleiht  ihm  Freiheit  von  der  richterlichen  Gewalt,  Wahl  des  Bi- 
schofs für  die  bischöflichen  Leistungen,  das  Aufnahmerecht,  das  Begrab- 
nißrecht  und  das  Wahlrecht. 

Anagni  1175  Dezetnöer  16. 


282  P.  Kehr, 

Gedr.  im  Seminarium  addüionale  van  1740.  41,  42  nach  Copie 
von  1559  IV  20  vol.  II  p.  224 ,  p.  311 ,  p.  565  Conversano  Ärchivio 
della  curia  vescovile.      ^ 

Die  Urkunden  Paschais  IL  und  Calixts  IL  sind  verloren.  — 
Der  Text  ist  sehr  übel. 

Licet  de  omnibus  ecclesiis. 

Bat.  Anagniae  per  manas  G-ratiani  S.  R.  E.  subdiaconi  et  no- 
tarii,  XVII.  kal.  ianuarii,  indictione  IX,  incarnationis  doiDini 
anno  MCLXXV,  pontificatus  uero  domini  Alexandri  papae  III. 
anno  XVII. 

Cardinale:  {Bernard\  von  Porto  und  S.  Eufina,  Walter  von  AU 
bano ;  Johannes  von  SS.  Giovanni  e  Paolo,  Boso  (Boscio)  von  S.  Pu- 
denziana ,  Johannes  von  S.  Marco ,  Manfred  von  S.  Cecüia ,  Petrus 
von  S.  Susanna^  Vivian  (Vincanus)  von  S.  Stefano  in  Celio ;  lacinthus 
(Inaconns)  von  S.  Maria  in  Gosmidin  (S.  Pariae  card.),  Ardicio  von 
S.  Teodora  (S.  Trodurii),  Cinthius  (Cintus)  von  S.  Ädriano  (Sandrinui 
Senensis),  Hugo  von  S.  Eustachio,  Laborans  (Laberius)  von  S,  Maria 
in  Porticu. 


18. 

Alexander  III.  bestätigt  dem  Bischof  von  Conversano  alle  Güter, 
Orte  und  Rechte. 

1176. 
Citirt  im  Summarium  von  1550  sub  NN  im  Volume  dei  da- 
cumenti  per  le  metnorie  di  Putignano  bei  G.  Casulli  in  Putignana : 

dictus  Alexander  III.  episcopo  Cupersanensi  et  episoopatai  ipsi 
eoncessit  litteras  confirmationis  omnium  bonomm,  locorum  et  iu* 
rium  dicti  episcopatus  ipsa  omnia  ennmerando  et  inter  alia  enu- 
meravit  iurisdictionem  episcopalem  in  terra  Patiniani  et  eins 
ecclesiis  in  anno  domini  1176,  quae  litterae  faerunt  transsumptatae 
per  publicam  instrumentum  in  anno  domini  1361,  die  27  septembris, 
4  indictionis,  qnod  transsumptum  pro  parte  dicti  domini  episcopi 
in  praesenti  processu  dednctom  est. 


19. 

Alexander  III.  bestätigt  nachmals  dem  Kloster  8.  Stefano   mt 
Manopali  die  Schenkung  des  Bischofs  Leo  von  Conversano. 

1177  Februar. 


Papstarkunden  in  Apolien.  283 

Citirt  im  Summarium  von  1550  sub  AA  im  Volume  dei  do- 
cumenti  per  le  memorie  di  Putignano  bei  G.  Casulli  in  Ptäignano : 

et  iteram  idem  Alexander  III.  eamdem  donationem  confirmat  in 
aliis  eius  litteria  similiter  in  processu  deductis  in  anno  domini 
1177,  mense  februarii,  2.  indiet,  pontificatns  eins  anno  18. 

20. 

Alexander  III.  beauftragt  den  Erzbisrhof  von  Trani  und  den 
BiscJiof  von  Bisceglie  in  dem  Streit  zwischen  dem  Bischof  von  Con- 
versano  und  dem  Abt  von  S.  Stefano  zu  Monopoli  über  die  Iuris- 
diction  in  Putignano  zu  entsciieiden, 

1177  Juli  1. 

Citirt  im  Summarium  von  1550  sub  PP  im  Volume  dei  docu- 
menti  per  le  memorie  di  Putignano  bei  G.  Casulli  in  Putignano : 

et  effectus  dictaram  ultimarum  litterarum  dicti  Alexandri  III.  eva* 
cuantur  per  alias  litteras  dicti  Alexandri  impetratas  ad  instantiam 
tanc  episcopi  Cupersanensis ;  nam  cum  epiacopus  ipse  eonqnestus 
fuisset,  quod  ob  confirmationem  dicti  Alexandri  HI,  abbas  sancti 
Stephaui  intendebat  episcopalem  iorisdictionem  exercere  in  terra 
Putiniani,  Alexander  ipse  suis  litteris  scripsit  tanc  archiepiscopo 
Tranensi  et  episcopo  Vigiliensi,  quod,  non  obstantibus  confirmationi- 
bus  factis  abbati  praedicto,  declarabat  per  eas  noUe  praeiadicari 
episcopo  Capersanensi ,  et  ideo  cognoscerent  de  iuribus  ipsorum, 
acsi  confirmationes  ipsae  factae  non  fuissent.  Quae  litterae  sunt 
expeditac  in  anno  domini  1177,  kal.  iulii,  et  sie  post  proxime 
allegatan  praecedentes  litteras  Alexandri  III.,  quae  etiam  in  dicto 
processu  pro  parte  dicti  episcopi  productae  fuerunt  et  sunt. 


21. 

Alexander  III.  nimmt  das  von  defn  Baron  Accard  erbaute  Kloster 
S.  lohannes  in  Lecce  unter  der  Aebtissin  Emma  auf  Vertvendung  des 
Grafen  Tancred  von  Lecce  in  den  apostolischen  Schutz  ^  unterstellt  es 
unmittelbar  dem  römischen  Stufd,  bestätigt  ihm  den  Besitz^  das  Rechte 
einen  Bischof  für  die  bischöflichen  Leistungen  zu  wählen^  das  WaJd^ 
recht  und  das  Begräbnißrecht. 

Lateran  1178  Juni  15. 

Original  im  Besitz  des  Herrn  De  Simone  in  der  Villa  8ant» 
Antonio  bei  Amesano. 


284  P.  Kehr, 

Die  Urkunde  tdederhoU  wörtlich  die  Anaclets  IL  von  1134 
XII  7  (^r.  9\  ohne  natürlich  den  Gegenpapst  jbu  nennen. 

Pie  postnlatio  uoluntatis. 

Dat.  Lateran,  per  manum  Alberti  sancte  Romane  ecclesie 
presbyteri  cardinalis  et  cancellarii,  XVII.  kal.  iul.,  indictione  XI% 

0        0  0  0 

incarnationis  dominice  anno  M.C.LXXVIII,  pontificatus  uero  domni 
ALEXANDRI  pape  HI.  anno  XVlill. 

B.  dep. 

Cardinale:  Hubald  von  Ostia;  Johannes  von  S.  Griovanni  c  Paolo j 
Boso  von  S.  Pudensfiana ,  Petrus  von  S.  Susanna ,  Vivian  von  S,  Ste- 
fano in  Celio ;  Incinthus  von  S,  Maria  in  Cosmcdyn ,  Ardicio  von 
S.  TeodorOf  Cinthius  von  S.  Adriano,  Hugo  von  S.  Angela,  Rainer  van 
S.  CHorgio  in  Vdabro. 

22. 

Alexander  HL  beauftragt  den  Erebischof  von  Trani  und  den 
Bischof  von  Bisceglie  sich  über  den  Streit  etcischen  dein  Bischof  von 
Conversano  und  dem  Abt  von  S.  Stefano  eu  Monopdli  über  Putignano 
eu  informiren  und  die  Sache  an  die  römische  Kurie  eu  bringen. 

1178  August  11. 

Oitirt  im  Summarium  von  1550  sub  PP  im  Volume  dei  da- 
cumenti  per  le  memorie  di  Putignano  bei  G.  Casuüi  in  Putignano: 

et  ultra  praedictas  litteras  Alexandri  III.  extant  aliae  eins  lit- 
terae  pro  parte  dicti  domini  rev.  episcopi  addactae  in  eodem  pro- 
cessa,  in  quibus  dictus  Alexander  ad  instantiam  tone  episcopi 
Cnpersanensis  eamdem  deeretationem  fecit,  scilicet  se  nolle  ex  eins 
confirmationibus  factis  abbati  Palmerio  de  donatione  facta  per 
Leonem  episcopum  Cupersanensem  inrisdictionis  episcopalis  super 
terra  Putiniani  praeiudicare  dictae  sedi  episcopali  Cupersanensi, 
ideoque  commisit  supradictis  archiepiscopo  Tranensi  et  episcopo 
Yigiliensi,  quod  informarent  se  de  causa  et  processum  transmitte- 
rent  ad  ipsum  Alexandrum  in  curia  Romana,  maxima  quia  ipse 
episcopus  Cnpersanensis  allegabat,  quod  si  bene  donatio  Leonis 
tenuisset,  contra  illam  episcopi  Cupersanenses  tarnen  praescripserant, 
semper  possidendo  ipsam  iurisdictionem  episcopalem  et  ex  istis 
litteris  Alexandri,  quae  sunt  sub  datum  1178,  3.  idus  augasti, 
apparet  causam  iam  per  praedictas  litteras  commissam  cognosci 
et  terminari,  quoniam  committebantur  cognosci  et  non  determinarii 
sed  delegati  transmitterent  processum  ad  sedem  apostolicam. 


PapstarkundeQ  in  Apnlien.  285 


33. 

Clemens  HL  beauftragt  den  Prior  von  S.  Nicola  in  Bari ,  den 
Abi  von  S.  Benedetto  in  Bari,  dessen  Vorgänger  von  dem  Priester 
Andreas  von  Matera  fünf  Vneen  Gold  geliehen  hatte  ^  eur  Riichsah- 
lung  aneuhdlten. 

Lateran  1188  November  23. 

Orig.  Bari  Arckivio  di  S.  Nicola  Nr.  136. 

Das  Mandat  ist  eine  Littera  clausa,   an  der  die  Bulle  mit 
einer  Hanf  schnür  befestigt  ist.    Auf  dein  Rücken  die  Adresse: 
Priori  sancti  Nicolai  de  Baro  pro  And(rea)  presbitero  de  Matera. 

Clemens  episcopus  seruus  seruoram  dei.  Dilecto  filio  .  .  priori 
sancti  Nicolai  de  Baro  salutem  et  \  apostolicam  benedictionem. 
Significauit  nobis  And(reas)  presbiter  de  Matera,  quod,  cum  .  . 
bone  memojrie  abbati  sancti  Benedicti  de  Baro  pro  utilitate  eins- 
dem  monasterii  qninque  auri  un|cias  mutuasset,  sicut  in  ipsius  et 
capitoli  predicti  monasterii  instrumento  publice  |  continetur,  |  et 
eo  sublato  de  medio,  ab  abbate,  qui  nunc  est,  sibi  reddere  prescrip- 
tas  I  auri  uncias  postulasset  et  ipse  etiam  ei  iuramento  prestito 
concessisset  eas  reddere  |  termino  constituto,  tamen  iam  elapso 
biennio  nequaquam  predictas  uncias  redjdidit,  immo,  sicut  asserit, 
eas  se  denegat  redditurum.  Mandamus  itaque  |  tibi,  quatinus  pre- 
dictum  abbatem  ad  reddendas  prescriptas  uncias  auri  attentius  | 
moneas  et,  si  opus  fnerit,  per  censuram  ecclesiasticam,  sicut  iustum 
faerit,  I  appellatione  remota,  compellas.  Dat.  Laterani  YIIQ. 
kal.  decemb.  pontificatus  nostri  anno  primo. 

B. 


34. 

Clemens  LH.  nimmt  die  Kirche  S.  Maria  in  Bagnara  unter  dem 
Daniel  in  den  apostolischen  SchutM. 

Lateran  1188  Deeember  4. 

Citirt  in  dem  Ms.  liisposta  che  per  parte  della  Jlf*  del  lle 
deüe  due  Sicilie  si  da  alla  metnaria  trasmessa  da  S.  Santitä 
intomo  alla  R.  chiesa  della  Bagnara  f.  9'  Brindisi  Bibl.  de  Leo. 

Snscepti  regiminis  soUicitndo. 

Data  nel  Laterano  a  4  di  X^'*,   indictione  VII,  nel  medesimo 
anno  dell*incamazione  (1188)  e  primo  del  suo  pontificato. 

Iffl.  Om.  L  WIM.  NMkriihtML    P1ülolH'-Uit*r.  KImm  1896.    Btfl.  3.  20 


286  P.  Kehr, 


35. 


Clemens  HL   befiehlt  dem  Klerus  von  Putignano^    nachdem  die 

Kurie  in  dem  Streit  zwischen  dem  Bischof  von  Conversano  und  dem 

Abt  von  S.  Stefano  eu  Monqpoli   gegen  de^i  letetern  entschieden   habe, 

dem  Bischof  eu  gehorchen^    und  beauftragt  den  Erwählten   von  Bari 

und   den  Bischof  von  Polignano,   ihn  in  den  Besitz  von  Putignano 

einzuführen. 

1189  Mai  1. 

Citirt  im  Summarium  von  1550  sub  ER  im  Volume  dei  do- 
cumenti  per  le  memorie  di  Putignano  bei  G.  Casulli  in  Putignano : 

Et  omnia  praedicta  magis  in  specie  confirmando  accedunt  litterae 
Clementis  III.  in  ipso  processu  pro  parte  ipsius  domini  episcopi 
presentatae  directae  ad  clemm  et  clericos  Patiniani,  quia  causa 
ipsa  ad  curiam  devoluta  ut  supra,  dictus  summas  pontifex  mandat 
dicto  dero,  quod,  cum  episcopus  Capersanensis  traxerit  in  iadicium 
abbatem  sancti  Stephani  in  curia  et  ipse  abbas  fuerit  contumax, 
de  consilio  fratrum  fuit  decretum,  episcopum  praedictum  fore  po- 
nendum  in  possessionem  iurisdictionis  dicti  castri  Putiniani  causa 
rei  servandae,  et  quod  mandaverat  electo  Barensi  et  episcopo  Po- 
linianensi,  ut  episcopum  Cupersanensem  ducerent  in  possessionem; 
mandabat  ergo  ipsis  clericis,  quod  vellent  dicto  episcopo  Cuper- 
sanensi  obedire,  aliter  incurrerent  censuras,  qnas  fulminasset  dictus 
dominus  episcopus.  Sub  datum  anni  secundi  pontificatus  ipsius,  et 
sie  in  anno  1191  (!),  kal.  maii. 


36. 

Clemens  HL  nimmt  das  Kloster  Tutti  i  Santi  in  Cuti  bei  Bari 
unter  dem  Abt  Maraldus^^  nach  detn  Vorgange  Cdlixts  11.^  Paschais  IL^ 
Lucius  H.  und  Alexanders  HL  in  den  apostolischen  Schutz,  bestätigt 
ihm  die  Besitzungen  und  die  von  den  Erzbischöfen  ürsus  und  Elias 
ihm  verlieJienen  und  von  Paschai  IL  bestätigten  Freiheiten  j  und  ver* 
leiht  ihm  das  Auf  nahmerecht ,  die  J\ahl  des  Bischofs  für  die  bischöf'- 
liehen  Leistungen  und  das  WcMrecJd. 

Lateran  1190  Dezember  19. 

Copie  von  1708  im  Ms,  Bolle  e  privilegi  riguardanti  la  chiesa  e 
convento  di  Tutti  i  santi  Nr.  12  f.  26  Bari  Archivio  della  cafieettaria 

di  S.  Nicola  (aus  Atti  processuali), 

^^^^^^_—  —  — ^—     • 

a)  Smaraldo. 


Papstarkonden  in  Apnlien.  287 

Vgl,  J'L.  16542  nach  dem  Citat  hei  v.  Pflugk-Harttung  Her 
p.  320  aus  dem  Inventarium  s,  Nicolai  Barensis^  Cod.  3  G.23 
p.  35  Neapel  Bibl.  Brancacciana  (L  c.  p.  60).  —  Die  im  Teai 
angeeogenenen  Vorurkunden  sind  J-L.  6468,  7065.  8666.  11377. 

Quotiens  a  nobis. 

Datum  Laterani  per  manus  Moisi  sancte  Romane  ecdesie 
subdiaconi  mcem^>  agentis  cancellarii,  XIIII.  kal.  ianuarii,  indic- 
tione  Dona,  incamationis  dominice  anno  M.CXC^,  pontificatus  nero 
domni  dementia  pape  lU.  anno  tertio. 

Cardinäle:  Älbinus^^  von  Älbano,  Ociavian  von  Ostia  und  VeHe- 
tri;  Pandulf  von  SS.  Apostoli,  Petrus  von  S.  Piäro  in  Vincoli''^ 
Johannes  vofi  S.  Pudentiana  '\  Johannes  Felix  von  S.  Susanna^  Bufi- 
nus  von  S>  Prassede  und  Bischof  vofi  Bimini ;  Jacinthus^  von  S,  Ma- 
ria in  Cosmedyn^  Guido^\  Johannes^  Gregor  von  S.  Giorgio  ^^  in  Ve- 
labrOf  Nicolaus. 


b)  olce.         c)  Albanas.        d)  et  Eudomie  (staU  titali  Eudoxie).         e)  Pru- 
dentiana.  f)  Jacobos  (im  Orig,  stand  wie  getcohhlich  Jac.).  g)  Ugon. 

h)  9.  Gregorii. 


87. 

Cdestin  111.  nimmt  die  Kirche  5.  Maria  in  Bagnara  unter  dan 
Prior  Raimund  in  den  apostolischen  Schutz. 

Lateran  1192  Mai  6. 

Citirt  in  dem  Ms.  Bisposta  che  per  parte  ddla  M"*  del  Be  dclle 
due  Sicilie  si  da  alla  memoria  trasmessa  da  S.  Santita  intortw 
alla  B.  chiesa  della  Bagnara  f.  U  Brindisi  Bibl.  de  Leo, 

„I  canonici  della  Bagnara  impresero  far  rinovare  de  Celestino 
la  bolla  sopra  riferita  di  demente  (Nr.  24),  pertanto  ne  fece  egli 
loro  una  nnova  o  piü  tosto  gliene  sottoscrisse  nna  simile  o  nn  du- 
plicato  in  data  del  Laterano  a  6  di  maggio,  indictione  X,  anno 
1192,  pontificatus  anno  2^. 

Vgl.  J'L.  16864  (gedr.  von  Pflugk-Uarttung  Acta  III  384 
Nr.  448)  vom  gleichen  Tage,  wo  aber  der  Prior  Bainer  heißt. 

20* 


288  ^'  Kehr, 

38. 

Gelestin  111,  leauftragt  die  Bischöfe  von  Polignano  und  Monopolij 

den  Bischof  von  Conversano  in  den  Bestie  der  Jurisdiction  über  Pii- 

tignano  von  Neuem  einzuführen  und  die  Kleriker  von  Ftäignano  eum 

Gehorsam  gegen  den  Bischof  anzuhalten. 

1194. 

Citirt  im  Summarium  von  1550  sub  SS  im  Volume  dei  docu-- 
menti  per  le  memorie  di  Futignano  bei  G.  Casulli  in  Putignano: 

Causa  igitur  sie  stante  in  curia,  continuatum  fuit  iudicium,  nam 
apparent  in  processu  litterae  Celestini  III.  successoris  dicti  Cle- 
mentis  directae  episcopis  Polinianensi  et  Monopolitanensi,  in  quibus 
asserit,  abbatem  sancti  Stephani  spoliasse  episcopum  Cupersanenscm 
possessione  iurisdictionis  episcopalis  terrae  Putiniani  sibi  datae 
per  dementem  suum  praedecessorem ;  et  ideo  mandat  praedictis, 
quod  velint  ipsum  redueere  in  possessionem  et  quod  ambo  compa- 
reant  processuri  in  causa  in  dominica  qua  cantatur  Laetare  Hieru- 
salem,  mandando  clericis  Putiniani,  ut  morem  gererent  et  pareant 
episcopo  Cupersanensi.  Quae  litterae  expeditae  sunt  in  anno  tertio 
sui  pontificatus,  et  sie  in  anno  domini  1194. 


39. 

Celestin  III.  beauftragt  den  Erebischof  von  Trani  und  den  Bischof 

von  PolignanOy  den  Bischof  von  Conversano  in  den  Besitz  von  Puti- 

gnano  zu  setzen. 

1195  Juni  5. 

Citirt  im  Summarium  von  1550  sub  TT  im  Volume  dei  docu^ 
menti  per  le  memorie  di  Putignano  bei  G.  Casulli  in  Putignano : 

Apparent  etiam  ex  processatis  aliae  litterae  Celestini  III.  pro 
parte  dicti  episcopi  presentatae  directae  archiepiscopo  Tranensi  et 
episcopo  Polinianensi,  in  quibus  narrat  sententiam  Clementis  supra 
dicti  et  profert  sententiam  super  possessorio  in  favorem  episcopi 
Cupersanensis,  reservato  iure  super  proprietate,  mandando  ipsis  de- 
legatis,  quod  ipsum  episcopum  inducant  in  possessionem,  die  6.  iunii, 
anno  pontificatus  Celestini  UI.  quarto,  et  sie  in  anno  domini  1196. 


30. 

Celestin  III.  befieldt  dem  Klerus  von  Putignano,  dem  Bischof  von 
Conversano  GeJiorsam  zu  leisten. 

1195  Juni  5. 


Papstnrkttoden  In  Apulien.  289 

Citirt  im  Summarium  von  1550  sub  VV  im  Volume  dei  docu- 
menti  per  le  vicimrie  di  Futignano  hei  G.  Casulli  in  Putignano: 

Ad  maiorem  validitatem  supradictorum  in  eadem  nostra  curia 
apparent  praesentatae  pro  parte  dicti  domini  episcopi  literae  dicti 
Celestini  tertii  directae  clero  Putiniani,  in  quibus  narrat  senten- 
tiam  per  eum  latam  super  possessorio;  ideo  mandat  ipsis  clericis 
obedire  ipsi  episcopo  Cupersanensi.  Quae  litterae  sunt  sub  eadem 
data  die  6.  iunii,  pontificatus  eins  anno  IV,  et  sie  in  anno  domini 
1195. 

31. 

Celestin  II L  beauftragt  den  Erzhischof  von  Bari  und  den  Bischof 
von  Polignanoj  gegen  den  Abt  von  S»  Stefano  in  MofiopoU  wegen  Ver- 
letjsung  der  BecJUc  des  Bischofs  von  Convcrsano  in  Bezug  auf  Futi- 
gnano einzuschreiten. 

1196  März  14. 

Citirt  im  Summarium  von  1550  sub  W  im  Volume  dei  docu» 
menti  per  le  memorie  di  Futignano  bei  G,  Casulli  in  Futignano: 

Ad  idem  in  eadem  curia  nostra  pro  parte  domini  episcopi  aliae 
litterae  dicti  Celestini  lU.  praesentatae  fuere  directae  archiepiscopo 
Barensi  et  episcopo  Polinianensii  in  quibus  narrat,  abbatem  sancti 
Stephani  consecrasse  archipresbyterum  Putiniani  et  fecisse  eum  ab- 
iurare  suum  episcopum  Cupersanensem  fecisseque  ordinäre  quosdam 
clericos;  mandat  igitur  praedictis  delegatis,  ut  fulminent  censuras 
contra  dictum  abbatem  et  faciant  obseruare  sententiam  ipsias  Ce« 
lestini  et  quod  mittat  clericos  ordinatos  suspensos  ad  curiam, 
Quae  litterae  sunt  sub  datum  sui  pontificatus  anno  V,  et  sie  in 
anno  domini  1196,  die  14.  mensis  martii. 


ABMerkiuf.  ZaS.  251  (Monopoli)  ist  oachzntrageo,  daB  unterdessen  Prof. 
L.  Pepe  in  der  Rassegna  Pugliese  di  scienze  lettere  ed  arti  XY  Nr.  4  vom  Juli 
1898  einen  Aufsatz  veröffentlicht  hat  „Le  pergamene  dello  archivio  capitolare  di 
Monopoli*,  in  dem  ausführlich  über  den  Bestand  des  Archivs  gehandelt  wird. 
Uier  wird  auch  die  Legende  von  dem  angeblichen  Original  Bonifaz  IV.  von  611 
IV  17  zerstört,  die  Nardelli  (Monopoli  manifesUta)  zum  Urheber  hat  und  die 
Mnsaio  bei  D'Avino  Cenni  p.  846  und  Finamore  gl&nbig  wiederholt  haben.  Nach 
Pepe  Ist  es  in  Wahrheit  eine  Bulle  Bonifaz  IX.  von  1892. 


Papsturkunden  in  den  Abruzzen  und  am 

Monte  Gargano. 

Bericht  über  die  Reise  der  DDr.  M.  Elinkenborg  und  L.  Schiaparelli. 

Von 

P.  Kehr. 

Vorgelegt  in  der  Sitzung  Tom  28.  Juli  1898. 

lieber  die  Archive  der  Abruzzen  ist  unsre  bisherige  Kennt- 
niß  nicht  viel  besser  wie  über  die  Apuliens.  L.  Bethmann  ist 
wohl  gar  nicht  persönlich  da  gewesen.  Was  er  im  Archiv  XII 
535  zusammenstellt,  beruht  lediglich  auf  Auszügen  aus  den  Wer- 
ken Aelterer.  Von  den  Jüngern  hat  E.  Winkelmann  wenig- 
stens Chieti  besucht,  freilich  ohne  großen  Erfolg  (N.  Archiv  V  18). 
Selbst  v.  Pflugk-Harttung  verstummt  hier  völlig.  Manche 
wertvolle  Notiz  bietet  aber  wie  für  Apulien  so  auch  für  die  Abruz- 
zen H.  W.  Schulz  Denkmäler  Bd.  II  und  D'Avino  Cenni  sto- 
rici.  Endlich  sind  auch  hier  G.  Mazzatinti's  neue  Publicatio- 
nen  zu  erwähnen.  Uebrigens  herrscht  jetzt  in  den  Abruzzen,  be- 
sonders in  Aquila  und  Sulmona,  ein  reges  auf  die  Sammlung  und 
Ausbeutung  der  historischen  Denkmale  des  Landes  gerichtetes 
Streben.  In  Molise  freilich  und  am  Monte  Gargano  ist  es  um  so 
dunkler. 

Man  wird  darum,  hoffe  ich,  auch  von  diesem  Bericht  über  die 
Abruzzen  und  den  Monte  Gargano  einigen  Nutzen  haben,  so  sehr 
er  auch  der  Nachsicht  bedarf.  Er  beruht  in  der  Hauptsache  auf 
den  Materialien,  die  die  Herren  Dr.  M.  Klinkenborg  und  Dr. 
L.  Schiaparelli  heimgebracht  haben.  Einiges,  insbesondere 
Abschriften  aus  dem  Kapitelarchiv  von  S.  Panfilo  in  Sulmona, 
hatte  in  nicht  genug  zu  rühmender  Teilnahme  an  dem  Fortgemg 


Papstorküiideii  in  den  Abruzzen  nnd  am  Monte  Gargano.  291 

unserer  Arbeiten  Mons.  Panl  Maria  Baumgarten  in  Rom  uns 
zur  Verfügung  gestellt. 


AquUa. 

Hier  wo  seit  1257  der  Sitz  des  Bischofs  von  Furcone  und  Ami- 
temum  ist,  war  der  Bischof  so  liebenswürdig,  dem  Dr.  Klinkenborg 
sogleich  die  geistlichen  Archive  zu  öffnen.  Aber  die  Ausbeute 
konnte  von  vornherein  nicht  groß  sein.  Die  häufigen  und  schwe- 
ren Erdbeben  von  1315 ,  1461 ,  1703  haben  auch  den  Kirchen 
schweren  Schaden  zugefügt.  Doch  ist  auch  neuerdings  noch  al- 
lerlei verloren  gegangen.  So  ist  das  wichtige  Chartular  des  13. 
Jahrhunderts,  das  auch  Antinori*s  (Muratori  Antiq.  VI  488  sq., 
wo  es  als  Catalogus  pontificum  Aquil.  bezeichnet  wird)  und  seiner 
Vorganger  Hauptquelle  war  und  in  dem  von  Papsturkunden 
Alexander  II.  J-L.  4700,  Alexander  III.  J-L.  13065  und  Clemens 
m.  J-L.  16330  enthalten  sind,  jetzt  im  Archivio  della  Ruota  in 
Rom  (vgl.  Sickel  Mon.  Germ.  Dipl.  II  S.  902  s.  Furcone).  Auch  die 
von  Antinori  und  Coppola  citirten  Pergamene  sind  jetzt  nicht  mehr 
vorhanden').  So  versicherte  wenigstens  der  Bischof:  das  Archi- 
vio vescovile  soll  überhaupt  nichts  mehr  besitzen,  was  über  das 
15.  Jahrhundert  hinaufginge.  Besser  steht  es  mit  dem  Archi- 
vio capitolare,  wo  Can.  Nanni  den  Führer  machte.  Hier 
beginnen  die  Pergamene  mit  dem  13.  Jahrhundert.  Reich  und 
wohlgeordnet  ist  das  Archivio  comunale  (vgl.  den  1888  ge- 
druckten Katalog  Archivio  antico  del  municipio).  Von  älteren 
Papsturkunden  ist  indessen  nichts  vorhanden,  auch  nicht  in  den 
wichtigen  Codices  der  Convente  von  S.  Bernardino  und  S.  An- 
gelo  de  Ocra.  lieber  die  Biblioteca  comunale  (Prof.  Enrico 
Casti),  in  der  sich  übrigens  keine  Urkunden  befinden,  wird  dem- 
nächst ein  Bericht  bei  Mazzatinti  Invcntari  erscheinen.  Hierzu 
kommen  noch  die  wichtigen  Manuscripte  Antinorfs,  vgl.  £.  Casti 
Anton  Ludovico   Antinori.    Aquila   1887').    Diese  Mss.  enthalten 


1)  Man  mnS  sich  nicht  darch  De  Sanctis  Angaben  bei  D^Avino  p.  22  irre 
machen  lassen:  seine  Arbeit  ist  lediglich  ein  Auszog  ans  Antinori  (bei  Mora- 
tori  Antiq.  VI). 

2)  Schon  bei  Muratori  Antiq.  VI  citirt  Antinori  mehrere  Mss.  als  in  seinem 
Besitz  befindlich  (penes  mc),  in  denen  aach  die  Papsturknnden  nach  dem  Char- 
tular saec.  XllI  stehen,  nämlich  Johannes  Josephus  Alferius  Aquilae  sacrae  hi" 
Horia  von  1694  und  eines  unbekannten  Autors  Furconium  redivivum  saec.  XVII. 
Das  von  Antinori  1.  c.  497  citirte  Ms.  von  CrispamonU  Istoria  deirorigine  dtUa 


292  P-  Kehr, 

zwar  meist  nur  Citate  von  Urkunden,  hie  und  da  wohl  auch  aus- 
führlichere Eegesten,  aber  sie  sind  doch  wichtig,  weil  sie  das  ge- 
samte lücalhistürische  Wissen  Antinori's  repräsentiren.  Insbeson- 
dere kommen  in  Betracht  seine  Ännali  degli  Abruzzi  (vgl.  Casti 
p.  81)  und  zwar  vol.  VI.  VII.  VIII.    Hier  werden  citirt 

vol.  VI:      Leo  IX.  1051  VI  19.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

Leo  IX.  1053  XII  21.  J-L.  4306. 
vol.  VIII :  Lucius  in.  1183  HI  26.  J-L.  —  ex  cop.  Guerrieri's 

in  arch.    cathedr.   Sulmon.     (Copie  in  Sulmona  Bibl. 

Pansa).    S.  Anhang. 

Lucius  in.   1184  I  19.  J-L.  14974   und  1184   I  21. 

J-L.  —  ex  arch.  mon.  S.  Quirici  mit  X/i.  kal.  fcbr.  *). 

Lucius  III.  1184  VI  10.  J-L.  —  ex  Sorrichio  in  ta- 

bul.   eccl.    cathedr.   S.  Mariae   Adriensis    (Orig.  und 

Cop.  in  Atri).     S.  Anhang. 

Außerdem  wiederholt  er  hier  (vol.  VI.  VII)  die  bereits  bei 
Muratori  Antiq.  VI  937  gedruckten  Notizen  über  die  im  Jahre 
1607  an  den  apostolischen  Nuntius  in  Neapel  gesandten  älteren 
Papsturkunden  für  das  Kloster  S.  Maria  di  Bominaco ,  nämlich 
Gregor  VIL  1072  (statt  1082),  Paschal  II.  1116,  Innocenz  IL  1138. 

Im  zweiten  Theil  seiner  Sammlungen  (Gorografid)  sind  einige 
IGüster  behandelt.  So  S.  Giovanni  in  Casanello  (mit  Lucius  III. 
1184  VI  10),  die  Badia  di  Bominaco,  wo  die  Notizen  über  Gregor 
VII.  1082 ,  Paschalis  II.  1116  wiederholt  und  ein  Citat  über  Ha- 
drian  IV.  1157  hinzugefügt  vmd,  die  Badia  di  Casauria  (aber  nur 
nach  gedruckten  Quellen),  die  Badia  di  S.  Giovanni  di  Collimento 
mit  einer  Notiz  über  eine  angebliche  Urkunde  Innocenz  II.  von 
1139 ,  in  Wahrheit  Innocenz  III.  oder  IV.  Auch  die  anderen 
Theile  (III:  Iscrizioni  und  IV:  Monwnenti^  aomini  illustri  e  cose 
varie)  wie  die  Schriften  seines  Sekretärs  Lodi  {Storia  della  dio- 
cesi  di  Aquüa  4  voll.)  boten  uns  keine  Ausbeute. 

StUmana. 

lieber  die  Archive  von  Sulmona  vgl.  Faraglia  H  codice  Sul- 
monese.    Lanciano  1888  und  Mazzatinti  Gli  archivi  I  76.    Dessen 


ciUä  di  Äquüa  (Crispus  MoDtias  Hist.  orig.  Aqail.)  ist  jetzt  Nr.  1  der  MsB.  der 
Biblioteca  comunale. 

1)  Die  erste  (bekannte)  Urkunde  ist  an  den  Bischof  Odo  von  Penne  gerichtet 
(J-L.  14974),  die  zweite  an  den  Abt  Senebald  von  S.  Qoirico  de  Interocro  war 
vom  21.  Januar  und  ist  unbekannt  (e  poi  a  21  dello  stesso  mese  all'abate). 


Papstarkanden  io  den  Abrazzeo  und  am  Monte  Gargano.  293 

Angaben  stammen  von  dem  um  die  Grcscbicbte  Solmonas  sebr  ver- 
dienten Sindaco  Giovanni  Pansa,  dem  auch  Dr.  Klinkenborg  für 
viele  Anfklärang  und  Unterstützung  wie  immer  bereitwillige  Füb- 
rung  zu  Dank  verpfliebtet  ist. 

Archivio  della  cattedrale  (di  S.  Panfilo). 

Vgl.  6.  Celidonio  L'arcbivio  di  S.  Panfilo  in  Sulmona,  Ras- 
segna  Abruzzese  I  (1897)  und  Faraglia's  Urkundenbucb.  Docb 
hat  dessen  Publication  das  Arcbiv  keineswegs  ausgeseböpft.  — 
Das  Arcbiv  selbst  bestebt  aus  drei  Arcbivkörpern ,  einmal  dem 
der  Kathedrale  von  S.  Panfilo,  dann  dem  des  Bistums  von  Valva 
und  endlich  dem  des  Klosters  S.  Spirito  di  Majella.  Die  beiden 
ersten  Komplexe  sind  durch  den  Canonicus  Spada  katalogisirt, 
der  dritte  ist  erst  seitdem  durch  den  Canonicus  Pansa  hinzuge- 
kommen. —  Doch  ist  leider  nicht  der  ganze  Bestand  von  S.  Spi- 
rito di  Majella  hier.  Einiges  findet  sich  im  Archivio  vescovile 
zu  Chieti  (s.  d.)  und  zersplittert  im  Privatbesitz  zu  Sulmona,  An- 
deres scheint  ganz  verloren,  wie  die  von  Zanotto  ex  originali  in 
archivio  S.  Spiritus  mitgeteilte  Urkunde  Clemens  III.  1888  X  25. 

Auch  das  bischöfiiche  Archiv  hat  noch  in  jüngerer  Zeit 
schwere  Verluste  erlitten.  Es  war  ursprünglich  in  S.  Pelino, 
übt  episcopcHis  sedes  habetur.  Bei  der  Verlegung  des  Bischofsitzes 
nach  Sulmona  blieb  aber  ein  Theil  der  Urkunden  in  S.  Pelino  zu- 
rück (s.  S.  Pelino),  sie  sind  nun  alle  verschollen. 

Originale: 

Innocenz  H.  1138  III  26.  J-L.  — .  Ed.  Faraglia  I  43  Nr.  33 

(Fase.  70  Nr.  1). 
Anastasius  IV.   11B3  VIH  8.  J-L.   — .   Ed.   Faraglia  I  46 

Nr.  35  (Fase.  69  Nr.  1). 
Hadrian  IV.   (11B6)  XH  19.   J-L.   — .    Ed.   FaragUa  1  47 

Nr.  36  (Fase.  69  Nr.  2). 
Hadrian  IV.  1156  XH  20.  J-L.  — .    (Fase.  70  Nr.  2).    S. 

Anhang. 
Alexander  IH.  (1166—79)  I  13.  J-L.  — •    (Fase.  69  Nr.  3). 

S.  Anhang. 
Alexander  IH.  (1169)  VII   25.   J-L.  — .    (Fase.  69  Nr.  4). 

S.  Anhang. 
Urban  IH.  (1186—87)  IV  27.  J-L.  — .    (Fase.  69  Nr.  5). 

S.  Anhang, 
aemens  lU.  1188  IV  5.  J-L.  — .  Ed.  Faraglia  I  52  Nr.  41, 

(Fase.  70  Nr.  8). 


294  P.  Kehr, 

Clemens  III.  (1188)  IV  5.  J-L.  — .  Ed.  Faraglial  52  Nr.  41 
als  Insertum  in  der  Urknnde  Clemens  III.  vom  gleichen 
Tage,  aber  ohne  Datum.    (Fase.  69  Nr.  6)*). 

Celestin  III.  1196  X  18.  J-L.  — .  Ed.  FaragUa  I  58  Nr.  43 
(Fase.  67  Nr.  1). 

Copien : 

Nicolaus  IL  1059  V  1.   J-L.    — .     Copie  saec.  XV  (Carta 

bombagina  Fase.  13).    S.  Anhang. 
Hadrian  IV.  1156  XII  20.  J-L.  — .  Inserirt  in  Innocenz  III. 

1209  X  13  Orig.    (Fase.  69  Nr.  7).    S.  Anhang. 
Clemens  III.  (1188)  IV  5.  J-L.  — .    Inserirt  in  Clemens  LH. 

1188  IV  5.    Orig.    (Fase.  70  Nr.  3).    S.  Anhang. 

Copialbücher  etc.: 

1.  Prozeß  zwischen  dem  Bischof  von  Valva  und  dem  von  Aquila 
vom  J.  1350,  erhalten  in  zwei  Copien  saec.  XIV.  Hier  sind 
inserirt : 

Paschalis  H.  1112  HI  26.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
Innocenz  H.   1138  IH   25.    J-L.    — .    Ed.  Faraglia  I  43 
Nr.  33. 

2.  Copien  saec.  XVII  in  einem  Papierheft  unbekannter  Her- 
kunft mit 

Leo  IX.  1053  XH  21.  J-L.  4306. 

Nicolaus  IL  1059  V  1,  J-L.  — .    S.  Anhang. 

3.  Amico  Phüippo  Guerrieri ,  Canonicus  und  Archivar  zu  Sul- 
mona  (saec.  XVIII)  hat  mehrere  Hefte  und  Copien  hinterlas- 
sen, die  von  großem  Werth  sind,  weil  die  Originale  seitdem 
verschollen  sind: 

Johann  VITE.  876  J-L.  3046  aus  Caraffa. 

Leo  IX.  1053  Xn  21.  J-L.  4306  aus  Orig. 

Nicolaus  II.  1059  V  1.  J-L.  — .    Zwei  Copien   aus  Orig. 

S.  Anhang. 
Gregor  VII.  1080  XII  12.  J-L.  5190  aus  dem  Register. 
Paschal  U.  1112  in  26.  J-L.  -.    S.  Anhang. 


1)  Id  diesem  Faszikel  fehlte  im  Augenblick  Nr.  11,  dessen  Regest  im  Ka- 
talog lautet:  1321  XII  26  Transsanto  di  donazione  in  favore  del  vescovo  sadetto 
del  monistero  di  Sa.  Maria  e  S.  Peregrino  di  Bominaco  e  sentenze  di  piü  pon- 
tefici  col  mandato  fatto  all'abbate  e  fratri  di  detti  monisteri  intomo  prestare 
l'onore  ed  obedienza  al  TescoYO  sndetto. 


Papstnrknnden  in  den  Abrnzzen  nnd  am  Monte  Gargano.  295 

Biblioteca  del  Sindaco  Dott.  Avv.  Pansa. 

Unter  den  Kennern  der  Greschichte  der  Abrnzzen  nimmt  Herr 
Giovanni  Pansa  einen  hervorragenden  Platz  ein.  Insbesondere  hat 
er  sich  bemüht  von  den  zerstreuten  Schätzen  der  üeberlieferong 
SoLoionas  das  noch  Erhaltene  zu  retten.  So  haben  seine  Samm- 
lungen für  die  Geschichte  seiner  Heimath  die  größte  Bedeutung. 
Ein  Theil  des  Nachlasses  von  Guerrieri,  ein  wichtiges  Manuscript 
von  Zanotto,  andere  historische  Aufzeichnungen  befinden  sich  hier. 
Wir  sind  Herrn  Pansa  zu  großem  Danke  verpflichtet,  daß  er  un- 
serm  Mitarbeiter  all  dieses  zugänglich  machte. 

1.  Cartolario  dei  documenü  prodotti  dcü  Sig.  Abhate  regio  Carac- 
doli  nee  non  dei  documenti  si  producono  dalVuniversitä  e  dero  di 
Pacentro  Ms.  saec.  XYIII  mit  den  Kaiser-  und  Papsturkunden 
für  Casauria  und 

f.  17  Lucius  in.  1183  IH  26.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
f.  21  Clemens  HI.  (1188)  IV   5.  J-L.    — .    Inserirt  in  die 
Urkunde  Honorius  IH.  1223  UI  16. 

Desselben  Inhaltes  sind  die  Memorie  su  le  antichitä  di  Pacentro 
avute  da  diversi  aniiquarii,  Ms.  von  1781.  Im  gleichen  Sammel- 
band: Difesa  della  umversitä  di  Pacentro  e  clero  di  esso  coniro 
alle  pretenscioni  di  Francesco  Caracciolo  abbate  della  badia  di  S, 
demente  di  Casauria  1780. 

2.  Lodovico  Zanotto  di  Ccsena^  abbas  congregationis  Coelestinae^  Di- 
gestum  scriplurarum  Coelestinae  congregationis  iuxta  tcniporum  sc- 
ricm  colleciarum,  Ms.  von  1643  in  5  Bänden,  ein  sechster  ist  ver- 
loren, vgl.  Celidonio  L'archivio  di  S.  Panfilo  in  Sulmona  S.  9 
Anm.  3. 

vol.  I  f.  48  Clemens  m.  1188  XI  21.   J-L.    — .    Für  den 

Propst  Walther  von  S.  Benedetto  di  PeriUo  ex 
cop.  in  arch.  mon.  CoUimadii  de  Aquila.  S. 
Anhang. 

f.  48  Clemens  HI.  1188  X  25.  J-L.  — .  Für  das 
Kloster  S.  Pietro  de  Valle  bona  ex  orig.  in 
arch.  8.  Spiritus  de  Sulmona.    S.  Anhang. 

f.  51  Celestin  IIL  1195  V  8.  J-L.  f  17240. 

Das  Archivio  comunale  ist  für  die  Stadtgeschichte  sehr 
wichtig,  hat  aber  für  unsere  besonderen  Zwecke  nichts.  Sehr  reich 
ist  auch  das  Archivio  della  Pia  casa  della  ss.  Annun- 
ziata,   vgl.   Pansa  o  Piccirilli  Elenco   cronologico    delle   perga- 


296  P.  Kehr, 

mene  e  carte  bambagine  pertinenti  all'  archivio  della  Pia  casa 
della  SS.  Annanziata  di  Sulmona.  Lanciano  1891,  aber  altere 
Papsturkunden  besitzt  es  nicht.  Hierüber  und  über  das  Schick- 
sal des  Archivs  von  S.  Spirito  del  Morrone  wie  über  die  an- 
dern Sammlungen  gibt  nähere  Auskunft  Mazzatinti  Grli  archivi  1. 
c.  und  über  die  andern  Bibliotheken  Sulmonas  Mazzatinti  Inven- 
tari  VI  45. 

San  JPeli/no. 

Dies  war  der  ursprüngliche  Sitz  der  Bischöfe  von  Valva  auf  der 
Stätte  des  alten  Corfinium.  Wie  schon  berührt,  kam  das  Archiv  nach 
Sulmona,  aber  Einiges  blieb  zurück.  Noch  heute  ist  in  S.  Pelino 
ein  kleines  Archivio  capitolare  vorhanden,  das  mit  einer 
Pergamenturkunde  des  12.  Jahrhunderts  anhebt.  Außerdem  ist 
jetzt  noch  ein  Registro  delle  pergamene  delVarchimo  di  S.  Pdino 
von  Guerrieri  da,  das  also  beginnt 

Nr.  1  Prima  pergamena  dell'  invenzione  di  S.  Pelino  *). 
Nr.  2  Bolla  di  Pasquale  11.  1113. 
Nr.  3  Bolla  di  Alessandro  IH.  1172. 
Nr.  4  Bolla  di  Onorio  IH.  1223. 

Sie  alle  sind  jetzt  verschollen.  Paschais  II.  Bulle  von  1112 
III  26  haben  wir  zwar  noch  in  jungem  Copien  in  Sulmona;  da- 
gegen haben  wir  von  der  Alexanders  HI.  keine  Spur  gefunden. 
Vielleicht  waren  damals  auch  die  Originale  von  Leo  IX.  und  Ni- 
colaus n.  noch  vorhanden,  die  Gruerrieri  benutzt  hat.  Auch  ein 
Eugen  m.  wird  in  den  jungem  Papsturkunden  citirt. 

Hierzu  kommt  noch  das  Ms.  Miscellanea  di  Corsignano ,  Ms. 
Chart,  saec.  XVII  in  3  Bänden.  Im  Libro  I  steht  ein  Summa- 
rium  von 

Lucius  m.  1183  m  26.  J-L.  -.    S.  Anhang. 

Peseina. 

in  dem  alten  Sitz  des  Bistums  von  Marsi  fand  Dr.  Klinken- 
borg die  freundlichste  Aufnahme  bei  dem  Cav.  Avv.  Sclochi. 
Er  besuchte  zunächst  das  Archivio  capitolare,  dessen  Per- 
gamene mit  1148  beginnen.  Aber  für  uns  kommt  nur  in  Betracht 
das  Ms.  Notammto  della  cütä  e  terre   ddla   diocese   de   Marsi   can 


1)  Vielleicht  der  jetzt  in  der  Bibl.  Vaticana  befindliche  Codex  (D'Avino  Genni 
p.  786). 


Papstarkandeii  in  den  Abrozzen  and  am  Monte  Gargano.  297 

copie  di  holle  di  Unionen  canfini  e  iranslatione  di  sommi  pontefici 
am  Vaggregaiione  di  beneficii  al  Seminario  di  Mons.  vescavo  de 
Marsi  Maiieo  Collie  Ms.  chart.  saec.  XYII : 

f.  1  Stephan  IX.  1057  XII  9.  J-L.  4377 
f.  2  Paschal  H.  1114  H  25.  J-L.  6371. 

Das  Archivio  vescovile  dei  Marsi  (Cancelliere  Colan- 
thonio)  ist  zersplittert.  Ottos  I.  Diplom  DO  I  263  ist  jetzt  im 
Archiv  des  bischöflichen  Generalvicariats  in  Paderborn;  die  noch 
von  Fhoebonios  and  Ughelli  benutzten  Originale  Stephans  IX.  und 
Paschals  11.  sind  verschollen;  ein  Original  von  Lucius  III.  1184 
VI  12.  ist  im  Vaticanischen  Archiv  (Arm.  IX  c.  1  nr.  42),  ed. 
von  E,  Celani  im  Archivio  stör.  Napolitan.  XVIII  74  mit  schönem 
Facsimüe;  die  Urkunde  aemens  ni.  1188  V  31.  J-L.  16265  hat 
A.  di  Pietro  Agglomerazioni  delle  populazioni  attuali  della  dio- 
cesi  dei  Marsi  (Avezzano  1869)  I  311  publizirt.  Vieles  soll  sich 
jetzt  in  Monte  Cassino  befinden.  Doch  enthält  das  bischöfliche  Ar- 
chiv noch  immer  viele  Pergameue  der  aufgehobenen  Klöster,  ins- 
besondere der  von  Celano  und  Pescina.  Es  beginnt  jetzt  mit 
einer  Urkunde  Innocenz  III.  von  1210  mit  inserirtem  Mandat 
Alexanders  III.  an  die  Bischöfe  Benedict  von  Marsi  und  Johann 
von  Segni,  ohne  Datum  (cit.  bei  A  di  Pietro). 

Yen  hier  aus  besuchte  Dr.  Schiaparelli  Celano  und  Avezzano, 
Dr.  Klinkenborg  Isernia  und  Venafro. 


In  Celano  ward  Dr.  Schiaparelli  von  dem  Can.  Giovanni  Bar- 
bat i  dahin  unterrichtet,  daß  die  älteren  und  wichtigern  Documente 
des  Kapitels  im  Jahre  1867  von  dem  Can.  Paoletti  an  sich  ge- 
nommen worden  und  seitdem  verschollen  sind.  Ein  eigentliches 
Kapitelarchiv  existirt  jetzt  nicht  mehr.  Auch  das  Stadtarchiv 
hat  keine  Pergamenturkunden. 

Auch  in  Aveaano  ist  das  Kapitel  aufgehoben  und  das  Archiv 
nach  Kom  gekommen.  Es  begann  mit  1254.  Das  Archivio 
dei  Comune  hat  nur  ein  par  Pergamene  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  14.  Jahrhunderts.  Die  Biblioteca  comunale,  einst 
reich  an  Handschriften,  die  aus  den  aufgehobenen  Klöstern  stanun- 
ten,  hat  jetzt  nichts  mehr  von  Bedeutung. 

In  iMnüfti  aus  dessen  Archiv  der  Papyrus  Johannes  XVIIL 
J-L.  3942,  jetzt  in  der  Biblioteca  civica  zu  Bergamo,  stammt,  fand 
Dr.  Klinkenborg  nur  noch  Reste  des  alten  Archivio  capito- 
lare.    Es  beginnt  jetzt  mit  1U32  (wahrscheinlich  der  von  Ughelli 


298  P-  Kehr, 

VI  394  gedruckten  Urkunde  des  Erzbischof  Adenulf  von  Capua). 
Auch  Urkunden  des  Klosters  S.  Maria  di  Isernia  sind  hier.  Das 
Archivio  vescovile  wurde  1860  von  den  Garibaldianem  ver- 
brannt. Wahrscheinlich  sind  damals  die  Urkunden  zu  Grunde  ge- 
gangen, die  G.  Sannicola  bei  D'Avino  Cenni  p.  276  ff.  citirt,  vor 
allem  die  BuUe  Lucius  III.  1183  III  20.  J-L.  14860.  Das  Ar- 
chivio comunale  hat  nur  einen  mit  den  Anjou  beginnenden 
Liber  privilegiorum.  Das  Archivio  notarile  beginnt  mit 
1B95,  das  Archivio  di  S.  Maria  und  das  Registro  uffi- 
ciale  sollen  nichts  haben. 

In  Venafro  gab  der  sehr  entgegenkommende  Generalvikar  Mons. 
Vitale  Herrn  Dr.  Klinkenborg  alle  nöthigen  Aufschlüsse.  Das 
Archivio  capitolare  sei  neuerdings  durch  Brand  zerstört, 
aus  dem  nur  einige  für  uns  nicht  in  Betracht  kommende  Codices 
gerettet  seien.  Das  Archivio  vescovile  sei  nach  der  Verei- 
nigung von  Venafro  mit  Isernia  nach  dem  letztern  Ort  gebracht, 
hier  aber  1860  mit  dem  bischöflichen  Archiv  von  Isernia  ver- 
brannt worden.  Uebrigens  befindet  sich  die  einzige  Bulle  für  Ve- 
nafro, Alexander  IH.  1172  XH  20.  J-L.  12171  in  Monte  Cassino 
(D'Avino  Cenni  p.  277). 


Wir  wenden  uns  zu  der  Adriaseite.  Hier  fand  Dr.  Schiapa- 
relli  in  Loreto  Apratino  die  beste  Aufnahme  bei  Herrn  Gaetano 
Panbianco,  der  ihn  zunächst  bei  dem  liebenswürdigen  Abt  D. 
Luigi  di  Vestea  einführte,  unter  dessen  Aufsicht  das  Archi- 
vio del  Capitolo  steht.  Dies  besitzt  noch  zahlreiche  Urkun- 
den, die  aber  in  sehr  üblem  Zustande  sind  und  wie  es  scheint 
nicht  über  das  13.  Jahrhundert  hinaufgehen.  Auch  das  Archi- 
vio del  Comune  hat  nichts  Altes,  es  besitzt  nur  etwa  10  Per- 
gamenturkunden des  15.  Jahrhunderts.  Dagegen  sind  nicht  unwich- 
tig die  Sammlungen  des  Cav.  Antonio  Casamarte  di  Campotino, 
der,  einer  der  besten  Kenner  der  Geschichte  der  Abruzzen,  viele 
Urkunden  and  Mss.  zusammengebracht  hat.  Wir  sind  dem  treff- 
lichen Herrn,  der  unserm  Sendboten  mit  der  größten  Liebens- 
würdigkeit seine  Sammlungen  öffnete ,  zu  großem  Danke  ver- 
pflichtet. Die  Urkunden  indessen  gehen  nicht  über  das  14.  Jahrh. 
hinauf.  Wichtig  war  für  unsere  Zwecke  ein  Ms.  saec.  XVIII  mit 
Abschriften  von  Urkunden  für  Penne  von  dem  Notar  Domenico 
Antonio  Blasiotti:  es  sind  die  7  noch  jetzt  in  Originalen  erhaltenen 
Papstbullen  des  Eapitelarchivs  von  Penne. 


Papstnrkiinden  in  den  Abrnuen  and  am  Monte  Gargano.  299 

Femer  das  Ms.  La  Fenice  Vestina  owero  Tantica  e  modema 
cUtä  di  Penne,  parte  11,  Ms.  von  1848  nach  dem  Original  von  1701 
mit  Nicolaus  EL.  1059  V  2.  J-L.  4402  und  den  Kaiserurkunden. 
Endlich  moderne  Copien  des  Chronicon  Casauriense,  der  Chronik 
von  S.  Bartolomeo  di  Carpineto  u.  a. 

lieber  Teramo,  das  alte  Interamnium,  den  Sitz  des  episcopus 
Aprutinus,  vgl.  Francesco  Savini  Grli  archivii  Teramani  e  il  loro 
contenuto  (Teramo  1895),  woraus  sich  bereits  ergibt,  daß  die  alten 
Bestände  verloren  sind,  darunter  die  von  TJghelli  I.  viel  beutzten 
Codices  und  die  BuUe  Anastasius  IV.  1163  XI  27.  J-L.  9769. 
Das  Archivio  capitolare,  wo  der  Prof.  Can.  Giacinto  Pan- 
nella Dr.  Schiaparelli  führte,  hat  nur  noch  wenige,  aber  ungeord- 
nete Pergamene,  die  nicht  älter  sind  als  das  14.  Jahrhundert.  Auch 
der  Liber  episcopcUus,  das  Chartular  der  Kirche  von  Teramo,  ist 
verloren.  Dagegen  ist  noch  ein  BoUario  da,  dessen  Inhalt  mit  dem 
Ausgang  des  13.  Jahrh.  beginnt.  Unbedeutend  und  in  voller  Un- 
ordnung ist  auch  das  Archivio  della  curia  vescovile  mit 
Pergamenturkunden  seit  dem  16.  Jahrhundert  und  einem  mit  1554 
beginnenden  Registrum  primum  bullarum.  Das  Archivio  pro- 
vinciale  hat  eine  Sammlung  von  Pergamenturkunden,  deren  äl- 
testes Document  von  1285  ist.  Das  Archivio  del  Comune 
beginnt  mit  1221.  Bedeutender  sind  die  Sammlungen  im  Archi- 
vio della  casa  Savini,  dessen  Inhaber  Cav.  Savini  dem  Dr. 
Klinkenborg  in  der  gefälligsten  Weise  entgegenkam.  Er  besitzt 
eine  Sammlung  von  Pergamenturkunden  aus  dem  Kloster  S. 
Giovanni  in  Teramo  von  1234  ab  und  eine  große  Zahl  von 
Manuscripten.  Unter  diesen  notiren  wir  das  Ms.  Kat.  1.  Nr.  2, 
eine  Beschreibung  der  Abruzzen  enthaltend,  in  dem  die  Urkunden 
für  S.  Giovanni  in  Yenere  abgeschrieben  ^)  und  eine  Urkunde  Ale- 
xanders HI.  von  1176,  offenbar  J-L.  12714  (UgheUi  VI  709)  leider 
nur  citirt  wird,  und  das  Ms.  Kat.  IV  Nr.  31 :  Registro  de  scritture 
antiehe  notahilli  de  monasteri  mit  Copien  verschiedener  Kaiserur- 
kunden').  Endlich  wurde  noch  besucht  die  Biblioteca  del 
Liceo,  wo  sich  eine  stattliche  Serie  von  Pergamenturkunden  befin- 
det, darunter  solche  der  Cölestiner  von  Corropoli,  von  S.  Giovanni 
in  Teramo  u.  A.,  von  1011  ab.  Auch  das  Autograph  von  Palma 
und  andre  Mss.,  die  für  die  Geschichte  der  Abruzzen  wichtig  sind, 
befinden  sich  hier.    Leider  scheint  indessen  die  reiche  Ueberliefe- 


1)  f.  186  Heinrich  III.  St  2324 ;  f.  149  Heinrich  VI.  St  4933. 

2)  f.  i  Heinrich  VI.  St  4920;   f.  ^  Friedrich  II.   BF.  594;   f.  4'  Heinrich 
\l  St  4826  ? ;  f.  13  Heinrich  VI.  St.  4982»  (Dai.  Uscul.  hol.  maii). 


300  P.  Kehr, 

rang  des  Elosters  S.  Giovanni  in  Venere  in  der  Hauptsache  ver- 
loren zu  sein.  Alexander  HI.  J-L.  12714  und  Innocenz  HI. 
(Ughelli  VI  715)  citiren  als  Vorurkunden  Leo  IX.,  Victor  IE.,  Ni- 
colaus n.  und  Urban  11.    Wir  haben  sie  vergeblich  gesucht. 


JPenne. 

Dr.  Schiaparelli  dankt  dem  Prof.  D.  Giovanni  de  Caesaris, 
der  ihm  den  Zutritt  zu  den  verschiedenen  Archiven  ebnete. 

Archivio  capitolare. 

Originale  ^) : 

Innocenz  Tl.   1140  X  27.  J-L.  8103. 
Eugen  m.  1150  XII  15.  J-L.  9423.  S.  Anhang. 
Anastasius  IV.  1153  IX  22.  J-L.  9746.  S.  Anhang. 
Alexander  UI.  1178  IH  23.  J-L.  — .  S.  Anhang. 
Lucius  in.  1182  V  21.  J-L.  14656  zu  VI  1.  S.  Anhang. 
Clemens  IH.  1189  X  6.  J-L.  16445  zu  X  15.  S.  Anhang. 
Celestin  UI.  1195  H  11.  J-L.  17190  mit  inser.  Lucius  m. 
1184  I  19.  J-L.  14974.  S.  Anhang. 

Copien : 

Lucius  m.  1184  I  19.  J-L.  14974  inserirt  in  Celestin  lU. 
J-L.  17190  Orig.  und  in  Innocenz  HI.  1198  IH  17.  Cop. 
von  1469. 

Archivio  della  cancellaria  vescovile. 

Die  zahlreichen  Pergamenturkunden  gehen  nicht  hoch  hinauf; 
die  beiden  ältesten  Urkunden  sind  von  1121,  aber  in  Copie,  und 
von  1194.    Für  uns  enthält  das  Archiv  nichts. 

Archivio  del  Comune. 

Die  nicht  zahlreichen  Urkunden,  darunter  Diplome  der  Ara- 
gon, gehen  nicht  über  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  hinauf. 
Dagegen  ist  wichtig  das  Ms.  des  Salconio:  Frivüegicrufn  immuni- 
taium  concessumumque  pontificum  quam  etiam  dominorum  imperatorutn 


1)  An  Kaiserorkunden  in  Originalen  sind  hier  Otto  I.  DO.  867  (von  Sickel 
nach  Ughelli  edirt),  Heinrich  VI.  Stampf  Reg.  Nr.  4916  (Orig.  nnd  Cop.  8.  Xm), 
Friedrich  II.  BF.  1888,  BF.  1070  (mit  Goldbulle)  Orig.  and  Cop.  8.  XIV,  BF. 
1840,  Konrad  IV.  BF.  4698  Orig.  and  Copie  von  1888. 


PapBturknnden  in  den  Abnunn  und  am  Honte  Oarguo.  301 

regum  reginarum  dliorumque  prindpum  tarn  cathedraH  erclesiae  quam 
unioersitaii  Pennensis  civitcUis  concessorum  recoUeria  . .  ex  Nicolai  lo- 
annis  Sdleonii  eiusdem  civitatis  Petinensis  derlei  labore,  Ms.  chart. 
saec.  XVI '). 

f.  14  Nicolans  IL  1059  V  2.  J-L.  4402. 

25   Innocenz  II.  1140  X  27.  J-L.  8103. 

26'  Eugen  HI.  1150  XII  15.  J-L.  9423.    S.  Anhang. 

28  Anastasius  IV.  1158  IX  22.  J-L.  9746.    S.  Anhang. 

30   Alexander  III.  1178  UI  23.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

32  Ladas  III.  1182  V  21.  J-L.  14656  zu  VI  1.    S.  Anhang. 

35  Lucius  III.  1184  I  19.  J-L.  14974. 

37   Hemens  III.  1189  X  6.  J-L.  16445  zu  X  15.    S.  Anhang. 

39'  Colestin  IH.  1195  II  11  J-L.  17190  mit  inser.  Lucius  UI. 
1184  I  19.  J-L.  14974.    S.  Anhang. 

44'  Celestin  IIL  1195  VII  31.  J-L.  17272. 

46   Innocenz  III.  1198  III  17  mit  inser.  Lucius  IIL  J-L.  14974. 

52   (Jclestin  IIL  1196  XI  30.  J-L.  17450. 
114'  Celestin  IH.  1194  III  28.  J-L.  — .    S.  Anhang. 
116   Celestin  IH.  1194  IX  28.  J-L.  17146  citirt. 
115  Celestin  III.  1194  IX  28.  J-L.  17147. 
119  Paschal  U.  1116  XII  2.  J-L.  6532. 
121   Innocenz  IL  1138  lU  25.  J-L.  7880. 

121  Eugen  IH.  1149  V  16.  J-L.  —  citirt.    S.  Anhang. 

122  Lucius  III.  1182.  J-L.  —  citirt.    S.  Anhang. 

123  Urban  UL  1187  I  19.  J-L.  15929. 
123'  Celestin  III.  1191  VIII  29.  J-L.  16747. 


Ohne  jedes  Ergebnis  besuchte  Dr.  Schiaparelli  Paseara.  Das 
einzige  geistliche  Archiv  ist  das  Archivio  parrochiale,  das 
keine  historischen  Materialien  enthalten  solL  Das  Archivio 
comunale  ist  18()8  verbrannt.  Ganz  verloren  ist  bekanntlich 
auch  die  reiche  Ueberlieferung  des  alten  Klosters  Casauria  im 
PescaraHuB,  von  der  wir  nur  durch  die  Chronik  des  Klosters  (Cod. 
in  Paris)  wissen.  Ebenso  haben  von  dem  Archiv  von  S.  Libera- 
tore  and  von  S.  Salvatore  am  Monte  Majella  und  von 


1)  An  KaiMrarknnden  stehen  hier  f.  13  Otto  I.  DO.  857,  f.  16  Lothnr  Mahl- 
bacher  Reg.  lOSU,  L  16  Heinrich  VI.  Stumpf  Reg.  Nr.  4916,  f.  19  Stumpf  Reg. 
Nr.  4931,  f.  19'  Constante  11971V,  f.  20  Friedrich  II.  DF.  1070.  t  21'  BF.  1840, 
f.  23  Karl  der  Grole(?)  MoUbacher  Reg.  — ,  f.  58  Ueiurich  VI.  St  4931«,  f.  114 
St  ton  ?.  f.  170'  Konrad  IV.  BF.  4hOd. 
I(L  0«.  4.  W.  ltMkri«ht«L  rUIoUf-kMw.  KImm  1818.  B«n  1.  21 


302  P.  Kehr, 

S.  Maria  d'Arbona  sich  keine  Reste  an  Ort  nnd  Stelle  er- 
halten^). Der  Erzbischof  von  Chieti  G.  M.  Saggese  citirt  bei 
D'Avino  p.  209  noch  mehrere  Papsturkunden  für  diese  Klöster, 
die  wir  vergeblich  gesucht  haben,  so  Paschal  IL  1112  für  S.  Mar- 
tino  in  Valle,  Alexander  IL,  Eugen  in.,  Hadrian  IV.,  Ale- 
xander IIL  für  S.  Salvatore  di  Monte  Majella. 

In  Chieti,  dem  alten  Teate,  stellte  Dr.  Klinkenborg  fest,  daß 
das  Archivio  capitolare,  zu  dem  E.  Winkelmann  seiner  Zeit 
vergeblich  Zutritt  zu  erhalten  suchte ,  nur  s^hr  wenige  Perga- 
mene  enthält.  Das  älteste  ist  von  1095,  das  zweite  ist  das  Ori- 
ginal von 

Alexander  IIL  1173  IX  28.  J-L.  12238 '). 

Kaiserurkunden  sind  nicht  da.  Die  Urkunden  der  aufgehobenen 
Klöster,  von  denen  Winkelmann  N.  Archiv  V  18  berichtet,  sind 
vielmehr  im  Archivio  della  curia  arcivesco vile,  aber 
ohne  Katalog,  ohne  Ordnung,  in  zwei  großen  Kisten  aufgehäuft. 
Sie  stammen  aus  den  Klöstern  von  Chieti,  Pescara  und  Umgegend, 
aus  S.  Spirito  di  Majella  bei  Sulmona  u.  a.  und  reichen  bis  in 
den  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  zurück.  Doch  sind  weder  Kaiser- 
urkunden darunter  noch  ältere  Papsturkunden,  von  denen  die  äl- 
teste erst  Honorius  III.  angehört.  Das  viele  Bände  umfassende 
Bullarium  beginnt  mit  1569.  Das  Archivioprovinciale  ist  ein 
modernes  Verwaltungsarchiv,  in  dessen  Aktenbestände  immerhin 
sich  auch  ältere  Urkunden  verirrt  haben  mögen.  Das  Archivio 
comunale  war  zur  Zeit  unzugänglich,  doch  beginnt  es  nach  Ra- 
vizza,  Epitome  di  pergamene  e  scritture  antiche  nelFarchivio  della 
cittä  di  Chieti  (Chieti  1823)  erst  mit  1299.  Vgl.  auch  Ctsare  de 
Laurentiis,  Pergamene  e  scritture  antiche  deU'archivio  municipale 
di  Chieti  (Rassegna  Abruzzese  I  1897).  Hier  wird  auch  über  die 
Arbeiten  von  Nicolo  Toppi  gehandelt,  dessen  Mss.  sich  jetzt  im 
Staatsarchiv  zu  Neapel  befinden.  Er  hat  1640  noch  Documente 
aus  dem  Archiv  copirt,  die  jetzt  verloren  sind,  als  das  älteste 
Heinrichs  VI.  Urkunde   von  1195,   Stumpf  Reg.  4930.    Das  Ar- 

1)  Die  Urkooden  der  Klöster  dieses  Gebietes  scheinen  alle  verschleudert  zu 
sein.  So  besitzt  Herr  Ubaldo  Pasqni  in  Arezzo  das  Orig.  von  Leo  IX.  J-L.  4277 
=  4298a  für  S.  Stefano  und  eine  Copie  s.XIIL  von  Friedrich  IL  1223  I.  Foggia 
für  S.  Maria  di  Arbona. 

2)  Die  ältesten  Papsturkunden  ftlr  Chieti  (Nicolaus  IL  J-L.  4408  und  Taschal 
IL  J-L.  6461)  kennen  wir  nur  aus  den  Transsumten  im  Archivio  capitolare  di 
S.  Pietro  in  Rom  (vgl.  UghelH  VI.  und  J.  v.  Pflugk-Uarttung  Iter  p.  81).  Ughelli 
VI  707  druckt  wohl  irrig  den  Alexander  III.  J-L.  12238  ex  authentico  archivii 
Yaticanae  basiücaa.    Von  dem  hier  citirten  Eugen  IIL  ist  keine  Spur  vorbanden. 


Papsturkunden  in  den  Abroxzen  and  am  Monte  Qargano.  303 

chivio  notarile,  von  saec.  XVI  ab,  ist  ohne  Bedeutung.  Der 
CommendatoreC.  de  Lauren tiis,  dem  Dr.  Klinkenborg  vielfach 
verpflichtet  ist,  machte  ihn  endlich  noch  aufmerksam  auf  die  Schrift 
Difvsa  a  favore  dd  capitolo  della  rathedrcUe  di  Ckicti  ....  dal  capitolo 
di  Clddi.  Napoli  15  V  1776,  wo  p.  XIV  eine  undatirte  Urkunde 
Urbans  II.  für  Chieti  erwähnt  wird  ex  archivio  della  zecca,  die 
offenbar  identisch  ist  mit  dem  bei  Ughelli  I  702  gedruckten  Frag- 
ment.   Aber  in  Neapel  ist  sie  nicht  gefunden. 

Atri  besuchte  Dr.  Klinkenborg.  Das  Archivio  capitolare 
(Can.  Melchiorre)  hat  Handschriften,  vgl.  Giuseppe  Jorio,  Scorsa 
nell* Archivio  capitolare  diAtri,  ^Iss.  cd  iucunabuli  in  der  llivista 
Abrnzzese  1894  Fase.  8.  9,  und  Urkunden,  viele  aus  dem  Kloster 
Casanello,  darutner 

Lucius  IIL  1184  VI  10.  J-L.  — .  Orig.  und  Copie.   S.  Anhang. 

Das  Archivio  della  curia  vescovile  soll  nur  Verwal- 
tungsakten besitzen.  JiingiTn  Datums  sind  auch  die  Urkunden  des 
Archivio  comunale,  sie  beginnen  mit  Bul  len  Innocenz*  I V.  und 
Alexanders  IV.  Von  Bibliotheken  kommen  in  Betracht  die  B  i- 
blioteca  comunale,  die  ans  der  Bibliothek  der  Kapuziner  in 
Atri  gebildet  ist,  aber  keine  Handschriften  besitzen  soll,  und  die 
Biblioteca  della  casa  di  Sorrichio,  die  aber  leider  we- 
gen Krankheit  des  Besitzers  nicht  zugänglich  war.  Hier  ist  eine 
bandschriftliche  Geschieh te  von  Atri  aus  dem  vorigen  «Jahrhundert 
von  Niccolo  tiorrichio,  in  der  nach  Antinori  Annali  degli  Abruzzi 
Vlll  (s.  Aquila)  eine  Copie  von  Lucius'  111.  eben  angeführter  Ur- 
kunde sein  soll. 

In  Ortona  a  msre  fand  Dr.  Schiaparelli  an  Prof.  Giovanni  Bo- 
nanni  einen  getälligen  Führer.  £r  stellte  fest,  daß  das  Archi- 
vio capitolare  eine  schöne  wohlerhaltene  Sammlung  von  Per- 
gamenturkunden besitzt,  die  mit  1259  beginnt ;  die  älteste  Bulle  ist 
aber  erst  von  Sixtus  IV.  von  1479.  Das  Archivio  della  curia 
vescovile  fangt  erst  mit  dem  16.  Jahrhundert  an,  das  Archi- 
vio comunale,  das  durch  schwere  Brände  gelitten  hat,  erst  mit 
1496  (Urkunde  Friedrichs  III).  Auch  das  hier  bewahrte  Heft  Co- 
pie di  antichi  docunwnti  della  citlä  di  Ortona  bietet  nur  jüngere  Ur- 
kunden von  1467  ab.  Kleine  Archive  besitzen  noch  das  Cister- 
zienserinnenkloster  S.  Caterina,  dessen  Urkunden  Schiaparelli 
bei  dem  Can.  Luigi  Venieri  sah  —  es  ist  eine  kleine  Sanmüung 
von  saec  XVI  ab  — ,  und  die  ehemalige  Kollegiatkirche  8.  Mar- 
gherita Vetera  del  Suffragio,  ebenfalls  mit  einigen  Ur- 
kunden des  16.  Jahrhunderts. 

21* 


304  ^'  Kohr, 

In  Lanciano,  Bistam  seit  1615,  Erzbistum  seit  1562,  unter- 
suchte Dr.  Scbiaparelli  zunächst  das  Archivio  capitolare, 
dessen  Urkunden,  jetzt  in  größter  Unordnung,  mit  1282  beginnen. 
Aelteste  Papsturkunde  ist  Bonifaz  Vin.  1302  III  30.  Wichtig  ist 
ein  hier  bewahrtes  Ms.  des  vorigen  Jahrhunderts  unter  dem  Titel 
Libro  di  memorie  intorno  a  varie  materie  ecclestiasiiche  e  poiitiche  ap- 
partenenti  cUla  cittä  e  diocesi  di  Lanciano  ed  altri  luoghi  del  circan- 
dariOf  raccolte  dal  fu  D.  Antonio  Aniinori  mit  zahlreichen  Notizen 
und  Auszügen  aus  den  von  Antinori  benutzten  Archiven,  nämlich 
dem  erzbischöflichen  Archiv,  dem  Kapitelarchiv,  den  Archiven  von 
S.  Maria  Maggiore,  des  Franziskaner  -  Convents,  der  Brüderschaft 
S.  Mariae,  dem  Archiv  der  Barone  Giuliani,  das  jetzt  verschollen, 
aber  mit  einer  Urkunde  von  1061  IV  11  begann,  den  Archiven  von 
S.  Maria  Nuova,  der  Klöster  Francavilla,  Frisa  (Urkunden  von 
1036  und  1049)  und  Tremiti  (Urkunde  Alexanders  IV.  1256  IR  1). 

üeich  ist  auch  das  Archivio  di  S.  Maria  Maggiore, 
dessen  Urkundenvorrath  mit  1269  anhebt.  Aelteste  Bulle  ist  Boni- 
faz VIII.  1302  III  30.  Dagegen  kommt  das  Archivio  de  IIa 
curia  vescovile  erst  von  1485  ab  in  Betracht;  im  Bullarium 
ist  die  erste  Urkunde  von  1620. 

Das  Archivio  comunale  hat  durch  den  großen  Brand 
von  1799  seine  Urkunden  verloren.  Es  sind  noch  da  ein  Libro 
di  Concili  1653  und  geschichtliche  Aufzeichnungen  mit  Abschriften 
der  städtischen  Urkunden  seit  dem  15.  Jahrhundert. 

Das  für  die  Geschichte  der  Stadt  wichtigste  Material  befindet 
sich  jetzt  in  der  Biblioteca  comunale  beim  Gymnasium, 
dessen  gegenwärtiger  Director  die  wenigen  Manuscripte  zusammen- 
gebracht hat.     Es  kommen  in  Betracht 

Uomobuono  delle   Bocacche  Sioria  di  Ixinciano^    14   voll,   mit 

Noten  und  Documenten,  Ms.  saec.  XVIII. 
Jficabi  Fella  In  Urbis  At^ianensis   chronologiam  ^   Ms.  saec. 

xvn. 

Antonio  Maranca  Istoria  filosofica  e  morale  della  ciitä  di  Lan- 
ciano metropolis  de  popoli  Frentani^  Ms.  von  1874  aus 
den  Sammlungen  von  Antonio  Antinori,  Giacomo  Fella, 
Pietro  Pollidori.  Ihre  Durchsicht  ergab  eine  beschei» 
dene  Ausbeute  für  die  Diplomata,  aber  nichts  für  die 
Papsturkunden  *). 
In  Tasto,  vgl.  Luigi  Anelli,  Ricordi  di  storia  Vastese  (Vasto 
1896),  ist  Dr.  Scbiaparelli  dem  Prof.  Luigi  Anelli  und  dem  Erz- 

1)  N&mlich  in  der  Sammlung  des  Bocacche  eine  Abschrift  Yon  Friedrich  II, 
1212  iV.  und  ein  CiUt  Yon  Manfred  1269  lY  1. 


Papstarknnden  in  den  Abruzsen  and  am  Monte  Gargano.  306 

priester  Mons.  Giuseppe  Marchesani  za  Dank  verpflichtet. 
Nach  deren  Versicherungen  hat  weder  das  Archivio  capito- 
lare,  das  1808  aufgehoben  wurde,  noch  das  Pfarrarehiv  von  S. 
Giuseppe  ältere  Materialien.  Auch  das  Archivio  della  cu- 
ria vescovile  hat  keine  Pergamenturkunden,  aber  viele Papier- 
copien  verschiedener  Herkunft  und  z.  Th.  hoch  hinaufgehend.  Doch 
fand  Dr.  Schiaparelli  darunter  weder  Diplome  noch  Bullen.  Das 
durch  den  Brand  von  1799  schwer  geschädigte  Archivio  co- 
munale  beginnt  mit  1389  VII  17. 

Das  historische  Material  von  Vasto  befindet  sich  jetzt  größten- 
teils im  Gabinetto  archeologico  und  zwar  in  der  Section 
Documenti  patrii.  Doch  besitzt  es  nichts  für  uns.  Auch  die 
historiographischen  Manuscripte  von  Bcncdetto  Betti  Sioria  di  Vasto 
und  desselben  Sioria  ed  annali  di  Vasfo,  von  Älfonso  Viii  Me^voric 
dcllc  antichitä  di  Vasto  ^  von  Giannelli  JUemorie  della  citlä  e  diocesi 
di  Termoli  boten  uns  keine  Ausbeute. 


Wir  folgen  unserm  Führer  auch  in  die  Grafschaft  Moli  sc, 
obwohl  deren  Besuch  die  Schwierigkeiten,  die  zu  überwinden  wa- 
ren, wenig  lohnte. 

Ohne  alles  Ergebniß  besuchte  Dr.  Schiaparelli  Termoli.  Das 
Archivio  capitolare  hat  so  gut  wie  nichts  und  beginnt  erst 
mit  dem  16.  Jahrhundert.  Das  Archivio  della  curia  vesco- 
vile besitzt  nach  der  Aussage  des  Bischofs  nur  moderne  Verwal- 
tungsakten. Das  Archivio  comunale  ist  erst  aus  diesem  Jahr- 
hundert. Auch  in  Gaardialfiera  soll  nach  Aussage  des  Bischofs 
nichts  Altes  vorhanden  sein. 

In  Larino  fand  Dr.  Schiaparelli  freundliche  Aufnahme  bei  dem 
Erzpriester  an  der  Kathedrale  Can.  D.  Pasquale  Ricci.  Das 
Archivio  capitolare  scheint  einst  reicher  gewesen  zu  sein. 
Wenigstens  publizirt  Alberto  Magliano  in  dem  von  ihm  herausge- 
gebenen Werke  seines  Großvaters  Giandomcnico  Magliano  Consi- 
derazioni  storiche  sulla  citta  di  Larino  (Campobasso  1895)  eine 
Urkunde  von  976 ,  deren  Original  im  Eapitelarchiv  gewesen  sein 
soll.  Ist  dies  richtig,  so  hat  das  Archiv  noch  in  jüngerer  Zeit 
Verluste  erlitten,  da  jetzt  das  älteste  Stück  eine  Urkunde  von 
1297  ist.  Nach  dem  noch  vorhandenen  luventario  delle  scrittnrc 
delVardiivio  dd  cajütolo  von  1748  war  damals  das  älteste  Docn- 
ment  eine  bischöfliche  Urkunde  von  1043  oder  1143  für  den  Abt 
von  Casamario,  aber  jetzt  ist  auch  dieses  nicht  mehr  vorhanden. 
Nach  der  Lokaltradition  von  Lanciano  sollen  wichtige  Urkunden 


306  P.  Kehr, 

in  diesem  Jahrhundert  verkauft  oder  zerstört  worden  sein,  Ande- 
res soll  sich  im  Besitz  der  Familie  Levante  befinden. 

Das  Archivio  della  curia  vescovile  ist  dürftig.  Das 
älteste  Document  ist  das  Original  von 

Lucius  m.  1182  n  27.  J-L.  14596. 

Das  Archivio  comunale  beginnt  mit  1742.  Von  den  Bi- 
bliotheken haben  weder  die  des  Seminariovescovile  noch  die 
Biblioteca  comunale  Manuscripte. 

In  Trivento  öffnete  die  Güte  des  Bischofs  Mons.  Carlo  Pietro- 
paoli  unserm  Mitarbeiter  sogleich  die  Archive.  Das  Archivio 
capitolare  ist  nicht  übel,  aber  jung;  es  beginnt  erst  mit  dem 
16.  Jahrhundert.  Im  Archivio  della  curia  vescovile  ist 
der  schöne  und  reiche  Urkundenvorrath  des  Klosters  S.  Maria  de 
Maiella  di  Agnone  untergebracht,  vom  13.  Jahrhundert  ab,  ohne 
Bullen  und  Diplome,  und  daneben  viele  Abschriften,  die  sich  auf 
die  Klöster  und  Kirchen  der  Diözese  von  Trivento  beziehen. 
Doch  war  nichts  für  uns  darunter.  Das  Archivio  comunale 
ist  ganz  modern.  Die  Biblioteca  comunale  hat  keine  Manu- 
scripte, die  Biblioteca  del  Seminario  nur  ein  Pergament- 
heft mit  den  Statuten  der  Stadt  Trivento  von  1495  V  16. 

Agnone  hat  ein  reiches  Archivio  comunale  antico  mit 
den  Urkunden  von  S.  Chiara  (von  1230  ab),  mit  Urkunden  betref- 
fend Larino  (von  1231  ab)  und  mit  Urkunden  der  Comune,  unter 
denen  sich  viele  Originale  der  Anjou  befinden. 

Auch  Campobasso  hat  keine  alten  geistlichen  Archive.  Von  den 
Pfarrkirchen  hat  nur  die  Parrochia  di  SS.  Giorgio  e  Leo- 
nardo Pergamenturkunden.  Es  sind  152  Stück,  die  in  die  beiden 
Bände  Diversa  eingebunden  sind.  Die  ältesten  —  sie  beginnen 
schon  mit  IKX)  IV  —  sind  Urkunden  der  Bischöfe  von  Boiano; 
weder  ältere  Papsturkunden  noch  Diplome  sind  dazwischen.  In 
den  Pfarrkirchen  S.  Maria  Maggiore  e  Triniti,  S.  Bartolomeo,  S. 
Angelo  e  Mercurio  wie  im  Konvent  von  S.  Giovanni  erhielt  Dr. 
Schiaparelli  den  Aufschluß,  daß  Urkunden  überhaupt  nicht  mehr 
vorhanden  seien.  Nicht  unwichtig  ist  das  Archivio  comunale, 
beginnend  mit  einer  Urkunde  von  1277.  Dagegen  ist  das  Archi- 
vio provinciale  ganz  modern.  Das  Archivio  notarile 
fängt  mit  dem  16.  Jahrhundert  an;  dasUfficio  del  registro 
soll  nichts  besitzen. 

Boiano,  wo  Dr.  Schiaparelli  die  freundlichste  Aufnahme  bei 
dem  Arciprete  Can.  Giuseppe  N  a  r  d  o  n  e  fand,  hat  leider  schwere 
Verluste  erlitten.    Das  Archivio  capitolare   ist   1805  durch 


Papstarkanden  in  den  Abruzsen  und  am  Monte  Gargano.  307 

ein  £rdbeben  zerstört  worden,  wobei  die  älteren  Bestände  ver- 
loren gegangen  zxx  sein  scheinen.  Wie  reich  es  war,  sieht  man 
BMs  den  Invcntarien.  So  enthält  Volunie  I  f.  508  ein  Inventar 
unter  dem  Titel  Nota  ddle  scritture  die  sono  nelVarchivio  del  rev. 
capitolo  di  Boiano  con  brcve  sommario  di  quanto  si  contietw  in  quelle^ 
fiUlo  per  ordine  di  Mons,  Rev,  Fulgentio  Gallucci  vescovo  di  questa 
cUtä  1628  VII  20,  in  dem  201  Docnmente  registrirt  sind,  deren 
ältestes  von  1073  war*)  und  unter  denen  auch  ein  Diplom  Fried- 
richs II.  war*).  Danach  war  die  älteste  Papsturkunde  (Nr.  173) 
ein  Breve  von  Nicolaus  IV.  Jetzt  ist  das  älteste  Stück  des  Ar- 
chivs ein  Botulus  von  1233,  auf  dem  die  Reliquien  der  Kirche  in- 
ventarisirt  sind. 

Das  Archivio  della  curia  vescovile  soll  das  Militär 
18(30  devastirt  haben;  Pergamene  sind  jedenfalls  nicht  mehr  da 
und  die  Bullarien  beginnen  mit  1551,  Das  Archivio  comu- 
nale  beginnt  mit  1744  und  im  Ufficio  del  registro  soll 
nichts  Altes  sein. 

Eine  wichtige  Sammlung  von  Manuscripten  und  Urkunden  be- 
sitzt dagegen  Herr  Domenico  Chiovitti,  darunter  ein  Inven- 
tar der  Urkunden  von  S.  Maria  del  Parco  (deU*immacolata  Conce- 
zione)  zu  Boiano  (116  Documente  vom  16.  Jahrhundert  ab)  und 
eine  notarielle  Copie  von  1357  IX  von 

Celestin  lU.  1194  V  23.  J-L.  — .    S.  Anhang. 


Traurig  sieht  es  am  Monte  Gargano  aus.  Was  die  Nach- 
lässigkeit der  Bewohner  übrig  ließ,  zerstörte  vollends  die  Barbarei 
der  Türken.  So  ist  fast  überall  das  gleiche  Ergebniß  zu  verzeich- 
nen: klägliche  Reste  einer  alten  Ueberlieferung. 

Das  gilt  vor  allem  von  der  Metropole  Kanfredonia,   dem  alten 

1)  Interessant  ist  das  Regest  von  Nr.  42 :  Instrumente  rogato  per  mano  di 
not.  Gogliehtto  di  Boiano  a  20  dt  Agosto  1241  dell'inTentario  fatto  da  Giovanni 
Capuano  di  Napoii  per  ordine  di  Federico  imperatore  del  tbesoro  e  di  tutte  le 
cose  pretiose  delle  chiese  delle  diocesi  dl  Venafro,  Isernla,  Boiano,  Quardia  AI- 
fiera  e  Trivento,  cio^  dell'oro,  argcnto,  pietre  pretiose  e  paramenti,  di  qualsi- 
voglia  Sorte  e  forma  si  fossero ,  con  ordine  che  fatto  l'apprezzo  di  quelle,  e  tre 
pubblid  instnimenti,  ono  di  detti  instrumenti  restasse  in  potere  di  dascuna  cathe- 
dnüe,  e  11  dne  altri  con  tutto  il  thesoro,  oro,  argento  e  pietre  pretiose  si  tras- 
portassero  ad  esso  imperatore  in  San  Qermano,  fatto  prima  di  dette  cose  Tap- 
preuo  si  come  fnrono  inventariate  et  appressate,  in  presensa  del  vescovo  di 
Boiano  trasportate  conf.  a  sndetto  ordine  eccetto  11  parati  e  le  cosi  di  poco 
valore. 

2)  Nr.  189:  Privilegio  di  Federico  imperatore  a  favore  di  Yillio  di  Faraz- 
saw)  cameriero  del  cardinal  Sant  Angelo  fatto  nel  mese  di  mano  1212. 


308  P.  Kehr, 

Siponto,  wo  der  Erzbischof  Mons.  Pasqaale  Gagliardi  ansern 
Sendboten  nicht  nur  auf  das  Gütigste  aufnahm,  sondern  ihn  auch 
mit  seiner  gewichtigen  Empfehlung  unterstützte.  Die  Türken 
haben  1620  der  Stadt  einen  Besuch  abgestattet ,  bei  dem  die  Ar- 
chive zu  Grunde  gerichtet  sind;  auch  die  Kathedrale  ist  damals 
zerstört  worden  (Schulz  I  217).  Damit  ist  auch  die  reiche  alte 
Ueberlieferung  zu  Grunde  gegangen.  In  seinem  im  Kcgistrum  er- 
haltenen Beeret  hat  Innocenz  III.  (Ughelli  VII  829)  eine  ganze 
Reihe  von  Papsturkunden  aufgezählt :  Benedict  IX.  J-L.  4122,  Pa- 
schal  II.  J-L.  6584  und  6585,  Eugen  III.  J-L.  9651,  Alexander 
UL  J-L.  14233,  Lucius  m.  J-L.  15198,  Celestin  UI.  J-L.  176r30. 
Von  allen  diesen  ist  in  Manfredonia  keine  Spur  mehr  vorhanden. 
Nur  Alexanders  III.  Bulle  besitzen  wir,  aber  in  der  Ueberlieferung 
von  Benevent,  aus  der  wir  sie  mittheilen  (s.  Anhang)  *).  In  Manfre- 
donia selbst  hat  das  Archivio  capitolare  (Inventarium  von 
1777)  nur  ein  paar  Pergamenturkunden  saec.  XVII  und  auch  nur 
wenige  Papierurkunden  vom  16.  Jahrhundert  ab,  die  einzigen 
Reste  der  älteren  Periode.  Darunter  ist  ein  Faszikel  Vrivilaji 
von  1676  und  1676  mit  einer  von  dem  Notar  Francesco  Antonio 
Patrizio  di  Manfredonia  authentizirten  Copie  von 

Celestin  III.  1195  VH  11.  J-L.  17266. 

Auch  das  Archivio  della  cancellaria  arcivesco- 
vile  und  das  eigentliche  Archivio  ar  civesco  vile  haben  nichts 
Altes  mehr;  im  ersteren  sind  nur  Papierakten  vom  17.  und  ein 
paar  Pergamenturkunden  vom  18.  Jahrhundert  ab.  Ebenso  ist 
das  Archivio  comunale  für  uns  ohne  alle  Bedeutung;  es  hat 
von  Wichtigerem  nur  ein  Ms.  des  17.  Jahrhunderts  mit  den  Ca- 
pitoli  u.  s.  w.  der  Stadt.  Auch  in  den  Klöstern  der  Benedictine- 
rinnen  und  der  Klarissinnen  fragte  Dr.  Schiaparelli  erfolglos  an. 
Das  Ufficio  del  registro  hat  gleichfalls  nichts  Altes,  die 
Biblioteca  comunale  hat  nicht  einmal  Manuscripte. 

In  Konte  S.  Ängelo  hat  sich  von  älterem  Material  nur  als  In- 
schrift über  der  Kirchenthiir  die  Bulle  Alexanders  III.  (1168 — 69) 
IV  25.  J-L.  11539  (daraus  edirt  von  Schulz  I  236)  erhalten.  Das 
Archivio  capitolare  selbst  hat  nur  ein  paar  Urkunden  vom 
16.  Jahrhundert.  Das  Archivio  comunale  aber  haben  1814 
die  Briganten  verbrannt. 

Yiefti,  vgl.  das  Buch  von  Griuliani  über  die  Geschichte  von 
Viesti,  hat  sicher  einst  alte  Ueberlieferungen  besessen,  aber  dies 

1)  Vgl.  auch  die  Nachr.  1898  S.  63  ff.  pubÜEirten  Urkunden  Alexanders  IL 
(Nr.  4  und  6). 


PapstarkuadcD  io  deo  Abrusseo  and  am  Monte  Gargano.  309 

alles  ist  1654  zu  Grunde  gegangen,  als  die  Türken  die  Stadt  ver- 
brannten. Jetzt  istimArchivio  capitolare  nicht  eine  ein- 
zige Pergamentnrknnde  erhalten ;  das  älteste  In^strumeut  überhaupt 
ist  von  1599.  Ebem$o  haben  das  Archivio  della  curia  ves- 
covile  und  das  Archivio  comunale  nichts  irgendwie  Be- 
deutendes und  Altes. 

Vieo  Oftrganioo  wurde  samt  seinen  Archiven  1646  durch  ein 
Erdbeben  zerstört;  darüber  hinaus  sind  nur  geringe  Reste  er- 
balten. Das  Archivio  capitolare' hat  noch  ein  paar  Ur- 
kunden aus  dem  16.  Jahrhundert,  das  Archivio  comunale 
vollends  ist  ganz  modern.  Das  Ufficio  del  registro  und  die 
Biblioteca  dei  Cappuccini  wurden  ohne  Erfolg  besucht. 
Gewisse  Urkunden  soll  die  Familie  Della  Bella  und  Prof.  G. 
Del  Yiscio  besitzen ;  die  ersteren  sah  Schiaparelli  leider  nicht, 
die  des  andern  sind  ohne  erhebliches  Interesse.  Ebenso  trostlos 
sieht  es  in  8.  Hioandro  Oarganieo  aus.  Das  Archivio  capito- 
lare hat  nur  3  Pergamenturkunden,  von  denen  2  aus  dem  18. 
Jahrhundert  herrühren.  Mit  derselben  Zeit  beginnt  das  Archi- 
vio comunale.  Urkunden  hat  Cav.  Antonio  Fioritti,  leider 
war  er  abwesend. 

San  Maroo  in  Lamis,  (vgl.  Giuliani  Cenno  storico  di  S.  Marco 
in  Lamis)  hat  ein  Archivio  capitolare  ohne  Werth  mit 
Papierakten  saec.  XVII  und  ein  ganz  modernes  Archivio  co- 
munale. Das  Archiv  des  Klosters  S.  Matte o  aber  ist  1799 
verbrannt. 

San  Giovanni  Botondo,  (vgL  Fr.  Xardella  Memorie  storiche  di 
S.  Giovanni  Rotondo,  Foggia  1895)  besitzt  fast  allein  unter  den 
Orten  des  Monte  Gargano  eine  ältere,  wenn  auch  nicht  mehr  ori- 
ginale Ueberlieferung.  Im  Archivio  capitolare  sollen  die 
Materialien  indessen  erst  im  14.  Jahrhundert  beginnen.  Aber  das 
Archivio  comunale  hat  einen  Papier  band  saec.  XVII I  mit 
vielen  Copien  der  alten  mit  1095  beginnenden  Urkunden.  Aeltere 
Papsturkunden  sind  allerdings  nicht  dazwischen,  dagegen  zwei 
Urkunden  K.  Friedrichs  IL  von  1221  II  Salerno  und  1231  Foggia 
(A  f.  101  u.  f.  103').  Die  Biblioteca  dei  Cappuccini  endlich 
scheint  keine  Hss.  von  Bedeutung  zu  besitzen. 

In  San  Severe,  mit  dessem  Besuch  Dr.  Schiaparelli  seine  Reise 
am  Monte  Gargano  und  in  der  Capitanata  schloß,  fand  er  freund- 
liches Entgegenkommen  bei  dem  Arcidiacono  Nicola  Tura.  Das 
Archivio  capitolare  ist  klein  aber  wichtig.  Die  Pergament- 
nrkonden  beginnen  mit  1120;   älteste  Bulle 

aemens  HI.  1189  IV  1.  J-L.  — .    Orig.    S.  Anhang. 


310  P.  Kehr, 

Außerdem  besitzt  das  Archiv  eine  Menge  von  Fapierarkunden, 
Protokollen  und  Manuscripten ,  darunter  die  Hs.  Stallone  atUichis- 
simo  di  questa  cattcdral  chicaa  sin  dalVanno  1535  con  notizie  di  tnolte 
cose  passate  etc.,  Ms.  chart.  von  1722,  wo  p.  1  eine  Copie  saec.  XVI 
von  einer  Bulle  Honorias  III.  1216  X  21  für  das  Kloster  S.  Pietro 
di  Torre  maggiore  steht.  Aus  dieser  an  den  Abt  Walter  gerich- 
teten Urkunde  erfahren  wir,  welche  Serie  von  Papsturkunden 
das  alte  Kloster  einst  besessen  hat.  Honorius  lU.  bec$tätigt  in 
seiner  Urkunde  die  nicht  erhaltenen  Urkunden  Nicolaus  II.,  Ale- 
xanders II.,  Gregors  VII.,  Eugens  III.,  Alexanders  III.,  Lucius 
in.,  Clemens  III.,  Celestins  III.  und  Innocenz  III.  ^). 

Ebenso  erfolglos  suchte  Dr.  Schiaparelli  die  Bulle  Clemens  11. 
von  1047  V  7  (Clemens  IV?),  die  Fr.  de  Ambrosio  Memorie  sto- 
riche  della  cittä  di  Sansevero  in  Capitanata  (Napoli  1875)  S.  92  zu 
1046  citirt  „il  quäle  riconobbe  essere  antica  la  chiesa  di  Santa 
Maria  ed  essere  parrochiale  coUcgiale"  '). 

Das  Archivio  della  curia  vescovile  hat  zwei  Abtei- 
lungen, eine  moderne  Registratur  (Curia  nuova)  und  das  alte  Ar- 
chiv (Curia  vecchia),  das  nur  mit  einer  Leiter  auf  lebensgefähr- 
licher Passage  zu  erreichen  war.  Schiaparelli  hat  die  ungeordnete 
Masse  genau  untersucht  und  festgestellt,  daß  hauptsächlich  Ur- 
kunden aus  S.  Giovanni  in  Piano  und  S.  Trinitä  dazwischen  sind. 
Die  älteste  Pergamenturkunde  ist  indessen  erst  von  1477.  Es  scheint 
also  auch  die  Ueberlieferung  von  Dragonara  und  Civitate  ver- 
loren zu  sein.  Ein  Papierband  saec.  XVI  fand  sich  noch,  wo  auf 
f.  11'  die  Urkunde  Friedrichs  11.  BF.  1319  steht,  fol.  19'  Celestin 
V.  1294  X  25.  Auch  einige  Papiercopien  von  diesen  Urkunden 
sind  noch  da,  weiter  auch  eine  solche  von  Innocenz  IlL  1215  XI 13, 
alle  fiir  S.  Giovanni  in  Piano. 

Ein  Besuch  der  Kirchenarchive  von  S.  Severo  ergab  gleich- 
falls negative  Resultate.  Die  Parrochia  di  S.  Severino  hat 
einen  Akt  von  1489,  die  Parrochia  di  S.  Nicola  hat  nur 
Taufakte  von  1597  ab,  Carmine  Dokumente  vom  18.  Jahrhun- 
dert ab.  Ueber  die  Parrochie  von  S.  Giovanni  vgl.  Vincenzo 
Tito  Memorie  della  parrochiale  e  collegiata  chiesa  di  S.  Giovanni 
Battista  eretta  nella  citta  di  San  Severo  (Napoli  1859). 


1)  InTorre  maggiore,  das  Dr.  Schiaparelli  selbst  noch  besuchte,  fand  er 
überhaupt  keine  ftltere  handschriftliche  Ueberlieferung  mehr. 

2)  Vgl.  auch  Matteo  Fraccacreta  Teatro  topografico  storico  poetico  della 
Capitanata  e  degli  altri  luoghi  piü  memorabili  e  limitrofi  della  Puglia  6  Bde. 
Napoli  1828—37.  Band  6  soll  als  Ms.  im  fiesita  des  Prof.  L.  Nittoli  in  San 
Severo  sein. 


Papsturkunden  io  den  Abrussen  nnd  am  Monte  Oargano.  311 

Das  Archivio  commanale  fangt  mit  1809  an,  die  Bi* 
blioteca  comanale  hat  keine  Handschriften,  das  Ufficio 
del  registro  nur  die  Plateae  der  aufgehobenen  Klöster. 


1. 

Leo  IX.  hestätifft  dem  Kloster  S,  Maria  di  Ficciano  unter  dem 
Abt  Teoihmcw  die  Besitzungen  und  Zehuten,  die  Wahl  des  Bischofs 
für  die  hischöflichen  Leistungen  und  die  Exemption, 

1051  Juni  19. 

Citirt  von  L,  A.  Antinori  Annali  degli  Ahruezi  vol.  VI, 
Ms.  Aquila  Biblioteca  comunale  aus  dem  Charttdar  des  Klosters 
S.  Maria  de  Succursu  p.  10^): 

L*abate  Teodemario  ottenne  dal  papa  Leone  IX  a  19  di  gingno 
la  conferma  del  monistero  dctto  di  Picciano  ed  anche  di  Casanova 
e  de  beni  che  gli  erano  stati  donati  come  pure  tntte  le  decime  de 
morti,  colla  licenza  di  fare  consecrare  le  chiese  e  gli  altari,  ordi- 
näre i  monaci  e  i  cherici  da  vescovi  cattolici,  l'esenzione  del  laogo 
dai  sinodi  vescovile,  dalle  gioridizione  o  piuttosto  molestie  d'impe- 
radori,  re,  ducchi,  marchesi,  vescovi,  conti  o  altri  nelle  celle,  ca- 
stelli,  ville,  poderi  sotto  pena  di  censnra  ai  distrattori. 

{Am  llatuic):  Dat.  XIII.  kal.  iol.  per  manas  Federici  diaconi 
et  bibliotecarii  et  cancellarii  aice  Ermanni  Coloniensis  archiepis- 
copi  archicancellarii,  pout.  III,  ind.  IV. 


3. 

Nicolaus  IL  bestätigt  dem  Bistum  Valva  unter  detn  Bischof  Do- 
miniciis  den  Umfang  des  Spreugels  und  das  dem  Bischof  Grimoald  von 
Kaiser  Otto  verliehene  Inquisitiousrecht. 

1059  Mai  1. 

Copie  von  Ouerrieri  saec.  XVIII  Sulmotui  Archivio  capitolare 
{A).  —  Copie  saec.  XVII  ebenda  (B).  —  Copie  saec.  XV  ebenda  (C) 
=  Copie  von  Ouerrieri  saec.  XVIII  ebettda. 

Nach  der  Urkunde  Leos  IX.  J-L.  4306  geschrieben  und  fast 
gleichlautend  mit  J-L.  4403.  —  Citirt   von   Cdidonio  Varchivio 


1)  Das  moster  8.  Maria  di  Picciaoo  ward  spftter  mit  dem  Kloster  S.  Maria 
da  Saocorta  in  Aqoila  vereinigt.  Von  diesem  Copialbacli  bat  sich  keine  Spnr 
finden  lassen. 


812  P.  Kehr, 

di  S.  Panfilo  in  Suhnona  p,  2,  5.  —  Besser  als  C,  das  Gtterrieri 
zuerst  copirtej  ist  A^  das  Guerrieri  nach  dem  von  ihm  aufgefunde- 
nen Original  verbesserte.  Aber  die  Namenformen  sind  auch  da 
offenbar  stark  vcrdtrbt,  wie  auch  aus  der  UrJcunde  Paschais  IL 
von  11V2  III  26  {s.  Nr,  3)  hervorgeht. 

;P"'  Nicülaus  episcopus  seruus  seruorum  dei.  Dilecto  confra- 
tri  Dominico  sanct^  *^  Balbensis  ^^  ecclesw^  episcopo  cunctisqae  succea- 
soribas  tuis  in  eadem  ecclesia  canonicc  promouendis  in  pcrpetuom. 

£tsi  iabemur,  dam  tempus  habemuä,  a  domino  bonnm  operari, 
maximc  tarnen  ad  domesticos  fidci,  unde  omnibus  ecclcsiis  Christi  ^'^ 
pro  ca  qu*j  nobis  credita  est  dispensatione,  soUicitudinem  nostram 
habemus'^  sie  debemus  inaigilare  longinqais,  ne  in  aliquo  absimas 
propinqnis.  Itaque  ad  suggestioucm  tuam,  carissime  confrater  et 
coepiöcope  Dominice,  quem  a  reuerend§  memorig  predecessore  no- 
stro-^  domino  Leone  ex  c^nobii  disciplina  ad  episcopatus  curam 
promotom  gaudemus  et  antecessoribus  nostris  atque  nobis  fideliter 
et  iugiter  deseraire  in  sanetaBomana  ecclesia  cognoscimus,  sanct^ 
Balbensis*^  ecclesi?,  cui  deo^^  authore  pr^sides,  quamuis  pcccatis  fa- 
cientibas^)  malitia  sQcolarium  hominum  et  peccatoram*>  eins  sua 
non  quQ  lesa  Christi  sunt  qu^rentiam  supra  modom  desolate  et  de- 
structe**^  munimine  apostolici  priuilegii  contra  impetas  et  machina- 
menta  sacrilegornm  obtendimus.  Igitnr  authoritate  apostolica  per 
hoc  nostrcj  constitutionis  priuilegium  concedimas  et  corroboramus  *^ 
tibi  tuisque,  nt  dictum  est,  sucecrfsoribus  in  perpetuum  episco- 
patum  Baibensem 'J  cum  omni  sua  integritate  et  pertinentia, 
sicut  antiquis  et  iustis  limitibus  determinatur ,  scilicet  a  fossato 
Luparelli"*^  ad  portellam  siue  columnam**^  et  a  furca  de  Cozzia*^ 
ad  Stafilum  inter  montes,  hinc  a  casteUo  de  Furca  ad  serram  de 
Cannatina')  et  a  serra«^  de  Sigella  ad  serram  de  monte  Christi, 
inde  a  monte  Ceneracici '"^  ad  crucem,  inde  a  ualle  Araldi  ad  muri- 
cem  de  Celici  et  a  serra  de  Cantu  ad  furcam  Miznia,  deinde  a 
robore  Cerurci  et  a  campo  Olomeo  et  a  Carite  ad  columnellam  de 
campo  Mezzo,  ubi  oritur  aqua  de  Sangro  et  pergit  ad  fossatum 
Luparelli,  (^uod  iam  dictum  est.    Principaliter  quoque  confirmamus 

a)  80  C',   B  hat  XPS;  in  Ä  fehlt  das  Ldbarum  ganz.        h)  et  B,*      c)  Yal- 

nensis  B,             d)  ande  —  Christi  zweimal  in  A.             e)  habemus  B^  fMt  in 

AC,            f)  qaem  ad memoriain  quoque  nostram  27.             g)  domiuo  B, 

h)  peccatis  faaeutibus  B\  pietati  facientibus  A,  i)  pectorum  B.  ii)  deso- 
lare et  dcstruere  ABC,  k)  corroborauimus  B.  l)  Ualuensem  B,  m)  Lo- 
parelli  B.  n)  portellaa  siue  columnas  B.  o)  Cozsa  B.  p)  Canna* 
^ne  B,           q)  ad  serram  B.           r)  Ceuerarici  B. 


Papsturknnden  in  den  Abruzzen  und  am  Monte  Gargano.  313 

tibi  ad  episcopalem  sedem  ecclesiam  sancti  Pelini  cum  omnibus 
sibi  iaste  pertinentibus,  pariter  ecclesiam  sancti  Papiphili  cum  cq- 
teris  ecclesiiä  et  capellis^  quf^cumque  inter  pr^fatos  terminos  po- 
site')  6380  noscontur,  com  omnibus  pcrtincntiis  earam,  ita  nt  de- 
cimas  et  oblationes  tam  uiaorum  quam  mortuornm  secundum  autho- 
ritatcm  saerornm  canonum,  prout  tibi  uidebitur,  sicut  episcopum 
decet,  disponas  et  dispenses'^;  clericorum  causas  et  negotia  ad  s$- 
culares  homines  et  eorum  iudicia  transire  non  consentias,  sed  tu 
ipse  et  successores  tui  audiatis  et  canonice  dcfiniatis.  Et  quia 
maloram  pectorum  negligentia  simul  et  nequitia  monumenta  char- 
tarom  uel  priuilegia  antecessorum  nostrorum  et  si  qua  sunt  alia 
instrumenta,  quibus  possessiones  et  bona  ipsius  episcopatu.s  iirma- 
bantar  et  retinebantur,  aut  perdita  aut  subtracta  fuisse  constat, 
per  hoc  nostr^  authoritatis  priuilegium  sancimus,  ut  nihil  hoc  pr^- 
fate  ecclesit^  noceat,  sed  iuxta  quod  Otto  imperator  Grimnaldo 
eiusdem  ecclesi^  episcopo  etiam  per  pr^ceptum  cdixit,  abicumque 
necessitas  et  iustitia*')  ipsius  episcopatus  fuerit,  sub  interpositione 
sacramenti  per  neraces  homines  tam  diuites  quam  etiam  mediocres, 
qaos  idem  episcopus  denominauerit,  in  cuinscumque  potestate  sit, 
ipsa  iustitia  inquiratur  et  ecclesicj  restituatur.  Insuper  decemi- 
mos  sab  interpositione  districti  anatliematis,  ut  quicumque  conscius 
est  possossionum  uel  bonorum,  quQ  iuste  competunt  pnjfato  episco- 
patni  et  tamen  inde  alicnata*)  ab  improbis  hominibus  detinentar"\ 
episcopo  aut  suis  manifestet,  ne  malis  aliorum  consentiendo  et  ta- 
cendo  sacrilegus  apud  dominum  existat.  Omnes  etiam  chartQ  fact^ 
ad  damnum  ecclesiQ  uel  quQ  fucrunt  ipsi  ecclesirj  subtractfj  et  deti- 
nentur  ab  inuasoribus,  apostolic^i  authoritate  sint  inanes  et  uacu^. 
Hinc  sancti^  Romano  et  apostolict^  sedis,  cuius  iuris  episcopatus  ille 
specialiter  esse  dignoscitur,  authoritate  sub  interminatione  districti 
anathematis  interdicimus ,  ne  aliqua  magna  uel  parua  persona 
cuiuscomqne  conditionis  et  dignitatis  molestare  inqnietare  disuestire 
pr^sumat  eum  absque*^'  legali  discussione  ex  omnibus  rebus  mobilibus 
uel  immobilibus  scsequc  mouentibus,  qu^  nunc  possidet  et'^  deinceps 
ioiite  acquirere  et  possidere  poterit.  Quod  si  quis  dei  et  animQ  suq 
inimicos  quocumque  modo  uel  ingenio  huius  apostolici  priuilegii  teme- 
rarius  prQuaricator  existere  non  timuerit  et  aliquid  eorum  qu^  hie  aut 
confirmantur  aut  iniirmantur  a  nobis,  sibi  pr^sumpserit  contra  hoc 
quod  nostr^  authoritatis  censura  hie  promulgatur'^^,  perpetui  anathe- 
matis sententia  se  Gehenn^  cum  diabolo  et  angelis  eins  irreparabiliter 

9)  posiu  A.  t)  et  dispenses  B,  fehlt  in  A.  ü)  necessitas  ex  B. 

r)  alienat^  B.  w)  detinetur  ABC.  ir)  eum  fMt  in  A,  x)  et  /eM(  ABC. 
XX)  pronulgaait  B. 


314  P.  Kehr, 

mancipandum  nouerit,  nisi  forte,  dum  uiuit,  digne  domino  et  ec- 
clesi§  su§  satisfecerit.  Qui  uero  diuing  pietatis  intuitu  et  sanctQ 
obedienti§  reuerentia  fidelis  consernator  extiterit,  huius  benedictio- 
nem  hie  et  in  futuro  promereatur  pr^miumque  sempiteriicj  beatitu- 
dinis  in  electorum  dei  c^tibus.     Amen. 

f  Scriptum  per  manum  Crescentii  notarii  et  scriniarii  sancte 
Romanae  apostolicae  sedis  in  mense  maio,  die  prima,  indictione 
duodecima. 

R.        Ego  Nicolaus  catholiccj  ecclesie  episcopua  ss.ffh     BV. 

Datum  Rome  kalendis  maii  anno  domini  nostri  lesu  Christi 
MLVIIII,  per  manus  Humberti  sanct§  ecclesig  Silu§  Candid«j  episcopi 
et  apostolic^  sedis  bibliothccarii ,  anno  primo  pontificatus  domini 
pape  Nicolai  II.,  indictione  duodecima '^ 


y)  In  A  folgt  nun  Locus  sigilii  4*  plumbci  pondcntis;  danach  stand  die 
Scriptuimeile  wohl  ganz  unten  am  Rand.  In  C  wird  die  Bulle  beschrieben:  es 
ist  der  gewöhnliche  Stempel  Nicolaus  IL  Rola  und  B  V  in  C  sind  gleichfcUls 
normal ;   sie  fehlen  in  Ä.  z)  Statt  dessen  lautet  das  Eschatokoll  in  B : 

Datum   per  mauus   Crescentii  notarii sauctQ    Roman^   apostolic^ 

sedis  in  mense  madio,  die  prima,  iudict.  XI 1. 

R.  BV. 


3. 

Pasclial  IL  bestätigt  dem  Bistum  Valva  unter  dem  Bisehof  Gual- 
teritis  den  Umfang  des  Sprengeis  und  die  Kirclien  samt  allem  Besitz, 

lAiteran  1112  März  26. 

Copie  im  Prozeß  von  1350  ziviscJten  Valva  und  Aquila^  in  zwei 
Copien  saec.  XI V,  Sulmona  Archivio  capitolarc  (A).  —  Abschriß  von 
Ouerrieri  saec.  X  VIII  ex  orig.  archivii  S.  Belini,  ebenda  (B). 

Vgl.  die  Urkunde  Nicolaus'  IL  von  1059  Mai  1  (oben  Nr.  2). 
Die  Namen  scheinen  in  der  Copie  Guerrieri's  besser  zu  seift. 

Paschalis  episcopus  seruus  seruorum  dei.  Venerabili  fratri 
Grualterio  sancte  VaJuensis  ecclesie  episcopo  eiusque  successoribus 
canonice  substitaendis  imperpetnum.  Sicut  iniusta  poscentibus^' 

nullas  est  tribaendus  efTectus,  sie  legitima  desiderantibus  non  e.st 
differenda  petitio.     Tuis  igitnr,    f rater  in  Christo  carissime,   pre* 


a)  petentibus  B, 


Papstarkundea  in  den  Abrozzen  und  am  Monte  Gargano.  316 

cibas  annaentes,  ad  perpetuam  sancte^^  Valaenäis  ecclcsie  pacem  ac 
stabilitatem  presentis  decreti  stabilitate  sancimas ,  nt  anioersi  ^^ 
parrochie  fines,  sicat  a  tais  antecessoribus  usqae  hodie  possesai 
sunt,  ita  omnino  integre  tarn  tibi  qaam  tais  snccessoribus  imper- 
petaam  conseruentur.  Qui  aidelicet  termini  a  parte  Teatini  comi- 
tatns  ab  eo  loco  qao^  Sanger  flanius  aeeipit  decorrentem  in  se'> 
rinom  qui  fossatos  Laperelli^'  dicitur,  intendunt  se  per  portellas 
sine  columpnas  et  per  iagam  montis  iuxta-^'  qai  Coccia  dicitnr, 
sabinde  per  iagam  montis  Vrse  in  Staphilam'^  inter  montes  iaxta 
decarsom  *^  Piscarie ;  a  parte  aatem  Pinnensis  comitatas  *>  porrigant 
se  in  forcam  de  Penni*^  et  in  farcam  de  Cannatina'^  et  in  cliuam 
montis  Sigille,  deinde  amplectantar  "*^  montem  Christi  et  proten- 
dant")  se  per  montem  Cenerarium  et  per  columpnam  defixam  in 
loco  qai  Farfonis^'  dicitar  in  aalle  Araldi;  a  parte  uero  Marsicani 
comitatas  intemiantar*^^  a  aalle  Araldi  in  montem  de  Cedici'')  et  in 
farcam  de  Cambio  atqae  in  furcam  Mizzalam,  deinde  in  roborem 
Cetari  *'  et  in  campum  Doloris  mei,  qai  aalgo  campas  Olomei  con- 
fase  uocitatar ,  et  in  Carritam ')  et  in  columpnellam  de  campo 
Mezzo,  abi  oritar  Sanger '^  fluaias,  et  sie  redeant  in  predictam 
fossatum  Laparelli.  Tibi  itaque  taisqae  legitimis  saccessoribas  et 
per  aos  *^  eidem  Vaalaensi  eccle»ie  confirmamns  ecclesiam  beati 
Pelini,  abi  episcopalis  habetur  sedes,  com  castello  de  Pentoma  et 
com  cnstello  de  Vectarita  **>  com  omnibas  sais  pertinentiis  et  ec- 
clesiam sancti  Pamphili  cum  omnibas  suis  pertinenciis ,  ecclesiam 
sancti  Viti  in  Pacentro  •> ,  ecclesiam  sancte  Marie  in  Sangro,  eccle- 
siam sancti  Nicholai  in  Pectorano*^),  ecclesias  sanctorum  Marcelli 
et  Vincentii  in  Flatamo,  ecclesiam  sancti  Petri  in  Funo'^,  eccle- 
siam sancti  Angeli  in  Preza'^^  ecclesias  sancti  Petri,  sancte  Pe- 
tronille  sancteque  Marie,  sancti  Viti  qae  sunt  in  Kayano,  eccle- 
siam sancte  Marie  que  est  in  Rocoa,  ecclesiam  sancti  Sebastiani 
qae  est  in  Ruzza  capra'^,  ecclesias  sancti  lohannis,  sancti  Salua- 
toris,  sancti  Laarencii  et  Nicholai  que  sunt  in  Poperi,  ecclesias 
sancti  Laarencii,  Blasii  et  Stephani  que  sunt  in  Bassi,  ecclesias 
sancti  Martini,  laaenalis,  Yictorini  et  sancti  lohannis  qae  sant  in 


b)  sancti  AB.  e)  oninersae  S.  d)  qni  D.  e)  in  se  fehlt  in  B.  te)  Ln- 
parelli  S.  f)  inxu  fehU  in  B,  g)  SUphila  A,  h)  decarsam  A.  t)  autem 
pitem  A       k)  Penne  B,  l)  Canatun  A,  m)  impletunlur  A.         n)  per- 

tendont  B.  o)  Sarsonis  A.  oo)  intendunt  B,  p)  in  montem  dece- 

diti  ^ ,  in  montem  de  Ge  .  .  .  .  £.  g)  Cetnr.  A.  r)  Carricam  A. 

9)  SagW  A,        0  hoc  B.        u)  Bernrrica  A.         v)  Patent.  A,  ir)  Petri- 

lorans  A.  x)  Fimo  (Finno  ?)  A.  y)  Presia  A.  i )  Rassa  cap.  A. 


316  P.  Kehr, 

Trite,  ecclesias  sancti  Valentini,  Nicholai  et  sancti  Marci^  sancte 
Lucie  que  sunt  in  Ofene,  ecclesiam  sancti  Cypriani  qae  est  in 
Corapelle,  ecclesiam  sancte  Marie  in  Cerule,  ecclesiam  sancte  Marie 
in  Ancedona''^,  ecclesiam  sancti  Thome  in  Barisano*\  ecclesiam 
sancti  Victorini  cum  tota  hercditate  que  est  in  Ofezze  et  in  Ca- 
sulc^\  ecclesiam  sancte  Agnetis**)  in  Fontecole'^,  ecclesiam  sancti 
Smaraldi-^^  cum  tota  hercditate  de  Goriano,  ecclesiam  sancti  Sauini 
in  Pretorio^\  ecclesiam  sancte  Marie  in  Molina  *\  ecclesiam  sancti 
Quirici  in  Sicinali,  ecclesiam  sancti  Pii  in  castello  Ildegerii,  ecclesiam 
sancte  crucis  de  Coriano ,  ecclesiam  sancte  crucis  '"^  in  monte  de 
Vrsa,  ecclesiam  sancti  Nicholai  in  Salle.  Preterea  quecumque  pre- 
dia  quecumque  possessiones  ad  eandem  Valuensem  ecclesiam  *)  legi- 
time pertinere  uidentur,  firma  tibi  tuisque  successoribus  et  illibata 
permaneant  nee  ulli'^  omnino  hominum  liceat  eandem  ecclesiam 
temere  perturbare  aut  eins  possessiones  auferre  uel  ablatas  re- 
tinere  minuere  uel  temerariis  uexationibus  fatigare,  sed  omnino 
integra  conseruentur  tam  tuis  quam  clericorum  et  pauperum  usi- 
bus  profutura.  Si  qua  igitur  in  futurum  ecclesiastica  secularisne 
persona  hanc  nostre  constitutionis  paginam  sciens  contra  eam  te- 
mere uenire  temptauerit,  secundo  tercioue  commonita"'^,  si  non 
satisfatione  congrua  emondauerit,  potestatis  honorisque  sui  digni- 
täte  careat  reamque  se  diuino  iudicio  existere  de  perpetrata  ini- 
quitate  cognoscat  et  a  sacratissimo  corpore  et  sanguine  dei  et 
domini  redcmptoris  nostri  lesu  Christi  aliena"^  fiat  atque  in  ex- 
trem© examine  districte  ultioni^^  subiaceat.  Cunctis''^  autem  eidem 
loco  iusta  seruantibns  sit  pax  domini  nostri  lesu  Christi,  quatenns 
et  hie  fructum  bone  accionis  percipiant  et  apud  districtum  iudicem 
premia  eterne  pacis  inueniant  ^\  Amen.  Amen.  Scriptum  per 
manum  lohannis  scriniarii  regionär ii*^)  ac')  notarii  sacri  palacii'^ 
Ego  Paschalis  catholice  ecciesie  episcopus  ss.^^ 
Dat.  Laterani  per  manum*)  lohannis  sancte  Romane  ecciesie 
diaconi  cardinalis  ac  bibliothecarii,  VII.  kalendas  aprilis,  indictione 
V,  incamationis  dominice  anno  millesimo  CXUI'*'),  pontificatus 
autem  domini  Paschalis  secundi'^  pape  anno  XIII''^ 


a)  Antocedona  Ä»  b)  Rarizano  Ä,  c)  Zcazale  Ä,  d)  Agnetis  . 

B,  danadi  wäre  hier  im  Orig,  eine  Lücke  gewesen,  e)  Fontecle 

,  ,  .  ,  B,  also  mit  folgender  Lücke,  f)  Smaradi  B,  g)  Picetorio  B, 

h)  Melina  A.  i)  sancte  *i>  A.  k)  ecciesie  A,  l)  Uli  A.  m) 

tercio  de  commonta  A.  n)  alienos  B.  o)  aitionis  B.      p)  coagtis  A. 

q)  inueniat  B.  r)  scri  narri  regionär!  A,  scriptoris  regionarii  B.  s)  et 

B,  t)  die  Scriptumteile  steht  in  B  gans  am  Ende  der  Urkunde,  ü) 

scripsi  A,  v)  mannum  A.  w)  MCVIII  B.  x)  II  B.         y)  VIII  B. 


Papsturkondea  in  den  Abmuen  und  am  Monte  Qargano.  317 

4. 

Eugen  HL  ertheilt  defn  Kloster  S.  Bartolotneo  (in  Carpineto) 
bei  Penne  unter  dem  Abt  Oliverius  ein  Privileg. 

Tusculum  1149  Mai  16. 

Auszug  im  Ms.  des  N.  Sälconio  saec.  XVI  f.  12 f  Penne  Ar- 
chimo  comunale. 

EVGENIVS  episcopus  seruus  seruorum  dei.  Dilectis  filiis  Oli- 
berio  abbati  monasterii  sancti  Bartholomci  qaod  in  Pennensi  pa- 
rochia  situm  est  eiusque  fratribus  tarn  presentibas  quam  futuris 
regulärem  oitam  professis*'^  in  perpetuum 

et  hie  fruetom  bone  actionis   percipiant  et  apud  distrietnm   iadi- 
cem  premia  eterne  pacis  inaeniant.    Amen.     Amen.    Amen. 

R.        Ego  Ettgenias  catholic^  ecciesie  episcopas  ss.     BV. 
f  Ego  Conradas  Sabinensis  episcopas  ss. 
t  Ego  Ymarus  Tuscnlanus  episcopus  ss. 
t  Ego  Ubaldus  presbiter  eardinalis  tituK  sancte  Praxedis*^  ss. 
f  Ego  Hugo  tituli  s.  Laurentii  in  Lucina  presbiter  eardinalis  ss. 

t  Ego  Oddo  diaconus  eardinalis  sancti  Georgii 

ad  Velum^^  aureum  ss. 
f  Ego    Octauianus     diaconus    eardinalis    sancti 

Nicolai  in  carcere  Tulliano  ss. 
f  Ego  Io(hannes)    Paparo    diaconus    eardinalis 
sancti  Adriani  ss. 

Datum  Tusculani  per  manum  Guidonis  sancte  Romane  ecciesie 
diaconi  eardinalis  et  cancellarii,  XVII.  calen.  iunii,  indictione  XII''^, 
incarnationis  dominice  MCXL Villi,  pontificatus  uero  domni  Eu- 
genii  pape  tertii  anno  quinto. 


a)  profexis,  5)  Prexedis.  c)  uelluoL  d)  ursprünglich  XI. 


5. 

Eugen  HL  nimmt  das  Bistum  Penne  unter  dem  Bischof  Ori-^ 
mald  ncuA  dem  Vorgange  Innocenjs'  IL  in  den  apostolischen  Schutz  utid 
bestätigt  Am  die  namentlich  aufgefiUirten  Besitzungen. 

Ferentino  1150  Dezember  15. 
Orig.  Penne  Archivio  capitolare.  —  Danach  auch  im  Ms.  des  N. 

Kfl.  0«.  «.  mm.  HaehridkUB.    PUlolH--^i*i«r.  KIam  ISM.   B«A.  t.  22 


318  P.  Kehr, 

Salconio  saec.  XVI  f.  2&* Penne  Archivio  comunale  und  Copie  saec. 
XVIII  van  Ä.  BlasioUi  hei   Cav,  Ä.  Casamarte  eu  Loreto  Äpnäino. 

Cü.  J'L.  9423  nach  üghelli  I  1120.  Von  den  Eingangs- 
formein  abgesehen  ist  die  Urkunde  eine  wörtliche  Wiederholung 
des  Privilegs  Innocenz^  IL  J-L.  8103. 

lustis  notis  assensmn. 

Dat.  Ferentini  per  manum  BOSONIS  sanct?  Roman§  ecclesi^ 
scriptorisy  XVni.  kal.  ian.,  indictione  XIIII,  incarnationis  dominice 
anno  M'.  (?.  L®,  pontificatus  uero  domni  Evgenii  III.  pape  anno  VP. 

B.  dep. 

CardincUe:  Nicolaus  von  Albano;  Nicolaus  von  8.  Ciriaco,  Man- 
fred von  S.  Saiinaj  Julius  von  S,  Marcello,  Bernard  von  S.  demente; 
Oddo  von  S.  Giorgio  in  Velabro^  Odavian  von  8.  Nicolo  in  carcere 
TuUianOf  Johannes  von  S.  Adriano,  Astald  von  S.  Eusta^hio^  Johan- 
nes von  88.  8ergio  e  Bacco^  Bollannus  von  88.  Cosma  e  Damiano. 


6. 

Anastasius  IV.  nimmt  das  Bistum  Penne  unter  dem  Bischof 
Crrimald  nach  dem  Vorgange  Innocene^  II.  und  Eugens  III.  in  den 
apostolischen  8chute  und  bestätigt  ihm  die  namentlich  aufgeführten 
Besitzungen. 

Lateran  1153  8eptember  22. 

Orig.  Penne  Archivio  capitolare.  —  Danach  auch  im  Ms.  des 
N.  8alconio  saec.  XVI  f.  28  Penne  Archivio  comunale  und  Copie 
saec.  XVIII  von  A.  Blaswtti  bei  Cav.  A.  Casamarte  eu  Loreto 
Aprutino. 

Cü.  J'L.  9746  nach  lyAvino  Cenni  p.  533.     Vgl  J-L.  8103 
und  J'L.  9423  (Nr.  5). 

EflPectum  iusta  postolantibos. 

Dat.  Laterani  per  manom  Rolandi  sanct^  Romano  ecclesi^ 
prcsbiteri  cardinalis  et  cancellarii,  X.  kal.  octob.,  indictione  prima, 
incarnationis  dominice  anno  M^.  C^.  L^.  IIP,  pontificatus  aero  domni 
ANASTASII  pape  im.  anno  primo. 

B.  dep. 

Cardinäle:  Ouarinus  von  Palestrina,  Hugo  von  Ostia;  Oregor 
von  8.  Caiisto  (8.  Maria  in  Trastevere),  G(uido)  von  8.  OrisogonOf 


Papstarkandeii  in  den  Abrozzen  and  am  Monte  Gargano.  319 

Hubald  von  8.  Prtissede^  Hubcdd  von  S.  Croce  in  Gerusalemme,  Octa- 
vian  von  S.  CecüiOj  JoJiannes  von  SS.  Giovanni  e  Paolo,  Cencius  von 
S.  Lorenso  in  Lucina,  Heinrich  von  SS.  Nereo  e  Achileo ;  Otto  von  S. 
Giorgio  in  Velabro,  Jadnthus  von  S.  Maria  in  Cosmedin,  Johannes 
von  SS.  Sergio  e  Bacco,  Gerard  von  S.  Maria  in  Via  lata. 


7. 

Iladrian  IV.  bestätigt  dem  Bistum  Valva  unter  Bischof  Siginulf 
nach  dem  Vorgange  Innocenz'  IL  und  Eugens  HL  die  Besitzungen 
und  Güter. 

Lateran  1156  Beeember  20. 

Orig.  Sulmona  Archivio  rapitolare  (Fase.  70  Nr.  2). 

Im  Ganeen  wörtliclic  Wiederholung  des  Privilegs  Innocene^  IL 
von  1138  März  25  (Faraglia  43  Nr.  33).  Bas  Eugens  IIL 
ist  nicht  erhalten. 

In  eminenti  apostoIicQ  sedis. 

Dat.  Lat.  per  manum  Rolandi  sanct^  Romane  ccclesie  pres- 
biteri  cardinalia  et  cancellarii,  XIII.  kal.  lan.,  indictione  V,  incar- 
nationis  dominice  anno  M*.  C®.  L*.  Vi* ,  pontificatns  uero  domni 
Adriani  pape  IUI.  anno  tertio. 

B. 

Cardinal e:  Ymams  von  Tusaüum^  Cinthius  von  S.  Rufina  und 
Porto,  Gregor  von  Sahina;  Ilubald  voti  S.  Prassede,  Manfred  von  S. 
Sabina,  Julius  von  S.  Marcdlo,  Bernhard  von  S.  demente,  Octavian 
von  8.  CecUia,  Heinrich  von  SS.  Nereo  e  Achileo,  Johannes  von  SS. 
Süvestro  e  Martino;  Odo  von  8.  Giorgio  in  Vdabro,  Guido  von  S. 
Maria  in  PorticUf  Johannes  von  88.  Sergio  e  Bacco. 


S. 

Alexander  III.  bestätigt  dem  Bischof  Siginulf  von  Valva  die 
von  Hadrian  IV.  bu  seifen  Gunsten  gegen  die  Kloster  8.  Maria  de 
Bominaco  und  8.  Pdegrino  gefällte  Entscheidung. 

Lateran  (1166—68)  Januar  13. 

Orig.  Sulmona  Archivio  capitolare  (Fase.  69  Nr.  3). 

Vgl.  auch  die  von  Faraglia  Cod.  dipl.  Sulmonese  8. 47  Nr.  36 
aus  Or.  gedruckte  Urkunde  Hadriane  I V. ,    auf  die   hier  Bezug 

22« 


320  t.  Kehr, 

genommen  und  die  eum  Theü  wiederholt  wird.  Da  Siginulf  vor 
1168  gestorben  sein  muß  (vgl.  Faraglia  Nr.  37),  so  wird 
die  Urkunde  in  die  Zeit  von  1166  bis  1168  fallen. 

ALEXANDER  episcopas  seruns  seraormn  dei.  Venerabili 
fratri  Siginulfo  Valuensi  episcopo  salutem  et  apostolicam  bene- 
dictionem.  Pro  illa   controaersia,   que  |  inter   te  et  monachos 

monasterioram  sancte  Marie  de  Mammonaco  et  sancti  Peregrini  uer- 
tebatar,  ad  presentiam  bone  me|morie  ADRIANI  pape  predecessoris 
nostri  tarn  tu  quam  idem  monachi  accessistis.  Ipsi  qaidem  adaer- 
8um  te  commis  samque  tibi  ecclesiam  omnimodis  sibi  et  sao  mona- 
sterio  libertatem  uendicare  uolebant.  Ad  cuius  rei  probationem  | 
factum  pie  memorie  Greg(orii)  septimi  predecessoris  nostri ,  qui 
abbatem  unum  in  ipsis  ecclesiis  benedixerat,  allegabant  et  quod- 
dam  instrumentum  Karoli  regis  in  medium  proferebant.  Ceterum 
instrumentum  illud  nee  pro  eis  multum  |  facere  uidebatur  et  altera 
ratio  non  satis  eis  aminiculi  afferebant,  cum  nee  hoc  ipsum  suffi- 
cienti  possent  te'stimonio  comprobare.  Tu  autem  benedictionem 
abbatis;  ordinationem  clericorum  ac  monachorum,  |  consecrationem 
altarium,  receptionem  et  correctionem  in  eisdem  ecclesiis  tarn  te 
quam  antecessores  tuos  |  multis  demonstrabas  temporibus  habuisse, 
quod  etiam  ipsi  monachi  fatebantur.  Ex  quibus  omnibus  ipjsas 
ccclesias  ad  te  tamquam  ad  proprium  dicebas  episcopum  pertinere. 
Predictus  itaque  antecessor  noster  allelgationes  ac  rationes  mona- 
chorum  ad  assertionis  sue  probationem  insufficientes  ac  minus 
idoneas  |  intuens,  prefatas  ecclesias  tibi  adiudicauit  et  tibi  tuisque 
successoribus  sicut  propriis  episcopis  |  subiacere  decreuit.  Ut  au- 
tem sententia  ipsa  illibata  perpetuis^^  temporibus  et  inconcussa 
maueret  |  et  quod  iudicatum  fuit  *^  in  disceptacionem  *^>  nullo  tem- 
pore deueniret,  idem  predecessor  noster  eandem  sentenjtiam  aucto- 
ritate  apostolica  confirmauit  et  scripti  sui  pagina  communiuit. 
Unde  et  nos  eins  uestigiis  inherentes  statuimus,  ut  nulli  omnino 
hominum  liceat  eandem  sententiam  temerario  ausu  infringere  seu 
ipsi  I  modis  quibuslibet  contraire.  Si  quis  autem  hoc  attemptare 
presumpserit ,  indignationem  omnipotentis  dei  et  be|atorum  Petri 
et  Pauli  apostolorum  eins  se  nouerit  incursurum.  Dat.  Lat.  id. 
ian.  I 

B. 


a)  etais  anf  Rasur.  h)  fait  auf  Easur,  c)  acioaem  auf  Basur, 


Papstnriranden  in  den  Abrozsen  ond  Mn  Monte  Gargano.  321 

9. 

Alexander  III.  schreibt  dem  päpstlichen  Subdiacon  Odorisius,  dem 
Propst  und  den  Kanonikern  von  Valva,  daß  er  den  Erwählten  Johannes 
von  S.  Maria  de  Bominaco  gegen  das  Recht  der  Kirche  von  Valva 
eum  Abt  geweiht  habe ;  er  bestätigt  dem  Bistum  Valva  den  Besitz  des 
Klosters  und  verwahrt  es  gegen  jedes  Präiudiz, 

Benevent  (1168—69)  Juli  25. 

Orig.  Sulfnona  Archivio  capitolare  (Fase,  69  Nr.  4). 

Das  Mandat  gehört  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  noch  ins 
Jahr  1168.  Damals  war  der  Stuhl  von  Valva  vacant  (vgl,  Fa- 
raglia  S.  48  Nr.  87  von  1168  April),  daher  die  Adresse. 

Alexander  episcopas  sernns  sernoram  dei.  Dilectis  filiis  Od. 
sabdiacono  nostro  *)  et  preposito  Balnensis  ecclesie  ^)  et  ceteris  | 
eiasdem  ecclesie  canonicis  salutem  et  apostolicam  benedictionem. 
Cum  olim  fratres  de  Mammonaco  electum  saom  I.  *)  nostro 
conspectai  presentassent  et  oc|caltassent,  qnod  eoram  monasteriom 
ad  iorisdictionem  aestre  ecclesie  pertineret,  nos  eondem  electiun 
ad  communem  predictorom  fratram  instantiam,  saluo  inre  |  ecclesie 
aestre,  benediximns  in  abbatem,  non  memoriter  retinentes ,  qood 
prescriptum  monasteriom  Baluensi  ecclesie  deberet  esse  subiec- 
tum.  Nunc  autem  cognito  e|uidenter  ex  scripto  predecessoris 
nostri  felicis  memorie  Adriani  pape,  qualiter  ipse  pretaxatum 
monasterinm  post  controucrsiam  in  eius  presentia  hinc  inde  |  dili- 
gentins  uentilatam  ecclesie  aestre  adiudicanerit  ^) ,  nos  ipsins 
sententiam  ratam  et  firmam  tenentes,  prefato  abbati  et  eius 
fratribus  per  scripta  nostra  man  dauimus,  ut  ecclesie  uestre  tarn- 
quam  magistre  et  matri  sue  deuote  in  omnibus  et  humiliter  defe- 
rentes,  episcopis  eiusdem  ecclesie,  qui  ibidem  fuerint  pro  |  tempore 
canonice  Substitut!,  debitam  obedientiam  et  reuerentiam  impendant 
nee  ex  eo  iuris  quippiam  eidem  ecclesie  presumant  subtra;here, 
quod  &,  nobis  iam  dicto  abbati  munus  fuerit  benedictionis  impen- 
8um.  Ne  autem  in  posterum  Baluensi  ecclesie  possit  |  preiudicari, 
quod  memoratus  abbas  de  manibus  nostris  munus  benedictionis 
8U8cepit|  apostolica  auctoritate  |  decemimus,   ut  ex  hoc  eadem  ec- 


1)  Odorisins  Abt  yon  S.  Oioyanni  in  Venere  ond  römischer  Subdiacon  (1165, 
ygL  Scholz  II  47)  gest.  1204. 

2)  Propst  Goalterius,  vgl.  Faraglia  S.  48  Nr.  36  und  die  Urkunde  Urbans 
ni.  (8.  Nr.  16). 

3)  Johannes,  s.  dieselbe  Urkunde  Urbans  III.  (Nr.  16). 

4)  Gemeint  ist  die  Ton  Faraglia  S.  47  Nr.  86  gedruckte  Urkunde  Hadriani  IV. 


822  P-  Kehr, 

clesia  nnllnm  preiudicinm  sastineat  nel  iactnram,  quominos  iam 
dictum  I  monasterium ,  sicut  per  eundem  predecessorem  nostram 
constat  fuisse  adiudicatum,  ecclesie  prescripte  sabiace|at  et  abbatis 
benedictio  ad  episcopum  eiasdem  ecclesie  debeat  pertinere.  Dat. 
Beneuenti  Vm.  kal.  aug.  | 

B. 


10. 

Alexander  IIL  entscheidet  den  Bwischen  den  Kanonikern  von  5t- 
ponto  und  denen  von  Gargano  über  die  erzhischöfliclie  Würde  heider 
Kirchen  sdiwehenden  Streit  auf  Grund  der  Privilegien  Benedicts  IX.  ^ 
Paschais  II.  und  Eugens  III.  eu  Gunsten  von  Sipont. 

Änagni  1176  September  25. 

Notarielle  Cqpie  von  1417  VII  13  Benevento  Ärchivio  capitolare 
vol.  XLVIII  Nr.  49. 

Vgl.  J-L.  14233  nach  der  Urkunde  Innocene^  IIL  Auch  diese 
wie  diejenige  Alexanders  IV.  sind  durch  den  Iudex  Antonicius 
quondam  PetP'ucii  Menadoy  in  Manfredonia  auf  der  Copie  von 
*  1417  transsumirt  worden.  Unser  Text  ist  lückenhaft  und  sehr 
verderbt;  orthographische  Besonderheiten  sind  stillschweigend  ge- 
ändert. 

Alexander  episcopns  seraas  sernorom  dei.  Dilectis  filiis  ca- 
nonicis  Sypontine  ecclesie  salatem  et  apostolicam  benedictionem. 
[Ne  controversie  que  sujb  examine  sedis  apostolice  terminantur, 
malignitate  ael  facilitate  qaommlibet  possint  imposterom  snbsci- 
tari,  dignum  et  ydoneom  esse  censetnr,  ut  eiusdem  sedis  statuta 
debito  robore  conualescant  et  ad  perpetaam  memoriam  fatnrornm 

[ ]j  cum  Romana  ecclesia  fanente  domino  saper 

alias  ecclcsias  orbis  primatam  obtineat,  que  statnontar  ab  ipsa, 
obtinere  debent  perpetaam  firmitatem.  Sans  sepias  canonici  Gar- 
ganice  ecclesie  fuerant  nobis  conqaesti,  qaod,  cam  in  priailegüs 
predecessoram  [nostroram  scriptum]  esset  Sypontine  et  Garganice 
ecclesie  archicpiscopo ,  in  priailegio  nostro  S3^ontine  ecclesie  ar- 
chiepiscopo  tantammodo,  Garganica  ecclesia  sabtracta,  posoimas  et 
ad  saggestionem  aestram")  fecimas  in  eodem  priailegio  in  preia- 
dicium  iuris  et  dignitatis  ecclesie  sue  alia  quedam  subtrahi  [et 
quedam  apponi,    quej  continebantar  ^^  in  priuilegüs  predecessoram 


a)  nostram.  &)  conUneb&tur;  die  Lücken  sind  tinngemßß  aus  dem 

Beeret  Innocenz  IIL  (Ughtlli  VII  829)  ergämt. 


Papstarknnden  in  den  Abnizzen  und  am  Monte  Qargano.  323 

nostrorum  ecclesie  uestre  indultis.  Postnlabant  eciam  a  nobis,  ut, 
cum  due  sedes  episcopales  sint,  sicut  agebant,  S3q)ontina  ecciesia 
uidelicet  et  Garganica,  crisma  in  cena  domini  confici^>  faceremas  in 
ntraqne  [ac  ex  üs  qa]i  pro  tempore  eligerentur  in  Yestana  ecciesia, 
onmn  in  Sypontina  et  alteram  in  Garganica  ecciesia  consecrari. 
Cnm  antem  mandauissemas  tam  uobis  quam  predictis  canonicis,  at 
com  priuilegiis  predecessorom  nostroram  et  presertim  [felicis  recor- 
dationis]  patris^^  et  predecessoris  nostri  Eugenii  pape,  cui  canonici 
prefati  multum  initebantur  *\  ad  nostram  presenciam  ueniretis, 
U08  per  dilectum  filiom  nostrum  Meliam  canonicum  uestrum  et  per 
Aldenago  canonicum  sancti  Leonardi  et  prefati  [canonici  per  Mi- 
cha]elem  Cippis  et  Philippum  Tasselegardi  canonicos  suos  ad  no- 
stram presenciam  accessistis.  Quibus  in  conspectu  nostro  presen- 
tibns  priuilegia  predecessorum  nostroram  pie  recordacionis  Bene- 
dicti,  Pascalis  et  patris  nostri  Eugenii  Romanorum  pont[ificum 
dil]igenter  inspeximus,  ex  quorum  tenore  manifeste  nobis  innotuit, 
ecciesiam  uestram  tantum  sedem  archiepiscopalem  existere,  cum 
eosdem  predecessores  nostros  nonnisi  archiepiscopam  Sypontine-^> 
ecclesie  constet  in  eisdem  priuilegiis  nominasse.  Priuilegium  uero 
eiasdem  patris  nostri  Eugenii  pape  in  quadam  parte  sui  abrasum 
et  corruptom  fuisse  liquido  deprehendimus ,  quia  cum  in  titulo 
eiusdem  priuilegii  fuisset-^^  tantummodo  positum  Sypontine  ecclesie 
archiepiscopo,  ultima  silaba  ipsius  diccionis  Sypontine  uidelicet  et 
quedam  littera  eidem  silabe  proxima  abrasa  fuit*),  duabus  prece- 
dentibus  sillabis  eiusdem  diccionis  cum  G.  titulo  supposito  integre 
remanentibus,  in  eo  quod  abrasum  fuerat  Garg.  quoquo  modo  sub 
breuitate  notatum.  Ex  suppositis  eciam  manifeste  nobis  innotuit, 
in  eadem  parte  tantum  idem  priuilegium  falsatum  fuisse,  quia 
licet  in  titulo  ipsius  priuilegii  quoquo  modo,  sicut  diximus,  Garg. 
positum  fuerit,  inferius  tamen  nonnisi  ecciesia  Sypontina  erat 
sub  apostolice  sedis  protectione  suscepta  et  de  Garganica  eccie- 
sia, sicut  de  ecciesia  sibi  subdita,  ei  conürmacio  facta.  Vidi- 
mos  quoque  scriptum  bone  memorie  Benedicti  predecessoris  nostri, 
coios  tempore  in  ecciesia  uestra  archiepiscopalis  sedes  fuerat  con- 
stituta,  et  ex  continentia  ipsius  scripti,  quod  canonici  Grarganice 
ecclesie  pro  se  facere  arbitrabantur,  manifeste  comperimus,  eccie- 
siam uestram  tantum  archiepiscopalem  sedem  ab  eo  constitutam 
fuisse,  cum  ipse  Leonem  quondam  Sypontinum  episcopum  non  in 
Sypontinum  et  Garganicum'\   sed  tantum   in  Sypontinum  archi- 


c)  conflci  fehU.  d)  .  .  .  atos?  e)  mittebantor.  /)  Sypontinum. 

g)  fniiae.  h)  liiit  et  0  Sypontina  et  Garganica. 


324  P.  Kehr, 

episcopum  licet  obtentu  Angeli  se  asserat  promouisse.  In  priui- 
legio  quoque  dicti  Pascalis  pape  continebatur,  quod  ipse  inter  alia 
Vestanum  episcopatum*^  ecclesie  Sypontine  concessit,  nalla  facta 
de  Garganica  ecclesia  mencione ;  et  in  altero  prioilegio  suo  posi- 
tnm  esse  comperimus,  quod  ipse  oblaciones  ecclesie  beati  Michaelis 
Alberto  Sypontino  archiepiscopo  confirmauit,  qoas  eidem  archi- 
episcopo  et  ecclesie  sue  seculares  uiri  reddiderant,  a  qnibas  fue* 
rant  occupate.  Nos  itaqiie,  priuilegiis  et  aliis  antenticis  scriptis 
predecessorum  nostrorum,  quos  prediximus,  inherentes  et  eorum 
et  presertim  Pascalis  et  prefati  patris  nostri  Engenii  Romanoram 
pontificum  priuilegia  et  nostrum  eciam,  cnm  canonici  Garganice 
ecclesie  nichil  probare  potuerint  in  eo  positom  uel  demptom  fuisse, 
nisi  quod  eiusdem  Eugenii'^  pape  priuilegium  continebat,  prout  de- 
baimns,  confirmantes,  de  comoni  consilio  fratrnm  nostromm  nnam 
tantom  archiepiscopalem  sedem,  Sypontinam  uidelicet  ecclesiam, 
non  daas  esse  ccnsemns,  anctoritate  apostolica  statnentes,  nt  amodo 
non  Sypontine  et  Garganice  ecclesie  archiepiscopus,  sed  Sypontine 
ecclesie  tantom  nominari  debeat  et  crisma  in  ecclesia  Sypontina 
solammodo  confici  et  electns  Yestanas  in  Sypontina  ecclesia  con- 
secretur,  sicut  bone  memorie  Goffridus«")  qaondam  Sypontinus  ar- 
chiepiscopus Marandum  Vestanum  electum  in  ecclesia  Sypontina 
noscitur  consecrasse ;  scripto  isto  non  preiudicante  Gargeuuce  ec- 
clesie archidiaconatui  **)  et  aliis  dignitatibus,  si  que  ei  olim  ratio- 
nabiliter  et  canonice  sunt  concesse.  Ut  autem  hec  nostre  diffini- 
cionis  pagina  perpetuis  temporibus  inuiolabiliter  obseruetur,  eam 
duximus  litteris  annotandam,  anctoritate  apostolica  statuentes,  ut 
nuUi  omnino  hominum  liceat  hanc  paginam  nostre  diffinicionis  in- 
fringere  uel  ei  aliquatenus  contraire.  Si  quis  autem  hoc  attem- 
tare  presumpserit,  indignacionem  omnipotentis  dei  et  beatorom 
Petri  et  Pauli  apostolorum  eins  se  nouerit  incursurum. 

R*»>.        Ego  Alexander  catholice  ecclesie  episcopus  ss''^ 
tEgo  Hubaldus')  Hostiensis  episcopus  ss. 

fEgo  Johannes   sanctorum  lohannis   et  Pauli  presbiter  cardinalis 
tituli  Pamachii*^)  ss. 

fEgo  Albertus  presbiter  cardinalis  tituli  sancti  Laurentii  in  Lu- 
cina ss. 


k)  archiepiscopatum.  /)  Eageniis.  m)  Qoffridi.  n)  arcbidiaco- 

nata.  o)  Von  der  Sota  heißt  es:  In  quodam  uero  circulo  dicte  bulle   posito 

bec  uerba  continentar,  videlicet:  Demostra  micbi  vias  tuas  domine.  Sanctus  Pe- 
trus. SanctUB  Paulus.  Alexander  PF.  III.  p)  ss.  fehlt  hier  und  in  der 
Feige  durchweg,           ^)  Lobaldos.           r)  Lamacbii. 


Papstorknnden  in  den  Abrtuzen  nnd  am  Monte  Oargano.  325 

fEgo  Guillelmus '^  presbiter  cardinalis  tituli  sancti  Petri  ad  Vin- 

Cola   88. 

fEgo  B08O   presbiter  cardinalis  sanete  Padenciane '^  titali  Pasto- 
ris ""^  88. 
fEgo  Manfredns  presbiter  cardinalis  titali  sanete  Cecilie  ss. 
fEgo  Petrus 'J  presbiter  cardinalis  tituli  sanete  Susanne  ss. 

fEgo  lacinthus  diaconus   cardinalis   sanete   Marie 

in  Cosmidin  ss. 
fEgo  Centius  diaconus  cardinalis  sancti  Adriani  ss. 
fEgo   Hugo   diaconus   cardinalis    sancti  Eustachii 

iuxta  templum  Agrippe  ss. 
fEgo   Laborans   diaconus   cardinalis  sanete  Marie 

in  Portion  ss. 
fEgo  Rajoierius  dyaconus  cardinalis   sancti  Geor- 
gii  ad  Velum  aureum  ss. 
Dat.  Anagnie    per  manum   Graciani  sanete  Romane  ecclesie 
subdiaconi   et  notarii,   YII^.  kal.  octobris,   incarnationis  dominice 
M*.  C*.  LXXVn*,  pontificatus    uero    domini  Alexandri  pape   IIT. 
anno  XVni^ 


8)  Btril.  ()  Lndenciane.  u)  Laatoris.  t;)  Legns. 


u. 

Alexander  III.  nimmt  das  Bistum  Penne  unter  dem  Bischof  Odo- 
risias  nach  dem  Vorgange  Innocens*  IL^  Eugens  IIL  und  Anastasius' 
IV,  in  den  apostolischen  Schutz  und  bestätigt  ihm  die  namentlich  auf- 
geführten  Besiteungcn. 

Lateran  1178  Märe  23. 

Orig,  Penne  Archivio  capitolare.  —  Danach  auch  im  Ms.  des  N, 
Salconio  saee.  XVI  f  30  Penne  Archivio  comunale  und  Copie  saec, 
XVIII  von  A.  Blasiotti  hei  Cav.  A.  Casamarte  in  Loreto  A2>rutino. 

Cit.  D'Avino  p.  533  zu  1177.    Vgl  J-L,  8103  und  Nr.  5.  6. 

lustis  uotis  assensum. 

Dat.  Laterani  per  manum  Alberti  presbiteri  cardinalis  et 
sanete  Romane  ecclesie  cancellarii,  X^  kal.  aprelis,  indictione  XI*, 
incarnationis  dominice  anno  M".  C*.  LXX^VII^  pontificatus  uero 
domni  ALEXANDRI  pape  HI.  anno  XVnm 

B.  dep. 

CairdinäHe:  Hubdid  van  Ostia]  Johannes  von  SS.  Oiovanni  e  Paolo, 


326  P.  Kehr, 

Boso  von  S.  Pudeneiana^  Johannes  von  S.  Marco^  Petrus  van  S.  Su- 
sanna, Fivianus  von  S.  Stefano  in  Cdio  monte]  Jacinthus  von  S. 
Maria  in  Cosmedin,  Ardicio  von  Ä  Teodora^  Hugo  von  S.  Angdo^ 
Laborans  von  S.  Maria  in  Forticu,  Rainer  von  S,  Giorgio  in  Velcdfro. 


12. 

Lucius  IIL  nimmt  das  Bistum  Penne  unter  dem  Bischof  Odori- 
sius  nach  dem  Vorgange  Innocens*  IL,  Eugens  IlL^  Anastasius'  IV. 
und  Alexanders  IIL  in  den  apostolischen  Schute  und  bestätigt  ihm  die 
namefitlich  aufgeführten  Besitaungen. 

Veüetri  1182  Mai  21. 

Orig.  Penne  Archivio  capitolare,  —  Danach  auch  im  Ms.  des  N. 
Salconio  saec.  XVI  f.  32  Penne  Archivio  comunaU  und  Copie  saec. 
XVIII  von  A,  Blasiotti  bei  Cav.  A,  Casamarte  zu  Loreto  Aprutino. 

Cit.  J'L.  14656  nach  UAvino  Cenni  p.  533  eu  Juni  1.    Vgl. 
J'L.  8103  und  Nr.  5.  6.  IL 

lastis  notis  assensom. 

Dat.  Yelletri  per  manam  Alberti  sancte  Romane  ecclesie  pres- 
biteri  cardinalis  et  cancellarii,  XII.  kal.  ionii,  indictione  XY,  in- 
carnationis  dominice  anno  M^  C^.  LXXX.  I ,  pontificatns  aero 
domni  LUCn  pape  lU.  anno  I. 

B.  dep. 

Cardinale :  Theodinus  von  Porto  und  S.  Rufina,  Petrus  von  2W- 
culum,  Paul  von  Palestrina;  Petrus  von  S.  Susanna,  Vivianus  von 
S.  Stefano  in  Celio  monte,  Cinthius  von  S.  Cecüia,  Arduin  von  S. 
Croce  in  Gerusodemme,  Mattheus  von  S.  Marcello^  Laborans  von  S. 
Maria  in  Trastevere;  Jacinthus  von  S.  Maria  in  Cosmedin,  Ardicio 
von  S.  Teodoro,  Rainer  von  S.  Giorgio  in  Vdabro,  Gratian  von  SS. 
Cosma  e  Damiano j  Rainer  von  S.  Adriano. 


13. 

Lucius  III.  ertheilt  detn  Kloster  S.  Bartohn^o  {in  Carpineto)  bei 
Penne  unter  detn  Abt  Bonamund  ein  Privileg. 

Veliari  1182. 

Austrug  im  Ms.  des  N.  Salconio  saec.  XVI  f.  122  Penne  Archi- 
vio cemunale. 


Papstarkunden  in  den  Abnissen  und  am  Monte  Gargano.  327 

Die  Urkunde  gehört  wocÄ  der  Ortsangabe  und  den  JahreS' 
Charakteren  in  die  Zeit  vom  Märe  bis  September  1182^  wahrschein^ 
lieh  aber  zu  J-L.  14656  {1182  Mai  2t). 

LVCIV8  episcopns  sernus  seruomm  dei.  Dilecto  filio  Bona- 
mundo  abbati  monasterii  sancti  Bartholomei  qnod  in  Pennensi  ter- 
ritorio  sitom  est  eiasqae  saccessoribas  regalariier  snbstituendis  in 
perpetnom.  Pie  postulatio  aoluntatis  [effectu]")  debet  prose- 
qnente  compleri,  ut  et^'  denotionis  sinceritas 

R.        Ego  Lncins   catholicae  ecclesiae  episcopns  ss.   BV. 

t  Ego  Theodinna  Portnensis  et  sancte  Rufin§  sedis  epis- 
copns SS. 
f  Ego  Panlns  Prenestinns  episcopns  ss. 
f  Ego  Joannes  presbiter  cardinalis  titnli  s.  Marci  ss. 
fEgo  Ardninns  presbiter  cardinalis  titnli  sancte  Cmcis  in  Hiem- 

salem  ss. 
fEgo  Laborans  presbiter  cardinalis  sancte  Mari^  Transtiberim  ti- 
tnli sancti  Calixti  ss. 

fEgo   lacinthns')  diaconns  cardinalis  sancte  Mari$ 

in  Cosmedin  ss. 
t  Ego  Gratianns  sanctornm  Cosme  ^  et  Damiani  dia- 
coni  cardinalis  ss. 
Datnm  Yelletri   per  mannm  Alberti   sancte  Romane  ecclesie 
presbiteri  cardinalis  et  cancellarii,  indictione  XV,  anno  incamatio- 
nis    dominice  MCLXXXIII,    pontificatns    nero    domini  Lncii   pape 
tertii  anno  primo. 


a)  effectu  fehU.  b)  et  ut  c)  lacobns.  d)  CosmL 


U. 

Lucius  IIL  nimmt  die  biscJiöfliche  Kirche  S.  Pelina  di  Valva 
unier  dem  Bischof  Odorisius  fiach  dem  Vorgange  Innocenz*  IL^  Eugefis 
Ill.y  Hadrians  IV.  und  Alexanders  III.  in  den  aposiolisciien  Schutz 
und  bestätigt  ihr  die  namentlich  aufgezählten  Besitzungen  und  die 
DiSzesangrenzen. 

Velletri  1183  März  26. 

Zwei  Ccpien  saec.  XVIII  in  Memorie  su  le  aniichiiä  di  Pacen- 
tro  Sulmana  Biblioteca  Pansa. 

Die  Urkunde  wiederholt  in  der  Hauptsache  den  Worttaut  der 


328  P.  Kehr, 

älteren  Privilegien.  Die  Namen  der  CardincUe  sind  z.  Th.  bis 
zur  Unkenntlichkeit  entstellt,  hier  aber  stillschweigend  wiederher^ 
gestellt. 

In  eminenti  apostolice  sedis. 

Datum  Velletri  per  manom  Alberti  sancte  ßornan^  ecclesi^ 
pr^sbiteri  cardinalis  et  cancellarii ,  VII.  kal.  aprilis ,  indictione 
prima,  incarnationis  dominier  anno  millesimo  centesimo  octogesimo 
tertio,  pontificatus  uero  domini  Lucii  pap^  III.  anno  secondo. 

Cardiuäle :  Theodinus  von  Porto  und  8.  Rufina,  Heinrich  von  AI- 
bano  ]  Venantius  von  S.  Stefano  in  Cdio  montCy  Laborans  von  S,  Ma- 
ria in  Trastevere,  Hupert  von  S.  Lorened  in  Damaso;  Hyacinth  von 
S.  Maria  in  Cosmedin,  Ardicio  von  S.  Teodoro,  Gratian  von  SS. 
Cosma  e  Damiano^  Boho  von  S.  Angelo,  Gerard  von  S.  Adriano,  AU 
binus  von  S.  Maria  Nuova. 


15. 

Lficius  HL  nimmt  die  Kirche  S.  Johannes  in  Casanello  unter 
dem  Propst  Robert  in  den  apostolischen  Schutz,  beseitigt  ihr  die  Regel 
S.  Benedicts  und  die  namentlich  aufgezählten  Besitzungen  und  Kirchen^ 
verleiht  ihr  das  Aufnahmerecht  und  das  Begräbnißrecht  und  bestätigt 
ihr  die  Freiheiten  und  Immunitäten,  das  Recht  einen  Bischof  für  die 
bischößiclien  Leistungen  zu  wählen  und  das  Wahlrecht. 

San  Flaviano  1184  Juni  10. 

Orig.  Atri  Archivio  capüolare.  —  Transsutnt  von  1588  VI  J27 
ebenda. 

Pie  postalatio  nolontatis. 

Dat.  apnd  sanctom  Flaoiannm  per  mannm  Hngonis  sancte  Ro- 
mane ecclesie  notarii,  Uli.  idus  iunii,  indictione  secunda,  incarna- 
tionis dominice  anno  M.  C.  LXXXTTII^,  pontificatus  uero  domni 
LUCII  pape  ITE.  anno  III. 

B. 

Cardinäe :  Tlieodinus  von  Porto  und  S.  Rufina,  Heinrich  von  AU 
bano,  Theobald  von  Ostia  und  Velletri]  Laborans  von  S.  Maria  in 
Trastevere,  Pandulf  von  SS.  Apostoli]  Ardicio  von  Ä  Teodora,  Gror 
tian  von  SS.  Cosma  e  Damiano,  Soffred  von  S.  Maria  in  Via  lata, 
AUnnus  von  S.  Maria  Nuova. 


Papstarkanden  in  den  Abnusen  und  am  Monte  Qargano.  329 

16. 

Urban  III.  bestätigt  dem  Bischof  Odorisius  von  Valva  die  von 
seinem  Vorgänger  Lucius  gefälUe  Entscheidung  gegen  das  Kloster  8, 
Maria  di  Bominaeo. 

Verona  {1186—87)  April  27. 

Orig.  Sulmana  Archivio  capitolare  {Fase.  69  Nr.  5). 

Die   Urkunde  wiederholt  in    der   Hauptsache  eine  verlorene 
*  Entscheidung  Lucius^  III.    Diese  ihrerseits  beruhte  zum  großen 
Theil  wörtlich  auf  dem  erhaltenen  Mandat  Alexanders  HL    von 
{1168—69)  VII  25  {Nr.  0). 

URBANVS  episcopas  soruus  semoram  dei.  Venerabili  fratri 
Odorisio  Yalaensi  episcopo  salutem  et  apostolicam  benedictionem. 
Eqaam  est  et  consonum  rationi,  ut  |  ea  qne  de  antecessorom  no- 
strorom  sunt  auctoritate  decisa,  nostro  quoque  munimine  robore- 
mas ,  ne  aliqnormn  malitia  in  dabium  reaocet  quod  auctoritate 
noscitor  apostolica  confirmatuni;  sed  in  sua  potias  perpetao  nalcat 
firmitate  manere.  Cum  antem  nenerabilis  frater  noster  P.  Prene* 
stinus  episcopoa  ^)  et  dilectus  |  ülius  Octauianns  sanctoram  Sergii 
et  Bachi  diaconus  cardinalis  a  partibns  Urbis  per  episcopatom 
tnom  ad  presentiam  nostram  [ajccederent,  ea  qae  innenerunt  in  | 
autenticis  scriptis  felicis  memorie  Adriani,  Alexandri  et  Lacii  pre- 
deecssoram  nostrorom  *)  transcribi  fecerunt  et  rescripta  ipsa  nostro 
apostolatoi  presentaront.  Nos  autem  |  in  rescripto  iam  dicti  L. 
predecessoris  nostri  reperimas,  qnod,  com  olim  fratres  de  Mamo- 
naco  lohannem  electom  säum  ipsius  Alexandri  predecessoris  nostri 
conspectui  presentassent,  occoltantes  qnod  eorom  |  monasteriom  ad 
tue  iarisdictionem  ecclesie  pertineret,  eundem  electom  salao  eccle- 
sie  tue  iure  ad  commnnem  predictorum  fratrum  instantiam  bene- 
dixit,  non  satis  memo|riter  tenens,  qnod  prescriptom  monasteriom 
esse  deberet  ecclesie  Yaioensi  sobiectom ;  postmodom  oero,  cognito 
eoidenter  ex  scripto  felicis  memorie  Ad(riani)  pape,  qood  G.  prepo- 
sitos  ecclesie  toe')  illi  |  exhiboit,  qoaliter  ipse  pretaxatom  mona- 
steriom  post  controoersiam  in  eins  presentia  diligentios  oentilatam 
toe  adiodicasset  ecclesie,  sententiam  ipsam  ratam  habens  et  fir- 
mam,|   prefato  abbati  et  fratribos  eios  per  scripta  soa  mandaoiti 


1)  Cardinalbischof  Paolns  Ton  Palestrina. 

2)  Gemeint  sind  Hadrian  IV.  (llöti)  XU  19  Faraglia  47  Nr.  86;  Alexander 
UL  (1166—68)  I  13  (Nr.  8)  nnd  (1166-69)  YU  26  (Nr.  9).  Ladna  III.  Ut 
deperditnm. 

8)  Goalterios  (s.  oben  Nr.  9). 


330  P.  Kehr, 

nt  ecclesie  tue  tamqaam  matri  et  magistre  sae  deferentes,  in  Om- 
nibus humiliter  et  deuote  episcopis  ipsius  |  ecclesie,  qui  in  ea  fue- 
rlnt  pro  tempore  canonice  substituti,  debitam  renerentiam  atqae 
obedientiam  exhiberent  nee  ex  eo  presamerent  eidem  ecclesie  quic- 
qnam  iuris  sui  |  subtrahere,  quod  ab  eo  iam  dicto  abbati  mnnus 
esset  benedictionis  impensum  et  ne  imposterum  Valuensi  preiudi- 
care  posset  ecclesie,  quod  memoratus  abbas  de  manibus  |  eins  bene- 
dictionem  accepit,  apostolica  auctoritate  decreuit,  ut  ex  hoc  eadem 
ecclesia  nullum  futuris  temporibus  posset  sastinere  preiudicium  *aut 
iacturam,  |  quominus  iam  dictum  monasterium,  sicut  per  predictum 
predecessorem  nostrum  adiudicatum  fuisse  dinoscitur,  ecclesie  pre- 
fate  subiaceat  et  abbatis  benedictio  ad  |  episcopum  eiusdem  ecclesie 
debeat  pertinere.  Sepedictus  autem  L.  predecessor  noster,  intel- 
lectis  per  memoratum  Alcx(andri)  scriptum  que  diximns,  sententiam 
et  constitutijonem  eorundem  antecessorum  nostrornm  ratam  habens 
et  firmam,  apostolica  auctoritate  decreuit,  ut,  sicut  in  nostrorum^> 
scriptis  autenticis  contine|tur,  supradictum  monasterium  perpetuis 
temporibus  ecclesie  tue  subiace[a]t  et  ab  eins  episcopis  ipsius  sem- 
per  benedictio  requiratur  abbatis  et  ad  eos  |  sicut  proprios  epis- 
copos  debeat  sine  alicuius  contradictione  spectare.  No[s]  igitur 
ipsius  et  aliorum  predecessorum  nostrorum  uestigiis  inherentes, 
senjtentiam  et  constitutionem  ipsam  presentis  scripti  pagina  con- 
firmamus.  Nulli  ergo  omnino  hominum  liceat  hanc  paginam  nostre 
confirmajtionis  et  constitutionis  infringere  uel  ei  ausu  temerario 
contraire.  Si  quis  autem  hoc  attemptare  presumpserit,  indignatio- 
nem  omnipotenjtis  dei  et  beatorum  Petri  et  P[aul]i  apostolorum 
eins  se  nouerit  incursurum.    Dat.  Yerone  Y.  kaL  maii.  | 

B. 


a)  tu  ergänMm  antecessoram. 


17. 

Clemens  IIL  nimmt  das  Kloster  S.  Pidro  de  Volle  bona  und 
seine  Besitmngen  in  den  apostolischen  Schutz. 

Lateran  1188  Octdber  25. 

Copie  saec.  XVII  bä  Zanotto  Digestum  scripturarum  I  f.48  „ex 
proprio  originali  cxistenti  in  archivio  abbatiae  s.  Spiritus  de  Sulmona"" 
Sulmona  Biblioteca  Pansa. 


Papstarkaaden  in  den  Abrauen  and  am  Monte  Gargano.  331 

Ich  gebe  nur  d(is  Regest j  da  Herr  Pansa  diese  Urkunde  dem- 
nächst zu  publiriren  beabsichtigt. 

Sacrosancta  Romana  ecclesia. 

Dat.  Lateran.  YIU.  kal.  nouembr.  pontificatas  nostri  anno  primo. 


18. 

Clemens  IIL  nimmt  das  Kloster  S.  lienedetto  di  Perillo  unter 
dem  Propst  Gualter  in  den  apostolischen  Schute,  bestätigt  ihm  die 
Regel  des  h.  Benedict,  die  Besitzungen  und  Rechte. 

Lateran  1188  November  21. 

Copie  saec.  XVII  bei  Zanotto  Digestum  scripturarum  I  f.  49  ^ex 
copia  sinyi>lici  in  carta  bonAacina  existenti  in  arch.  mon.  Collimadii 
de  Aquila^  Sulmana  Biblioteca  Pansa. 

Den  Text  unrd  Herr  Pansa  nächstens  publieiren. 

Cum  a  nobis  petitor. 

Dat.  Lateran,  per  mannm  Moisi'^  sancte  Romane  eedesie  snb- 
diaconi  et  oicem  gerentis^^  cancellarii,  XL  kal.  decembris,  indic- 
tionis  septimQ,  incarnationis  dominier  anno  MCLXXXVIII,  ponti- 
ficatna  nero  domini  dementia  pape  III.  anno  I. 

Cardinale :  Fabian  von  S.  Maria  in  Trasteverc,  Pandulf  von  SS. 
Apostoli,  Älbin  von  S.  Croce  in  Gerusalemme;  Bobo  [von  S.  Giorgio  in 
Vdabro,  Johannes  Felix]  von  S.  Eustachio  '\  Jacinthus  ''>  von  S.  Maria 
in  Cosmedin^  Gregor  von  S.  Maria  in  Porticu^  Joliann  von  S.  Teodora. 


a)  Orisii.  b)  Tioegerentis.  c)  die  Abtchriß  ist  hier  offenbar  unvoU» 

ständig.         d)  lacoboa. 


19. 

Clemens  IIL  ermahnt  aüe  Glätdngen  in  der  CapUanata  und 
Apulien,  eu  Gunsten  des  Baus  der  Kirche  S.  Maria  in  terra  Sanctus 
Severus  Almosen  zu  geben. 

Lateran  1189  {März  Iß—Aprü  1). 

Orig.  San  Severo  Arclnvio  capitolare. 

Qaoniam  nt  alt  apoatolaa. 

Dat.  Laterani  [. . .]  kal.  aprilia  pontificatoa  noatri  anno  aecnndo. 

B.  dep. 


332  P.  Kehr, 


20. 


Clemens  HL  nimmt  das  Bistum  Penne  unter  dem  Bischof  Odo- 
risius  nach  dem  Vorgange  Innocenz^  IL,  Eugens  LI L,  Anastasiu^  IV.^ 
Alexanders  HL  und  Lucius'  III,  in  den  apostolischen  Schutz  und  be- 
stätigt ihm  die  namentlich  aufgeführten  Besitzungen. 

Lateran  1189  October  6. 

Orig.  Fenne  Archivio  capitolare.  —  Danach  auch  im  Ms.  des  N. 
Salconio  saec.  XVI  f  37  Fenne  Archivio  comunale  und  Copie  saec. 
XVIII  von  A.  lilasiotti  hei  Cav.  A,  Casamarte  zu  Loreto  Aprulino. 

Cit.  J  L.  16445  zu  October  15  nach  D'Avino  Ccnni  f).  533. 
Vgl  J-L.  8103  und  Nr.  5.  6.  11.  12. 

Instis  uotis  assensum. 

Dat.  Lateran,  per  manum  Moysi  sancte  Romane  ecclesie  8ub- 
diaconi  uieem  agentis  cancellarii,  IL  non.  oetobr.,  indictione  VIII, 

incarnationia   dommice  anno  M.U.LXXX. Villi  "\   poutificatus  uero 
domni  Clementis  pape  III.  anno  secundo. 

B.  dep. 

CardincHe:  Albinus  von  Albano,  Bobo  von  Porto  und  S.  Rnfina; 
Laborans  von  S.  Maria  in  Trasfeverc^  Fetrus  von  S,  Lorenzo  in  Da-' 
maso^  Fetrus  von  S.  Fietro  in  VincoH,  lohannes  Felix  von  S.  Sm- 
sanna;  Jacinthus  von  S.  Maria  in  Cosmedin^  Gregor  von  S.  Maria 
in  Aquiro. 


a)  statt  Villi  ursprünglich  VIII. 


21. 


Celestin  HL  befiehlt  dem  Decan  und  dem  Convent  von  8.  BarUh 
lotneo  di  Carpineto^  den  von  ihnen  zum  Abt  gewählten  Mönch  Gucdter 
von  Monte  Cassino  nach  Rom  zur  Weihe  zu  senden. 

Lateran  1194  März  Z8. 

Copie  saec.  XVI  im  Ms.  des  N.  Salconio  f.  114!  Fenne  Archivio 
camuncde. 

CELESTINVS  episcopas  senius  semomm  dei.  Dilectis  filiis 
decano  et  conventai  sancti  Bartholomei  de  Carpineto  salutem  et 
apostolicam  benedictionem.  Sicut  ex  literis  aestris  aoeepimoSy 

ittxta  mandatom  noatrum  pro  eligendo  uobis  pastore  secondam  beati 


Papstarkanden  in  den  Abnuzen  und  am  Monte  Gargano.  333 

Benedicti  regolam  conuenistis  et  innocata^^  spiritus  sancti  gratia 
nota  aestra  in  dilectam  filinm  Gaalterinm  monacnm  Casinensem 
nirum,  sicut  dicitur,  prouidnm  et  discretam  pariter  connenerant  et 
eum  in  pastorem  aestrum  unanimiter  eligistis.  Qnocirca  uniuer- 
sitati  nestre  per  apostolica  scripta  mandamus,  quatenus  enndem 
electum  uestram  [ad]  presentiam  [nostram]^)  transmittatis,  confir- 
mationia  et  benedictionis  mnnas,  prout  dignnm  foerit,  a  sede  apo- 
stolica recepturam.  Dat.  Lateran.  V.  calen.  aprilis  pontificatus 
nostri  anno  tertio. 


a)  in  nocato.  b)  im  Ms,  bloß  presentiam. 


22. 

Celestin  IIL  nimmt  die  Kirche  S.  Nicolai  de  Monte  JUatesio  unter 
dem  Prior  Johannes  in  den  apostoliscfien  Schute^  bestätigt  ihr  die 
Regel  S.  Benediäs^  die  namentlich  aufgezählten  Besiteungen,  die  Zehn- 
ten^  das  Äufnahmerecht  ^  die  WaJd  des  Bischofs  für  die  bischöflichen 
Leistungen  und  das  Wahlrecht. 

Born  S.  Peter  1194  Mai  23. 

Copie  von  1357  Boiano  bei  Herrn  Domenico  Chiovitti. 

Die  Namen  sind  schrecklich  verderbt;    die  Cardinalsunter- 
Schriften  sind  hier  stillschweigend  emendirt. 

Com  sitis  regulärem. 

Data  Borne  apud  sanctum  Petrmn  per  mannm  Egidii  sancti 
Nicholai  in  carcere  Tolliano  diaconi  cardinalia,  X.  kal.  iunii,  in- 
dictionis  XIT*,  anno  dominice  incarnationis  M*.  C*. XC*.  IUI*,  ponti- 
ficatos  nero  domini  CELESTDn  pape  III.  anno  qaarto. 

Cardinaie:  Albinm  von  Älbano^  Octavian  von  Ostia  und  Velletri, 
Johannes  von  Palestrina,  Petrus  von  Porto  und  S.  Rußna;  Pandtdf 
von  SS.  Apostolif  Petrus  von  S.  Cecilia,  Johannes  von  S.  demente  und 
Bischof  von  ToscaneUa ,  Johannes  Felix  von  S.  Susanna ,  Romanus 
von  S.  Anastasia,  Cruido  von  S.  Maria  in  Trastevere^  Hugo  von  S. 
MartinOf  Johannes  von  S.  Stefano  in  CeliOy  Cinthius  von  S.  Lorenso 
in  Ludnoj  Soffredus  von  S.  Prassede,  Bernhard  von  S.  Pietro  in  Vin- 
coli^  Fidantius  von  S.  Marcello;  Oratianus  von  SS.  Cosma  e  Da- 
miano, Qregor  von  S.  Maria  in  Porticu,  Gregor  von  S.  Maria  in 
Aguiro,  Lothar  von  SS.  Sergio  e  Bacco,  Nieolaus  von  S.  Maria  in 
Cosmedin^  Bobo  von  S.  Teodora  ^  Petrus  von  S.  Maria  in  Via  lata. 

Kfl.««.  4.  WIM.   MMhfftokI«.  PkUolH^rUitor.  KImm.  1886.  Hallt.  23 


334    P*  Kehr 9  Papstorkünden  in  den  Abrttzzen  and  am  Honte  Gargano. 

Celesün  IIL  nimmt  das  Bistum  Penne  unter  dem  Bischof  Odo 
nach  demVorgange  Innocenz*  11.^  Eugens  IIL^  Anastasius^  IV.^  Alexan- 
ders lll.y  Lucius'  111,  und  Clemens'  IIL  in  den  apostolischen  Schutz 
und  bestätigt  ihm  die  namentlich  aufgeführten  Besitzungen,  insbeson- 
dere die  wörtlich  eingerückte  Entscheidung  Lucius^  IIL  von  1184  1 19 
J'L.  14B74:  über  den  Streit  zwisclien  Bischof  Odorisius  und  dem  Abt 
Senebald  von  S.  Quirico  de  Interocro. 

Lateran  1195  Februar  IL 

Orig,  Penne  Archivio  capitolare.  —  Danach  aufh  im  Ms.  des 
N.  Sdlconio  saec.  XVI  f.  39'  Penne  Archivio  comunale  und  Cqpie  saec. 
XVIII  von  A.  Blasiotti  bei  Cav.  A,  Casamarte  in  Loreto  Aprutino. 

Cü.  J'L.  17190  nach  Ughelli  I  1125.     Vgl.  J-L.  8103  und 
Nr.  5.  6.  11.  12.  20. 

lastis  uotis  assensum. 

Dat.  Lateran,  per  mannm  Cencii  sancte  Lucio  in  Orthea  dia- 
coni  cardinalis,  domini  pape  camerarii,  UI.  idus  febmarii,  indictione 
XIII,  anno  dominice  incamationia  M^  C^.  XC®.  UII°,  pontificatus  uero 
domini  CELESTINI  pape  III.  anno  quarto. 

B.  dep. 

Cardinale:  Albinus  von  Albano^  Octavian  von  Ostia  und  Vdletrij 
Johannes  von  Pcdestrina^  Petrus  von  Porto  und  S.  Rufina]  Pandulf 
von  SS.  Apostoli^  Petrus  von  S.  Cecüia^  Johannes  von  S.  demente^ 
Bischof  von  Toscanella  und  Viterbo,  Hugo  von  S.  Martine^  Johannes 
von  S.  Stefano  in  Celio  monte^  Cinthius  von  S.  Lorenzo  in  Lucina^ 
Soffred  von  S.  Prassede,  Bemard  von  S.  Pietro  in  Vincoli^  Fidantius 
von  S.  Marceüo;  Oratian  von  SS.  Cosma  e  Damiano^  Gerard  von 
S.  Adriano,  Gregor  von  S.  Maria  in  Porticu^  Lothar  von  SS.  Sergio 
e  BaccOf  Nicolaus  von  S.  Maria  in  Cosmedin^  Gregor  von  S.  Angdo^ 
Bobo  von  S.  Teodoro^  Petrus  von  S.  Maria  in  Via  lata. 


Papstarkunden  im  Principato,  in  der  Basilicata 

and  in  Calabrien. 

Ein  BeiBebericht 
▼on 

H.  Kllnkenborg. 

Vorgelegt  Ton  P.  Kehr  in  der  Sitxtmg  Tom  28.  Juli  1898. 

So  gering  auch  immer  der  Erfolg  sein  mag,  den  meine  Reise 
im  Principato,  in  der  Basilicata  und  in  Calabrien  für  die  Ausgabe 
der  Papsturkunden  brachte,  so  wird  doch  dem  Historiker  eine 
Uebersicht  über  diese  bisher  fast  gar  nicht  untersuchten  Archive 
nicht  unwillkommen  sein« 

Ln  Anfang  Januar  verließ  ich  Neapel,  wo  Herr  Dr.  Schia- 
parelli  und  ich  die  Reise  für  ünteritalien  vorbereitet  hatten, 
um  nach  der  Bearbeitung  der  Archive  von  Nola,  Samo,  Nocera 
und  La  Cava  nach  Avellino  zu  gehen.  Hier  fand  ich  an  Herrn 
Prof.  Testa  einen  liebenswürdigen  Führer;  er  versicherte  mir, 
daß  in  der  Biblioteca  comunale  e  provinciale,  derenVer- 
waltung  ihm  übertragen  war,  weder  Handschriften  noch  Urkunden 
vorhanden  seien.  Im  Archivio  comunale  war  die  Copie  einer 
Bulle  Pauls  V.  das  älteste  Document,  das  ich  aufzufinden  ver* 
mochte.  Das  Archivio  provinciale  beginnt  mit  Akten  der 
üdienza  di  Montefusco*  s.  XVJi.  Die  wenigen  Urkunden  des  A  r- 
chivio  capitolare  sind  zu  einem  Bande  zusammengebunden 
und  fibersteigen  s.  XIV  nicht.  Von  den  hier  aufbewahrten  Manu- 
Scripten  ist  nur  die  Storia  di  AveUino  von  SoipUme  BeUabima  (vgl. 
Testa,  Sc  B.  Avellino  1895)  zu  nennen,  in  deren  viertem  Buche 
die  Privilegien  von  Montevergine  meist  aus  Drucken  copiert  sind, 
darunter  Celestin  m.  J-L.  17686.    Das  Arohivio  vescovile 

23« 


336  ^-  Klinkenborg, 

hat  nach  den  Angaben  des  Prof.  Testa  and  des  Cancelliere  vesco- 
vile  nur  Verwaltungsakten  von  s.  XVI  an. 

In  Montemarano  eind  weder  im  Archivio  capitolare  noch 
im  Archivio  comunale  ältere  Bestände.  Der  Arciprete  er- 
zählte mir,  daß  die  Urkunden  des  Archivio  capitolare  an  einen 
Vertreter  der  Regierung  ausgehändigt  und  seitdem  verloren  seien ; 
eine  Vita  des  Titularheiligen  der  Kathedrale  S.  Giovanni  habe  man 
den  BoUandisten  geschenkt.  Ein  Archivio  vescovile  existiert 
hier  nicht  mehr,  sondern  es  ist  mit  dem  Archivio  vescovile  von 
Kosco  verbunden,  seitdem  diese  beiden  Bistümer  vereinigt  sind. 
Letzteres  zeigte  mir  der  Bischof  Mons.  EmilioTodisco-G-rande 
persönlich :  Urkunden  eines  Dominikanerklosters  von  Nusco  sind 
die  ältesten  Documente  dieses  Archives  von  s.  XIV  an.  Die  Ka- 
thedrale hat  nur  eine  einzige  Urkunde,  das  Testament  des  Bischofs 
Amato  von  1093,  dessen  Original  vor  einigen  Jahren  wieder  auf- 
gefunden wurde,  so  daß  dadurch  der  Streit  entschieden  ist,  den 
man  über  seine  Echtheit  führte^).  Sonst  hat  das  Archivio  ca- 
pitolare nach  den  Versicherungen  des  Vicario  generale  della 
Vecchia  nur  Verwaltungsakten  modernen  Datums. 

Die  Archive  der  vereinigten  Bistümer  S.  Angelo  dei  Lombard!, 
BiBaooia  und  Monteverde  erwiesen  sich  als  bedeutungslos.  Das  Ar- 
chivio capitolare  in  S.  Angelo  hat  eine  Sammlung  von 
Pergamenturkunden,  die  mit  dem  Jahre  1540  beginnen,  dagegen 
sind  die  Archive  der  Stadt  und  des  Bistums  noch  jünger.  In  B  i- 
saccia,  wo  ich  bei  dem  Arzt  Pasquale  Capaldo  gastliche  Auf- 
nahme fand,  wurden  mir  im  Archivio  capitolare  Urkunden 
s.  XVII  und  vier  libri  chorales  ohne  künstlerischen  Wert  gezeigt. 
Ueber  die  Archive  von  Monteverde  wurde  ich  durch  den  Erz- 
bischof von  Conza,  Mons.  Buglione,  der  aus  Monteverde  stammt, 
näher  unterrichtet.  Er  sagte  mir,  daß  das  Archivio  comunale 
nichts  habe,  daß  die  älteren  Documente,  die  im  Eapitelarchiv 
aufbewahrt  wurden,  von  ihm  wieder  aufgefunden  seien,  aber  keinen 
historischen  Wert  hätten. 

Die  Hoffnung,  in  der  Metropole  dieses  trefflichen  Praelaten 
eine  gute  Ausbeute  zu  finden,  täuschte  mich  vollständig.  In  Conia, 
wo  noch  heute  das  Kapitel  und  die  Kathedrale  ist,  blieb  mir  das 
Archiv  verschlossen,  weil  der  Arcidiacono,  der  die  Schlüssel  ver- 
wahrte, nach  S.  Andrea  di  Conza  gegangen  war,  um  mit  dem 
dort  residierenden  Erzbischof  einige  Beratungen  zu  halten.    Der 


1)  Vgl.  AcU  Sanctorom  Bd.  40  (1868)  8. 704  und  Capuso  im  Ardddo  sto- 
rico  Napoletano  VI  648. 


Papst  Urkunden  im  Principato,  in  der  Basilicata  und  in  Calabrien.      337 

Erzbischof  und  sein  Vicario  generale  Mons.  Migliore  nahmen  mich 
gastlich  auf  und  machten  mich  mit  dem  Arcidiacono  della  cattedrale 
di  Conza  bekannt,  der  mir  versicherte,  daß  durch  die  häufigen  Erd- 
beben, die  Conza  heimgesucht  haben,  das  dortige  Kapitelarchiv 
aller  älteren  Documente  beraubt  sei,  so  daß  ein  nochmaliger  Be- 
such sich  nicht  lohnen  würde.  Das  Archivio  arcivescovile 
beginnt  s.  XVI  (mit  Leo  X),  doch  ist  hier  noch  ein  wichtiges  Ma- 
nuscript :  Cronaca  Coneana  dedicata  airUl"*^  D.  Gaetano  Caraccivi  ar- 
civescovo  di  Conza  daWatUore  dottore  D.  Donato  Antonio  Castellano, 
2  Foliobände,  s.  XVIH  ineun.  mit  Calixt  U.  J-L.  7115  in  Bd.  I 
f.  54'  mit  der  Quellenangabe :  Vi  era  anco  anticamente  un  cimiterio 
vulgarmente  dimandata  la  carnälia  nel  quäle  siava  concessa  Vindtd- 
genza  da  Ccdisto  IL  Dagegen  hat  sich  von  den  Privilegien  Ale- 
xanders III.  und  Lucius'  III.  für  das  Bistum,  die  in  einer  Bulle 
Innocenz'  III.  Potth.  1159  erwähnt  sind,  keine  handschriftliche  lieber- 
lieferung  erhalten.  In  Conza  erfuhr  ich  von  dem  Erzbischof,  daß 
bei  der  Vereinigung  von  Satriano-Lucano  mit  dem  Bistum 
Campagna  auch  die  geistlichen  Archive  von  Satriano  nach  Cam- 
pagna  gebracht  wurden. 

Bei  einem  Besuche  der  Archive  von  Lacedonia  stellte  sich  her- 
aus, daß  das  älteste  Document  des  Archivio  vescovile  ein 
Breve  Gregors  XIU.  von  1581  ist,  daß  im  Archivio  capitolare 
nur  zwei  Plateae  vorhanden  sind,  während  das  Archivio  co« 
munale  ausschließlich  Verwaltungsakten  hat. 

Auch  die  auf  der  Rückreise  aus  Calabrien  besuchten  Archive 
von  Polioastro,  VaUo-Lneano,  Capaooio,  Teggiano,  Padula  und  Manioo 
nuovo  boten  geringe  Ausbeute.  In  Polioastro,  das  jetzt  ein  gänz- 
lich unbedeutender  Ort  ist,  dem  ein  vollständiger  Ruin  droht, 
fand  ich  im  Archivio  vescovile  Akten  von  s.  XVIII  an 
vor,  während  das  Archivio  capitolare  nach  den  mir  er- 
teilten Versicherungen  gar  nur  Schriftstücke  unseres  Jahrhunderts 
haben  soll.  Auch  das  Archiv  des  alten,  einst  hochbedeutenden 
Bistums  Pesto  -  Capaooio  ist  verloren.  Bei  der  Teilung  der  Diücese 
von  Capaccio  in  die  von  Vallo-Lucano  und  Teggiano  wurde  auch 
das  Bistumsarchiv,  das  lange  Zeit  in  Sala  Consilina  verwahrlost 
gelegen  hatte,  und  von  dem  ein  großer  Teil  verkauft  wurde,  ge- 
teilt, doch  ist  so  wenig  übrig  geblieben,  daß  die  beiden  Ar- 
chivi  vescovili  von  Teggiano  und  Vallo-Lucano  nur  Do- 
cumente s.  XIX  besitzen.  Das  Archivio  capitolare  in  Vallo 
beginnt  etwa  mit  1550,  das  von  Teggiano  mit  1288,  endlich 
das  von  Capaccio  selbst,  das  heute  im  Ufficio  del  registro 
zu  Capaccio  aufbewahrt  wird,   geht  bis  s.  XVI.  zurück.    Einige 


338  ^*  Klinkenborg, 

Archive  dieser  Gegenden  wie  das  der  Benedictinerinnen  von 

von  1359  an  und  das  der  Cistercienserinnen  von  Saponara  von  1537 

an  sind  im  Archivio  grande  zu  Neapel. 

Im  Archivio  vescovile  von  Marrioo  nuovo,  das  mir  der  Yi- 
cario  generale  Messina  zugänglich  machte,  sah  ich  eine  Urkunden- 
sammlung von  s.  XTTT  an.  Auch  wird  hier  das  Archiv  von  S.  Gia- 
como  dei  Celestini  di  Marsico  nuovo  anfangend  mit  s.  XIV  aufbe- 
wahrt. Die  ältesten  Documente  des  Archivio  capitolare 
gehören  dem  15.  Jahrhundert  an.  Auch  besuchte  ich  hier  noch 
die  Familien archive  von  Rossi  und  Barrese,  von  s.  XVI  an. 

Die  einst  sehr  reiche  Bibliothek  der  im  13.  Jahrhundert  ge- 
gründeten  Certosa  zu  Padula  ist  jetzt  arg  geplündert;  Handschrif- 
ten ,  auf  die  ich  wegen  der  häufigen  Copialbücher  der  Privilegien 
für  den  Karthäuserorden  fahndete,  waren  überhaupt  nicht  zu  ent- 
decken. Vom  Archiv  war  nichts  übrig  geblieben,  doch  erzählte 
mir  der  Conservatore  dieses  monumento  nazionale,  Marchese  Impe- 
riale, daß  einige  Pergamene  des  Archivs  im  Ufficio  del  registro 
di  Sala  Consilina  erhalten  seien. 

Die  von  Ughelli  publicirten  Papsturkunden  des  Bistums  Melfl 
sind  verloren*).  Der  Bischof,  der  selbst  das  Archivio  vesco- 
vile geordnet  hat,  versicherte  mir,  daß  dort  keine  Urkunden  vor 
s.  XVI  vorhanden  seien,  auch  Copien  von  älteren  Papst-  und  Kaiser- 
urkunden nicht.  Das  Archivio  capitolare  hat  eine  Samm- 
lung von  Pergamenturkunden  von  1334  an,  ferner  21  Papierbände 
verwaltungsrechtlichen  Inhalts,  endlich  auch  ein  Register  zum  Ar- 
chiv. Die  Archive  der  Stadt  und  des  Fürsten  Doria  boten  nichts 
für  uns.  Das  Archivio  capitolare  des  mit  Melfi  vereinigten 
Bistums  Bapolla  hat  wenige  Papierbände,  die  keine  Bedeutung 
für  uns  hatten.  Die  Erkundigungen,  die  ich  in  Melfi  über  das 
ArchivdesKlosters  S.Mi chelarcan gel o  inVolture  (Monticchio) 
einzog,  ergaben  kein  sicheres  Resultat.  Ein  Teil  des  Archivs  be- 
findet sich  in  der  Biblioteca  nazionale  zu  Neapel  (I.  AA.  39) ,  doch 
stellte  sich  bei  der  Durchsicht  heraus,  daß  hier  das  Privileg  von 
Nicolaus  II.  für  das  Kloster,  dessen  Kirche  er  am  13.  August  1059 
consecrirt  hatte,  fehlte^.  In  Bionero  aber  erfuhr  ich  von  einem 
früheren  Mönch  des  Klosters,  der  dort  jetzt  Pfarrer  ist,  daß  diese 


1)  Schon  Gennaro  Araneo,  Kotizie  storiche  della  citU  di  Melfi  (Firense  1866) 
p.  210  kannte  die  Bollen  nar  aas  Ughelli,  Tgl.  aach  D'Ayino,  Cenni  storici  solle 
chiese  del  Regno  delle  doe  Sicilie  p.  828. 

2)  Die  besten  Kachrichten  bei  Gennaro  Araneo,  Notixie  di  Melfi  p.  141  ond 
p.  290  Anm.  1.  Dagegen  ist  das,  was  A.  di  Meo,  AnnaU  di  Kapoü  Bd.  8  (1808) 
p.  8  aof  Grond  von  Costantino  Gatta,  Lucania  sagt,  siemlich  verwirrt. 


Papstarkanden  im  Prindpato,  in  der  Basilicata  cmd  in  Galabrien.      339 

ürknnde,  die  eine  Indalgenz  enthalten  habe,  bei  einem  Briganten- 
kämpf  in  der  Sakristei  zu  G-ronde  gegangen  sei.  Die  bei  dieser 
Gelegenheit  besachten  Archiveltioneros,  das  Archivio  munici- 
pale  und  das  Ufficio  del  registro  boten  keine  Ausbeute. 

In  Potenia  war  der  Archivista  di  stato  Antonio  Tripepi 
mein  unermüdlicher  Führer ;  leider  war  er  erst  kurze  Zeit  hier 
und  kannte  daher  die  Archive  noch  nicht.  ImArchivio  provin- 
c  i  a  1  e  ist  eine  mit  dem  Jahre  1680  beginnende  Sammlung  von  Ur- 
kunden ;  sonst  ist  dies  Archiv  ebenso  wie  das  der  Praefektur  und 
der  Provinz  Verwaltungsarchiv.  Das  Archivio  vescovile  hat 
nur  noch  Akten  von  s.  XVUI  an,  das  ältere  Material  von  s.  XIII 
ab  ist  in  das  Staatsarchiv  nach  Neapel  gebracht.  In  der  Biblio- 
teca  del  Seminario  vescovile  fand  ich  eine  große  Anzahl  von 
Urkunden  von  1317  an,  sowie  einige  allerdings  wertlose  Handschrif- 
ten. Auch  die  Biblioteca  del  Liceo  zeichnete  sich  durch  zwei  Hand- 
schriften s.  XVn  und  s.  XVni  aus.  Nur  das  Archivio  capi- 
tolare  ging  bis  ins  13.  Jahrhundert  (circa  1276)  zurück. 

Von  Potenza  aus  besuchte  ich  mit  großen  Erwartungen  die 
alte  Metropole  Aoarenia,  aus  deren  Archiven  Ughelli  eine  große 
Beihe  von  Papsturkunden  publicirt  hat.  Leider  war  auch  hier 
der  Erfolg,  trotz  aller  Unterstützung,  die  ich  bei  dem  Sindaco  Pas- 
quale  Pan  ni  und  seinem  Bruder  dem  Vicario  generale  Mons.  Panni 
fand,  gering.  Wie  mir  gesagt  wurde,  ist  der  Verlust,  den  das 
Archiv  erlitten  hat,  dadurch  zu  erklären,  daß  es  einst  von  Ace- 
renza  nach  Matera  gebracht  und  erst  nach  langen  Verhandlungen 
wieder  an  Acerenza  zurückgegeben  wurde.  Das  Archivio  ca- 
pitolare,  dessen  Bullen  alle  zusammengeheftet  sind,  beginnt 
mit  einer  gleichzeitigen  Copie  Alexanders  IL  J-L.  4647,  ebenda 
ist  auch  ein  Notariatsinstrument  dieser  Bulle  von  1689.  Sonst  ist 
alles  verloren,  insbesondere  ließ  sich  das  von  Ughelli  benutzte  Co- 
pialbuch  des  Bistums  nicht  nachweisen.  In  Acerenza  sowohl  wie 
in  Potenza  bemühte  ich  mich  vergeblich  über  die  Archive  der  bei- 
den zu  der  Diooese  von  Acerenza  gehörenden  Klöster  Banzi  und 
Pisticci  Näheres  zu  erfahren.  Das  einst  an  Papsturkunden  so 
reidie  Archiv  von  Banzi  scheint  vollständig  verloren  zu  sein^). 

Die  Archive  von  Muro  Lueano  sind  neuerdings  in  dem  Werke 


1)  Eine  haodschrifUiche  Geschichte  des  Klosters  Banri  von  Domenico  Pan- 
neUi  (La  memorie  del  monastero  Bantino,  Bibl.  nasionale  di  Napoli  X.  G.  1;  ein 
iweitet  Exemplar  ebenda  XIV.  B.  16)  hat  neben  Ughelli  als  Quelle  fQr  drei  wei- 
tere noch  nogedmckte  Papstarknnden  [Alezander  II.  and  2  Paschale]  den  Processo 
di  Regia  Camera  Nr.  680  di  PandetU  Antica  im  Archivio  di  sUto  ra  Neapel 
benntst    Ueber  die  ArchiTe  von  Matera  nnd  Bansi  s.  oben  (Papstork.  in  Apalien). 


340  ^*  Elinkenborg, 

von  L.  Martuscelli,  Numistrone  e  Muro  Lucano  (Napoli  1896)  so  voll- 
ständig ausgenutzt,  daß  ich  mich  mit  dem  Hinweis  auf  dies  Werk 
begnügen  kann.    Für  die  Fapsturkunden  ergaben  sie  nichts. 

Ebensowenig  war  dies  in  Tricarioo  der  Fall,  obgleich  hier  die 
ältesten  Archive  der  Basilicata  vorhanden  sind.  DasArchivio 
capitolare  beginnt  mit  dem  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  und 
besitzt  unter  anderen  einige  griechische  Urkunden.  Wichtig  ist  es 
insbesondere  durch  die  Urkunden  der  Grafen  von  Tricarico  und 
der  Erzbischöfe  von  Acerenza.  Die  von  Zavaroni  Esistenza  e  va- 
liditä  dei  privilegi  conceduti  di  principi  Normanni  alla  chiesa  ca- 
thedrale  di  Tricarico  aus  dem  Kapitelarchiv  mitgeteilten  Papst- 
urkunden von  Calixt  II.  J-L.  7078  und  Lucius  III.  J-L.  14922  schei- 
nen jetzt  verloren  zu  sein.  Im  Archivio  della  curia  ves- 
covile  wurden  die  Acta  sanctae  visitationis  vergeblich  auf  etwaige 
Copien  dieser  verlorenen  Urkunden  durchgesehen.  Im  Ufficio 
del  registro  werden  die  Urkunden  des  Klosters  S.  Chiara  von 
1201  an  aufbewahrt;  sie  sind  neben  den  Urkunden  des  Eapitel- 
arcbivs  für  die  Geschichte  der  Grafen  von  Tricarico,  die  dieses 
Kloster  gegründet  hatten,  wichtig.  Ein  großer  Teil  der  Urkunden 
von  Tricarico  befindet  sich  außerdem  im  Archivio  di  stato  zu 
Neapel. 

Ueber  die  Archive  des  Bistums  Anglona  -  Tnrsi  unterrichtete 
mich  ein  Brief  des  Vicario  generale  Mons.  G.  Fadul a,  der  angab, 
daß  mit  der  Zerstörung  von  Anglona  auch  das  alte  Archiv  ver- 
nichtet sei,  und  daß  jeder  Versuch  auch  nur  Abschriften  von  Ur- 
kunden vor  1200  zu  erhalten  vergeblich  sein  würde.  Dagegen 
waren  meine  Bemühungen  über  die  Archive  der  alten  der  Diöcese 
von  Anglona-Tursi  angehörenden  Klöster  von  Carbone  und  von 
S.Maria  deSagittario  nähere  Nachrichten  zu  erhalten,  erfolg- 
los^). Das  Archivio  delle  Ciarisse  di  Tursi  von  1630  an  befindet 
sich  im  Archivio  di  stato  zu  Neapel. 

Daß  die  Archive  der  Basilicata  und  des  Principato   eine   so 


1)  Die  Geschichte  des  Klosters  too  Paolo  Emilio  Carbone,  die  üghelli,  Italia 
Sacra  VII  71  ff.  häufig  benutzt  hat,  ist  mir  nicht  zugänglich.  Die  Gründung  des 
Klosters  Yon  S.  Maria  de  Sagittario  setzt  Ughelli,  Italia  sacra  VII  80  ins  Jahr 
1200,  dagegen  setzen  andere  die  Gründung  des  Klosters  ins  X.  Jahrhundert.  Für 
diese  Ansicht  spricht  die  von  Gregorins  de  Laude  alias  de  Lauro,  B.  Joachim! 
ahbatis  sacri  ordinis  Cisterciensis  monasterii  Floris  apologetica  angeführte  Bulle 
von  Ilonorius  III.  von  1216  Sept.  18  (fehlt  bei  Potth.  und  Pressuti),  in  der  Hono- 
rius  die  Privilegien  des  Klosters  nach  dem  Vorbild  von  Alexander  IL,  Gregor 
VII.,  Urban  IL,  Paschal  IL  und  Calixt  IL  bestätigt  (vgl.  di  Meo  Annali  X  185  ff. 
[1806]). 


Papttnrkunden  im  Prindpato,  In  der  BMllieaU  nnd  In  Calabrien.      341 

geringe  Ausbeute  liefern  würden,  war  trotz  der  nicht  zu  hoch  ge- 
spannten Erwartungen  nicht  vorauszusehen,  dagegen  waren  von 
Anfang  an  die  Hoffnungen,  in  Calabrien  viel  Material  aufzufin- 
den, nicht  groß.  Verschiedene  Unglücksfalle,  wie  die  Verwüstungen 
der  Türken  und  Saracenen,  sowie  die  vielen  Erdbeben,  insbesondere 
das  von  1783,  haben  hier  mit  dem  älteren  historischen  Material  so 
gründlich  aufgeräumt,  daß  ein  so  genauer  Kenner  der  Archive  Ca- 
labriens  wie  der  Grraf  Vito  Capialbi  in  seiner  Schrift  Sugli  archivi 
delle  due  Calabrie  ulteriori  S.  12  gestand :  „lo,  che  ho  frugato  quanto 
piili  ho  potuto  gli  archivi  delle  varie  cittä  e  corporazioni  religiöse 
ed  ecclesiastiche  di  quella  provincia  per  la  compilazione  delle  me- 
morie  de'vescovadi  calabresi,  posso  accertare  che  non  mi  e  riuscito 
mai  di  vedere  le  originali  concessioni ,  donazioni  e  i  privilegi  ge- 
nerosamente  rilasciate  alle  chiese  ed  a'monasteri  calabresi  da'So- 
vrani,  daTontefici  o  da  altri  illustri  feudatari'^.  Diese  Angaben 
erwiesen  sich  wie  überhaupt  alle  Bemerkungen  der  kleinen  Schrift 
als  durchaus  zutreffend. 

Mein  Plan  bei  dieser  Reise  in  Calabrien,  mich  zunächst  in 
Coaansa  durch  die  Mitglieder  der  Accademia  Cosentina  möglichst 
genau  über  die  Archive  zu  orientieren,  konnte  nicht  durchgeführt 
werden,  denn  diese  Mitglieder  waren  eben  über  sie  durchaus  nicht 
unterrichtet.  Der  Liebenswürdigkeit  der  Avvocati  Fera  und  de 
Bonis,  sowie  des  Sindaco  Salfi  verdanke  ich  indeß,  daß  mir 
alle  Bibliotheken  und  Archive  Cosenzas  zugänglich  waren.  Die 
Biblioteca  Cosentina,  die  jahrelang  geschlossen  war,  und 
deren  Bücherbestand  fast  ganz  verschwunden  ist,  ist  jetzt  wieder 
neugeordnet  worden.  Leider  strebt  man  jedoch  nicht  darnach,  hier 
eine  Bibliothek  zu  schaffen ,  die  die  für  Calabrien  wichtige  Litte- 
ratur  in  erster  Linie  enthalten  soll,  sondern  das  Ideal  ist,  aus 
allen  Weltgegenden  und  aus  allen  Wissenschaften  etwas  zu  be- 
sitzen. So  war  sie  für  mich  von  keinem  Nutzen.  Nur  eine  Hs. 
8.  XVin  wurde  hier  aufbewahrt.  Dagegen  kann  ich  dem  Sindaco 
Salfi  nicht  genug  danken,  daß  er  mir  seine  für  die  Localgeschichte 
Calabriens  sehr  wichtige  Bibliothek ,  für  die  jetzt  würdige  Räume 
gebaut  werden,  zugänglich  machte,  namentlich  war  hier  eine  große 
Anzahl  von  Broschüren  zusammengebracht.  Einige  Handschriften 
haben  für  die  Calabresische  Geschichte  im  16.  und  17.  Jahrhundert 
Wert.  Weniger  wichtig  erwies  sich  die  Bibliothek  des  Hauses 
Bombini,  während  mir  die  der  Familie  Greco  verschlossen  blieb. 
Die  ältesten  Urkunden  hat  das  Archivio  capitolare  von  1223 
an ;  die  früher  vorhandenen  Eaiserurkunden  für  Cosenza  und  S.  Gio- 
vanni in  Fiore   sind  jetzt  verloren.    £in  Katalog  des  Archivs  ist 


842  M.  Klinkenborg, 

im  Besitz  des  Avvocato  de  Bonis  (Mss.  s.  XVII.).  Im  Archivio 
della  curia  vescovile  ist  ein  wichtiger  Liber  praebendaram  von 
1826,  der  aus  älteren  jetzt  verlorenen  Quellen  geschöpft  hat. 
Namentlich  ist  sein  fünftes  Capitel|  die  Geschichte  der  Erzbischofe 
von  Cosenza  enthaltend,  wichtig  wegen  der  reichen  historischen 
Notizen.  Das  Municipalarchiv  hat  seine  älteren  Sachen  durch 
den  Geschichtsschreiber  Cosenzas,  den  Sindaco  Andreotti  verloren : 
er  hatte  alles  in  seine  Wohnung  bringen  lassen,  verzog  aus  Cosenza 
und  bei  seinem  Tode  ist  dann  alles  zerstreut  worden.  Ich  sah 
nur  noch  einige  libri  chorales,  die  aus  dem  Franziskanerkloster 
stammten.  Vergeblich  suchte  ich  in  dem  in  der  Praefektur  gebil» 
deten  Archivio  Silano  nach  Urkunden  des  Klosters  S.  Giovanni 
in  Fiore;  es  enthält  nur  Akten  von  s.  XVII  an.  Doch  wird  dies 
erst  im  letzten  Viertel  des  12.  Jahrhunderts  gegründete  Kloster 
schwerlich  andere  Papsturkunden  als  die  fiberlieferte  Celestins  III. 
J-L.  17426  gehabt  haben^).  Im  Archivio  provinciale  fand 
ich  eine  neuerdings  aus  Castrovillari  gekommene  Sammlung  von 
Urkunden  vor,  doch  sind  es  nur  Instrumente  von  s.  XVI  an.  Das 
Archivio  notarile  beginnt  mit  Ende  des  16.  Jahrhunderts;  die 
früher  hier  aufbewahrten  Pergamenturkunden  sind  zu  Umschlägen 
verwandt  oder  verkauft  worden. 

In  Bisignano  hoffte  ich  das  Original  des  Privilegs  Cele- 
stins m.  von  1192  April  13  aufzufinden,  in  dem  der  Papst  das 
Bistum  in  den  unmittelbaren  Schutz  der  römischen  Kirche  nimmt. 
Aber  nicht  einmal  eine  Abschrift  war  vorhanden,  so  daß  wir  auf 
die  Copie  im  Processo  di  regio  patronato  Bd.  1038  Nr.  16  f.  6  im 
Archivio  di  stato  zu  Neapel  angewiesen  sind  (J-L.  — ,  Incipit: 
Ordo  rationis  expostulat.).  Was  heute  im  Archivio  vescovile  und 
im  Archivio  capitolare  zurückgeblieben  ist,  übersteigt  nicht s. 
XVIII.  Im  Franciscanerkloster  della  Riforma  sind  in  der  von  der 
Comune  den  Unbilden  des  Wetters  preisgegebenen  Bibliothek 
auch  Handschriften,  doch  nur  religiösen  Inhaltes.  Eine  Geschichte 
des  mit  Bisignano  vereinigten  Bistums  8.  Maroo  wird  demnächst  der 
Canonico  Cristofaro  herausgeben,  der  mir  in  beweglichen  Worten 
die  Schwierigkeit  seines  Unternehmens  bei  dem  Fehlen  urkund- 
lichen Materials  schilderte.     Eine  Platea  des  Carlo  Pintibona  von 


1)  Scbmerdicher  ist,  daB  das  Archiv  des  Matterklosten  von  S.  GioTaimi 
10  Fiore,  des  Klosters  S.  Maria  di  Corasso  yerloren  ist  Der  ans  bei  Jacobe 
Oraeco,  Cronologia  Joachim!  abbatis  et  Florensis  ordinis  ex  copia  aotentica  er- 
haltene Honorios  11.  J-L.  7877  s&hlt  an  älteren  Papstnrkunden  auf:  Alezander  II., 
Gregor  YII.,  ürban  IL,  Paschal  II.  and  Calixt  II. 


Papstarkanden  im  Principaio,  in  der  BasilieatA  und  in  Calabrien.      343 

1612  ist  das  älteste  Document  des  Archivio  capitolare,  wäh- 
rend das  Archivio  della  caria  zwei  Urkunden  s.  XVI,  sonst 
aber  nur  Akten  s.  XIX  hat.  Cristofaro  selbst  hat  einige  hi- 
storische Handschriften  s.  XVII,  so  z.  B.  Eduardos  Leopoldus  Petti, 
Chronolo^ia  dei  vescovi  di  S.  M.,  doch  sind  bereits  hier  die  älteren 
Notizen  Drucken  entnommen. 

In  Cassano  waren  durch  einen  Brand  des  Vescovado  in  diesem 
Jahrhundert  die  hier  untergebrachten  Archive  des  Bistums  und 
des  Kapitels  zerstört,  die  wenigen  durch  Zufall  geretteten  Docu- 
mente  haben  keinen  Wert  für  uns.  Die  Bibliothek  der  Kapuziner 
von  Cassano  ist  dem  Ist i tut o  di  S.  Andriano  in  S.Demetrio 
unweit  Coriglianos  mit  anderen  Bibliotheken  der  aufgehobenen 
Klöster  überwiesen  worden;  mich  hinderte  der  strenge  Winter 
dies  durch  keine  Landstrassen  mit  der  Welt  verbundene  Institut 
aufzusuchen. 

In  Boflsano  übernahm  der  Arciprete  Can.  Giuseppe  Ciconte 
in  liebenswürdiger  Weise  die  Führung,  doch  waren  alle  seine 
Bemühungen  einiges,  das  unseren  Zwecken  dienlich  sein  könnte, 
aufzufinden,  vergeblich.  Nur  das  Archivio  capitolare  hat  ein 
höheres  Alter  aufzuweisen,  denn  es  beginnt  mit  dem  Ausgang  des 
13.  Jahrhunderts;  dagegen  boten  Archivio  vescovile,  municipale, 
del  barone  de  Bossis,  del  barone  Amarilli  und  della  famiglia  Ma- 
lena  kein  größeres  Interresse. 

Die  Archive  von  Cariati  und  Strongoli  wurden  vergeblich  durch- 
sucht, dagegen  verzichtete  ich  auf  einen  Besuch  der  Archive  von 
Gerenia  und  Umbriatioo,  nachdem  mir  der  Bischof  von  Cariati  ver- 
sichert hatte,  daß  dort  nichts  mehr  vorhanden  sei.  Nach  den  ge- 
machten Erfahrungen  konnte  ich  diesen  Angaben  leicht  Glauben 
schenken.  Ebensowenig  fand  ich  in  Cotrone  Ausbeute.  Die  älte- 
sten Pergamene  von  s.  XV  an  besitzt  derMarchese  Lucifero,  da- 
gegen hat  das  Archivio  capitolare  nur  Instrumente  von  s.  XVII 
an,  endlich  sind  die  Archive  des  Bistums  und  der  Stadt  Verwal- 
tungsarchive. Das  Archivio  di  stato  zu  Neapel  bewahrt  eine 
Anzahl  von  Pergamenturkunden  von  1300  an,  die  aus  Cotrone 
stammen. 

In  der  alten  Metropole  S.  Severina  sah  ich  endlich  eine  Papst- 
urkunde im  Original,  nämlich  Lucius  III.  J-L.  —  1184  März  22  *) ; 
es  ist  die  älteste  Urkunde  des  Archivio  arcivescovile,  dessen 


1)  Erwihnt  bei  Ughelli,  lUlia  sacra  IX  488  in  1184  M&n  38  ex  exem- 
i  apod  archiapiscopnm  S.  SeTerinae  Falabellom  (t  1670)  und  bei  Niecola 
Falcooe,  Biblioleca  storica  topografica  delle  Caiabrie  (Napoli  1846)  p.  398  sa  1188; 


344  M.  Klinkenborg, 

Bestände  übrigens  bei  meinem  Besuche  vollständig  vom  Hegen  durch- 
weicht waren,  weil  das  Dach  schadhaft  war.  Die  Thären  der 
Schränke,  in  denen  es  aufbewahrt  wurde,  waren  von  der  Nässe  so 
weit  auseinandergetrieben,  daß  nur  ein  Zimmermann  sie  zu  öffnen 
vermochte.  Auf  eine  genaue  Untersuchung  der  feuchten  Papierbände 
mußte  verzichtet  werden,  da  sonst  ihr  Ruin  drohte,  üebrigens 
soll  ein  Teil  des  Archivs,  wie  mir  der  Bischof  von  Tropea  Mon- 
signore  Taccone-Galucci  sagte,  in  den  Händen  eines  Herrn  Ga- 
nini  zu  latrinoli  bei  Palmi  sein.  Das  Archivio  capitolare  be- 
sitzt nur  Instrumente  von  s.  XVI.  an.  Das  ehemalige  Bistum 
Beloastro,  das  jetzt  mit  S.  Severina  verbunden  ist,  besitzt  keine 
Archive  mehr,  wie  mir  in  S.  Severina  versichert  wurde. 

In  Catanzaro  unterstützte  ein  Enkel  des  Grafen  Yito  Ca- 
pialbi,  Ettore  Capialbi  Archivista  provinciale  meine  Forschungen. 
Er  beabsichtigt  die  als  Fälschung  betrachtete  Chronica  Trium 
Tabemarum  neu  herauszugeben  und  ist  im  Besitze  einer  Hand- 
schrift dieser  Chronik,  die  er  vom  Baron  Crea  aus  Stilo  erhalten 
hat.  Leider  war  mir  diese  Handschrift,  die  der  Graf  in  seinem 
väterlichen  Wohnsitz  zu  Monteleone  aufbewahrte,  nicht  zugäng- 
lich^). Im  Archivio  capitolare  fand  ich  nur  Instramente  von 
s.  XVI  an ;  in  der  Kathedrale  war  die  in  Marmor  auf  Befehl  des 
Bischofs  Angelas  Geraldinus  Amerinus  eingemeißelte  Urkunde 
Calixts  n.  J-L.  6940  zu  benutzen.  Durch  den  Vicario  generale 
erlangte  ich  Eintritt  in  das  Archivio  vescovile,  doch  warnte  mich 
dieser  gute  Mensch  davor,  einen  Proceß  gegen  das  Bistum  anzu- 
strengen :  aber  auch  hier  nur  Documente  von  s.  XVII  an.  Das 
Archivio  provinciale  besaß  einst  die  Archive  der  nach  dem  Erd- 
beben von  1783  aufgehobenen  Klöster  (sogenannte  Cassa  sacra), 
doch  wurde  später  alles  dem  Archivio  di  stato  zu  Neapel  einver- 
leibt ;  die  wenigen  Urkunden,  insbesondere  für  S.  Stefano  del  Bosco, 
die  hier  geblieben  sind,  übersteigen  das  13.  Jahrhundert  nicht'). 
Das  s.  XVI  beginnende  Archivio  notarile  gab  ebensowenig  Aus- 
beute wie  das  Archivio  comunale.  In  letzterem  wurden  früher 
eine  Anzahl  von  Privilegien,  von  denen  einige  auf  das  Bistum 
Bezug  hatten,  aufbewahrt  wie  z.  B.  eine  Bulle  Alexanders  III.  von 
1178  J-L.  — ,  die  in  der  Cronaca  di  Catanzaro  di  Luise  Gariano 


Copie  aach  im  Prooesso  di  regio  Patronato  Bd.  1042  Kr.  41  f.  29  im  Archivio  di 
sUto  £U  Neapel.  Die  Bolle  wird  demnächst  Ton  einem  Prof.  del  Liceo  di  8.  Se- 
Terina  publiciert  werden.    Incipit:  In  eminenti  sedia  apostolice  .  .  . 

1)  Diese  Handschrift  ist  bei  Potthast  Biblioteca  I  241  nicht  verseichnet. 

i)  Vgl.  daraber  Capialbi  Archivi  p.  6  ff.  12. 


PapstarkaDden  im  Priocipato,  in  der  Basilicata  und  in  Calabrien.      345 

(f  1602)  copiert  ist  mit  der  Angabe :  cavata  dal  sno  originale  con- 
servato  con  le  altre  boUe  e  privilegi  della  cittä  in  nna  cassa.  In 
dieser  Bulle  werden  außer  dem  bekannten  Privileg  Calixts  II.  für 
das  Bistum  auch  Privilegien  von  Honorius  II.  und  Innocenz  II. 
erwähnt.  Das  Ms.  dieser  Cronaea  war  im  Besitz  des  verstor- 
benen Domenico  Marincuola  Pistoia^),  der  es  1888  ohne  nähere 
Angaben  und  ohne  seinen  Namen  zu  nennen  drucken  ließ.  Jetzt 
soll  es  ein  Schwiegersohn  des  Verstorbenen,  Pasquale  Costanzo  ha- 
ben, der  während  meiner  Anwesenheit  in  Catanzaro  vA'reist  war,  so 
daß  ich  dies  Ms.  leider  nicht  einsehen  konnte.  Viele  auf  Catan- 
zaro  bezugliche  Urkunden  befinden  sich  jetzt  im  Archivio  di  stato 
zu  Neapel^.  Auch  ist  hier  alles  Material,  das  einst  in  den  Ar« 
chiven  des  Bistums  Bquillaoe  aufbewahrt  vmrde,  untergebracht  (Sala 
Diplomatica.  Pergamene  e  processi  appartenenti  alla  curia  del  ca- 
pellano  maggiore  relative  alla  mensa  vescovile  di  Squillace). 

8tUo  besuchte  ich  hauptsächlich,  um  das  Hausarchiv  des  Barons 
Crea  zu  sehen.  Er  soll,  wie  mir  Ettore  Capialbi  in  Catanzaro 
sagte,  viel  Material  gesammelt  haben.  Ich  traf  ihn  leider  nicht 
zu  Hause,  doch  erzählte  er  mir  in  Gerace,  wo  ich  ihn  später 
kennen  lernte,  daß  er  schwerlich  so  altes  Material  selbst  nur  in 
Copien  habe,  wie  ich  suchte.  Da  das  Archivio  comunale  mit  den 
dort  aufbewahrten  Urkunden  von  S.  Giovanni  Teresti  am  29.  Au- 
gust 1806  durch  eine  Feuersbrunst  vernichtet  war,  da  femer  das 
Archivio  della  CoUegiata  sich  im  Archivio  di  stato  zu 
Neapel  befindet,  so  beschränkte  ich  mich  auf  einen  Besuch  der 
der  Comune  gehörenden  Biblioteca  di  S.  Giovanni  Teresti :  außer 
Handschriften  religiösen  Inhalts  fand  ich  hier  zwei  große  Perga- 
mentmanuscripte s.  XVI,  die  ein  Gfiterverzeichnis  von  S.  Stephane 
del  Bosoo  enthielten. 

In  Geraoe  suchte  ich  mich  insbesondere  über  die  Manuscripte 
von  Ottaviano  Pasqua,  Bischof  von  Gerace  (f  1591)  zu  unterrichten. 
Seine  Geschichte  von  Reggio:  Successores  D.  Stephani  martiris 
B.  Pauli  apostoli  discipuli  in  ecdesia  Rhegina,  die  dem  Grafen 
Vito  Capialbi  von  Monsignore  Giuseppe  Maria  Pellicano,  vesoovo 
di  Gerace,  gezeigt  wurde,  war  ebensowenig  mehr  vorhanden  wie 
seine  handschriftliche  Geschichte  von  Gerace  selbst.  Doch  ist 
der  Verlust  der  letzten  Handschrift  zu  verschmerzen,  weil  diese 
Gtesohiohte  im  Jahre  1766  unter  dem  Titel:   Pasqua,  Ottaviano, 


1)  Vgl.  Mich  Filcone  Biblioteca  p.  89. 

2)  Ueber  du  Schicksal  des  ArchiTio  del  monastero  delle  Ciarisse  di  Catan* 
laro  vgl  Capialbi  ArchiTi  p.  9. 


.•% 


346  M.  Klinkenborg, 

Vitae  episcopomm  Hieracensium  gedruckt  wurde  ')•  Das  Archiv 
der  Curie  beginnt  s.  XYI  mit  den  Bullarien  der  Bischöfe,  darunter 
auch  das  von  Ottaviano  Pasqua,  das  Archivio  capitolare  ndt 
1460. 

Die  Archive  von  Bova  habe  ich  nicht  selbst  gesehen:  in  Bova 
marina,  wo  das  bischöfliche  Seminar  ist,  traf  ich  den  Bischof  und 
seinen  Vicario  generale  Mons.  Domenico  Pugliatti,  die  mir  ver^ 
sicherten,  daß  imArchiviodella  curia  überhaupt  nichts  Aelteres 
vorhanden  sei,  während  das  Archivio  della  cattedrale  einige  Per- 
gamene  von  s.  XIV  an  besitzen  soll.  Auch  seien  hier  einige  ältere 
Urkunden  in  Abschriften  s.  XIX ,  die  man  sich  aus  dem  Staats- 
archiv zu  Neapel  verschafft  habe. 

Die  auf  die  Geschichte  BeggioB  bezüglichen  Handschriften 
hat  Domenico  Spanö  Bollani,  Storia  di  Reggio  Bd.  I  (1857)  p.  XVI 
zusammengestellt;  die  meisten  werden  jetzt  im  Museo  civico  zu 
Reggio  aufbewahrt  und  boten  keine  Ausbeute,  nur  in  Spagnolio, 
De  rebus  Kheginis  (Museo  civico)  f.  126  ist  Alexander  III.  J-L. 
11239  citiert.  Die  Pergamene  des  Museo  civico  von  1280  an  sind 
Privilegien  der  Stadt  und  stammen  aus  dem  Besitz  von  Antonio 
Palestino;  Copien  dieser  Privilegien  sind  in  dem  Repertorium  pri- 
vilegiorum  civitatis  von  Nicola  Spanö  im  Archivio  comunale.  Die 
Biblioteca  comunale,  Archivio  provinciale  und  Archivio  capitolare 
boten  nichts  Erwähnenswertes;  auch  war  alles  Suchen  nach  dem 
noch  von  Morisani,  De  protopapis  gekannten  Original  von  Alexan- 
der III.  J-L.  11239  ex  archivio  archiepiscopali  vergeblich;  ebenso- 
wenig fand  sich  hier  die  ebenfalls  von  Morisani  erwähnte  Nota- 
riatscopie  dieser  Urkunde  vom  Jahre  1583. 

Von  den  Archiven  der  vereinigten  Bistümer  Kiootera  und 
Tropea  reichte  das  Archivio  vescovile  zuNicotera  am  weitesten, 
bis  in  den  Anfang  s.  XVI  (1603)  zurück.  Die  älteren  Documente 
dieser  Bistümer  sind  im  Hausarchiv  der  Grafen  Capialbi  zu  Mon- 
teleone.  Leider  gestattete  mir  der  jetzige  Besitzer  Yincenzo 
Capialbi  nicht,  persönlich  Nachforschungen  anzustellen,  doch  er- 
klärte er  sich  bereit,  selbst  die  von  mir  verlangten  Documente 
aufzusuchen.  Der  Erfolg  war  nicht  befriedigend,  denn  das  von 
mir  ausdrücklich  bezeichnete  Notariatsinstrument  von  1619  mit 
den  Privilegien  für  Tropea')  (darunter  Alexander  HI.  J-L.  13326) 
vermochte  er  nicht  aufzufinden.     Manuscripte  sah  ich  überhaupt 


1)  Vgl.  Capialbi,  Memorie  della  chiesa  di  liUeto  p.  LXYIII;  ArdÜTi  p.  9; 
Falcone  Biblioteca  p.  262  and  p.  166. 

2}  Vgl.  Capialbi,  Memorie  della  santa  chiesa  Tropeana,  Appendice  p.  8. 


Pftpstarkttnden  im  Principato,  in  der  Basillcata  und  in  CAlabrien.      347 

nicht  und  die  wenigen  Pergamene,  die  man  mir  zeigte,  gingen 
nicht  über  s.  XIV  hinaus.  Immerhin  gewährten  mir  die  Worte 
des  Grafen  Vito  Capialbi  über  sein  Archiv:  ;,Vi  esistono  altresi 
alcnne  boUe  pontificie.  Quella  data  alla  chiesa  di  santa  Maria  di 
Bagnara,  qoando  giä  era  stata  aggregata  al  Capitolo  Lateranese, 
si  rimarca  fra  le  altre^  (^=  Innocenz  lU.  Potth.  798),  die  fieruhi- 
gong,  daß  hier  nicht  viel  Material  für  uns  vorhanden  sein  konnte  ^). 
In  Monteleone  bei  der  Familie  Pignatari  wurden  lange  Zeit  die 
Manuscripte  von  Tromby  aufbewahrt,  die  jetzt  an  das  auf  der 
Stelle  von  S.  Stephane  del  fiosco  neu  erbaute  Earthäuserkloster 
in  Serra  S.  Bruno  gekommen  sind«  Es  ist  alles,  wie  mir  der 
frühere  Besitzer  Prof.  Pignatari  sagte,  gedruckt.  In  der  Elarthause 
zu  Serra  S.  Bruno  sind  nach  einem  Berichte  des  Eektors  keine 
Papstorkunden  vorhanden. 

Von  Monteleone  aus  besuchte  ich  das  alte  Bistum  lOleto, 
dessen  Bischof,  der  Geschichtsschreiber  Beggios  Mens.  A.  de  Lo- 
re nzo  mir  in  zuvorkommender  Weise  die  Benutzung  der  Ar- 
chive gestattete.  Doch  leider  hatte  auch  hier  das  Erdbeben  fast 
alles  vernichtet.  Im  Archivio  capitolare  fand  ich  noch  eine 
Sammlung  von  Pergamenen  von  1241  an  vor,  darunter  Papsturkun- 
den von  1311  an,  dagegen  hat  das  Archivio  vescovile  nur  moderne 
Sachen.  Wichtig  ist  das  hier  aufbewahrte  Manuscript:  Memarie 
per  la  chiesa  vescovile  di  Müeto  raccoUa  da  D.  Uriele  Maria  Napo- 
lione  di  Peseopennaiaro  arciprete  di  Mesiano  con^mtista  della  mensa  di 
deUa  chiesa,  Ms.  in  fol.  s.  XVUI  f.  6  Gregor  VIL  J-L.  6198 
(dali'originale  nell'archivio  capitolare).  Nachi'orschungen,  die  ich 
im  Archivio  vescovile  nach  Urkunden  des  Klosters  SS.  Triniti  di 
Mileto  anstellte,  die  hier  einst  aufbewahrt  wurden,  ergaben  kein 
Ergebnis.  Nach  Capialbi  Archivi  S.  7  wurden  diese  Urkunden  des 
Klosters  1777  an  die  jetzt  eingegangene  Accademia  di  scienze  e 
belle  lottere  di  Napoli  abgeliefert  und  sind  seitdem  verschollen. 
Wahrscheinlich  gehört  das  Original  eines  Privilegs  Alexanders  HE. 
J-L.  —  von  1170  Juli  16  für  SS.  TrinitJt  di  Mileto,  das  ich  in  La 
Cava  auffand,  zu  diesen  verschwundenen  Urkunden.  Ein  anderer 
Teil  des  Archivs  von  SS.  TrinitJt  wurde  nach  Capialbi  Archivi  S.  7 
und  einem  Manuscript  s.  XVIII  der  Biblioteca  della  societi  per 


1)  YHb  weit  die  etwas  Terbitterte  Familie  in  dem  Verbergen  ihrer  Sch&tie 
seht,  ersieht  man  ans  der  Thatsache ,  dai  alle  Exemplare  des  letzten  Werkes 
▼on  Tito  Capialbi  (Continnasione  all'Italia  sacra  dell'Ugbelli  per  i  VescoTadi  di 
Calahria  dai  1700  al  1863),  w&hrend  dessen  Druck  der  VerCssser  starb,  im  Haos* 
archif  aalbewahrt  und  niemandem  auch  nur  geieigt  werden. 


348  ^-  Klinkenborg,  Papsturkonden  im  Principftto  etc. 

la  storia  patria  zu  Neapel  Scritiura  a  favor  della  SS.  Trinita  di 
Müeto  unita  al  coUegio  Greco  di  Roma  (XXTTI.  D.  9)  ^)  dem  Colle- 
gio  Greco  in  Rom  übergeben. 

Trotz  aller  unerfreulichen  Erfahrungen,  die  ich  gemacht  hatte, 
wurden  auch  noch  die  Archive  von  Kioastro  besucht:  aber  das 
gleiche  Bild  wie  bisher.  Wenig  war  erhalten  und  dies  Wenige 
ohne  Bedeutung  für  uns.  Damit  hatte  die  beschwerliche  Reise  in 
Calabrien  ihr  Ende  erreicht;  frohen  Herzens  strebte  ich  nach  Sa- 
lemo,  um  dort  dem  alten,  gut  erhaltenen  Material  des  Archivio 
arcivescovile  meine  Kräfte  mit  Erfolg  widmen  zu  können. 


1)  In  diesem  Ms.  sind  folgende  Papsturknnden  aas  diesem  Archiv  copiert: 
Urban  II.  J-L.  —  ex  apographo. 
Paschal  IL  J-L.  —  ex  apographo. 
Innooenz  II.  J-L.  —  ex  antographo. 
Engen  IIL  J-L.  9450  ex  apographo. 
Alexander  III.  J-L.  18882  ex  antographo. 


Papsturkunden  in  Umbrien. 

Bericht  über  die  Reue  der  Herren  H.  Klinkenborg  und  L.  ScbiaparellL 

Von 

P.  Kehr. 

AngekOndigt  in  der  Sitzung  vom  23.  Juli  1898. 

Schon  im  Oktober  vorigen  Jahres  begann  Dr.  Klinken  borg 
die  archivalischen  Forschungen  in  ümbrien.  Er  besuchte  zunächst 
Ghibbio  und  von  hier  aus  Borgo  San  Sepolcro^)  und  Cittä  di 
Castello  und  ging  dann  über  Gualdo,  Nocera,  Foligno  nach  Spo- 
leto.  Auch  Temi,  Rieti  und  Nami  wurden  damals  von  ihm 
besucht.  Doch  lag  es  nicht  im  Plane ,  hier  zunächst  länger  zu 
verweilen;  das  eigentliche  Reiseziel  unseres  Sendboten  war  der 
Süden.  Aber  auf  der  Heimreise,  im  April  und  Mai  dieses  Jahres, 
bat  Dr.  Klinkenborg  seine  umbrischen  Nachforschungen  wieder 
aufzunehmen  Gelegenheit  gefunden  und  insbesondere  in  Spoleto 
noch  eine  reiche  Nachlese  gehalten. 

Unterdessen  war  auch  Dr.  Schiaparelli  aus  den  Abruzzen 
heimgekehrt.  Ihm  fiel  die  Aufgabe  zu,  den  von  Dr.  Klinkenborg 
nicht  besuchten  Theil  ümbriens  zu  bearbeiten.  Er  hat  also  in 
Assisi  und  Perugia  längeren  Halt  gemacht  und  von  hier  aus  auch 
Todi  besucht,  mit  welchem  Erfolge,  wird  dieser  Bericht  zeigen, 
der  dem  Freunde  der  Geschichte  des  mittelalterlichen  Papsttums 
und  des  umbrischen  Landes,  wie  wir  hoffen,  einiges  Neue  bieten 
wird. 


1)  Borgo  San  Sepolcro,  als  in  der  alten  Qrafschaft  Ton  Cattram  Felicitatis 
(CitU  di  CatteUo)  gelegen,  itt  deBhalb  Uer  mit  behandelt 


KcL  0«.  4.  Win.  MMkri«htM.    Pklloloff.-kiilar.  Dmm  1886.    H«fl  8.  24 


350  P.  Kehr, 


GhibMo. 


Vgl.  L.  Bethmann  im  Archiv  XII  542 — 544;  v.  Pflugk-Hart- 
tung  Iter  p.  755  nach  Mittheilongen  von  Th.WUstenfeld;  Mazzatinti 
Gli  archivi  I  31  ff.  und  Inventari  I  121  ff. 

Dr.  Klinkenborg  ist  insbesondere  dem  Yicario  generale  Fan- 
gacci  zu  Danke  verpflichtet. 

Archivio  capitolare  (Can.  Sassi). 

Katalog  von  Card.  Pecci  Menibranarum  archivii  ecclesiae  caihe- 
drcdis  Euguhinae  recensio  vol.  I.  1834,  wo  auch  die  Papsturkunden 
copirt  sind.  Den  ursprünglich  chronologisch  geordneten  Urkunden 
hat  Pecci  eine  neue  sachliche  Ordnung  gegeben,  indem  er  die 
Papstprivilegien  mit  Ausnahme  einer  Urkunde  Celestins  lU.  von 
1197  n  25,  die  an  ihrem  ursprünglichen  Platz  blieb,  und  des  schon 
zu  seiner  Zeit  im  Stadtarchiv  befindlichen  Celestin  III.  J-L.  16830 
in  einem  Faszikel  Diploma  vereinigte.  £s  waren  dies  nach  Aus- 
weis seines  Katalogs  die  Originale  von 

Innocenz  H.  1138  HI  23.  J-L.  7879  (Fasz.  V  Nr.  9). 
Celestin  U.  1143  X  19.  J-L.  8433  (Fasz.  VI  Nr.  12). 
Alexander  HI.  1170  X  30.  J-L.  11848  (Fasz.  X  Nr.  9). 
Lucius  m.  1182  I  2.  J-L.  14558  (Fasz.  XI  Nr.  20). 
Clemens  in.  1188  X  20.  J-L.—.   (Fasz.  XU  Nr.  5).   S.Anhang. 

Leider  ist  dies  Faszikel  jetzt  verschwunden,  so  daß  wir  auf  die 

Abschriften  Pecci's  angewiesen  sind,   der  außer  jenen  fünf  älteren 

Urkunden  noch  copirt  hat 

Celestin  HI.  1192  Hl  4.  J-L.  16830  (Orig.  im  Archivio  coraunale). 

Celestinin.  1197  H  26.  J-L.—.  Copie  saecXIH  (Fasz.XIU  Nr.7). 

S.  Anhang. 

Zu  notiren  ist  ferner  ein  Faszikel  saec.  XVII:  D.  BoUe  pan- 
tificie.    Edüti,    Indtdgenze  etc.  mit 
Celestin  H.  1143  X  19.  J-L.  8433. 
Alexander  UI.  1170  X  30.  J-L.  11848. 

Archivio  comunale  storico. 

Das  Archiv,  über  das  des  jetzigen  Secretärs  Francesco  Ar* 
duini  ausführlicher  Bericht  im  Archivio  storico  per  le  Marche  e 
rUmbria  IV  401  ff.  zu  vergleichen  ist,  zerfallt  in  zwei  Abteilungen: 
Camera  prima^)  mit  dem  eigentlichen  Archivio  comunale  und  den 

1)  Die  Kaiserarkandeii  sind  bekannt.   Sie  hängen  jetzt  im  MoBeam  anter  Glaa. 


Papstorkonden  in  Umbrien.  361 

Urkunden  der  aufgehobenen  Klöster  and  Camera  seconda  mit  dem 
Archivio  di  S.  Pietro ,  von  dem  fibrigens  einige  ältere  Docnmente 
der  Camera  prima  einverleibt  sind. 

Originale: 

Innocenz  IL  1142  HI  23.  J-L.  8216. 

Alexander  m.  1181  IV  22.  J-L.  14391,  beide  in  Busta  XXX  Vm 
Nr.  297:  Bolle  pontificie  diverse  riferibili  dl  numastero  di  S. 
Secondo  e  8.  Anibrogio, 

Celestin  HI.  1192  IH  4.  J-L.  16830. 

Copien : 

Notariatsinstrument  von  1278  (Busta  XIII  Nr.  139:  Privileggi 
imperiali  e  paniifici  in  favare  ddVEremo  di  s.  Croce  delVAvel- 
Jana)  mit  den  Diplomen  und  Privilegien  für  Fönte  Avellana  ^), 
darunter 

f.  4  Innocenz  H.  1139  V  24.  J-L.  8034. 

Alexander  IH.  1181 IV  22.  J-L.  14391.  Cop.  s.  XII  (Busta  XXVI 
Nr.  286:  Pergamene  riferibili  al  mon.  di  S.  Secondo^  von 
1109  ab). 

Celestin  LH.  1192  U  26.  J-L.  16824.  Cop.  v.  1286  (Busta  V  Nr.  24). 

Copialbücher  *) : 

1.  Der  Liber  privUegiorum  Betbmanns  {Libro  rosso  Arduinis), 
cod.  membr.  s.  XIII  in  foL,  mit  dem  Titel  Privileggi  cd  altrc 
ragioni  ddla  ciitä  di  Oubbio  (Cam.  I  Tit.  9  Miscellanea). 

2.  Der  Liber  oblongus  Betbmanns,  Rotulus  von  1280:  Causa  fra 
Oubhio  ed  il  ducato  di  Spoleto,  in  der  zweiten  Hälfte 

f.  20  Celestin  UI.  1192  H  26.  J-L.  16824  ex  Cop.  v.1286. 
f.  22  Transsumt  von  1278  (s.  oben)  mit 

f.  26  Innocenz  U.  1139  V  24.  J-L.  8034. 

Das  Archivio  vescovile  (Can.  Moretti),  vgl.  die  genaue 
Inhaltsangabe  bei  Mazzatinti  Grli  arcbivi  I  37,  besitzt  keine  Per- 
gamene. Ebenda  findet  sich  alles  Nötige  auch  über  die  anderen 
Archive  von  äubbio,  die  uns  keinerlei  Ausbeute  gewährten. 


1)  NftmUch  f.  1  Heinrich  VI.  St  4680;  Philipp  BF.  54;  Otto  lY.  BF.  812; 
Friedrich  II.  BF.  1237. 

2)  Wir  könnten  hier  noch  erw&hnen  die  Istromtnii  del  nciaro  P.  Salinguerra 
nee.  XIII  ex.  mit  einem  angebondenen  Notariatsinstrument  von  1802,  wo  die 
beiden  F&lschnDgen  Ueiarich  VI.  St.  4942  ond  Friedrich  II.  BF.  8468  stehen. 

24* 


352  P.  Kehlr, 

Biblioteca  comnnale  (Sperelliana). 

Die  Hss.  verzeichnet  Mazzatinti  Inventari  1 121  fP.  Von  ihnen 
ergab  für  uns  eine  bescheidene  Ausbeute  nur  die  schon  von  Beth- 
mann  Archiv  XTT  643  citirte  Sammlung  von 

Angelini  Copie  dei  privilegi  pontifici  ed  imperiali  esistenfi  in  ar- 
chivio  segreto  di  Gubhio,   Ms.  s.  XVII  in  fol.  (XVIII  F.  37)  mit 

Innocenz  II.  1138  III  23.  J-L.  7879  ex  arch.  cathedr. 

Innocenz  11.  1142  III  23.  J-L.  8216  ex  arch.  s.  Secundi. 

Alexander  III.  1170  X  30.  J-L.  11848  ex  arch.  cathedr. 

Alexander  HI.  1181  IV  22.  J-L.  14391  ex  arch.  s.  Secundi. 

Lucius  in.  1182  I  2.  J-L.  14558  ex  arch.  cathedr. 

Celestin  HI.  1192  U  26.  J-L.  16824  ex  Ubro  oblonge. 

Celestin  HI.  1192  m  4.  J-L.  16830  ex  orig. 

Diese  Urkunde  Celestins  III.   J-L,  16830   ist   auch   sonst  oft 

copirt  worden,  so  in  den  Ms.  XVÜI  B  5,  XVIH  B  8,  XVUI  C  7. 

Die  Bibliothek  hat  übrigens   auch   eine   stattliche  Sammlung 

von  Fergamenturkunden  aus  dem  Nachlasse  Armanni's.    Unter  ihnen 

Clemens  DI.  1188  V  6.  J-L.  16224.   Orig. 

Celestin  HL  1192  m  4.  J-L.  16830.   Cop.  s.  XIU. 

Bargo  San  Sepolcro. 

Ueber  die  Archive  von  Borge  San  Sepolcro  hat  neuerdings 
Mazzatinti  Gli  archivi  I  81  sq.  berichtet  und  auf  die  hier  befind- 
lichen unbekannten  Materialien  hingewiesen  (vgl.  N.  Archiv  XXTTT 
765)^).  Dr.  Klinkenborg  fand  freundliche  Aufnahme  und  Förde- 
rung seitens  des  bischöflichen  Generalvicars  D.  Giovanni  Rossi, 
des  bischöflichen  Secretärs  Can.  Maccarelli  und  des  Sacerdote 
Torello  Bell  in  i.  Dem  ersteren  verdankt  er  den  Zutritt  zum 
Archivio  capitolare,  dessen  Urkunden  indessen  erst  mit  einer 
Bulle  aus  dem  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  beginnen,  und  zum 
Archivio  vescovile,  dessen  Bestände  gleichfalls  jttngern 
Datums  sind.  Um  so  bedeutender  war  die  Ausbeute  im  Archivio 
della  curia  vescovile.  Es  befindet  sich  hier  ein  wichtiges 
Faszikel  mit  Urkunden  für  das  Kloster  S.  Sepolcro  unter  dem 
Titel  Codici  aniichi.  Privilegi  concessi  alla  terra  del  Borge  1022 — 
1519^  mit 

Stephan  IX.  s.  d.  J-L.  — .    Cop.  saec.  XI/XII.    S.  Anhang. 

1)  Wo  aber  irrig  gesagt  ist,  daß  die  Urkunde  Stephans  IX.  im  Original 
vorhanden  sei. 

2)  Hier  aach  Heinrich  II.  v.  1022  Orig.,  Konrad  H.  wohl  =  St  2105i>,  mit 
XIL  kal  mart.  Cop.,  Heinrich  IV.  St  2844  Orig.,  Friedrich  I.  8t.  8969  Cop. 


Papstarkanden  in  ümbrien.  353 

Femer  ein  Pergamentheft  mit  zwei  Transsumten,  einem  Trans- 
Bumt  des  Guido  Ascanius  Sforza  Cardinais  von  S.  Maria  in  Cos- 
medin  von  1540  IV  12  f.  1 — 22'  und  einem  Transsumt  des  aposto- 
lischen Protonotars  Joh.  Bapt.  Cicada  von  1642  XTT  20  f.  23'  sq.^),  wo 

fol.  9  Stephan  IX.  s.  d.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

fol.  9'  Paschal  U.  1106  I  18.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

fol.  10  Hadrian  IV.  1157  X  7.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

fol.  11'  und  27  Alexander  IH.  1180  IV  8.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

£ndlieh  eine  Busta  mit  dem  Titel  Decreti.  BoUe  von  1050  mit 

Stephan  IX.  s.  d.  J-L.  — .    Cop.  saec.  XVIL    S.  Anhang. 

Bas  Archivio  eomunale  hat  Pergamene,  die  etwa  mit  1250 
beginnen  und  zumeist  aus  der  Badia  dei  monaei  di  Monte  Coronaio 
und  von  S.  Nicolo  di  San  Sopolcro  stammen.  Auch  das  bis  in  das 
13.  Jahrhundert  hinaufreichende  Archivio  dello  spedale 
civico  bietet  nichts  für  uns.  Dasselbe  gilt  von  den  Manuscripten 
der  Biblioteca  eomunale. 


OtUä  di  CasteUo. 

Bethmann  im  Archiv  XH  479  gibt  Notizen  nach  Muzi  Me- 
morie  ecclesiastiche  di  Cittä  di  Castello  (1842)  und  Memorie  civili 
di  Cittä  di  Castello  (1844).  Eigne  Kunde  hatte  er  nicht.  Auch 
V.  Pflugk-Harttung  Iter  p.  16  hat  nur  eine  Note  nach  Mitteilung 
von  Ubaldo  Pasqui  in  Arezzo. 

Archivio  capitolare. 

Register  von  1780.  Das  Archiv  ist  im  Ganzen  wohl  erhalten, 
die  Urkunden  selbst  aber  sind  arg  mitgenommen  ^).  Verloren  ist 
allein,  übrigens  schon  vor  1780,  das  noch  von  Certini  abgeschriebene 
Original  von  Alexander  II«  J-L.  4660. 

Originale : 

Gregor  VU.  1079  U  19.  J-L.  5110.  (Decade I Nr. 4.)  S.Anhang. 
Honorius  n.  1126  U  6.  J-L.  7242.  (Dec.  H  Nr.  8.) 


1)  Hier  fol.  8'  Heinrich  U.  St.  1692»;  f.  8'  Heinrich  II.  St  1658  (1017  VI  29) ; 
f.  4'  Heinrich  U.  t.  1022;  f.  5'  Konrad  II.  St  1968;  f.  6  Heinrich  UI.  St  2881 ; 
f.  r  Heinrich  IV.  St  2844;  IT  Christian  too  Maioi;  f. 8  derselbe;  f.  28  Fried- 
rich I.  St  8989;  f.  25  Friedrich  II.  BF.  1248. 

2)  Friedrich  I.  St  8988  und  8988»,  beide  im  Original  (Deo.  III  Nr.  9. 10). 
Aach  bei  Certini,  Paisi  und  Panlucci. 


354  P.  Kehr, 

Innocenz  U.  1141  IV  8.  J-L.  8132.  (Dec.  m  Nr.  1.)  *) 
Anastasiua  IV.  1153  X  26.  J-L.  9751.  (Dec.  lU  Nr.  4.) 
Hadrian  IV.  1155  I  12.  J-L.  9977.  (Dec.  IH  Nr.  5.) 
Alexander  IH.  1170  V  21.  J-L.  11796.  (Dec.  IV  Nr.  2.) 
Alexander  HI.    (1159—79)  XI  12.    J-L.  -.    (Dec.  IV.  Nr.  8.) 

S.  Anhang. 
Urban  m.  1186  V  13.  J-L.  15605.  (Dec.  IV  Nr.  7.) 

Copien : 

Gregor  VII.  1079  U  19.  J-L.  5110.  (Dec.  I  Nr.  4.)  Cop.  von  1762. 
Innocenz  II.  1141  IV  8.  J-L.  8132.  (Dec.  IH  Nr.  4.)  Cop.  s.  XH. 
Anastasius  IV.  1153X26.  J-L.  9751.  (Dec.  IH  Nr.  4.)  Cop.  s.XH. 

Ferner  zahlreiche  Manuscripte,  unter  denen  die  Sammlungen 
von  Certini,  Pazzi  und  Faulucci  benutzt  wurden. 

Ccrtini^  CcUalogo  de'  prevosti  ddla  catedrale  CasteUanaj  Ms.  saec. 
XVIII,  viro  an  erster  Stelle  steht 

Alexander  II.  1069  I  8.  J-L.  4660  ex  original!  arch.  capitul., 
worauf  dann  Innocenz  U.  J-L.  8132,   Anastasiua  IV.  J-L.  9751, 
Hadrian  IV.  J-L.  9977,  Alexander  IH.  J-L.  11796  und  Urban  lU. 
J-L.  15605  aus  den  noch  jetzt  vorhandenen  Originalen  folgen. 

Certini,  Vescovi  di  Cittä  di  Castello,  Ms.  s.  XVIII. 

Certiniy  Ännali  istorici  di  Cittä  di  Castello  vol.  I.  II,  Ms.  saec. 
XVIII.  Im  vol.  II  Innocenz  II.  J-L.  8132  und  Alexander  III. 
J-L.  13011. 

Pas£;i,  Serie  dd  propostij  Ms.  s.  XVIII,  mit  den  Abschriften 
von  Innocenz  11.  J-L.  8132,  Anastasius  IV.  J-L.  9751,  Hadrian  IV. 
J-L.  9977,  Alexander  III.  (1159—79)  XI  12  und  J-L.  11796,  Ur- 
ban III.  J-L.  15605,  alle  aus  den  Originalen. 

Pazzi,  Cronoloijia  ecclesiastica  de'vescovi  di  Cittä  di  Castello,  Ms. 
s.  XVm  mit  Honorius  IL  J-L.  7242. 

RaccoUa  di  metnorie  delle  cose  appartefhenti  alla  ehiesa  catedrale^ 
Ms.  s.  XVIII  mit  Innocenz  11.  J-L.  8132,  Anastasiua  IV.  J-L. 
9751,  Hadrian  IV.  J-L.  9977,  Alexander  UL  J-L.  11796,  Urban  UI. 
J-L.  15605. 

Monumenta  vetusta  qu^  oriffinaiiter  asservantur' in  archivio  cathe- 
drcUis  ecclesiq  Tiphernatensis  .  .  transscripta  per  me  sectetarium  capi- 
tularem  lulium  canonicum  Paiducci . . . ,  quorum  transscriptio  inctioata 
fuit  die  18  Novemhris  1754  etc.  Cod.  membr.  in  fol.,  mit  Gregor  VII. 
J-L.  5110,  Innocenz  U.  J-L.  8132,  Anastasius  IV.  J-L.  9751,  Ha- 


1)  Mit  VI.  id.  aprii.,  ind.  HU,  a.  MCXLl,  pw4.  a.  XI. 


Papstarknnden  in  ümbrien.  355 

drian  IV.  J-L.  9977,  Alexander  UI.  (1159  —  79)  XI  12  und  J-L. 
11796,  Urban  IH.  J-L.  15605,  Honorius  II.  J-L.  7242.  Endlich 
ist  eingeheftet  eine  Abschrift  von  Alexander  U.  J-L.  466U  aus 
Certini. 

Archivio  comnnale. 

Das  Archiv  (Archivar  Enea  Fedoni)  hat  keine  Originale  aus 
älterer  Zeit^).     Die  Pergamene  beginnen  mit 

Lucius  n.  1144  XI  13.  J-L.  8664.  Cop.  von  1266. 
Alexander  UI.  1178  I  14.  J-L.  13011.  Cop.  von  1266. 

Das  Archivio  vesoovile  hat  nichts  für  uns;  es  beginnt 
erst  mit  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts.  Das  Archivio  nota- 
rile  mit  1328.  Die  paar  virerthlosen  Hss.  der  Biblioteca  co- 
munale  s.  bei  Mazzatinti  Inventari  VI  8. 

JSy^liffno. 

Vgl.  V.  Fflugk  -  Harttung  Iter  p.  751  nach  Mitteilungen  des 
Barons  Sansi.  Dr.  Klinkenborg  ist  dem  Vicario  generale  Falocci 
zu  vielem  Danke  verpflichtet. 

Das  Archivio  oapitolare  ist  alt;  wie  man  aus  v. Pflugk- 
Harttungs  Angaben  vireifi,  beginnt  es  schon  mit  1078,  hat  aber 
keine  älteren  Papsturkunden.  Das  Archivio  vescovile  besitzt 
überhaupt  nichts  Altes  mehr,  es  fangt  erst  mit  dem  15.  Jahrhun- 
dert an.  Das  Archivio  dell'ospedale  civico  hat  von  Ce- 
lestin  III.  1193  VI  15.  J-L.  17017  ein  Notariatsinstrument  von  1484, 
das  dem  in  Siena  befindlichen  Original  (ed.  v.  Pflugk  -  Harttung 
Acta  UI  390  Nr.  459)  entnommen  ist.  Anlaß  dazu  virar  das  Pri- 
vileg Innocenz*  VIII.  für  das  Hospital,  wodurch  ihm  alle  Vorrechte 
des  Sieneser  Hospitals  S.  Maria  de  Scala  verliehen  wurden.  Sonst 
hat  dies  Archiv  nichts  von  Bedeutung.    Wichtig  aber  ist  das 

Archivio  comunale 

mit  seinen  vier  Abteilungen  (I.  Archivio  delle  sei  chiavi,  II.  Ar- 
chivio priorale,  III.  Archivio  moderno  1800 — 1859,  IV.  Archivio 
moderno  seit  1860)  *).  In  der  ersten  Abteilung  unter  Credenza  IV. 
Libro  I  {Diocesi.    Territorio.    Confint) 

Innocenz  U.  1138  VI  11.  J-L.  7902.    Cop.  von  1322. 


1)  Copie  TOii  1868  too  Heinrich  YI.  St.  6046. 

2)  Die  Originale  too  Friedrich  I.  St  4194.  4400  werden  im  st&dtischen  Mu- 
•eum  aiiier  Qlas  and  Rahmen  aufbewahrt. 


356  P-  Kehr, 

Anastaaius  IV.  1154  IH  17.  J-L.  9849.    Orig. 
und  ein   sog.  Libro  copioie^   ein  Notariatsinstrument  des  Angnelas 
Vannelli  von  1339  mit  den  eben  genannten  beiden  Fapsturknnden  ^). 

In  der  zweiten  Abteilung  beginnen  die  Urkunden  mit  1221. 

Biblioteca  del  Seminario. 

Die  Bibliothek  des  Seminars  ist  wichtig,  weil  sich  hier  die 
Manuscripte  des  Lodovico  Jacobilli,  des  Geschichtsschreibers  von 
Foligno  und  Sassovivo,  befinden.     Dr.  Klinkenborg  hat  benutzt 

Copie  dei  brevi,  privilegi,  senfefize  et  istromerUi  spätanti  aUa 
canonica  di  Foligno,  dl  vescovado,  cdVhospidale,  alla  caledrale  . .  . 
raccolte  da  me  Lodovico  JacohüU  dalli  originali  di  essi  dal  1619 
—1660  (A.  V.  7) «) 

fol.  7'.  78'  Anastasius  IV.  1154  III  17.  J-L.  9849   ex  orig. 
f.  76  Innocenz  II.  1138  VI  11.  J-L.  7902  ex  cop. 
f.  89  Innocenz  U J-L.  — .    S.  Anhang. 

Storia  di  Foligno ,  gleichfalls  Ms.  des  Jacobilli  (A.  V.  6) 
mit  Segesten  der  Urkunden  für  Foligno,  aus  einem  Liber  re- 
gestorum,  und  für  Sassovivo  aus  dem  Liber  A  und  dem  ZÄei'  f. 
Wir  haben  keines  dieser  drei  Copialbücher,  weder  in  Foligno 
noch  in  Spoleto,  wieder  aufgefunden.  Aber  die  umbrischen 
Forscher  mögen  ausdrücklich  auf  diese  Quellen  Jacobilli's  hin- 
gewiesen sein'). 


Auf  dem  Wege  nach  Foligno  sprach  Dr.  Klinkenborg  auch  in 
Oualdo-Tadino  und  in  Nocera  vor.  In  Gualdo  ist  nur  das  Ar- 
chivio  comunale  zu  nennen  mit  Urkunden  von  1212  an.  Viele 
Manuscripte  betreffend  S.  Benedetto  di  Gualdo  hat  Mons.  Calai, 
vgl.  Pancrazio  Berardi,  L'abbazia  di  s.  Benedetto  di  Gualdo  Ta- 
dino.  Foligno  1896.  Darunter  soll  sich  eine  Copie  von  Clemens  lU. 
J-L.  16224  befinden,  wovon  das  Original  in  Gubbio  (Bibl.  comu- 
nale) ist.  Hooera  hat,  wie  schon  Jacobilli,  Storia  di  Nocera  1653 
ergibt,  nichts  von  Bedeutung.    In  der  That  besitzt  das  Archivio 


1)  Und  mit  Otto  IV.  BF.  836  und  Friedrich  I.  St  4194. 

2)  f.  5  and  f.  84  Friedrich  I.  St  4194,  f.  6  und  f.  S6  Friedrich  I.  St.  4400, 
f.  86  Otto  IV.  BF.  836. 

8)  Von  Innocenz  II.  Terseichnet  Jaffä-L.  zwei  Ballen  fiir  das  Bistum  Foligno 
Tom  gleichen  Datam  1188  VI  11  (J-L.  7901.  7902),  aher  mit  Terschiedenem  In- 
cipit.  Aber  das  Incipit  in  J-L.  7901  beraht  offenbar  aaf  einem  Irrtum  Ughelli's 
(I  698),  es  ist  dasjenige  der  Bolle  Anastasias'  IV.  J-L.  7901  ist  demnach  ganz 
zu  streichen. 


Papstnrkimden  in  ümbrieiL  367 

oapitolare  Pergamene  fiberhaapt  nicht.  Das  Archivio  ves- 
covile  hat  Urkunden  vom  16.,  das  Archivio  comunale  solche 
vom  14.  Jahrhundert  an.  Die  Handschriften  der  Biblioteca 
vescovile  hat  Gr.  Mazzatinti  im  Archivio  storico  per  le  Marche 
e  per  TUmbria  verzeichnet. 

Auch  Trevi  (vgl.  v.  Pflugk-Harttung  Iter  p.  785  nach  Mittei- 
lungen des  Barons  Sansi)  wurde  ohne  Ergebniß  besiicht.  Das 
Archivio  capitolare  di  S.  Emiliano  beginnt  erst  mit  1400. 
Aelter  sind  die  Bestände  des  Archivio  comunale.  In  dem 
ältesten  Document  (Nr.  1)  wird  Innocenz  II.  J-L.  7902  für  Foligno 
nach  Ughelli  citirt.  Die  eigentlichen  Urkunden  stammen  dagegen 
erst  aus  dem  13.  Jahrhundert 

Ueber  die  Archive  von  Spello  bedarf  es  keiner  näheren  An- 
gaben, nachdem  Gr.  Mazzatinti,  61i  archivi  I  28  ausfuhrlich  aber 
sie  berichtet  hat  ^). 

Ueber  Bevagna  ist  gleichfalls  auf  Gr.  Mazzatinti,  Gli  archivi 
I  88  zu  verweisen,  danach  fangen  die  Papsturkunden  des  Archivio 
comunale  erst  mit  Innocenz  lY.  an.  Ueber  die  Hss.  s.  Mazzatinti, 
Inventari  I  278  f. 

Auch  Bettona  hat  keine  älteren  Urkunden  als  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert ;  die  erste  Papsturkunde  des  Archivio  comunale  ist  von 
Urban  IV.  (vgl.  Q.  Mazzatinti,  GU  archivi  I  26). 


Spoleto» 

Vgl.  Bethmann  Archiv  XII 536  f.,  v.  Pflugk-Harttung  Iter  p.  153. 
782.  Zutritt  zu  den  Archiven  zu  gewinnen  war  nicht  leicht.  Zu 
Dank  verpflichtet  ist  Dr.  Elinkenborg,  der  Spoleto  sowohl  im  No- 
vember 1897  wie  im  April  1898  besuchte,  vor  Allen  dem  Erzbischof 
von  Spoleto  Mons.  Elvezio  Mariano  Pagliari  für  seine  gewich- 
tige Empfehlung,  ferner  dem  Can.  Silvio  Grasperini  und  vorzüg- 
lich dem  um  die  Geschichte  und  Archaeologie  Umbriens  verdienten 
Cav.  GHuseppe  Sordini,  Ispettore  dell'arte  antica,  der  ihm  den 
Zutritt  zu  dem  wichtigen  Archivio  arcivescovile  vermittelte.  Im 
Archivio  capitolare  gewährte  ihm  der  Arcidiacono  Mons.  Bucchi 
einige  Erleichterungen,  wof&r  wir  auch  hier  vielmals  zu  danken 
nicht  unterlassen  wollen. 


1)  Im  Archifio  di  8.  MarU  Maggiore  iit  danach  das  Orig.  Ton  Heinrich  VI. 
1187  n  9. 


868  P.  Kehr, 

Arcliiyio  capitolar«. 

Vgl.  Fontana,  Descrizione  della  chiesa  metropolitana  di  Spoleto, 
1848.  Mons.  Bacchi  beabsichtigt  eine  neue  Greschichte  der  Kathe- 
drale zu  schreiben,  so  daß  zu  hoffen  ist,  daß  dann  etwa  noch  ver- 
borgene  Schätze  des  Archivs  an  den  Tag  kommen  werden.  Da 
neuerdings  einige  Urkunden,  darunter  die  Friedrichs  I.  für  S.  Pietro 
di  Montemartano  (St.  4434)  abhanden  gekommen  sein  sollen,  so  ist 
die  Benutzung  des  Archivs  erschwerter  als  sonst.  Die  Papst- 
Urkunden  hat  schon  v.  Pflugk-Harttung  verzeichnet;  es  sind 

Originale : 

Alexander  n.  1069  I  16.  J-L.  4661. 
Paschal  II.  1107  XI  16.  J-L.  6174. 
Calixt  n.  1122  V  13.  J-L.  6973. 
Urban  HI.  1186  U  27.  J-L.  15585. 

Copieu  saec.  XVII  in  einem  Papierheft: 

Nr.  1.  Alexander  H.  1069  I  16.  J-L.  4661. 
Nr.  2.  Paschal  U.  1107  XI  16.  J-L.  6174. 
Nr.  8.  Celestin  lU.  1197  VI  15.  J-L.  17567. 

Archivio  arcivesoovile. 

Das  eigentliche  erzbischöfliche  Archiv  beginnt  erst  mit  dem 
15.  Jahrhundert  und  besitzt  keine  Pergamene.  Aber  es  befindet 
sich  hier  das  reiche  und  wichtige,  bisher  nur  wenig  ausgeschöpfte 
Archiv  von  S.  Croce  di  Sassovivo.  Aber  leider  ist  es,  ob- 
wohl ein  Katalog  vorhanden  ist,  in  gänzlicher  Unordnung. 

Originale : 

Paschal  H.  1116  IH  17.  J-L.  6511  (Nr.  912). 
Innocenz  II.  1148  UI  16.  J-L.  —  (Nr.  1237).    S.  Anhang. 
Hadrian  IV.  1156  XI  7.  J-L.  —  (Nr.  908).    S.  Anhang. 
Alexander  m.  1172  XH  31.  J-L.  12172  (Nr.  1289). 
Alexander  IH.  1174  IV  3.  J-L.  12363  (Nr.  610). 
Lucius  m.  (1182)  Vm  18.    J-L.  —  (s.  n.).    S.  Anhang. 
Lucius  HL  1184  IV  14.  J-L.  —  (Nr.  1098).    S.  Anhang. 
Clemens  UI.  1188  VI  4.  J-L.  16270  (Nr.  1037). 
aemens  m.  1188  X  26.  J-L.  —  (Nr.  20).    S.  Anhang. 
Clemens  m.  1189  I  16.  J-L.  —  (Nr.  1011).    S.  Anhang. 
Clemens  IQ.  1189  IV  27.  J-L.  —  (Nr.  940).    S.  Anhang. 
Celestin  m.  1191  VI  19.  J-L.  16728  (Nr.  1089). 
Celestin  IH.  1197  11  12.  J-L.  —  (Nr.  948).    S.  Anhang. 
Celestin  IH.  1197  IV  16.  J-L.  17520  (Nr.  1288). 


Papstnrkonden  in  ümbiien.  359 

Copien : 

Paschal  U.  1116  III 17.  J-L.  6611  inser.  in  die  ürkonde  Inno- 
cenz  m.  Potth.  3426  (Orig.  Nr.  911  und  Cop.  s.  XIH 
Nr.  913). 

Paschal  U.  1116  in  17.  J-L.  6511  inser.  in  die  Urkunde  Hono- 
rius  m.  1217  n  10  (Orig.  Nr.  909  und  Cop.  s.  XIV 
8.  n.). 

Paschal  IL  1116  HI  17.  J-L.  6511  inser.  in  die  Urkunde  Gre- 
gors IX.  1227  V  17  (Orig.  Nr.  914). 

Paschal  H.  1116  V  24.  J-L.  — .  Cop.  s.  XV  (Fase.  Nr.  107). 
S.  Anhang. 

Innocenz  11.   1138  V  21.   J-L.  7898.   Cop.  von  1212  (Nr.  1047). 

Hadrian  IV.  1156  XI  7.  J-L.  — •  Cop.  von  1218  (Nr.  147). 

Alexander  lU.  1172  XII  31.  J-L.  12172.  Zwei  Copien  von  1308 
(Nr.  1241  u.  1253). 

Alexander  IH.  1174  IV  3.  J-L.  12363.  Cop.  von  1308  (Nr.  595). 

Ferner  auf  besonderem  Pergamentblatt  saec.  XITT  (Nr.  1241) 

Alexander  IH.  1172  XU  31.  J-L,  12172. 
Lucius  III.  8.  d.  J-L.  — .    S.  Anhangt). 

Das  Archivio  comunale  beginnt  mit  1180.  Unter  Nr.  20 
ist  das  Privileg  Friedrichs  II.  B-F.  1241.  Aeltere  Papsturkunden 
sind  nicht  darunter. 

VonWerth  soll  sein  das  Archivio  dei  conti  Campobello. 
Aber  es  war  leider,  da  der  Graf  zur  Zeit  in  Rom  weilte,  nicht  zu- 
gänglich. In  der  Biblioteca  comunale  sind  weder  Urkunden 
noch  Manuscripte  von  Werth. 


Von  Spoleto  aus  besuchte  Dr.  Elinkenborg  die  abseits  im  Ge- 
birge liegenden  Orte  Norcia  und  Cascia.  In  Horcia  gibt  es  sowohl 
ein  Archivio  capitolare  wie  ein  Archivio  vescovile. 
Aber  beide  sollen  nur  moderne  Akten  dieses  Jahrhunderts  haben. 


1)  Der  Katalog  Teneichnet  noch  onter  Nr.  1062  und  Nr.  1103  iwei  Urkun- 
den Alezanders  IIL,  die  Dr.  Klinkenborg  nicht  anfgefonden  hat  Aber  Nr.  1062 
wenigsteoB  iet  sicher  eine  Urkande  Alexanders  IV.  Vielleicht  aach  Nr.  1103. 
Davon  lautet  das  Regest  im  Katalog: 

Bulla  Alexandri  pape  IIL  similiter  confirmationis  sententie  per  Raineriom 
cardinalem  lat^  saper  contribationibas  faciendis  per  episcopom  et  capitn- 
Itun  ecclesi^  Fiüginateosis  ac  monasterium  Sazooloi  et  connentoales  et  alias 
ecdesias  tarn  cioitaUs  quam  diocesis  Falginatensis  in  procaratoribus  et  ex- 
pensis  eamm,  que  assignare  debebant  nnndis  legatis  et  earsoribos  sedis 
apostollce. 


360  P.  Kehr, 

Wohl  aber  gebt  das  Arebivio  comanale  antico  bis  ins  13. 
Jabrbundert  binanf.  Von  den  Jüngern  Papsturkunden  notirte  Dr. 
Klinkenborg  Celestin  V.  für  S.  Benedetto  di  Norcia  (DaL  Aquüe 
id.  sept.  a.  I)  in  dem  Ms.  Casefta  Q.  Spoleto.  Libro:  Bolle  panii- 
fiele  f.  23.  Vgl.  aucb  Feliciani  Patrizi-Forti,  Delle  memorie  sto- 
riebe  di  Norcia  1869. 

In  Casoia  beginnt  das  Arebivio  comunale  mit  dem  13. 
Jabrbundert.  Im  Arebivio  della  cbiesa  parrocbiale  di 
S.  Maria  sab  Dr.  Klinkenborg  Urkunden  erst  vom  16.  Jabrbun- 
dert ab. 

lieber  Temi  vgl.  Betbmann  im  Arcbiv  XII  552  und  v.  Pflugk- 
Harttung  Iter  p.  154.  782.  Sowobl  das  Arebivio  capitolare 
wie  das  Arebivio  vescovile  beginnen  erst  mit  dem  15.  Jabr- 
bundert. Im  Arebivio  comunale  antico  ist  die  älteste  Ur- 
kunde ein  angeblicber  Heinrieb  Tl.  (Cop.),  in  Wabrbeit  Heinrieb 
YU.  Es  folgt  das  große  Notariatsinstrument  von  1267,  über  das 
jüngst  P.  Manessei  im  Arebivio  storieo  Italiano  XXII  (1875)  scblecbt 
genug  gebandelt  bat;  es  ist  überdies  vollständig  abgedruckt  in 
der  Neuausgabe  von  Fr.  Angeloni,  Storia  di  Terni  (Pisa  1878)  p.  537. 
Hier  steben  die  beiden  Papsturkunden  ^) 

f.  1  Benedict  IH.  857  V.  J-L.  f  2665  zu  855  V. 
f.  2  Pascbal  IL  1109  IV  29.  J-L.  — . 

In  der  Biblioteca  comunale  sind  Urkunden  von  1256  ab. 
Außerdem  2  Handscbriften. 

Aucb  Rieti  (vgl.  Betbmann  im  Arcbiv  XII  487)  gewäbrte  nur 
eine  geringe  Ausbeute.  Das  Arebivio  vescovile  bat  nicbts. 
Im  Arebivio  capitolare  (Katalog  von  Gabriel  Naud^  und  In- 
ventar von  P.  Micbelini  in  der  städtiscben  Bibliotbek)  ist  für  uns 
allein  *) 

Anastasius  IV.  1154  Vin24.  J-L.  9821  zu  I  24.  Orig.  mit  Villi, 
hü.  sept. 

Das  Arebivio  comunale  (Inventario  deirarcbivio  comunale 
im  Druck)  bat  als  älteste  Papsturkunde  Honorius  III. ,  in  dem  ein 
jetzt  verlorener  Celestin  HI.  erwäbnt  wird.  Ueberbaupt  ist  zu  vgl. 
das  demnäcbst  erscheinende  Werk  von  M.  Micbaeli,  Memorie  sto- 
riche  della  cittä  di  Bieti  dall'orgine  all'anno  1560,  in  dem  die 
Documente  am  Scbluß  publicirt  werden  sollen. 


1)  Und  foL  r  die  Urkunde  Friedrichs  L 

2)  Und  die  Originale  Friedrich  I.  8t.  4288  nnd  Heinrich  YI.  St  4710.  -^ 
Von  Lacins  IIL  J-L.  U675  ist  in  Rieti  keine  Ueberliefening. 


Papstorkonden  in  ümbrieiL  361 

lieber  Ponte  Colombo  bei  Bieti  und  seine  Hss.  s.  Mazzatinti 
Inventari  II  166  ff. 

Na/mi. 

Vgl,  Bethmann  im  Archiv  XII  657  und  v.  Pflugk  -  Harttang 
Iter  p.  764,  dessen  Angaben  sich  im  Wesentlichen  bestätigten. 
Dr.  Klinkenborg  ist  vorzuglich  dem  Marchese  Giovanni  Eroli 
zu  Dank  verpflichtet. 

Das  Archivio  capitolare  (Can.  Federico  Angeletti  und 
Can.  Romeo  Fagioli)  ist  ganz  ungeordnet.  Dr.  Klinkenborg  fand 
nach  langem  Suchen 

Alexander  n.  1069  I  17.  J-L.  4662.    aieichzeitige  Copie. 
Innocenz  II.  1139  X  29.  J-L.  8051.    Orig. 
ürban  III.  1186  I  27.  J-L.  — .    Cop.  von  1360.   S.  Anhang. 
Celestin  III.  1194  XII  17.  J-L.  17176.    Cop.  s.  XUL 

Ferner  einen  Rotulus  mit  der  Aufschrift  Privilegia  antica^  Notariats- 
instrument  von  1308  II  22  mit 

Honorius  U.  1129  IV  10.  J-L.  7370. 
Innocenz  n.  1139  X  29.  J-L.  8051. 
Alexander  HI.  1180  IV  6.  J-L.  13642. 
Alexander  UI.  1180  IV  4.  J-L.  13641  *). 

Das  Archivio  vescovile  fand  Bethmann  1846  ohne  Ord- 
nung auf  dem  Boden  liegen.  So  liegt  es  noch  jetzt.  Es  besteht 
nur  in  einem  Haufen  zusammengeworfener  Manuscripte,  Akten  und 
Bucher;  Pergamene  fanden  sich  darunter  keine. 

Auch  das  Archivio  comunale  (Secretär  Amilcare  Arcan- 
geli)  mit  der  Bibliothek  ist  ungeordnet.  Die  Urkunden  gehen  bis 
ins  12.  Jahrhundert  hinauf,  Papsturkunden  sind  nicht  darunter. 

Todi. 

Vgl.  Bethmann  im  Archiv  XII  549  und  v.  Pflugk  -  Harttung 
Iter  p.  783  nach  Mitteilungen  des  Barons  Sansi.  Wir  haben  in 
erster  Linie  Herrn  Dr.  Francesco  Briganti  di  Deruta  zu 
danken,  der  dem  Dr.  Schiaparelli  den  Zutritt  zu  den  Archiven 
Todi's  vermittelte.  Auch  der  Sindaco  Cav.  Pietro  Paparini  und 
der  Segretario  Mariani  waren  von  dem  größten  Entgegenkommen. 


1)  Nach  T.  Pflngk-Harttimg  Iter  p.  764  (Tgl.  anch  AcU  III  279  Nr.  800 
and  801)  sind  die  beiden  Urkunden  Alexander«  III.  in  Originalen  erhalten.  Aber 
nllet  Soeben  danach  war  erfolglos. 


362  P.  Kehr, 

Das  Archivio  capitolare  (Can.  Alvi)  ist  klein,  ungeordnet 
und  von  geringem  Werth  {Begistro  delle  scrüture  del  capitolo  von 
1718).  Es  beginnt  mit  1098.  1150  u.  s.  w.  Die  älteste  Bulle  ist 
Innocenz  IV.  1252  X  10. 

Das  Archivio  della  curia  vescovile  hat  Fergamene 
vom  14.  Jahrhundert  ab.  Zu  verzeichnen  ist  allein  das  Ms.  Com" 
pendio  delle  scrüture  antiche  e  moderne  del  venerabüe  monastero  di 
S.  Francesco  di  Todi  riposte  nelVarchivio  di  dato  monastero  1617. 
In  diesem  Archivinventar  heißt  es  fol.  13:  Casella  I,  dove  si  con- 
tengono  le  scritture  di  S.  Leutio,  nämlich 

Nr.  1.  Leo  IX.  1051  X  11.  J-L.  — :  Anno  domini  1052.  BoUa  di 
papa  Leone  nono,  che  conferma  alFabbate  di  S.  Leucio 
tutte  le  chiese  e  beni  che  hanno  al  presente  e  che  gli 
saranno  lasciate,  che  nessuno  imperadore  re  duca  marchese 
conte  viceconte  patriarchia  arcivescovo  vescovo  abbate 
grande  o  piccola  persona  molesti  ne  turbi  detto  monastero 
sotto  pena  di  scommunica.  Dat.  li  11  d'Ottobre  anno  3 
di  pontifice. 

Nr.  2.  Eugen  m.  1145  III  20.  J-L.  — :  1144.  Bolla  di  Eugenio 
terzo  sottoscritta  da  cardinali,  che  conferma  tutte  le  chiese 
possessioni  et  loro  pertinenze,  che  possedono  al  presente  e 
che  acqnistaranno  per  Tawenire  Tabbate  Rustico  et  monaci 
di  S.  Leutio  dentro  la  cittä  di  Todi  et  ancora,  che  se  vorrä 
sepellire  in  detta  chiesa,  si  possa  sepellire,  purchi  non 
sia  scommunicato,  et  i  beni  che  si  lasciaranno  a  detto  mo- 
nastero, li  possino  ritenere  e  che  nessuno  molesti  detti 
beni  sotto  pena  di  scommunica.  Dato  in  Narni  li  20  di 
MarzOy  pont.  di  Eugenio  terzo  a®  primo. 

Nr.  3.    Transsunto  della  sopradetta  bolla. 

Nr.  4.  Alexander  IH.  1171  IV  3.  J-L.  — :  Anno  1171.  Bolla 
di  Alessandro  terzo,  sottoscritta  da  cardinali,  che  conferma 
all'abbate  Lorenzo  et  monaci  di  S.  Leutio  tanto  presenti 
come  davenire  tutte  le  chiese  le  quali  sono  descritte  in 
detta  bolla,  sottoposte  al  detto  monastero  esente  dalla 
iurisditione  episcopale.  Dato  in  Frascati  li  3  di  Aprile 
Tanno  XII  del  pontificato. 

Nr.  5.    Transsunto  della  sopradetta  bolla. 

Nr.  6.    Friedrich  L  1177  (=  St.  4235). 

Leider  ist  keine  der  Bullen  erhalten.  Auch  6.  Ceci,  Todi 
nel  medio  evo  (Todi  1896)  kennt  sie  nur  aus  diesem  Inventar, 
resp.  dessen  Abschrift  von  Petti,   und  bemerkt  dazu  (p.  49  N.  3): 


Papstorkondea  in  ümbrien.  363 

,che  qaeste  boUe   farono   mbate   dairarchivio  di  s.  Francesco  e 
che  si  minaccio  in  riguardo  an  processo^. 

Das  Archivio  della  congregazione  di  caritä  ist 
reich  und  wichtig.  Katalog  von  Leonii.  Aelteste  Fergamentur- 
konde  von  1206  (in  Cop.  von  1346),  älteste  Bulle  von  1266  XII  8. 

Archivio  S.  Fortunato  (wo  zugleich  das  Archiv  und 
die  Bibliothek  der  Stadt  sich  befinden)  mit  Katalog  saec.  XIX  ^)» 
Der  von  Leonii  p.  22  citirte  Alexander  III.  ist  in  Wahrheit  Alexan- 
der lY.    Für  uns  kommen  nur  in  Betracht  die  Manuscripte 

1.  Lucca  Alberto  Fettig  Commentarii  avvero  memorie  di  Todi  atUiche 
e  moderne  delle  cosc  piü  notabili  11  1613  (Arm.  VI.  XI)  mit 
Abschriften  der  Kaiserprivilegien  für  die  Römische  Kirche 
und  IV  1629  f.  228  mit  Ludwig  IV.  1328  IV  10  und 

f.  284  Contpendio  delle  scrifture  antiche  e  moderne  del  mon.  di 
S.  Francesco  di  Todi  riposte  nelVarchivio  di  detto  mon.  1617, 
offenbar  Abschrift  des  Archivinventars  von  S.  Francesco  im 
bischöflichen  Archiv,  mit  denselben  Angaben  ttber  die  Urkunden 
für  S.  Leucio. 

2.  Lucca  Alberto  de  PettiSj  Inventarium  brevium  büUarum  librorum 
.  .  .  spectantium  ad  ÜL  comunüatem  Tuderti  1661  (Arm.  VI.  XII 
Nr.  9)  und  ein  zweiter  von  Ottaviano  Ciccdini  1794  besorgter 
Katalog  (Arm.  VI.  XH  Nr.  12). 

3.  Reginaldo  Boarini,  Storia  detta  cUtä  di  Todi  (Arm.  VL  XII 
Nr.  3),  wo  ein  Privileg  Hadrians  IV.  citirt  wird 

1168  Adriane  IV.  mentre  si  trovava  in  Todi,  sentenzi6 
il  castello  di  Hontemarte,  era  nel  territorio  di  essa 
citti,  come  aveva  sentenziato  prima  il  vescovo  di  Chiusi 
arbitro  delle  due  cittä  cio6  Todi  e  Orvieto  (Reg.  Test,  in 
Arch.  secr.  C  113).    Doch  fand  sich  keine  Spur  davon. 

Ferner  werden  ganz  kurz  oitirt  zwei  Urkunden  för  Honte 
Acute,  die  eine  von  Nicolaus  11.  von  1069,  die  andere  von 
(Tregor  VII,  von  1076. 

Ueber  die  Biblioteca  comunale  vgl.  Lorenzo  Leonii,  In- 
ventario  dei  codici  della  Comunale  di  Todi.  Todi  1878,  der  auch 
die  bisher  unbekannten  Papsturkunden  herausgegeben  hat,  nSmlich 

Alexander  III.  s.  d.  J-L.  — .  Cop.  s.  XIU  im  cod.  34  (Leonii  p.  16). 
Celestin  lU.  1192  m  7.  J-L.  -.  Cop.  s.  XUI  im  cod.  22  (ibid.  p.  10). 


1)  KaiMrarkondeo :  BF.  450.  454.  566.  lOia  8033.    BFW.  13290. 


364  P.  Kehr, 


AßHai. 


Vgl.  Bethmann  im  Archiv  Xu  538—541  und  v.  Pflugk-Hart- 
tnng  Iter  p.  4.  739.  Das  Archivio  capitolare  (Can.  Andrea 
Tini)  ist,  wie  man  weiß,  alt  und  reich.  Doch  ist  das  älteste 
Original  einer  Fapsturkunde  erst  von  Honorius  IIL  Unter  den 
nicht  catalogisirten  Stucken  fand  Dr.  Schiaparelli 

Alexander  III.  1180  I  26.  J-L.  —  Cop.  von  1270.    S.  Anhang. 

Wichtig  sind  auch  die  Mss.  des  fleißigen  Archivars  JFVan- 
cesco*  Antonio  Frondini  j  der  1796  die  Urkunden  des  Archivs  von 
963 — 1646  copirte.  Ferner  ist  von  demselben  ein  Bullarium  der 
Clarissinnen  da,  mit  Innocenz  IV.  beginnend.  Aus  einem  In- 
ventar von  1466  vom  Kapitelarchiv  von  S.  Sufino  notirte  Schia- 
parelli noch  zwei  Urkunden  Urbans  lU. :  Privilegium  Urbani 
pape  IIL  de  iurisdiäione  domini  episcopi  AssisincUis  und  Aliud 
Privilegium  dicti  Urbani  pape  IIL  de  eadem  materia  simul  ligtUum 
cum  proximo.  Diese  Urkunden  scheinen  wie  die  andern  in  der 
Urkunde  Innocenz  UI.  von  1198  V  28  (A.  Cristofani  Delle  storie 
d'Assisi  libri  6.  Assisi  1866  p.  57)  citirten  altem  Urkunden  für 
das  Bistum  von  Paschal  II.,  Calixt  IL,  Innocenz  II.,  Eugen  IH., 
Alexander  III.,  Urban  IIL,  Clemens  IIL  verloren  zu  sein. 

Das  Archivio  vescovile  ist  ganz  jung. 

Das  Archivio  di  S.  Francesco  (jetzt  bei  der  Biblioteca 
comunale)  hat  eine  schöne  mit  1168  beginnende  Serie  von  Perga- 
menturkunden, die  in  Bände  gebunden  sind.  Aelteste  Fapsturkunde 
von  Honorius  UI. 

Auch  das  Archivio  comunale  hat  als  älteste  Papsturkunde 
nur  die  schon  citirte  Bulle  Innocenz  UI.  von  1198  in  Cop.  von  1301 
Wichtig  ist  auch  der  Libro  M  3,  cod.  membr.  saec.  XIII  mit  Ur- 
kunden von  1203  ab  und  Abschriften  jüngerer  Bullen.  Ebenda 
Friedrich  U.  Palermo  1208  I  1. 

Aus  der  Biblioteca  comunale  (Prof.  Leto  Alessandri), 
vgl.  Hazzatinti  Inventari  IV  21  und  Ehrle  im  Archiv  für  Litte* 
ratur-  und  Eirchengesch.  I  470,  ist  lediglich  zu  citiren  cod.  nr.  227 
saec.  XU,  wo  f.  234'  Paschal  IL  1100  V  4.  J-L.  6836  steht. 

Die  Biblioteca  del  Capitolo  (Can.  A.  Tini)  besitzt 
u.  A.  die  Mss.  von  Locatelli  und  Venarucci,  die  für  die  Greschichte 
von  Assisi  wichtig  sind,  aber  für  unsre  besondem  Zwecke  keine 
Ausbeute  ergaben. 


Papstnrknnden  in  UmbrieiL  366 

Perugi4i. 

Daß  in  dieser  Stadt,  deren  Archivalien  so  gut  bekannt  und 
so  oft  benutzt  worden  sind ,  neues  Material  zu  Tage  kommen 
würde,  erwarteten  wir  nicht.  Bethmanns  Bericht  (Archiv  XII 
544 — 649)  ist  mit  Liebe  und  Sachkenntnis  geschrieben.  Auch 
V.  Pflugk-Harttungs  Notizen  (Iter  p.  71)  sind,  besonders  in 
Bezug  auf  das  Archiv  von  S.  Pietro,  reichhaltiger  und  genauer 
als  sonst.  Hierzu  kommen  die  außerordentlich  eingehenden  Nach- 
richten fiber  die  Archive  beiG-.  Mazzatinti  Gli  archivi  I  92 — 134 
und  über  die  Bibliotheken  in  desselben  Inventari  II  171 — 179  und  V 
66 — 297.  Wir  haben  diese  Angaben  im  Einzelnen  nur  hie  und  da 
zu  ergänzen.  Das  danken  wir  hauptsächlich  der  Güte  des  Biblio- 
thekars Conte  Dott.  Vincenzo  Ansidei,  des  Senators  Faina, 
des  Hons.  D.  Marzio  Romitelli  vom  Kapitelarchiv  und  des 
Abtes  D.  Guido  Barbier i  von  S.  Pietro. 

Archivio  capitolare. 

Originale: 

Eugen  m.  1160  Xn  2.  J-L.  9420  (B  Nr.  4). 
Alexander  IH.  1169  V  4.  J-L.  11620  (B  Nr.  6). 
Alexander  m.  1170  IX  12.  J-L.  11834  (B.  Nr.  7). 
Urban  IH.  (1186-87)  III  16.  J-L.  15816  (B  Nr.  8). 
aemens  IH.  1189  V  17.  J-L.  16413  (B  Nr.  10). 
Clemens  IH.  1189  V  17.  J-L.  16414  (B  Nr.  12). 
Celestin  IH.  1193  H  14.  J-L.  16964  (B  Nr.  13). 

Copie  *) : 

Alexander  IH.  1169  V  4.  J-L.  11620  Cop.  s.  XVII  (Sectio  D: 
Monumenta.    3.  Serie  privilegiorum  et  indultorum  vol.  I). 

Copialbuch^: 

Begislrufn  scripturarum  ecclesiae  8.  Laurentii  calhedralis  Perusinae 
ordincUum  1574,  Cod  chart.  in  fol.  (Libro  verde) 

fol.  6  Clemens  UI.  1188  V  6.  J-L.  — .    S.  Anhang»). 

fol.  6  Clemens  IH,  1188  V  29.  J-L.  — .    S.  Anhang. 

fol.  6  Clemens  IIL  1188  IX  20.  J-L.  — .    S.  Anhang. 


1)  Friedrich  I.  8t  8994  Cop.  s.  XHI  (B  Nr.  5). 

9)  fol.  12  Friedrich  I.  St  3994. 

8)  HaiMtinti  Gli  archiri  1  129  citirt  diese  f&nf  ürkanden  Clemens' UI.  als 
solche  Clemens'  II.  Ton  1047.     Ebenso  schon  Cesare  Crispolti  Penigia  AogosU 
1648  p.  266  und  die  andern  Historiker  Ton  Perugia. 
KfL  Q«.  4.  WIM.   XMkii€hlM.   PUlotof .-klftor.  KImm  189S.   H«fi  3.  25 


366  P.  Kehr, 

fol.  6'  Clemens  IH.  1188  X  21.  J-L.  — .  S.  Anhang, 
fol.  7'  Clemens  III.  1188  X  17.  J-L.  — .  S.  Anhang, 
fol.  11  Eugen  m.  1150  XH  2.  J-L.  9420. 
fol.  14  Alexander  m.  1169  V  4.  J-L.  11620. 
fol.  16  Alexander  m.  1170  IX  12.  J-L.  11834. 
fol.  18  Urban  IE.  (1186—87)  HI  15.  J-L.  15815. 
fol.  20'  Clemens  m.  1189  V  17.  J-L.  16413. 
fol.  22  Clemens  HI.  1189  V  17.  J-L.  16414. 
fol.  23'  Celestin  IH.  1193  H  14.  J-L.  16954. 

Archivio  della  cnria  arcivescovile. 

1534  verbrannt  und  jetzt  ohne  Pergamentarknnden.  Von  Ma- 
nascripten  sind  benutzt 

Memarie  sülle  chiese  di  Perugia  von  Francesco  Riceardi,  Ms.  s. 
XVII  in  11  voll. 

ConventtiS  et  monasteria  regularium  Busta  I.  11.^). 

Processi  ecclesiasiici  I.  Faszikel:  Abbatiae  s.  Pauli  super  ec- 
clesia  collis  Tabuleni.  Mit  den  beiden  Privilegien  für  das 
Kloster  S.  Paolo  di  Valdiponte  in  Copien  von  1591 

Paschal  IL  1110  IV  29.  J-L.  6272. 

Celestin  IH.  1193  HI  5.  J-L.  16962  zu  m  4. 

Archivio  di  S.  Pietro. 

Das  Archiv  ist  Monumento  nazionale  und  soll  in  der  Biblio* 
thek  aufgestellt  werden.  Vorläufig  steht  es  noch  unter  der  Hut 
des  Abtes  Guido  Barbieri.  Die  prachtvolle  Serie  der  Papst-  und 
Kaiserurkunden  ist  schon  mehrfach  verzeichnet  worden;  ich  wie- 
derhole sie  der  Vollständigkeit  halber. 

Originale  ■) : 

Süvester  H.  1002  XII  3.  J-L.  I  p.  499  (Vin  19). 

Benedict  VUI.  1022  XIL  J-L.  3792  als  Benedict  VH.    (unter 

Grlas  und  Rahmen). 
Benedict  IX.  1036  XI  2.  J-L.  I  p.  520  (VIII  32). 
Gregor  VL  1045  V.  J-L.  4123  (Vm  13). 
Leo  IX.  1062  lU  9.  J-L.  4267  (VIH  11). 


1)  In  BasU  I.  Copie  saec  XVI  von  Friedrich  I.  St.  8998  und  von  Heinrich 
VI.  St.  6048. 

2)  KAiserurkimden :  Konrad  U.  St  1989;  Heinrich  IH.  St.  2820;  Friedrich 
1.  St.  3998 ;  Heinrich  VI.  St  6039.  5048.  6048.  6049. 


Papitoriniiideii  in  Ümbrien.  367 

Stephan  IX.  1067  XI  2.  J-L.  4374  (YHI  9). 
Nicolaus  n.  1059  H  17.  J-L.  4395  (Vm  5). 
Nicolaus  n.  1069  X  14.  J-L.  4413  (VIII  21). 
Alexander  II.  1065  IV  17.  J-L.  4664  (Vm  16). 
Engen  lU.  1150  VI  12.  J-L.  9396  (Vm  39). 

Copien : 

Gregor  VI.  1045  V.  J-L.  4123  inserirt  in  Gregor  IX.  1228  X 

12  (VUI  2)  und  Gregor  IX.  1229  I  21  (XIH  2). 
Leo  IX.   1052  III  9.  J-L.  4267  inserirt  in  Gregor  DL  1228 

X  12  (VUI  8). 
Stephan  IX.   1057  XI  2.   J-L.  4374  inserirt  in  Gregor  IX. 

1228  X  12  (Xni  1). 
Nicolaus  IL  1059  II  17.  J-L.  4395   inserirt  in  Gregor  IX. 

1228  X  12  (Vin  12). 
Alexander  IL  1065  IV  17.  J-L.  4664  inserirt  in  Gregor  IX. 

1228  X  12  (Vm  10). 
Urban  IL  1092  IX  14.  J-L.  f  5467.    Cop.  von  1564  (I  13). 
Innocenz  U.  1137  U  10.  J-L.  7825.  Cop.  saec.  XV  (VHI  34). 

Copialbücher : 

lAbro  A:  FriviUgiorum  et  hrevium  ven.  nwn.  s.  Petri  de  Perus. 
Ms.  Chart,  saec.  XVI  in  fol. ') 

fol.  1  Benedict  VIH.  1022  XII.  p.  J-L.  3792. 
foL  1'  Süvester  II.  1002  XII  3.  J-L.  I  p.  499. 
fol.  2'  Benedict  IX.  1036  XI  2.  J-L.  I  p.  520. 
foL  3  Gregor  VL  1045  V.  J-L.  4123. 
foL  4  Paschal  U.  1115  U  8.  J-L.  6448. 
foL  6  Leo  IX.  1062  IH  9.  J-L.  4267. 
foL  6  Stephan  IX.  1067  XI  2.  J-L.  4374. 
foL  6'  Nicolaus  U.  1059  X  14  J-L.  4413. 
foL  7  Nioolaus  IL  1069  H  17.  J-L.  4395. 
foL  8  Alexander  H.  1065  IV  17.  J-L.  4564. 
foL  10'  Innocenz  U.  1137  n  10.  J-L.  7826. 
foL  11'  Lucius  n.  1144  UI  16.  J-L.  8521. 
foL  12'  Engen  IIL  1160  VI  12.  J-L.  9396. 
foL  13'  Engen  HL  1145  IV  26.  J-L.  8739. 
foL  16'— 21'  Gregors  IX.  Transsnmte. 
foL  66  Urban  n.  1092  IX  14.  J-L.  f  5467. 

Codex  difiomaticua  Perusinus,  EuUstaeus  appdtatus,  id  est  edUeetio 
moHumentorum  medii  aevi  ad  Augustam  Perusiam  utcuuque  spee- 

I)  Ebenda  fol.  2.  9'.  10.  IS*.  16'.  16  die  7  Kaisenirkunden. 

26* 


368  ^'  Ke^f. 

tanüum  opera  et  studio  monachi  cuiusdam  8.    Petri.     Perusiae 
1778,  Ms.  Chart,  in  4^ 

p.  1  Gregor  I.  B91  VH  2.  J-E.  1128. 

p.  3  Gregor  I.  604  I.  J-E.  1992. 

p.  7  Gregor  I.  600  VI.  J-E.  1782. 

p.  8  Gregor  I.  600  IX.  J-E.  1793. 

p.  13  Benedict  YHI.  1022  XH.  J-L.  3792. 

p.  25  Süvester  H.  1002  XII  3.  J-L.  I  p.  499. 

p.  33  Benedict  IX.  1036  XI  2.  J-L.  I  p.  520. 

Libro  B:   Iura  diversa  congregatianis  Casinensis,  Ms.  chart.  s. 

xvn 

p.  4'  Urban  H.  1092  IX  14.  J-L.  f  5*67. 

p.  24  Alexander  IH.  1169  I  30.  J-L.  11589. 
Libro  EE:  Perusina  beneficium  Processus  (Prozeßakten  des  No- 
tars Galeotti  BartoleUi  von  1623)  *) 

f.  497'  Paschal  n.  1115  H  8.  J-L.  6448. 

f.  499'  Innocenz  H.  1137  H  10.  J-L.  7825. 

f.  502'  Lucius  IL  1144  m  15.  J-L.  8521. 

f.  505  Eugen  IE.  1145  IV  25.  J-L.  8739. 

f.  507'— 523'  Gregors  IX.  Transsumte. 

lAbro  F:  Beneficiorum  (Prozeßakten  des  Notars  Marco  Torello 
von  1640)  ist  eine  Copie  des  Libro  £E. 

Archivio  antico  del  Comune. 

Das  alte  Archivio  decemvirale  ist  eine  der  reichsten 
und  kostbarsten  Sammlungen  italienischer  Stadtgeschichte  trotz 
der  schon  von  Bethmann  beklagten  großen  Verluste,  die  es  1848 
erlitten  hat.  Doch  darf  die  Hoffnung  ausgesprochen  werden,  daß 
die  damals  fortgebrachten,  jetzt  aber  in  sicherer  Hut  befindlichen 
Theile  des  Archivs  bald  wieder  in  das  Rathaus  von  Perugia  zu- 
rückkehren  werden.  Für  unsere  Zwecke  enthält  das  eigentliche 
Stadtarchiv  nicht  viel.  Die  Serie  der  Papsturkunden  beginnt  erst 
mit  Gregor  IX.  (die  ganze  Liste  verzeichnet  Mazzatinti  I  107  ff.) 
und  nur  der  Band  LXXVII  Miscellanea:  Transsumptus  bullarum 
papalium  et  imperialium,  von  dem  Notar  Venantius  Franciscus 
Bruschinus  von  Camerino,  cod.  membr.  von  1420,  hat  fol.  3  eine 
Copie  von 

Innocenz  H.  1136  XH  13.  J-L.  7803 »). 

1)  f.  492  Friedrich  I.  St  8993;  f.  496'  Heinrich  VI.  St.  6048. 

2)  f.  4'  Friedrieh  I.  St  8994. 


Papsturkimden  in  ümbrien.  869 

Za  den  Beständen  des  alten  Stadtarchivs  ist  hinzugekommen 
das  Archivio  delle  soppresse  corporazioni  mit  denUr- 
kanden  der  anfgehobenen  Klöster.  £s  ist  ein  massenhaftes,  wich- 
tiges nnd  so  gnt  wie  jongfränliches  Material,  das  zum  Theil  noch 
der  Ordnung  harrt.  Hier  sind  die  Archive  von  S.  Maria  di  Yal- 
diponte  oder  Monte  Labate,  von  Monte  Corona  nnd  Monte  Acnto, 
von  Monte  Lnce  und  Monte  Morcino,  von  S.  Domenico,  S.  Fio- 
renzo,  S.  Francesco,  S.  Severo,  S.  Secondo,  S.  Antonio,  S.  Gin- 
liana  n.  A.  Am  reichsten  ist  das  Archiv  von  Monte  Labate. 
Es  beginnt  mit  einem  Original  von  995  XU  nnd  besaß  eine  Bulle 

Johannes  XIII.  969  XI  21.  J-L.  — .    S.  Anhang, 

von  der  wir  leider  nur  Abschriften  des  vorigen  Jahrhunderts  be- 
sitzen. Sie  wird  im  Summarium  scripturarum  antiquarum  abbatiae 
VaUispontis  saec  XVI  (Ms.  23)  fol.  8  citirt  als  Urkunde  Johan- 
nes XX.  (XrX)  von  1024: 

Breceptionis  monasterii  predicti  sub  regimine  et  protectione 
immediate  sedis  apostoUce.  Copia  bullarum  pape  lohannis 
XX.  de  anno  1024 
und  ist  von  dem  Abt  Johannes  Columbino  FaUeschi  in  dem  Ms.  Ta- 
bularii  perantiqui  cenobii  8.  Mariae  Vallis  de  Ponte  in  Corbiniano 
seu  monumentorum  in  ipso  asservaiorum  epitonien  von  1798  (Ms.  10) 
als  Bulle  Johannes  XIX.  von  1030  copirt  worden.  Auch  CHuseppe 
lielforti  im  Indice  deWarchivio  di  S.  Maria  di  Valdiponte  von  1799 
(Ms.  16)  citirt  sie  p.  16  als  Bulle  Johannes  XI.  zu  1030.  Leider 
hat  sich  die  Copie  dieser  Urkunde,  auf  welche  unsere  Abschriften 
zurückgehen,  nicht  auffinden  lassen^). 

Biblioteca  comunale. 

Von  den  Mss.  hat  Dr.  Schiaparelli  durchgesehen: 
Ms.  £.  45.   Compendio  delle  memorie  ddla  cittä  di  Perugia  di  Cesare 
CrispoUi.    Ms.  chart.  saec.  XYI,  wo  fol.  32'  und  foL  35  zwei 
Breven  Alexanders  III.  stehen,   die  wohl  solche  Alexanders 
IV.  sind.    (Vgl.  Cesare  Crispolti  Perugia  Augusta  1648). 
Ms.  C.  11.    Miscellanea.    Ms.  s.  XVIII  des  Carlo  Baglicmi 

p.  24  Alexander  DI.  1178  UI  23.  J-L.  — .    S.  Anhang, 
p.  29  Celestin  UL  1193  XI  24.  J-L.  -.    S.  Anhang. 
Mariottif  Noiurie  stUle  chiese  ddla  dtiä  e  terrUorio  di  Perugia^   von 
denen  6  volL  die  Stadt  und  5  das  Territorium  behandeln :  mit 

1)  Vielleicht  befindet  sich  die  Urkande  gleich  der  Leos  IX.  J-L.  4167  noch 
nnter  den  Urfcnndea  too  S.  Fnuaoesco  dl  Perugia  (Moratori  Antiq.  VI  838). 


870  P-  Kobr, 

vielen  Citaten  and  einigen  Copien  von  päpstlichen  Urkunden, 
darunter 

Citti  vol.  3 :  Eugen  HI.  1150  VI  12.  J-L.  9396. 

Carte  Mariotti  (Busta  C '),  Abschriften  saec.  XVIII  mit  Noten  Ma- 
riottis  *) 

Süvester  11.  1002  XH  8.  J-L.  I  p.  499. 

Benedict  VIII.  1022  XII.  J-L.  3792. 

Benedict  IX.  1036  XI  2.  J-L.  I  p.  520. 

Gregor  VI.  1045  V.  J-L.  4123. 

Leo  IX.  1062  III  9.  J-L.  4267. 

Stephan  IX.  1057  XI  2.  J-L.  4374. 

Johannes  XIII.  969  XI  21.  J-L.  — .     S.  Anhang. 

Leo  IX.  1049  m  26.  J-L.  4157  ex  Muratori. 

Benedict  VHL  1022  XQ.  J-L.  3792. 

Biblioteca  Dominicini. 

Ms.  84  A.  Mariotti  y  Memarie  istoriche  di  Perugia  per  porta  S. 
Pietro 

p.  46  Eugen  m.  1150  VI  12.  J-L.  9396. 

Ms.  92  A.  Serie  dei  vescavi  di  Perugia,  Ms.  chart.  in  fol.  saec. 
XVn,  wo  die  verlorenen  Urkunden  Johanns  XIII.  von  965 
und  Gregors  V.  von  996  für  S.  Pietro  citirt  werden. 

Ms.  127  A.  Historia  Spoletina  per  episcoporum  serieni  digesta  auC' 
tare  lacobo  Philippo  -  LeancülOj  cotrecta  et  locupletata  a  Seraphino 
de  Seraphinis  1656^ 

p.  228  Alexander  11.  1069  I  16.  J-L.  4661  ex  orig. 

Ms.  A  64.  F.  Cavaüuccij  Memorie  Auguste  assia  Annaii  deüa  chiesa 
Perugina,  Ms.  saec.  XVII 

p.  38  Gregor  L  591  VH  2.  J-E.  1128. 

p.  39  Gregor  L  604  L  J-E.  1992. 

p.  58  Süvester  IL  1002  XH  3.  J-L.  I  p.  499. 

p.  66  Leo  IX.  1049  Ul  26.  J-L.  4157 :  della  boUa  si  con- 

serva  nn  esemplare  nel  convento  de'  Padri  conven- 

tuali 
p.  67  Benedict  IX.  1036  XI  2.  J-L.  I  p.  520. 


1)  Und  den  Diplomen  Konrad  II.  St.  1989;  Heinrich  III.  St.  2820;  Fried- 
rich L  St.  3994  and  St  spur.  8966;  Heinrich  VI.  St  5048. 

2)  p.  220  Heinrich  U.  St  1611 ;  p.  240  Friedrich  I.  (IL)  St  8720. 


Papstarkiuiden  in  ümbrien.  371 

Archivio  AnsideL 
Ein  Ms.  membr.  saec  XYII  enthält 

foL  8  Honorius  IL  1130.  J-L.  f  7402  *)  zu  1125—30. 


1. 

Johannes  XllL  überträgt  dem  Abt  Petrus  des  Klosters  S.  Maria 
in  Corbiniano  (Valdiponte)  und  seinen  beiden  Nachfolgern  den  Besitz 
des  Klosters  und  seiner  Pertinenzen. 

969  November  31. 

Gopie  von  1787  unter  den  Carte  Mariofti  Perugia  Biblioteca  co- 
munale  (Busta  C ')  [Ä].  —  Cojyie  von  1798  von  C.  Fatteschi  in  Tahw 
larii  eenobii  s.  Marias  Vallis  de  Ponte  . .  epitomen  p.  3  Nr.  2  ebenda  [B\ 

Mariottiy  der  die  Urkunde  eu  970  setzte,  bemerkte  dazu  ^Mi 
fu  eomunicata  copia  di  questa  bolla  da  rcv"^  P.  abaie  di  detto 
monastero  di  Monte  labate  il  di  14  febb.  1787.^  Fatteschi  schloß 
^Huic  bull^j  cuius  non  restai  nisi  informe  apographum  ....  cre^ 
dimus  allatam  bullam  esse  anni  1030,  quo  decurrebat  indiäio 
XIII  in  bulla  enunciata  tempore  lohannis  pape  XIX^.  Die  Ab- 
Schriften  sind  scidecht,  doch  ist  eine  Emendation  des  Textes  um 
so  schwieriger  und  unsicherer,  je  schlechter  in  der  Kanzlei  Jo- 
hannes XIIL  (vgl.  das  Original  von  J-L.  3714)  geschrieben 
wurde.  Zu  bemerken  ist  übrigens,  daß  das  Mittelstück  an  die 
Formel  CI  des  Diumus  {ed.  Sickel  p.  133)  anklingt. 

Johannes  episcopas  semos  seraorom  dei.  Petro  religioso  pres- 
bitero  et  abbat!  ^^  ex  nostra  apostolica  aoctoritate  acnerabUis  mo« 
nasterii  sancte  dei  genitricis  8emperqae^>  oirginis  Mari^  dominc 
nostrf,  quod  ponitor  in  comitatu  Perasi$  loco  qoi  nocator  Corbi« 
nianO|  et  per  te^)  in  dnobos  aliis  abbatibas^  post  te  toisqoe  suc* 
cessoribos  secondom  regnlam  sancti  Benedicti  ojnobitarem ')  oitam 
degentibns  eiosdem-^  nenerabilis  monasterii  commorantibos  usqae 
in  tertiam  personam  diebos  oitQ  aestr^  tantum.  Ad  landem  re- 
spidt  domini  redemptoris,  quod''  intuita  pietatis  eins  faerit  semion- 


a)  abbata  jL       b)  Mmperqne  fMi  in  B.        e)  ex  parte  etiam  A.       d)  et 

•dbottd  A  ein.  e)  cenobiUmm  B.  f)  degent B\  vidUidU  fehU 

hier  no^  mehr.         g)  nt  B. 


1)  foL  4  Otto  n.  Spur.  976,  ind.  16,  imp.  8,  dat  apnd  Bomam  15.  kal.  maii. 


872  P-  Kehr, 

tibns commendatnm  ^).    Hic*^  eins   dinina  placator 

dementia  atqne  alaeres  possnnt  sernire,  inxta  qnod  snnt  polliciti, 
sednlas  qnoqne^^  eins  potentie'^  mente  qnieta  solnere  landes.  Igitor 
pastorali  moti  compassione,  saltem  snb  annnali  snccedatnr,  sicat 
inferins  designatnr  per  ordinem,  monasterinm  ""^  ipsnm  cum*^  pr§- 
dia  sibi  pertinentia  exapostolici  inre**^  patrimonii,  inre**^  proprietatis 
et  nestris  snccessoribns  fratriim''^  subsidiis«^  atqne  alimentis  ""^  uel 
oblationes  sacri  altaris  et  Inminariornm  concinnatione  pacto  infra 
scripto  diebns  nit§  nestr^  possidenda  largimnr  temporibns.  Idcirco 
connenit  rencrenti^  nestr^  tnnc  nos ')  implorasse,  nt  prefatnm  mona- 
sterinm  sancte  dei  genitricis  Mari$  domin§  nostr^  apostolica  anc- 
toritate  mnniamns'^.  Propterea  flexi**)  precibns  nestris  per  huius 
pr§cepti  paginam  statnentes  decemimns,  nt  monasterinin  ipsnm 
in*)  integro  cnm  cnncta  loca  nrbana  nel  rnstica,  id  est  massas 
casales*'^)  fnndos  nninersa  pr^dia  cnlta  uel  incnlta  longe  lateqne 
omnia  in  integro  *),  sicnti  a  priscis  temporibns  ^^  einsdem  cnm  *)  omni 
pertinentia  fnisse  dignoscnntnr  nel  qnod  amodo  inantea  a  fidelibns 
christianis    inibi    oblata   fnerint  '\   cnm  omnibns   finibns   terminis 

^)  snis  et  cnm  omnibns  ad  enm  ^)  generaliter  et  in  integrum 

pertinentibns  a  presenti  tertiadecima  indictione  tibi  atqne  a  dao- 
bns  aliis  personis  abbatnm^)  tnisqne  snccessoribns  einsdem  nene- 
rabilis*)  monasterii  existentibns  diebns  nitg  nestr^  nobis  concedi- 
mns  detinendnm.  Qnia  nero  monasterinm  ipsnm  destrnctnm  esse 
nidetnr,  tno  •)  namqne  stndio  tnoqne-^  labore  reedificare  et  ad  pri- 
stinnm  renocare  statnm  desideramns^)  atqne  sernos  dei*)  monacos 
castamqne  nitam  degentes  secnndnm  regnlam  beati*)  Benedicti  snb 
monaatica  disciplina  inibi  adgregare^)  et  sednlas  landes')  nna  cnm 
Inminariornm   concinnatione   diebns  aC')  noctibns   horis   Ileitis   in 

eodem  sancto  loce  incessanter  exhibere ,    ea  prorsns ") 

ecclesiasticis  niris  snblimat,  set  ^)  snb  inris  sancte  Romane  ecdesie 
existatnr  atqne  neniatnr ,   ita  saue  nt  a  te  tnisqne  snccessoribns 

h)  füer.  seraientibas  seroet commendatum  A;    Iner 

demandatum  B\  vgl  Diumus  f,XCI  (ed,  Sickd  p.  120):  studio  pietatis  egen- 
tibus  aliquid  fuerit  uel  Christo  seraientibas  aut  locis  uenerabilibus  commodatum. 
t)  hinc  B.  k)  quoque  fMi  in  B.         Q  potentia  AB,         m)  monasterii  B. 

n)  80  Bf  omnia  A.  o)  so  B,  aice  A.  p)  fratrunm  A.  q)  subsidiam  B- 
r)  so  B,  altaritiis  A,  s)  uestre  ...  nos  B.  i)  mandamos  B,  u)  flexis  B. 
v)  in  fMt  in  A,  w)  casalis  B.  x)  in  integro  fMt  in  A.  y)  sicut 

antiquitos B.      «)  com  —  fnerint  fehU  in  B.       a)  in  B  ist  keine  Lücke 

angedeutet.           b)  eam  A.            e)  abbatnum  A.  d)  nenerabilis  fehlt  in  B. 

e)  sno  B,  f)  snoqne  B,  g)  desideras  B.  h)  sernos  dei  B;  sernos  ibi  A. 
•)  sancU  S.  k)  congregare  B.  l)  so  B,  sedilia  ad  landem  A.  m)  et  B. 
n)  eihibea B.  o)  niris S. 


Papetorlniiideo  in  ümbrieo.  373 

abbaüboB  pro  nostra  nostrommqne  snccessomm  pontificnm  per 
singolos  annosi*)  anctoritate  apostolica^^  in  nestra  snprascripta 
ecdesia*"'  sancie  MariQ  centmn  missas  pro  redemptione  anim^ 
nostr^  canere  debeatis.  Stataentes  qoapropter  apostolica  censura 
sab  dioini  iaditii  obtestatione  anathematis  interdictom,  at  nollus 
comiti  aat'>  nicecomiti  sine  episcopo  nel  cninscnmqne  dignitatis 
ant  ordinis  magn^  parneqne  persona  qnippiam   ex  einsdem  mona- 

sterii   pertinentia    snbtrahere    andeat   nel  aliqna ^, 

sei  potins  firma  stabilitate  omnibns  diebns**^  nit^  tn^  nit^qne  snc- 
cessornm  diebns,  nt  snpra  iam  fatnm*>  est,  snb  monastica  disciplina 
tenere  regere  et  gnbernare  atqne  inibi  manere*'^  sednlasqne  deo 
landes  referre  decernimns.  Si  qnis  antem  temerario  ansn  contra 
hnnc  nostmm  apostolicnm  [prinileginm  pie  a  nobis  promnlgatnm 
in  aliqno  agere]')  temptanerit ,  sciat  se  domini  nostri^'  et  beati 
Petri  apostolomm  prindpis,  cnins  nices  gerimns,  anathematis  in«* 
cnrrisse  censnras  '^  et  cnm  diabolo  et  eins  atrocissimis  pompis  [at- 
qne  cnm  Inda  traditore  domini  dei  et  salnatoris  nostri  lesn  Christi 
in  etemnm  ignem  concremandnm  simnlqne  et  in  voraginem]  tar- 
tareosqne")  chaos  demersnm^^  cnm  impiis  deficiat.  Qni  nero  pio 
intnitu  cnstos  et  obsernator  hnins  nostr^  pr^ceptionis  extiterit, 
benedictionis  gratiam  a  Christo  lesn  domino  nostro  asseqni  merea- 
tnr.  Post  nero  trinm  abbatnm  obitnm  memoratnm  monasterinm  in 
integrum  cnm  omnibns  sibi  pertinentibns^,  sicnti  faerit  restanra- 
tnm  atqne  melioratnm,  ad  ins  sancte  nostr§  Aoman^  ecclesi^  modis 
omnibns  renertatnr. 

Scriptnm  per  mannsLeonis  scriniarii  [sancte  Romane  ecdesie, 
in  mense  nonembrio]  ac  indictione  tertiadedma. 

Dat.  XI.  kalendas  decembris  per  manns  Yidonis'^  episcopi  et 
bibliothecarü 

Bene  valete. 


p)  annoB  fehU  in  A.  q)  aactoritate  apostolica  fehü  in  B,  r)  sabscrip- 
tarn  ecclesiam  A\  in  neatra  sumpta  ecciesia  B,  s)  nel  B,  t)  aUqo.  .  .  .  . 
...  27.  u)  diebos  fehU  in  A,  v)  phal  .  .  .  ,  B.  w)  remanere  B. 

x)  apotlolicom tentaaerit  A  (temptaaerit  B)\  ith  ergänxt  die  Lüdet 

nadk  dir  JFbrmeJ.  y)  nostri  fehlt  in  A,        m)  anathematis  nlDcnlo B. 

a)  pompis tartaroosque  A;  pompis chaos  B.         b)  domor- 

ras  B.         e)  com  omni  sna  pertinentia  B.         d)  Unitonis  B. 


374  P.  Kehr. 


3. 

St^han  IX.  bestätigt  dem  Kloster  San  Sepolcro  unter  dem  Abt 
Fdix  nach  dem  Vorgänge  Leos  IX,  die  namentlich  aufgeführten  J?e- 
siteungen  und  verleiht  ihm  das  Marktrecht. 

Copie  saec.  XI  ex.  — XII  in.  Borgo  San  Sepolcro  Ärchivio  deUa 
curia  vescovile  (Codid  antichi.  Privilegi  concessi  cdla  terra  del  Borgo 
1022—1519).  —  Ebenda  Copie  von  1540  und  Copie  saec.  XVIII  (Dc- 
creti.  Bolle). 

STEPHANVS  EPISCOPVS  SERWS  SEßVORVM  DEI.  Dilecto 
in  Christo  filio  Felici  abbati  monasterii ''^  sancti  Sepalchri  nobis 
nestrisque  etiam  snccessoribns  imperpetnum.  Conaenit  apostolico 
moderamini  pia  religione  pollentibns  beniaola  compassione  saccnr- 
rere  et  poscentinm  animis  alacri  deaotione  impertiri  assensnm^^: 
ex  hoc  enim  lacri  potissimmn  premiom  a  conditore  omniam  de- 
mino  uenia^)  promeremur,  si  nenerabilia  sanctorom  loca  oportune 
ordinata  ad  meliorem  fuerint  sine  dubio  statum  *  perducta.  Postu- 
lastis  igitnr  a  nobiS;  at  terram  inferias  scriptam,  qoam  predecessor 
noster  dominus  Leo  nonus  papa  bon^  memoria  per  suom  pontifi- 
cale  priuilegium  uobis  concessit  atque  confirmauit  ^) ,  uobis  conce- 
deremus  atque  confirmaremus ').  Inc]inati  prQcibns  uestris  per 
huius  nostri  priuilegii  paginam  concedimus  et  confirmamus  uobis 
curtem  in  integrum  que-^^  uocatur  Constantiorum  et  terram  qne-^^ 
uocatur  Sarganina,  cum  terris  cultis  et  incultis  cum  omnibus  illo- 
rum  pertinentiis.  Confirmamus  autem  et  ecclesiam  sancti  Martini 
cum  curte  de  Farnetu  que-^^  Uinciano  uocatur  sita  Figlinol^  cum 
omnibus  terris  ad  ipsam  pertinentibus.  Simul  etiam  concedimus 
terram  de  Rignanello'^  et  terram  que-^>  uocatur  Campus  domnicus 
et  campo  de  Puzzo  et  terram  que^^  dicitur  Flauelle,  terram  que^' 
uocatur  Balzorium,  cellam  etiam  qu^  est  sanctQ  Agnetis  sita  Peru- 
siae  comitatu.  Similiter  autem  confirmamus  et  ecclesiam  sancti 
Angeli  sita  Rösciani  cum  alia  ecclesia  sancti  Donati  sita  in  Mor- 
tanula  et  ecclesiam  sancti  Benedicti  in  comitatu  Feretrano  sita 
Miratorum.    H^c  omnia,  sicuti  in  predictum  priuilegium  a  prefato 


a)  moDMterio.  b)  aseoeu.  c)  staU  procal  dubio  ?  d)  sUto. 

e)  coi^rmaremur.         f)  qui.        g)  ursprüngU^  Bigoarello. 


1)  Die  Urkunde  Leos  IX.  itt  nicht  erhalten. 


Papstarkonden  in  ümbrien.  875 

donmo  Leone  predecessore  nostro  bon^  memoriae  aobis  factnin 
continetnr ,  com  omnibas  decimis  aestromm  omniiun  prediomm 
absqne  olla  ambignitate  concessis  iuris  sanct^  Romano  ecclesi^,  cni 
deo  anctore  desernimns  *\  Interponimas  antem  bis  omnibns  as- 
scriptis  et  asignamns  et  stabiliter  censemus  mercatnm  ipsios  ab- 
bati^  aobis  ad  tenendnm  amissa  preceptione  concedere  et  confir- 
mare  nobis  a  presenti  ^  indictione  perpetois  temporibas,  sicut  su- 
perios^^  legitar.  Stataentes  apostolica  censnra  sab  diaini  iudicii 
obtestationibas  et  anathematis  interdictionibus,  at  nallus  ^  amqaam 
nostrorom  successoram  pontificain  ael  alia  magna  paraaque  per- 
sona caiuscamqae  sit  dignitatis  ael  'ordinis  contra  banc  nostram 
apostolicom  priailegiam  uenire  ael  insargere  aadeat,  ita  sane  at 
a  aobis  singalis  qaibasqae  indictionibas  pensionis  nomine  sanct^ 
Roman^  eccle8i§  dao"*)  aari  solid(i)  difficaltate  postposita  persolaan- 
tar'*^  Si  qais  autem,  qaod  non  optamas,  temerario  aasa  contra 
banc  nostram  apostolicam  priailegiam  aenire  tentaaerit,  sdat  se 
maledictam  et  excommanicatam  et  anathematizatam^)  et  a  regno 
dei  alienatam,  socias  sit  ladq  traditoris  domini  nostri  lesa  Christi 
et  com  diabolo  sociisque  sais  ^temom  gemat  sappliciam  et  insaper 
compositaras  existat  aari  optimi  mancasos^^  dacentos,  medietatem 
sacro  nostro  palatio  et  medietatem  ad  predictam  monasteriam. 
Qai  aero  pio  intaita  custos  et  obseraator  extiterit,  omni  benedic- 
tione  repleatar  particepsqae  sit  beati  Petri  regni  celoram  claai- 
geri  atqae  cam  omnibas  domini  sanctis. 


h)  hier  fMi  toM  confirmamiu  o.  ä.        i)  Lücke  für  die  ZM.       k)  saper. 
I)  uttllL         m)  duos.         n)  peraoluaior.         o)  AaaÜiemalixAta.         p)  mancos. 


3. 

Gregor  VIL  nimmt  die  Kanoniker  von  Cütä  dt  CasteUo  in  den 
apostolischen  Schutg. 

Lateran  1079  FAruar  19. 

Orig.  Cütä  dt  Castello  Archivio  capttdare  (Dee.  I  Nr.  4).  — 
Copie  von  1752  ebenda.  Nach  dieser  Abschrift  auch  Paulucci  Monu- 
menta  vetusta  p.  1  ebenda. 

Vgl  J'L.  5110.  Das  Original  hat  durch  Feuehtigleit  stark 
gelitten.  Daher  haben  es  Certini  und  Mußi  Uoß  erwähnt.  Oe* 
schrieben  ist  der  Kontext  in  der  üblichen  gregorianischen  Curiate 
von  dem  Ingrossator^  den  wir  «.  A.  aus  J^L.  5015.  5014.  5160 


376  P.  Kehr, 

kennen.  In  der  großen  Rota,  die  eiemlich  mitten  unter  dem  Text 
steht,  lesen  wir  von  der  Gregorhand  die  übliche  Devise  Misera- 
tiones  |  tu[e  domine]  |  super  omnia  |  opera  [tua]  |.  Datierung  van 
Petrus.  Die  jetet  verlorene  Bulle  war  durch  drei  Löcher  im  Bug 
befestigt 

6RE60RIVS  episcopus  seruus  seruorum  dei.    Dilecto  in  Christo 

f[ilio pr^posito  et]^)  canonicae  sancti  Floridi  in   matricae 

ecclesia  Castellani  epi8copa[tus]  |  c^terisque  canonicia  canonicae  uic- 
turia  salntem  in  Christo  lesu.  Ex  con8ider[ationo  apostolicaje 

sedis,  cni  licet  indigni  deseruimus,  sie  omnium  ecclesiaram  atili« 
tati  I  conipell[imu]r  prouidere,  ut  iura  earum  inl^aa  sementur  et 
legales  constitutiones  a  nnllo  infringi  permittamus.  Et  ideo  peti- 
tionibus  uestris  condescen|dentes,  sab  tutela  et  defensione  sanctae 
Romano  ecclesiae  quicqnid  canonicae  inre  ^'  a  Christ[i  fijdelibus  ioste 
et  legaliter  sunt  coUata  uel  deinceps  conferenda,  salua  |  in  omnibus 
proprii  episcopi  debita  reuerentia,  sascipientes  apostolica  protec- 
tione  m[anima8],  statuentes  nuUam  regnm  uel  imperatorum  anti- 
stitum,  nuUum  quacunque  dignitate  preditum  |  uel  qaenquam  alium 
andere  de  his  quae  eidem  uenerabili  loco  a  quibuslibet  [hominibjus 
de  proprio  iure  iam  donata  sunt  uel  in  futurum  deo  miserante 
collata  fuerint,  sub  cuius|libet  [causae  oocasioni]sae  specie  minaere 
uel  auferre  et  siue  suis  usibus  applicare  uel  aliis  [quajsi  piis  de 
causis  pro  suae  auaritiae  excusatione  concedere,  sed  |  cuncta  quae 
ibi  oblata  sunt  uel  oiFerri  contigerit,  perenni  tempore  illibata  et 
sine  inquietudine  uolumus  possideri,  eorum  quidem  usibus,  pro 
quorum  sustentatione  guber|nationeque  concessa  sunt,  modis  Omni- 
bus profutura.  Hec  igitur  omnia  quae  huius  precepti  decretique 
nostri  pagina  continet,  in  perpetuum  seruanda  decemimus.  |  Si  quis 
uero  regum  imperatorum  marchionum  ducum  comitum  antistitum 
sacerdotum  dericorum  iudicum  ac  secularium  personarum  banc 
constitntionis  nostrQ  paginam  |  agnoscens  contra  eam  temerario 
ausa  uenire  temptanerit,  potestatis  honoris  ^>  ammonitus  semel  et 
iterum  usque  tertio  per  conuenientes  indutias,  |  si  non  resipuerit 
atque  predictae  ecclesiae  non  satisfecerit ,  potestatis  honorisque 
8ui  dignitate  careat  reumqne  se  diuino  iudicio  existere  de  perpe- 
trata  |  iniquitate  cognoscat  et,  nisi  ea  quae  ab  illo  sunt  male 
ablata,  restituerit  uel  [digna]  penitentia  illicite  acta  deSeuerit,  a 
sacratissimo  corpore  ac  |  sanguine  domini  redemptoris  nostri  lesu 


a)  CerHni,  der  die  erste  Zeile  notirt  hat,  hu  filiis  preposito  et.    Jedenfaüs 
aber  stand  nach  filio  noch  der  Name  des  Propstes  da.  b)  statt  oestra? 

^)  so  Orig.,  der  Schreiber  geriet  in  eine  falsche  Zeiie. 


Papttarkandan  in  Umbrien.  377 

Christi  alienoB  fiat  atqae  in  etemo  examine  [districtae  ultloni] 
Bubiaceat.  Conctis  autem  eidem  loco  iasta  serlaantibas  sit  pax 
domini  nostri  lesa  Christi,  qaatenas  et  hie  fmctam  bonae  actionis 
[peroipiant  et  apad]  districtom  iudicem  premia.^tern^  pacis  inueniant. 

R. 

Datnm  Lateranis  XI.  kal.  martii,  per  manus  Petri  sanct^  Ro- 
man^ ecclesi^  presbiteri  cardinalis  ac  bibliothecarii,  anno  VI.  pon- 
tificatas  domni  VJi.  Gregorii  pape,  indictione  II. 

B.  dep. 

4. 

Paschal  IL  nimmt   das  Kloster  San  Sq)olcro  in  Noileti  in  der 

Grafschaft   Castrum  Felicitatis    (Citta  di   CcLSteUo)    unter    dem  Abt 

Oerard  in  den  apostolischen  Schtäz^  bestätigt  ihm  die  Besiteungen  und 

Güter  in  namenüicher  Auf  Mahlung  ^   das  Taufrechi^   das  Marktrecht^ 

die  Zehnten  und  die  Immunität, 

Lateran  1106  Januar  18. 

Copie  von  1540  im  Ms.  üodici  antichi.  Privilegi  concessi  alla 
terra  del  Borgo  1022—1519  f.  9'  Borgo  San  Sepclcro  Archivio  della 
curia  vescovüe. 

Der  Text  ist  sehr  sddecht. 

Paschalis  episcopus  seruns  semoram  dei.  Dilecto  filio  Oiraldo 
abbati  monasterii  sancti  Sepulchri  qnod  sitnm  est  in  loco  Noileti 
in  comitata  castri  Felicitatis  eiusque  successoribus  regulariter  pro* 
moaendis  imperpetaom.  Ad  hoc  in  apostolice  sedis   regimen 

domino  disponente  promoti  conspicimor,  uf  ipso  prestante^^  reli* 
gionem'^  angere  et  eins  serais  tuitionem^  debeamus  impendere.  Tuis 
igitor,  dilecte  in  domino  fili'^  abbas  Gerarde,  iustis  petitionibns 
annoentes,  sancti  Sepnlchri  monasterinm,  cni  deo  auctore  presides, 
sab  tutela  et  protectione  apostolice  sedis  confonemns  et  contra 
pranomm  hominam  neqoitiam  aactoritatis  eins  prinilegio  commnni- 
mns^>.  Per  presentis^^  igitur  decreti  paginam*>  apostolica  anctoritate 
statoimus  '^,  ot  qnecnmqae  hodie  idem  cenobiom  iaste  possidet  sine 
in  fntamm  concessione  pontificum,  liberalitate  principom  nel  obla«* 
tione  fidelium  iaste  atqae  canonice  poterit  ^^  adipisci,  firma  tibi  tois- 
qae  anocessoribas  ac  illibata  permaneant.  In  qnibas  hec  proprüs 
dnzimas''  aocabalis  exprimenda:  ecclesia  sancti  Leonis  ioxta  bar« 


a)  et  b)  proponente.         e)  reUgionis.  d)  rationes?  e)  filiL 

f)  oomMmilnis.  g)  propterea.         h)  pagina.  %)  oonaemare  pataninns. 

k)  posset        0  enraront 


378  P.  Kehr, 

gam  eiusdem  monasterii ,  ecclesia  sancti  Christophori  et  ecdesia 
sancti  Stephan!  et  ecclesia  sancti  Ange]i  et  ecclesia  sancte  Flore 
et  ecclesia  sancti  Paterniani  et  ecclesia  sancti  Martini  cum  carte 
Fliginule  et  ecclesia  sancti  Thome  et  ecclesia  sancti  Hilarii  et 
curtis  Pagauine  Vrinanell(e)  et  Campus  dominicus  et  Balioriura  et 
Flabellum  Micholum  et  curtis  de'"^  Pistulo  et  Ariele  et  ecclesia 
sancti  Petri  sita  in  Fesulis,  in  comitatu  Perusino  ecclesia  sancte 
Agnetis  cum  curte  sua  et  ecclesia  sancti  Donati  cum  suis  perti- 
nentiis,  in  comitatu  Asisiensi  ecclesia  sancti  Angeli  et  sancti  Cliri- 
stophori  cum  molendinis  ac  diuersis  apenditiis  suis.  Preterea 
quieti  ac  libertati  uestre  congregationis  per  domini  gratiam  pro- 
uidentes,  in  burgo  uestri  monasterii  baptismum  solemniter  ex  apo- 
stolica  sedis  benignitate  concedimus,  salua  in  ceteris  Tifornensis 
episcopi  reuerentia.  Mercatum  quoque  ipsius  burgi  illesum  atqae 
ab  omni  perturbatione  securum  modis  omnibus  instituimus  ac  euntcs 
et  redeuntes  sine  uUa  molestia  uel  ui  esse  precipimus  et  alibi 
aliud  mercatum  ad  damnum  ipsius  monasterii  interdicimus.  Deci- 
mas  autem  ex  monasterii  prediis,  sicut  predecessorum  nostrorum 
concessionibus  possidetis,  nos  quoque  tam  nobis  quam  uestris  suc- 
cessoribus  possidendas  pro  obseruanda  religione  concedimus.  Om- 
nes  preterea  libertates  siue  immunitates,  que  ipsi  cenobio  per 
auctenticapriuilegia  collatacognoscuntur"\  nos  quoque  decreti  pre- 
sentis  pagina  confirmamns.  Si  qua  igitur  in  futurum  ecclesiastica 
secularisue  persona  hanc  nostre  constitutionis  paginam  sciens  contra 
eam*^  temere  uenire  temptauerit,  secundo  tertioue  commonita,  si  non 
satisfactione  congrua  emendauerit,  potestatis  bonorisque  sui  digni- 
tate  careat  reamque  se  diuino  iuditio  existere  de  perpetrata  ini- 
quitate  cognoscat  et  a  sacratissimo  corpore  ac  sanguine  dei  et 
domini  redemptoris  nostri  lesu  Christi  aliena  fiat  atque'')  in  ex- 
tremo  examine  districte  ultioni  subiaceat.  Cunctis  autem  eidem 
loco  iusta  seruantibus  sit  pax  domni  nostri  lesu  Christi,  quatenus 
et  hie  bone  actionis  fructum  percipiant  et  apud  districtum  iudicem 
premia  eterne  pacis  inueniant. 
Scriptum  per  manam  Bonihominis  scriniarii  sacri  palatii^l 

Ego  Paschalis  catholice  ecclesie  episcopus  ss.**^ 

Datum  Laterani  per  manum  lohannis  sancte  Romane  ecclesie 
diaconi  cardinalis  ac  bibliothecarii,  XV.  kalen.  febmarii,  indictione 
XTTTT,  incamationis  dominice  millesimo  centesimo  sexto,  pontifi* 
catus  autem  domini  Paschalis  secundi  pape  anno  septimo. 

m)  et.        n)  cognoscitnr.  o)  eas.         p)  atqae  fehlt,  q)  rosim  (?) 

Hau  scriniarii  aacri  palatii,  wU  in  J-L,  6612,  r)  m  fMt, 


Papstarkunden  in  Umbrien.  379 

6. 

Paschäl  IL  stellt  die  verbrannte  Titel-Kirche  SS.  Quatuor  Coro- 
natarum  in  der  Stadt  Rom  wieder  her,  errichtet  in  ihr  ein  Kloster 
und  vereinigt  mit  ihr  das  Kloster  S.  Maria  in  Michaele. 

Trastevere  1116  Mai  24. 

Cqpie  saee.  XIV  Spoleto  Ärchivio  ardvescovile  {Sassovivo  Fase. 
Nr.  lOT). 

Den  lÄebhahem  der  mittelalterlichen  Geschichte  der  Stadt 
Rom  wird  diese  Urkunde  nicht  unwillkommen  sein.  Die  Copie 
ist  nicht  fehlerfrei  und  die  Cardinalsunterschriften  bietet  sie  in 
verworrener  Ordnung.  Diese  und  orthographische  Varianten  sind 
hier  stillschweigend  verbessert. 

Paschalis  episcopus  seruus  seraomm  dei.  Tarn  presentibas  quam 
futaris  ecclesie  filiis  in  perpetaum«  Multas  in  Romana  arbe 
celebres  qaondam  ecdesias  seu  monasteria  daruisse,  scriptorum 
ueteram  monimenta  declarunt"),  ex  qaibas  quedam  omnino  perie- 
ronti  quedam  opido  diminuta  sunt  Nostris  sane  temporibns  sane- 
tomm  Quattuor  Coronatorum  ecclesiam^^  tituli  nomine  insignem 
igne  consumptam^)  nouimus  et  res  ad  eam  pertinentes  multa  bei- 
lorum  diutornitate  pessundatas.  Sed  cum  indignum  ualde  uidere- 
tnr,  nt  tot  sanctorum  corpora,  que  eadem  fuerant  ecclesia  tumulata, 
per  tanta  temporis  interstitia  congruis  carerent  officiis,  diuina 
inspiratione  excitati^',  ecclesiam  ipsam  licet  minoribus  spatiis  re- 
parare  et  sanctorum  multorum  illic  innenta  corpora  congruenter 
coperire  curauimus.  Et  quia  locus  idem  habitatoribus  circumquaque 
pereuntibus  uersus  in  solitudinem  faerat,  oportunum  daximus  ad 
cotidiana  sanctorum  exequia  peragenda  monachorum  illic  congre- 
gationem  domino  prestante  statuere.  Quorum  subsidiis  prouiden- 
tes,  beate  Marie  que  in  Michaele  dicitur  ecclesiam,  que  monacho* 
rum  quondam  habitaculum  fuerat,  supradicte  sanctorum  Coronatorum 
ecclesie  copulare  et  cum  omnibus  eins  pertinentiis  unire  decreui- 
mus.  Hanc  itaque  ipsarum  unionem  fratrum  nostrorum  consensu 
et  decreti  presentis  pagina  confirmamus  et  firmam  perpetuo  per- 
manere  sancimus.  Omnes  enim  fundos  possessiones  seu  ceteras 
res  ad  prefatam  beate  Marie  ecclesiam  pertinentes  sub  illius  pro« 
uisione  ac  dispositione  persistero  deliberamus,  quem  apud  sanc* 
torum  Coronatorum  cenobium  in^  abbatem  preesse  contigerit,  ut 
unum  deinceps   ex   utrisqne   cenobium  fiat  et  monaohomm  apud 

a)  daelarint         6)  ocdosia.         e)  coosomptam.         d)  «xciil       dd)  sie. 


880  P.  Kehr, 

prefatam  titalam  permanentium  asibas  omnium  possessionum  illamm 
fractus  redditnsque  proficiant  nee  nlli  deinceps  liceat  predictarom 
ecdesiamm  sine  remm  diremptionem  facere,  sed  omnia,  nt  pre- 
diximus,  indiaposita  coniunctione  et  unitate  sementnr'^  Si  quis 
autem  decreti  huins  tenore  cognito  temere,  qaod  absit,  contraire 
temptauerit,  honoris  et  officii  sui  pericnlum  patiatnr  aut  exconin- 
nicationis  ultione  plectatnr,  nisi  presumptionem  snam  digna  satis- 
factione  correxerit.  Qae  omnia  ut  perpetuam  firmitatem  semper 
obtineant,  presentis  constitutionis  paginam  nostra-^  et  fratrnm 
nostrorum  episcopornm  sen  cardinaliam  presbiterornm  et  dyaco- 
norum^)  snbscriptionibns  roboramns. 

B.    Ego  Faschalis  catholice  ecclesie  episcopns  ss.   BV. 
f  Ego  Crescentins  Sabinensis  episcopns  ss. 
f  Ego  Petrus  Portnensis  episcopns  ss. 
f  Ego  Cono  Prenestrinns*)  episcopns  interfui  et  ss. 

f  Ego  lohannes  cardinalis  sancte  Cecilie  interfni  et  ss. 

f  Ego  Corradus  hnmilis  de  titnlo  Pastoris  presbiter  ss. 

f  Ego  Desiderins  cardinalis  sancte  Praxedis  ss. 

f  Ego  Bonifatins  cardinalis  titnli  sancti  Marci  interfni  et  subscripsi. 

f  Ego  Densdedit  cardinalis  sancti  Lanrentii  in  Damaso  landaui  et  ss. 

f  Ego  Vitalis  cardinalis  titnli  sancte  Balbine  laudani  et  snbscripsi. 

f  Ego  lohannes  cardinalis  titnli  sancti  Ensebii  landaui  et  subscripsi. 

f  Ego  Benedictus  cardinalis  titnli  Endoxie  ss. 

fEgo  Theobaldns  cardinalis  titnli  Pamachii^  ss. 

fEgo  Raynerins  cardinalis  titnli  sanctornm^^  Marcellini  etPetri  ss. 

fEgo  Boso  cardinalis  sancte  Anastasie  interfni  et  subscripsi''. 

fEgo  Petms  cardinalis  dyaconns  sancti  Adriani  lan- 
daui et  SS. 

fEgo  Gregorins"*)  cardinalis  dyaconns  sancti  Angeli 

landaui  et  subscripsi. 

fEgo  lohannes  dyaconns  cardinalis  sancte  Lncie  lan- 
daui et  snbscripsi. 

fEgo  Petms    cardinalis   dyaconns   sanctomm  Cosme 

et  Damiani  landaui  et  ss. 

Dat.  apud  Transtiberim  per  mannm  lohannis  sancte  Romane 
ecdeaie  dyaconi  cardinalis  ac  bibliothecarii ,  IX.  kal.  ionii,  indic- 
tione  IX,  incamationis  dominice  anno  M^.  C^.  XYI*  *'^  pontificatna 
autem  domni  Paschalis  secnndi  pape  anno  XYII. 

e)  semetor.  f)  nostram.  g)  dycononun.  h)  Penestrinns. 

i)  PabachiL  k)  sanctL  l)  scripti  m.  m)  QO.  n)  M.*C*.yP. 


Papstorkiinden  in  Umbrien.  381 

6. 

Innocenjs  IL  nimmt  die  Kirche  8.  Felician  in  Foligno  unter  dem 
Prior  Guido  in  den  apostolisclhen  Schute  und  bestätigt  ihr  die  von  dein 
Bischof  Heinrich  von  Foligno  und  Ändern  gescJienkten  Besitzungen. 

Lateran 

Abschrift  von  L.  Jacobilli  in  Copie  dei  brevi  privüegi  et  istromenti 
spettanti  alla  canonica  di  Foligno  etc.  f.  89,  Ms.  saec.  XVII  Foligno 
Biblioteca  del  Seminario  (A.  V.  7). 

Jacobilli* s  Text  ist  so  schlecht^  daß  Klinkenborg  an  eine 
Fälschung  eu  denken  geneigt  war.  Auch  hat  Jacobilli  selbst  nach 
der  Uchcr Schrift  Copia  alii  priuilegii  pape  fnnocentii  3.  in  can- 
cellaria  episcopatas  Fulginensis  sie  für  eine  Urkunde  Inno- 
cenz^  IIL  gehalten ,  was  Ughelli  I  689  übernommen  hat.  Aber 
die  Fassung  der  Urkunde  ist  unstceifelhaft  die  einer  echten  Inno- 
cenz*  IL  Die  Cardinalsunterschriften  sind  freilich  verfälscht  worden 
und  die  Datierung  ist  ganz  verdorben.  Da  des  Cardinais  Gri- 
aogonus  von  8.  Maria  in  Partien  Nachfolger  schon  1139  IV  22 
erscheint^  muß  die  Urkunde  aus  der  vorJiergehenden  Zeit  stammen, 
nicht  ctber  aus  dem  Jahre  1140. 

Innocentiua  episcopus  seruas  seruorum  dei.  Dilectis  filiis 
Gaidoni  priori  eccleai^  sancti  Feliciani  Folginensis  eiusque  fratri- 
bus  tarn  pr^sentibus  quam  faturis  canonice  snbstitaendis  in  perpe« 
tuom.  Ad  hoc  in  eminenti  apostolicf  sedis  apecula  disponente  do« 
mino  constituti  esse  conspicimur  ^\  ut  ^^  ecclesiamm  quieti  salubriter 
pronidere  curemus^)  et  filiorum  nostroram  iostis  desideriis  gratum 
debeamus  impertiri  assensum.  Proinde"^,  dilecte'^  in  domino  fili 
Guido  preposite-^,  tuis  rationabilibns  postulationibus  ac  fratrum 
taomm  deuotioni^)  dementer  annaimas  et^^  ecclesiam,  in  qua*)  do- 
mino inspirante  canonicam  uitam  professi  estis'^,  apostolic§  sedis 
priuilegio '^  communimus.  Statuimus  enim'"\  ut  quaseunque  pos- 
sessiones  quecunque  bona  a  recolende  memorie")  Enrico  Fulginensi 
episcopo  seu  ab  antecessoribus  *)  suis  aut  ab  aliis  dei  fidelibus 
eidem  ecdesiQ  iuste  et  canonice  [coUata]'^  inpresentiarum  legitime 
possidetis  *),  uobis  nestrisque  successoribos  integra  et  illibata  per- 
maneant.     Quecunque  pr^terea  in  futurum  concessione  pontificum, 


a)  coDtpidmoB.  b)  et  c)  iaremas.  d)  perinde.  e)  dflecto. 

f)  filio  Guitoni  preponente.      g)  deaotioDe.       h)  annaimiu 0  4^  ^* 

k)  profetnu.  I)  privilegiam.  m)  statt  sUtuentes?  n)  recolenda 

memoria.        o)  intercessoribus.       ji)  canonice aliquamqae.        q)  potsidet 

KfL  Q«.  4.  Win.   VMhikkiML   FkitelH^^M«.  KltM.  MM.   B«A  9,  26 


382  P.  Kehr, 

largitione  regum  uel  principum,  [oblatione  fidel]iam  seu  aliis  ratio- 
nabilibus  modis  pr^stante  domino  poteritis*')  adipisci,  fiima  et  .  .  . 
conseruentur,  salua  nimirum  Fulginensis  episcopi  iustitia  et  reue- 
rentia.  NuUi  ergo  omnino  hominum  liceat  uestram  ecclesiam  temere 
perturbare  aut  eins  possessiones  auferre  uel  ablatas  retinere  [mi- 
nnere]')  aut  aliqnibus  uexationibus  fatigare,  sed  omnia  integra 
conseruentur  uestris  ac  pauperum  usibus  omnimodis  profutura. 
Si  qua  igitur  in  posternm  ccclcsiastica  secularisue  persona  hanc 
nostr^  constitutionis  paginam  sciens  contra  eam  temere  uenire 
temtanerit,  secundo  tertioue  commonita,  si  non  congrae  satisfeeerit, 
potestatis  bonorisque  sui  dignitate  careat  reamque  se  diuino  iudicio 
existere  de  perpetrata  inquitate  cognoseat  et  a  sacratissimo  cor- 
pore ac  sangaine  domini  et  dei  nostri  lesa  Christi  aliena  fiat 
atque  in  extremo  examine  districte  ultioni  subiaceat.  Canctis  au- 
tem  eidem  loco  sua  iura  seruantibus  sit  pax  domini  nostri  lesu 
Christi,  quatenus  et  hie  fructum  bone  actionis  percipiant'>  et  apud 
districtum  iudicem  premia  ^tern^  pacis  inueniant.  Amen.  Amen. 
Amen. 

Ego  Innocentius  catholice  ecclesi^  episcopus  ss. 
f  Ego  Corradus  Sabinensis  episcopus  ss. 

f  Ego  Petrus  presbiter  cardinalis  tituli  sancte  Susann^  ss.**) 

f  Ego  Lucas  presbiter   cardinalis    [tituli]    sanctorum   lohannis    et 

Pauli  SS. 

f  Ego  Martinus  ^^  presbiter  cardinalis  tituli  sancti  Stephani  [in  Celio 

monte]  ss. 

f  Ego  Anseimus  presbiter  cardinalis  tituli  sancti  [Laurentii  in]  Lu- 
cina ••^   SS. 

fEgo   Oddo   diaconus   cardinalis    sancti   Georgii   ad 

Yelum  aureum  ss. 
fEgo   Grisogonus    diaconus   cardinalis  sancte   Mari$ 

in  Porticu  ss. 
fEgo  Octauianus'^  diaconus  cardinalis  sancti  Nicolai 

in  carcere  ss. 

Datum   Lateran,  y)   per  manum  Aimerici'^  diaconi  cardinalis  <*) 
sancte  Mari^  Noue,  S.  B.  E.  cancellarii*> 


r)  pr^teritis.  a)  retinere  ael Q  percipi&t  u)  card. 

8.  Sasann^  presbiter  lit.  tt.  ss.       v)  M&rinus  Cibo.       w)  s.  Locin^.        x)  OcU- 
uianus  Nari&Uis.  y)  Lateranen.         z)  Alaymerici.  a)  card.  tt.         6)  €8 

folgt  in  JacMUis  Capie  Innoceutii  IL  pape  anno  primom  dominioe  anno  1140. 


Papsturkunden  in  Umbrien.  383 


7. 


Innocenz  IL  nimmt  das  Kloster  S.  Stefano  de  GaUano  unter  detn 
Abt  Bercddus  in  den  apostolischen  Schutz  und  bestätigt  ihm  die  Be- 
sitzungen und  das  BegräbnißrecfU. 

Lateran  1143  März  16, 

Orig,  Spoleto  Arehivio  arcivescovUe  (Sassovivo  Nr.  1237). 

Die  Bulle  war  an  gelben  Seidenfäden  durch  ztcei  Jjocher  im 
Bug  befestigt.  Das  Privileg  Innocenz*  IL  wurde  bestätigt  durch 
Alexander  IIL  J-L.  12172  und  Lucius  III.j  s.  Nr.  16. 

INNOCENTIVS  EPISCOPVS  SERVVS  SERVORVM  DEL  DI- 
LECTIS  FILIIS  BERALDO  ABBATI  SANCTI  STEPHANI  DE  GAL- 
LANO  EIVSQVE  FRATRIBVS  TAM  PRESENTIBVS  QVAM  FVTV- 
RIS  REGVLAREM  VITAM  PROFESSIS  IN  PERPETWM.  |  Desi- 
derium  qnod  ad  religionis  propositum  et  animamra  salatem  per- 
tinere  monstratur,  animo  nos  decet  libenti  concedere  et  petentium 
desideriis  congruam  impertiri  suffragium.  Eapropter,  dilecti  |  in 
domino  filii,  uestris  iustis'^  postulaiionibus  dementer  annuimas  et 
prefatnm  monasterium,  in  quo  diuino  mancipati  estis  obsequio,  aub 
beati  Petri  et  nostra  protectione  suacipimus  et  |  presentis  acripti 
prinilegio  communimus.  Statnentes  ut  quascumque  possessiones 
quecumque  bona  idem  monasterium  inpresentiarum  iuste  et  cano- 
nice  possidet  ant  in  futurum  concessione  pontificnm,  |  largitione 
regum  uel  principnm,  oblatione  fidelium  seu  aliis  iastis  modis  deo 
propitio  potent  adipisci,  firma  uobis  nestrisque  snccessoribna  et 
illibata  permaneant.  In  quibus  h^c  propriis  dnximus  |  exprimenda 
nocabnlis,  ecclesiam  sancti  Petri  de  Serra  cum  possessionibos  suis, 
ecdesiam  sancti  lohannis  de  Talongue,  ecclesiam  sancti  Christofori, 
ecclesiam  sancti  Michaelis  deBotundalo  com  possessionibas  suis^M 
ecclesia  sanctQ  Mari^  de  Uilla  alua  et^)  ecclesia  sanct^  Mari^  de 
Afrile.  Sepnltaram  uero,  sicnt  idem  monasterium  usqne  ad  h^c 
tempora  iuste  habuisse  dinoscitur,  uobis  |  similiter  confirmamus. 
Decemimus  ergo,  ut  nulli  omnino  hominnm  liceat  prefatnm  mona- 
sterimn  temere  perturbare  aut  eins  possessiones  auferre  uel  ablatas 
retinere  minu|ere  seu  quibuslibet  uexationibus  fatigare,  sed  omnia 
integra  conseruentnr ,  eomm  pro  quorum  gubematione  et  snsten- 
tatione  concessa  sunt,  usibus  omnimodis  profutura,  |  salua  diocesani 
epiacopi  canonica  iusticia.     Si  qua  igitur  in  futurum  ecclesiastica 


a)  iuatris  Or.  h)  mit  folgender  Rasur,  wahrscheinlich  von  com ,  wobei 

dann  vergessen  wurde,  das  folgende  ecclesia  in  ecclesiam  zu  corrigiren. 

26* 


384  P.  Kehr, 

secularisue  persona  huius  nostre  constitutionis  paginam  sciens  | 
contra  eam  temere  uenire  temptauerit,  secundo  tertioue  commonita, 
si  non  satisfactione  congrua  emendauerit,  potestatis  honorisque 
sui  dignitate  careat  |  reamque  se  diuino  iudicio  existere  de  per- 
petrata  iniquitate  cognoseat^)  et  a  sacratissimo  corpore  ac  sangnine 
dei  et  domini  red[enipto]ris  nostri  lesu  Christi  aliena  fiat  atqae 
in  extremo  |  examine  districte  ultioni  subiaceat.  Canctis  autem 
eidem  loco  insta  seruantibus  sit  pax  domini  nostri  lesu  Christi, 
quatinns  et  hie  fnictum  |  bone  actionis  percipiant  et  apud  districtum 
iudicero  premia  §tern^  pacis  inueniant.    AMEN.   AMEN.    AMEN. 

R.   Ego  Innocentius  catholicQ  ecclesi^  episcopus  ss.   BV. 
fEgo  Conradas  Sabinensis  episcopus  ss. 
f  Ego  Albericus  Hostiensis  episcopus  ss. 

fEgo  Guido  sanctQ  Eomane  ecclesie  indignus  sacerdos  ss. 


fEgo  Thomas  presbiter  cardinalis  tituli  Vestine  ss. 

Dat.  Lat.  per  manum  6ERAKDI   sancte  Eomane  ecclesie  pres- 
biteri  cardinalis  ac  bibliothecarii,  XVII.  kal.  april.,  indictione  VI, 

0       0       0  0  , 

incamationis   dominice   anno  M.C.XL.II,   pontificatus   uero   domm 
INNocentii  II.  pape  anno  XIHI®. 

B.  dep. 


c)  g  cofT.  aus  n. 


8. 

Hadrian  IV.  nimmt  ä<is  Kloster  S*  Apollinaria  unter  dem  Trior 
Bernard  in  den  apostolischen  Schutz  und  bestätigt  ihm  den  namenüich 
aufgezählten  Besitz  und  das  Begräbnißrecht 

Lateran  1156  November  7. 

Orig.  Spoleto  Archivio  arcivescovile  {Sassovivo  Nr.  908).  —  Ebenda 
Cop.  von  1218  (Sassovivo  Nr.  147). 

B^ligiosam  uitam  eligentibus. 

Dat.  Lat.  per  manum  Rolandi  sancte  Eomane  ecclesie  presbi* 
teri  cardinalis  et  cancellarii,  VII.  id.  nouembr.,  indictione  V,  in- 
camationis dominice  anno  M^C^L^V^,  pontificatus  uero  donmi 
Adriani  pape  EDI.  anno  U. 

B.  dep. 

Cardinäle :  Ynwrus  von  Tusculum^  Cencius  von  Porto  und  S.  -Bm- 


Papstarkanden  in  ümbrien.  386 

fina,  Gregor  (GG.)  von  Sahina ;  Ouiilo  von  8.  Grisogono,  Manfred  tw* 
S.  Sabina^  Julius  von  S.  MarcellOj  Astaldus  von  S.  Frisca^  Gerard 
von  S.  Stefano;  Odo  von  S.  Criorgio  in  Velabro,  Guido  von  S.  Maria 
in  Farticuj  Jacinthus  von  S.  Maria  in  Cosmedin, 


9. 

Hadrian  IV.  nimud  das  Kloster  San  Sepolcro  in  Nudeto  in  der 
Grafschaft  Castrum  Felicitatis  (üittä  di  Castello)  unter  dem  Abt  Vgo 
in  den  apostolischen  Schutz^  bestätigt  ihn  die  Regel  von  Canialdoli,  die 
Besitzungen  und  Güter  in  namentlicher  AufgaMung^  das  Taufrecht, 
das  Marktrecht,  die  Zehnten  und  die  Immunität. 

Fereiüino  1157  October  7. 

Copie  von  1540  im  Ms.  Codici  antichi.  Frivilegi  concessi  aUa  terra 
del  Borgo  1022^1519  f.  10  Borgo  San  Sepolcro  Archivio  della  curia 
vescavile. 

Die  Urkunde  wiederholt  im  Ganzen  das  Frivileg  Faschals  IL 

{s.  Nr.  4). 

Quotiens  illad  a  nobis. 

Datum  Ferentini  per  manum  Alberti  sancti  Adriani  diaconi 
cardinalis  aicem  domini  R.  sancte  Komane  ecclesie  presbiteri  cardi- 
nalis  et  cancellarii  gerentis,  non.  octobris,  indictione  sexta,  anno 
M^  C*.  L^.YU^y  pontificatus  uero  domni  Adriani  pape  IUI.  anno  IIP. 

Cardinale:  Uubald  (Illibaldus)  vofi  S.  Frassede,  Julius  von  S. 
Marcello,  Uubald  (Albadas)  von  S.  Croce  in  Gerusalemme,  Ueinricfi 
vofi  SS.  Nereo  ed  Achileo;  Oddo  von  S.  Nicola  in  carcere  TuHiafio, 
Boso  von  SS.  Cosma  e  Damiano. 


10. 

Alexander  IIL  nimmt  das  Kloster  S.  Fetri  in  Bovaria  unter  dem 
Abt  Rainer  in  den  apostolischen  Schute,  bestätigt  ihm  die  Regd  des  h. 
Benedict^  die  namentlich  aufgeführten  Besitzungen  und  das  Aufnahme- 
recht  und  verleüU  ihm  das  Recfd  einen  Bischof  für  die  btschöflichen 
Functionen  zu  wählen^  das  Begrabniß-  und  Wahlrecht. 

Lateran  1178  Märe  23. 

Copie  des  Carlo  Baglioni  im  Ms.  C.  11  p.  24  Perugia  BMio- 
teca  amunale. 


386  P«  Kehr, 

Qnotiens  illnd  a  nobia. 

Dat.  Lat.  per  manum  Alberti  sancte  Eomane  ecclesie  cardina- 
lis  et  cancellarii,  X.  kal.  april.,  indictione  XI,  incarnationis  domi- 
nice  anno  MCLXXVII,  pontificatus  uero  domini  Alexandri  pape  HI. 
anno  XVini. 

Cardinäle:  Hubäld  van  Ostia;  Johannes  von  SS.  Giovanni  e  Paolo, 
Boso  von  S.  Pudenaianaj  Johannes  von  S.  Marco,  Petrus  von  Ä  Su- 
sanna,  Vtvianus  von  S.  Stefano  in  Celio  monte;  Jacinthus  von  8.  Maria 
in  Cosmedin^  Ardicio  von  S.  Teodoro^  Cinthiins  voti  5.  Ädriano,  Uugo 
von  S.  Angela,  Bainer  von  S.  GHorgio  in  Vdabro. 


U. 

Alexander  HL  nimmt  den  Presbiter  Petrus  und  die  von  ihm  wie- 
der  aufgebaute  und  ausgestattete  Kirche  S.  Petri  de  Aura  im  Bistum 
Cittä  di  Castella  in  den  apostolischen  Schutz. 

Anagni  (1159^79)  November  12. 

Orig.  Cittä  di  Castella  Archivia  capitolare  {Dec.  IV  Nr.  3).  — 
Danach  auch  bei  Pasei,  Serie  dei  proposti  p.  130  und  bei  Paulucci, 
Monumenta  väusta  p.  11  ebenda. 

Die  Bulle   hängt   an  rosa  Seidenfäden   durch  zwei  Melker 
im  Bug. 

ALEXANDER  episcopus  seruus  seruoram  dei.  Dilecto  filio 
Petro  presbitero  salutem  et  apostolicam  benedictionem.  |  Signi- 
ficasti  nobis,  quod  ecclesiam  sancti  Petri  de  Aaro  in  episcopatu 
Castellano  |  sitam  a  fundamento  redificasti  et  ei  possessiones  ali- 
quantalas  adqui|sisti.  Unde  a  nobis  postulastis  suppliciter  et 
deuote,  ut  tarn  tibi  |  quam  eidem  ecclesie  apostolice  tuitionis  pre- 
sidium  impertiremur.  Nos  |  igitur  deuotione  et  honestate  tua  pen- 
sata  precibas  tuis  |  duxinms  benignius  annuendum  et  tarn  te 
quam  ipsam  |  ecclesiam  cum  omnibus  que  inpresentiarum  legitime 
possidet  aut  |  in  futurum  iustis  modis  deo  propitio  poterit  adipisci,  | 
sub  beati  Petri  et  nostra  protectione  suscipimus  et  prejsentis  scripti 
patrocinio  communimus.  Statuentes  |  ut  nulli  omnino  hominum 
liceat  hanc  paginam  nostre  projtectionis  infringere  nel  ei  aliqua- 
tenus  contraire:  Si  quis  |  autem  hoc  attemptare  presumpserit,  in- 
dignationem  omnipotentis  |  dei  et  beatorum  Petri  et  Pauli  aposto- 
lorum  eins  se  nouerit  incursomm.    Dat.  |  Anagnie  U.  id.  nouembr.  | 

B. 


Papstnrkanden  in  Umbrien.  387 

12. 

Alexander  IIL  nimmt  fuxch  dem  Vorgange  Innocenz"  11.^  Cele- 
stins  IL,  Lucius*  IL.,  Eugens  IIL,  Änastasius'  IV.  und  Hadrians  IV. 
das  Hospital  in  Jerusalem  unter  dem  Magister  Roger  in  den  aposto- 
lischen Schute,  bestätigt  ihm  die  Besiteungen,  das  Recht  Oratorien  und 
Cimiterien  zu  errichten,  verleiht  ihm  Freiheit  vom  Interäict,  das  Recht 
einen  Bischof  für  die   bischöflichen  Leistungen   zu   wählen  und  das 

Wahlrecht. 

Velletri  1180  Januar  26{?). 

Copie  von  1270  Assisi  Archivio  capitolare. 

Die  Copie  ist  sehr  schlecht,  die  DaJtirung  nicht  ganz  in  Ord- 
nung.  Vgl.  auch  J-L.  13025,  mit  der  die  Urkunde  aber  nidit 
identisch  zu  sein  scheint. 

ChristiaDe  fidei  religio. 

Dat.  Velletr.  per  manam  Alberti  sancte  Eomane  ecclesie  prcs- 
biteri  cardinalis  et  cancellarii ,  VII.  kal.  (?)  febr. ,  indictione  XII, 
incamationis  dominice  anno  M^.C^LXX Villi,  pontificatus  uero 
domini  Alexandri  pape  III.  anno  XXI^. 

Cardinäle :  Hubaldus  von  Ostia,  Berneredus  von  Fdlestrina,  Theo- 
dinus  (Thome)  von  Porto  und  S.  Rufina;  Vivianus  von  S»  Stefano  in 
Celio  morde,  Cinthius  von  S.  Cecilia,  Hugo  von  S.  ClcmcfUe,  Mattheus 
von  S.  Marcdlo;  Jacinthus  von  S.  Maria  in  Cosmedin,  Rainer  von 
S.  Giorgio  in  Vdabro,  Gratian  von  SS,  Cosma  e  Damiano,  Johannes 
von  S.  Angdo,  M\attheus'\  von  S.  Maria  Nuova. 


13. 

Alexander  IIL  nimmt  das  Kloster  S.  Sepolcro  in  Nudeti  in  der 
Grafschaft  Castrum  Fdicitatis  {Cittä  di  Castdlo)  unter  dem  Abt  Phi- 
lipp nach  dem  Vorgang  Hadrians  I V.  in  dcti  apostolisdien  Schutz^  be- 
stätigt ihm  die  Regd  von  Camaldoli,  die  Besitzungen  und  Güter  in 
namentlicher  Aufzählung,  das  FarrochiaU  und  Tauf  recht,  das  Markt- 
recht,  das  Begröbnißrecht,  die  Zehnten  und  die  Immunität. 

Vdldri  1180  April  8. 

Copie  von  1542  im  Ms.  Codici  antichi.  Privilegi  concessi  alla 
terra  dd  Borge  1022—1519  f.  27  (A)  und  unvolhtändige  Copie  von 
1540  d>enda  f.  11  {B)  Borge  San  Sepolcro  Archivio  della  curia  vescovile. 

Im  Ganzen  wörtlich  nach  der  Urkunde  Hadrians  IV.  (s.  Nr.  9). 


388  P.  Kehr, 

Qaotiens  illud  a  nobis. 

Datum  Velletr.  per  inanum  Alberti  sancto  Romane  ecclesie 
presbiteri  cardinalis  et  cancellarii,  sexto  idus  aprilis,  indictione 
decima  tertia,  incarnationis  dominice  anno  millesimo  centesimo  sep- 
tuagesimo  octauo"),  pontificatus  uero  doraini  Alexandri  pape  tertii 
anno  uigesimo  primo. 

Cardinäle:  Hubdld  von  Osiia^  Theodinus  von  Porto  und  S,  Eufina^ 
Bcrneredus  (Birnardus)  von  Falestrina;  Viviau  von  S.  Stefano  in  Celio 
fnontCj  ^Cwihius  (Curtbius)  von  S.  Cecilia^  Mattheus  von  S.  MarccllOy 
Laborans  von  S.  Maria  in  Trastevere ;  Jacinthus  von  S.  Maria  in  Cos- 
mediny  Rainer  von  S,  Giorgio  in  Velabro,  Gratian  von  SS,  Cosma  e 
Damiano,  Rainer  von  S.  Ädriano^  Mattheus  von  S.  Maria  Nuova. 


a)  M»C»L»XXVim«  B. 


14. 

Lucius  111.  bestätigt  dem  Prior  B.  von  S.  Nicola  de  Sassovivo  in 

Temi  (Interann.)  die  von  dem  Bischof  T.  von  Spoleto  getroffene  Vir- 

fügung,  daß  in  der  Purrochie  dieser  Kirclie  keine  andere  Kirche  oder 

Bethaus  errichtet  werden  dürfe. 

Velldri  {1182)  August  18. 

Orig.  Spoleto  Archirio  arcivescovUe  {Sassovivo  s.  n.). 

Bulle  an  gelben  Seidenfäden  durch  zwei  Loclier  im  Bug. 

Intelleximus  ex  Utteris. 
Dat.  Velletr.  XV.  kal.  sept. 

B. 


15. 

Lucius  III.  nimmt  das  Kloster  S.  Angdo  de  Missiano  unter  dem 
Abt  Ranerius  in  den  apostoliscfien  Schutz ,  bestätigt  t/im  die  Regel  8. 
Benedicts^  die  namentlich  aufgeführten  Besttzungen,  das  Auffiahmerecht, 
die  SepuUur  und  das  Wahlrecht. 

Veroli  1184  April  14. 

Orig.  Spoleto  Archivio  arcivescavüe  {Sassovivo  Nr.  1098). 

Religiosam  aitam  eligentibus. 

Dat.  Verolis  per  manum  Alberti  sancte  Romane  ecclesie  pres- 
biteri cardinalis  et  cancellarii,  XVIII.  kal.  madii,  indictione  U,  in- 


Papstarknnden  in  Umbrien.  389 

carnationis  dominice  anno  M^C^.L^XXXIII1®,  pontificatns  uero  domni 
LUCII  pape  III.  anno  tertio. 

B.  dep. 

Cardinäle:  Theodinus  von  Porto  und  &  Rußna^  Heinrich  von  AI- 
banOj  Paulus  von  Pcdestrina;  Johannes  von  S.  Marco,  Loborans  von 
&  Maria  in  Trastevere,  Pandulf  von  SS.  Apostoli;  Jacinthus  von  S, 
Maria  in  Costnedin,  Gradian  von  SS.  Cosma  c  Damiano^  liobo  von  S. 
Angelo,  Octavian  von  SS.  Sergio  e  liaccOf  So  ff  red  von  S.  Maria  in 
Via  lata^  Albinus  von  S.  Maria  Nuova. 


16. 

Lucius  IIL  bestätigt  dem  Kloster  S.  Stefano  de  Gallano  gemäß 
seinen  Privilegien  das  vofi  einigeti  Laien  und  Klerikern  ftach  dem  Tode 
des  Abtes  B.  widerrechtlich  bestrittene  freie  WaldrecM. 

Copie  saec.  XIII  Spoleto  Arcfnvio  arcivescovile  {Sassovivo  Nr.U241). 

Gemeint  ist  unter  den  Privilegien  die  Bulle  Alexanders  III. 
J-L.  12172j  von  detn  auf  dem  gleichen  Pergamentblatt  eine  Copie 
steht,  und  die  Innoccnz*  IL  von  1143  Märe  16  (Nr.  7). 

Sicnt  ex  litterarum  uestrarum. 


17. 

ürban  IIL  nimmt  die  Kirche  8.  Prassede  in  Born  unier  dem 
Prior  Gualterus  in  den  apostolischen  Schute  und  bestätigt  ihr  die  be- 
reits von  Celestin  IL,  Lucius  IL^  Eugen  IIL,  Anastasius  IV.  und 
Alexander  IIL  confirmirten  Besiteungen. 

Verona  1186  Januar  SU. 

Copie  von  1360  Nami  Arehivio  capiiolare. 

Das  Notariatsinstrument  ist  stark  zerstört^  so  doji  u.  A.  auch 
ein  Theil  der  Cardinalsunterschriften  verloren  gegangen  ist.  Da  das 
Archiv  von  8.  Prassede  noch  erhalten  ist  {es  beginnt  mit  987, 
vgL  Kehr  in  Abhandl,  d.  Gesdlsch.  N.  F.  /  P) ,  so  werden  sich 
das  Original  dieser  Urkunde  und  vieUeieht  auch  die  Vorurkunden 
wohl  noch  in  Bom  auffinden  lassen. 

[Pie  postulatio  aolnntatis.] 

Dat.  Verone  per  manum  Transmundi  sancte  Romane  ecclesie 
notarii,  VI.  kal.  febr.,   indictione  qnarta,   incamationis  dominice 


390  P.  Kehr, 

anno  M^  CT/XXXV^   pontificatus  uero  domini  ÜBBANI  pape  m, 
anno  primo. 


18. 

Clemens  III,  ermahnt  die  Kanoniker  von  Perugia,  ihrem  Ärchi- 
presbiter  die  schuldige  Ohediens  zu  leisten  und  sich  der  gegen  sie  vor- 
gebrachten  Ddicte  eu  enthalten. 

Lateran  1188  Mai  6. 

Libro  verde  van  1574  foL  5  Perugia  Archivio  capitolare. 
Ueberschrift :  Has  literas  impetraait  dominus  Eugubinus  epi- 
scopus  tempore  sui  archipresbiteratas. 

Clemens  episcopus  seruns  sernomm  dei.  Dilectis  filiis  cano- 
nicis  Perusinis  salutem  et  apostolicam  benedictionem.  Cum  apo- 

stolus  moneat  subditos  prepositis  obedire  nee  celestis  patria,  quam 
primus  homo  per  inobedientie  delictum  amisit,  ualeat  nisi  per  obedien- 
tiam  obtineri,  procul  dubio  multum  expedire  dinoscitur,  ut  subditi 
prelatis  suis  obedientes  existant.  Sicut  antem  ad  audientiam  no- 
stram  peruenit,  licet  nuper  uos  dilecto  filio  nostro  arobipresbitero 
uestro  firmiter  promiseritis ,  quod  ei  obedientiam  seruaretis,  nee 
in^)  spiritualibus  nee  in  temporalibus ,  ut  iuxta  commune  debitnm 
et  speciale  proraissum  facere  deberetis,  eidem  obedientiam  obser- 
natis,  quod  utique  in  maximum  redundat  animarum  uestrarum  pe- 
riculum  nee  est  aliquatenns  tantus  excessus  absque  correctione  de- 
bita  relinquendus ;  insnper  specialiter  est  adiectum,  quod  quidam 
ex  uobis  cellas  infra  ofScinas  et  extra  in  solo  ecclesie  contra  bo- 
nestatem  et  in  ipsius  ecclesie  detrimentum  uelut  proprias  auctori* 
täte  sna  possidere  presumunt ;  accedit  ad  hoc  quod  administrationes 
temporales  ab  ipso  archipresbitero  nitimini  obtinere,  ut  sie  a  diui- 
nis  uos  possitis  subtrahere  et  negotiis  secularibus  implicare.  Quo- 
niam  igitur  ea  que  uestram  salutem  impediunt,  a  nobis  conuenit 
remoueri  et  ea  facere  uos  oportet,  per  que  uobis  ipsis  proficere 
et  aliis  uideamini  salutis  exemplum  tribuere,  uniuersitatem  uestram 
per  apostolica  scripta  monemus  mandamus  et  firmiter  iniungimus, 
quatenus  archipresbitero  uestro  reuerentiam  et  obedientiam,  quam 
ei  debetis  et,  ut  dictum  est,  nuper  noscimini  promisisse,  sicut  ex- 
pedit  uestre  saluti,  tarn  in  spiritualibus  quam  in  temporalibus  sine 
appellationis  obstaculo  ^>  impendatis  et  predictas  cellas,  sicut  iustum 
est  et  consentaneum  honestati,  ad  communem  utilitatem  fratrum  et 


a)  non.  h)  appell&tiODe  obedientiam. 


Papstarknnden  in  Dmbrien.  391 

ecdesie  resignetis  nee  administrationes  iam  dictas,  per  quas  diai- 
DQin  officium  ualeat  retardari,  quomodolibet  attentetis  in  damna- 
tionem  animarum  uestramm  de  eetero  usnrpare,  alioquin  sententiam, 
quam  idem  archipresbiter  cum  consilio  et  assensu  maioris  et  sani- 
oris  partis  tulerit  in  rebelles,  ratam  habebimus  et  pr^cipimus  ua- 
que  ad  satisfactionem  congmam  inaiolabiliter  obseruari.  Datum 
Laterani  II.  nonas  maii  pontificatus  nostri  anno  primo. 


19. 

Clemens  III.  ermahnt  die  Kanoniker  von  Perugia^  das  Jcanonisd^e 
Leben  zu  beobachten  und  iJirem  Archipresbiter  Obediene  ssu  leisten. 

Lateran  1188  Mai  29. 

LHbro  verde  von  1574  fol.  6  Perugia  Ärchivio  capitolare. 

Clemens  episcopus  seruus  seruorum  dei.  Dilectis  filiis  arebi- 
presbitero  et  canonicis  Perusinis  salutem  et  apostolicara  benedi- 
ctionem.  Si  sollicite  pensaretisi  quod  nemo  mittens  manum  [suam] 
ad  aratrum')  aptus  est  regno  dei,  non  ita  facile  leue  iug^m  domini 
et  suaue  uestra  temeritas  abiecisset,  cui  per  professionem  obseruantie 
regularia  coUa  uestra  spontanei  subdidistis.  Ait  enim  dominus  per 
prophetam:  Uouete  et  reddite  domino  deo  uestro!  et  frustra  de 
dinina  miseratione  confidit,  qni  obseruare  contemnit  quod  omnipo« 
tenti  domino,  qui  non  irridetur,  solemni  aut  uotiua  sponsione  pro- 
mittit.  Inde  siquidem  est  quod  saluti  uestre  prouidere  uolentes, 
uniuersitati  uestre  per  apostolica  scripta  mandamus  et  in  obedientie 
uirtute  precipimus,  quatenus  uitam  canonicam,  quam  nuper  professi 
estis,  regulariter  obseruetis,  dilecto  filio  nostro  archipresbitero 
uestro  in  regularibus  institutionibus  et  in  aliis  que  ad  profectum 
nestrum  spiritualiter  uel  temporaliter  pertinent,  debitam  obedien« 
tiam  et  reuerentiam  impendentes,  alioquin  sententiam,  quam  in  re- 
belies propter  hoc  canonice  cum  sanioris  partis  capituli  consilio 
tulerit,  ratam  esse  decernimus  et  precipimus  inuiolabiliter  obseruari. 
Datum  Laterani  quarto  kal.  iunii  pontificatus   nostri   anno  primo. 

a)  et  respicieoB  retro  schaliei  die  Utk,  von  1188  X  17  ein, 

30. 

Clemens  IIL  ermahnt  den  Bischof  V.  von  Perugia^  sich  der  Ein- 

mischung  in  die  Wahl  des  neuen  Archipresbiters  durch  die  Kanoniker 

Mu  enthalten. 

Rom  8.  Maria  maggiore  1188  Sq^tember  SO. 


392  P.  Kehr, 

Libro  verde  von  1574  f,  6  Perugia  Archivio  capüolare.  Über- 
schrift: Post  electionem  d.  Eugnbini  episcopi  has  literas  im- 
petrauit  G.  de  Martalo  cam  quibusdam  alii(s)  canonicis  ante 
electionem  archipresbiteri  I.  qai  nime  est. 

Clemens  episcopus  serans  seruorum  dei.    Venerabili  fratri  V, 
Perusino    episcopo   salutem  et  apostolicam  benedictionem.  Ad 

audientiam  apostolatus  nostri  peruenit,  quod,  cum  canonici  ecclesie 
tue  aadissent,  quod  dilectns  filias  noster  B.  qaondam  ipsornm 
arcbipresbiter  in  episcopum  esset  electns,  et  maior  pars  ipsornm 
sibi  nellent  personam  idoneam  in  archipresbiterum  pronidere,  iaxta 
qaod  ipsi  et  antecessores  eorum^  sicut  asserunt,  fecisse  noscuntur, 
et  ad  se  tam  de  ratione  quam  de  consuetadine  pertinere  propo- 
nont,  pro  tuQ  uolantatis  arbitrio  ipsornm  propositnm  impedisti. 
Qnoniam  igitur  eorundem  canonicornm  rationabiles  consnetudines 
atqne  iura  neqnaqnam  tna  debet  discretio  pertnrbare,  fraternitati 
tue  per  apostolica  scripta  mandamns,  quatenns  eisdem  canonicis 
contra  consnetndinem  ecclesie  tue  in  electione  archipresbiteri  nee 
aliqnod  impedimentum  prestes  nee  indebitam  molestiam  inferas  uel 
granamen,  dnmmodo  in  archipresbiterum  religiosam  personam  assu- 
mant,  per  cnius  prouidentiam  religio  suscipere  debeat  incrementum 
et  res  illicite  alienatQ  ualeant  reuocari.  Datum  Rome  apnd 

sanctam  Mariam  maiorem  XTL  kal.  octobris  pontificatus  nostri  anno 
primo. 

21. 

Clemens  III.  emialint  die  Kanoniker  von  Perugia^  das  kanofiisehe 
Leben  zu  beobachten  und  ihretn  Archipresbiter  Obediene  zu  leisten. 

Lateran  1188  Oktober  17. 

Libro  verde  von  167 A  fdl.  7'  Perugia  Archivio  capüolare. 

Wörtliche  Wiederholung  des  Mandats  von  1188  Mai  29 
(Nr.  19).  Unter  dem  Text:  „Sine  plumbis  quia  extracte  ex  simplici 
copia  scripta  in  pergameno^. 

Si  sollicite  pensaretis. 

Datum  Lateran!  XVI.  kal.  nouembris  pontificatus  nostri  anno 
primo. 

23. 

Clemens  III.  gestattet  dem  Klerus  und  Volk  van  Oubbio^  die  Re- 
liquien atis  der  alten  Stadt  in  die  neue  zu  übertragen. 

Lateran  1188  Oktober  20. 


Papstarkunden  in  Umbrien.  393 

Abschrift  von  Pecd  Membranarum  arch.  ecd.  Eugubinae  recensio  I 
p.  269  Gulbio  Ärchivio  capitolare  aus  dem  jetet  verschollenen  Original, 

Clemens  episcopas  seraus  seraorum  dei.  Venerabili  fratri  B. 
episcopo  et  dilectis  filiis  clero  et  populo  Eagubino  salutem  et  apo- 
stolicam  benedictionem.  Pia  desideria  sunt  in  domino  promouenda 
et  tanto  facilins  eis  preberi  consensas ,  qnanto  certins  fuerit  ea 
respicere  commodum  animarom.  Eapropter  aestris  iustis  postula- 
üonibas  annuentes,  auctoritate  aobis  apostolica  indulgemus,  ut 
sanctorom  reliqnias,  quas  in  antiqua  ciuitate  hactenus  haboistis,  in 
monte  abi  cinitas  de  nouo  constituitur ,  liceat  transmutare  et  in 
ecclesia,  ad  quam  translate  fuerint,  dininis  officiis  interesse.  Sta- 
toentes  ut  nuUi  omnino  hominum  liceat  haue  paginam  nostre  con- 
cessionis  infringere  uel  ei  ausu  temerario  contraire.  Si  quis  autem 
hoc  attemptare  presumpserit ,  indignationem  omnipotentis  dei  et 
beatorum  Petri  et  Pauli  apostolorum  eins  se  nouerit  incursurum. 
Dat.  Lateran.  XTTT.  kal.  nouembr.  pontificatus  nostri  anno  primo. 


23. 

Clemens  IIL  ermahnt  die  Kanoniker  von  Perugia^  ihrem  Ärehi" 

presbiter  die  schuldige  Obediene  jm  leisten  und  sich  der  gegen  sie  vor^ 

gebrachten  Ddiäe  au  enthalten. 

Lateran  1188  Oktober  21. 

lAbro  verde  von  1574  fcl.  &  Perugia  Ärchivio  capitolare. 
Ud>er Schrift:  Item  pr^ctus  loannes  archipresbiter  acquisinit 
has  literas. 

Wörtliche  Wiederholung  des  Mandats  von  1188  Mai  6 
{Nr.  18). 

Cum  apostolus  moneat. 

Datum  Laterani  XTT,  kaL  nouembris  pontificatus  nostri  anno 
primo. 

Clemens  III.  bestätigt  dem  Kloster  Sassovivo  den  BesUe  der 
Kirche  S.  Nicolaus  in  Bevagna  (de  Beuanio),  welche  der  verstorbene 
Bisehof  T.  von  Spöleto  ihm  übergeben  und  der  jetsige  Bischof  B.  dem 
Abt  refutirt  hat. 

Lateran  1188  Oktober  26. 

Orig.  Spoleto  Ärchivio  arcivescovUe  {Sassovivo  Nr.  20). 


394  P.  Kehr, 

Bulle  an  gelben  Seidenfäden  durch  zwei  Löcher  im  ßug. 

lustis  petentium  desideriis. 

Dat.  Lateran.   VII.   kal.    nouembris   pontificatus  nostri  anno 
primo. 

B. 


35. 

Clemens  III.  hestäligt  der  zum  Kloster  8,  Croce  di  Scissovivo  ge- 
hörenden Kirche  S.  Angdo  in  Camerino  den  Besitz,  die  Parrochie 
und  die  Sepultur, 

Lateran  1189  Januar  16. 

Orig.  Spoleto  Archivio  arcivescovile  (Sassovivo  Nr,  1011). 

lustis  petentium  desideriis. 

Dat.  Lateran.  XVII.  kal.  febr.  pontificatus  nostri  anno  se- 
oundo. 

B.  dep. 


26. 

Clemens  HL  bestätigt  dem  Kloster  Sassovivo  den  Besitz  der 
Kirche  8.  Nicolaus  in  Foligno  und  die  dazu  gehörende  Parrochie  und 
Sepultur,  wie  es  sie  seit  vierzig  Jahren  besessen. 

Lateran  1189  Aprü  37. 

Orig.  Spoleto  Arehivio  arcivescovile  {Sassovivo  Nr.  940). 

BuUe  an  geib-rosa  Seidenfäden  durch  zwei  Löcher  im  Bug. 

lustis  petentium  desideriis. 

Dat.  Lateran.  Y.  kal.  maii  pontificatus  nostri  anno  secundo. 

B. 


27. 

Celeztin  III.  nimmt  das  Kloster  8.  Petri  in  Bavaria  unter  dem 
Abt  Buben  nach  dem  Vorgange  Alexanders  IIL  in  den  apostolischen 
Schutz^  bestätigt  ihm  die  Begdy  die  Besitzungen  und  Bechte  und  ver- 
leiht ihm  Freiheit  vom  Interdict. 

Lateran  1193  November  24. 


Papstarkandeo  io  Umbriea.  396 

Capie  des  Carlo  Bagliani  im  Ms.  C.  11  p.  29  Perugia  Biblio- 
teca  comunale. 

Die  Urkunde  wiederholt  das   Privileg  Alexanders  III,  {Nr, 
10)  und  fügt  am  Schluß  die  neuen  Gunstbezeugungen  hineu, 

Pie  postalatio  uqlantatis. 

Datam  Lateran,  per  manum  Egidii  sancti  Nicolai  in  carcere 
Tnlliano  diaconi  cardinalis,  VUI.  kal.  decembris,  indictione  XTT, 
incarnationis  dominice  anno  MCXCIII,  pontificatas  nero  domini 
Celestini  pape  III.  anno  tertio. 

Cardinale:  ÄUnnus  von  AlbanOj  Ociavianus  von  Ostia  und  Velle- 
triy  Johannes  von  Palestrina,  Petrus  von  Porto  und  S.  Itufina\  Pan- 
dulf  (Land.)  von  SS.  Apostoli,  Petrus  von  S.  CeciUa,  Johannes  Felix 
von  S.  Susanua,  Guido  von  S.  Maria  in  Trastevere,  Hugo  (Ang.)  von 
S.  Martine,  Johannes  von  S,  Stefano  in  Cdio  niohte,  Soffredus  (6of- 
fredas)  von  S.  Prassede,  Johannes  von  S.  Prisca]  Gratian  von  SS. 
Cosma  e  Damiano,  Gregor  von  S,  Maria  in  Porticu,  Gregor  vofi  S. 
Maria  in  Aquiro,  Gregor  von  S.  Giorgio  in  Velabro,  Lothar  von  SS. 
Sergio  e  Bacco,  Bdbo  von  S.  Teodora,  Petrus  von  S.  Maria  in  Via  lata. 


88. 

Celestin  HL  bestätigt  den  Schiedspruch  des  Priors  T.  von  Qua'* 

tuor  Coronaii  in   dem  Streit  zwisclien  dem  Bischof  von  Foligno  und 

dem  Abt  von  Sassovivo  Ober  die  Kapellen  S.  Thomas,  S.  Johannes  de 

Coüe,  S.  Maria  de  Capronaco  und  S.  Sixtus  und  über  das  vofi  dem 

Vorgänger  des  Bischofs  voth  Foligno  bei  der  Kirche  S.  Trinitas  deponirte 

Geld. 

Lateran  1197  Februar  12. 

Orig.  Spokto  Arckivio  arciveseovüe  {Sassovivo  Nr.  948). 

Que  pro  bono  pacis. 

Dat.  Lateran.  U.  id«  febr.  pontificatas  nostri  anno  sexto. 

B.  dep. 


89. 

Cdestin  III.  beauftragt  den  Bischof  von  ürbino,  den  Streit  zwischen 
dem  Prior  von  Gtiibio  und  dem  AU  von  S.  Salvatore  {de  monte  Acuta 
ad  ripam  Tiberis)  £u  entscheiden. 

Lateran  1197  FAruar  25. 


396  P*  Kehr,  Papstarkiindaa  ia  Umbrien. 

Copie  saee.  XIII  Gubbio  Archivio  capitdare  (Fase.  XIII  Nr.  7).  — 
Danach  Abschrift  van  Pecci  Membranarum  arch,  eccl.  Eugubinae  re- 
censio  I  p.  286  ebenda. 

Celestinus  episcopus  seraas  seruorum  dei.  Venerabili  fratri 
ürbinati  episcopo  salatem  et  apostolicam  benedictionem.  Saam 

ad  nos  dilectus  filius  prior  Eug(ubinas)  qaerimoniam  destinauit, 
quod,  com  dilecti  filii  abbas  et  monachi  sancti  Saluatoris  snper 
duabus  suis  ecclesiis  molestarent ,  in  dilectam  filinm  canonicum 
ecclesie  Engubine  et  quendam  monachum  predicti  abbatis  unani- 
miter  connenernnt,  eoram  stare  arbitriom  promittentes.  Ipsi  uero 
anditis  rationibus  atriasque  partis  et  testibus  pablicatis  in  danda 
sententia,  sicut  aeeepimus,  plurimum  pigri  sunt  et  remissi.  No- 
lentes  igitur  ut  eadem  causa  diutius  protrabatur,  fraternitati  tue 
per  apostolica  scripta  mandamus,  quatinus  predictos  arbitros  ut 
procedant  in  prolatione  sententie*,  sicut  debent,  moneas  efficaciter 
et  induas,  alioquin  partibus  conuocatis  audias  causam  et  eam  apel- 
latione  remota  canonico  iine  decidas;  nullis  litteris  ucritati  et 
iustitie  preiudicantibus  a  sede  apostolica  impetratis.  Dat.  Lat. 
Y.  kal  mar.  pontificatus  nostri  anno  VI. 


,   Nachtrag  zu  8.  258. 

Nach  Mitteilung  Schiaparelli's  hat  unterdessen  Prof.  Guerrieri 
das  Original  der  Urkunde  Anaclets  11.  von  1134  ^TT  7  (Nr.  9) 
für  S.  Griovanni  di  Lecce  im  Archiv  des  Klosters  wiederaufgefunden. 


Die  Anklagesätze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard. 

Von 

Wilhelm  Meyer  ans  Speyer, 

Professor  in  Göttingen. 
Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  9.  Juli  1898. 

Im  12.  Jahrhundert  war  Frankreich  fruchtbar  an  ausgezeich- 
neten Künstlern,  Dichtern  und  Denkern.  Als  einer  der  hervor- 
ragendsten Denker  galt  damals  und  gilt  noch  heute  Petrus  Abae- 
lardus.  Das  verdankte  er  in  Etwas  seinem  wechselreichen  und 
romantischen  Leben,  doch  weit  mehr  der  Kraft  seines  Geistes  und 
Wortes,  mit  der  er  ein  einsames  Waldthal  in  eine  Akademie  ver- 
wandelte, ein  Vorgang,  wunderbarer  als  die  Entstehung  der  atheni- 
schen Akademie.  Der  edelste  Trieb  des  Menschen,  der  Trieb  der 
Forschung,  war  in  ihm  verkörpert ;  rastlos  forschte  Abaelard  sein 
Leben  lang,  und  der  Gegenstand  seines  Forschens  waren  die  höch- 
sten Güter  des  Menschen,  die  geistigen.  W^ie  dieser  Forschungs- 
trieb ihm  die  reinsten  Freuden  geschaffen  hat,  so  hat  er  ihm  auch 
die  größten  Kämpfe  und  Leiden  bereitet.  Leider  besaß  Abaelard 
zwar  viel  Selbstbewußtsein,  aber  nicht  den  Mannesmuth  oder  die 
Klugheit,  daß  er  in  jenen  Kämpfen  siegte:  schon  1121  verbrannte 
er  auf  der  Synode  zu  Soissons  sein  eigenes  Buch  (Tractatus  de 
onitate  et  trinitate  divina),  und  die  Verurtheilung  durch  die  Synode 
zu  Sens  und  den  Pabst  1040  machten  ihn  für  immer  verstummen. 

Das  wissenschaftliche  Arbeitsgebiet  Abaelard's  war  ja  be- 
schränkt :  die  Schärfe  und  Tiefe  des  Denkens  hat  vor  Allem  seinen 
Ruhm  geschaffen.  Aber  erhöht  hat  denselben,  besonders  bei  seinen 
Landsleuten,  eine  andere,  echt  französische  Eigenschaft.  Bei  seinen 
Untersuchungen  ging  Abaelard  besonders  gern  solchen  Ausläufern 
derselben  nach,  welche  in  neue  blendende  und  überraschende  Ge- 
danken ausliefen.  Diese  oft  noch  mit  echt  menschlichen  Gefühlen 
und  Verhältnissen  in  Verbindung  gesetzt,  dann  voll  Begeisterung 
und  in  packenden  Worten  vorgetragen,  füllten  zumeist  die  Seele 

ffL  e«.  4«  WiM.    NMkTieht«a.   PUIoIor-hlitor.  KlaHt  1886.   H«Ai.  27 


398  Wilhelm  Meyer, 

seiner  Hörer  und  bildeten  den  Stoff  für  die  Gespräche  derselben 
und  viel  tausend  Anderer.  Abaelard  war  kein  Dichter,  und  doch 
mußte  auch  ich  in  meiner  Skizze  der  lateinischen  Dichtungsformen 
des  Mittelalters  seine  Dichtungsformea  ganz  besonders  hervor- 
heben^): er  hat  auch  hier  einiges  Neue  erfunden  und  jedenfalls 
die  neuesten  Erfindungen  mit  Vorliebe  verwendet. 

Ein  solcher  Forschenseifer,  der  stets  und  unerschrocken  auch 
die  schwierigsten  Fragen  anfaßte,  eine  solche  Vorliebe  für  blen- 
dende und  überraschende  G-edanken  konnte  sich  auf  dem  Gebiete 
der  Dialektik  und  auf  ähnlichen  der  ungemischten  Bewunderung 
seiner  Landsleute  und  seiner  Zeitgenossen  erfreuen.  Allein  bei 
einer  Menge  der  wichtigsten  Gegenstände  der  Forschung,  so  bei 
Fragen  der  Ethik,  ums  höchste  Gut,  um  das  Wesen  Gottes, 
führten  die  Wege  hinüber  ins  Gebiet  der  Theologie.  Abaelard 
blieb  nicht  an  der  Grenze  stehen,  sondern  in  seiner  ganzen  Lebens- 
zeit hat  er  sich  auch  mit  den  schwierigsten  Fragen  der  Dogmatik 
und  Ethik  beschäftigt.  Als  er  in  den  30er  Jahren  in  Paris  wieder 
eine  große  Schaar  begeisterter  Hörer  um  sich  versammelt  hatte, 
begann  er  wiederum  eine  Uebersicht  der  Dogmatik  zu  veröffent- 
lichen, Theologia  genannt,  von  der  uns  freilich  hauptsächlich  nur 
der  1.  Theil,  jetzt  Introductio  ad  theologiam  betitelt,  erhalten 
ist  %  daneben  das,  was  aus  einem  Auszug  der  vollständigen  Theo- 
logia (vgl.  Denüie  im  Archiv  für  Litteratur-  und  Kirchengeschichte 
1 ,  402  -  469 ,  B84 — 624)  gerettet  ist  in  verschiedenen  Sentenzen- 
sammlungen, der  sogenannte  Epitome  theologiae  christianae  Abae- 
lard's,  Koland's  Sentenzen  hrsg.  von  Gietl  1891,  und  anderen). 

Auch  auf  dem  Gebiet  der  Theologie  trieb  der  rastlose  ent- 
deckungseifrige Forschergeist  Abaelard  vorwärts,  auch  hier  bewies 
er  seine  Vorliebe  für  blendende  paradoxe  und  dabei  oft  an  das 
menschliche  Gefühl  appellirende  Sätze ;  so  wenn  er  davon  ausgeht, 
daß  eine  That,  deren  Verwerflichkeit  man  sich  nicht  bewußt 
ist,  auch  nicht  strafbar  ist,  und  nun  folgert,  daß  die,  welche 
Christus  kreuzigten,  keine  Sünde  begangen  haben,  da  ja  die  Einen 
nur  das  Gebot  ihrer  Obrigkeit  erfüllten,  die  Obrigkeit  selbst  nur 


1)  Ztmächst  ia  der  Abhandlung  „Der  Ludus  de  Antichristo  und  über  die 
lateinisclien  Rythmen*^  (Sitzungsberichte  der  Münchener  Akademie  18b2)  S.  HO 
und  sonst,  dann  in  der  Ausgabe  des  3.  Plane tus  (P.  Abaelardi  plane tus  virginum 
Israel,  München  1885)  und  der  übrigen  5  Planctus  (Romanische  Forschungen  V, 
419 — 436);  darnach  hat  dann  G.  M.  Dreves  gearbeitet  in  Petri  Abaelardi  Hym* 
narius  Paraclitensis,  Paris  1891. 

2)  Hierüber  hat  am  besten  gehandelt  Qoldhorn  in  der  Zeitschrift  für  histo* 
rische  Theologie  1866,  S.  161—229. 


die  Anklages&tze  des  h.  Bernhard  gegea  Abaelard.  399 

die  Gesetze  ihrer  Religion  nnd  ihres  Staates  zu  wahren  glaubte. 
Solche  Gedanken  bezauberten  Abaelard's  Hörer  und  viele  Andere : 
allein  sie  riefen  auch  Viele  zum  Kampfe  gegen  ihn. 

(Die  Kirche)  Nach  tausendjährigem  Leiden  und  Kämpfen, 
nach  tausendjähriger  geistiger  Arbeit  hatte  die  Kirche  eine  stolze 
Höhe  der  Macht  erreicht,  welche  schon  die  Kreuzzüge  genügend 
bezeugen.  Sie  hatte  nicht  nur  selbst  Ruhe  gefunden  und  sowohl 
die  kirchliche  Lehre  wie  die  hierarchische  Organisation  weit  aus- 
gebildet, sondern  sie  hatte  auch  die  Völker  Europa's  zu  blühender 
socialer  und  politischer  Ordnung  geführt.  Durch  sie  allein  ging 
man  in  das  Himmelreich  ein,  das  Ziel  alles  menschlichen  Denkens : 
die  Folgerungen  führten  leicht  zu  dem  Schlüsse,  daß  die  geist- 
liche und  kirchliche  Gewalt  zur  Herrschaft  über  die  weltliche 
und  staatliche  Gewalt  berechtigt  sei.  Der  Versuch,  diese  Theorie 
durchzuführen,  stieß  allerdings  auf  den  Widerstand  der  wirk- 
lichen Verhältnisse;  überall  entstand  Kampf,  zwischen  Pabst  und 
Kaiser,  zwischen  geistlichen  und  weltlichen  Fürsten,  zwischen 
geistlichen  und  weltlichen  Körperschaften. 

Machte  auch  die  Lage  der  menschlichen  Gesellschaft  diesen 
Kampf  gegen  die  politischen  Ansprüche  der  Kirche  unvermeid- 
lich, so  war  doch  auf  dem  Gebiet  der  kirchlichen  Lehre  ihre 
Autorität  nicht  bestritten.  Die  Forschung  war  nicht  verboten, 
ja  die  Dogmatik  galt  nicht  nur  als  Wissenschaft,  sondern  da 
sie  die  für  jeden  Menschen  wichtigsten  Fragen  behandelte,  als 
die  höchste  Wissenschaft  und  ihre  Fragen  beschäftigten  die  besten 
Köpfe.  Ein  liebenswürdiges  Bild  von  diesem  Forschenseifer  gibt 
uns  der  von  Walther  dem  Bischof  zu  Laon  an  Abaelard  gerichtete 
Brief,  der  uns  noch  öfter  beschäftigen  wird  (Dacherii  Spicilegium 
II,  1657,  S.  473).  Aus  einem  Buche  Abaelard's,  aus  einem  Ge- 
spräch mit  demselben  oder  aus  den  Erzählungen  und  Disputationen 
der  Schüler  sind  eine  Reihe  von  Fragen  im  Geiste  des  Bischofs 
haften  geblieben;  sie  betreffen  zum  Theil  wichtige  Heilsfragen 
und  Abaelard's  Ansichten  mochten  wohl  die  Anhänger  der  ge- 
wöhnlichen Lehre  aufschrecken.  Allein  in  ruhiger  wissenschaft- 
licher Weise  erörtert  Walther  einige  derselben  und  fordert  Abae- 
lard zur  Discussion  auf,  deren  Ziel  nur  die  Erkenntniß  der  Wahr- 
heit sein  solle.  Diese  Partei  des  Forschens,  des  Fortschritts, 
war  zahlreich.  Man  sah  ja  aus  der  reichen  Literatur  der  Kirchen- 
väter, wie  viel  auch  dort  geforscht,  geirrt  und  doch  auch  richtig 
erkannt  worden  war ;  man  ließ  also  auch  diese  Forschung  gewähren. 
Eine  hauptsächliche  Schranke  war  errichtet:  die  Forscher  mußten 
jeden  Tag  bereit  sein,  sich  vor  den  Organen  der  Kirche  zu  recht* 

27* 


400  Wilhelm  Meyer, 

fertigen  and  die  Dichtigkeit  ihrer  Lehren  ihnen  aus  Bibel  und 
Kirchenvätern  zn  beweisen,  oder,  wenn  das  ihnen  nicht  gelang, 
ihre  Lehren  za  widerrufen;  blieben  sie  dennoch  hartnäckig,  so 
wurden  sie  Häretiker  und  strafwürdig. 

Dieser  Anspruch  der  Kirche  war  nach  der  Entwickelung  der 
Dinge  berechtigt.  Durch  tausendjähriges  Leiden  und  Arbeiten, 
wobei  die  besten  Geister  der  Völker  mitgethan  hatten,  hatte 
hauptsächlich  die  Kirche  die  bestehende  Ordnung  geschaffen;  die 
ganze  christliche  Gesellschaft  erkannte  an,  daß  nur  durch  Ver- 
mittlung der  Kirche  und  durch  Befolgung  ihrer  Lehre  ein  Mensch 
die  ewige  Seligkeit,  das  Ziel  alles  Lebens,  erlangen  könne;  so 
fiel  dem  hiefür  bestehenden  Ausschuß  der  christlichen  Gesellschaft, 
der  Kirche,  nicht  nur  das  Becht,  sondern  die  Pflicht  zu,  die  ein- 
zelnen Menschen  vor  Irreführung  zu  behüten  und  deßhalb  neu 
auftauchende  Lehren  zu  prüfen  und  zu  billigen  oder  zu  verwerfen. 
Die  Menschen  des  12.  Jahrhunderts  waren  geistig  stark  erregt 
und  des  Disputirens  und  Spekulirens  war  kein  Ende;  deßhalb 
hatten  die  Vertreter  der  kirchlichen  Ordnung  und  Lehre  viele 
neu  auftauchenden  Lehren  zu  prüfen  und  zu  bekämpfen.  Diese 
Kämpfe  sind  wichtig;  denn  die  höchsten  Gedanken,  welche  die 
Völker  der  Zeit  denken  konnten,  offenbaren  sich  hier.  Deßhalb 
ist  der  Kampf  so  wichtig,  welcher  in  Frankreich  um  1140  ent- 
brannte zwischen  Abaelard,  vielleicht  dem  begabtesten  der  frei- 
sinnigen Forscher  des  Mittelalters,  und  Bernhard,  in  welchem  der 
Geist  und  die  meisten  Vorzüge  der  damaligen  kirchlichen  Ordnung 
und  Lehre  so  zu  sagen  verkörpert  waren. 

Bernhardts  lebhafter  Geist  hatte  sich  zuerst  etwas  mit 
Dichtkunst  und  den  schönen  Wissenschaften  genährt,  allein  außer- 
ordentlich früh  sich  dem  Mönchsleben  zugewendet.  In  nie  gesehe- 
ner Weise  suchte  er  sein  Fleisch  abzutöden,  seinen  Willen  zu 
bezwingen  und  sein  Denken  nur  in  den  Glauben  zu  versenken. 
Das  Spekuliren  war  ihm  Nebensache ;  zuerst  kam  ihm  der  Glaube, 
dann  das  Begreifen ;  die  überlieferte  christliche  Lehre,  die  Kirche, 
wie  sie  mit  ihren  Ansprüchen  als  Herrscherin  alles  Irdischen  vor 
ihm  stand,  wurde  von  ihm  anerkannt  und,  was  er  that,  that  er 
nur  in  Rücksicht  auf  das  künftige  Leben  und  auf  das  Gedeihen 
der  Kirche,  welche  den  Menschen  die  Seligkeit  vermitteln  sollte. 
Diese  Bahn  verfolgte  er  mit  eiserner  Energie.  Aus  einem  solchen 
äußeren  und  inneren  Leben  schöpfte  die  wunderbare  Beredsamkeit, 
welche  ihm  verliehen  war  und  deren  schriftliche  Denkmäler  ihn 
zu  einem  Klassiker  des  Mittelalters  machen,  die  Eingebungen  und 
Worte,   mit   denen  sie  Alle   bezwang.    Bald  war   der   Jüngling 


die  Anldages&tze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  401 

nicht  nar  Abi  seines  Klosters,  sondern  die  strenge  Lebensweise 
seiner  Brüder,  welche  er  geregelt  hatte,  wurde  von  vielen  andern 
Klöstern  angenommen,  als  deren  geistiger  Vater  er  Vieles  zu 
ordnen  hatte.  Solche  Lebensweise  und  solche  Thätigkeit  bildet 
keinen  geschmeidigen  Weltmann  aus,  sondern  einen,  den  man  mit 
Otto  von  Freising  'religionis  fervore  zelotypum'  nennen  mag. 
Wenn  Bernhard  überzeugt  war,  das  Wohl  des  Glaubens  und  der 
Kirche  verlange,  daß  ein  bestimmtes  Ziel  erreicht  werde,  so  nahm 
er  die  Sache  auf  sich,  suchte  mit  zähem  Eifer,  ja  mit  Eigensinn 
ohne  Rücksicht  auf  andere,  vielleicht  berechtigte  Verhältnisse 
jenes  Ziel  zu  erreichen  und  setzte  alle  erlaubten  Hilfsmittel,  die 
sein  Geist  seine  Phantasie  und  seine  Beredsamkeit  ihm  boten,  in 
Bewegung,  um  jenes  Ziel  zu  erreichen. 

So  entwickelte  sich  die  Hälfte  seines  Wesens,  welche  der 
andern  Hälfte  zu  widersprechen  scheint.  Um  sicher  das  ewige 
Leben  zu  erwerben,  stirbt  ein  Mönch  nach  Bernhards  Ideal  am 
besten  möglichst  bald  oder,  wenn  ihm  das  nicht  gegönnt  wird, 
sucht  er  in  dem  einsamen  Kloster  abzusterben:  aber  Bernhard 
selbst  hat  sich  im  Getümmel  der  Welt  so  viel  bewegt,  wie  kaum 
ein  Anderer  seiner  Zeit.  Er  konnte  es  nicht  ertragen,  wenn  nach 
seiner  Ansicht  die  Sache  des  Glaubens,  sei  es  an  einem  Kloster 
sei  es  am  Pabste,  geschädigt  wurde.  Schien  ihm  in  Frankreich 
ein  Kloster  mißhandelt ,  .  bei  einer  Bischofswahl  das  Becht  der 
Geistlichkeit  oder  des  Pabstes  verkürzt  zu  werden,  so  trat  er 
gegen  geistliche  oder  weltliche  Beamte,  gegen  Fürsten,  selbst 
gegen  seinen  König  unerschrocken  auf.  Ja,  seit  1130  war  er 
dem  Pabste  Innocenz  II.,  der  keinem  Menschen  mehr  verdankte 
als  Bernhard,  Jahre  lang  zur  Seite,  diesseits  und  jenseits  der 
Alpen,  verhandelt  mit  Kaiser  und  Königen,  mit  Städten  und  mit 
weltlichen  und  geistlichen  Machthabern  jeder  Art.  Sein  rein 
ideales  Wollen,  seine  Energie,  seine  Beredsamkeit  ließ  ihn  geradezu 
Wunderbares  erreichen.  So  wuchs  das  eigene  Vertrauen  auf 
seinen  innem  Beruf,  und  die  Wunder,  welche  sein  Wort  oder  Leib 
oft  wirken  sollte,  hielt  er  selbst  nicht  immer  für  Täuschung. 

(Bernhard  und  Abaelard)  Als  Bernhard  im  Spät- 
sommer 1138  wiederum  von  einem  längeren  Aufenthalt  beim  Pabst 
aus  Italien  nach  Frankreich  gekommen  war ,  kann  es  nicht  sehr 
lang  gewährt  haben,  bis  er  die  Spuren  von  Abaelard' s  Wirken 
merkte.  Abaelard  hatte,  wie  oben  gesagt,  in  Paris  wieder  eine 
Menge  begeisterter  Schüler  an  sich  gezogen;  die  blendenden  Ge- 
danken  und  interessanten  Fragen,  mit  welchen  er   die  Jugend 


402  Wilhelm  Meyer, 

beschäftigte,  begann  er  dann  in  einem  großen  dogmatischen  Werke, 
der  Theologia,  darzustellen.  Wie  er  wirkte,  das  können  wir  aus 
dem  schon  erwähnten  harmlosen  Briefe  sehen,  den  Walther,  Bischof 
zu  Laon,  an  Abaelard,  in  ziemlich  ruhigem  Tone  gerichtet  hat. 
Dessen  Geist  beunruhigten  eine  Reihe  wichtiger  dogmatischer 
Fragen:  allein  nur  wenige  hat  er  aus  Abaelard's  Mund  oder 
Schrift  kennen  gelernt,  die  meisten  aus  den  Reden  von  Hörern 
Abaelard's.  Nicht  sehr  übertrieben  sind  also  die  Schilderungen  in 
den  spätem  Streitschriften  gegen  Abaelard,  daß  seine  Schriften 
diesseits  der  Alpen  weit  verbreitet,  ja  sogar  nach  Rom  in  die 
Hände  der  Kardinäle  gedrungen  seien;  daß  in  Frankreich  nicht 
nur  Gebildete,  sondern  auch  unreife  Jünglinge  an  den  Straßen- 
ecken über  die  von  Abaelard  aufgeworfenen  Glaubensfragen  dis- 
putirten. 

(Abt  Wilhelm)  Die  auffallenden  Wirkungen  der  Lehre 
und  Schrift  Abaelard's  besprach  vielleicht  Bernhard  bei  einer 
Zusammenkunft  mit  Wilhelm,  dem  früheren  Abt  von  St.  Theode- 
ricus  in  Reims,  seinem  jetzigen  Ordensbruder.  Jedenfalls  hat 
derselbe  die  Sache  näher  studirt  und  hat  eine  Schrift  verfaßt, 
in  welcher  er  die  in  Abaclard's  Theologia  enthaltenen  Irrlehren 
darlegen  und  widerlegen  will,  zuletzt  gedruckt  im  Migne's  Cursus 
Patrologiae  180  Sp.  249—282.  Er  hat  allerdings  2  Schriften  be- 
nützt *duo  erant  libelli  idem  pene  continentes,  nisi  quod  in  altero 
plus,  in  altero  minus  aliquanto  iuveniretur'.  In  früheren  Zeiten 
hat  man  gemeint  (so  schon  Martene,  Migne  178  Sp.  1119),  das 
seien  die  Introductio  in  theologiam  und  die  Theologia  christiana 
Abaelard's  gewesen;  doch  Denifle  (im  Archiv  für  Litteratur-  und 
Kirchengeschichte  I  594)  erkennt  hierin  mit  weit  mehr  Recht 
1)  die  eigentliche  Theologia,  deren  Rest  in  der  sogenannten  Intro- 
ductio ad  theologiam  (Abaelardi  Opera  ed.  Cousin  II  S.  1 — 149, 
Migne  178  Sp.  979—1114)  zuerst  Goldhorn  in  einer  vortrefflichen 
Abhandlung,  Zeitschrift  für  historische  Theologie  1866  S.  161 — 
229,  nachgewiesen  hat,  und  2)  die  Sententiae,  welche  schon  Rhein- 
wald 1835  mit  dem  Titel  Epitome  Theologiae  christianae  heraus- 
gegeben hatte  (=  Migne  178  Sp.  1685),  die  aber  erst  Denifle's 
ergebnißreiche  Arbeit  im  Archiv  I  S.  402—468  und  584 — 624  ins 
richtige  Licht  gestellt  hat.  Die  gefundenen  Irrlehren  behandelt 
Abt  Wilhelm  in  13  Abschnitten,  indem  er  für  eine  jede  zuerst 
aus  Abaelard  die  Belegstellen  anführt,  dann  dieselbe  widerlegt. 

Diesen  Traktat  schickte  er  mit  einem  Begleitbrief,  in  welchem 
die  13  Irrlehren  kurz  formulirt  aufgezählt  werden  (Migne  182 
Sp.  531/2),  sowohl  an  Bernhard  als  an  Gottfrid,  Bischof  in  Chartres, 


die  AnklagM&tse  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  403 

and  forderte  beide  auf,  diese  Irrlehren  zu  bekämpfen,  welche 
nicht  nar  in  Frankreich,  sondern  schon  in  Rom  die  Geister  ver- 
wirrten. 

Diese  Schrift,  welche  natürlich  rasch  verbreitet  wurde,  hat 
Abt  Wilhelm,  wie  ich  nachher  wahrscheinlich  machen  will,  im 
Winter  1138/9  verfertigt  und  im  Frühjahr  1139  abgesendet.  Bern- 
hard (327.  Brief,  Migne  182  Sp.  533)  antwortet  vor  Ostern:  er 
habe  von  diesen  Dingen  bis  jetzt  fast  Nichts  gewußt  (er  war  ja 
in  Italien),  doch  seien  sie  offenbar  wichtig.  Allein  gerade  in 
solchen  Fragen  vertraue  er  nicht  viel  auf  sein  eigenes  Urtheil; 
deßhalb  wollten  sie  zusammen  kommen  und  gemeinsam  die  Sache 
besprechen,  aber  erst  nach  der  bevorstehenden  Osterzeit,  die  ja 
nicht  viel  Muße  zu  weltlichen  Angelegenheiten  übrig  lasse.  Wahr- 
scheinlich hat  dann  diese  Zusammenkunft  wirklich  stattgefunden: 
denn  Bernhard  hat  wirklich  den  Kampf  gegen  Abaelard  auf  sich 
genommen. 

Der  Kampf  gegen  Abaelard  wurde  im  Laufe  des  Som- 
mers 1139  begonnen.  Er  wurde  hauptsächlich  von  Bernhard  ge- 
führt. Von  Manchen  ist  sein  Verhalten  in  diesem  Kampfe  schwer 
getadelt  worden:  aus  Neid  soll  er  den  Kampf  begonnen  haben, 
seine  Handlungen  im  Kampfe  seien  öfter  durch  Furcht  vor  Abae- 
lard, öfter  durch  List  bestimmt  worden  und  seien  mindestens  bis 
an  die  Grenzen  des  rechtlich  Erlaubten  gegangen.  Das  ist  nicht 
nur  Bernhardts  unwürdig,  sondern  schon  im  Allgemeinen  unwahr- 
scheinlich, ja  falsch.  Ein  Mann,  dem  der  Pabst  sehr  Vieles  ver- 
dankte, der  dem  Kaiser,  seinem  Könige,  geistlichen  wie  weltlichen 
Machthabem  jeder  Art  gegenüber  getreten  ist ,  der  wie  kaum  ein 
Heiliger  verehrt  wurde  und  die  höchsten  kirchlichen  Aemter  aus- 
schlug, der  aber  alle  diese  Erfolge  nur  seinem  Geiste  und  seiner 
Beredsamkeit  verdankte,  brauchte  Abaelard  weder  um  sein  Talent 
noch  um  seinen  Erfolg  zu  beneiden  und  hatte  keine  Ursache  einen 
Mann  zu  fürchten,  der  ja  schon  früher  verurtheilt  und  gezwungen 
worden  war,  sein  eigenes  Buch  zu  verbrennen  (den  von  Stölzle 
1891  herausgegebenen  Tractatus  de  unitate  et  trinitate  divina). 
Den  Handlungen  eines  solchen  Mannes  darf  man  doch  nur  dann 
tadelnswerthe  Gründe  unterschieben,  wenn  das  klar  zu  beweisen  ist. 

Wir  dürfen  diesen  Streit  nicht  nach  unsem  heutigen  An- 
schauungen von  freier  Forschung  und  ähnlichen  Menschenrechten 
beurtheilen.  Damals  gab  es  nur  einen  Glauben  und  nur  eine 
Kirche,  welche  Abaelard  selbst  durchaus  anerkannte.  Aber  selbst 
freisinnige  Theologen  gestehen  zu,  daß  manche  Lehren  Abaelard's 
nicht  nur  die  damalige  Lehre  der  Kirche  verletzen,   sondern  auch 


404  Wilhelm  Meyer, 

den  von  Abaelard  anerkannten  Grundlagen,  der  Bibel  and  den 
Kirchenvätern,  widersprechen.  Bernhard  griff  ein,  wo  er  in 
Prankreich  die  Sache  des  Glaubens  oder  der  Kirche  bedroht  glaubte, 
und  allgemein  gestand  man  ihm  dies  Recht  zu.  Als  er  die  üeber- 
Zeugung  gewonnen  hatte,  daß  durch  Abaelard  die  Sache  des  Glau- 
bens geschädigt  werde,  nahm  er  den  Kampf,  den  Andere  nicht 
übernehmen  wollten,  auf  sich  und  führte  ihn  nach  seiner  Art,  d.  h. 
mit  Ausdauer  und  Eifer,  bis  er  sein  Ziel  erreicht  hatte.  Als 
Abaelard's  Lehren  vom  Pabst  verdammt,  also  so  weit  als  möglich 
unschädlich  gemacht  waren,  hat  er  Abaelard  selbst  nicht  weiter 
verfolgt. 

Bernhard  mag  in  diesem  Kampfe  gegen  bloß  theoretische 
Lehrmeinungen  durch  seine  Energie  weiter  geführt  worden  sein, 
als  andere  Männer  der  damaligen  Zeit  sich  hätten  führen  lassen, 
zumal  wenn  er,  wie  ich  glaube,  schon  vor  der  Synode  zu  Sens  an 
den  Pabst  den  großen,  190.  Brief  gerichtet  hat:  allein  auch  Abae- 
lard hat  in  dem  Streite  falsche  Schritte  gethan,  und  jedenfalls  ist 
Bernhardts  Ueberzeugung  von  der  Richtigkeit  seines  Glaubens 
und  Handelns  fester  gewesen  als  Abaelard' s  Ueberzeugung  von 
der  Richtigkeit  seiner  neuen  Lehrsätze. 

(Bernhard  und  Abaelard  vor  der  Synode  in  Sens) 
Nach  dem  sachlichen  Berichte  des  Erzbischofs  von  Sens  (Migne 
182  Sp.  541)  hat  Bernhard  die  Theologia  und  einige  andere 
Schriften  Abaelard^s  eingesehen  und  dann  zuerst  allein,  hierauf 
vor  Zeugen  Abaelard  Vorstellungen  gemacht.  Ein  Chronist,  der 
allerdings  sonst  zweite  Quelle  ist,  der  Mönch  Gottfried,  Bemardi 
Vita,  rH  cap.  5  (Migne  185  Sp.  311;  seine  Zusätze  sind  ver- 
dächtig, weil  er  Bernhardts  Bericht  benützt  und  lobt,  seine  eige- 
nen Aenderungen  aber  weder  andeutet  noch  rechtfertigt)  gibt 
sogar  an,  Abaelard  habe  Widerruf  versprochen.  Bann  habe  Bern- 
hard Hörer  und  Schüler  Abaelard's  vor  dessen  Irrlehren  gewarnt. 
Das  wird  zunächst  durch  Bernhardts  hauptsächlichste  Waffe,  durch 
Predigten,  geschehen  sein.  Doch  nach  meiner  Ueberzeugung  hat 
Bernhard  noch  in  dieser  Zeit  auch  den  großen  Brief  gegen  Abae- 
lard, den  190.  bei  Migne  182  Sp.  1064—1072,  verfaßt.  Der  ganze 
Traktat  ist  an  den  Pabst  gerichtet,  dem  ja  über  alle  den  Glauben 
und  die  Kirche  bedrohenden  Gefahren  berichtet  werden  müsse; 
Petri  impletis  vicem,  mahnt  Bernhard,  si  vestra  auctoritate  con- 
teritis  fidei  corruptores.  Natürlich  wurde  dieser  Brief  sofort  in 
Abschriften  verbreitet. 

Abaelard,  der  trotz  seines  sehr  starken  Selbstbewußtsein's 
doch   durch   seine  Mißgeschicke   seit   1121   gelernt   hatte,   solche 


die  AnklagesäUe  des  b.  Bernhard  gegen  Abaelard.  405 

^  

Angriffe  nicht  unbeachtet  zu  lassen,  scheint  Bernhardts  mündlichen 
und  schriftlichen  Angriffen  zunächst  auf  dem  damals  häufig  be- 
nutzten Wege  geantwortet  zu  haben,  nemlich  in  Briefen  an 
Schüler,  die  natürlich  sofort  verbreitet  wurden  (Bernhard  im  189. 
Brief,  Migne  182  Sp.  356  D  'quae  de  me  ad  discipulos  suos  scrip- 
serit,  dicere  non  curo*).  Das  geschah  wohl  Ende  1139  und  Anfang 
1140.  Endlich  aber,  als  die  Sache  Abaelard  mehr  und  mehr 
beunruhigte,  verfiel  er  auf  den  Gedanken  einer  öffentlichen  Dis- 
putation mit  Bernhard.  Eine  solche  zu  veranstalten,  verlangte 
er  wiederholt  von  dem  Erzbischof  von  Sens,  unter  welchem  die 
Bisthümer  Chartres,  Paris,  Orleans,  Meaux,  Auxerre,  Troyes  und 
Nevers  standen  (vgl.  Hadrian's  IV.  Privileg  vom  11.  April  1156). 
Dieser  gab  endlich  nach  und,  da  er  den  Sonntag  nach  Pfingsten, 
2.  Juni  1140,  ohnedies  eine  Ausstellung  der  Eeliquien,  durch  die 
Sens  zu  allen  Zeiten  berühmt  war,  veranstalten  wollte,  zu  welcher 
wenigstens  die  ihm  untergegebenen  Bischöfe  erwartet  werden  durf- 
ten, so  bestimmte  er  den  folgenden  Montag,  also  den  3.  Juni  1140, 
für  die  Disputation,  und  forderte,  da  Abaelard  sich  bereit  erklärte, 
auch  Bernhard  auf,  zu  diesem  Termin  nach  Sens  zu  kommen. 

Bernhard  weigerte  sich  zu  kommen.  Manche  haben  dies  ge- 
tadelt; da  er  einmal  Abaelard  angegriffen  hatte,  hätte  er  ihm 
auch  Rede  stehen  müssen.  Allein  man  höre  Bernhardts  Gründe 
(Migne  182  Sp.  355  C):  Abnui:  quia  puer  sum  et  ille  vir  bellator 
ab  adolescentia;  tum  quia  iudicarem  indignum  rationem  fidei  hu- 
manis  committi  ratiunculis  agitandam  quam  tam  certa  ac  stabili 
veritate  constat  esse  subnixam;  dicebam  sufficere  scripta  eins  ad 
accusandum  cum;  nee  mea  referre,  sed  episcoporum,  quorum  esset 
ministerii  de  dogmatibus  iudicare.  Oder  mit  anderen  Worten: 
Bernhard  kannte  selbst  die  Schwächen  aller  Beredsamkeit  zu  gut; 
er  wußte,  wie  wir,  daß  ganz  abgesehen  von  dem  wechselnden 
korperUchen  Befinden  der  Disputirenden  oft  nur  die  angeborene 
oder  angeübte  größere  Schlagfertigkeit  den  Sieg  verleiht,  und  es 
schien  ihm  unwürdig,  daß  auf  hohe  Glaubenslehren  vielleicht  deß- 
wegen  ein  Schatten  geworfen  würde,  weil  vielleicht  ihm  im  Augenblick 
ein  Trugschluß  des  Gegners  nicht  klar  würde  oder  eine  wichtige 
Belegstelle  nicht  einfiele.  Wenn  aber  doch  disputirt  werden  müsse, 
60  sei  ein  Ankläger  gar  nicht  nothwendig,  da  Abaelard's  Lehren 
ja  offipn  lägen,  und  selbst  wenn  doch  ein  Ankläger  gefordert  würde, 
könne  das  mancher  der  Bischöfe  vielleicht  besser  sein  als  er  und 
sollte  es  eher  sein  als  er;  denn  die  Bischöfe  hätten  die  Sache 
des  Glaubens  in  ihren  Diöcesen  zu  überwachen,  er,  der  Abt  und 
Mönch,  nur  die  Angelegenheiten  seines  Klosters  oder  höchstens  die 


406  Wilhelm  Meyer, 

seines  Ordens.  Diese  Gründe  sind  dorchans  achtbar.  Ja,  Bern- 
hard hatte  vielleicht  noch  einen  andern  Grnnd.  Sein  Ansehen 
war  schon  damals  beim  Volk  und  bei  den  Geistlichen  ein  sehr 
hohes  und  er  selbst  war  sich  dessen  bewußt.  Wollte  er  wirklich 
Abaelard  verderben,  so  konnte  er  das  viel  sicherer,  wenn  er  auf 
der  Synode  gegen  ihn  auftrat.  Wenn  ich  nun  behauptete,  Bern- 
hard habe  eben  nicht  durch  das  Gewicht  seiner  Persönlichkeit  und 
Beredsamkeit  das  Urtheil  der  Richter  beeinflussen  wollen,  was 
könnten  die,  welche  ihm  jetzt  Feigheit  vorwerfen,  dagegen  sagen? 

Abaelard  deutete  Bernhard's  Weigerung  als  Feigheit  und  gab, 
seiner  Eitelkeit  folgend,  diese  Ansicht  in  triumphirenden  Worten 
kund.  Da  sich  anderseits  Niemand  fand,  der  bei  der  Synode  gegen 
Abaelard  auftreten  wollte,  so  mußte  Bernhard  doch  sich  ent- 
schließen, selbst  auf  der  Synode  zu  erscheinen. 

Was  Bernhard  auf  der  Synode  gethan  hat,  das  ist  von  Man- 
chen mehr  oder  weniger  scharf  als  ungerecht  oder  hinterlistig 
verurtheilt  worden.  Ich  will  deßhalb  zuerst  kurz  die  Thatsachen 
erzählen,  dann  die  Motive  prüfen. 

Am  2.  Juni  1140  hatten  sich  beim  Erzbischof  in  Sens  von 
den  ihm  untergebenen  Bischöfen  die  von  Chartres,  Orleans,  Auxerre, 
Troyes  und  Meaux  (sie  unterzeichnen  den  Bericht  an  den  Pabst, 
Migne  182  Sp.  540),  von  ferner  stehenden  Bischöfen  der  Erzbischof 
von  Reims  mit  seinen  Suffraganen  von  Soissons,  Chalons  und  Arras 
(sie  unterzeichnen  das  Gutachten  bei  Migne  182  Sp.  357)  einge- 
funden; es  war  Bernhard  erschienen,  und  Abaelard  mit  vielen 
Schülern.  Am  Sonntag  Morgen  predigte  Bernhard  und  forderte 
das  Volk  auf,  für  einen  Verirrten  zu  beten;  dann  besahen  und 
verehrten  die  Prälaten  mit  dem  König  Ludwig  VII.  die  Reliquien. 
Nachmittags,  wohl  im  Anschlüsse  an  die  Mahlzeit,  saß  Bernhard 
mit  den  Kirchenfürsten  zusammen;  er  trug  ihnen  die  Irrlehren 
vor,  welche  er  in  Abaelard's  Theologia  gefunden  zu  haben  meinte, 
wies  die  Belegstellen  aus  Abaelard  nach  und  führte  anderseits 
Stellen  der  Bibel  und  der  Kirchenväter  an,  durch  welche  diese 
Sätze  als  falsch  erwiesen  werden  sollten.  Ueber  all  dies  wurde 
verhandelt,  wohl  geändert  zugesetzt  und  weggelassen.  So  ver- 
einigten sich  die  Anwesenden  über  die  Grundlagen  der  morgigen 
Verhandlung,  d.  h.  über  eine  Anzahl  von  Sätzen ,  die  sie  in  Abae- 
lard's Schriften  zu  finden  glaubten,  die  ihnen  aber  gegen  di^este 
Lehre  der  Kirche  zu  verstoßen  schienen. 

Am  Montag  dem  3.  Juni  1140  versammelten  sich  die  genannten 
Bischöfe;  es  waren  zugegen  der  König  und  der  Graf  Wilhelm 
von  Nevers  (nach  Otto's  von  Freising,    Gesta  Friderici  I  48,  un- 


die  Anklages&tze  des  h.  fiernhard  gegen  Abaelard.  407 

wahrscheinlicher  Angabe  auch  der  Graf  Theobald  von  der  Cham- 
pagne), außerdem  hohe  und  niedere  Geistliche  und  Gelehrte  in 
Menge.  Zuerst  predigte  ein  Bischof.  Dann  begann  die  Verhand- 
lung. Bernhard  ließ  die  Sätze  verlesen,  wegen  deren  Abaelard 
sich  rechtfertigen  sollte.  Die  Verhandlung  mußte  sich  voraus- 
sichtlich auf  mehreren  Stufen  bewegen.  Zuerst  mußte  Abaelard 
zugestehen,  daß  der  vorgelegte  Satz  überhaupt  seine  ausgesprochene 
Meinung  treffe.  Das  konnte  er  in  mehreren  FäUen  nicht  ohne 
Aussicht  in  Abrede  stellen.  Entschieden  dann  die  Bischöfe,  daß 
die  Formulirung  nicht  den  Worten  Abaelard*s  entspreche,  so  fiel 
dieser  Anklagesatz  weg;  andernfalls  war  er  mit  den  übrigen, 
deren  richtige  Formulirung  von  Abaelard  nicht  bestritten  wurde, 
nun  weiter  zu  behandeln.  In  dieser  Hauptverhandlung  mußte 
^  darüber  verhandelt  werden,  ob  die  Sätze  von  Abaelard  aus  Bibel 

A  und  Kirchenvätern   zu   rechtfertigen   seien.     Wenn   das  nach  dem 

•  Urtheil  der  Bischöfe  Abaelard  nicht  gelang,  so  mußte  er  entweder 

■  sie  widerrufen   oder,    wenn    er    halsstarrig  blieb,    wurde  er  und 

9  seine  Sätze  wegen  Ketzerei  verdammt. 

Auf  diese  Verhandlungen  aber  ließ  Abaelard  sich  nicht  ein. 
Nach  Verlesung  der  beanstandeten  Sätze  erhob  er  sich  und  appel- 
lirte  an  den  Pabst,  zum  größten  Erstaunen  seiner  Freunde  wie 
seiner  Gegner.  Die  Bischöfe  faßten  sich  aber  bald.  Da  Abae- 
lard appellirt  hatte,  ließen  sie  eine  Verhandlung  gegen  ihn  selbst 
bei  Seite.  Da  aber  die  gegen  ihn  formulirten  Sätze  in  ihren 
Diöcesen  schriftlich  und  mündlich  weit  verbreitete  Ansichten 
wieder  gaben,  so  verhandelten  sie  über  diese  Sätze  an  und  für 
sich  und  verdammten  dieselben  zuletzt  als  ketzerisch.  Dann  ver- 
faßten der  Erzbischof  von  Sens  und  seine  Suffraganen  einen  aus- 
führlichen Bericht  an  den  Pabst  (Brief  337,  Migne  182  Sp.  540), 
für  den  Erzbischof  von  Reims  und  seine  Suffraganen  schrieb,  wie 
der  Stil  verräth,  Bernhard  einen  an  den  ersten  sieh  anlehnenden 
kurzen  Bericht  (Brief  191,  Migne  182  Sp.  357),  endlich  schrieb 
Bernhard  in  seinem  eigenen  Namen  eine  längere  Darstellung  an 
den  Pabst  (Brief  189,  Migne  182  Sp.  854).  Besonders  die  dazu 
am  meisten  veranlaßten  Bischöfe  der  Erzdiöcese  Sens  (Brief  337) 
stellen  den  Antrag,  daß  Abaelard's  Schriften  und  insbesondere 
die  in  jenen  Sätzen  formulirten  Lehren  verdammt  und  ihm 
Schweigen  auferlegt,  d.  h.  die  Erlaubniß  zu  Vorlesungen  und  zur 
Heransgabe  von  Schriften  entzogen  werde.  Der  Biograph  Bern- 
hardts Gottfried  berichtet  (Migne  185  Sp.  311),  nach  eingelegter 
Appellation  habe  Bernhard  dem  Abaelard  erklärt,  von  einer  Ver- 
urtheilung  seiner  Person  wolle  man  absehen,  er  solle  nur  die  be- 


402  Wilhelm  Meyer, 

beschäftigte,  begann  er  dann  in  einem  großen  dogmatischen  Werke, 
der  Theologia,  darzustellen.  Wie  er  wirkte,  das  können  wir  aus 
dem  schon  erwähnten  harmlosen  Briefe  sehen,  den  Walther,  Bischof 
zu  Laon,  an  Abaelard,  in  ziemlich  ruhigem  Tone  gerichtet  hat. 
Dessen  Geist  beunruhigten  eine  Reihe  wichtiger  dogmatischer 
Fragen:  allein  nur  wenige  hat  er  aus  Abaelard's  Mund  oder 
Schrift  kennen  gelernt,  die  meisten  aus  den  Reden  von  Hörern 
Abaelard's.  Nicht  sehr  übertrieben  sind  also  die  Schilderungen  in 
den  spätem  Streitschriften  gegen  Abaelard,  daß  seine  Schriften 
diesseits  der  Alpen  weit  verbreitet,  ja  sogar  nach  Rom  in  die 
Hände  der  Kardinäle  gedrungen  seien;  daß  in  Frankreich  nicht 
nur  Gebildete,  sondern  auch  unreife  Jünglinge  an  den  Straßen- 
ecken über  die  von  Abaelard  aufgeworfenen  Glaubensfragen  dis- 
putirten. 

(Abt  Wilhelm)  Die  auffallenden  Wirkungen  der  Lehre 
und  Schrift  Abaelard's  besprach  vielleicht  Bernhard  bei  einer 
Zusammenkunft  mit  Wilhelm,  dem  früheren  Abt  von  St.  Theode- 
ricus  in  Reims,  seinem  jetzigen  Ordensbruder.  Jedenfalls  hat 
derselbe  die  Sache  näher  studirt  und  hat  eine  Schrift  verfaßt, 
in  welcher  er  die  in  Abaelard's  Theologia  enthaltenen  Irrlehren 
darlegen  und  widerlegen  will,  zuletzt  gedruckt  im  Migne's  Cursus 
Patrologiae  180  Sp.  249—282.  Er  hat  allerdings  2  Schriften  be- 
nützt *duo  erant  libelli  idem  pene  continentes,  nisi  quod  in  altero 
plus,  in  altero  minus  aliquanto  iuveniretur*.  In  früheren  Zeiten 
hat  man  gemeint  (so  schon  Martenc,  Migne  178  Sp.  1119),  das 
seien  die  Introductio  in  theologiam  und  die  Theologia  ehristiana 
Abaelard's  gewesen;  doch  Denifle  (im  Archiv  für  Litteratur-  und 
Kirchengeschichte  I  594)  erkennt  hierin  mit  weit  mehr  Recht 
1)  die  eigentliche  Theologia,  deren  Rest  in  der  sogenannten  Intro- 
ductio ad  theologiam  (Abaelardi  Opera  ed.  Cousin  II  S.  1—149, 
Migne  178  Sp.  979—1114)  zuerst  Goldhorn  in  einer  vortrefflichen 
Abhandlung,  Zeitschrift  für  historische  Theologie  18G6  S.  161— 
229,  nachgewiesen  hat,  und  2)  die  Sententiae,  welche  schon  Rhein- 
wald 1835  mit  dem  Titel  Epitome  Theologiae  christianae  heraus- 
gegeben hatte  (==  Migne  178  Sp.  1685),  die  aber  erst  Denifle's 
ergebnißr eiche  Arbeit  im  Archiv  I  S.  402—468  und  584 — 624  ins 
richtige  Licht  gestellt  hat.  Die  gefundenen  Irrlehren  behandelt 
Abt  Wilhelm  in  13  Abschnitten,  indem  er  für  eine  jede  zuerst 
aus  Abaelard  die  Belegstellen  anführt,  dann  dieselbe  widerlegt. 

Diesen  Traktat  schickte  er  mit  einem  Begleitbrief,  in  welchem 
die  13  Irrlehren  kurz  formulirt  aufgezählt  werden  (Migne  182 
Sp.  531/2),  sowohl  an  Bernhard  als  an  Gottfrid,  Bischof  in  Chartres, 


die  Anklages&tse  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  403 

und  forderte  beide  auf,  diese  Irrlehren  zu  bekämpfen,  welche 
nicht  nur  in  Frankreich,  sondern  schon  in  Rom  die  Geister  ver- 
wirrten. 

Diese  Schrift,  welche  natürlich  rasch  verbreitet  wurde,  hat 
Abt  Wilhelm,  wie  ich  nachher  wahrscheinlich  machen  will,  im 
Winter  1138/9  verfertigt  und  im  Frühjahr  1139  abgesendet.  Bern- 
hard (327.  Brief,  Migne  182  Sp.  533)  antwortet  vor  Ostern:  er 
habe  von  diesen  Dingen  bis  jetzt  fast  Nichts  gewußt  (er  war  ja 
in  Italien),  doch  seien  sie  offenbar  wichtig.  Allein  gerade  in 
solchen  Fragen  vertraue  er  nicht  viel  auf  sein  eigenes  Urtheil; 
deßhalb  wollten  sie  zusammen  kommen  und  gemeinsam  die  Sache 
besprechen,  aber  erst  nach  der  bevorstehenden  Osterzeit,  die  ja 
nicht  viel  Muße  zu  weltlichen  Angelegenheiten  übrig  lasse.  Wahr- . 
scheinlich  hat  dann  diese  Zusammenkunft  wirklich  stattgefunden: 
denn  Bernhard  hat  wirklich  den  Kampf  gegen  Abaelard  auf  sich 
genommen. 

Der  Kampf  gegen  Abaelard  wurde  im  Laufe  des  Som- 
mers 1139  begonnen.  Er  wurde  hauptsächlich  von  Bernhard  ge- 
führt. Von  Manchen  ist  sein  Verhalten  in  diesem  Kampfe  schwer 
getadelt  worden:  aus  Neid  soll  er  den  Kampf  begonnen  haben, 
seine  Handlungen  im  Kampfe  seien  öfter  durch  Furcht  vor  Abae- 
lard ,  öfter  durch  List  bestimmt  worden  und  seien  mindestens  bis 
an  die  Grenzen  des  rechtlich  Erlaubten  gegangen.  Das  ist  nicht 
nur  Bernhardts  unwürdig,  sondern  schon  im  Allgemeinen  unwahr- 
scheinlich, ja  falsch.  Ein  Mann,  dem  der  Pabst  sehr  Vieles  ver- 
dankte, der  dem  Kaiser,  seinem  Könige,  geistlichen  wie  weltlichen 
Machthabern  jeder  Art  gegenüber  getreten  ist ,  der  wie  kaum  ein 
Heiliger  verehrt  wurde  und  die  höchsten  kirchlichen  Aemter  aus- 
schlug, der  aber  alle  diese  Erfolge  nur  seinem  Geiste  und  seiner 
Beredsamkeit  verdankte,  brauchte  Abaelard  weder  um  sein  Talent 
noch  um  seinen  Erfolg  zu  beneiden  und  hatte  keine  Ursache  einen 
Mann  zu  fürchten,  der  ja  schon  früher  verurtheilt  und  gezwungen 
worden  war,  sein  eigenes  Buch  zu  verbrennen  (den  von  Stölzle 
1891  herausgegebenen  Tractatus  de  unitate  et  trinitate  divina). 
Den  Handlungen  eines  solchen  Mannes  darf  man  doch  nur  dann 
tadelnswerthe  Gründe  unterschieben,  wenn  das  klar  zu  beweisen  ist. 

Wir  dürfen  diesen  Streit  nicht  nach  unsern  heutigen  An- 
schauungen von  freier  Forschung  und  ähnlichen  Menschenrechten 
beurtheilen.  Damals  gab  es  nur  einen  Glauben  und  nur  eine 
Kirche,  welche  Abaelard  selbst  durchaus  anerkannte.  Aber  selbst 
freisinnige  Theologen  gestehen  zu,  daß  manche  Lehren  Abaelard's 
nicht  nur  die  damalige  Lehre  der  Kirche  verletzen,   sondern  auch 


410  Wilhelm  Meyer, 

die  heftigsten  Reden  gegen  oder  für  den  Angeklagten  halten  und 
stimmte  doch  zuletzt  als  Richter  ab.  Deßhalb  hatte  auch  Bern- 
hard früher  seine  Anwesenheit  für  überflüssig  erklärt;  jeder  der 
versammelten  Bischöfe  müsse  ja  an  Abaelard's  Schriften  Anstoß 
nehmen  und  könne  die  Sätze  darlegen,  welche  gegen  das  verstießen, 
was  er  als  Bischof  lehre  und  beschworen  habe.  Von  der  ganzen 
Synode  wurde  also  gegen  Abaolard  die  Forderung  erhoben  *du 
hast  durch  diese  und  jene  Lehren  unsern  Glauben  angegriiFen; 
rechtfertige  dich'. 

Abaelard's  unkluge  Taktik  und  die  Zaghaftigheit  der  Bischöfe 
brachte  es  dahin ,  daß  Bernhard  als  ihr  Wortführer  den  auf 
Abaelard  gefallenen  Verdacht  in  Worte  bringen  mußte.  Da  aber 
kam  ein  Grundsatz  Bernhardts  in  Wirksamkeit.  Deutsch  hat 
(S.  34)  mit  Recht  nachgewiesen,  daß  Bernhard  1148  in  Sachen 
Gilbert's  ganz  ähnlich  vorging  wie  1140  in  Sachen  Abaelard's; 
er  hat  sogar  bemerkt,  daß  Bernhard  in  diesen,  durch  8  Jahre 
getrennten  Fällen  ganz  ähnliche  Worte  zur  Begründung  seines 
Vorgehens  gebraucht.  Es  handelt  sich  darum,  daß  Bernhard  die 
schwierigen  dogmatischen  Thesen  vor  der  öffentlichen  Disputation 
mit  seinen  orthodoxen  Glaubensgenossen  erörtern  will.  Dies  Vor- 
gehen bezeichnet  Deutsch  als  Unrecht  und  meint  sogar,  erst  nach- 
dem Bernhard  diese  List  1140  sich  ausgedacht  hatte,  hätte  er  seine 
Weigerung  auf  dem  Concil  zu  erscheinen  fallen  lassen.  Nun 
citirt  Deutsch  ebenda  (S.  34)  den  Brief  Bernhard's  an  Abt  Wil- 
helm (Migne  182  Sp.  533  B)  ^quoniam  meo  iudicio  non  satis,  ut 
optime  nostis,  fidere  consuevi  praesertim  in  tam  magnis  rebus, 
operae  pretium  puto  con-siderata  opportunitate  me  atque  vos  pariter 
alicubi  convenire  et  conferre  de  omnibus'.  Das  ist  genau  der 
Grundsatz,  den  Bernhard  später  ausspricht  und  befolgt.  Aber 
wann  ist  jener  Brief  geschrieben?  Lange  vorher,  ehe  von  der 
Verhandlung  in  Sens  oder  überhaupt  von  einer  Verhandluüg  gegen 
Abaelard  die  Rede  war.  Damit  fällt  zunächst  der  von  Deutsch 
ausgesprochene  Verdacht. 

Nehmen  wir  aber  diese  Aeußerungen  mit  denen  zusammen, 
mit  welchen  er  seine  Weigerung  persönlich  in  Sens  zu  erscheinen 
dem  Pabst  gegenüber  begründet  hat  (oben  S.  405),  so  ergiebt  sich 
ein  vernünftiger  Zusammenhang.  Bernhard,  welcher  der  mensch- 
lichen Vernunft  nicht  Alles  zutraute ,  war  in  dogmatischen  Er- 
örterungen nicht  sehr  geübt  und  war  ihnen  nicht  sehr  zugethan, 
nicht  den  schriftlichen,  aber  noch  weit  weniger  den  mündlichen, 
wobei  so  viele  Zufälle  die  Wahrheit  in  Schatten  stellen  konnten. 
Doch  wußte  er   wohl,   daß  solche  Verhandlungen  nicht  immer  zu 


die  Anklages&txe  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  411 

vermeiden  seien,  und  das  größte  Beispiel,  die  Concilversammlungen, 
bewies  ihm,  daß  dieselben  doch  oft  die  Wahrheit  förderten.  Bei 
dem  geringen  Vertrauen,  das  er  solchen  schwierigen  Fragen  gegen- 
über auf  einen  Einzelnen  und  gerade  aach  auf  sich  selbst  setzte, 
hatte  er  sich  zum  Grundsatz  gemacht,  solche  dogmatischen  Streit- 
fragen vorher  mit  Andern  durchzusprechen  und  sich  auf  diesem 
Wege  eine  Ansicht  zu  bilden.  Diesen  Grundsatz  spricht  sein 
Brief  an  Abt  Wilhelm  klar  aus,  dieser  Grundsatz  erklärt  die  von 
Bernhard  veranstalteten  Vorbesprechungen  in  Sachen  Bernhardts 
114U  und  Gilbert's  1148,  und  ich  würde  mich  nicht  wundern, 
wenn  derselbe  Grundsatz  aus  Bernhardts  Briefen  oder  Handlungen 
noch  öfters  nachgewiesen  würde. 

Dieser  Grundsatz  ist  an  und  für  sich  ehrlich  und  für  Bern- 
hard ehrenvoll.  Nun  könnte  aber  doch  die  strenge  Befolgung  des 
Grundsatzes  bei  den  besonderen  Verhältnissen  des  Falles  'Abaelard* 
Bernhard  zu  einer  nicht  ganz  correcten  Handlung  verführt  haben. 
Doch  erwägen  wir  die  oben  geschilderte  Lage:  nicht  i»t  Bern- 
hard von  Abaelard  wegen  Beleidigung  verklagt,  nicht  i^t  Abaelard 
angeklagt,  diese  oder  jene  religiöse  Ueberzeugung  Bernhardts 
verletzt  zu  haben ,  sondern  Abaelard  soll  vor  den  Vertretern  der 
Kirche  nachweisen,  daß  er  nicht  die  Lehre  der  Kirche  durch  seine 
eigenen  Lehren  verwirrt  oder  geleugnet  hat.  Nun  muß  aber  der 
Angeklagte  wissen,  worüber  er  sich  rechtfertigen  soll;  sonst  ist 
die  Verhandlung  ja  uferlos.  Deßhalb  muß  der  Gerichtshof  dem 
Angeklagten  die  Sätze  vorlegen,  über  die  er  sich  erklären  soll. 
Diese  Sätze  müssen  möglichst  sorgfältig  gefaßt  sein,  und  es  kommt 
dabei  auf  2  Dinge  an,  1)  daß  die  Sätze  wirklich  die  Ansichten 
des  Angeklagten  wieder  geben,  2)  daß  sie  wirklich  die  anerkannte 
kirchliche  Lehre  verletzen.  All  das  kann  in  beliebigen  Vorver- 
handlungen, schriftlichen  oder  mündlichen,  ohne  Beisein  des  An- 
geklagten, bereinigt  werden.  Am  Gerichtstage  vertheidigt  sich 
dann  der  Angeklagte  gegen  die  vorgelegten  Sätze ;  wie  diese  die 
Anklage  des  Gerichtshofes  selbst  darstellen,  so  kann  auch  bei 
der  entstehenden  Discussion  jedes  Mitglied  des  Gerichtshofes  den 
Angeklagten  bekämpfen  oder  schützen.  Tauchten  hierbei  neue 
Irrlehren  des  Angeklagten  auf,  so  konnten  sie  den  früher  for- 
mnlirten  zugefügt  werden, 

Bernhard  klagte  nicht  auf  eigene  Faust  den  Abaelard  an; 
nur  gezwungen  hatte  er  es  übernommen,  zunächst  die  nothwendigen 
Anklagesätze  zu  formuliren;  ich  werde  später  zeigen,  wie  ge- 
wissenhaft er  schon  bei  dem  Entwurf  dieser  Anklagesätze  die 
geistige  Arbeit  Anderer   zu  Hilfe  genommen  bat  und   durchaus 


412  Wilhelm  Meyer, 

nicht  seiner  Meinung  allein  gefolgt  ist.  Allein  er  wollte,  wie  das 
in  der  Natar  der  Sache  lag  und  wohl  in  der  Regel  geschah,  den 
Entwurf  von  den  übrigen  Mitgliedern  des  Gerichtshofes  durchbe- 
rathen  und  gutgeheißen  sehen.  Das  geschah  in  jener  Verhandlung 
am  Sonntag  Nachmittage.  Sodann  lag  es  in  der  von  Bernhard 
übernommenen  Aufgabe,  in  der  wirklichen  Synodal  Verhandlung  an 
erster  Stelle  die  Anklagesätze  als  Irrlehren  zu  überführen ,  d.  h. 
trocken  gesagt,  mit  Nachdenken  und  Belegstellen  mehr  als  die 
Andern  sich  im  Voraus  zu  rüsten  für  die  Disputation.  Von 
der  ungern  übernommenen  Aufgabe  brauchte  Bernhard  in  Sens 
nur  den  ersten  Theil  zu  lösen:  d.  h.  er  hat  die  Anklagesätze  zu- 
sammengestellt und  sie  mit  den  Bischöfen  durchberathen.  Damit 
hat  er  nach  meiner  Ansicht  nicht  nur  kein  Unrecht  begangen, 
sondern  er  hat  vielleicht  nicht  anders  vorgehen  dürfen:  jedenfalls 
hat  er  ehrlich  gehandelt. 

Deutsch  postulirt  nun  (S.  25  und  36)  diese  Vorverhandlung  sei 
geheim  gewesen.  Woher  weiß  er  das?  Bernhardts  schärfster 
Gegner  Berengar  beschreibt  ausführlich  diese  Versammlung;  sein 
Bild  wäre  noch  greller  geworden,  wenn  diese  Versammlung  eine 
geheime  war:  er  sagt  Nichts  davon.  Und  vielleicht  schon  am 
nächsten  Tag  nach  der  Synode  verfassen  der  Erzbischof  von  Reims 
und  seine  Suffragane  den  officieUen  Bericht  an  den  Pabst:  da 
sprechen  sie  offen  von  dieser  Versammlung.  Sie  war  also  zwar 
natürlich  auf  die  Prälaten  beschränkt,  sie  war  aber  kein  Geheimniß, 
und  Abaelard  kann  nicht  durch  den  Schrecken  über  diese  Nachricht 
zu  seiner  übereilten  Appellation  veranlaßt  worden  sein,  wie  Deutsch 
als  Krönung  seiner  Hypothese  annimmt.  Diese  Bestürzung  Abae- 
lard's  ist  einfacher  zu  verstehen.  Abaelard  befand  sich  in  einer 
unnatürlichen  Lage.  Entweder  hätte  er  weiter  gehen  müssen  als 
er  gegangen  war  oder  nicht  so  weit.  Allein  die  vielen  kecken 
und  auffallenden  Glaubenslehren  auszusprechen  und  Männer  wie 
Bernhard  scharf  anzugreifen  und  dann  wieder  sich  für  den  treuen, 
gläubigen  Sohn  der  Kirche  zu  erklären  und  den  Erzbischof  von 
Sens  als  Glaubensrichter  über  sich  anzurufen,  das  waren  wider- 
spruchsvolle Handlungen.  In  der  Mitte  seiner  Schüler,  im  Voll- 
gefühl seines  an  sich  reinen  Strebens  war  es  ihm  selbstverständlich 
erschienen,  daß  er  alle  Schwirigkeiten  überwinden  und  Bern- 
hard zu  Schanden  machen  werde.  Hier  in  der  glänzenden  Ver- 
sammlung kam  seinem  scharfen  Sinne  plötzlich  ein  dunkles  Gefühl 
von  den  wirklichen  Verhältnissen  und  von  der  drohenden  Grefahr, 
daß  es  gehen  könne,  wie  vor  20  Jahren  im  Soissons.  Ein  Held  der 
That  war  Abaelard  nicht  und  so  that  er  diesen  auffallenden  Schritt 


die  Anklages&tze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard«  413 

(Nach  der  Synode  von  Sens).  Abaelard  hatte  von  der 
Synode  in  Sens  an  den  Pabst  appellirt.  Es  mußte  also  von  beiden 
Theilen  an  denselben  berichtet  werden.  Bernhard  und  Genossen 
haben  dies,  wie  oben  gesagt,  in  3  Schreiben  (Brief  337  191  und 
189)  gethan;  dazu  fügte  Bernhard  noch  eine  Reihe  von  Schreiben 
an  die  ihm  bekannten  Kardinäle,  um  sie  für  die  Sache  zu  interes- 
siren  (Brief  192  193  331—336  und  338  ^).  Welche  Schriftstücke 
Abaelard  nach  Rom  geschickt  hat,  wissen  wir  nicht.  Ziemlich 
sicher  hat  er  sehr  bald  die  Apologia  verfaßt,  aus  der  uns  nur 
Citate  erhalten  sind  durch  einen  Unbekannten,  der  alsbald  eine 
ausführliche  gelehrte  Widerlegung  in  3  Büchern  schrieb  (Migne 
180  Sp.  283 — 332).  In  der  Apologia  hat,  nach  meiner  Ansicht, 
Abaelard  die  von  Bernhard  formulirten  Anklagesätze  bekämpft ; 
nach  den  Angaben  des  Anonymus  hat  er  daselbst  Bernhard  seinen 
Criminator  und  die  Anklagesätze  eine  Fälschung  desselben  genannt 
und  die  Sätze  einzeln  bekämpft.  Wenn  der  von  Otto  von  Frei- 
sing (Gesta  Friderici  I  49)  citirte  Anfang  wirklich  der  Anfang 
dieser  Apologia  ist,  dann  war  sie  nicht  an  den  Pabst  adressirt. 
Sonst  wäre  das  Schriftstück  dazu  geeignet  gewesen.  In  derselben 
Zeit  mag  auch  der  Brief  an  Heloise  geschrieben  sein  mit  der  von 
Berengar  (Migne  178  Sp.  376)  mitgetheüten  Stelle,  in  der  Abaelard 
mit  schönen  Worten  seine  volle  Rechtgläubigkeit  bezeugt. 

Mit  der  Ausarbeitung  dieser  Apologia  hatte  sich  Abaelard 
wohl  aufgehalten.  Dann  machte  er  sich  auf  den  Weg  nach  Rom. 
Doch  die  Schritte  Bernhardts  und  seiner  Genossen  wirkten ;  'statim 


1)  Den  ganzen  Pack  lieB  Bernhard  durch  seinen  Vertraaten  Nico  laus 
nach  Rom  bringen.  DeBbalb  fügt  Bernhard  an  den  8cbluB  einiger  Briefe  uralte 
and  höchst  natürliche  Phrasen.  Schon  die  Ostgothenkönige  schlieBen  die  Schreiben, 
die  sie  ihren  Gesandten  mitgeben,  mit  Phrasen  wie  *per  legatos  verbo  robis 
aliqna  dicenda  mandamns'.  Wenn  nun  Bernhard  seine  Briefe  schlieBt:  Brief  189 
quod  melius  Nicolaus  iste  mens  imo  et  bester  viva  referet  voce,  oder  Brief  838 
cetera  autem  quae  vidit  et  audivit  Nicolaus  iste  meus,  imo  et  vester,  viva  melius 
referet  voce,  oder  Brief  SSO  in  der  Berliner  Handschrift  (Meerman  181  Bl.  144) 
*qaod  melius  Nicholaus  iste  mens  immo  et  bester  viva  referet  voce,  non  solum 
hoc  sed  et  omnia  cetera  intimare  Tobis  latius  poterit,  sicut  plenius  novit,  oder 
Brief  886  cetera  praesentium  lator  latius  ezplicabit,  so  sollte  man  doch  hieraus 
und  aus  dem  Umstände,  daB  Nicolaus  später  Spitzbubenstreiche  beging,  nicht 
wie  ein  schlechter  Staatsanwalt  schlieBen  wollen,  daB  etwa  der  Meister  des  Dieners 
würdig  war,  daB  (Deutsch  S.  41)  'Bernhard  nicht  alles,  was  er  tu  sagen  hatte, 
dem  Pergament  anzuvertrauen  wagte*  und  'daB  er  die  Wahl  des  Ueberbringers, 
dem  eine  wichtige  Rolle  in  der  Führung  der  ganzen  Sache  zugefallen  war,  für 
die  Erreichung  seines  Zweckes  glücklich  getroffen  hatte'.  Das  ist  keine  histo* 
risebe  Kritik  mehr,  sondern  zum  mindesten  Hyperkritik. 


414  Wilhelm  Meyet, 

a  Romana  sede  literae  danmationis  in  Fetrom  per  Grallicanam 
ecclesiam  volaverunt'  sagt  Berengar,  Bernhardts  Feind.  In  2 
Schreiben  des  Pabstes  wird  das  Verlangen  der  Synodalmitglieder 
(Migne  182  Sp.  542  C)  vom  Pabst  durchaus  erfüllt,  Abaelard's 
Schriften  und  Lehren  verdammt  und  ihm  ewiges  Schweigen  auf- 
erlegt, ja  er  zur  Haft  in  einem  Kloster  verurtheilt.  Beide  Schreiben 
sind  vom  18.  und  17.  Tag  *ante  Kai.  Augusti*  datirt  (in  der 
Ausgabe  des  Abaelard  von  1616  S.  301;  bei  Otto  von  Freising, 
Gesta  Friderici  I  49  vom  12.  Kai.  Augusti).     Vgl.  S.  434/5. 

Wenn  dieses  Monatsdatum  richtig  ist,  und  wir  dann  den 
Worten  Berengar' s  folgend  annehmen,  der  Spruch  des  Pabstes  sei 
statim,  also  sicherlich  nicht  nach  einem  Jahre,  erfolgt,  so  müßte 
der  Spruch  allerdings  in  der  auffallend  kurzen  Frist  von  5  Wochen 
erfolgt  sein.  In  dieser  Zeit  könnte  kaum  die  Apologia  von  Abae- 
lard verfaßt  und  nach  Rom  gebracht  sein.  Der  Pabst  spricht 
auch  in  der  Bulle  nur  von  den  Schriftstücken  Bernhardts  und 
seiner  Grenossen,  nicht  von  solchen  Abaelard's.  Deßhalb  sagt  Be- 
rengar :  damnatur ,  proh  dolor ,  absens  inauditus  et  inconvictus. 
Da  die  Schriften  Abaelard's  angeklagt  wurden  und  in  Rom  vor- 
lagen, so  war  die  persönliche  Anwesenheit  Abaelard's  ebenso 
wenig  nothwendig  als  die  Bernhard' s  und  seiner  Genossen. 

Bald  nach  der  Verurtheilung  Abaelard's  durch  den  Pabst 
schrieb  Abaelard's  Schüler  Berengar  den  Apologeticus  (Migne 
178  Sp.  1857—1870).  Im  1.  Theile  wiU  er  in  burleskem  Tone 
nachweisen,  wie  unedel  Bernhard  überhaupt  gegen  Abaelard  ge- 
handelt habe,  dann  wie  Bernhard  selbst  sich  schon  schwere  Ver- 
stöße gegen  die  richtige  Lehre  habe  zu  Schulden  kommen  lassen. 
In  einem  2.  Theil  wollte  er  dann  gegenüber  den  einzelnen  der 
von  Bernhard  zusammengestellten  Anklagesätze  nachweisen  (wie 
dies  Abaelard  in  der  Confessio  und  wohl  vorher  in  der  Apologia 
versucht  hat) :  ^quae  dixerit  Abaelardus  et  quae  non  dixerit ,  et 
quam  catholica  mente  ea  quae  dixerit  senserit'.  Dieses  2.  Buch 
hat  Berengar  nicht  geschrieben,  weil  er  inzwischen  eingesehen  hat, 
daß  jene  Angklagesätze  ziemlich  das  Richtige  getroffen  hatten. 
Dazu  hatte  ihn  wohl  weniger  eigene  Einsicht  (denn  solche  Hitzkopfe 
belehren  sich  nicht  leicht  selbst),  als  vielmehr  Abaelard's  Ver- 
halten gebracht. 

Abaelard  hatte  sich  auf  den  Weg  nach  Rom  gemacht  und 
war  in  das  Kloster  Cluny  gekommen.  Dort  von  dem  weisen  Abte 
Petrus  (Venerabilis)  freundlich  aufgenommen  hat  er  wahrscheinlich 
die  Kunde  von  seiner  Verdammung  durch  den  Pabst  erhalten. 
Dessen  thut  freilich  ein  Brief  des  klugen  Abtes  au  den   Pabst 


die  Aoklages&tze  des  b.  Bernhard  gegen  Abaelard.  415 

keine  Erwähnang;  doch  er  erzählt,  daß  Abaelard  durch  Yer- 
mittlong  Anderer  mit  Bernhard  eine  Zusammenknnft  hatte  und  bei 
der  Rückkehr  berichtete,  er  habe  die  früheren  Uneinigkeiten  bei- 
gelegt and  sich  mit  Bernhard  vertragen;  jetzt  wolle  er  für  immer 
in  Clnny  bleiben.  Das  hat  der  Pabst  gestattet  und  in  einem 
Filialkloster  ist  Abaelard  bald,  am  21.  April  1142,  gestorben. 
Jedenfalls  war  in  Cluny  ein  starker  Sinneswechsel  bei  Abaelard 
eingetreten.  Er  hatte  geleistet,  was  er  mit  seinem  Gei^^te  hat 
leisten  können  in  den  Verhältnissen  seiner  Zeit  and  in  den  An- 
schaaangen,  in  welchen  er  selbst  befangen  war.  Za  weiterem 
Kampfe  hätten  viel  freiere  Anschaaongen  von  den  Grandlagen 
des  christlichen  Glanbens  oder  größerer  Mannesmath  gehört  als 
Abaelard  ihn  besaß.  Er  fügte  sich  in  sein  Geschick  and  warde 
stilL  In  die  Zeit  des  Uebergangs  in  diese  Stimmang  fällt  die 
Abfassang  der  Confessio  fidei  (Migne  178  Sp.  107).  Sie  ist 
gerichtet  gegen  die  von  Bernhard  zusammengestellten  Anklage- 
sätze. Freilich  nennt  er  Bernhard  nicht  and  bezeichnet  ihn  nar 
ironisch  mit  amicas  noster,  and  freilich  nennt  er  die  Anklagesätze 
'per  malitiam  vel  per  ignorantiam  prolata';  doch  in  den  Ant- 
worten aaf  die  einzelnen  Sätze  zeigt  sich  nicht  mehr  der  alte  Abae- 
lard: einzelne  leagnet  er  gänzlich  ab,  aber  bei  den  meisten  wider- 
spricht er  entweder  seinen  frühern  Worten  oder  er  spielt  Versteck. 

Ehe  ich  zwei  Einzelfragen,  die  Zeit  der  Streitschriften  and 
die  Anklagesätze  Bernhardts  gegen  Abaelard,  behandle,  will  ich 
eine  Uebersicht  über  die  von  mir  benützten  Qa eilen  and  neaeren 
Darstellangen  geben. 

Die  aaf  diesen  Streit  bezüglichen  Schriftstücke  sind  zameist 
in  Abaelard's  and  Bernhardts  Werken,  za  finden.  Abaelard's 
Werke  benätzte  ich  in  der  Aasgabe  des  Franciscns  Amboesius 
Paris  1616  oder  Victor  Coasin  Paris  Band  I  1849  Band  U  1859, 
mehr  in  dem  Dracke  bei  Migne  Patrologia  Band  178  Paris  1856. 
Bernhardts  Schriften  benützte  ich  in  dem  Abdrack  der  Mabil- 
lon'schen  Aasgabe  in  Aligne's  Patrologie  Bd.  182  ffl.  In  Be- 
tracht kommen  besonders:  Walther,  Bischof  za  Laon,  Brief  an 
Abaelard,  gedr.  in  Veternm  aliqaot  scriptoram  .  .  Spicilegiam, 
opera  L.  Dacherii,  11  Paris  1657  S.  473  —  479;  hier  werden 
etliche  Fragen  antersacht.  Wilhelm,  der  frühere  Abt  des 
Klosters  S.  Theoderici  in  Reims,  damals  Ordensbrnder  des  Bern- 
hard in  Signy,  schrieb  einen  längeren  Tracfaiy  in  welchem  in 
13  Abschnitten  ebenso  viele  Irrlehren  des  Abaelard  zunächst  mit 
Belegstellen   aas  dessen   Theologia  nachgewiesen    and  dann  mit 

28* 


406  Wilbelm  Meyer, 

seines  Ordens.  Diese  Gründe  sind  durchaus  achtbar.  Ja,  Bern- 
hard hatte  vielleicht  noch  einen  andern  Grund.  Sein  Ansehen 
war  schon  damals  beim  Volk  und  bei  den  Geistlichen  ein  sehr 
hohes  und  er  selbst  war  sich  dessen  bewußt.  Wollte  er  wirklich 
Abaelard  verderben,  so  konnte  er  das  viel  sicherer,  wenn  er  auf 
der  Sjmode  gegen  ihn  auftrat.  Wenn  ich  nun  behauptete,  Bern- 
hard habe  eben  nicht  durch  das  Gewicht  seiner  Persönlichkeit  und 
Beredsamkeit  das  Urtheil  der  Richter  beeinflussen  wollen,  was 
könnten  die,  welche  ihm  jetzt  Feigheit  vorwerfen,  dagegen  sagen? 

Abaelard  deutete  Bernhard's  Weigerung  als  Feigheit  und  gab, 
seiner  Eitelkeit  folgend,  diese  Ansicht  in  triumphirenden  Worten 
kund.  Da  sich  anderseits  Niemand  fand,  der  bei  der  Synode  gegen 
Abaelard  auftreten  wollte,  so  mußte  Bernhard  doch  sich  ent- 
schließen, selbst  auf  der  Synode  zu  erscheinen. 

Was  Bernhard  auf  der  Synode  gethan  hat,  das  ist  von  Man- 
chen mehr  oder  weniger  scharf  als  ungerecht  oder  hinterlistig 
verurtheilt  worden.  Ich  will  deßhalb  zuerst  kurz  die  Thatsachen 
erzählen,  dann  die  Motive  prüfen. 

Am  2.  Juni  1140  hatten  sich  beim  Erzbischof  in  Sens  von 
den  ihm  untergebenen  Bischöfen  die  von  Chartres,  Orleans,  Auxerre, 
Troyes  und  Meaux  (sie  unterzeichnen  den  Bericht  an  den  Pabst, 
Migne  182  Sp.  540),  von  ferner  stehenden  Bischöfen  der  Erzbischof 
von  Reims  mit  seinen  Snffraganen  von  Soissons,  Chalons  und  Arras 
(sie  unterzeichnen  das  Gutachten  bei  Migne  182  Sp.  357)  einge- 
funden; es  war  Bernhard  erschienen,  und  Abaelard  mit  vielen 
Schülern.  Am  Sonntag  Morgen  predigte  Bernhard  und  forderte 
das  Volk  auf,  für  einen  Verirrten  zu  beten;  dann  besahen  und 
verehrten  die  Prälaten  mit  dem  König  Ludwig  VII.  die  Reliquien. 
Nachmittags,  wohl  im  Anschlüsse  an  die  Mahlzeit,  saß  Bernhard 
mit  den  Kirchenfürsten  zusammen;  er  trug  ihnen  die  Irrlehren 
vor,  welche  er  in  Abaelard*s  Theologia  gefunden  zu  haben  meinte, 
wies  die  Belegstellen  aus  Abaelard  nach  und  führte  anderseits 
Stellen  der  Bibel  und  der  Kirchenväter  an,  durch  welche  diese 
Sätze  als  falsch  erwiesen  werden  sollten.  lieber  all  dies  wurde 
verhandelt,  wohl  geändert  zugesetzt  und  weggelassen.  So  ver- 
einigten sich  die  Anwesenden  über  die  Grundlagen  der  morgigen 
Verhandlung,  d.  h.  über  eine  Anzahl  von  Sätzen,  die  sie  in  Abae- 
lard*s  Schriften  zu  finden  glaubten,  die  ihnen  aber  gegen  di^feste 
Lehre  der  Kirche  zu  verstoßen  schienen. 

Am  Montag  dem  3.  Juni  1140  versammelten  sich  die  genannten 
Bischöfe;  es  waren  zugegen  der  König  und  der  Graf  Wilhelm 
von  Nevers  (nach  Otto's  von  Freising,    Gesta  Friderici  I  48,  un- 


f 


die  Anklages&tse  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard. 


407 


wahrsc 
pagne) , 
Menge, 
lung.    Be 
sieh   rech 


eher  Angabe  auch  der  Graf  Theobald  von  der  Cham- 
erdem  hohe  und  niedere  Geistliche  und  Gelehrte  in 
rst  predigte  ein  Bischof.  Dann  begann  die  Verhand- 
ard ließ  die  Sätze  verlesen,  wegen  deren  Abaelard 
rtigen  sollte.  Die  Verhandlung  mußte  sich  voraus- 
sichtlich^uf  mehreren  Stufen  bewegen.  Zuerst  mußte  Abaelard 
zugeg^nen,  daß  der  vorgelegte  Satz  überhaupt  seine  ausgesprochene 
g  treflPe.  Das  konnte  er  in  mehreren  Fällen  nicht  ohne 
ussicht  in  Abrede  stellen.  Entschieden  dann  die  Bischöfe,  daß 
die  Formulirung  nicht  den  Worten  Abaelard's  entspreche,  so  fiel 
dieser  Anklagesatz  weg;  andernfalls  war  er  mit  den  übrigen, 
deren  richtige  Formulirung  von  Abaelard  nicht  bestritten  wurde, 
nun  weiter  zu  behandeln.  In  dieser  Hauptverhandlung  mußte 
darüber  verhandelt  werden,  ob  die  Sätze  von  Abaelard  aus  Bibel 
und  Kirchenvätern  zu  rechtfertigen  seien.  Wenn  das  nach  dem 
Urtheil  der  Bischöfe  Abaelard  nicht  gelang,  so  mußte  er  entweder 
sie  widerrufen  oder,  wenn  er  halsstarrig  blieb,  wurde  er  und 
seine  Sätze  wegen  Ketzerei  verdammt. 

Auf  diese  Verhandlungen  aber  ließ  Abaelard  sich  nicht  ein. 
Nach  Verlesung  der  beanstandeten  Sätze  erhob  er  sich  und  appel- 
lirte  an  den  Pabst,  zum  größten  Erstaunen  seiner  Freunde  wie 
seiner  Gegner.  Die  Bischöfe  faßten  sich  aber  bald.  Da  Abae- 
lard appellirt  hatte ,  ließen  sie  eine  Verhandlung  gegen  ihn  selbst 
bei  Seite.  Da  aber  die  gegen  ihn  formulirten  Sätze  in  ihren 
Diöcesen  schriftlich  und  mündlich  weit  verbreitete  Ansichten 
wieder  gaben,  so  verhandelten  sie  über  diese  Sätze  an  und  für 
sich  und  verdammten  dieselben  zuletzt  als  ketzerisch.  Dann  ver- 
faßten der  Erzbischof  von  Sens  und  seine  Suffraganen  einen  aus- 
fuhrlichen Bericht  an  den  Pabst  (Brief  337,  Migne  182  Sp.  540), 
für  den  Erzbischof  von  Reims  und  seine  Suffraganen  schrieb,  wie 
der  Stil  verräth,  Bernhard  einen  an  den  ersten  sieh  anlehnenden 
kurzen  Bericht  (Brief  191,  Migne  182  Sp.  357),  endlich  schrieb 
Bernhard  in  seinem  eigenen  Namen  eine  längere  Darstellung  an 
den  Pabst  (Brief  189,  Migne  182  Sp.  354).  Besonders  die  dazu 
am  meisten  veranlaßten  Bischöfe  der  Erzdiöcese  Sens  (Brief  337) 
stellen  den  Antrag,  daß  Abaelard*»  Schriften  und  insbesondere 
die  in  jenen  Sätzen  formulirten  Lehren  verdammt  und  ihm 
Schweigen  auferlegt,  d.  h.  die  Erlaubniß  zu  Vorlesungen  und  zur 
Herausgabe  von  Schriften  entzogen  werde.  Der  Biograph  Bern- 
hardts Gottfried  berichtet  (Migne  185  Sp,  311),  nach  eingelegter 
Appellation  habe  Bernhard  dem  Abaelard  erklärt,  von  einer  Ver- 
ortheilung  seiner  Person  wolle  man  absehen,  er  solle  nur  die  be- 


416  Wilhelm  Meyer, 

vieler  Gelehrsamkeit  in  scharfem  Tone  bekämpft  werden;  daza 
einen  Begleitbrief  j  in  welchem  er  den  Tractat  dem  Bernhard  und 
Gottfried,  dem  Bischof  zu  Chartres,  übersendet  und  sie  zum  Ein- 
schreiten auffordert.  Beide  Stücke  sind  gedruckt  in  Tissier, 
Bibliotheca  patrum  Cisterciensum  IV  112;  ich  benützte  für  den 
Tractat  Migne  180  Sp.  249 ,  für  den  Begleitbrief  Migne  182  Sp. 
531  =  Bernhardts  326.  Brief.  Bernhardts  kurze  Antwort,  Brief 
337,  siehe  in  Migne  182  Sp.  533. 

Bernhardts  großen,  an  den  Pabst  gerichteten  190«  Brief, 
in  welchem  er  etliche  Irrlehren  des  Abaelard  theils  nur  nennt, 
theils  ausführlich  bekämpft,  auch  Tractatus  de  erroribus  Abaelardi 
benannt,  benützte  ich  in  dem  Abdruck  bei  Migne  182  Sp.  1053 ;  den 
188.  an  die  Kardinäle  gerichteten  Brief  nach  Migne  182  Sp.  351. 

Excerpte  aus  Abaelard's  Theologia  in  14  Abschnitten  mit 
Ueberschriften  über  jedem  Abschnitte  und  der  allgemeinen  Ueber- 
schrift  *Incipiunt  capitula  haeresum  Petri  Abaelardi*  und  der 
Unterschrift  ^Haec  sunt  capitula  Theologiae,  imo  Stultilogiae,  Petri 
Abaelardi'  hat  nach  der  von  Joh.  Durand  aus  dem  Yaticanus  663 
gefertigten  Abschrift  Mabillon  in  seiner  Ausgabe  des  Bernhard 
gedruckt  =  Migne  182  Sp.  1049  (Cousin  II  765). 

Den  Bericht  des  Erzbischofs  von  Sens  und  seiner 
Suffragane  an  den  Pabst  über  die  Synode  von  Sens,  den  Deutsch 
Abaelard*s  Verurtheilung  zu  Sens  S.  29,  mit  allem  Recht  der 
Feder  Bemhard's  abspricht,  ist  als  387.  Brief  Bernhardts  ge- 
druckt bei  Migne  182  Sp.  540.  Der  von  Bernhard  verfaßte 
kurze  Bericht  des  Erzbischofs  von  Reims  und  seiner 
Suffragane  steht  als  191.  Brief  Bernhardts  bei  Migne  182  Sp.  357; 
diesen  kürzesten  Bericht  hat  auch  Otto  von  Freising  (iesta  Fri- 
derici  I  48  überliefert.  Bernhardts  wichtiger  Bericht  an  den 
Pabst  über  die  Synode,  189.  Brief,  bei  Migne  182  Sp.  354;  für 
den  sonderbaren  Parallelbrief  an  den  Pabst,  no  330,  ebenda  Sp. 
535,  habe  ich  die  Berliner  Handschrift,  Meermann  181  Bl.  142b 
verglichen  (s.  Schluß  des  nächsten  Abschnittes  S.  426).  Bern- 
hardts Briefe  an  Kardinäle  in  Rom,  no  193  und  193  ebenda  8p. 
358,  dann  no  331—336  und  338  ebenda  Sp.  536—543. 

Die  Bruchstücke  der  Apologia  des  Abaelard  sind  uns 
nur  überliefert  in  den  3  Büchern,  in  welchen  ein  Anonymus  die- 
selbe bekämpft.  Diese  3  Bücher ,  deren  Anfang  fehlt,  standen  in 
einer  Handschrift  von  Clairvaux;  aus  derselben  hatte  Ti ssier 
eine  Abschrift  gefertigt;  als  er  dieselbe  in  seiner  Bibliotheca 
patrum  Cisterciensium  IV  1662  S.  238  ffl  abdrucken  ließ  (ich  be- 
nutze den  Abdruck  in   Migne  180  Sp.  283),   war  die  Handschrift 


die  Anklagesätze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  417 

selbst  verschwunden.  Die  Abschrift,  welche  dem  Drucke  zu 
Grunde  liegt,  ist  wohl  identisch  mit  der  Berliner  Handschrift 
Codex  Philippicus  1690,  Sirmond's  Nachlaß  no  3  Bl.  246  ffl.  *). 
Hier  steht  zunächst  der  verstümmelte  und  deßhalb  von  Tissier 
weggelassene  Anfang ;  er  lautet :  {3Iigne  178  Sp.  993  D.  Ahaelardi 
Iniroductio:    Cum   itaque  de  patre  Maximus  dixerit) :  maxima 

de  patre  dixerit,  quod  per  ingenitam  deitatem  sit  omnipotens,  per 
hoc,  cum  sit  deus,  sit  etiam  ingenitus.  Illam  quoque  patris  po- 
tentiam,  qua  solus  ipse,  non  ab  alio  subsistit,  unde  solus  ipse 
^ngenitus  dicitur,  in  omnipotentia  comprehendit  (=  Codex  Victor, 
bei  Cousin  II  17)^  et  sie  eum  omnipotentem  intellexit,  ut  quidquid 
ad  omnipotentiam  attinet,  non  solum  quantum  ad  operationis 
effectum  verum  etiam  quantum  ad  subsistendi  modum  ei  et  tan- 
quam  proprium  tribueretur.  Ut  tale  sit  scilicet  quod  dixerit 
'per  ingenitam  deitatem  omnipotens',  ac  si  aperte  dicat,  per 
hoc,  quod  deus  est  et  ingenitus ,  eum  utroque  modo ,  ut  diximus, 
omnipotentem  esse.  Sic  et  cum  statim  subiungit  *et  pater  per 
omnipotentiam*,  tale  est  ac  si  eam,  quam  intellexit  omnipoten- 
tiam ,  ipsum  habere  proprie  fateremur.  Fortasse  autem  et  in  hoc 
diligentius  accipi  potest  per  omnipotentiam  pater,  ac  si  dicamus 
eam  per  omnipotentiam,  quae,  ut  dictum  est,  spiritualiter  (specia- 
Ufer)  tribuitur  ei ,  de  ipso  sapientiam  suam ,  tanquam  filium  gene- 
rare, cum  ipsa  videlicet  divina  sapientia  aliquid  sit  de  divina 
omnipotentia,  cum  sit  ipsa  quoque  sapientia  aliqua  potentia  (al. 
po.  nachgetragen).  Et  post  pauea:  (Aligne  178  Sp.  99  i  B)  Est 
itaque  divina  sapientia  quaedam  potentia,  per  quam  perfecte  deus 
cuncta  discemere  atque  cognoscere  habet.  Et  infra:  (Migne  178 
Sp,  994  C)  Quod  si  tam  evangelica  .  . :   hier  beginnt  der  Druck  *). 

1)  '£x  codice  Clftravallensi  acepbalo,  io  cuius  ioitio  haec  legitur  adnotatio: 
Disputatio  catholicoram  patrum  contra  dogmata  Pctri  AbaUardi.  Deest  unus 
quatemus,  id  est  primus.  Qui  tcouerit  obedientiam  librorum,  illum  reqairat. 
Et  in  fiiie  libri  tertii:  Unu8  quatemus  deest  idest  primus.  requiratur  apud 
Morenienses  monachos  iuxta  Stampas\  Diese  Notizen  waren  vielleicht  von  Gott- 
fried, Bernhardts  Schüler,  selbst  in  die  Handschrift  zu  Clairvanx  eingeschrieben. 
Denn  in  seinem  Briefe  an  Albinus,  Cardinal.  Äthan.  (1189 — 1196),  in  welchem  er 
die  Verhandlung  gegen  Gilbert  1148  schildert,  sagt  er  auch  *Inveni  tarnen  in 
Clara valle  libellum  cuiusdam  Abbatis  nigrorum  monachorum,  quo  errores  eiasdem 
Petri  (Abaelardi)  notantur,  quem  et  olim  me  vidisse  recordor ;  sed  a  mnltis  annis, 
ut  custodes  librorum  asserunt,  studiose  quaesitus  primus  quaternio  non  potoit 
inveniri.  Propter  quod  propositi  nostri  est  in  Franciam  destinare  ad  monasterium, 
caios  abbas  extitit,  qui  eundem  librum  composnit,  et,  si  recuperare  potero, 
transcribi  facere  et  mittere  vobis  (s.  Migne  182  Sp.  1048  und  185  Sp.  596). 

2)  Da  die  Citate  für  eine  (noch  fehlende)  kritische  Ausgabe  der  Theologia 
des  Abaelard^s  wichtig  sein  werden  and  da  wir,  was  wir  von  der  Apologia  wissen, 


418  Wilhelm  Meyer, 

Da  der  Anonymus  sonst  seine  Erörterung  jedes  Satzes  mit 
Citaten  aus  der  Theologia  Abaelard's  beginnt,  dann  die  etwaigen 
Citate  aus  dessen  Apologia  giebt  und  dann  erst  seine  widerlegende 
Gelehrsamkeit  in  auctoritates  und  rationes  ausgießt,  so  fehlt  im 
Anfange  dieses  Abschnittes  gewiß  nicht  viel.  Da  anderseits  der 
hier  besprochene  Satz  das  1.  von  den  18  Capitula  ist  und  da  hier 
die  allgemeinen  Anschuldigungen  des  Abaelard,  Bernhard  habe  die 
(18)  Capitula  gefälscht,  erörtert  werden,  was  doch  gewiß  im  An- 
fange der  Schrift  geschehen  mußte,  so  glaube  ich  folgern  zu  müssen, 
daß  im  Anfang  dieses  1.  Buches  nur  Weniges  fehlt:  eine  etwa 
doppelt  so  lange  Einleitung  als  sie  vor  dem  2.  und  3.  Buche  steht 
und  nur  ein  kleines  Stück  vom  Anfang  des  ersten  Abschnittes, 
so  daß  der  quatemus,  den  die  Mönche  von  Clairvaux  schon  im 
12.  Jahrhundert  verloren  glaubten,  jedenfalls  nicht  ganz  auf  diese 
Schrift  zu  rechnen  ist.  Das  Schreiben  des  Pabstesinnocenz 
n,  worin  Abaelard  verurtheilt  wird,   nebst   einem   kurzen  Zettel, 


und  auch  manche  Fragmente  der  Theologia  nur  aus  diesen  Citaten  kennen  ,  so 
will  ich  die  Abweichungen  des  Druckes  (Migne  180  Sp.  288  ffi.)  von  der  Hand- 
schrift in  diesen  Citaten  aus  Abaelard  oder  in  ihrer  n&chsten  Umgebung  hier 
notiren :  288  A  intelligemus.  285  C  falso  finxisse.  denegat  sed  (!)  quod ;  sit  non 
nulla  potentia.  266  C  illa  finxisse.  287  C  iustum  esse :  hoc  est  essentiae  ipsum 
esse.  Pater;  293  B  inquit  dei.  C  dici  debet  (trte  11  Zeilen  nachher);  saepe  ii. 
294  B  quia  sp  iritus  dicit.  297  B  Buch  II  beginnt  Scio,  pater  optime  H.  qnam 
proximum  sit ;  am  Band  steht  Hugo  archiep.  Rothomagensis ;  *quam  immane  quam 
profundum  et'  hat  also  Tissier  heim  Druck  zugesetzt.  299  A  composita  et 
(=  806  A) ;  converso  deus.  300  D  zwischen  responsione  und  super  steht  ein 
corrigirter  Buchstabe,  darüber  V ;  SOI  A  eadem  trinitate.  801  B  die  Worte  nee 
aliquid  temporale  in  illa  coiistituamus  esse  quod  scmper  ibi  non  fuerit  fehlen 
mit  Becht  301  C  homo  est  non  est  in  trin.  306  B  nach  in  trinitate  personam 
folgt  (richtig,  wie  301 A  beweist) :  quod  est  contra  catholicam  fidem ,  sie  inquiens, 
'et,  quia  duae  illae  naturae  non  possunt  aliqnid  aeternum  esse,  cum  una  earnm 
careat  aeternitate,  deus  et  homo  non  est  aliqua  in  trinitate  persona*.  Buch  HI 
8p.  310  D  excitant  fehlt;  mindestens  erwartet  man  excitabunt.  811  A  diligenter 
expressit  et;  de  praeposita;  in  hoc  etiam  quod.  816 D  nisi  quod  facit  nee  alio 
modo  nee  alio  tempore,  ridhtxgf  %oit  Sp,  310 D  zeigt.  315 D  iustum  est  fieri 
iniustum  (=  Introductio).  316  A  quidquam  cui  summa.  816  B  praedictis  inquit 
rationibus ;  modo  quo  facit  vel  illo  tempore,  ohne  vel  dimittit ;  vgl.  meine  Noten 
zum  6.  Capitulum.  316 B  dififusius  execratur,  rtcA%;  denn  Abaelard  bekämpft 
das  Capitulum  als  gefälscht.  316  D  die  Wörter  etiam  facere  fehlen.  821  D  animae 
mundi;  in  medio  fehlt.  822  A  lesus  rex.  322  B  disponit  vel  ille  confert;  822  B 
non  est  gratia.  gratia  igitur.  822  C  ante  qnam  und  possumus  (=  Tissier).  322  C 
Uaec  a  Petro  dicta,  richtig.  324  A  super  hoc  eum.  825  A  supersit  praeparatio. 
Et ;  825  B  Et  huius  catholicae,  dann  sie  adstruit.  S28  D  fenrore  zeli  mihi ;  vgl 
810  D.  Hieraus  erhellt,  dafi  auch  die  Worte  des  Anonymus  selbst  aus  dieser 
in  Berlin  befindlichen  Abschrift  Tissier's  vielfach  Terbessert  werden  können. 


die  AnUagesfttze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  419 

worin  verfügt  wird,  daß  er  und  Arnold  von  Brescia  eingesperrt 
und  ihre  Schriften  verbrannt  werden  sollen,  sind  (vielleicht  zu- 
erst?) gedruckt  in  den  Opera  Abaelardi  1616  S.  299  ffl.  (Migne 
182  Sp.  3B9  und  350  Note) ;  das  Schreiben  ist  mit  anderem  Datum 
auch  von  Otto  von  Freising,  Gesta  Friderici  I  48,  überliefert. 

Die  von  Abaelard,  wohl  schon  in  Cluny,  verfaßte  Ent- 
gegnung auf  die  gegen  ihn  gerichteten  Capitula,  die  sogenannte 
Confessio  fidei,  welche  für  die  Ziele  dieser  Untersuchung 
besonders  wichtig  ist,  wurde  in  den  Opera  1616  zwei  Male  ge- 
druckt, nach  der  Vorrede  und  S.  330;  derselbe  Text  findet  sich 
in  Migne  178  Sp.  106  und  bei  Cousin  II  719.  Man  hat  übersehen, 
daß  ein  abweichender  Text  gedruckt  ist  von  Tissier,  Bibliotheca 
patrum  Cisterciensium  IV  1662  S.  2B8  (Migne  180  Sp.  333).  Daß 
dieser  Text  zum  Theil  auf  guter  handschriftlicher  Grundlage 
ruht,  zeigte  mir  die  Berliner  Handschrift  des  12.  Jahrhunderts, 
Meerman  181  Bl.  144  b  und  die  Wiener  latin.  998,  12.  Jh. 

Bereng'ar's  stilistisch  werthvolles  Pamphlet  gegen  Bern- 
hard für  Abaelard,  welches  auch  eine  schöne  Stelle  eines  Briefes 
des  Abaelard  an  Heloise  mit  einem  Glaubensbekenntniß  enthält, 
der  sogenante  Apologeticus,  an  welchen  sich  der  Brief  an 
den  Bischof  von  Mende  mit  einem  Widerruf  anschließt  ^  ist  ge- 
druckt in  den  Opera  Abaelardi  1616  S.  302-314  (Migne  178  Sp. 
1857—1874  und  Cousin  II  779). 

Neuere  Literatur.  Ich  nahm  hauptsächlich  Rücksicht 
auf  folgende  Schriften :  M  a  r  t  c  n  e*s  Einleitung  zur  Ausgabe 
der  Theologia  Christiana,  Anecdota  V  1139  (Migne  178,  1113). 
Mabillon*s  Noten  in  S.  Bernhardi  Opera,  Migne  182  Sp.  349 
und  1045.  Charles  de  R^musat,  Abölard  I  II  1845.  Gold- 
horn,  Abaelard's  dogmatische  Hauptwerke,  in  der  Zeitschrift  für 
historische  Theologie  1866  S.  161—229.  He  feie,  Concilienge- 
schichte,  2.  Aufl.  V  1886  S.  451—487.  S.  M.  Deutsch,  Abae- 
lard*s  Verurtheilung  zu  Sens  1141  =  Symbolae  Joachimicae  II 
Berlin  1880  S.  1 — 54.  Durch  diese  Untersuchungen  hervorgerufen 
ist  y  acandard,  Abelard,  sa  lutte  avec  Saint  Bemard,  sa  doctrine, 
sa  mithode,  Paris  1881.  Deutsch,  Peter  Abaelard ,  ein  kri- 
tischer Theologe  des  zwölften  Jahrhunderts,  Leipzig  1883.  Heinrich 
Denifle,  die  Sentenzen  Abaelard's  und  die  Bearbeitungen  seiner 
Theologia  vor  Mitte  des  12.  Jahrhunderts ,  im  Archiv  für  Lite- 
ratur und  Kirchengeschichte  des  Mittelalters  I  1885  S.  402—469 
und  584 — 624.  Vacandard,  Vie  de  Saint  Bernard  I  II  Paris 
1895.  (A.  Hausrath,  Weltverbesserer  im  Mittelalter,  I  Peter 
Abaelard  1893). 


420  Wilhelm  Meyer, 

Das  Jahr  der  Synode  ron  Sens  und  die  Zelt  der 
Torhergehenden  Streitschriften. 

Die  Synode  begann  zn  Sens  am  Sonntag  nach  Pfingsten,  die 
öffentliche  Sitzung  fand  am  folgenden  Montag  statt :  das  ist  sicher. 
Allein  ob  dieser  Montag  der  3.  Juni  1140  oder  der  26.  Mai 
1141  war,  darüber  schwankt  man  seit  Jahrhunderten.  Deutsch, 
Abaelard's  Verurtheilung  S.  BO — B4,  hat  dieser  Frage  einen  be- 
sondern Abschnitt  gewidmet  und  sich  für  1141  entschieden.  Ihm 
war,  wie  bisher  alle  Andern,  so  auch  Vacandard  früher  gefolgt; 
jetzt  entscheidet  dieser  sich  für  1140  (Revue  des  questions  historiques 
1891  S.  235—245  und  darnach  in  seinem  Buche  Vie  de  S.  Bemard 
n  S.  145).  Für  beide  Ansichten  sind  die  Gründe  recht  schwach, 
doch  scheinen  mir  Vacandard's  Gründe  für  1140  etwas  probabler. 
Vielleicht  wäre  die  Frage  sicher  zu  lösen,  wenn  die  französischen 
Könige  ihren  Urkunden  Monatsdaten  beigegeben  hätten.  Doch 
auch  so  möchte  ich  nach  Ach.  Luchaire,  Etudes  sur  les  Actes  de 
Louis  VII  1885,  auf  Folgendes  hinweisen.  Ordericus  Vitalis  be- 
richtet, daß  a.  1141  *Ludovicus  iuvenis  Francorum  rex  ingentem 
exercitum  congregavit  ac  ad  festivitatem  S.  Joannis  Baptistae 
(24.  Juni)  Tolosam  obsidere  perrexit'.  Auf  diesem  Zuge  wahr- 
scheinlich wurden  Janville  (Angoulßme)  Tours  Poitiers ,  ebenso 
Talmont  Niort  St.  Jean  d'Angeli  berührt,  freilich  in  welcher 
Reihenfolge  und  ob  auf  dem  Hin-  oder  Rückmarsche,  das  wissen 
wir  nicht  *).  Sollte  der  König  1141  während  dieser  starken  Rüstungen 
in  Sens  Reliquien  betrachtet   und  Disputationen   angehört  haben? 

Die  Zelt  der  Tor^^finge  ror  der  Synode  ron  Sens. 
Nach  den  Briefen  Bernhardts  an  Abt  Wilhelm  (no  327)  und  an 
den  Pabst  (no  189)  und  nach  dem  Bericht  des  Erzbischofs  von 
Sens  an  den  Pabst  (no  337)  haben  sich  die  Ereignisse  so  ent- 
wickelt :  nach  Ostern  kommt  Bernhard  mit  Abt  Wilhelm  zusammen 
und  verhandelt  mit  ihm ;  Bernhard  studirt  Abaelard's  Theologia, 
die  Sentenzen  und  Scito  te  ipsum  (Migne  182  Sp.  353),  auch  andere 
Schriften  desselben,  so  die  Erklärung  des  Römerbriefes  (Sp.  1062 
D  und  1072  D);  er  findet  dann  Gelegenheit  zwei  Male  mit  Abae- 
lard  zu  verhandeln  und  ihn  zu  warnen;  da  Abaelard  widerstrebt, 
so  warnt  Bernhard  verschiedentlich  die  Hörer  und  Verehrer  des 
Abaelard  vor  dem  Lehrer  und  seinen  Lehren;  das  hört  Abaelard 
und  schickt  wiederholt  (crebro  pulsare  coepit  nee  voluit  ante  de- 

1)  Za  berücksichtigen  ist  noch  die  Urkunde  für  Duo,  nach  Luchaire,  no  46, 
zwischen  1.  Aug.  1139  und  6.  April  1140  ausgestellt;  auch  die  1137—1140  aus- 
gestellte Urkunde  no  70  ist,  nach  den  Zeugen  au  schlieften,  in  Sens  gegeben. 


die  Anklages&tze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  421 

fiistere)  an  den  Erzbischof  von  Sens  das  Verlangen,  daß  ihm  Ge- 
legenheit geboten  werde,  in  öfPentlicher  Versammlung  dem  Bern- 
hard gegenüber  zu  treten  und  sich  zu  rechtfertigen;  endlich 
stimmt  der  Erzbischof  zu  und  wählt  hierfür  den  Sonntag  nach 
Pfingsten.  Da  der  Termin  Abaelard  recht  ist,  lädt  der  Erz- 
bischof Bernhard  dazu  ein ;  Bernhard  weigert  sich  zu  kommen ; 
doch  da  Abaelard  jetzt  erst  recht  darauf  besteht  und  in  Briefen 
an  seine  Schüler  den  Bernhard  schmäht,  welche  Briefe  von  Hand 
zu  Hand  gehen ,  so  entschließt  er  sich  doch  nach  Sens  zu  gehen, 
und  schickt  den  Suffraganen  des  Erzbischofs  von  Sens,  vielleicht 
auch  denen  des  Erzbischofs  von  Reims,  noch  schnell  einen  kurzen 
Brief,  daß  sie  gewiß  nach  Sens  kommen  sollten.  Zum  Sonntag  nach 
Pfingsten  sind  dann  Alle  in  Sens.  All  diese  Reisen  und  Verhand- 
lungen, die  Ausarbeitung  der  Briefe  und  deren  TJeberbringung  sollen 
nun  nach  der  landläufigen  Ansicht  in  der  Zeit  von  Ostern  1140  bis 
8  Tage  nach  Pfingsten  desselben  Jahres,  also  in  höchstens  56 
Tagen  sich  entwickelt  haben.  Bei  den  heutigen  Verkehrsmitteln 
müßte  man  das  einen  raschen  Geschäftsgang  nennen ,  bei  den 
damaligen  ist  er  einfach  unmöglich. 

Was  hat  diese  landläufige  Ansicht  veranlaßt?  Nur  eine 
Aeußerung  Bernhardts  in  dem  Briefe  (no  187) ,  mit  welchem  er, 
nachdem  er  sich  entschlossen  hatte  doch  selbst  nach  Sens  zu  gehen, 
die  Su£Praganbischöfe  bittet,  auch  dahin  zu  kommen :  Nee  miremini, 
quod  ita  de  subito  et  in  arcto  temporis  vos  invitamus,  quoniam 
hoc  quoque  adversa  pars  in  sua  versutia  et  calliditate  providit, 
ut  improvidos  invaderet  et  congredi  cogeret  immunitos.  Das  be- 
weist aber  nur,  '^aß  zwischen  der  Aufforderung  des  Erzbischofs 
nach  Sens  zu  kommen  und  dem  Termin  selbst  nur  kurze  Zeit  lag: 
immerhin  noch  so  viel,  daß  Bernhard  zuerst  schwankte  und  Abae- 
lard ihn  höhnte,  und  daß  dann,  als  Bernhard  davon  h()rte  und 
sich  entschloß,  er  erwarten  durfte,  daß  seine  Einladungsbriefe 
die  Bischöfe  noch  in  ihren  verschiedenen  Städten  erreichten  und 
dieselben  dann  zur  Reise  nach  Sens  noch  Zeit  hätten.  Man  streiche 
die  hiezu  unbedingt  erforderliche  Zahl  Tage  von  jenen  56  ab  und 
sehe  zu ,  wie  man  auf  die  übrig  bleibenden  Tage  all  die  vorher- 
gehenden Ereignisse  vertheilen  will.  Mir  scheint  es  ebenso  un- 
möglich, als  es  unnöthig  ist. 

Wie  viel  Zeit  die  Vorgänge  vor  dem  Schreiben  des  Erzbischofs 
von  Sens  an  Bernhard  in  Anspruch  genommen  haben,  darüber 
haben  wir  absolut  keine  Angaben  und  müssen  und  dürfen  die  Zeit- 
dauer nach  der  innem  Wahrscheinlichkeit  bemessen.  Thun  wir  das, 
80  wird  es  fast  gewiß,  daß  jene  Ostern,  welche  Bernhard  in  dem 


422  Wilhelm  Meyer, 

Brief  an  Abt  Wilhelm  (no  327)  erwähnt,  nicht  56  Tage,  sondern  ein 
gutes  Jahr  vor  der  Synode  von  Sens  lagen.  So  wird  Raum  für 
die  Festsetzung  und  Ausführung  der  Zusammenkunft  mit  Abt 
Wilhelm,  für  die  Lesung  der  verschiedenen  Schriften  Abaelard's, 
für  die  Reibereien  mit  Abaelard  und  seinen  Schülern,  für  die 
Verhandlungen  Abaelard's  mit  dem  Erzbischof,  des  Erzbischofs  mit 
Bernhard,  für  Abaelard's  neue  Angriffe  auf  Bernhard  und  Bern- 
hardts Rundbrief  an  die  Suffraganbischöfe. 

Bei  dieser  Annahme  wird  auch  eine  Nebensache  lichter.  Bern- 
hard schrieb  an  Abt  Wilhelm  (Brief  327),  von  Abaelard's  Schreiben 
und  Treiben  habe  er  bisher  so  gut  wie  nichts  gewußt  (herum 
plurima  vel  paene  omnia  hucusque  nescivi).  Diese  Worte  hat 
man  ihm  als  Heuchelei  vorgeworfen,  und  mit  ziemlicher  Berechti- 
gung, wenn  er  sie  1140  oder  gar  1141  geschrieben  hat.  Denn 
wenn  Abaelard*s  Lehren  wirklich  Frankreich  so  aufregten,  wie  es 
Bernhard' s  von  Sens  nach  Rom  gesendete  Briefe  so  lebhaft  malen, 
so  mußte  er  doch  auch  70  Tage  vorher,  nachdem  er  bereits  V/t 
oder  27«  Jahre  wieder  in  Frankreich  gewesen  war  davon  etwas 
wissen;  ja  sogar  der  Brief  des  Abtes  Wilhelm,  welcher  jenen  Brief 
Abaelard's  hervorgerufen  hat,  schildert  die  Verbreitung  der  Lehren 
Abaelard's  (Migne  182  Sp.  531  BC).  Nach  meiner  Annahme  ist 
.  '^^^  ^         hier   kein  Widerspruch:    Im  Spätsommer  1138    kam  AslN^hwi» aus 

Italien  zurück,  wo  er  Größeres  zu  thun  hatte  als  dogmatische 
Lehrbücher  zu  lesen.  In  Frankreich  nahmen  ihn  zunächst  die 
Angelegenheiten  seiner  Klöster  in  Anspruch  und  Händel,  wie 
jene  um  die  Bischofs  wählen  in  Langres  und  in  Reims,  welche  er 
mit  seiner  ganzen  Energie  betrieb.  Er  konnte  also  Ende  Winter 
1138/9  mit  Wahrheit  schreiben,  daß  er  von  Abaelard's  neuen  Lehren 
bisher  so  gut  wie  Nichts  gewußt  habe. 

(Die  Zeit  des  190.  und  188.  Briefes,  Migne  182  Sp. 
10B3— 1072  und  Sp.  352/3).  R^musat  (Abflard  1 196  und  sonst) 
versuchte  eine  neue  Ordnung  der  Briefe  Bernhard's,  wonach  eine 
größere  Zahl  derselben  vor  der  Synode  von  Sens  geschrieben 
wäre.  Aber  man  hat  von  dieser  Neuordnung  wohl  schon  genug, 
wenn  man  hört,  daß  der  älteste  aller  Briefe  jener  sein  soll  (no 
330),  in  welchem  die  Wendung  vorkommt  *Qua  mente  qua  con- 
scientia  recurris  ad  fidei  defensorem ,  fidei  persecutor' ,  welche 
Wendung  doch  vollkommen  parallel  ist  mit  jener  im  189.  Briefe 
^Tu,  0  successor  Fetri,  iudicabis,  an  debeat  habere  refugium 
sedem  Petri,  qui  Petri  fidem  impugnat'  oder  wie  Berengar  die 
Stelle  citirt  *Non  dcbet  refugium  invenire  apud  sedem  Petri,  qui 
fidem  impngnat  Petri\  daß  also  Römusat  den  Bernhard  von  Abae- 


die  Anklagesfttze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  423 

lard's  Appellation  sprechen  läßt,  ehe  Abaelard  selbst  daran  dachte. 
Aber  im  üebrigen  ist  es  so ,  wie  Römnsat  sagt :  la  plnpart  des 
historiens  croient,  que  saint  Bernard  ne  devint  vraiment  actif  et 
n'Äcrivait  en  cour  de  Rome  qu'aprfes  qu' Abölard  eut  demend^ 
k  Hre  jngö  au  concile  de  Sens. 

Der  größte  von  all  den  Briefen,  welche  Bernhard  ans  Sens 
nach  Rom  gesendet  haben  soll ,  der  190. ,  wurde  dann  von  Hefele 
(Conciliengeschichte,  2.  Aufl.  des  B.  Bandes  S.  463)  so  charakteri- 
sirt:  'Wichtig  für  die  Geschichte  der  Synode  von  Sens  ist  jenes 
große  Schreiben  Bernhardts  an  den  Pabst,  worin  das,  was  er 
auf  der  Synode  über  Abaelard  vorgetragen  hatte, 
zusammengestellt  ist.  Der  Erzbischof  von  Sens  und  seine  Suffra- 
gane  berichteten  dem  Pabst:  Bernhard  habe  aus  den  Büchern 
Abaelard's  anstößige  Capitula  ausgehoben,  verlesen  und  durch 
Stellen  Augustins  und  anderer  Väter  als  irrig  erwiesen.  Und 
gerade  dies  Elaborat  mit  einem  die  Briefform  herstellenden 
Kopfe  und  Schlüsse  ist  uns  noch  als  ep.  190  Bernhardts  erhalten*. 

Diese  Ansicht,  welche  die  Neueren  (auch  Deutsch,  Abaelard's 
Verurtheilung  S.  27,  und  Denifle,  Archiv  1 695  —  freilich  S.  603  nur 
mit  *Wenn')  angenommen  haben,  scheint  mir  falsch  und  verwirrt 
die  natürliche  Entwicklung  der  Gedanken  und  Thatsachen. 

Der  190.  Brief  Bernhardts  behandelt  zunächst  5  Spalten  lang 
2  Irrlehren  über  die'Trinität,  dann  1  Spalte  lang  Abaelard's  Defi- 
nition des  Glaubens;  dann  springt  er  mit  *Omitto  quod'  über 
6  Irrlehren,  die  nur  ausgesprochen,  nicht  widerlegt  werden;  end- 
lich bekämpft  er  10  Spalten  lang  1  Irrlehre  betreffend  Christi 
Erlösungswerk.  Das  ist  eine  rhetorisch  richtige  Anlage ,  wie  der 
ganze  Brief  stilistisch  dieses  mittellateinischen  Klassikers  würdig 
ist:  im  Anfang  und  im  Schlüsse  Hauptsachen,  die  Nebensachen  in 
der  Mitte.  Nun  antwortet  aber  Abaelard  in  seiner  Confessio 
auf  etwa  18  Anklagesätze  Bernhardts:  diese  müssen  also  die  offl- 
ciellen  gewesen  sein.  Von  den  10  Anklagesätzen  des  190.  Briefes 
werden  in  Abaelard* s  Confessio  4  gar  nicht  berührt,  also  fallen 
nur  6  der  10  Sätze  im  190.  Briefe  mit  den  officiellen  zusammen. 
Aber  Bemliard  war  ein  geschäftskundiger  Mann,  und  bei  einer  so 
wichtigen  Sache  wie  Anklage  wegen  Haeresie  versteht  es  sich 
doch  von  selbst,  daß  die  Anklagesätze,  jeder  einzeln,  gründlich  be- 
sprochen und  widerlegt  werden:  'sententias  .  .  saepe  in  audientia 
publica  lectas  et  relectas  et  tam  verissimis  rationibus  quam  b. 
Augnstini  aliorumque  sanctorum  patrum  inductis  a  domino  Clarae- 
Vallensi  auctoritatibus  non  solum  falsas  sed  et  haereticas  esse 
evidentissime  comprobatas*   nennt  sie   der   officielle  Bericht.     Ist 


424  Wilhelm  Meyer, 

das  geschehen,  wenn  der  Vortragende  von  18  Sätzen  nur  4  wirk- 
lich bespricht  und  weitere  2  nur  anführt?  Man  sieht:  der  Inhalt 
und  die  Form  des  190.  Briefes  entspricht  dem,  was  man  von  dem 
Referate  des  Anklägers  Bernhard  erwarten  muß,  wie  ein  Ei  dem 
Vogel. 

Wenn  der  190.  Brief  die  dogmatische  Beilage  zu  dem  ge- 
schäftlichen Briefe  189  sein  sollte,  dann  mußte  er  ferner  andern 
Anfang  und  Schluß  oder  gar  keinen  haben.  Die  vorhandenen 
widersprechen.  In  189  wird  ganz  sachgemäß  Abaelard's  und  Bern- 
hardts Streit  berührt  und  auch  auf  Abaelard's  Appellation  ange- 
spielt :  im  190.  Brief  will  Bernhard  nur  dem  Pabst  *referre  pericula 
et  scandala  emergentia  in  regno  dei';  was  sollen  gar  die  Schluß- 
worte: etsi  non  aliud  quam  zelum  agnoscitis  meum,  tamen  pro- 
priae  Interim  conscientiae  satisfeci.  nam  cum  non  esset  quod 
agerem  pro  iniuria  fidei  quam  dolebam,  operae  mihi  pretium  arbi- 
tror,  si  illum  monui,  qui*  usw.?  Schon  diese  Worte  zeigen, 
daß  der  190.  Brief  von  sich  entwickelnden  Irrlehren  dem  Pabste 
die  erste  Kunde  bringen  und  ihn  an  Vorsicht  und  etwaiges  Ein- 
schreiten mahnen  will.  Er  muß  also  gewissermaßen  der  erste 
Schritt  in  dieser  Sache  sein,  nicht  der  letzte,  d.  h.  der  190.  Brief 
muß  längere  Zeit  vor  der  Synode  zu  Sens  geschrieben  sein. 
Ich  werde  das  später  auch  aus  der  Zahl  und  aus  der  Fassung  der 
Anklagesätze  zu  beweisen  suchen;  hier  will  ich  nur  noch  auf 
einen  untergeordneten  Punkt  hinweisen.     Vgl.  S.  441/2. 

Bernhard  beginnt  im  190.  Briefe  die  Besprechung  der  abae- 
lardschen  Irrlehren  betr.  die  Trinität  mit  der  Wendung  *ponit 
in  trinitate  gradus,  in  maiestate  modos,  numeros  in  aeternitate  .  .  . 
nonne  plus  quam  Arius  hie'  (Sp.  1056  A),  und  schließt  diese  Er- 
örterung mit  der  Wendung  (Sp.  1061 A)  *vides,pater  sancte,  quas 
scalas  imo  quae  praecipitia  iste  sibi  paraverit  ad  ruinam';  in  der 
Besprechung  des  Erlösungswerkes  findet  sich  (Sp.  1071 D)  die 
Wendung  *si  hoc  sapit,  cum  Pelagio  desipit*.  Das  sind  einzelne, 
zerstreute  Redeblumen,  wie  sie  Bernhard  zu  Tausenden  bietet. 
Dagegen  in  dem  Bündel  Briefe,  welches  von  Sens  nach  Rom  ab- 
ging, ist  aus  den  einzelnen  Blumen  ein  Strauß  gebunden.  In 
nicht  weniger  als  4  Briefen  (330  331  332  338)  findet  sich  die 
wörtlich  gleiche  Periode:  Cum  Ario  gradus  et  scalas  in  trinitate 
ponit,  cum  Pelagio  liberum  arbitrium  gratiae  praeponit,  cum  Ne- 
storio  Cliristum  dividens  hominem  assumptum  a  consortio  trinitatis 
excludit ;  in  2  andern  ist  die  Periode  etwas  variirt :  ep.  336  Ponit 
in  trinitate  gradus  et  scalas  cum  Ario,  praeponit  gratiae  liberum 
arbitrium  cum  Pelagio ,  hominem  assumptum  a  consortio  trinitatis 


die  Anklagesätze  des  h.  Bernhard  gegen  Äbaelard.  425 

exdadit,  Chrißtum  dividit  cum  Nestorio;  ep.  192  Com  de  trinitate 
loqnitur,  sapit  Arimn;  cum  de  gratia,  sapit  Pelagiam;  cum  de 
persona  Christi,  sapit  Nestoriom.  Auch  hier  ist  klar,  was  Ei  ist 
und  was  Vogel. 

Demnach  hat  Bernhard  im  Sommer  1139  die  verschiedenen 
von  ihm  genannten  Schriften  Abaelard's  eingesehen;  dann  noch 
im  Laufe  des  Jahres  zwei  Rücksprachen  mit  Äbaelard  gehabt. 
Beide  waren  vergeblich.  Deßhalb  trat  Bernhard  mit  dem  190. 
Briefe  •öflPentlich  gegen  Äbaelard  auf,  1139  oder  1140.  Dieser 
Brief  ist  scheinbar  an  den  Pabst  gerichtet;  in  Wahrheit  sollte  er 
die  lateinische  Christenheit  vor  Äbaelard  warnen ;  er  ist  das  werth- 
vollere  Gegenstück  zu  dem  Traktate  des  Abtes  Wilhelm.  Jetzt 
wurde  die  Frage  brennend.  Solche  leeren  Stilübungen  wie  die 
nur  formell  interessante  Reimprosa  des  Hugo  Metellus,  ein  Brief 
an  Äbaelard  und  ein  anderer  an  den  Pabst  (bei  Hugo,  Sacrae 
antiquitatis  monumenta  II  1731  S.  330 — 334),  mögen  damals  noch 
manche  verfaßt  worden  sein;  wären  ja  heute  noch  diese  Streit- 
schriften und  die  damit  verbundenen  dogmatischen  und  historischen 
Fragen  ein  lehrreicher  Stoff  zu  gemeinsamen  Untersachungen  eines 
Meisters  der  theologischen  Wissenschaft  und  tüchtiger  Schüler. 
Äbaelard  merkte  die  heranziehende  Gefahr  und  that  den  unklugen 
Schritt,  vom  Erzbischof  von  Sens  Gelegenheit  zur  Rechtfertigung 
Äbaelard  gegenüber  zu  verlangen,  betreffs  der  'dogmata  sua,  contra 
quae  ego  ausus  mutire  fuissem*,  wie  Bernhard  sagt. 

Für  die  richtige  Beurtheilung  des  großen  190.  Briefes  ist  es 
eine  wichtige  Frage,  ob  er  wirklich  schon  längere  Zeit  vor  der 
Synode  zu  Sens  veröffentlicht  worden  ist ;  minder  wichtig  ist  diese 
Frage  bei  dem  andern  Brief,  der  hier  in  Betracht  kommt,  no  188« 
Er  ist  an  die  Kardinäle  gerichtet;  Bernhard  erinnert  die  Kardinäle, 
daß  sie  über  die  Reinheit  des  Glaubens  zu  wachen  haben,  und 
schildert  die  Angriffe  auf  denselben  in  Frankreich;  besonders  in 
Abaelard's  Theologia,  Sentenzen  und  in  dem  Buche  Scito  te  ipsum 
seien  die  stärksten  Irrlehren  ausgesprochen;  wenn  sie  seine  Er- 
regung für  gerecht  hielten,  sollten  sie  selbst  sich  regen  und 
Äbaelard  zu  Schanden  machen,  zur  heilsamen  Lehre  für  viele 
Verführte.  Dieser  Schluß  ist  zu  allgemein  gehalten  als  daß  eine 
bestimmte  Anspielung  auf  Abaelard's  Appellation  darin  gefunden 
werden  könnte.  Während  alle  Briefe,  welche  von  Sens  nach  Rom 
gingen,   189  191  192  193  (330)')  331—336  und  338,   eine  Menge 


1)  Dieter  830.  Brief  Bernhardts  ist  ein  R&thsel.    Er  jtimmt  mit  den  andern 
damals  an  römische  Kardin&le  geschickten  Briefen  881  88S  886  888  dieilweise 


426  Wilhelm  Meyer, 

Gredanken,  Wörter  und  Sätze  gemeinsam  haben,  steht  dieser  Brief 
ganz  abseits.  Dagegen  hat  er  viele  Aehnlichkeit  mit  dem  an  den 
Pabst  gerichteten  Brief  190:  Die  Ausdrücke  surgentes,  scandala, 
pericala,  referimns  und  viele  andeie  auffallenden  Wendungen  des 
Eingangs  (§  1  bei  Mabillon)  finden  sich  im  190.  Briefe  wieder. 
Deßhalb  ist  meine  Ansicht,  daß  mit  dem  an  den  Pabst  adressirten 
190.  Briefe  zugleich  der  an  die  Kardinäle  gerichtete  188.  Brief 
Ende  1139  oder  Anfang  1140  nach  Rom  gesendet  worden  ist. 

Die  Anklagcslltze,  Gapltnla. 

(Nachrichten   von   Capitula)         In   den   verschiedenen 
Schriftstücken  dieses  Streites    ist    oft    von  Capitula  *)   die   Kede. 

wörtlich  überein;  das  wäre  begreiflich,  da  er  zu  gleicher  Zeit  an  den  Pabst  ge- 
richtet ist.  Allein  auch  mit  dem  damals  an  den  Pabst  gerichteten  groBen  189. 
Briefe  stimmt  er  wörtlich  fiberein,  noch  weit  mehr  als  mit  jenen  an  die  Kardinftle 
gerichteten.  Für  einen  Stilisten ,  wie  Bernhard ,  ist  es  unmöglich ,  daB  er  swei 
Briefe,  welche  so  weit  mit  einander  übereinstimmen,  zu  gleicher  Zeit  oder  aucli 
innerhalb  des  Zeitraumes  von  etwa  einem  Jahre  nach  Rom  gerichtet  hätte;  Alle 
hätten  ihn  verlacht.  Der  einzig  neue  Gedanke  in  no  880  *nisi  me  corporalis  in- 
firmitas  impediret,  quantum  desiderarem  videre  amicum  sponsi*  scheint  auf  die 
Zeit  zu  deuten,  wo  Bernhard  gehört  hatte,  daß  Abaolard  persönlich  nach  Rom 
geben  wolle.  Doch,  wie  gesagt,  auch  diese  wenigen  Wochen  nach  der  Synode 
konnte  er  nicht  ein  solches  Dupplikat  des  189.  Briefes  nach  Rom  schicken.  DeB- 
halb  muB  man  wohl  diesen  Brief  no.  880  für  eine  Schulübung  oder  besser  mit 
liefele,  Conciliengeschicbte  V,  2.  Aufl.,  S.  461  für  einen  ersten  Entwurf  von 
no  189  halten;  bei  einer  Appellation  nach  Rom  lag  es  ja  nahe,  an  persönliches 
Erscheinen  beider  Parteien  in  Rom  zu  denken.  Da  der  Brief  doch  Interesse 
hat,  will  ich  eine  Auswahl  von  Lesarten  aus  der  um  1150  geschriebenen  Berliner 
Handschrift  Meerman  no  181  Bl.  142^  (rother  Titel:  Accusatio  Bernardi  abbatis 
apud  Innoceutium  papam  contra  M.  Petrum)  geben:  Migne  182  Sp.  586  A  patri 
et  domino  dei  gratia  summo  pontifici  Innocentio  (=  169)  B.  Clarevall.  abbas; 
B  iniurias  suas;  inter  omnia;  nberibus  suis  fovet;  talibus  enim  et;  C  Absalon  ger- 
manitas  et;  nova  nobis  fides;  sacramentis  ecclesie  non  (=  189);  praeterqoam 
accepimus  (=  189);  D  evasimus  Petrum  Leonis  (=  189);  rapiens  et  rugiens 
(vgl.  189);  8p.  536  A  sententias  suas  inclusit  et  in  tutelam  sui  erroris  (vgl.  836 
888);  B  amicum  sponsi  inimice  sponsi  sponsae;  me  detineret;  ego  quidem  allere 
non  potui  iniurias  domini,  lesiones  ecclesie  pacientis,  tu  autem  (vgl.  Sp.  1072  D); 
C  abiit;  pascit  hedos  suos  (Cantic.  1,7)  iusta  tabernacula  paatorum.  Jetzt 
folgt:  lacinctas  multa  mala  ostendit  nobis.  nee  enim  que  voluit  potoit,  sed 
Visus  est  mihi  pacienter  ferendus  de  me  qui  nee  vestre  persone  nee  curie  pepercit 
quod  melius  nocholaus  iste  mens  immo  et  vester  viva  referet  voce ;  non  solum  hoc 
sed  et  omnia  cetera  intimare  vobis  latius  poterit,  sicut  plenius  novit.  Val.  (vgl. 
189  888  886  und  oben  S.  418  und  416). 

1)  Capitula,  tituli  bezeichneten  eigeoUich  die  Inhaltsangaben  der  einzelnen 
Abschnitte  eines  Buches,  wie  sie  meistens  im  Anfang  der  Bücher  zoaanunengestellt 
wurden  \  dann  »ach  die  einzelnen  Punkte  einer  Anklage. 


die  Anklages&tze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  427 

Abt  Wilhelm^nennt  in  seinem  Begleitbriefe  die  13  kurzen  Sätze, 
in  welche  er  die  Irrlehren  aas  der  Theologia  Abaelard's  formolirt 
hat  capitula  (Migne  182  Sp.  632 A  and  C:  hacc  sunt  capitula 
ex  opascolis  eius  collecta);  dagegen  in  seinem  Traetat  (Migne  180 
Sp.  249 — 282)  gebraucht  er  diesen  Ausdruck  nicht,  auch  nicht  von 
den  längeren  Auszügen  aus  der  Theologia,  in  welchen  er  eben 
jene  Irrlehren  ausgesprochen  findet. 

In  seinem  190.  Briefe  behandelt  Bernhard  Irrlehren  Abaelard*s, 
welche  er  theils  in  kurze  Sätze  formulirt  (Sp.  10G2A  und  C) 
theils  mit  ausführlichen  üitaten  belegt.  Am  Schlüsse  (Sp.  1072  C) 
sagt  er  'Haec  .  .  tenetis  adversus  pauca  quidem  novae  haereseos 
capitula  .  .  .  Sunt  et  alia  in  aliis  eius  scriptis  non  pauca 
nee  minus  mala  capitula  .  .  CoUegi  tarnen  aliqua  et  transmL^r. 
Unter  diesen  alia  Capitula  aliqua  verstehen  Manche  die  unten 
erwähnten  Excerpte  in  14  Abschnitten.  Allein  der  1.,  2.  und 
14.  Abschnitt  dieser  Excerpte  sind  von  Bernhard  im  190.  Brief 
ebenfaUs  behandelt  (Sp.  1058  B  und  10591);  105GA  ffl.;  1059  A 
und  lOtil  A) ,  ja  der  Gegenstand  des  längsten  Abschnitts  der  Ex- 
cerpte, no  4  Quod  Christus  non  assumpsit  carnem  ut  nos  a  iugo 
diaboli  liberaret,  ist  ebenfalls  von  Bernhard  nicht  weniger  als 
10  Spalten  lang  (Sp.  1062—1072)  behandelt :  wie  hätte  da  Bern- 
hard diese  14  Abschnitte  nennen  können  ^alia  capitula,  ad  quae 
nee  temporis  nee  epistolae  angustia  respondere  permittit*  ?  Auf  4 
von  jenen  14  hatte  er  ja  selbst  eben  geantwortet.     Vgl.  S.  435. 

Aus  dem  Codex  Vaiicanus  063  gab  Mabillon  Excerpte  ans 
Abaelard*s  Theologia  in  14  Abschnitten,  von  denen  der  längste 
1  Spalte  in  Migne's  Ausgabe  einnimmt,  heraus  (Migne  182  Sp.  1019, 
Cousin  II  765).  Jeder  Abschnitt  hat  eine  besondere  Inhaltsangabe; 
die  ganze  Sammlung  hat  die  allgemeine  Ueberschrift  'Incipinnt 
capitula  haeresum  Petri  Abaelardi'  (vgL  Bernhardts  190.  Brief 
Sp.  1072  C  'novae  haereseos  capitula*)  und  die  allgemeine  Unter- 
schrift 'Haec  sunt  capitula  Theologiae,  imo  Stultilogiae  P.  Ab.', 
die  übereinstimmt  mit  Bernhardts  190.  Brief  Sp.  1061  B  'in  primo 
limine  Theologiae  vel  potius  Stultilogiae  suae'. 

Capitula  spielen  weiterhin  eine  große  Rolle  in  den  Berichten 
über  das  Concil  von  Sens  und  nachher.  lieber  die  Concil- 
verhandlungen  haben  wir  3  Berichte:  Bernhardts  Brief  an  den 
Pabst,  no  189  (Migne  182  Sp.  356):  In  praesentia  omnium  adver- 
sario  staute  ex  adverso  producta  sunt  quaedam  capitula  de 
libriB  eius  excerpta.  quae  cum  coepissent  legi,  nolens  audire  exi- 
vit  .  ••  Porro  capitula  iudicio  omnium  examinata  inventa  sunt 
fidei  adversantia;  contraria  veritati.         Im  Bericht  an  den  Pabst, 


428  Wilhelm  Meyer, 

den  Bernhard  im  Namen  des  Erzbischofs  von  Reims  nnd 
seiner  Suffragane  verfaßte,  Heißt  es  (191.  Brief,  Migne  182  Sp.  357): 
Com  in  conspectu  episcoporum  super  his  argueret  enm  abbas  Cla- 
rae-Vallis  (d.  h.  die  Anklagesätze,  die  Capitnia,  verlesen  ließ)  .  ., 
nee  confessns  est  nee  negavit,  sed  .  .  appellavit.  £piscopi  autem  .  . 
capitula.librorum  eins  a  sanetis  (olim  setjgt  eu  Otto  von  Freising 
Gesta  Frid,  I  48)  patribas  condemnata  (d.  h.  wohl,  durch  Beleg- 
stellen ans  den  Kirchenvätern,  besonders  ans  Augustin,  widerlegt), 
ne  morbus  serperet,  medicinali  necessitate  abiudicaverunt. 

Am  ausführlichsten  spricht  von  diesen  Capitula  (hier  auch 
Sententiae  genannt)  der  trockene  amtliche  Bericht  des  Erz- 
^bischofs  von  Sens  (Migne  182  Sp.  542):  Dominus  abbas  cum 
librum  Theologiae  magistri  Petri  proferret  in  medium  et  quae 
adnotaverat  absurda  imo  haeretica  plane  capitula  de  libro  eodem 
proponeret,  ut  ea  magister  Petrus  vel  a  se  scripta  negaret  vel,  si 
sua  fateretur,  aut  probaret  aut  corrigeret,  .  .  Petrus  Abaelardus  .  . 
respondere  noluit,  sed  .  .  appellans  .  .  discessit  .  ..  Caeterum 
sententias  pravi  dogmatis  ipsius,  quia  multos  infecerant  et  sui 
contagione  adusque  cordium  intima  penetraverant ,  saepe  in  au- 
dientia  publica  lectas  et  relectas  et  tarn  veracissimis  rationibus 
quam  beati  Augustini  aliorumque  sanctorum  patrum  inductis  a 
domino  Clarae  -  Yallensi  auctoritatibus  non  solum  falsas  sed  et 
haereticas  esse  evidentissime  comprobatas  pridie  ante  factam  ad 
vos  appellationem ,  danmavimus.  Et  quia  multos  in  errorem  per- 
niciosissimum  et  plane  damnabilem  pertrahunt,  eas  auctoritate 
vestra,  dilectissime  domine,  perpetua  damnatione  notari  .  .  unani- 
miter  et  multa  precum  instantia  postulamus  .  . .  Quaedam  autem 
de  condemnatis  a  nobis  capitulis  vobis,  re verende  pater,  con- 
scripta  transmisimus ,  ut  per  haec  audita  reUqui  corpus  operis 
faciUus  aestimetis.  Ich  habe  hier  vor  danmavimus  interpungirt. 
Gewöhnlich  verbindet  man  'pridie  ante  factam  ad  vos  appellatio- 
nem*  mit  'danmavimus*  und  nicht  mit  'comprobatas'.  Doch  'in 
audientia  publica  lectas  et  relectas'  kann  sich  nur  auf  die  ge- 
schilderte Hauptsitzung  am  Montag  beziehen,  und  es  entstünde  so 
der  unsinnige  Satz  'die  am  Montag  wiederholt  verlesenen  (und 
besprochenen)  und  von  Bernhard  widerlegten  Sätze  Abaelards 
haben  wir  am  vorangehenden  Sonntage  verdammt'.  Die  Worte 
'pridie  ante  .  .  appellationem'  mögen,  wie  Deutsch  meint,  nach- 
träglich eingeflickt  sein  und  in  Etwas  die  Construction  erschweren, 
aber  einen  Sinn  müssen  sie  doch  geben  wollen,  nemlich  'Ob  Abae- 
lard  ein  Haeretiker  sei  und  ob  er  jene  Sätze  wirklich  aufgestellt 
habe,   das  haben  wir  nach  seiner  Appellation  nicht  weiter  anter- 


die  Anklagesätze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  429 

socht  und  beurtheilt ;  dagegen  die  formnlirten  Sätze ,  d,  h.  eben 
jene  Capitula  aus  der  Theologia,  welche  in  der  vorläufigen  Be- 
sprechung der  Kirchenfürsten  am  Sonntage  Abaelard  eingehend 
besprochen  und  widerlegt  hatte,  haben  wir  am  Montage  nach  ein- 
gelegter Appellation  an  und  für  sich,  ohne  Rücksicht  auf  die 
Person  ihres  Urhebers,  zu  wiederholten  Malen  verlesen  lassen,  be- 
sprochen und  verdammt'  ^).  So  stimmen  die  3  Berichte  zusammen. 
Auffallend  bleibt,  daß  die  Theilnehmer  des  Concils  nur  'quaedam 
de  condemnatis  capitulis*  und  nicht  die  vollständige  Liste  an  den 
Pabst  übersenden,  obwohl  sie  verlangen,  daß  der  Pabst  alle  ver- 
dammen soll  (eas  auctoritate  vestra  .  .  perpetua  damnatione  notari) ; 
freilich  verlangen  sie  auch,  daß  der  Pabst  Abaelard's  *libro8 
perverso  sine  dubio  dogmate  respersos  condemnarct\  und  in  diesen 
sind  ja  alle  Capitula  zu  suchen. 

Der  Pabst  spricht  in  seiner  Antwort  (Migne  182  Sp.  361) 
von  den  ^missis  a  vestra  fraternitate  nobis  errorum  capitulis' 
und  erklärt  ^destinata  nobis  a  vestra  discretione  capitula  et 
universa  ipsius  Petri  perversa  dogmata  sanctorum  canonum  aucto- 
ritate cum  suo  auctore  damna\amus*. 

Eine  so  bedeutende  Rolle  haben  diese  Capitula  in  dem  Prozeß 
gegen  Abaelard  gespielt.  Allein  sie  haben  noch  weiter  gewirkt. 
Im  Verlaufe  des  Streites  schrieb  Abaelard  seine  Apologia, 
*quam  contra  abbatem  (Bernhard)  dirigit'.  Wir  haben  leider  nur 
den  Anfang  bei  Otto  von  Freising  (Gesta  Friderici  1  41))  und 
etliche  Fragmente  bei  dem  Anonymus  (Migne  IS)  Sp,  283 ;  oben  S. 
417),  der  gegen  dieselben  schrieb.  Abaelard  griff  darin  den  Bernhard 
'quem  criminatorem  suuiii  appellat'  (Sp.  280  B)  heftig  an.  Werden 
aber  Bernhardts  Anklagen  genannt,  so  wird  das  Wort  Icapitu- 
lum'  gebraucht:  allgemein  Sp.  286  4nvehitur  pro  capitulis  bis 
velut  ab  eo  iactis  .  .  in  abbatem'  und  Sp.  286  C  *capitula  illa  (ab- 
batem selzt  der  Herausgeber  su)  finxisse  commemorat'.  Dann  ein- 
zeln Sp.  285  J)  in  Apologia  .  .  super  hoc  capitulum  ita  dicit  fpatri 
omnipotentia ,  iilio  quaedam  potentia,  spiritui  s.  nulla  potentiaj. 
Sp.  3U0D  in  Apologetico  suo  responsione  sua  (die  Abschrift  hat 
statt  sua  einen  tmdetitlichen  corrigirtcn  Buchstaben ,  darüber  V:  vicU- 
leicht  quinta?)  super  hoc  capitulum  furiis  exagitatus  Petrus  insanit 
et  sie  nimis  intemperanter  invehitur  in  hominem  dei,  ut  non  eum 
loqui  quae  loquitur,   sed  per  eum  Satanam  qui  transformat  se  in 

1)  Deauch,  welcher  *pridie  ante  .  .  appellationem*  mit  damaavimas  verbindet, 
qa&lt  sich  S.  86  mit  audientia  publica  und  muB  schlimme  Erfahrungen  des  Erz- 
bischofs von  Sens  mit  einer  nicht  beachteten  Appellation  beiziehen,  um  die  Worte 
erklären  zu  können. 

E|L  Om.  d.  WiM.    MachricUM.    PkUolof .-kifior.  kUm.  189S.    B«A  4.  29 


430  Wilhelm  Meyer, 

angcinm  lucis  asseveret.  ibi  post  venerabilis  abbatis  exprobratio- 
nem  .  .  *Cuin  me  arguis'  inquit  *qtiod  non  dico  quia  deus  et  homo 
una  sunt  in  trinitate  persona,  patenter  te  id  sentire  profiteris  •  /. 
Bernhard  hatte  also  nicht  seine  eigene  Ansicht  ausgesprochen, 
sondern  nur  in  Kürze  Abaelard's  Ansicht  formulirt;  damit  argu- 
mentirt  (patenter  ostendis)  dann  Abaelard.  Sp.  316  B  In  Apo- 

logia  sua  .  .  diligentiore  tractatu  et  quasi  viribus  in  unum  coUectis 
hoc  eapitulum  ceteris  difFusius  exequitur'  (si  deus  id  solum  facere 
potest  quod  eum  facere  seu  velle  convenit,  profecto  id  solum 
facere  atque  velle  facere  potest,  quod  quandoque  facit  etc.). 
Es  ist  wahr,  von  diesen  3  Capitula  wird  das  1.  in  den  Excerpten 
§  1  wenigstens  berührt,  das  2.  und  3.  im  §  5  und  §  3  behandelt; 
damit  ist  aber  nicht  bewiesen,  daß  diese  von  Abaelard  in  der 
Apologia  bekämpften  Capitula  des  Bernhard  mit  den  Excerpta 
zusammen  fallen ;  denn  dieselben  Capitula  finden  sich  auch  in  einer 
andern  Sammlung. 

Berengar  läßt  in  dem  Apologeticus  den  Bernhard  sich 
rühmen  *Nonne  caute  consulteque  egi  quod  foedum  illud  sacrile- 
gumque  dogma  manuali  quodam  indiculo  complosi,  ne  scilicet 
breviter  volentibus  attingere  summam  rei  onerosum  esset  ire  per 
spatiosos  saltus  voluminum  Abaelardi?',  und  antwortet  ihm  *In- 
diculum  vidimus,  in  quo  non  Petri  dogmata,  sed  nefandi  com- 
menti  capitula  legimus,  Quod  scilicet  pater  sit  omnipotentia 
filius  quaedam  potentia  spiritus  sanctus  nuUa  potentia  {folgen  noch 
4  solche  kurzen  Sätze  mit  quod).  Haec  et  alia  indiculus  tuus  con- 
tinet,  quorum  quaedam,  fateor,  Petrus  et  dixit  et  scripsit,  quaedam 
vero  neque  protulit  neque  scripsit*.  Später  bekennt  er  *Nolui  esse 
patronus  ^capitulorum  obiectorum  Abaelardo'.  Auch  hieraus 
erhellt,  daß  diese  dem  Bernhard  zugeschriebenen  Capitula  nicht 
bloße  Auszüge  nach  Art  der  Excerpta  waren  (denn  welcher  Ver- 
nünftige konnte  deren  Echtheit  leugnen?),  sondern  neu  formulirte 
kurze  Anklagesätze,  wie  die  B  citirten,  welche  Sätze  so  zusammen- 
gestellt waren,  daß  sie  rasch  einen  Ueberblick  über  Abaelard^s 
Irrlehren  gaben. 

Otto  von  Freising  berichtet  in  den  Gesta  Friederici 
(I  47 — 49)  von  dem  Streite  Bernhardts  und  Abaelard's  und  gibt 
das  Schreiben  des  Erzbischofs  von  Reims  an  den  Pabst  (=  191. 
Brief  des  Bernhard)  und  das  verurtheilende  Schreiben  des  Pabstes 
mit  den  oben  mitgetheilten  Erwähnungen  der  Capitula.  Dann 
(Cap.  49)  folgt  Tetrus  .  .  ad  Cluniacense  coenobium  se  contulit 
apologeticum  scribens  et  praedictorum  capitulorum  partim 
verba,   ex  toto  autem  sensum  negans  .  ..    Haec  aatem  paaca  de 


die  AnklagGS&tzo  des  h.  ßernhard  gegen  Abnelard.  431 

multis   contra   eum   posita   sufficiant  capitula.     Folgen  5  kurze 
Sätze,  die  alle  mit  ^Quod'  beginnen. 

Der  Hauptzeuge  ist  natürlich  Abaelard  selbst;  der  Ange- 
klagte muß  ja  am  besten  wissen,  wessen  und  wie  er  angeklagt 
ist.  Seine  letzte  Schrift  in  diesem  Streite,  die  Confessio  fidei 
(Migne  180  Sp.  105 — 108),  ist  ganz  und  gar  nur  die  Antwort  auf 
'conscriptis  contra  eum  capitulis'.  In  17  Abschnitten  antwortet 
er  auf  die  einzelnen  Capitula  und  führt  das  erste  und  das  letzte 
Capitulum  und  die  Unterschrift  wörtlich  an.  Auch  diese  Capitula 
können  nicht  jenen  Excerpten  in  14  Abschnitten  gleich  oder  ähn- 
lich gewesen  sein,  sondern  sie  müssen  von  Andern  formulirte 
kurze  Sätze  gewesen  sein,  so  daß  ebondeßhalb  Abaelard  sie  zum 
Theil  ableugnen  konnte.  Die  echte  Sammlung  der  Capitula  aber 
muß  jedenfalls  zu  den  Antworten  passen,  welche  Abaelard  in 
dieser  Confessio  fidei  gegeben  hat. 

Die  echten  Capitula. 

Die  lateinische  Pariser  Handschrift  15139  (St.  Victor  813, 
olim  St.  Victor  1107),  welche  ich  im  Sommer  18i)8  dank  der  Güte 
der  französischen  Behörden  in  Göttingen  für  die  Geschichte  des 
Motetts  studiren  konnte,  ist  eine  Sammelhandsehrift ;  doch  waren 
die  verschiedenen  Stücke  schon  im  15.  .Jahrhundert  zusammen- 
gebunden *).     Das  letzte  Stück  dieser  Handschrift ,   die   4  Blätter 

1)  Die  für  die  klassiscben  Philologen  wichtige  erste  Hälfte  dieser  SammeU 
handschrift  ist  nicht  mehr  im  liande  und  muß,  da  der  Hand  alt  ist,  schon  vor 
Jalirhunderten  abgetrennt  worden  sein.  Die  vollständige  Handschrift  gehörte 
einem  Manne  des  15.  Jahrhunderts,  welcher  sich  auf  dem  Vorsetzblatte,  dann 
auf  Bl.  199  und  290^  nennt:  Chilz  liures  est  Jaque  Bauchat  sergant  darmez  da 
Roi  et  est  se  residence  Saint  Quentin  en  Vermendos.  Bl.  254^  oben  nennt  sich 
ischus  liures  est  Ihohan  Dupont  (ein  magister  der  Sorbounc  Joh.  Diipont  kommt 
vor).  Die  2  Vorsetzblätter  erhalten  ein  doppeltes  im  15.  Jahrhundert  geschrie- 
benes Inhaltsverzeichniß ,  aus  dem  ich  die  Beschreibung  der  abgotrennton  ersten 
Hälfte  hierher  setze,  damit  diese  werthvollen  Stücke,  welche  wohl  ebenso  wie  die 
hier  erhaltenen  (Bl.  176--S05)  im  12./13.  Jahrhundert  geschrieben  waren,  ent- 
weder im  Original  oder  in  direkten  Abschriften  leichter  ermittelt  werden  können: 
Ovidii  de  vetula  libri  tres:  primus  1  (d.h.  auf  dem  1.  Blatt  beginnend),  se- 
cundus  14,  tercius  25.  Expositiones  quedam  trium  librorum  predictorum  87. 
Liber  eiosdem  Ovidii  de  amoribus  sive  de  sine  titulo,  cuius  sunt  tres  libri 
parciales:  primos  47,  secundus  66,  tercius  65.  £iasdcm  Ovidii  de  remedio 
amori8  75,  de  pulice  85.  Eiusdem  über  fastorum  b:3.  Liber  Calphurnii 
Bucolicoram  150.  Tüll  ins  de  orature  168.  Der  erhaltene  Theil  beginnt  mit 
Bl.  176  ood  schließt  mit  805.  Der  Anfang  Bl.  176  ist  weder  Cicero  de  oratore 
noch  de  inveatione,  was  eine  neuere  Hand  beigeschrieben  hat,  sondern  der  An  clor 
ad  Hereoniam  von   Boch  IV  §  17    *in  sermone  cousuetudine*   an  bis   lam 

29  ♦ 


432  Wilhelm  Mcyef , 

in  8^,  302 — 305 ;  interessirten  mich  als  Palaeographen  wegen  ihrer 
littera  minutissima ;  sie  sind  beschrieben  im  Schlüsse  des  12.  Jahr- 
hunderts. Die  erste  Spalte  des  Blattes  302  beginnt  *In  Christo 
secundum  hominem  due  dignitates  enituerunt  quae  causa  nostrae 
salutis  extiterunt,  dignitas  regalis  et  dignitas  sacerdotalis.  £x 
eo  quod  rex  erat  cum  diabolo  pugnans  triumphavit'.  Bald  nach- 
her :  dicamus  tarnen  pater  est  iustitia  filius  sapientia  spiritus  sanctus 
misericordia;  dann  entwickelt  sich  ein  Gespräch  der  Misericordia 
und  Iustitia )  an  dem  sich  auch  die  Sapientia  betheiligt.  In  der 
Mitte  der  2.  Spalte  des  Blattes  304  schließen  die  Worte:  Ergo 
nee  humilitatis  exempla  nee  caritatis  insignia  preter  redemptionis 
sacramentum   sunt   aliquid.  Dann    folgt   das   nachher   zu   be- 

sprechende   Stück.  Die   Rückseite ,    d.  h.    die    3.  Spalte ,    des 

Blattes  304  beginnt:  Magnum  est  homini  seculari  mundas  habere 
manus,  weiterhin  ist  die  Rede  von  geistiger  immunditia  und  mit 
dem  Ende  der  2.  Spalte  des  Blattes  305  endet  die  Thätigkeit 
dieses  Schreibers.  Was  er  geschrieben,  rührt  wohl  von  französi- 
schen Theologen  des  12.  Jahrhunderts  her. 

Die  untere  Hälfte  der  2.  Spalte  des  304.  Blattes  enthält  in 
30  Zeilen,  die  alle  30  zusammen  einen  üaum  von  nur  7  Centimeter 
Höhe  einnehmen,  17  Absätze,  von  denen  jeder  in  neuer  Zeile  mit 
*Quod'  beginnt,  und  darüber  die  Worte:  Haec  capitula  partim  in 
libro  theologiae  partim  in  libro  Sententiarum  magistri  Petri  partim 
in  libro  cuius  titulus  est  Scito  te  ipsiun  reperta  sunt. 

Natürlich  dachte  ich,  als  ich  diese  Ueberschrift  las,  an  den 
Magister  Sententiarum,  den  Petrus  Lombardus;  allein  der  merk- 
würdige Inhalt  einzelner  der  folgenden  Sätze  machte  mich  stutzig. 
Endlich  kam  ich  auf  den  früheren  Magister  Petrus  (vgl.  Denifle 
im  Archiv  f.  Litt.  u.  Kirchengeschichte  1  609),  den  Petrus  Abae- 
lardus  und  fand,  daß  dies  genau  die  Capitula  sind,  gegen  weiche 
er  in  derConfessio  fidei  sich  vertheidigt.  Damit  war  die 
Wichtigkeit  dieses  kleinen  Stückes   sicher  gestellt.     Nun  ging  ich 


Schlüsse  des  5.  Baches.  Die  *pulchra  dicta  super  domiuicam  orationem'  etc. 
bl  247  sind  keine  ^commentaires',  sondern  Tropi,  von  denen  ich  in  den  Göttiuger 
Nachrichten  la9d  (Der  Ursprung  des  Motetts)  ö.  116  oben  einige  Proben  gegeben 
habe.  Bl.  254  folgen  die  Motetten  und  Aebnliches,  worüber  Coussemaker,  Uistoire 
de  riiarmonie  S.  259  gehandelt  hat  und  aus  denen  ich  in  den  Guttingor  Nach- 
richten S.  138  2  zweistimmige,  am  29.  Nov.  1244,  dem  Jahrestage  der  Krönung 
Ludwigs  des  Frommen,  gesungene  Cantaten  veröffentlicht  habe  (ich  hätte  dabei 
notiren  sollen,  dai  die  Worte  S.  138  *Francie  donat  regibus  .  .  oleum  leticie  pre 
suis  consortibus*  genoounen  sind  aus  Psalm  44, 8  unxit  te  deus  tuus  oleo  iaetitiaa 
prae  consortibus  tuis). 


die  Anklages&tze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  433 

weiter;  dabei  stieß  ich  in  der  älteren  Literatur  über  Abaelard 
öfter  auf  die  Erwähnung  von  '17  Capitula';  die  Spuren  führten 
endlich  zur  Ausgabe  der  Opera  Petri  Abaelardi  von  1616,  welcher 
vorangeht  eine  Apologetica  praefatio  pro  Petro  Abaelardo  .  .  per 
Franc.  Amboesium.  Daselbst  Bl.  bll  sagt  Amboise:  *Capitula 
haereseon  .  .  in  quodam  ms.  reperi  .  .  bona  fide  transscribenda 
curavi' ;  dann  folgen  17  Capitula.  Diese  Stelle  ist  mit  der  ganzen 
Praefatio  des  Amboise  wieder  gedruckt  bei  Migne  Patrologia  lat. 
178  Sp.  79. 

Und  doch  wissen  die  neueren  Gelehrten  Nichts  von  diesen 
Capitula  und  meinen,  entweder  die  14  Abschnitte  der  Excerpta 
seien  darunter  zu  verstehen  oder  sie  erklären  dieselben  für  ver- 
loren. Wie  konnte  das  geschehen?  Nach  meiner  Ansicht  ist 
Mabillon  daran  schuld.  In  der  Uebersicht  über  die  Geschichte 
Abaelard's,  welche  er  in  der  Note  zum  187.  Briefe  des  h.  Bern- 
hard gibt  (Migne  182  Sp.  350),  sagte  er  a.  1690:  Extant  inter 
opera  Abaelardi  17  errorum  articuli,  quos  a  synodo  ad  Innocen- 
tium  missos  testatur  codex  manuscriptus  Paracletensis  illic  cita- 
tus  *) :  sed  cum  eos  in  ipsa  Bernardi  epistola  190  et  in  epistola 
Guillelmi  hie  390  (Migne  180  Sp.  249  oder  182  Sp.  531)  habeamus 
fere  omnes,  haud  necesse  est  hoc  in  loco  illos  attexere.  Prae- 
ferenda  sunt  capitula,  quae  ex  codice  Vaticano  infra  referimus 
(d.  h.  die  14  Abschnitte  Excerpte ,  Migne  180  Sp.  1049).  Dies 
flüchtige    und    falsche   ITrtheil  Mabillon's  hat   die    17  Capitula   in 

1)  Mabillon  meint  damit  wohl  die  Ädmonitio,  welche  in  Amboise's  Aasgabe 
auf  S.  276  dem  189.  Briefe,  dem  Berichte  Bernhardts  über  die  Synode  in  Sens, 
Yon  Amboise  angehängt  ist:  Praecedenti  epistolae  adhaerebant,  non  in  editis  sed 
in  mss.  codicibns,  Capitula  quaedam  contra  Petrum  Abaelardum  posita  et  Inno- 
centio  summo  pontifici  missa.  Verum  quia  nulla  eorum  aut  pene  nulla  in  omnibus 
ipsius  Abaelardi  scriptis  quae  nunc  damus  reperiri  qui?is  facillime  iudicabit  .  ., 
propterea  omittendam  hie  eorum  relationem  haud  inconveniens  iudicavimus.  Alio- 
quin  et  quae  fuerint  subsequens  S.  Bernardi  ad  Innocentium  epistola  (190.  Brief) 
et,  utrum  vera,  Confessio  fidei  quam  pro  sua  defensione  cooscripsit  Petrus  satis 
indicabunt.  Allerdings  ist  hier  nicht  die  Rede  von  einem  codex  Paracletensis, 
aber  einerseits  widerspricht  sich  Amboise  selbst,  der  hier  die  Capitula  in  mehre- 
ren Handschriften  gefunden  und  doch  sie  weggelassen,  in  der  Praefatio  apologe- 
tica aber  sie  ex  quodam  codice  abgeschrieben  haben  will,  anderseits  ist  die  Weg- 
lassung der  Capitula  von  Mabillon  offenbar  nach  den  obigen  Worten  des  Amboise 
begründet.  Jedenfalls  sollten  die  betreffenden  Briefe  Bernhardts  und  des  Pabstes 
Innocens  in  einer  Anzahl  Handschriften  eingesehen  worden ,  damit  vielleicht  das 
Datum  der  Verdammungsbulle  des  Pabstes  (oben  S.  414)  festgestellt  wird,  viel- 
leicht auch  noch  weitere  Abschriften  dieser  Capitula  gefunden  werden.  Das  Stück 
ist  ja  von  der  Art,  daB  es  entweder  schon  bei  der  Beschreibung  einer  Handschrift 
oder  beim  Anfertigen  dos  Index  leicht  unter  den  Tisch  fi&lh. 


434  Wilhelm  Meyer, 

Vergessenheit  gebracht.  Die  meisten  neuern  Gelehrten  kennen 
sie  überhaupt  nicht,  Andere  gleiten  Mabillon  zu  Liebe  mit  Eleganz 
von  den  17  Capitula  zu  den  14,  wie  Charles  de  R^musat  (Ab^lard 
I  214,  während  er  in  seinem  Drama  *Abaelard'  1877  S.  400  8  Ca- 
pitula von  den  17  declamiren  läßt)  und  Vacandard  (Vie  de  Saint 
Bernard  I  147  und  149).  Ich  gebe  hier  den  Text  der  18  Capitula, 
so  gut  ich  ihn  mit  meinen  Hilfsmitteln  herstellen  kann. 

Handschriften  der  18  Capitula  habe  ich  bis  jetzt 
folgende  zusammen  gebracht:  P  selbständig  und  vollständig  in 
der  beschriebenen  Pariser  Handschrift  15139  Bl.  304 ;  hier  ist  die 
Unterschrift  Ueberschrift  und  es  fehlt  das  7.  Cap.  M  und  K : 

selbständig  aber  unvollständig;  die  Unterschrift  fehlt  ganz,  da- 
gegen ist  darüber  gesetzt  *He  sunt  hereses  Petri  Abaelardi  (Bay- 
lardi  paucc  de  multis  K).  In  M  (München  clm  22271,  Windberg 
71,  12  Jh.) ,  einer  großen  Sammlung  von  Briefen  Bernhardts  *), 
sind  uns  angehende  Stücke  eingesetzt :  Bl.  26  a  der  Anfang  des 
190  Briefs ,  bis  'nullam  potentiam  (Migne  182 ,  10B6  A).  Bl.  93  b 
no  189,  Bl.  95  b  no  194  (Innocenz  11  großer  Brief).  Bl.  96  b  Inno- 
cenz  n  kleiner  Brief  (Migne  182,  350  Note ;  H.  Senonensi,  Samsoni 
Remensi ;  Data  lateranis  XVII  Kl.  Augusti ;  die  Nachschrift  fehlt) ; 
Bl.  97  a  an  A.  Treverorum  archiep.  Bl.  97  b  He  sunt  hereses  Petri 
Abailardi,  dann  die  18  Capitula;  nach  dem  2.  eingeschoben  'Quod 
Spiritus  sanctus  sit  anima  mundi'.  K  =  Wien  lat.  998  (Theol. 
329 ,  genau  beschrieben  bei  Denis ,  Codices  theol.  I  1793  S.  616) 
12.  Jh.  (nicht  13.):  Bl.  161  und  176  Abaelard's  Confessio.  Bl.  173  a 
He  sunt  hereses  Petri  Baylardi  pauce  de  multis ;  die  18  Capitula, 
ohne  den  Einschub  nach  dem  2.  Kapitel.  Es  schließen  sich  an: 
Bl.  173.  b.  Bernhardts  189.  Brief  und  der  große  des  Innocenz  11 
(Brief  194)  ^Data  lat.  XVH  K.  Aug.' «). 


1)  Aehnliche  Sammlangen,  fast  alle  aus  dem  12.  Jb.,  nennt  der  alte  Hand- 
schriftcncatalog  der  Departementalbibliotheken :  Bd.  I  Laon  no  167;  U  Troyes 
no  45  580  1878;  III  Saint-Omer  137  and  146;  IV  Arras  70  and  585;  Boulogne 
76;  V  Charleville  189;  (Douai  no  857  eine  nocb  nicbt  b  e n ft  t z  t e  Handschrift 
der  Introductio  und  von  Sic  et  oon);  VI  Douai  372  Vol.  II.  Dann  nach  dem 
neuen  Ilandscbriftencatalog  der  Departementalbibliotheken,  Band  V  Dijoo  190, 
VII  Grenoble  212.  Wohl  in  all  diesen  Handschriften  steht  das  selbständige 
Stück  'He  sunt  hereses  Petri  Ab.'  ohne  die  Unterschrift. 

2)  Am  Hinterdcckel  der  Wiener  Handschrift  steht  außer  der  Notis  Iste  über 
pertinet  ad  S.  Mariam  Kotewic*  (Göttweih)  noch  ebenfalls  im  12.  Jh.  geschrieben: 
Petros  Abaielardus  in  Theologia  sua:  Predestinatio  ut  diximus  de  bonis 
tantum  est.  Quod  enim  dicit  Augustinus  et  de  malis  esse,  ibi  predestinationem 
pro  prescientia  accepit.  £st  autem  predestinatio  gratie  preparatio.  Non  (nam  ?) 
incipit  ab  ipso  primo  donorom  gratiae  (gre)  et  per  successionem  diTersonun  do- 


die  Anklagesätze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  435 

V  und  W.  Sammlung  von  5  Briefen:  no  191.  189  188  190 
und  194')  (Innocenz  II  in  V  datirt:  Laterani  XVII  kal.  aprilis, 
in  W  ohne  Datum) :  V  =  Valenciennes  (nach  dem  Handschriften- 
catalog  der  Departementsbibliotheken  Bd.  25)  no  40  (34),  12.  Jh.  BL 
112  b  ffl. ;  ich  verdanke  genauere  Nachricht  und  Abschrift  der  Güte 
des  Vorstandes  M.  Lecat.  W  =  München  clm.  22299  (Windberg 
99)  12  Jh.  BL  1—52.  Der  190.  Brief  ist  in  diesen  Handschriften 
vollständig;  an  seine  Schlußworte  *collegi  tarnen  aliqua  et  trans- 
misi'  schließt  unmittelbar  (V  BL  121b,  W  BL  47  a):  Ad  capitala 
tantummodo  illa  (ista  W)  respondimus ,  que  signo  tali  jr  {$0  V ; 
andere  Zeichen  hat  W)  notata  sunt.  Es  folgen  die  18  Capitula 
vollständig  mit  der  Unterschrift;  doch  ist  nach  dem  2.  einge- 
schoben 'Quod  spirtus  sanctus  sit  anima  mündig  und  no  7,  das  ja 
in  P  ganz  fehlt,  steht  hier  zwischen  no  16  und  17;  nach  dem  18. 
steht  die  ganze  Unterschrift.  Das  Zeichen  ^  steht  in  V  nur  vor 
Cap.  12  3  und  13,  richtig,  da  von  den  18  Capitula  nur  diese  4  von 
Bernhard  im  190.  Brief  ausführlich  wiederlcgt  sind ;  in  W  steht 
thörichter  Weise  vor  jedem  Capitulum  ein  solches  Zeichen.  Sogar 
vor  der  Unterschrift  *Hec  capitula^  etc.  stand  in  W  dieses  Zeichen ; 
das  ist  aber  dann  getilgt  und  ganz  geschickt  durch  ^Bernhardus' 
ersetzt.  Die  Anschiebung  der  18  Capitula  an  den  190.  Brief  und 
der  Zusatz  ^Ad  capitula  tantummodo  illa  respondimus  que  signo 
tali  4r  notata  sunt'  ist  die  Fälschung  eines  gelehrten  Lesers, 
die  freilich  nicht  sehr  glücklich  ist;  denn  von  den  8  Capitula, 
welche   auch   der  190.  Brief  aufführt,    haben  6  andere    Fassung. 


noram  deinde  collatorum  usqne  ad  finem  procedit.  Sic  igitar  fit  temporal iter 
ista  preparatio.  Si  vero  predestinatio  ab  eterno  dicatur  sicut  Providentia  vel  dis- 
positio,  ut  cum  dicimus  ^deus  ab  eterno  predestinavit  hunc  ad  vitam\  tale  est  ac 
ri  dicatur  'ab  eterno  providit,  qaod  huic  aliquod  bonum  daret  per  quod  salvaretur'. 
Der  Ueberrest  der  Tbeologia,  die  sogenannte  Introductio  ad  tbeologiam,  bricht 
in  dem  Kapitel  de  sapientia  ab,  zn  der  die  praedestinatio  gehurt;  unsere  Stelle 
findet  sich  also  darin  nicht  mehr.  Allein  sie  stammt  daraus ;  denn  in  dem  Auszug 
der  Theologia,  in  der  fälschlich  sogenannten  Epitome  Theologiae  Christianae 
stehen  im  Schlüsse  des  21.  Kapitels  f^ist  genau  dieselben  Worte,  nur  etwas  ge- 
ändert  (preparatio.  Incipit  ab  ipso  donorum  genere  et  p.  s.  divinorum  donorum). 
Ein  neuer  Beweis,  daB  diese  Sentenzen  wirklich  aus  einem  Werke  Abaelard*8 
ausgezogen  sind  und  daB  dieses  wirklich  Theologia  betitelt  war. 

1)  Die  Handschriften  in  Bordeaux  181  und  in  Cambrai  262,  Band  6  und 
Band  17  des  neuen  Handschriftencatalogs  der  Departementalbibliotheken,  scheinen 
ihnliche  Gruppen  von  Briefen  zu  enthalten ;  nach  dem  5.  Band  des  alten  Catalogs 
der  Departementalbibliotheken  enthält  Charleville  no  67  auBer  den  Tractaten 
des  Abtes  Wilhelm  gegen  Abaelard  und  gegen  Wilhelm  de  Conchis  'aliquot  epis- 
tolaa  Bernardi  ad  Innocentium  et  lunocentii  ad  Bernardum*.  Ob  hier  überall  die 
18  Capitula  an  den  190.  Brief  angeflickt  sind  V 


436  Wilhelm  Meyer, 

Dann  wäre  es  selbst  eines  schlechten  Stilisten  unwürdig  zu  sagen, 
*diese  Capitula  habe  ich  widerlegt;  es  gibt  aber  noch  andere, 
schlimme,  die  ich  jetzt  nicht  widerlegen  kann ;  ich  nenne  sie  nur\ 
und  dann  unter  die  neuen  gemengt  jene  andern,  bereits  früher 
widerlegten  oder  genannten  alle  noch  einmal  aufzuzählen.  Endlich 
hat  der  Fälscher  ^respondimus'  geschrieben ,  während  der  humilis 
servns  dei  oder  puer  den  pluralis  maiestatis,  so  viel  ich  sehe,  in 
seinen  Briefen  nicht  anwendet,  sicher  nicht  im  190.  Briefe. 

(A)  Amboise  druckt  die  Capitula  in  seiner  Praefatio  ex  *quo- 
dam  ms.'.  S.  276  sagt  er,  er  habe  dieselben  nach  dem  189.  Briefe 
*in  codicibus'  gefunden.  Ob  er  die  Unterschrift  gesehen  oder  nur 
in  der  Confessio  gelesen  hat,  ist  unsicher. 

(1)  Quod  pater  sit  plena  potentia,  filius  quaedam  potentia, 
Spiritus  sanctus  nulla  potentia. 

(2)  Quod  Spiritus  sanctus  non  sit  de  substantia  patris 
aut  filii*). 

(3)  Quod  Christus  non  assumpsit  carnem,  ut  nos  a  iugo  diaboli 
liberaret. 

(4)  Quod  neque  deus  et  homo  neque  haec  persona  qqae  Christus 
est  sit  tertia  persona  in  trinitate. 

(B)  Quod  liberum  arbitrium  per  se  sufficiat  (sufficit  A)  ad 
aliquod  bonum  (donum  P). 

(6)  Quod  ea  solummodo  possit  deus  facere  vel  dimittere  vel 
eo  modo  tantum  vel  eo  tempore  quo  facit,  non  alio  (et  non  alio  A). 

(7)  Quod  deus  nee  (non  K)  debeat  nee  possit  (po.  nee  de.  A). 
mala  (malum  M)  impedire  (das  ganee  Capüulum  fehlt  in  P,  sieht 
in  YW  nach  dem  16,). 

(8)  Quod  non  contraximus  culpam  ex  Adam  sed  poenam  tantum. 

(9)  Quod  non  peccaverunt  qui  Christum  ignorantes  {die  Ex- 
cerpta  und  Otto  van  Freising  ignoranter ,  per  ignorantiam  Pj 
crucifixerunt ,  et  Quod  non  sit  culpae  ascribendum  (non  culpae 
adsc.  est  A)  quicquid  fit  per  ignorantiam. 

(10)  Quod  in  Christo  non  fuerit  Spiritus  timoris  domini. 

(11)  Quod  potestas  ligandi  atque  solvendi  apostolis  tantum 
data  sit ,  non  etiam  successoribus  eornm  (et  n.  et.  eorum  su.  W, 
non  SU.  A,  et  non  su.  eo.  K,  nee  et.  su.  eo.  M). 

(12)  Quod  propter  opera  nee  melier  nee  peior  efficiatur  homo. 

(13)  Quod  ad  patrem,  qui  (quia  M)  ab  alio  (animo  A)  non  est. 


1)  Hier  folgt  in  V  W  M  (nicht  in  P  K  A  und  Confessio) :  Qaod  spiritus  sanctas 
Sit  anima  mondi.    Vgl.  Anhang  no.  4. 


die  ADklages&tze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  437 

proprie  vel  specialiter  attineat  omnipotentia  (operatio  A),  non  etiam 
(etiam  et  W)  sapientia  et  benignitas. 

(14)  Quod  etiam  {fehlt  in  P)  castus  timor  excladatnr  (exclu- 
ditur  K).  a  fatura  vita  (das  Capitulum  fehlt  bei  A). 

(15)  Quod  diabolus  immittat  suggestiones  (malas  P)  per  appo- 
sitionem  (appositiones  P ,  Operationen!  A)  lapidum  sive  (vel  K  A) 
herbarum. 

(16)  Quod  adventus  in  fine  seculi  possit  attribui  patri. 

(17)  Quod  anima  Christi  per  se  non  descendit  (descenderit  K) 
ad  inferos,  sed  per  potentiam  tantum. 

(18)  Quod  neque  opus  neque  voluntas  neque  coneupiscentia 
neque  delectatio  quae  (quae  KM  cum  A,  fehlt  VWP)  movet  eam 
peecatum  sit  (eam  mo.  sit  p.  M),  ncc  debemus  eam  velle  (eam  velle 
fehlt  K)  extingui. 

Haec  capitula  partim  in  libro  Theologiae  partim  in  libro  Sen- 
tentiarum  magistri  Petri  partim  in  libro  cuius  titulus  est  Scito 
te  ipsum  reperta  sunt  (so  VWP;  das  Stüch  fehlt  in  KM)*). 

Entstehnng  und  Terbreltnng  der  18  Capltnla. 

Schon  die  Thatsache,  daß  Abaelard  in  der  Confessio  auf  diese 
Sammlung  von  Capitula  geantwortet  hat,  genügt,  um  die  Autorität 
derselben  festzustellen.  Doch  will  ich  einige  Ausführungen  bei- 
geben, damit  künftige  Forscher  sicherer  weiter  gehen  können. 
Es  ist  philologische  Kleinarbeit,  allein  wie  von  Irrthümern  so  gilt 
auch  von  Erkenntnissen,  daß  kleine  oft  zu  großen  führen.  Es 
handelt  sich  zunächst  darum,  die  Entstehung  dieser  18  Capitula 


1)  Diese  Worte  sind  in  P  üeberschrift.  Amboise  druckt  keine  üeber*  oder 
Unterschrift;  allein  er  bemerkt,  diese  capitula  seien  Weperia^  si  credere  fas  est, 
partim  in  libro  Theologiae  partim  in  libro  SentetUiarum  partim  in  libro  cui  titulus 
est  Scito  te  ipsum\  In  dem  Exemplar,  das  Abaelard  vor  Augen  hatte,  standen 
diese  Worte  wie  in  V  und  W  am  Schluß;  denn  in  der  Confessio  sagt  er:  Quod 
autem  capitula  contra  me  scripta  tali  fine  amicus  noster  concluserit  ut'  diceret' 
Haec  autem' capitula  partim  in  libro  Theologiae  magistri' Petri'» 
partim  in  libro  Sententiarum  eiusdem*,  partim  in  libro 
cuius'  titulus  est'  *Scito  te  ipsum',  reperta'  sunt*,  non  sine  ad- 
miratione  maxima  suscepi',  cum  nusquam'  liber*  aliquts\  qui  Sententiarum  dicatur, 
a  me  scriptus  repperiatur'.  Sed  sicut  cetera  contra  me  capitula,  ita  et  hoc 
quoque  vel'  per  malitiam  vel*  per'  igoorantiam  prolatum  est'.  'dicens  K, 
Wiener  tat,  Handschrift  998  lil,  176  b  ^ fehlt  in  T,  Tissier's  Bibliotheca  p,  Cist. 
*fehlt  in  T  ^fthlt  in  H,  berliner  Handschrift  Meerman  181  Bl  146  b,  eiusdem  ipsius 
K  »cui  T  '/VÄ/t  T  'inveniuntur  K  'recepi  K  'numquam  V,  die  gewöhnlichen  Drucke^ 
und  T  'aL  li.  T  'repperitur  B  ^ehlt  VT  *et  T  ^fehlt  VT  fehlt  T. 


438  Wilhelm  Meyer, 

nachzuweisen.  Deßhalb  bespreche  ich  zuerst  die  Schriften,  in 
welchen  Capitula  erwähnt  werden,  und  gebe  dann  über  die  ein- 
zelnen Capitula,  was  ich  habe. 

Ich  glaube  auch  hier  zu  erkennen,  wie  Bernhard  seinem  oben 
(S.  410)  dargelegten  Mißtrauen  gegen  sich  selbst  auch  hier  fol- 
gend, zu  der  schwierigen,  aber  wichtigen  Formulirung  dieser  An- 
klagesätze die  Vor-  und  Mitarbeit  seiner  Genossen  gewissenhaft 
benützt  hat.  Das  mag  ein  einfaches  Beispiel  lehren.  Das  achte 
Capitulum  liegt  uns  in  verschiedenen  Fassungen  vor: 

1)  Dicit  etiam:  ab  Adam  originalis  peccati  trahere  nos  poe- 
nam,  non  culpam. 

2)  Quod  ab  Adam  non  trahimus  originalis  peccati  culpam,  sed 
poenam. 

3)  Quod  non  contraximus  ex  Adam  culpam,  sed  poenam. 

4)  Quod  non  contraximus  culpam  ex  Adam,  sed  poenam  tantum. 

5)  Ex  Adam  .  .  tam  culpam  quam  poenam  nos  contraxisse 
assero  .  . . 

No  1  will  also  die  Worte  Abaelard's  geben;  zu  no  3  werden 
Belegstellen  aus  Abaelard  angeführt,  deren  Wortlaut  aber  soweit 
abweicht,  daß  er  auf  die  Umgestaltung  dieses  Satzes  keinen  Ein- 
fluß ausgeübt  haben  kann.  Es  liegen  ofl^enbar  in  no  2 — 5  rein 
stilistische  Correcturen  von  no  1  vor :  a  b  A  d  a  m  in  no.  1  und  2 
wird  zu  ex  Adam  in  no  3  45;  originalis  peccati  in  no  1 
und  2  wird  in  3  4  5  weggelassen;  das  Praesens  trahere  tra- 
himus wird  zum  Perfect  des  Compositums  in  no346  contraxi- 
mus contraxisse;  Poenam,  non  culpam  von  no  1  wird  in 
no  2  und  3  zu  non  .  .  culpam,  sed  poenam,  in  no  4  non  .  . 
culpam,  sed  poenam  tantum,  in  no  5  tam  culpam  quam 
poenam.  Der  Stammbaum  und  die  zeitliche  Folge  liegt  klar. 
Wo  stehen  nun  diese  Sätze?  No  1  steht  in  des  Abt  Wilhelm's 
Tractat^)  (Migne  180  Sp.  281 D,  11.  Abschnitt);  no  2  in  Abt 
Wilhelm's  Begleitbrief  zum  Tractat  (Migne  182  Sp.  532  C,  11.  Ca- 
pitulum); no  3  ist  die  Ueberschrift  über  dem  8.  Abschnitt  der 
Excerpte  (Migne  182  Sp.  1052);  no.  4  ist  unser  8.  Capitulum; 
no  5  ist  ein  Stück  aus  Abaelard's  Confessio:  Ex  Adam,  in  quo 
omnes  peccavimus,  tam  culpam  quam  penam  nos  contraxisse  assero, 


1)  Woher  Abt  Wilhelm  dies  Gitat  genommen  hat,  ist  nicht  gesagt.  Die  Be- 
legstellen des  Excerptor's  (8.  Abschnitt)  und  die  von  Neuern,  Denifle  im  Archiv 
I  457  und  GietI  zu  Rolands  Sentenzen  S.  132,  angeführten  Abaelardstellen  haben 
andern  Wortlaut.  Also  müssen  wir  Wilhelm's  Angabe  folgen,  daB  er  all  seine 
Sätze  ans  der  Theologia,  also  diesen  aus  dem  jetzt  verlorenen  Theile,  genom- 
men habe. 


die  Anklages&tte  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard  439 

qaia  illias  peccatmn  nostromm  qnoqne  peccatoram  omnitim  origo 
extitit  atqne  cansa  (nos  fehlt  in  der  berliner  Handschrift ;  Tissier's 
Handschrift  hatte  *no.  om.  pe.'  ohne  *quoque'). 

(Die  Capitula  in  Walther*s,  Bischof  von  Laon,  Brief 
an  Abaelard)  Walther' s  Brief  (Dacherii  Spicileginm  11  473 
bis  479)  steht  im  Ganzen  außerhalb  der  Entwicklung  des  Streites, 
da  er  nur  die  pars  prima  der  Theologia  kennt  und  in  der  Haupt- 
sache auf  Aussagen  von  Schülern  oder  mündliche  Ausspräche 
Abaelard's  sich  beruft;  so  wird  der  am  breitesten  (S.  475—478) 
behandelte  Satz,  ob  summa  et  plena  trinitatis  notitia  ad  hanc  vitam 
temporalem  pertinet,  dann  der  aus  Abaelard's  Mund  vernommene 
Satz  (S.  479)  ^quod  deus  essentialitcr  non  sit  in  mundo  vel  alibi  et 
quod  angeli  et  animae  nusquam  sint',  in  den  spätem  Streitschriften 
kaum  berührt.  Aber  beachtet  scheint  Walther*  s  Brief  doch  zu 
sein.  Denn  S.  474  wird  mit  'maiorcm  omnipotentiam  esse  patris 
et  filii  minorem  videmini  affirmare'  ein  wichtiges  Stück  vorbereitet 
zu  der  Fassung  des  1.  Capitulums,  die  dann  in  Abt  Wilhelm*s  Be- 
gleitbrief als  3.  Capitulum  auftritt.  Ebenda  ist  die  Aeußerung 
Abaelard*  8  schon  citirt,  aus  der  dann  in  den  Excerpten  als  Ueber- 
schrift  des  14.  Abschnitts  das  13.  Capitulum  formulirt  wird.  Ebenso 
sind  die  2  mündlich  dem  Walther  zugetragenen  Sätze  (S.  479) :  quod 
Christus  praedicando  laborando  ad  extremum  moriendo  nihil  mer- 
nerit  und  quod  nemo  propter  opera  sua  bona  vel  mala  nisi  pro 
sua  voluntatc  remunerari  debeat  vel  puniri'  deutliche  Vorstufen 
der  Fassungen  des  3.  und  12.  Capitulums,  welche  sich  bei  Abt 
Wilhelm  finden. 

(Die  Capitula  in  den  Schriftstücken  des  Abtes 
Wilhelm)  Die  2  Schriftstücke  des  Abtes  Wilhelm  sind 
nach  meiner  Ansicht  vor  Ostern  1139  abgeschlossen  und  an  Bern- 
hard gesendet:  der  Traktat  in  13  Abschnitten  (Migne  180  Sp.249) 
und  der  nach  Abschluß  des  Traktates  geschriebene  Begleitbrief  mit 
den  13  kurzen  Capitula  (Migne  182  Sp.  542),  sind  nach  seiner 
Versicherung  nur  aus  der  Theologia,  die  er  in  *duo  libelli  idem 
continentes'  (vgl.  oben  S.  402)  las,  und  noch  nicht  aus  *Sic  et  non' 
oder  *Scito  te  ipsum'  ausgezogen.  Die  Abschnitte  11  12  und  13 
sind  nachträglich,  doch  vor  Abfassung  des  Begleitbriefes,  hinzu- 
gefügt, wie  schon  der  Schluß  von  Abschnitt  10  und  das  Fehlen 
der  Kritik  in  Abschnitt  11  12  13  zeigt.  Diese  beiden  Stücke 
sind  die  Quelle  für  unsere  Capitula  1 — 6  8  9  16  18 ,  aber  sie  sind 
dies  in  verschiedenartiger  Weise.  Die  Capitula  3  4  8  9  und  18 
und  vielleicht  die  Capitula  2  und  5  sind  aus  des  Abtes  Wilhelm 
Traktat  oder  Brief  zunächst  mehr   oder  weniger  anders  stilisirt 


440  Wilhelm  Meyer, 

in  die  Ueberschriften  einzelner  Abschnitte  der  Excerpte  genommen 
worden  und  von  ,da  erst  wieder  hie  und  da  verändert  in  die 
Sammlung  unserer  Capitula  übergegangen.  Dagegen  die  Capitola 
1  und  15  und  der  Schluß  des  18.  (nee  deberaus  eam  velle  extingoi) 
sind  unmittelbar  aus  Wilhelm*s  Schriften  in  unsere  Capitula  her- 
übergenommen. Dabei  sind  beide  Schriftstücke  benützt ;  trotzdem 
nemlich  der  Begleitbrief  die  bereits  formulirten  Capitula  zu  be- 
quemer Benützung  bot ,  ist  doch  Cap.  15  und  der  Schluß  zu  Cap. 
18  direkt  aus  dem  Traktat  genommen.  Der  Inhalt  der  Abschnitte 
12  5  9  des  Traktats  und  des  Begleitbriefes,  dann  Stücke  der 
Abschnitte  3  und  4  des  Traktates ,  das  ganze  12.  Capitulum  und 
der  Schluß  des  13.  Capitulums  des  Begleitbriefes  und  Theile  des 
12.  und  13.  Abschnittes  des  Traktats  spielen  zwar  in  anderen 
Streitschriften  eine  Rolle,  sind  aber  bei  der  Vorverhandlung  in  Sens 
nicht  unter  die  Capitula  aufgenommen  worden.  Deßhalb  habe  ich 
diese  aus  "Wilhelm's  Schriften  stammenden  Sätze  im  Anhang  als 
no  1—6  behandelt. 

(DieCapitula  indenExcerptenundinihren  Ueber- 
schriften). Mehr  als  die  Schriftstücke  des  Abtes  Wilhelm 
haben  die  Excerpte  in  14  Abschnitten  oder  vielmehr  die  Ueber- 
schriften und  Inhaltsangaben  über  den  einzelnen  14  Abschnitten 
derselben  zur  Formulirung  unserer  Capitula  beigesteuert.  Schon 
das  obige  Beispiel  von  der  Entwicklung  unseres  8.  Capitulums 
beweist,  daß  diese  Ueberschriften  der  einzelnen  Excerptenabschnitte 
nicht  flüchtig ,  sondern*  mit  Benützung  der  beiden  Schriften  des 
Abtes  Wilhelm  sorgfältig  gemacht  sind. 

Diese  Excerpte  kommen  in  Betracht  bei  den  Capitula  2—9 
11 — 13  und  bei  der  1.  Hälfte  des  18.,  und  das  in  zweifacher  Weise, 
a)  Die  Capitula  6  7  11  12  und  13  sind  nur  aus  diesen  Excerpten- 
überschriften  gemacht,  so  daß  meistens  der  Wortlaut  der  Ueber- 
schrift  aus  den  Excerpten  selbst  für  unser  Capitulum  etwas  ver- 
vollständigt ist,  nur  bei  Capit.  6.  ist  eine  ziemlich  grobe  Aus- 
lassung von  4  Wörtern  aus  dem  Excerpt  in  die  Ueberschrift,  aus 
der  Ueberschrift  in  unser  6.  Capitulum  gewandert,  ohne  endeckt  zu 
werden.  b)  Der  Traktat  oder  der  Begleitbrief  des  Abtes  Wilhelm 
ist  zunächst  die  Quelle  für  die  Ueberschriften  des  1  (nur  nach 
Traktat),  2, 4,  5,  6,  8,  9, 11  und  13  Excerptenabschnittes ;  die  Ueber- 
schriften des  1.  und  9.  Abschnittes  sind  nicht  benützt  für  unsere 
Capitula  (vgl.  Anhang  no  3  und  5) ;  dagegen  von  den  übrigen  dieser 
Ueberschriften  hängen  dann  wieder  unsere  Capitula  2  3  4  (5)  8  9 
und  die  erste  Hälfe  von  18  ab ;  hier  ist  meistens  die  Formulirung, 
welche  der  Excerptor  dem  Wilhelmschen  Texte  gegeben  hat,  wörtlich 


die  Anklagesätse  des  h.  Beruhard  gegen  Abaelard.  441 

in  die  Capitola  übergegangen;  so  hat  er  z.  B.  aas  dem  Wirrwarr 
im  13.  Abschnitt  des  Traktats  des  Abtes  Wilhelm  sieb  geschickt 
die  Ueberschrift  seines  11.  Abschnittes  zurecbtgeschnitten ,  und 
diese  ist  dann  wörtlich  als  unser  9.  Capitalum  abgeschrieben 
worden. 

Fragen  wir  nach  den  Schriften  Abaelard's,  aus  welchen  diese 
Excerpte  genommen  sind,  so  kommen  für  mich  nur  die  Ueber- 
schriften  der  Excerpte  in  Betracht,  welche  in  unsere  Capitula 
übergegangen  sind.  Die  Capitula  2  3  4  (5)  8  9  und  18  a  sind  durch 
Abt  Wilhelm  vermittelt:  es  bleiben  also  zu  betrachten  die  Ca- 
pitula G  7  11  12  und  13,  welche  zuerst  beim  Exccrptor  auftreten; 
H  und  13  sind  aus  erhaltenen  Stellen  der  Introductio  genommen; 
für  7  11  und  12  werden  deutliche  Belegstellen  aus  Abaelard  citirt. 
Es  ist  mir  nicht  gelungen,  in  Abaclard's  gedruckten  Schriften  den 
genauen  W^ortlaut  dieser  Citate  wieder  zu  finden;  demnach  bleibt 
es  wahrscheinlich,  daß  dieselben  nicht  aus  den  Sentenzen  oder 
aus  Scito  te  ipsum,  sondern  aus  dem  verlorenen  Theil  der  Theo- 
logia  des  Abaelard  genommen  sind.  Denmach  würde  die  Unter- 
schrift dieser  Excerpte  ^haoc  sunt  capitula  Theologiae  (imo  Stulti- 
logiae)  Fetri  Abaelardi'  das  nichtige  gesagt  haben. 

(Die  Capitula  in  Bernhardts  190.  großem  Brief;. 
Es  bleiben  4  Capitula,  welche  nicht  aus  des  Abtes  Wilhelm  Schriften 
noch  aus  den  Ueberschriften  der  Excerpte  genommen  sind:  cap. 
10  C^uod  in  Christo  non  fuerit  spiritus  timoris  douiiui.  cap.  14 
Quod  etiam  castus  timur  excludatur  a  futura  vita.  cap.  Iti  (^uod 
adventus  in  fine  seculi  pussit  attribui  patri.  cap.  17  i^^^d  anima 
Christi  prr  se  non  desceiidit  ad  inferos  sed  per  potentiam  tau- 
tum.  Nun  finden  sich  merkwürdiger  Weise  no  10  und  14  von 
Bernhard  im  großen,  190.  Briefe  ^^Migne  182  Sp.  I0ü2  Bj  zusammen 
erwähnt :  Omitto ,  quod  dicit  spiritum  timoris  domini  non  fuisse 
in  domino  (Christo  das  10.  CapUiäum),  timorem  domini  (dom.  fehlt 
im  14.  Capitulum)  castum  in  futuro  seculo  non  futurum.  Dies  zwingt 
mich  zu  prüfen,  wie  jener  Brief  Bernhardts  sich  verhält  zu  den 
Capitula.  Zunächst  ist  in  Cap.  14  'domini'  jedenfalls  nothwendig: 
wurde  es  von  dem  Zusammeusteller  der  Capitula  oder  erst  von 
den  Schreibern  unserer  Handschriften  vergessen  V  Das  ist  schwer  zu 
entscheiden.  Dann  scheint  der  stilistische  Fehler  des  Briefes  'in 
futuro  seculo  non  futurum^  von  Beridiard  in  dem  Capitulum  durch 
excludatur  a  futura  vita  corrigirt  zu  sein.  Das  spricht  dallir,  daß 
der  Brief  vor  den  Capitula  geschrieben  ist. 

Außer  den  Capitula  10  und  14  kommt  nur  noch  das  1.  Capi* 
tolom  wörtlich  gleichlautend  im  Briefe  vor,   Sp.  1056  A:    doch 


442  Wilhelm  Meyer, 

ebenso  steht  es  schon  in  dem  Begleithrief  des  Abtes  Wilhelm. 
Bernhard  hat  allerdings  den  Traktat  und  den  Begleitbrief  des 
Abtes  Wilhelm  benützt  und  die  dort  sich  findenden  Citate  aus 
Abaelard  und  aus  den  Kirchenvätern,  sowie  die  eigenen  Gedanken 
des  Abtes  Wilhelm  durchaus  ungenirt  als  Bausteine  in  seinem 
eigenen  Werke  verwendet;  so  hat  er  auch  in  seinem  Briefe  die 
im  Anhange  no  1  3  4  und  B  besprochenen  Sätze  aus  Abt  Wilhelm 
aufgenommen,  während  sie  in  die  Capitula  nicht  aufgenommen 
sind.  Das  ist  sehr  begreiflich,  wenn  er  zuerst  den  Brief,  später 
und  zum  Theil  in  gemeinsamer  Berathung  mit  Andern  die  Capitula 
verfaßt  hat.  Die  Capitula  2  3  13  und  IB  kommen  auch  im 
Briefe  und  bei  Abt  Wilhelm  vor :  allein  in  all  diesen  Stellen  geht 
der  Brief  Bernhardts  unmittelbar  auf  den  Abt  Wilhelm  zurück, 
z.  B.  indem  er  Cap.  3  ausführlich  de  iure  diaboli  spricht,  dann  indem 
er  das  13.  Capitulum  noch  nicht  als  solches  formulirt  hat,  sondern 
nur  im  Znsammenhang  das  betreffende  Citat  aus  Abaelard  gibt. 
Auffallend  wäre  es  ja  nicht,  wenn  im  Brief,  über  die  Capitula 
weg,  öfter  auf  Abt  Wilhelm  zurückgegangen  würde;  aber  die 
Thatsache,  daß  der  Brief  niemals  die  Capitula  berücksichtigt, 
wäre,  wenn  er  nach  denselben  geschrieben  wäre,  fast  unerklärlich. 
Daher  schließe  ich  auch  hier,  daß  der  190.  Brief  vor  der  Zu- 
sammenstellung der  18  Capitula  von  Bernhard  verfaßt  ist.  Bei 
den  Arbeiten  dafür  hatte  er  sich  aus  Abaelard  die  2  zusammen- 
gehörenden Sätze  über  den  Timor  domini  (Sp.  1062  B)  notirt ;  später 
bei  der  Zusammenstellung  der  18  Capitula  nahm  er  dieselben  aus 
seinem  Briefe  auf,  trennte  sie  aber  von  einander  als  Capitulum 
10  und  14. 

Wie  oben  gesagt,  glaube  ich,  daß  ziemlich  lang  vor  der  Sy- 
node von  Sens,  als  der  190.  Brief  an  den  Pabst  abging,  Bernhard 
zu  gleicher  Zeit  den  188.  Brief  an  die  Cardinäle  abgehen  ließ. 
Hier  weist  er  die  Cardinäle  auf  die  Sententiae  Abaelard^s  und  auf 
das  Buch  Scito  te  ipsum  hin,  da  könnten  sie  außer  vielen  andern 
auch  Abaelard's  Irrlehren  'de  anima  Christi'  und  'de  descensu 
Christi  ad  inferos'  finden :  sollte  das  nicht  ein  Hinweis  auf  die 
Herkunft  unseres  17.  Capitulum's  sein  Quod  anima  Christi  per 
se  non  descendit  ad  inferos  sed  per  potentiam  tantum.  Dunkel 
bleibt  also  nur  die  Herkunft  des  16.  Capitulum's.  Bern- 
hardts 190.  Brief  und  die  Excerpta  in  14  Abschnitten  be- 
rühren sich.  Nicht  nur  ist  die  Ueberschrift  'Capitula  haeresum* 
ähnlich  Bernhards  Worten  Sp.  1072  C  'novae  haereseos  capitula' 
und  die  Unterschrift  'capitula  Theologiae  imo  Stultilogiae  P.  Abae- 
lardr  ähnlich  Bernhard  Sp.  1061 B  'in   primo   limine  Theologiae 


die  Anklagesätze  d.  h.  Bernhard  gegen  Äbaelard.  443 

vel  potias  Stultilogiae  suae'  (der  Spott  gefiel;  vgl.  Migne  180  Sp. 
284  'in  Diabologia  illa'  and  Hugo  Metellas  'Theologiam  illias  immo 
frivilogiam  legat'),  sondern  zwischen  der  Uebersclirift  des  1.  Ab- 
schnittes der  Excerpte  'Horrenda  similitado  de  sigillo  aereo ,  de 
specie  et  genere  ad  Trinitatem*  and  Bernhardts  Worten  im  190. 
Brief  'Longe  fiat  a  scnsibas  nostris  .  .  exsecranda  illa  de  genere 
et  specie  non  similitado  sed  dissimilitado ,  et  nihilominas  illa  de 
aere  aereoqae  sigillo*  maß  ebenfalls  nähere  Beziehung  bestehen. 
Aber  weiter  gehende  Aehnlichkeiten  oder  Gleichheiten  habe  ich 
nicht  gefanden.  Das  ist  sehr  wohl  begreiflich,  wenn  Bernhardts 
190.  Brief  zaerst  geschrieben  ist,  die  Excerpte  mit  ihren  Ab- 
schnittstiteln aber  später:  denn  was  konnte  der  Exccrptor  aaßer 
einigen  Kraftaasdrücken  aas  Bernhardts  Brief  für  seine  Zwecke 
braachen?  Wie  Vieles  aber  Bernhard  aas  den  Excerpten  und  aus 
ihren  Ueberschriften  in  die  Capitula  aufgenommen  hat,  das  habe 
ich  ja  oben  nachgewiesen  (S.  44iJ/l) :  es  wäre  also  unbegreiflich,  wenn 
er  für  seinen  Brief  nur  2  Kraftausdrücke ,  für  die  Capitula  aber 
so  Vieles  -  aus  ihnen  genommen  hätte.  Deßhalb  glaube  ich ,  daß 
zuerst  Bernhard  die  2  Briefe  gegen  Äbaelard,  no  190  und  188, 
vielleicht  noch  im  Ende  des  Jahres  1139  an  den  Pabst  und  an 
die  Kardinäle  gerichtet  hat,  dann  erst  ein  Anderer  die  Excerpte 
gesammelt  and  dabei  Vieles  aus  Abt  Wilhelm,  Weniges  aus  Bern- 
hardts 190.  Briefe  genommen  hat  ^). 

(Die  Capitula  auf  der  Synode  von  Sens).  Als  Bern- 
hard sich  entschlossen  hatte ,  nach  Sens  zu  gehen ,  also  die  Rolle 
des  Anklägers  zu  übernehmen,  mußte  er  vor  Allem  an  die  Formu- 
lirang der  Anklagesätze  denken.  Die  dort  verlesenen  Capitula 
waren  auch  nach  anderen  Nachrichten  solche  kurzen,  von  Andern, 
nicht  von  Äbaelard,  formulirten  Sätze  wie  wir  sie  oben  in  den 
18  Capitula  vor  uns  haben.  Bernhard  hätte  seine  kostbare  Zeit 
vergeudet  und  nach  seinem  Gewissen  sich  der  Gefahr  beträcht- 
licher Versehen  ausgesetzt,  wenn  er  selbst  und  allein  von  Neuem 
hätte  studiren  und  excerpiren  und  die  als  anstößig  befundenen 
Sätze  formuliren  wollen.  Diese  Arbeit  war  ja  von  Abt  Wilhelm, 
von  dem  Excerptor  und  von  ihm  selbst  im  190.  Brief  früher 
schon   zum  Theil  gemacht.     Er  redigirte  also   aus  den  Schriften 


1)  Schon  oben  S.  427  ist  bewiesen,  daß  die  im  Schluß  des  190.  Briefes  er* 
w&hnten  alia  capitula  nicht  die  14  Excerptcnabscbnitte  gewesen  sein  können- 
Diese  Sammlung  Ton  Capitula  ist  verloren :  aber  jedenfalls  enthielt  sie  viele  Ca- 
pitula des  Abtes  Wilhelm ,  welche  Bernhard  im  190.  Brief  nicht  behandelt  hatte. 
Vgl.  noch  die  S.  435  erwähnte  Fälschung. 


444  Wilhelm  Meyer, 

des  Abtes  Wilhelm  und  aus  dem  Excerptor  14  Sätze  (alle  außer 
10  14  16  17),  wobei  er  im  Ganzen  mehr  der  Fassung  folgte, 
welche  er  in  den  Ueberschriften  des  Excerptor's  fand,  jedoch  mit- 
unter auch  über  die  Fassung  des  Excerptor's  auf  die  des  Abts 
Wilhelm  zurückging  oder  andere  Aenderungen  traf,  vor  Allem 
aber  manche  Sätze  ganz  ausscliloß  (vgl.  Anhang  1 — 6).  Dann 
setzte  er  aus  seinem  190.  Briefe  noch  die  Sätze  no  10  und  14 
und  vielleicht  aus  eigenem  Lesen  noch  no  16  und  17  zu. 

(Quellen  der  18  Capitula).  Abt  Wilhelm  sagt,  er  habe 
die  bekämpften  Sätze  in  der  Theologia  Abaelard's  gefunden: 
Die  Unterschrift  der  Excerpte  besagt,  daß  diese  aus  der  Theologia 
genommen  seien,  und,  wie  gezeigt,  stimmen  zu  diesen  Aussagen 
die  anderen  Gründe.  Es  bleiben  die  Capitula  10  14  16  17.  Die 
Ueber Schrift  unserer  Capitula  sagt,  sie  seien  partim  in  libro 
Theologiae  partim  in  libro  Sententiarum  magistri  Petri 
partim  in  libro  cuius  titulus  est  *Scito  te  ipsum'  reperta.  In 
Scito  te  ipsum  habe  ich  zu  Cap.  10  14  16  17  keine  wörtlich  ge- 
nügend stimmende  Parallele  gefunden ;  auch  nicht  in  den  von  Rhein- 
wald oder  Gietl  edirten  Sentenzenbüchern  oder  unter  den  von 
Denifle  (Archiv  I)  citirten  Stellen;  und  zuletzt  führen  die  Sen- 
tenzen doch  wieder  auf  die  Theologia,  da  sie  ja  nach  Denifle's 
Darlegungen  nur  ein  Abriß  ihres  Inhaltes  sind.  So  ergäbe  sich, 
daß  auch  diese  4  Capitula  und  somit  alle  18  aus  der  Theologia 
des  Abaelard  stammen.  Das  stimmt  zu  dem  Berichte  de.s  Erz- 
bischofs von  Sens  (iligne  180  Sp.  542  A)  ^cum  dominus  abba.s  li- 
brum  Theologiae  magistri  Petri  proferret  in  medium  et  quae 
adnotaverat  absurda  imo  haeretica  plane  capitula  de  libro  eodem 
proponeret,  ut  ea  magister  Petrus  vel  a  se  scripta  negaret  vel, 
si  sua  fateretui',  aut  probaret  aut  corrigeret,  .  .  Petrus  Abae- 
lardus  respondere  noluit  sed  .  .  appellans  .  .  discessit'.  Wenn 
aber  alle  18  Capitula  der  Theologia  entnommen  sind,  wie  konnte 
Bernhard  in  den  Titel  setzen,  sie  seien  partim  in  der  Theologia, 
partim  in  den  Sentenzen  und  partim  in  der  Ethik  gefunden  ?  Ich 
glaube,  man  wollte  ganz  passend  hervorheben,  daß  nicht  etwa 
allein  die  Theologia  solche  Irrthümer  enthalte,  sondern  auch  die 
andern  neueren  Lehrschriften  des  Abaelard ,  d.  h.  die  Sentenzen 
und  die  Ethik;  aber  statt  etwa  zu  sagen  'capitula  reperta  in 
Theologia  et  partim  in  Sententiis  aut  in  libro  'Scito  te  ipsum' 
gerieth  Bernhard  auf  die  obige  rhetorisch  schöne,  aber  sachlich 
nicht  genaue  Verwendung  des  'partim*. 

Die   Frage,    ob   die   18  Capitula   wirklich   genau   die  An* 
sichten  Abaelard's   wiedergebeuj    möchte    ich    als    Phi* 


die  Aoklages&tze  des  h.  Bernhard  gegen  AbaeUrd.  445 

lologe  dahin  beantworten,  daß,  soweit  wir  die  Capitula  mit  Abae- 
lard's  Worten  vergleichen  können,  die  meisten  Capitula  so  aus 
Abaelard's  Worten  ausgeschnitten  sind,  daß  Nichts  dagegen  ein- 
zuwenden ist ;  bei  einigen  allerdings  sind  derartige  Wörter  zuge- 
setzt oder  weggelassen,  daß  man  die  Capitula  nicht  als  genaue 
Formulirung  der  Worte  Abaelard's  anerkennen  kann.  Abaelard's 
Erklärungen  in  der  Confessio  fidei  gegen  die  einzelnen  Anklage- 
sätze entsprangen  nur  seinen  damaligen  Gefühlen,  nicht  einer 
erneuten  Einsicht  der  Akten,  d.  h.  seiner  eigenen  Schriften,  sind 
olso  fiir  die  obige  Frage  fast  werthlos. 

(Bernhard  oder  seine  Genossen  an  den  18  Capi- 
tula thätig?)  Wie  oben  (S.  410)  geschildert,  hat  Bernhard 
seinem  Grundsatz  und  in  diesem  Fall  den  Verhältnissen,  ja  viel- 
leicht einem  Gebrauche  entsprechend,  die  Anklagesätze,  welche  er 
in  der  öffentlichen  Sitzung  nur  im  Auftrage,  also  als  Mund  seiner 
Genossen  vorbringen  wollte,  am  Tage  vorher  mit  ihnen  einzeln 
durchberathen.  Da  hiebei  von  den  Theilnehmcrn  manche  Aenderung, 
ja  auch  die  Hinzufügung  oder  die  Weglassung  von  ganzen  An- 
klagesätzen kann  veranlaßt  worden  sein  (z.  B.  Anhang  1 — 6  können 
bei  dieser  Gelegenheit  gestrichen  worden  sein),  so  ist  meine  Schil- 
derung, wie  Bernhard  mit  Hilfe  verschiedener  Vorarbeiten  die 
18  Capitula  zusammen  gestellt  habe,  vielleicht  etwas  zu  modifi. 
ciren:  allein  wer  bedenkt,  wieviel  bei  derartigen  Beratungen  ein 
wohl  vorbereiteter  Referent  vermag,  der  begreift  auch,  daß  bei 
jener  Berathung  die  Anträge  des  so  trefflich  vorbereiteten,  eifrigen 
und  beredten  Referenten  Bernhard  ziemlich  glatt  durchgingen,  oder 
umgekehrt,  daß  die  Sammlung  der  18  Capitula,  mit  welchen  den 
Abaelard  anzuklagen  Bernhard  die  Vollmacht  und  den  Auftrag 
sich  geben  ließ,  fast  durchaus  Bernhardts  Werk  ist. 

(Die  18  Capitula  in  Bernhardts  Briefen  nach  dem 
Cuncil  von  Sens).  In  der  Appellationssache  des  Abaelard 
schrieb  Bernhard,  der,  was  er  einmal  begonnen  hatte,  auch  zum 
Ziel  bringen  wollte,  zu  den  3  Berichten  an  den  Pabst  noch  eine 
Anzahl  Briefe  an  römische  Kardinäle  (Brief  1Ü2  11)3  331 — 33G  338). 
Der  Inhalt  der  Capitula  wird  darin  wenig  berührt.  Höchstens 
gehen  die  Wendungen  des  338  Briefes  ^credere  non  vult  nisi  quod 
prius  ratione  discusserit*  n.  s.  w.  auf  den  1.  Absatz  des  190.  Briefes 
zurück.  Dann  hat  sich  der  Inhalt  des  1.  5.  und  4.  Capitulums 
zusammengefunden  zu  dem  oben  S.  424  besprochenen  Satze  *cnm 
Ario  gradus  et  scalas  in  trinitate  disponit,  cum  Pelagio  liberum 
arbitrinm  gratiae  praeponit,  cum  Nestorio  Christum  dividens  ho- 
minem  assumptum  a  consortio  trinitatis  excludit*. 

KgLQm,  4.  Wim.    MM^eklM.  PUlotoff^kiitor.  KIiMt,  18M.  Itetti.  30 


446  Wilhelm  Meyer, 

(Die  Capitula  in  Abaelard's  Apologia).  Wichtiger 
sind  die  von  Abaelard  nach  der  Synode  von  Sens  verfaßten  Schriften, 
Die  Apologia  kennen  wir  nur  ans  dem,  was  die  3  Bücher  des 
Anonymus  (Migne  180  Sp.  282 — 328)  darüber  sagen  und  daraus 
citiren.  Darnach  richtete  Abaelard  diese  Apologia  gegen  Bernhard, 
den  er  nennt  criminatorem  suum,  per  quem  Satanas,  qui  se  trans- 
format  in  angelum  lucis,  locutus  sit;  dann  spricht  er  von  Capi- 
tula, welche  Bernhard  'fecisset'  oder  ^finxisset\  Daß  hier  das 
Wort  Capitula  nicht  etwa  allgemein  ^Anklagen'  bedeutet  und  sich 
so  auf  den  190.  Brief  beziehen  könnte ,  geht  daraus  hervor ,  daß 
von  den  4  Sätzen,  welche  nach  den  Nachrichten  des  Anonymus 
Abaelard  in  der  Apologia  vertheidigt  hat,  nur  der  1.  (Sp.  283 
Ifl.  =  Cap.  1)  in  Bernhards  190.  Brief  behandelt  wird ;  dagegen  die 
3  folgenden  (Sp.  299—310  =  Cap.  4,  Sp.  316—321  =  Cap.  6,  Sp. 
321 — 328  =  Cap.  B)  werden  im  190.  Briefe  gar  nicht  behandelt. 
Daraus  ist  zu  schließen,  daß  die  Apologia  in  heftigen  Ausdrücken 
gerade  unsere  18  Capitula  bekämpft  hat  und  also  veröffentlicht 
ist  nach  dem  Concil  von  Sens  und  vor  Abaelard' s  Ankunft  in 
Cluny. 

Der  Anonymus  selbst  scheint  sofort  die  Feder  ergriffen 
zu  haben,  als  Abaelard's  Apologia  ihm  zuging.  Er  hatte,  als  er 
schrieb,  bereits  einen  oder  den  andern  der  späteren  Briefe  Bern- 
hardts in  üänden ;  denn  die  oben  erwähnte  Wendung  Bernhardts 
'cum  Nestorio  Christum  dividens  hominem  assumptum  a  consortio 
trinitatis  excludit*  verwendet  er  Sp.  301 B:  Nestorianam  faecem 
sequens  sie  dividit  Christum,  ut  secundum  id  solum  quod  verbum 
est  in  trinitate  sit,  secundum  id  quod  homo  nullo  modo.  Im 
Granzen  wollte  der  Mann  nicht  die  Anklagen  der  Andern  wieder- 
holen, sondern  Neues  und  Selbständiges  geben.  £r  bekämpft 
deßhalb  zunächst  und  hauptsächlich  die  Apologia,  fühlt  sich  aber 
auch  Mannes  genug,  eine  Irrlehre  Abaelard's  nachzuweisen,  die 
den  scharfen  Augen  seiner  Vorkämpfer  entgangen  war  (quod  filius 
dei  semper  de  deo  nascitur  Sp.  310 — 316).  Daß  der  schwerfällige 
Gelehrte,  der  selbständig  und  gründlich  sein  will,  dabei  keine 
Kücksicht  auf  die  Capitula  nimmt,  sondern  unmittelbar  auf  die 
Quellen ,  d.  h.  Abaelard's  Aussprüche  in  der  Theologia  und  in  der 
Apologia  zurückgeht,  das  ist  sehr  begreiflich. 

(Abaelard's  Erklärung  anHeloise).  Berengar  führt 
in  seinem  Apologeticus  (Migne  178  Sp.  1862  A)  eine  schöne  Stelle 
aus  einem  Briefe  des  Abaelard  an  Heloise  an,  die  eine  Art  Glau- 
bensbekenntaiß  enthält  (Migne  178  Sp.  376).  Die  Vertheidigung 
zeigt,  daß  der  Brief  in  die  Zeit  dieses  Streites  fällt ,   die  Schilde- 


die  Anklagesätze  dea  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  447 

rung  der  ihn  bedrohenden  Gefahren ,  daß  der  Streit  schon  sehr 
weit  gediehen  war.     Capitula  werden  kaum  angedeatet. 

(Die  18  Capitnla  in  Abaelard's  Confessio  fidei) 
Nach  dem  Zeugnisse  des  Otto  von  Freising  Gresta  Friderici  I  49 
hat  Abaelard  nach  seiner  Ankunft  in  Cluny  ein  Apologeticum  ge- 
schrieben, 'capitulorum  partim  verba,  ex  toto  autem  sensum  negans'. 
Da  der  von  Otto  mitgctheilte  Anfang  nicht  mit  dem  der  Confessio 
fibereinstimmt,  so  hat  Otto  vielleicht  die  Apologia  mit  der  Con- 
fessio vermengt.  Zuerst  erklärt  Abaelard,  er  unterwerfe  sich  der 
Kirche ;  habe  er  Falsches  gelehrt  oder  geschrieben,  so  sei  er  stets 
bereit  gewesen  und  werde  er  stets  bereit  sein,  zu  ändern  oder 
zu  widerrufen.  Doch  da  seine  Ehre  verlange,  'crimina  non  recte 
obiecta'  abzuweisen,  so  müsse  er  auf  die  gegen  ihn  gerichteten 
(contra  me  conscripta)  Capitula  antworten.  Er  antwortet  dann 
auf  Capitulum  1  2  3  4  5  6  9b  7  8  9a  10  und  14  11  12  13  16  17 
18  —  also  auf  17  von  den  18;  nur  nicht  auf  no  15  — ;  endlich 
erklärt  er,  daß  er  die  Sentenzen,  welche  der  Verfasser  der  Ca- 
pitula (ironisch  amicus  noster  genannt)  in  der  Unterschrift  ihm 
zuschreibe,  nicht  verfaßt  habe:  doch  'sicut  cetera  contra  me  capi- 
tula ita  et  hoc  quoque  per  malitiam  et  ignorantiam  prolatum  est'. 
Man  darf  nicht  sagen,  daß  Abaelard  die  18  Capitula  widerlegt 
hat.  Hätte  er  seine  Theologia  genau  nachgesehen,  so  hätte  er  an- 
erkennen müssen,  daß  manche  von  den  18  Capitula  wirklich  frühere 
Aussprüche  von  ihm  richtig  wiedergaben.  In  seiner  Aufregung 
und  Niedergeschlagenheit  schrieb  er  jetzt,  ohne  auf  seine  frühem 
Schriften  Rücksicht  zu  nehmen,  seine  augenblicklichen  Ansichten 
über  diese  Glaubenssätze  nieder  und  diese,  wenn  ich  so  sagen 
darf,  so  orthodox,  als  er  sie  gerade  zu  fühlen  vermochte. 

(Die  18  Capitula  bei  Otto  von  Freising,  Gesta  Fri- 
derici Imperatoris,  I  49).  Otto  von  Freising  hat  vielleicht  die 
Apologia,  jedenfalls  aber  die  Confessio  und  unsere  Capitula  vor 
sich  gehabt.  Er  bemerkt :  Haec  autem  pauca  de  multis  contra 
eum  posita  sufiiciant  capitula:  es  folgen  Capitulum  1,  2  {ohne  dcfi 
Schluß  aut  filii),  Quod  Spiritus  sanctus  sit  anima  mundi  {Anhang  4), 
3  und- 9a.  Das  Capitulum,  der  heilige  Geist  sei  die  Weltseele, 
muß  interpolirt  sein,  da  es  in  den  besten  Handschriften  sich  nicht 
findet  und  auch  Abaelard  darauf  nicht  antwortet. 

(Die  18  Capitula  bei  Berengar).  Berengar  spricht 
in  seinem  Apologeticus  (Migne  178  Sp.  1862)  von  'manuali  quodam 
indiculo\  den  Bernhard  für  *volentibus  breviter  attingere  snmmam 
rei'  zusammengestellt  habe.  Damit  meint  er  unsere  Sammlung 
von  18  Capitula.     Wenn  er  dann  von  demselben  sagt  'in  quo  non 

80* 


448  Wilhelm  Meyer, 

Petri  dogmata,  sed  nefandi  commenti  capitala  legimas\  so  kann 
er  selbst  das  nur  beziehen  auf  die  unmittelbar  darauf  beige- 
schriebenen, mit  'scilicet'  eingeleiteten  Capitula  12  5  6  und  17, 
welche  er  aber  leichtsinniger  Weise  sehr  frei  citirt.  Denn  im 
Allgemeinen  gesteht  er  in  den  folgenden  Sätzen  schon  jetzt : 
quaedam  (von  diesen  Capitula),  fateor,  Petrus  et  dixit  et  scripsit, 
quaedam  vero  neque  protulit  neque  scripsit.  Berengar  hatte  gewiß 
unsere  Sammlung  der  18  Capitula  vor  sich.  Damals  hatte  er 
noch  vor,  in  einem  2.  Buche  seines  Apologeticus  nachzuweisen, 
*quae  Petrus  dixerit  et  quae  non  dixerit,  et  quam  catholica  mente 
ea  quae  dixerit  senserit'.  Freilich  sein  Eifer  legte  sich  und  später 
gesteht  er  (Migne  178  Sp.  1873  A):  processu  temporis  meum  sa- 
pere  crevit  et  in  sententiam  abbatis  pedibus  ut  dicitur  ivi.  nolui 
esse  patronus  capitulorum  obiectorum  Abaelardo,  quia  etsi  sanum 
saperent  non  sane  sonabant.  Diese  Vertheidigung  *sie  hatten 
zwar  guten  Sinn,  klangen  aber  bös*,  hat  nur  dann  einen  Sinn, 
wenn  Berengar  die  Capitula  obiecta  Abaelardo  jetzt  als  die  richtige 
Formulirung  der  Worte  des  Abaelard  anerkannte. 

Oeschichte  der  einzelnen  Capltnla^). 

1  Quod  pater  sit  plena  potentia,  filius  quaedam  potentia, 
Spiritus  sanctus  nulla  potentia. 

Vorbereitet  ist  dieses  Capitulum  schon  durch  Walther  (Da- 
cherii  Spicilegium  II  473  und  474)  'affirmant  .  .  vos  .  .  esse  ri- 


1)  Zu  den  Citaten  aus  dem  Anonymus  (Migne  180  Sp.  283—824),  welcher 
uns  Ton  der  Apologia  Abaelard's  Nachriebt  gibt,  benutze  ich  die  oben  S.  417  ge- 
nannte Berliner  Handschrift.  Den  mir  wichtigen  Text  der  Confessio  fidci  Abaelard's 
stelle  ich  her  nach  4  Quellen :  Y ,  die  gewöhnlichen  Ausgaben ,  d.  h.  Abaelardi 
Opera  1616,  nach  der  Summa  privilegii  und  noch  einmal  S.  830,  Migne  178  Sp. 
105;  Cousin,  Ab.  Opera,  II  719  mit  einigen  Varianten  aus  pariser  Handschriften ; 
T,  der  Abdruck  in  Tissier's  Bibliotheca  patrum  Cisterciensium  IV  p.  259  =  Migne 
180  Sp.  329;  B  =  Berlin  Meermann  181  Bl.  144  b  mit  dem  roth  geschriebenen 
Titel  unten  auf  Bl.  114  a  Kxcusatio  petri\  K=  Wien  lat.  998,  12.  Jh.  Bl.  151  u. 
176  b  *Kpi8tola  Petri  Baiolardi  contra  calumpnias  obiectorum  capitulorum\  Zu  ver- 
gleichen ist  noch  z.  B.  die  Handschrift  in  Cambrai  no  27  Bl.  187  (Catalogue  des  mss., 
Ddpart.  17).  Damit  der  Tollständige  Text  hier  zu  finden  sei,  will  ich  zunächst  den 
Anfang  und  Schluß  der  Confessio  hersetzen,  die  einzelnen  Entgegnungen  sind  dann 
in  der  S.  447  angegebenen  Reihenfolge  bei  den  einzelnen  Capitula  zu  finden. 

Univarsis  ecdesiae  sanctae  (s.  eccl.  TK)  filiis  Petrus  (P.  Abaelardus  V)  ex  eis 
unus,  sed  in  eis  minimus.  Notum  proverbium  est,  nihil  tam  bene  dictum  quod 
non  (quin  B)  possit  depravari ;  et  ut  beatus  meminit  (mem.  b.  TK)  Hieronymus, 
qui  multos  scribit  libros,  multos  sumit  iudices.  Ego  quoque  (vero  B)  cum  scrip- 
serim  pauca  (p.  scr.  V.)  Tel  (et  K)  ad  comparationem  aliorum  nulla,  reprehensiom« 


die  Anklages&tse  des  h.  Bernhard  gegen  Abael&rd.  44g 

matmn  s.  trinitatis  profanda  mysteria,  qaod  perfecte  et  ad  plenam 
cognoscatis,  qnaliter  tres  personae  sint  in  ana  divina  essentia 
et   in  personarom  plnralitate  nnitas   divinae  essentiae'    und  'ma- 


notam  effugere  non  potui,  cum  tarnen  in  bis  (iis  T),  de  quibas  graviter  accusor, 
nallam  (sciatdeasi)  meam  recognoscam  (T ;  cognoscam  V,  recognosco  BK)  culpam 
nee  siqna  fuerit  (fait  T)  procaciter  defendam  (defendo  K).  Scripsi  forsitau  (B,  for- 
tassis  TK,  forte  alias  fortassis  V)  altqua  per  errorem  quae  (qaod  K)  non  oportuit : 
scd  deum  testem  et  (atque  T)  iudicem  in  animam  meam  (anima  mea  B)  invoco, 
quia  in  bis  (de  iis  T),  de  quibas  a'bcnsor,  nihil  per  superbiam  aut  per  malitiam 
(mal.  aut  p.  sup.  V)  praesumpsi.  Multa  in  scholis  multis  loqnatas  sum  nee  am- 
quam  aquas  furtivas  (nee  aquam  fartivam  TK)  vel  panem  absconditum  habuit  mea 
doctrina  (doct.  mea  TK).  palam  loqaatas  sam  ad  aedificationem  fidei  sive  morum 
(fidei  infirmorum  T  K),  qaod  mihi  salubre  Tisum  fait  (vis.  sab.  K  salubrius  v.  est 
K);  et  qnaecunqae  seripsi  libenter  omnibus  (omn.  lib.  T)  exposni,  ut  eos  iadices 
non  discipulos  haberem.  Quod  si  uspiam  per  mnltiloquinm  (in  multiloquio  K) 
excessi,  nt  scriptum  est,  in  multiloquio  non  effugies  peccatum,  numquam  impor- 
tuna  defensio  me  effecit  (fecit  TK)  haeretienm,  paratnm  (paratos  V)  semper  ad 
satisfactionem  (ad  sat.  fehlt  T)  de  maledictis  meis  corrigendis  sive  delendis  (do- 
lendis  B).  in  quo  eerte  proposito  usqae  in  finem  perseverabo.  Sed  sicut  meum 
est  (m.  est  fehU  T)  maledicta  mea  si  qua  sunt  (sint  V)  velle  (vellem  T)  corri- 
gere ,  sie  erimina  non  reete  mihi  obieeta  propulsare  me  eonvenit  (obi.  mi.  K. 
mihi  n.  r.  iniecta  me  prop.  e.  V).  cum  enim  dicat  beatns  (b.  die.  B)  Augustinus 
'cradelis  est  qui  famam  suam  negligit*  ac  iuxta  Tullium  taeiturnitas  imitetur 
(imitatur  B  T  V)  confessionem  (eonf.  im.  T),  eonseriptis  (quae  scripta  sunt  V)  contra 
me  capitnlis  aequum  duxi  respondere ,  ea  (fehlt  V)  videlicet  ratione  servata  qua 
(quam  T)  contra  derogantium  (circa  detrahentium  T)  linguas  beatus  Gregorius 
fideles  bis  instruit  (instituit  T)  verbis:  Sciendum  est,  quia  linguas  detrahentium 
(det.  lin.  K)  sicut  nostro  studio  non  debemus  excitare  ne  ipsi  pereant,  ita  per  suam 
malitiam  (mal.  s.  T)  excitatas  debemus  aequanimiter  tolerare,  ut  nobis  meritum 
creseat;  aliquando  autem  etiam  (V,  est  etiam  B,  nur  etiam  K,  nichts  T)  com- 
peseere,  ne  dum  de  nobis  mala  (ma.  d.  n.  T)  disseminant,  eorum  qui  audire  nos 
ad  bona  poterant  corda  innocentium  corrumpant.  Agnoscat  ergo  (igitur  B) 
fraterna  Caritas ,  me  qualemcunqne  filium  ecclesiae  cnm  ipsa  integre  (integra  B) 
euneta  recipere  (ree.  eu.  int.  T.)  que  reeipit,  cuneta  (fMt  TK)  respuere  que  res- 
pait  (quae  reeipit  recipere,  eu.  quae  respuit  respuere  V),  nee  me  umquam  uni- 
tatam  (B  K,  nnionem  V,  neritatem  T)  fidei  seidisse,  quamvis  (cum  T,  licet  K)  impar 
sim  (fehlt  V)  ceteris  morum  qualitate. 

Nach  den  Entgegnungen  auf  die  einzelnen  CapUula  und  auf  die  S»  437  n<h 
tifie  Unterschrift  folgt  der  Schluß :  Si  qua  igitur  eonsolatio  (quid  ig.  consolatiouis 
T)  in  Christo  Jesu,  si  qua  sunt  (fehlt  T)  viscera  pietatis,  fraternam  caritatem 
(pietatem  V)  vestram  (v.  ea.  B,  fraternitatis  vestre  caritatem  K)  exoro,  ne  (ut  T) 
innocentiam  meam  (fehlt  T),  quam  a  culpa  veritas  liberat,  infamiae  (fehlt  V)  naevo 
(B  K,  aeneno  T ,  nemo  alias  ueneno  V)  respergendo  delinquat  (derelinquat  K  non 
del.  T).  caritatis  (Caritas  B)  quippe  est  obprobrium  non  aeeipere  adversus  proximum 
(suam  K)  et  quae  dubia  sunt  in  meliorem  partem  interpretari  et  illam  semper 
(est  per  K)  dominieae  pieUtis  sententiam  attendere :  nolite  iudieare  et  non  iudi- 
cabimini;  nolite  cundempnare  et  non  eondempnabimini  (dampnab.  B). 


460  Wilhelm  Meyer, 

iorem  omnipotentiam  esse  patris  et  filii  minorem  videmini  affir- 
mare';  einzelne  Stücke  finden  sich  dann  im  3.  und  4.  Abschnitt 
des  Traktates  des  Abtes  Wilhelm  (Migne  180  Sp.  2B4/7;  vgl. 
259  A  nulla  potentia  und  besonders  plena  potentia  —  quaedam 
potentia  —  non  potentia  260  A).  Dagegen  das  3.  Capitulum  in 
Abt  Wilhelm*s  Begleitbrief  (Migne  182  Sp.  532)  gibt  bereits  genau 
den  Wortlaut,  welcher  in  unsere  Sammlung  aufgenommen  ist  und 
welcher  sich  noch  findet  in  Bernhardts  190.  Brief  (Migne  182  Sp. 
1056  A),  in  Abaelard's  Confessio  und  bei  Otto  von  Freising. 
Omnipotentia  ist  statt  ^plena  potentia'  gesetzt  bei  dem*  Anonymus 
(Migne  180  Sp.  286  B),  wie  er  überhaupt  *omnipotentia*  gebraucht, 
und  im  Apologeticus  des  Berengar  (Migne  178  Sp.  1862  C). 

Die  Wendungen  des  190.  Briefes  *ponit  in  trinitate  gradus  .  .' 
und  *nonne  plus  quam  Arius  hie'  (Migne  182  Sp.  1056  A)  hat 
Bernhard  in  den  spätem  Briefen  geändert  zu  cum  Ario  gradus 
et  scalas  in  trinitate  disponit  (330  331  332  338  und  fast  ebenso 
336)  oder  *cum  de  trinitate  loquitur  sapit  Arium'  (192) ;  hierauf 
scheint  Abaelard  anzuspielen  in  dem  Briefe  an  Heloise  (Migne  178 
Sp.  375):  nee  audio  Arium,  qui  .  .  gradus  facit  in  trinitate. 

Bei  diesem  Satze  kam  es,  im  Gegensatz  zum  13.,  hauptsächlich 
auf  das  2.  und  3.  Glied  von  quaedam  und  nulla  potentia  an,  und 
es  ist  nicht  zu  leugnen,  daß  die  vom  Abt  Wilhelm  citirten  Beleg- 
stellen (für  quaedam  besonders  Introductio,  Migne  178  Sp.  1069  C, 
und  für  nulla  besonders  Sp.  1072  B)  die  Formulirung  des  Capitu- 
lums  nicht  einwandfrei  machen,  zumal  das  vorsichtige  (vgl.  den 
Anonymus  Migne  180  Sp.  300)  proprie  oder  specialiter  des  Abae- 
lard fehlt ;  siehe  noch  Deutsch ,  Abaelard  S.  277,  und  Gietl  zu 
Boland's  Sentenzen  S.  30  *).  So  ist  es  nicht  zu  verwundern, 
daß  (nach  dem  Bericht  des  Anonymus,  Migne  180  Sp.  285  C)  Abae- 
lard in  seiner  Apologia  'sanctae  religionis  et  magni  nominis  abbatcm 
insimulet  falso  {so  Codex)  finxisse,  —  quia  in  Theologia  sua  scrip- 
serit  filium  esse  quandam  potentiam,  spiritum  sanctum  nullam. 
Id  enim  in  Apologia  sua  quam  contra  abbatem  Petrus  ipse 
dirigit  se  dixisse  denegat;  sed  (so  Codex)  quod  divina  sapientia 
quaedam  sit  potentia  patris  non  filius  et  quod  amor  patris  et  filii 
sit  nulla  (non  nulla  Codex)  potentia  non  spiritus  sanctus,  se  dixisse 
profitetur   et   verum   esse  pertinaciter   contendit*.      Die  Anfangs- 

1)  Vacandard,  Bernard  n  p.  127,  wül  Bernhard  entschnldigen  Tabbö  de 
Clainraux  discate,  non  pas  elle-m^me,  la  phrase  cit^e,  mais  le  texte  propre  d*Abd- 
lard\  Allein,  wie  gesagt,  im  190.  Brief  (Migne  182  Sp.  1056  A)  nennt  and  be- 
kämpft Bernhard  das  Ton  Abt  Wilhelm  formnlirte  Capitalum,  d.h.  elle-mömc, 
la  phrase  cit^. 


die  Anklagesätce  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  461 

Worte  dieses  Absatzes  deuten  darauf  hin,  daß  sie  im  Anfang  der 
Apologia  standen,  und  daß  Abaelard  bei  der  Bekämpfung  der 
Capitula  sich  vielleicht  an  die  vorliegende  Reihenfolge  derselben 
gehalten  hat.  Noch  in  der  Confessio  erklärt  Abaelard :  Quod 
igitur*  mihi*  veP  per  malitiam  vel'  per*  errorem*  impositum*  est, 
quod  de*  deo*  scripserim,  quia  pater  est^  plena  potentia,  filius 
quaedam  potentia,  spiritus  sanctus  nuUa  potentia,  haec  ego  verba 
non  tarn  humana"  quam  diabolica,  sicut  iustissimum  est,  abhorreo 
detestor  et  ea  cum  auctore  suo®  pariter  dampno.  quac^  si  quis 
in  meis  repperiat  scriptis,  non  solum  me  haereticum,  verum ^  etiam 
haeresiarcham  profiteor.  (1  m.  ig.  T ;  2  fehlt  V ;  3  aut  T ;  3  und  4 
fehlen  in  V;  5  imposita  B;  6  fehlen  in  V;  7  fehlt  V;  8  haeretica 
V ;  9  actore  B,  suo  auct.  V ;  1  quod  B ;  2  sed  V). 

3  Quod  Spiritus  sanctus  non  sit  de  substantia  patris  aut  filii. 

Abt  Wilhelm  nennt  in  dem  Begleitschreiben  als  4.  Capitulum : 
De  spiritu  sancto,  quod  non  sit  ex  substantia  patris  et  filii  sie 
at  filius  est  ex  substantia  patris.  Diese  Fassung  entspricht  den 
im  4.  Abschnitte  des  Traktats  citirten  Belegstellen  aus  Abaelard, 
z.  B.  (Migne  180  Sp.  258  B  =  Introductio  bei  Migne  178  Sp. 
1072  C) :  bene  .  .  filius  ex  patre  esse  dicitur  hoc  est  ex  ipsa  patris 
substantia  esse  .  .  Spiritus  vero ,  quamvis  eiusdem  sit  substantiae 
cum  patre  et  filio  etiam  trinitas  ipsa  homousion  id  est  unius  sub- 
stantiae praedicatur,  minime  tamen  est  ex  substantia  patris  et 
filii,  quod  esset  ex  patre  filioque  gigni,  sed  magis  ab  ipsis  habet 
procedere.     Der  Satz  'sed  non   ex  ipsa   eins  substantia'  wird  Sp. 

262  C  ffl.  besprochen  und  Abaelard*s   Ansicht   öfter  (Sp.   262  D, 

263  A,  264  A  und  D)  formulirt,  wobei  statt  *ex*  gelegentlich  auch 
*de'  gesetzt  wird.  Direkt  auf  Abaelard's  Belegstellen  zurück 
geht  Bernhard  im  190.  Brief  (Migne  182  Sp.  1056  B):  spiritum 
sanctum  procedere  quidem  ex  patre  et  filio ,  sed  minime  de  patris 
esse  filiive  substantia;  ebenso  nach  Berengar  im  Apologeticus 
(Migne  178,  1862  D) :  quod  spiritus  sanctus,  licet  sit  eiusdem  sub- 
stantiae cum  filio,  non  tamen  est  de  eadem  substantia.  Vgl.  noch 
GietI  zu  Roland*s  Sentenzen  S.  32. 

Die  Excerpte  (Migne  182,  1049)  citiren  im  §  2  dieselbe 
Belegstelle  wie  Abt  Wilhelm,  aber  als  Ueberschrift  geben  sie  nur : 
Quod  spiritus  sanctus  non  sit  de  substantia  patris ;  dieselbe  Fassung 
hat  auch  Otto  von  Freising,  Gesta  Friderici  I  49.  Allein  der 
Zusatz  aut  oder  et  filii  ist  fast  unentbehrlich;  dcßhalb  hat  ihn 
Bernhard  wieder  zugesetzt,  als  er  unser  2.  Capitulum  aufstellte. 
Abaelard  selbst  entgegnet  darauf  in  der  Confessio:  Tarn 
filinm  quam   spiritum  sanctum  sic^  ex*  patre*  profiteor   esse,    nt 


462  Wilhelm  Meyer, 

eiusdem  sit  cum  patre  substantiae,  eiusdem  penitus'  volontatis 
atque  potentiae;  quia*,  quorum  est*  eadem*  omnino^  substantia^ 
veÜ  essentia,  nulla  potest  esse®  vel^  volontatis  diversitas  vel  po- 
tentiae inaequalitas.  Quisquis  antem*  me  scripsisse  asserit,  quod 
de  substantia  patris*  spiritus  sanctus'  etiam^  non  sit,  malitiae  id 
vel  ignorantiae  maximae  fuit  (1  sie  K,  sicut  B,  fehlt  TV;  2  et 
patrem  B;  3  vol.  pen.  TK;  4  quae  V;  5  est  fehlt  V;  6  omn. 
ead.  VK;  6  und  7  omn.  sub.  vel  fehlt  T;  8  esse  steht  nach  diversitas 
in  T ;  9  fehlt  ß ;  1  etiam  V ;  2  patris  et  filii  T ;  3  et.  sa.  T,  etiam 
fehlt  K). 

3  Quod  Christus  non  assumpsit  carnem,  ut  nos  a  iugo  diaboli 
liberaret. 

Vorbereitet  ist  dies  Capitulum  durch  Walther*s  Bemerkung 
(Dacherii  Spicilegium  11  479)  'apud  nos  ventilatum  est  vestram 
affirmasse  sapientiam,  quod  Christus  praedicando  laborando'  ad 
extremum  moriendo  nihil  meruerit*,  wie  ja  auch  der  Abt  Wilhelm 
den  7.  Abschnitt  seines  Traktates  (Migne  180, 269)  beginnt  *astruere 
velle  videtur,  quod  Christus  gratis  mortuus  sit'.  In  seinem  Be- 
gleitbrief (Migne  182  Sp.  532  B)  formulirt  er  das  capitulum  no  7: 
Quod  Christus  non  ideo  assumpsit  carnem  et  passus  est  ut  nos  a 
iure  diaboli  liberaret',  doch  in  dem  langen  7.  Abschnitte  des  Trak- 
tats werden  folgende  Worte  Abaelard's  citirt:  Ideo,  sicut  dicunt 
doctores,  hac  necessitate  incarnatus  est  filius  dei,  ut  horao  qui 
aliter  liberari  non  poterat,  per  mortem  innocentis  iure  liberaretur 
a  iugo  diaboli.  Bernhard  hat  im  190.  Briefe,  Migne  182 
Sp.  1062 — 1072,  diesen  Gegenstand  behandelt,  noch  ausführlicher 
als  Abt  Wilhelm;  er  hat  dazu  nicht  nur  die  Theologia,  sondern 
auch  *in  libro  quodam  Sententiarum  ipsius  et  item  in  quadam  eius 
Expositione  cpistolae  ad  Romanos'  gelesen  und  bespricht  besonders 
den  Ausdruck  *iure'. 

Der  Excerptor  (]\Iigne  182 ,  1050)  hat  als  Ueberschrift  des 

4.  Abschnittes  bereits  völlig  die  Fassung  der  Worte,  welche  Bern- 
hard als  3.  Capitulum  aufgenommen  hat,  ohne  *ideo'  und  ohne 
'passus  est'  und  ohne  das  gefährliche  'iure',  aber  mit  *a  iugo'; 
dieselbe  Fassung  schrieb  aus  unsem  Capitula  Otto  von  Freising 
ab  (Gesta  Friderici  I  49).  In  derConfessio  entgegnet  A b a e- 
lard:  Solum  filium  dei  incarnatum  profiteor  (conf.  K),  ut  nos  a 
Servitute  peccati  et  a  iugo  diaboli  liberaret  et  supemae  aditum 
vitae  morte  sua  nobis  reseraret  (in  TK  steht  nos  nach  diaboli) ;  er 
greift  also  in  keiner  Weise  auf  die  früheren  Fassungen  zurück. 
(Vgl.  noch  Deniiie,  Archiv  I  431  und  Gietl   zu  Rolands  Sentenzen 

5.  1B8  und  161). 


die  Änklages&tze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  453 

4  Qnod  neque  dens  et  homo  neqae  haec  persona  quae  Christus 
est  sit  tertia  persona  in  trinitate. 

Abt  Wilhelm  faßt  in  seinem  Begleitschreiben  (Migne  182, 532) 
den  8.  Satz  also:  Qaod  Christus  deus  et  homo  non  est  tertia 
persona  in  trinitate;  in  dem  langen  8.  Abschnitt  des  Traktats 
(Migne  180, 276)  citirt  er  den  Satz  Abaelard' s  'Licet  concedamus 
quod  Christus  tertia  sit  persona  in  trinitate,  non  tamen  concedi- 
mus ,  quod  haec  persona  quae  Christus  est  sit  tertia  per- 
sona in  trinitate'.  Die  beiden  Subjekte  *deus  et  homo'  und  'haec 
persona  quae  Christus  est'  waren  also  vorhanden:  so  nun  begreift 
sich  die  Entstehung  der  Ueberschrift  des  5.  Abschnittes  der  Ex- 
cerpte  (Migne  182,  1051),  welche  genau  denselben  Wortlaut  hat 
wie  unser  4.  Capitulum;  denn  die  Lesart  der  Excerpte  'neque 
homo  persona'  ist  natürlich  nur  Lese-  oder  Schreibfehler  für 
'neque  haec  p.'.    Vgl.  Gietl  zu  Roland' s  Sentenzen  S.  175. 

Bernhard  berührt  im  190.  Briefe  den  Satz  nicht;  in  dem 
Pack  Briefe,  der  nach  der  Synode  von  Sens  nach  Rom  ging,  be- 
rührt er  ihn  in  6  Briefen  mit  dem  Satze  'cum  Nestorio  Christum 
dividens  hominem  assumptum  a  consortio  trinitatis  excludit',  wo- 
rauf der  Anonymus  (Migne  180, 301 B)  anspielt  'Nestorianam 
faecem  sequens  sie  dividit  Christum,  ut  .  .'.  Unser  4.  Capitulum 
also  war  es,  wegen  dessen  Abaelard  in  der  Apologia  gegen 
Bernhard  losbrach:  Migne  180  Sp.  300 D  In  Apologetico  suo  re- 
sponsione  (quinta?;  in  der  Handschrift  steht  ein  corrigirter  Buch- 
stabe ^  darüber  V)  super  hoc  capitulum  furiis  exagitatus  Petrus 
insanit  et  sie  nimis  intemperanter  invehitur  in  hominem  dei,  ut 
non  eum  loqui  quae  loquitur,  sed  per  eum  Satanam  qui  transformat 
se  in  angelum  lucis  asseveret.  Ibi  post  venerabilis  abbatis  ex- 
probrationem  per  haec  eadem  verba  quod  gestabat  in  pectore 
venenum  effudit:  Cum  me  arguis,  ivquit,  quod  non  dico,  quia  deus 
et  homo  una  sunt  in  trinitate  persona,  patenter  te  id  sentire  pro- 
fiteris.  quod  quantum  sanae  fidei  contrarium  sit,  volo  tuum  erro- 
rem  recognoscere.  Non  enim  deus  et  homo,  duae  istae  naturae, 
sive  singulae  sive  simul  accipiantur,  una  dici  possunt  in  trinitate 
persona'  usw.  Der  Anonymus  wendet  seine  geistigen  Waifen 
gegen  diese  Ansichten,  im  2.  Buche  Sp.  299—310,  ohne  den  Wort- 
laut unseres  Capitulum's  zu  erwähnen.  Abaelard  antwortet 
in  der  Confessio  auf  das  4.  Capitulum  ziemlich  dunkel:  Ipsum 
(lesum  V)  Christum  sicut  verum  et  unicum  dei  filium  ex  substantia 
patris  ante  secula  genitum,  ita  tertiam  in  trinitate  (in  trinit.  tert. 
T,  trinam  in  trinitate  B)  personam,  Spiritum  quoque  sanctum  tam 


454  W  ilhelm  Meyer, 

ab  ipso  filio  quam  a  patre  procedentem :  et  credens  assero  et  aa- 
serens  credo. 

6  Quod  liberum  arbitrium  per  se  sufficiat  ad  aliquod  bonum 
(donum  die  Pariser  Handsrhriß). 

Abaelard's  Aeußerungen  über  diesen  wichtigen  und  schwierigen 
Stoff  werden  in  vielen  Schriften  besprochen,  werden  aber  merk- 
würdiger Weise  fast  in  jeder  Schrift  anders  formulirt. 

Abt  Wilhelm  citirt  im  6.  Abschnitte  seines  Traktates 
(Migne  180,  266)  uns  sonst  nicht  erhaltene  Stellen  der  Theologia, 
z.  B.  'si  .  .  homo  nihil  ex  se  boni  operari  possit ,  ut  aliquo  modo 
ad  divinam  gratiam  suscipiendam  per  liberum  arbitrium  sine  auxilio 
gratiae,  prout  dictum  est,  se  erigere  non  possit,  non  videtur  ratio, 
quare  si  peccaverit  puniatur'.  Solchen  Citaten  entspricht  die 
Formulirung  des  6.  Capitulums  in  dem  Begleitbrief  (Migne  182, 
532  B) :  Quod  libero  arbitrio  sine  adiuvante  gratia  bene  possumus 
et  velle  et  agere'.  In  den  Excerpten  werden  im  §  6  dieselben 
Stellen  aus  Abaelard  citirt,  wie  vom  Abt  Wilhelm,  ihnen  aber 
als  Ueberschrift  ein  ganz  anderes  Stück  der  Excerpte  gegeben, 
nemlich:  Quod  deus  non  plus  faciat  ei  qui  salvatur  antequam 
cohaereat  gratiae,  quam  ei  qui  non  salvatur.  Unser  5.  Capi- 
tulum  ist  also  hauptsächlich  nach  dem  6.  Capitulum  des  Abtes 
Wilhelm  formulirt  worden. 

In  6  Briefen  schreibt  Bernhard  (Migne  182  Brief  330  331 
332  338  336  und  192)  von  Sens  nach  Rom:  'cum  Pelagio  liberum 
arbitrium  gratiae  praeponit'  oder  'cum  de  gratia  loquitur,  sapit 
Pelagium'.  Der   Anonymus   bekämpft   im   letzten   Theile   des 

3.  Buchs  (Migne  180,  321 C— 328)  diese  Ansicht  Abaelard's,  welche 
er  aber  wieder  anders  formulirt:  Quod  gratia  illa,  qua  salvantur 
electi,  communis  est  omnibus  hominibus.  Dabei  hält  er  sich  an 
Worte  Abaelard*s ,  welche  er  selbst  (321 D)  aus  dessen  Theologia 
(Migne  178,  1149  C)  anführt  'de  gratia  dei  omnibus  communiter 
oblata';    vgl.   noch   Roland's   Sentenzen   S.  317/8.  Berengar 

geht  im  Apologet icus  (Migne  178, 1862  D)  mit  der  Formulirung 
'Quod  homo  sine  nova  gratia  possit  operari'  (bene  operari  oder 
aJiquid  boni  operari?)  wohl  auf  Stellen,  wie  die  oben  aus  Abt 
Wilhelm  angeführte  zurück. 

Abaelard  selbst  entgegnet  auf  unser  5.  Capitulum  zuerst 
in  der  Apologia  nach  dem  Bericht  des  Anonymus  (Migne  180, 
322  B):  In  Apologia  vero  stm  ;>nmMm  quideni  se  stretiue  defendit  et 
Felagianam  anathematieans  haeresim  de  gratia  dei  cathclice  sentit  et 
scribit;  sed  postea  more  suo  sübtilis  ac  vehit  alter  Proteus  lubricus 
elabitur  et  revertitur  in  id  ipsutn.   verba  illius  Jtoc  melitAS  probabunt. 


die  Anklagesätze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  456 

Aa€C  prima  sunt:  *Ego,  inquit,  gratiam  dei  voco,  quidquid  ad  salu- 
tem  hominis  de  ipso  dens  disponit  vel  illi  (ille  die  herl.  Handschrift) 
confert,  quod  ipse  non  meruerit.  ait  qnippe  apostolus:  Reliquiae 
secundum  eleäionem  gratiae  scdvae  factae  sunt.  $i  autem  ex  gratia, 
iam  non  ex  operibus,  alioquin  gratia  iam  non  est  gratia,  Grratia 
igitar  dei  est  in  electis  suis,  quod  eos  ab  aeterno  praedestinaverit, 
qaod  et  fidem  eis  inspiraverit ;  quae  utique  nostra  praecedunt 
merita  et  sine  qnibus  eum  diligere  non  valemus,  ut  salvari  mere- 
amnr.  Ipsa  enim  dilectio,  quam  ipse  per  ea  quae  dicta  sunt  primo 
in  nobis  efficit,  effectus  ipsius  dei  sive  donum  eins  est  et  eins  im- 
pntanda  gratiae,  ante  quam  etiam  nihil  salutis  possumus  promereri. 
nnde  et  apostolus :  quid  inquit  hahcs ,  quod  non  accepisti  ?  Ilaec  a 
Feiro  dicia  de  dei  gratia  magis  Veritatis  quam  Petri  verba  sunt.  Hier 
hat  Tissier  a  Paulo  corrigirt:  mit  Unrecht;  denn  bis  hierher  geht  die 
1.  Hälfte  der  EntwicJdung  Äbaelard's,  in  welcher  er  nach  dem  UrtheU 
des  Anonymus  ^de  gratia  dei  catholice  sentit  et  scribit\  Jetzt  folgt 
die  andere  Hälfte:  Sp.  323 G  At  Petrus  brevi  mutat  vulius  suos  et  ad 
sclita  rediens  nobis  effiritur  alienus  .  . .  Dicit  nullis  interpositis  quod 
mihi  magni  miracuU  res  est:  Ergo,  inquit ,  et  ipsum  liberum  arbi- 
trium  quia  bonum  est  divinae  gratiae  est  donum  et  ipsa  ratio  in 
qua  ipsum  consistit.  Dann  Sp.  324 A:   nam  dicit:   Cum  igitur 

dominus  tam  electis  quam  reprobis  rationem  tribuat  et  viam  osten- 
dat  qua  perveniendum  sit  ad  beatitudinem ,  et  ad  haue  percipien- 
dam  quam  omnibus  ofTert  praeceptis  et  exhortationibus  suis  nos 
iugiter  invitet:  alii  super  hoc  {so  die  Handschrift)  eum  audiunt  et 
praeceptis  obtemperant  bene  vivcndo  ut  oblata  percipiant  praemia, 
alii  contemnunt  et  in  sua  remanentes  ignavia  oboedientiae  laborem 
refugiunt.  Nachher  Sp,  325  A:   Sic  enim  inquit  ad  bene  viven- 

dum  reprobos  praeparari  sicut  electoa,  id  videlicet  dicendo  et  ad- 
moncndo  et  facultatem  praebendo,  ut  nulla  iam  supersit  excusatio 
(praeparatio  die  Handschrift).  Et  loquens  cum  adversariis  adiungit 
dicens:  Sed  dicis,  quia  deus  bonam  voluntatem  in  reprobis  non 
fecit,  sicut  in  electis.  Et  huius  catholicae  firmitudinis  fundamentum 
modis  Omnibus  destruit  et  more  suo  loquens  sie  adstruii:  Culpandi 
inquit  reprobi  non  sunt ,  si  recte  non  vivunt  sicut  electi ,  cum  ad 
rectitudinem  vitae  illis  sit  illa  negata  gratia,  sine  qua  recte  vi- 
vere  nuUatenus  possunt.  Ich  glaube,    daß  der  Anonymus  hier 

die  Gedankenkette  Abaelard's  uns  vollständig  mitgetheilt  hat. 
Dagegen  in  der  Confessio  fidei  beschränkt  sich  Abaelard 
auf  folgende  Erklärung  gegen  unser  5.  Capitulum :  Gratiam 
dei  ita  omnibus  necessariam  dico\  ut  nee  naturae  facultas*  nee 
arbitrii   libertas   sine  illa  sufficere  possit  ad  salutem.  ipsa  quippe 


466  Wilhelm  Meyer, 

gratia  nos*  praevenit  nt  velimus,  ipsa  snbsequitur  nt  possimns, 
ipsa  nos  conservat*  nt  perseveremus  (1  fehlt  V ;  2  facilitas  B ; 
3  nos  vor  quippe  ?w  K ;  4  consociat  V). 

6  Qnod  ea  solummodo  possit  deua  facere  vel  dimittere  vel  eo 
modo  tantum  vel  eo  tempore  quo  facit  non  alio. 

Dieses  Capitulum  ist  aus  der  Theolop^a  ansp^eschnitten;  die 
philologische  Prüfung  der  Worte  beleuchtet  klar  die  Entwicklung 
der  Capitula.  Die  Stelle  der  Theologia  (Migne  178,  1101 D) 
ist  noch  als  Excerpt  zu  finden  im  3.  Abschnitt  des  Excerptors 
(Migne  182,  1050)  und  im  3.  Buche  des  Anonymus  (Migne  180, 
316 B).  Nach  der  Introductio  lautet  die  Stelle:  Praedictis  itaque 
rationibus  vel  obiectorum  solutionibus  liquere  omnibus  reor,  ea 
solummodo  deum  posse  facere  vel  dimittere,  quae  quandoque  facit 
vel  dimittit ,  et  eo  modo  tantum  vel  eo  tempore  quo  facit  non 
alio.  Die  Varianten  hiezu  sind  beim  Anonymus  unbedeutend:  in- 
quit  hat  die  berliner  Handschrift  statt  itaque ;  quaecunque  statt  qnac 
quandoque;  tantum  steht  vor  non  alio;  quo  facit  steht  doppelt ^  ein- 
mal nach  modo ,  ein  ander  Mal  nach  tempore ,  wo  Tissier  das  J. 
Mal  noch  vel  dimittit  eusetzte ;  statt  vel  steht  et  vor  eo  tempore, 
Die  Abweichung  in  dem  3.  Abschnitt  der  Excerpta  'vel*  statt  *et* 
vor  'eo  modo*  ist  unbedeutend,  aber  wichtig  die  andere,  daß  die 
Worte  'quae  quandoque  facit  vel  dimittit'  in  dem  Excerpt  gänz- 
lich fehlen.  Sie  sind  unentbehrlich;  allein  durch  *quo  facit'  ge- 
täuscht hat  der  Excerptor  die  Lücke  nicht  gemerkt,  ja  er  schnei, 
det  diese  fehlerhaften  Worte  aus  und  setzt  sie  als  Capitulum  über 
den  ganzen  3.  Excerptenabschnitt :  'Quod  ea  deus  solummodo  pos- 
sit facere  vel  dimittere  vel  eo  modo  tantum  vel  eo  tempore  quo 
facit  non  aJio' :  und  auch  Bernhard  merkt  hier  die  Lücke  nicht 
und  schreibt  genau  dieselben  Worte  —  nur  deus  ist  umgestellt  — 
als    das   6.   Capitulum   ab.  Berengar   will  im  Apologeticus 

(Migne  178,  1862  D)  unser  6.  Capitulum  citiren;  allein  er  citirt 
nur  aus  dem  Gedächtniß:  Quod  deus  non  possit  plus  facere  quam 
facit  nee  melius  facere  quam  facit  nee  aliter  facere  quam  facit ; 
sein  Gedächtniß  ist  also  auf  andere  Fassungen  des  Satzes  abge- 
irrt, wie  eine  z.  B.  in  der  Theologia  Christiana  (Migne  178, 
1324  A)  zu  finden  ist  *quaerendum  arbitror,  utrum  plura  facere 
possit  deus  vel  meliora  quam  faciat,  aut  ab  bis  etiam  quae  facit 
cessare  posset,  ne  ea  unquam  videlicet  faceret'.  Vgl.  noch  die 
Sentenzen  Roland's  S.  54  63  66  usw. 

Nachdem  Bernhard  unser  6.  Capitulum  veröfFentlicht  hatte, 
antwortete  Abaelard  in  der  Apologia.  Der  Anonymus  be- 
richtet Migne  180,  316  B:  At  in  Apologia  sua  multo  vehementios 


die  Anklagesätze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  457 

fipiritu  vertiginis  abdncitar  ac  infelicius  aegrotat;  diligentiore  si- 
quidem  tractatu  et  quasi  viribus  in  unum  collectis  hoc  capitulum 
ceteris  diffasius  execratur  et  ad  huius  novae  adinventionis  imo 
noxii  erroris  confirmationem  totus  incumbit.  Abaelard  weist  zu- 
erst nach,  voluntatem  dei  ac  potestatem  idem  esse;  die  betreffen- 
den Citate  schließt  der  Anonymus  mit  den  Worten:  Ecee  quam 
Vera  Petrus  proponit ;  sed  in  hoc  vitandus  est,  quod  ex  veriä  falsa 
concludit.  Sic  enim  dicit :  ^Si  ergo  id  solum  facere  potest, 
quod  eum  facere  seu  volle  convenit,  profecto  id  solum  facere 
atque  velle  facere  potest,  quod  quandoque  facit,  et 
eo  modo  tantum  et  eo  tempore  similiter  quo  facit, 
quia  videlicet  nee  alio  modo  nee  alio  tempore  convenit  vel  hoc 
eum  facere  vel  velle'  (etiam  facere  sdst  Tissier  eu).  Diese  Stelle 
hatte  Abaelard  nach  dem  Wortlaut  seiner  Theologia,  nicht  des 
Capitulums  geschrieben,  also  steht  auch  das  nothwendige  'quod 
quandoque  facit'  da.  Dem  entsprechen  auch  die  Formulirungen 
des  Anonymus  310 D  'quod  deus  facere  non  potest  nisi  quod 
fadt  nee  alio  modo  nee  alio  tempore,  nee  dimittere  quin  faciat 
quod  facit'  oder  316  D  'quod  deus  non  potest  facere  nisi  quod  facit 
nee  alio  modo  nee  alio  tempore'.  In  der  Confessio  fidei 
füllt  Abaelard  die  Lücke  des  Capitulums  für  sich  vortheil- 
hafter  aus :  Deum  ea  solummodo  facere^  posse^  credo  quae  ipsum 
facere  convenit,  et  quod  multa  facere  potet^  quae  numquam*  fa- 
dt* (L  und  2  fdden  in  T,  po.  fa.  V;  3  posset  BT;  4  non  KT;  6 
fadet  V). 

7  Quod  deus  nee  debeat  nee  possit  mala  impedire.  Hier 
steht  das  Capitulum  bei  Ämboise,  in  der  Münchener  {ß2271^  M)  und 
Wiener  (K)  Handschrift ;  (d)er  in  den  Handschriften  von  Valenciennes  und 
Münc/icn  {22299^  W)  nach  dem  16.  Cap, ;  in  der  Pariser  felilt  es  ganz. 

In  dem  7.  Abschnitt  der  Abaelard- Excerpte  (Migne  182, 
1052)  kommen  die  einem  verlorenen  Theil  der  Theologia  entnom- 
menen Worte  vor:  '£t  ideo  deus  a  consensu  malorum  est  alienus, 
qoi  nee  debet  nee  potest  mala  impedire.  Ideo  non  debet,  quia  . . . 
ideo  autem  non  potest,  quia  .  .'.  £s  ist  also  offenbar  nur  ein 
alter  Schreib-  oder  Druckfehler,  wenn  die  Abschnittsüberschrift, 
welche  der  Excerptor  nach  den  citirten  Worten  gemacht  hat,  jetzt 
lautet  Quod  deus  non  debeat  mala  impedire.  Bernhard  hat 
jedenfalls  auch  'non  possit'  da  gelesen  und  so  unser  Capitulum 
abgeschrieben.  Abaelard    antwortet    in    der    Confessio: 

Mala  deum  frequenter  impedire*  fateor-,  quia  non  solum  effectum 
malignantium  praevenit  ne  quod  volunt  possint,  verum  etiam  vo- 
lontates*  eorum  immutat^,   ut  a  malo  quod  cogitaverunt  penitua 


458  Wilbelm  Meyer, 

desistant^  (1  und  2  fa.  imp.  V;  affectum  dann  velint  K;  3  uolun- 
tatem  T;   4  mutat  V;  dann  cogitaverat  KA;  6  divertant  V). 

8  Quod  non  contraximns  culpam  ex  Adam ,  sed  poenam 
tantam. 

lieber  die  Entwicklung  dieses  Capitulums  siehe  S.  438. 

9  Quod  non  peecaverunt  qui  Christum  ignorantes  {sonst  igno- 
ranter odcT  per  ignorantiam)  crucifixerunt,  et  Quod  non  sit  culpae 
ascribendum  (non  culpae  adscr.  est  Amhoise)  quicquid  fit  per  igno- 
rantiam. 

18  Quod  neque  opus  neque  voluntas  neque  concupiscentia  ne- 
que  delectatiü  quae  (cum  statt  quae  Amhoise]  quae  fehlt  in  drei 
Handschriften)  movet  eam  peccatum  sit,  nee  debemus  eam  velle 
extingui. 

Diese  beiden  Capitula  muß  ich  zusammen  betrachten  und  ich 
habe  versucht,  die  Entstehung  derselben  durch  nebenstehende 
Tafel  zu  verdeutlichen.  Die   sämmtlichen  Bestandtheile   der  2 

Capitula  finden  sich  im  12.  und  13.  Abschnitt  des  Traktates  des 
Abtes  Wilhelm.  Hier  hatte  derselbe  mit  dem  peccatum  per 
ignorantiam  fast  den  ganzen  13.  Abschnitt  gefüllt;  in  dem  Be- 
gleitbrief warf  er  in  §  12  und  13  Alles  durcheinander.  Der  Ex- 
cerptor  schied  wieder  das  peccatum  per  ignorantiam  reinlich 
aus  und  schob  es  in  §11.  Bernhard,  der  Zusammensteller  un- 
serer Capitula  9  und  18,  folgte  hauptsächlich  dem  Excerptor.  Das 
9  Capitulum  hat  er  aus  dessen  Ueberschrift  über  §  11  abge- 
schrieben, weßhalb  auch  hier  'ignorantes*,  (ähnlich  dem  ignoranter 
der  Excerpte),  und  nicht  *per  ignorantiam'  mit  dem  Pariser  Codex 
zu  schreiben  ist.  Das  Hauptstück  des  18.  Capitulum  ist  aus  §  13 
des  Excerptors  und  aus  dem  12.  Abschnitt  des  Abtes  Wühelm  zu- 
sammengestellt;  dann  ist  der  Schluß  (m)  direkt  aus  dem  13.  Ab- 
schnitt des  Abtes  Wilhelm  angeflickt,  wobei  statt  *occidere'  das 
natürliche  'extinguere'  genommen  ist. 

Woher  hat  hier  Abt  Wilhelm  seine  Sätze  und  Citate  be- 
zogen? In  den  erhaltenen  Theilen  der  Theologia  sind  sie  nicht 
zu  finden.  Nun  schreibt  Bernhard  in  dem  Briefe  an  die  Kardi- 
näle (Brief  188  =  Migne  182  Sp.  3B3  C,  wohl  noch  vor  dem  Con- 
cil  in  Sens  geschrieben):  ^Legite  et  alium  (librum)  quem  dicunt 
Sententiarum  eius  necnon  et  illum  qui  inscribitur  'Scito  te  ipsum' : 
et  animadvertite  quanta  et  ipsi  silvescant  segete  sacrilegiorum  at- 
que  errorum:  quid  sentiat  de  anima  Christi,  de  persona  Christi, 
de  descensu  Christi  ad  inferos  (Capitulum  17),  de  sacramento  al- 
taris,  de  potestate  ligandi  atque  solvendi  (Cap.  11),  de  originali 
peccato  (Cap.  8),  de  concupiscentia  (18  b),   de  peccato  delectationis 


die  Anklagesätze  des  b.  Bernhard  gegen  Abaelard. 


459 


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460  Wilhelm  Meyer, 

(18  b),  de  peccato  infirmitatis,  de  peccato  ignorantiae  (Cap.  9),  de 
opere  peccati  (^18  f ),  de  voluntate  peccandi*  (18  c).  Demnach  konnte 
man  meinen,  Abt  Wilhelm  habe  trotz  seiner  Versicherung,  nur 
die  Theologia  benützt  zu  haben,  doch  in  den  angeflickten  3  Ka- 
piteln 11—13  vielleicht  ein  anderes  Buch  benützt.  Die  Frage 
über  den  Liber  Sententiarum  beiühre  ich  hier  nicht.  In  dem  Li- 
ber  *Scito  te  ipsum'  finden  sich  fast  alle  Sätze  des  Abtes  Wil- 
helm und  zwar  in  theilweise  überraschend  ähnlichen  Worten, 
allein  kein  Citat  des  Abtes  Wilhelm  stimmt  wörtlich.  Wie  schon 
Goldhorn,  Zeitschrift  für  histor.  Theologie  1866  S.  167,  bemerkt 
hat,  liegen  hier  nur  Aehnlichkeiten ,  keine  einzige  Gleichheit  vor. 
Deßhalb  müssen  wir  dem  Abt  Wilhelm  glauben,  daß  er  auch  diese 
Sätze  aus  der  Theologia  des  Abaelard  genommen  hat,  und  dem- 
nach annehmen,  daß  sie  aus  verlorenen.  Theilen  der  Theologia  ge- 
nommen sind.  Bernhard  dagegen  hat  die  betreffenden  Punkte 
seines  (188.)  Briefes  wirklich  direkt  aus  den  Sentenzen  oder  aus 
*Scito  te  ipsum*  genommen. 

Aus  der  Zeit  nach  Veröffentlichung  unserer  Capitula  ist  zu 
bemerken : 

9.  Capitulum.  Den  1.  Theil  citirt  wörtlich  auch  Otto  von 
Freising  öesta  Friderici  I  49  *Quod  non  peccaverunt  qui  Christum 
ignoranter  crucifixerunt'.  Abaelard  antwortet  auf  diesen  Satz 
in  einem  besondern  Abschnitt  der  Confessio:  Crucifixores  Christi 
in  ipsa  eins  crucifixione  gravissimum  peccatum  fateor  commississe 
(ipsa  fehlt  in  T,  eins  in  V).  Auf  den  2.  Theil  des  9.  Capitulums 
antwortet  Abaelard  in  einem  andern  Abschnitte  der  Confessio: 
Multa^  quoque'  per  ignwantiam  facta  culpae  sunt  adscribenda, 
maxime  cum  per^  negligentiam^  nostram'  contingit'  nos  ignorare, 
quod^  nobis  neeessarium  erat  praenosse^;  quaiis  ille  fuit  de  quo 
psalmista  dicit^ :  Noluit  intelligere  ut  bene  ageret  (1  mala  V ;  2 
negligentia  nostra  T,  ex  negl.  no.  K;  3  contingat  KV,  contigit 
B;   4  quae  V;    B  nosse  KT;  6  ait  K,  fehlt  T). 

18.  Capitulum.  Abaelard  leugnet  in  der  Confessio  das 
ganze  Capitulum  ab :  Novisssimum  quoque^  capitulum,  quod^  scrip- 
sisse  criminor,  quod  neque  opus  neque  voluntas  neque  concupis- 
centia  neque  delectatio  quae  movet  eam^  peccatum  sit,  nee  debemus 
eam^  velle  extingui,  non^  minus  a  meis  dictis*^  quam  scriptis  ali- 
enum  est  (1  autem  K,  fehlt  T;  2  quo  Cousittf  fehlt  B  und  T ;  3  alias 
moveant  V;  4  ea  B  V;  B  nee  TV;  6  tam  dictis  V  scr.  m.  q.  d.  K). 

10  Quod  in  Christo  non  fuerit  spiritus  timorid  domini. 

14  Quod  etiam  castus  timor  excludatur  a  futura  vita.  (etiam 
fehlt  in  der  Pariser  Uandschrift.     Das  Capitulum  fehlt  hei  Amboise), 


die  ÄDklagesätze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  461 

Woher  diese  beiden  Capitula  genommen  sind,  ist  unsicher  *). 
Bernhard  berührte  sie  beide  in  seinem  190.  Brief  (Migne  182 
Sp.  1062  B) :  Omitto  quod  dicit  spiritom  timoris  domini  non  foisse 
in  domino  (d,  h.  Christo) ;  Timorem  domini  castnm  in  futaro  sae- 
cnlo  non  futurom.  Ich  sehe  nicht,  weßhalb  Bernhard  jetzt  die 
beiden  Capitala  getrennt  hat.  In  der  Confessio  verbindet 
Abaelard  die  Antwort  auf  Cap.  10  mit  der  Antwort  auf  Cap. 
14 :  Multa  de  Christo  dicuntur ,  quae  non  tam  secundum  ipsum^ 
Caput  quam  secundum  corpus  ipsius  quod  est  ecciesia  sunt  acci- 
pienda,  ut  ille  spiritus  timoris  qui^  est  initium  sapientiae,  quem 
videlicet  timorem  perfecta  Caritas  foras  mittit  (1.  Johann.  4,18). 
Huius  igitur  timoris  spiritum*  in  anima  Christi,  quae*  perfec- 
tissimam  habuit  caritatem*,  nunquam  fuisse  credendum  est,  qui 
tarnen  inferioribus^  eius^  membris  non^  deest.  Tantae^  quippe  per- 
fectionis  et  tantae^  securitatis  anima  illa  extitit  per  ipsam  verbi 
unionem,  ut  sciret  nihil  omnino  se^  posse  committere^  unde  poenas' 
incurreret  vel  deum  offenderet.  {Capit.  14:)    Castum  vero' 

timorem  in  saeculum  saeculi  permanentem,  qui  proprie  reverentia 
charitatis  dicitur,  tam  ipsi^  animae  Christi  quam  electis  angelis 
et*  hominibus*  semper  inesse^  recognosco.  Unde  et'  de  ipsis* 
snpemis  spiritibus  scriptum  est  'adorant^  dominationes^  tremunt 
potestates  (1  fehlt  V,  ca.  ip.  K ;  ut  iUud  K ;  2  quod  V  timoris  do- 
mini qui  K ;  3  ergo  V  K,  fehlt  T ;  4  sp.  tim.  KT;  B  qui  und  ca- 
rit.  hab.  V;  6  in  inferioribus  KV;  7  fehlt  V;  8  nunquam  K;  9 
tam  2  Male  B ;  1  se  vor  nihil  K,  fehlt  V ;  2  comm.  po.  Y ;  3  penam 
B;  3  ergo  T,  quippe  alias  vero  V;  4  ipse  quidem  T;  dann  ang. 
eins  electis  K;  6  statt  et  hom.  hat  T  eins;  6  inesse  fehlt  T,  ine. 
se.  V ;  7  fehlt  T ;  8  fehlt  T :  9  ad.  do.  fehlt  T). 

11  Quod  potestas  ligandi  atque  solvendi  apostolis  tantum 
data  sit,  non  etiam  successoribus  eorum. 

Nur  derExcerptor  §12  (Migne  182,  1053)  behandelt  diesen 
Gegenstand.  Unter  der  Ueberschrift  *De  potestate  ligandi  et  sol- 
vendi' gibt  er  ein  Citat,  dessen  Herkunft  nicht  zu  bestimmen  ist, 
also  wohl  aus  dem  verlorenenen  Theil  der  Theologia,  worin  es 
heißt  ^Quaecunque  ligaveris  etc.'  .  .  nos  dicimus  quod  hoc  dictum 
est  solis  apostolis,  non  successoribus  eorum\  Die  scharfe  For- 
mnlirung  unseres  Capitulums  geht  zu  weit;  denn  es  ist  nicht 
wahrscheinlich,  daß  Abaelard  jenen  Gedanken  als  seine  feste  An- 


1)  Die  Qoaestio  in  Roland's  Sentenzen  S.  187  'an  Christas  haboerit  timorem' 
hat  nichts  mit  Cap.  10  zu  tbun.    Dagegen  vgl.  Deutsch,  Abaelard,  S.  S13. 

K(L  Q«t.  4.  Wi«.    NMhxiflhton.   PliUoloff.-hictor.  KImm  189a.   Heft  4.  31 


462  Wilhelm  Meyer, 

sieht  ausgesprochen  hat.  Sowohl  in  jenem  Citat  beim  Excerptor 
folgt  die  Einschränkung  'Si  quis  tarnen  successoribus  eorum  con- 
venire  hoc  dixerit'  etc,  als  auch  in  dem  26.  Kapitel  des  Buches 
*Scito  te  ipsum'  (Migne  178  Sp.  174  A  und  D)  wird  diese  Ansicht 
mit  *ni  fallor'  vorgetragen.  In  Allgemeinen  vgl.  Roland's  Sen- 
tenzen S.  269. 

In  der  Confessio  antwortet  Abaelard  auf  dies  Capitulum: 
Potestatem  ligandi  atque^  solvendi  successoribus*  omnibus  aposto- 
lorum^  aeque*  ut  ipsis  apostolis  concessam  esse  profiteor,  et  tarn 
indignis*  quam  dignis  episcopis ,  quamdiu  eos  ecclesia  susceperit* 
(1  et  B ;  2  omn.  succ.  T ;  3  ap.  omn.  V ;  4  ut  ip.  aeq.  V ;  5  dignis 
quam  ind.  T;  6  recipit  KT). 

13  Quod  propter  opera  nee  melior  nee  peior  efficiatur  homo. 

Schon  W  a  1 1  h  e  r ,  Bischof  zu  Laon,  berührte  diese  Frage 
(Dacherii  Spicilegium  II  479);  Apud  nos  ventilatum  est  vestram 
affirmare  sapientiam  .  .,  quod  nemo  propter  opera  sua  bona  vel 
mala,  nisi  pro  sola  voluntate,  remunerari  debeat  vel  puniri.  Der 
Excerptor  hat  dann  im  10.  Abschnitte  (Migne  182,  10B2)  wohl 
aus  dem  verlorenen  TheU  der  Theologia  Abaelard*s  eine  Stelle 
ausgeschrieben,  worin  Abaelard  auf  die  Frage  tiuid  a  domino  re- 
muneretur,  opus  an  intentio  seu  utrumque?  antwortet  und  dabei 
sagt  *nec  propter  opera  peior  vel  melior  efficitur  homo*.  Hieraus 
hat  der  Excerptor  dem  Abschnitte  eine  Ueberschrift  gegeben, 
welche  Bernhard  buchstäblich  (auch 'efficiatur'  steht  da)  als  12. 
Capitulum  abgeschrieben  hat. 

Auf  dies  12.  Capitulum  antwortet  Abaelard's  Confessio: 
Omnes  in  dilectione  dei  et  proximi  aequales  aequaliter  bonos  esse^ 
confiteor*  et  meritis^  pares,  nee  quicquam  meriti  apud  deum*  de- 
perire^,  si  bonae  voluntatis  aii'ectus  in^  suo  praepediatur  etfectu'. 
Non  enim  angelus  cum  a^  deo  missus  id^  quod  facere  vult  imple- 
verit  aut  anima^  Christi  cum  suae  voluntati  effectum  addiderit, 
melior  inde  reputari  debuit^ ;  sed  aeque  quilibet  bonus  permanet, 
sive  tempus  operandi^  habeat  sive  non,  dummodo  aequalem  bene 
operandi^  voluntatem  teneat*  nee  in  eo  quod  non  operatur** 
remaneat^  (1  fehlt  T;  2  profiteor  KT;  3  merito  T;  4  ap.  de. 
mer.  T ;  B  perit  T ;  dann  et  si  K  6  a  V ;  7  aff'ectu  B  ;  dann 
cum  an.  K;  8  fddt  B;  9  feldt  KT,  si  id  B;  1  ipsa  anima  T;  2 
hier  liegen  starke  Verschiedenheiten  vor;  in  BKV  fe/dt  vom  vorlie- 
genden Texte  nur  cum,  K  hat  eff.  sue  vol.,  dagegen  Tissier  bietet.^ 
anima  Christi  melior  efficitur,  cum  suae  voluntati  effectum  addidit ; 
3  op.  te.  B;  4  be.  op.  aeq.  KT;  5  retineat  K,  habeat  T;  6  eo 
quin  operetur  K;  nee  bis  remaneat  feldt  in  B  und  T. 


die  Anklagesätze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  463 

13  Qnod  ad  patrem,  qui  ab  alio  non  est,  proprio  yel  spe- 
cialiter  attineat  omnipotentia,  non  etiam  sapientia  et  benignitas. 

Abaelard's  Theologia  (Migne  178,  994  U)  enthält  folgende 
Stelle:  Si  itaque  potentiam  tarn  ad  naturam  subsistendi  quam  ad 
efficaciam  operationis  referamus,  inveniemus  ad  proprietatem  per- 
sonae  patris  proprie  vel  specialiter  omnipotentiam 
attinere,  qni  non  solom  com  ceteris  duabus  personis  deas  aeque 
omnia  efficere  potest,  verum  etiam  ipse  solus  asenonabalio 
existere  habet ,  et  sicut  ex  se  habet  exister c ,  ita  etiam  ex  se 
habet  posse.  Diese  ganze  Stelle  ist  ausgeschrieben  im  14.  Ab- 
schnitt der  Excerpte  und  von  *referamus'  ab  in  Bernhardts  15K). 
Briefe  (Migne  182  Sp.  1051  B  und  Sp.  1059  A) :  da  fehlt  itaque ; 
beide  haben  *invenimus'  und  quod  statt  qui,  in  beiden  fehlt 
richtig  d  e  u  8 ,  beide  haben  gestellt  ^sicut  habet  ex  se  (a  se  £  x- 
cerpte  falsch).  Dieselbe  ganze  Stelle  war  schon  bei  Walt  her 
(Dacherii  Spicilegium  II  474)  ausgeschrieben :  auch  da  fehlt  ^itaque', 
dann  fehlt  ^proprio  vel*;  dann  steht  *att.  omnip',  *quae'  statt  *qui' 
und  demnach  4psa  sola' ;  es  fehlt  ^deus*  und  steht  ^altero'  statt 
^alio* :  vielleicht  wirklich  Spuren  einer  ersten  Ausgabe ,  da  ja 
Walther  sagt  'ad  oculos  nostros  pervenit  pars  prima  cuiusdam 
tractatus  vestri,  quam  librum  Theologiae  appellatis*.  Dieselbe 
Stelle  stand  vielleicht  auch  im  Anfange  des  1.  Buchs  des  Ano- 
nymus (Migne  180,  283).  Denn  sie  geht  ja  in  der  Theologia  un- 
mittelbar voran  der  Stelle,  welche  ich  oben  (S.  417)  als  Anfang 
des  Anon3nnus  aus  der  Berliner  Handschrift  ergänzt  habe,  und 
der  Anonymus  hat  vielfach  Ausdrücke,  wie  286  D  omnipotentia 
pertinet  ad  patrem,  omnipotentiam  proprie  assignat  patri  usw. 

Der  Excerptor  nun  hat  seinem  14.  Abschnitte  die  Ueber- 
schrift  gegeben  *Quod  ad  patrem  proprie  vel  specialiter  pertinet 
omnipotentia',  hat  also  bloß  einige  Worte  aus  Abaelard  ausge- 
schnitten. Dagegen  Bernhard,  da  er  diese  Ueberschrift  als  13. 
Capitulum  aufnahm,  fügte  aus  der  Stelle  selbst  die  Worte  zu  'qui 
non  ab  alio  est',  was  ja  nicht  zu  beanstanden  ist;  dann  aber 
glaubte  er  aus  dem  ganzen  Zusammenhange  der  Theologia  auch  zu 
dem  Zusatz  ^non  etiam  sapientia  et  benignitas'  berechtigt  zu  sein. 
Vgl.  im  Allgemeinen  Grietl  zu  Koland's  Sentenzen  S.  21  und  23. 
Abaelard  entgegnet  in  der  Confessio:  Deum  patrem  aeque 
sapientem  ut^  filium,  aeque  benignum  nt  spiritum  sanctum  proii- 
tcor',  quia  in  nulla  boni  plenitudine,  in  nuUa  dignitatis  gloria  dif- 
ferre  una*  personarum*  potest  ab  alia*  (1  ut  BK  richtig,  et  TV; 
2  confiteor  T ;  3  una  pe.  di.  V ;  4  persona  T ;    5  ab  al.  po.  K). 

14.  Capitulum,  siehe  beim  10. 

31  ♦ 


464  Wilhelm  Meyer, 

15  Quod  diabolns  immittat  suggestiones  (malasP)  per  apposi- 
tionem  lapidum  sive  herbarum  (appositiones  P;  Amboise:  per  Opera- 
tionen! lapidam  vel  h.). 

Abt  Wilhelm  behandelt  diese  Ansicht  Abaelard's  an  10. 
Stelle.  In  dem  Traktate  (Migne  180,  231 B)  hatte  er  Aeußerungen 
Abaelard's  citirt,  worin  derselbe  auf  die  Frage  *de  saggestione 
diaboli :  . .  quomodo  possit  suggerere  hominibus*  antwortet :  *Facit 
haec  per  physicam  rerum,  lapidmn  sive  herbarum;  .  .  apponit  ei 
lapidem  illum  sive  herbam,  quam  seit  talem  habere  virtutem\  Da- 
gegen in  dem  Begleitbrief  (Migne  180,  532)  heißt  das  10.  Capi- 
tulum  nur :  Quod  suggestiones  diabolicas  per  physicam  dicit  fieri 
in  hominibus.  Bernhard  benützt  schon  in  seinem  190.  Briefe 

(Migne  182,  1062  B)  die  vollständige  Stelle  Abaelai'd*s,  indem  er 
erwähnt  als  Ansicht  Abaelard's  'daemonum  in  nobis  suggestiones 
contactu  fieri  lapidum  et  herbarum,  prout  illorum  sagax  malitia 
novit  harum  rerum  vires  diversas  diversis  incitandis  et  incen- 
dendis  vitiis  convenire*.  So  war  natürlich,  daß  er  auch  für  die 
Zusammenstellung  dieser  18  Capitula  nicht  mit  dem  magern  10. 
Capitulum  des  Abtes  Wilhelm  sieh  begnügte.  Dieses  15.  Capi- 
tulum  ist  das  einzige,  auf  welches  Abaelard  in  der  Confessio 
nicht  geantwortet  hat. 

16  Quod  adventus  in  fine  seculi  possit  attribui  patri  (nach 
adventus  scheint  filii  ausgefallen  zu  sein). 

Von  diesem  Capitulum  spricht  Niemand  sonst:  nur  Abae- 
lard antwortet  darauf  in  der  Confessio:  Adventum  filii  in  fine 
(finem  B)  seculi  posse  attribui  (att.  po.  K)  patri  numquam  (sciat 
deus)  in  mentem  meam  venit  nee  se  verbis  meis  inseruit. 

Wohin  dies  Capitulum  zielt  oder  woher  es  genommen  ist, 
weiß  ich  nicht.  Sollte  es  so  zu  erklären  sein?:  Matth.  24,  37— 39 
wird  von  dem  jüngsten  Gericht  als  von  dem  adventus  lilii  hominis 
gesprochen,  aber  Marcus  XIII 32  lautet  *De  die  iUo  vel  hora  nemo 
seit  ncque  angeli  in  coelo  neque  filius,  nisi  pater  (Matth.  24,  36 
de  die  illa  et  hora  nemo  seit  neque  angeli  coelorum  nisi  solns 
pater).  Um  diese  Stellen  vereinbaren  zu  können,  scheint  Abaelard 
zunächst  jene  recens  adinventio  et  profana  vocum  novitas  ausge- 
sprochen zu  haben,  welche  der  Anonymus  aus  Abaelards  Theologia 
(Migne  178,  995  A)  zuerst  citirt  (Migne  180,  2ö4  A)  und  dann  (294  B 
und  296  B  und  C)  bekämpft,  daß  er  nemlich  jenen  adventus  filii  ho- 
minis dadurch  erklärte,  daß  der  Vater  das  Gericht  selbst  dem  Sohne 
überlasse,  also  hinter  ihm  zurücktrete,  sapientiae  cedat  poteutia  in 
discussione  iudicii.  Sollte  zur  Erklärung  des  andern  Spruches, 
daß  nur  der  Vater,  nicht  einmal  der  Sohn,   den  Tag  des  Gerichts 


die  Ankl&gesätze  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  465 

kenne;  Abaelard  einen  Gedanken  aasgesprochen  haben,  der  so  ge- 
dreht werden  konnte,  als  ob  zuerst  der  allmächtige  V  a  t  e  r  vor- 
anstehe und  allein  den  Tag  des  Gerichts  kenne  und  herbeiführe, 
und  erst  nachher  hinter  dem  allweisen  Sohne  zurücktrete  und  ihm 
das  Gericht  überlasse  ?  So  konnte  die  ketzerische  diversitas  per- 
sonarum  (vgl.  Cap.  1  2  13)  auch  hier  gefunden  werden. 

17  Quod  anima  Christi  per  se  non  descendit  ad  inferos ,  sed 
per  potentiam  tantum. 

Wenn  Bernhard  in  dem  188.  Briefe  an  die  Cardinäle  schreibt 
(Migne  182 ,  353  C)  ,  in  den  Sentenzen  Abaelard's  sowie  in  dem 
Buche  *Scito  te  ipsum'  könnten  sie,  wie  andere  ketzerische  Ansichten 
so  auch  eine  finden  *de  descensu  Christi  ad  inferos' :  so  hat  er  viel- 
leicht schon  den  Inhalt  dieses  Capitulums  im  Auge.  Ich  kann 
freilich  in  den  erhaltenen  Schriften  Abaelard*s  keine  Aeußerung 
über  diese,  auch  in  Roland's  Sentenzen  S.  190—193  behandelte, 
Frage  nachweisen,  die  den  Wortlaut  dieses  Capitulums  begründete, 
welches  Berengar  im  Apologeticus  (Migne  178,  18(52 D)  nur  aus 
dem  Gedächtniß  citirt  'quod  anima  Christi  non  descendit  ad  in- 
feros'. Abaelard  entgegnet  darauf  in  der  Confessio:  Sic 
ot^  animam-  Christi  non  per  se  ad  inferos  descendisse  sed  per  po- 
tentiam. omnino  a  verbis'  meis  et  sensu*  remotum  est  (1  fehlt  T., 
2  anima  B ;  3  meis  verbis  VT ;  4  assensu  K). 

lieber  das  18.  Capitulum  siehe  beim  9. 


Anhang  no  1 — 7. 

In  den  Streitschriften  kommen  einige  Sätze  vor,  welche  in 
die  Sammlung  der  18  Anklagesätze  nicht  aufgenommen  und  daher 
auch  von  Abaelard  in  der  Confessio  nicht  beachtet  worden  sind, 
von  denen  aber  doch  einige  weit  verbreitet  waren.  Deßhalb  will 
ich  dieselben,  welche  fast  alle  schon  vom  Abt  Wilhelm  behan- 
delt oder  formulirt  worden  sind,  hier  kurz  zusammenstellen. 

Anhang  1  Abaelard    sagt    in   der   Theologia  (Migne 

178,  981  C) :  Est  quippe  fides  existimatio  rerum  non  apparentium 
hoc  est  sensibus  corporis  non  subiacentium.  Abt  Wilhelm  be- 
handelt diesen  Satz  in  seinem  Traktat  und  citirt  ihn  (Migne  180, 
249)  also:  Fidem  diffinivit  aestimationem  rerum  non  apparentium 
nee  sensibus  corporis  subiacentium;  dagegen  im  Begleitbrief 
(Migne  182,  532)  formulirt  er  ihn  als  1.  Capitulum  also:  Quod 
fidem  definit  aestimationem  rerum  quae  non  videntur.  Im  190. 
Briefe  Bernhard' s,  der  hier  besonders  weit  geht  in  der  Be- 
nützung der  Gedanken  des   Abtes  Wilhelm ,   schrumpft   der  Satz 


466  Wilhelm  Meyer, 

zusammen  (Migne  182,  1061 C  D,  1062  B)  zu  ^fides  est  aestimatio'. 
In  die  18  Capitula  ist  dieser  Satz  nicht  aufgenommen  und  noch 
in  den  Sentenzen  Roland's  (S.  11)  wird  dieser  Satz  des  Magister 
Petrus  citirt  und  nicht  verworfen. 

Anhang  2.  Im  ganzen  2.  Kapitel   des  Traktates  (Migne 

180  Sp.  250)  bekämpft  Abt  Wilhelm  eine  Ansicht  Abaelard's, 
welche  er  zuerst  aus  der  Theologia  (Migne  178,  989  B)  also  citirt 
*Videtur  nobis  suprapositis  trium  personarum  nominibus  summi 
boni  perfectio  diligenter  esse  descripta,  ut,  cum  videlicet  predica- 
tur  deus  esse  pater  et  filius  et  spiritus  sanctus,  eum  summum  bo- 
num  atque  in  omnibus  perfectum  hac  distinctione  intelligamus' ; 
dann  citirt  Abt  Wilhelm  eine  andere  Stelle  Abaelards  (alibi,  d.  h. 
doch  wohl  aus  verlorenen  Theilen  der  Theologia) :  Nomina  Spater 
et  filius  et  spiritus  sanctus'  quamvis  sicut  et  alia  nomina  de  deo 
improprie  dicantur,  tamen  ad  commendationem  summi  boni  in  de- 
scriptione  ipsius  convenienter  sunt  apposita,  per  quae  potentia  dei 
designatur  et  sapientia  et  benignitas'.  Dies  Citat  wird  dann  so 
formulirt  (Sp.  2B1 B) :  Dicit  nomina  patris  et  filii  et  spiritus 
sancti  impropria  esse  in  deo ,  sed  in  descriptione  summi  boni  ad 
commendationem  apposita.  Hieraus  hat  dann  Abt  Wilhelm  im 

Begleitbrief  (Migne  182,  532)  das  2.  Capitulum  geformt :  Quod  im- 
propria dicit  esse  in  deo  nomina  patris  et  filii  et  spiritus  sancti, 
sed  descriptionem  hanc  esse  plenitudinis  summi  boni.  Unter  die 

18  Capitula  wurde  der  Satz  nicht  aufgenommen,  und  die  Ansicht 
Abaelards  wird  ruhig  in  den  Sentenzen  vorgetragen  (Roland  S.  23). 

Anhang  3.  Zu  den  gewöhnlichen  Bildern,  mit  denen  man 
die  Dreieinigkeit  begreiflich  zu  machen  suchte  (Roland's  Sentenzen 
S.  25)  hatte  Abaelard  in  der  Theologia  (Migne  178,  1068 D— 
1070;  vgl.  Roland's  Sentenzen  S.  28,  wo  der  Magister  Petrus  ci- 
tirt wird)  ein  neues  gefügt,  von  dem  aeneum  sigillum.  IMit  diesem 
Bilde  und  mit  der  Besprechung  von  genus  und  species  verbunden 
sind  die  Sätze  von  der  plcna  potentia  des  Vaters,  der  quaedam 
potentia  des  Sohnes  und  der  nulla  potentia  des  h.  Geistes  in  dem 
Tractat  des  Abts  Wilhelm  Cap.  3  und  4  (Migne  180,  254D 
und  262  D).  Im  Begleitbrief  des  Abtes  Wilhelm  (Migne  182,  532) 
wird  dies  Gleichniß  nicht  erwähnt.  Dagegen  Bernhard  im  190. 
Briefe  bekämpft  (Migne  182,  1058  B)  ^execranda  iUa  de  generc  et 
specie  non  simUitudo  sed  dissimilitudo  et  illa  de  aere  aereoque 
sigillo  (vgl.  1059  D),  und  der  Excerptor  gibt  den  Stellen,  welche 
er  im  1.  Abschnitt  zusammenstellt  (Migne  182,  1049),  die  ganz 
ähnlich  klingende  Ueberschrift :  Horrenda  similitudo  de  sigillo 
aereo,  de  specie  et  genere  ad  trinitatem. 


die  Anklages&ize  des  h.  Bernhard  gegen  Abaelard.  467 

Anhang  4.  Der   Abt  Wilhelm  wirft  in  dem  B.  Ab- 

schnitte des  Traktats  (Migne  180,  26B)  dem  Abaelard   vor:  1 

Dicit  animum  esse  deum  seeundum  Catonem,  spiritum  sanetum  ani- 
mam  esse  mondi   secondom   Platonem;  2   ^Bene'   inquit   'cum 

animal  esse  mnndum  Plato  dixerit,  ipsom  quoque  intelligentem  hoc 
est  rationale  animal  esse  perhibait,  secnndom  hoc  scilicet  qaod 
eins  anima,  quanto  ceteris  praestantior  existit,  tanto  rationabilins 
in  eo  cuncta  agit  ac  disponit'.  Für  den  1.  Satz  haben  wir  genü- 
gende Belege  in  der  Theologia,  z.  B.  Migne  178,  1013  B  Tlatonis 
yerba  de  anima  mnndi  diligenter  excutiamns,  ut  in  eis  Spiritnm 
sanctnm  integerrime  designatnm  esse  agnoscamns;  vgl.  den  Ano- 
nymus Migne  180  Sp.  321  Ende,  dann  Deutsch,  Abaelard,  S.  284 
— 288.  Auch  von  dem  2.  Satze  dürfen  wir  annehmen,  dass  Abt 
Wilhelm  in  der  Theologia,  freilich  in  den  jetzt  verlorenen  Theilen, 
ihn  gelesen  hat. 

Von  den  beiden  Sätzen  hat  Wilhelm  in  seinem  Begleitschreiben 
nur  den  1.  also  formulirt  aufgenommen:  6  Quod  Spiritus  sanctus 
sit  anima  mundi.  Dagegen  Bernhard  in  dem  190.  Briefe 
(Migne  182  Sp.  1062  B)  hat  den  5.  Abschnitt  des  Traktates  des 
Abtes  Wilhelm  vor  Augen  und  wirft  dem  Abaelard  wiederum  die 
beiden  Sätze  vor:  dicit  spiritum  sanetum  esse  animam  mundi; 
mundum  iuxta  Platonem  tanto  excellentius  animal  esse  quanto 
meliorem  animam  habet  spiritum  sanetum.  Vielleicht  aus  Bern- 
hardts Brief  ist  der  Satz  ^Quod  sp.  s.  sit  anima  mundi'  in  Ab- 
schriften der  18  Capitula  nach  dem  2.  eingeschoben  worden;  zu- 
nächst in  der  Fälschung  in  der  Handschrift  von  Valenciennes  und 
München  (22299),  dann  in  München  22271  (M) ;  und  wohl  aus  einer 
ähnlichen  Abschrift  führt  Otto  von  Freising  Gesta  Friderici  I  49 
mitten  zwischen  4  andern  Capitula,  welche  wirklich  in  der  Samm- 
lung der  18  Capitula  sich  befinden,  auf  ^Quod  spiritus  sanctus 
sit  anima  mundi'. 

Anhang  B.  Im  9.   Abschnitt   des   Traktats   (Migne   180 

Sp.  280)  wirft  Abt  Wilhelm  dem  Abaelard  vor  *dicit  .  .  sub- 
stantia  panis  et  vini  mutata  in  substantiam  corporis  et  sanguinis 
domini  ad  peragendum  sacramenti  mysterium  accidentia  prioris 
substantiae  remanere  in  aere*.  Im  Begleitbrief  (Migne  182  Sp.  B32j 
wird  dieser  Satz  vom  Abt  Wilhelm  als  9.  Capitulum  so  formu- 
lirt: Quod  in  sacramento  altaris  in  aere  remaneat  forma  prioris 
substantiae.  In  dem  190.  Briefe  (Migne  182  Sp.  1002  B)  hängt 
Bernhard  vom  Abt  Wilhelm  ab,  wenn  er  Abaelard  behaupten 
läßt  'post  consecrationem  panis  et  calicis  priora  accidentia 
qnae  remanent  pendere  in  aere.     Von  dem  Excerptor  wer- 


468 


Wilhelm  Meyer,  die  Anklages&tze  des  h.  Bernhard  gegen  Ahaelard. 


den  im  9.  Abschnitt  (Migne  182,  1052)  zwei  andere  Belegstellen 
ans  Abaelard  angeführt  nnter  der  Ueberschrift  *Qnod  corpns  do- 
mini  non  cadit  in  terram'  (vgl.  Denifle  im  Archiv  I  433  nnd  Ro- 
land's  Sentenzen  S.  234).  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  diese 
Citate  ans  jetzt  verlorenen  Theilen  der  Theologia  genommen  sind. 

Anhang  6.  Wie  die  Tafel,  die  ich  zum  9.  Capitulnm  ge- 

geben  habe,  zeigt,  sind  viele  der  im  12.  and  13.  Abschnitte  des 
Traktates  des  Abts  Wilhelm  enthaltenen  Anklagesätze  später 
nicht  verwerthet  worden.  Von  den  Capitula  des  Begleitbriefes  ist 
später  nicht  verwerthet  no.  12:  Qnod  nullnm  sit  peccatum  nisi  in 
consensu  peccati  et  contemptu  dei;  dann  der  Schlußsatz  von  no. 
13 :  ^huius  modi  (concupiscentiae  delectationis  ignorantiae)  non  esse 
peccata  sed  naturam'. 

Anhang  7.  Der   Anonymus   will   in   seinem   dritten 

Buche  (Migne  180  Sp.  310—315)  zuerst  den  Satz  Abaelard's  wider- 
legen 'quod  filius  dei  semper  de  deo  nascitur'.  Diesen  Satz  hat 
Abaelard  in  der  Apologia  nicht  besprochen ;  er  wird  auch  sonst 
nirgends  angegriffen:  die  Behandlung  desselben  ist  also  Lieblings- 
sache des  Anonymus.  Derselbe  citirt  für  den  Angriff  aus  der 
Theologia  'quam  brevias  potest'  den  Ausspruch  Abaelard's:  In 
hoc  etiam  {so  Codex)  quod  per  prophetam  dicitur  ego  hodie  genui  te 
ostenditur  filium  dei  semper  de  patre  nasci  et  semper  natum  esse. 
Goldhorn,  Zft.  f.  histor.  Theologie  1866  S.  168,  citirt  hiezu  mit 
Wahrscheinlichkeit  Abaelard's  Theologia,  Migne  178,  1000  D;  vgl. 
Gietl  zu  Rolandes  Sentenzen  S.  40 — 42. 


Das  Schlußgedicht  des  ersten  Buches  desProperz. 

Von 

Friedrieh  Leo. 

Vorgelegt  den  11.  August  1898. 

Properz  hat  sein  erstes  Bach  mit  einem  Gredichte  beschlossen, 
welches  folgendermaßen  anfängt: 

Qoalis  et  onde  genas,  qai  sint  mihi,  Talle,  penates, 

qaaeris  pro  nostra  semper  amicitia. 
si  Ferosina  tibi  patriae  sant  nota  sepalcra, 

Italiae  daris  fanera  temporibas, 
cum  Komana  saos  egit  discordia  cives  6 

(sie  mihi  praeeipae,  palvis  Etrasca,  dolor, 
tu  proiecta  mei  perpessa  es  membra  propinqai, 

ta  nallo  miseri  contegis  ossa  solo): 
proxima  sapposito  contingens  Ymbria  campo 

me  genait  terris  fertilis  aberibas.  10 

Ich  sagte  daß  das  Gedicht  so  anfängt;  wenn  wir  den  Hand- 
schriften glaaben,  so  ist  es  das  ganze  Gredicht.  Ein  Zweifel  an 
dieser  Ueberlieferang  ist  wohl  gelegentlich  laat  geworden*);  im 

1)  N.  Heinaios  Advers.  p.  SS5  sed  elegia  haec  (I  21)  et  praxime  subseqiiens 
nü  nisi  fragmenta  sunt  operis  maioris.  Die  Ansicht  daE  I  21  uuYolUt&ndig  sei 
ist  so  grundlos  und  die  beiden  Gedichte  so  grundverschieden  von  einander,  daB 
man  tiefer  gehende  Erwägungen  hinter  dieser  AeuEernng  kaum  zu  vermuthen  hat. 
Von  P.  Francins,  dessen  handschriftliche  Noten  er  benutzt  hat  (Santen  praef. 
Xm  sq.)i  berichtet  Burmann:  maioris  elegiae  fragfnenium  viddxUur  FVaneio; 
vielleicht  ist  das  nur  ein  Nachklang  ans  Heinsius'  Ad?ersaria.  Sonst  sind  mir 
keine  Aeoierungen  für  oder  wider  bekannt  (wenn  man  nicht  Housmans  Co^jec- 
toren  bei  Postgate,  corp.  poet.  lat.  II,  dahin  rechnen  will),  außer  daE  Lachmann 
ni  I  21  beide  Gedichte  gegen  Heinsius  in  Schutz  nimmt,  üeber  I  21  habe  ich 
Gott  Gel.  Anz.  1898  S.  743  gehandelt. 


470  Friedrich  Leo, 

allgemeinen  aber  haben  Exegeten  und  Kritiker  das  Gedicht  wie  es 
hier  vorliegt  ohne  Einwendung  gelten  lassen.  Der  Beweis,  daß 
es  nur  der  Anfang  einer  Elegie  ist,  kann  aus  Inhalt  und  Form 
dieser  Verse  mit  Sicherheit  geführt  werden. 

Scaliger  und  Broukhuis  haben  darauf  hingewiesen,  daß  das 
Gedicht  seine  nächste  Analogie  an  der  Schlußepistel  des  ersten 
Buches  des  Horaz  hat.  Die  Schlußelegien  von  Ovids  Amores  und 
Tristien  IV  kommen  hinzu.  Mit  den  letzten  Versen  der  Geor- 
gica  und  der  Ars  amandi  (II.  III)  sollte  man  diese  für  sich  am 
Schlüsse  von  Gedichtsammlungen  stehenden  Stücke  nicht  verglei- 
chen. Dort  (wie  auch  in  den  letzten  Versen  der  Remedia  amo- 
ris)  wird  dem  Lehrgedicht  noch  im  Ausklingen  der  persönUche 
Charakter  gewahrt,  der  es  nach  dem  Muster  Hesiods  vom  erzäh- 
lenden Epos  sondert.  Wir  finden  das  nicht  bei  Arat ,  aber  als 
tjrpische  Form  bei  Nikander  (Ther.  957  xai  xsv  'OfirjQaioio  xal 
slöiti  Nixävögoio  (ivijötiv  ixoig^  tbv  Id'QStl^s  Kkägov  vi<p6B66a  noXl%vJi^ 
Alex.  629) ;  dies  gibt  uns  das  Recht,  die  von  Vergil  und  Ovid  be- 
folgte Art  als  hellenistisch  zu  bezeichnen.  Dagegen  kommen  die 
Gedichte  Properz  I  22,  Horaz  ep.  I  20,  Ovid  am.  III 15  aus  einer 
anderen  Wurzel.  Die  Klassikerausgaben  der  alexandrinischen 
Philologen  gaben  ein  yivog  des  Verfassers;  wahrscheinlich  hat 
schon  Aristophanes  von  Byzanz  damit  begonnen,  es  ist  dann  für 
alle  Zeit  Sitte  geblieben.  In  der  Regel  gehörten  diese  y/i/iy,  wie 
sie  uns  überliefert  sind,  zu  den  Einleitungen  commentirter  Aus- 
gaben. Aber  auch  Texten  ohne  Commentar  finden  wir  in  den 
Handschriften  die  vita  vorausgeschickt;  ich  kann  dafür  Antiphon 
und  Isaeus  anführen,  von  lateinischen  Büchern  Plinius'  naturalis 
historia.  Die  Stellung  vor  dem  Commentar  ist  nicht  ausschließ- 
lich in  Gebrauch ;  wichtige  Beispiele  dafür,  daß  die  vita  den  Schluß 
der  commentirten  Ausgabe  bildet,  sind  der  Aischylos  und  ApoUo- 
nios  im  Laurentianus.  Für  lateinische  Texte  läßt  sich  diese  Stel- 
lung wohl  nur  aus  später  Zeit  nachweisen:  die  TibuUvita  steht 
hinter  dem  Text,  mittelalterliche  Terenzviten,  die  Juvenalvita  von 
jüngerer  Hand  im  Pithoeanus.  Man  darf  aber  wohl  sagen  daß  die 
vita  am  Anfang  oder  am  Ende  des  Buches  stehen  durfte;  über 
ihre  Stellung  in  uncommentirten  Ausgaben  läßt  sich  für  die  alte 
Zeit,  soviel  ich  sehe,  überhaupt  nichts  bestimmtes  von  allgemeiner 
Gültigkeit  sagen. 

Nun  enthält  das  Gedicht  des  Horaz  ein  kleines  yivog  im 
schulmäßigen  Stil:  das  Buch  soll  berichten  erstens  von  Herkunft 
und  Lebensschicksalen  des  Dichters  (20  me  libertino  natum  patre  et 
in  tenui  re  — 23),  zweitens  von  seiner  Erscheinung  {corporis  exigui^ 


das  Schlußgedicht  des  ersten  Baches  des  Propers.  471 

praecanum,  solibus  aptum),  drittens  seinem  tgÖTCog  (ircisci  cderem, 
tarnen  ut  placdbüis  essem)^),  viertens  dem  Lebensalter.  Wie  sehr 
das  dem  Schema  der  antiken  Biographie  entspricht  werde  ich  an 
andrer  Stelle  zeigen ;  Horaz  gibt,  wie  es  sich  für  ihn  gehört,  eine 
Art  von  Parodie  des  litterarischen  ߣog.  Die  beiden  Gedichte  Ovids 
sind  von  etwas  anderer  Art :  das  Schlußgedicht  der  Amores  beginnt 
mit  dem  ydvog,  knüpft  aber  daran  gleich  die  Betrachtung  über 
den  künftigen  Ruhm;  das  Gedicht  trist.  IV  10  beginnt  ebenso, 
gibt  aber  dann  eine  ausführliche  Lebensbeschreibung,  vüae  acta  (92). 
Properz  hebt  an  qualis  et  unde  genus,  qui  sint  mihi,  Tülle,  penatcs 
guaeris:  der  Adressat  des  Buches  will  Auskunft  über  das  yevog 
des  Dichters. 

Das  properzische  Gedicht  ist  das  älteste  von  diesen:  es  ist 
im  J.  726  erschienen,  das  des  floraz  im  J.  734.  Ovid  könnte  sich 
ein  Master  an  Properz  genommen  haben,  nicht  Horaz.  Die  Ueber- 
einstimmung  zwischen  Properz  und  Horaz  zeigt,  daß  beide  einem 
gemeinsamen  Vorbilde  folgen,  d.  h.  natürlich  einem  griechischen 
Vorbilde.  Man  sieht  wie  die  Sache  zusammenhängt.  Die  wissen- 
schaftlichen Ausgaben  waren  mit  dem  ydvog  des  Dichters  versehen ; 
wer  noch  kein  Klassiker  war,  mußte  sich  selbst  dem  Publikum 
vorstellen:  der  hellenistische  Dichter,  der  es  zuerst  in  poetischer 
Form  zum  Schlüsse  seines  Buchs  gethan,  hat  einen  guten  und 
witzigen  Gedanken  gehabt,  der  des  Erfolges  werth  war.  Gewiß 
haben  es  ihm  viele  nachgethan  ehe  in  augusteischer  Zeit  das  bio- 
graphische Schlußgedicht  uns  als  litterarische  Sitte  entgegentritt. 
Die  Schlüsse  der  didaktischen  Gedichte  sind,  wie  bemerkt,  ande- 
ren Ursprungs ,  aber  sie  geben  eine  gewisse  Analogie  zu  dieser 
Erscheinung. 

Wenn  also  Properz  anhub :  qualis  et  unde  genus,  qui  sint  mihi, 
TuUCf  penates  quaeris,  so  erwartete  der  Leser  Angaben  über  Her- 
kunft und  Person  des  Dichters  in  ausgesuchter  Form,  in  über- 
raschender Einkleidung;  wie  Properz  zwölf  Jahre  sjmter  in  IV  1 
dem  Horos  seine  Biographie  in  den  Mund  gelegt  hat.  Denn  auch 
dieses  Gedicht  gehört  hierher  und  es  ist  von  besonderem  Interesse 
dadurch  daß  hier  die  vita  den  allgemeiner  üblichen  litterarischen 
Platz  am  Anfange  des  Buches  hat.  Wie  er  so  hat  auch  Ovid 
zweimal  in  verschiedenen  Perioden  die  Sitte   befolgt;    sehr  mög- 


1)  Die  Eigenschaft  gilt  als  charakteristisch :  Manil.  IV  187  ingenium  od  «u- 
Utas  iras  faeilisque  receptus  aequale,  Cicero  ad  Att.  I  17,4  et  irntabiles  animos 
tut  optimarum  aaepe  haminutn  et  eosdem  placdbilea  e.  q.  s.  (vgl.  2) ,  Ähnlich  Flu« 
tarch  Tit  l  Grass.  7.    Vgl.  Aristot.  eth.  Nicom.  1126»  13. 


472  Friedrich  Leo, 

lieh  daß  er  wie  Ovid  das  eine  mal  mehr  das  andre  weniger  ge- 
geben hat.  Aber  ganz  gewiß  konnte  dieses  Schlnßgedieht  nicht 
die  Leser  damit  nach  Hause  schicken,  daß  es  sagte :  'unser  Dichter 
ist  irgendwo  in  Umbrien  nicht  weit  von  Perusia  geboren'. 

Wir  wollen  ganz  davon  absehn  daß  das  Gedicht  eine  be- 
stimmte litterarische  Beschaffenheit  und  Absicht  hat:  ist  es  denn 
auf  irgend  eine  Weise  glaublich,  daß  Properz  die  von  ihm  als 
Thema  des  Gedichts  fingirten  Fragen  'des  Freundes  nach  der  Art 
seiner  Herkunft,  dem  Orte  seiner  Geburt,  nach  seinem  Vaterhause 
damit  beantwortet  daß  er  sagt,  er  sei  nicht  weit  von  Perusia 
irgendwo  in  Umbrien  geboren?  Wir  finden  jetzt  in  Rothsteins 
Commentar  den  Versuch  einer  Erklärung:  er  meint,  Name  und 
Familie  habe  der  Leser  aus  dem  Titel  des  Buches  erfahren;  aber 
von  den  Fragen  des  TuUus  verlangt  keine  die  Antwort  Sex,  iVo- 
perthis ,  und  wäre  das  der  Fall ,  so  hätte  Properz  ihn  nicht  so 
fragen  lassen  dürfen.  Auch  die  übrige  Vertheidigung  Rothsteins 
ist  nicht  glücklich.  Properz  war  stolz  auf  seine  Herkunft  (IV  1, 
121  Vmbria  te  notis  antiqua  penatihus  edif)  wie  qndlis  genus  zur 
Genüge  andeutet.  'Ich  bin  aus  Assisi,  stamme  von  einem  alten 
und  daheim  vornehmen  Geschlecht,  mein  Vater  ist  gestorben  aber 
die  Mutter  waltet  im  Hause'  —  soviel  wenigstens  hat  Properz 
sagen  wollen  als  er  anfing,  und  es  ist  durchaus  kein  Grund  er- 
denklich warum  er  es  nicht  gesagt  hätte. 

Wenn  man  dennoch  das  Gedicht  wie  es  vorliegt  für  vollstän- 
dig halten  mag,  so  kann  man  das  nur  in  der  Meinung  thun,  daß 
in  dieser  Unfertigkeit,  in  diesem  sachlich  unmotivirten  Abbrechen 
eine  versteckte  formale  Absicht  liege,  daß  grade  diese  Unfertig- 
keit eine  epigrammatische  Spitze  bedeute.  Ich  kann  nichts  ent- 
decken was  einer  solchen  Meinung  materiell  zu  Hülfe  käme;  aber 
sie  ist  mehr  als  einmal  wenigstens  angedeutet  worden.  Lachmann 
schließt  seine  Besprechung  von  21,  6  mit  den  Worten:  ccterum  ei 
huic  et  sequenti  carmini  dliquid  epigrammatici  inesse  ipse^  ofnnor, 
sentis  u.  s.  w.  und  Reitzenstein  äußert  die  Ansicht  (Hermes  XXXI 
185),  Properz  habe  dem  ersten  Buche  *ohne  irgend  welchen  Anlaß 
zwei  Epigramme  angefügt*.  Nun  hat  das  21.  Gedicht,  wenn  es 
auch  kein  Epigramm  ist,  doch  den  Schein  einer  epigrammatischen 
Form;  daß  aber  das  22.  mit  Epigramm  nichts  zu  thun  hat,  ist 
grade  aus  seiner  Form  zu  erkennen. 

*Nach  Herkunft,  Heimath  und  Vaterhaus  fragst  du  mich.  Der 
Name  meines  Geburtsortes  m()chte  dir  unbekannt  sein ;  aber  wenn 
du  Perusia  traurigen  Angedenkens  kennst,  so  kann  ich  dir  seine 
Lage  leicht  beschreiben.    Unter  Perusia  dehnt  sich  die  fruchtbare 


das  Schlußgedicht  des  ersten  Buches  des  Properz.  473 

Ebene  Umbriens,  das  ist  mein  Heimathland'.  So  kann  man  den 
Gedanken  der  fünf  Distichen  paraphrasiren.  Er  fängt  an  zu  be- 
schreiben wie  Arat:  äjtb  rov  iyvaö^dvov  rö  äyvaötov  elg  yvaöiv 
ayu  (schol.  73.  74),  wobei  es  wiederum  einleuchtet,  daß  so  anzu- 
fangen und  die  Beschreibung  nicht  zu  Ende  zu  führen  absurd  ist. 
Aber  worauf  wir  zu  achten  haben,  wenn  wir  das  für  epigramma- 
tische und  elegische  Form  Unterscheidende  finden  wollen,  ist  die 
Art  wie  der  Dichter  den  Gedanken  führt.  Perusia  ist  bekannt, 
es  ist  bekannt  als  Ort  der  noch  unvergessenen  öffentlichen  Trauer ; 
dem  Gedanken  hängt  der  Dichter  nach  (v.  3 — 5) ,  er  führt  ihn 
unmerklich  auf  seine  eigne  mit  jener  verbundne  Trauer,  den  Tod 
des  Verwandten  der  kein  Grab  gefunden  hat  (6 — 8j ;  dann  ruft 
ihn  die  Erinnerung  an  den  Anlaß,  der  ihn  Perusia  hat  nennen 
lassen,  in  die  Gegenwart  zurück.  Diese  Art  den  Gedanken  zu 
führen  ist  charakteristisch  für  die  Elegie.  Catull  68  gibt  die 
vollkommenste  Analogie :  die  Griechen  zogen  vor  Troja  (v.  87.  88), 
Troja  das  Grab  der  Helden  (89.  90),  wo  auch  mein  Bruder  sterben 
mußte  (91—100) ,  vor  Troja  zogen  die  Griechen  (101—104).  Es 
ist  der  von  Tibull  vollendete  Stil  der  scheinbar  willenlos  in  der 
GedankenbeweguQg  hingleitenden,  nur  mit  verborgner  Hand  die 
Zügel  sicher  führenden  Elegie.  Daß  Properz  dieser  Stil  nicht 
fremd  \&i  weiß  jeder ;  den  besten  Beleg  aus  seinen  Gedichten  gibt 
wohl  die  Schlußelegie  des  2.  Buches,  von  v.  59  an;  wäre  er  es, 
do  würde  doch  die  Vergleichung  mit  Catull  und  Tibull  unwider- 
sprechlich  lehren,  daß  wir  es  hier  mit  Elegie  und  nicht  mit  Epi- 
granmi  zu  thun  haben.  Denn  dem  Epigramm  ist  dieser  Stil  recht 
eigentlich  innerlich  und  von  Xatur  entgegengesetzt;  es  verlangt 
durcbauci  ein  scharfes,  disponirtes,  dem  Leser  sich  aufdrängendes 
Herausarbeiten  des  Gedankens.  Wenn  aber  hier  Elegie  ist,  so  ist 
es  der  Anfang  einer  Elegie,  und  das  Ende  fehlt. 

Daß  das  Ende  dieses  Gedichtes  fehlt,  von  welchem  feststeht 
daß  es  das  letzte  des  Buches  war,  ist  nicht  ohne  Bedeutung  für 
die  Textgeschichte.  Den  Verlust  dem  Mittelalter  zuzuschreiben 
und  aui'  den  etwa  dem  8.  Jahrhundert  angehörigen  Archetypus 
unsrer  Handschriften  zu  beschränken,  geht  nicht  an;  wenn  die 
letzten  Zeilen  eines  Buches  verloren  sind,  so  muß  man  den 
Verlust  auf  die  Zeit  ansetzen,  in  der  das  Buch  noch  selbständige 
Existenz  hatte.  Der  Schluß  des  Buches  ist  also  verloren  gegan- 
gen ehe  die  getrennt  erschienenen  4  Bücher  des  Properz  zu  einem 
Corpus,  richtiger  ehe  sie  zum  erstenmal  zu  einer  Ausgabe  in  mem« 
branis  vereinigt  worden  sind. 


474  ,      Friedrich  Leo, 

In  der  Diction  des  Gredichtcs  stößt  man  auf  zwei ,  freilich 
untereinander  sehr  verschiedene,  Spielarten  einer  stilistischen  Er- 
scheinung, auf  die  ich  noch  mit  ein  paar  Worten  eingehen  möchte. 
V.  5  cum  Eomana  suos  egit  discordia  cives:  da  ist  Discordia  zur 
Römerin  gemacht,  die  ihre  Mitbürger  in  Bewegung  setzt;  zu 
welchem  Kampf,  das  sagt  ihr  Name.  So  erklären  Hertzberg  (der 
I  p.  153  außer  anderem  vergleicht  I  13,  28  te  iuus  ardor  ogct)  und 
Rothstein,  zunächst  gewiß  richtig.  Aber  dem  Ausdrucke,  nur  so 
aufgefaßt  wie  er  sich  zunächst  darstellt,  fehlt  etwas  zur  Wirkung. 
Die  Zwietracht  wird  nicht  lebendiger  dadurch,  daß  sie  von  Her- 
kunft römisch  sein  soll  statt  unter  Römern  Verderben  zu  stiften, 
und  den  Bürgern  wird  die  ihnen  gemeinsame  Bezeichnung  als 
Römer  entzogen,  die  doch  der  Vorstellung  des  Kampfes  erst  das 
Grausige  gibt.  Man  empfindet  wohl  wie  sich  diese  einander  be- 
dingenden Unsicherheiten  des  Ausdrucks  ausgleichen:  sie  thun  es 
dadurch  daß  die  Elemente  des  einfachen,  sachgemäßen  oder  auch 
prosaischen  Ausdrucks  im  Satze  enthalten  sind.  Der  antike 
Dichter  hat  darauf  gerechnet,  daß  seine  Hörer  die  natürliche  Be- 
ziehung der  Begriffe  aufeinander  als  Voraussetzung  der  poetisch 
kühnen,  ja  überkühnen  compositio  verborum  empfanden :  die  natür- 
liche Fassnng  des  Gedankens  aber  ist  cum  Romanos  civcs  sua  dis- 
cordia egit.  Wenn  man  das  Vertauschung  der  Attribute  nennen 
will,  so  ist  man  in  Gefahr  den  geheinmißvoUen  Vorgang  in  der 
Seele  des  Dichters  zu  schematisiren.  Es  ist  eine  Art  des  Aus- 
drucks die  mit  vielem  verwandt  ist  was  wir  ajtb  xotvov  oder 
isvyna  oder  wie  sonst  betiteln.  Die  Verwandtschaft  zeigt  sich 
darin  daß  der  eine  Satztheil  erst  zur  Wirkung  konmit  wenn  der 
andere  ihn  ergänzt  hat.  Etwas  nur  Nachzufühlendes,  nicht  zu 
Messendes  oder  zu  Wägendes  haben  diese  Redeformen  alle.  Auf 
V.  5  folgt  die  Parenthese : 

sie*)  mihi  praecipue,  pulvis  Etrusca,  dolor, 
tu  proiecta  mei  perpessa  es  membra  sepulcri, 
tu  nuUo  miseri  contegis  ossa  solo. 

tu  CS  ist  aus  dem  folgenden  Verse  zu  mihi  dolor  hinzuzuhören, 
dadurch  werden  die  kurzen  Sätze  ineinander  verschlungen.  Pro- 
perz  nennt  das  Etruskerland  pulvis  Etrusca ,  schon  mit  Rücksicht, 


1)  Ueberliefert  sit.  Die  alte  Correctur  sie  ist  wie  mich  dünkt  stilgem&fter 
als  das  von  Palmer  und  Roitzenstein  (Ilerm.  XXXI  186)  vorgeschlagene  sed,  das 
den  persönlichen  Gegensatz  hervorhebt  statt  die  Rede  wie  anroerklich  an  das 
bürgerliche  Unheil  anknüpfend  weilergehen  zu  lassen. 


das  Scblaßgedicbt  des  ersten  ßaches  des  Properz.  476 

wie  Rothstein  richtig  bemerkt,  auf  den  gleichfolgenden  Vorwurf 
daß  der  Leichnam  dort  unbestattet  liegen  mußte.  Das  ist  ver- 
ständlich und  nicht  allzukühn.  Auch  nullo  solo  ist  für  sich  ge- 
nommen verständlich:  mit  keinem  Theil  des  Erdbodens.  Aber 
sachlich  unmöglich  und  durch  keine  Spracherklärung  erklärbar  ist 
die  Beziehung  und  Verbindung,  die  doch  vorliegt:  pulvis  Etrusca 
nullo  cofitegis  ossa  solo,  denn  solum  ist  allemal  das  Ganze,  pulvis 
der  Theil.  Wenn  man  die  Wörter  umtauscht:  solum  Etruscum 
nullo  contegis  ossa  pulvere,  so  hat  mau  das  materiell  nichtige.  Darum 
hat  doch  der  Dichter  nicht  die  Wörter  einfach  vertauscht,  pulvis 
hat  er  in  einer  erkennbaren  Absicht,  das  Folgende  vordeutend,  ge- 
wählt ;  dann  tritt  eine  Wechselwirkung  zwischen  pulvis  und  solum 
ein,  die  sich  nicht  mehr  definiren  und  schwerlich  auf  einen  mecha- 
nischen oder  einfachen  Willensvorgang  zurückführen  läßt.  Pro- 
perz hat  Gredichte  die  sich  selbst  gemacht  haben,  er  hat  auch 
solche  Redewendungen. 

Den  Sprachvorgang,  um  den  es  sich  handelt,  hat  Wilamowitz 
zum  Herakles  (II*  199)  besprochen  und  aufgeklärt.  Euripides  ist 
nicht  selten  diesen  Weg  gegangen;  meist  sind  zwei  Satztheile 
durch  Anaphora  (Phoen.  BG3),  Copula,  Antithese  verbunden,  aber 
auch  die  Attribute  innerhalb  eines  einheitlichen  Satzes  vertauscht 
(Her.  883).  Der  eine  und  andere  Fall  zeigt  Absicht,  wie  zu 
Soph.  Ai.  660  die  Schollen  bemerken  (s.  Wilamowitz)  ^) ;  so  natür- 
lich auch  Dio  Chrys.  12,  46  di  axo^g  i7tid£ixvvvT£g  —  dt'  o^£id$ 
iif^oviievoi  ^).  Das  ist  rhetorische  Antithese,  wie  with  mirth  in  fw 
neral  and  with  dirgc  in  man  läge  (Hamlet  I  2) ,  von  der  eigentlich 
poetischen  Kühnheit  generisch  verschieden.  Wenn  Groethe  sagt 
da  erklingt  es  wie  von  Fiügdn,  so  ist  das  für  sich  empfunden,  aber 
es  kommt  erst  zur  Wirkung  wenn  wir  weiter  hören  da  bewegt 
sic/iS   wie  Gesang]   das  kommt  nicht  aus  stilistischer  Ueberlegung 


(statt  ^Boig  iinHv  —  'AxQsi&ug  atßsiv)  ^fovg  iilv  aißeiv,  tinnv  dl  'AxifiiÖats. 
Aehnlich  sagt  zu  Aen.  IV  IbO  {pedibus  celerem  et  pemicü>u8  alis)  Servius:  con- 
vertu  rerum  epitheta,  nam  ^pemix^  pedum  est,  celeritaa  pinnarum  est,  aas  derselben 
Vorstellaog  die  die  Kritiker  bewogen  hat,  Plaut.  Mü.  630  (pernix  sum  manibus, 
pedibus  mobilis)  umzusetzen  pedibus,  manibus.  Aber  daraus  daß  *flink'  zumeist 
die  Beine  genannt  werden  (Wulffliu  Archiv  VllI  452),  folgt  nichts  für  die  Qrund- 
bedeotong.  —  Vgl.  schol.  Eur.  Ale.  245  (o^^ayta^  xb  diVat  vstpilag  SffOfuciav): 
&9zt4nQ6^»S  ifyn%iv,  dvxl  xo^'  o^Qcivuci  xb  vBq>Blai  Sivris  d(fO(jMiav. 

2)  Flutarch  Timol.  3  iv  dh  xoig  jtoUiiotg  ovrco  nccldig  xal  dfJMlAg  i%i%^xo 
xii9  9v<riv,  mitxe  noXXijv  {ihv  iv  viip  tfvvBCtVy  o{>%  jlccrr»  dl  yrnfAwog  &v9^%{av 
itfi^paivec^ai  xaig  nf^iBOiv^  ?gl.  Philop.  7  mg  o^e  *axä  x^^  ^^^  ^^^'^  tivbg 
p9ti  avviüii  tAv  ^QBoßvxiQtov  &7tolBin6itBvog, 


476  Friedrich  Leo, 

sondern  aus  dichterischer  Eingebung.  Dieser  Verschiedenheit  aber 
kann  man  sich  bewußt  sein  und  doch  von  der  Anmaßung  frei, 
jeden  einzelnen  Fall  auf  die  eine  oder  die  andere  Seite  stellen  zu 
wollen.  Was  ich  sonst  bei  Römern  nachweisen  kann  will  ich  hier 
anführen. 

Ueberrascht  ist  man,  die  Figur  als  solche  bei  zwei  trocknen 
und  dürftigen  Stilisten  zu  finden:  Q.  Cicero  de  pet.  12  non  diffi- 
eile  cef'tamen  cum  Ms  competitoribuSj  qui  nequaquam  sunt  tarn  genere 
insignes  quam  vitiis  nobiles  ^) ,  Lygdamus  3,  2  blandaque  cum  muÜa 
tura  dedisse  prece^)  und  in  ähnlicher  Satzbildung  4,  42  edidit  haec 
tristi  dulcia  verba  modo^  wo  dulci  tristia,  wie  man  seit  Broukhuis 
liest,  freilich  der  Zusanmienhang  verlangt  und  die  Figur,  wenn 
sie  vom  Dichter  herrührt,  nicht  wohl  gelungen  ist;  denn  man 
kann  sie  einfach  durch  Umstellung  aufheben  und  verliert  nichts 
dabei ,  wie  doch  3,  2.  Lucrez  hat  die  Kühnheit  einmal  gewagt : 
VI  1127  aut  alios  hominum  pastus  pecudumque  cibatus ').  Die  Verse 
CatuUs  LXIV  31  und  309  sind  vielleicht  hierherzuziehen.  Aus  Ver- 
gil,  dem  Wilamowitz  allein  von  den  Römern  (außer  Horaz:  to- 
nantes  egit  equos  volucremque  currum)  etwas  der  Art  zutraut,  kann 
ich  zwei  Stellen  mittheilen  die  hierher  gehören.     Aen.  VIII  82 

Candida  per  silvam  cum  fetu  concolor  albo 
procubuit  viridique  in  litore  conspicitur  sus*). 

Das  Ufer  ist  bewaldet  (v.  92.  96.  107);  durch  die  Bäume  sieht 
man  die  Sau  wie  sie  mit  ihrem  ganzen  Wurf  am  Ufer  liegt.  Müßte 
man  wörtlich  verstehn:  *die  Thiere  haben  sich  durch  den  Wald 
hingelagert  und  werden  auf  dem  Ufer  gesehen',  so  hätte  Peerl- 
kamp  recht.  Auch  hat  er  gewiß  recht  mit  ^f'acilius']  aber  der 
Dichter  konnte  erwarten  daß  sein  Leser,  wenn  conspicitur  käme, 
per  silvam  richtig  verstehen  und  die  beiden  Satztheile  in  ihre 
Wechselbeziehung  setzen  würde,    ecl.  Hl  109 

et  vitula  tu  dignus  et  hie  et  quisquis  amores 
aut  metuet  dulces  aut  experietur  amaros. 

VergU  will  durch  den  antithetischen  Ausdruck  die  Gesammtheit 
der  Liebenden  umfassen:  dulces  und  amaros  bilden  vollkommenen 


1)  Bucheler  z.  St.:  difficUe  est  credert  (^uinium  tarn  inscltnttr  locuium  esse 
ut  cum  proprietas  sermonis  adiectiva  sie  iuberei  distribui  *non  tarn  genere  nobiles 
quam  vüiis  insignes',  ea  commiseeret  ei  inverteret,  *insignes*  subkUo  hohes  condnne 
et  acute  dictum, 

2)  müUaque  cum  blanda  Bergk. 

8)  Manro  z.  St. :  ^pecudum  pastus  hominumque  cibatu^  would  be  more  usual. 
4)  Peerlkamp  z.  St. :  faciUus  ^conspicitur  viridique  in  litore  procubuit  sus*. 


das  Schlaßgedicht  des  ersten  Baches  des  Properz.  477 

Gegensatz,  mettiet  and  experietur  nicht  vollkommenen;  die  scliarfe 
Antithese  hat  der  Dichter  nicht  gesucht,  weil  er  keine  Figur 
suchte  sondern  der  Geist  ihn  trieb  ^).  metuet  dulces  enthält  einen 
Widersinn,  der  erst  durch  experietur  amaros  ausgeglichen  wird; 
prosaisch  wäre  aut  experietur  (oder  sperabit)  dulces  aut  metuet 
amaros:  darin  wäre  keine  Disharmonie,  aber  auch  keine  Auf- 
lösung '). 

Es  wird  gewiß  mehr  dergleichen  bei  VergU  zu  finden  sein; 
gewiß  bei  Properz.  Mit  I  22,  5  ist  zunächst  zu  vergleichen  11 1, 28 
aut  canerem  Siculae  classica  bella  fugae.  Das  Ereigniß  war:  Siculo 
hello  classis  fugit]  damit  ist  das  besondere  des  Ausdrucks  erklärt, 
dessen  Kühnheit  gegen  die  häufige  Figur  der  Enallage  des  Ad- 
jectivs  {ehria  cum  traherem  vestigia]  puerorum  turba  minutaj  vgl. 
Hertzberg  I  p.  143.  155)  außerordentlich  gesteigert  erscheint.  Wie- 
derum auf  zwei  Satzglieder  vertheilt  finden  wir  die  Kreuzung 
der  Begriffe  I  18, 19: 

vos  eritis  testes,  si  quos  habet  arbor  amores, 

fagus  et  Arcadio  pinus  amica  deo: 
ah  quotiens  teneras  resonant  mea  verba  sub  umbras 

scribitur  et  vestris  Cynthia  corticibus. 

Für  teneras  ist  schon  in  Handschriften  tremtdas  gesetzt"),  die  mei- 
sten älteren  Kritiker,  auch  Lachmann,  haben  teneras  verworfen, 
Hertzberg  und  Bothstein  vertheidigen  es,  mit  Recht,  denn  tenerae 
umbrae  von  dem  zarten  Laube,  in  dessen  zitternder  Bewegung  der 
Zephyr  wohnt  (v.  2),  ist  zwar  überaus  kühn  gesagt,  aber  es  über- 
schreitet die  Stilgrenzen  dieses  Dichters  nicht.  Dagegen  bleiben 
zwei  Momente  die  das  Gefühl  des  Lesers  beunruhigen  und  durch 
die  Erklärung  des  einzelnen  Ausdrucks  nicht  beseitigt  sind:  das 
Epitheton,  das  zu  umbrae  nur  in  gewagter  Uebertragung  tritt, 
würde  sich  mit  den  im  Pentameter  erscheinenden  cortices  aufs 
natürlichste  verbinden  und  hier  auch  mit  dem  Verbum  zusammen 
die  Anschaulichkeit  des  Ausdrucks  erhöhen  *);  das  Pronomen  (vestris) 
hätte  seine  gewiesene  Stelle  gleich  nach  der  Anrede  (19.  20),  also 
in  V.  21  nicht  22.    Diese  beiden  Erwägungen  haben  Guyet,  Kop- 


1)  Aehnlich  Eor.  Med.  1122  tps^e  {ii^xs  vaütv  Imovi^  ämf^rriv  {irit*  6%09 
ntdoerißfi:  auch  hier  die  'Vertauschimg',  die  antithetische  Umfassung ,  das  all- 
gemeine Sxov  an  zweiter  Stelle.    Vgl.  Wilamowitz  a.  0. 

2)  Vgl.  Qött.  Qel.  Anz.  1898  S.  731  und  von  neueren  Besprechungen  Roth- 
stein  Hermes  XXIV  24. 

8)  Calporn.  6, 101,  wo  H.  Schenkl  bucol.  £ins.  2, 12  vergleicht 
4)  Vergil  ecl.  10,  68  tenerisque  mcoa  incidere  amores  arboribus, 

Kffl.  Om.  4.  Wi«.  NMhriehtoB.    PliUolOff.-hiator.  KUim  1898.    Htft  4.  32 


478  Friedrich  Leo,  das  Schlußgedicht  des  ersten  Buches  des  Properz. 

piers,  Schrader,  Burmann,  Lachmann  und  jetzt  wieder  Postgate 
dazu  geführt,  im  wesentlichen  übereinstimmend,  ihrerseits  die  Epi- 
theta zu  vertauschen: 

ah  quotiens  vestras  resonant  mea  verba  sub  umbras 
scribitur  et  teneris  Cynthia  corticibus, 

wodurch  dem  Dichter  eine  dem  modernen  Gefühl  erwünschte  Ein- 
fachheit  des  Ausdrucks  gegeben  wird,  die  er  sei  es  bewußt  ver- 
mieden sei  es  der  poetischen  Inspiration  folgend  durch  eine  in 
Wirkung  und  Gegenwirkung  ineinander  spielende  Bildung  der 
Bede  ersetzt  hat. 


Ueber  eine  misyerstandene  Stelle 
in  Dantes  Commedia. 

Von 

Max  Rieger. 

Vorgelegt  in  der  Sitzung  vom  29.  October  1898. 

Seit  langer  Zeit  finden  sich  in  Blancs  Yocabolario  Dantesco 
die  Stellen  der  Commedia  verzeichnet,  wo  das  Wort  sangae  vor- 
kommt. Als  figürliche  Bedeutnng  (*par  extension')  wird  daselbst 
angegeben:  le  sang,  das  Blut,  das  Geblüt,  la  famille,  la  race,  das 
Geschlecht,  la  naissance,  die  Geburt,  und  unter  den  9  Belegen 
dieser  Bedeutungen  erscheint  auch  Purg.  6,  101  f. : 

Giusto  giudizio  dalle  stelle  caggia 

sovra  il  tuo  sangue; 
wo  also  nach  Blancs  Meinung  zu  übersetzen  wäre :  falle  auf  dein 
Geschlecht,  deine  Nachkommenschaft.  Gleichwohl  sieht  sowohl 
Scartazzini  wie  Philalethes  in  diesem  Fluchwort  eine  Beziehung 
auf  König  Albrechts  Tod  durch  Mörderhand,  und  wie  es  scheint 
hat  sich  noch  jedermann  bei  dieser  Auffassung,  die  sich  ja  dem 
ersten  Blicke  leicht  aufdrängt,  beruhigt,  ohne  sich  die  Frage  vor- 
zulegen, ob  il  sangue  in  Verbindung  mit  einem  Possessiv  oder 
Genetiv  irgendwo  anders  —  da  es  in  der  Commedia  sonst  nicht 
geschieht  —  zur  Umschreibung  der  im  Possessiv  oder  Genetiv 
angedeuteten  Person,  also  il  mio  tuo  suo  sangue  einfach  für  ich 
du  er,  il  sangue  d' Alberto  für  Albrecht,  gebraucht  worden  sei. 
Es  läge  nahe,  an  unsre  deutsche  Redeweise  ein  junges,  edles,  un- 
schuldiges Blut  zu  erinnern,  die  sich  möglicher  Weise  auch  im 
Italienischen  des  Mittelalters  findet,  wenn  das  nicht  ganz  etwas 
andres  wäre :  denn  das  Blut  ist  hierbei  nicht  etwas,  das  der  Person 
zugehört,  sondern  es  vertritt  die  Person,  indem  ihm  ein  derselben 
zukommendes  Attribut  beigelegt  wird;  das  der  Redner  wenigstens 
im  Sinne  hat,  wenn  unter  den  Belegen  im  deutschen  Wörterb. 
ein  und  das  andre  Mal  auch  ohne  Attribut  vorkommt  dies  Blut, 

32* 


480  Max  ftieger, 

oder  solch  ein  Blut.  Eine  Redeweise  wie  'Gerechtes  Gericht 
komme  über  sein  Blut',  statt  über  ihn,  oder  über  sein  Haupt, 
gibt  es  im  Deutschen  wenigstens  nicht.  Bis  sie  im  Italienischen 
durch  Beispiele  dargethan  wird,  muß  es  erlaubt  sein,  die  fragliche 
Stelle  einstweilen  nach  Dantes  eignem  Sprachgebrauch  zu  verstehn, 
das  seine  Ausleger  nicht  hätten  unterlassen  sollen.  Sie  haben 
aber  noch  etwas  andres  zu  bedenken  unterlassen. 

Ein  Gericht,  das  von  den  Sternen  fällt,  ist  ihnen  einfach  ein 
Gericht  Gottes;  Scartazzini  hat  dazu  nur  die  Bemerkung,  da  der 
Kaiser  nach  Dantes  System  keinen  Obern  habe  als  Gott,  könne 
er  allein  von  Gott  bestraft  werden.  'Die  Sterne'  will  hienach 
so  viel  sagen  wie  der  Hinmiel  in  der  Weise  unsres  heutigen  Ge- 
brauchs, wenn  wir  den  Namen  Gottes  lieber  aus  dem  Spiele  lassen. 
Es  weiß  aber  jeder  Leser  Dantes,  daß  für  diesen  die  überirdischen 
Dinge  zu  genau  systematisiert  sind,  als  daß  man  die  Sterne  bei 
ihm  ohne  weiteres  als  figürliche  Redensart  zu  nehmen  hätte  für 
Gott  und  sein  Regiment,  das  sich  eines  zugelassenen  Verbrechens 
als  Strafe  für  den  betroffenen  bedienen  könnte.  Der  Sitz  Gottes 
ist  das  unendliche  Empyreum,  das  alle  himmlischen  Sphären 
umgibt;  und  mit  Sternen  ist  auch  die  äußerste  der  neun  einge- 
schlossenen, das  primum  mobile,  noch  nicht  versehen.  Es  folgt 
nach  innen  der  Himmel  der  Fixsterne  und  weiter  die  Sphären  der 
sieben  Planeten,  und  diese  Sphären,  beziehungsweise  die  Sterne, 
in  denen  sich  ihre  Kraft  sammelt,  und  eigentlich  die  Intelligenzen, 
von  denen  sie  bewegt  werden,  wirken  bestimmend  auf  die  irdische 
Natur,  einschließlich  der  menschlichen  nach  Leib  und  Seele.  Für 
keinen,  der  auch  nur  die  Canzone  Voi  ch*  intendendo  il  terzo  ciel 
movete  gelesen  hat,  bedarf  es  hierfür  des  Nachweises.  Ebenso 
bekannt  ist,  wie  Dante  nicht  unterläßt,  diese  Lehre  mit  der  Frei- 
heit des  Willens  gebürend  auseinander  zu  setzen  Purg.  16,  73 

Lo  cielo  i  vostri  movimenti  inizia, 

nondico  tutti:   ma,  posto  ch'  iol  dica, 

lume  v'  k  dato  a  bene  ed  a  malizia; 
so  daß  von  der  Verantwortlichkeit  für  die  Handlungen  der  Men- 
schen die  Sterne  frei  bleiben,  obgleich  ihr  Einfluß  Neigungen 
zum  Guten  oder  Bösen  wirken  kann.  Die  Ausleger  hätten  sich 
also  erinnen  dürfen,  daß  eine  Mordtat  wie  jede  Handlung,  zu  der 
der  freie  Wille  einwilligen  muß,  nicht  von  den  Sternen  fallen 
kann ,  wenn  auch  von  dem  movimento ,  das  ihr  im  Gemüte  des 
Mörders  vorausgeht,  der  biasmo  die  himmlische  Influenz  trifft 
(Par.  4,  62—60).  Vielmehr  hätte  der  Dichter,  auch  angenommen, 
er  beschwöre  das  Gericht  auf  Albrechts  eignes  Haupt,  mit  seinem 


über  eine  miBverstandene  Stelle  in  Dantes  Commedia.  481 

Ausdrucke  ein  durch  den  natürlichen  Causalnexus  herbeigeführtes 
Unglück  meinen  müssen.  Und  an  ein  solches  hat  er  gedacht,  wenn 
er,  wie  ich  für  unzweifelhaft  ansehe,  das  Gericht  über  ihn  auf 
sein  Blut  (seinen  Samen)  beschwur,  wo  es  ihn  ja  härter  als  an 
der  eignen  Person  treffen  konnte. 

Aus  dieser  Auffassung  folgt  nun  aber  mit  Notwendigkeit,  daß 
die  Stelle  vor  dem  Ereignisse  des  1.  Mai  1308  gedichtet  worden 
ist.  Denn  nachdem  dasselbe  bekannt  war,  hätte  Dante  kein  an- 
dres CTnheil  mehr  als  dieses  zum  Gegenstand  seiner  auf  den  Stand- 
punkt von  1300  versetzten  Verwünschung  machen  können;  zumal 
Albrechts  Untergang  so  leicht  mit  der  ihm  wie  seinem  Vater 
schuld  gegebenen  cupidigia  di  costä  in  Zusammenhang  gebracht 
werden  konnte,  indem  der  Mörder  ihn  um  vorenthaltener  Erb- 
rechte willen  gehaßt  hatte.  Das  Ereignis  war  zu  ungeheuer, 
mußte  auch  die  wälschen  Gemüter  zu  tief  bewegen,  als  daß  Dante 
es  in  diesem  Zusammenhang  ignorieren  konnte,  wenn  er  von  ihm 
wußte,  als  er  den  sechsten  Gesang  des  Purgatorio  schrieb. 

Nachdem  durch  die  sprachlich  gebotene  Auffassung  von  il  tuo 
sangue  ein  fester  Stützpunkt  gewonnen  ist,  wage  ich  auch  mich 
auf  den  ganzen  Eindruck  zu  berufen,  den  die  Invective  gegen  den 
Alberto  Tedesco  dem  unbefangenen  Leser  macht.  Ist  es  nicht 
der,  daß  hier  eine  Leidenschaft  spreche,  wie  man  sie  nur  Lebenden 
gegenüber  so  lebhaft  empfindet  und  ausläßt?  Sie  spricht  —  wol 
zu  bemerken  —  nicht  in  einer  episch  vorgestellten  Situation  aus 
dem  Munde  einer  dabei  beteiUgten  Person,  sondern  in  einer  Zwischen- 
rede,  womit  der  Dichter  seine  Erzählung  unterbricht,  also  auch 
deren  Horizont  verläßt  und  den  der  Gegenwart,  worin  er  erzählt, 
annimmt.  So  oft  auch  die  subjectiven  Eindrücke,  die  bei  der 
historischen  Kritik  mitspielen,  dem  Spotte  Scartazzinis  verfallen, 
man  kommt  auch  bei  Dante  nicht  ohne  jenes  Ding  aus,  das  Lach- 
mann das  poetische  Gefühl  nannte  und  zur  Controle  der  Kritik 
unerläßlich  fand. 

Da  der  gewählte  Standpunkt  in  der  Vergangenheit  dem  Dichter 
reiche  Gelegenheit  gibt,  geschehene  Dinge  in  die  Zukunft  zu  ver- 
legen, ist  es  nicht  seine  Art,  Anweisungen  auf  die  Zukunft  aus- 
zustellen, die  sie  vielleicht  nicht  anerkennen  wird;  es  sei  denn 
in  der  eigentlichen  Hauptsache  seines  großen  politischen  Glaubens, 
der  doch  von  dem  irdischen  Gericht  über  König  Albrecht  nicht 
bedingt  wird.  Es  ist  daher  kaum  möglich,  an  der  Beziehung  des 
giusto  giudizio  auf  ein  Ereignis  vorbeizukommen,  darin  es  wirklich 
vollzogen  scheint :  nämlich  auf  den  Tod  des  ältesten ,  tüchtigen 
und   geliebten  Königssohnes  Rudolf,   den   der  Vater   zum  König 


482  ^ft^  Rieger, 

über  Böhmen  gesetzt  hatte;  der  26  Jahr  alt  im  Lager  vor  Ho- 
razdiowic  an  der  Ruhr  erkrankte  und  am  selben  Tage,  wo  er 
noch  eine  Urkunde   für  Heinrich  von  Rosenberg  ausstellte,    dem 

4.  Juni  1307  rasch  hinstarb  (Palacky  Gesch.  Böhmens  ü,  2,  S.  B4  f.). 
Das  war  für  das  Urteil  von  Zeitgenossen,  die  sich  über  Albrecht 
zu  beklagen  hatten,  ein  von  den  Sternen  auf  sein  Blut  gefallenes 
Gericht,  so  offenbar  und  neu  wie  sie  es  wünschen  konnten.  Und 
obgleich  Albrecht  nun  schon  neun  Jahre  seines  Königtums  Italien 
sich  selbst  überließ,  muß  dort  die  Laufbahn  des  gewaltigen  Her- 
schers  noch  immer  von  den  einen  mit  feindseliger  Besorgnis,  von 
den  andern  mit  sehnlicher  Ungeduld,  von  allen  aufmerksam  beob- 
achtet und  die  Todesbotschaft  aus  Böhmen  daher  als  ein,  mit  der 
Zeitungssprache  zu  reden,  sensationelles  Ereignis  aufgenommen 
worden  sein. 

Rechnet  man  für  die  Verbreitung  einer  solchen  Kunde  einen 
Monat,  so  ergibt  sich,  daß  der  sechste  Gesang  des  Purgatorio 
zwischen  dem  Juli  1807  und  dem  Juni  1808  gedichtet  war,  und 
die  neuerdings  angenommene  Chronologie  der  Werke  Dantes,  wo- 
nach die  ganze  Commedia  erst  nach  dem  Tode  Heinrichs  VII.  ent- 
standen wäre,  müßte  demgemäß  corrigiert  werden.  Mindestens 
die  8  ersten  Gesänge  des  Purgatorio,  die  in  dessen  Vorräumen 
handeln,  würden  mit  dem  ganzen  Inferno  über  das  Convivio  hin- 
aufrücken, dessen  Entstehung  zwischen  1307  und  1308  nicht  be- 
zweifelt werden  kann. 

Freilich  würde  dabei  die  Vorstellung  vorausgesetzt,  daß  Dante 
die  100  Canti  seines  Werks,  so  wie  sie  auf  einander  folgen,  der 
Reihe  nach  auch  geschrieben,    nicht  aber  wie  Scartazzini  (Handb. 

5.  382 ff.)  meint,  nach  einem  detaillierten  Plane  bald  diese,  bald 
jene  darin  vorgesehene  Partie  ausgearbeitet  und  so  Materialien 
gewonnen  habe,  um  sie  endlich  zum  Bau  zusammenzusetzen.  Ich 
halte  die  erstere  Vorstellung  bei  einem  Dichter  des  Mittelalters 
für  die  berechtigte,  es  müßte  denn  die  andere  aus  bestimmten 
Anzeichen  deutlich  erschlossen  werden. 

Meiner  Folgerung  scheinen  freilich  andere  chronologische  Merk- 
male unvereinbar  gegenüberzustehn. 

Kommt  doch  schon  im  ersten  Gesänge  des  Inforno  der  viel- 
beredete veltro  vor,  dessen  Beziehung  auf  Cangrande  della  Scala 
jetzt  wol  keinem  Zweifel  mehr  begegnet.  Und  dieser  Fürst  war 
1307  erst  16  Jahre  alt  und  konnte  nicht  einmal  vor  1313,  wo 
Kaiser  Heinrich  starb  und  ihn  als  Reichsvikar  hinterließ,  als  die 
Hoffnung  der  guten  Sache  in  Italien  betrachtet  werden.  Um  die 
Abfassung  der  ganzen  Commedia  in  die  Zeit  nach  des  Kaisers 


über  eine  misyerstandene  Stelle  in  Dantes  Commedia.  483 

Tod  hinab  zu  rücken  kommt  hinzu,  daß  im  19.  Gesänge  des  In- 
ferno, in  den  dem  Geiste  Papst  Nicolaus  III.  geliehenen  propheti- 
schen Worten,  der  Dichter  sich  von  der  Lebensdauer  des  1314 
gestorbenen  Clemens  V.  unterrichtet  zeigt. 

£s  ist  jedoch  mit  jedem  solchen  terminus  a  quo  an  sich  eine 
misliche  Sache.  Denn  die  Möglichkeit  läßt  sich  nicht  leugnen, 
daß  in  der  langen  Zeitdauer,  die  das  große  Werk  erheischte,  der 
Dichter  längst  verfaßte  Teile  nochmals  überging  und  aus  neuen 
Motiven,  die  sich  im  Fortgang  der  Zeit  ergaben,  Aenderungen 
oder  Einschiebungen  vornahm.  Solche  dürften  gerade  an  beiden 
erwähnten  Stellen  sich  als  denkbar,  vielleicht  nicht  als  unwahr- 
scheinlich erweisen.  Inf.  1,  60  ist  Dante  durch  die  Wölfin  an 
den  Fuß  des  Hügels,  den  er  ersteigen  wollte,  zurückgetrieben. 
Er  ruft  V.  88  die  Erscheinung  Virgils  um  Hülfe  gegen  dieses 
Tier  an  und  erhält  die  Antwort  a  te  convien  teuer  altro  viaggio 

se  vuoi  campar  d'  esto  loco  selvaggio ,   die  sich  mit  V.  112 

fortsetzen  könnte,  ohne  daß  die  sich  dazwischen  einschiebende  Aus- 
führung über  die  Natur  der  Wölfin  und  ihren  künftigen  Besieger 
etwas  förderliches  zur  Erzählung  beitrüge.  Und  ähnlich  verhält  es 
sich  im  19.  Gesänge.  Es  ist  so  wirksam  als  sinnreich,  wie  Dante 
es  ermöglicht,  bei  den  simonistischen  Päbsten,  die  der  Hölle  ver- 
fallen sind ,  des  im  angenommenen  Zeitpunkt  von  1300  noch  am 
Leben  befindlichen  Bonifatius  VIII.  zu  gedenken,  indem  er  ihn 
von  Nicolaus  in.  zur  Ablösung  von  der  besondern  Pein,  die  immer 
der  letzte  zu  leiden  hat,  erwarten  läßt,  aber  dieser  Kunstgriff 
wird  dadurch,  daß  ihn  der  Dichter  auf  einen  nach  Bonifatius 
kommenden  Pabst  erstreckt,  in  einer  Weise  abgenutzt,  wie  es 
eher  auf  Rechnung  einer  nachträglichen  als  einer  ersten  Intention 
kommen  möchte,  indes  die  hierzu  verwendeten  Terzinen  sich  glatt 
herauslösen  und  für  den  Zusammenhang  ganz  entbehrlich  sind. 

Eine  dritte  Prophezeiung  im  sechsten  Gesänge  des  Inferno, 
dem  ersten  Florentiner,  dem  der  Dichter  begegnet,  in  den  Mund 
gelegt,  wonach  die  Herrschaft  der  Schwarzen  in  Florenz  schon 
lange  Zeit  bestanden  haben  muß,  als  die  betreffenden  Worte  ge- 
schrieben wurden,  würde  es  schwerer  fallen,  als  Interpolation  des 
Dichters  in  Anspruch  zu  nehmen:  wäre  sie  eine,  so  zeigte  sie 
sich  doch  unlösbar  verwebt.  Aber  sie  darf  für  meine  chrono- 
logische Folgerung  billig  außer  Betracht  bleiben,  weil  lungo  tempo 
ein  zu  relativer  Begriff  ist.  Als  dessen  Maß  drängt  sich  hier  die 
vorausgegangene  kurze  Herrschaft  der  Weißen  auf,  im  Vergleich 
mit  welcher  ein  Verbannter  den  jetzigen  Zustand  gar  bald  als 
langewährend  empfinden  konnte.    Heißt  es  doch  auch  kurz  vorher 


484  ^ctx  Rieger, 

im  selben  Znsammenliange  (Y.  64)  dopo  longa  tenzone  verranno 
al  sangne  mit  Bezug  auf  Vorgänge,  die  bei  Villani  von  den  ersten 
vier  Monaten  des  Jahrs  1300  umfaßt  werden. 

Ausgeschlossen  ist  durch  diese  Prophezeiung  des  Ciaeco  nur 
was  Boccaccio  mitteilt,  wie  im  sechsten  Jahre  nach  Dantes  Flucht 
die  sieben  ersten  Gesänge  des  Inferno  unter  seinen  zurückge- 
lassenen Sachen  gefunden  und  dem  Markgrafen  Moroello  Mala- 
spina für  den  Verbannten,  der  sich  bei  ihm  aufhielt,  zugestellt 
wurden.  Diese  Erzählung,  die  Kraus  (Dante,  S.  63)  'gänzlich  mit 
dem  Charakter  reiner  Erfindung  behaftet'  nennt,  hat  meines  Er- 
achtens  Anspruch  auf  die  sorgfältigste  Erwägung  ihrer  Glaub- 
würdigkeit, die  ihr  auch  Scartazzini  nicht  versagt  hat*). 

Ausgeschlossen  ist  vor  allem  der  Verdacht,  daß  die  Geschichte 
ein  Erzeugnis  der  novellistischen  Phantasie  Boccaccios  sei,  da  er 
selbst  sie  zum  Gegenstand  einer  verständigen  Kritik  macht  und 
schließlich  dem  Leser  oder  Hörer  anheimgibt,  was  er  davon  für 
wahr  oder  wahrscheinlich  halten  wolle.  Er  hat  sie  zuerst  in  seiner 
1363—64  geschriebenen  Vita  mitgeteilt,  ohne  seinen  Gewährsmann 
zu  nennen  oder  den  Namen  des  glücklichen  Finders  anzugeben; 
später  in  seinem  Comento  von  1373 — 74  vernehmen  wir,  daß  er 
sie  von  Dantes  Schwestersohn  Andrea  Poggi  hatte,  dessen  dimestico 
er  geworden  war,  einem  ungelehrten  Manne  —  uomo  idioto  — , 
aber  d'  assai  buono  sentimento  naturale  e  ne'  suoi  ragionamenti 
e  costumi  ordinato  e  laudevole,  und  daß  dieser  selbst  der  Mann 
gewesen  sein  wollte,  der  im  Auftrage  von  Dantes  Gattin  fünf 
Jahre  oder  mehr  nach  dessen  Flucht  aus  Florenz  in  den  von  ihr 
an  einen  heiligen  Ort  geflüchteten  Kisten  in  Gesellschaft  eines 
procuratore  nach  Documenten  suchte,  dabei  die  sieben  Gesänge 
fand  und  sie  dem  Dichter  Dino  Frescobaldi  vorzeigte.  Sogleich 
fügt  aber  Boccaccio  hinzu,  daß  ihm  genau  dieselbe  Geschichte  einst 
un  ser  Dino  Perini  erzählt  habe,  florentinischer  Bürger  und  int^n- 
dente  uomo,  der  secondo  ch^  esso  diceva  in  hohem  Grade  familiäre 
e  amico  di  Dante  gewesen  war;  und  dieser  habe  anstatt  des  An- 
drea sich  selbst  zum  Helden  der  Geschichte  gemacht.  Welchem 
von  beiden  mehr  Glaube  zu  schenken  sei,  läßt  Boccaccio  dahin 
gestellt;  doch  scheint  mir  aus  seiner  Ausdrucksweise  deutlich  zu 
sein,  daß  er  selbst  dem  Andrea  zu  glauben  bereit  war,  hätte  ihm 
nicht  die  Schwierigkeit  mit  der  Prophezeiung  Ciaccos  die  ganze 


1)  Er  nimmt  an,  um  die  Nachricht  mit  der  Entstehung  der  Commedia,  wie 
er  sieldenkt,  reimen  za  können,  daB  das  gefundene  Manoscript  nur  eine  Mate- 
rialiensammlang,  keine  aasge&rbeiteten  Canti  enthielt. 


über  eine  misyersUndene  Stelle  in  Dantes  Commedia.  486 

Geschichte  verdächtig  gemacht.  War  Dino  Perini  wirklich  ein 
Vertrauter  und  als  solcher  ungefähr  Altersgenosse  Dantes  ge- 
wesen, so  hatte  er  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts,  wo  Boccaccio 
als  gereifter  Mann  zuerst  nach  Florenz  kam,  seine  achtzig  auf 
dem  Rücken  und  mag  ihnen  bei  den  Geschichten,  die  er  erzählte, 
seinen  Tribut  gezahlt  haben.  Indes  war  auch  die  Erinnerung  des 
Andrea  Poggi  nicht  mehr  frisch  und  kann  ein  Teil  mjrfchisiert 
haben.  Nun  spielen  eine  bedenkliche  Rolle  bei  seiner  Erzählung 
die  Anfangsworte  des  achten  Gesangs  lo  dico  seguitando,  die  dem 
anbefangenen  Leser  nur  sagen,  daß  der  Dichter  mit  dem  neuen 
Gesänge  nicht  wie  gewöhnlich  etwas  neues  anhebt,  sondern  in  der 
am  Schlüsse  des  vorhergehenden  Gesangs  eröffneten  Scene  fort- 
fahrt; zu  deren  Erklärung  aber  der  Commentator  Andreas  Ge- 
schichte beibringt  und  zu  verstehn  gibt,  daß  sie  die  Wiederauf- 
nahme der  lang  unterbrochenen  Dichtung  nach  wieder  erlangtem 
Manuscripte  ausdrücken.  Boccaccio  konnte  diese  Erklärung  nicht 
als  seine  eigne  entschiedene  Meinung  geben,  wenn  ihm  die  Ge- 
schichte zweifelhaft  war;  er  hat  sie  nur  zu  beliebigem  Gebrauche 
dargeboten,  falls  einer  sich  über  das  ungewöhnliche  seguitando 
wundern  sollte.  Daraus  wird  es  wahrscheinlich,  daß  er  sie  mit 
der  Geschichte  von  Andrea  Poggi  übernommen  hat;  dieser  aber, 
wenn  er  die  Anfangsworte  des  achten  Gesangs  mit  seiner  Er- 
innerung an  den  Fund  des  Manuscripts  combinierte,  ist  möglicher 
Weise  so  erst  dazu  gekommen,  die  Zahl  der  gefundenen  Gesänge, 
die  er  sich  schwerlich  zu  künftiger  Verantwortung  notierte,  auf 
sieben  anzugeben.  Waren  es  deren  in  der  Tat  nur  fünfe,  so  ge- 
hört die  Prophezeiung  des  Ciacco  schon  der  Fortsetzung  an,  und 
die  Geschichte  des  Andrea,  die  hinsichtlich  des  Aufenthalts  Dantes 
bei  den  Malaspina  im  achten  Gesänge  des  Purgatorio  (V.  133)  be- 
stätigt wird,  bleibt  in  ihrem  wesentlichen  Inhalte  bestehn  als 
Zeugnis,  daß  die  Commedia  schon  vor  dem  Exil  des  Dichters  ent- 
worfen und  begonnen  war.  Eine  andre  Frage  ist,  ob  man  ihr 
glauben  soll,  daß  Dante  durch  die  Trennung  von  seinem  Manuscripte 
sich  genötigt  fand,  das  für  ihn  so  bedeutungsvolle  Werk  aufzu- 
geben, daß  er  also  sich  außer  Stand  fühlte,  die  fraglichen  Ge- 
sänge neu  zu  schaffen.  Dies  konnte  man  in  Florenz  schwerlich 
wissen,  so  wenig  wie  das  was  nach  Einsendung  des  Manuscriptes 
zwischen  ihm  und  dem  Markgrafen  verhandelt  ward,  und  dieser 
Teil  der  Erzählung  scheint  nach  Wahrscheinlichkeit  erfunden  zu 
sein,  wenn  auch  nicht  von  Boccaccio,  der  ihr  die  Form  gab.  Sollte 
man  es  aber  wahrscheinlicher  finden,  daß  Dante  die  in  Florenz 
zoräckgelassenen  Gesänge  in   den  nächsten  Jahren   seines  Exils 


486  Max  Rieger, 

nochmals  ausgearbeitet  habe,  so  hört  auch  so  die  Schwierigkeit 
wegen  Ciaccos  Prophezeiung  auf,  da  diese  vielleicht  erst  bei  der 
zweiten  Bearbeitung  entstand. 

So  viel  steht  unter  allen  Umständen  fest,  daß  die  von  Boccaccio 
benutzte  Tradition  das  Inferno  noch  vor  der  Verbannung  des 
Dichters  in  Florenz  beginnen  ließ.  Und  darin  dürfte  sie  dessen 
eignes  Zeugnis  für  sich  haben,  sofern  ich  mir  nicht  mit  Unrecht 
einbilde,  ihn  nach  Wortlaut  und  Zusammenhang  scharf  aufzu- 
fassen und  einfältig  zu  verstehn. 

Die  vielbesprochene  Stelle  am  Schlüsse  der  Vita  nuova,  auf 
die  ich  nun  kommen  muß,  lautet :  Appresso  a  questo  sonetto  appar- 
ve  a  me  una  mirabil  visione,  nella  quäle  vidi  cose,  che  mi  fecero 
proporre  di  non  dire  piü  di  questa  benedetta  infino  a  tanto,  che 
io  non  potessi  piü  degnamente  trattare  di  lei.  E  di  venire  a  cio 
io  studio  quanto  posso,  si  come  ella  sa  veramente.  Siecht,  se 
piacere  sarä  di  colui,  per  cui  tutte  le  cose  vivono,  che  la  mia 
vita  per  alquanti  anni  duri,  spero  di  dire  di  lei  quello  che  non  fu 
mai  detto  d'  alcuna. 

Wenn,  was  niemand  bezweifelt,  das  hier  erwähnte  dichterische 
Vorhaben  eins  ist  mit  dem  in  der  Commedia  ausgeführten,  so  fragt 
es  sich,  in  welchem  Sinne  Dante  von  ihm  spreche:  als  sei  die 
Ausführung  erst  beabsichtigt  oder  als  habe  sie  begonnen.  Es 
kommt  ganz  darauf  an,  was  man  sich  unter  io  studio  denkt.  Es 
könnte  heißen:  ich  studiere,  d.  h.  erwerbe  mir  Kenntnisse,  bilde 
meinen  Geist  aus ,  um  der  hohen  Aufgabe  gewachsen  zu  sein. 
Oder:  ich  bin  mit  der  Vorbereitung  des  großen  Werkes  beschäf- 
tigt, ich  arbeite  an  der  Skizze,  sammle  Materialien,  führe  einzelne 
Partien  schon  aus,  um  sie  an  ihrem  Orte  später  einzufügen;  dies 
ist  die  Auffassung  Scartazzinis.  Mir  scheint  weder  die  eine  noch 
die  andre  Auffassung  eine  wahrscheinliche  Vorstellung  vom  Ver- 
fahren eines  Dichters  zu  geben,  der  mit  allem  wissenschaftlichen 
Sinne  und  aller  Gelehrsamkeit  immerhin  der  Sohn  eines  einfach 
denkenden,  wenig  schreibenden  und  dem  Gedächtnis  viel  ver- 
trauenden Zeitalters  war.  Gewiß  bedingte  der  Plan  der  Com- 
media, indem  er  gefaßt  ward,  sogleich  eine  Disposition,  und  mit 
den  drei  Hauptteilen  werden  die  100  Gesänge  von  vorn  herein 
beabsichtigt  gewesen  sein ;  auch  mußte  die  Construction  eines  jeden 
der  drei  Reiche  entworfen  sein,  ehe  dieselben  durchwandert  wurden. 
Aber  warum  soll  sich  der  Inhalt  der  einzelnen  Gesänge  nicht  er- 
geben haben,  sowie  jeder  an  die  Reihe  kam  verfaßt  zu  werden? 
warum  der  Ausarbeitung  eine  längere  Periode  der  Materialsamm- 
Inng  und  methodischen  Vorbereitung  vorausgegangen  sein  ?    Jahre 


über  eine  misTerstandene  Stelle  in  Dantes  Commedia.  487 

des  philosophischen  Studiums  waren  der  wanderbaren  Vision  vor- 
ansgegangen,  Jahre  des  Studiums  folgten  ihr  nach,  um  neben  dem, 
was  der  Dichter  sah  und  erlebte,  in  seinem  Gedächtnisse  die  Stoffe 
abzusetzen,  die  seiner  gestaltenden  Phantasie  im  Fortschreiten  der 
Arbeit  zur  Hand  waren. 

Genau  besehen  handelt  die  Stelle  am  Schlüsse  der  Vita  nuova 
gar  nicht  von  der  Commedia  als  solcher,  sondern  von  der  beab- 
sichtigten beispiellosen  Verherrlichung  der  Beatrice,  wozu  jene 
die  Gelegenheit  gab.  Zu  diesem  Ziele  zu  gelangen  —  di  venire 
a  ciü  —  bemüht  sich  der  Dichter  so  viel  er  kann.  Die  Gelegen- 
heit findet  sich  aber  oder  beginnt  erst  mit  den  letzten  Gesängen 
des  Purgatorio;  die  Sendung  zuVirgil  als  Botin  der  Himmlischen 
ist  noch  eine  verhältnismäßig  bescheidene  Ehre  für  die  verklärte 
Geliebte;  und  vor  jener  Gelegenheit  liegt  nach  des  Dichters 
Schätzung  noch  die  Arbeit  für  einige  Jahre.  Was  er  versichert 
ist,  daß  er  sich  nach  Kräften  bemühe  dieselbe  zu  fördern,  und 
begonnen  ist  sie  demnach  schon.  Die  Vita  nuova  selbst  stellt 
sich  dann  heraus  als  eine  Art  Prolog  zu  der  Conmiedia,  bestimmt, 
die  Erwartung  auf  sie  zu  spannen,  aber  auch  den  Leser  mit  der 
irdischen  Persönlichkeit  bekannt  zu  machen,  deren  Macht  über 
des  Dichters  Gemüt  ihn  bewegt  ihr  die  große  allegorische  Rolle 
in  seinem  Werke  zu  übertragen. 

Das  Motiv  aber  der  ihr  in  dieser  Rolle  zugedachten  beispiel- 
losen Verherrlichung  hatte  die  wunderbare  Vision  geliefert,  die 
freilich  Scartazzini  mit  allen,  die  sonst  in  der  Vita  nuova  vor- 
kommen, für  rein  erdichtet  hält,  weil  ein  so  gesunder  kräftiger 
Geist  wie  Dante  kein  Visionär  gewesen  sein  könne  (Proleg.  423. 
Handb.  284).  Also  hatte  wohl  auch  Paulus  der  Apostel,  der  sich 
an  Energie  des  Verstandes  mit  Dante  messen  kann,  keine  Träume 
und  Visionen  ?  Also  hörte  wohl  auch  Sokrates  als  notorisch  nüch- 
terner Dialektiker  keine  Stimme  seines  Daimonions?  Mir  dünkt 
das  ein  aus  der  geistigen  Verfassung  des  modernen  Menschen  zu 
rasch  erschlossenes  Urteil*).  Wer  wird  nicht  zugeben,  daß  die 
Träume  und  Visionen  der  Vita  nuova  mit  ihrem  ganzen  epischen 
Inhalte  nicht  den  Wert  von  Aufzeichnungen  eines  Tagbuchs  haben. 


1)  Was  soll  man  aber  denken,  wenn  Scartazzini  fortfährt:  *Die  Vision  ist 
eben  die  Form,  welche  er  nach  Boethius  Vorgange  gewählt  hat,  am  seine  Oe- 
danken  einzukleiden'  ?  Boethius  führt  einen  Dialog  mit  der  als  ehrwQrdige  Frau 
personificierten  Philosophie  auf  und  muB  diese  Personifikation  zu  Anfang  not^ 
wendig  episch  einführen.  Davon  konnte  Dante  etwa  lernen,  die  Dame  seiner 
Canzonen  im  Convivio  als  Philosophie  zu  allegorisieren ;  aber  welche  Verwandt- 
schaft haben  mit  einem  solchen  'Vorgang'  die  Visionen  der  Vita  nuova  ? 


488  Max  Bieger, 

sondern  dichterisch  stilisiert  seien.  Sie  möchten  immerhin  ganz 
erdichtet  sein:  wenn  aber  Dante  eine  Vision  nicht  etwa  mitteilt, 
sondern  ohne  den  Inhalt  anzugeben  trocken  berichtet,  daß  er  sie 
gehabt  habe  mit  der  und  der  Folge  für  sein  Wollen  und  Thun, 
so  ist  das  nicht  gedichtet,  sondern  entweder  die  Wahrheit  ge- 
sprochen oder  geflunkert. 

Doch  lautet  es  wiederum,  als  erkenne  Scartazzini  die  Ge- 
schichtlichkeit dieser  und  andrer  Visionen  Dantes  an,  wenn  er 
S.  285  sagt:  *Die  Schlußvision  des  Neuen  Lebens  gehört  zweifels- 
ohne zu  denen,  von  welchen  F.  XXX,  133  fg.  die  Rede  ist,  welche 
wirkungslos  blieben,  was  von  der  Vision  der  göttlichen  Komödie 
sicher  nicht  gilt' ;  denn  bei  Visionen,  die  nur  vorgegeben  werden, 
kann  doch,  wenn  man  dies  weiß,  weder  von  Wirkung  noch  Nicht- 
wirkung  die  Rede  sein.  Da  man  aber  einem  scharfsinnigen  Ge- 
lehrten einen  Widerspruch  mit  sich  selbst  nicht  zutrauen  kann, 
muß  der  Sinn  des  angeführten  Satzes  wohl  der  sein:  als  Dante 
den  30.  Gesang  des  Purgatorio  schrieb,  wollte  er,  daß  der  Leser 
bei  den  wirkungslos  gebliebenen  Visionen,  von  denen  dort  Bea- 
trice spricht,  an  jene  Vision  dächte,  die  er  am  Schlüsse  der  Vita 
nuova  vorgegeben  hatte.  Dagegen  aber  läßt  sich  einwenden,  daß 
eine  hoffnungslosere  Zumutung  dem  Leser  nicht  gemacht  werden 
konnte,  nachdem  eben  dieser  Vision  vom  Verfasser  eine  besonders 
tiefe  und  nachhaltige  Wirkung  auf  sein  Verhalten  gegenüber  der 
verklärten  ßeatrice  beigelegt  war. 

Wer  unserm  Dichter  glaubt,  was  er  am  Schlüsse  der  Vita  nuova 
berichtet,  und  wer  demnach  die  Idee  der  Commedia  auf  die  wunder- 
bare Vision  zurückführt,  der  wird  auch  geneigt  sein  zu  glauben,  daß 
Dante  in  der  Zeitbestimmung  der  auf  sie  begründeten  poetischen 
Handlung  nur  dem  erlebten  sein  Recht  gelassen  habe,  daß  also 
die  wunderbare  Vision  im  Jahre  1300  um  das  Frühlingsäquinoctium 
stattgefunden  habe.  Scartazzini  muß  dahin  gestellt  lassen,  was 
den  Dichter  zu  dieser  Zeitbestimmung  bewog ;  denn  die  Andeutung 
daß  das  Jubiläum  mit  seinem  großen  Ablaß  durch  den  tiefen  Ein- 
druck, den  es  seinem  Gemüte  gemacht  habe,  daran  schuld  sein 
könnte,  scheint  für  ihren  Urheber  selbst  keinen  sehr  hohen  Wert 
zu  haben.  Aber  er  glaubt  durch  ein  Urteil  der  Textkritik  der 
Gleichsetzung  des  Datums  der  wunderbaren  Vision  mit  dem  der 
Handlung  des  großen  Gedichtes  eine  Stütze  zu  zerbrechen,  die 
für  sicher  gegolten  hatte.  Das  vorletzte  Gedicht  der  Vita  nuova 
schien  durch  den  Commentar  des  Dichters  (c.  41]  bereits  dem 
Jahre  1300  zugewiesen  durch  die  Worte  in  quel  tempo  che  molta 
gente  andava  per  vedere  qnella  imagine  benedetta,  la  quäle  Gesü 


r 


über  eine  misTerstandene  Stelle  in  Dantes  Commedia«  489 

Cristo  lasciü  a  noi  per  esempio  della  sua  belUbsima  figora;  indem 
man  sich  an  Yillanis  Erzählung  hielt,  daß  im  Jubeljahr  zur  Stär- 
kung der  Pilger  jeden  Freitag  und  Festtag  in  St.  Peter  la  Ve- 
ronica  del  sudario  di  Cristo  gezeigt  worden  sei.  Wenn  man  va 
statt  andava  liest,  so  wird  eine  Zeit  jedes  gewöhnlichen  Jahres 
angedeutet,  wo  die  Veronica  zu  sehen  war,  und  ein  in  jedem  Jahr 
zu  gewissen  Zeiten  wahrzunehmendes  Strömen  von  Pilgern;  und 
diese  Lesart  hält  Scartazzini  für  ^unzweifelhaft  richtig^  weil  sie 
in  24  Handschriften,  die  andre  nur  in  dreien  vorkomme.  Aber  seit 
wann  entscheidet  denn  die  Mehrheit  der  Handschriften  wie  in  einem 
Parlament  über  den  Wert  der  Lesarten?  Die  magliabecchianische 
Pergamenthandschrift,  die  einzige  des  14.  Jahrhunderts,  welche  daher 
auch  d'Ancona  und  Witte  als  Herausgeber  zu  Grunde  legen,  liest 
andava.  Mit  dieser  Form  der  Vergangenheit  blickt  Dante  aus 
dem  Standpunkte  künftiger  Leser  auf  seine  Gegenwart  zurück 
und  es  L$t  durchaus  nicht  nötig,  wie  Scartazzini  meint,  ans  ihr 
zu  folgern,  daß  das  Buch  später  als  1300  geschrieben  sei 

Eine  Zeitgrenze  seiner  Abfassung  bildet  der  Tod  des  Guido 
Cavalcanti,  dem  es  gewidmet  ist.  Er  starb  früh  im  Jahre  1301  ^). 
Ln  Laufe  von  1300  bis  in  den  Anfang  des  folgenden  Jahres  mußte 
also  der  Plan  der  Commedia  in  den  Hauptzügen  zu  Stande  ge- 
kommen sein,  ihre  Ausarbeitung  begonnen  haben  und  die  Prosa 
zu  den  Gedichten  der  Vita  nuova  geschrieben  sein.  Wenn  nicht 
etwa  der  Bericht  dieser  letztern  über  des  Verfassers  Erlebnisse 
seit  dem  9.  Juni  1291  bis  zu  der  wunderbaren  Vision  eine  wirk- 
liche Schwierigkeit  bildet.  Denn  diese  Erlebnisse  scheinen  sich 
in  einen  sehr  kurzen  Zeitraum  zusammen  zu  drängen  und  die 
nahezu  neun  Jahre  bis  1300  entfernt  nicht  auszufüllen. 

Wir  wissen  aus  dem  Convivio,  daß  in  diese  Jahre  Dantes 
Studium  der  Philosophie  fiel,  das  ihm  nach  einer  Dauer  von  30 
Monaten  jeden  andern  Gedanken  vertrieben  hatte,  also  natürlich 
länger  als  dritthalb  Jahr  dauerte.  Wir  wissen  mehr  aus  den 
zwei  in  der  Commedia  angeführten  Canzonen  und  der  von  der 
zweiten  derselben  vorausgesetzten  Ballate  Voi  che  sapete  ragionar 
d*amore;  wir  sehen  aus  diesen  Gedichten,  daß  Dante  seine  mit 
Ruhm  begonnene  Laufbahn  als  trovatore  weiter  verfolgte,  bei  der 


1)  ZarQckgekehrt  von  Sereszano,  wohin  er  mit  andern  H&aptern  der  Weißen 
confiniert  war»  um  dem  Strafurteil  über  Corso  Donati  und  andre  Schwarxe  wegen 
der  Verschwörung  im  December  1300  ein  Gegengewicht  su  schaffen.  Die  B&ck- 
kehr  war  dem  Guido  und  seinen  Genossen  erlaubt  worden  per  lo  infermo  luogo 
und  er  kam  schon  krank  zurück. 


490  Max  Rieger, 

die  Liebe  so  zu  sagen  zum  Geschäft  gehörte,  und  daß  er  nach 
dem  Tode  der  ersten  Geliebten  seine  Huldigungen  anderswo  unter- 
zubringen verstand.  Wir  wissen  mehr  aus  der  Commedia,  wo  die 
auf  der  Höhe  des  Reinigungsberges  erscheinende  Beatrice  vom 
Dichter  das  Geständnis  eines  den  Gütern  dieser  Welt  hingegebenen 
Lebens  erhält:  Le  presenti  cose  col  falso  lor  piacer  volser  miei 
passi  tosto  che'l  vostro  viso  si  nascose  (Purg.  31,  34),  um  dann 
in  ihrem  Vorhalt  fortzufahren  bis  zu  der  so  deutlichen  Terzine 
Non  ti  dovean  gravar  le  penne  in  giuso,  per  aspettar  piü  colpi,  o 
pargoletta  o  altra  vanitä  di  si  breve  uso  (58),  wo  die  Beziehung 
auf  den  Gegenstand  der  Ballate  lo  mi  son  pargoletta  bella  e 
nuova,  des  Sonettes  Chi  guardera  giammai  senza  paura  und  der 
Canzone  lo  son  venuto  al  tempo  della  rota,  die  gleichfalls  von 
der  pargoletta  handeln '),  nicht  zu  verkennen  ist,  und  dem  strengen 
Vorhalt  der  Himmlischen  die  graziöse  Beimischung  einer  kleinen 
weibHchen  Eifersucht  gibt.  Wir  wissen  endlich  aus  der  Begeg- 
nung  mit  dem  unter  den  golosi  büßenden  Forese  Donati  im  23. 
Gesänge  des  Purgatorio,  daß  Dante  vor  dem  Jahre  1296,  in  dessen 
Anfang  Forese  starb,  an  dem  lustigen  Leben  in  Florenz  in  einem 
Maße  TeU  genommen  hat,  das  ihm  die  Erinnerung  peinlich  machte. 
Der  dunkle  Wald,  darin  er  sich  in  der  Mitte  des  Menschenlebens 
fand,  war  die  Welt,  an  die  er  sich  verloren  hatte,  aus  der  er 
die  lichte  Höhe  der  Philosophie  vergeblich  zu  ersteigen  suchte, 
weil  die  drei  Tiere,  die  den  Inhalt  des  Weltlebens  darstellen,  ihm 
den  Weg  sperrten. 

Diese  ganze  Periode  der  Abkehr  von  jener  jugendlich  idealen 
Einheit  der  Liebe  und  Religion,  die  uns  in  der  Vita  nuova  ent- 
zückt, wird  in  derselben  ersetzt  durch  die  Erzählung,  wie  der 
Verfasser  alquanti  di  eine  gewisse  mitleidige  Dame  geliebt  und 
seiner  Beatrice  vergessen  habe;  und  dadurch  war  der  Versuch 
gewiß  dringend  empfohlen,  das  Buch  in  die  erste  Hälfte  der  neun- 
ziger Jahre  zu  verlegen,  wodurch  es  zum  Denkmal  einer  nur  vor- 
übergehenden Rückwendung  zu  Beatrice,  eines  vergeblich  geblie- 
benen Zwischenfalls  in  der  Periode  der  Abkehr  gemacht  ward« 
Der  Versuch,  der  sich  in  allzu  große  Schwierigkeiten  verwickelt, 
wäre  wohl  zu  umgehn  gewesen,   wenn  man   sich  die  Natur  des 


1)  Die  Andeatang  einer  noch  halb  kindlichen  Geliebten,  die  von  der  donna 
gentile  yerschieden  sein  muB,  liegt  aach  in  Str.  4  der.  Canzone  Amor,  che  maoTi 
toa  virtü  dal  cielo,  wo  Amor  gebeten  wird  non  soffrir  che  costei  per  giovinesza 
mi  coudaca  a  morte;  chö  non  s'accorge  ancor,  come  ella  place  n^  come  io 
l'amo  forte,  n^  che  negli  occhi  porta  la  mia  pace. 


i 


über  eine  mis verstandene  Stelle  in  Dantes  Commedia.  491 

Baches  als  Dichtung  und  Wahrheit  völlig  vergegenwärtigt  hätte. 
Mir  scheint,  daß  schon  hier  der  große  Ailegorist  sich  ankündet, 
den  wir  aus  der  Commedia  kennen,  der  nicht  mit  trockener  Per- 
sonification  arbeitet,  sondern  wirkliche  Personen  als  Träger  von 
Principien  auftreten  läßt,  die  er  nicht  angibt,  sondern  zu  erraten 
aufgibt,  so  daß  die  Commentatoren  sich  an  ihrer  Formulierung 
erschöpfen.  Eine  solche  Grestalt  ist  Matalda,  in  der  ich  glaube 
die  schöne  und  liebenswürdige  Freundin  Beatricens  erkennen  zu 
dürfen,  von  deren  frühem  Tode  V.  n.  8  handelt;  eine  solche  ist 
vor  allen  Beatrice  selbst,  und  für  eine  solche  nehme  ich  auch  die 
mitleidige  Dame,  die  später  im  Convivio  als  Philosophie  allegori- 
siert  werden  konnte,  in  der  Vita  nuova  aber  einen  ähnlichen,  nur 
minder  derb  gedachten  Sinn  hat,  wie  ihn  die  Deutschen  des  Mittel- 
alters mit  der  frou  Welt  verbanden.  So  konnte  der  Gegenstand 
der  ersten  neuen  Neigung,  die  den  Dichter  seiner  Trauer  um 
Beatrice  entriß,  in  dem  Werke,  das  dem  Andenken  dieser  geweiht 
ist  und  mit  der  Rückkehr  zu  ihr  sein  Ziel  erreicht,  die  Abkehr 
symbolisieren  und  gewisser  Maßen  als  Abbreviatur  einer  ganzen 
Lebensperiode  dienen.  Die  alquanti  dl  drücken  nicht  eine  nur 
nach  Tagen  zu  berechnende,  sondern,  wie  in  C.  9  und  19,  und  wie 
alquanto  tempo  in  C.  36  eine  Zeitdauer  aus,  die  man,  ob  lang 
oder  kurz,  in  poetisch  empfundener  Darstellung  rein  unbestimmt 
läßt,  und  die  Mitleidige  repräsentiert  alles  das,  was  dem  Dichter 
den  falschen  Trost  der  Welt  gewährt  hat. 

Ein  deutliches  Zeugnis  für  die  frühe  Entstehung  der  Vita 
nuova  soll  das  Convivio  in  seinem  ersten  Capitel  ablegen,  wo  die 
Verschiedenheit  dieses  Werkes  von  jenem  so  erklärt  wird:  io  in 
quella  dinanzi  all'  entrata  di  mia  gioventute  parlai,  e  in  questa 
(opera)  dipoi  quella  giä  trapassata.  Aber  diese  Worte  würden 
ja  die  Vita  nuova  gar  auf  1290,  wo  Dante  25  Jahre  alt  war  und 
Beatrice  erst  starb,  zurückverlegen!  Ich  halte  es  für  deutlich, 
daß  hier  an  die  in  dem  Buch  enthaltenen  parole  rimate,  die  seinen 
Hauptinhalt  ausmachen,  gedacht  ist,  und  nicht  an  den  so  ruhig 
sachlichen  Commentar.  Und  nicht  anders  verhält  es  sich  mit  dem 
Zeugnis  in  Conv.  2,  13,  wo  der  Verfasser  sagt,  daß  es  ihm  nach 
anfänglicher  Schwierigkeit  endlich  gelungen  sei,  in  die  sentenza 
von  Ciceros  Lälius  einzudringen,  quanto  Tarte  di  gramatica,  ch'  io 
aveva,  e  un  poco  di  mio  ingegno  potea  fare ;  per  Io  quäle  ingegno 
molte  cose,  quasi  come  sognando,  gik  vedea;  siccome  nella  Vita 
nuova  si  puo  vedere.  In  der  V.  n.  kann  man  das  sehen,  weil  sie  die 
Grediohte  enthält,  die  zur  Zeit  jenes  Studiums  schon  vorhanden  waren, 
nicht  weil  das  Buch,  das  dieselben  enthält,  schon  geschrieben  war. 


492  ^*x  Rieger, 

Aber  war  nicht  gar  nach  dem  Zeugnis  der  Canzone  Donne 
ch'  avete  intelletto  d*  amore  (in  dem  auf  den  Dichter  bezüglichen 
Relativsatze :  e  che  dirä  nell'  inferno  ai  malnati :  io  vidi  la  spe- 
ranza  dei  beati)  die  Idee  der  Commedia  schon  vor  1290  gefaßt, 
so  daß  es  keiner  Vision  mehr  bedurfte  um  sie  zu  erzeugen?  Aus 
dieser  Stelle  geht  so  viel  hervor,  daß  Dante  sich  damals  bereits 
mit  dem  Project  einer  Höllenfahrt  trug,  und  mehr  nicht;  und 
dieses  Project  muß  von  dem  später  ausgeführten  sehr  verschieden 
gewesen  sein,  weil  dieses  letztere  zu  einer  solchen  Rede  an  die 
Verdammten  nirgend  Gelegenheit  gegeben  hätte ;  vielmehr  erweist 
Dante  keinen  von  ihnen  die  Ehre,  jener  Seligen  gegen  ihn  Er- 
wähnung zu  thun.  Ich  könnte  mir  denken,  daß  der  junge  Dichter 
zu  einem  solchen  Werke  mit  guelfischer  Tendenz  entschlossen, 
vielleicht  aufgefordert  war,  um  die  verstorbenen  Gegner  der  Partei 
Revue  passieren  zu  lassen. 

Ich  glaube  gezeigt  zu  haben,  daß  die  aus  Purg.  6,  101  er- 
schlossene frühe  Entstehung  eines  großen  Teils  der  Commedia 
mit  den  recht  verstandenen  eignen  Zeugnissen  des  Dichters  nicht 
im  Widerspruche  steht.  Sie  paßt  nur  nicht  zu  einer  bekannten 
Construction  des  innern  Lebens  oder  der  geistigen  Entwickelung 
Dantes,  wonach  das  Convivio  als  Product  einer  philosophischen 
Periode  sich  einschieben  muß  zwischen  die  Vita  nuova  als  Denkmal 
einer  naiv  gläubigen  und  die  Commedia  als  Denkmal  einer  dritten 
theologisch  befriedigten  Periode.  Ich  habe  gegen  diese  Construction 
in  der  Umbildung,  die  ihr  in  Scartazzinis  Handbuch  geworden, 
an  sich  nichts  einzuwenden,  und  sie  bedürfte  nur  einer  leichten 
Aenderung,  um  sich  dem  exegetischen  Resultat,  das  ich  vorlege, 
anzubequemen. 

Nach  Scartazzini  muß  ja  der  Uebergang  von  der  zweiten  zur 
dritten  Periode  mit  Schwankungen  und  stufenweise  geschehen  sein, 
das  er  durch  die  Purg.  30,  133  erwähnten  vergeblich  gebliebenen 
Impulse  bestätigt  findet.  So  könnte  denn  ein  erster  früher  An- 
lauf zur  Commedia  wieder  gestockt  haben,  weil  die  innere  Ent- 
wickelung noch  nicht  zur  Reife  gelangt  war,  und  während  dieser 
Stockung  könnte  die  zweite  Periode  noch  einmal  neue  Kraft  ge* 
Wonnen  und  das  Convivio  hervorgebracht  haben. 

Nur  mochte  ich  mich  dagegen  verwahren,  daß  die  Beschäfti- 
gung mit  der  Philosophie  und  das  Vertrauen  auf  sie,  als  Inhalt 
der  zweiten  Periode,  Gegenstand  der  Reue  für  den  Dichter  and 
des  strafenden  Vorhalts  durch  Beatrice  sei.  Dieser  Gegenstand 
ist  nur  das  Erlahmen  des  religiös-sittlichen  Idealismus  der  ersten 


über  eine  misTerstandene  Stelle  ans  Dantes  Commedia.  493 

Periode  und  die  Hingebung  an  die  Zwecke  des  Weltlebens;  die 
scuola  ch'  hai  segaitata  Porg.  33,  85  kann  ich  im  Zasammenhang 
mit  der  vorausgegangenen  Rede  der  Beatrice  nur  von  der  guelfisch- 
klerikalen  Politik  verstehn,  der  Dante  nach  der  Tradition  seines 
Hauses  und  der  Lehre  Brunetto  Latinis  bis  1300  gefolgt  war, 
und  nicht  von  irgend  welcher  den  himmlischen  Weg  (nostra  via) 
verlassenden  philosophischen  Schulweisheit.  Gewiß  folgte  bei 
Dante  eine  theologische  auf  eine  philosophische  Periode,  aber  nicht 
in  der  Weise  des  Gegensatzes  (der  sich  nirgend  erkennen  läßt), 
sondern  nur  so,  daß  die  erste  als  Vorstufe  der  andern  über- 
wunden ward. 

Ich  glaube,  die  Unterbrechung  der  Commedia  durch  das  Con- 
vivio,  die  ich  annehme,  erklärt  sich  weit  leichter  und  einfacher 
aus  der  äußern  als  aus  der  Innern  Geschichte  Dantes. 

Scartazzini  ist  der  erste  Biograph,  der  sich  die  praktische 
Frage  vorlegte,  wovon  Dante  als  armer,  aber  stolzer  Exulant 
allezeit  seinen  Unterhalt  möge  bestritten  haben,  und  der  aus  dessen 
gut  beglaubigtem  Verweilen  in  Bologna,  Padua  und  Paris  wie  aus 
seiner  bezeugten  spätem  Lehrthätigkeit  in  Ravenna  die  einleuch- 
tende Antwort  fand :  als  Lehrer  der  Wissenschaften,  die  er  im  da- 
maligen Sinne  beherrschte ;  womit  das  gleichzeitige  Studieren  andrer 
Wissenschaften  bei  andern  Lehrern  derselben  Hochschule  nach  mittel- 
alterlicher Weise  nicht  ausgeschlossen  war.  Nun  ward  er,  so  weit 
sein  Volgare  erklang,  als  berühmter  trovatore  aufgenommen  und 
fand  mehr  oder  weniger  Kenntnis  seiner  Canzonen  bei  den  lite- 
rarisch gebildeten  Landsleuten  vor.  Hatte  er  aber  jetzt  den  Ge- 
lehrten und  Philosophen  zu  repräsentieren  und  galt  es,  mit  diesem 
den  Dichter  unter  einen  Hut  zu  bringen  und  den  letztern  so  zu 
sagen  dem  erstem  unschädlich  zu  machen,  so  war  es  für  einen 
scholastisch  disciplinierten  Geist  kein  femliegender  Gedanke,  seine 
Gedichte  erotischen  wie  moralischen  Inhalts  durch  die  Kunst  der 
mehrfachen  Auslegung  zum  Gegenstande  von  Vorlesungen  zu 
machen.  Aus  solchen,  vermute  ich,  entstand  der  Plan  und  die 
Disposition  des  Convivio,  damit  der  gleiche  Unterricht  auch  dem 
Lese-Publikum  der  Volkssprache  dargeboten  würde;  während  das 
unter  den  gleichen  Umständen  entworfene  Buch  De  vulgari  elo- 
quentia  den  gelehrten  Kreisen  vorbehalten  blieb,  um  bei  ihnen 
den  Gegenstand  zu  Ehren  zu  bringen. 

So  dürfte  es  geschehen  sein,  daß  die  Commedia,  von  der  die 
vollendete  erste  Cantica  einstweilen  für  sich  allein  wirken  mochte, 
im  Purgatorio,  etwa  nach  dem  die  Episode  Sordellos  beschließenden 

KfL  0«.  «.  Wki.  NMkrittht«.   PUlolof .-kistor.  KUm  1886.    H«ft  4.  33 


494  ^az  Rieger, 

achten  Gesänge  ^),  unterbrochen  nnd  auf  eine  spätere  Zeit  zurück- 
gestellt ward. 

Ist  das  Convivio,  wie  Scartazzini  nachweist,  zwischen  1307 
und  9  und  ungefähr  gleichzeitig,  wenn  nicht  etwas  früher,  das 
Buch  von  der  Eloquenz  in  der  Volkssprache  entstanden,  so  steht 
die  Frage  vor  uns,  wann  und  wodurch  es  geschah,  daß  beide  be- 
gonnene Werke  torsi  blieben.  Man  sieht  in  dem  Tode  Heinrichs  VII. 
den  kritischen  Punkt,  wo  sich  Dantes  Umkehr  zu  Beatrice  ent- 
schied und  die  dritte  Periode  seines  Innern  Lebens  begann,  mit 
welcher  die  in  der  zweiten  unternommenen  Werke  aufgegeben 
wurden.  Auf  meinem  Standpunkte  liegt  es  näher,  die  letztere 
Wirkung  mit  Dantes  XJebergang  nach  Paris  in  Zusammenhang  zu 
bringen,  wo  er  nach  Boccaccio  verweilte,  bis  die  Kunde  vom  Römer- 
zug des  neuen  Königs  zu  ihm  kam.  Paris  war  der  Ort,  um  sich 
in  die  Thomistische  Theologie  zu  vertiefen;  und  mit  diesem  Stu- 
dium, das  für  die  spätem  Teile  der  Commedia  so  ergiebig  ward, 
mögen  die  Interessen  der  letzten  vorausgegangenen  Jahre  zurück- 
getreten sein,  um  dem  älteren  der  Commedia  für  immer  den  Platz 
zu  räumen;  so  daß  von  hier  an  bereits  die  dritte  Periode  zu  da- 
tieren wäre. 

XJebrigens  hatte  Dante  in  das  Exil  nicht  nur  seine  Minne- 
lieder, sondern  den  Minnesänger  selbst  mitgenommen,  wie  wenig- 
stens die  montanina  canzon :  Amor  dacchä  convien  pur  ch'  io  mi 
doglia   mit  klaren  Worten  bezeugt  *).    Er  findet  sogar  stärkere 


1)  Die  Beziehung  auf  Heinrich  VII.  in  dem  Verse  siecht  tardi  per  altri  si 
ricrea  7,  96,  die  Scartazzini  im  Commentar  als  ausgemachte  Sache  behandelt, 
ist  völlig  unsicher.  Mir  scheint  daB  Sordello  (nicht  Dante  selbst)  nur  von  einem 
möglichen  andern  so  pessimistisch  spricht ;  ich  erkläre :  daB  es  zu  sp&t  sein 
wird,  wenn  ein  andrer  kommt,  um  das  todkranke  Italien  zu  heilen. 

2)  Es  gehört  für  mich  zu  den  wunderlichsten  Erscheinungen  auf  dem  Gebiet 
der  Exegese,  daB  man  dieses  Gedicht  allegorisch  von  der  grausamen  Dame  Fio- 
renza  verstanden  hat,  und  sogar  den  vier  sogenannten  Steincanzonen  die  gleiche 
Beziehung  gibt.  Ich  vermag  kein  einziges  Gedicht  Dantes,  das  von  den  Reizen 
und  der  Grausamkeit  einer  Schönen  und  den  verliebten  Qualen  des  Dichters  hau* 
delt,  in  seiner  echten  und  urspünglichen  Meinung  weder  von  der  Philosophie 
noch  von  der  Stadt  Florenz  noch  von  irgend  einer  Abstraction  zu  verstehn,  und 
ich  kann  mir  den  sinnlich-übersinnlichen  Pedanten  kaum  vorstellen ,  dem  ich  ein 
allegorisches  Machwerk  in  solcher  Manier  zutrauen  würde.  Wenn  dem  gröBten 
Dichter  des  Mittelalters  sein  scholastisches  Gewissen  erlaubte  oder  empfahl, 
einigen  seiner  Sachen  nachträglich  eine  solche  Deutung  zu  geben,  so  bleibe  dahin 
gestellt,  was  seine  Zuhörer  in  Bologna,  Padua  oder  Ravenna  dabei  dachten; 
daB  aber  heutige  Philologen  sich  auf  diesen  Weg  verlocken  lassen,  eoUte  man 
kaum  glauben. 


über  eine  misventandene  Stelle  in  Dantes  Commedia.  495 

Tone  der  Leidenschaft  als  einst  gegenüber  der  mitleidigen  Dame; 
und  so  viel  man  davon  der  bloßen  dicbterischen  eloqaentia  zu- 
schreiben magi  darf  man  doch  dabei  seines  Geständnisses  nicht 
vergessen  io  mi  son  nn,  che,  qnando  amor  mi  spira,  noto  e  a  quel 
modo,  che  ditta  dentro,  vo  significando  (Pnrg.  24,  52),  und  es  wird 
dabei  bleiben,  daß  Dante  noch  als  Verbannter  sich  einmal  im 
Casentino  verliebt  hat;  auch  wenn  der  fragwürdige  Brief  an  den 
Malaspina  als  Zeugnis  ans  dem  Spiele  bleibt.  Ob  diese  Episode 
seines  innern  Lebens  ganz  unbeteiligt  dabei  war,  daß  er  an  einem 
auf  Beatricens  Verherrlichung  abzielenden  Werke  eine  Zeit  lang 
nicht  weiter  arbeitete,  ist  ein  Gedanke,  der  vielleicht  ein  minder 
flüchtiges  Gehör  verdienen  würde,  wenn  wir  von  der  Zeit  jenes 
Aufenthalts  am  oberen  Arno  unterrichtet  wären. 


83* 


Diplomatische  Miszellen. 

Von 

P.  Eehr. 

Vorgelegt  in  der  Sitzung  yom  26.  November  1898. 

I.   Za  Petrus  dlaconas. 

Was  bisher  über  den  päpstlichen  Bibliothekar  und  Kanzler 
Petrus  ermittelt  worden  ist,  hat  H.  Bresslau  im  Handbuch  der 
Urkundenlehre  1 191  ff.  zusammengestellt.  Ganz  richtig  charakte- 
risirt  er  ihn  als  einen  pflichttreuen  und  fleißigen  Beamten  in  ver- 
antwortlicher, aber  doch  eigentlich  nur  subalterner  Stellung.  Petrus 
war  ein  wirklicher  Kanzleibeamter,  der  die  Urkunden  nicht  nur, 
wie  seines  Amtes  war,  regelmäßig  datirte,  sondern  sie  auch,  zu- 
weüen  ganz  oder  zum  Theü,  selbst  mundirte. 

Von  einem  solchen  Manne  läßt  sich  wohl  auch  annehmen,  daß 
er  auch  an  der  Abfassung  der  Urkunden  sich  betheiligt  hat.  Dies 
läßt  sich  nun  thatsächlich  erweisen.   Das  Kapitelarchiv  in  Florenz  ^) 


1)  Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  Herrn  Dr.  R.  David  söhn  für  die  mir 
von  ihm  erwiesene  vielfache  Anregung  und  th&tige  Unterstützung  w&hreud  meines 
Aufenthalts  in  Florenz  vielmals  zu  danken.  In  das  Kapitelarchiv  selbst  führte 
mich  Herr  Dr.  Salvatore  Minocchi  ein  und  vermittelte  mir  die  günstigste  Auf- 
nahme bei  den  Camerlenghi  des  Kapitels,  den  Monsigüori  Ciaranfi  und  Oon- 
falonieri.  —  Die  Papsturkunden  des  Archivs  hat  v.  Pflugk-Harttung 
Iter  8.  19  unvollständig  verzeichnet.  Es  besitzt  folgende  Papsturkunden: 
Originale : 

Leo  IX.  1060  VU  15.  J-L.  4230  (Nr.  966). 

Alexander  U.  1062  XI  24.  J-L.  4489  (Nr.  980). 

Alezander  H.  1068  XII  16.  J-L.  4666  (Nr.  969). 

Qregor  VII.  1076  XII  28.  J-L.  6015  (Nr.  954). 

Paschalis  II.  1102  III  4.  J-L.  6894  (Nr.  968). 

Anastasius  IV.  1164  U  S.  J-L.  9826  (Nr.  959). 


diplomatische  Miszellen.  497 

bewahrt  unter  Nr.  256  eine  Urkunde  Benedicts  IX.  vom  24.  März 
1038  (J-L.  4109,  irrig  zu  1036  eingereiht),  die  sich  auf  den  ersten 
Blick  als  eine  ziemlich  gleichzeitige  Copie  erweist.  Auf  dem 
langen  schmalen  Pergamentstreifen  läuft  die  Schrift,  deren  erste 
Zeile  in  Majuskeln  geschrieben  ist,  in  schlichter  Minuskel,  ohne 
ied»  VeJch,  di,  CurWe  de,  m  der  SeripWeüe  sich  .^.ne.. 
den  Notars  Sergius  nachzuahmen.  Sie  ist  sicher  Florentiner  Ur- 
sprungs: es  ist  derselbe  Ductus,  den  wir  auch  sonst  in  der  Mitte 
des  11.  Jahrhunderts  in  den  Florentiner  Urkunden  begegnen. 

Daß  diese  einfache  Copie  ein  nicht  geringes  diplomatisches 
Interesse  besitzt,  hat  bereits  R.  Davidsohn  erkannt,  der  in 
seinen  Forschungen  zur  älteren  Geschichte  von  Florenz  S.  177 
auch  schon  das  Yerhältniß  kurz  bezeichnet  hat,  das  zwischen  dem 
Privileg  Benedicts  IX,  und  demjenigen  Leos  IX.  vom  15.  Juli 
1050  (J-L.  4230)  besteht.  Er  bemerkte,  daß  unsre  Copie  dazu 
diente,  um  vermittelst  Ausstreichungen  und  Veränderungen  den 
Entwurf  der  Bulle  Leos  IX.  herzustellen.  Indem  die  Herausgeber 
der  Urkunde  Benedicts  IX.  in  völliger  Verkennung  der  Sachlage 
diese  Korrekturen  für  solche  ansahen,  die  ihr  selbst  gelten  sollten, 
haben  sie  einen  Text  geboten,  wie  er  in  Wahrheit  nie  existirt  hat. 

Ich  gebe  daher  nicht  nur  den  ursprünglichen  Text  der  Urkunde 
Benedicts  IX.,  sondern  lege  auch  das  eigentümliche  Verhältniß 
zwischen  den  Urkunden  Benedicts  IX.  und  Leos  IX.  genauer  dar. 
Die  diplomatische  Bedeutung  der  Sache  liegt  ja  auf  der  Hand :  so 
alte  Concepte  haben  wir  sonst  nicht.  Und  ebenso  selten  vermögen 
wir  in  so  früher  Zeit  das  Verhältniß  zwischen  Vorlage,  Concept 
und  Originalausfertigung  darzulegen,  wie  es  hier  der  Fall  ist,  wo 
uns  alle  drei  erhalten  sind.    Dazu  kommt,  wie  schon  berührt,  daß 


Lucius  III.  1184  V  6.  J-L.  15038  (Nr.  261). 

Urban  III.  1186  IX  1.  J-L.  —  (s.N.).    Vgl.  Davidsohn  Forsch.  S.  186  Nr.  77. 
Copien : 

Benedict  IX.  1038  III  24.  J-L.  4109.    Cop.  s.  XI  (Nr.  266). 

Gregor  VL  1046  II  18.  J-L.  4129.    Cop.  s.  XI  (Nr.  1038). 

Leo  IX.  1060  Vn  16.  J-L.  4230.    Cop.  ?.  1319  (Nr.  974). 

Nicolaus  II.  1060  I  8.  J-L.  4426.    Cop.  s.  XII  (Nr.  976). 

Nicolaas  II.  s.  d.  J-L.  4441.    Cop.  s.  XII  (Nr.  978). 

Alezander  II.  1062  XI  24.  J-L.  4489.  Cop.  s.  XI  (Nr.  961)  und  Cop.  t.  1319 

(Nr.  1062). 
Alexander  D.  s.  d.  J-L.  —  (Nr.  1018).   Vgl.  Davidsohn  Forsch.  S.  177  Nr.  28. 
Gregor  VII.  1076  XII  28.  J-L.  6016.    Cop.  s.  XI  (Nr.  979). 
Calixt  IL  1124  XI  20.  J-L.  7174.    Cop.  s.  XII  (Nr.  960). 
Calixt  II.  (1124)  XI  20.  J-L.  7176.    Cop.  s.  XII  (Nr.  960). 
Honorius  II.  (1126)  I  18.  J-L.  7182.    Cop.  s.  XII  (Nr.  960). 


498  P.  Kehr, 

dieses  Concept  ans  zu  der  intimsten  Thätigkeit  des  Kanzlers  Pe- 
trus selbst  führt. 

Der  Text  der  zuvor  beschriebenen  Copie  der  Urkunde  Bene- 
dicts IX.  ist  also  vielfach  verändert  worden.  Eine  wenig  jüngere 
Hand  hat  große  Parthien  des  ursprünglichen  Textes  durchstrichen, 
manchmal  auch  nur  einige  Worte,  und  dann  den  neuen  Text  zwi- 
schen die  Zeilen  darüber  geschrieben.  Einzelne  Buchstaben,  wie 
0  in  Corte,  das  sie  in  u,  also  zu  carte,  corrigirte,  sind  direct  ver- 
bessert. Wie  der  Corrector  verfuhr,  davon  mag  das  beigegebene, 
freilich  nicht  auf  Vollkommenheit  Anspruch  erhebende  kleine  Fac- 
simile  eine  Vorstellung  geben;  eine  genauere  Nachprüfung  soll 
der  Abdruck  ermöglichen,  den  ich  zum  Schluß  folgen  lasse:  A  ist 
der  ursprüngliche  Wortlaut  des  Privilegs  Benedicts  IX.;  die  cur- 
siv  gedruckten  Stellen  darin  strich  der  Corrector  aus.  B  ist  der 
neue  durch  eben  diese  Correcturen  hergestellte  Text,  das  Concept 
für  das  Privileg  Leos  IX.;  die  cursiv  gedruckten  Stellen  sind 
von  der  Hand  des  Correctors.  Die  Varianten  endlich  der  Origi- 
nalausfertigung Leos  IX.  biete  ich  in  den  Fußnoten. 

Den  Corrector  erkennt  man  auf  den  ersten  Blick.  Es  ist 
die  jedem  Diplomatiker  wohl  bekannte  Hand  des 
Kanzlers  Petrus  diaconus  selbst. 

Wie  schon  bemerkt,  wußten  wir  bereits,  daß  der  Kanzler  in 
Person  mehrere  Urkunden  mundirt  oder  sich  an  deren  Reinschrift 
beteiligt  hat.  Eben  hierauf  gründete  sich  in  der  Hauptsache 
Bresslau's  XJrtheil  über  die  Stellung,  die  Petrus  in  der  päpstlichen 
Kanzlei  einnahm.  Jetzt  wird  sie  noch  klarer  werden,  seit  wir 
wissen,  daß  er  auch  als  Concipient  thätig  war.  Diese  Thatsache 
aber  ist  nicht  ohne  Bedeutung  auch  für  die  methodische  Kritik 
der  Papsturkunden  dieser  Periode:  es  wird  Aufgabe  späterer 
Untersuchung  sein,  das  ganze  Urkundenmaterial  von  Benedict  IX. 
bis  Leo  IX.  auf  seine  Thätigkeit  als  Diktator  hin  zu  prüfen. 
Denn  jetzt  besitzen  wir  ein  ganz  sicheres  Material  zur  Feststel- 
lung des  ihm  eigenen  Diktates  in  der  von  ihm  persönlich  vorge- 
nommenen Umarbeitung  der  Urkunde  Benedicts  IX.  Seine  Ver- 
änderungen sind  keineswegs  immer  rein  sachlich ;  sie  sind  vielfach 
nur  sprachlicher  und  stilistischer  Natur,  so  wenn  er  statt  perti- 
nentibus  setzt  pertinentiis,  obligetur  statt  subiaceat,  alienetur  statt 
alienus  existat  usw. 

Wir  wissen  nun  also,  wie  man  in  der  päpstlichen  Kanzlei  des 
11.  Jahrhunderts  Concepte  machte  und  welche  Thätigkeit  der  Kanzler 
Petrus  dabei  übte.  Aber  auch  das  ist  lehrreich,  das  Verhältnis 
zwischen  dem  Concept  und  der  Originalausfertigang  zu  betrachten. 


diplomatische  Miszellen.  49g 

Die  Urkunde  Leos  IX.  J-L.  4230,  für  welche  Petrua  aus  der 
Vorurkunde  Benedicts  IX.  das  Concept  herstellte,  liegt  noch  im 
Original  vor  (Archivio  capitolare  Nr.  966).  Der  Schreiber  ist 
wohlbekannt:  er  hat  auch  die  Urkunden  J-L.  4172.  4195  und  das 
von  mir  Nachr.  1896  S.  293  Nr.  1  publizirte  Original  Leos  IX. 
von  1050  Mai  5  geschrieben.  Wir  finden  ihn  dann  wieder  unter 
Benedict  X.,  dessen  einzig  erhaltenes  Original  J-L.  4391  er  ge- 
schrieben und  datirt  hat.  Wenn  die  Angabe  der  Datirung,  nicht 
wie  zuletzt  unter  Leo  IX.,  eine  Fiction  ist,  so  war  er  ein  Deut- 
scher Namens  Lietbuin  und  hat  es  vom  Schreiber  unter  Leo  IX. 
zum  Kanzler  unter  Benedict  X.  gebracht  *). 

Dieser  Mann  also  hatte  das  ihm  von  seinem  damaligen  Chef 
vorgeschriebene  Concept  ins  Reine  zu  schreiben.  Aber  er  hat 
sich  doch  nicht  ganz  streng  an  dieses  gehalten.  Zunächst  be- 
hauptete er  in  orthographischen  Dingen,  wie  in  §  usw.,  seine 
Selbständigkeit.  Aber  auch  sachliche  Abweichungen  sind  vor- 
handen. Das  wichtigste  ist,  daß  er  einen  Satz  bietet,  der  gar 
nicht  im  Concept  steht.  Ich  stelle  die  drei  Ueberlieferungsphasen 
neben  einander: 
A  (Benedict  IX.)  hat: 

cortem  de  Lacu  qu^  est  infra  plebem  sancti  Fetri  sito  Ualeam 
cum  Omnibus   adiacentiis  et  pertinentibus  suis   nee   non   ubi- 
cumque  in  eodem  episcopatu  aliquid  habere  uel  teuere  uidetur 
dicta  canonica. 
B  (Concept  des  Petrus  für  Leo  IX.)  hat: 

curtem  de  Lacu  qu^  est  infra  plebem  sancti  Petri  sito  Ualeam 
cum   Omnibus  adiacentiis   et   pertinentiis  suis,    campnm   ni- 
holminus  Randi  nee  non  ubicumque  in   eodem  episcopatu 
aliquid  habere  uel  teuere  uidetur  ipsa  uestra  canonica. 
C  (Originalausfertigung  Leos  IX.)  hat: 

curtem  de  Lacu  qu^  est  infra  plebem  sancti  PETRI  sito  Ualeam 
cum  Omnibus  adiacentiis  et  pertinentiis  suis,  campum  nihilo- 
minus  Randi,  similiter  ecclesiam  sancti  PETRI  qn^ 
dicitur  Catuari  cum  omnibus  pertinentiis  suis 
quam  GERARDUS  uenerabilis  episcopns  Floren- 
tinQ  ecclesi^  in  nostra  prgsentia  contulit  pr^li- 
batae  canonicae,  nee  non  ubicumque  in  eodem  episcopatu 
aliquid  habere  uel  tenere  uidetur  ipsa  uestra  canonica. 
Wie  erklärt  sich  dies  Plus  ?   Der  neu  hinzugekommene  Passus 


1)  Vgl.  Bresslaa  Handbuch  I  197  A.  1.     Ueber  die  Datare  anter  Leo  IX. 
seit  Feten  Tod  8.  nachher. 


BOO  P-  Kehr, 

stammt  offenbar  aus  der  Urkunde  des  Bischofs  Gerhard  von  Flo- 
renz, in  der  u.  a.  den  Kanonikern  zwar  nicht  die  ganze  Kirche, 
aber  doch  zur  Hälfte  —  was  Lietbuin  übersah  —  geschenkt  wird. 
In  dieser  vom  13.  Juli  lOBO  datirten  Urkunde  (Copie  saec.  XI  im 
Archivio   capitolare  Nr.  967,   ed.  Lami  S.  Eccl.  Florentinae  mon. 

I  97)  heißt  es: 

Similiter  et  dimidium  ecclesiae  sancti  Petri  Gattuarii  cum  Om- 
nibus suis  pertinentiis  illius  canonicae  clericis  habenda  confirmo. 
Offenbar  ist  also  neben  dem  Concept  des  Kanzlers  auch  noch 

die  Urkunde  Gerhards  selbst  zu  Rate  gezogen  worden. 


A. 

|>  BENEDICTVS  EPISCOPVS  SERWS  SERVORVM  DEI.  DI- 
LECTO  IN  CHRISTO  |  Rolando  sanct?  Florentin^  ecclesi^  prgposito 
aliisque  confratribus  canonicis  uestrisque  successoribus  |  in  perpe- 
tuum.  Si  iustis  seruorum  dei  petitionibus  satisfecerimus ,  procul 
dubio  apostolica  |  pr^cepta  seruamus.  Quapropter  Omnibus  Christi 
fiddibus  sanctq  Florentinq  ecclesiq  presen\tibus  et  futuris  notum  esse 
tiolumus,quodRolanduscanonicorufnprypositus  optulit  optutibus  \  nostris 
qtiandam  cotifirmationis  paginam  ab  Atone  eiusdem  sanctq  sedis  episcopo 
sibi  suisque  confra  tribus  canonicis  concessam  nobis  ac  nostris  successo^ 
ribus  commissam  regendam  et  defendendam  \  de  quibusdam  cortibus  et 
terris  atque  lods^  sicut  inhibi  disponuntur,  et  supplicüer  petiitj  ut  tarn  \ 
ipse  quam  eius  successores  apostolica  tuitione  defensi  securo  et  quieto 
ordine  deo  possint  seruire.  \  Cuius  desiderio  ac  petitione  inclinati 
recipimus  prqdictum  Rolandum  pr^positum  suosque  successores  cano- 
nicam  |  uitam  ducentes  sub  nostr^  apostolica  defensionis  regimine 
nee  non  et  eorum  cortes  et  terras,  |  id  est  iuxta  Florentinam  urbem 
pratum  regis,  campum  regis  cum  mansis  et  territorüs  omnibus,  | 
qug  modo  in  Florentina  Corte  habet  et  retinet  pr^dicta  canonica, 
cortem  sancti  Andrej  cum  |  omnibus  sibi  pertinentibus ,  cortem  de 
Quinto,  cortem  de  Cinctoria  totam,  sicut  ipsi  teuere  et  habere  | 
uiden/tir,  et  illam  partem  eis  confirmamus,  quam  primicerios 
contra  canonica  instituta  |  usurpare  uisus  est,  plebem  de  Exinea 
cum  Corte  et  mansis  et  omnibus  territorüs  et  decimatio|nibu8, 
qufcumque    ad    eandem    plebem    uel    cortem  pertinere  uidetur*>, 


a)  sicI 


diplomatische  Miszellen.  601 

Einer  andern  Abweichung  lege  ich  dagegen  keinerlei  Beden- 
tong  beL    In  der  Urkunde  Benedikts  TK..  (A)  stand  einfach: 

ut  .  .  audeat  de  eornm  rebus  inste  et  legaliter  eis  pertinenti- 

bns  eos  denestire. 

Petrus  (B)  corrigirte: 

ut  .  .  audeat   de   uestris   rebus   iuste   et  legaliter  u o b i s 

pertinentibus  uos,  dum  canonice  uixeritis,  disuestire. 

Im  Original  (C)  endlich  ist  der  Zwischensatz  uos,  dum  ca- 
nonice uixeritis  ausgelassen,  sicherlich  nicht,  weil  dem  Liet- 
buin  die  Conditio  des  canonischen  Lebens  zu  schwer  dünkte,  sondern 
offenbar  aus  einfacher  Flüchtigkeit.  Er  merkte  nicht,  daß  seinem 
Satz  nun  das  Object  fehle. 

B. 

(LEO  EPISCOPVS  8ERWS  SERVORVM  DEI.)  I  Rolando  sanct? 
FlorentinQ  ecclesi^  pr^posito  aliisque  confratribus  canonicis  tuis- 
que  successoribus  |  inperpetuum^\  Si  iustis  seruorum  dei  petitionibus 
satisfecerimus ,  procul  dubio  apostolica  |  pr^cepta  seruamus.  Qua- 
propter  inclinati  precibus  tuis,  fUi  carissime,  cotifirmamus  atque  corrobo-] 
ramus  tibi  tuisque  successoribus  canonicis  quicquid  inpagina  concessionis 
ei  confirmationiSj  quam  uester  uobis  fecit  episcopus  G}^  \  nobis  presentibus, 
scriptum  esse  constat,  donec  tarnen  in  ipsa  uestra  cat}onica  ita  ut  modo 
seruatur  regula.  Quam  \  scilicet  canonicam  tuendam  et  defendendam  per 
eandem  paginam  ipse  uester  episcopus  nosir^  nosirorumque  successorum 
apostolicq  I  auctoritaii  tuendam  et  defendendam  commisitatque  supposuit^  ut 
quieti  et  securi  ab  omni  l^sione  permanere  ualeatis,  \  Desiderio  itaque  ac 
petitione  ^^  tua^  ut  diximus,  inclinati  te  pr^positum  tuosque  successores 
canonicam  |  uitam  ducturos  sub  nostr^  apostolicQ  defensionis  mu- 
nimine  suscipimus  et  ^)  bona  omnia,  qu^  uestra  et  habet  et  habitura 
est  canonica,  uidelicet*^  ctirtes  et-^  terras  |  et  iuxta  Florentinam  urbem 
pratum  regis'\  campum  regis  cum  mansis  et  territoriis  omnibus,  ' 
qu^  modo  in  Florentina  corte*^  habet  et  retinet  pr^dicta  uestra 
canonica,  ct/rtem  sancti  Andrej  cum  |  omnibus  sibi  pertinentibus, 
CKrtem  de  Quinto,  ctirtem  de  Cinctoria*^  totam,  sicut  ipsi  teuere 
et  habere  |  uidemtni,  et  illam  partem,  quam  Petrus  primicerius 
contra  canonica  instituta  |  usurpare  uisus  est,  plebem  de  Exinea 
cum  Corte*)  et  mansis  et  omnibus  territoriis  et  decimatio.nibus, 
quQCumque    ad    eandem    plebem  uel    curtem   pertinere    uidentur, 

a)  imperpetaum  Or,  b)  QERARDVS  Or.  e)  petione  Or.  d)  vorher 
schrieb  Petrus  com.  e)  uidelicet  trug  Petrus  mit  VerweiswigsgeidieH  am  Ramd 
nath,  f)  et  fthU  im  Or,  g)  im  Or.  ist  hier  totam  eingesdwben,  h)  eurt^ 
Or.       0  CintorU  Or.       k)  carte  Or. 


502  P.  Kehr, 

insnper  totam  qaod  Teazo  |  filias  Lepizi  pro  salate  aniiiiQ  su^  in 
ecclesia  sancti  lohannis  contulit  uel  in  eadem  canonica,  terram  |  sancti 
froculi  in  pr^dicta  plebe,  cortem  d[e  Lac]u  qu§  est  infra  plebem  sancti 
Fetri  sito  Ualeam  cum  omnibus  |  adiacentiis  et  ^ertinentibus  snis 
nee  non  ubicumque  in  eodem  episcopatu  aliquid  habere  uel  teuere 
uidetur  I  dida  canonica,  et  quicquid  Gerardus  archipresbyter  pro 
beneficio  ab  ipsa  Florentina  ecclesia  tenuit  |  tarn  in  decimationibus 
quamque  in  mansis  et  in  pr^diis  nee  non  et  qu^cumque  Stephanus 
abbas  ex  beneficio  |  tenuit  iure  perpetuo  hahenda  eidem  canonici  con- 
firmamus,  similiter  et  qu^cumque  primicerii  |  beneficia  fuerunt  in  in- 
tegrum necessitatibus  f'ratrum  habenda  confinnamus  atque  plebem 
sancti  Ypoliti  sitam  |  Elsae  itemque  campum  et  ortum  qui  est 
iuxta  ecclesiam  sanct^  ReparatQ.  Hqc  omnia,  sicuti  ab  Atone  \  eorum 
episcopo  concessa  sunt,  ita  nos  sibi  eorumqne  successoribus  confir- 
mamus  et  stabilimus  in  perpetuum  et  cum  |  omnibus  eorum  mobili- 
bus  rebus  seseque  mouentibus,  quas  modo  habend  uel  eis  ubiqae 
pertinent  et  |  inantea  deo  iuuante  iuste  et  legaliter  adquirere  po- 
tuerin^  siue  ab  eiusdem  ciuitatis  episcopo  siue  ab  |  aliis  hominibus 
publicis  et  priuatis.  Precipientes  igitur  iubemus  et  apostolica  auc- 
toritate  confirj  mamus,  ut  neque  episcopus  eiusdem  ciuitatis  neque  ulla 
parua  uel  magna  persona  audeat  de  eorum  rebus  iuste  |  et  legaliter 
eis  pertinentibus  eos  deuestire  molestare  inquietare  aut  aliquam 
minorationem  inferre.  Quod  qui  |  temerario  ausu  fecerit,  nisi  infra 
quadraginta  dierum  spatium  sepe  requisitos'^^  emendauerit,  anathe- 
mates  ^^  |  uinculo  sübiacecU  et  a  regno  dei  aiienus  existat.  Qui  uero 
custos  huius  nostrg  santionis  ^^  extiterit,  |  benedictionem  et  gratiam 
omnipotentis  dei  et  beati  Petri  apostolorum  principis  et  nostram 
habeat. 

Scriptum  est  \  autem  hoc  priuilegium  per  manus  Sergii  notarii  et 
scriniarii  sacri  nostri  palatii^  nona^^  kal.  apriliSf  indiäione  \  sexta; 
feliciter. 

t  BENE  VALETE. 

a)  siel 


Die  zuvor  besprochene  Urkunde  Leo  IX.  J-L.  4230  ist  aus- 
gestellt am  IB.  Juli  1050.  Vier  Tage  später,  am  19.  Juli  1050, 
erließ  Leo  IX.  ein  Privileg  für  das  Sienesische  Kloster  San  Sal- 
vatore  in  Isola  (J-L.  4231).  Das  Original  befindet  sich  im  Staats- 
archiv zu  Siena  (Provenienz  San  Eugenio  di  Siena  1051  luglio  19)  ^). 

1)  £d.  V.  Pflagk-HarttuDg  AcU  II  72  Nr.  107  aus  dem  Original  mit  den 
bekannten  aogstvoll  detaillirten  Angaben  über  das  AeoBere  des  Originals.    Aber 


diplomatiflche  BiiszeUen.  508 

insaper  totnm  qaod  Tenzo  |  filias  Lepizi  pro  salate  animQ  sa^  in 
ecdesia  sancti  lohannis  contnlit  nel  in  eadem  canonica ,  terram  | 
sancti  Proculi  in  pr^icta  plebe,  ctertem  d[e  Lac]u  qu§  est  infra 
plebem  sancti  Petri  sito  Ualeam  cum  omnibus  |  adiacentiis  et  perti- 
tteir^ti^sois,  c\ampum  nihilomifi]us  Randi'^  nee  non  abicnmque  in  eodem 
episcopatn  aliqaid  habere  nel  tenere  nidetur  |  ipsa  uestra  canonica,  et 
qnicqnid  Gerardus  archipresbyter  pro  beneficio  ab  ipsa  Florentina 
ecclesia"*)  tenoit  |  tarn  in  decimationibas  qnamqne  in  mansis  et  in 
pr^diis  nee  non  et  qu^cumque  Stephanus  abbas  ex  beneficio  |  tenuit, 
similiter  et  qu^cumque  primicerii  |  beneficia  fuerunt  atque  plebem 
sancti  Ypoliti  sitam  |  Elsae  itemqne  campam  et  ortnm  qui  est 
iuxta  ecclesiam  sanct^  Reparat^.  Qu^  omnia,  sicnti  a  Gerardo  \ 
uestro  episcopo  uobis  concessa  sont  et  confirmata,  ita  nos  tibi  tuis- 
qne  snccessoribns  confirmamus  et  stabilimns  in  perpetuum  cum  ' 
omnibns  uesiris  mobilibus  rebas  seseqne  monentibus,  quas  modo  ha- 
be^t^  nel  uobis  nbique  pertinent  et  |  inantea  deo  inuante  inste  et 
legaliter  adqairere  potneri^i^  sine  ab  eiusdem  cinitatis  episcopo 
sine  ab  |  aliis  hominibns  publicis  et  prioatis.  Precipientes  igitur 
inbemns  et  apostolica  anctoritate  confir|mamaS|  nt  neque  episcopus 
eiosdem  daitatis  neqne  nlla  parua  nel  magna  persona  andeat  de 
uestris  rebus  inste  |  et  legaliter  uobis  pertinentibns  uos,  dum  cano- 
nice  uixerUis^\  disnestire  molestare  inqoietare  ant  aliqnam  mino- 
rationem  uobis  inferre.  Qnod  qoi  |  temerario  ansa  fecerit,  nisi 
infra  qnadraginta  diernm  spatiom^^  emendauerit,  anathematis  |  uin- 
cnlo  obligetur  et  a  regno  dei  alienetur  usque  ad  dignam  satisfactio- 
ncfw.  Qui  uero  custos  huius  nostr§  sanctionis  extiterit,  |  benedic- 
tionem  et  gratiam  omnipotentis  dei  et  beati  Petri  apostolorum 
principis  et  nostram  habeat. 

0  im  Orig.  folgt  noch  similiter  ecclesiam  sancti  PETRI  qa§  dicitar  Catnari 
com  omnibas  pertinentiis  suis,  quam  QERARDVS  nenerabilis  episcopus  Floreutin^ 
ecclesi^  in  nostra  pr§sentia  contulit  pr^libatae  canonicae.  m)  Florentinae  eccle- 
tiae  Or.       n)  aos  dum  canonice  uixeritis  fMt  im  Or,       o)  spatio  Or. 


Mit  diesem  Original  tritt  meines  Wissens  zum  ersten  Mal  ein 
Schreiber  auf,  der  hernach  der  thätigste  Notar  Leos  IX.  geworden 
ist;  wir  kennen  ihn  bisher  als  Ingrossator  von  J-L.  4231.  4232. 

die  za  besprechenden  Verse  des  Petrus  hat  er  offenbar  gar  nicht  gesehen.  — 
üeber  die  Abbadia  a  Isola  vgl.  Lnsini  im  Balletino  Senese  lY  129  ff«  Die  Abtei 
kam  1446  dorch  Engen  17.  an  San  Eugenio. 


504  P.  Kehr, 

4250.  4253.  4254.  4258.  4259.  4266.  Er  hat  die  letzteren  Ur- 
kunden nicht  nur  mundirt,  sondern  auch  datirt ;  er  ist  also  weder 
mit  Udo  noch  mit  Friedrich  identisch^). 

Doch  nicht  deshalb  bespreche  ich  die  Urkunde. 

Wie  immer  hat  in  dieser  Zeit  der  Kanzler  Petrus  die  Dati- 
rung  hinzugefügt.  Aber  diesmal  begnügte  er  sich  nicht  mit  seiner 
Formel,  er  schrieb  noch  auf  die  Plica  die  räthselhaften  Worte 

Ante  mens  flauis. 
Ihr  Sinn  wird  jedoch  klar,  sobald  man  einen  Blick  auf  den  Rücken 
der  Urkunde  wirft.     Auch   hier  hat  Petrus  sich  verewigt,    indem 
er  in  Anlehnung  an  Ovids  Tristien  I  8,  1  *)  die  Verse  schrieb 

In  Caput  ante  suum  labentur  flumina  retro 
Quam  sese  scripto  conferat')  Oddo  mihi. 
Also  eher  werden  die  Flüsse  zu  ihrer  Quelle  zurückkehren,  ehe 
Oddo  sich  mir  im  Schreibwesen  vergleichen  kann.  Danach  kann 
man  wohl  den  an  das  ursprüngliche  Ante  mens  flauis  anknüpfenden 
Gedankengang  ergänzen :  Eher  wird  mein  alter  Kopf  mit  blondem 
Haar  sich  bedecken,  ehe  Oddo  usw.  Aber  er  brachte  den  Vers 
so  wenig  zu  Stande ,  wie  wir  es  vermögen.  Doch  dann  fiel  ihm 
der  Vers  aus  Ovid  ein  und  so  begann  er,  ihn  variirend,  auf  dem 
Rücken  der  Urkunde  von  Neuem. 

Daß   in   den  Versen   des  Kanzlers    eine  ganz   bestimmte  und 


1)  Das  Ton  mir  bisher  gesammelte  Material  reicht  natürlich  noch  nicht  aus, 
am  schon  jetzt  die  Geschichte  der  päpstlichen  Kanzlei  in  allen  Einzelheiten  dar- 
zulegen. Doch  will  ich  der  besonderu  Wichtigkeit  der  Sache  wegen  und  weil 
Bresslau  Handbuch  I  195  Anm.  1  es  dahingestellt  sein  läfit,  ob  auch  unter  Leo  IX. 
stets  an  dem  Grundsatze  eigenhändiger  Datiruug  festgehalten  worden  ist,  schon 
hier  bemerken,  daß  das  unter  dem  Kanzler  Petrus  ausnahmslos  festgehaltene 
Prinzip  der  Datirung  durch  den  Kanzler  nach  des  Petrus  Tod  aufgegeben  worden 
ist.  unter  dem  Kanzler  Friedrich  datiren  —  von  den  ganz  für  sich  stehenden 
Urkunden  ganz  abgesehen  —  nicht  weniger  als  drei  Männer. 

A  in  J-L.  (4260).  4263.  4264.  4268.  4259.  4266. 

B  in  J-L.  4278.  4298. 

C  in  J-L.  4279.  4287.  4298a.  4299.  4301. 
Die  beiden  ersteren  A  und  B  haben  die  von  ihnen  datirten  Urkunden  auch 
geschrieben;  sie  waren  also  einfache  Notare,  die  für  den  abwesenden  oder  ver- 
hinderten Kanzler  stillschweigend  zu  datiren  ermächtigt  waren.  C.  dagegen  datirt 
nur  und  mundirt  nie,  woraus  sich  von  selbst  ergibt,  daß  es  sich  hier  um  den 
Ende  Juli  1062  persönlich  eintretenden  Kanzler  Friedrich  handelt.  Damit  ist 
denn  im  ganzen  die  alte  Uebung  der  eigenhändigen  Datirung  wiederhergestellt. 

2)  Ich  verdanke  den  Hinweis  auf  diese  Stelle  Herrn  Coli.  Leo.   Bei  Ovid  steht 

In  Caput  alta  saom  labentur  ab  aequore  retro 
Flumina. 

3)  Die  Worte  scripto  conferat  sind  sehr  verwischt  und  nur  mühsam  erkennlMir. 


diplomatische  Mlszellen.  505 

sehr  persönliche  Spitze  steckt,  ist  deutlich.  Oddo  ist  ein  Mann, 
der  es  ihm,  dem  alten  Kanzler,  im  Schreiben  gleich  than  will. 
Er  spottet  darüber.    Aber  wer  ist  der  Oddo? 

Es  sind  zwei  Möglichkeiten  vorhanden.  Entweder  bezieht 
sich  des  Kanzlers  Spott  auf  den  neuen  Notar ,  der  den  Text  des 
Privilegs  geschrieben  hat.  Wir  kennen  leider  seinen  Namen  nicht. 
Sicher  aber  hatte  Petrus  kein  Kecht,  auf  dessen  Kalligraphie 
herabzusehen.  Denn  der  neue  Notar  schreibt  eine  elegante  diplo- 
matische Minuskel,  die  sich  sehen  lassen  kann.  Auch  will  nicht 
recht  passen  y  daß  der  Kanzler  sich  mit  diesem  untergeordneten 
oder  doch  unter  ihm  stehenden  Schreiber  vergleicht. 

Bekanntlich  ist  Petrus  schon  im  October  1050  in  Langres  ge- 
storben. Sein  Nachfolger  wurde  der  Primicerius  der  Kirche  von 
Toul,  Udo,  der  spätere  Bischof.  Der  war  schon  mit  seinem  Gönner 
Leo  IX.  bei  dessen  Erhebung  auf  den  Papststuhl  nach  Rom  ge- 
konmien  und  sicher  hat  er  eine  bedeutende  Rolle  daselbst  gespielt  ^). 
In  der  päpstlichen  Kanzlei  freilich  konnten  wir  ihn  während  des 
Petrus  Leitung  bisher  nicht  nachweisen.  Immer  aber  ist  möglich, 
daß  schon  längst  die  Absicht  fest  stand,  ihn  nach  des  Petrus  Tod 
zum  Leiter  der  Kanzlei  zu  machen.  Ich  möchte  die  Hypothese 
wagen,  daß  der  spöttische  Vers  des  alten  Kanzlers  ihm,  seinem 
zukünftigen  Nachfolger,  hat  gelten  sollen. 


1}  Bresslau,  Haadbach  I  194. 


II.    Die  Sammlnngen  des  Angelo  Massarelli  in  San  Severino. 

Die  städtische  Bibliothek  zu  San  Severino  in  den  Marken  ^) 
bewahrt  unter  andern  mehrere  Sammelbände  des  Angelo  Massa- 
r  e  1 1  i  ^).  L.  Bethmann  (Archiv  XII  562)  hat  sie  bereits  benutzt 
und  auch  für  die  Diplomata- Ausgabe  der  Monumenta  Germaniae') 

1)  Vgl.  Nachrichten  1898  S.  25. 

2)  Er  war  Secretär  des  Tridentiner  Coucils  und  starb  1566  als  Bischof  Yon 
Telese.  Seine  Briefe  aus  der  Tridentiner  Zeit  bewahrt  noch  die  Bibliothek  seiner 
VatersUdt  Wie  ich  höre,  beabsichtigt  der  städtische  Bibliothekar,  Herr  V.  £. 
A 1  e  a  n  d  r  i ,  demnächst  eine  Monographie  über  Massarelli  zu  veröffentlichen.  Wir 
sind  diesem  Herrn  za  nicht  geringem  Danke  verbunden,  daft  er  unsern  Sendboten 
Herrn  Dr.  Schiaparelli  in  der  liebenswürdigsten  Weise  unterstützt  hat 

8)  DiplomaU  II  901  (s.  Fiesole)  and  II  911  (s.  Rom  8.  Andrea  in  cIito 
Scaori). 


506  P.  Kehr, 

sind  sie  verwerthet  worden.  Aber  viel  wichtiger  sind  sie  für  die 
Papstdiplomatik. 

Es  kommen  für  uns  hauptsächlich  in  Betracht  die  beiden  Bände 
Miscellanea  I  und  II,  geschrieben  zum  größten  Theil  von  Mas- 
sarellis  eigner  Hand  oder  doch  von  ihm  mit  Notizen,  Verweisen 
und  Regesten  versehen. 

Den  ersten  Band  bilden  mehrere  Faszikel  mit  besonderen 
Ueberschriften  und  eigener  Polürung. 

1.  (fol.  1—53)  Summarium  vitae  pontificum  maximorum. 
(fol.  64—224)  Vite  de  molti  cardinali  illustri. 

(fol.  226 — ^229)  De  origine  cardinalium. 

(fol.  230—237)  Ex  libro  antiquo  ceremoniarum. 

2.  (fol.  1 — 144)  Memorie  de  papi  et  de  cardinali  cavate  dalle 

chiese  et  edificii  di  Roma  per  me  Angelo  Massarello 
Septempedano  1543.  1544. 
(fol.  145—180)  Et  il  summario  de  Pauli  Cortese  de  car- 
dinalatu. 

3.  (fol.  1—100)   Subscriptiones  pontificum  et  cardinalium  ex 

buUis  originalibus  ipsorum  pontificum. 

Der  zweite  Band  führt  den  Titel  Adnotationes  memoriae 
vitae  signa  insignia  diversorum  pontificum  cardinalium  regnm  prin- 
cipum  nationum  provinciarum  civitatum  terrarum  totius  orbis  col- 
lectae  per  me  Angelum  Massarellum  de  Sancto  Severino  Agri  Picini 
episcopum  Thelesinum. 

Schon  diese  Titel  verrathen  die  Tendenz  der  Studien  Massa- 
rellis.  Er  hat  ganz  systematisch  für  die  äußere  Geschichte  des 
Papstthums  und  besonders  der  Cardinäle  gesammelt.  Vielfach  be- 
herrscht ihn  ein  rein  diplomatisches  Interesse.  Er  gibt  nur  selten 
vollständige  Kopien,  denn  die  ürkundentexte  als  solche  interessir- 
ten  ihn  offenbar  nicht,  sondern  fast  immer  nur  gewisse  Theile 
der  Urkunden,  nämlich  die  Unterschriften  der  Päpste,  der  Cardi- 
näle mit  Bene  Valete,  Rota  und  den  Exeuzen.  Hunderte  von  Ur- 
kunden hat  er  so  verzeichnet  und  excerpirt.  Nicht  inmier  genau 
und  fehlerfrei;  oft  stecken  schwere  Irrthümer  besonders  in  den 
Datirungen,  so  daß  es  nicht  immer  ganz  leicht  ist,  die  Urkunde 
nachzuweisen.  Aber  es  ist  doch  ein  ungewöhnlich  reiches  Material, 
Daß  manche  seiner  archivalischen  Notizen  für  die  Greschichte  der 
von  ihm  benutzten  Archive,  Handschriften  und  Urkunden  von  Wich- 
tigkeit sind,  und  daß  deren  mehr  als  eine  seitdem  verloren  ist, 
gibt  seinen  Samminngen  ihren  eignen  Werth. 

Zunächst  noch  ein  Wort  über  seine  Quellen.     Er  sammelte 
vor  allem  die  stadtromischen  Urkunden,  die  damals  noch  insdirift- 


diplomatische  Miszellen.  507 

lieh  erhalten  waren,  wie  Gregor  I.  J-E.  1991,  Leo  III.  J-E.  2B3B, 
Gregor  Vll.  J-L.  B292.  Er  benutzte  dann  ausgiebig  die  Register, 
so  das  Registrum  Gregors  VII.  und  die  Register  des  13.  Jahr- 
hunderts ,  nämlich  die  Innoeenz'  ü.,  Gregors  IX.,  Innocenz'  IV., 
Alexanders  IV.,  Nicolaus'  III.,  Honorius'  IV.,  dann  auch  das  Calixts 
in.,  endlich  Deusdedit  und  Cencius.  Von  römischen  Handschriften 
benutzte  er  den  auch  von  Mittarelli  viel  citirten  Liber  archivii  mon. 
s.  Georgii  in  clivo  Scauri  de  Urbe,  femer  einen  Liber  antiquus  rc- 
rum  basilice  s,  Petri  de  ürbe  und  einen  Liber  antiquus  basilice  XII 
apostolorum  de  Urbe,  in  dem  ich  den  Cod.  Vatic.  5660  (vgl.  Marini 
I  papiri  diplomatici  p.  213)  vermuthe,  dann  einen  Liber  privilegio- 
rum  mon.  ss.  Vincentii  et  Anastasii  ad  Aquas  Saluias  und  einen  Va- 
ticanischen  Codex  mit  dem  Titel  Liber  antiquitatum  regni  Sicilie. 
Eifrig  hat  er  selbst  die  römischen  Archive  durchforscht  und  fast 
alle  Papsturkunden  von  S.  Giovanni  in  Laterano,  S.  Pietro  in  Va- 
ticano,  S.  Ciriaco  in  Rom,  von  Porto,  S.  Rufina  und  Silva  Candida, 
zum  Theil  nach  den  Originalen  excerpirt.  Andere  Abschriften 
besorgten  ihm  seine  gelehrten  Freunde,  von  denen  er  besonders 
häufig  nennt  Antonio  Massa  Gallesio  und  Antonio  Agostino.  Die- 
sen verdankte  er  die  Urkunden  von  Monte  Cassino,  S.  Vincenzo  al 
Volturno,  La  Cava.  Hierzu  kommen  noch  die  Urkunden  von  Brin- 
disi,  Conversano,  Troia,  Monreale,  Anagni.  Fast  vollständig  hat 
er  die  großen  Archive  von  S.  Benedetto  di  Polirone,  von  Fonte- 
vivo,  von  S.  Maria  di  Reno  und  von  Fiesole  ausgeschöpft.  Auch 
aus  Bobbio  und  S.  Victor  zu  Marseille  bietet  er  Urkunden ,  und 
selbst  Ragevin  und  Aventin  citirt  er  einmal. 

Diese  Urkunden  selbst  aufzuzählen  lohnt  sich  wohl  nicht,  da 
die  Mehrzahl  noch  erhalten  ist.  Andere,  für  die  ich  vorläufig 
keine  andere  Ueberlieferung  kenne,  hoffe  ich  in  den  von.Massarelli 
selbst  angegebenen  Quellen  noch  zu  finden.  Einige  aber,  die  mir 
wichtig  zu  sein  scheinen,  biete  ich  schon  hier.  Sie  geben  zugleich 
eine  Vorstellung  von  der  Natur  und  der  Anlage  seiner  Sammlungen. 


508  P-  Kehr, 


1. 

Clemens  II L  (Wihert)  verleiht  dem  Erzbischof  von  Antivari  das 

Pallium. 

Rofn  1089  Januar  8. 

Vol.  I  2  f.  89  und  1  3  f.  T. 

Clementis  pape  III.  ex  qnadam  balla,  in  qua  conceditur  palliuin 
Dioclensi  et  Antibarensi  archiepiscopo ,  in  cnius  fine  sunt  infra- 
scripta  duo  signa  et  hec  data: 

R.  BV. 

Dat.  Romae  per  manus  Seruidei  sacri  palatii  subdiaconi*)  in 
ecclesia  beati  Petri  apostolorum  principis,  VI.  id.  ianuarii,  anno 
VI.  pontificatus  domni  Clementis  III.  papae,  indietione  XII,  sub 
presentia  Lateranen[sis]  archidiaconi  et  Alberti  sancte  Rufinae  epi- 
scopi  et  cardinalium  p(resbiterorum)  uidelicet  Anastasii  et  W[arini]. 


1)  Das  ist  wohl  der  spätere  in  der  Urkunde  von  1096  (Nachrichten  1898 
S.  82  Nr.  2)  als  Datar  genannte  Bischof  Servasdei  von  Pesaro  (?). 


3. 

Innocena  IL   ertheüt  dem   Bischof  Heinrich   von  8.  Ägata   (de 

Qoti)  ein  Privileg. 

Pisa  1135  Januar  1. 
Vol.  I  3  f  69'. 

Ex  bulla  Innocentii  pape  secundi  directa  Henrico  Agathensi 
episcopo,  cui  quedam  priuilegia  concedit  sie  subscripta: 

R.    Ego  Innocentius  catholic^  ecclesi^  episcopus.    BV. 
Ego  Guilhelmus  Pr§nestinus  episcopus. 
Ego  Mattheus  Albanensis  episcopus. 
Ego  Gerardus  ^)  presbiter  cardinalis  tituli  sancte  f  in  Hierusalem. 
Ego  Anseimus  presbiter  cardinaKs. 
Ego  Lictif redus  *^  presbiter  cardinalis  tituli  Vestine*\ 
Ego  Lucas  presbiter  cardinalis  tituli  sanctorum  lohannis  ^  et  Pauli. 

Ego  Romanus  diaconus  cardinalis  sancte  Mari^  in  Portion. 

Ego  Gregorius  diaconus  cardinalis  sanctorum  Sergii  et  Bachi*>. 

Ego  Albertus  diaconus  cardinalis  sancti  Theodori. 


a)  Seraldos.  h)  Lanfredos.  e)  tt.  s.  Christin^.  d)  P. 

e)  M.  Seferini  et  lacobi. 


diplomatische  Miszellen.  509 

Ego  Gnido  diaconns  [cardinalis]  sanctomm  Cosm^  et  DamianL 
Ego  Gnido  diaconns  cardinalis  sancti  Hadriani. 
Ego  Gnido  indignns  minister. 

Dat.  Pisis  per  mannm  Aimerici*^  sancte  Romane  ecdesie  dia- 
coni  cardinalis  et  cancellarii,  kal.  iannarii,  indictione  XÜ,  incama- 
tionis  dominicQ  anno  MCXXXY,  pontificatos  domni  Innocentii  pape 
secnndi  anno  qninto. 


f)  Almerici. 


3. 

Innocens  IL  ertheiU  dem  Kloster  San  Benedetto  di  Polirone  ein 

Privileg  ^). 

Pisa  1136  FAruar  13. 

Vol.  1  3  f.  80. 

Ex  alia  bnlla  Innocentii  pape  11: 

B.    Ego  Innocentins  catholicae  ecdesiae  episcopns  ss.    BY. 
f  Ego  Gnilhelmns  Fraenestinns  episcopns  ss. 
f  Ego  Bodnlphns  Ortanns  episcopns  ss. 
f  Ego  Anselmns  presbiter  cardinalis  ss. 
f  Ego  Lictifredns  ^>  presbiter  cardinalis  titnli  Yestinae  ss. 
f  Ego  Lncas  presbiter  cardinalis  titnli  sanctornmiohannis  etPanli  ss. 
t  Ego  Gnido  indignns  sacerdos  ss. 

f  Ego  Hnbaldns  diaconns  cardinalis  sanctae  Mariae  in  Yia 

lata  infimae  ss. 
f  Ego    Grisogonns   diaconns   cardinalis   sanctae   Mariae   in 

Porticu  SS. 
t  Ego  Azo  Camaldnlensis  presbiter  indignns  ss. 
f  Ego  frater  Azo  Camaldnlensis  peccator  monachns  interfni 

ex  precepto  domni  prioris. 
f  Ego  Martinns   abbas  ecdesiae    sancti  Sanini   interfni  et 

snbscripsL 
f  Ego  Gerardns  abbas  ss. 

f  Ego  Albertns  indignns  abbas  monasterü  sancti  Michaelis 

interfni  ss. 


a)  Ootifredui. 


1)  £•  könnte  eich  aber  auch  um  das  von  Lacine  IT.  (s.  Nachr.  1896  S.  298) 
angefthrte  Privileg  Innocenz  II.  für  Sesto  handeln. 

XffL  Om.  d.WiM.    Nmekrlfihtn.    PUlol«(«-ki«^-  KImm.  1888.    Htfl4.  84 


610  P.  Kehr. 

Dat.  Pisis  per  mannm  Aimerici  sanctQ  Bomane  ecclesiae  dia- 
coni  cardinalifi  et  cancellarii,  idibus  februarii,  anno  domni  Lmocentii 
papae  secnndi  anno  YI^. 


4. 

Innocensf  IL  ertheiU  dem  Kloster  San  Beneddto  di  Polirane  ein 

Privileg  ^). 

(Lateran)  1142  Ociober  22. 
VoL  I  3  f.  81. 

Ex  alia  bnlla  Lmocentii  pape  11: 

B.    Ego  Lmocentius  catholio^  ecclesiae  episcopns  ss.    BY. 
f  Ego  Conrados  Sabinensis  episcopns  ss. 
f  Ego  Stefanns  Praenestinns  episcopns  ss. 
f  Ego  Petrns  presbiter  cardinalis  de  titnlo  Pastoris  ss. 

f  Ego  Grregorins  diaconns   cardinalis   sanctornm  Sergii  et 

Bachi  ss. 
f  Ego  Oddo  diaconns  cardinalis  sancti  G-eorgii  ad  Vellnm 

anrenm  ss. 
f  EgoHnbaldns  diaconns  cardinalis  sancte  Marie  in  Via  lata  ss. 
f  Ego  Octanianas  diaconns  cardinalis  sancti  Nicolai  in  car- 

cere  ss. 
f  Ego  Petrns  diaconue  cardinalifi  sancte  Mariae  in  Aqniro  ss. 
t  Ego  Petras  diaconns  cardinaUs  sancte  Mariae  in  Portiea  ss. 
f  Ego  Nicolans  sanctf  Bomane  eccesiae  diaconns  cardinalis  ss.^ 

Bat.  [Laterani]  per  mannm  Gerardi  sanct^  Bomane  ecclesiae 
presbiteri  cardinalis  ac  bibliothecarii,  XI.  kal.  nonembris,  indictione 
YI%  incamationis  dominioQ  anno  MCXT<TT,  pontificatns  nero  domni 
Lmocentii  11.  papae  anno  XTTT. 


1)  Oder  für  Sesto,  s.  Nr.  8. 

2)  Sonst  nur  aus  J-L.  8242  bekannt 


5. 

Alexander  111.  ertheiU  dem  Bisehof  Caüisttis  von  Conversano  ein 

Privileg. 

Änagni  1176  August  12. 
Vol.  I  3  f.  32. 

Vgl.  NachHchten  1898  S.  282  Nr.  18. 


diploauttisehe  MisxelleiL  5X1 

Ab  Antonio  Angiistino  ex  bnllis  ecdesiae  Cnpersanensis  m 
regno  Siciliae. 

Alexander  episcopns  etc.  Venerabili  fratri  Callisto  Cnpersa- 
nensi  episcopo  eiosqae  snccessoribns  canonice  snbstituendis  in  per- 
petunm.         Monet  nos  apostolicae  sedis  etc. 

Alexander  catholice  ecdesiae  episcopns. 

Habaldns  Ostiensis  episcopns. 
Johannes  sanctomm  lohannis  et  Panli  titoli  Pami^achiL 
Boso  presbiter  cardinalis  sancte  PudentianQ  titoli  Pastoris. 
Johannes  presbiter  titoli  sancti  Marci. 
Theodinos'^  presbiter  titoli  sancti  Yitalis  et  Vestin;. 
Manfredos  presbiter  cardinalis  titoli  sancte  CeciliQ*>. 

lacinthos  diaconos  sancte  Mariae  in  Cosmedin'>. 

Hogo  diaconos  cardinalis  sancti  EostachiL 

Laborans  diaconos  sancte  Mariae  in  Portico. 

Bainerios  diaconos  sancti  Greorgii  ad  Yelom  aoreom'^. 

Datom  Anagniae  per  manom  Oratiani  sancte  Romane  ecclesie 
sobdiaconi  et  notarii,  pridie  idos  aogosti,  indictione  IX,  incama- 
tionis  dominice  [anno]  MCLXXVI,  pontificatos  oero  domni  Alexan* 
dri  pape  III.  anno  XVII^ 


a)  Theodorns.  b)  Cicill^.  e)  Coamodin.  d)  aurL 


6. 

Alexander  IIL  ertheüt  dem  Kloster  8.  Just  bei  Toscandla  ein 

FrivHeg. 

Lateran  1178  April  2. 
Vol.  I  3  f.  SÜ. 

Cfr.  J'L.  13038a. 

Ex  bnllis  monasterii  sanctorom  Vinoentii  et  Anastasii^)« 

Alexander  etc.    Donato   abbati  monasterii  sancti  losti  prope 
Toscanellam  ordinis  Cisterciensis*)  in  perpetoonu 

Ego  Alexander  catholice  ecclesie  episcopos. 
HobaLdos  Ostiensis  episcopos. 


a)  Cistoniittisis. 


1)  Ad  AqoM  SalTiaa.