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Full text of "Naturalismus und Materialismus in Griechenland zu Platon's Zeit"

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Naturalismus 



und 



Materialismus in Griechenland 



zu Platon's Zeit. 



Rede 



zur 



Feier des Geburlslages Sr, Haj. des Deolscbeo Kaisets Köaigs ?od Ptenssei 

Wilhelm I. 

gehalten 

an der Christian-Albrechts-Universität 

am 22. März 1887 



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von 

Dr. Friedrich^Blass 



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ordentlichem. Professor der classisclien Philologie. 



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Kiel 1887. 

Zu haben in der Universitäts-Buchhandlung. 
Druck von Schmidt & Elaanig. 



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<^^^^^^^ty^^€^ ^e^'^t.^. 



Hoehansehnliehe Versammlungl 

_L)er wiederkehrende 22. März vereinigt uns zu einer Feier, welche, 
je öfter sie wiederkehrt, desto mehr unser ganzes Gemüth ergreift. 
Heute sind es volle neunzig Jahre, dass unser allverehrter und allgeliebter 
Kaiser geboren wurde. Diese wenigen Worte regen eine solche über- 
wältigende Fülle von Gedanken und Gefühlen an, dass derjenige, 
welcher dazu berufen ist diesen Gedanken und Gefühlen Ausdruck zu 
geben, sein Vermögen gegenüber dieser Aufgabe als ganz und gar 
unzulänglich empfinden muss. Wohl niemand von uns ist im Stande, 
auf eine solche Reihe von Jahren zurückzublicken ; denn das gewöhn- 
liche Mass der menschlichen Lebenskraft ist erschöpft, wenn sie 
siebenzig Jahre gewirkt hat, und ist dieselbe ungewöhnlich stark, so 
wirkt sie achtzig Jahre; ein Leben, welches die Zahl von neunzig 
Jahren erreicht, erscheint uns merkwürdig und staunenswerth, auch 
wenn sich sonst nichts besonderes mit diesem Leben verknüpft. Hier 
aber sehen wir ein Leben, welches, um für immer im Gedächtniss der 
nachfolgenden Geschlechter zu bleiben, der neunzig Jahre gar nicht 
einmal bedurft hätte. Man spricht von einem ehrwürdigen Alter, 
auch wo sonst nichts an der Person ist, was zur Ehrfurcht stimmen 
könnte ; in diesem Falle aber müssen wir finden, dass das ungewöhnlich 
ehrwürdige Alter doch noch das wenigst Verehrungswürdige an der 
Person unseres Herrschers ist Was dieser einzige Fürst, ich will 
gar nicht sagen für Preussen, oder für Deutschland, sondern für Europa 
und die ganze Welt ist, das glauben wir alle wenigstens zu fühlen, 
wenn auch der entsprechende Ausdruck uns mangle; aber in der That 
fühlen wir es nicht einmal entsprechend, der grossen Nähe wegen, 
mit der wir begnadigt sind, und erst ein gewisser Abstand würde es 
uns recht wahrnehmbar und fühlbar machen. Schon ein räumlicher 
Abstand würde eine solche Wirkung haben; denn unsre Landsleute, 



die im Auslande wohnen, nehmen besser wahr als wir, was bei uns 
gross ist und was klein, und wie gross das Erstere. Aber besser 
noch wird ein zeitlicher Abstand die Grösse des jetzt noch unter uns 
lebenden Herrschers schätzen lehren. Dass König Wilhelm Preussen 
als eine Grossmacht zwar, aber als die kleinste unter den fünf und 
kaum als voll angesehen, Deutschland aber als einen ohnmächtigen 
und nach allen Richtungen gespaltenen Staatenbund schlechtester Ver- 
fassung überkam, dass er dann für Preussen in wenigen Jahren zuerst 
Beachtung, dann Respekt und Furcht bei den andern Staaten Europas 
hervorrief, dann das Kaiserthum im Westen Deutschlands stürzte und 
dafür in Deutschland das alte Kaiserthum aufrichtete, in einer Einigkeit 
und Herrlichkeit wie es sie nie zuvor gehabt : das alles und so vieles 
Grosse ausserdem sind wir durch eignes Erleben und tägliches Hören 
und Verkehren gewohnt geworden und schätzen es darum nicht recht ; 
aber späteren Geschlechtern wird es in dem Abstände als etwas 
ungeheuer Grosses, wie Sage und Dichtung Anmuthendes entgegen- 
treten. Denn in der That, was hat denn die Dichtung und Sage 
ehemaligen Herrschern beigelegt, was wir nicht an unserm Herrscher 
mit Augen leibhaftig sähen? Oder was braucht in künftigen Zeiten 
die Sage und Dichtung zu dieser Gestalt hinzuzuthun, damit sie 
ideal und wahrhaft poetisch sei? Denn gerade das Hinausragen über 
das gewöhnliche menschliche Mass, in welchem Hinausragen die poetische 
Idealität besteht, ist hier in jeder Hinsicht real vorhanden, bei der 
Person unsres Herrschers wie bei seinen Thaten und Schicksalen 
während dieser neunzig Jahre. Die Königin Luise als Bittende vor 
Napoleon dem Ersten — Napoleon der Dritte als Bittender vor dem 
Sohne der Königin Luise: kein Dichter kann einen mächtigeren Con- 
trast erfinden, als wie er in dieser „Wendung durch Gottes Fügung" 
uns vor Augen gestanden hat. Und nicht am wenigsten ideal ist auch 
das Bild des nach solchen Siegen den Frieden hütenden Herrschers, 
wie das Kaiser Wilhelm nun schon sechzehn Jahre lang thut, und 
damit zu der fast schwärmerischen Liebe seines Volkes die dankbare 
Verehrung von ganz Europa hinzugewinnt; denn gewöhnlich und üblich 
ist eine solche Entsagung nicht, und Napoleon wie andre frühere 
Herrscher haben sich nicht dazu zu erheben vermocht. Aber uns war 
auch dies vorbehalten zu sehen, und wenn man dies alles sieht, wird 
man ernstlich zweifelhaft, ob derartiges denn schon jemals auf Erden 
dagewesen, und ob der alte Spruch wirklich wahr ist, dass nichts 
neues unter der Sonne geschieht. 



Freilich diesem Spruche möchte unsere Zeit gern auch in andern 
Hinsichten, und nicht ohne Grund, die allgemeine Gültigkeit bestreiten. 
So viele grossartige Erfindungen sehen wir heutzutage gemacht, so 
viele kühne menschliche Eingriffe in das von Natur Gewordene 
geschehen, dass wir in Gefahr sind uns über alle früheren Geschlechter 
zu erheben, als hätten wir wirklich Neues geschaffen, welches sich 
ehedem niemand auch nur als möglich denken konnte. Dennoch 
müssen wir bei genauerer Ueberlegung gestehen, dass auch durch uns 
jener Spruch in seiner wesentlichen Bedeutung nicht umgestossen wird. 
Wir beherrschen Raum und Zeit in einer nie dagewesenen Weise; 
aber die Anfänge dazu sind vorlängst gemacht. Wir sind in die Ge- 
heimnisse der Natur, ihres Werdens und Vergehens tief eingedrungen ; 
aber weder stehen wir am Ziele, noch können wir bei vorlängst 
gewesenen Geschlechtern und Völkern eben das Bestreben, welches 
uns beseelt, verkennen. Und die Hauptsache ist geblieben wie sie 
war: inmitten der Natur steht der Mensch, als Einzelwesen in dieser 
seiner Existenz vergänglich und kraftlos, der Natur gleich allen andern 
Geschöpfen unterworfen, als Gattung indes eben vermöge der Natur 
sich gegen dieselbe behauptend und die Herrschaft über sie anstrebend. 
Und das Verhalten der Einzelnen gegenüber der Natur war und ist in 
gleicher Weise verschieden : der Eine giebt sich ihr hin und geht in ihr 
auf, sei es ohne Bewusstsein, wie der rohe Naturmensch, sei es mit 
Bewusstsein und in der Ueberzeugung, dass die Natur das Höchste sei ; 
der Andre dagegen fühlt in sich etwas alle Natur weit Ueberragendes 
und von ihr spezifisch Verschiedenes, und über sich etwas mit diesem 
Verwandtes, Allumfassendes und Allmächtiges. Könnte nun die erstere 
Richtung jemals allgemein bei der Menschheit zur Herrschaft gelangen, 
so wäre die Folge eine Angleichung an die Natur und ihre Gesetze, 
wie dieselben in dem sonstigen Naturleben, ausserhalb der menschlichen 
Gesellschaft, ungehemmt sich auswirken. Darüber kann uns die Ver- 
gangenheit belehren : nicht als wäre jene Herrschaft des Naturalismus, 
wie wir die betreffende Richtung füglich benennen mögen, und jene 
Angleichung jemals völlig eingetreten, aber weil die Anfänge dazu 
in früheren Perioden geförderter und greifbarer vorliegen, während seit 
der christlichen Zeit die entgegenstehende Richtung ganz ausserordentlich 
erstarkt und noch fast in jedem Momente übermächtig gewesen ist. 

Bei dem griechischen Volke, dem am meisten denkenden des 
Alterthums, hat seit dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert eine 
Naturphilosophie und Naturwissenschaft bestanden. Die Spekulation 



über die Natur lässt sich noch viel weiter zurückverfolgen ; aber es 
mangelte ehedem die wissenschaftliche Form, statt deren die mythische 
gebraucht wurde. Seit jener Zeit aber Hess man z. B. aus dem Elemente 
des Wassers die Dinge, nicht aus dem mythischen Okeanos die Götter 
hervorgegangen sein. Das ist auch Spekulation, und wird somit als 
Philosophie gerechnet; man darf indes dem Streben nach immerhin 
auch von Natur Wissenschaft reden , zumal die Begleiterin und 
sicherste Führerin derselben, die Mathematik, gleich von Anfang an 
dabei erscheint. Ein Jahrhundert später war diese in lonien aufge- 
kommene Naturphilosophie schon weit verbreitet und weit gefördert, 
und hatte in Athen zu ihrem berühmtesten Vertreter den Anaxagoras, 
den Freund des grossen Perikles. Zugleich aber war sie in zahlreichen 
Richtungen auseinandergegangen. Es ist nämlich nicht unnatürlich, 
dass ein jeder dieser Männer, auf Grund der noch so dürftigen Natur- 
forschung, die ihm zu Gebote stand, alsbald eine Erkenntnis des Ganzen 
auf spekulativem Wege anstrebte ; denn diese Erkenntnis ist stets das 
Ziel der Forschung, und man meint immer wieder, mit gleichem Un- 
recht, dieses Ziel wirklich erreichen zu können. Was nun an wissen- 
schaftlicher Erkenntnis im einzelnen oder auch in allgemeinen Ge- 
setzen gewonnen war, das blieb und mehrte sich ; die Spekulation aber 
fiel immer wieder zu Boden, und ein Andrer nahm dann einen neuen 
Aufschwung. Zu den gewonnenen allgemeinen Ergebnissen gehört 
der Satz, dass nichts entstehe und nichts vergehe, sondern das soge- 
nannte Entstehen nur eine Verbindung von vorher vorhandenen Stoffen, 
und das sogenannte Vergehen nur eine Auflösung in bleibende Stoffe 
sei. Im einzelnen lehrte Anaxagoras, dass die Luft ein Körper sei — 
Beweis ihr Widerstand in einem geschlossenen leeren Schlauche, und 
beim Eintauchen eines unten offenen, oben aber geschlossenen Behälters 
in Wasser — , die Sonne aber eine glühende Masse, grösser als der Pelo- 
ponnes, und der Mond eine Erde mit Bergen und Thälern und Woh- 
nungen wie die unsrige. Dass er die Sonne für so gross erklärte, 
ist eine grössere That des freien Denkens, als wenn Andre nach ihm 
sie für beinahe so gross wie die ganze Erde, dann für grösser als die 
Erde, dann für viele Male grösser erklärten; denn jener erste Schritt 
über die sinnliche Wahrnehmung hinaus ist weitaus der bedeutendste 
und schwerste, der gemacht wurde. Und nicht mit der sinnlichen 
Wahrnehmung allein setzte sich Anaxagoras in Widerspruch, sondern 
mit den altüberlieferten und heilig geachteten Volksvorstellungen, deren 
Macht so gross war, dass selbst Piaton und Aristoteles und ihre Schüler 



nach ihnen sich ihr nicht haben entziehen können. Denn der Himmel 
und die Dinge am Himmel galten für unmittelbar göttlich, und nun 
machten diese Naturforscher den Himmel von Göttern leer und dafür 
von Erde und Steinmassen voll. Gleichwohl war Anaxagoras so wenig 
und noch weniger Materialist, als es seine Vorgänger gewesen waren. 
Diese nämlich vermischten in naiver Weise das, was der Begründer 
der neueren Philosophie so strenge geschieden, die denkende oder 
geistige Substanz und die ausgedehnte oder materielle, und nahmen 
gar keinen Anstand, z. B. das Feuer zugleich als materielles Prinzip 
und als weltdurchwaltende höchste Vernunft zu bezeichnen. Sie 
blieben damit innerhalb der nationalen Anschauung, welche das 
Materielle vergöttlichte, und Sonne und Meer u. s. f., sei es unter ihren 
üblichen Namen, sei es unter unverständlich gewordenen alten Bezeich- 
nungen, als göttliche Wesen verehrte. Anaxagoras aber, der mit der 
nationalen Anschauung brach, setzte den Geist ausserhalb der Materie, 
als das einerseits denkende, andrerseits gemäss seinem Denken die 
Materie bewegende und beherrschende Prinzip, und erschien mit dieser 
Entdeckung einer immateriellen, bewegenden und nach Zwecken 
gestaltenden Ursache , gegenüber den aus der Materie genommenen 
Erklärungen Früherer, nach Aristoteles' Ausdruck wie ein Nüchterner 
gegenüber Faselnden. Indem nun aber dieser grosse Denker auch 
Naturforscher war, und nicht nur das Ganze, sondern auch das Einzelne 
verstehen und erklären wollte, verzichtete er bei diesen Einzelerklärungen 
auf die Zweckursache, und stellte den Geist, nachdem er durch ihn 
den Anfang zur Bewegung und Gestaltung der Materie hatte geschehen 
lassen, weiterhin ganz zurück, um sich lediglich mechanischer Er- 
klärungsweisen zu bedienen. Und so ist es verständlich, dass die 
Schule des Meisters, unfähig den grössten Gedanken desselben zu 
begreifen und festzuhalten, die auch schon bei jenem im ganzen mehr 
vertretenden mechanischen Erklärungen allein in sich einsog und 
wiedergab, und damit allerdings, indem sie das Geistige weder in der 
Materie noch ausserhalb derselben recht anerkannte, mehr und mehr 
materialistisch wurde. Archelaos von Athen, Anaxagoras Schüler, 
machte den Geist zu einem Elemente neben andern Elementen, mit 
diesen überall ebenso gemischt vorkommend, wie nach des Lehrers 
Theorie die übrigen Elemente, den Geist allein ausgenommen, sich 
stets mit einander gemischt und niemals ganz rein vorfanden. „In 
allem Andern ist von Allem ein Theil", hatte Anaxagoras gesagt, 
„der Geist aber ist unbegrenzt und selbstherrlich und mit keinem 



8 

Dinge gemischt, sondern ist allein für sich." Wer diesen Satz aus 
dem Systeme beseitigte, fiel noch hinter die alten, das Geistige und 
das Materielle vermischenden Theorien zurück; denn er erkannte 
überhaupt keine weltdurchwaltende höchste Vernunft an. Die Ent- 
stehung lebender Wesen erklärte Archelaos, ähnlich wie schon Anaxa- 
goras gethan, aus dem Zusammenwirken von Feuchtigkeit und Wärme 
in dem Kessel, als welchen er sich die im Mittelpunkte der Welt 
befindliche, gegen diese unendlich kleine Erde dachte. Aus dem Sumpfe 
gingen sie hervor, und ihre erste Nahrung war der Schlamm; mit der 
Zeit sonderten sich unter den verschiedenartigen Wesen die Menschen 
aus, setzten sich Führer, gaben sich Gesetze, erfanden Künste, bauten 
Städte. Und so ging diese Naturlehre nun noch weiter auf das moralische 
Gebiet hinüber, weshalb spätere Geschichtschreiber der Philosophie 
die Lehre des Archelaos zum Verbindungsgliede zwischen der des 
Anaxagoras und der Moralphilosophie des Sokrates machen. In Bezug 
auf das Objekt ist dies auch nicht falsch ; die Art der Behandlung 
freilich und die Ergebnisse können nicht verschiedener sein. 

Ueberhaupt begann die Philosophie und die Forschung damals, 
um die Mitte des 5. Jahrhunderts, vom Himmel zur Erde, wie man 
sich ausgedrückt hat, herunterzusteigen, d. h. das Grübeln über die 
letzten Gründe mit menschlicheren und praktischeren Studien zu ver- 
tauschen. In Bezug auf die höchsten Probleme der Philosophie trat 
nämlich auch bei bedeutenden Köpfen eine ganz begreifliche Skepsis 
ein. Die bisherigen Lösungen dieser Fragen waren möglichst verschieden 
ausgefallen, und keins der Systeme konnte die Falschheit eines ent- 
gegengesetzten überzeugend darthun; im Gegentheil heisst es in einer 
Schrift klassischer Zeit, dass bei den Disputationen über den letzten 
Urgrund niemals derselbe mit derselben Behauptung dreimal hinter- 
einander — wie das im Ringkampf für den Sieg nöthig war — der 
Ueberlegene bleibe, sondern bald des Einen Beredsamkeit die Zuhörer 
für sich gewinne, bald die eines Andern. Nun aber erwachte auch in 
der Nation, d. h. der wohlhabenden Jugend derselben, ein starker Trieb 
zur Erweiterung und Vermehrung der Bildung, und die Philosophie und 
Forschung, jemehr sie diesem Triebe ihrerseits entgegenkam und sich 
praktischeren Gegenständen zuwandte, wurde um so mehr eine Macht 
im öffentlichen Leben und dazu ein lohnendes Gewerbe. Anaxagoras 
hatte um seiner Forschung willen seine ererbten Güter preisgegeben; 
der Sophist — so nannte sich von jetzt an der seine Weisheit anpreisende 
und feilbietende Gelehrte — fand in der kleinsten fremden Stadt, die 



9 

er besuchte, dankbare Käufer. Er lehrt^ nun in Bezug auf die bisher 
behandelten höchsten Probleme nichts; im Gegentheil stellten gerade 
die geistreichsten Sophisten Theorien auf, welche die Allgemeingültigkeit 
der Erkenntnis oder gar die Möglichkeit derselben und selbst die Existenz 
der Dinge aufhoben, woraus zu folgern war, dass man sich um das 
Nichtexistirende auch nicht zu kümmern habe, und nicht tiefsinnig zu 
forschen, sondern schön zu reden, oder geschickt zu disputiren. Diese 
formalen Künste also wurden ausgebildet, und daneben eine zwar viel- 
seitige, aber im allgemeinen sehr oberflächliche Kenntnis, ohne die ja 
freilich weder zu disputiren noch Reden zu halten möglich war. Damit 
verband sich endlich bei Vielen oder den Meisten eine allgemeine Welt- 
anschauung, die auf dem Grunde der Naturforschung, statt auf dem 
der Ueberlieferung und Volksreligion, beruhte, und die durchaus eine 
naturalistische und materialistische zu nennen ist. Es ist auch kein 
Anlass, sich über die Entstehung und Ausbreitung einer solchen Welt- 
anschauung in jener Zeit zu wundern. Denn wiewohl die Summe der 
dazumal erforschten Thatsachen und Gesetze aus den Reichen der 
Natur sich zu den heutzutage aufgehäuften ungefähr ebenso verhält, 
wie die von Anaxagoras geschätzte Grösse der Sonne zu der von uns 
erkannten, so liegt doch die Versuchung zum Materialismus keineswegs 
in der Fülle des Erkannten, sondern in der einseitigen Art des Er- 
kennens und Forschens. Ob jemand unzählig viele Grundstoffe annahm, 
oder, wie die Meisten, die bekannten vier, Luft, Feuer, Wasser und 
Erde, oder ob er diese auflöst bezw. streicht und einige 70 andere 
annimmt, oder mehr oder weniger : er glaubt doch jedenfalls an materielle 
Grundstoffe, und wenn er ausser diesen an nichts anderes glaubt, weil 
ihn die Art seiner Forschung nichts anderes kennen lehrt, so wird er 
Materialist. Ebenso ist es in dieser Hinsicht ganz unerheblich, wie 
viele und welche Naturkräfte jemand kennt, und wie genau er die 
Thätigkeit derselben in den Vorgängen der Natur erforscht hat. Und 
ferner : wie der aristotelische und mittelalterliche Himmel, der räumlich 
alles umschliessende Sitz der Gottheit, von der Astronomie des Copernicus 
und seiner Nachfolger zerstört wurde, so war damals der engbegrenzte 
altgriechische Himmel mit seinen nahen Göttern von Anaxagoras zer- 
stört, und mit der Stätte der Gottheit auch diese selbst den Menschen 
entzogen. Nicht Helios lenkte seinen Wagen, sondern eine glühende 
Masse bewegte sich durch Naturkraft; nicht Zeus donnerte und 
blitzte, sondern das Warme und Kalte war da vernunftlos wirksam. 
Der Mensch fing eben erst an, die Natur erkennend zu beherrschen, 



10 

und, wie durch Schicksal, fiel alsbald in ihren Knechtesdienst mehr 
als zuvor zurück, indem er sich ihr angleichen zu müssen u*nd das, 
was er in sich und nicht zugleich in der Natur vorfand, als Schein 
und Trug verwerfen zu müssen meinte. 

Archelaos erklärte, so lesen wir in einem dürftigen Auszuge seiner 
Lehren, dass das Gerechte und das sittHch Hässliche nicht von Natur 
sei, sondern durch Satzung. Den Commentar dazu liefert Piaton 
an mehreren Stellen, wo er die Ethik der Naturalisten bekämpft, und 
zwar offenbar ?iuf Grund ihm vorliegender Schriften, deren verderbliche 
Wirkung auf unbefestigte Gemüther er mit Schmerz und Bitterkeit 
beklagt. Namen nennt er nicht, doch scheint unter diesen Schriften 
eine des Thrasymachos gewesen zu sein, eines namhaften und um die 
Entwickelung der Beredsamkeit sehr verdienten Meisters derselben; 
ferner kann man auf den Kritias rathen, Piatons eigenen älteren Ver- 
wandten von Mutterseite, das Haupt der Zwingherrschaft der sog. 
30 Tyrannen in Athen, einen Mann der als Laie unter den Philosophen, 
als Philosoph unter den Laien bezeichnet wird. Protagoras, der Urheber 
der gesammten Sophistik, bietet wohl Beziehungen zu dieser Ethik, 
aber noch nicht diese selbst; erst die Jüngeren und Beschränkteren 
sind es gewesen, welche die Wissenschaft und Philosophie so popu- 
larisirten. Wo Piaton die naturalistische Lehre am ausführlichsten und 
jedenfalls unmittelbar nach einer schriftlichen Vorlage wiedergiebt, 
stellt er dieselbe folgendermassen dar. 

Alles, was wird, oder geworden ist, oder werden wird, hat seine 
Ursache entweder in der Natur oder im Zufall, oder in der Kunst. 
Das Grösste und Schönste bringt die Natur und der Zufall hervor, das 
Kleinere die Kunst, welche das von der Natur Geschaffene nimmt und 
zu ihren Gebilden verwendet. Die Elemente: Feuer, Luft, Wasser, 
Erde, sind von Natur und durch Zufall, ebenso sind die grossen Körper: 
die Erde als Ganzes, Sonne, Mond, durch Natur und Zufall geworden, 
indem die ehedem getrennten Grundstoffe sich so und so durch die 
und die Kräfte zusammenfanden und verbanden ; Gottheit und Kunst 
ist hierbei nicht betheiligt. Ebenso alle organischen Wesen. Die Kunst 
ist hinterher gekommen, eine sterbliche Kraft in sterblichen Geschöpfen, 
und bringt nun allerlei Tand und Scheinwesen hervor, oder höchstens 
dann etwas Werthvolleres, wenn sie die Naturkraft benutzt, wie die 
Kunst des Landbauers oder die des Arztes dies thut, zu einem kleinen 
Theile auch die des Staatsmanns. Die gesammte Gesetzgebung des- 
selben aber ist nichts in der Natur noch auf Wahrheit Beruhendes, 



11 

sondern durchaus ein Werk der Kunst., Somit sind auch die Götter 
durch die Kunst, nämlich die des Gesetzgebers, und darum sind es 
überall verschiedene, je nachdem eben die einzelnen Völker und Staaten 
sich die diesbezüglichen Gesetze haben geben lassen. Die Bezeichnung 
des Schönen ferner, das ist des Sittlichguten und Löblichen, ist durch 
die Kunst ganz andern Dingen und Handlungen beigelegt, als die sind, 
denen sie nach der Natur zukommt. Der Begriff des Gerechten aber 
ist ganz und gar künstlich und hat in der Natur keinen Grund; eben 
darum streitet man sich stets, was Recht sei, und ändert das Recht 
fortwährend ; wie es dann geändert uud gestaltet ist, so hat es bei den 
einzelnen Staaten als Gesetz seine Gültigkeit, ohne doch irgendwie 
sich auf Natur zu stützen. Und so ist es das erstrebenswerthe Ziel, 
zu dem richtigen, naturgemässen Leben zurückzukehren, d. h. die 
natürlichen Fähigkeiten und Kräfte, die man hat, zur Herrschaft über 
die Schwächeren zu benutzen, statt der Satzung gemäss ein Knecht 
derselben zu sein. 

In diesem klaren, folgerichtigen und abgeschlossenen System, 
dessen Stärke ausser in diesen Eigenschaften in der theilweise vor- 
handenen einleuchtenden Wahrheit, und dessen Verderblichkeit in der 
völligen Verkennung anderer wichtigerer Wahrheiten beruht, sind die 
beherrschenden Begriffe, wie man sieht, die einander entgegengesetzten 
der Natur und der Kunst, oder, wie es anderswo ausgedrückt ist, 
der Natur und der Satzung. Und ferner wird für Natur auch 
Wahrheit gesetzt; den Erzeugnissen der Kunst, abgesehen von den 
doch auch hinfälligen und vergänglichen Bauwerken und Kunstwerken 
von Menschenhand, kommt eine Wesenhaftigkeit und Wahrheit nicht 
zu, sondern sie sind nur nach dem Scheine und vermöge der Meinung 
der Menschen vorhanden. Der Natur, das ist der vernunftlosen und 
seelenlosen Natur, wendet sich der Mensch anbetend zu, und gegenüber 
der Grösse der Materie verschwindet in seinen Augen alles, was er 
selber schaffen kann; eine gewisse Begeisterung für die Natur tritt so- 
wohl in Piatons Auszuge zu Tage, als auch in einer bei einem Späteren 
erhaltenen, vielfach ähnlichen Stelle, die sich auf den Kritias, als einen 
Lieblingsschriftsteller des betreffenden späten Autors, füglich zurück- 
führen lässt. Indem man sich der Verehrung dieser Natur knechtisch 
hingiebt, macht man sich frei von allen ererbten Begriffen, wie Religion, 
Recht, Gesetz, Sittlichkeit; die menschliche Civilisation selbst ist nur 
ein werthloses Schein wesen. Die Götter erklärte Kritias in einer 
Tragödie, freilich gewiss nicht einer zur Aufführung bestimmten, für 



12 

die Erfindung eines klugen Gesetzgebers der Vorzeit, welcher wohl 
erkannte, wie mit allem, was er einrichten könne, die Befolgung seiner 
Gesetze ganz ungenügend verbürgt sei, viel besser dagegen, wenn er 
den Leuten einrede , dass überwachende Götter im Himmel vorhanden 
seien, vor denen keine Unthat verborgen bleibe. Dass die Existenz 
der einzelnen Götter, wie man sie sich dachte und darstellte, auf Satzung 
und willkürlicher Festsetzung beruhe, war ja ein in jener Zeit, wo man 
genug von fremden Völkern hörte und sah, ganz naheliegender Gedanke. 
Auch bei einem gläubigen Gemüthe, wie dem des alten Herodot, des 
Vaters der Geschichte, konnte in Bezug auf die Götterlehre der heimischen 
Dichter eine Skepsis nicht ausbleiben, wenn er sah, wie viel ältere 
Völker, die Aegypter z. B., ein ganz anderes Göttersystem besassen, 
dessen Richtigkeit zu widerlegen er als ebenso unmöglich erkannte, 
wie dieselbe zu beweisen. „Ich meine,** sagt er daher einmal, „dass 
von den Göttern alle Menschen gleich wenig wissen." Er hält sich 
also, in Ermangelung eines Besseren, an das .Allgemeine, worin alle 
Völker übereinstimmten, und verfolgt ehrfurchtsvoll die Spuren der 
göttlichen Vorsehung in der Natur und der göttlichen Weltregierung 
in der Geschichte. Derselbe Standpunkt war auch später möglich; 
aber dem oberflächlich Betrachtenden musste freilich die Lehre ein- 
leuchten, dass bei solchen Verschiedenheiten nach Staaten und Völkern 
von vornherein lediglich willkürliche Festsetzung sei, zumal da die 
meisten Götter auch nach der Aussage ihrer Verehrer sich nicht sehen 
Hessen, und die sichtbaren, Sonne und Mond, durch die Wissenschaft 
als leblose Steine erwiesen waren. Und warum sollte Poseidon, d. i. 
das Meer, ein wirkliches göttliches Wesen sein, wo es Helios nicht 
war? Die Menschen der Vorzeit, so sagte man, haben eben alles, was 
ihnen nützlich war, vergöttlicht, auch Brot und Wein in Demeter und 
Dionysos; somit schien die griechische Naturreligion sich vollständig 
mit aller Leichtigkeit in das eine ihrer Elemente, die Natur, aufzulösen. 
Analog konnte nun auch mit Bezug auf das Recht argumentirt 
werden, wie wir schon in Platon's Darstellung sahen. Es war ein be- 
liebtes Thema der Disputationen, darzuthun, wie keinie einzige Handlung 
an und für sich und damit unter allen Umständen gerecht oder un- 
gerecht sei, sondern die Umstände eine jede bald so, bald so erscheinen 
liessen. Dies, wie die Verschiedenheit und der Wechsel des geltenden 
Rechtes, konnte eine gewisse Skepsis hervorbringen, und doch hatte 
schon der alte Heraklit von Ephesos wahr und tief gesagt: „Alle mensch- 
lichen Gesetze nähren sich aus dem einen göttlichen Gesetze," das 



13 

heisst, die Idee und das Ideal ist in allen das gleiche. Der Sophist 
aber suchte im Gegentheil darzuthun, dass in der Natur ein Recht, 
wie man dasselbe gewöhnlich fasse, gar nicht vorhanden sei, und 
ebenso wenig eine wirkliche Gerechtigkeit bei den Menschen, sondern 
nur der Schein derselben. Von Thrasymachos stammt der jedenfalls 
auch schriftlich von ihm behandelte Satz : Das Gerechte (d. i. was 
man jedesmal so nennt) ist in Wahrheit der Nutzen des Stärkeren. 
Der Beweis für den paradox klingenden Satz war einfach dieser. 
In einem jeden Staate wird der dem andern überlegene Theil, sei es 
die grosse Masse, oder die wenigen Bevorzugten einer Oligarchie, oder 
auch ein einzelner Tyrann, die Gresetze geben, und zwar selbstver- 
ständlich zu dem Ziele, dass dieser gesetzgebende Theil in seiner 
Herrschaft über den Rest der Bürgerschaft dauernd bleibe. Was nun 
als Gesetz festgestellt ist, wird gerecht genannt, und die Uebertretung 
dieser Gesetze heisst Unrecht und wird bestraft; in Wahrheit aber 
handelt es sich dabei nur um den Vortheil, bezw. Nachtheil der Re- 
gierenden. Mit einer ähnlichen Beweisführung, wie Xenophon erzählt, 
suchte auch einmal der junge Alkibiades seinen Vormund Perikles zu 
fangen; derselbe Hess sich auch ruhig fangen, fügte aber trocken 
hinzu: „Auch ich verstand mich, als ich in deinem Alter war, sehr 
gut auf diese Weisheit.'' Wenn man nun aber, sagten die Sophisten, 
über die einzelne Staatsgemeinschaft hinaussieht, so findet man in den 
Verhältnissen der Staaten und Völker zu einander kaum noch den 
Schein eines Rechtes, sondern das Gegentheil, die Gewalt des Stärkeren, 
und wenn man also von einem Naturrecht sprechen will, so ist dies 
nur das Recht des Stärkeren. Auf dieses Recht und Gesetz der 
Natur stützte sich Xerxes, als er gegen Griechenland zog; nach dem- 
selben handeln alle Geschöpfe ausserhalb der Menschheit. Dies letztere 
hatte freilich schon der alte Hesiod gewusst, wenn er sagt: 

„Also hat ja den Menschen bestimmt der Kronide die Satzung: 
Zwar den Fischen und Thieren des Felds und geflügelten Vögeln 
Setzt' er einander zu fressen ; denn Recht ist nicht unter ihnen ; 
Aber den Menschen verlieh er das Recht.** 

Mit diesem unterscheidenden Scheinwesen bei den Menschen 
sollte nun aber aufgeräumt werden. Hatte nicht auch der gefeierte 
Dichter Pindar gesagt, dass das Gesetz, der König aller Sterblichen 
und Unsterblichen, die grösste Gewalt mit seiner übermächtigen Hand 
zum Rechte mache, und sich auf die That des Herakles berufen, der 
dem Riesen Geryones seine Rinderheerde nicht etwa abkaufte, sondern 



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mit Gewalt wegnahm? .Und ist dieses Gesetz, dieser allbeherrschende 
König, ein anderes als das Naturgesetz des Stärkeren? Es hätte 
sich hier erwidern lassen, dass Pindar ganz gewiss nicht dieses Gesetz 
meine, sondern die Satzung der Menschen, welche ja diese That des 
Herakles für gross und schön erklärte und auch den Dichter sie zu 
preisen nöthigte, wiewohl er nicht umhin kann zu gestehen , dass 
eigentlich der sein Eigenthum vertheidigende Geryones zu loben sei. 
Mit der Berufung auf Gesetz und Satzung, die es einmal anders 
wolle, hilft er sich über einen Skrupel weg, wie sie seiner geläuterten 
Anschauung in der überlieferten Götter- und Heldensage öfter auf- 
stiessen. Wie man nun hier Worte eines nationalen Dichters ver- 
werthete, so ist auch wohl anzunehmen, dass Piaton die Geschichte 
vom Ringe des Gyges, die er in einer Verfechtung des sophistischen 
Standpunkts vorbringen lässt, weder erfunden, noch selbst erst so ver- 
wandt habe. Es sollte damit klar gelegt werden, dass in der That niemand 
um der Gerechtigkeit willen gerecht sei, sondern nur aus Unvermögen, 
Unrecht zu thun, wozu der natürliche Trieb alle Menschen leite. Der 
Vorfahr des lydischen Königs Gyges, lautet die Erzählung, war ein 
Hirt in Diensten des damaligen Herrschers von Lydien. Einstmals 
bemerkte er in der Gegend, wo er seine Heerde weidete, einen in 
Folge von Regengüssen und Erderschütterungen entstandenen Schlund, 
in den er neugierig hinabstieg. Unten fand er ein ehernes Pferd mit 
Fensterlöchern darin ; drinnen lag ein übermenschlich grosser Leichnam, 
mit einem goldnen Ringe am Finger. Diesen Ring zog der Hirt 
ab und steckte ihn selbst an. Einige Zeit darauf fand eine Zusammen- 
kunft der Hirten statt, damit dem Könige der monatliche Bericht über 
die Heerden abgestattet würde; auch der Hirt mit dem Ringe fand 
sich dazu ein, und drehte, wie er so da sass, zufällig spielend den 
Stein nach einwärts. Plötzlich bemerkte er, wie die Andern ihn nicht 
mehr sahen und von ihm sprachen als sei er fortgegangen, und er 
dreht verwundert wieder den Stein nach auswärts, und wird wieder 
sichtbar. Als er die Kraft des Ringes durch öfteres Probiren fest- 
gestellt hat, fasst er alsbald seinen Plan : er lässt sich als Bote an den 
König abordnen, tödtet denselben und wird selber König von Lydien. 
Nun die Anwendung : wenn der sogenannte und anscheinende Gerechte 
einen solchen Ring an den Finger bekäme, er würde alsbald dieselben 
Wege wandeln wie der Ungerechte, und damit beweisen, dass er 
vorher nicht aus eignem Triebe, sondern nur aus Noth gerecht war 
und fremdes Eigenthum achtete. 



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Dass nun diese naturalistische Lehre von Recht und Unrecht 
in Piatons Darstellung nicht geradezu gemein erscheint, dazu trägt 
ausser der geistreichen Form und Begründung auch die aristokratische 
Fassung bei. Erst Sokrates zieht im Disput die Folgerung, dass 
demnach auch Taschendiebstahl nützlich und empfehlenswerth sei : 
was der Gegner zugeben muss, aber mit dem Bemerken, dass diese 
Aneignung fremden Eigenthums doch nicht der Rede werth sei, und 
der rechte Mann in einem viel grossartigeren Masse nehmen müsse, 
insbesondere, indem er sich zum Herrscher seiner Stadt mache und 
so seinen schwächeren Mitbürgern alles auf einmal nehme. Die 
Mehrzahl der griechischen Staaten wurde nämlich damals demokratisch 
regiert, und die Gebildeten empfanden die Herrschaft der oft zügel- 
losen Masse als einen unwürdigen und unerträglichen Druck; eben 
daraus ging in Athen der zweimalige Umsturz der Demokratie 
während und nach dem peloponnesischen Kriege hervor. Selbst- 
verständlich aber ist die Lehre vom Naturrechte des Stärkeren sehr 
leicht in eine demokratische Fassung umzusetzen. Denn dies Recht, 
welches der einzelne Höherbegabte gegenüber dem einzelnen Minder- 
begabten hat, besitzt ebenso die Masse der Minderbegabten gegen- 
über dem einzelnen Höherbegabten; sie ist thatsächlich stärker, und 
hat eben darin schon ihr Recht. Es kommt aber hinzu, dass die 
aristokratische ufid oligarchische Bevorzugung eines Theiles der Staats- 
angehörigen, auf Grund ererbten Rechtes oder zufälligen grösseren 
Besitzes, als widernatürliche Satzung erschien; denn die Natur, sagte 
man, hat alle Menschen wesentlich gleich geschaffen, und auch, dass 
der eine Sklave ist, der andre dessen Herr, ist nicht Natur, sondern 
Satzung und Willkür. So gab die Lehre von der Satzung als dem 
Gegentheile der Natur nach beiden Seiten hin zur Revolution Anlass 
und Vorwand. 

In Kürze müssen wir, nach Darlegung der Lehre über die 
Götter und über Recht und Gerechtigkeit, auch auf den Begriff des 
Sittlich-Schönen und sein Gegentheil eingehen. Alles, was irgend als 
Tugend und als Lob galt, bezeichnen die Griechen als das Schöne, 
und das Entgegengesetzte als das Hässliche. Archelaos nun erklärte, 
wie wir oben anführten, dass das Sittlich - Hässliche dies nicht von 
Natur, sondern durch Satzung sei, und in Piatons Auszuge stand, dass 
beide Bezeichnungen von Natur andern Dingen und Handlungen 
zukämen, als wie die Kunst sie beilege. Das scheint Widerspruch, 
ist aber kaum einer. Den Begriff des Schönen aus der Natur zu ver- 



16 

bannen konnte nur dem in den Sinn kommen, der, wie der Atomi- 
stiker Demokrit, alle Eigenschaften der Körper in den Bereich der 
Satzung, d. i. bei ihm des nur subjektiv Vorhandenen, verwies ; wer 
dagegen so tief nicht philosophirte, konnte schön und hässlich gelten 
lassen und auch auf Handlungen anwenden, nur nicht auf die, welchen 
die Menge diese Bezeichnungen beilegte, noch nach so willkürlicher 
Beurtheilung. War doch leicht zu zeigen, wie nach Umständen die- 
selbe Handlung bald als löblich gelte, bald als schimpflich, und 
ferner, dass die verschiedenen Völker in ihrem Urtheil schlechterdings 
nicht übereinstimmten. Z. B. die Skythen hielten es für löblich , aus 
dem Schädel eines ermordeten Feindes sich einen Trinkbecher zu 
verfertigen ; bei den Massageten oder, nach Herodot, bei einem Volks- 
stamme Indiens galt ^es als die einzig rühmliche Bestattung, wenn die 
Ueberlebenden den Todten aufzehrten, und so die Eltern in ihren 
Kindern begraben wurden. Herodot erzählt, dass einstmals der König 
Darius solche Inder gefragt habe, für wieviel Geld sie wohl ihre 
Todten verbrennen würden, und darauf Hellenen, für wieviel [sie sich 
entschliessen könnten ihre Todten aufzuessen, und dass beide auf das 
entschiedenste betheuert hätten, dass es soviel Geld überhaupt nicht 
gebe. Er nun wendet darauf den Spruch Pindars von dem allbe- 
herrschenden Gesetze an, und schliesst, dass es thöricht sei, über 
fremde Sitten zu lachen ; der naturalistisch Denkende dagegen schloss, 
dass nicht die Natur diese oder jene Beurtheilung vorschreibe, sondern 
Kunst und Satzung. Denn sowie die Natur in Frage kommt, ver- 
schwindet das Vorrecht des Hellenen vor dem Barbaren, des civilisirten 
Volkes vor dem rohesten Naturvolke, selbstverständlich auch des 
Menschen vor den übrigen Geschöpfen. Beseitigt man nun dieses 
Scheinwesen, so muss als das nach der Natur Schöne alles das 
bezeichnet werden, was mit der Natur der Geschöpfe im Einklang 
steht, als das von Natur HässUche alles, was mit derselben nicht über- 
einstimmt. Während also die Menge in der Enthaltsamkeit und Selbst- 
beherrschung etwas löbliches sah, und das griechische Volk sowohl 
einen Hippolytos um seiner Keuschheit willen als Heros ehrte, als auch 
die Athleten pries, die, um den Siegeskranz zu erringen, sich fort und 
fort aller Dinge enthalten hatten, und in Athen ein Staatsmann nur dann 
wirklichen Respekt genoss, wenn er strenge und abgehärtet und beinahe 
asketisch lebte: so erklärt der Sophist solche Entsagung für wider- 
natürlich und nur nach falscher Satzung schön, dagegen für wirklich 
rühmlich, wenn jemand möglichst viele und starke Begierden hat und 



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nährt, aber nun dieselben vermöge seiner Mannhaftigkeit und Intelligenz 
auch zu befriedigen weiss. Das kann die Menge nicht; darum ver- 
birgt sie ihre Schwäche unter einer angenommenen Selbstbeherrschung, 
und macht aus der Noth eine Tugend. Ob diese Lehre so von irgend 
jemandem schriftlich entwickelt war, ist zweifelhaft, und wird dies 
noch mehr dadurch, dass auch Piaton, der sie gesprächsweise und 
erst in Folge von Reizung entwickeln lässt, durch die Person seines 
Sokrates die mannhafte Offenheit lobt: „jetzt sagst du deutlich heraus, 
was die Andern zwar denken, aber nicht sagen wollen." Piaton ist 
aber ohne Zweifel der berufenste Interpret der Denkungsart seiner 
Zeitgenossen und nahen Verwandten, und auch ohne ihn würden wir 
den Satz, dass das Sitthch-Hässliche nicht von Natur, sondern durch 
Satzung sei, oder jenen andern, das nicht dasselbe von Natur und 
nach Satzung schön und hässlich sei, gar nicht anders deuten können. 
Jede Abschwächung würde dem Systeme den Vorzug schmälern, 
den es ohne Frage hat: nämlich, dass es sich, von einfachen Prin- 
cipien aus, klar und folgerichtig und eben damit auch einleuchtend 
entwickelt. Der platonische Sokrates nun sieht sich dieser ab- 
geschlossenen Weltanschauung gegenüber in der Lage jemandes, 
der zwar selbst undurchdringlich gewappnet ist, aber in des Gegners 
Rüstung ebenso keinen Spalt findet, durch den er eindringen könnte. 
Er ist der Stärkere und beweist das, aber der Andere wird nicht über- 
zeugt und nicht einmal beeinflusst Anlässlich des rastlosen Wechsels 
von Befriedigung und neuer Begierde, wie er bei dem so der Natur 
gemäss lebenden Manne sein muss, erinnert Sokrates an das sinnige 
altgriechische Symbol von denen, die in der Unterwelt ewig Wasser 
mit einem Siebe in ein durchlöchertes Fass schöpfen müssen: ein ins 
Jenseits reflektirtes Abbild des diesseitigen Lebens derer, die in rast- 
losem, aber auf das Eitle gerichteten Streben nie zur Befriedigung ge- 
langen. Und dann fragt er nach längerer Darlegung seinen Wider- 
part: „Bist du nun mehr überzeugt, dass ich Recht habe, oder ist es 
so, dass wenn ich noch so viel derartige Geschichten dir vortrage, du 
darum nicht im geringsten deine Meinung ändern wirst?" Und jener 
antwortet: „das Letztere ist zutreffender, lieber Sokrates." Es war 
in der That diesem Geschlechte nicht beizukommen, weder durch 
Gründe, noch durch Gewalt, die übrigens gegen diese Lehren nur 
schwach und vereinzelt versucht wurde. In den „Gesetzen", die Piaton 
als älterer Mann jedenfalls für Dionysios den Zweiten von Syrakus 
verfasste, in der Absicht, sie durch diesen einführen zu lassen, stellt 



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er ein Repressivsystem gegen den Atheismus und sonstige Ketzereien 
auf, mit Zuchthausstrafe und schliesslich Todesstrafe, übrigens mit 
viel grösserer Schärfe gegen die Winkelpriester und religiösen Gaukler, 
nach ihm versteckte Atheisten, als gegen die offenen Atheisten, unter 
denen nach seiner Erklärung doch Mancher war, der von Natur Hin- 
neigung zur Gerechtigkeit und Abscheu vor Unrecht hatte, und sich 
demgemäss im Leben bewies. Es bedurfte aber der Todesstrafen und 
Ketzergerichte nicht, denn dies Geschlecht rottete sich selber aus. 
Kritias, Piatons Verwandter, als er zur Herrschaft in Athen gekommen 
war, wirthschaftete mit Raub und Justizmord derartig, dass nach 
8 Monaten die flüchtige demokratische Partei mit den Waffen wieder- 
kehrte und ihm ein Gefecht lieferte, in dem er selbst den Tod fand. 
Eine der letzten Thaten der Regierungsbehörde der Dreissig unter 
seiner Führung war gewesen, dass sie, um sich in dem Flecken 
Eleusis für den Fall, dass sie aus Athen weichen müsste, eine Zuflucht 
zu sichern, die Bewohner des Ortes unter dem Vorwande einer Muste- 
rung zusammenberufen, dann einzeln verhaften und nach Athen ab- 
führen Hess, wo dieselben am folgenden Tage in einem scheinbaren 
Gerichtsverfahren, in Anwesenheit der bewaffneten Macht und mit 
offener Abstimmung, sämmtlich zum Tode verurtheilt wurden. Kritias 
handelte dabei durchaus seinen Principien gemäss; denn er befand 
sich, modern ausgedrückt, im Kampfe ums Dasein gegen die Demo- 
kraten, und jedes Raubthier, welches ja der wahrhaftigen Stimme der 
Natur folgt, würde mit der nöthigen Intelligenz ebenso gehandelt 
haben. So ging in diesen inneren Kämpfen das durch die naturalistischen 
Lehren infizirte Geschlecht Athens rasch und gewaltsam zu Grunde, 
und im übrigen Griechenland waren die Katastrophen, die den ge- 
bildeten Theil der Nation hinrafften, noch viel schrecklicher und an- 
dauernder. Jede Stadt war in zwei Parteien gespalten, von denen die 
eine die Freiheit und Gleichheit hochhielt, die andere eine aristo- 
kratische Zucht nach Sparta's Vorbild, jede aber sich gegen die andere 
das Aergste erlaubte, und in der Rache ihrerseits noch weiter schritt, bis 
denn am Ende, was aus diesen Zeiten lebend hervorging, sich irgend 
welcher Ordnung ermattet fügte. Damit ging aber auch die Lehre 
von Natur und Satzung aus; Aristoteles citirt sie gelegentlich als die 
„der Alten." 



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Hochgeehrte Anwesende 1 Der Jammer einer entfernten Vergangen- 
heit soll uns heute nicht allzusehr an den Jammer der Gegenwart 
erinnern. Wohl sind ähnliche Anfänge auch bei uns, und daher Ge- 
fahren anscheinend riesengross ; aber der Fortgang braucht nicht noth- 
wendig dem damaligen entsprechend zu sein, und die Gefahren 
können noch abgewandt werden. Eben der Herrscher, dessen Tag 
wir heute feiern, weiss besser und empfindet tiefer, als irgend ein 
Anderer, was die Schäden unseres Volkes und unserer Zustände sind : 
er trägt dies auf landesväterlichem Herzen und sinnt und sorgt, wie 
den Nöthen und Gefahren abgeholfen und begegnet werden könne. 
Es ziemt, gerade an dieser Stelle jenes Wortes unseres kaiserlichen 
Herrn zu gedenken: „Insbesondere kommt es darauf an, dass 
dem Volke nicht die Religion verloren gehe," bei welchem Worte 
es das schlimmste Missverständniss wäre, aus dem Volke die Ge- 
bildeten als in dieser Hinsicht privilegirt auszunehmen. Die Gnade, 
die uns diesen Herrscher gegeben und so beispiellos lange erhalten 
hat, wird auch ferner, das hoffen und erflehen heute alle Deutschen, 
zum Heile des Reiches und des Volkes und zum Frieden Europas 
ihn stärken und alle Tage mit ihm sein. Vereinigen wir uns alle in 
dem Rufe: Se. Majestät, unser allergnädigster Kaiser und 
König und Herr, lebe hochl