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Full text of "Natur und Museum"

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44.  BERICHT 

der 

8ENCKENBERGISCHEN 
NATÜRF0R8CHENDEN  GESELLSCHAFT 


m 


FRANKFURT  AM  MAIN 


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Frankfurt  am  Main 

Selbstverlag  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft 

1913 


Nachdruck  nur  mit  Quellenangabe  gestattet 
Übersetzungsrecht  vorbehalten 


—   Ill 


An  unsere  Mitglieder. 

Der  in  erfreulicher  Weise  zunehmende  Umfang  unserer  Samm- 
lungen gebietet  eine  Erweiterung  unseres  Museums.  Auf 
verschiedenen  wichtigen  Gebieten  sind  unsere  Sammlungen  an  den 
ersten  Platz  gerückt;  zahlreiche  und  wertvolle  Objekte  liegen 
bereits  aufgestapelt  und  harren  ihrer  Aufstellung  in  den  erwei- 
terten Räumen.  Die  sich  ständig  mehrende  Zahl  der  Besucher 
des  Museums  beweist  das  vorliegende  Bedürfnis  nach  einer  fort- 
schreitenden Ausgestaltung  unserer  Sammlungen,  die  der  Vater- 
stadt zur  Zierde  und  zum  Anziehungspunkt  gereichen. 

Zur  Ausführung  der  geplanten  Ergänzungsbauten  sind  aber 
erhebliche  Mittel  erforderlich,  die  wir  durch  Schenkungen 
unserer  Gönner  zu  erlangen  nicht  zu  hoffen  wagen.  Auch  hat 
der  Plan  der  Geldbeschaffung  durch  eine  Lotterie  die  Zustim- 
mung der  zuständigen  Ministerien  nicht  gefunden. 

So  hat  die  Verwaltung  unserer  Gesellschaft  beschlossen,  sich 
an  unsere  Mitglieder,  Freunde  und  Gönner  um  Bewilligung  eines 
unverzinslichen  Darlehens  bis  zum  Betrage  von  M.  500.000 
zu  wenden.  Über  das  Darlehen  werden  einzelne  Schuldscheine 
über  je  M.  1000  auf  Namen  ausgestellt,  und  jeder  Schuld- 
schein trägt  die  Bescheinigung  der  Deutschen  Bank, 
daß  seine  Rückzahlung  zum  Nennbetrage  gemäß 
dem  jedem  Schuldscheine  aufgedruckten  Tilgungs- 
plan binnen  16  Jahren  durch  Hinterlegung  eines  Depots 
gewährleistet  i  s  t. 

Es  werden  demnach,  vom  April  1915  beginnend,  alljährlich 
auf  der  Deutschen  Bank  Filiale  Frankfurt  vor  Notar  und  Zeugen 
die  zur  Rückzahlung  kommenden  Schuldscheine  ausgelost  und 
die  verlosten  Schuldscheine  unter  Benachrichtigung  ihrer  Inhaber 
mit  M.  1000  pro  Schein  zurückbezahlt.  Sollten  vor  einer  Ver- 
losung Schuldscheine  unter  dem  Nennwerte  angeboten  werden, 
so   darf  die  Tilgung  auch  durch  Rückkauf  unter  dem  Nennwert 


—    IV    — 

erfolgen;  die  Einhaltung  des  Tilgungsplanes  ist  auch  in  diesem 
Falle  im  April  jedes  Jahres  unter  Vernichtung  der  Schuldscheine 
notariell  zu  beurkunden. 

Nach  diesen  Bestimmungen  ist  also  die  Rückzahlung  jedes 
Schuldscheines  zu  M.  1000  binnen  längstens  16  Jahren  ganz 
unabhängig  von  unserer  Gesellschaft  sichergestellt,  und 
wir  bitten  somit  im  Interesse  unseres  gemeinnützigen  Unter- 
nehmens nur  um  Erlaß  der  Zinsen  bis  zur  Heimzahlung  des 
Kapitals. 

So  richten  wir  nun  an  alle  unsere  Mitglieder,  an  Freunde 
und  Gönner  unseres  Museums  die  herzliche  und  drinoende  Bitte, 
uns  das  erforderliche  Kapital  zur  Aufführung  des  Erweiterungs- 
baues unseres  Museums  durch  Übernahme  von  Schuldscheinen 
vorübergehend  zur  Verfügung  zu  stellen,  und  bitten,  uns 
unter  Benutzung  des  beiliegenden  Formulars  möglichst  bald  mit- 
zuteilen, wieviele  Schuldscheine  Sie  übernehmen  wollen. 
Die  Einzahlung  des  Betrages  werden  wir  durch  Rundschreiben 
im  März  nächsten  Jahres  erbitten. 


Die  Direktion 
der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft; 

Geh.  Regierungsrat  Dr.  A.  von  Weinberg,  I.  Direktor 
Oberstabsarzt  a.  D.  Prof.  Dr.  E.  Marx,  11.  Direktor 
Dipl.-Ing.  P.  Prior,  I.  Schriftführer 
Dr.  A.  Lotichius,  IL  Schriftführer 
Albert   von   Metzler,   Kassier 
Walter  Melber,   Kassier. 


V 


SENCKENBERGISCHE 
NATURFORSCHENDE  GESELLSCHAFT,  FRANKFURT  A.  M. 

Schuldschein  No.  .  .  .  M.  1000.— 

Die  unterzeichnete,  mit  juristischer  Persönliclikeit  ausgestat- 
tete Gesellschaft  hat  auf  Beschluß  ihrer  Gesellschaftsorgane  ein 
unverzinsliches  Darlehen  bis  M.  500.000  aufgenommen  und  be- 
kennt hiermit  durch  ihre  gesetzlichen  Vertreter,  von 

Herrn 

M.  1000.— 
als  Teil  dieses  Darlehens  bar  erhalten  zu  haben  und  Herrn  .  .  . 
....  diese  Summe  zu  schulden. 

Die  Kündigung  des  Darlehens  seitens  des  Darlehensgebers 
ist  ausgeschlossen. 

Die  Rückzahlung  des  Darlehens  erfolgt  nach  Maßgabe  des 
umstehend  abgedruckten  Tilgungsplanes  durch  Auslosung  oder 
Rückkauf  von  Darlehensscheinen. 

Die  Einhaltung  des  Tilgungsplanes  ist  durch  ein  bei  der 
Deutschen  Bank  Filiale  Frankfurt  hinterlegtes  Depot  gewährleistet. 

Frankfurt  a.  M.,  1.  März  1914. 

Senckenbergische  Naturforschende  Gesellschaft: 


Wir  bescheinigen,  daß  die  Tilgung  dieses  Schuldscheines 
gemäß  dem  umseitig  gedruckten  Tilgungsplan  durch  ein  bei  uns 
eingezahltes  Barguthaben  gewährleistet  ist. 

Deutsche  Bank  Filiale  Frankfurt: 


—    VI    — 


Tilgungsplan 


Rückzahlungstermin 

1.  April 

1915 

V               V 

1916 

r             V 

1917 

n           » 

1918 

w            ?J 

1919 

r>           V 

1920 

n           V 

1921 

n           y> 

1922 

V               V 

1923 

n           n 

1924 

»           » 

1925 

»           » 

1926 

V             w 

1927 

V           r> 

1928 

r>           11 

1929 

11           n 

1930 

Zurückzuzahlender  Betrag 


M.      5.000.— 

5.000.— 

1 

5.000.— 

, 

5.000.— 

5.000.— 

, 

5.000.— 

1 

5.000.— 

1 

5.000.— 

, 

5.000.— 

, 

5.000.— 

1 

10.000.— 

, 

10.000.— 

1 

15.000.— 

20.000.— 

1 

30.000.— 

. 

365.000.— 

M.  500.000. 


Sollten  nicht  alle  500  Schuldscheine  untergebracht  werden,  so 
erfolgt  die  Auslosung  pro  rata  der  ausgegebenen  Schuldscheine. 


—    VII    — 


Inhaltsverzeichnis. 


Aus   der  S  c  h  a  u  s  a  m  m  1  u  n  g :  Seite 

Das  Zwergflußpferd  von  Liberia  (mit  3  Abbildungen)  von  E.  Marx  1 

Die  Dronte  (mit  2  Abbildungen)  von  E.  Creizenach       .    .    .    .  5 

Der  Triceratops  (mit  2  Abbildungen)  von  F.  Drevermann  .    .    .  10 

Phenacodiis  primaevus  Cope  (mit  1  Abbildung)  von  V.  Drevermann  lOo 
Die  Veränderlichkeit  der  Schale  von  Ibcriis  (/ualtcriauiis  L.  (mit  82 

Abbildungen)  von  C.  R.  Boettger 183 

Sinopa  rapax  Leidy  (mit  4  Abbildungen)  von  F.  Drevermann    ,  198 

Der  Schopfibis  (mit  1  Abbildung)  von  F.  Haas 283 

Unser  Planktonschrank.  I.  Radiolarien  und  Medusen  (mit  13  Ab- 
bildungen) von  L.  Nick 286 

Verteilung  der  Ämter  im  Jahre  1913 14 

Verzeichnis  der  Mitglieder 16 

Rückblick  auf  das   Jahr   1912  (Mitteilungen  der  Verwaltung)       .  38 

Kassenbericht  über  das  Jahr  1912 44 

Museumsbericht   über  das  Jahr  1912: 

Zoologische  Sammlung 46 

Botanische  Sammlung 57 

Paläontologisch-geologische  Sammlung       58 

Mineralogisch-petrographische  Sammlung       64 

Lehrtätigkeit  vom  April  1912  bis  März  1913: 

Vorlesungen,  praktische  Übungen  und  Exkursionen: 

Zoologie , 107 

Botanik 111 

Paläontologie  und  Geologie       113 

Mineralogie 115 

Wissenschaftliche  Sitzungen : 

R.  Gonder:  Die  Spirochäten  als  Erreger  von  menschlichen 
und  tierischen  Krankheiten  und  ihre  Beziehungen  zu 

den  harmlosen  Formen 117 

E.  Marx:  Grundlagen  der  Schutzimpfungen 118 

H.  E.  Boeke:    Bildung  und  Bau   der  deutschen   Kalisalz- 
lagerstätten        119 

L.  Heck:  Lebende  Tierbilder  von  nah  und  fern      ....  120 

H.  Driesch:  Das  Problem  des  Organischen 121 

A.  Pütt  er:  Stoffwechsel  und  Ernährung 123 


0  /  1  n 


—    VIII    — 

Seite 

E.  Göppert:     Die  Variabilität   des   menschlichen   Körpers 

und  ihre  stammesgeschichtliche  Bedeutung    ....     124 

F.  Richters:  Altsteinzeitliche  Funde  aus  dem  nordischen 

Gletschermergel       125 

E.  Strauß:  Gifte  der  Wirbellosen 125 

P.  Ehrlich:  Moderne  Heilprinzipien 126 

F.  Doflein:  Der  Ameisenlöwe,  ein  Kapitel  aus  der  Biologie 

und  Psychologie  der  Tiere       129 

0.  zur  Strassen:  Der  Flug  der  Tiere 130 

St.  Kekule  von   Stradonitz:    Die   Entstehung  der   sog. 

Habsburger  Lippe 131 

0.  Kalischer:  Die  Bedeutung  der  Dressurmethode  für  die 

Sinnesphysiologie  und  Psychologie 132 

A.  Fischel:    Über  Ursachen  normaler  und  abnormer  Ent- 
wicklungsvorgänge bei  Tieren  und  beim  Menschen    .     134 
Festsitzung  zur  Erteilung  des  Soemmerring-Preises:     134 
M.  Möbius:  Über  die  neuen  Vererbungsgesetze  nach 

der  Corrensschen  Schrift  von  1912 137 

Jahresfeier   am  25.  Mai  1913: 

H.  Siedentopf:  Über  ultramikroskopische  Abbildung  mit  Erklä- 
rung kinematographischer  Demonstrationen.  Referat  (L.Nick)    266 
Nekrologe: 

Philipp  Steffan,  mit  Porträt  (F.  Baenvind) G6 

Carl  Hagenbeck,  mit  Porträt  (Ph.  Lehrs) 189 

Friedrich  Kinkelin,  mit  Porträt  (F.  Drevermann) 269 

Carl  Ger  lach,  mit  Porträt  (A.  Knoblauch) 278 

Vermischte  Aufsätze: 

E.  Schwarz:  Der  Bali-Tiger  (mit  7  Abbildungen) 70 

R.  von  Goldschmidt-Rothschild:   Aus  dem  Hochland  von 

Ostafrika  (mit  6  Abbildungen) 74 

A.  Schnitze:    Die  afrikanische  Hyläa,  ihre  Pflanzen-  und  Tier- 
welt (mit  13  Abbildungen) 143 

A.  von  Weinberg:  Das  Eiweißmolekül  als  Unterlage  der  Lebens- 
erscheinung        159 

G.  Böttcher:  Lionardo  da  Vinci  als  Naturforscher  (mit  10  Ab- 
bildungen)      203 

W.  Kobelt:    Der  Schwanheimer  Wald 

IV.  Landschaftliches  (mit  12  Abbildungen)       236 

M.  Möbius:    Beiträge   zur   Biologie   und  Anatomie  der  Blüten 

(mit  1  Farbentafel) 323 

H.  Wüsthoff:  Eine  deutsche  Geflügelfarm  (mit  6  Abbildungen)    331 
Besprechungen: 

I.  Neue  Veröffentlichungen  der  Gesellschaft: 

Abhandlungen,  Band  31  Heft  4  (S.  341-462):  Beiträge 
zur  Kenntnis  devonischer  Trilobiten.  2.  Beitrag.  Ober- 
devonische Proetiden,  von  Dr.  R.  R  i  c  h  t  e  r  (F.  Drevermann)     180 


—     IX     — 

Seite 

Die  Gattung  Merodon  Meigen  {Lampetia  Meig.  olim),  von  Prof. 

Dr.  P.  S  a  c  k  f  0.  ä; 181 

IL  Neue  Bücher: 

W.  Kobelt:   Heimatkunde  und  Heimatarbeit,   mit  Porträt 

(H.  Seckel) 93 

M.  M  ö  b  i  u  s :  Mikroskopisches  Praktikum  für  systematische 

Botanik.  I.  Augiospermae  (E.  G.  Priiigsheim) 97 

L.  E dinger:  Einführung  in  die  Lehre  vom  Bau  und  den 
Verrichtungen  des  Nervensystems,  2.  Auflage  (G.  Oppen- 
heim)   98 

Adolf  Friedrich  Herzog  zu   Mecklenburg:   Vom 

Kongo  zum  Niger  und  Nil,  mit  2  Abbildungen  (Ä.  Jassoij)      99 

A.  Siebert,   W.   Schölermann   und    0.  Kraus:    Wie 

lege  ich  einen  Garten  an?  (M.  Möbiiis)       102 

K.  Eckstein:  Die  Schmetterlinge  Deutschlands  mit  be- 
sonderer Berücksichtigung  der  Biologie.  i.Bdiad  (E.  Müller)     181 


Aus  der  Schausammlung. 

Das  Zwergflußpferd  von  Liberia. 

Mit  3  Abbildungen. 

Das  liberianische  Zwergflußpferd,  Choeropsis  liberiensis  Mor- 
ton, gehörte  bis  in  die  jüngste  Zeit  zu  denjenigen  Großtieren 
Afrikas,  über  deren  Aussehen  und  Lebensweise  wir  nur  äußerst 
unvollkommen  unterrichtet  waren.  Erst  1844  kam  die  Kunde  nach 
Europa,  daß  in  den  liberianischen  Urwäldern  ein  Tier  lebe,  welches 
große  Ähnlichkeit  mit  dem  gewaltigen  Flußpferd  habe,  aber  viel, 
viel  kleiner  sei,  so  daß  man  es  als  Zwergflußpferd  bezeichnen 
müsse.  Dr.  Morton  brachte  damals  aus  Liberia  diese  Kunde; 
zwei  Felle  und  zwei  Schädel  konnte  er  erhalten  und  nach  Phila- 
delphia bringen.  Das  seltene  Tier  wurde  von  ihm  als  „Hippo- 
potamus of  Western  Africa"  beschrieben.  Nach  und  nach  gelang 
es,  mehr  Bälge  und  Skeletteile  zu  beschaffen,  so  daß  zurzeit  solche 
von  etwa  zwanzig  Tieren  in  amerikanischen  und  europäischen 
Museen  vorhanden  sind,  vor  allem  in  Philadelphia,  London,  Berlin, 
Paris  und  Leyden.  Aber  Prachtexemplare  waren  die  altmodisch 
gestopften  Bälge  nicht,  und  nur  schwer  konnten  sie  einen  rechten 
Begriff  von  dem  Aussehen  des  lebenden  Tieres  geben.  Im  Jahre 
1873  hatten  überhaupt  zum  ersten  Male  einige  Europäer  ein  leben- 
des Tier  wenigstens  zu  Gesicht  bekommen,  während  man  bis  dahin 
ganz  auf  die  Beschreibung  der  Eingeborenen  angewiesen  war. 
Damals  gelang  es  auch,  ein  Zwergflußpferd  lebend  zu  verschiffen. 
Es  kam  noch  nach  Liverpool,  wo  es  zum  Glück  photographiert 
wurde;  seinen  Bestimmungsort  Dublin  erreichte  es  nur  sterbend. 

Dank  der  Großzügigkeit  der  Firma  C.  Hagenbeck  in  Stel- 
lingen ist  jetzt  endlich  alles  Dunkel  gelichtet,  das  über  diesen 
Tieren  bisher  schwebte.  Der  bewährte  Afrikareisende  Hans 
Schomburgk  hat  es  im  Auftrag  Hagenbecks  unternommen, 
in  einer  eigens  zu  diesem  Zweck  ausgerüsteten  Expedition  den 


Tieren  nachzugehen  und  zu  versuchen,  wenigstens  einige  Exem- 
plare lebend  zu  erbeuten.  In  der  Arbeit  fast  eines  Jahres  gelang 
es,  unter  unsäglichen  Strapazen  im  dichtesten  Urwald  Liberias  in 
Fallgruben,  von  denen  nach  und  nach  mehr  als  zweihundert  an- 
gelegt wurden,  fünf  Tiere  lebend  zu  fangen.  Ferner  brachte 
Schomburgk  Balg  und  Schädel  eines  erlegten  Weibchens  von 
70  cm  Schulterhöhe  heim.  Dieses  wertvolle  Stück  wurde  für  uns 
von  einem  Freund  des  Museums  erworben,  und  da  es  genau  nach 
den  lebenden  Exemplaren  des  Stellinger  Tierparks  präpariert  wer- 
den konnte,  so  ist  das  Senckenbergische  Museum  um  ein  Schau- 
stück bereichert  worden,  das  in  Erhaltung  und  Präparation  alles 
übertrifft,  was  an  Tieren  dieser  Art  bisher  vorhanden  war. 

Außer  seiner  geringen  Größe  —  erwachsene  Bullen  erreichen 
eine  Länge  von  höchstens  180  cm  bei  75  cm  Schulterhöhe  — 
unterscheidet  sich  das  Zwergflußpferd  in  seinem  Habitus  und  in 
seinen  Lebensgewohnheiten  wesentlich  vom  Nilpferd.  Es  ist  nicht 
wie  dieses  ein  eigentliches  Wassertier.  Selbst  wenn  wir  nicht 
durch  Schomburgk  über  seine  Lebensweise  zuverlässig  unter- 
richtet wären,  lehrte  dies  schon  ein  Vergleich  seines  Kopfes  mit 
dem  des  Hippopotamus.  Während  beim  Nilpferd  sofort  die  hoch- 
gewölbten Augen  auffallen,  sowie  die  auf  hügeligen  Wülsten 
sitzenden,  nach  oben  sich  öffnenden  Nasenlöcher  und  die  von 
Seite  zu  Seite  und  von  vorn  nach  hinten  konkave  Gestalt  des 
Vorderschädels,  —  alles  Eigentümlichkeiten,  die  es  dem  Hippo- 
potamus gestatten,  im  Wasser  nur  die  Nasenlöcher  und  die  Augen 
herausschauen  zu  lassen,  während  das  ganze  übrige  Tier  im  Wasser 
verborgen  bleibt  —  finden  wir  nichts  davon  bei  unserem  Fluß- 
pferdchen von  Liberia.  Der  Vorderschädel  ist  hier  nach  allen  Rich- 
tungen hin  konvex,  die  Augen  stehen  an  normaler  Stelle,  und  die 
schrägen  Nasenlöcher  liegen  weit  vorn  an  dem  abhängenden  Teil 
des  Schädels  dicht  über  der  Schnauze  und  öffnen  sich  nach  vorn. 
Also  ein  eigentlicher  Wasserbewohner,  wie  der  Hippopotamus, 
kann  es  nicht  wohl  sein.  Allerdings  liebt  auch  das  liberianische 
Flußpferd  das  Wasser  sehr,  wie  auch  die  Beobachtung  der  leben- 
den Tiere  in  Stellingen  zeigte.  Daß  es  aber  in  erster  Linie  ein 
Land-,  und  zwar  ein  Waldtier  ist,  das  beweisen  auch  die  verhältnis- 
mäßig schlanke  Gestalt,  die  Höhe  der  Beine  und  der  schlanke, 
wenig  spreizfähige  Fuß,  der  recht  zum  Wandern  und  nicht  zum 
Schwimmen  eingerichtet  ist.  In  der  Tat  findet  es  sich  auch  ziem- 
lich weit  von  den  Flußläufen  entfernt. 


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Seine  Haut  ist  zart  und  glatt  und  hat  nicht  die  starken  Falten 
und  Erhebungen  wie  die  des  Hippopotamus;  nur  am  Hals,  am 
Nacken  und  hinter  den  Vorderbeinen  treten  bei  gewissen  Be- 
wegungen größere  Falten  auf.  Die  Farbe  ist  dunkel  schiefriggrau, 
ins  Grünliche  spielend,  und  geht  an  der  Unterseite  des  Halses, 
an  den  Wangen  und  der  Innenfläche  der  Glieder  in  schmutzige 
Fleischfarben  über. 

Sein  Haarkleid  ist  nicht  ganz  so  spärlich  wie  das  des  Hippo- 
potamus. Reichliche  Borsten  um  die  Schnauze,  kurze  Haare  an 
den  Rändern  und  der  Innenseite  der  Ohren  und  schließlich  eine 
ansehnliche  Schwanzquaste  zeichnen  es  aus. 

Nicht  in  großen  Herden  lebt  das  liberianische  Flußpferd, 
sondern  nur  paarweise  dm'chstreift  es  die  Wälder  als  ein  scheues, 
stets  zur  Flucht  bereites  Wild,  bei  Tage  ruhend  imd  bei  Nacht 
auf  Nahrungssuche  gehend,  so  weite,  immer  wechselnde  Gegen- 
den durchstreifend.  Von  Charakter  ist  es  offenbar  sehr  sanft- 
mütig, denn  auch  die  frisch  gefangenen  Tiere  Schomburgks 
zeigten  nichts  von  Wildheit  und  Angriffslust.  Da  es  außerdem 
auch  noch  einen  schmackliaften  Braten  liefert,  so  liegt  leider 
die  Befürchtung  vor,  daß  dieser  harmlose  Bewohner  der  liberiani- 
schen Urwälder  und  Flußniederungen  bald  von  den  einheimischen 
Jägern  ausgerottet  sein  wird.  E.  Marx. 

Die  Dronte. 

Mit  2  Abbildungen, 

Selten  hat  das  Zusammentreffen  mit  dem  Menschen  einer 
Tierart  so  rasch  den  Untergang  gebracht  wie  der  Dronte  (Didus 
ineptus  h.),  einem  flugunfähigen,  zu  den  Tauben  gehörenden  Vogel 
von  Mauritius,  dessen  Skelett  neuerdings  in  den  Besitz  unseres 
Museums  gelangt  und  in  dessen  Schausammlung  ausgestellt  ist. 

Noch  lange  nach  ihrer  Entdeckung  durch  die  Portugiesen 
im  Jahre  1505  war  die  Insel  unbewohnt,  und  die  Dronte  fühi'te 
ein  ruhiges  Leben.  Nahrung  war  reichlich  vorhanden  und  leicht 
zu  erlangen ;  Tiere,  die  ihr  nachgestellt  hätten,  gab  es  nicht.  Als 
jedoch  der  Mensch  auf  der  Insel  erschien  und  die  Dronte  ver- 
folgte, wurde  dem  plumpen  Vogel  seine  Hilflosigkeit  bald  ver- 
derblich, und  in  kurzer  Zeit  war  er  ausgerottet. 

Die  erste  Nachricht  über  die  Dronte  finden  wir  in  einem 
Bericht  über  die  Reise   des  holländischen  Admirals  van  Neck 


—     6    — 

nach  den  Molukken  im  Jahre  1598.  Ein  Teil  seines  Geschwaders 
wurde  durch  einen  Sturm  nach  Mauritius  verschlagen,  und  die 
nach  frischem  Fleisch  verlangende  Mannschaft  erlegte  die  Dronte, 
die  gar  nicht  scheu  war,  in  Menge  und  plünderte  die  Nester.  Ihr 
Fleisch  war  freilich  zäh  und  schwer  genießbar,  und  van  Neck 
nennt  sie  deswegen  „Walghvogel"  (Walgh  bedeutet  im  Hollän- 
dischen „Ekel").  Er  gibt  eine  eingehende  Beschreibung  des  gro- 
tesken Vogels  nebst  einer  kleinen  Abbildung,  die  aber  offenbar 
phantastisch  ist.  Auch  spätere,  die  Insel  besuchende  Seefahrer 
berichten,  daß  sie  viele  Dronten  erbeuteten  und  als  Proviant  mit- 
nahmen. Die  Holländer  gründeten  im  Jahre  1644  auf  der  Insel 
eine  Kolonie  und  brachten  Hunde,  Katzen  und  Schweine  mit ;  die 
Tiere  verwilderten  und  vernichteten  viele  Junge  und  Eier  der 
Dronte.  Rasch  ging  es  mit  dieser  zu  Ende ;  die  letzte  Kunde  von 
ihr  finden  wir  1679  in  Aufzeichnungen  des  Steuermanns  Harry, 
der  sie  noch  lebend  sah;  aber  schon  Legu at,  der  1693  auf  der 
Insel  verweilte  und  deren  Tierarten  aufzählt,  erwähnt  sie  nicht 
mehr.  Als  die  Franzosen  1712  Besitz  von  der  Insel  ergriffen, 
wußte  man  dort  nichts  mehr  von  dem  merkwürdigen  Vogel. 

Die  Dronte  ist  sicher  zweimal  lebend  nach  Europa  gelangt. 
Im  Jahre  1626  wurde  ein  Exemplar  durch  holländische  Schiffer 
nach  Amsterdam  gebracht.  Clusius  sah  in  Leyden  einen  Fuß,  der 
wahrscheinlich  zu  diesem  Tier  gehörte ;  über  sein  Verbleiben  ist 
nichts  bekannt.  Im  Jahre  1638  sah  der  holländische  Maler  Harn  on 
l'Estrange  eine  lebende  Dronte  in  einer  Schaustellung  zu  London. 
Von  diesem  Exemplar  soll  der  Balg  herrühren,  der  später  in  das 
Ashmolean  Museum  zu  Oxford  kam,  aber  1755  wegen  eingetre- 
tenen Mottenfraßes  verbrannt  wurde.  Zum  Glück  schrieb  das 
Reglement  des  Museums  vor,  daß  von  jedem  ausgemusterten  Vogel 
der  Kopf  und  ein  Fuß  aufzuheben  seien ;  dadurch  sind  diese  wert- 
vollen Teile  bis  heute  erhalten.*) 

Über  die  Lebensweise  der  Dronte  wissen  wir  wenig.  Sie  war 
wohl  Pflanzenfresser,  und  ihr  starker  Schnabel  hat  sie  gewiß  be- 
fähigt, harte  Nahrung,  wie  die  reichlich  vorhandenen  Palmfrüchte 
zu  verzehi'en.  Daß  die  Flügel  der  Dronte  verkümmerten  und  ge- 
brauchsunfähig wurden,  war  wohl  eine  Folge  ihrer  trägen  Lebens- 
art. Ihr  Nest  soll  sie  aus  Blättern  hergestellt  und  nur  ein  Ei 
in  der  Größe  wie  das  des  gemeinen  Pelikans  gelegt  haben.    Im 

^)  Gipsabgüsse  von  Kopf  und  Fuß  der  Dronte  sind  bei  unserem  Skelett 
in  der  Schausammlung  ausgestellt. 


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Magen  der  erlegten  Dronten  wurden  nach  alten  Angaben  meist 
faustgroße  Steine  gefunden. 

Besser  sind  wir  über  die  äußere  Erscheinung  des  Vogels 
durch  Beschreibungen  und  durch  eine  Reihe  von  teilweise  sehi' 
guten  bildlichen  Darstellungen  unterrichtet.^)  Die  besten  Bilder 
von  ihm  sind  die  des  holländischen  Tiermalers  Roelandt  Savery; 
sie  stammen,  soweit  sie  eine  Jahreszahl  tragen,  aus  den  Jahren 
1626  und  1628  und  sollen  nach  dem  Leben  gemalt  sein.  Sie  zeigen 
die  Dronte  teils  als  Einzelfigur,  teils  mit  anderen  Tieren  vereinigt, 
mehrmals  als  Darstellung  von  „Orpheus,  die  wilden  Tiere  zäh- 
mend". Eins  der  schönsten  Bilder  von  Savery,  das  Frau  Konsul 
R  0 1  f  e  s  für  unser  Museum  naturgetreu  kopiert  hat,  befindet  sich 
in  der  Kgl.  Gemäldegalerie  zu  Berlin. 

Das  Gefieder  ist  auf  diesen  Bildern  schwärzlich  dargestellt, 
die  Unterseite  hellbraun,  die  Flügel  und  Schwanzfedern  sind  gelb- 
lich. Das  Auge  ist  klein  mit  weißgelber  Iris,  die  Hornscheide  des 
Schnabels  gelblich,  die  Füße  sind  ebenfalls  gelb.  Das  Federkleid  war 
locker  und  bestand  nur  aus  Flaumfedern;  aus  den  Abbildungen 
geht  dies  jedoch  nicht  deutlich  hervor.  Am  Hinterkopf  bildete  es 
eine  Kapuze ;  die  vordere  Hälfte  des  Kopfes  war  nackt  „mit  einem 
weißen  Schimmer,  als  wenn  ein  durchsichtiger  Schleier  ihn  be- 
deckte". Die  Schwungfedern  waren  kurz,  die  des  Schwanzes 
gekräuselt  und  hoch  aufgerichtet;  die  Befiederung  der  Beine  ging 
bis  über  die  Fersen,  die  vierzehigen  Füße  trugen  starke  Krallen. 

Der  Knochenbau  der  Dronte,  die  selten  weniger  als  50  Pfd. 
wog,  war  sehr  la-äftig.  Der  starke  Schnabel  war  hakig  gebogen, 
die  Schädelkapsel  deutet  auf  ein  ganz  kleines  Gehirn.  Das  Becken 
war  breit,  der  Schultergürte],  der  Flugunfähigkeit  entsprechend 
verkümmert. 

Weder  Bälge  noch  Eier  der  Dronte  sind  erhalten ;  lange  Zeit 
kannte  man  von  Überresten  außer  dem  erwähnten  Kopf  und  Fuß 
im  Ashmolean  Museum  und  einem  Fuß  im  Britischen  Museum  nur 


0  F.  C.  Noll  hat  in  dem  Jahresfest -Vortrag  vom  27.  Mai  1888  „Die 
Veränderungen  in  der  Vogelwelt  im  Laufe  der  Zeit"  (Bericht  über  die  Sencken- 
berg.  Naturf.  Ges.,  Frankfurt  a.  M.  1889  1.  Teil  S.  77-143)  auch  die  Dronte  ein- 
gehend besprochen,  sämtliche  bekanntgewordenen  Bilder  des  ausgestorbenen 
Vogels  aufgeführt  und  drei  der  charakteristischsten  von  ihnen  auf  S.  115  und 
116  seiner  Arbeit  abgebildet.  Zwei  dieser  Gemälde  stammen  von  Savery 
(im  Britischen  Museum  zu  London  und  in  der  Schön  born  sehen  Galerie 
zu  Pommersfelden  in  Oberfranken),  das  dritte  von  Jean  Goiemare  und 
de  Heem  (im  Besitz  des  Herzogs  von  Northumberland). 


—    9    — 

vereinzelte  Skeletteile.  Im  Jahre  1865  jedoch  gelang  es  infolge 
von  Nachforschungen,  die  auf  Veranlassung  Owens  durch  den 
Schullehrer  George  Clark  auf  Mauritius  betrieben  wurden,  in 
einem  Sumpf  zahlreiche  Knochen  der  Dronte  zu  finden,  aus  denen 
sich  je  ein  Skelett  für  die  Sammlungen  von  London  und  Paris 
herstellen  ließ.  Weitere  Funde  folgten,  aber  nie  wurde  ein  Skelett 


Unser  Dronte-Skelett. 

im  Zusammenhang  gefunden;  auch  gelang  es  trotz  eifrigen  Suchens 
nicht,  an  anderen  Stellen  Reste  zu  entdecken.  Noch  heute  sind 
Skelette  der  Dronte  nur  in  ganz  wenigen  großen  Sammlungen 
vertreten.  An  dem  in  unseren  Besitz  gelangten  Skelett  sind  ein- 
zelne Teile  durch  Abguß  vorhandener  echter  Knochen  ergänzt. 

Über  die  Verwandtschaft  der  Dronte  war  man  lange  im  un- 
klaren.  Linne  stellte  sie  wegen  des  lockeren  Gefieders  und  der 


—     10    — 

verkümmerten  Flügel  zu  den  Straußen,  andere  Zoologen  zu  den 
Pinguinen  oder  den  Raubvögeln.  Erst  Reinhardt,  der  um  1845 
einen  Schädel  der  Dronte  im  Museum  von  Kopenhagen  fand,  hielt 
sie  für  den  Tauben  nahestehend.  Dieselbe  Ansicht  vertraten  auch 
Strickland  und  Melville,  die  in  ihrer  gemeinschaftlichen  Arbeit 
„The  Dodo  and  its  Kindred"  die  Verwandtschaft  der  Dronte  mit 
den  Tauben  eingehend  begründeten.  Auch  die  Arbeiten  von 
Owen,  sowie  die  von  Milne  Edwards  über  die  1865  gefun- 
denen Reste  führten,  trotz  der  von  den  Tauben  stark  abweichen- 
den Bildung  mancher  Teile,  zu  dem  gleichen  Ergebnis. 

Die  zur  Unterordnung  der  Tauben  gehörende  Familie  der 
Dronten,  zu  der  die  Dronte  jetzt  gestellt  wird,  umfaßt  noch  zwei 
weitere  flugunfähige  Vögel,  welche  die  Mam'itius  benachbarten 
Inseln  Reunion  und  Rodriguez  bewohnten  und  in  der  zweiten 
Hälfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  ausgestorben  sind.  Die  Dronte 
von  Reunion  (Didus  borbonicus  Bonap.)  war  der  von  Mauritius 
fast  gleich,  nur  soll  ihr  Gefieder  weiß  gewesen  sein.  Die  andere 
Art,  der  Solitär  von  Rodriguez  (Pezophajjs  solitarius  GmeL),  war 
schlanker  gebaut,  mit  kleinerem  Kopf  und  Schnabel. 

Von  lebenden  Taubenarten  steht  die  samoanische  Zahntaube 
(Didunciilus  strigh^ostris  Jardine)  der  Dronte  einigermaßen  nahe ; 
eine  gewisse  Übereinstimmung  zeigt  die  Schnabelform  beider 
Vögel. 

Die  Bedeutung  des  Namens  „Dronte"  ist  unbekannt;  ein 
anderer  Name  des  Vogels  „Dodo"  soll  aus  dem  Portugiesischen 
kommen  und  soviel  wie  einfältig  heißen.  E.  Creizenach. 

Der  Triceratops. 

Mit  2  Abbildungen. 

Der  abgebildete  Schädel  von  Triceratops  prorsiis  Marsh 
verdient  schon  als  der  erste  auf  dem  europäischen  Festlande  eine 
ausführliche  Besprechung.  Der  Gesichtsteil  des  mächtigen  Stückes 
ist  nach  einem  zweiten,  noch  unpräparierten  Schädel  modelliert,  bei 
dem  gerade  diejenigen  Teile  gut  erhalten  sind,  die  bei  dem  er- 
sten Exemplare  fehlen.  Nach  der  Präparation  des  zweiten  Fund- 
stückes, die  wegen  dringender  Arbeiten  vorerst  noch  zurück- 
gestellt werden  muß,  werden  beide  Schädel  zusammen  für  den 
Beschauer  ein  charakteristisches  Bild  dieses  merkwürdigsten  aller 
Dinosaurier   abgeben. 

Der  Schädel  zeigt  auf  den  ersten  Blick  eine  ganze  Reihe 


ID 


—     13    — 

bemerkenswerter  Eigentümlichkeiten.  Ein  eigenartiger,  stark  ge- 
krümmter Schnabel,  der  im  Leben  wohl  von  einer  Hornscheide 
umgeben  war,  xmd  ein  kurzes,  gedrungenes  Horn  auf  der  Nase 
verleihen  dem  Gesichtsteil  ein  seltsames  Aussehen.  Dazu  kommen 
zwei  mächtige,  nach  vorn  geneigte  Hörner  auf  der  Stirn.  Vor 
allem  aber  bilden  die  Hinterhauptknochen  ein  gewaltiges  Knochen- 
schild, das  bei  etwa  1^2  m  Breite  und  1  m  Länge  den  ganzen 
Nacken  und  Hals  des  Tieres  schützend  überdacht  und  am  Rande 
mit  einer  Reihe  von  Zacken  geziert  ist.  Der  ganze  Schädel  bildete 
einen  einzigen  unüberwindlichen  Schutzpanzer,  so  daß  der  An- 
griff eines  Raubdinosauriers  auf  Triceratops  nur  dann  Erfolg  ver- 
heißen konnte,  wenn  er  überraschend  und  von  der  Seite  kam. 
Von  vorn  war  das  gewaltige  Tier  unangreifbar;  denn  die  einzigen 
verwundbaren  Stellen,  die  Augen,  sind  an  ihrem  Vorderrand  durch 
eine  starke  Knochenleiste  geschützt. 

Bei  unserem  Stück  sind  gerade  die  Ober-  und  Unterseite 
des  Nackenschildes  hervorragend  gut  erhalten.  Tiefe  Blutgefäß- 
eindrücke, die  aus  breiten  Schläfendurchbrüchen  entspringen,  be- 
decken dieses  Knochenschild  und  beweisen,  daß  es  im  Leben  mit 
Haut  überkleidet  war.  Das  Gebiß  bestand  aus  sehr  zahlreichen, 
übereinanderstehenden  und  sich  schnell  ersetzenden  dreikantigen 
Zähnen,  die  uns  erlauben,  Triceratops  zu  den  Pflanzenfressern  zu 
zählen.  Das  Gehirn  des  mächtigen  Tieres  war  auffallend  klein, 
ja  im  Verhältnis  zur  Größe  des  Schädels  kleiner  als  bei  irgend- 
einem anderen  Wirbeltier.  Geruch  und  Gesicht  scheinen  gut  ent- 
wickelt gewesen  zu  sein,  während  Gehörorgane  fast  ganz  fehlten. 

Triceratops  lebte  in  der  jüngeren  Kreidezeit  in  den  aus- 
gedehnten Sumpfgegenden  des  westlichen  Nordamerika.  Die 
meisten  Funde  stammen  aus  den  Sandsteinen  dieser  Epoche  in 
Montana  und  Wyoming,  die  stellenweise  durch  ein  kalkiges  Binde- 
mittel ungemein  hart  geworden  sind.  So  stellte  das  Heraus- 
meißeln des  abgebildeten  Schädels  sehr  große  Anforderungen  an 
die  Geduld  des  Präparators,  lieferte  aber  auch  ein  prachtvolles, 
der  Sammlung  zur  hohen  Zierde  gereichendes  Objekt.  Das 
Senckenbergische  Museum  verdankt  diesen  und  den  ergänzen- 
den, noch  unpräparierten  Triceratops-'^Qhdi&el  Herrn  Geh.  Kom- 
merzienrat  0.  Braunfels,  der  beide  dem  Museum  seiner  Vater- 
stadt in  großherziger  Weise  zum  Geschenk  gemacht  hat. 

F.  Drevermann. 


—     14 


Protektorin:  Ihre  Majestät  die  Kaiserin. 


Verteilung  der  Ämter  im  Jahre  1913. 

Direktion : 

Dr.  A.  V.  ^^'einberg,  I.  Direktor  1  W.  Melber,  Kassier 

Prof.  Dr.  E.  Marx,  II.  Direktor  j  Gen.-Konsul  Stadtrat  a.  D.  A.  v.  Metz- 

Dipl.-Ing.  P.  Prior,  I.  Schriftführer  1  1er,  Kassier 

Dr.  A.  L<»tichiiis,  II.  Schriftführer  |  Dr.  jur.  H.  Günther.  Konsulent 

Verwaltung : 

Die  Verwaltung  besteht  satzungsgemäß  aus  den  arbeitenden  Mitgliedern, 
deren  Namen  im  Mitgliederverzeichnis  mit  *  versehen  sind. 

Sektionäre : 

,,,.,,.,.  j  ni    1  i.i.  I  Prof.  Dr.  H.  Reichenbach 

Vergleichende  Anatomie  und  Skelette      ...  „        .,  ,,,      ,,    . 

°  •    (  Frau  M.  Sondheim 

Prof.  Dr.  W.  Kobelt 

^^"^"*^"^" lDr.A.Lotichius 

Vögel Kom.-Rat  R.  de  Neufville 

Reptilien Dr.  K.  Prieme! 

Amphibien Prof.  Dr.  A.  Knoblauch 

Fische A.  H.  Wendt 

Wirbellose  Tiere  mit  Ausschluß  der  Arthropoden 

und  Mollusken Prof.  Dr.  H.  Reichenbach 

T       1  i.        T-  1       i.  /     j    A 11  ■       \  f  Prof.  Dr.  L.  v.  Heyden 

Insekten:  Koleopteren  (und  Allgemeines)     •    •    •   {   *    w  •. 

Hymenopteren A.  AVeis 

Lepidopteren E.  Müller 

Dipteren Prof.  Dr.  P.  Sack 

Hemipteren       Dr.  J.  Guide 

Krustazeen Prof.  Dr.  F.  Richteivs 

Mollusken Prof.  Dr.  W.  Kobelt 

Botanik jProf.Dr.M.Möbin.s 

\  M.  Dürer 

Paläontologie {  P^^^'  ^''-  ^-  Kinkelin 

I  Dr.  R.  Richter 

Geologie (  P"«^'  °^-  ^-  Kinkelin 

[  Dr.  E.  Naumann 
Mineralogie Prof.  Dr.  AV.  Schauf 


—     15    — 
Lehrkörper : 

„    ,     .  I  Prof.  Dr.  H,  Reichenbach 

^"^^^^S^" 1  Prof.  Dr.  O.  zur  Strassen 

Botanik Prof.  Dr.  M.  Möbius 

Prof.  Dr.  F.  Kinkeliu 


Paläontologie  und  Geolosrie it^^^. 

1  Dr.  F.  Drevermann 

Mineralogie Prof.  Dr.  W.  Schaut" 


Redaktion  der  Abliaiidlungeii : 

AV.  Melber,  Vorsitzender  1   Prof.  Dr.  F.  Sack 

Prof.  Dr.  L.  v.  Heyden  |   Prof.  Dr.  W.  Schauf 

Prof.  Dr.  M.  Möbiu.s 
Prof.  Dr.  H.  Reichenbach 


Prof.  Dr.  O.  zur  Strassen 


Redaktion  des  Berichts: 

Prof.  Dr.  A.  Knoblauch,  Vorsitzender  I   Prof.  Dr.  E.  3Iarx 
Dipl.-Ing.  P.  Prior  |   Prof.  Dr.  P.  Sack 

Mnseum : 

Direktor Prof.  Dr.  (>.  zur  Strassen 

Kustos  für  Paläontologie  und  Geologie     ....      Dr.  F.  Drevermann 

(  Dr.  F.  Haas 
Assistenten  für  Zoologie I  Dr.  Ph.  Lehrs 

I  Dr.  L.  Nick 

[  August  Koch 
Präparatoren |  (xeorg  Ruprecht 

I  Christian  Strunz 

Techniker Rudolf  Moll 

Bureau- Vorsteherin Frl.  Maria  Pixis 


Hausmeister Berthold  Diegel 


Senckenbergische  Bibliothek : 

Viktoria-Allee  9. 

Die  Bibliothek  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft  ist 
mit  den  Bibliotheken  der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung,  des  Physikalischen 
Vereins,  des  Vereins  für  Geographie  und  Statistik  und  des  Ärztlichen  Vereins 
zur  „Senckenbergischen  Bibliothek"  vereinigt. 
Bibliothekar Dr.  G.  AVahl 


—     16 


Verzeichnis  der  Mitglieder. 


I.  Ewige  Mitglieder. 

An  Stelle  der  Errichtung  eines  Jahresbeitrages  haben  manche 
Mitglieder  vorgezogen,  der  Gesellschaft  ein  Kapital  zu  schenken, 
dessen  Zinsen  dem  Jahresbeitrag  mindestens  gleich- 
kommen, mit  der  Bestimmung,  daß  dieses  Kapital  verzinslich 
angelegt  werden  müsse  und  nur  die  Zinsen  für  die  Zwecke  der 
Gesellschaft  zur  Verwendung  kommen  dürfen. 

Solche  Mitglieder  entrichten  demnach  auch  über  den  Tod 
hinaus  einen  Jahresbeitrag  und  werden  nach  einem  alten  Sprach- 
gebrauch als  „Ewige  Mitglieder"  der  Gesellschaft  bezeichnet. 

Vielfach  wird  diese  altehrwürdige  Einrichtung,  die  der  Ge- 
sellschaft einen  dauernden  Mitgliederstamm  sichert  und 
daher  für  sie  von  hohem  Werte  ist,  von  den  Angehörigen  ver- 
storbener Mitglieder  benützt,  um  das  Andenken  an  ihre  Toten 
bleibend  in  dem  Senckenbergischen  Museum  wach  zu  hal- 
ten, zumal  die  Namen  sämtlicher  „ewigen  Mitglieder"  nicht  nur 
den  jedesmaligen  Jahresbericht  zieren,  sondern  auch  auf  Mar- 
mortafeln in  dem  Treppenhause  des  Museums  mit  goldenen 
Buchstaben  eingegraben  sind. 


Simon  Moritz  v.  Bethmann     1827 
Georg  Heinr.  Schwendel     1828 
Job.  Friedr.  Ant.  Helm     1829 
Georg  Ludwig  Gontard     1830 
Frau   Susanna  Elisabeth  Bethmann- 

Holweg     1831 
Heinrich  Mylius  sen.     1844 
Georg  Melchior  Mylius     1844 
Baron  Amschel  Mayer  v.  Rothschild 

1845 
Joh.  Georg  Schmidborn     1845 
Johann  Daniel  Souchay     1845 
Alexander  v.  Bethmann     1846 
Heinrich  v.  Bethmann     1846 
Dr.  jur.  Rat  Fr.  Schlosser    1847 
Stephan  v.  Guaita     1847 
H.  L.  Döbel  in  Batavia    1847 
G.  H.  Hauck-Steeg    1848 
Dr.  J.  J.  K.  Buch     1851 


G.  V.  St.  George     1853 

J.  A.  Grunelius     1853 

P.  F.  Chr.  Kroger     1854 

Alexander  Gontard     1854 

M.  Frhr.  v.  Bethmann     1854 

Dr.  Eduard  Rüppell     1857 

Dr.  Tb.  A.  Jak.  Em.  Müller    1858 

Julius  Nestle     1860 

Eduard  Finger     1860 

Dr.  jur.  Eduard  Souchay     1862 

J.  N.  Gräffendeicb     1864 

E.  F.  K.  Büttner     1865 

K.  F.  Krepp    1866 

Jonas  Mylius     1866 

Konstantin  Fellner     1867 

Dr.  Hermann  v.  Meyer     1869 

W.  D.  Soemmerring     1871 

J.  G.  H.  Petsch    1871 

Bernhard  Dondorf    1872 


Anmerkung:   Nach  dem  Mitgliederbestand  vom  1.  Januar  1913.    Die 
arbeitenden  Mitglieder  sind  mit  *  bezeichnet. 


17 


Friedrich  Karl  Rücker    1874 

Dr.  Friedrich  Hessenberg    1875 

Ferdinand  Laiirin     1876 

Jakob  Bernhard  RikofF    1878 

Job.  Heinr.  Roth    1878 

J.  Ph.  Nikol.  3Ianskopf    1878 

Jean  Noe  du  Fay    1878 

Gg.  Friedr.  Metzler     1878 

Frau  Louise  AVilhelmine  Emilie  Gräfin 

Böse,   geb.  Gräfin  von  Reichen- 

bach-Lessonitz     1880 
Karl  August  Graf  Böse    1880 
Gust.  Ad.  de  Neufville     1881 
Adolf  Metzler     1883 
Job.  Friedr.  Koch    1883 
Job.  Wilh.  Roose     1884 
Adolf  Soemmerring     1886 
Jacques  Reiss     1887 
Dr.  Albert  von  Reinach     1889 
Wilhelm  3Ietzler     1890 
*Albert  von  Metzler     1891 
L.  S.  Moritz  Frhr.  v.  Bethmann    1891 
Viktor  Moessinger    1891 
Dr.  Ph.  Jak.  Cretzschmar     1891 
Theodor  Erckel     1891 
Georg  Albert  Keyl     1891 
Michael  Hey    1892 
Dr.  Otto  Ponfick    1892 
Prof.  Dr.  Gg.  H.  v.  Meyer    1892 
Fritz  Neuniüller     1893 
Th.  K.  Soemmerring     1894 
Dr.  med.    P.  H.  Pfefferkorn    1896 
Baron  L.  A.  v.  Löwenstein    1896 
Louis  Bernus     1896 
Frau  Ad.  v.  Brüning     1896 
Friedr.  Jaennicke     1896 
Dr.  phil.  W.  Jaennicke     1896 
P.  A.  Kesselmeyer    1897 
Chr.  G.  Ludw.  Vogt     1897 
Anton  L.  A.  Hahn     1897 
Moritz  L.  A.  Hahn     1897 
Julius  Lejeune    1897 
Frl.  Elisabeth  Schultz     1898 
Karl  Ebenau     1898 
Max  von  Guaita     1899 
Walther  vom  Rath     1899 
Prof.  D.  Dr.  Moritz  Schmidt    1899 
Kai'l  von  Grunelius     1900 


Dr.  jur.  Friedrich  Hoerle     1900 

Alfred  von  Neufville    1900 

Wilh.  K.  Frhr.  v.  Rothschild    1901 

Marcus  M.  Goldschraidt     1902 

Paul  Siegm.  Hertzog     1902 

Prof.  Dr.  Julius  Ziegler    1902 

Moritz  von  Metzler     1903 

Georg  Spej'er    1903 

Arthur  von  Gwinner     1903 

Isaak  Blum     1903 

Eugen  Grumbach-Mallebrein     1903 

♦Robert  de  Neufville     1903 

Dr.  phil.  Eugen  Lucius    1904 

Carlo  Frhr.  v.  Erlanger     1904 

Oskar  Dyckerhoff    1904 

Rudolf  Sulzbach     1904 

Johann  Karl  Majer     1904 

Prof.  Dr.  Eugen  Askenasy     1904 

D,  F.  Heyneniann     1904 

Frau  Amalie  Kobelt     1904 

*Prof.  Dr.  AVilhelm  Kobelt    1904 

P.  Hermann  v.  Mumm     1904 

Philipp  Holzmann     1904 

Prof.  Dr.  Achill  Andreae     1905 

Frau  Luise  Volkert     1905 

Karl  Hoff     1905 

Sir  Julius  Wernher  Bart.     1905 

Sir  Edgar  Speyer  Bart.     1905 

J.  A.  Weiller     1905 

Karl  Schaub     1905 

W.  de  Neufville     1905 

Arthur  Sondheimer     1905 

Dr.  med.  E.  Kirberger    1906 

Dr.  jur.  AV.  Schöller    1906 

Bened.  M.  Goklschmidt     1906 

A.  Wittekind    1906 

Alexander  Hauck     1906 

Dr.  med.  J.  Guttenplan    1906 

Gustav  Stellwag    1907 

Christian  Knauer     1907 

Jean  Job.  Val.  Andreae     1907 

Hans  Bode    1907 

Karl  von  Metzler     1907 

3Ioritz  Ad.  EUissen     1907 

Adolf  von  Grunelius     1907 

Conrad  Binding     1908 

Line.  M.  Oppenheimer     1908 

W.  Seefried     1908 


18    — 


Ch.  L.  Hallgarten    1908 
Gustav  Schiller     1908 
Frau  Rosette  3Ierton     1908 
Karl  E.  Klotz     1908 
Julius  von  Arand     1908 
Georg  Frhr.  von  Holzhausen     1908 
Dr.  med.  J.  H.  Bockenheiraer    1908 
J.  Creizenaeh     1908 
*A.  H.  Wendt    1908 
Paul  Reiss     1909 
Hermann  Kahn     1909 
Henry  Seligman     1909 
Wilhelm  Jacob  Rohmer     1909 
Deutsche  Gold-  und  Silber -Scheide- 
Anstalt     1909 
Heinrich  Lotichius     1909 
Frau  Marie  Meister     1909 
Dr.  med.  Heinrich  HoflFmann     1909 
Dr.  med.  Kaid  Kaufmann     1909 
Fritz  Hauck     1909 
Eduard  Gehler     1909 
Frau  Sara  Bender    1909 
August  Bender    1909 
Eugene  Hoerle    1909 
Theodor  Alexander     1909 
Leopold  Sonnemann     1909 


Moritz  Ferd.  Hauck    1909 

Frau  Elise  Andreae-Lemme     1910 

Frau  Franziska  Speyer     1910 

Adolf  Keller    1910  ^ 

Paul  Bamberg     1910 

Wilhelm  B.  Bonn     1910 

Dr.  med.  Philipp  von  Fabricius     1911 

Jakob  Langeloth     1911 

Frau  Anna  Canne     1911 

*Prof.  Dr.  Karl  Herxheimer     1911 

Richard  Nestle     1911 

Wilhelm  Nestle     1911 

Dr.  phil.  Philiijp  Fresenius     1911 

Dr.  jur.  Salomon  Fuld     1911 

Dr.  phil.  Ludwig  Belli     1911 

Frau  Anna  Weise,  geb.  Belli     1911 

Frau  Caroline  Pfeiffer-Belli     1911 

Dr.  med.  Ernst  Blumenthal    1912 

Frau  Anna  Koch,  gb.v.  St.  George  1912 

Carl  Bittelmann     1912 

Eduard  Jungmann     1912 

Friedrich  Ludwig  von  Gans     1912 

*Prof.  Dr.  Ludwig  Edinger     1912 

Alexander  Askenasy     1912 

Hermann  AVolf    1912 

Wilhelm  Holz     1912 


IT.  Beitragende  Mitglieder. 


Abel,  August,  Dipl.-Ing.     1912 

Abraham,  Sigmund,  Dr.  med.     1904 

Abt,  Jean     1908 

Adam,  W.,  Zollinspektor    1909 

Adelsberger,  Paul  S.     1908 

Adler,  Abraham     1912 

Adler,  Arthur,  Dr.  jur.     1905 

Adler,  Franz,  Dr.  phil.     1904 

Albert,  August    1905 

Albert,  K.,  Dr.  phil.,  Amöneburg  1909 

Albrecht,  Julius,  Dr.    1904 

Alexander,  Franz,  Dr.  med.    1904 

Almeroth,  Hans,  stud.  rer.  nat.     1905 

Alt,  Friedrich    1894 

*Alten,  Heinrich    1891 

Alten,  Frau  Luise     1912 


Altheimer,  Max    1910 

♦Alzheimer,  A.,  Prof.  Dr.,  Breslau  1896 

Ambrosius,  Karl    1912 

Amschel,  Frl.  Emy    1905 

Anders,  Johannes    1912 

Andre,  C.  A.     1904 

Andreae,  Albert    1891 

Andreae,  Alfred    1912 

Andreae,  Frau  Alharda    1905 

Andreae,  Arthur    1882 

Andreae,  Carlo,  Dr.  jur.     1910 

Andreae,  Heinrich    1912 

Andreae,  Heinrich  Ludwig    1904 

*Andreae,  Hermann    1873 

Andreae,  J.  M.    1891 

Andreae,  Konrad    1906 


Anmerkung.  Es  wird  höflichst  gebeten,  Veränderungen  der  Wohnung 
oder  des  Titels  u.  dgl.  dem  Bureau  der  Senckenbergischen  Naturforschenden 
Gesellschaft,  Viktoria-Allee  7,  mitzuteilen. 


—     19 


Andreae,  Frau  Marianne    1910 

Andreae,  Richard    1891 

Andreae  jr.,  Richard    1908 

Andreae,  Rudolf,  Kom.-Rat    1878 

Andreae,  Rudolf    1910 

Andreae,  Viktor    1899 

*Andreae-v.  Grunelius,  Alhard    1899 

Andreae-Hahn,  Karl    1911 

Andreas,  Gottfried    1908 

Antz,  Georg,  Zahnarzt    1908 

Antz,  Stephan     1910 

Apfel,  Eduard    1908 

Apolant,  Hugo,  Prof.  Dr.  med.    1903 

Armbrüster,  Gebr.     1905 

Askenasy,  Robert,  Dr.  jur.     1910 

Auerbach,  E.,  Justizrat  Dr.    1911 

Auerbach,  L.,  San.-Rat  Dr.    1886 

Auerbach,  M.,  Amtsger.-Rat  Dr.  1905 

♦Auerbach,  S.,  Dr.  med.     1895 

Aurnhammer,  Julius     1903 

Autenrieth,  Karl  F.     1912 

Avellis,  Georg,  San.-Rat  Dr.     1904 

Bacher,  Karl     1904 

Baer,  Jos.  Moritz,  Stadtrat     1873 

Baer,  Karl     1910 

Baer,  Max,  Generalkonsul    1897 

Baer,  M.  H.,  Justizrat  Dr.     1891 

Baer,  Simon  Leop.     1860 

Baer,  Theodor,  Dr.  med.     1902 

Baerwald,  A.,  Dr.  med.     1901 

Baerwald,  E.,  Dr.  jur.     1910 

Baerwald,  Frau  Emma    1912 

Baerwind,  Franz,  San.-Rat  Dr.     1901 

Bamberger,  Karl    1912 

Bangel,  Rudolf    1904 

Bäppler,  Otto,  Architekt    1911 

v.Bardeleben,  Fr.,  Gen.-Major  z.D.  1900 

♦Bardorff,  Karl,  San.-Rat  Dr.     1864 

Barndt,  Wilhelm    1902 

Barthel,  Karl  G.     1912 

Bartheis,  K.L.,Prof.Dr.,Aschaffbg.  1912 

Bartsch,  W.,  Buchschlag    1912 

de  Bary,  August,  Dr.  med.    1903 

de  Bary,  J.,  Geh.  San.-Rat  Dr.     1866 

de  Bary,  Karl  Friedrich    1891 

de  Bary-Jeanrenaud,  S.  H.     1891 

de  Bary-Osterrieth,  Joh.  Heinr.    1909 

de  Bary-Sabarly,  Karl    1910 


*Bastier,  Friedrich     1892 

Bauer,  Max    1906 

Bauer,  Moritz,  Dr.  phil.  et  med.    1910 

Bauer,  Rudolf    1911 

Bauer- Weber,Friedrich,Ober-Ing.l907 

Baumstark,  R.,  Dr.  med.,  Bad  Homburg 

V.  d.  H.     1907 
Baumstark,  Frau  Dr.,  Bad  Homburg 

V.  d.  H.     1911 
Baunach,  Robert     1900 
Baur,  Karl,  Dr.  med.    1904 
Bechhold,  J.  H.,  Prof.  Dr.  phil.     1885 
Beck,  H.,  Dr.,  Offenbach     1910 
Beck,  Karl,  Dr.  med.     1905 
Becker,  F.  Ph.,  Dr.  med.     1905 
Becker,  H.,  Prof.  Dr.  phil.    1903 
V.  Beckerath,  R.,  Rittmeister  a.  D.  1912 
Beer,  Frau  Berta    1908 
Behm,  Franz,  Oberst    1910 
Behrends,  Robert,  Ingenieur    1896 
Behrends-Schmidt,  K.,  Gen.-Kons.  1896 
Behringer,  Gustav    1905 
*Beit-v.  Speyer,  Ed.,  Kom.-Rat,  Gen.- 
Kons.'  1897 
Benario,  Jacques,  Dr.  med.     1897 
Bender,  Georg,  Inspektor    1909 
Benkard,  Georg,  Dr.  jur.     1912 
Berend,  Frau  Paula,  Dr.    1905 
Berg,  Alexander,  Dr.  jur.     1900 
♦Berg,  Fritz,  Justizrat  Dr.    1897 
Berg,  Heinrich     1910 
Bergmann,  Elias     1912 
Berlizheimer,  Sigmund,  Dr.  med.  1904 
Berndt,  Louis,  Dr.,  Griesheim     1910 
V.  Bernus,  Louis    1909 
Berthold,  Frl.  Berta    1903 
Bertuch,  August,  Prof.     1910 
Bessunger,  Karl    1909 
Besthorn,  Otto     1908 
V.  Bethmann,  Frhr.  S.  Moritz    1905 
Beyfuß,  Leo     1907 
Bibliothek,  Kgl.,  Berlin    1882 
Biedermann,  Geh.  Rat  Prof.,  Jena  1912 
Bierbaum,  Kurt,  Dr.    1911 
Binder,  Oberstabsarzt  Dr.,Darmst.  1912 
Binding,  Karl     1897 
Binding,  Theodor    1908 
Bing,  Albert    1905 


20 


Birnbaum,  A.,  Bergrat    1912 

Bischheim,  Bernhard    1907 

Bittel-Böhm,  Theodor    1905 

Blanke,  Arnold    1912 

Blankenburg,  Max    1911 

Bleibtreu,  Ludwig    1907 

Bleicher,  H.,  Stadtrat  Prof.  Dr.     1903 

Blothner,  Frl.  Elsa    1911 

*Blum,  Ferd.,  Prof.  Dr.  med.     1893 

Blum,  Frau  Lea    1903 

Blumental,  R.  H.     1910 

Blumenthal,  Adolf    1883 

Blumenthal,  E.  H.,  Gen.-Direktor  1910 

Blümlein,  Viktor  B.     1909 

Bode,  H.,  Gerichtsassessor  Dr.     1908 

Bode,    Paul,    Dr.  phil.,   Direktor  der 

Klinger-Oberrealschule    1895 
Bodewig,  Heinrich,  Dr.  jur.     1911 
Boehnke,  Karl  E.,  Stabsarzt,  Dr.  1911 
Boettiger,  E.,  Dr.,  Offenbach    1910 
Böhm,  Henry,  Dr.  med.     1904 
Böhme,  John     1904 
Boller,  Wilhelm,  Prof.  Dr.  phil.     1903 
Bolognese-Molnar,  Frau  B.     1910 
Bonn,  Sally     1891 
Bopp,  Frau  W.     1912 
Borchardt,  Heinrich    1904 
Borgnis,  Alfred  Franz     1891 
Borgnis,  Karl    1900 
Born,  Erhard,  Dr.  jur.     1912 
Brach,  Frau  Natalie    1907 
Brandt,  F.,  Hofrat  Dr.     1910 
Brasching,  P.     1912 
Braun,  Franz,  Dr.  phil.     1904 
Braun,  Leonhard,  Dr.  phil.     1904 
Braunfels,  0.,  Geh.  Kom.-Rat     1877 
Brechenmacher,  Franz     1906 
Breitenstein,  W.,  Ing.,  Algier    1908 
Brendel,  Wilhelm     1906 
Brentano-Brentano,  Josef    1906 
Briel,  Heinrich     1906 
Brodnitz,  Siegfried,  Dr.  med.     1897 
Brönner,  Frau  Pauline     1909 
Brück,  Richard,  Justizrat     1906 
Brückmann,  Karl    1903 
V.  Brüning,  G.,  Geh.  Reg.-Rat  Dr.  1903 
Bucher,  Franz     1906 
Bücheier,  Anton,  Dr.  med.    1897 


Buchka,  Ernst    1911 

Budge,  Frau  Rosalie    1912 

Budge,  S.,  Dr.  jur.     1905 

Buhlert,  Fritz,  Ingenieur     1910 

BuUnheimer,  Fritz,  Dr.  phil.     1904 

Burchard,  K.,  Bergassessor,  Goslar  1908 

Burchard,  Kurt,  Prof.  Dr.  jur.     1904 

Burgheim,  Gustav,  Justizrat  Dr.  1905 

Bürgin,  James,  Dr.  phil.     1912 

Burmeister,  F.,  Dr.,  Offenbach     1912 

V.  Büsing-Orville,  Frhr.  Adolf    1903 

Büttel,  Wilhelm     1878 

Caan,  Albert,  Dr.  med.     1912 

Cahen-Brach,  E.,  San.-Rat  Dr.    1897 

Cahn,  Albert    1905 

Cahn,  Heinrich     1878 

Cahn,  Paul    1903 

Cahn,  S.,  Konsul     1908 

Canne,  Ernst,  Dr.  med.     1897 

Cante,  Cornelius     1906 

*Carl,  August,  San.-Rat  Dr.     1880 

Cassel,  S.    1905 

Cassian,  Heinrich    1908 

Cayard,  Carl     1907 

Cayard,  Frau  Louise     1909 

Challand,  Frl.  M.    1910 

Christ,  Fritz     1905 

Claus,  Gottlob    1912 

Cnyrim,  Adolf,  Dr.  jur.     1909 

Cnyrim,  Ernst     1904 

Cochlovius,  F.,  Dipl.-Ing.     1912 

Cohen,  Frau  Ida    1911 

Cooper,  Will.  M.,  Dr.     1912 

*Creizenach,  Ernst     1906 

Cullmann,  R.,  Landger.-Rat  a.  D.  1905 

Cuno,  Fritz,  Dr.  med.     1910 

Cunze,  D.,  Dr.  phil.     1891 

Curti,  Theodor,  Direktor    1905 

Curtis,   F.,   Prof.  Dr.  phil.,  Homburg 

V.  d.  H.     1903 
Dahlem,  H.  V.,  Aschaffenburg    1911 
Dambitsch,  Arthur    1907 
Daube,  Adolf    1910 
Daube,  G.  L.    1891 
Daube,  Kurt,  Geh.  San.-Rat  Dr.    1906 
Deckert,  Emil,  Prof.  Dr.  phil.     1907 
Deguisne,  K.,  Prof.  Dr.  phil.     1908 
Delkeskamp,  Rudolf,  Dr.  phil.    1904 


21 


Delliehausen,  Theodor    1904 
Delosea,  R.,  Dr.  med.    1878 
Demmer,  Theodor,  San.-Rat  Dr.  1897 
Denzer,  Heinrich,  Vockenhausen  1911 
Dettweiler,  Frl.  Thilli    1911 
Deubel,  Hans    1911 
Deutsch,  Adolf,  Dr.  med.     1904 
Diehl,  Adolf,  Oppenheim    1912 
Diener,  Max,  Konsul    1912 
Diener,  Richard,  Konsul    1905 
Diesterweg,  Moritz  (E.  Herbst)     1883 
Dieterichs,  Fr.,  Apotheker    1912 
Dietze,  Karl    1870 

Dingler,  H.,  Prof.  Dr.,  Aschaffenbg.  1910 
Ditmar,  Karl  Theodor    1891 
Ditter,  Karl,  Gerrard's  Gross    1903 
Doctor,  Ferdinand    1892 
Dondorf,  Karl    1878 
Dondorf,  Otto     1905 
Donner,  Karl  Philipp    1873 
Dreher,  Albert    1910 
Drescher,  Otto,  Reg.-Rat    1910 
Drevermann,  Frau  Ria    1911 
Dreves,  Erich,  Justizrat  Dr.     1903 
Dreyfus,  Willi    1910 
Dreyfuß,  Fritz     1910 
Dreyfuß,  Max    1912 
Drory,  William  L.,  Dr.  phil.    1904 
Drory,  William  W.,  Direktor    1897 
Du  Bois,  Georg,  Dr.  phil.     1906 
Duden,  G.,  Generaloberarzt  Dr.    1912 
Duden,  P.,  Prof.  Dr.  phil..  Höchst  1906 
Dumcke,  Paul,  Gen.-Direktor    1909 
Duncan,  Frl.  E.,  Darmstadt    1909 
*Dürer,  Martin     1904 
Ebeling,  Hugo,  Dr.  med.     1897 
Ebenau,  Fr.,  Dr.  med.    1899 
Eberstadt,  Albert    1906 
Eberstadt,  Fritz    1910 
V.  Eckartsberg,  Emanuel,  Major    1908 
Eckert,  Frau  Marie     1906 
Eckhardt,  Karl,  Bankdirektor    1904 
Egan,  William    1891 
Egger,  Edmund,  Prof.  Dr.,  Mainz  1911 
*Ehrlich,  P.,  Wirkl.  Geh.  Rat,  Prof.  Dr. 

Exzellenz     1887 
Ehrlich,  Frl.  Rosa    1911 
Eichengrün,  Ernst     1908 


Eiermann,  Arnold,  Dr.  med.    1897 
*Ellinger,  Leo,  Kommerzienrat     1891 
Ellinger,  Philipp,  Dr.  phil.    1907 
EUinger,  R.,  Dr.  jur.,  Heidelberg  1907 
Embden,  Gustav,  Prof.  Dr.  med.  1907 
Emmerich,  Friedrich  H.     1907 
Emmerich,  Heinrich    1911 
Emmerich,  Otto    1905 
Enders,  M.  Otto    1891 
Engelhard,  Karl  Phil.    1873 
Engelhard,  Otto,  Hofheim  i.  T.     1908 
Epstein,  Jak.  Herm.     1906 
Epstein,  Jos.,  Prof.  Dr.  phil.    1890 
Epstein,  Wilhelm,  Dr.  phil.     1907 
Epting,  Max,  Direktor    1911 
Erlanger,  Frau  Anna    1912 
Erlanger,  Frau  H.     1911 
Eschelbach,  Jean     1904 
Ettlinger,  Albert,  San.-Rat,  Dr.     1904 
Euler,  Rudolf,  Direktor    1904 
Eurich,  Heinrich,  Dr.  phil.     1909 
Eysen,  Anton     1912 
Eyssen,  Frau  Elise    1910 
Fade,  Louis,  Direktor    1906 
Fahr,  Frl.  Aenny,  Darmstadt    1912 
Feis,  Oswald,  Dr.  med.    1903 
Feist,  Fr.,  Prof.  Dr.  phil.,  Kiel      1887 
Feist,  Louis,  Kom.-Rat    1906 
Fellner,  Johann  Christian    1905 
Fellner,  Otto,  Dr.  jur.     1903 
Fenner,  Gottfried,  Dr.     1912 
Fester,  August,  Bankdirektor    1897 
Fester,  Hans,  Dr.  jur.    1910 
Finck,  August    1912 
Finck,  Karl    1910 

*Fischer,  Beruh.,  Prof.  Dr.  med.    1908 
Fischer,  Karl    1902 
Fischer,  Ludwig    1902 
V.  Fischer-Treuenfeld,  A.     1911 
Flaecher,  F.,  Dr.  phil.  Höchst    1908 
Fleck,  Georg,  Dr.  med.     1910 
Fleck,  Otto,  Oberförster    1903 
Fleisch,  Karl    1891 
Flersheim,  Albert    1891 
Flörsheim,  Ernst    1912 
Flersheim,  Martin     1898 
Flersheim,  Robert    1872 
Flesch,  Karl,  Stadtrat,  Dr.  jur.    1907 


22 


*Flesch,  Max,  Prof.  Dr.  med.     1889 
Flinsch,  Heinrich,  Stadtrat    1866 
Flinsch,  W.,  Kommerzienrat    1869 
Flock,  Heinrich     1911 
Flörsheim,  Gustav    1904 
V.  Flotow,  Frhr.  Theodor    1907 
Flügel,  Josef,  Limburg    1907 
de  la  Fontaine,  Ernst,  Reg.-Rat  1907 
Forchheimer,  Arthur    1908 
Forchheimer,  Frau  Jenny     1903 
Forst,  Karl,  Dr.  phil.     1905 
*Franck,  Ernst,  Direktor    1899 
Frank,  Franz,  Dr.  phil.     1906 
Frank,  Heinrich,  Apotheker    1891 
Frank,  Karl,  Dr.  med.     1910 
Franz,  Viktor,  Dr.  phil.     1910 
Fresenius,  A.,  San.-Rat  Dr.,  Jugenheim 

1893 
Fresenius,  Eduard,  Dr.  phil.     1906 
Fresenius,  Ferdinand,  Dr.  phil.      1912 
Freudenthal,  B.,    Prof.  Dr.  jur.     1910 
*Freund,  Mart.,  Prof.  Dr.  phil.     1896 
Freyeisen,  Willy    1900 
*Fridberg,  R.,  San.-Rat  Dr.    1873 
Friedmann,  Heinrich    1910 
Fries,  Heinrich    1905 
Fries,  Heinrich,  Oberursel    1910 
Fries,  Sohn,  J.  S.     1889 
Fries,  Wilhelm,  Dr.  phil.     1907 
Fries-Dondorf,  Frau  Anna    1911 
V.  Frisching,  Moritz     1911 
Fritsch,  Karl,  Dr.,  Zahnarzt    1910 
Fritz,  Jakob,  Hanau    1910 
Fritzmann,  Ernst,  Dr.  phil.     1905 
Frohmann,  Herbert     1905 
Fromberg,  Leopold    1904 
Fromm,  Emil,  Kreisarzt  Dr.     1910 
Fuld,  Adolf,  Dr.  jur.     1907 
Fulda,  Anton    1911 
Fulda,  Heinrich,  Dr.  med.     1907 
Fulda,  Karl  Herrn.     1877 
Fulda,  Paul     1897 
Fünfgeld,  Ernst    1909 
Fünfgelt,  Emil    1912 
*Gäbler,  Bruno,  Landger.-Direkt.  1900 
Galewski,  H.,  Reg.- Baumeister    1912 
Gans,  L.,  Geh.  Kom.-Rat  Dr.  phil.  1891 
V.  Gans,  Ludwig  W.     1907 


Gaum,  Fritz     1905 

Geelvink,  P.,  Dr.  med.     1908 

Geiger,  B.,  Geh.  Justizrat  Dr.     1878 

Geisow,  Hans,  Dr.  phil.     1904 

Geist,  George,  Dr.  med.  dent.     1905 

Geiß,  Willi    1912 

Gelhaar,  Erich,  Dr.  med.     1910 

*Gerlach,  Karl,  Dr.  med.     1869 

Gerth,  H.,  Dr.  phil.,  Bonn     1905 

Getz,  Moritz     1904 

Gieseke,  Adolf,  Dr.,  Höchst    1912 

Gins,  Karl    1906 

Glimpf,  Friedrich     1912 

Glöckler,  Alexander,  Ingenieur     1909 

Glogau,  Emil  August     1904 

Gloger,  F.,    Dipl.-Ing.     1908 

Gneist,  Karl,  Oberstleutnant,  Dieden- 

hofen     1910 
Göbel,  August,  Lehrer    1911 
Göbel,  Karl     1910 

Goering,  V.,  Dir.  d.  Zool.  Gartens  1898 
Goeschen,  Frau  Klara    1910 
V.Goldammer,  F.,  Hauptmann  a.D.  1903 
Goldschmid,  Edgar,  Dr.  med.     1908 
Goldschmid,  J.  E.     1901 
Goldschmidt,  Anton     1910 
Goldschmidt,  Julius     1905 
Goldschmidt,  Julius    1912 
Goldschmidt,  Frau  Luise    1910 
Goldschmidt,  M.  S.     1905 
Goldschmidt,R.,  Prof.Dr.,München  1901 
Goldschmidt,  Saly  Heinrich     1912 
V.  Goldschmidt-Rothschild,  Frhr.  Max, 

Generalkonsul     1891 
*v.  Goldschmidt-Rothschild,  R.    1907 
Goll,  Karl,  Offenbach     1910 
Goll,  Richard     1905 
Gombel,  Wilhelm     1904 
Gonder,  Richard,  Dr.  phil.     1911 
Gottschalk,  Joseph,  San.-Rat  Dr.  1903 
Graebe,  K.,  Geh.Reg.-Rat  Prof.  Dr.  1907 
Gramm,  Friedrich  Wilhelm    1912 
Grandhomme,  Fr.,    Dr.  med.     1903 
Graubner,  Karl,  Höchst    1905 
Greb,  Louis    1903 
Greeff,  Ernst     1905 
Greiff,  Jakob,  Rektor    1880 
Grieser,  Ernst     1904 


23 


Grimm,  Otto,   Geh.  Reg.-Rat  Bürger- 
meister   1907 
Groedel,  A.  M.  Dr.     1912 
Grosch,  K.,  Dr.  med.,  Offenbach  1904 
Grosse,  Gottfried    1907 
Groß,  Frl.  Berta    1911 
Groß,  Otto,  Dr.  med.     1909 
Großmann,  August,  Hofheim    1912 
Großmann,  Emil,  Dr.  med.     1906 
Grumbach,  Adalbert,  Mannheim  1912 
V.  Grunelius,  Frl.  Anna     1912 
V.  Grunelius,  Eduard    1869 
V.  Grunelius,  Max    1903 
Grünewald,  August,  Dr.  med.    1897 
Grünewald,  Richard,  Dettingen    1912 
*Gulde,  Johann,  Dr.  phil.     1898 
Gumbel,  Karl,  Dr.jur.     1910 
V.  Günderrode,  Frhr.  Waldemar    1905 
*Günther,  Hermann,  Dr.  jur.     1912 
Günther,  Oskar    1907 
Günzburg,  Alfred,  San.-Rat  Dr.   1897 
Gurke,  Oskar    1912 
Gutenstein,  Frau  Clementine    1911 
Guttenplan,  Frau  Lily    1907 
Haack,  Karl  Philipp     1905 
Haag,  Ferdinand     1891 
Haag,  Ph.    1912 
Haas,  Ludwig,  Dr.     1906 
Häberlin,  J.,  Justizrat  Dr.  phil.  h.  c.  1871 
Haeffner,  Adolf,  Kom.-Rat     1904 
Hagenbach,  R.,  Dr.,  Höchst    1910 
Hahn,  Julius     1906 
Hahn,  Otto,  Baurat     1908 
Hahn-Opificius,  Frau  M.,  Dr.  med.  1907 
Hallgarten,  Fritz,  Dr.  phil.     1893 
Hamburg,  Karl    1910 
Hamburger,  K.,  Geh.  Justizr.  Dr.  1891 
Hamburger,  Fräulein  Klara,  Dr.  phil., 

Heidelberg    1906 
Hanau,  Ludwig,  Dr.  med.     1910 
Hankel,  M.,  Dr.  phil,  Offenbach   1911 
Hansen,  A.,  Geh.  Rat  Prof.,  Gießen  1912 
Happel,  Fritz     1906 
Harbers,  Adolf,  Direktor    1903 
v.Harling,  Oberförst.,Roda.d.Weil  1906 
V.  Harnier,  E.,  Geh.  Justizr.  Dr.    1866 
Hartmann,  Eugen,  Prof.  Dr.  ing.  1891 
Hartmann,  Gg.,  Niederhöchstadt  1912 


Hartmann,  Johann  Georg    1905 

Hartmann,  Karl    1905 

Hartmann,  M.,  Geheimer  San.-Rat  Dr., 

Hanau     1908 
Hartmann-Bender,  Georg    1906 
Hartmann-Kempf,  Rob.,  Dr.  phil.  1906 
Hassel,  Georg,  Justizrat  Dr.    1910 
Haßlacher,  Franz     1905 
Hauck,  Georg,  1898 
Hauck,  Max    1905 
*Hauck,  Otto     1896 
Haurand,  A.,  Geh.  Kom.-Rat     1891 
Haus,  Rudolf,  Dr.  med.     1907 
Häuser,  Adolf,  Justizrat     1909 
Hausmann,  Franz,  Dr.  med.     1904 
Hausmann,  Friedrich,  Prof.     1907 
Hausmann,  Julius,  Dr.  phil.     1906 
Heberle,  August,  Ingenieur    1911 
Heberlein,  Ferd.,  Direktor  Dr.     1910 
Heerdt,  Rudolf,  Direktor    1906 
Heichelheim,  Sigmund,  Dr.  med.  1904 
Heicke,  Karl     1903 
Heidingsfelder,  Ludwig    1912 
Heilbrunn,  Ludwig,  Dr.  jur.     1906 
Heilmann,  Heinrich     1906 
Heintzenberg,  Erwin,  Offenbach  1908 
Heinz-Jung,  Frau  Emmy     1907 
Heister,  Ch.  L.     1898 
Helferich,  Frl.  M.     1912 
Helgers,  E.,  Dr.  phil.     1910 
Hellmann,  Albert,  Dr.  med.     1912 
Hemmerich,  Wilh.,  Hauptmann     1907 
Henrich,  K.  F.,  Geh.  Kom.-Rat     1873 
Henrich,  Ludwig    1900 
Henrich,  Rudolf    1905 
Heraus,  C.  W.,  Hanau     1910 
Herborn,  Jakob     1912 
*Hergenhahn,  Eugen,  Dr.  med.     1897 
Hermann,  Karl    1911 
Hertlein,  Hans,  Dr.  phil..  Höchst  1910 
Hertzog,  Adolf,  Gerichtsassessor  1907 
Hertzog,  Frau  Anna    1908 
Hertzog,  Georg    1905 
Herxheimer,  Frau  Fanny    1900 
Herxheimer,  G.,  Prof.  Dr.  med.,  Wies- 
baden    1901 
Herxheimer,  Hans,  Dr.  med.     1912 
Herz-Mills,  Ph.,  Direktor    1903 


24 


Herzberg,  Karl,  Konsul    1897 

Herzberg,  Frl.  Resi    1912 

Herzog,  Ulrich,  Dr.  med.     1908 

Hesdörffer,  Julius,  San.-Rat  Dr.  1903 

Hesse,  Hermann     1900 

Hesse  jr.,  Hubert,  Homburg  v.  d.  H.  1910 

Hesse,  Fräulein  J.     1911 

V.Hessen,  Landgraf  Alexander  Friedr., 
Kgl.  Hoheit    1911 

V.Hessen,  Prinz  Friedrich  Karl,  Hoheit 
1907 

Hessenberg,  Walter    1908 

Heß,  Arnold,  Dr.  phil..  Höchst    1908 

Heuer,  Frl.  Anna,  Cronberg    1909 

Heuer,  Ferdinand    1909 

Heuer  &  Schoen    1891 

Heußenstamm,  Karl,  Dr.  jur.,  Bürger- 
meister a.  D.     1891 

*v.Heyden,  L.,  Prof.  Dr.  phil.  h.  c.  1860 

V.  Heyder,  Georg    1891 

Heyl,  Karl    1912 

Heyman,  Ernst    1911 

Hinsch,  Gustav,  Wiesbaden    1912 

Hirsch,  Ferdinand    1897 

Hirsch,  Frau  Lina    1907 

Hirsch,  Raphael,  Dr.  med.     1907 

Hirsch,  Robert    1910 

Hirsch-Tabor,  0.,  Dr.  med.     1910 

Hirschfeld,  Albert    1909 

Hirschfeld,  Otto  H.    1897 

Hirschhorn,  Fritz     1905 

Hirschler,  Leopold    1903 

Hobrecht,  Frl.  Annemarie    1907 

Hobrecht,  Frl.  EUy    1912 

Hochschild,  Leo,    1908 

Hochschild,  Philipp,  Dr.     1907 

Hochschild,  Salomon    1906 

Hock,  Fritz     1907 

Hoene,  R.,  Oberlandesgerichtsrat  1912 

Hoerle,  Fräulein  Cecile    1907 

Hoerle,  Julius    1907 

Hof,  C.  A.,  Dr.,  Hanau    1912 

Hoff,  Adolf    1910 

Hoff,  Alfred,  Konsul    1903 

Hoffmann,  Hans,  Dr.  phil.     1912 

Hoffmann,  Karl  C.,  Mexiko     1911 

Hoffmann,  M.,  Dr.,  Mainkur    1910 

Hoffmann,  Paul,  Königstein    1908 


Hofmann,  Otto    1905 
Hofmann,  Richard    1910 
Hohenemser,  Frau  Mathilde     1908 
Hohenemser,  Moritz  W.     1905 
Hohenemser,  Otto,  Dr.  med.     1904 
Hohenemser,  Robert,  Dr.  jur.     1905 
Hohenemser,  Willy,  Dr.  phil.     1912 
Holl,  Joseph  &  Co.     1905 
Holz,  August    1909 
Holz,  Otto     1910 
Holzmann,  Eduard    1905 
Hornberger,  Ernst,  Dr.  med.     1904 
Homburger,  A.,  Dr.,  Heidelberg   1899 
Homburger,  Michael    1897 
Homm,  Nikolaus    1906 
Homolka,  Benno,  Dr.     1912 
Horkheimer,  Anton,  Stadtrat  a.D.  1906 
Horkheimer,  Fritz     1892 
Horstmann,  Frau 'Elise    1903 
Horstmann,  Georg    1897 
v.  Hoven,  Franz,  Baurat    1897 
*Hübner,  Emil,  San.-Rat  Dr.     1895 
Hübner,  Hermann     1912 
v.Huene,  Frhr.,  Hauptmann,  Offenbach 

1910 
Hunke,  L.,  Dr.  phil.     1912 
Hupertz,    Eduard,    Oberstaatsanwalt, 

Geh.  Oberjustizrat  Dr.     1905 
Hüttenbach,  Frau  Lina    1909 
Hüttenbach,  Otto    1910 
Jacobi,  Heinrich,  Dipl.-Ing.     1911 
Jacobi-Borle,  Frau  Sophie    1909 
Jacquet,  Hermann    1891 
Jaeger-Manskopf,  Fritz     1897 
Jaffe,  Frau  Emilie    1910 
Jaffe,  Gustav,  Justizrat    1905 
Jaffe,  Theophil,  Geh.  San.-Rat  Dr.  1905 
Jäger,  Alfred,  Dr.  phil.     1903 
*Jassoy,  August,  Dr.  phil.     1891 
Jassoy,  Frau  Ida    1908 
Jassoy,  Ludwig  Wilhelm    1905 
Jelkmann,  Fr.,  Dr.  phil.    1893 
Jenisch,  C,  Dr.  phil.,  Mainkur    1908 
Jensen,  Heinrich,  Apotheker    1910 
Jilke,  Walter,  Dr.  phil.     1912 
Illig,  Hans,  Direktor    1906 
Job,  Wolfgang,  Konsul    1907 
Jordan  -  de  Rouville,  Frau  L.M.    1903 


—     25     — 


Joseph,  Ludwig,  Dr.  jur.     1910 
Josephthal,  Karl    1908 
Jourdan,  Karl    1910 
Istel,  Alfred,  Gerichtsassessor    1910 
Istel,  Frau  Charlotte,  Paris    1908 
Jucho,  Fritz,  Dr.  jur.     1910 
Jucho,  Hch.,  Dr.  jur.     1910 
Jung,  Frau  Emilie     1907 
Jung,  R.,  Prof.  Dr.  phil.     1910 
Junge,  Bernhard    1907 
Jungmann,  W.,  stud.,  München     1912 
Junior,  Karl     1903 
Jureit,  J.  C,  Kom.-Rat    1892 
Jureit,  Willi     1910 
Kahler,  August,  Hanau     1912 
Kahn,  Bernhard    1897 
Kahn,  Ernst,  San.-Rat  Dr.     1897 
Kahn,  Julius     1906 
Kahn,  Robert,  Dr.  phil.     1910 
Kahn,  Rudolf    1910 
Kahn-Freund,  Richard     1910 
Kalb,  Moritz     1891 
Kalberiah,  Fritz,  Dr.  med.     1907 
Kalischer,  Georg,  Dr.,  Mainkur    1912 
*Kallmorgen,  Wilh.,  Dr.  med.     1897 
Kcäßbacher,  Max  1909 
Katzenellenbogen,  A.,  Justizr.  Dr.  1905 
Katzenstein,  Edgar    1906 
Kaufmann,  G.    1910 
Kaulen,  Ernst,  Amtsrichter    1908 
Kayser,  Heinrich,  Dr.  med.     1903 
Kayser,  Karl    1906 
Kaysser,  Frau  Ehse    1911 
Kaysser,  Frau  Georgine     1909 
Kaysser,  Heinrich    1911 
Keller,  Ernst,  Direkt,  des  Lehrerinnen- 
seminars   1907 
Keller,  Otto    1885 
Kellner,  Frl.  Marie    1910 
Kessler,  Hugo    1906 
Keyl,  Friedrich,  stud.,  Göttingen  1912 
Kilb,  Jean,  Skobeleff    1911 
Kindervatter,  Gottfried,  1906 
*Kinkelin,  F.,  Prof.  Dr.  phil.     1873 
Kirchberg,  Paul,  Dr.  med.     1912 
Kirchheim,  S.,  Stadtrat  Dr.  med.  1873 
Kirchner,  Karl,  Alzenau    1912 
Kissner,  Heinrich    1904 


Klein,  A.,  Reallehrer,  Haspe    1912 

Klein,  F.,  Dr.  med.,  Idstein     1912 

Klein,  W.  A.     1910 

Klein-Hoff,  Jakob    1912 

Kleinschmidt,  Emil     1912 

Kleinschnitz,  Franz    1909 

Kleyer,  Heinr.,  Kommerzienrat  Dr.  ing. 

h.  c.    1903 
Kliewer,  Joh.,  Gewerberat    1907 
Klimsch,  Eugen  1906 
Klingelhöffer,  W.,  Dr.,  Offenburg  1911 
Klinghardt,  Franz,  Dr.     1908 
Klitscher,  F.  Aug.    1878 
Knauer,  Jean  Paul    1906 
Knickenberg,  Ernst,  Dr.  med.     1897 
Knoblauch,  Alex,  Leutnant    1910 
♦Knoblauch  A.,  Prof.  Dr.  med.    1891 
Knoblauch,  Frau  Johanna    1908 
Knoblauch,  Paul,  Dr.  med.    1905 
Knodt,  Frau  Marie    1912 
Koch,  Louis     1903 
Koch,  Walter    1912 
Kochendörfer,  Ernst,  Dr.  phil.     1912 
Köhler,  Hermann,  Kom.-Rat    1891 
Kohn,  Julius,  Dr.  med.     1904 
Kohn,  Karl,  Direktor    1909 
Kohnstamm,  0.,  Dr.,   Köngstein  1907 
Kölle,  Gotthold,  Dr.  phil.  Direkt.  1912 
Kölle,  Karl,  Stadtbaurat  a.  D.    1905 
Kollecker,  Erich,  Dr.  med.     1910 
Kolm,  Rudolf     1910 
Kömpel,  Eduard,  Dr.  med.     1897 
König,  Albert,  San.-Rat  Dr.    1905 
König,  Ernst,  Dr.  phil.,  Sindlingen  1908 
König,  Karl,  Dr.  med.    1904 
Königs werther,  Heinrich    1906 
Könitzers  Buchhandlung    1893 
Könitzer,  Oskar    1906 
Könitzer-Jucho,  Frau  Lisa    1907 
Korff,  Gustav  jun.,  Hanau    1912 
Körner,  Erich,  Prof.     1907 
Köster,  E.  W.,  Direktor    1908 
Koßmann,  Alfred,  Bankdirektor  1897 
Koßmann,  Heinrich    1908 
Kotzenberg,  Karl,  Konsul    1903 
Kowarzik,  Frau  Pauline    1911 
Kraemer-Wüst,  Julius    1908 
Kramer,  Frau  Emma    1908 


26 


Kramer,  Robert,  Dr.  med.     1897 
Krekel,  E.,  Forstm.,  Hofheim  i.T.  1904 
Krekels,  Oskar,  Dr.  med.     1912 
V.  Kremski,  M.,  Major,  Mainz     1908 
Kreuzberg,  August    1905 
Küchler,  Eduard    1886 
Küchler,  Fr.  Karl     1900 
Kugler,  Adolf    1882 
Kuhlmann,  Ludwig     1905 
Kühne,  Konrad,  Oberst  a.  D.     1910 
Künkele,  H.     1903 
Kurz,  August    1912 
Kutz,  Arthur,  Dr.  med.     1904 
Labes,  Philipp,  Dr.  jur.,  Direktor  1905 
*Lachmann,  Bernh.,  San.-Rat  Dr.  1885 
Ladenburg,  August     1897 
Ladenburg,  Ernst,  Kommerzienrat  1897 
Laibach,  Friedrich,  Dr.  phil.     1911 
Lampe,  Ed.,  San.-Rat  Dr.     1897 
Lampe,  Willy     1900 
Landauer,  Fredy    1905 
Landauer,  Max,  Cronberg    1907 
Langenbach,  Ernst    1912 
Lapp,  Wilhelm,  Dr.  med.     1904 
*Laquer,  Leopold,  San.-Rat  Dr.     1897 
Laurenze,  Ad.,  Großkarben     1903 
Lausberg,  Georg    1910 
Lausberg,  Karl  Friedrich    1912 
Lauter,  W.,  Dr.  ing.  h.  c.  Charlotten- 
burg   1908 
Lauterbach,  Ludwig    1903 
Lehmann,  Leo     1903 
Lehranstalt  für  Zollbeamte  d.  Provinz 

Hessen-Nassau,  Kgl.     1907 
Leisewitz,  Gilbert    1903 
Leitz,  Ernst    1908 
Lejeune,  Adolf,  Dr.  med.     1900 
Lejeune,  Alfred     1903 
Lejeune,  Ernst    1905 
*Lepsius,  B.,  Prof.  Dr.  phil.,  Berlin  1883 
Leser,  E.,  Geh.  San.-Rat  Prof.  Dr.   1908 
Leser,  W.,  Oberlandesger.-Rat  Dr.  1907 
Leuchs-Mack,  Ferdinand    1905 
Leupold,  Frl.  Frieda    1911 
Levi,  Ernst,  Dr.  jur.     1912 
Levi,  Max    1910 
Levi-Reis,  Adolf    1907 
*Levy,  Max,  Prof.  Dr.  phil.     1893 


Leykauff,  Jean     1910 
*Libbertz,  A.,  Geh.  San.-Rat  Dr.    1897 
Liebmann,  Jakob,  Justizrat  Dr.   1897 
Liebmann,  Louis,  Dr.  phil.     1888 
Liebrecht,  Arthur,  Dr.  phil.    1910 
Liefmann,  Emil,  Dr.  med.     1912 
Liefmann,  Frau  Marie     1912 
Liermann,  Otto,  Dr.  phil.,  Direktor  des 

Wöhler-Realgymnasiums     1907 
Liesegang,  Raphael  Ed.     1910 
Lilienfeld,  Sidney,  Dr.  med.     1907 
Lindheimer,  L.,  Justizrat  Dr.     1905 
Lindheimer-Stiebel,  W.,  Amtsrat 

Schwalbach     1911 
Lindley,  Sir  William     1904 
Lindner,  Bernhard    1910 
Linke,  Franz,  Dr.  phil.     1909 
Lipstein,  Alfred,  Dr.  med.     1908 
Lismann,  Karl,  Dr.  phil.     1902 
Livingston,  Frau  Emma    1897 
Livingston,  Frl.  Rose    1903 
Loeser,  Rudolf,  Dr.,  Dillingen     1912 
Loew,  Siegfried    1908 
Lorentz,  Guido,  Dr.  phil..  Höchst  1907 
Lorenz,  Richard,  Prof.  Dr.  phil.     1910 
*Loretz,  H.,  Geh.  Bergrat  Dr.     1910 
*Loretz,  Wilh.,  San.-Rat  Dr.     1877 
Lossen,  Kurt,  Dr.  med.     1910 
*Lotichius,  Alfred,  Dr.  jur.    1908 
Lotichius,  August     1911 
Lotichius,  Otto     1911 
Löw-Beer,  Frau  Hedwig    1912 
Löw-Beer,  Oskar,  Dr.  phil.     1910 
Löwe,  Hermann     1908 
Löwenstein,  Simon     1907 
zu  Löwenstein  -Wertheim  -  Rosenberg, 

Prinz  Johannes,  Haid    1907 
Lucae,  Frl.  Emma    1908 
Lucius,  Frau  Maximiliane     1909 
Ludwig,  Wilhelm     1911 
Lüscher,  Karl    1905 
Lust,  Heinrich  Friedrich     1905 
Lüttke,  Hans,  Dr.  Direktor    1912 
Lutz,  Georg    1912 
Lyzeum,  Stadt.,  Höchst    1912 
Mack,  Frau  Helene    1911 
Maier,  Frau  Cecilie     1910 
Maier,  Herrn.  Heinr.,  Direktor    1900 


27 


Majer,  Alexander    1889 

Majer,  Hermann     1910 

Manskopf,  Nicolas     1903 

Mappes,  Heinrich,  Generalkonsul  1905 

Marburg,  Gustav,     1911 

Marburg,  Robert    1912 

Martin,  Ernst,  Senatspräsid.  Dr.  1912 

von  Martins,  Kurt,  Dr.  phil.     1912 

Maruin,  Arthur,  Dr.  med.     1910 

V.  d.  Marwitz,  F.  Rittmeister  a.  D.  1912 

Marx,  Alfred  V.,  Dr.  med.     1912 

Marx,  Eduard    1907 

*Marx,  Ernst,  Prof.  Dr.  med.     1900 

Marx,  Karl,  Dr.  med.     1897 

V.  Marx,  Heinrich,  Falkenhof    1908 

V.  Marx,  Frau  Mathilde    1897 

Mastbaum,  Josef,  Hofheim  i.  T.    1911 

Matthes,  Alexander    1904 

Matti,  Alex.,  Stadtrat  a.  D.  Dr.  jur.    1878 

May,  Adam     1908 

May,  Franz  L.,  Dr.  phil.     1891 

May,  Martin     1866 

May  jun.,  Martin    1908 

May,  Robert     1891 

Mayer,  Frl.  J.,  Langenschwalbach  1897 

Mayer,  Julius    1912 

Mayer,  Ludo,  Geh.  Kom.-Rat    1903 

Mayer,  Martin,  Justizrat  Dr.     1908 

V.  Mayer,  Freih.  A.,  Geh.  Kom.-Rat  1903 

V.  Mayer,  Eduard    1891 

V.  Mayer,  Freiherr  Hugo     1897 

Mayer-Dinkel,  Leonhard    1906 

Mayerfeld,  Anton     1910 

Mehs,  Claus    1912 

Meister,  Frau  Josefine    1911 

V.  Meister,   Herbert,   Dr.  phil.,   Sind- 

lingen    1900 
V.  Meister,  Wilhelm,   Reg.  -  Präsident 

Dr.  jur.,  Wiesbaden    1905 
Meixner,  Fritz     1911 
Melber,  Friedrich,  Konsul    1903 
*Melber,  Walter    1901 
Merton,  Alfred,  Direktor    1905 
Merton,  Eduard,  Rittnerthaus     1909 
♦Merton,  H.,  Dr.  phil.,  Heidelberg  1901 
Merton,  Walter,  Direktor    1906 
Merton,  Wilhelm  Dr.  phil.  h.  c.      1878 
Merzbach,  Fritz     1911 


Merzbach,  H.  Felix     1911 

Mettenheimer,  Bernh.,  Dr.  jur.      1902 

Mettenheimer,  Theodor    1911 

*v.  Mettenheimer,  H.,  Dr.  med.     1898 

Metzger,  L.,  Dr.  med.     1901 

V.  Metzler,  Hugo    1892 

Meyer,  Franz     1911 

Meyer,  Karl,  Dr.,  Höchst    1912 

Meyer,  P.,  Ober-Reg.-Rat  Dr.  jur.  1903 

Meyer,  Richard,  Dr.  jur.     1909 

*v.  Meyer,  Edward,  San.-Rat.  Dr.  1893 

V.  Meyer,  Otto,  Rechtsanwalt    1907 

V.  Meyer-Petsch,  Eduard    1906 

Michel,  Frau  Hedwig    1911 

Michel,  Karl  G.,  Bankdirektor    1912 

Minjon,  Hermann     1907 

*Möbius,  M.,  Prof.  Dr.  phil.     1894 

V.  Moellendorff,  Frau  Betty     1912 

Moessinger,  W.     1891 

Mouson,  August     1909 

Mouson,  Jacques    1891 

Müller,  Adolf,  Höchst    1907 

*Müller,  Eduard    1909 

Müller,  H.,  Bankdirektor    1910 

*Müller,  Karl,  Berginspektor    1903 

Müller,  L.,  Oberlehrer    1911 

Müller,  Max,  Fabrikdirektor    1909 

Müller,  0.  Viktor,  Dr.  med.     1907 

Müller,  Paul    1878 

Müller-Beek,  George,  Gen.-Kons.   1912 

Müller-May,  Georg    1911 

Müller  Sohn,  A.     1891 

Mumm  V.  Schwarzenstein,  A.     1869 

Mumm  V.  Schwarzenstein,  Fr.     1905 

Nassauer,  Max,  Dr.  phil.     1905 

Nassauer,  Frau  Paula    1909 

Nassauer,  Siegfried     1910 

Nathan,  S.     1891 

♦Naumann,  Edmund,  Dr.  phil.     1900 

Nebel,  August,  San.-Rat  Dr.     1896 

Nebel,  Karl,  Prof.     1910 

Neher,  Ludwig,  Baurat     1900 

Neisser,  Frau  Emma    1901 

*Neisser,  Max,  Prof.  Dr.  med.     1900 

Nestle,  Hermann    1900 

Netzel,  H.  L.     1910 

Neuberger,  Julius,  Dr.  med.     1903 

Neubronner,  J.,  Dr.  phil.,  Cronberg  1907 


28 


Neubürger,  Otto,  Dr.  med.     1891 
Neubürger,  Th.,  Geh.  San.-Rat  Dr.  1860 
de  Neufville,  Eduard    1900 
*de  Neufville,  Robert,  Kom.-Rat    1891 
de  Neufville,  Rud.,  Dr.  phil.     1900 
V.  Neufville,  Adolf    1896 
V.  Neufville,  G.  Adolf    1896 
V.  Neufville,  Karl,  Gen.-Konsul  Kom.- 
Rat     1900 
V.  Neufville,  Kurt    1905 
Neumann,  Paul,  Justizrat  Dr.     1905 
Neumann,  Th.,  Prof.  Dr.  phil.     1906 
Neustadt,  Adolf    1903 
Niederhofheim,  Heinr.  A.,  Direktor  1891 
Nies,  L.  W.     1904 
Noll,  Johannes    1910 
V.  Obernberg,  Ad.,   Dr.  jur.  Stadtrat 

a.  D.    1870 
Obernzenner,  Julius    1905 
Ochs,  Richard,  Direktor    1905 
Odendall,  L.,  Dr.  phil.     1912 
Oehler,  Rudolf,  San.-Rat  Dr.     1900 
Oehler,  Frau  Viktoria    1910 
Oehmichen,  Hans,  Dipl.  Berging.    1906 
Oelsner,  Hermann,  Justizrat  Dr.  1906 
Ohl,  Philipp    1906 

Oppenheim,  Eduard,  Bankdirekt.  1905 
Oppenheim,  Gustav,  Dr.  med.     1910 
Oppenheim,  Moritz     1887 
Oppenheim,  Paul,  Dr.  phil.     1907 
Oppenheimer,  Benny     1903 
Oppenheimer,  Joe,  Justizrat  Dr.  1905 
Oppenheimer,  Frau  Leontine,  Offen- 
bach   1909 
Oppenheimer,  Max,  Dr.  phil.     1911 
Oppenheimer,  Maximilian     1912 
Oppenheimer,  0.,  Dr.  med.    1892 
Oppenheimer,  Oskar  F.     1905 
Oppenheimer,  S.,  Dr.  med.     1910 
Oppermann,  E.,  Dr.  phil.,  Höchst  1907 
d'Orville,  Eduard    1905 
Osann,  Fritz,  Oberstabsarzt  Dr.  1909 
Osmers,  Karl     1910 
Osterrieth-du  Fay,  Robert    1897 
Ostreich,  Frau  Anna,  Utrecht    1901 
Oswalt,  Frau  Marie    1910 
Oswalt,  H.,  Justizrat  Dr.     1873 
Pabst,  Gotthard    1904 


Pachten,  Ferd.,  Justizrat    Dr.     1900 

Paehler,  Franz,  Dr.  phil.    1906 

V.  Panhuys,  Henry,  Generalkonsul  1907 

Panzer,  Friedrich,  Prof.  Dr.     1912 

Parrisius,  Alfred,  Dr.  phil.     1904 

Passavant,  Philipp    1905 

Passavant,  Rudy    1905 

V.  Passavant,  G.  Herrn.,  Konsul     1903 

V.  Passavant-Gontard,  R.,  Geh.  Kom- 

nierzienrat    1891 
Peipers,  August    1905 
Peters,  G.,  Dr.,  Höchst    1912 
Peters,  Hans    1904 
Petersen,  Ernst,  San.-Rat  Dr.     1903 
*Petersen,  Th.,  Prof.  Dr.  phil.    1873 
Petsch-Manskopf,  Eduard    1912 
Pfaff,  Frl.  Agnes     1912 
Pfaff,  Frau  Maria    1906 
Pfeffel,  August    1869 
Pfeiffer,  Franz     1912 
Pfeiffer,  Richard,  Dr.  med.    1912 
Pfeiffer-Belli,  O.W.    1903 
Philantropin,  Realschule  und  höhere 

Mädchenschule    1912 
Phihppi,  Frl.  Helene    1912 
Philippsohn,  Frl.  Paula,  Dr.  med.  1907 
Picard,  Lucien    1905 
Pilz,  Ernst    1911 

Pinner,  Oskar,  San.-Rat  Dr.    1903 
Plieninger,  Th.,  Gen.-Direktor    1897 
Pöble,  L.,  Prof.  Dr.  phil.     1903 
Ponfick,  Wilhelm,  Dr.  med.    1905 
Popp,  Georg,  Dr.  phil.    1891 
Poppelbaum,  Hartwig    1905 
Posen,  Eduard,  Dr.  phil.    1905 
Posen,  Sidney     1898 
*Priemel,  Kurt,  Dr.,  Direktor  des  Zoo- 
logischen Gartens    1907 
*Prior,  Paul,  Dipl.-Ing.     1902 
Pust,  H.,   Oberstabsarzt   Dr.,    Offen- 
bach   1908 
Quendel,  Chr.,  Rechnungsrat    1911 
*Quincke,  H.,  Geh.  Med.-Rat  Prof.  1908 
Quincke,  H,,  Senatspräsident    1903 
Raab,  Frau  Luise    1912 
Raecke,  Frau  Emmy     1907 
Ransohoff,  Moritz,  San.-Rat  Dr.    1907 
Rasor,  August    1910 


—    29    — 


Rath,  Julius,  Dr.,  Offenbach    1911 
Ratjen,  Gustaf,  Dr.  jur.,  Bankdir.    1912 
Ratzel,  August,  Prof.     1912 
Rau,  Henri,  Konsul,  Mexiko     1910 
Rauch,  Fritz,  Dr.  med.     1910 
Ravenstein,  Simon    1873 
Rawitscher,  L.,  Geh.  Justizrat  Dr.  1904 
Reh,  Robert    1902 

Rehn,  L.,  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  1893 
Reichard,  A.,  Dr.  phil.,  Hamburg    1901 
Reichard-d'Orville,  Georg    1905 
*Reichenbach,  H.,  Prof.  Dr.  phil.    1872 
Reichenbach,  Josef    1912 
Reichenberger,  Frau  Else     1912 
Reidenbach,  Friedr.  Wilh.     1908 
Reil,  August,  Lehrer    1911 
Reil,  Hermann,  Dr.  med.  vet.     1911 
Rein,  Frl.  Ella    1908 
V.  Reinach,  Frau  Antonie    1905 
Reinartz,  Karl,  Dipl.-Ing.     1908 
Reinemann,  Paul     1910 
Reinert,  Frau  Martha    1909 
Reis,  Ernst    1910 
Reishaus,  Frl.  H.,  Hamburg    1910 
Reiß,  A.,  Dr.  jur.     1906 
Reiß,  Ed.,  Dr.  med.,  Tübingen    1903 
Reiß,  Emil,  Dr.  med.     1907 
Reiß,  Frl.  Sophie     1907 
Remy,  Arnold    1911 
Rennau,  Otto     1901 
Reutlinger,  Jakob     1891 
Rhein.  Naturf.  Gesellschaft,  Mainz  1912 
Richter,  Ernst,  Oberapotheker  Dr.  1910 
Richter,  Felix,  Bergwerksdir.  a.  D.  1912 
Richter,  Johannes    1898 
♦Richter,  Rudolf,  Dr.  phil.     1908 
♦Richters,  F.,  Prof.  Dr.  phil.     1877 
Rickmann,  W.,  Dr.,  Höchst  a.  M.    1912 
Riese,  Frau  Karl     1897 
Riese,  Otto,  Geh.  Rat  Dr.     1900 
Risser,  Eduard    1891 
Rieß  V.  Scheurnschloß,  Karl,  Polizei- 
präsident   1912 
Rintelen,  F.,  Dr.phil.,Swakopraund  1904 
Ritsert,  Eduard,  Dr.  phil.     1897 
Ritter,  Hermann,  Baurat    1903 
Ritter,  Wilhelm     1910 
Roediger,  Frl.  Anna    1908 


*Roediger,  Ernst,  San.-Rat  Dr.     1888 

Roediger,  Konrad,  Dr.  jur.     1910 

Roediger,  Paul,  Justizrat  Dr.     1891 

Roger,  Karl,  Bankdirektor     1897 

Rolfes,  Werner    1908 

Rollmann,  Ludwig    1906 

Römer,  Frau  Marg.,  Buchschlag  1912 

Ronnefeld,  Adolf    1905 

Ronnefeld,  Friedi-ich    1905 

Roos,  Heinrich    1899 

Roos,  Israel,  Dr.  phil.     1905 

Roques,  Adolf.,  Dr.  phil.     1900 

Roques-Mettenheimer,  E.,  Konsul  1897 

Rose,  Christian    1905 

Rose,  Ludwig,  Dr.  phil.     1910 

Rösel,  R.,  Fabrikdirektor  Dr.  phil.   1910 

Rosenbaum,  E.,  San.-Rat  Dr.     1891 

Rosenbaum,  Emil,  Dr.  med.     1910 

Rosenbaum-Canne,  Frau  Marie    1912 

Rosenbusch,  Eduard    1907 

Rosengart,  Job.,  San.-Rat  Dr.     1899 

Rosenhaupt,  Heinrich,  Dr.  med.    1907 

Rosenthal,  Max    1910 

Rosenthal,  Paul    1910 

Rosenthal,  R.,  Justizrat  Dr.     1897 

Rößler,  Frl.  Charlotte     1907 

Rößler,  Friedrich,  Dr.  phil.     1900 

Rößler,  Heinrich,  Prof.  Dr.  phil.    1884 

Rößler,  Hektor    1878 

Rößler,  Hektor,  Dr.  jur.     1910 

Roth,  G.  G.,  Dr.  med.,  Hanau    1912 

Roth,  Karl,  Medizinalrat  Dr.     1903 

Rother,  August    1903 

Röthig,  Paul,  Dr.,  Charlottenburg  1908 

Rothschild,  D.,  Dr.  med.,  Soden    1904 

Rothschild,  Otto,  Dr.  med.     1904 

V.  Rothschild,  Freifrau  Mathilde   1912 

Rover,  August    1909 

Rühle,  Karl    1908 

Ruland,  Karl,  Offenbach     1908 

Rullmann,  Theodor    1912 

Rumpf,  Gustav  Andreas,  Dr.  phil.   1905 

Ruppel,  Sigwart,  Prof.     1908 

Ruppel,  W.,  Prof.  Dr.,  Höchst    1903 

Sabarly,  Albert    1897 

Sachs,  Hans,  Prof.  Dr.  med.     1903 

Sachs-Hellmann,  Moritz     1909 

*Sack,  Pius,  Prof.  Dr.  phil.     1901 


30 


Salomon,  Bernh.,  Prof.  Generaldir.  1900 
Salvendi,  Frau  Leni     1911 
von  Sande,  Karl,  Oberursel    1910 
Sandhagen,  Frau  Marie     1911 
Sarg,  Francis  C.  A.,  Konsul    1906 
Sasse,  Franz,  Dr.  med.     1910 
*Sattler,  Wilh.,  Stadtbauinsp.     1892 
Sauerländer,  Robert     1904 
Schaefer,  P.,  Dr.  med.     1910 
*Schäffer-Stuckert,    Fritz,    Dr.    dent. 

surg.     1892 
Schaffnit,  K.,  Dr.  phil.     1903 
Scharff,  Charles  A.     1897 
Scharff,  Friedrich    1912 
Scharff,  Julius,  Bankdirektor    1900 
*Schauf,  Wilh.,  Prof.  Dr.  phil.     1881 
Schaumann,  Gustav,  Stadtrat    1904 
Scheffen,  Hermann,  Dr.  med.     1910 
Scheib,  Adam    1905 
Schellens,  Walter,  Dr.     1912 
Scheller,  Karl    1897 
Schenck,  Rudolf,  Dr.  phil.    1910 
Schepeler,  Hermann     1891 
Schepeler,  Remi    1909 
Scherenberg,F.,  Rg.-Präs.,Koblenz  1905 
Scherlenzky,  Karl  August    1905 
Schernitz,  H.     1912 
Schey  von  Koromla,  Frhr.  Philipp  1910 
Schiechel,  Max,  Dipl.-Ing.     1909 
Schiefer,  Karl     1912 
Schiele,  Frau  Auguste    1910 
Schiele,  Ludwig,  Direktor    1910 
Schiermann-Steinbrenk,  Fritz     1903 
Schiff,  Ludwig    1905 
Schiff,  Philipp    1910 
Schild,  Eduard    1904 
Schladebach,  Arthur    1911 
Schleich,  Wilhelm     1908 
Schlesinger,  Hugo     1910 
Schlesinger,  Simon  F.     1912 
Schlesinger,  Theodor  Heinrich    1907 
Schleußner,  Friedr.,  Direktor    1900 
Schleußner,  Karl,  Dr.  phil.     1898 
Schlieper,  Gustav,  Direktor    1910 
Schloßmacher  jun.,  Karl     1906 
Schlund,  Georg  1891 
Schmick,    Rudolf,     Geh.  Oberbaurat, 

München  1900 


Schmidt,  Albrecht,  Direktor    1912 
Schmidt,  Frau  Anna    1904 
Schmidt,  J.  J.,  San.-Rat  Dr.     1907 
Schmidt,  W.,  Dr.,  Fechenheim      1911 
Schmidt-Benecke,  Eduard    1908 
Schmidt-Diehler,  W.     1908 
Schmidt-Günther,  G.  H.  Konsul    1910 
Schmidt-de  Neufville,  Willy,  Dr.    1907 
Schmidt-Polex,  Anton    1897 
*Schmidt-Polex,  Fritz,  Dr.  jur.     1884 
Schmidt-Polex,  K.,  Justizrat  Dr.  1897 
Schmidtgen,  Otto,  Dr.,  Mainz     1912 
Schmiedicke,  Otto,  Gen.-Arzt  Dr.  1906 
Schmitt,  H.,  Dr.  med.,  Arheiligen    1904 
Schmitt,  Wilhelm     1910 
Schmitz,  Ernst,  Dr.  med.    1908 
Schmölder,  P.  A.     1873 
*Schnaudigel,  Otto,  Dr.  med.     1900 
Schneider,  Alexander    1912 
Schneider,  Gustav  M.     1906 
Schöller,  Frau  W.,  Düren     1912 
Scholderer,  Frau  A.,  Schönberg    1910 
Scholl,  Franz,  Dr.  phil.,  Höchst    1908 
Scholz,  Bernhard,  Dr.  med.     1904 
Schöndube,  Hermann     1912 
Schott,  Alfred,  Direktor    1897 
Schott,  Frau  Elisabeth    1912 
Schott^  Theod.,  Prof.  Dr.  med.     1903 
Schrauth,  Heinrich    1908 
Schreiber,  Chr.,  Telegraphendir.  1912 
Schrey,  Max    1905 
Schuenemann,  Theodor    1908 
Schüler,  Max    1908 
Schultze,  Herm.,  Dr.,  Griesheim    1912 
Schulze-Hein,  Hans    1891 
Schulzweida,  Richard    1910 
Schumacher,  Peter,  Dr.  phil.    1905 
Schürenberg,  Gustav,  Dr.  med.     1910 
Schuster,  Bernhard    1891 
Schuster,  Paul,  Dr.  med.    1908 
Schuster,W.,  Dr.,  Schloß  Neubronn  1910 
Schuster-Rabl,  F.  W.    1905 
Schwarte,  Karl,  Fabrikant    1909 
Schwartze,  Erich,  Dr.  phil.    1907 
Schwarz,  Arthur    1909 
Schwarz,  Ernst,  Dr.  phil.     1908 
Schwarz,  Frau  Ernestine    1907 
Schwarz,  Georg  Ph.  A.     1878 


—     31 


Schwarz,  Georg,  Direktor    1910 
Schwarzlose,  E.,  Pfarrer  Dr.    1912 
Schwarzschild,  Alfred    1910 
Schwarzschild,  Martin    1866 
Schwarzschild-Ochs,  David    1891 
Schweikart,  Alex,  Dr.  phil.    1911 
Schwenkenbecher,  A.,  Prof.  Dr.  med. 

1910 
Schwinn,  G.,  Marseille     1910 
Scriba,  Eugen,  San.-Rat  Dr.     1897 
Scriba,  L.,  Höchst    1890 
Seckel,  Heinrich    1910 
Seckel,  Hugo,  Dr.  jur.     1909 
Seeger,  G.    1893 
Seeger,  Willy    1904 
Seidler,  August,  Hanau    1906 
*Seitz,  A.,  Prof.  Dr.,  Darmstadt    1893 
Seitz,  Heinrich    1905 
Seligmann,  M.,  Amtsg.-Rat  Dr.    1905 
Seligmann,  Rudolf    1908 
Sendler,  Alexander,  Dr.  phil.     1909 
Seuffert,  Theod.,  San.-Rat  Dr.      1900 
Sexauer,  Otto    1910 
Sichel,  Ignaz     1905 
*Siebert,  A.,  Landesökonomierat   1897 
Siebert,  Arthur,  Kom.-Rat    1900 
Siebrecht,  Hch.,  Bankdirektor    1910 
Siegel,  Ernst,  Dr.  med.     1900 
Siesmayer,  Ph.,  Gartenbaudirektor  1897 
Simon,  Emil     1910 
Simon,  Friedr.,  Prof.  Dr.  phil.    1908 
Simon-Wolfskehl,  Frau  A.     1910 
Simonis,  Eduard,  Konsul    1907 
Simons,  Walter,  Major    1907 
Simrock,  Karl,  Dr.  med.     1907 
Singer,  Fritz,  Dr.  phil.,  Offenbach   1908 
Sinning,  Heinrich    1912 
Sioli,  Emil,  Prof.  Dr.  med.     1893 
Sippel,  Albert,  Prof.  Dr.  med.     1896 
Sittig,  Edmund,  Prof.     1900 
Solm,  Richard,  Dr.  med.     1903 
Sommer,  Julius,  Direktor    1906 
Sommerlad,  Friedrich    1904 
*Sondheim,  Frau  Maria    1907 
Sondheim,  Moritz     1897 
Sondheimer,  Frau  Emma    1910 
Sondheimer,  Joseph    1910 
Sondheimer,  Rieh.  N.    1912 


Sonnemann,  Wilhelm  1910 
Sonntag,  Frau  Emilie  1911 
Spahn,  P.,  Wirkl.  Geh.  Ober-Justizrat 

Dr.    1912 
Spieß,  Gustav,  Geh.  San.-Rat  Prof.  1897 
Spieß,  Frau  Klothilde    1910 
Spieß,  Otto    1912 
Stahl,  Robert    1912 
Stavenhagen,  Julius    1909 
V.  Steiger,  Baron  Louis    1905 
V.  Steiger,  Frau  Baronin    1912 
V.  Stein,  Frau  Baronin  Karoline, 

Pröbstin    1909 
Stendell,  W.,  Dr.    1912 
Stern,  Adolf    1906 
Stern,  Frau  Johanna    1901 
Stern,  Mayer    1905 
*Stern,  Paul,  Dr.  jur.     1905 
Stern,  Richard,  Dr.  med.    1893 
Stern,  Frau  Toni    1911 
Stern,  Willy    1901 
Sternberg,  Paul    1905 
Stettheimer,  Eugen     1906 
Stiebel,  Gustav,  Dr.  med.     1912 
Stiebel,  Karl  Friedrich     1903 
v.  Stiebel,  Frau  Hermine    1903 
Stock,  Wilhelm    1882 
zur  Strassen,  Frau  Cecilie     1910 
*zur  Strassen,  O.  L.,  Prof.  Dr.     1910 
Straus,  F.,  Dr.  med.     1904 
Strauß,  Eduard,  Dr.  phil.     1906 
Strauß,  Ernst    1898 
Strauß,  J.,  Tierarzt,  Offenbach     1908 
Strauß,  Jul.  Jakob     1910 
Strauß-Ellinger,  Frau  Emma    1908 
Strauß-Hochschild,  M.     1910 
Stroof,  Ignaz,  Dr.  ing.  h.  c.     1903 
Strupp,  Louis,  Geh.  Kom.-Rat    1908 
Sturm,  Otto     1907 
Süsser,  Simon     1912 
Sulzbach,  Emil    1878 
Sulzbach,  Karl,  Dr.  jur.     1891 
Szamatölski,  Dagobert,  Hofrat    1905 
Tausent,  Karl     1910 
Tecklenburg,  Wilhelm,  Assessor   1907 
*Teichmann,  Ernst,  Dr.  phil,    1903 
„Tellus",  Aktiengesellschaft  für  Berg- 
bau und  Hüttenindustrie     1907 


32 


Textor,  Karl,  W.     1908 
Thalmessinger,  H.,  Dr.  jur.     1910 
Thebesius,  L.,  Gen.-Konsul  Just.-Rat 

Dr.     1900 
Theis,  C.  Fr.,  Dr.,  Höchst     1910 
Theiß,  Wilhelm,  Reg.-Baumstr.     1907 
Theobald,  Jakob     1910 
Thilenius,    Otto,    Geh.  San.-Rat   Dr., 

Soden  i.  T.     1907 
Thoma,  Phil.     1893 
Thoms,  Heinrich,  Dr.  phil.,  Kreistier- 
arzt    1904 
von  Trenkwald,  Frau  M.     1910 
Treupel,  Gustav,  Prof.  Dr.  med.    1903 
Trier,  Bernhard    1909 
Trier,  Frau  Herta    1908 
Trier,  Franz     1911 
Trier,  Julius    1908 
Tröller,  Wilhelm,  Dipl.-Ing.     1912 
Trommsdorf,  Wilhelm    1912 
Turk,  Frl.  Herta    1909 
Turk,  Erich,  London    1911 
Ueberfeld,  Jac.  Jvon     1912 
Ullmann,  Karl,  Dr.  phil.     1906 
Uth,  Franz,  Justizrat  Dr.,  Hanau  1907 
Varrentrapp,  A.,  Geh.  Reg.-Rat  Dr.  1900 
Velde,  August,  Prof.  Dr.     1908 
Velde,  Frl.  Julie,  Oberlehrerin    1902 
V.  d.  Velden,  Wllh.,  Hankdirektor  1901 
Veiten,  Rudolf    1912 
Versluys,  J.,  Prof.  Dr.,  Gießen      1910 
Vogelsang,  Ernst,  Dipl.-Ing.    1911 
Vogler,  Karl,  Prof.  Dr.  phil.     1903 
Vogler,  K.  Frau     1912 
*Vohsen,  Karl,  San.-Rat  Dr.     1886 
Voigt,  Alfred,  Direktor     1911 
Voigt,  W.,  Prof.  Dr.  phil.,  Bonn    1908 
Vorster,  Karl    1907 
Vossen,  Fritz     1909 
Voß,  Otto,  Prof.  Dr.  med.     1907 
Wachsmuth,  R.,  Prof.  Dr.  phil.     1907 
Wagener,  Alex,  H.-Homburgv.d.H.  1904 
Wagner,  August    1911 
Wagner,  Gottfried    1905 
Wagner,  Richard,  Landgerichtsrat  1912 
*Wahl,  Gustav,  Dr.  phil.     1907 
Walcker,  Frl.  Elisabeth    1912 
Waldeck,  Siegfried    1911 


Walthard,  Max,  Prof.  Dr.  med.     1908 
V.  Wartensleben,  Frau  Gräfin  Gabriele, 

Dr.  phil.     1902 
Wassermann,  Ernst,  Dr.  phil.     1910 
Wasserzug,  Detmar,  Dr.     1910 
Weber,  Bernhard    1911 
Weber,  Eduard,  Direktor    1907 
Weber,  Heinrich,  Dr.  med.     1897 
Weber,  0.  H.,  Dr.,  Griesheim    1910 
Weber,  Frau  Thea    1910 
Weidmann,  Hans,  Direktor    1905 
Weill,  David    1910 
Weill,  J.  C.     1910 
Weiller,  Emil    1906 
Weiller,  Lionel    1905 
*v.  Weinberg,  Arthur,  Dr.  phil.     1897 
v.  Weinberg,  Karl,  Gen.-Konsul   1897 
Weinrich,  Philipp     1908 
Weinschenk,  Alfred    1903 
Weinsperger,  Friedrich    1906 
Weintraud,  W.,  Prof.  Dr.  med.,  Wies- 
baden   1909 
*Weis,  Albrecht    1882 
Weis,  Julius,  Montigny     1897 
Weisbrod,  Aug.,  Druckerei    1891 
Weismann,  Daniel    1902 
Weismantel,  O.,  Prof.  Dr.  phil.      1892 
Weller,  Albert,  Dr.  phil.  Direktor  1891 
Wendt,  Bruno,  Dr.jur.,  Buchschlag  1909 
Wendt,  Karl     1912 
Wense,  Wilhelm,  Dr.,  Griesheim  1911 
Wernecke,  Paul,  Baurat    1908 
Werner,  Felix     1902 
Wertheim,  Julius     1909 
Wertheim,  Karl,  Justizrat    1904 
Wertheim,  Max    1907 
Wertheimber,  Eugen,  Dr.  jur.     1910 
Wertheimber,  Julius     1891 
Wertheimber-de  Bary,  Ernst     1897 
Wertheimer,  Otto,  Dr.  phil.     1905 
Wetzlar-Fries,  Emil    1903 
Wiederhold,  K.,  Dr.,  Mainkur    1904 
Wiegert,  W.,  Dr.  med.  vet.     1910 
*v.  Wild,  Rudolf,  San.-Rat  Dr.     1896 
Wilhehni,  Adolf    1905 
Wilhelmi-Winkel,  Gustav    1907 
Willemer,  Karl,  Dr.  med.     1905 
Winheim,  Wilhelm    1911 


33 


Winkler,  Hermann,  Direktor    1909 
*Winter,  F.  W.,  Dr.  phil.  h.  c.     1900 
Winter,  Frau  Gertrud    1908 
Winterhalter,   Frl.  E.,   Dr.  med.,  Hof- 
heim    1903 
Winterwerb,  Rud.,  Justizrat  Dr.    1900 
Wirth,  Richard,  Dr.  phil.    1905 
Witebsky,  Michael,  Dr.  med.     1907 
Wohlfahrt,  Ernst,  San.-Rat     1912 
Wolf,  Eugen,  Dr.,  Süssen    1911 
Wolff,  Ludwig,  San.-Rat  Dr.     1904 
Wolff,  K.,  San.-Rat  Dr.,  Griesheim  1910 
Wolfskehl,   Ed.,    Regier.-Baumeister, 

Darmstadt    1907 
Wollstätter  jun.,  Karl  1907 


Wolpe,  S.,  Zahnarzt,  Offenbach   1910 
Worgitzky,  Georg,  Prof.  Dr.     1912 
Wormser,  S.  H.,  Bankdirektor    1905 
Wronker,  Hermann     1905 
Wüst,  Georg    1908 
Wüst,  Hermann     1908 
Zeh,  Alexander    1912 
Zeiß-Bender,  Louis,  Konsul    1907 
Zeltmann,  Theodor    1899 
Zerban,  Eugen     1908 
Ziegler,  Karl    1905 
Ziemßen,  Franz,  Major     1912 
Zimmer,  J.  Wilh.,  Stadtrat    1907 
Zinn,  Charles,  Dr.  med.     1910 
Zisemann,  Frau  Mathilde     1912 


III.  Außerordentliche  Ehrenmitglieder. 

Adickes,  Franz,  Dr.  med.  et  jur.  h.  c,  Oberbürgermeister  a.  D.     1907 

Ebrard,  Friedrich,  Geh.  Konsistorialrat  Prof.  Dr.     1911 

V.  Erlanger,  Freifrau  Karoline,  Nieder-Ingelheim     1907 

*Hagen,  Bernhard,  Hofrat  Dr.  phil.  h.  c.  et  med.     1911 

*v.  Harnier,  Adolf,  Geh.  Justizrat  Dr.     1911 

*v.  Heyden,  Lukas,  Prof.  D.  phil.  h.  c.  jub.,  Major  a.  D. 

*Kobelt,  Wilhelm,  Prof.  Dr.  med.,  Schwanheim     1912 

*v.  Metzler,  Albert,  Stadtrat  a.  D.     1907 

*Rehn,  Heinrich,  Geh.  San.-Rat  Dr.     1911 

Reiss,  L.  H.     1908 

Schiff,  Jakob  H.,  New  York    1907 

Ziehen,  Julius,  Stadtrat  Dr.  phil.     1908 


1910 


IV.  Korrespondierende  Ehrenmitglieder. 

Adolf  Friedrich  Herzog  zu  Mecklenburg,  Kais.  Gouverneur,  Togo  1912 
Chun,  Carl,  Geheimer  Rat  Prof.  Dr.,  Leipzig    1912 
Rein,  J.  J.,  Geh.  Regierungsrat  Prof.  Dr.,  Bonn     1866 


V.  Korrespondierende  Mitglieder. 

Ahlborn,  Fr.,  Prof.  Dr.,  Hamburg    1909 

Albert  I.,  Prince  de  Monaco,  Altesse  Serenissime,  Monaco     1904 

Bail,  Karl  Adolf  Emmo  Theodor,  Prof.  Dr.,  Danzig    1892 

Barrels,  Charles,  Prof.  Dr.,  Lille     1907 

Beccari,  Eduard,  Prof.  Dr.,  Florenz     1892 

Becker,  George,  Direktor,  Valencia    1900 

V,  Bedriaga,  Jacques,  Dr.,  Florenz     1886 

Anmerkung.  Es  wird  höflichst  gebeten,  Veränderungen  des  Wohn- 
ortes, oder  des  Titels  u.  dgl.  dem  Bureau  der  Senckenbergischen  Naturfor- 
schenden Gesellschaft,  Viktoria-Allee  7,  mitzuteilen. 


—     34     — 

V.  Behring,  Emil,  Exz.,  Wirkl.  Geh.  Rat,  Prof.  Dr.,  Marburg    1895 

V.  Berlepsch,  Graf  Hans,  Erbkämmerer,  Schloß  Berlepsch    1890 

Beyschlag,  Fr.,  Geh.  Bergrat  Prof.  Dr.,  Geol.  Landesanstalt,  Berlin    1902 

Bolau,  Heinrich,  Dr.,  Hamburg     1895 

Boulenger,  G.  A.,  F.  R.  S.,  Brit.  Museum  (N.  H.),  Dep.  of  Zool.,  London     1883 

Boveri,  Theodor,  Prof.  Dr.,  Zoolog.  Institut,  Würzburg    1902 

Brauer,  August,  Prof.  Dr.,  Zool.  Museum,  Berlin    1904 

Breuer,  H.,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.,  Wiesbaden    1887 

Brigham,  W.  T.,  Bernice  Pauhi  Bishop  Museum,  Honolulu     1910 

Buchner,  E.,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.,  Chem.  Institut,  Würzburg    1907 

Bucking,  H.,  Prof.  Dr.,  Geol.  Landesanstalt,  Straßburg    1896 

Bumpus,  H.  C.,  Prof.  Dr.,  American  Museum  of  Nat.  History,  New  York    1907 

Bütschli,  O.,  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.,  Zool.  Institut,  Heidelberg    1875 

du  Buyson,  Robert,  Comte,  Paris     1904 

Conwentz,  H.,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.,  Staatl.  Stelle  für  Naturdenkmalpflege 

Beriin     1892 
Credner,  H.,  Geh.  Bergrat  Prof.  Dr.,  Geol.  Landesanstalt,  Leipzig    1902 
Darwin,  Francis,  M.  A.,  M.  B.,  L.  L.  D.,  D.  Sc,  Hon.  Ph.  D.,  Cambridge     1909 
Darwin,  Sir  Georg  Howard,  K.  C.  B.,  Prof.,  Cambridge     1909 
Dewitz,  J.,  Dr.,  Stat.  f.  Schädlingsforschungen,  Devant-les-Ponts    1906 
Döderlein,  L.,  Prof.  Dr.,  Zool.  Institut,  Straßburg    1911 
Douglas,  James,  Copper  Queen  Company  „Arizona",  New  York    1894 
Dreyer,  Ludwig,  Dr.,  Wiesbaden    1894 

Dyckerhoff,  Rudolf,  Prof.  Dr.  ing.  h.  c,  Biebrich  a.  Rh.     1894 
Ehlers,  E.,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.,  Zool.  Institut,  Göttingen     1905 
Engelhardt,  Hermann,  Hofrat  Prof.,  Dresden     1891 
Engler,  H.  G.  A.,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.,  Bot.  Institut,  Beriin     1892 
Eulefeld,  A.,  Forstrat,  Lauterbach    1910 

Fischer,  Emil,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.,  Chem.  Institut,  Beriin     1891 
Fischer,  Emil,  Dr.,  Zürich    1899 
Fleischmann,  Karl,  Konsul,  Guatemala    1892 
Forel,  August,  Prof.  Dr.  med.,  phil.  et  jur.  h.  c,  Yvorne    1898 
Fresenius,  Heinrich,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.,  Wiesbaden    1900 
Fries,  Theodor  Prof.  Dr.,  Upsala    1873 
Friese,  Heinrich,  Dr.,  Schwerin    1901 

Fritsch,  A.  J.,  Prof.  Dr.,  Museum  des  Königreichs  Böhmen,  Prag    1890 
Fürbringer,  M.,  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.,  Anat.  Institut,  Heidelberg    1903 
Gaskell,  Walter  Holbrook,  M.  D.,  Physiol.  Institut,  Cambridge    1911 
Gasser,  E.,  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.,  Anat.  Institut,  Marburg    1874 
Geisenheyner,  Ludwig,  Dr.,  Kreuznach    1911 
Geyer,  D.,  Mittelschullehrer,  Stuttgart  1910 
V.  Graff,  L.,  Hofrat  Prof.  Dr.,  Zool.  Institut,  Graz     1901 
Greim,  Georg,  Prof.  Dr.,  Darmstadt    1896 

V.  Groth,  P.,  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.,  Mineral.  Institut,    München     1907 
Günther,  Albert,  M.  A.,  M.  D.,  Ph.  D.,  L.  L.  D.,  London    1873 
V.  Gwinner,  Arthur,  Direktor  der  Deutschen  Bank,  Berlin     1909 
Haacke,  Wilh.,  Dr.,  Lingen  am  Emskanal    1890 
Haberlandt,  Gottlieb,  Prof.  Dr.,  Bot.  Institut,  Berlin    1905 


—    35    — 

Habermehl,  H.,  Prof.,  Worms     1911 

Hcaeckel,  Ernst,  Exz.  Wirkl.  Geh.-Rat  Prof.  Dr.,  Jena    1892 

Hagenbeck,  Karl,  Kom.-Rat,  Stellingen  bei  Hamburg    1905 

Hartert,  Ernst,  J.  0.,  Ph.  D.,  Zool.  Museum,  Tring  Herts     1891 

Hauthal,  Rudolf,  Prof.  Dr.,  Römer-Museum,  Hildesheim     1905 

Heller,  Karl  Maria,  Prof.  Dr.,  Zool.  Museum,  Dresden  1910 

Hertwig,  0.,  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.,  Anat.-biol.  Institut.  Berlin     1907 

Hertwig,  R.,  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.,  Zool.  Institut,  München     1907 

Hesse,  Paul,  Venedig    1887 

Hornstein,  F.,  Prof.  Dr.,  Kassel     1868 

V.  Ihering,  H.,  Prof.  Dr.,  Museu  Paulista,  Sao  Paulo     1898 

Jickeli,  Karl  Fr.,  Dr.,  Hermannstadt     1880 

Jung,  Karl,  Frankfurt  a.  M.     1883 

Kaiser,  Heinrich,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.,  Hannover    1897 

Kammerer,  Paul,  Dr.,  Wien     1909 

Kayser,  E.  F.,  Geh.-Rat  Prof.  Dr.,  Geol.-pal.  Institut,  Marburg    1902 

V.  Kimakoviez,  Moritz,  Hermannstadt    1888 

Klemm,  Gustav^,  Prof.  Dr.,  Landesgeolog,  Darmstadt    1908 

Klunzinger,  Karl  B.,  Prof.  Dr.,  Stuttgart     1903 

Knoblauch,  Ferdinand,  Sidney     1884 

V.  Koenen,  A.,  Geh.  Bergrat  Prof.  Dr.,  Geol.-pal.  Institut,  Göttingen     1884 

König,  Alexander  F.,  Prof.  Dr.,  Bonn    1898 

Körner,  Otto,  Prof.  Dr.,  Ohrenklinik  Rostock    1886 

Kossei,  A.,  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.,  Physiol.  Institut,  Heidelberg    1899 

Kraepelin,  K.  M.  F.,  Prof.  Dr.,  Naturhist.  Museum,  Hamburg    1895 

Kükenthal,  Willy,  Prof.  Dr.,  Zool.  Institut,  Breslau     1895 

Lampert,  K.,  O.-Studienrat  Prof.  Dr.,  Nat.-Kabinett,  Stuttgart    1901 

Langley,  John  Newport,  Prof.,  Cambridge    1905 

Lankester,  Sir  Edwin  Ray,  M.  A.,  D.  Sc,  L.  L.  D.,  Prof.,  London     1907 

Lenz,  Heinrich  W.  C,  Prof.  Dr.,  Naturhist.  Museum,  Lübeck    1899 

Lepsius,  R.,  Geh.  0. -Bergrat  Prof.  Dr.,  Geol.  Landesanstalt,  Darmstadt     1896 

Le  Souef,  Dudley,  Zool.  Garten,  Melbourne    1899 

Liermann,  Wilh.,  Prof.  Dr.,  Kreiskrankenhaus,  Dessau    1893 

V.  Linstow,  Otto,  Geh.  Rat  Dr.,  Gen. -Oberarzt  a.  D.,  Göttingen     1905 

Liversidge,  A.,  Prof.  Dr.,  Hornton  St.     1876 

Loeb,  Jacques,  M.  D.,  Prof.,  Rockefeiler  Institut,  Chicago     1904 

Lucanus,  L.,  San.-Rat  Dr.,  Hanau    1908 

Ludwig  Ferdinand,  Prinz  von  Bayern,  Kgl.  Hoheit,  Dr.,  Nymphenl)urg     1884 

Ludwig,  H.,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.,  Zool.  Institut,  Bonn     1900 

de  Man,  J.  G.,  Dr.,  lerseke  (Holland)     1902 

Martin,  Ch.  J.,  Dr.,  Lister  Institute  of  Preventive  Medizine,  London     1899 

V.  Mehely,  Lajos,  Dr.,  Nationalmuseum,  Budapest    1896 

Möller,  A.,  0. -Forstmeister  Prof.  Dr.,  Forstakademie,  Eberswalde    1896 

Montelius,  G.  0.  A.,  Prof.  Dr.,  Statens  Hist.  Museum,  Stockholm    1900 

di  Monterosata,  Marchese,  Tommaso  di  Maria  AUery,  Palermo     1906 

Murray,  Sir  John,  Sc.  D.,  Ph.  D.,  Edinburgh    1895  " 

Nansen,  Fridtjof,  Prof.  Dr.,  Lysaker  bei  Kristiania    1892 

Nies,  August,  Prof.  Dr.,  Mainz     1908 

3* 


—     36     — 

Nissl,  Franz,  Prof.  Dr.,  Psychiatr.  Klinik,  Heidelberg     1901 

Notzny,  Albert,  Heinitzgrube,  Beuthen     1902 

Oestreich,  Karl,  Prof.  Dr.,  Utrecht     1902 

Osborn,  Henry  Fairfield,  A.  B.,  D.  So.,  L.  L.  D.,  Prof.,  Präsident  d.  American 
Museum  of  Natural  History,  New  York     1909 

Pagenstecher,  A.,  Geh.  San.-Rat  Dr.,  Naturhist.  Museum,  Wiesbaden     1894 

Pfeffer,  W.,  Geh.  Rat  Prof.  Dr.,  Bot.  Institut,  Leipzig     1907 

Pfitzner,  R.,  Pastor,  Sprottau  1912 

Preiss,  Paul,  Geometer,  Ludwigshafen     1902 

Ranke,  J.,  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.,  Anthropol.  Institut,  München     1883 

Rayleigh,  The  right  Hon.  Lord,  P.  C,  O.  M.  Prof.,  Kanzler  der  Universität 
Cambridge,  Essex     1909 

Reis,  Otto  M.,  Dr.,  Landesgeolog,  München     1902 

Retowski,  Otto,  Staatsrat,  Eremitage,  St.  Petersburg     1882 

Retzius,  Magnus  Gustav,  Prof.  Dr.,  Stockholm     1882 

Reuss,  Johann  Leonhard,  Kalkutta    1888 

Roux,  Wilhelm,  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.,  Anat.  Institut,  Halle     1889 

Russ,  Ludwig,  Dr.,  Jassy     1882 

Rüst,  David,  San.-Rat  Dr.,  Hannover     1897 

Rzehak,  Anton,  Prof.  Dr.,  Brunn     1888 

Sarasin,  Fritz,  Dr.,  Naturhist.  Museum,  Basel     1898 

Sarasin,  Paul,  Dr.,  Basel    1898 

Scharff,  Robert,  Ph.  D.,  B.  Sc,  Nat.  Museum  of  Science  and  Art,  Dublin  1896 

Schenk,  H.,  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.,  Bot.  Garten,  Darmstadt    1899 

Schillings,  C.  G.,  Prof.,  Weiherhof  bei  Düren     1901 

Schinz,  Hans,  Prof.  Dr.,  Zürich     1887 

Schlosser,  Max,  Prof.  Dr.,  Paläont.  Sammlung,  München     1903 

Schmeisser,  K.,  Geh.  Bergrat,  Oberbergamts-Direktor,  Breslau    1902 

Schmiedeknecht,  Otto,  Prof.  Dr.,  Blankenburg    1898 

Schneider,  Sparre,  Museum,  Tromsö     1902 

V.  Schröter,  Guido,  Wiesbaden     1903 

Schnitze,  Leonhard  S.,  Prof.  Dr.,  Marburg    1908 

Schulze,  F.  E.,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.,  Zool.  Institut,  Berlin     1892 

Schweinfurth,  Georg  August,  Prof.  Dr.,  Berlin     1873 

Schwendener,  Simon,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.,  Berlin     1873 

Sclater,  Phil.  Lutley,  M.  A.,  D.  Sc,  Ph.  D.,  London     1873 

V.  Semenow.-Tian-Shansky,  Peter,  Exz.,  Präsident  der  Russ.  Entomol.  Gesell- 
schaft, St.  Petersburg    1910 

Simroth,  Heinrich,  Prof.  Dr.,  Leipzig     1901 

Spengel,  J.  W.,  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.,  Zool.  Institut,  Gießen     1902 

Speyer,  James,  New  York     1911 

Steindachner,  F.,  Geh.  Hofrat  Dr.,  K.  K.  Nat.  Hofmuseum,  Wien     1901 

Steinmann,  G.,  Geh.  Bergrat  Prof.  Dr.,  Geol.-pal.  Institut,  Bonn    1907 

Sterzel,  J.  F.,  Prof.  Dr.,  Naturw.  Museum,  Chemnitz     1908 

Stirling,  James,  Government  Geologist  of  Viktoria,  Melbourne     1899 

Strahl,  H.,  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.,  Anat.  Institut,  Gießen     1899 

Stratz,  Karl  Heinrich,  Dr.,  Haag  (Holland)     1887 

Stromer  v.  Reichenbach,  Ernst,  Freiherr,  Prof.  Dr.,  München     1908 


—    37    — 

Strubell,  Adolf  Wilhelm,  Prof.  Dr.,  Bonn     1891 

Sueß,  E.,  Prof.  Dr.,  Präsident  d.  K.  Akad.  d.  Wissenschaft,  Wien     1892 

Thilo,  Otto,  Dr.,  Riga    1901 

Torley,  Karl,  Dr.,  Iserlohn     1910 

Treboul,  E.,  President  de  la  Soc.  nat.  des  sciences  nat.  et  math.,  Cherbourg  1902 

Urich,  F.  W.,  Government  Entomologist,  Port  of  Spain  (Trinidad)     1894 

Verbeek,  Rogier  Diederik  Marius,  Dr.,  Haag  (Holland)     1897 

Verworn,  Max,  Prof.  Dr.,  Physiol.  Institut,  Bonn     1893 

Vigener,  Anton,  Apotheker,  Wiesbaden     1904 

Voeltzkow,  Alfred,  Prof.  Dr.,  Berlin    1897 

de  Vries,  Hugo,  Prof.  Dr.,  Bot.  Institut,  Amsterdam     1903 

Waldeyer,  H.W.  G.,  Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.,  Anat.  Institut,  Berlin     1892 

Weber,  Max  0.  W.,  Prof.  Dr.,  Zool.  Museum,  Amsterdam     1903 

Weinland,  Christ.  David  Friedr.,  Dr.,  Hohenwittlingen  bei  Urach    1860 

Weismann,  August,  Exz.  Wirkl.  Geh.-Rat  Prof.  Dr.,  Zool.  Institut,  Freiburg  1860 

Wetterhan,  J.  D.,  Freiburg    1876 

V.  Wettstein,  Richard,  Prof.  Dr.,  Wien     1901 

Wiesner,  J.,  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.,  Pflanzenphysiol.  Institut,  Wien    1907 

Willstätter,  Richard,  Prof.  Dr.,  Berlin     1911 

Wittich,  E.,  Dr.,  Mexiko     1912 

Witzel,  Louis,  Comuna  Prundu  Jedetul  Jefov  (Rumänien)     1906 

Wolterstorff,  W.,  Dr.,  Naturhist.  Museum,  Magdeburg     1904 

Zinndorf,  Jakob,  Offenbach     1900 


38 


Rückblick  auf  das  Jahr  1912. 

Mitteilungen  der  Verwaltung. 

Das  wichtigste  Ereignis  im  abgelaufenen  Geschäftsjahr,  wie 
überhaupt  in  der  ganzen  95-jährigen  Geschichte  der  Gesellschaft, 
war  die  am  28.  September  1912  erfolgte  Unterzeichnimg  des  Ver- 
trags über  die  Gründung  einer  Universität  in  Frank- 
furt am  Main,  der  zwischen  der  Stadt,  der  Akademie  für  Sozial- 
und  Handelswissenschaften,  der  Carl  Christian  Jügelstiftung,  dem 
Theodor  Sternschen  Medizinischen  Institut,  dem  Institut  für  Ge- 
meinwohl, der  Georg  und  Franziska  Speyerschen  Studienstiftung, 
dem  Physikalischen  Verein,  der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung, 
dem  Carolinum,  dem  Neurologischen  Institut  und  unserer  Gesell- 
schaft geschlossen  worden  ist. 

Die  Frankfurter  Universität  wird  eine  Veranstaltung 
des  Staates  im  Sinne  der  §§  1,  2,  67  ff.  II  12  des  Allgemeinen 
Landrechtes  sein  und  in  ihren  Verhältnissen  nach  den  für  die 
übrigen  Universitäten  geltenden  Grundsätzen  durch  Königliche 
Satzung  geregelt  werden  (§  5  des  Vertrags) ;  jedoch  sind  zu  ihrer 
Verwaltung  neben  den  sonstigen  bei  Universitäten  vorhandenen 
Organen  der  Große  Rat  und  das  Kuratorium  der  Universität 
berufen  (§  6).  Die  Verwaltung  unserer  Gesellschaft  wird  zwei 
Mitglieder  in  den  Großen  Rat  entsenden  (§  7),  von  denen  eins 
in  das  Universitätskuratorium  zu  wählen  sein  wird  (§  9). 

Die  Ernennung  der  ordentlichen  Professoren  wird  durch  Seine 
Majestät  den  König,  die  Ernennung  der  außerordentlichen  Pro- 
fessoren durch  den  Unterrichtsminister  erfolgen.  Ein  unmittel- 
barer Einfluß  auf  die  Besetzung  der  Lehrstühle  der  von  ihr  ge- 
pflegten Wissenschaften  steht  demnach  unserer  Gesellschaft  nicht 
zu,  ebensowenig  ein  Einfluß  auf  die  gutachtlichen  Personalvor- 
schläge der  naturwissenschaftlichen  Fakultät.  Wohl  aber  hat 
unsere  Gesellschaft  das  Recht,  durch  das  Universitätskuratorium 


—     39     — 

Bedenken  gegen  die  üblichen  Vorschläge  der  Fakultät  bei  dem 
Minister  zur  Geltung  zu  bringen  (§  11).  Auch  sieht  §  28  vor, 
daß  die  Übertragung  und  Leitung  der  der  Universität  zur  Ver- 
fügung gestellten  Anstalten  —  der  Institute  für  Zoologie,  Pa- 
läontologie-Geologie und  Mineralogie  —  durch  den  Minister  nach 
Benehmen  mit  dem  Eigentümer  erfolgt. 

Im  übrigen  wird  die  Stellung  der  Gesellschaft  zur  Universität 
durch  §  24  des  Gründungsvertrags  geregelt: 

„Die  Senckenbergische  Naturforschende  Gesellschaft 
verpflichtet  sich,  das  ihi*  gehörige  naturwissenschaftliche 
Museum,  insbesondere  auch  die  Hörsäle,  das  Demonstra- 
tionsmaterial und  die  wissenschaftlichen  Sammlungen  nach 
einer  mit  der  Direktion  zu  vereinbarenden  Benutzungs- 
ordnung unentgeltlich,  sowie  das  Kursmaterial  gegen  Er- 
stattung der  Selbstkosten  der  Universität  zur  Mitbenutzung 
für  Unterrichts-  und  Forschungszwecke  dauernd  unter  der 
Bedingung  zur  Verfügung  zu  stellen,  daß  den  Universitäts- 
professoren der  Zoologie,  der  Mineralogie  und  der  Geo- 
logie-Paläontologie die  Verpflichtung  auferlegt  wird,  auf 
Antrag  der  Direktion  der  Senckenbergischen  Naturfor- 
schenden Gesellschaft  für  die  Dauer  der  Leitung  ihres 
Universitäts-Instituts  die  Leitung  des  Museums  oder  der 
ihrem  Fach  entsprechenden  Abteilung  desselben  gegen 
eine  jährliche  Vergütung  von  3500  Mark  bzw.  1000  Mark, 
sowie  die  Abhaltung  einer  höchstens  zweistündigen,  für 
die  Mitglieder  der  Gesellschaft  bestimmten  und  für  diese 
unentgeltlichen  Vorlesung  gegen  eine  Vergütung  von  je 
500  Mark  pro  Stunde  und  Semester  zu  übernehmen.  Von 
der  Verpflichtung  zur  eventuellen  Übernahme  der  Leitung 
des  Museums  kann  der  Universitätsprofessor  der  Minera- 
logie auf  seinen  Wunsch  entbunden  werden.  Solange  und 
insoweit  die  Senckenbergische  Gesellschaft  von  diesem 
Rechte  Gebrauch  macht,  hat  sie  den  Betrag  ihrer  jetzigen 
Aufwendungen  für  die  in  Frage  kommenden  Dozenten, 
einschließlich  der  vertragsmäßigen  Steigerung,  aber  ab- 
züglich der  vorgenannten  Vergütung,  an  die  Universitäts- 
kasse abzuführen.  —  Die  Universitäts-Institute  für  Zoo- 
logie, Mineralogie  und  Geologie-Paläontologie  nebst  zwei 
Hörsälen  werden  auf  dem  der  Dr.  Senckenbergischen  Stif- 
tung  gehörenden   Museumsgrundstück   als   ein   Teil   des 


_     40     — 

Museumsbaues  nach  näherer  Vereinbarung  auf  Kosten  der 
Universität  von  der  Senckenbergischen  Naturforschenden 
Gesellschaft  erbaut,  von  der  Gesellschaft  auf  ihre  Kosten 
baulich  unterhalten  und  dauernd  der  Universität  zur  aus- 
schließlichen Benutzung  mit  der  Maßgabe  übergeben,  daß 
andere  wie  die  gedachten  Institute  darin  nicht  unter- 
gebracht werden  dürfen,  und  daß  die  Einrichtungs-  und 
Betriebskosten  der  Institute,  einschließlich  Heizung,  Be- 
leuchtung und  Reinigung,  von  der  Universität  bestritten 
werden. 

Im  übrigen  wii'd  die  Stellimg  und  Tätigkeit  der 
Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft  durch 
ihre  vorstehend  geregelte  Beteiligung  an  der  Universität 
nicht  berührt.  Insbesondere  bleiben  ihr  die  gesamte  Ver- 
waltung und  der  weitere  Ausbau  ihres  Museumsgebäudes 
imd  ihres  naturwissenschaftlichen  Museums,  die  ausschließ- 
liche Beschlußfassung  über  dessen  Leitung  und  Benutzung, 
über  die  Anstellung  ihres  Personals,  Festsetzung  der  Ein- 
nahmen und  Ausgaben,  Erlaß  und  Handhabung  der  Haus- 
ordnung überlassen.  Namentlich  kann  die  Gesellschaft 
auf  populärwissenschaftlichem  Gebiet  ihre  Tätigkeit  un- 
abhängig von  der  Universität  fortsetzen.'' 

Um  jedoch  durch  die  Errichtung  der  Universitätsinstitute 
in  dem  Ausbau  ihres  eigenen  Museums  nicht  behindert  zu  sein, 
war  für  die  Gesellschaft  eine  Grundstücksvergrößerung  vmerläß- 
lich.  Sie  wird  nach  §  14  Abs.  3  des  Universitätsvertrags  erfolgen, 
in  dem  sich  die  Stadt  verpflichtet  hat, 

„der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft 
das  westlich  an  das  Senckenbergische  Museumsgrund- 
stück angrenzende  städtische  Grundstück  in  Größe  von 
3744  Quadratmetern  unentgeltlich  und  dauernd  für  Zwecke 
des  Museums  oder  der  Universität  im  Erbbau  zu  über- 
tragen." 

Durch  die  vertraglich  festgelegten  Bestimmungen  glaubt 
die  Verwaltung,  die  volle  Selbständigkeit  der  Gesellschaft 
gewahrt  zu  haben,  und  erblickt  eine  ausreichende  Gewährleistung 
für  deren  Unabhängigkeit,  insbesondere  auch  bei  Anstellimg 
ihrer  wissenschaftlichen  Beamten  und  in  finanzieller  Hinsicht, 
in  folgenden  Voraussetzungen : 


—    41     — 

1)  in  der  bei  jedem  Dozentenwechsel  aufs  neue  zu  treffenden 
freien  Entschließung  der  Ve  r  w  a  1 1  u  n  g,  ob  sie  dem  neu- 
berufenen Universitätsprofessor  die  Leitung  ihres  Museums,  bzw. 
einzelner  seiner  Abteilungen  und  die  Abhaltung  von  Vorlesungen 
übertragen  will  oder  nicht,  wodurch  insbesondere  auch 
den  Entschließungen  späterer  Generationen  in  kei- 
ner  Weise   vorgegriffen   wird, 

2)  darin,  daß  der  Gesellschaft  aus  dem  Betrieb  der  der  Uni- 
versität zur  Verfügung  gestellten  Institute  keinerlei  Mehr- 
ausgaben erwachsen,  und 

3)  in  dem  ausdrücklich  vorbehaltenen  Recht  der  Gesellschaft, 
ihre  in  den  Statuten  festgelegten  Zwecke  und  Ziele  unbehin- 
dert durch  d  i  e  U  n  i  V  e  r  s  i  t  ä  t  weiterzuverf olgen,  wie  auch  ihi'e 
gesamte  seitherige  Tätigkeit,  namentlich  auf  populärwissenschaft- 
lichem Gebiet,  unabhängig  von  der  Universität  fortzusetzen. 

Schließlich  wird  die  Gesellschaft  den  Vorteil  genießen,  daß 
bei  eventueller  Ausführung  des  geplanten  Neubauprojektes  ein 
erheblicher  Teil  des  hinteren  Traktes  eines  neuen  Lichthofs  auf 
Kosten  der  Universität  erbaut  wird.^) 


In  sehr  erfreulicher  Weise  ist  durch  den  Eintritt  von  179 
beitragenden  Mitgliedern  deren  Zahl  im  Berichtsjahr  von  1249 
auf  1358  angestiegen,  obwohl  15  beitragende  Mitglieder  ver- 
storben und  49  ausgetreten  oder  verzogen,  sowie  weitere  6  in 
die  Reihe  der  ewigen  Mitglieder  übergetreten  sind.  Es  sind  dies : 
Ingenieur  Alexander  Askenasy,  Carl  Bittelmann,  Prof. 
Dr.  Ludwig  Edinger,  Friedrich  Ludwig  von  Gans,  Wil- 
helm Holz  und  Eduard  Jungmann.  Als  ewiges  Mitglied 
eingetreten  ist  Dipl.-Ing.  Hermann  Wo  1  f  in  Bad  Homburg  v.d.H. 
Auch  Frau  AnnaKoch  geb.  von  St.  George  (f),  die  der  Gesell- 
schaft durch  letztwillige  Verfügung  ein  Kapital  von  M.  20000. — 
hinterlassen  hat,  wurde  durch  Verwaltungsbeschluß  in  die  Zahl 
der  ewigen  Mitglieder  aufgenommen.  Schließlich  haben  die  Kinder 
unseres  verstorbenen  arbeitenden  Mitgliedes  San.-Rat  Dr.  Ernst 
Blumenthal  den  Namen  ihres  heimgegangenen  Vaters  in  pietät- 
voller Gesinnung  in  die  Liste  unserer  ewigen  Mitglieder  eintragen 


*)  Siehe  „Die  Zukunft  des  Senckeubergischen  Museums",  43.  Bericht  der 
Senckenberg.  Naturf.  Ges.  1912  S.  97-103. 


—    42     — 

lassen.  Die  Zahl  der  letzteren  ist  somit  im  Berichtsjahr  von  172 
auf  181  angestiegen. 

Durch  den  Tod  entrissen  wurden  uns  ferner :  die  außerordent- 
lichen Ehrenmitglieder  Adolf  von  Grunelius  und  Geh.  Hof- 
und  Baurat  Prof.  Dr.  Paul  Wallot  in  Biebrich  a.  Rh.,  die  ewigen 
Mitglieder  Frau  Marie  Meister  und  Sir  Julius  Wernher  in 
London,  sowie  die  korrespondierenden  Mitglieder  Geh.  Med.-Rat 
Prof.  Dr.  W.  Dönitz  in  Berlin,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr.  H.  Munk 
in  Berlin,  Dr.  Ph.  Steffan  in  Marburg,  Geh.  Reg.-Rat  Prof.  Dr. 
E.  Straßburger  in  Bonn  und  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  F.  Zirkel  in  Bonn. 

Ernannt  wurden:  Zu  korrespondierenden  Ehrenmitgliedern: 
Adolf  Friedrich  Herzog  zu  Mecklenburg.  Kais.  Gouver- 
neur in  Togo,  und  Geh.  Rat  Prof.  Dr.  Carl  Chun  in  Leipzig. 

Zu  korrespondierenden  Mitgliedern:  Pastor  R.  Pfitzner  in 
Sprottau  und  Dr.  E.Witt  ich  in  Mexiko. 

Zum  außerordentlichen  Ehrenmitglied:  Prof.  Dr.  Wilhelm 
Kobelt  in  Schwanheim. 

Zu  arbeitenden  (Verwaltungs-)  Mitgliedern:  Ernst  Crei- 
zenach  und  Dr.  jur.  Hermann  Günther. 

Zu  Mitarbeitern:  Dr.  E.  Bannwarth  in  Cairo,  Bauunter- 
nehmer AdamGlockin  Rödelheim,  MaxGüldnerin  Chemnitz, 
Lehrer  August  Kahler  in  Hanau  und  Dr.  Pierre  Murisier 
in  Lausanne. 

Zu  unserem  großen  Bedauern  hat  sich  unser  verdienter 
Konsulent  Justizrat  Dr.  Fritz  Berg  aus  Gesundheitsrücksichten 
genötigt  gesehen,  sein  Amt,  das  er  seit  24.  November  1897  be- 
kleidete, am  29.  Juni  niederzulegen.  An  seine  Stelle  wurde  am 
24.  August  Dr.  Hermann  Günther  zum  Konsulenten   ernannt. 

Konservator  Adam  Koch,  der  am  20.  April  1857  als  Ge- 
hilfe in  den  Dienst  des  Museums  getreten  war,  ist  nach  fast 
55-jähriger  Wirksamkeit  am  31.  März  aus  seiner  Stelle  ausge- 
schieden. Nur  kurze  Zeit  war  es  ihm  vergönnt,  sich  des  wohl- 
verdienten Ruhestandes  zu  erfreuen:  am  4.  Januar  1913  hat  der 
Tod  den  pflichttreuen  Beamten,  dem  die  Gesellschaft  über  das 
Grab  hinaus  ein  dankbares  Gedenken  bewahren  wird,  aus 
seinem  arbeitsreichen  Leben  abberufen. 

Am  I.April  wurde  Georg  Ruprecht  als  Präparator  an- 
gestellt. 

Die  ordentliche  Generalversammlung  fand  am  21.  Februar 
statt.  Sie  genehmigte  nach  dem  Antrag  der  Revisionskommission 


—    43    — 

die  Rechnungsablage  füi'  1911  und  erteilte  dem  I.  Kassierer  W. 
Melber  Entlastung.  Der  Voranschlag  für  1912,  in  Einnahmen 
und  Ausgaben  mit  M.  137480.65  balanzierend,  wurde  genehmigt. 
Nach  dem  Dienstalter  schieden  aus  der  Revisionskommission 
Charles  A.  Scharff  und  Moritz  von  Metzler  aus;  an  ihre 
Stelle  wurden  gewählt  Dr.  Alfred  Me r ton  und  Heinrich 
Andreae;  an  Stelle  des  am  28.  Februar  verstorbenen  Mitgliedes 
der  Kommission  Wilhelm  Rohmer  wurde  von  der  Verwaltung 
Eugen  Grumbach-Mallebrein  ernannt.  Für  1912  gehörten 
der  Revisionskommission  ferner  an:  Justizrat  Dr.  PaulRoediger 
als  Vorsitzender,  Konsul  Etienne  Roques-Mettenheimer 
und  Robert  Osterriet h. 

Das  Stipendium  der  Askenasy- Stiftung  für  Botanik  wurde 
am  5.  Mai,  am  Geburtstag  des  verstorbenen  Prof.  Dr.  Eugen 
Askenasy,  an  Geh.  Hofrat  Prof.  Dr.  Adolf  Hansen  in  Gießen 
als  Beitrag  zu  einer  Studienreise  nach  Ceylon  erteilt. 

Am  29.  Mai  fand  die  Jahresfeier  statt,  bei  der  Dr.  H.  Schu- 
botz  aus  Berlin  den  Festvortrag  hielt. 

Anläßlich  der  Feier  seines  50-jähi'igen  Doktorjubiläums  am 
13.  Dezember  wurde  Prof.  W.  K  o  b  e  1 1  in  Schwanheim  mit  den  herz- 
lichsten Glückwünschen  der  Direktion  und  Verwaltung  das  Diplom 
als  außerordentliches  Ehrenmitglied  überreicht. 

Mit  Ende  des  Jahres  sind  nach  zweijähriger  Amtszeit  sat- 
zungsgemäß aus  der  Direktion  ausgeschieden :  der  I.  Direktor  Prof. 
Dr.  A.  Knoblauch  und  der  I.  Schriftführer  Dr.  F.  W.  Winter. 
An  ihre  Stelle  wiu-den  für  die  Jahre  1913  und  1914  Dr.  Arthur 
von  Weinberg  und  Dipl.-Ing.  Paul  Prior  gewählt. 


44 


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Museumsbericht. 

Der  Besuch  des  Museums  war  ein  außerordentlich  reger; 
unter  den  65275  Besuchern  des  Jahres  1912  waren  1457  zahlende 
Personen.  Auch  viele  Fachgelehrte  und  wissenschaftliche  Kor- 
porationen, Studenten  und  Schulen  besichtigten  die  Sammlungen. 
Außerdem  fanden  zahlreiche  Führungen  durch  die  verschiedenen 
Abteilungen  des  Museums  für  die  Mitglieder  der  Gesellschaft, 
sowie  für  Vereine  und  Gewerkschaften  statt. 

In  der  Tischlerei  wurden  fünf  große  Schränke  mit  staub- 
dichten Kästen  zur  Aufnahme  der  Säugetier-  und  Vogelbälge  an- 
gefertigt; weitere  Schränke  sind  in  Arbeit.  Die  Hausdruckerei 
lieferte  neben  den  laufenden  Arbeiten  Etiketten  für  die  zoolo- 
gische Lokalsammlung,  die  biologische  Insektensammlung,  die 
Schausammlung  der  Würmer,  den  Embryonenschrank  und  die 
Abteilung  der  fossilen  Wirbellosen. 

I.  Zoologische  Sammlung'. 

Die  Sammlung  der  einheimischen  Wirbeltiere  wurde  im 
zweiten  Stockwerk  in  vier  freistehenden  und  vier  Wandschränken 
neu  aufgestellt  und  mit  gedruckten  Etiketten  versehen. 

Bei  den  Katalogisierungs-  und  Einordnungsarbeiten  in  den 
verschiedenen  Abteilungen,  sowie  beim  Anfertigen  und  Aufstellen 
neuer  Präparate  waren  behilflich:  Frl.  L.  Baerwald,  Frl.  C.  Burg- 
heim, Frl.  P.  Haas,  Frl.  R.  Herzberg,  Frl.  A.  Hobrecht,  Frl. 
E.  Hobrecht,  Frau  Dr.  Lehrs,  Frau  Dr.  Löw-Beer,  Frl.  A. 
Reichenbach,  Frau  E.  Reichenberger,  Frl.  H.  Reishaus, 
Frl.  A.  Roediger,  Frl.  F.  Schott,  Frl.  L. Waldeck  und  Frl.  T. 
Wertheimer.  Frau  L.  Cayard  setzte  ihre  embryologischen 
Studien  fort;  E.  Creizenach  arbeitete  in  der  Skelettsammlung 
und  beteiligte  sich  mit  Dr.  E.  Schwarz  bei  der  Katalogisierung 
der   Ausbeute    der    Innerafrika-Expedition    des   Herzogs   Adolf 


—     47     — 

Friedrich  zu  Mecklenburg.  E.  Cnyrim  war  den  größten 
Teil  des  Jahres  mit  der  Präparation  der  Augen-  und  Augendrüsen- 
muskulatur  eines  indischen  Elefanten  beschäftigt;  das  Präparat 
ergibt  wissenschaftlich  wertvolle  Resultate. 

Einzig  in  ihrer  Art  dürfte  unsere  Sammlung  von  Wandtafeln 
sein,  die  eigens  für  die  Vorlesungen  angefertigt  werden.  Unter 
den  zahlreichen  neu  eingereihten  Tafeln  sind  künstlerisch  ganz 
hervorragende,  die  wir  Frl.  B.  Groß  {Lychnaspis  miranda, 
Calocyclas  monmnentum)  und  Frau  L.  Holz-Baerwind  (Plimia- 
tella,  Ascidien)  verdanken.  Seit  Oktober  ist  auch  Frl.  S.  Hartmann 
an  der  Herstellung  der  Wandtafeln  beteiligt.  Zu  der  in  einer  Groß- 
stadt oft  recht  schwierigen  Beschaffung  von  Unterrichtsmaterial 
für  die  praktischen  Übungen  waren  die  meisten  Teilnehmer  des 
Jugendkurses,   insbesondere  A.  Schulze -He  in,   gern  behilflich. 

Mehrfach  wurde  Auskunft  über  Anfragen  zoologischen  In- 
halts erteilt.  Material  zu  wissenschaftlicher  Benutzung  wurde 
ausgeliehen  an:  die  Ausstellung  „Der  Mensch"  in  Darmstadt, 
H.  Graf  von  Berlep seh- Schloß  Berlepsch,  Dr.  C.  Boettger, 
Prof.  A.  Brau  er -Berlin,  G.  A.  Boulenger-London,  Prof.  L. 
Edinger,  Prof.  H.  Egge  ling- Jena,  Oberlehrer  P.Ehrmann- 
Leipzig,  Dr.  W.Epstein,  Dr.  V.  Franz,  Dr.  R.  Gonder,  0. 
K  r  ö  b  e  r  -  Hamburg,  Prof.  P.  Matschie-  Berlin,  Prof.  Th.  M  o  r  - 
t  e  n  s  e  n  -  Kopenhagen,  A.  Müller-  Höchst,  Prof.  Th.  N  e  u  m  a  n  n, 
Dr.  C.  Fr.  R  0  e  w  e  r  -  Bremen,  Frl.H. Reishaus,  Dr.L. Scheuring- 
Gießen,  Dr.  J.W.Schmidt-Bonn,  Dr.E.  Schwarz,  Dr.A.Send- 
1er,  Prof.  F.  Siebenrock-Wien,  Prof.  A.  Steuer-Darmstadt, 
H.  S  t  r  i  d  d  e,  Dr.  J.  Vi  g  e  n  e  r  -Wiesbaden,  A.  We  her-  München, 
cand.  geol.  H.Wegele- Göttingen,  Dr.  E.Wolf- Süssen  i.  W.,  0. 
Graf  von  Zedlitz-Trütschler-Berlin. 

Von  vielen  Teilnehmern  der  im  Sommer  veranstalteten  Ex- 
kursionen empfingen  wir  zur  Vermehrung  der  einzelnen  Abtei- 
lungen dankenswerte  Beiträge,  die  namentlich  der  Ausgestaltung 
der  Lokalsammlung  zugute  kamen. 

Außerdem  erhielt  das  Museum  von  den  verschiedensten  Seiten 
reiche  Zuwendungen  an  zoologischen  Objekten.  Die  Schenker, 
denen  auch  an  dieser  Stelle  herzlich  gedankt  sei,  sind:  J.  Anders, 
E.  Andreae,  Dr.  A.  Andres,  Dr.  E.  Bannwarth-Cairo,  Frl. 
L.  Baerwald,  H.  Graf  von  Berlep  seh- Schloß  Berlepsch,  A. 
Beuth- Oberreifenberg,  Biologische  Gesellschaft  für  Aquarien- 
und  Terrarienkunde,  Dr.  C.  Boettger,  L.  Bor  char  dt-Riga,  E. 


—     48     — 

Biichka,  Dr.  A.  Bücheier,  G.  Biirkhardt,  Frl.  C.  Burgheim, 
Prof.  H.  von  Buttel-Reepen,  Major  W.  von  Br edow -Berlin, 
P.  Cahn,  E.  Cnyrim,  Geh.  Rat  C.  Chun -Leipzig,  W.  M.  Cooper, 
E.Creizenach,  A. Diehl- Oppenheim,  E.Diener,  Dr.W.Drory, 

E.  Enslin-Fürth,  Prof.  P.  Ehrmann-Leipzig,  M.  Eisemann, 
Forstrat  E  u  1  e  f  e  1  d  -  Lauterbach,  E.  E  u  r  i  c  h,  Frl.  A.  F  a  h  r  -  Darm- 
stadt, E.Fischer,  Prof.  M.  Flesch,  Frl.  M.  von  Forkenbeck, 
F.Fränkel,  L  Fries,  H.  Fruhstorfer-Genf,  A.  Göbel,  Feld- 
schütz Göbel,  R.v.  Goldschmidt-Rothschild,  Dr.  R.  Gonder, 
Frau  H.  Gottschalk-Buchschlag,  Frl.  B.  Groß,  Dr.  J.  Guide, 
Obergärtner  R.Günther,  0.  Gurke,  A.Haas-Duala,  Haas&Co., 

F.  Haag,  C.  Hage nb eck- Stellingen,  Geheimrat  A.  Hansen- 
Gießen,  G.  H  a  r  t  m  a  n  n  -  Niederhöchstadt,  K.  Hashagen-  Bremen, 
P.  H e s s e -Venedig,  Prof.  L.  von  Heyden,  Frl.  A.  Hobrecht, 
Frl. E. Hobrecht,  K.Hopf,  H.  Jacquet,  K.  Jost,  Frl. M. Kayßer, 
J.  Kilb-Skobeleff,  Missionar  A.  Kling,  Prof.  A.  Knoblauch, 
Alex  Knoblauch,  Frl.  H.  Knoblauch,  Prof.  W.  Kobelt- 
Schwanheim,  A.  Koch,  H.  Königswerther,  H.  Koßmann, 
H.  Kr  ah- Schwanheim,  Fr.  Krebs,  Forstmeister  E.  Krekel- 
Hofheim,  Förster  L.  Krohn,  K.  Küchler,  Inspektor  L.  Lang, 
F.  Lange-Haiffa,  Zoologisches  Museum  in  Lausanne,  Prof.  R. 
Lauterborn -Ludwigshafen,  Dr.  A.  Lejeune,  Dr.  0.  Le  Roi- 
Bonn,  A.  Levi-Reis,  Dr.  0.  Löw-Beer,  Dr.  A.  Lotichius, 
August  Lotichius,  Otto  Lotichius,  Dr.  H.  Lotz-Berlin, 
W.  Ludolph,  Naturhistorisches  Museum-Magdeburg,  L.  Mair, 
Prof.  E.  M  a  r  X,  Dr.  F.  M  a  y,  J.  M  a  y  r,  Dr.  H.  M  e  r  1 0  n  -  Heidelberg, 
Frl.  E.  Metzger,  C.  Molzahn,  A.  Müller-Höchst,  E.Müller, 
Frau  Ph.  von  Mumm,  G.  Nägele -Waltersweiler,  Kom.-Rat  R. 
de  Neufville,  Neurologisches  Institut  (Prof.  E dinger),  H. 
Pabst,  W.  Panzer,  E.  Parrot,  C.Prior,  Dipl.-Ing.  P.  Prior, 
Frl.  A.Reichenbach,  Frl.H.Reishaus,  San.-Rat  E.Roediger, 
Prof.  F.  Richters,  Dr.  F.  Rintelen-Rosenstein,  P.Rosenthal, 
Dr.  H.  Roß -München,  Prof.  P.  Sack,  A.  Schädel,  Dr.  R.  S. 
Scharf f-Dublin,  Lehrer  Schäfer,  Lehrer  Scheuring-Überau, 
0.  Schleifenbaum-Hofheim,  W.  Scholz,  Frl.  L.  Scholz,  Ju- 
stizrat K.  Schmidt-Polex,  M.Schlemmer,  Prof.  L.S.  Schnit- 
ze -  Kiel,  Dr.  E.Schwarz,  Postsekretär  K.  Schwebel  -Worms, 
A.  Schulze-Hein,  G.  Schwinn-Marseille,  A.  Seidler-Hanau, 
Prof.  A.  S  e  i  t  z  -  Darmstadt,  Landesökonomierat  A.  Siebert,  M. 
Silb ermann,  E.  Sondheim,  Frau  M.  Sondheim,  Gartenbau- 


—    49    — 

direktor  Spohr,  Deutsche  Südpolarexpedition,  E.  Sulzbach,  A. 
W.  Stelf ox-Belfast,  Lehrer  H.  Stridde,  Sowerby  and  Ful- 
ton-Kew,  FrauM.vonTrenkwald,  Frl.  L.  Wald  eck,  A.Weber- 
München,  Dr.  A.  vo  n  We  i  n  b  e  r  g,  A.  We  i  s,  A.  H.  We  n  d  t  -  St.  Goar, 
Frl.  T.  We  r  t  h  e  i  m  e  r,  C.  We  spy-  Braubach,  W.  Wi  e  n  e  r  -  Eltville, 
Dr.  F.  W.  Wi  n  t  e  r,  E.  Wi  t  e  b  s  k  y,  Apotheker  Wi  1 1  i  c  h  -  Kostheim, 
Dr.  E.Witt  ich- Mexiko,  J.  J.  Wo  op  en,  Dr.  E.  Wo  If- Süssen,  H. 
Wüsthoff  &  C 0. - Sprendlingen,  A.  Zirps-Neutitschein,  Zoolo- 
gischer Garten. 

Einen  erfreulichen  Fortschritt  hat  die  Handbibliothek  zu 
verzeichnen.  Nachdem  Tausende  wertvoller  Separata  jahi'elang 
ungeordnet  und  darum  kaum  benutzbar  aufgestapelt  lagen,  hat 
Frl.  A.  Hobrecht  die  große  Arbeit  übernommen,  den  ganzen  Be- 
stand zu  ordnen  und  zu  katalogisieren.  Die  umfangreiche  Rom  er- 
sehe Separatensammlung  und  zahlreiche  Neueingänge  sind  bereits 
fertig  bearbeitet.  Wertvolle  Bereicherung  erfuhren  die  Hand- 
bibliothek und  die  Separatensammlungen  der  einzelnen  Sektionen 
von:  Dr.  W.  Alt,  Akademie  für  Sozial-  und  Handelswissenschaften, 
Dr.  C.  Boettger,  H.  Borcherding-Vegesack,  M.  E.  deBoury- 
Paris,  Dr.  A.  Dampf -Königsberg,  Dr.  W.  Diensbach,  Dr.  G. 
End  er  lein- Stettin,  Dr.  L.  Ger  main-Paris,  D.  Geyer- Stutt- 
gart, Kaiserliches  Gesundheitsamt-Berlin,  Dr.  R.  G  o  n  d  e  r,  Dr.  R. 
Gondermann-Leipzig,  A.  Günther t-Flensburg,  Dr.F.Haas, 
Prof.  H.  Habermehl-Worms,  Dr.  D.  Häberle-Heidelberg,  Dr. 
E.  C.  Hellmayr-München,  Prof.  L.  von  Hey  den,  San.-Rat  R. 
Hilb er t- Sensburg,  Dr.  C.  Hossens-Berchtesgaden,  Dr.  Ch. 
Janet-Paris,W.  Israel- Gera,  Kaiser-Friedrich-Gymnasium,  Dr. 
P.  Kammerer-Wien,  H.  Kauff  mann,  A.  S. Kennard-Becking- 
ham,  Prof.  F.  Kinkelin,  Prof.  B.  Klun  zing  er- Stuttgart,  F. 
Koenike -Bremen,  Prof.  W.  K ob elt- Schwanheim,  Dr.  R.  LKo- 
warzik-Prag,  Dr.  P.Krüger-München,  Liebig-Realschule,  Dir. 
0.  Liermann,  F.  Mac  Farland-Stenford,  Dr.  J.  G.  de  Man- 
lerseke,  Prof.  P.  Mühlen s-Hamburg,  Prof.  L.  von  Mehely- 
Budapest,  Prof.  M.  Mob  ius,  F.  Müller- Schönberg,  L.Müller- 
München,  Musterschule,  Kgl.  Naturalienkabinett-Stuttgart,  Kom.- 
RatR.de  Neufville,  Dr.  L.  Nick,  Dr.  A.  Ortmann-Pittsburg, 
H.  Overton-Sutton,  H.  B.  Preston-London,  Prof.  A.  Pütter- 
Bonn,  L.  H.  Reiß,  Dr.  C.  Richters,  Prof.  F.  Richters,  Dr.  L 
Riemenschneider-Dorpat,  San.-Rat  E.  Roediger,  Frl.  H. 
Rörig,    Dr.  A.  R  u  b  b  e  1  -  Marburg,    Dr.  L.  Scheuring-Gießen, 


—     50    — 

Dr. M.  Seebach- Heidelberg,  Dr.  A.  S e n d  1  e r,  Landesökonomierat 
A.  Siebert,  Prof.  H.  Simroth-Leipzig,  Prof.  0.  zur  Strassen, 
Dr.  W.  J.  Schmidt-Bonn,  Dr.  E.  Schwarz,  Sowerby  and 
Fulton-Kew,  A. W.  Stelf  ox-Belfast,  Prof . W.  S t e m p e  1 -Mün- 
ster, Dr.  N.  Stenshoff-Celle,  E.  Strand-Berlin,  Dr.  E.  Teich- 
mann,  G.  B.  Teubner-Leipzig,  Verein  für  Geographie  und 
Statistik,  Verein  für  Naturwissenschaftliche  Unterhaltung,  A.We  i  s, 
Wöhler-Realgymnasium,  Dr. W. Wo Iterstorff- Magdeburg,  Zoo- 
logisches Institut-Basel. 

1.  Sängetiere. 

Nachdem  im  Jahre  1911  durch  Verlegung  der  Wirbeltier- 
Lokalfauna  einiger  Platz  zur  Ausdehnung  der  Säugetierschau- 
sammlung geschaffen  worden  war,  wurde  im  Berichtsjahr  die  Neu- 
aufstellung mit  den  niederen  Gruppen  begonnen.  Die  Kloakentiere 
gelangten  in  neuen  und  besonders  schönen  Exemplaren  zur  Auf- 
stellung; die  Beutler  und  Zahnarmen  wurden  durch  eine  große 
Anzahl  hervorragender  neuer  Stücke  ergänzt,  während  viele  der 
vorhandenen  alten  Bälge  umgearbeitet  wurden,  so  daß  auch  dieser 
Teil  der  Sammlung,  ohne  schon  vollendet  zu  sein,  gegen  den 
früheren  Zustand  ein  recht  erfreuliches  Bild  darbietet. 

Von  der  Säugetierausbeute  der  Innerafrika-Expedition  des 
Herzogs  Adolf  Friedrich  zu  Mecklenburg  sind  nunmehr 
sämtliche  Felle  gegerbt  und  die  Schädel  gereinigt.  Ein  großer 
Teil  des  Materials  ist  bereits  in  wissenschaftlicher  Bearbeitimg. 
Okapi  und  Riesenschuppentier  wurden  in  der  Schausammlung 
aufgestellt. 

Von  den  größeren  Geschenken  sind  zu  erwähnen:  eine  Sita- 
tunga  und  ein  kapitales  Wapiti-Haupt  aus  dem  Atelier  von  Row- 
land Ward-London  von  Rudolf  von  Goldschmidt-Roth- 
schild, der  Balg  des  großen  Schimpansen  „August",  der  nach 
fünfjährigem  Aushalten  im  hiesigen  Zoologischen  Garten  leider 
eingegangen  ist,  von  August  Lotichius,  der  Balg  eines  kost- 
baren Kamtschatka-Rotfuchses  mit  weißem  Anflug  von  H.  K  ö- 
nigswerther,  ein  Riesenducker  (Cephalophus  sylvicultor)  aus 
Nordwest-Kamerun  von  A.  Diehl,  sowie  ein  Zwergflußpferd  aus 
Liberia,  ein  Mähnenwolf,  eine  Tibetantilope,  ein  Paar  sibirische 
Steinböcke,  zwei  Schnabeltiere,  zwei  Arten  von  Schnabeligeln, 
ein  Kugelgürteltier,  mehrere  Arten  von  Faultieren  und  viele 
Beuteltiere  von  dem  Sektionär  Dr.  Alfred  Lotichius. 


—    51    — 

Außerdem  verdankt  die  Säugetiersammlung  noch  wertvolle 
Zuwendungen  einer  großen  Anzahl  von  Gönnern,  die  nicht  alle 
einzeln  aufgeführt  werden  können,  deren  Namen  aber  in  dem 
vorhergehenden  Gesamtbericht  dankend  erwähnt  sind. 

2.  Vögel. 

Die  Vogelsammlung  ist  um  über  3000  Bälge  bereichert 
worden.  Davon  entfallen  allein  2000  auf  die  von  dem  Münchener 
Ornithologen  Dr. C. Parrot  hinterlassene,  an  Typen  reiche  Samm- 
lung, die  E.  Parrot  in  Frankfurt,  ein  Verwandter  des  Verstor- 
benen, angekauft  und  dem  Museum  geschenkt  hat.  Unter  den 
übrigen  Zugängen,  vielfach  Geschenken  des  Sektionärs  Kom.-Rat 
R.  de  Neufville,  sind  besonders  hervorzuheben:  189  von  Klages 
gesammelte  und  durch  H e  11  mayr -München  bearbeitete  Bälge 
aus  Venezuela,  120  aus  Minas  Geraes,  50  aus  Indien,  20  aus 
Guatemala,  105  (von  Dr.  E.Witt  ich  geschenkte)  aus  Mexiko, 
40  aus  Neuguinea,  105  aus  Venezuela.  Für  die  Schausammlung 
erhielten  wir  u.  a.  einen  riesigen  Trapphahn  von  Major  W.  von 
B  r  e  d  0  w,  zwei  durch  ihre  Flugunfähigkeit  interessante  südameri- 
kanische Vögel  (Tachyeres  und  Centrojjebna)  vom  Grafen  von 
Berlepsch  und  eine  prachtvolle  Rosen  move,  bekanntlich  eine 
große  Seltenheit,  von  E.  Sulzbach.  E.  Greiz enach  schenkte 
ein  ziemlich  vollständiges  Skelett  der  ausgestorbenen  Dronte  von 
Mauritius. 

Bei  den  Bestimmungen,  besonders  der  amerikanischen  Bälge 
fand  die  Sektion  die  liebenswürdige  Unterstützung  des  Grafen 
vonBerlepsch.  Die  Umarbeitung  der  „wissenschaftlichen  Samm- 
lung" in  eine  Balgsammlung  wurde  bedeutend  gefördert;  die 
Bälge  wurden  frisch  etikettiert,  katalogisiert  und  in  die  neuen 
Schränke  eingeordnet.  An  dieser  Arbeit  beteiligten  sich  anfangs 
A.  Koch,  später  Frau  Dr.  H,  Löw-Beer  und  Frau  E.  Reichen- 
berger. 

3.  Reptilien  und  Amphibien. 
Zahlreiche  Museums-  und  Privatexkursionen  vermehrten  das 
Material  an  mitteleuropäischen  Kriechtieren  und  Lurchen.  An 
Geschenken  sind  besonders  hervorzuheben  wiederholte  prächtige 
Sendungen  aus  Kamerun  von  unserem  rührigen  Mitarbeiter  A. 
Haas,  Reptilien  und  Amphibien  aus  der  Umgebung  von  Neapel 
(Dr.  L.  Nick),  seltenere,  besonders  ostafrikanische  Arten  (Frl.  A. 
Fahr)   und  zahlreiche  schöne  Formen  vom  Zoologischen  Garten. 


—    52    — 

Durch  Kauf  gelangten  wir  in  den  Besitz  manches  wertvollen 
Stückes  aus  dem  Zoologischen  Garten,  so  besonders  der  aben- 
teuerlich gestalteten  Zottenschildkröte  (Chelys  fimbriata)  aus  dem 
Amazonas-Gebiet.  Durch  Tausch  wurden  seltene  Stücke  von  Prof. 
Dr.  Franz  Werner-Wien  erworben. 

4.  Fische. 

Aus  den  reichen  Zuwendungen  des  Jahres  ist  an  erster 
Stelle  ein  besonders  stattliches  Exemplar  des  brasilianischen 
Lungenfisches  Lepidosiren  jxiradoxus  zu  nennen,  ein  kostbares 
Geschenk  von  Frau  Geheimrat  Ed.  Oehler. 

Der  Sektionär  A.  H.  Wendt  läßt  es  sich  mit  unermüdlichem 
Eifer  angelegen  sein,  die  umfassend  angelegte  Sammlung  der 
Süßwasserfische  Mitteleuropas  durch  fortlaufende  Zuwendungen 
aus  den  verschiedenen  Gebieten  zu  bereichern.  Bei  der  Be- 
schaffung von  Material  aus  den  südlichen  Schweizer  Seen  und 
deren  Umgebung  wurde  er  durch  unseren  eifrigen  Mitarbeiter 
Dr.  P.  Murisier-Lausanne  unterstützt. 

Weiteren  Zuwachs  verdankt  die  Sektion  der  Biologischen 
Gesellschaft  für  Aquarien-  und  Terrarienkunde  (zahlreiche  aus- 
ländische Zierfische)  und  Dr.  Löw-Beer  (eine  umfängliche  Kol- 
lektion aus  der  Bucht  von  Madras). 

5.  Tunikaten. 

Die  Gruppe  hat  im  Berichtsjahr,  namentlich  an  Synascidien 
erheblich  zugenommen,  vor  allem  durch  die  eifrige  Sammeltätig- 
keit unseres  Mitarbeiters  Dr.  E.  Bannwar th  und  durch  die  uns 
als  Geschenk  überwiesenen  Dubletten  der  Deutschen  Südpolar- 
Expedition. 

6.  Mollusken. 

Der  Zettelkatalog  der  Sektionsbibliothek  erfuhr  dankenswerte 
Förderung  durch  die  gütige  Hilfe  von  Frl.  P.  Haas.  Die  Biblio- 
thek wurde  durch  Kauf  und  Tausch  vermehrt,  die  Neuordnung 
der  Sammlung,  soweit  bei  dem  Mangel  an  Schränken  möglich, 
fortgesetzt. 

Dr.  F.  Haas  begann  die  Bearbeitung  des  sehr  wichtigen 
Voeltzkowschen  Materials  aus  Madagaskar  und  den  benach- 
barten Gebieten. 

Dr.  C.  Boettger  bearbeitete  die  M  e  r  t  o  n  -  Ausbeute  und 
lieh,  wie  öfters,  seine  freiwillige  wertvolle  Hilfe  in  Sammlungs- 
angelegenheiten. 


—    53    — 

7.  Insekten. 

Die  Insektenschausammlimg  ist  durch  die  rege  Arbeit  der 
Sektionäre  rüstig  vorangeschritten.  Die  Aufstellung  der  deut- 
schen Koleopteren  (Prof.  von  Hey  den)  wurde  zu  Ende  geführt, 
nachdem  die  vorhandenen  Lücken  durch  Kauf  und  durch  Schenkung 
vieler  fehlender  Arten  (Prof.  von  Heyden,  Deutsch.  Entomolog. 
Museum-Dahlem)  möglichst  ausgefüllt  worden  waren.  Die  Auf- 
stellung der  allgemeinen  Käfersammlung  wurde  mit  Repräsen- 
tanten der  Carabiden  der  ganzen  Erde  begonnen.  Die  Hyme- 
nopteren-Sammlung  (A.  Weis)  wurde  durch  Ankauf  einer  Reihe 
von  Apiden  ergänzt.  Die  Sammlungen  der  einheimischen  Mikro- 
lepidopteren  (E.  Müller)  und  Dipteren  (Prof.  Sack)  wurden 
vollständig  und  in  der  Abteilung  für  Hemipteren  (Dr.  Guide) 
die  deutschen  Cicadinen  neu  aufgestellt. 

In  den  Wandschränken  des  Insektensaales  wurden  anatomische 
Präparate  und  biologische  Zusammenstellungen  untergebracht.  Sie 
stammen  zum  Teil  aus  der  alten  biologischen  Sammlung,  die  im 
Vorraum  aufgestellt  war;  großenteils  aber  sind  sie  neu  erworben 
oder  aus  dem  Material  der  Exkursionen  usw.  zusammengestellt. 
Einige  Entwicklungen  sind  im  Museum  gezüchtet  worden.  Die 
Insektenbauten-Sammlung  erfuhr  einen  wertvollen  Zuwachs  durch 
einen  Termitenhügel  {Termes  redtemanni  Wasmann),  den  Prof. 
H.  von  Buttel-Reepen  aus  Ceylon  mitgebracht  hat. 

Ferner  wurden  die  Kleinschmetterlinge  der  wissenschaftlichen 
Sammlung  geordnet,  die  Zusammenstellung  einer  Schausammlung 
exotischer  Schmetterlinge  vorbereitet  und  mit  der  Aufstellung 
einer  allgemeinen  Dipteren-Sammlung  begonnen,  sowie  in  der 
Abteilung  der  Neuropteren  und  Orthopteren  die  großen  Bestände 
an  unbestimmten  exotischen  Stücken  neu  geordnet. 

Zahlreiche  wertvolle  Geschenke  sind  der  Sektion  zugeflossen; 
besonders  erwähnt  seien  eine  Anzahl  neuer  oder  dem  Museum  feh- 
lender Koleopteren-Arten  von  Mouhot  bei  Alexandria  (A.  Andres 
im  Namen  der  Soc.  Entomolog.  d'  Egypte-Cairo),  einige  weitere 
Arten  aus  Ägypten,  darunter  der  neue  Bockkäfer  Macrotoma  höhmi 
Reitter  (Dr.  E.  B  a  n  n  w  a  r  t  h),  ein  Cerambyx  batus  L.,  aus  Brasilien, 
lebend  mit  Holz  in  Frankfurt  importiert  (A.  G  ö  b  e  1),  verschiedene 
Größen  des  Hirschkäfers,  (durch  Prof.  von  Heyden  von  Präpa- 
rator Kucharzik-Göblitz  angekauft  und  dem  Museum  über- 
wiesen), zahlreiche  Hymenopteren-Arten  (A.  Weis),  eine  große 
Sammlung  —  45  Kasten  —  paläarktischer  Schmetterlinge  (C.  S  opp), 


—    54    — 

sowie  reichhaltige  Kollektionen  von  Insekten  verschiedener  Ord- 
nungen aus  Turkestan  (K.  Küchler),  Paraguay  (Hauptmann 
A.  Fischer),  Nordwest-Kamerun  (A.  Diehl),  Ceylon  und  Indien, 
darunter  seltene  Termitengäste  (Dr.  Löw-Be er,  0.  Lotichius 
und  Geheimrat  A.  H  a  n  s  e  n).  Für  eine  Anzahl  Insekten  von  Ker- 
guelen  und  St.  Paul  (aus  dem  Material  der  Deutschen  Tiefsee- 
Expedition)  schulden   wir  Geheimrat  C.  Chun  besonderen  Dank. 

Außerdem  sind  größere  und  wertvolle  Ankäufe  von  Kole- 
opteren  aus  Deutsch-Südwestafrika  (von  Fr.  Schmitt),  Südafrika 
(von  Missionar  A.  Kling),  Sumatra  (von  Missionar  E.Schütz) 
und  Brasilien  (von  F.  Zikan),  sowie  an  exotischen  Syntomiden 
und  Hepialiden  (von  H.Rolle-Berlin)  erfolgt. 

Für  die  Aphanipteren- Sammlung  wurde  im  ganzen  Jahr 
Material  an  den  aus  dem  Zoologischen  Garten  eingelieferten 
Kadavern  abgelesen.  Zwölf  Arten  von  Flöhen  in  mikroskopischen 
Präparaten  wurden  von  A.  C.  0  u  d  e  m  a  n  s-Arnhem  erworben.  Sehr 
zu  begrüßen  ist  das  stärkere  Anwachsen  der  Apterygoten-Sammlung, 
der  die  Ausbeute  verschiedener  Exkursionen  zugute  gekommen  ist. 

Zur  Bestimmung  und  wissenschaftlichen  Bearbeitung  wurde 
Material  gesandt  an:  Prof.  0.  Schmiedeknecht-Blankenburg 
(Ichneumoniden  und  Braconiden),  Prof.  H.  H ab ermehl -Worms 
(die  Ichneumoniden  der  vonHeyden  sehen  Sammlung)  und  Lehrer 
O.  K  r  ö  b  e  r-Hamburg  (das  gesamte  Thereviden-Material).  Die 
Typen  folgender  neuen  Arten,  die  Kr  ob  er  in  seiner  Monographie 
der  Thereviden  veröffentlicht  hat,  befinden  sich  in  unserem 
Museum :  Thereva  algira,  Th.  semirufa,  Gaenozona  arcuatn  und 
Xestomyza  aureostria ta. 

8.  Krustazeen. 

Weit  über  200  Nummern  wurden  in  diesem  Jahre  in  die 
Sammlung  der  Zehnfußkrebse  durch  Dr.  A.  S endler  eingereiht. 
Hauptsächlich  gelangten  die  Dekapoden  zur  Bearbeitung,  die  von 
Dr.  Bannwarth  im  Roten  Meere,  von  Dr.  Löw-Beer  in  Cey- 
lon, von  Dr.  Nick  in  Neapel,  von  Dr.  Reichard  auf  den  west- 
indischen Inseln  und  von  Dr.  S  trüb  eil  in  Amboina  und  der 
Java-See  zusammengebracht  wurden.  Das  Material  ist  so  reich- 
haltig, daß  eine  völlige  Sichtung  noch  geraume  Zeit  in  Anspruch 
nehmen  wird. 

Mit  dem  Bestimmen  und  Ordnen  der  Maulfußkrebse  wurde 
begonnen.      Die   Bearbeitung    der   Amphipoden   hatte    schon   im 


—     55    — 

vorigen  Jahre  Frl.  H.  Reishaus  übernommen,  die  die  Sammlung 
ordnete  und  den  ganzen  Bestand  mit  Ausnahme  der  Caprelliden 
und  Hyperiiden  revidierte  oder  neu  bestimmte.  Nach  ihrem 
Wegzug  hat  Frl.  R.  Herzberg  die  definitive  Neukatalogisierung 
der  Amphipoden  und  die  Neuordnung  der  übrigen  Gruppen  der 
Malakostraken  mit  Ausnahme  der  Dekapoden  und  Stomatopoden 
weitergeführt.  An  niederen  Krebsen  ist  eine  Anzahl  parasitischer 
Copepoden  aus  dem  Mittelmeer  eingegangen. 

9.  Arachnoideen. 

Das  Eingangsjournal  verzeichnet  in  dieser  Gruppe  für  1912 
über  120  kleinere  Eingänge  von  den  verschiedensten  Orten,  mehr 
als  das  dreifache  des  Jahres  1911.  Die  auf  den  Expeditionen 
von  Dr.  J.  E 1  b  e  r  t ,  Dr.  H.  M  e  r  t  o  n  und  Dr.  E.  W  o  1  f  gesammelten 
Spinnen  sind  von  E.  Strand-Berlin  bestimmt  worden.  Derselbe 
bearbeitete  auch  vom  19.  August  bis  28.  September  im  Museum 
die  sämtlichen  noch  unbestimmten  australischen  und  asiatischen 
Spinnen,  unter  denen  sich  zahlreiche  neue  Arten  fanden.  Die 
Katalogisierung  und  Einordnung  des  neu  bestimmten  Materials 
besorgte  Frl.  T.  Wertheime r.  Die  Phalangiden  hat  A. Mülle r- 
Höchst  zur  Durcharbeitung  übernommen  und  dem  Museum  sein 
eigenes  Material  zur  Verfügung  gestellt.  Von  A.  C.  Oudemans- 
Arnhem  sind  39  für  uns  neue  Milbenarten  in  mikroskopischen 
Präparaten  gekauft  worden.  Unser  gesamtes  Gonyleptidenmaterial 
ist  am  Schluß  des  Jahres  an  Dr.  C.  Fr.  Röwer-Bremen  zur 
Revision  uud  Bestimmung  gesandt  worden. 

10.  Myriapotlen. 

Die  von  Dr.  H.  Merton  gesammelten  Diplopoden  sind  von 
Dr.  J.  Carl-Genf  bestimmt  worden.  Eine  seit  langer  Zeit  dringend 
nötige  Katalogisierung  und  vollständige  Etikettierung  unserer  über 
1000  Nummern  zählenden  Myriapodensammlung  ist  von  Frl. 
E.  Hobrecht  in  Angriff  genommen  und  großenteils  schon  durch- 
geführt worden. 

11.  Würmer. 

Auch  in  der  Abteilung  der  Würmer  haben  wir  mehr  als 
die  doppelte  Zahl  der  Eingänge  des  vorigen  Jahres  zu  verzeichnen 
(93  gegen  36).  Besonders  erfreulich  ist  der  Zuwachs  an  Chae- 
tognathen;  von  den  25  bekannten  Arten  erhielten  wir  14  von 
20  Fundstellen  aus  dem  Material  der  Deutschen  Südpolar-Expe- 
dition.     Ebendaher  stammen  auch  einige  füi*  uns   neue  Brachio- 


—    56    — 

poden.  Die  Schausammlung  der  Würmer  wurde  vollständig  um- 
gearbeitet, ergänzt  und  etikettiert;  um  die  Aufstellung  der  neuen 
Präparate  machte  sich  Frau  M.  Sondheim  besonders  verdient. 

12.  Ecliinodermen. 

Den  wichtigsten  Zuwachs  in  dieser  Abteilung,  die  im  Be- 
richtsjahr ebenfalls  im  ganzen  eine  sehr  erhebliche  Bereicherung 
erfahren  hat,  verdanken  wir  Geh.  Rat  Chun,  der  eine  größere 
Anzahl  Seeigel  von  der  Deutschen  Tiefsee-Expedition  schenkte. 
Unser  Mitarbeiter  Dr.  Bannwarth  verschaffte  uns  zahlreiche 
Echinodermen  des  Roten  Meeres,  meist  nach  einer  die  Farben 
gut  konservierenden  Trockenmethode  behandelt;  ein  großes  in 
der  Schausammlung  aufgestelltes  Gorgonenhaupt  gibt  ein  gutes 
Bild  davon. 

13.  Coelenteraten. 

Hier  ist  etwa  das  Fünffache  von  dem,  was  in  den  Jahren 
1910  oder  1911  gekommen  ist,  eingereiht  worden.  Prachtvolle 
Formen  verdanken  wir  Geh.  Rat  C.  Chun  aus  dem  Material  der 
Deutschen  Tiefsee- Expedition  und  Prof.  Vanhöffen  von  der 
Deutschen  Südpolar-Expedition.  Eine  große  Anzahl  von  Stein- 
korallen aus  dem  indischen  Ozean  schenkte  Dr.  0.  Löw-Beer; 
Coelenteraten  der  verschiedenen  Ordnungen,  darunter  gut  er- 
haltene große  Medusen,  schickte  uns  Dr.  Bannwarth  vom  Roten 
Meer;  auch  die  Sammlung  von  Coelenteraten  des  Mittelmeeres 
erfuhr  eine  erhebliche  Bereicherung.  Die  Schausammlung  zeigt 
manches  neue  Präparat. 

Hier  sei  auch  die  Aufstellung  des  von  Dr.  H.  Merton  ge- 
schenkten Planktonschrankes  in  der  Schausammlung  der  niederen 
Wirbellosen  erwähnt,  wenn  auch  nicht  alle  der  darin  aufgestellten 
Organismen  den  Coelenteraten  angehören. 

14.  Protozoen, 
Frau  M.  Sondheim  setzte  ihre  Studien  an  den  Kulturanlagen 
von  Schlammproben  aus  Madagaskar  (Reise  Voeltzkow)  fort. 

15.  Vergleichende  Anatomie. 
Außer    durch    zahlreiche    kleinere    Objekte    fand    die    ver- 
gleichend-anatomische   Sammlimg    einen   bemerkenswerten   Zu- 
wachs   durch    die    Fertigstellung    mehrerer   äußerst  instruktiver 
Präparate  von  verschiedenen  Organen  des  im  vorigen  Jahre  von 


—    57     — 

Direktor  Ch.  Krone  geschenkten  indischen  Elefanten.  Beson- 
ders hervorzuheben  ist  die  Hälfte  des  Unterkiefers  mit  fertigem 
und  kommendem  Backenzahn,  durchschnittene  Backenzähne,  ein 
Stoßzahn  mit  Papille  (von  E.  Cnyrim  präpariert),  sowie  das 
Gehörorgan  und  verschiedene  Skeletteile.  Von  Inspektor  L.  Lang 
erhielten  wir  eine  Sammlung  pathologisch-histologischer  Präpa- 
rate, die  uns  als  Vergleichsmaterial  von  großem  Wert  ist,  von 
Dr.  Bücheier  einige  menschliche  Embryonen.  E.  Creizenach 
verdankt  die  Skelettsammlung  die  Weiterführung  ihrer  Ordnung 
und  Katalogisierung. 

II.  Botanische  Sammlung. 

Die  Sammlung  ist  jetzt  fertig  aufgestellt;  eine  besondere 
Vermehrung  hat  sie  dadurch  erfahren,  daß  ihr  von  Geh.  Rat 
A.  Hansen-Gießen  ein  reiches  Material  aus  Ceylon  überwiesen 
wurde :  36  Nummern  von  Alkoholpräparaten,  48  Nummern  trockener 
Pflanzen  und  Pflanzenteile  und  47  Nummern  tropischer  Hölzer. 
Durch  Kauf  wurden  zwei  Früchte  der  Kigelia  africana  von  Dr. 
E.  Bann  war  th-Cairo  erworben.  Geschenke  wurden  überwiesen 
von:  Frl.  M.Bauer,  Dr.  F.  Becker,  H.Berg,  Dr.  W.  F.  Bruck- 
Gießen,  stud.  K.  Decke rt,  A.  Diehl,  Dr.  F.  D r e v e r m a n n ,  Bot. 
Museum-Hamburg,  Handelskammer,  Prof.  L.  von  Hey  den,  E. 
Hörten-Bad  Homburg  v.  d.  H.,  Frau  M.  Jung  mann,  Prof.  W. 
Kobelt-Schwanheim,  A.  J.  van  Laren-Amsterdam,  Lowitz- 
London,  Amtsrichter  A.  M e y  e r-Gummersbach,  R.  Moll,  F.  Mül- 
ler, Dr.  L.  Nick,  Palmengarten,  Dipl.-Ing.  P.  Prior,  Dr.  F.  Ra- 
w  i  t  s  c  h  e  r-Freiburg,  Frl.  H.  Reishaus,  J.  Richter,  Ingenieur 
R.  Rintelen-Münster,  San.-RatE.Roediger,Geh.RatH.Schenck- 
Darmstadt,  Dr.  R.  Schenck,  K.  Schwebel-Worms,  M.  Seelig, 
Frau  Stahl,  Versuchsgarten,  Frau  A.  Weber-van  Bosse- 
Amsterdam,  Dr.  F.  W.  Winter.  Unter  diesen  Geschenken  sind 
besonders  hervorzuheben  eine  reichhaltige  Sammlung  tropischer 
Früchte  (Dr.  W.  F.  Brück),  ein  prächtiges  Exemplar  von  Sarco- 
caulon  rigidum  aus  Südafrika  (Ingenieur  Rintelen)  und  zwei 
Stammscheiben  einer  Zeder,  die  Gärtner  F.  Müller  aus  seinem 
Garten  gestiftet  hat. 

Das  Herbarium  wurde  einer  Durchsicht  und  Umordnung 
imterzogen.  Durch  Kauf  erworben  wurden:  Merrill,  Plantae 
Insularum  Philippensium   Cent.  V-X,   durch  Tausch  2  Centurien 


—    58    — 

südafrikanischer  Pflanzen  von  Prof.  H.  S  c  h  i  n  z-Zürich.  Auch  das 
cecidologische  Herbarium  von  Grevillius  und  N i e s s e n  wurde 
der  botanischen  Sektion  überwiesen.  An  M.  R.  Hamet-Paris 
wurde  ein  Faszikel  Crassulaceen  zu  wissenschaftlichen  Unter- 
suchungen leihweise  geschickt. 

Die  Lehrsammlung,  die  aus  Pflanzenmaterial  zur  Unter- 
suchung und  Demonstration,  aus  mikroskopischen  Präparaten,  Ab- 
bildungen und  Wandtafeln  besteht,  wurde  in  allen  Abteilungen 
vermehrt.  Der  Hilfsarbeiter  Schell  hat  sich  mit  dem  Mikrotom 
eingearbeitet  und  eine  große  Anzahl  guter  Präparate  hergestellt. 
Beiträge  zu  dieser  Sammlung  haben  ferner  geliefert:  Frau  L. 
Cayard,  Dr.  F.  Rawitscher,  Geh.  Rat  H.  Schenck  und  Dr. 
R.  Schenck.  Abbildungen  haben  geschenkt:  B.  Haldy-Geln- 
hausen,  L.  Hallbach,  H.  Jungmann  und  Dr.  F.  W.  Winter. 
Auch  eine  Sammlung  von  Botaniker-Portraits  ist  angelegt  worden 
und  umfaßt  bereits  100  Nummern.  Frau  K.  Koch  hat  die  einge- 
rahmte Photographie  ihres  verstorbenen  Gatten,  unseres  früheren 
Mitarbeiters,  geschenkt. 

Die  Sektionsbibliothek  wurde  vermehrt  durch  Schenkungen 
von:  Brooklyn  Botanic  Garden,  Chem.  Fabrik  Flörsheim  Dr.  Nörd- 
linger,  Prof.  E.  Gilg-Berlin,  Bot.  Institut-Hamburg,  Frl.  Dr. 
Knischewsky,  Prof.  Th.  Neumann,  Fr.  Schaefer,  Prof. 
Schinz-Zürich,  Dr.  G.  Schott,  College  of  Agriculture-Tokio, 
U.  S.  National  Museum-New-York. 

Das  Laboratorium  wurde  zu  mikroskopischen  Arbeiten  be- 
nutzt von  stud.  Adler,  stud.  Jeidel,  Dr.  F.  Meyer,  Dr.  F. 
Rawitscher  und  Dr.  R.  Schenck. 


III.  Paläontologisch-geologische  Sanimluiig. 

In  der  Schausammlung  sind  eine  Anzahl  neuer  Objekte  aus- 
gestellt, andere,  besonders  Säugetierreste,  neu  montiert  worden. 
Den  freundlichen  Mitarbeitern  Frl.  L.  Baerwald  (Wirbeltiere), 
Dr.  E.  Helgers  (tertiäre  Zweischaler),  Stadtschulinspektor  A. 
Henze  (Kreide),  Frl.  E.  Hüther  (Trias)  und  Frl.  B.  Turk  (tertiäre 
Gastropoden)  sind  wesentliche  Fortschritte  in  der  Durcharbeitung 
der  Sammlungsbestände  zu  danken.  Frl.  M.Kay  ß  er  katalogi- 
sierte den  größten  Teil  der  Handbibliothek;  Frl.  I.  und  A.  Lich- 
tenstein, Frl.  A.  Pfaff,  Frau  L  Rolfes-v.  Sachs,  Frl.  H.Sonn- 
tag, Frl.  E.Walker  und  Frl.  M.  Weydt  fertigten  eine  Fülle 


—    59    — 

neuer  instruktiver  Wandtafeln  für  die  Vorlesung  und  erklärender 
Bilder  für  die  Schausammlung  an. 

Sammlungsmaterial  wurde  zur  Bestimmung  und  wissenschaft- 
lichen Bearbeitung  ausgeliehen  an:  Th. Crecelius-Lonsheim, 
(Ostracoden  des  Mainzer  Tertiärs),  Prof. H. Engelhard t-Dresden 
(Pflanzen  von  Salzhausen  und  Bilin),  A.Franke-Dortmund  (Fora- 
miniferen  aus  dem  Mainzer  Becken),  Prof.  F.  Frech-Breslau 
(Carbonfossilien  aus  Kleinasien),  C.  J  o  o  ß-Stuttgart,  (Landschnecken 
aus  dem  Quercy,  Miozänfauna  von  Undorf  bei  Regensburg),  Dr. 
W.  Paeckelmann-Marburg  (oberdevonische  Ostracoden),  Prof. 
W.  von  Reich enau-Mainz  (Pferde  von  Mosbach),  Dr.  von 
Schönau-München  (Kieselhölzer  und  Blattabdrücke  aus  dem 
ägyptischen  Tertiär),  Dr.  J.  Schuster-München  (Rätflora  von 
Bayreuth),  Dr.  E.  Schwarz  (Schädel  von  Palhyaena),  Prof.  A. 
Steuer- Darmstadt  (Zweischaler  von  Weinheim  bei  Alzey),  Prof. 
E.  Stromer-München  (Wirbeltierreste  und  Gesteine  aus  dem 
Pliozän  des  Uadi  Natrun),  Prof.  E.  Studer-Bern  {Hipparion- 
Schädel),  cand.  geol.  H.  We gele- Göttingen  (Mastodonzahn  aus 
Oberitalien,  miozäne  Süßwassergastropoden  aus  der  Nachbarschaft), 
Dr.  W.  Wenz  (Clausilien  von  Undorf  und  Mörsingen)  und  Dr. 
A.  Wurm -Heidelberg  (Pferdereste  von  Mosbach). 

Eine  Anzahl  Publikationen  beruht  ganz  oder  teilweise  auf 
Material  aus  dem  Museum: 

F.  B  r  0  i  1  i ,  Palaeontographica  Bd.  59  (Schädel  von  Placodus 
aus  dem  Muschelkalk), 

M.  Coßmann,  Essays  de  Paleoconchologie  comparee  Bd.  9 
(Tertiäre  Sealarien), 

F.  Kinkelin,  Abhandlungen  der  Senckenb.  Naiurforsch.  Ge- 
sellschaft Bd.  31  (üntermiozäne  Geweihreste  —  Tiefbohrung  bei 
Hattersheim), 

R.  Richter,  ebenda  (Devonische  Trilobiten), 
0.  Schmidtgen:   Zoologische  Jahrbücher  XV,  2   (Becken 
von  Halitherium)  und  Notizblatt  des  Vereins  für  Erdkunde  Darm- 
stadt Bd.  4,32  {Microtus  von  Mosbach), 

W.  So  er  gel:  Palaeontographica  Bd.  60  (Elefanten  von 
Mosbach), 

G.  Ulm  er:  Beiträge  zur  Naturkunde  Preußens  Heft  10 
(Trichopteren  des  Bernsteins),  und 

A.  Wurm:  Verhandlungen  d.  Naturhistor.  Med.  Vereins  Hei- 
delberg Xn  {Rhinoceros  von  Mosbach). 


—     60     — 

Das  schnelle  Wachstum  der  paläontologisclien  Sammlungen 
ist  vor  allem  den  nachstehend  aufgezählten  Gönnern  zu  danken: 
Sektionsingenieur  H.  Albrecht-Bagdad,  Dr.  R.  Askenasy, 
Prof.  I.  H.  Bechhold,  Maschineninspektor  G.  Bender,  Prof. 
0. Blumenthal-Aachen,  Dr.  C.Boettger,  Oberlehrer  H. Busch- 
meyer,  E.  Creizenach,  H.  V.  Dahle m-Aschaf f enburg,  Frau 
L.  Erlanger,  Forstrat  A.  E u  1  e f e  1  d-Lauterbach,  Baumeister 
E.  Feil-Bagdadbahn,  K.Fischer,  Direktor  E.  Fran  ck,  Bau- 
unternehmer A.  Glock,  K.  Graubner-Höchst,  M.  Güldner- 
Chemnitz,  A.  von  G w i n n e r-Berlin,  E.  Heinz,  Stadtschulin- 
spektor A.  Henze,  Seine  Hoheit  Prinz  Friedrich  Karl  von 
Hessen,  Frl.  E.  Hüther,  C.  Jooß-Stuttgart,  A.  K a h  1  e r-Hanau, 
San.-Rat  C.  Kaufmann,  Missionar  H.  Kling-Namaqualand,  Rek- 
tor A.  Kuno,  R.  E.  Liesegang,  Prof.  E.  Marx,  Berginspektor 
K.Müller,  Bergingenieur  H.  Oehmichen,  R.  P  a  a  1  z  o  w-Nürn- 
berg,  Dipl.-Ing.  P.Prior,  H.  Reic  h-Nerchau,  Direktor  O.Rhein- 
h  0 1  d-Hannover,  Prof.  F.  Richters,  Geheimrat  O.Riese,  Prof. 
F.Simon,  A.  von  Steiger,  H.  Stiebel,  Regierungsbaumeister 
W.  Theiß,  Städtisches  Tiefbauamt,  Sir  Julius  Wernher(t)- 
London. 

Den  starken  Zuwachs  der  paläontologisch -geologischen 
Handbibliothek  verdanken  wir  Oberbergrat  L.  von  Ammon- 
München,  Dr.  Ch.  W.  Andrews-London,  Prof.  N.  Andrussow- 
Kiew,  Dr.  Th.  Arldt-Radeberg,  Prof.  G.  von  Arthaber-Wien, 
Prof,  W.  Ben  ecke -Straßburg,  Prof.  L  Bergeron-Paris,  Prof.  G. 
Bodenbender-Cordoba,  Prof.  J.  Bö  hm -Berlin,  Dr.  A.Born- 
Freiburg,  M.  de  Boury- Paris,  Dr.  J.  von  B  u  b  n  o  f  f  -  Freiburg, 
Prof.  W.  Deecke-Freiburg,  Dr.  G.  Ender  lein- Stettin,  Prof.  J. 
Felix-Leipzig,  K.  Fischer,  Dr.  C.  Gaillard-Lyon,  L  Z.  Gilbert- 
Los  Angeles,  Dr.  M.  Gortani-Turin,  Dr.  D.  Haeberle-Heidelberg, 
Prof.  A.  Heim-Zürich,  B.  Helland-Hansen-Bergen,  Prof.  L.  von 
H  e  y  d  e  n ,  Dr.  R.  T.  J  a  c  k  s  o  n-Boston,  Dr.  M.  J  o  n  g  m  a  n  s-Leyden, 
Prof.  F.  Kinkel  in,  Dr.  F.  K 1  u  t  e-Freiburg,  Prof.  W.  Kobelt- 
Schwanheim,  Dr.  R.  L  Kowarzik-Weißkirchen,  Geheimrat  H. 
Loretz,  Dr.  R.  Neumann-Freiburg,  Dipl.-Ing.  Dr.  P.  Neu- 
meiste  r-Hamburg,  Prof.  H.  F.  0  s  b  o  r  n-New  York,  Dr.  M.  R  e  m  e  s- 
Olmütz,  Frau  L  R  o  1  f  e  s ,  Prof.  A.  R  z  e  h  a  k-Brünn,  Dr.  G.  S  c  h  1  e- 
singer-Wien,  Städtisches  Schulmuseum,  Dr.  W.  Soergel-Frei- 
burg,  Dr.  A.  Spitz-Freiburg,  Privatdozent  Dr.  H.  von  Staff- 
Berlin,    Dr.  H.  G.   Stehlin-Basel,    Geheimrat    G.  Stein  mann- 


—    61    — 

Bonn,  Dr.  K.  Stierlin-Freiburg,  Prof.  K.  Stolz-Darmstadt,  Hof- 
rat  F.  Toula-Wien,  Dr.  E.  Vincent-Brüssel,  Dr.  W.  Wenz, 
Prof.  C.  Wiman-Upsala,  Dr.  F.  W.  Winter. 

Die  Beschaffung  einer  Anzahl  Separatenkästen  wurde  durch 
eine  freundliche  Spende  von  Ingenieur  A.  Askenasy  und  Frau 
A.  Salin  ermöglicht. 

1.  Säugetiere  und  Vögel. 

Der  Zuwachs  stammt  aus  dem  Diluvium  von  Weimar,  dem 
Rheinland  und  Kalifornien,  aus  dem  Tertiär  des  Westerwaldes, 
der  Insel  Samos,  von  Südfrankreich,  Ägypten  und  Nordamerika. 
Hier  ist  vor  allem  als  wertvollste  Erwerbung  des  Jahres  ein 
Skelett  von  Phenacodus  primaevus  Cope  zu  erwähnen,  das  nach 
dem  Originalmaterial  Copes  in  New  York  ergänzt  und  montiert 
und  von  Prof.  0.  Blumen  thai  zum  Andenken  an  seinen  ver- 
storbenen Vater  San.-Rat  E.  Blumenthal  geschenkt  wurde. 
Weiterhin  sind  die  Erwerbungen  aus  dem  ägyptischen  Eozän 
hervorzuheben,  besonders  ein  prachtvoller  Zeuglodon-^QMidie\ 
ein  Geschenk  von  San.-Rat  C.  Kaufmann,  sowie  einige  seltenere 
Wirbeltiere  aus  dem  Pliozän  von  Samos,  die  unser  korrespon- 
dierendes Mitglied  A.  von  Gwinner  für  uns  erwarb. 

Aus  der  Sammlung  O.Emmerich  wurde  ein  Skelett  von 
Diceratherium  minutmn  Cuv.  präpariert  und  teilweise  ergänzt ;  es 
wird  im  laufenden  Jahre  montiert  und  ausgestellt  werden. 

2.  Reptilien  und  Amphibien. 

Die  Präparation  des  großartigen  TVacAoc^o/z-Skeletts,  eines 
kostbaren  Geschenkes  von  Dr.  A.  von  Weinberg,  (vergl.  43. 
Bericht,  Seite  51)  war  das  ganze  Jahr  hindurch  die  Hauptbe- 
schäftigung des  Präparators,  der  eine  Vorderextremität  und  den 
prachtvoll  erhaltenen  Schädel  fertigstellen  konnte. 

Als  Geschenke  sind  hervorzuheben:  ein  ausgezeichneter 
Schädel  von  Tremaiosaurus  aus  dem  Buntsandstein  von  Bern- 
burg (Prof.  L.  E dinger),  eine  große  Zahl  von  Reptilresten  aus 
dem  Muschelkalk  von  Bayreuth,  ein  fragmentäres  Plesiosaurier- 
skelett  aus  dem  englischen  Lias,  sowie  ein  schöner  Pelagosaurus- 
Schädel  von  Holzmaden  (A.  von  Gwinner)  und  ein  mächtiger 
Tomistoma-^ohMel  aus  dem  Eozän  von  Ägypten  (E.  Heinz).  Die 
kurz  vor  seinem  Tode  erfolgte  Spendung  eines  beträchtlichen 
Geldbetrages  durch  Sir  JuliusWernher  ermöglichte  den  An- 


—     62    — 

kauf    eines   guten    2^?//osr/7/?v/s-Skeletts    und    eines    Platecarpus- 
Schädels  aus  der  oberen  Kreide  von  Nordamerika. 

3.  Fische. 

Die  Neuerwerbungen  stammen  aus  der  Kieseiguhr  der  Lüne- 
burger Heide,  dem  Jura  von  Holzmaden,  der  Trias  von  Süd- 
deutschland und  der  Karroo,  dem  Perm  des  Saarreviers,  sowie 
dem  Oberdevon  von  Wildungen  und  dem  Dillenburgischen.  Be- 
sondere Erwähnung  verdienen  die  von  A.  von  Gwinner  ge- 
schenkten, ausgezeichnet  erhaltenen  Fische  aus  dem  Muschelkalk 
von  Bayreuth,  sowie  ein  mächtiger  Flossenstachel  aus  dem  glei- 
chen Horizont  von  Crailsheim  (Frl.  E.  Hüther). 

4.  Mollusken. 
Der  Zuwachs  kommt  aus  dem  Diluvium  von  Weimar,  dem 
Tertiär  von  Schleswig-Holstein,  Süddeutschland,  dem  Westerwald, 
dem  Wiener  Becken,  Frankreich  und  Kleinasien,  der  Kreide  von 
Norddeutschland,  dem  Jura  von  Metz,  von  Norddeutschland,  den 
Nordalpen  und  England,  der  Trias  von  Süddeutschland  und  der 
Herzegowina,  dem  Untercarbon  des  Rheinischen  Gebirges  und 
Kleinasiens,  sowie  dem  Devon  des  Rheinlandes. 

,5.  Arthropoden. 
Die  Neuerwerbungen  stammen  aus  dem  Tertiär  Belgiens, 
dem  Untercarbon  von  Herborn  und  Aprath,  dem  Devon  von  Dill, 
Lahn  und  der  Gegend  von  Elberfeld,  sowie  dem  Untersilur  der 
baltischen  Provinzen.  Der  Sektionär  Dr.  R.  Richter  sammelte 
im  Oberdevon  von  Oberscheid  und  im  Mitteldevon  der  Eifel.  Die 
Ankäufe  aus  dem  Devon  der  Eifel,  eine  durch  Tausch  erworbene 
Untersilur-Suite  und  die  von  Rektor  A.  Kuno  geschenkten  De- 
chenellen  aus  dem  Devon   des  Rheinlandes   verdienen  besonders 

genannt  zu  werden. 

6.  Brachio3)oden. 

Ergänzungen  aus  dem  Culm  von  Herborn  und  Aprath,  dem 
Untercarbon  Kleinasiens,  dem  Devon  des  Taunus  und  der  Lahn- 
gegend, von  Elberfeld,  Belgien  und  Kleinasien,  sowie  aus  dem 
baltischen  Untersilur  wurden  eingereiht.  Hervorzuheben  ist  eine 
große  Sammlung  aus  dem  Untercarbon  von  der  Bagdadbahn,  ein 
Geschenk  von  Geheimrat  Dr.  0.  Riese. 

7.  Echinodermen. 

Eine  prachtvolle  Pentacrinus-PldiXiG  von  Holzmaden,  sowie 
eine    Muschelkalkplatte    mit   über    100   Dadocrinus  gracilis  von 


—    63    — 

Gogolin,  Oberschlesien,  sind  hervorragende  Geschenke  von  A. 
von  Gwinner.  Eine  Anzahl  Seeigel  stammt  aus  dem  Miozän 
Kleinasiens. 

8.  Coelenteraten. 

Die  Sammlung  vermehrte  sich  durch  einige  Stücke  aus  der 
Kreide  Norddeutschlands,  dem  Jura  von  Schwaben,  dem  Devon 
der  Rheinlande  und  dem  Untersilur  des  Norddeutschen  Erraticums. 

9.  Protozoen. 

Ein  riesiger  Nummulitenkalkblock  von  der  Cheops-Pyramide 
bei  Gizeh  wurde  im  Lichthofe  aufgestellt,  ein  großes  Stück  Schreib- 
kreide von  Rektor  A.  Kuno  für  die  Schausammlung  geschenkt. 

10.  Pflanzen. 

Neue  Pflanzenreste  aus  der  Kieseiguhr  von  Lauterbach  und 
der  Lüneburger  Heide,  aus  dem  Tertiär  des  Vogelsbergs  und 
aus  Böhmen,  dem  Perm  von  Chemnitz  und  Böhmen,  dem  Carbon 
von  Baden,  Herborn  und  Osnabrück  bedeuten  eine  wesentliche 
Bereicherung.  Ein  mächtiger  verkieselter  Baumstamm  von  Wo- 
dolow  bei  Nachod,  Böhmen,  wurde  von  Seiner  Hoheit  Prinz 
Friedrich  Karl  von  Hessen  überwiesen;  ein  prachtvoller 
angeschliffener  Psaronius  ist   ein   Geschenk  von  M.  Güldner. 

11.  Lokalsammlung. 

Die  Zahl  der  Funde  in  der  Nachbarschaft  nimmt  wieder 
einen  großen  Teil  des  Zuwachses  ein.  Zahlreiche  diluviale  und 
tertiäre  Säugetierreste  aus  der  näheren  und  ferneren  Umgebung, 
Schildkrötenreste  von  Münzenberg  und  Weinheim,  Fische  von 
Flörsheim,  sowie  Vertreter  der  meisten  Klassen  der  Wirbellosen 
bis  zu  den  Protozoen  hinab  wurden  eingereiht.  Wir  gedenken 
alljährlich  dankbar  der  stets  bereitwilligen  Unterstützung  durch 
das  städtische  Tiefbauamt  und  seine  Beamten,  sowie  der  zahl- 
reichen Privatsammler,  durch  die  mancher  wertvolle  Fund  in 
das  Museum  gelangte. 

12.  Allgemeine  Geologie. 

Einige  Strandbildungen  von  der  Küste  des  Roten  Meeres 
wurden  erworben,  eine  Anzahl  Lichtbilder  von  Korallenriffen  der 
Südsee  von  Bergingenieur  Pilz  geschenkt. 


—     64     — 

IV.  3Iineralogisch-petrographische  Saiiimliing. 

Berginspektor  K.  Müller  hat  auch  im  verflossenen  Jahr 
den  Sektionär  in  der  Instandhaltung  der  Sammlung  bereitwilligst 
unterstützt;  insbesondere  hat  er  die  Aufstellung  der  Stufen  für 
die  Erzlagerstättensammlung  soweit  gefördert,  daß  sie  wohl  bald 
vollendet  sein  wird. 

Für  Geschenke  an  Mineralien  und  Gesteinen  dankt  die  Ge- 
sellschaft folgenden  Gönnern  auf  das  verbindlichste:  Ing.  A.  As- 
kenasy,  Prof.  J.  H.  Bechhold,  Direktor  J.  Bonhöte-Ober- 
Roßbach,  Ing.  0.  Brie  de-Radauthein  (Kärnthen),  Dr.  P.Burg  er- 
Baumholder,  Direktor  Carrier-Paris,  A.  Chabaud-Murtany, 
Kommerzienrat  Cloos-Nidda,  Dr.  F.  Drevermann,  R.  Forst- 
ström, J.Fritz-Hanau,  Ing.  H.  W.  Engel-Hamburg,  Frau  von 
Gosen,  A.  von  G winner-Berlin,  Graf  F.  von  Hochberg- 
Schloß  Haibau  (Niederschlesien),  Frau  Ch.  Istel-Paris,  Frl.  E.  von 
Jasmund,  Dr.  H.  Lotz-Berlin,  A.  Liebreich-Weidenau  a.  d. 
Sieg,  R.  E.  Liesegang,  Dr.  0.  Lotichius,  F.Metzger,  Berg- 
verwalter M  ö  b  u  s  -  Dillenburg,  Berginspektor  K.  Müller,  Kur- 
direktor A.  Mulli-Rohitsch-Sauerbrunn,  Dr.  R.  Mylius,  K. 
Ochs,  W.  Papenkort-Rombach,  Dipl.-Ing.  P.  Prior,  Dr. Schloß- 
macher, der  Schlesischen  Aktiengesellschaft  Lipine  und  der 
Zentrale  für  Bergwesen-Düsseldorf. 

Unter  den  Geschenken  zeichnen  sich  durch  Reichhaltigkeit 
und  Wert  wieder  die  großartigen  Zuwendungen  des  unermüd- 
lichen Gönners  und  Förderers  der  Museumssammlungen,  unseres 
korrespondierenden  Mitgliedes  A.  von  Gwinner,  aus,  unter 
denen  nur  wenige  an  dieser  Stelle  genannt  sein  mögen:  50  El- 
baner Turmalinkristalle,  13  z.  T.  zonar  gebaute  Turmalinquer- 
schnitte  verschiedener  Fundorte,  ein  flächenreicher  Beryll,  eine 
ausgezeichnete  Mineralserie  von  Tsumeb  (Deutsch-Südwestafrika), 
eine  ganz  hervorragende  Gangbreccie  mit  schaligem  Kupfergrün 
und  Malachit  aus  der  Landschaft  Katanga  am  Kongo,  ein  Riesen- 
block von  Kupferkies  mit  Eisenspat  u.  a.  von  der  Omorigrube 
(Japan)  und  eine  Serie  prächtiger,  geschliffener  Gesteinsplatten 
und  Erzgangstufen  verschiedener  Fundorte. 

Frau  Ch.  Istel  verdanken  wir  durch  Vermittelung  ihres 
Bruders  E.  Creizenach  einen  116  Karat  schweren  geschliffenen 
Topas,  A.  Chaubaud  eine  mexikanische  Silbererzstufe,  die  für 
etwa  Mk.  100. —  Silber  enthält,   A.  Liebreich  eine  ausgezeich- 


—    65    — 

nete  Serie  Sieger  Gangstiifen,  die  den  Übergang  von  Eisenspat 
in  Roteisen  vortrefflich  erkennen  lassen.  R.  E.  Liesegang 
schenkte  entzückende  Platten  zur  Demonstration  seiner  Achat- 
bildungstheorie und  zwei  Präparate  mit  Goldkriställchen,  die  aus 
goldchloridhaltiger  Kieselgallerte  reduziert  sind,  Graf  von  Hoch- 
berg ausgezeichnete  australische  Edelopale  und  opalisierte 
Schneckenschalen. 

Durch  Tausch  erhielten  wir  schwäbische  Mineralien  von  Bau- 
rat   S  c  h  m  i  d  t  -  Stuttgart    und    von    Dr.   Laub  mann- München. 

Dem  Landesgeologen  Prof.  Dr.  Klemm-Darmstadt  hat  die 
Gesellschaft  wieder  eine  Reihe  instruktiver  geschliffener  Gesteins- 
platten aus  dem  Odenwald  zu  verdanken,  die  von  ihm  gesammelt 
wurden,  und  für  die  wir  nur  die  Schleifkosten  zu  tragen  hatten. 

Durch  Kauf  wurden  neiie  Mineralien  von  Dr.  Krantz-Bonn, 
der  Mineralien-Niederlage  der  Sächsischen  Bergakademie-Frei- 
berg, Lehrer  Wagner-Saarbrücken,  Sonnt ag-Staßfurt,  Seibert- 
0.  Lahr  und  Missionar  Kling  erworben.  Auch  wurde  ein  Abbe- 
Pulfrichsches  Totalrefraktometer  angeschafft. 

A.  von  Gwinner  hat  einen  ansehnlichen  Betrag  für  die 
Erwerbung  von  Einschlüssen  in  den  Eifelauswürflingen  und  Laven 
freundlichst  zur  Verfügung  gestellt. 

Mehrere  Herren  beschäftigten  sich  mit  mineralogischen  oder 
petrographischen  Studien. 


—    66 


Philipp  Steffan 

geb.  10.  II.  1838  zu  Frankfurt  a.  M.,  gest.  30.  XII.  1912  zu  Cassel. 


Über  ein  halbes  Jalirhundert  hat  Dr.  Steffan  unserer 
Senckenbergischen  Gesellschaft  angehört:  am  28.  Dezember  1861 
wurde  er  zum  arbeitenden  Mitglied  ernannt,  1899  trat  er  bei 
seiner  Übersiedelung  nach  Marburg  in  die  Reihe  der  korrespon- 
dierenden Mitglieder  über. 

Vor  allem  war  es  die  Senckenbergische  Bibliothek,  der 
Steffan  als  Administrator  der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung, 
sowie  als  Mitglied  unserer  Gesellschaft  und  der  Bibliothekskom- 
mission des  Ärztlichen  Vereins  seine  Fürsorge  mit  unermüdlichem 
Eifer  zuwandte,  und  deren  Geschichte  er  in  unserem  „Bericht" 
1899  ausführlich  geschildert  hat.  Sein  großherziges  Interesse 
an  der  weiteren  Entwicklung  der  Bibliothek  hat  ihn  bestimmt, 
in  seinem  letzten  Willen  die  Dr.  Senckenbergische  Stiftung  mit 
einer  ansehnlichen  Summe  zu  bedenken. 

Dem  großen  Kreis  unserer  Mitglieder  ist  Steffan  durch  die 
anregenden  Vorträge  bekannt  geworden,  die  er  in  unseren  wissen- 
schaftlichen Sitzungen  gehalten  hat.  Unvergessen  ist  sein  interes- 
santer Vortragszyklus  aus  den  Jahren  1896  bis  1898  über  die  Ent- 
stehung und  Entwicklung  der  Sinnesorgane  und  Sinnestätigkeiten 
im  Tierreich.  Zur  Erläuterung  des  Vorgetragenen  hat  sich  Stef- 
fan dabei  eines  bis  dahin  in  unserer  Gesellschaft  noch  nicht  ge- 
übten Verfahrens  bedient,  indem  er  selbstverfertigte,  mit  Tusche 
auf  Glas  gezeichnete  Bilder  mittels  des  Szioptikons  projizierte. 

In  treuer  Anhänglichkeit  an  unsere  Gesellschaft  hat  Steffan 
—  schon  schwer  ki'ank  —  am  13.  Oktober  1907  der  feierlichen 
Eröffnung  unseres  Museums  beigewohnt:  damals  haben  wir  den 
alten  Freund  zum  letztenmal  in  unserer  Mitte  gesehen! 

Philipp  Steffan  war  der  Sohn  eines  Frankfurter  Gold- 
schmieds. Er  studierte  in  Erlangen  Medizin  und  war  bei  den 
damals  berühmtesten  Augenärzten  Graefe  in  Berlin  und  Arlt 
in  Wien  Assistent.  1861  ließ  er  sich  in  seiner  Vaterstadt  als 
Arzt  nieder,  und  zwar  als  erster  Arzt,  der  sich  ausschließlich 
mit  Augenkranken  beschäftigte.   Hier  gründete  er  die  Steffan- 


5* 


—    69    — 

sehe  Augenheilanstalt  (Holzgraben  16)  für  Unbemittelte  und  seine 
Privatklinik  (Krögerstraße  8).  Beide  Anstalten  leitete  er  dreißig 
Jahre  lang  und  hat  gewissenhaft  wie  in  seinem  ärztlichen  Han- 
deln auch  statistisch  genaue  Angaben  hinterlassen;  nach  diesen 
betrug  die  Zahl  der  unentgeltlich  behandelten  und  operierten 
Augenkranken  in  diesen  dreißig  Jahren  66830:  eine  Leistung, 
füi-  die  ihm  wahrlich  die  Bevölkerung  Frankfurts  und  die  Stadt- 
gemeinde eine  Bürgerkrone  schulden!  Auch  literarisch  war 
Steffan  tätig;  zahlreiche  kasuistische  Mitteilungen  aus  seinem 
Spezialgebiet  hat  er  im  Archiv  für  Augenheilkunde  und  in  den 
klinischen  Monatsblättern,  eine  große  Arbeit  über  Staroperation 
in  Graefes  Archiv  veröffentlicht.  Er  war  1880  Vorsitzender 
des  Ärztlichen  Vereins,  von  1884  bis  1899  Mitglied  der  Admini- 
stration der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung;  in  zwei  "Wahlperi- 
oden berief  ihn  das  Vertrauen  der  Arzte  des  Regierungsbezirks 
Wiesbaden  in  die  Ärztekammer  unserer  Provinz.  Bei  dem  Publi- 
kum ebenso  wie  bei  den  Kollegen  und  Spezialkollegen  stand  sein 
auf  reiche  Erfahrungen  gegründeter  Rat  in  hohem  Ansehen. 

Steffan  war  eine  markante,  eigenartige  und  in  seiner 
Eigenart  populäre  Persönlichkeit;  er  war  ein  Typus  des  Alt- 
frankfurters in  Sprache,  Sitten  und  Gewohnheiten.  Durch  die 
rauhe  Schale  konnte  jedermann  leicht  den  prächtigen  Kern  er- 
blicken, und  da  sah  er  einen  festen  Charakter,  ein  stark  ausge- 
bildetes Rechtsgefühl,  das  vor  Konflikten  nicht  zurückschreckte, 
humanes,  aber  bestimmtes  Verhalten  gegenüber  den  Kranken 
und  eisernen  Fleiß.  Wer  ihm  näher  trat,  lernte  noch  seine  glück- 
liche Ehe  kennen  —  Kinder  waren  ihm  versagt  — ,  seine  be- 
scheidene Lebensführung,  die  auf  alles,  was  man  so  Lebensge- 
nüsse nennt,  verzichtete,  und  in  frohen  Stunden  eine  fast  kind- 
lich anmutende  Heiterkeit.  Erst  an  seinem  Lebensabend  haben 
die  Schatten  einer  herannahenden  Hirnerkrankung  sein  Gemüt  ver- 
düstert. Als  er  1899  nach  Marburg  übersiedelte,  da  war  er  schon 
nicht  mehr  der  alte  Steffan,  wie  wir  ihn  schätzten  und  liebten; 
da  war  schon  die  Alienation  eingetreten,  die  zum  schließlichen 
Verfall  geführt  hat.  Wir  aber  wollen  das  Bild  Philipp  Steffans 
aus  seinen  Mannesjahren  in  Erinnerung  behalten  und  der  Nach- 
welt überliefern,  das  Bild  des  hervorragenden  Augenarztes,  des 

treuen  Kollegen  und  des  aufrechten  Mannes. 

F.  Baerwind. 


70 


Der  Bali-Tiger. 

Mit  7  Abbildungen 
von 

E.  Schwarz. 


Von  der  Sunda-Expedition  des  Frankfurter  Vereins  für  Geo- 
graphie und  Statistik  hat  Dr.  I.  Elbert  Fell  und  Schädel  eines 
weiblichen  Tigers  von  der  kleinen,  östlich  von  Java  gelegenen 
Sunda-Insel  Bali  mitgebracht.  Dieses  Exemplar,  das  im  allge- 
meinen dem  Java-Tiger  sehr  ähnlich  war,  fiel  durch  seine  Klein- 
heit auf,  die  einen  merkwürdigen  Gegensatz  zu  der  verhältnis- 
mäßig großen  Form  des  javanischen  Sunda-Tigers  bildet.  Die 
Formen  kleiner  Inseln  sind  ja  nun  freilich  oft  kleiner  als  ihre  Ver- 
wandten vom  Festland  und  von  größeren  Inseln;  bei  unserem 
Stück  ergab  indessen  eine  genaue  Untersuchung  des  Schädels 
außer  der  geringen  Größe  —  seine  obere  Länge  beträgt  nur 
254  mm  gegen  290  mm  beim  Java-Tiger  —  so  charakteristische 
Unterschiede,  daß  die  Abtrennung  des  Bali-Tigers  als  neue 
Lokalform  notwendig  erschien.  Sie  ist  unter  dem  Namen 
Felis  tigris  balica  Schwarz  beschrieben  worden.^) 

Tiger  von  Bali  sind  bisher  nicht  in  die  Museen  gelangt, 
obgleich  die  Insel  bei  ihrer  geringen  Entfernung  von  Java  nicht 
allzu  selten  von  dessen  europäischen  Bewohnern  aufgesucht  wird. 
Ein  Frankfurter,  Dr.  Eugen  Wertheim  her,  der  selbst  auf 
Bali  gejagt  hat,  schreibt  uns  über  den  dortigen  Tiger:  „Frische 
Tigerfährten  unter  einem  Felsvorsprung,  unter  dem  noch  vor 
verhältnismäßig  kurzer  Zeit  Tiger  gesessen  hatten,  habe  ich  wohl 
vorgefunden,  dagegen  kein  einziges  Exemplar  zu  Gesicht  be- 
kommen.    Doch   glaube   ich  nicht,    daß   die   Tiere   auf  Bali  be- 

*)  E.  Schwarz  „Notes  on  Malay  Tigers,  with  description  of  a  new  form 
from  Bali."  The  Annals  and  Magazine  of  Natural  History.  London,  Sept.  1912, 
No.  57  S.  324—326. 


Bali-Tiger,  Felis  tigris  balica  (Typus)  ?  von  Den  Pasar,  Süd-Bali. 
Geschenk  von  Dr.  E.  Wertheimber. 


CO 


(M 


—     73     — 

sonders  selten  sind;  ich  hatte  vielmehr  aus  den  Schilderungen 
der  Europäer  und  der  Eingeborenen  den  Eindruck,  daß  sie  ver- 
hältnismäßig häufig  vorkommen,  da  beide  mir  angaben,  daß  man 
mit  Hilfe  einer  Ziege  ziemlich  sicher  sei,  einen  zu  Schuß  zu  be- 
kommen. Über  Schaden,  den  die  Tiere  anstiften,  ist  mir  übrigens 
nichts  bekannt  geworden." 

Die  Insel  Bali  bildet  die  östlichste  Verbreitungsgrenze  des 
Tigers  überhaupt.  Er  findet  sich  in  der  ganzen  orientalischen 
und  in  Teilen  der  paläarktischen  Region,  wie  in  Persien,  Tur- 
kestan und  in  weiten  Gebieten  Zentralasiens  und  Sibiriens  bis 
zum  Amur.  Im  westlichen  Teil  seines  Verbreitungsgebietes  kommt 
er  zusammen  mit  dem  Löwen  vor,  den  er  im  allgemeinen  geo- 
graphisch und  biologisch  ersetzt. 

Der  Tiger  ist  übrigens  keineswegs  in  seinem  ganzen  Hei- 
matgebiet Tropentier,  wie  man  vielfach  glaubt;  die  nördliche 
alte  Welt  ist  vielmehr  wahrscheinlich  seine  eigentliche  Heimat  — 
in  Sibirien  trägt  er  dem  rauhen  Klima  entsprechend  ein  langes 
Haarkleid.  Erst  verhältnismäßig  spät  ist  er  nach  Indien  einge- 
wandert, und  die  Teile  Indiens,  die  damals  schon  Inseln  waren, 
wie  Ceylon  und  Borneo,  hat  er  nicht  mehr  erreichen  können. 

Die  beigefügten  Abbildungen  zeigen  Fell  und  Schädel  unseres 
Bali-Tigers,  sowie  zum  Vergleich  die  Schädel  des  Java-  und  des 
Sumatra-Tigers,  welche  die  Unterschiede  der  drei  Inselformen 
deutlich  erkennen  lassen. 

Das  typische  Exemplar  von  Felis  tigris  halica  wurde  1909 
von  K.  Gründler  in  Den  Pasar,  Süd-Bali,  geschossen  und  von 
Dr.  Eugen  Wertheimber  dem  Senckenbergischen  Museum 
als  Geschenk  überwiesen. 


Figiirenerklärimg. 

Schädel  von  malayischen  Tigern  aus  dem  Senckenbergischen  Museum: 
a  von  oben,  b  von  hinten. 

Fig.  1  ?  ad.  No.  1160,  Sumatra.  —  Fig.  2  ?  ad.  No.  4,  Java.  —  Fig.  3  ? 
ad.  No.  2576  (Typus),  Den  Pasar,  Süd-Bali. 


—     74 


Aus  dem  Hochland  von  Ostafrika. 

Mit  6  Abbildungen 
von 

Rudolf  von  Goldschmidt-Rothschild. 


Die  modernen  Bestrebungen  nach  erhöhtem  Tierschutz  in 
Deutsch-Ostafrika  haben  zu  einem  neuen  Jagdgesetz  geführt, 
das  am  1.  Januar  1912  in  Kraft  getreten  ist  und  grundlegende 
Änderungen  enthält.  In  ihm  sind  nicht  allein  die  Wünsche  her- 
vorragender Kenner  der  zentralafrikanischen  Tierwelt  berück- 
sichtigt, sondern  auch  die  reichen  Erfahrungen  der  britischen 
Nachbarkolonie  verwertet  worden.  Unzweifelhaft  hat  die  Zahl 
der  Jäger,  die  alljährlich  nach  Ostafrika  gehen,  um  in  den  bis 
vor  kurzem  noch  jungfräulichen  Gebieten  zi.  jagen,  ungemein 
zugenommen.  Während  noch  im  Anfang  dieses  Jahrhunderts  die 
Dampfer  der  Deutsch-Ostafrika-Linie  im  wesentlichen  Kaufleute, 
Beamte  und  Schutztruppler  hinausführten,  bilden  jetzt  Sports- 
leute, namentlich  Engländer  und  Amerikaner,  einen  großen  Teil 
der  Passagiere.  In  den  Monaten  Januar  bis  März,  die  durch 
Trockenheit  und  gleichmäßige  Witterung  ausgezeichnet  sind,  er- 
gießen sich  Ströme  Jagdlustiger  über  das  Hochland  im  Innern 
von  Ostafrika.  Vom  Küstenort  Mombassa  aus  führt  sie  die 
Ugandabahn  in  vierundzwanzig  Stunden  nach  Nairobi,  dem  Sitz 
der  englischen  Regierung,  wo  in  etwa  1500  m  Höhe  ein  gesundes, 
dem  südeuropäischen  ähnliches  Klima  herrscht.  Da  Malaria  und 
andere  Tropenkrankheiten  dort  fast  unbekannt  sind,  so  konnte 
sich  in  wenigen  Jahren  eine  recht  ansehnliche  Stadt  entwickeln, 
in  der  vor  allem  die  Fremdenindustrie  in  Blüte  steht.  Die  Zahl 
der  Firmen,  die  sich  speziell  mit  der  Ausrüstung  von  Jagdexpe- 
ditionen befassen,  ist  in  ständigem  Wachsen  begriffen ;  schon  an 
der  Küste  trifft  man  verschiedene  derartige  Firmen,  unter  ihnen 
auch  mehrere   deutsche.     Es  ist  klar,  daß  die  vielen  Jäger,  die 


—      (o     — 

mit  einem  Jagdschein  ausgerüstet,  sich  von  Nairobi  aus  in  die 
Wildnis  begeben,  in  ungünstigem  Sinne  auf  den  Wildstand  ein- 
wirken müssen,  nicht  dadurch,  daß  sie  denselben  schon  jetzt  we- 
sentlich dezimiert  haben ;  denn  dagegen  protestieren  die  strengen 
Jagdgesetze,  die  von  jeder  Wildsorte  nur  eine  bestimmte  und 
geringe  Anzahl  zum  Abschuß  erlauben  —  noch  immer  sind  ge- 
wisse Gegenden  von  großen  Mengen  bevölkert  — ,  vielmehr  zieht 
sich  das  Wild,  durch  die  fortwährenden  Angriffe  beunruhigt, 
immer  weiter  in  schwer  zugängliche  Gegenden  zurück  und  ist 
stellenweise  schon  so  scheu  geworden,  daß  es  schwierig  ist,  ihm 
auf  Schußweite  beizukommen.  Die  Folge  davon  ist,  daß  auf  jedes 
wirklich  erlegte  Stück  ein  ziemlich  hoher  Prozentsatz  ange- 
schossenes Wild  kommt,  das  entweder  dem  Siechtum  verfällt 
oder  eine  Beute  der  großen  Raubtiere  wird. 

Auch  ich  machte  manche  ungünstigen  Erfahrungen,  als  ich 
zum  erstenmale  im  Winter  1908/1909  nach  Britisch-Ostafrika  ging. 
Es  war  schon  ein  Fehler,  daß  ich  bereits  auf  der  Ausreise  nach 
Mombassa  Plätze  für  die  Rückfahrt  auf  einem  Dampfer  der  Ost- 
afrika-Linie belegte,  mit  anderen  Worten  meine  Expedition  zeit- 
lich genau  begrenzte.  So  mußte  ich  später  Afrika  wieder  ver- 
lassen, ehe  ich  die  Expedition  als  völlig  gelungen  ansehen  durfte. 
Ich  hatte  geglaubt,  Nairobi  läge  mitten  im  Jagdgebiet,  und  war 
nachher  sehr  erstaunt,  zu  sehen,  daß  es  eines  Rittes  von  mehre- 
ren Tagen  bedurfte,  um  in  wildreiche  Gegenden  zu  gelangen. 
Des  weiteren  hatte  ich  die  Ausrüstung  meiner  Expedition,  d.  h. 
Stellung  von  Trägern  und  Lieferung  von  Proviant,  einer  engli- 
schen Firma  übertragen,  die  ihrer  Aufgabe  so  wenig  gerecht 
wurde,  daß  ich  schon  nach  wenigen  Tagen  von  Fort  Hall,  etwa 
80  km  von  Nairobi  entfernt,  neuen  Proviant  holen  lassen  mußte. 
Auch  war  unser  Pferdematerial  minderwertig  und  versagte  mehr- 
fach. Endlich  befanden  sich  unter  unseren  Trägern  manche  un- 
brauchbaren Elemente,  die  nur  mit  äußerster  Strenge  im  Zaum  ge- 
halten, d.  h.  zum  Gehorsam  gebracht  werden  konnten.  So  brachte 
die  Expedition  viele  Enttäuschungen,  aber  auch  unvergeßliche 
Eindrücke  zoologischer  und  jagdlicher  Art.  Daß  sie  trotz  allem  so 
günstige  Erfolge  hatte,  verdanke  ich  nicht  zum  wenigsten  der 
ausgezeichneten  Führung  eines  landeskundigen  Europäers. 

Wie  wenige  Länder  der  Welt  ist  das  zentralafrikanische 
Hochland  zu  Tierstudien  geeignet;  hier  findet  nicht  allein  der 
Jäger,   sondern  auch  der  Zoolog,  vor  allem  der  Entomolog,  und 


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—     78     — 

der  Photograph  seine  Rechnung.  Aus  Tagebuchaufzeichnungen 
will  ich  im  Nachstehenden  meine  Beobachtungen  über  das  Vor- 
kommen und  die  Lebensweise  einiger  großer  Säugetierarten 
wiedergeben,  die  ich  an  den  südöstlichen  Abhängen  des  Kenia 
antraf,  und  zwar  in  einem  weiten  Gebirgstal,  das  sich  zwischen 
dem  Thika-  und  Tana-Fluß  hinzieht. 

Wir  erreichten  das  Tal  in  einem  zehntägigen  Ritt  von  Nai- 
robi aus,  nachdem  wir  bis  dahin  nur  auf  wenig  und  sehr  scheues 
Wild  gestoßen  waren.  Da  wir  hier  zum  erstenmale  Rhinozerosse 
und  Büffel  sahen  und  auch  sonst  der  lichte  Buschwald  von  aller- 
hand Wild  wimmelte,  beschloß  ich,  eine  Reihe  von  Tagen  zu 
bleiben  und  ließ  ein  Dauerlager  am  Fuße  eines  mit  großen  Fels- 
blöcken bedeckten  Berges  aufschlagen.  Wasser  war  in  der  Nähe 
vorhanden,  ein  schmutzig-bräunliches  Rinnsal,  das  nur  dem  dur- 
stigen Afrikareisenden  verlockend  sein  mag,  sich  aber  mit  Hilfe 
von  Berkefeldfiltern  in  eine  klare,  trinkbare  Flüssigkeit  verwan- 
deln ließ.  Die  Vegetation  bestand  im  wesentlichen  aus  den  für 
das  afrikanische  Hochland  typischen  Schirmakazien  und  stach- 
lichen  Mimosen,  die  in  kleinen  Gruppen  angeordnet  Dickichte 
bildeten,  sowie  aus  2  m  hohem,  verdorrtem  Grase,  das  unser 
Vordringen  sehr  erschwerte  und  uns  oft  jede  Aussicht  auf  jagd- 
bares Wild  raubte.  Auf  der  Bergkuppe  wurzelten  zwischen  den 
Blöcken  mächtige  Kandelaber  -  Euphorbien,  Agaven,  Schling- 
pflanzen und  Dornengestrüpp.  Von  ferne  schimmerte  die  eis- 
starrende Alpenkette  des  Kenia  zu  uns  herüber,  umgürtet  von 
dichtem,  dunkelgrünem  Urwald,  der  Heimat  des  Elefanten.  Die 
Flußläufe  waren  eingesäumt  von  prächtigem  Kulissenwald,  in 
dem  sich  ein  reiches  Vogelleben  abspielt.  Während  tagsüber  die 
Tropensonne  außerordentlich  heiß  herabbrannte,  herrschte  am 
Abend  erfrischende  Kühle;  gegen  Sonnenaufgang  ging  die  Tem- 
peratur sogar  mehrfach  bis  fast  auf  den  Nullpunkt  herab,  so  daß 
sich  die  Gräser  mit  Reif  bedeckten.  Unser  Lager  bestand  aus 
vier  großen  Zelten,  um  die  sich  nach  Westen  hin  zwischen  den 
Büschen  die  primitiven  Leinwandverschläge  unserer  Träger  grup- 
pierten. Während  der  Nacht  brannten  große  Holzfeuer,  welche 
von  den  Askaris,  die  uns  die  Regierung  gestellt  hatte,  unterhal- 
ten wurden,  um  das  Raubwild  vom  Lager  und  von  den  Pferden 
zu  verscheuchen.  Das  Gebrüll  der  Löwen  aus  nächster  Nähe 
raubte  uns  so  manche  Stunde  der  Nachtruhe;  wir  hörten,  wie 
sie  von  ferne  näher  und  näher  an  unser  Lager  herankamen,  wie 


—     81     — 

sie  sich  von  allen  Seiten  antworteten  und  dadurch  das  geängstig- 
te Wild  gewissermaßen  einkreisten.  Erst  bei  Tagesgrauen  ver- 
stummte das  dumpfe  Grollen.  Unbegreiflich  erschien  mir  der 
Leichtsinn  einiger  Neger,  die  weit  außerhalb  der  Wachtfeuer 
zwischen  den  Büschen  schliefen;  offenbar  rechneten  sie  damit, 
daß  die  Raubtiere  in  dieser  an  Wild  überreichen  Gegend  nicht 
an  Menschen  herangehen  wüi'den.  So  sehr  uns  die  Löwen  in  der 
Nacht  durch  ihr  Gebrüll  belästigten,  so  wenig  sahen  wir  am 
Tage  von  ihnen.  Sie  halten  sich  teils  in  dem  dichten  Gestrüpp, 
teils  in  den  das  weite  Tal  überall  durchquerenden  Erdspalten 
und  ausgetrockneten  Flußbetten  verborgen,  und  auch  sonst  sind 
sie  im  hohen,  sonnenverbrannten  Grase  vermöge  ihrer  Schutz- 
farbe schwer  zu  erkennen.  Dem  Menschen  weichen  sie  aus,  so- 
bald sie  seiner  ansichtig  werden;  nur  gereizt  und  angeschossen 
sind  sie  ihm  gefährlich.  Wir  stießen  schon  in  den  ersten  Tagen 
auf  zwei  dieser  Raubtiere;  ihre  gelblichbraunen  Körper  ver- 
schwanden jedoch  im  hohen  Grase,  ehe  ich  die  Büchse  in  An- 
schlag bringen  konnte.  Später  hatte  ich  Gelegenheit,  vier  Löwen 
in  den  südwestlich  gelegenen  Athi  Plains  zu  beobachten;  sie 
saßen  wie  große  Katzen  auf  den  Hinterbeinen  und  spielten  mit- 
einander, etwa  hundert  Schritt  von  den  Büschen  des  Athi-Flusses 
entfernt.  Da  nirgends  Deckung  war,  konnte  ich  mich  nicht  an 
sie  heranpirschen,  sondern  mußte  mit  unseren  durch  den  langen 
Morgenritt  ermüdeten  Pferden  1000  m  weit  direkt  auf  die  Löwen 
losgaloppieren,  leider  mit  dem  Erfolg,  daß  diese  baldigst  unser 
ansichtig  wurden  und  fluchtartig  in  dem  dichten  Ufergestrüpp 
verschwanden.  Diese  Methode  der  Löwenjagd  ist  in  den  Ebenen 
von  Britisch-Ostafrika  die  gewöhnliche ;  man  hetzt  die  Tiere  mit 
Pferden  solange,  bis  sie  sich  stellen,  und  schießt  sie  dann  auf 
geringe  Distanz  nieder. 

Von  unserem  Lager  aus  unternahmen  wir  jeden  Morgen  in 
aller  Frühe,  bisweilen  auch  in  den  späteren  Nachmittagstunden, 
Jagdausflüge.  Überall  standen  im  hohen  Grase  vereinzelte  oder 
kleine  Rudel  von  Antilopen.  Graziöse  Impallas  (Aepyceros  me- 
lampus  suara)  mit  ihrem  schöngeschwungenen  leierförmigen  Ge- 
hörn belebten  die  Savannen;  an  lichten  Stellen  fanden  wir  oft 
in  großen  Mengen  das  Kongoni  (Bubalis  cokei),  auch  Hartebeest 
genannt,  eine  Kuhantilope  mit  schönem  braunem  Fell  und  win- 
kelig zurückgebogenen  Hörnern.  Neugierig  äugten  sie  zu  uns 
herüber,  um,  sobald  ihnen  die  Sache  nicht  geheuer  erschien,  in 


—    82     — 

merkwürdigen  Sprüngen  gesenkten  Hauptes  die  Flucht  zu  er- 
greifen. Es  war  die  erste  Antilope,  auf  die  ich  in  Afrika  zu 
Schuß  kam,  mir  insbesondere  erinnerlich,  weil  ich  mich  von  der 
außerordentlichen  Lebenskraft  dieser  Tiere  überzeugen  konnte. 
Das  Kongoni  war  zusammengebrochen  und  lag  auf  dem  Rücken; 
ich  hielt  es  für  verendet  und  ließ  es  gerade  auf  wenige  Schritte 
in  aller  Ruhe  photographieren,  als  es  sich  plötzlich  erhob  und 
mit  einigen  Sätzen  in  den  Büschen  auf  Nimmerwiedersehen 
verschwand.  Weiter  stießen  wir  täglich  auf  Rudel  von  Wasser- 
böcken (Cohus  elUpsiprymnus) ,  oft  fünfzig  Stück  zusammen- 
stehend; auch  sie  lieben  offenes  Gelände,  halten  sich  gelegent- 
lich wegen  der  guten  Deckung  zwischen  den  Büschen  auf, 
vielleicht  auch  wegen  der  besseren  Äsung.  Sie  gehören  zu  den 
größten  Antilopen  und  imponieren  nicht  allein  durch  ihr  schönes, 
langhaariges  Fell,  sondern  auch  durch  das  kräftige  Gehörn.  Mehr- 
fach sahen  wir  die  Köpfe  und  Hälse  von  Giraffen  zwischen  den 
Mimosenbäumen.  Zebras  belebten  massenhaft  das  weite  Tal; 
Warzenschweine  tauchten  im  Grase  auf;  mit  hocherhobenen 
Schwänzen  huschten  sie  blitzschnell,  wie  Paviane  oder  schwarze 
Pudel  aussehend,  in  langen  Reihen  durch  die  Büsche.  Auch  Dick- 
Dicks  und  Buschböcke  kreuzten  unseren  Weg;  vielfach  konnten 
wir  die  verschiedensten  Tierarten  in  friedlicher  Gemeinschaft  zu- 
sammenstehend beobachten:  Zebras,  Strauße,  Impallas,  Kongonis, 
Wasserböcke  ästen  nebeneinander  —  ein  prächtiges  Schauspiel! 

Nach  Osten  hin  erweiterte  sich  das  Tal  zu  einer  fast  baum- 
losen Steppe.  Obwohl  das  Gras  kurz  und  völlig  verdorrt  war, 
wimmelte  es  hier  geradezu  von  Wild.  Nicht  mit  Unrecht  schien 
es  die  sonnendurchglühte  Ebene  mit  ihrem  freien  Ausblick  dem 
unübersichtlichen  Buschterrain  vorzuziehen,  das  den  heranschlei- 
chenden großen  Raubtieren  und  ihren  noch  gefährlicheren  Fein- 
den, den  Menschen,  Deckung  gibt.  Es  ist  erstaunlich,  mit  welcher 
Schnelligkeit  die  Antilopen  flüchtig  werden,  sobald  sie  eine  Ge- 
fahr erkennen.  In  graziösen  Sprüngen  galoppieren  sie  dahin,  mit 
ihren  Hufen  kaum  den  Erdboden  berührend.  Von  ihrer  jähen 
Flucht  wird  alles  Wild  mit  fortgerissen ;  erst  kilometerweit  kommt 
es  wieder  zum  Stillstand. 

Unter  einem  einsamen,  weitschattigen  Baume  stehend,  sah 
ich  zum  erstenmale  Elenantilopen  (Taurotragus  oryx  Pall.),  die, 
was  Körpergröße  und  Kraft  anbetrifft,  am  meisten  imponierende 
Antilope  Afrikas.  Sie  erreicht  eine  Schulterhöhe  von  1,75  m,  hat 


ein  schiefer-  bis  silbergraiies,  kurzhaariges  Fell;  Stirn  und  Nase 
sind  dunkler  gefärbt,  Lippe  und  Kinn  weiß.  Der  Hals  ist  kurz 
und  äußerst  kräftig,  vom  Kinn  bis  zur  Brust  zieht  eine  starke 
Wamme  herab.  Die  gerade  gerichteten  und  leicht  um  ihre  Längs- 
achse gewundenen,  kräftigen  Hörner  erreichen  beim  ausgewachse- 
nen Tier  eine  Länge  von  90  cm  und  mehr.  Das  Gehörn  der  Kühe 
pflegt  weniger  hoch  und  dünner  zu  sein.  Wie  ich  mich  durch 
das  Fernglas  überzeugen  konnte,  hatte  ich  eine  Unterart  der 
oben  beschriebenen  Elenantilope,  den  T.  o.  livingstoni,  vor  mir, 
der  sich  durch  acht  bis  zehn  Querstreifen  an  beiden  Seiten  des 
Körpers  auszeichnet.  Diese  Art  lebt  im  zentralafrikanischen 
Hochland,  während  die  Heimat  der  nicht  gestreiften  Hauptform 
Rhodesia,  Angola  imd  Mozambique  ist.  Im  achtzehnten  Jahr- 
hundert wurde  das  Elen  in  ganz  Südafrika  bis  in  die  Nähe  von 
Kapstadt  gefunden.  Livingstons  Elen  kommt  hauptsächlich  im 
Kilimandjaro-  und  Kenia-Gebiet  vor ;  die  am  Weißen  Nil  lebenden 
Exemplare  sind  besonders  kräftig  und  werden  mit  dem  Namen 
gigas  bezeichnet.  In  Britisch-Ostafrika  scheint  die  Elenantilope 
den  lichten  Busch  oder  die  spärlich  mit  Büschen  bewachsene 
Steppe  vorzuziehen;  sie  führt  ein  Wanderleben,  indem  sie  in  der 
trockenen  Jahreszeit  in  die  Täler  hinabzieht,  um  in  der  Regen- 
zeit in  die  Abhänge  des  Hochgebirges  zu  steigen.  Hier  lebt  sie 
in  kleinen  Herden  oder  vereinzelt,  in  Rhodesia  dagegen  noch  in 
großen  Mengen  zusammen.  In  letzter  Zeit  haben  eingewanderte 
Buren  erfolgreiche  Versuche  gemacht,  die  an  Zugkraft  den  besten 
Ochsen  nicht  nachstehenden  Elen  einzufangen  und  zu  zähmen. 
Vorsichtig  kreisen  Berittene  die  Herden  ein,  sprengen  auf  ein  ge- 
gebenes Zeichen  auf  die  Tiere  los  und  hetzen  die  jungen  Kälber 
so  lange,  bis  sie  zusammenbrechen.  Dann  hüllen  sie  sie  sorgfäl- 
tig in  warme  Decken  und  treiben  sie  nach  einigen  Stunden  in 
die  Krale. 

Im  Anfang  glaubte  ich,  friedlich  äsende  oder  wiederkäuende 
Rinder  zu  sehen,  bis  mich  die  geraden  gewundenen  Hörner  eines 
andern  belehrten.  In  ihrer  Körperform  und  der  Art  und  Weise, 
sich  zu  bewegen,  mit  dem  Schweife  die  Fliegen  zu  vertreiben, 
erinnerten  sie  ganz  auffallend  an  unser  Rindvieh.  Ein  Zwischen- 
raum von  etwa  2  km  trennte  mich  von  dem  seltenen  Wilde. 
Hinter  einer  flachen  Erdsenkung,  die  von  einem  trockenen  Fluß- 
bett durchzogen  war,  stand  ein  niedriges  Gebüsch;  dieses  benutzte 
ich  als  Deckung  beim  Anpirschen.  So  gelang  es  mir  und  meinem 


—     84     — 

Begleiter,  unbemerkt  auf  800  m  heranzukommen,  dann  wurde 
das  Terrain  offen,  und  es  blieb  mir  nichts  anders  übrig,  als  auf 
Händen  und  Füßen  weiter  zu  kriechen,  was  in  Anbetracht  der 
kolossalen  Hitze  —  die  Sonne  stand  fast  im  Zenit  —  und  der 
versengten,  harten  Grashügel  eine  Aufgabe  war,  der  sich  nur  ein 
passionierter  Afrikajäger  unterzieht.  Leider  bemerkten  uns  die 
Elenantilopen,  ehe  wir  nahe  genug  gekommen  waren,  wurden 
unruhig  und  setzten  sich  langsam  in  einen  schwerfälligen  Trab, 
der,  nachdem  ich  ihnen  eine  Fehlkugel  nachgesandt  hatte,  in 
wilde  Flucht  ausartete.  Wie  elektrisierend  wirkte  das  Beispiel 
der  Elen  auf  die  Hunderte  von  anderen  Antilopen,  die  eben  noch 
träumend  in  der  Sonne  gestanden  hatten.  Einmütig  stürmten  sie 
dahin,  eine  dichte  Staubwolke  hinter  sich  lassend,  und  kamen 
erst  in  weiter  Ferne  zum  Stillstand.  Eine  Verfolgung  war  in  der 
Mittagshitze  auf  der  offenen  Steppe  ausgeschlossen. 

Zwei  Tage  später  hatte  ich  mehr  "Waidmannsheil;  wie  ge- 
wöhnlich brachen  wir  von  unserem  Standlager  bei  Sonnenaufgang 
auf  und  ritten  zwei  Stunden  lang  nach  Süden  in  der  Hoffnung, 
Giraffen  anzutreffen.  Unsere  Gewehrträger  voran,  zogen  wir 
schweigend  durch  den  taufrischen  Mimosenbusch;  zahlreiche  aus- 
getrocknete Flußläufe  mußten  wir  durchklettern,  hier  und  da 
traten  uns  Impalla- Antilopen  entgegen.  Wir  ließen  sie  aber  un- 
beachtet, um  anderes  Wild  nicht  durch  Schüsse  zu  beunruhigen. 
Plötzlich  blieb  mein  Gewehrträger  stehen  und  deutete  erregt  mit 
der  Hand  auf  ein  Stück  Wild,  das  in  500  m  Entfernung  stand 
und  von  mir  alsbald  als  Elenantilope  erkannt  wurde.  Vom  Pferde 
herunter  und  die  Büchse  ergriffen  war  das  Werk  eines  Augen- 
blicks. Vorsichtig  Deckung  suchend  pirschte  ich  mich  auf  150  m 
heran  und  gab  dann  knieend  einen  Schuß  ab,  mit  dem  Erfolg, 
daß  das  mächtige  Tier  zusammenbrach,  um  nach  einigen  Minuten 
wieder  hoch  zu  werden.  Noch  zwei  Kugeln  sandte  ich  hinterher 
und  brachte  es  von  neuem  zu  Fall.  Mühsam  mußte  ich  mich 
durch  das  Grasdickicht  winden,  um  an  meine  Beute  heranzu- 
kommen. Es  war  ein  gewaltiger  Bulle,  an  Größe  unsere  stärksten 
Ochsen  fast  noch  übertreffend.  Welche  Kraft  muß  die  Elenanti- 
lope haben,  um  diesen  schwerfälligen,  fast  plumpen  Körper  in 
wilder  Flucht  zu  bewegen !  Nachdem  wir  das  Tier  von  verschie- 
denen Seiten  photographiert  hatten,  erteilte  ich  meinen  Leuten 
den  Befehl,  das  Haupt  mit  dem  Gehörn  und  den  Schweif  abzu- 
setzen, und  überließ  ihnen  alsdann  das  Fleisch.    In  den  letzten 


C3 


—    86     — 

acht  Tagen  hatten  meine  Träger  kein  Fleisch  von  dem  geschos- 
senen Wilde  erhalten,  und  zwar  als  Strafe  für  eine  Meuterei, 
die  am  Tana-Fluß  ausgebrochen,  aber  von  meinem  Führer  durch 
exemplarische  Bestrafung  der  Hauptschuldigen  rechtzeitig  ge- 
dämpft worden  war.  Die  heutige  glückliche  Jagd  brach  den  Bann. 
Während  wir  im  Schatten  einer  Mimose  den  Schwarzen  zu- 
schauten, die  in  Anbetracht  des  Fleisches  einen  Rieseneifer  ent- 
wickelten, bot  sich  uns  ein  für  afrikanische  Verhältnisse  typisches 
Schauspiel :  von  allen  Seiten  kamen  Aasgeier  und  andere  Raub- 
vögel herbei;  erst  in  ungeheuren  Höhen  kreisend,  ließen  sie  sich 
dann  vorsichtig  herab  und  nahmen  auf  den  benachbarten  Bäumen 
Platz.  Bald  gesellten  sich  Marabus  und  schwarze  Raben  hinzu. 
Sie  blickten  gierig  zu  uns  herüber  und  schienen  auf  den  Moment 
zu  warten,  wo  sie  sich  des  Aases  bemächtigen  konnten.  Zu  ihrem 
Leidwesen  warteten  sie  vergebens,  denn  unsere  Schwarzen  ließen 
in  ihrem  Fleischhunger  effektiv  nichts  von  der  Elenantilope  übrig. 
Dafür  aber  holte  ich  mir  mit  der  Kugel  einen  der  „schäbigen" 
Marabus  vom  Baume.  So  konnten  wir  heute  befriedigt  ins  Lager 
zurückkehren,  und  auch  unsere  Träger  hatten  einen  großen  Tag. 
Ein  gewaltiger  Buschbrand  bezeichnete  die  Stelle,  wo  wir  ge- 
jagt hatten.  Er  war  durch  die  Unvorsichtigkeit  der  Schwarzen 
entstanden  und  kam  erst  am  späten  Nachmittag  zum  Erlöschen. 
Noch  eines  anderen  Bewohners  des  buschigen  Hügellandes 
muß  ich  gedenken,  den  ich  zwischen  Thika  und  Tana  river  häu- 
fig antraf:  des  Rhinozerosses.  Während  das  weiße,  breitmäulige 
Rhinoceros  simus  in  Südafrika  fast  ausgerottet  ist  und  nur  noch 
in  einigen  Gegenden  des  südlichsten  Sudan,  z.  B.  in  der  Lado- 
Enklave,  vorkommt,  bewohnt  das  schwarze  Rhinoceros  bicornis 
noch  in  Mengen  das  Hochland  Zentralafrikas.  Nirgends  tritt  es 
in  größerer  Zahl  auf,  sondern  lebt  entweder  einzeln  oder  zu  zwei 
bis  drei  Stück.  Grasige  Halden,  mit  lichtem  Busch  bedeckt,  scheint 
es  der  offenen  Steppe  vorzuziehen;  hier  sieht  man  oft  die  erd- 
farbenen Kolosse  ruhig  äsend  stehen  oder  im  Schatten  von  Ge- 
büsch zur  Mittagszeit  schlafen.  Große,  flache  Mulden  bezeichnen 
später  die  Lagerstätte  der  Tiere.  Ihre  treuen  Begleiter  sind  kleine 
Madenhacker  (Buphagus  er^ythrorhynchus),  die  auf  dem  Rücken 
der  Nashörner  sitzen  und  sie  von  den  zahlreichen  Zecken  be- 
freien. Sobald  sie  irgend  eine  Gefahr  bemerken,  flattern  sie  auf 
und  warnen  dadurch  sowohl  ihren  Schützling  wie  den  Menschen. 
Das  Vorderhorn   des  Männchens  ist  kürzer  und  gedrungener  als 


—     87     — 

das  des  Weibchens.  Die  gewaltigen,  über  ein  Meter  langen  Hör- 
ner, wie  sie  noch  vor  wenigen  Jahrzehnten  in  Zanzibar  bei  den 
Händlern  zu  sehen  waren,  sind  jetzt  sehr  selten  geworden.  Das 
Nashorn  gilt  als  Dickhäuter  gemeinhin  als  faul,  träge  und  lang- 
sam; nichts  ist  unrichtiger  als  dies.  Es  ist  kaum  glaublich,  mit 
welcher  Geschwindigkeit  und  Leichtigkeit  es  aufspringen  und 
laufen  kann,  wenn  es  verfolgt  wird  oder  einen  Angriff  unter- 
nehmen will.  Sein  Auge  ist  wenig  scharf,  desto  feiner  jedoch 
die  Nase.  Über  die  Gefährlichkeit  des  Tieres  werden  von  den 
verschiedenen  Jägern  ganz  abweichende  Angaben  gemacht,  je 
nach  den  mehr  oder  weniger  üblen  Erfahrungen.  Nach  Erzäh- 
lungen von  Schillings  ist  das  Nashorn  an  Böswilligkeit  mit 
dem  afrikanischen  Büffel  oder  Elefanten  auf  gleiche  Stufe  zu 
stellen,  während  sich  andere  Jäger  von  seinem  agressiven  Wesen 
nicht  überzeugen  konnten.  Ich  selbst  habe  während  meines  etwa 
vierzehntägigen  Aufenthaltes  zwischen  Tana-  und  Athi-Fluß  meh- 
rere Dutzend  Nashörner  angetroffen,  sowohl  auf  weite  als  auch 
auf  kurze  Entfernung,  aber  nur  einmal  hatte  ich  das  Gefühl, 
attackiert  worden  zu  sein,  und  mußte  zu  meinem  Schutz  zur 
Büchse  greifen.  Großen  Respekt  vor  dem  Nashorn  hatten  übri- 
gens meine  Träger.  Am  Tage  der  Übersiedelung  ins  Dauerlager 
führte  mein  Diener  die  Karawane,  während  ich  einen  anderen  Weg 
einschlug.  Unterwegs  tauchte  plötzlich  ein  Nashorn  auf,  dessen 
Anblick  den  Schwarzen  einen  derartigen  Schrecken  einjagte,  daß 
sie  in  demselben  Moment  ihre  Lasten  abwarfen  und  ungeachtet 
ihrer  mangelnden  Kleidung  auf  die  Dornbäume  kletterten. 

Mein  erstes  Zusammentreffen  mit  Nashörnern  gehört  zu  den 
schönsten  Erinnerungen  an  meine  afrikanische  Expedition.  Wir 
hatten  am  Tana-Fluß  unser  Lager  aufgeschlagen  und  hofften, 
hier  Krokodile,  Flußpferde  und  Wasserböcke  zu  bekommen.  Am 
Nachmittag  um  vier  Uhr  zogen  wir  aus,  kehrten  aber  nach  An- 
bruch der  Dunkelheit  ohne  Erfolg  heim.  Während  meiner  Ab- 
wesenheit war  eins  der  großen  Zelte  durch  den  Leichtsinn  eines 
Schwarzen  in  Flammen  aufgegangen,  bei  welcher  Gelegenheit 
wollene  Decken,  einige  Kleidungsstücke  und  andere  Sachen  mit- 
verbrannten; die  in  dem  Zelt  untergebrachte  Munition  wurde 
zum  Glück  rechtzeitig  gerettet.  Noch  glänzte  der  Mond  am  Him- 
mel, als  wir  uns  am  nächsten  Morgen  in  aller  Frühe  erhoben. 
Ein  kalter,  fast  eisiger  Wind  strich  durch  das  Gras  und  ließ  uns 
in  der  leichten  Tropenkleidung  zittern.  Mit  reichlich  Proviant  und 


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Wasser  versehen  ritten  wir  auf  die  Berge  zu  in  ein  breites  Tal 
hinein.  Der  Weg  führte  anfangs  durch  lichten  Savannenwald  und 
Gras,  das  2  bis  3  m  hoch  und  dicht  verfilzt  uns  nur  langsam 
vorwärts  kommen  ließ ;  später  wurde  er  steiniger  und  der  Busch 
dichter.  Als  die  Sonne  sich  eben  über  den  Horizont  erhob,  tauchte 
ein  Rudel  Wasserböcke  auf,  und  kurz  darauf  wurden  zwei  Rhi- 
nozerosse bemerkt,  die  in  einer  Entfernung  von  wenigen  hundert 
Schritt  ruhig  ästen.  Ich  legte  auf  das  stärkere  von  beiden  an, 
doch  jagten  nach  dem  Schusse  beide  Tiere  in  schneller  Flucht 
fauchend  und  pustend  los.  So  schnell  es  ging,  folgten  wir  ihnen 
und  fanden  bald  reichlich  Schweiß,  die  Kugel  meiner  450-Cordite- 
Büchse  mußte  also  sehr  gerissen  haben.  Nach  ungefähr  tausend 
Schritt  erblickte  ich  eins  der  Nashörner  am  Rande  eines  Grabens; 
es  witterte  mich  sofort  und  wurde  eilends  flüchtig;  das  zweite 
fand  ich  mit  dem  Schuß  in  der  Lunge  verendet  im  Graben.  Das 
Vorderhorn  maß  46  cm  Länge.  Die  Präparierung  dauerte  über 
zwei  Stunden;  ein  Schwarzer  wurde  ins  Lager  zurückgesandt, 
um  ein  Axt  zu  holen,  mit  der  der  Schädel  herausgehauen  wer- 
den sollte.  Während  einige  der  Leute  mit  dieser  Arbeit  be- 
schäftigt waren,  schnitten  andere  Streifen  aus  dem  Fell,  die  zu 
Stöcken  (Kibokos)  verarbeitet  werden  sollten.  Wieder  andere 
gaben  sich  der  angenehmen  Arbeit  des  Bratens  und  Essens  von 
Nashornfleisch  hin  und  schlangen  große  Stücke  davon  halb  roh 
hinunter.  Für  uns  Weiße  wurden  die  Zunge  und  der  Schwanz 
reserviert,  letzterer  zur  Bereitung  einer  ausgezeichneten  Suppe. 

Um  die  Mittagszeit  stießen  wir  wieder  auf  zwei  Rhinos, 
die  auf  einer  offenen,  buschfreien  Stelle  im  hohen  Grase  stan- 
den. Sie  glänzten  in  der  Sonne  wie  mit  Fett  beschmiert.  Nach 
einer  Viertelstunde  hatten  wir  uns  bis  auf  50  m  angepirscht, 
ohne  bemerkt  worden  zu  sein.  Auf  den  ersten  Schuß  stürzte  das 
eine  zu  Boden  und  wälzte  sich  auf  dem  Rücken,  um  sofort  wie- 
der hoch  zu  werden  und  taumelnd  noch  einige  Schritte  zu  laufen, 
ehe  es  vollends  zusammenbrach.  Es  war  ein  Weibchen  und  leider 
tragend.  Als  wir  am  nächsten  Morgen  die  Stätte  aufsuchten,  fan- 
den wir,  von  den  großen  Knochen  abgesehen,  nichts  mehr  übrig. 
Das  1  m  lange  Nashornbaby  war  völlig  verschwunden.  Zahlreiche 
Spuren  am  Boden  deuteten  auf  nächtlichen  Besuch  von  Hyänen, 
Schakalen  und  Aasgeiern  hin. 

Einige  Tage  später  stieß  unsere  kleine  Jagdkarawane  —  die 
Träger   blieben   stets   mehrere   Kilometer   zurück  —  im  dichten 


—    89     — 

Busch  abermals  plötzlich  auf  zwei  Rhinos.  Hätten  uns  nicht  die 
Madenhacker  wenige  Sekunden  vorher  durch  ihr  Auffliegen  ge- 
warnt, so  wäre  das  Zusammentreffen  für  uns  vielleicht  unan- 
genehm abgelaufen.  So  fanden  wir  Zeit,  von  den  Pferden  her- 
abzuspringen, die  Büchsen  zu  ergreifen  und  ein  Schnellfeuer  zu 
eröffnen.  Noch  sehe  ich  die  wutschnaubenden  Dickhäuter  mit 
ihren  tückisch  funkelnden  Augen  vor  mir,  wie  sie  gesenkten 
Hauptes  auf  uns  losstürzten.  Es  war  ein  kritischer  Moment! 
Meine  schwere  Büchse  tat  ihre  Schuldigkeit;  die  Tiere  wandten 
sich  zur  Flucht,  und  eins  von  ihnen  brach  nach  hundert  Schritt 
zusammen,  während  das  andere,  gefehlt,  laut  wehklagend  das 
Weite  suchte. 

Rhinozerosse  traf  ich,  wie  gesagt,  täglich.  Einigemal  stell- 
ten sie  sich  uns  derart  in  den  Weg,  daß  wir  sie  mit  lauten  Rufen, 
Steinwürfen,  und  wenn  dies  nichts  half,  mit  Schreckschüssen  ver- 
treiben mußten.  Da  die  Regierung  jedem  Jäger  auf  seinen  Jagd- 
schein nur  den  Abschuß  von  zwei  Exemplaren  erlaubt,  so  gingen 
wir  diesen  Tieren  später  nach  Möglichkeit  aus  dem  Wege.  Un- 
zweifelhaft ist  das  Nashorn  in  dieser  Gegend  noch  in  großen 
Mengen  vertreten,  so  daß  seine  Ausrottung  in  absehbarer  Zeit 
wohl  nicht  zu  befürchten  ist. 

Nach  sechstägigem  Aufenthalt  in  dem  beschriebenen  Lager 
zog  ich  weiter,  überschi'itt  zweimal  den  vielfach  gewimdenen 
Thika-Fluß  und  gelangte  an  dem  Donio  Sabuk,  einem  mächtigen 
Bergkegel,  der  die  ganze  Gegend  beherrscht,  vorbei  in  die  Athi 
Plains.  In  dieser  weiten  Ebene,  die  fast  baumlos  und  mit  kurzem 
verdorrtem  Grase  bedeckt  war,  wimmelte  es  von  Wild.  Kongonis, 
Wasserböcke,  Grant-  und  Thomson-Gazellen,  Elen,  Impallas,  Ze- 
bras und  Strauße  traten  in  ganzen  Herden  auf.  Vereinzelt  stießen 
wir  auf  Giraffen  und  Gnus.  Von  den  Zebras  abgesehen  war  das 
Wild  außerordentlich  scheu,  wahrscheinlich,  weil  diese  Ebene 
von  der  Bahn  durchquert  und  häufig  von  Jägern  aufgesucht 
wird,  und  weil  außerdem  an  den  Ufern  des  Athi-Flusses  sich 
einzelne  Buren  angesiedelt  haben,  die  nach  südafrikanischer  Art 
dem  Wilde  sehr  nachstellen.  Trotz  des  Wildreichtums  durchzogen 
wir  die  Ebene  in  möglichst  schnellen  Tagereisen,  und  zwar  we- 
gen einer  Zeckenart,  „Ticks"  genannt,  die  hier  in  geradezu  un- 
glaublichen Mengen  vorkommt.  An  jedem  Grashalm,  an  jedem 
Buschzweig  saßen  diese  Blutsauger.  Stiegen  wir  vom  Pferde 
und  gingen  einige  Schritte  zu  Fuß,  so  waren  wir  mit  den  Zecken 


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—     91     — 

wie  übersät.  Durch  die  Kleiderritzen  krochen  sie  auf  die  Haut 
und  verursachten  durch  ihren  Biß  heftiges  Jucken,  das  uns  na- 
mentlich in  der  Nacht  unaufhörlich  plagte.  Zeitweise  saßen  die 
Zecken,  speziell  die  kleinere  Entwicklungsform,  in  solchen  Men- 
gen in  der  Kleidung,  daß  sie  nur  mit  einer  Bürste  entfernt  wer- 
den konnten.  Auch  das  Wild  fanden  wir  mit  Zecken  förmlich 
überdeckt.  "Wie  in  dieser  Gegend  Farmer  sich  ansiedeln  können, 
ist  mir  ein  Rätsel  geblieben. 

Mein  Begleiter,  Dr.  von  Varendorff,  sammelte  auf  der 
Expedition  fleißig  Insekten,  namentlich  Koleopteren;  einen  Teil 
der  Ausbeute  hat  das  Senckenbergische  Museum  erhalten.  Wie 
er  mir  mitteilt,  hat  die  Käferfauna,  der  Höhenlage  des  Sammel- 
gebietes entsprechend,  ein  fast  europäisches  Gepräge.  Tropische, 
in  die  Augen  springende  Formen,  Dynastiden  und  gigantische 
Rüsselkäfer  fehlen  fast  gänzlich.  Statt  dessen  fand  er  unschein- 
bare Formen,  Rüsselkäfer,  die  der  europäischen  Form  der  Gat- 
tung Otiorrhij nchus  gleichen,  Igelkäfer  (Hispa)  mit  bizarren 
Stacheln  in  mehreren  Arten,  die  sich  kaum  von  unserer  Hispa 
(lira  unterscheiden,  zahlreiche  Coccinelliden,  rot  mit  schwarzen 
Punkten,  ganz  wie  bei  uns.  Namentlich  war  das  Vorkommen  von 
Apfon-Arten,  die  für  die  europäische  Fauna  charakteristisch 
sind,  auffällig.  Prachtkäfer  (Buprestiden)  waren  nur  in  einigen 
Sphenoptera-Arien,  wie  sie  in  Südeuropa  leben,  und  in  Agrüus- 
Arten  vertreten;  alles  aber  minuziöse  Tierchen,  so  daß  die 
Gesamtausbeute  gerade  keinen  farbenprächtigen  Anblick  bot. 
Umso  größeres  Interesse  hat  sie  Fachleuten  gewährt,  denn  sie 
enthielt  eine  Anzahl  neuer  Arten;  das  kann  nicht  Wunder  neh- 
men, da  sich  Entomologen  in  diese  Gegend  wohl  noch  nie  mit 
dem  Streifnetz  verirrt  haben. 

So  war  das  Resultat  meiner  Expedition  nach  vielen  Seiten 
hin,  wenn  auch  nicht  glänzend,  so  doch  in  Anbetracht  der  Kürze 
der  Zeit  befriedigend.  Ich  gewann  einen  Einblick  in  die  reiche 
Fauna  der  zentralafrikanischen  Hochsteppe,  in  ein  Tierleben,  wie 
es  wohl  nur  wenige  Länder  der  Welt  in  so  reichem  Maße  und 
so  großer  Abwechselung  aufzuweisen  haben.  Es  ist  wahr,  das 
Hinterland  von  Deutsch-  und  Britisch-Ostafrika  wird  immer  mehr 
der  Kultur  erschlossen,  immer  tiefer  dringt  der  Mensch  in  die 
Geheimnisse  seiner  Tierwelt,  und  doch  harren  noch  manche  Rätsel 
der  Lösung,  noch  manche  Tierarten  werden  entdeckt  werden 
oder  ihren  Namen  ändern  müssen,  ehe  alles  genügend  erforscht 


—    92    — 

sein  wird.  So  z.  B.  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  daß  unter  den 
großen  Antilopen,  die  heute  einen  Sammelnamen  führen,  wie  die 
Gruppe  der  Hartebeeste  oder  Wasserböcke,  verschiedene  Arten 
sich  befinden,  Arten,  die  sich  durch  Zeichnung,  Farbe  und  Ge- 
hörn zwar  ähneln,  aber  doch  verschieden  sind.  Oft  habe  ich  mir 
die  jetzt  so  aktuelle  Frage  vorgelegt:  „Wann  werden  die  großen 
Säugetiere  im  Innern  von  Afrika  verschwunden  sein?"  und  sie 
mir  in  dem  Sinne  beantwortet:  gelingt  es,  genügenden  Schutz 
durch  Jagdgesetze,  Einfülirung  von  Schonzeiten  und  Anlegen 
von  Wildreservaten  zu  schaffen,  so  wird  eine  Ausrottung  in  den 
nächsten  Jahrhunderten  nicht  zu  befürchten  sein.  Noch  sind  un- 
geheure Mengen  Wild  vorhanden,  und  es  ist  auch  fraglich,  ob 
sich  jemals  die  weiten,  sonnendurchglühten  Steppen  und  dürren 
Mimosenwälder,  die  Heimat  des  Wildes,  der  Kultur  ganz  öffnen 
werden.  Zu  vergessen  ist  auch  nicht,  daß  das  Wild  schon  jetzt 
sehr  scheu  geworden  ist  und  sich  mehr  und  mehr  in  unwirtliche 
Gegenden  zurückzieht.  Britisch-Ostafrika  speziell  besitzt  südlich 
der  Ugandabahn  bis  dicht  an  die  deutsche  Grenze  heran  ein 
riesiges,  fast  unbevölkertes  Wildreservatgebiet;  hier  darf  bei 
Vermeidung  von  schweren  Strafen  nicht  geschossen  werden.  Daß 
die  englische  Regierung  aber  auch  das  ihrige  tut,  um  die  Jäger 
wirksam  zu  kontrollieren,  davon  habe  ich  mich  persönlich  über- 
zeugen können. 


—     93 


L  J  B  R  A  R 


Besprechungen. 

Neue  Bücher. 

Heimatkunde  und  Heimatarbeit.  Volkswirtschaftliche  und 
sozialpolitische  Aufsätze.  Von  Wilhelm  Kobelt.  520  S. 
mit  Porträt.  Gr.-8°.  Frankfurt  am  Main  (Englert  &  Schlosser) 
1912.    Preis  broschiert  M.  10.—. 

Wie  Kobelt  in  seinen,  in  unserem  vorjährigen  „Bericht"  erschienenen 
Aufsätzen  über  den  Schwanheimer  Wald  nicht  eine  Aufzählung  und  Schil- 
derung einzelner  Tiere  und  Pflanzen  gegeben  hat,  sondern  ein  lebensfrohes 
Bild  einer  biologischen  Gemeinschaft,  so  sind  auch  seine  Arbeiten  auf  dem 
Gebiet  der  Volkswirtschaft  und  Sozialpolitik  nicht  trockene  Berichte  über 
Einzelforschungen  aus  irgendwelchen  entlegenen  Zeiten  und  Ländern,  sondern 
es  sind  Ausschnitte  aus  dem  Wirtschaftsleben  Großfrankfurts.  Auch  in 
dem  Volkswirtschaftler  ist  der  Biologe  zu  finden. 

Kobelt  wird  schon  deshalb  als  Volkswirtschaftler  nicht  vergessen 
werden,  weil  er  zuerst  auf  eine  wirtschaftliche  Einheit  hingewiesen  hat,  die 
vor  ihm  niemand  mit  solcher  Klarheit  erkannt  hat:  die  der  Großstadt  und 
ihrer  Umgebung,  soweit  sie  von  dieser  Stadt  wirtschaftlich  beherrscht  wird 
und  ihr  die  Arbeiter  liefert.  So  hat  er  den  Begriff  „Groß-Frankfurt" 
geschaffen.  „  Groß-Frankf urt  in  unserem  Sinn  reicht  den  Main  entlang  etwa 
von  der  bayerischen  Grenze  bis  zum  Lorsbacher  Tal,  im  Taunus  bis  zur 
Wasserscheide  und  schließt  im  Norden  das  Usinger  Land  und  die  südliche 
Wetterau  ein,  ziemlich  genau  bis  zum  Pfahlgraben,  der  alten  Römergrenze. 
Es  schließt  dann  noch  das  Kinzigtal  bis  zum  Distelrasen  und  einen  Teil  der 
bayerischen  Rhön  und  des  Spessartabhanges  ein,  südlich  vom  Main  nur  den 
Kreis  Offenbach  und  die  Walddörfer  bis  nach  Kelsterbach."  Für  dieses  Ge- 
biet insbesondere  gibt  nun  Kobelt  seit  etwa  vierzehn  Jahren  die  „Gemein- 
nützigen Blätter  für  Hessen  und  Hessen-Nassau,  Zeitschrift  für  soziale 
Heimatkunde"  heraus,  in  denen  seine  nationalökonomischen  Arbeiten  haupt- 
sächlich erschienen  sind.  Gewiß  mögen  die  grünen  Heftchen  gar  viele  zum 
Nachdenken  angeregt  haben;  aber  in  unserer  von  Druckschriften  überfluteten 
Zeit  fehlt  den  meisten  die  Muße,  alles,  was  an  periodischen  Schriften  auf 
den  Schreibtisch  flattert,  zu  genießen. 

Man  muß  darum  dem  Rhein-Mainischen  Verband  für  Volksbildung  und 
dem  Sozialen  Museum  Dank  wissen,  daß  sie  zu  Kobelts  fünfzigjährigem 
Doktorjubiläum  am  13.  Dezember  1912  die  in  den  „Gemeinnützigen  Blättern" 


—     94     — 

zerstreuten  Arbeiten  zusammen  mit  einigen  anderswo  erschienenen  Aufsätzen 
zu  einem  stattlichen  Bande  vereinigt  haben,  als  Festgabe  und  Dank  dar- 
gebracht, ihm  „der  über  vierzig  Jahre  als  Gelehrter,  als  Mann  der  selbstlosen 
werktätigen  Liebe,  als  schöpferischer  Organisator  und  als  Mensch  Vorbild 
und  Führer  gewesen  ist." 

Die  größere  Hälfte  des  Buches  enthält  Aufsätze  über  die  Heimatkunde 
im  engeren  Sinn,  und  es  gibt  kaum  eine  Sparte  dieses  Gebietes,  die  K  o  b  e  1 1 
nicht  behandelt.  Aufsätze  aus  der  zoologischen  Heimatkunde  („Der  Lachs 
in  unserem  Gebiet",  „Unsere  Mäuse")  stehen  neben  botanischen  („Die  Eichen 
der  Hanauer  Forsten",  „Pflanzenschutz"),  mineralogischen  („Eine  Sammlung 
heimatlicher  Gesteine  aus  angeschwemmter  Ebene"),  geologischen  („Die  Torf- 
und Braunkohlenlager  in  der  unteren  Mainebene  und  dem  Ried")  und  meteo- 
rologischen („Gewittergeographie").  Abhandlungen  über  die  prähistorische 
und  historische  Entwicklung  unserer  Gegend  und  insbesondere  unseres  Wald- 
gebietes finden  sich  wohl  nirgends  in  solcher  Vielseitigkeit  zusammengestellt. 
Wir  greifen  nur  „Die  wirtschaftliche  Urgeschichte  der  Mainebene"  heraus. 
Hier  wird  die  geologische  Entstehung  der  Gegend  von  Hanau  bis  Mainz  seit 
dem  Beginn  des  Tertiärs  geschildert,  die  Steinbruch-,  Kalk-  und  Ziegel- 
industrie aus  den  stratigraphischen  Vorbedingungen  heraus  erklärt,  über  die 
Besiedelung  der  Landschaft  von  der  älteren  Steinzeit  bis  zu  den  Römern 
berichtet.  Die  Lektüre  der  Aufsätze  über  die  Niederlassung  der  Franken 
und  die  Schicksale  der  Dreieich  braucht  nicht  besonders  empfohlen  zu  werden. 
Ist  doch  Kobelt  als  der  beste  Kenner  dieser  Materie  bekannt! 

Im  zweiten  Teil  des  Buches  sind  zunächst  unter  dem  zusammenfassen- 
den Titel  „Volkswirtschaft"  Fragen  hauptsächlich  landwirtschaftlicher  und 
genossenschaftlicher  Natur  behandelt.  Hier  ist  es  neben  dem  vielseitigen 
Gelehrten  der  warmfühlende  Mensch,  der  besonders  hervortritt.  Denn  je  mehr 
Kobelt  sich  selbst  bescheiden  in  den  Hintergrund  stellt  und  viele  von  ihm 
geschaffene  Institutionen  wie  mühelos  von  selbst  geworden  schildert,  umso- 
niehr  merkt  man  seine  vielseitige  Tätigkeit,  die  immer  wieder,  von  den  engen 
Grenzen  Schwanheims  ausgehend,  auf  alle  gemeinnützigen  Bestrebungen  im 
Maingau  befruchtend  gewirkt  hat.  Es  ist  rührend  zu  sehen,  wie  ein  Mann, 
den  seine  wissenschaftliche  Tätigkeit  auf  den  Gebieten  der  Zoologie  der 
Weichtiere  und  der  Tiergeographie  in  den  ersten  Rang  lebender  Naturforscher 
stellt,  Ratschläge  erteilt,  die  die  Bauern  der  Umgegend  befähigen  sollen, 
einen  möglichst  großen  Vorteil  aus  der  Anwendung  von  Düngemitteln  zu 
ziehen,  wie  er  Vorschläge  zu  rationeller  Ziegenzucht  gibt.  Die  näheren  Kenner 
der  Konsumvereinsbewegung  werden  sich  freuen,  seine  Vorschläge  zu  lesen, 
die  geeignet  sind,  eine  Vertiefung  des  Genossenschaftswesens  herbeizuführen. 
Er  hat  in  sich  die  manchesterliche  Auffassung  überwunden,  die  in  einem 
Verein  lediglich  eine  Summierung  von  Einzelindividuen  zu  irgendwelchen 
Zwecken  erblickt;  er  will  keine  Vereine,  sondern  Genossenschaften,  bei  denen 
sich  jeder  als  Teil  einer  höheren  Einheit  fühlt,  wo  durch  die  Integration 
dieser  ein  neues  sozialbiologisches  Individuum  hervorgeht.  Deshalb  bekämpft 
er  auch  die  Richtung,  die  in  dem  Konsumverein  lediglich  den  Lieferanten 
billiger  Lebensmittel,  verbunden  mit  einer  Weihnachtskasse  sieht;  er  will 
vielmehr,  indem  er  die  Nichtverteilung  mindestens  eines  Teiles  des  Geschäfts- 
überschusses vorschlägt,  ein  Grundvermögen  sammeln,  das  in  der  mannigfach- 


^ 


—    97     — 

sten  Weise  Gemeinnütziges  wirken  kann.    Kohlenkassen,  Volksversicherung 
und  Baugenossenschaften  können  sich  so  den  Konsumvereinen  angliedern. 

Mit  den  Baugenossenschaften  betreten  wir  ein  weiteres  Gebiet,  das 
K  o  b  e  1 1  beackert  hat,  das  des  Ansiedelungswesens.  Der  uns  zur  Verfügung 
gestellte  Raum  verbietet  uns,  ihm  hier  zu  folgen.  Wir  wollen  nur  darauf 
hinweisen,  daß  der  Verfasser  mit  seiner  pessimistischen  Beurteilung  der  Zu- 
kunft der  Gartenstadtbewegung  für  unsere  Gegend  leider  recht  zu  behalten 
scheint. 

In  den  beiden  letzten  Abschnitten  beschäftigt  sich  K  o  b  e  1 1  mit  Volks- 
bildung und  Hygiene.  Als  echter  Genossenschaftler  widerlegt  er  den  Vor- 
wurf der  Vereinsmeierei  und  weist  die  Nützlichkeit  auch  sonst  häufig  ver- 
spotteter Musik-  und  Unterhaltungsvereine  nach.  Er  legt  auch  ein  gutes 
Wort  für  den  natm-wissenschaftlichen  Sammeleifer  unserer  Jugend  ein.  Seine 
Aufsätze  zur  Bekämpfung  des  Alkoholismus  und  der  Tuberkulosegefahr  sind 
der  weitesten  Verbreitung  würdig. 

Mit  der  Ausdehnung  und  Verbreiterung  des  Gebietes  der  Naturwissen- 
schaften in  unserer  Zeit  sind  neben  großen  Vorteilen  auch  unleugenbare 
Nachteile  verbunden.  Die  Spezialisierung  der  Forscher  auf  einzelne  Teilge- 
biete und  deren  stetes  Wachstum  verhindert  manchmal  den  Überblick  über 
das  Ganze  und  ist  ungünstig  für  die  Kenntnis  der  Grenzgebiete.  Sie  er- 
leichtert dem  eingeschworenen  Fachmenschen  gegenüber  dem  schöpferischen 
Forscher  das  Fortkommen.  Notwendig  ist  für  den  Fortschritt,  daß  von  außen 
die  Befruchtung  diu-ch  neue  Ideen  an  die  einzelnen  Wissenschaften  heran- 
tritt. So  hat  Kobelt,  von  Hause  Arzt,  sowohl  Naturwissenschaften  als 
Volkswirtschaft  in  ihrem  Innersten  bereichert,  indem  er  den  Begriff  der 
Wohngebietsgemeinschaft  in  sie  eingeführt  hat.  Eine  naturwissenschaftliche 
Heimatkunde  wird  bisher  an  keiner  Universität  gelehrt.  Es  wäre  der  Mühe 
wert,  hier  in  Frankfurt  einmal  den  Versuch  zu  machen  und  eine  Vorlesung 
, Biologie  des  Maingaus"  einzuführen.  Wir  glauben,  die  Ausführung 
dieser  Anregung  wäre  die  schönste  Ehrung  unseres  Kobelt. 

Und  nun  zum  Schluß !  Die  Gemeinde,  in  der  Kobelt  wirkt,  hat  seine 
Verdienste  gewürdigt,  indem  sie  ihn  zum  Ehrenbürger  ernannt  hat.  Diese 
Ehrung  gilt  nicht  nur  —  nicht  einmal  in  erster  Linie  —  dem  Gelehrten, 
sondern  dem  so  vielseitig  hilfreichen  Menschen.  Möge  ihm  vergönnt 
sein,  noch  eine  recht  lange  Reihe  von  Jahren  zu  wirken  und  viel  des  von 
ihm  ausgestreuten  Samens  aufgehen  zu  sehen  1 

H.  Seckel. 

Mikroskopisches  Praktikum  für  systematische  Botanik 
(I.  Angiospermae).  Von  Prof.  Dr.  M.  Mob  ins.  VIII  u.  216  S. 
mit  150  Abbildungen  im  Text.  8°.  Berlin  (Gebrüder  Born- 
traeger)  1912.     Preis  gebunden  M.  6.80. 

Das  reizvolle  Möbiussche  Büchlein  bietet  etwas,  was  bisher  noch 
nicht  vorhanden  war,  nämlich  eine  Anleitung  zu  mikroskopischen  Be- 
obachtungen im  Dienste  der  Systematik.  Dabei  werden  die  Blüten- 
teiie  auf  ihre  systematisch  wertvollen  Merkmale  hin  an  einfachen,  durch  Hand- 
schnitte oder  Zerlegung  gewonnenen  Präparaten  demonstriert.    Stärkere  Ver- 


—    98    — 

größerungen  brauchen  nicht  angewandt  zu  werden.  Die  vegetativen  Teile 
werden  nur  nebenher  hier  und  da  betrachtet.  Alle,  die  einzelnen  Arten 
kennzeichnenden  Merkmale  treten  gegenüber  den  Gattungscharakteren 
in  den  Hintergrund,  so  daß  die  Grundtatsachen  der  Systematik  klar  hervor- 
gehoben werden.  Dementsprechend  findet  auch  die  Verteilung  von  Idioblasten, 
Haaren  usw.,  sowie  die  Zusammensetzung  und  der  Verlauf  der  Leitbündel 
nebst  ähnlichem  kaum  Berücksichtigung. 

Somit  ist  der  Kreis  der  vorgeführten  Baueigentümlichkeiten  ziemlich  eng. 
Dafür  ist  aber  die  Anschaulichkeit  um  so  größer.  Es  erscheint  mir  überhaupt 
neben  dem  vom  Verfasser  betonten  Vorzug,  die  Systematik  gewissermaßen  prak- 
tisch zu  lehren  und  so  eine  Ergänzung  der  Bestimmungsübungen  zu  bieten, 
sehr  wertvoll,  daß  die  vorgeschlagenen  Übungen  von  der  Betrachtung  mit 
bloßem  Auge  zur  mikroskopischen  Untersuchung  überleiten.  Gerade  diese, 
für  die  Anschauung  so  wichtige  Überleitung  wird  in  der  Botanik  vielfach  ver- 
nachlässigt. Hier  kann  das  Möbiussche  Buch  einen  ebenso  wertvollen 
Wandel  schaffen  wie  bei  der  Art  der  Einprägung  der  in  unseren  pflanzen- 
physiologisch   orientierten    Instituten    meist    nur   theoretisch   vorgetragenen 

systematischen  Tatsachen. 

Ervst  G.  Pringsheim. 


Einführung  in  die  Lehre  vom  Bau  und  den  Verrich- 
tungen des  Nervensystems.  Von  Prof.  Dr.  Ludwig 
E  dinger.  Zweite,  vermehrte  und  verbesserte  Auflage.  VI  und 
234  S.  mit  176  Abbildungen.  8°.  Leipzig  (F.  C.  W.  Vogel)  1912. 
Preis  brosch.  M.  6.—,  geb.  M.  7.50. 
Die  neue  Auflage  des  Werkes  bringt  zu  dem  Inhalt  der  ersten  einen 
Zuwachs  von  drei  Kapiteln  und  vielen  Abbildungen.  Dem  peripheren  Nerven- 
system ist  ein  besonderer  Abschnitt  gewidmet,  unter  eingehender  Berück- 
sichtigung des  viszeralen  (Eingeweide-)  Systems,  dessen  Funktionen  durch 
sehr  instruktive  Tafeln  erläutert  werden.  Neu  und  dvu-ch  Übersichtlichkeit 
bemerkenswert  ist  ferner  ein  Schema  der  Segmentinnervation  der  Muskulatur, 
das  einem  längst  empfundenen  klinischen  Bedürfnis  entgegenkommt.  Aber 
abgesehen  von  solchen  Einzelheiten  wird  das  Ganze  gekrönt  durch  die  neu 
eingefügte  Vorlesung  über  die  Beziehungen  zwischen  dem  Aufbau  des  Nerven- 
systems und  seiner  Tätigkeit,  wodurch  der  Verfasser  den  Anschluß  der  Ana- 
tomie an  die  Psychologie  erstrebt:  Die  aus  der  vergleichenden  Anatomie  sich 
ergebende  Scheidung  des  Gesamtgehirns  in  Paläencephalon  und  N e e n- 
cephalon  führt  zu  einer  prinzipiellen  Trennung  der  Funktionen  beider. 
E  d  i  n  g  e  r  schlägt  vor,  bei  Leistungen  des  Paläencephalons  nicht  von  Wahr- 
nehmungen und  Handlungen,  sondern  von  Rezeptionen  und  Motus  zu  sprechen 
und  das  Dazwischenliegende  nicht  als  Assoziation,  sondern  als  Relation  zu 
bezeichnen.  Den  Begriff  der  Assoziation  wünscht  er  für  die  Beziehungen 
zwischen  den  Funktionen  des  Neencephalons  zu  reservieren,  die  als  Praxien 
und  Gnosis  gekennzeichnet  werden.  In  den  so  geschaffenen  Rahmen  lassen 
sich  die  psychischen  Vorgänge  beim  Menschen  sowohl  wie  bei  höheren  und 
niederen  Tieren  zwanglos  einordnen,  in   einer  Weise,   die  an  der  Hand  der 


—     99     — 

Anatomie  neue  Gesichtspunkte  für  die  Analyse  und  Beurteilung  psychischer 
Erscheinungen  eröffnet. 

Das  Werk  nennt  sich  „Einführung".  Wohl  demjenigen,  dem  schon 
die  erste  Beschäftigung  mit  den  Problemen  des  Nervensystems  durch  solchen 
Wegweiser  vermittelt  wird,  der  ihm  statt  bloßen  Gedächtnismaterials  eine 
Fülle  von  Anregungen  gewährt!  Aber  auch  wer  sich  tiefer  in  einzelne  Pro- 
bleme hineingräbt,  braucht  ein  Werk  wie  das  vorliegende,  um  über  der  Detail- 
arbeit des  Arztes  oder  Forschers  nicht  den  Anschluß  an  das  Ganze  zu  ver- 
lieren. Darin  liegt  wohl  auch  vor  allem  der  didaktische  Wert  des  Buches, 
daß  bei  keiner  der  zahllosen  anatomischen  Einzelheiten  der  Blick  auf  die 
dahinterliegenden  Probleme  verdunkelt  wird.  So  bedeutet  die  Art  der  Dar- 
stellung an  und  für  sich  die  vollkommene  Lösung  eines  schwierigen  Problems. 

Gustav  Oppenheim. 

Vom  Kongo  zum  Niger  und  Nil.  Berichte  der  deutschen 
Zentralafrika-Expedition  1910/1911.  Von  Adolf  Friedrich 
Herzog  zu  Mecklenburg.  2  Bände.  XX  u.  722  S.  mit 
512  bunten  und  einfarbigen  Abbildungen  nach  Photographien 
und  Zeichnungen,  sowie  mit  6  Karten.  8".  Leipzig  (F.  A.  Brock- 
haus) 1912.    Preis  gebunden  M.  20.—. 

Der  Verlauf  der  Forschungsreisen,  über  die  unter  dem  Titel:  „Vom 
Kongo  zum  Niger  und  Nil"  nunmehr  ein  reich  illustrierter  Bericht  vorliegt, 
ist  den  Mitgliedern  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft 
wohlbekannt.  Am  15.  Februar  1912  hat  der  Hohe  Leiter  der  Expedition,  der 
gegenwärtige  Kais.  Gouverneur  von  Togo,  in  dem  bis  zum  letzten  Platze  mit 
einer  gespannt  lauschenden  Menschenmenge  besetzten  Albert-Schumann- 
Theater  über  seine  eigene  Reise  zur  Erforschung  des  Schari-  und  Tschadsee- 
Gebietes  unter  Vorführung  zahlreicher  Lichtbilder  berichtet.*)  Zugleich  hat 
eine  Ausstellung  im  Völkermuseum  Kunde  von  der  reichen  naturwissenschaft- 
lichen und  ethnographischen  Ausbeute  der  deutschen  Zentralafrika-Expedition 
gegeben,  und  haben  die  Aquarellskizzen  des  Malers,  der  den  Herzog  begleitete, 
die  Überlegenheit  des  Künstlerauges  über  die  Augenblicksbilder  der  Kamera 
gezeigt. 

Hinzu  kam  ein  Vortrag,  den  der  Zoologe  Dr.  Schubotz  über  seine 
erfolgreiche  Sonder-Expedition  in  das  Heimatgebiet  des  Okapi  bei  der  Jahres- 
feier unserer  Gesellschaft  am  19.  Mai  1912  gehalten  hat.-)  Schubotz  hatte 
den  Herzog  bis  zum  Tschadsee  begleitet;  er  wollte  dann  auf  der  Wasser- 
scheide zwischen  Schari,  Kongo  und  Nil  sammeln,  mußte  aber  wegen  der 
Unruhen  im  Dar-Kuti-Gebiet  einen  südlicheren  Weg  nehmen  und  erreichte 
(siehe  die  Übersichtskarte  im  43.  Band  unseres  „Berichts"),  am  Uelle  ost- 
wärts dringend,  den  Weißen  Nil  bei  Lado.  Das  Reisewerk  nimmt  im  IL  Band 
S.  372  Anm.  Bezug  auf  diesen  Vortrag,   der   die  zoologischen  Ergebnisse  der 


')  Adolf  Friedrich  Herzog  zu  Mecklenburg  „Über  seine  II. 
Innerafrika-Expedition"  (Referat).  43.  Bericht  d.  Senckenberg.  Naturf.  Ges. 
1912  S.  151—155. 

2)  H.  Schubotz  „Zoologische  Ergebnisse  usw."    Ebenda  S.  324— 858. 


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—     101     — 

Sonderexpedition  zusammenfaßt.  Schubotz  verdankt  die  Gesellschaft  das 
seltene  Okapi,  über  dessen  Aufstellung  Prof.  zur  Strassen  kürzlich  be- 
richtet hat,')  Es  gereicht  unserem  Museum  zur  Ehre,  daß  der  Herzog  die 
Photographie  unseres  ruhig-äsend  dargestellten  Exemplares  für  würdig  ge- 
halten hat,  in  seinem  Reisewerk  aufgenommen  zu  werden  neben  dem 
hübschen  Aquarellbild  auf  der  Einbanddecke  des  II.  Bandes,  das  ein  Okapi 
in  dem  ihm '^wahrscheinlich  eigenen  Paßgang  zeigt. 

Sodann  haben  wir  am  30.  November  1912  den  Bericht  des  Oberleutnant 
a.  D.  Dr.  Schnitze  gehört.  Ihn  hat  sein  Sonderweg  durch  die  nunmehr 
deutsch  gewordene  Hyläa  des  Ssanga  geführt,  in  der  er  Pygmäen  antraf,  Kunde 
von  einem  Löwen  des  Urwaldgebietes  erhielt  und  unter  anderem  einen  alten 
Tschego  erbeutet  hat,  der  in  unser  Museum  gelangt  ist.  Schnitze  hat  be- 
sonders den  geographischen  und  geologischen  Verhältnissen,  dem  Pflanzen - 
und  Insektenleben  des  durchreisten  Gebietes  seine  Aufmerksamkeit  gewidmet.^) 

Bekannt  ist  endlich,  in  wie  tatkräftiger  Weise  viele  Frankfurter, 
und  gerade  solche,  die  unserer  Gesellschaft  nahestehen,  das  große  Unter- 
nehmen des  Herzogs  im  Dienste  der  deutschen  Wissenschaft  finanziell  unter- 
stützt haben,  wodurch  die  hiesigen  Museen  bei  der  Ausbeute  besonders  be- 
rücksichtigt werden  konnten. 

Gerade  durch  die  nähere  Bekanntschaft  mit  Führern  und  Förderern 
der  so  überaus  gefahr-  und  erfolgreichen  Expedition  gewinnt  das  Werk  des 
Herzogs  für  die  Mitglieder  unserer  Gesellschaft  einen  besonders  hohen  Wert. 
Neben  den  naturwissenschaftlichen  Ergebnissen,  die  Fachgelehrte  noch  auf 
Jahre  hinaus  beschäftigen  werden,  findet  der  Leser  viele  ausgezeichnete  Be- 
merkungen über  die  Geschichte  und  Kultur  der  Bevölkerung.  Wie  bald  werden 
die  alten  Zustände,  die  manchmal  an  die  Kreuzritterzeit  gemahnen,  durch  den 
unaufhaltsam  vordringenden  europäischen  Handel  vernichtet,  Flora  und  Fauna 
gänzlich  verändert  sein  I  Wir  lesen  treffliche  Schilderungen  des  Hauptmanns  von 
WieseundKaiserswaldau,  der  unter  ungeheuren  Schwierigkeiten  durch 
von  Kanibalen  bewohnte  Wälder  zum  mittleren  Nil  durchdrang,  und  des 
Botanikers  Mildbraed,  der  entzückende  Bilder  der  Hyläa  und  der  Inseln 
im  Golf  von  Guinea  entrollt,  sowie  des  Kunstmalers  Heims,  dessen  Löwin 
Simba  durch  tolle  Streiche  die  Sympathien  des  Lesers  gewinnt. 

Der  Name  des  Verlags  bürgte  von  vornherein  für  eine  vorzügliche  Aus- 
stattung des  Werkes.  Neben  der  scharfen  Wiedergabe  zahlreicher  Photo- 
graphien aus  Steppe  und  tropischem  Regenwald,  die  oft  unter  großen  Schwierig- 
keiten entstanden  sein  mögen,  seien  der  Abdruck  reizender  Bleistiftskizzen 
der  Expeditionsteilnehmer,  sowie  die  schwierige  Wiedergabe  zahlreicher 
Aquarelle  besonders  hervorgehoben.  Sechs  ausführliche  Karten  vervollstän- 
digen das  Werk ;  in  die  Übersichtskarte,  die  mit  Erlaubnis  des  Verlags  unserem 
vorjährigen  „Bericht"  beigegeben  ist,  hat  Schubotz  das  Verbreitungsgebiet 
des  Okapi  eingezeichnet. 

Ä.  Jassoif. 


')  O.  zur  Strassen  „Die  Aufstellung  des  Okapi".  Ebenda  S. 287— 292. 
^)  Der  Vortrag  erscheint  ausführlich  im  2.  Heft  dieses  „Berichtes". 


—     102     — 

Wie  lege  ich  einen  Garten  an?  Ein  neues  Gartenbuch. 
Nach  Rogers  Gartenbuch  im  Auftrage  der  Gesellschaft  für 
Heimkultur  e.  V.  herausgegeben  von  Landesökonomierat 
A.  Siebert,  Direktor  des  Frankfurter  Palmengartens,  Prof. 
W.  Seh  öl  er  mann  und  Garteninspektor  0.  Kraus.  334  S. 
mit  202  Abbildungen.  8°.  Wiesbaden  (Westdeutsche  Verlags- 
gesellschaft m.  b.  H.)  ohne  Jahreszahl.  Preis  geb.  M.  7.50. 
In  England  sucht  jeder,  der  einigermaßen  dazu  imstande  ist,  ein  eigenes 
Häuschen  mit  einem  Garten  zu  besitzen.  Dort  ist  die  Gartenkunst  deshalb 
auch  mehr  zu  Hause  als  in  Deutschland,  wo  gegenwärtig  verschiedene  Par- 
teien mit  den  merkwürdigsten  Theorien  über  diesen  Gegenstand  einander 
bekämpfen.  Da  war  es  ein  sehr  glücklicher  Gedanke,  das  englische  Buch 
von  B.  R  o  g  e  r  s  ins  Deutsche  zu  übertragen,  und  so  die  deutschen  Garten- 
liebhaber damit  bekannt  zu  machen,  nicht  damit  sie  sich  genau  danach  richten, 
sondern  damit  sie  aus  dem  Geist  des  Buches  gute  Gedanken  schöpfen.  In 
einfacher  Sprache,  in  der  sich  ebenso  die  Liebe  des  Verfassers  zum  Garten 
wie  seine  gründliche  Kenntnis  auf  dem  ganzen  Gebiet  ausdrückt,  wird  alles 
erörtert,  was  für  die  Gartenanlage  in  Frage  kommt:  von  der  Auswahl  des 
Terrains  und  dessen  Bewertung  an  bis  zu  den  Gartengerätschaften  und  den 
einzelnen  Pflanzen,  von  welch  letzteren  die  empfehlenswerten  in  mehreren 
Listen  zusammengestellt  sind.  Um  den  Standpunkt  des  Verfassers  zu  charak- 
terisieren, heben  wir  nur  zweierlei  hervor,  nämlich  daß  er  die  Blumenzucht 
im  Garten  an  die  erste  Stelle  setzt,  und  daß  er  in  der  Gartenkunst  das 
Zweckmäßige  als  entscheidend  betrachtet,  worunter  er  das  Wohlergehen 
der  Blumen  und  die  Bequemlichkeit  und  Behaglichkeit  des  Gartenbenutzers 
versteht.  Wie  nun  dies  mit  dem  Malerischen  zu  vereinigen  ist,  das  zeigen 
die  einzelnen  Abschnitte,  auf  die  wir  nicht  näher  eingehen  können,  und  zwar 
nicht  nur  in  dem  gut  übersetzten  Text,  sondern  auch  in  den  zahlreichen  Text- 
figuren und  Tafeln.  Zu  letzteren  gehören  32  Gartenpläne,  an  denen  beson- 
ders die  Vermeidung  von  Kurven  und  spitzen  Winkeln  in  der  Wegführung, 
wenigstens  bei  den  kleinen  Gärten,  auffällt.  Und  gerade  für  die  Anlage 
kleinerer,  einfacher  Gärten  kann  das  Buch  recht  empfohlen  werden.  Auch 
seine  Ausstattung  ist,  was  Druck  und  Abbildungen  anbetrifft,  sehr  zu  loben. 
Was  zu  tadeln  ist  —  die  Einschiebung  von  Anzeigen  im  Text  — ,  fällt  der 
Verlagsgesellschaft  zur  Last  vnid  kann  bei  einer  zweiten  Auflage,  die  hoffent- 
lich recht  bald  erforderlich  sein  wird,  leicht  beseitigt  werden. 

31.  Möhius. 


Aus  der  Schausammlung. 

Pheiiacodus  primaevus  Cope. 

Mit  einer  Abbildung. 

Mit  der  Erforschung  der  Stammesgeschichte  unserer  Tier- 
welt geht  es  genau  wie  mit  der  Zusammenstellung  eines  Familien- 
stammbaumes. Die  Vorfahren  aus  den  letzten  hundert  oder  zwei- 
hundert Jahren  sind  leicht  festzustellen;  dann  wird  die  Über- 
lieferung immer  spärlicher,  die  Kirchenbücher  versagen,  und  vor 
dem  Dreißigjährigen  Krieg  bietet  nur  noch  der  Zufall  gelegentlich 
die  eine  oder  andere  Entdeckung.  Um  so  freudiger  aber  werden 
solche  Funde  begrüßt,  da  sie  oft  ein  Licht  auf  eigenartige  ver- 
wandtschaftliche Beziehungen  werfen,  deren  Kenntnis  ganz  ver- 
loren gegangen  war.  Auch  in  der  Stammesgeschichte  irgendeiner 
Tiergruppe  ist  es  meist  leicht,  durch  die  eben  verflossene  geo- 
logische Epoche  den  Faden  fortzuspinnen.  Je  weiter  man  aber 
in  der  Geschichte  unserer  Erde  zurückblickt,  um  so  größer  werden 
die  Lücken  in  der  Überlieferung,  und  schließlich  sind  es  auch 
nur  Zufallsfunde,  deren  richtige  Behandlung  oft  ungemein  schwierig 
ist,  die  aber  zui'  Feststellung  der  Beziehungen  zu  anderen  Tier- 
gruppen die  allergrößte  Wichtigkeit  haben.  Die  Wertschätzung 
solcher  Funde  ist  natürlich  entsprechend  hoch,  und  jedes  Museum 
preist  sich  glücklich,  wenn  es  z.  B.  einen  einzelnen  Zahn  oder 
einen  isolierten  Knochen  eines  primitiven  Ursäugetiers  sein  Eigen 
nennen  darf.  Denn  vollständige  Skelette  existieren  überhaupt 
nicht,  und  die  Fälle,  wo  ein  größerer  Teil  eines  Skeletts  gefunden 
worden  ist,  sind  ganz  vereinzelt  geblieben. 

Zu  den  primitivsten  aller  Säugetiere,  und  zwar  in  die  Ahnen- 
reihe der  Huftiere,  gehört  nun  auch  der  Phenacodus,  den  unsere 
Abbildung  zeigt.  Man  kennt  von  dieser  Gattung  bis  jetzt  zwei 
Arten,  und  von  jeder  Art  war  ein  Skelett  bekannt,  beide  stark 
ergänzt  und  beide   in   New  York.     In   Europa   werden   einzelne 


—     104    — 

Zähne  in  den  Museen  von  München,  Tübingen  und  London  als 
Kostbarkeiten  ersten  Ranges  aufbewahrt.  Schon  hieraus  geht 
der  ganz  außerordentliche  Wert  eines  dritten  Skeletts  hervor, 
dessen  Erwerbung  und  Aufstellung  uns  nur  durch  das  wirklich 
großartige  Entgegenkommen  des  befreundeten  New  Yorker  Mu- 
seums möglich  geworden  ist. 

Alle  echten  Teile  unseres  Phenacodus  stammen  von  einem 
einzigen  Individuum,  das  im  Jahre  1910  von  W.  Granger  west- 
lich von  den  Big  Horn-Bergen  im  nördlichen  Wyoming  (3  Meilen 
südlich  von  Otto)  gefunden  und  mit  äußerster  Sorgfalt  ausge- 
graben wurde.  Die  Ergänzungen  sind  exakte  Abgüsse  von  dem 
einen  gleich  großen  Skelett  derselben  Art  in  New  York,  so  daß 
durch  das  Frankfurter  Stück  den  europäischen  Forschern  zum 
ersten  Male  Gelegenheit  gegeben  wird,  einen  Phenacodus  als  den 
typischsten  Vertreter  der  uralten  Condylarthra  selbst  zu  unter- 
suchen. 

Unter  diesem  Namen  faßt  man  die  ältesten  aller  Huftiere 
zusammen,  die  sich  bis  jetzt  —  wenn  man  von  ganz  dürftigen 
Funden  in  Europa  absieht  —  nur  in  den  tiefsten  Tertiärschichten 
Nordamerikas  (Untereozän)  gefunden  haben.  In  den  gleichen 
Schichten  liegen  auch  die  Ahnen  der  späteren  Raubtiere,  Insekten- 
fresser und  anderer  Ordnungen  begraben.  Wenn  man  dies  aber 
nicht  wüßte,  wenn  man  nicht  die  Stammbäume  bis  in  jene  Zeit 
hätte  zurückverfolgen  können,  so  würde  kein  Forscher  daran  ge- 
dacht haben,  in  den  Resten  des  Tierlebens  der  damaligen  Zeit 
eine  ganze  Reihe  verschiedener  Tierordnungen  zu  unterscheiden. 
So  ähnlich  sind  alle  diese  Tiere,  so  nahe  verwandt  erscheinen  sie 
uns  dadurch,  daß  sie  alle  auf  einer  primitiven  Entwicklungsstufe 
stehen,  und  daß  diese  eben  bei  den  meisten  Säugetiergruppen 
sehr  ähnlich  ausgesehen  hat.  Sie  haben  alle  einen  niedrigen, 
langgestreckten  Schädel,  ein  ganz  vollständiges  Gebiß  mit  der 
Zahnformel  3.1.4.3  im  Ober-  und  Unterkiefer,  die  später  bei 
den  meisten  Ordnungen  stark  reduziert  wird,  und  fünfzehige 
Extremitäten.  Später  findet  fast  stets  auch  eine  Reduktion  der 
Zehenzahl  statt,  die  z.  B.  in  der  besonders  gut  erforschten  Pferde- 
reihe schließlich  zur  Herausbildung  des  einzehigen  Fußes  unseres 
Pferdes  geführt  hat.  Es  ist  auch  leicht  erklärlich,  daß  es  bisher 
nur  in  den  seltensten  Fällen  gelungen  ist,  die  spärlichen  und 
stets  stark  zerstörten  Funde  irgendeines  Vertreters  der  Condyl- 
arthra  mit    Sicherheit    in    den    Stammbaum    einer    bestimmten 


Co 


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—    106    — 

Huftiergruppe  einzureihen.  Bei  Phenacodus  scheint  der  Bau  der 
Füße,  besonders  das  starke  Hervortreten  der  mittleren  Zehe,  zu 
beweisen,  daß  das  Tier  zu  den  Ahnen  der  Unpaarhufer  gehört; 
aber  am  Schädel  z.  B.  ist  eine  ganze  Reihe  entschiedener  Raub- 
tiercharaktere zu  erkennen.  So  kommt  es,  daß  bis  heute  nicht 
einmal  Einigkeit  darüber  herrscht,  ob  wir  in  diesem  seltenen 
Typus  den  Ahn  einer  jetzt  lebenden  Tiergruppe  vor  uns  haben, 
oder  ob  hier,  wie  einer  der  besten  Kenner,  H.  F.  Osborn,  meint, 
das  Endglied  einer  Stammreihe  vor  uns  steht,  dessen  unbekannte 
Vorläufer  in  viel  früheren  Zeiten  gelebt  haben  und  das  selbst 
keine  Nachkommen  mehr  hinterlassen  hat,  sondern  ausgestorben  ist. 
Mit  unserem  Phenacodus  ist  das  erste  Skelett  aus  dem 
Untereozän  überhaupt  in  ein  europäisches  Museum  gelangt.  Kein 
Stück  dürfte  ein  schöneres  Denkmal  für  das  rege  Interesse  sein, 
das  unser  verstorbenes  Mitglied  San.-Rat  Dr.  Ernst  Blumen- 
thal stets  für  die  Entwicklung  der  paläontologischen  Abteilung 
unseres  Museums  gezeigt  hat.  Seinem  Sohn,  Prof.  Otto  Blumen- 
thal in  Aachen,  verdankt  das  Museum  eins  seiner  wertvollsten 
Objekte  und  gleichzeitig  ein  verständnisvolles,  einzigartiges  Zei- 
chen der  Erinnerung  an  den  zu  früh  verstorbenen  Freund  des 
Tierlebens  der  Vorzeit. 

F.  Drevermann. 


107     — 


Lehrtätigkeit  von  April  1912  bis  März  1913. 

I.  Zoologie. 

Sommerhalbjahr:  Prof.  zur  Strassen  führte  Dienstags 
abends  die  im  Winter  1911  12  begonnene  Darstellung  der  „Ent- 
wicklungsmechanik" zu  Ende.  Es  wurde  gezeigt,  daß  die  Er- 
scheinungen der  Formregulation  ebensowenig  einer  mechanisti- 
schen Erklärung  entzogen  sind  wie  die  der  normalen  Entwicklung. 
Da  auch  in  den  früheren  Vorlesungen  über  Tierpsychologie  und 
über  Abstammungslehre  die  prinzipiell-mechanistische  Erklärbar- 
keit der  dort  behandelten  Probleme  nachgewiesen  worden  war, 
gelangte  der  Vortragende  zu  dem  Gesamtergebnis,  daß  kein  Grund 
vorliege,  die  Existenz  vitalistischer,  zielstrebiger  oder  gar  über- 
natürlicher Geschehensgründe  im  Reiche  des  Organischen  anzu- 
nehmen. 

Mittwochs  nachmittags  von  4 — 6  Uhr  fand  ein  makroskopi- 
scher Kursus  über  die  Anatomie  wirbelloser  Tiere  statt.  Zur 
Präparation  gelangten  an  je  einem  Tage:  Regenwurm,  Blutegel, 
Nacktschnecke,  Weinbergschnecke,  Teichmuschel,  Tintenfisch, 
äußere  Anatomie  des  Flußkrebses,  seine  Verdauungs-  und  Ge- 
schlechtsorgane, sein  Nervensystem,  äußere  Anatomie  der  Heu- 
schrecke, Raupe,  Küchenschabe,  Libellenlarve,  Biene. 

Der  im  Winter  1911/12  begonnene  Jugendkursus  (Frau  M. 
Sondheim)  wurde  miter  Teilnahme  von  24  Knaben  und  Mäd- 
chen während  des  ganzen  Jahres  fortgesetzt.  Im  Sommer  wurde 
zunächst  die  Anatomie  des  Frosches  wiederholt  und  alsdann  zu 
den  Arthropoden  übergegangen,  von  denen  Flußkrebs,  Heuschrecke, 
Küchenschabe,  sowie  die  Mundteile  verschiedener  Insektenfami- 
lien teils  makroskopisch,  teils  mikroskopisch  präpariert  wurden. 
Außerdem  fanden  für  die  Teilnehmer  des  Jugendkurses  zwei 
Exkursionen  auf  die  Praunheimer  Wiesen,   eine   Führung   durch 


—     108    — 

den  Zoologischen  Garten  und   eine  durch  die  Insektensammlung 
des  Museums  statt. 

Die  zoologischen  Exkursionen  wurden  von  Prof.  Knoblauch 
und  Prof.  Sack  geleitet.  Auf  zwölf  Ausflügen  in  die  nähere 
und  weitere  Umgebung  Frankfurts  lernten  die  Teilnehmer  zahl- 
reiche Vertreter  unserer  Wirbeltier-  und  Wirbellosen-Fauna  in 
ihren  charakteristischen  Lebensbezirken  beobachten  und  für  Samm- 
lungszwecke eintragen. 

Das  Ziel  der  meist  bei  schönem  "Wetter  unternommenen 
Exkursionen  war: 

30.  März:  Seckbach-Mainkur 

21.  April:  Münster-Lorsbach-Eppstein 

28.  April :  Sprendlingen-Buchschlag-Mitteldick 

12.  Mai:  Trebur-Nackenheim 
25.  bis  28.  Mai:  Idstein 

2.  Juni:  Schwanheimer  Wald 
8.  Juni:  (abends)  Schwanheimer  Eichen 
15.  Juni:  Offenbach-Mühlheim  a.  M. 

22.  und  23.  Juni :  Hoherodskopf  im  Vogelsberg 

29.  Juni:  Schwanheimer  Sand 
6.  und  7.  Juli:  Braubach  a.  Rh. 

13.  Oktober:  Köpperner  Tal. 

An  Reptilien  und  Amphibien  durften  wir  nach  den  ergebnis- 
reichen Exkursionen  des  Vorjahres  keine  neuen  Formen  für  unser 
Faunengebiet  erwarten.  Dagegen  wurden  neue  Fundorte  fest- 
gestellt :  für  Rana  arvnlis  Nilss.  die  Gegend  von  Mühlheim  a.  M., 
für  Pelohates  fuscus  Laur.  unser  Treburer  Terrain,  wo  wir  jetzt 
alle  bei  uns  auftretenden  Anuren,  außer  Alytes  ohstetricans  Laur. 
und  Bana  agiUs  Thomas,  gefunden  haben.  Diesmal  wurden  dort 
sehr  interessante  Bastarde,  offenbar  von  Rana  esculenta  L.  und 
arvalis  Nilss.  in  allen  möglichen  Zwischenfärbungen  beobachtet; 
Alytes-hdiTYQn  wurden  im  Frühjahr  bei  Eppstein  gefangen.  Eben- 
falls hier  und  bei  Nieder- Auroff  kam  Molge  j^ff^maia  Sehn.  vor. 
Unter  Baumstämmen  an  der  Trompeterstraße  hatte  sich  eine 
größere  Anzahl  Feuersalamander  versammelt.  Von  erbeuteten 
Reptilien  verdient  Lacerta  viridis  Laur.  Erwähnung,  die  wieder- 
um bei  Braubach  in  die  Schlinge  ging.  Lacerta  vivipara  Jacq. 
kommt  in  der  Umgegend  von  Sprendlingen  vor. 

Der  größte  Nutzen  erwuchs  den  Insektensammlungen  des 
Museums.  Namentlich  die  dreieinhalbtägige  Exkursion  nach  Idstein 


—     109    — 

lieferte  reiches  Material  an  Plecopteren  und  Trichopteren,  die 
im  allgemeinen  wenig  gesammelt  werden  und  auch  bei  uns  noch 
sehr  schwach  vertreten  sind.  Wer  die  neuaufgestellte  Schau- 
sammlung der  sog.  niederen  Insekten  aufmerksam  durchmustert, 
findet  unsere  Exkursionsplätze  als  Fundorte  für  zahlreiche  Arten, 
die  für  uns  überhaupt  neu  sind  oder  bisher  mangelhaft  vertreten 
waren,  wie  Chloroperla  grammatica  Scop.,  hifasciata  Pict.,  Tae- 
niopteryx  trifasciata  Pict.,  kempniji  Klap.,  Nemnra  lateralis  Pict. 
(alle  von  Idstein),  Nemura  variegata  Ol.  (Braubach),  Hemerobius 
nervosus  F.  (Braubach),  Sialis  fuligmosa  Pict.  (Idstein),  Rhya- 
cophila  vulgaris  Pict.  (Köppern),  Limnop)hilus  hipunctatus  Curt. 
(Sprendlingen),  Stenophylax  concentricus  Zett.  (Idstein),  Chaeto- 
pteryx  ohscurata  Mc.  Lachl.  (Köppern).  Die  wissenschaftliche 
Sammlung  erfuhr  noch  beträchtlicheren  Zuwachs  an  niederen  In- 
sekten; für  unsere  allerdings  noch  sehr  kleine  Thripsidensamm- 
lung  ist  die  bei  Braubach  auf  Ackerwinden  gefangene  Aeolothrips 
fasciata  L.  neu.  Auch  Entwicklungsstadien,  die  auf  späteren 
Exkursionen  zu  ganzen  Biologien  vervollständigt  werden  können, 
wurden  eingetragen,  so  alle  Stadien  von  Lhnuophüus  bipuncfatus 
Curt,  mit  Ausnahme  von  jungen  Larven  und  Eiern.  Von  Käfern 
wurden  zahlreiche  Larven,  namentlich  unter  Rinde  und  im  Mulm, 
erbeutet;  die  Zerlegung  eines  gefällten  morschen  Birnbaumes  er- 
gab Käfer  und  Larven  von  Sinodendron  cylindricum  L.  An  der 
Lahn  bei  Runkel  wurde  unter  anderen  Bockkäfern  die  seltene 
kleine  Phyfoecia  molybdaena  Dalm.  gestreift.  Einen  Einblick  in 
das  Leben  und  Treiben  unserer  größten  Käfer,  Ceraynbijx  cerdo 
L.  und  Lucanus  cervus  L.,  gewährte  die  Nachtexkursion  nach 
den  Schwanheimer  Eichen.  Interessante  Bergformen  brachte  die 
Vogelsbergexkursion,  wenn  ihr  koleopterologisches  Ergebnis  sich 
freilich  auch  nicht  mit  der  Ausbeute  messen  kann,  die  L.  von 
Hey  den  vor  fast  fünfzig  Jahren  im  Vogelsberg  erzielt  hat  (1867; 
siehe  12.  Bericht  d.  Offenb.  Ver.  f.  Naturk.  1871  S.  42—51),  trotz 
der  damaligen  Unwirtlichkeit  dieses  großen  Basaltkegels.  Der 
schwarze  Apollo,  Parnassius  mnemosyne  L.,  den  von  Heyden 
zahlreich  beobachtete,  kam  auch  im  vergangenen  Sommer  in 
einem  Stück  ins  Netz,  obwohl  seine  eigentliche  Flugzeit  schon 
vorüber  war.  Von  weniger  häufigen  Faltern  waren  Melitaea 
parthenie  Bkh.,  Chrysophaiius  hijjpothoe  h.,  Hemaris  scabiosae  Z. 
und  Mamestra  glauca  Hb.  vorhanden.  Unter  den  gefangenen 
Hymenopteren   befand   sich   damals  auch  die  große  Blattwespe 


—    no   — 

Abia  sericea  L.  mit  dem  grünseiden  glänzenden  Abdomen.  Bei 
Schwanheim  war  die  Afterraupe  von  Lophijrus  pini  L.  stellen- 
weise wieder  einmal  häufig  anzutreffen.  An  jungen  Eichen  des 
Schwanheimer  Waldes,  durch  den  uns  sein  berufenster  Kenner, 
Prof.  Kobe It,  geführt  hat,  tritt  die  Schildlaus  Kermes  quercus 
L.,  namentlich  an  den  Schneisen,  sehr  zahlreich  auf.  Eine  aus 
einem  alten  Stollen  bei  Idstein  herausgeholte  Fledermaus  (Rhino- 
lophus  hipposideros  Bechst.)  gab  Gelegenheit  zur  Jagd  auf  die 
interessanten  und  seltenen  schmarotzenden  Nycteribien.  Die  seltene 
Breme  Cephenomyia  stimulator  Clark  wurde  im  Vogelsberg  oben 
auf  dem  Tauf steinturm  in  zahlreichen  Exemplaren  erbeutet ;  ihre 
Larve  lebt  parasitisch  im  Rachen  des  Rehes.  Von  den  niedersten 
Insekten  gingen,  wie  im  Vorjahre,  wieder  zahlreiche  Collem- 
bolen  ein,  ferner  einige  Machiliden  und  Gampodea,  fast  regel- 
mäßig mit  Scolopendrella  vergesellschaftet;  sie  dürfte  in  unserer 
Gegend  recht  häufig,  aber  vielfach  übersehen  sein.  Wenigstens 
wurde  sie  an  einem  Nachmittagspaziergang  der  Praktikanten 
des  zoologischen  Jugendkursus  auf  den  Praunheimer  Wiesen  in 
Menge  gefangen. 

Unter  den  gesammelten  Krustazeen  (darunter  sehr  vielen 
Onisciden)  fand  sich  wiederum  Chirocephalus  gruhei  T)jh.  von 
Seckbach,  Enkheim  und  der  Mainkur.  Ein  besonders  günstiges 
Fangresultat  war  eine  neue  Lokalart  von  Bithijnella  dunkeri 
Frfld.  aus  den  Quellbächen  des  hohen  Vogelsberges ;  sie  tritt  mit 
Pisidiiini  fontiiiale  C.  Pfr.  zusammen  auf.  Von  hier  stammt  auch, 
dem  Faunencharakter  dieses  noch  lange  nicht  genügend  erforsch- 
ten Gebietes  entsprechend,  Planaria  alpina  Dana,  ein  Eiszeit- 
relikt in  den  Alpen  und  den  höheren  Mittelgebirgen  Deutschlands. 

Einen  sehr  interessanten  Einblick  in  ihre  großen,  praktischen 
und  schönen  Anlagen  gestattete  den  Teilnehmern  gelegentlich 
der  dritten  Exkursion  die  Geflügelzüchterei  H.  Wüsthoff  &  Co. 
in  Sprendlingen, 

Ein  Gesamtbild  über  die  Vogelwelt  gab  die  am  2.  Mai  füi* 
eine  größere  Anzahl  von  Damen  und  Herren  veranstaltete  Führung 
von  Prof.  zur  Strassen   durch  diese  Abteilung   des   Museums. 

An  den  Nachmittagen  des  18.  Mai  und  24.  August  fanden 
außerdem  unter  Leitung  von  Dr.  K.  Priemel  Führungen  durch 
den  Zoologischen  Garten  statt.  Bei  dem  ersten  Besuch  wurden 
die  Papageien,  Hühnervögel,  die  niederen  Säugetiere,  Nagetiere, 
Raubtiere  und  Affen  besprochen  und  sodann  die  reichen  Bestände 


—    Ill   — 

des  Aquariums,  der  Reptilien-  und  Amphibiensammlung  einer 
eingehenden  Besichtigung  unterzogen.  Die  zweite  Führung  be- 
handelte die  Bewohnerschaft  der  Vogelhäuser  und  der  Teiche, 
ferner  die  Robben  und  die  große  Sammlung  der  Huftiere.  Die 
anschließende  Besichtigung  des  Insektenhauses  erstreckte  sich 
besonders  auf  die  neuen  Anlagen  für  staatenbildende  Insekten. 
Soweit  als  möglich  wurden  bei  den  Führungen  biologisch  interes- 
sante Demonstrationen  vorgenommen  und  dadurch  den  Teilneh- 
mern Lebensäußerungen  und  Gewohnheiten  der  Tiere  vor  Augen 
geführt,  die  der  Besucher  zoologischer  Gärten  sonst  nur  selten 
einmal  durch  Zufall  zu  sehen  bekommt. 

Winterhalbjahr:  Prof.  zur  Strassen  las  Dienstags 
abends  über  „Das  Tierreich".  Damit  begann  ein  Zyklus  von  Vor- 
lesungen, der  den  Bau,  das  Leben,  die  Entwicklung  und  Stammes- 
geschichte aller  Tierklassen  behandeln  und  über  mehrere  Jahre 
ausgedehnt  werden  soll.  Im  laufenden  Semester  kamen  die  Pro- 
tozoen, Schwämme,  von  den  Coelenteraten  die  Hydrozoen  zur 
Darstellung.  Unser  Besitz  an  farbigen  Tafeln  wurde  durch  den 
Fleiß  von  Frl.  B.  Groß  und  Frl.  S.  Hart  mann  wiederum  be- 
deutend vermehrt. 

Mittwochs  nachmittags  fand  ein  mikroskopischer  Kursus  statt, 
bei  dessen  Leitung  Prof.  zur  Strassen  von  Dr.  Nick  und  Frau 
Sondheim  aufs  beste  unterstützt  wurde.  Folgende  Tierformen 
kamen,  die  Mehrzahl  in  lebendem  Zustande,  zur  Untersuchung: 
Daphniden,  Copepoden,  die  Larven  von  Cor^clhra,  Süßwasser- 
polypen, zahlreiche  Protozoen  des  süßen  Wassers,  Foraminiferen, 
Radiolarien,  Opalina,  Gregarinen,  freilebende  Nematoden  und  ihre 
Entwicklung,  Eingeweidewürmer  aus  dem  Hechtdarm  {Triaeno- 
phorus,  Distomen,  Echinorhynchen),  Taenia^  Dicrocoelium  lan- 
ceatum,  Redien  und  Cercarien. 

Im  Jugendkursus  (Frau  Sondheim)  wurde  während  des 
Wintersemesters  vorwiegend  mikroskopisch  gearbeitet.  Durch- 
genommen wurden  eine  Reihe  von  Protozoen,  kleine  Krustazeen, 
Hydra,  Planarien,  sowie  verschiedene  parasitische  Plattwürmer, 
Nematoden,  Regenwurm  und  Blutegel.  Auch  wurde  eine  Führung 
durch  die  Coelenteratensammlung  des  Museums  veranstaltet. 

II.  Botanik. 

Sommerhalbjahr:  Prof.  Möbius  las  Dienstags  und  Frei- 
tags  über   „Biologie   der   Pflanzen".     Eingeschrieben   waren   54 


—     112    — 

Damen  und  Herren.  Den  ersten  Teil  der  Vorlesungen  bildete 
eine  ausführliche  Besprechung  der  Blütenbiologie  und  der  Be- 
stäubungseinrichtungen ;  im  Anschluß  daran  wurden  die  Erschei- 
nungen bei  der  Bastardierung  und  den  sog.  Pfropfbastarden  be- 
handelt. Mit  der  Biologie  der  Samen  und  Früchte,  ihrer  Ver- 
breitung, der  Heterokarpie  u.  ähnl.,  der  Keimung  und  vegetativen 
Vermehrung  wurde  die  Biologie  der  Fortpflanzungsorgane  ge- 
schlossen. Der  nächste  Abschnitt  behandelte  das  Verhältnis 
zwischen  Tier  und  Pflanze,  und  zwar  folgende  Kapitel :  die  Schutz- 
mittel der  Pflanzen  gegen  die  pflanzenfressenden  Tiere,  die 
Ameisenpflanzen,  die  Milbenhäuschen,  die  Gallen  und  die  tier- 
fangenden und  -verzehrenden  Pflanzen.  Die  besprochenen  Er- 
scheinungen wurden  an  lebendem  und  präpariertem  Material,  viel- 
fach mit  Hilfe  von  mikroskopischen  Präparaten,  deren  über  200 
aufgestellt  wurden,  an  Wandtafeln  und  anderen  Abbildungen 
demonstriert.  Auch  die  wichtigere  Literatur  wurde  in  den  Vor- 
lesungen aufgelegt.  Am  28.  Juni  1912,  dem  zweihundertsten  Ge- 
burtstag Rousseaus,  wurde  statt  der  eigentlichen  Vorlesung  ein 
Vortrag  über  „Rousseau  als  Botaniker"  gehalten. 

Das  botanisch-mikroskopische  Praktikum  für  Anfänger  (Prof. 
Möbius)  fand  Donnerstags  von  3 — 6  Uhr  statt;  es  nahmen  20 
Damen  und  Herren  teil.  Durchgenommen  wurde  derselbe  Kursus 
wie  vor  zwei  Jahren :  Struktur  der  Zelle,  des  Blattes,  des  Stengels, 
der  Wurzel  und  Blüte,  Typen  von  den  Farnen,  Moosen,  Algen 
und  Pilzen.  Die  Präparate  wurden  von  den  Praktikanten  aus 
dem  frischen  oder  konservierten  Material,  das  ihnen  geliefert 
wurde,  selbst  hergestellt. 

Die  botanischen  Exkursionen  wurden  ungefähr  alle  vierzehn 
Tage  an  Samstagnachmittagen  unter  gemeinschaftlicher  Leitung 
von  Prof.  Möbius  und  M.Dürer  veranstaltet.  An  den  acht, 
die  zur  Ausführung  kamen,  beteiligten  sich  durchschnittlich  13 
Personen.  Die  erste  Exkursion  (4.  Mai)  führte,  wie  üblich,  durch 
den  Stadtwald  (Frühlingsflora  des  Buchenwaldes),  die  zweite 
(18.  Mai)  von  Hofheim  nach  Eppstein  über  die  Höhen,  mit  reicher 
und  interessanter  Ausbeute,  die  dritte  (1.  Juni)  von  Flörsheim 
nach  Hochheim  (Kalkflora  in  den  Steinbrüchen  und  Sandflora), 
die  vierte  (15.  Juni)  von  Seckbach  über  Bergen  nach  dem  Enk- 
heimer  Weiher  mit  seiner  reichen  Wasserflora,  die  fünfte  (29.  Juni) 
nach  der  Obertshäuser  Viehweide  und  dem  Hengster  (interessante 
Sumpf  flora),    die   sechste   (31.  August)   nach   dem   Luhrberg  bei 


—     113    — 

Offenbach  (Kalkpflanzen)  unci  den  weiter  östlich  liegenden  Wiesen, 
die  siebente  (7.  September)  von  Wixhausen  nach  Arheilgen  (Sand- 
flora), die  achte  (14.  September)  von  der  Sachsenhäuser  Warte 
nach  Isenburg  durch  den  Wald  zum  Studium  der  reich  entwickel- 
ten Pilzflora. 

Am  8.  Juni  zeigte  Prof.  Möbius  einer  größeren  Anzahl 
Damen  und  Herren  die  botanische  Abteilung  des  Museums,  die 
sonst  dem  Publikum  nicht  zugängig  ist. 

Mit  freundlicher  Erlaubnis  des  Verwaltungsrates  der  Palmen- 
garten-Gesellschaft fanden  am  13.  April  und  15.  Juni  Besichtigungen 
des  Gartens,  namentlich  der  gärtnerischen  Darbietungen  in  den 
Pflanzen-Schauhäusern,  im  Palmenhause  und  den  Parkanlagen 
unter  fachmännischer  Führung  (Landesökonomierat  A.  Siebert) 
statt.  Es  hat  sich  gezeigt,  daß  solche  Besichtigungen  durch  die 
gegebenen  Erklärungen  von  besonderem  Wert  sind,  weil  die  Teil- 
nehmer dabei  auf  viele  interessante  Erscheinungen  und  Neuein- 
führungen von  Pflanzen  aufmerksam  gemacht  und  auf  Einzel- 
heiten sowohl  inbezug  auf  die  allgemeine  Pflanzenkunde  als  auch 
auf  die  geübten  Kulturmethoden  hingewiesen  werden. 

Winterhalbjahr:  Dienstags  und  Freitags  las  Prof.  Möbius 
über:  „Morphologie  und  Anatomie  der  Pflanzen".  Es  nahmen  52 
Hörer  teil.  Die  erste  Hälfte  der  Vorlesung  beschäftigte  sich  mit 
der  Natur  und  den  Bestandteilen  der  Pflanzenzelle,  die  zweite 
Hälfte  mit  den  Zellkomplexen  (Geweben)  und  dem  äußeren  und 
inneren  Aufbau  der  vegetativen  Organe  des  Pflanzenkörpers,  der 
Blätter,  Wurzeln  und  Stämme,  wobei  natürlich  auch  deren  Ent- 
wicklung und  Wachstum,  so  besonders  zuletzt  das  sekundäre 
Dickenwachstum  der  Holzgewächse,  besprochen  wurde.  Beson- 
deren Wert  hat  der  Vortragende  auf  die  Demonstration  der 
natürlichen  Objekte  gelegt  und  deshalb  in  den  meisten  Stunden 
zwölf  Mikroskope  mit  Präparaten  und  erläuternden  Zeichnungen 
aufgestellt,  während  einzelne  Stunden  zur  Projektion  mikroskopi- 
scher Präparate  und  anderer  Objekte  benutzt  wurden.  Auch  die 
einschlägige  Literatur  wurde  nach  Möglichkeit  aufgelegt. 

III.  Paläontologie  und  Geologie. 

Sommerhalbjahr:  Die  Vorlesungen  Dr.  Dre vermanns 
brachten  das  Thema  des  Winters  über  „Die  Geschichte  der  Erde" 
zum  Abschluß.  Die  einzelnen  Abschnitte  der  Erdgeschichte  fanden 


—     114    — 

eine  kurze  Besprechung,  wobei  paläogeographisclie  Fragen  be- 
sonders berücksichtigt  wurden.  Die  geologischen  Verhältnisse 
Mitteleuropas  waren  stets  der  Ausgangspunkt,  und  andere  Teile 
der  Erde  wurden  nur  zum  Vergleich  herangezogen. 

Die  Exkursionen  (Dr.  Drevermann)  wurden  zum  Teil  unter- 
nommen, um  die  Diluvialablagerungen  der  Umgegend  kennen  zu 
lernen.  Am  11.  Mai  wurden  die  Kriftel-Hof  heimer  Kiesgruben 
besucht  und  von  da  über  Weilbach  das  System  der  „Mittelter- 
rassen" überschritten.  Am  18.  Mai  ergab  ein  Besuch  der  be- 
kannten Aufschlüsse  bei  Vilbel  eine  reiche  Ausbeute  von  Sand- 
löß-Konchylien,  und  es  wurden  die  Aufschlüsse  im  Rotliegenden, 
Meeressand  und  Rupelton  besichtigt.  Die  Pfingsttage  wurden 
wieder  zu  einer  fünftägigen  Exkursion  benutzt,  die  diesmal  in 
das  Dillenburger  Gebiet  fülirte,  wo  der  Gebirgsbau  durch  das 
Auftreten  zahlreicher  mächtiger  Diabas-Ergüsse  und  komplizierter 
Faltungs-  und  Überschiebungserscheinungen  schwierige  Probleme 
darbietet.  Die  ausgezeichneten  neuen  geologischen  Aufnahmen 
der  Gegend  gestatteten  trotzdem  ein  Eindringen  in  die  Lagerungs- 
verhältnisse. So  brachte  der  erste  Tag  (25.  Mai)  das  Studium 
der  gewaltigen  Deckdiabas-Massen  und  des  wundervollen  Schup- 
penstruktur-Aufschlusses bei  Oberscheid,  der  zweite  Tag  den  Be- 
such der  neueren  Bahnaufschlüsse  und  des  altberühmten  Culm- 
Fundortes  bei  Herborn,  sowie  am  Nachmittag  das  Studium  der 
Mittel-  und  Oberdevon-Kalke  von  Bicken  und  Offenbach.  Am 
dritten  Tag  ging  es  nach  Langenaubach,  wo  Riffkalk  mit  groben 
Breccien  und  eine  Fülle  der  mannigfaltigsten  Gesteine  das  Ober- 
devon vertreten;  der  Nachmittag  brachte  einen  Aufstieg  zu  den 
tertiären  Braunkohlen,  Tonlagern  und  Basaltdecken  des  Wester- 
waldes  und  einen  Abstieg  durch  ein  wundervolles  Trockental  im 
Riffkalk,  an  dessen  Ausmündung  mächtige  Wassermassen  dem 
Boden  entquellen.  Am  Dienstag  durchquerten  die  Teilnehmer 
den  breiten  Silurzug  bei  Greifenstein  und  wanderten  durch  präch- 
tige Wälder  über  die  Dianaburg  und  den  Mitteldevonfundort  von 
Leun  nach  Braunfels,  das  ein  fröhlicher  Abschiedsabend  wohl 
noch  lange  in  freundlicher  Erinnerung  erhalten  wird.  Am  letzten 
Tag  gings  zur  Bahn  hinab  nach  Weilburg,  wo  immer  noch  fleißig 
gesammelt  und  die  reiche  Ausbeute  vermehrt  wurde.  Am  9.  Juni 
wurde  die  alljährliche  Exkursion  nach  Flörsheim  und  dem  Heßler 
unternommen,  am  15.  Juni  das  Wickertal  mit  seinen  diluvialen 
Schottern  untersucht.    Der  30.  Juni  galt  dem  Besuch  der  Steinauer 


—     115     — 

Höhle,  wobei  das  Profil  durch  Röt  und  Wellenkalk,  sowie  der 
große  prächtige  Basaltbruch  auf  der  anderen  Talseite  eingehend 
besichtigt  wurden.  Am  6.  und  7.  Juli  war  das  Rheintal  das  Ziel 
einer  größeren  Exkursion.  Von  den  ältesten  Schichten  des  Taunus 
an,  die  bei  Aßmannshausen  studiert  wurden,  führte  die  Wanderung 
den  Rhein  hinab  durch  Taunusquarzit  und  Hunsrückschiefer,  die 
dem  Tal  ein  so  wechselvolles  Aussehen  verleihen,  bis  St.  Goar. 
Am  zweiten  Tag  wurden  zahlreiche  Unterdevonpetrefakten  im 
Schweizerbachtal  gesammelt  und  vor  allem  die  alten  Talterrassen 
des  Rheines  von  der  Höhe  bei  Bornich  eingehend  betrachtet; 
dann  gings  über  die  Lurlei  zurück  nach  St.  Goar  und  in  lustiger 
Dampferfahrt  nach  Bingen  und  weiter  nach  Hause.  Nach  den 
Ferien  wurde  noch  einmal  eine  zweitägige  Exkursion  in  den 
Taunus  unternommen.  Von  Bad  Nauheim  führte  der  Marsch  über 
Cransberg  nach  Usingen,  unter  häufigen  Sammelpausen  im  Unter- 
devon und  Besichtigung  der  gewaltigen  Quarzgänge,  die  dort 
abgebaut  werden;  von  dort  gings  in  vollgepackten  Wagen  nach 
Neuweilnau.  Am  nächsten  Tag  wurden  die  reichen  Fossilfund- 
orte des  Weiltals  mit  gutem  Erfolg  besucht ;  dann  wanderten  die 
Teilnehmer  über  die  Tenne  nach  Idstein,  wo  sie  gründlich  durch- 
geregnet den  Zug  zur  Heimfahrt  bestiegen.  Die  Teilnehmerzahl 
schwankte   regelmäßig   zwischen  20  und  30  Damen  und  Herren. 

Winterhalbjahr:  Die  Vorlesung  (Dr.  Drevermann) 
über  „Die  Tiere  der  Vorzeit  und  ihre  Fundorte"  war  besonders 
der  biologischen  Seite  der  Paläontologie  gewidmet.  Alle  paläon- 
tologisch wichtigen  Tiergruppen  wurden  in  ihrer  Lebensweise 
betrachtet,  unter  beständiger  Vergleichung  der  bekanntesten 
Fundorte  und  Hervorhebung  der  Tatsachen,  die  sich  aus  dem 
Tierleben  der  Gegenwart  auf  die  Vorzeit  übertragen  lassen.  Der 
Nutzen  der  Versteinerungen  zur  Lösung  paläoklimatischer  und 
paläogeographischer  Probleme  wurde  nachdrücklich  betont.  Die 
Vorlesung  fand  ihren  Abschluß  in  einem  Vortrag  über  die  Re- 
konstruktion der  oft  mangelhaft  erhaltenen  und  stark  zerdrückten 
Fossilreste,  wobei  das  reiche  neue  Material  an  Wandtafeln  be- 
sonders willkommen  war. 

IV.  Mineralogie. 

Sommerhalbjahr:  Als  Fortsetzung  der  Wintervorlesung 
besprach  Prof.  Schauf   die    „Silikate",   von   denen   die   gestein- 


—     116    — 

bildenden  und  deren  Umwandlungsprodukte  besonders  berück- 
sichtigt wurden.  Zur  Einleitung  in  die  Petrographie  (vulkanische 
Erscheinungen)  reichte  die  Zeit  nicht  aus. 

Exkursionen:  1)  Steinheimer  Basaltdecke:  Säulenförmige 
Absonderung,  Erstarrungsmodifikationen,  Stricklava,  scheinbare 
Durchbrüche,  Braunkohle,  verkohlte  und  verkieselte  Hölzer  (Halb- 
opal). Blasenzüge,  kugelig-schalige  Verwitterungsformen,  Sphäro- 
siderit,  Titaneisen. 

2)  Eberstadt-Frankenstein-Seeheim-Zwingenberg:  Graphit- 
quarzit  und  Chiastolithschief er  bei  Eberstadt ;  Hornblendegabbro, 
Diorit,  Granit  und  Hornfelse  im  Mühltal;  Aplit-  und  Pegmatit- 
gänge,  Odinit.  Frankensteiner  Gabbro  nebst  seinen  Ganggesteinen 
und  Serpentin  (Magnetfels).  Beerbachit  (Gabbro-Aplit)  am  Weg 
nach  Seeheim,  Schmirgel  bei  Seeheim.  Von  da  mit  der  Bahn 
nach  Zwingenberg.  In  dem  großen  Granitbruch  beim  Ort  Gänge 
von  Vogesit,  Minette,  Malchit  und  Alsbachit,  Quetschzonen  im 
Granit. 

3)  Hochstädter  Tal  (Auerbach):  Injektionen  von  Granit  in 
Schieferhornfelse.  Vergrusung  des  Granites.  Auerbacher  Marmor- 
lager mit  seinen  Kontaktbildungen,  Minettegänge.  Auf  alten  Hal- 
den konnten  noch  einige  Mineralien  gesammelt  werden.  Pegmatit 
mit  schönen  Turmalinen  oberhalb  des  Bruches. 

4)  Spessart:  Staurolithschiefer  bei  Klein-Ostheim  unterhalb 
Aschaffenburg,  Pegmatit  auf  „Dahlems  Buckel",  Turmalin  und 
Disthen  führende  Glimmerschiefer  an  der  Bergmühle  bei  Damm. 
Granitbruch  am  Weg  nach  Gailbach :  Granat,  Turmalin,  Titaneisen 
im  Pegmatit,  Schieferletten  (Trias)  auf  Granit,  injizierte  Schiefer. 
Marmorlinse  mit  Phlogopit.  Kersantit  und  Hornblendegranit  in 
Gailbach  und  am  Stengerts,  Triaskappe  des  Stengerts.  Horn- 
blende- und  Glimmerschiefer  am  Weg  nach  Schweinheim,  tief- 
greifende Verwitterung  bei  Unterschweinheim.  Zechstein  mit 
Kalkspatdrusen. 

Als  die  Nachricht  von  dem  Tode  Ferdinand  Zirkels, 
des  Begründers  der  wissenschaftlichen  Petrographie,  eintraf,  wurde 
in  einer  Ansprache  an  die  Hörer  der  Verdienste  des  hervorragen- 
den Gelehrten  und  edlen  Mannes  gedacht. 

Winterhalbjahr:  Prof.  Seh  auf  las  über  „Petrographie" 
(Ansichten  über  den  Zustand  des  Erdinnern,  die  Tätigkeit  heutiger 
Vulkane  und  ihre  Produkte.  Erguß-  und  Tief  engesteine :  Gabbro- 


—     117     — 

Diabas-Melaphyr-Feldspatbasalt ;     Granit-Quarzporphyr-Rhyolith- 
Obsidian.  Beweise  für  die  eruptive  Entstehung  des  Granites). 

Zur  Einleitung  in  die  Gesteinskunde  wurden  die  heutigen 
Ansichten  über  den  Zustand  des  Erdinnern  mit  besonderer  Be- 
rücksichtigung der  Ergebnisse  seismologischer  Studien  erörtert. 
Daran  reihte  sich  die  Schilderung  der  Haupttypen  und  des 
Mechanismus  heutiger  imd  tertiärer  Vulkane.  Bei  der  Betrachtung 
ihrer  festen,  flüssigen  und  gasförmigen  Produkte  wurde  nament- 
lich der  Widerspruch  Albert  Bruns  gegen  die  übliche  Auf- 
fassung des  magmatischen  Wassers  betont  und  darauf  hinge- 
wiesen, daß  diese  bedeutsamen  Forschungen  wohl  noch  der 
Revision  bedürfen.  An  der  Hand  einer  basischen  (Gabbro-Feld- 
spatbasalt)  und  sauren  Reihe  (Granit-Rhyolith)  wurden  die  Unter- 
schiede zwischen  Tiefen-  und  Ergußfacies  des  nämlichen  Magmas 
erörtert,  und  wurde  der,  namentlich  in  Deutschland  immer  noch 
gebräuchlichen  Trennung  zwischen  vortertiären  und  späteren 
Ergußgesteinen  gedacht. 

V.  Wissenschaftliche  Sitzungen. 

1.  Sitzung  am  26.  Oktober  1912. 

Dr.  R.  Gonder: 

„Die  Spirochäten  als  Erreger  von  menschlichen  und 

tierischen  Krankheiten  und  ihre  Beziehungen  zu  den 

harmlosen  Formen." 

Die  mit  dem  Namen  „Spirochäten"  bezeichneten,  korkzieherartig  ge- 
wundenen, flexiblen  Mikroorganismen  kommen  in  erster  Linie  als  Erreger 
schwerer  Krankheiten  des  Menschen  in  Betracht.  So  werden  die  Syphilis 
durch  eine  von  Schaudinn  entdeckte,  neuerdings  Treponema  pallidum  be- 
zeichnete Form  und  die  in  den  Tropen  Asiens  und  Afrikas,  sowie  in  der 
Südsee  weitverbreitete  Framboesie  durch  Treponema  pertenue  hervorgerufen. 
Die  schweren,  besonders  an  den  Extremitäten  auftretenden  „ Tropengeschwüre " 
werden  durch  Spirochaeta  Schandinni  erzeugt;  das  in  den  Tropen  weitverbreitete 
und  bis  nach  Europa,  in  den  Balkan  und  nach  Rußland,  sich  erstreckende 
Rückfallfieber  (Rekurrens)  hat  ebenfalls  Spirochäten  als  Ursache.  Auch  Vögel 
und  Haustiere  werden  von  ähnlichen  Formen  heimgesucht:  ein  dem  Hühner- 
stand sehr  gefährliches  Fieber,  die  Hühnerspirochätosis,  wird  durch  sie  her- 
vorgerufen, und  auch  im  Blut  der  Pferde  und  Rinder  leben  Fieber  erzeugende 
Spirochäten. 

Außer  diesen  schwer  pathogenen  Formen  findet  man  in  der  Mundhöhle 
und  im  Darmtraktus  von  Mensch  und  Tier  viele  Spirochäten,  die  bei  Krank- 
heiten anderer  Ursache  deren  Verlauf  sekundär  beeinflussen  können.  Es  sei 
an  die  Angina  und  an  Zahnerkrankungen  erinnert. 


—     118     — 

Bei  der  großen  Wichtigkeit  dieser  Mikroorganismen  hat  sich  die  Wissen- 
schaft natürlich  eingehend  mit  ihrem  Studium  beschäftigt.  Denn  erst  mit 
einer  genauen  Kenntnis  über  Bau,  Fortpflanzung  und  allgemein  biologische 
Eigenschaften  kann  auch  eine  rationelle  Bekämpfung  der  pathogenen  Formen 
erreicht  werden.  Schon  die  Entdeckung  des  Syphiliserregers  allein  war  für 
Diagnose  und  chemotherapeutische  Beeinflussung  von  eminenter  Bedeutung. 
Über  die  Stellung  und  den  morphologischen  Bau  der  Spirochäten  ist  man 
jedoch  immer  noch  nicht  ganz  im  klaren.  Erst  mit  dem  Studium  harmloser 
Formen,  wie  sie  in  dem  Magen  der  Muscheln  und  auch  freilebend  vorkommen, 
wurde  besonders  im  letzten  Jahre  die  Kenntnis  eine  bessere. 

Der  Vortragende  erläutert  den  näheren  Bau  und  die  Fortpflanzung  der 
Spirochäten  und  anderer,  sehr  ähnlicher,  z.  T.  aber  grundverschiedener  Mikro- 
organismen. Die  Schwierigkeit,  Spirochäten  zu  kultivieren,  und  das  Ver- 
halten der  pathogenen  Formen  im  menschlichen  und  tierischen  Körper  können 
wohl  in  Einklang  mit  Protozoen  gebracht  werden;  Bau  und  Fortpflanzung 
sprechen  jedoch  dagegen.  Aber  auch  den  Bakterien  sind  die  Spirochäten 
nicht  gut  anzugliedern;  deshalb  ist  es  am  zweckmäßigsten,  vorderhand  eine 
eigene  Familie  der  Spirochäten  unter  den  Protisten  aufzustellen. 

2.  Sitzung  am  2.  November  1912. 

Prof.  Dr.  E.Marx: 

„Grundlagen  der  Schutzimpfungen." 

Unter  den  vielen  prinzipiellen  Gegnern  der  Schutzimpfungen  spielen 
diejenigen  die  größte  Rolle,  welche  dieses  Verfahren  mit  dem  Schlagwort 
„naturwidrig"  bezeichnen  und  verwerfen  zu  müssen  glauben.  Gerade  diese 
Gegner  sind  aber  vollständig  im  Irrtum,  denn  die  Grundlagen  der  Schutz- 
impfungen sind  ausschließlich  aus  der  Natur  abstrahiert.  Der  Zweck  jeder 
Schutzimpfung  ist  Immunität,  und  jeder  Vorgang  oder  Eingriff,  der  Immunität 
erzielt,  ist  in  Wahrheit  eine  Schutzimpfung.  Versetzt  der  Forscher  ein  Tier 
durch  systematische  Vorbehandlung,  z.  B.  mit  Schlangengift,  in  einen  Zustand 
der  Unempfänglichkeit  gegen  dieses  Gift,  so  ist  dies  genau  dasselbe,  als  wenn 
der  Imker  im  Lauf  seiner  Beschäftigung  durch  Bienenstiche  unempfindlich 
gegen  Bienenstiche  wird.  Wie  gegen  Gifte,  suchen  wir  auch  gegen  Krank- 
heitserreger die  Natur  in  unserem  Bestreben  nach  Schutzimpfungen  zu  kopieren, 
allerdings  mit  Modifikationen,  wie  sie  erforderlich  sind,  da  der  Mensch  nicht 
in  derselben  grausamen  Weise  vorgehen  kann  und  darf,  wie  es  die  nicht  der 
Erhaltung  des  Individuums,  sondern  nur  der  Arterhaltung  Rechnung  tragende 
Natur  im  größten  und  erfolgreichsten  Umfang  tut.  Die  scheinbare  Malaria- 
Immunität  des  Negers  in  Malariagegenden  und  die  eigentümlichen  Verhält- 
nisse mancher  Ortschaften  und  Gehöfte  zum  Typhus  erläutern  diese  rein 
natürlichen  Schutzimpfungen. 

Die  gelegentliche  Abschwächung  des  infektiösen  Agens,  wie  sie  in  der 
Natur  oft  spontan  vorkommt  (Masern),  und  die  dadurch  gebotene  Möglichkeit, 
eine  unvermeidliche  Krankheit  zu  einer  Zeit,  wo  sie  weniger  Gefahren  mit 
sich  bringt,  durchmachen  zu  lassen,  oder  die  Abschwächung,  wie  sie  be- 
stimmte Tierpassagen  mit  sich  bringen  (Abschwächung  der  Menschenpocke 


—     119    — 

durch  Rinderpassage),  sind  die  Methoden,  die  zunächst  in  Betracht  kommen 
und  z.B.  bei  der  alten  Pasteurschen  Schutzimpfung  gegen  Rotlauf  im  größten 
Maßstab  angewandt  worden  sind.  Für  viele  Infektionskrankheiten  ergab  die 
experimentelle  Forschung,  daß  es  möglich  war,  diese  uns  gegebenen  Grund- 
lagen der  Abschwächung  dadurch  noch  weiter  zu  modifizieren,  daß  man 
überhaupt  auf  ein  lebendes  Virus  verzichtete  und  sich  eines  abgetöteten  be- 
diente. Man  erhielt  so  Methoden,  die  ohne  jede  persönliche  Gefahr  recht 
schöne  Erfolge  zeitigten  (Typhus,  Cholera,  Pest).  Gewisse  Krankheiten 
(Diphtherie,  Tetanus)  gestatten  sogar,  bei  der  Schutzimpfung  jede  aktive 
Mitarbeit  des  Körpers  und  damit  auch  jede  —  selbst  hypothetische  —  Gefahr 
vollständig  auszuschalten. 

3.  Sitzung  am  9.  November  1912. 
Prof.  Dr.  H.  E.  Boeke,  Halle: 
„Bildung  und  Bau  der  deutschen  Kalisalzlagerstätten." 

Die  Gesteinschichten  der  Zechsteinformation  bestehen  im  mittleren  Teil 
Deutschlands  nicht  aus  dem  gewöhnlichen  Material  der  Sedimentgesteine 
(Ton,  Sand,  Kalk),  sondern  aus  löslichen  Salzen  (Kalziumsulfat  als  Gips  oder 
Anhydrit,  Steinsalz,  Kalium-  und  Magnesiumsalzen).  Salze  dieser  Art  bilden 
die  im  jetzigen  Meerwasser  aufgelösten  Bestandteile,  und  so  erscheint  der 
Schluß  berechtigt,  daß  auch  das  Ozeanwasser  der  Zechsteinzeit  eine  ähnliche 
Zusammensetzung  besaß  wie  das  heutige.  Die  Eintrocknung  eines  Teiles 
des  Zechsteinozeans  hatte  die  Ablagerung  der  genannten  Salze  in  einer  Ge- 
samtmächtigkeit von  600  bis  800  m  zur  Folge.  Während  der  abgeschnürte 
Binnensee,  der  bei  der  Eintrocknung  die  Salze  lieferte,  einen  großen  Teil 
des  jetzigen  Europas  bedeckte,  haben  sich  nur  in  der  zentralen  Partie  des 
Areals  (dem  heutigen  Mitteldeutschland)  die  untergeordnet  im  Meerwasser 
vorhandenen,  sehr  löslichen  Kalium-  und  Magnesiurasalze  so  weit  angereichert, 
daß  sie  zur  Ausscheidung  gelangen  konnten.  Gips-,  Anhydrit-  und  Stein- 
salzablagerungen kommen  in  verschiedenen  geologischen  Formationen  vor; 
dagegen  scheinen  die  besonderen  Bedingungen  für  die  Bildung  einer  Kali- 
salzlagerstätte in  großem  Maßstabe  nur  einmal  auf  der  Erde  und  in  der 
ganzen  geologischen  Vorzeit  vorhanden  gewesen  zu  sein.  Lokale  Salzvor- 
kommnisse aus  der  Tertiärzeit,  wie  diejenigen  von  Kalusz  in  Galizien  und 
von  Elsaß-Lothringen,  sind  wohl  aus"  der  Umkristallisation  von  Zechstein- 
salzen hervorgegangen. 

Der  Schatz  der  deutschen  Kalisalzablagerungen  wurde  erst  zu  Anfang 
der  sechziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  bei  Staßfurt  zwischen  Magde- 
burg und  Halberstadt  entdeckt  und  bald  darauf  auch  an  vielen  Stellen  süd- 
lich vom  Harz,  südwestlich  vom  Thüringer  Wald  und  in  der  Umgebung  von 
Hannover  bis  nördlich  nach  Mecklenburg  hinein.  In  den  ersten  Jahrzehnten 
beschäftigte  sich  die  Wissenschaft  nur  oberflächlich  mit  dieser  einzigartigen 
Naturbildung,  bis  das  Problem  der  Kristallisation  einer  so  verwickelt  zu- 
sammengesetzten Lösung,  wie  sie  das  Meerwasser  darstellt,  von  v a n ' t  Hoff 
mit  etwa  dreißig  Mitarbeitern  vom  physikalisch-chemischen  Standpunkt  aus 
in  Angriff  genommen   wurde  (1896).    Ein   Zeitraum  von  etwa  zwölf  Jahren 


—     120    — 

war  nötig,  um  diese  Arbeit  in  großen  Zügen  zu  Ende  zu  führen.  Erst  nach- 
dem die  Bildung  der  Kalisalzlager  induktiv,  gewissermaßen  theoretisch,  er- 
forscht war,  konnte  das  Studium  der  natürlichen  Genese  mit  Aussicht  auf 
Erfolg  begonnen  werden. 

Es  stellte  sich  heraus,  daß  die  Salzablagerungen  in  ihrem  „primären" 
Zustande  nur  in  einem  kleinen  Bezirk,  zwischen  dem  Harz  und  dem  Flech- 
tinger  Höhenzug  (bei  Magdeburg)  erhalten  geblieben  sind.  Überall  sonst  fand 
schon  bald  nach  der  Ablagerung  eine  Umkristallisation  durch  Überflutungen 
mit  ungesättigter  Lauge  statt.  Die  so  umgebildeten  Salzlagerstätten  werden 
nach  dem  Vorgang  von  E verding  als  „deszendent"  bezeichnet.  Über  den 
primären  und  deszendenten  Salzen  findet  sich  im  ganzen  Kalisalzgebiet  eine 
salzig-tonige  Schicht  von  4  bis  10  m  Mächtigkeit,  welche  die  Salze  vor 
weiterer  Laugeneinwirkung  geschützt  hat.  Nach  der  Bildung  dieses  sog. 
grauen  Salztons  hat  die  Steinsalzkristallisation  von  neuem  begonnen,  stellen- 
weise auch  begleitet  von  Kalisalzen,  bis  nach  einer  erneuten  Salztonbildung 
schließlich  die  dürre,  trockene  Wüste  des  Bundsandsteins  der  Salzausscheidung 
ein  Ziel  setzte. 

Infolge  der  Überlagerung  durch  die  Schichten  des  Mesozoikums  rückten 
die  Zechsteinsalze  immer  tiefer  unter  die  Erdoberfläche,  und  sie  würden  uns 
auch  jetzt  noch  völlig  oder  größtenteils  unbekannt  sein,  wenn  nicht  die  ge- 
birgbildenden  Kräfte  der  Kreide-,  und  namentlich  der  Tertiärzeit  das  Tief- 
lagernde emporgewölbt  und  nach  Abtragung  der  Decke  in  erreichbare  Ent- 
fernung gebracht  hätten.  Dadurch  wurde  dem  Sickerwasser  der  Oberfläche 
Gelegenheit  gegeben,  die  Salze  stellenweise  ganz  oder  nur  zum  Teil  aufzu- 
lösen. Derartige  Restsalze,  die  oft  durch  die  Auslaugung  des  sehr  löslichen 
Chlormagnesiums  eine  Anreicherung  an  Kaliumsalz  aufweisen,  werden  als 
„posthum"  bezeichnet. 

4.  Sitzung  am  17.  November  1912. 
Prof.  Dr.  L.  Heck,  Berlin : 

„Lebende  Tierbilder  von  nah  und  fern."^) 

Wer  kinematographische  Vorführungen  nicht  mit  ganz  gedankenloser 
Schau-  und  Neugier  besucht,  wird  es  bei  gediegeneren  und  gehaltvolleren 
Films  nur  zu  oft  beklagen  müssen,  daß  die  lebenden  Bilder  viel  rascher  am 
Auge  vorbeiflimmern,  als  man  sie  voll  erfassen  und  genießen  kann.  Auf 
Grund  dieser  Erfahrung  sucht  der  Vortragende  den  Inhalt  jedes  einzelnen 
Films  erst  durch  ruhige,  von  erklärenden  Worten  begleitete  Lichtbilder  dem 
Zuschauer  bekannt  und  vertraut  zu  machen,  ehe  derselbe  Gegenstand  in 
vollem  Leben  auf  dem  Kinofilm  vorüberzieht.  Dieser  lehrhaft-folgerichtige, 
der  Leitung  der  Berliner  Urania  entsprungene  Gedanke  hat  sich  als  außer- 
ordentlich   wirkungsvoll   erwiesen    und   hat   die   kinematographischen    Vor- 


*)  Um  möglichst  zahlreichen  Mitgliedern  der  Gesellschaft  Gelegenheit 
zum  Besuch  des  Vortrags  zu  geben,  fand  derselbe  zweimal  statt,  wozu  das 
Union-Theater  seine  prachtvollen  Räume  und  seinen  ausgezeichneten  Pro- 
jektionsapparat in  dankenswerter  Weise  zur  Verfügung  gestellt  hat. 


—     121     — 

führungen  erst  auf  eine  höhere  wissenschaftliche  und  wirklich  volksbildende 
Stufe  zu  heben  vermocht. 

Nach  diesen  einleitenden  Darlegungen  geht  der  Vortragende  zu  den 
zookinematographischen  Rekordleistungen  der  Brüder  Kearton  über,  die 
beim  Familienleben  unserer  einheimischen  Singvögel  ebenso  zum  Herzen 
sprechen,  wie  sie  beim  afrikanischen  Großwild  Staunen  und  Bewunderung 
abnötigen.  Die  genialsten  Einfälle  haben  die  findigen  Photographen  ange- 
wendet, um  zu  ihrem  schwierigen  Ziel  zu  gelangen.  Der  originelle  „Photo- 
graphierochse",  in  dessen  hohlem  Innern  Mensch  und  Apparat  verborgen  sind, 
und  andere  Hilfsmittel  haben  herhalten  müssen,  um  es  zu  ermöglichen,  daß 
wir  die  Feldlerche,  den  Fliegenschnäpper,  den  Hänfling,  ja  sogar  den  scheuen, 
mißtrauischen  Sperber  dicht  vor  unseren  Augen  ihre  Jungen  füttern  sehen, 
so  arglos  und  vertraut,  als  ob  wir  unsichtbare  Geister  wären.  Die  kinemato- 
graphische  Arbeit  an  den  Brutstätten  der  SeevÖgel  stellt  aber  auch  an  die 
körperliche  Leistungsfähigkeit  des  Photographen  hohe  Anforderungen.  Er 
muß  völlig  schwindelfrei  und  ein  guter  Turner  sein,  um  von  hoher,  steiler 
Felsküste  am  Seile  tief  hinabzuklettern  zu  den  Nistplätzen  des  Baßtölpels 
und  anderer  Küstenvögel.  Dafür  hat  er  aber  auch  von  dort  ganz  einzige  und 
großartige  Lebensbilder  heimgebracht.  Noch  ungleich  größere  und  schwerere 
Strapazen  und  Gefahren  mußten  bewältigt  werden,  um  das  afrikanische 
Großwild  trotz  aller  Flüchtigkeit  oder  Gefährlichkeit  in  den  Kinofilm  einzu- 
fangen.  Mit  dieser  Leistung  hat  Kearton  die  Blitzlicht-Aufnahmen  von 
Schillings  und  seinen  Nachfolgern  übertrumpft  und  historisch  gemacht. 
Was  vor  wenigen  Jahren  noch  im  gewöhnlichen  Lichtbild  fast  ungläubiges 
Staunen  erregte,  sieht  man  heute  schon  kinematographisch  vor  sich:  Elen- 
antilopen, Gnus,  Zebras  und  Giraffen  laufen  über  die  Steppe,  Nashörner  be- 
wegen sich  im  Busch,  Flußpferde  spielen  auf  der  Sandbank  im  Urwaldstrom; 
zuletzt  aber  sehen  wir  eine  Speerjagd  der  Masaikrieger  auf  Löwen  in  allen 
ihren  Phasen,  bis  zum  Todeskampf  eines  alten  Mähnenlöwen,  auf  dem  Kino- 
film an  uns  vorüberziehen.  Man  scheidet  mit  der  Überzeugung,  daß  hier 
ein  Archiv  „lebender  Natururkunden "  geschaffen  ist,  das  seinen  vollen,  un- 
schätzbaren Wert  erst  dann  erlangen  wird,  wenn  wirklich  die  traurige  Zeit 
kommen  sollte,  daß  der  Mensch  mit  seinen  Haustieren  auf  der  Erde  allein  ist. 

5.  Sitzung  am  23.  November  1912. 
Prof.  Dr.  H.  Driesch,  Heidelberg: 

„Das  Problem  des  Organischen." 

Das  Organische  ist  gleichermaßen  ein  Problem  der  Logik  und  der  Er- 
fahrungswissenschaft ;  es  kann  daher  die  Frage  nach  seinem  Wesen  auf  zwei 
verschiedenen  Wegen  behandelt  werden.  Der  Redner  wählt  den  Weg,  der 
von  der  Empirie  zur  Logik  aufsteigt,  weil  es  der  für  die  meisten  zugänglichere 
Weg  ist.  Es  handelt  sich  also  zunächst  um  die  Sachfrage:  Ist  das  Lebendige 
und  das  Geschehen  an  ihm  dem  unbelebten  Sein  und  Geschehen  gegenüber 
etwas  Neues,  Eigenartiges,  Eigengesetzliches,  oder  ist  es  dies  nicht?  Oder 
kurz:  „Mechanismus  oder  Vitalismus"?  Auf  Grund  der  Analyse  gewisser 
biologischer  Tatsachengruppen  hat  der  Vortragende  drei  Beweise  der  „Auto- 


—     122    — 

nomie"  des  Lebens  formuliert.  Einer  derselben  gründet  sich  auf  die  Analyse 
des  menschlichen  „Handelns"  als  Naturphänomens  und  widerlegt  zugleich 
die  Lehre  vom  „psychophysischen  Parallelismus "  in  seiner  üblichen  Form; 
die  beiden  anderen  gründen  sich  auf  größtenteils  vom  Redner  selbst  in 
früheren  Jahren  ausgeführte  Experimente  im  Bereich  der  zoologischen  Formen- 
physiologie („Entwicklungsmechanik"  nach  W.  Roux),  also  im  Bereich  der 
eigentlichen  biologischen  Zentral  Wissenschaft.  Eier,  junge  Embryoteile,  oft 
auch  ganze  Organismen  sind  nach  Verstümmelung  imstande,  sich,  ohne  eigent- 
lich „regenerative"  Vervollständigung,  lediglich  durch  eine  regulatorische 
Umarbeitung  ihrer  Substanz  „verkleinert=ganz"  auszugestalten :  da  die  Ver- 
stümmelung ganz  beliebig  gesetzt  war,  widerlegt  diese  Tatsache  die  Annahme, 
daß  eine  „Maschine"  die  Grundlage  der  Formbildung  gewesen  sei  (Lehre  vom 
„harmonisch-äquipotentiellen  System"). 

Der  Vitalismus  muß  sich  in  doppelter  Weise  rechtfertigen,  auf  daß  der 
von  ihm  aufgestellte  nicht-mechanische  Naturfaktor  —  Redner  nennt  ihn  im 
Anschluß  an  Aristoteles  „Entelechie"  —  aus  einem  bloßen  Unbekannten, 
zu  einem  positiven  Naturbestimmer  werde.  Der  Vitalismus  muß  zeigen,  daß 
er  verträglich  ist  mit  den  Lehren  von  der  anorganischen  Natur,  und  daß  er 
logisch  möglich  ist. 

Entelechie  darf  weder  als  Energieart  noch  als  irgend  ein  Akzidenz  der 
Materie  gefaßt  werden;  aber  der  Vitalismus  braucht  darum  den  Satz  von 
der  Erhaltung  der  Energie  nicht  zu  verletzen.  Ja,  auch  der  „zweite  Haupt- 
satz" der  Energielehre  läßt  sich  halten:  Entelechie  suspendiert  eben  das  als 
möglich  vorgebildete  Geschehen  und  läßt  es  regulatorisch  zu.  Diese  Hypothese 
verdient  den  Vorzug  vor  derjenigen  Descartes'  und  Hartmanns. 

Die  logische  Rechtfertigung  des  Begriffs  „Entelechie"  kann  im  Rahmen 
des  Kant  sehen  Denkens  erfolgen,  d.h.  es  kann  gezeigt  werden,  daß  der 
Begriff  „Ganzheit"  eine  echte  Kategorie,  eine  Voraussetzung  der  Möglichkeit 
der  Erfahrung  ist;  es  kann  auch  gezeigt  werden,  daß  diese  Kategorie  sich 
einer  Form  des  Urteils  zuordnen  läßt,  wenn  nur  vorher  die  „Tafel  der  Urteile" 
selbst  revidiert  ist  (sog.  „Deduktion"  der  Kategorie  der  Ganzheit).  Einfacher 
und  leichter  verständlich  ist  es,  von  einer  unbefangenen  Erfassung  der  Be- 
griffe „Werden"  und  „notwendige  Verknüpfung  des  Werdens  in  sich"  (nach 
dem  Schema  „Grund-Folge"),  auszugehen.  Es  zeigt  sich  alsdann,  daß  es 
durchaus  nicht  nur  die  eine  Form  des  Werdens  geben  kann,  die  im  anor- 
ganischen Geschehen  verwirklicht  ist,  sondern  daß  sogar  vier  „Formen  des 
Werdens"  möglich  sind;   eine   davon   entspricht  dem   vitalistischen  Werden. 

Zum  Schluß  wendet  sich  der  Vortragende  den  Aufgaben  zu,  die  aus 
dem  Dasein  des  Vitalismus  erstehen:  Es  gilt,  Ganzheit  auch  im  Reiche  des 
Unbelebten  und  in  überpersönlichen  Gemeinschaften  zu  suchen,  in  Sonderheit 
Phylogenie  und  Geschichte  als  echte  „Evolution",  d.  h.  als  einen  Ganzheits- 
verlauf zu  begreifen;  das  Dasein  des  „Ethischen"  bietet  einen  Anhaltspunkt 
dafür.  Ja,  das  Ideal  der  Logik  ist  es,  jeder  Einzelheit  des  Seins  und  Wer- 
dens in  der  Natur  ihren  einen,  eigenen  Platz  in  einer  großen  Ordnungs- 
ganzheit zuzuweisen.  Aber  diese  „ordnungsmonistische"  Forderung  bleibt 
ein  „Ideal".  Das  Gebot  der  Gewissenhaftigkeit  verlangt  die  Anerkennung 
des  Zufalls  neben  der  Ordnung,  also  den  „Dualismus".  Im  Reiche  des 
Ordnungsmonismus  würde  es  letzthin  nur   „das   eine  Ordnungsgesetz",   aber 


—     123    — 

keine  Naturgesetze  in  der  Mehrzahl  geben.  Wir  müssen  uns  aber  begnügen 
mit  gewissen  „Gesetzen"  inmitten  des  Zufalls.  Nie  freilich  dürfen  wir  ver- 
gessen, daß  wir  mit  der  heutigen  Wissenschaft  nur  etwas  Vorläufiges  erreicht 
haben,  und  wir  dürfen  nie  aufhören,  das  eine  Ganzheitsgesetz  der  Welt  zu 
suchen  und  den  Zufall,  diesen  größten  Widersacher  des  Denkens,  zu  bezwingen. 

6.  Sitzung  am  30.  November  1912. 
Dr.  A.  Schultze,  Bonn: 
„Die  afrikanische  Hyläa,  ihre  Pflanzen-  und   Tierwelt." 

(Siehe  S.  143.) 

7.  Sitzung  am  7.  Dezember  1912. 
Prof.  Dr.  A.  Pütter,  Bonn: 

„Stoffwechsel  und  Ernährung". 

Die  vergleichende  Physiologie  sucht  nach  den  Gesetzen,  die  den  Ablauf 
der  Stoffwechselprozesse  bei  den  verschiedenen  Organismen  regeln.  Als  Maß 
für  die  Intensität  des  Umsatzes  von  Stoffen  kann  man  die  Menge  Sauerstoff 
verwenden,  die  in  einer  Stunde  von  einer  bestimmten  Gewichtsmenge  der 
Trockensubstanz  eines  Tieres  verbraucht  wird.  Bestimmt  man  diesen  Wert, 
so  ergeben  sich  ganz  ungeheure  Unterschiede  bei  den  einzelnen  Organismen. 
Auf  der  Suche  nach  den  Bedingungen,  die  den  Stoffumsatz  so  verschieden 
gestalten,  zeigt  sich  nun  zunächst  eine  Beziehung  zur  absoluten  Größe  der 
Tiere  und  Pflanzen:  kleine  Exemplare  verbrauchen  in  der  Regel  pro  Ge- 
wichtseinheit mehr  Stoffe  als  große  derselben  Art.  Doch  ist  hiermit  kein 
allgemeines  Gesetz  ausgesprochen,  denn  große  und  kleine  Kieselschwämme 
zeigen  z.  B.  pro  Gewichtseinheit  einen  gleich  lebhaften  Stoffumsatz. 

Als  allgemeines  Prinzip  ergibt  sich  vielmehr  hier,  wie  überhaupt  bei 
Tieren  und  Pflanzen,  eine  Beziehung  der  Intensität  des  Umsatzes  zur  Größe 
der  Flächen,  durch  welche  die  Sauerstoffaufnahme  erfolgt.  Diese  Flächen 
sind  nämlich  bei  großen  und  kleinen  Schwämmen  für  eine  gewisse  Gewichts- 
menge die  gleichen;  dagegen  sind  sie  im  allgemeinen  bei  großen  Tieren  im 
Verhältnis  zum  Gewicht  kleiner  als  bei  kleinen.  Führt  man  die  Berechnung 
der  Größe  des  Sauerstoffverbrauchs  auf  die  Einheit  der  Flächen  zurück,  die 
den  Sauerstoff  aufnehmen,  so  erhält  man  da  weitgehende  Übereinstimmungen, 
wo  man  bei  der  Berechnung  des  Verhältnisses  zum  Gewicht  die  gewaltigsten 
Unterschiede  fand.  In  der  verschiedenen  Größe  der  Lungenfläche  liegt  z.  B. 
die  Erklärung  für  die  bekannte  Tatsache,  daß  kleine  Säugetiere  einen  viel 
lebhafteren  Stoffwechsel  besitzen  als  große. 

Der  vom  Organismus  verbrauchte  Sauerstoff  dient  dazu,  die  Nahrungs- 
stoffe zu  verbrennen;  je  mehr  Sauerstoff  verbraucht  wird,  um  so  mehr 
Nahrung  muß  aufgenommen  werden.  Während  der  tägliche  Nahrungsbedarf 
des  Menschen  nur  2,7  °'o  der  Stoffmenge  beträgt,  die  sein  Körper  enthält,  ver- 
braucht die  Maus  täglich  mehr  als  die  Hälfte  ihres  Eigengewichts,  und  noch 
viel  größer  ist  der  Nahrungsbedarf  bei  den  kleinen  und  kleinsten  Lebewesen, 


—    124    — 

unter  denen  z.  B.  die  Kahmpilze  das  siebzehnfache,  die  Bakterien  sogar  das 
fünfhundertfache  ihres  Stoffbestandes  verarbeiten. 

Aus  diesen  Anforderungen  an  die  Nahrungszufulir  ergibt  sich  für  sehr 
kleine  Organismen  die  Unmöglichkeit,  sich  von  anderen  Lebewesen  zu  er- 
nähren, wie  dies  die  größeren  Tiere  mit  langsamerem  Stoffumsatz  zu  tun 
vermögen.  Die  Kleinwesen  können  vielmehr  ihren  Nahrungsbedarf  nur  da- 
durch befriedigen,  daß  sie  gelöste  Stoffe  aufnehmen,  die,  wie  der  Sauerstoff, 
durch  große  Flächen  eintreten  und  mit  genügender  Geschwindigkeit  aufge- 
nommen werden  können,  um  die  physiologische  Verbrennung  zu  unterhalten. 

8.  Sitzung  am  14.  Dezember  1912. 
Prof.  Dr.  E.  Göppert,  Marburg: 

„Die  Variabilität  des  menschlichen  Körpers  und  ihre 
stammesgeschichtliche  Bedeutung". 

Zahlreiche  Varietäten  des  menschlichen  Skeletts,  der  Muskulatur,  des 
peripheren  Nerven-  und  des  Gefäßsystems  reproduzieren  in  zum  Teil  ganz 
überraschender  Weise  Zustände,  die  bei  niederen  Säugetieren  die  Norm  bilden, 
und  zwar  bei  solchen,  die  unter  die  Ahnen  des  Menschen  eingereiht  werden. 
Diese  Varietäten  können  nur  als  Atavismen  gedeutet  werden,  indem  innerhalb 
der  Embryonalentwicklung  des  Individuums,  die  nach  dem  biogenetischen 
Grundgesetz  die  Stufen  der  Stammesentwicklung  in  großen  Zügen  durchläuft, 
ein  Organ  für  sich  auf  embryonaler  Stufe  stehen  bleiben  kann.  Da  die  Keim- 
entwicklung indessen  die  Stammesgeschichte  nur  auszugsweise  wiedergibt, 
ist  nicht  jeder  Atavismus  auf  die  geschilderte  Weise  zu  erklären,  vielmehr 
sind  zahlreiche  Fälle  nur  vergleichend-anatomisch  verständlich. 

Den  Atavismen  steht  eine  zweite  Gruppe  von  Varianten  gegenüber, 
die  in  der  Stammesgeschichte  nie,  auch  nicht  vorübergehend,  die  Norm  ge- 
bildet haben  können.  Sie  weisen  in  die  Zukunft  und  können  durch  immer 
häufigeres  Auftreten  schließlich  zur  Norm  werden  oder  mindestens  die  Wege 
einer  zukünftigen  Entwicklung  vorzeichnen.  Sie  sind  gegenüber  den  retro- 
spektiven die  prospektiven  Varianten.  Über  ihre  embryonale  Entstehung 
ist  man  noch  nicht  ausreichend  unterrichtet :  wohl  zeigen  günstige  Fälle,  daß 
innerhalb  der  Keimesgeschichte  zunächst  der  Normalzustand  erreicht  und 
dann  übersckritten  werden  kann;  aber  alle  prospektiven  Varianten  dürften 
sich  kaum  in  einem  derartigen  Sinne  entwickeln. 

Zu  diesen  beiden  wichtigen  Gruppen  gesellt  sich  eine  große  Menge 
rein  individueller  Abweichungen,  bedingt  durch  Zufälligkeiten,  welche  die 
Embryonalentwicklung  störend  beeinflussen.  Es  sind  die  sog.  fluktuierenden 
Varietäten,  die  von  der  Unzahl  der  Mißbildungen  oder  Abnormitäten  nicht 
scharf  abgegrenzt  werden  können. 

Die  Lehre  von  der  Variabilität  des  Körpers  hat  außer  der  Feststellung 
und  der  morphologischen  Erklärung  ihres  Gegenstandes  auch  die  kausale 
Erklärung  und  die  Erörterung  der  Frage  der  Vererbung  dieser  Abweichungen 
zur  Aufgabe.  An  die  Bearbeitung  dieser  Fragen  ist  die  experimentelle 
Forschung  bereits  herangetreten  und  läßt  auch  hier  die  wichtigsten  Fort- 
schritte erhoffen. 


—     125    — 

9.  Sitzung  am  4.  Januar  1913. 
Prof.  Dr.  F.  Richters: 
„Altsteinzeitliche  Funde  aus  dem  nordischen  Gletscher- 
mergel." 

Der  Vortragende  hat  zahlreiche  Feuerstein- Werkzeuge  und  -Waffen  aus 
Labö  und  dessen  Umgebung  an  der  Kieler  Föhrde  ausgestellt.  Diese  Manu- 
fakte  fanden  sich  auf  der  Oberfläche  der  Felder,  am  Strand  und  in  den  Kies- 
gruben, in  dem  Gletschermergel  der  Moräne  des  nordischen  Gletschers  und 
in  deren  Schlämmprodukten,  den  diluvialen  Kiesen  und  Sauden,  und  lassen 
deutliche  Gletscherschrammen  in  Form  paralleler  Kritzer  erkennen.  Der 
nordische  Gletscher  hat  bekanntlich  Eismassen  von  1000  bis  2000  m  Dicke 
geführt.  Nur  unter  diesem  gewaltigen  Eisdruck  konnte  ein  so  hartes  Material 
wie  der  Feuerstein  bei  seinem  Transport  durch  den  Gletscher  von  anderen 
harten  Gesteinen  geritzt  werden.  Feuersteinwerkzeuge,  die  solche  Spuren 
auf  den  Schlagflächen  zeigen,  müssen  also  schon  bearbeitet  in  den  Gletscher 
geraten  sein,  und  ihre  Herstellung  muß  auf  eine  nordische  Urbevölkerung 
zurückgeführt  werden.  Daß  der  hohe  Norden  in  grauer  Vorzeit  bewohnt 
war,  wurde  durch  den  gelehrten  Inder  T  i  1  a  k  in  hohem  Grade  wahrscheinlich 
gemacht,  der  aus  den  Vedas,  den  heiligen  Aufzeichnungen  von  Braminen, 
festgestellt  hat,  daß  diese  Kenntnis  von  den  polaren  Himmelserscheinungen, 
der  Polarnacht,  den  Morgenröte-Erscheinungen  gegen  Ende  derselben  und 
den  in  Kreisen  um  den  Polarstern  sich  bewegenden  Sternen  hatten.  Zweifel- 
los haben  die  nordischen  Urvölker  eine  Steinzeit  durchgemacht;  ihre  Manu- 
fakte  sind  mit  den  anderen  Gesteinsbrocken  in  den  Gletscher  geraten  und 
finden  sich  in  seinen  nach  Norddeutschland  geschobenen  Moränen. 

Unter  den  Funden  des  Vortragenden  sind  Formen  aus  den  Kulturen 
des  Acheuleen,  Moustörien  und  Aurignacien,  die  genau  den  Formen  des  fran- 
zösischen und  belgischen  Paläolithikums  entsprechen.  Der  Redner  demon- 
striert dies  an  Exemplaren  aus  den  H  a  u  s  e  r  sehen  Ausgrabungen  im  Vezere- 
Tal  (Dordogne),  neben  denen  Exemplare  von  Labö  und  Umgegend  ausgestellt 
sind.  ^) 

10.  Sitzung  am  11.  Januar  1913. 
Dr.  E.  Strauß: 

„Gifte  der  Wirbellosen". 

Die  Betrachtung  der  Giftstoffe,  die  von  den  Wirbellosen  produziert 
werden  und  zur  Verteidigung  wie  zum  Töten  und  Lähmen  der  Beute  dienen, 
bietet  dem  Naturforscher  eine  Fülle  der  interessantesten  Probleme.  So  sehr 
man  sich  auch  zu  allen  Zeiten  bemüht  hat,  die  Eigenart  dieser  Stoffe  und 
ihre  sehr  auffallende  Wirkung  zu  ergründen,  stehen  wir  doch  heute  noch 
im  Anfang  der  Erforschung  tierischer  Gifte.  Wir  sind  bei  ihnen  nicht  wie 
bei  den  pflanzlichen  Giften  imstande,  ein  nach  chemischen  oder  pharma- 
kologischen Gesichtspunkten  geordnetes  System  aufzustellen,  und  daher  ge- 


^)  Siehe  auch  den  Aufsatz  des  Vortragenden  „Nordische  Urfaustkeile" 
(mit  15  Abbildungen)  im  vorjährigen  „Bericht*  S.  227-244. 


—     126    — 

nötigt,   sie  nach  Wesen  und  Wirkung  einfach  in   der  Reihenfolge   der  Tier- 
gruppen zu  behandeln,  bei  denen  sie  auftreten. 

Schon  die  Cnidarier  führen  Gifte  als  lebenswichtigste  Angriffs-  und 
Verteidigungswaffen.  Sie  vermögen  mit  Hilfe  ihrer  Nesselkapseln,  deren 
giftiger  Inhalt  auf  bestimmte  Reize  hin  durch  hervorgeschleuderte  Nesselfäden 
übertragen  wird,  kleinere  Tiere  zu  töten;  die  großen  Siphonophoren  können 
sogar  dem  Menschen  äußerst  unangenehm  werden.  Der  Giftstoff  (Hypnotoxin) 
bewirkt  bei  dem  Opfer  Somnolenz  und  schließlich  Lähmung  der  Atmung. 
Die  Echinodermen  besitzen  in  ihren  mit  „Giftzangen"  verbundenen  Giftdrüsen 
sehr  wirksame  Waffen.  Über  die  Natur  ihres  Giftes  ist  nichts  bekannt. 
Giftige  Eigenschaften  haben  auch  viele  Würmer,  namentlich  manche  früher 
für  verhältnismäßig  harmlos  gehaltenen  Darmparasiten,  wie  Bandwürmer  und 
verschiedene  Rundwürmer.  Ihre  Stoffwechselprodukte  gelangen  aus  dem 
Darm  des  Wirtes  in  die  Blutbahn  und  rufen  durch  ihre  hämolytische  Wirkung 
Anämie  hervor.  Von  alters  her  bekannt  und  gefürchtet  sind  giftige  Spinnen 
und  Skorpione.  Der  Stich  des  kleinen  südeuropäischen  Skorpions  ist  zwar 
ziemlich  harmlos;  dagegen  vermögen  tropische  Formen,  namentlich  eine 
mexikanische  Art,  nach  vielen  Berichten  den  Menschen  tötlich  zu  treffen; 
das  Agens  ist  höchst  wahrscheinlich  stark  hämolytisch.  Während  die  ver- 
schrieene Tarantel  ganz  ungefährlich  ist,  sind  andere  Spinnen,  darunter  vor 
allem  die  Malmignatte  oder  der  Karakurt  {Latrodedus  tredecimguttatns  F.)  aus 
dem  Mittelmeergebiet  und  den  südrussischen  Steppen,  mit  Recht  sehr  ge- 
fürchtet. Nicht  genügend  geklärt  ist  die  Giftigkeit  der  Tausendfüße,  deren 
Hautdrüsen  übelriechende  und  ätzende  Stoffe  ausscheiden.  Viel  untersucht 
sind  die  Insektengifte.  Die  heftige  Entzündung,  die  nach  einem  Bienenstich 
auftritt,  dürfte  durch  eine  organische  Base  verursacht  sein.  Die  Wirkung 
des  Giftes  der  Ameisen,  das  bei  manchen  tropischen  Formen  schwere  Folge- 
erscheinungen nach  sich  zieht,  ist  sicher  nicht  allein  auf  das  Vorhandensein 
von  Ameisensäure  zurückzuführen.  Unzweifelhaft  giftig  sind  die  Haare  vieler 
Schmetterlingsraupen,  besonders  die  der  Prozessionsspinner  (Cnethocampa) ;  der 
Stoff,  der  lokale  Entzündungen  auf  der  Haut  hervorruft,  ist  dem  Cantharidin 
ähnlich.  Das  Cantharidin  selbst,  das  sehr  genau  bekannt  ist,  findet  sich  im 
Blut  der  spanischen  Fliege  {Lijtta  vesicatoria  L.) ;  es  ist  kristallisierbar  und  von 
der  Konstitution  eines  aromatischen  Ringes.  Äußerliche  Anwendung  hat 
heftige  Entzündungen  und  Blasenbildungen  zur  Folge;  nach  Resorption  des 
Giftes  treten  neben  Wirkungen  auf  das  Nervensystem  auch  Nierenent- 
zündungen auf ;  0,03  g  vermögen  beim  Menschen  Konvulsionen  und  den  Tod 
herbeizuführen.  Auch  andere  Käfer  scheiden  sehr  merkwürdige  Sekrete  aus : 
der  Bombardierkäfer  verpufft  eine  Substanz,  die  an  der  Luft  Stickoxyd  bildet, 
und  ein  Pausside  soll  eine  Flüssigkeit  ausspritzen,  die  freies  Jod  enthält. 
Dies  wäre  der  einzige  Fall,  in  dem  ein  Organismus  freies  Halogen  ausscheidet. 

11.  Sitzung  am  18.  Januar  1913. 
Exz.  Wirkl.  Geheimrat  Prof.  Dr.  P.  Ehrlich: 
„Moderne  Heilprinzipien." 

In  der  ganzen  Welt  ist  man  jetzt  bestrebt,  die  verschiedenartigsten 
Infektionskrankheiten  chemotherapeutisch  zu  heilen.    Der  Weg  ist  kein  ganz 


—     127     — 

leichter:  man  muß  sich  bemühen,  die  Ätiologie  der  Erkrankungen  genau 
festzustellen,  was  bei  gewöhnlichen  Bakterien-  und  Protozoenkrankheiten 
mikroskopisch  möglich  ist.  Dagegen  gibt  es  Krankheiten  (Masern,  Scharlach, 
Pocken),  deren  Erreger  dem  mikroskopischen  Nachweis  größte  Schwierigkeiten 
bereiten.  Weiterhin  ist  es  erwünscht,  die  Erreger  der  Krankheiten  in  Rein- 
kultur zu  züchten.  Dies  gelingt  bei  gewöhnlichen  Bakterienerkrankungen, 
neuerdings  auch  bei  Protozoenerkrankungen  (tropische  Kinderanämie,  Kala- 
azar,  Sumpffieber)  und  Spirillenerkrankungen  (Rückfallfieber,  Hühnerspirillose, 
Syphilis) ;  aber  nur  ein  Teil  dieser  Reinkulturen  ist  imstande,  die  Krankheit 
bei  Tieren  zu  erzeugen.  Offenbar  können  die  Parasiten  höherer  Ordnung 
während  des  Kulturverfahrens  so  große  biologische  Veränderungen  erfahren, 
daß  sie  für  den  tierischen  Organismus  nicht  mehr  pathogen  sind. 

Die  Möglichkeit,  Infektionen  an  Tieren  künstlich  zu  erzeugen,  bildet 
die  Grundlage  der  Chemotherapie;  denn  heilkräftige  Substanzen  müssen  zu- 
nächst an  großen  Reihen  von  Tierversuchen  erprobt  werden,  bevor  sie  am 
Krankenbett  Anwendung  finden  dürfen.  Besonders  geeignet  sind  solche 
Stoffe,  von  denen  schon  ganz  kleine,  von  der  schädlichen  Grenze  weitent- 
fernte Dosen  im  Tierexperiment  heilen.  Die  Suche  nach  geeigneten  Stoffen 
ist  nicht  ganz  leicht.  Der  Vortragende  ließ  sich  bei  seinen  Untersuchungen 
von  der  chemischen  Vorstellung  leiten,  daß  die  Heilstoffe,  durch  bestimmte 
Gruppierungen  dazu  befähigt,  mit  den  Parasiten  eine  chemische  Verbindung 
eingehen,  von  ihnen  verankert  werden  und  sie  dadurch  abtöten.  Fernwirkung 
ist  nicht  denkbar.  Ehrlich  vergleicht  die  parasitentötenden  Substanzen 
mit  einem  Giftpfeil,  dessen  Spitze  das  verankernde  Prinzip  darstellt  und  die 
Parasiten  zuerst  trifft;  der  Schaft  ist  eine  chemische  Gruppierung,  an  den 
therapeutisch  wirksame  Radikale  (Arsen,  Quecksilber,  Antimon)  angehängt 
werden,  also  ein  Bindeglied  zwischen  zwei  wirksamen  Komponenten.  Die 
Schwierigkeit  bei  der  Konstruktion  von  Arzneistoffen  ist  die  Auffindung 
der  Pfeilspitze.  Wird  dem  Schaft  eine  Gruppe  angehängt,  die  eine  maximale 
Verwandtschaft  zu  Gruppierungen  des  Parasitenprotoplasmas,  aber  eine  mög- 
lichst geringe  Verwandtschaft  zu  den  Körperzellen  besitzt,  so  entsteht  ein 
Heilmittel,  das  den  infizierten  Körper  vollkommen  sterilisiert,  ohne  ihm  zu 
schaden.  Bei  der  Hühnerspirillose  ist  dieses  Ideal  im  Salvarsan')  (Dioxy- 
diamidoarsenobenzol)  erreicht,  da  der  hundertste  Teil  der  tödlichen  Dosis 
zur  Heilung  ausreicht.  Hier  ist  die  Amidophenolgruppe  die  Pfeilspitze,  das 
„verankernde  Prinzip",  das  offenbar  nicht  nur  für  Spirillen,  sondern  auch 
für  Amöben  und  Bakterien  verschiedenster  Art  in  Frage  kommt;  denn  es 
sind  viele  Erkrankungsarten  der  therapeutischen  Beeinflussung  durch  Sal- 
varsan  zugängig.  Ist  die  Pfeilspitze  einmal  an  die  Parasitenzelle  fest  ver- 
ankert, so  kann  auch  das  eigentliche  Heilprinzip  (in  diesem  Falle  Arsen)  an 
die  Parasitenzelle  gelangen  und  seine  therapeutische  Wirkung  entfalten. 

Der  Redner  wendet  sich  dann  gegen  die  von  einigen  Stellen  vertretene 
Anschauung,  daß  das  Salvarsan  als  solches  nicht  imstande  sei,  Parasiten 
direkt  abzutöten,   sondern   daß   es  indirekt   wirke,   indem   die   Körperzellen 

^)  Über  Salvarsan  („Chemotherapie  der  Spirillenerkrankungen,  Rück- 
fallfieber, Syphilis  und  Tierkrankheiten")  hat  erstmalig  Ehrlichs  Mitarbeiter 
Dr.  Hat  a  aus  Japan  beim  Empfangsabend  im  Senckenbergischen  Museum 
am  11.  Juni  1910  gesprochen. 


—     128     — 

stimuliert  würden,  parasitenabtötende  Stoffe  zu  produzieren.  Die  Anschauung 
basiert  auf  der  Beobachtung,  daß  unter  dem  Einflüsse  des  Salvarsans  die 
Spirochäten  unter  dem  Mikroskop  ihre  Bewegungsfähigkeit  behalten.  Der 
hieraus  gezogene  Schluß  ist  aber  ein  Trugschluß.  Im  Speyerhause  wurde 
nachgewiesen,  daß  in  einer  mit  Spuren  von  Salvarsan  versetzten  Serum- 
Spirochätenmischung  nach  Abzentrifugieren  aller  Flüssigkeit  zwar  die  Spiro- 
chäten noch  beweglich  waren,  daß  sie  aber,  Tieren  eingeimpft,  eine  Infektion 
nicht  mehr  auslösten.  Dies  beweist,  daß  das  Salvarsan  von  den  Spirochäten 
verankert  wird,  und  daß  schon  minimale  Quantitäten  des  verankerten  Arznei- 
stoffes ausreichen,  die  Parasiten  an  ihrer  Vermehrungsfähigkeit  innerhalb  des 
Körpers  zu  hindern.  Eine  zelluläre  Funktion  des  Salvarsans  ist  unter  diesen 
Umständen  ganz  ausgeschlossen,  da  überhaupt  kein  gelöstes  Salvarsan  mehr 
vorhanden  war. 

Der  Vortragende  bespricht  ferner  die  Verankerung  des  Salvarsans  an 
die  Zelle.  Wie  erwähnt,  wird  dasselbe  zunächst  mit  Hilfe  der  Orthoamido- 
phenolgruppierung  an  die  Zelle  verankert,  und  secundo  loco  tritt  eine  weitere 
Verankerung  durch  den  Arsenrest  ein.  Nur  ungesättigte  Arsenreste,  die  dem 
dreiwertigen  Typus  entsprechen,  sind  dank  der  ihnen  innewohnenden  latenten 
Verwandtschaft  zu  dieser  sekundären  Verankerung,  die  die  Heilwirkung  aus- 
löst, befähigt.  Vollkommen  gesättigte  Arsenreste,  die  fünfwertiges  Arsen 
enthalten,  können  nicht  mehr  von  den  Bestandteilen  der  Zelle  gefaßt  werden. 
Der  Heileffekt  entspricht  also  gewissermaßen  einer  Kombinationswirkung 
mehrerer  Komponenten.  Dieser  Erfahrung  entsprechend  hat  Ehrlich  stets 
die  „Kombinationstherapie"  empfohlen,  worunter  man  die  gleichzeitige  An- 
wendung verschiedenartiger,  einen  bestimmten  Parasiten  abtötender  Heilstoffe 
versteht.  Für  solche  Zwecke  sind  nur  Stoffe  verwendbar,  die  von  verschieden- 
artigen Rezeptoren  der  Parasitenzelle  gefaßt  werden.  Zwei  Gruppen  derselben 
Klasse,  z.  B.  der  Arsenikreihe,  zu  kombinieren,  hat  keinen  Zweck ;  dagegen 
empfiehlt  sich  die  Kombination  eines  Arsenstoffes  (z.  B.  Salvarsan)  mit  ge- 
eigneten Farbstoffen  (Trypaflavin,  Trypanrot,  Tryparosan).  Durch  solche 
Kombinationen  kann  der  Heileffekt  nicht  nur  addiert,  sondern  bei  geeigneter 
Wahl  potenziert  werden,  so  daß  mit  kleinen,  unschädlichen  Mengen  jeder 
einzelnen  Komponente  voller  Erfolg  erzielbar  ist.  Die  Kombinationstherapie 
hat  außerdem  den  Zweck,  die  bei  langandauernder  Behandlung  häufig  vor- 
kommende, die  Therapie  sehr  störende  Arzneifestigkeit  der  Parasiten  zu  ver- 
meiden. Wenn  eine  bestimmte  Medikation  (Arsenik  bei  Schlafkrankheit,  Chi- 
nin bei  Malaria,  vielleicht  auch  Quecksilber  bei  Spirillenerkrankungen)  lange 
Zeit  gegeben  wird,  so  werden  die  Parasiten  fest  gegen  diese  Stoffe  und  durch 
sie  nicht  mehr  beeinflußt.  Besonders  interessant  sind  die  Verhältnisse  bei 
Malaria.  In  Brasilien  kommen  vielfach  chininfeste  Malariastämme  vor,  die 
im  Gegensatz  zum  normalen  Verhalten  durch  Chinin  nicht  im  mindesten  be- 
einflußt werden.  Erfahrungen  in  Breslau  und  Hamburg  haben  aber  gezeigt, 
daß  eine  zwischengeschaltete  Salvarsankur  die  Chininfestigkeit  der  Malaria- 
parasiten beseitigt. 

Der  Redner  zeigt  schließlich  an  einer  Reihe  von  Tafeln  die  Heilwirkung 
des  Salvarsans  bei  den  verschiedenen  Krankheitstypen,  besonders  Spirillen- 
erkrankungen :  Syphilis,  Framboesie,  Rückfallfieber,  Hühnerspirillose,  weiter- 
hin einer  bösartigen,  durch  Spirillen  verursachten  Halsentzündung,   der  An- 


—     129    — 

gina  Vincenti,  und  gewissen  tropischen  Geschwüren.  Am  glänzendsten  sind 
die  Erfolge  bei  Framboesie,  bei  der  eine  Injektion  gewöhnlich  zur  Dauer- 
heilung ausreicht.  In  Surinam  kamen  unter  1200  behandelten  Fällen  nur 
12  Rezidive  vor,  und  man  hofft,  daß  es  mit  Hilfe  des  Salvarsans  möglich 
sein  wird,  diese  für  die  Arbeiterverhältnisse  der  Tropen  höchst  bedenkliche 
Krankheitsform  ganz  zum  Schwinden  zu  bringen.  Bemerkenswert  ist  weiter- 
hin, daß  bei  manchen  durch  Spirochäten  bedingten  Oberflächengeschwüren 
(Angina  Vincenti,  Mund-  und  Wangenschleimhauterkrankungen,  den  hart- 
näckigen Unterschenkelgeschwüren  der  Tropen)  durch  lokale  Aufpinselung 
von  Salvarsanlösungen  oder  Applikation  einer  Salvarsansalbe  die  Defekte  zur 
Heilung  gebracht  werden  können.  Aber  auch  eine  große  Reihe  anderer  Er- 
krankungen, die  mit  Spirochäten  nichts  zu  tun  haben,  wird  durch  Salvar- 
san  günstig  beeinflußt,  z.  B.  eine  Malariaform  (die  Tertiana),  auf  die  Salvarsan 
mindestens  so  gut  wirkt  wie  Chinin,  die  für  die  Armee  so  wichtige  Brust- 
seuche der  Pferde,  dann  die  schwere,  mit  weitgehenden  Eiterungen  verbun- 
dene tropische  Fferdekrankheit,  der  afrikanische  Rotz.  Bei  einer  weiteren 
Gruppe  wichtiger  Erkrankungen  (Typhus  exanthematicus,  Scharlach  und 
Pocken)  scheint  das  Salvarsan  ebenfalls  günstig  zu  wirken. 

Der  Vortragende  schließt  mit  dem  kurzen  Hinweis  auf  die  in  voller 
Bewegung  befindlichen,  wenn  auch  wesentlich  noch  auf  Tierexperimente  be- 
schränkten Heilversuche  an  den  durch  Spaltpilze  (Pneumokokken,  Staphylo- 
kokken, Streptokokken)  verursachten  Erkrankungen,  die  hoffnungsvolle  An- 
fänge darbieten, 

12.  Sitzung  am  25.  Januar  1912. 

Prof.  Dr.  F.  D  0  f  1  e  i  n ,  Freiburg : 

„Der  Ameisenlöwe,  ein  Kapitel  aus  der  Biologie  und 
Psychologie  der  Tiere". 

Der  Vortragende  schildert  zunächst  das  Vorkommen  der  eigenartigen 
Neuropteren-Larve,  die  als  Ameisenlöwe  bezeichnet  wird,  und  beschreibt,  wie 
er  sie  seit  langem  im  Laboratorium  gehalten  und  beobachtet  hat.  Dabei  sind 
ihm  schon  in  den  Schilderungen  der  älteren  Autoren  Unrichtigkeiten  auf- 
gefallen, welche  die  Grundlage  der  Darstellung  in  Brehms  Tierleben  und 
vielen  anderen  wissenschaftlichen  und  populären  Lehrbüchern  bilden.  Er 
wurde  aber  erst  angeregt,  das  Tier  genau  zu  untersuchen,  als  er  in  einem 
Lehrbuch  der  Tierpsychologie  aus  diesen  Schilderungen  ganz  falsche  Schlüsse 
abgeleitet  fand. 

Die  Experimente  des  Vortragenden  sind  noch  nicht  vollkommen  zum 
Abschluß  gelangt;  sie  lassen  aber  immerhin  schon  eine  Anzahl  von  interessan- 
ten Schlußfolgerungen  zu.  Im  Gegensatz  zu  früheren  Annahmen  vollziehen 
sich  die  merkwürdigen  Handlungen  des  Ameisenlöwen,  seine  Orientierung 
im  Sand,  der  Bau  seiner  Trichterfallen,  das  Einfangen  der  Ameisen  auf  Grund 
von  sehr  einfachen  Reflexen.  Es  sind  nicht  einmal  sehr  komplizierte  Instinkte, 
die  bei  den  Handlungen  des  Tieres  in  Frage  kommen.  Die  genaue  Unter- 
suchung der  einzelnen  Körperteile  und  der  Funktion  der  Organe  zeigt,  daß 
das  Tier  eine  zu  ganz  einseitigen  Tätigkeiten  differenzierte,  kleine  Maschine 

9 


—     130    — 

darstellt.  In  ungewöhnlich  deutlicher  Weise  sieht  man  die  Handlungen  durch 
den  Körperbau,  die  Sinnesorgane,  die  Muskelgruppen  bedingt. 

Trotzdem  kann  der  Ameisenlöwe  nicht  als  reiner  Reflexautomat  be- 
zeichnet werden.  Wenn  das  Tier  vor  die  Lösung  von  Aufgaben  gestellt  wird, 
die  das  gewöhnliche  Leben  ihm  niemals  bringt,  so  erkennt  man  eine  deut- 
liche Modifizierbarkeit  seiner  Handlungen.  Es  hat  die  Möglichkeit,  zwischen 
einer  Anzahl  von  Lösungen  zu  wählen.  Experimente  zeigen,  welche  Einflüsse 
die  Wahl  bedingen.  Bei  diesen  Experimenten  zeigt  der  Ameisenlöwe  nicht 
nur  eine  gewisse  Regulationsfähigkeit  seiner  Handlungen  nach  dem  Prinzip 
des  Versuchs  und  Irrtums,  sondern  er  zeigt  auch  gewisse  mnemische  Fähig- 
keiten. Eine  öfters  durchgeführte  ungewöhnliche  Handlung  wird  von  ihm 
immer  leichter  und  gewohnheitsmäßiger  ausgeführt. 

Trotz  dieser  etwas  höher  stehenden  Fähigkeiten  ist  der  Ameisenlöwe 
doch  ein  besonders  interessantes  Beispiel  für  die  Tatsache,  daß  hoch  diffe- 
renzierte Tiere  mit  einseitig  funktionierenden  Organen  sich  vielfach  dem  Be- 
griff der  Reflexautomaten  nähern. 

13.  Sitzung  am  1.  Februar  1918. 
Prof.  Dr.  0.  zur  Strassen: 

„Der   Flug   der  Tiere". 

Wenn  Tiere  „fliegen",  d.  h.  länger  in  der  Luft  verweilen,  als  es  durch 
bloßen  Fall  oder  Sprung  ermöglicht  wird,  so  benutzen  sie  immer  den  Luft- 
widerstand, und  zwar  teils  den  der  ruhenden  Luft  gegen  eine  bewegte  Fläche, 
teils  den  Druck  des  Windes  gegen  eine  ruhende.  Um  diese  Wirkungen  zu 
verstärken,  haben  die  Flugtiere  flächenhafte  Organe  (Flughäute,  Flügel  usw.) 
ausgebildet.  Viele  Tiere  verlängern  ihre  Sprünge,  indem  sie  mit  schräg  zur 
Bewegungsrichtung  gestellten  Flugflächen  im  „Gleitflug"  niedergehen.  So  der 
Flugfisch  Dactijlopterns,  der  Flugfrosch,  Flugdrache  und  mehrere  Säuger,  be- 
sonders der  Flattermaki  (Galeopithecns).  Um  längere  Dauer  des  Fluges,  größere 
Freiheit  und  Geschwindigkeit  zu  erzielen,  führen  die  eigentlichen  Flieger 
aktive  Bewegungen  mit  ihren  Flugorganen  aus.  Manche,  deren  Flügel  un- 
durchlässig und  eben  sind,  gewinnen  den  Antrieb  durch  schnelles  Hin-  und 
Herbewegen  der  schräg  zur  Flugrichtung  gestellten  Flügel,  ähnlich  wie  ein 
Propeller  mit  schrägen  Flügeln  auf  das  umgebende  Medium  wirkt.  So  die 
Insekten,  der  Flugfisch  Exocoetns,  ferner  die  Kolibris.  Bei  anderen  wird  nur 
der  Niederschlag  des  quergestellten  Flügels  voll  ausgenutzt,  während  der 
Aufschlag  dazu  dient,  den  nächsten  Niederschlag  vorzubereiten.  Dann  muß 
natürlich  dafür  gesorgt  sein,  daß  der  Aufschlag  geringerem  Widerstand  be- 
gegnet als  der  Niederschlag.  Dies  geschieht  bei  den  Fledermäusen  durch 
leichtes  Zusammenklappen  und  Schrägstellen  der  Flügel,  Bei  den  Vögeln 
wird  es  durch  die  Wölbung  des  Flügels  in  Verbindung  mit  einer  Art  Ventil- 
vorrichtung der  Schwungfedern  bewirkt.  Der  sog.  Segelflug  der  Raubvögel, 
des  Albatros  usw.  ist  durch  Benützung  geringer  Schwankungen  der  Wind- 
stärke zu  erklären.  Hierzu  bedürfen  die  Vögel  einer  überaus  feinen  Ma- 
növrierfähigkeit, die  ihnen  einerseits  durch  zweckmäßige  Vorrichtungen  zur 
Höhen-  und  Seitensteuerung,  andererseits  durch  hochgradige  Empfindlichkeit 
für  Druckschwankungen  gewährleistet  wird. 


—     131     — 

14.  Sitzung  am  8.  Februar  1913. 
Dr.  A.  von  "Weinberg: 
„Das   Eiweißmolekül    als    Unterlage    der   Lebens- 

erscheinung". 

(Siehe  S.  159.) 

15.  Sitzung  am  15.  Februar  1913. 
San.-Rat  Dr.  G.  Böttcher,  Wiesbaden: 

„Lionardo   da   Vinci   als   Naturforscher". 
(Erscheint  ausführlich  in  Heft  3.) 

16.  Sitzung  am  22.  Februar  1913. 

Dr.  St.  Kekule  von  Stradonitz,  Berlin-Lichterfelde: 

„Die   Entstehung   der   sog.  Habsburger   Lippe". 

Über  die  Art  und  Weise,  wie  sich  die  „Habsburger  Lippe"  vererbt, 
sind  in  der  neuesten  Zeit  mancherlei  Sonderveröffentlichungen,  auch  von  Me- 
dizinern, erschienen,  namentlich  seit  der  Wiederauffindung  der  „Vererbungs- 
regeln" des  gelehrten  Brünner  Augustinerpaters  Johann  Gregor  Mendel 
(f  1884),  die  lange  Zeit  unbeachtet  geblieben  waren.  Der  Vortragende  ist  der 
Ansicht,  daß  es  zur  förderlichen  Untersuchung  der  Frage,  wie  sich  die  „Habs- 
burger Lippe"  vererbt,  der  Klarstellung  der  Vorfrage  bedarf,  wie  sie  ent- 
standen ist,  und  besonders,  ob  sie  sich  als  eine  einfache  oder  eine  zusammen- 
gesetzte Erscheinung  herausstellt.  Bisher  ist  man  stets  davon  ausgegangen, 
sie  sei  eine  einfache  Erscheinung.  Am  meisten  verbreitet  ist  die  Ansicht,  die 
sie  auf  Margarethe  Maultasch,  die  letzte  Herrin  von  Tirol  (f  1369)  zu- 
rückführt. Allein  Margarethe  Maultasch  hatte  nur  einen  Sohn,  und  dieser 
starb  kinderlos.  Auch  ist  ihr  Name  „Maultasch"  nicht  etwa  ein  Beiname,  der 
von  einer  Gesichtsbildung  herrührt,  sondern  der  Name  einer  Burg,  nach  der 
sie  genannt  wurde.  Ebensowenig  begründet  ist  die  Ansicht,  die  „Habsburger 
Lippe"  stamme  von  Anna  Jagello  her,  der  Gemahlin  Kaiser  Ferdinands!., 
denn  die  in  Frage  stehende  Gesichtsbildung  findet  sich  schon  bei  Ferdinand  I. 
und  bei  allen  seinen  Geschwistern,  nämlich  bei  Karl  V.  und  den  vier  Schwe- 
stern. Ottokar  Lorenz  leitet  die  „Habsburger  Lippe",  dem  alten  Geschichts- 
schreiber Johann  Jakob  Fugger  folgend,  von  Cimburgis  von  Masso- 
vien,  der  Mutter  Kaiser  Friedrichs  III.  her.  Graf  Theodor  Zichy  hat  im 
Jahre  1898  die  Vermutung  aufgestellt,  die  „Habsburger  Lippe"  rühre  von  den 
zwei  Portugiesischen  Urgroßmüttern  Karls  V.  her,  nämlich  von  Eleo- 
nore von  Portugal,  der  Gemahlin  Kaiser  Friedrichs  HL,  und  von  Isabella  von 
Portugal,  der  Gemahlin  des  Königs  Johann  IL  von  Kastilien.  Zunächst  hat 
aber  Kaiser  Friedrich  III.  selbst  eine  stark  vorstehende  Unterlippe  gehabt, 
kann  diese  also  unmöglich  von  seiner  Gemahlin  durch  Übertragung  bekom- 
men haben.  Johann  IL  von  Kastilien  hatte  vielleicht  nicht  nur  selbst  eine 
„Habsburger  Lippe";   auch  sein   Urgroßvater  Heinrich  IL  von  Kastilien  hat 

9* 


—     132     — 

diese  bereits  sehr  ausgebildet  und  stark  gehabt,  so  daß  auch  hier  die  Ge- 
mahlin Johanns  IL  nicht  die  eigentliche  Ursache  sein  kann.  Die  „Portu- 
giesische Theorie"  Zichys  scheidet  somit  aus.  Galippe  endlich  hält,  gestützt 
auf  einen  Bericht  des  alten  französischen  Memoirenschreibers  Brantome, 
die  , Habsburger  Lippe"  für  ein  altes  Burgundisches  Erbgut,  dem  Hause 
Habsburg  durch  die  Abstammung  von  Maria  von  Burgund  zugebracht.  Schließ- 
lich hat  der  belgische  Kunsthistoriker  Dr.  Oswald  Rubbrecht  im  Jahre  1910 
in  einem  umfangreichen  Buch,  gestützt  auf  vorzügliche  Bildnisstudien,  das 
Ergebnis  gewonnen,  die  „Habsburger  Lippe"  sei  keine  einfache  Erscheinung, 
sondern  zusammengesetzt  aus  drei  Bestandteilen :  der  dicken  Lippe,  dem  vor- 
stehenden Unterkiefer  und  einem  seitlich  abgeplatteten  Schädel.  Das  vor- 
stehende Kinn  hat  nach  Rubbrecht  das  Habsburgische  Haus  von  Kaiser 
Friedrich  HI.  ab;  die  dicke  Lippe  bringt  das  Burgundische  Haus  hinzu.  Jo- 
hanna die  Wahnsinnige  endlich,  die  Gemahlin  Philipps  des  Schönen,  besitzt 
in  gleicher  Stärke  den  seitlich  abgeplatteten  Schädel,  den  vorstehenden  Unter- 
kiefer und  die  dicke  Unterlippe,  und  bei  beider  Nachkommenschaft  ist  dann 
die  „Habsburger  Lippe"  in  ihrer  kennzeichnenden  Form  da. 

Kekule  von  Stradonitz  hat  nun  das  von  Rubbrecht  beigebrachte 
Bildnismaterial  genau  nachgeprüft  und  es  durch  interessanten,  bisher  nicht 
in  Betracht  gezogenen  Bildnisstoff  vermehrt.  Danach  ergibt  sich  für  die  Ent- 
stehung der  „Habsburger  Lippe"  folgendes:  Der  Habsburger  Mannesstamm 
hringt  das  vorgebaute  Kinn  und  eine  etwas  vorstehende,  dicke  Lippe.  Eine 
in  Maria  von  Burgund  doppelt  vereinigte,  von  ihrer  väterlichen  und  gleich- 
zeitig mütterlichen  Urgroßmutter  Margarethe  von  Holland  oder  „von  Henne- 
gau" herrührende  starke  Dicklippigkeit  tritt  als  „Burgundische  Dicklippigkeit" 
hinzu.  Zu  der  Vereinigung  beider  in  Philipp  dem  Schönen  gesellt  sich  dann 
die  doppelte,  in  Johanna  der  Wahnsinnigen  vereinigte  Erbmasse  Heinrichs  IL 
von  Kastilien  mit  der  sehr  dicken,  wulstigen  Lippe,  dem  vorgebauten  Kinn 
und  dem  langen,  schmalen  Gesicht.  Die  anscheinend  besonders  wichtige  Erb- 
masse Heinrichs  IL  von  Kastilien  haben  die  Forscher  bisher  alle  nicht  genügend 
beachtet.  Die  „Habsburger  Lippe"  ist  also  keineswegs  eine  einfache,  sondern 
eine  aus  verschiedenen  Bestandteilen,  die  von  ganz  verschiedenen  Seiten  her- 
stammen, zusammengesetzte  Erscheinung. 

Ist  dem  aber  wirklich  so,  so  kann  es  nicht  weiter  erstaunen,  daß  ein 
Vererben  der  „Habsburger  Lippe"  nach  den  einfachen  Mendelschen  Regeln 
sich  nicht  nachweisen  läßt.  Es  wird  eben  wohl  ein  selbständiges  „Durchein- 
ander-Mendeln"  der  einzelnen  Bestandteile  der  „Habsburger  Lippe"  statt- 
finden, und  deshalb  wird  zunächst  eine  Untersuchung  dieser  Verhältnisse 
Aufgabe  der  Forschung  sein  müssen. 

17.  Sitzung  am  1.  März  1913. 
Prof.  Dr.  0.  Kalischer,  Berlin: 

„Die  Bedeutung   der  Dressurmethode  für  die 
Sinnesphysiologie  und  Psychologie". 

Der  Vortragende  berichtet  über  eine  neue  Prüfungsmethode  der  Sinnes- 
empfindungen bei  Tieren,   die  es  gestattet,   die  Sinnesempfindungen  speziell 


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der  höheren  Tiere  in  zuverlässigerer  Weise  zu  prüfen,  als  man  es  bisher  ver- 
mocht hat.  Bisher  stießen  solche  Empfindungsprüfungen  auf  mannigfache 
Schwierigkeiten.  Die  Temperaturempfindung  entzog  sich  überhaupt  der  Fest- 
stellung. Berührte  man  z.  B.  den  Rücken  eines  Hundes  mit  einem  kalten  oder 
einem  warmen  Gegenstand,  so  drehte  in  beiden  Fällen  das  Tier  den  Kopf 
nach  der  berührten  Stelle,  und  es  fehlte  die  Möglichkeit  der  Entscheidung, 
ob  das  Tier  einen  Unterschied  empfand.  Aber  auch  die  Empfindungen,  die 
sich  prüfen  ließen,  waren  nur  bruchstückweise  zu  erhalten ;  die  feineren  Ab- 
stufungen der  Empfindungen  entgingen  der  Feststellung.  Am  brauchbarsten 
erwies  sich  noch  die  Pawlowsche  Speichelreflexmethode,  die  in  manchen 
Beziehungen  sehr  Gutes  für  die  Feststellung  der  Empfindungen  leistet,  aber 
doch  wegen  mancher  mit  ihr  verbundenen  Schwierigkeiten  nur  in  beschränktem 
Umfang  brauchbar  ist. 

Die  Methode  des  Vortragenden  beruht  auf  der  Dressur.  Er  beschreibt 
das  Prinzip  seiner  Methode  zunächst  genauer  beim  Gehörsinn,  der  den  Aus- 
gangspunkt seiner  Untersuchungen  gebildet  hat.  Die  Tiere  werden  in  der 
Weise  dressiert,  daß  sie  bei  einem  ganz  bestimmten  Ton  (Harmonium  oder 
dgl.),  bei  dem  „Freßton",  wie  er  diesen  Ton  nennt,  nach  den  vor  ihnen  liegen- 
den Futterstücken  greifen,  bei  allen  anderen  Tönen  („Gegentönen")  das 
Fressen  verweigern.  Die  Hunde  lernen  es,  diesen  Freßton  aus  einer  Anzahl 
von  Tönen  heraus  zu  erkennen ;  sie  greifen  zu,  wenn  unter  einer  Anzahl  gleich- 
zeitig angeschlagener  Töne  auch  der  Freßton  ist,  und  verweigern  das  Fressen, 
wenn  der  Freßton  nicht  mit  angeschlagen  wird.  Diese  Fähigkeit  der  Ton- 
unterscheidung geht  bei  den  Hunden,  wenigstens  in  den  tiefen  Lagen,  über 
die  Fähigkeit  der  besten  Musiker  hinaus. 

Der  Vortragende  schildert  alsdann,  wie  er  diese  Hörprüfungsmethode 
dazu  benützt  hat,  um  eine  Reihe  von  vielumstrittenen  Problemen  im  Gebiet 
des  Hörsinns  der  Lösung  näher  zu  bringen. 

Hierauf  wendet  er  sich  zu  den  anderen  Sinnesgebieten,  auf  die  er  das 
gleiche  Dressurprinzip  mit  Erfolg  übertragen  hat.  Die  Ausführung  der 
Dressur,  die  sich  entsprechend  den  einzelnen  Sinnen  etwas  verschieden  ge- 
staltet, wird  für  den  Geruchsinn,  den  Farbensinn  und  den  Temperatursinn 
beschrieben.  In  allen  diesen  Fällen  läßt  sich  über  Empfinden  und  Nicht- 
empfinden  der  Tiere  mit  Hilfe  der  Methodik  in  der  leichtesten  Weise  Aus- 
kunft erhalten.  Besonders  bemerkenswert  ist  die  Schnelligkeit,  mit  der  die 
Dressuren  auch  bei  anscheinend  schwierigen  Empfindungsunterschieden  er- 
reicht werden.  In  etwa  zwei  bis  drei  Wochen  ist  die  Dressur  in  den  meisten 
Fällen  beim  Hunde  in  hinreichender  Weise  vollendet,  wobei  die  täglich  einmal 
stattfindenden  Prüfungen  der  Tiere  nicht  länger  als  fünf  Minuten  in  An- 
spruch nehmen.  Aus  den  Versuchen  und  Ergebnissen  geht  hervor,  daß  die 
Methodik  einer  allgemeinen  Anwendung  für  physiologische  und  psychologische 
Untersuchungszwecke  fähig  ist. 

Zum  Schluß  demonstriert  der  Vortragende  bei  zwei  von  ihm  dressierten 
Hunden  das  Prinzip  seiner  Methode. 


—     134     — 

18.  Sitzung  am  8.  März  1913. 
Prof.  Dr.  A.  Fischel,  Prag: 

„Über   Ursachen   normaler   und    abnormer    Entwick- 
lungsvorgänge bei  Tieren  und  beim  Menschen." 

Das  ebenso  reizvolle  wie  schwierige  Problem,  in  das  Geheimnis  der 
Entwicklung,  d.  h.  der  Umbildung  des  so  einfach  gebaut  erscheinenden  Eies 
in  den  so  kompliziert  organisierten  Körper,  einzudringen,  hat  seit  jeher  das 
Interesse  der  Menschen  erregt.  Während  man  sich  bis  in  die  jüngste  Zeit 
damit  begnügen  mußte,  den  formalen  Ablauf  der  Entwicklung  festzustellen, 
geht  man  jetzt  auch  daran,  die  Ursachen  zu  ermitteln,  die  das  komplizierte 
Getriebe  des  Entwicklungsprozesses  beherrschen.  Der  Vortragende  schildert 
zunächst  eine  Reihe  von  grundlegenden  Versuchen,  die  angestellt  wurden, 
um  in  das  Wesen  der  Befruchtung  und  der  ersten  Entwicklungsvorgänge 
tiefer  einzudringen.  So  ist  es  gelungen,  das  Ei  durch  physikalisch-chemische 
Mittel  zur  Entwicklung  zu  veranlassen  und  einzelne  der  Komponenten  des 
Befruchtungsvorganges  kennen  zu  lernen.  Experimente  an  sich  entwickeln- 
den Eiern  ergaben  sehr  interessante  Resultate  hinsichtlich  der  Entwicklung 
der  einzelnen  Körperorgane,  die  im  einzelnen  näher  geschildert  werden.  Doch 
ist  es  bis  heute  noch  nicht  gelungen,  das  allgemeine  Gesetz,  das  hier  waltet, 
sicher  festzustellen  und  das  Grundprinzip  der  Entwicklung  auf  einfache 
physikalisch-chemische  Vorgänge  zurückzuführen,  so  bedeutungsvoll  auch  die 
Schlüsse  sind,  die  man  aus  diesen  Versuchsresultaten  ziehen  kann. 

Dagegen  ließ  sich  im  speziellen  die  Wirkungsweise  zahlreicher  Faktoren 
auf  die  Entwicklung  feststellen.  Physikalische  und  chemische  Kräfte,  die 
Funktion,  gegenseitige  Abhängigkeitsverhältnisse  der  embryonalen  Gewebe 
u.  a.  m.  kommen  hier  in  Betracht.  Mit  solchen  Mitteln  gelang  es,  normale 
und  abnorme  Bildungsvorgänge  und  Organismen  künstlich  zu  erzeugen  und 
so  nach  mancher  Richtung  hin  einen  Einblick  in  die  Gesetze  der  Formbildung 
zu  gewinnen.  Der  Vortragende  schildert  derartige  Versuchsresultate  und  er- 
örtert zum  Schluß,  daß  sie  nicht  bloß  ein  rein  theoretisches  Interesse  für  den 
Naturforscher  besitzen,  sondern  sich  auch  mit  Vorteil  zur  Erklärung  normaler 
und  abnormer  Entwicklungsvorgänge  beim  Menschen  heranziehen  lassen.  Für 
die  Erkenntnis  der  menschlichen  Mißbildungen  und  Geschwülste  ergeben  sich 
hieraus  Schlüsse,  die  heute  schon  wichtig  sind,  in  der  Zukunft  aber,  bei  Fort- 
setzung dieser  Versuchsart,  eine  weittragende  Bedeutung  gewinnen  werden. 

Festsitzung  zur  Erteilung  des  Soemmerring-Preises 
am  7.  April  1913. 

In  dem  mit  der  Büste  Soemmerrings  und  mit  frischem  Grün  ge- 
schmückten Festsaal  eröffnet  der  I.  Direktor  Dr.  A.  von  Weinberg  die  der 
Verleihung  des  Soemmerring-Preises  gewidmete  Sitzung  mit  einem  kurzen 
geschichtlichen  Rückblick. 

Samuel  Thoraas  von  Soemmerring,  am  28.  Januar  1755  zu  Thorn 
geboren,  widmete  sich  dem  Studiimi  der  Medizin  und  wurde,  kaum  24-jährig, 
1779  auf  den  anatomischen  Lehrstuhl  des  Collegium  Carolinum  zu  Cassel,  1784 


—     135    — 

an  die  Universität  Mainz  berufen.  Seine  hervorragenden  anatomischen  und 
physiologischen  Arbeiten  stempeln  ihn  zu  einem  der  vornehmsten  Gelehrten 
seiner  Zeit. 

Nachdem  Soemmerring  sich  im  März  1792  mit  Maria  Elisabeth 
Grunelius,  einer  Tochter  des  alten  Frankfurter  Patrizierhauses,  vermählt 
hatte,  ließ  er  sich  1795  unter  die  Zahl  der  hiesigen  Ärzte  aufnehmen  und 
verblieb  hier  trotz  mehrfacher  Berufungen  nach  Jena,  Halle,  Würzburg  und 
Heidelberg,  bis  er  im  April  1805  als  Mitglied  der  Akademie  der  Wissenschaften 
nach  München  übersiedelte.  Hier  wurde  er  Leibarzt  des  ersten  Bayernkönigs 
Maximilian  Joseph,  der  ihm  den  persönlichen  Adel  und  den  Geheimrats- 
titel verlieh. 

Physikalische  und  chemische  Studien,  die  Soemmerring  emsig  neben 
seinen  anatomisch-physiologischen  Untersuchungen  betrieb,  führten  ihn  zur 
Erfindung  des  elektrischen  Telegraphen,  den  er  in  der  Sitzung  der 
Akademie  der  Wissenschaften  am  Montag,  den  28.  August  1809  vorzeigte.^) 
Indessen  geriet  diese  Tatsache  gänzlich  in  Vergessenheit,  und  erst  nahezu 
fünfzig  Jahre  später,  längst  nachdem  das  erste  unterseeische  Kabel  durch 
den  Kanal  gelegt  war,  hat  Soemmerrings  Sohn,  Hofrat  Dr.  Wilhelm 
Soemmerring,  durch  die  Veröffentlichung  von  historischen  Notizen  und 
Auszügen  aus  den  Tagebüchern  seines  Vaters  im  Jahresbericht  des  hiesigei) 
Physikalischen  Vereins  (1857  58  S.  23  ff.)  den  strikten  Nachweis  erbracht, 
daß  Samuel  Thomas  von  Soemmerring  der  Erfinder  des  ersten  galvano- 
elektrischen Telegraphen  gewesen  ist.  Sein  Originaltelegraph  befand  sich  im 
Besitz  des  Physikalischen  Vereins,  bis  er  am  26.  Oktober  1905  dem  Museum 
von  Meisterwerken  der  Naturwissenschaft  und  Technik  (Deutsches  Museum) 
zu  München  als  Geschenk  des  Vereins  überwiesen  worden  ist. 

Auf  Anregung  des  Physikalischen  Vereins  hat  sich  bereits  zu  Anfang 
der  sechziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  ein  Komitee  für  Errichtung 
eines  Soemmerring-Denkmals  in  Frankfurt  a.  M.  gebildet,  und  in  dessen 
Auftrag  hat  Eduard  von  der  Launitz  das  Modell  zu  einer  Statue  Soem- 
merrings in  Lebensgröße  entworfen.  Erst  ein  Menschenalter  später  ist  die 
Aufstellung  des  Denkmals  in  den  Anlagen  am  Eschenheimer  Tor  möglich 
geworden.  Bei  Gelegenheit  der  68.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher 
und  Ärzte  hat  am  20.  September  1896  die  Grundsteinlegung  und  am  8.  August 
des  darauffolgenden  Jahres  die  feierliche  Enthüllung  des  nunmehr  von  Hein- 
rich Petry  vollendeten  Denkmals  stattgefunden. 

Nachdem  Soemmerring  sich  im  Jahre  1818  nach  Frankfurt  zurück- 
gezogen hatte,  ist  er  am  17.  Oktober  desselben  Jahres  zum  wirklichen  (arbeiten- 
den) Mitglied  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft  ernannt 
und  unter  die  Stifter  derselben  aufgenommen  worden.  Am  7.  April  1828 
wurde  von  der  Gesellschaft  gemeinsam  mit  der  Frankfurter  Bürgerschaft  und 
mit  vielen  deutschen  und  ausländischen  Gelehrten  Soemmerrings  fünfzig- 
jähriges Doktorjubiläum  gefeiert.  Aus  diesem  Anlaß  wurden  dem  Jubilar  drei 
auf  der  Vorderseite  mit  seinem  Porträt,  auf  der  Rückseite  mit  einem  Relief 
der  „Basis  encephali  humani"  gezierte  Medaillen  aus  Gold,  Silber  und  Bronze 


1)  Denkschriften   der  Kgl.  Akademie  d.  Wissensch.   zu  München   f.  d. 
Jahre  1809  u.  1810.    München  1811,  S.  401. 


—     136    — 

überreicht.  Aus  den  Überschüssen,  welche  die  Beiträge  für  Herstellung  dieser 
Medaillen  ergeben  hatten,  wurde  am  9.  September  1829  die  Stiftung  eines 
„Soemmerringischen  Praemiums"  beschlossen,  wonach  alle  vier  Jahre 
am  7.  April,  am  Jahrestag  der  Promotion  des  Jubilars,  ein  Preis  —  300  Gulden 
(M.  500. — )  samt  einer  silbernen  Medaille  —  zum  bleibenden  Andenken  an 
Samuel  Thomas  von  Soemmerring  demjenigen  deutschen  Forscher  zu- 
erkannt werden  soll,  der  in  diesem  Zeitabschnitt  „die  Physiologie  im  weitesten 
Sinne  des  Wortes"  am  bedeutendsten  gefördert  hat. 

Soemmerring  starb  am  2.  März  1830  und  wurde  auf  dem  hiesigen 
Friedhof  beerdigt.  Sein  Sohn,  sein  Enkel  und  sein  Urenkel  gehören  zu  den 
ewigen  Mitgliedern  der  Gesellschaft. 

Am  7.  April  1837  wurde  der  Soemmerring-Preis  zum  ersten  Male  ver- 
liehen. Die  seitherigen  Preisträger  sind  Ehrenberg,  Schwann,  Bischoff, 
Rudolf  Wagner,  Kölliker,  Johannes  Müller,  Helmholtz,  Ludwig, 
de  Bary,  von  Siebold,  Voit,  Sachs,  Flemming,  Roux,  Verworn, 
Born,  Nissl,  Haberlandt  und  Kammerer. 

Die  erste  fachmännische  Beschreibung  der  Medaille  ist  durch  Eduard 
Rüppell  im  Archiv  für  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst,  1855  S.  63  erfolgt: 

„Hauptseite:  Kopf  im  Profil  nach  rechts,  davor  ein  Stab  mit  einer 
Äskulapschlange,  darunter:  G.  Loos  Dir.  C.  Pfeuffer  fee. 

Umschrift:  S.  TH.  A  SOEMMERRING  NAT.  THORUNI  D.  XXVIII 
JAN.  MDCCLV  DOCT.  GREAT.  GOTTINGAE  D.  VII  APR.  MDCCLXXVIII. 

Kehrseite:  Untere  Ansicht  des  menschlichen  Gehirns,  an  welcher  be- 
sonders der  Auslauf  der  Nerven  hervorgehoben  ist. 

Umschrift:  ANATOMICORUM  PRINCIPI  ANIMAE  ORGANA  QUI 
APERUIT  ARTIS  VIRIQUE  CULTORES.  D.  VII  APR.  MDCCCXXVIII. 

Durchmesser  23  Linien." 

Als  Vorbild  bei  der  Herstellung  des  Porträts  auf  der  Vorderseite  der 
Medaille  hat  ein  Medaillon  Soemmerrings  gedient,  das  von  Johann  Peter 
Melchior  (1742—1825),  seit  1796  Inspektor  der  Porzellan-Manufaktur  zu 
Nymphenburg,  nach  dem  Leben  ausgeführt  worden  ist.  Geprägt  wurde  die 
Medaille  in  der  Berliner  Medaillen-Münze,  deren  damaliger  Dirigent  Münzrat 
Gottfried  Bernhard  Loos,  deren  erster  Münzmedailleur  Christoph  Carl 
Pfeuffer  war. 

Bei  der  ersten  Prägung  der  Medaille  im  Jahre  1828  hat  der  Revers- 
stempel mit  der  Gehirnbasis  derart  gelitten,  daß  weitere  Prägungen  mit  ihm 
nicht  mehr  vorgenommen  wurden,  um  ihn  nicht  der  Gefahr  des  Springens 
auszusetzen.  An  seiner  Stelle  wurden  seitdem  —  anscheinend  seit  1849  — 
Reversstempel  mit  einem  blattreichen  Kranz  von  Eichenlaub  verwandt,  in 
dessen  leeren  Raum  die  Jahreszahl  der  Verleihung  und  der  Namen  des  Preis- 
trägers eingraviert  werden.  Neuprägungen  der  Medaille  (mit  verschiedenen 
Kranzmotiven)  fanden  ferner  1860,  1873,  1881/82,  1897  und  1913  statt.  Bei 
der  diesmaligen  Neuprägung,  die  wiederum  in  der  Berliner  Medaillen-Münze 
von  L.  Ostermann,  vorm.  G.  Loos  vorgenommen  wurde,  ist  für  eine  Me- 
daille in  Silber  M.  9.—  berechnet  worden.  Die  Stempel  der  Medaille  (Porträt- 
seite, Rückseite  mit  Gehirnbasis  und  Rückseite  mit  Kranzmotiv)  werden  im 
Archiv  der  Gesellschaft  aufbewahrt. 


—     137    — 

Die  für  die  diesjährige,  20.  Preiserteilung  ernannte  Kommission  hat 
aus  Prof.  E dinger  (Vorsitzenden),  Exzellenz  Ehrlich,  Prof.  Embden,  Prof. 
Fischer,  Prof.  Möbius,  Prof.  Reichenbach,  Prof.  zur  Strassen  und  Dr. 
von  Weinberg  bestanden. 

In  den  Kommissionssitzungen  wurden  die  Arbeiten  von  drei  Forschern 
in  die  engere  Wahl  gezogen.  Es  waren  dies  die  von  Prof.  Goldmann-Frei- 
burg i.  B.,  der  es  verstanden  hat,  durch  differenzierte  Färbung  die  Ablagerung 
bestimmter  Stoffe  im  tierischen  Gewebe  nachzuweisen,  ferner  die  Arbeiten 
von  Prof.  Kalischer-Berlin,  der  durch  seine  Dressurmethode  an  Tieren 
wichtige  Aufschlüsse  in  der  Sinnesphysiologie  und  Psychologie  erreicht  hat, 
worüber  der  Genannte  in  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesell- 
schaft am  1.  März  selbst  vorgetragen  hat,  und  schließlich  die  Arbeiten  von 
Prof.  Correns-Münster  i.  W.  über  Vererbungslehre. 

In  Anbetracht  der  weittragenden  Bedeutung,  welche  die  Erforschung 
der  Vererbungsgesetze  für  Tier-  und  Pflanzenwelt  in  den  letzten  Jahren  ge- 
wonnen hat,  und  der  führenden  Stellung,  die  Correns  durch  die  von  ihm 
veröffentlichten  Spezialuntersuchungen  und  Zusammenfassungen  einnimmt, 
beschloss  die  Kommission  einstimmig,  ihn  für  den  Preis  vorzuschlagen. 

Im  Namen  der  Kommission  berichtet  nunmehr  Prof.  M.  Möbius: 

„Über   die    neuen    Vererbungsgesetze    nach    der 
Corrensschen  Schrift  von  1912." 

Die  Erkenntnis  gesetzmäßiger  Erscheinungen  bei  der  Vererbung  beruht 
vorzüglich  auf  den  Untersuchungen  des  Augustinermönchs  Gregor  Mendel, 
die  1866  veröffentlicht  wurden,  aber  unbeachtet  geblieben  wären,  wenn  sie 
nicht  im  Jahre  1900  von  Correns,  Tschermak  und  De  Vries  neu  ent- 
deckt worden  wären.  Seitdem  ist  das  Studium  des  „Mendelismus",  wie  man 
das  gesetzmäßige  Verhalten  der  Bastarde  in  ihrer  Nachkommenschaft  nennt, 
im  Pflanzen-  und  Tierreich  zu  großer  Bedeutung  für  die  Kenntnis  der  Ver- 
erbungserscheinungen überhaupt  geworden. 

Zunächst  ergeben  sich  drei  Hauptregeln  oder  Gesetze,  und  zwar  als 
erstes  das  der  Gleichmäßigkeit  der  Bastarde  in  der  ersten  Gene- 
ration. Wenn  man  also  zwei  Sorten  oder  Arten  miteinander  kreuzt,  so  ent- 
stehen aus  den  durch  Kreuzung  erzeugten  Samen  lauter  ganz  gleichartige 
Pflanzen.  Wenn  die  Eltern  nur  durch  ein  Merkmal  unterschieden  waren, 
steht  der  Bastard  in  dieser  Hinsicht  in  der  Mitte,  oder  er  gleicht  ganz  oder 
fast  ganz  einem  der  Eltern,  indem  das  eine  Merkmal  des  Paares  über  das 
andere  dominiert. 

Die  Nachkommen  des  Bastards,  durch  Selbstbestäubung  oder  Kreuzung 
der  gleichartigen  Bastardpflanzen  erzogen,  geben,  wenn  es  sich  nur  um  die 
Differenz  eines  Merkmals  handelt,  dreierlei  Pflanzen:  solche,  die  dem  Bastard 
(B),  die  dem  Großvater  (A)  und  die  der  Großmutter  (A^)  gleichen,  und  zwar 
in  dem  Verhältnis  B :  A :  A'  =  2 : 1 : 1.  In  der  dritten  Bastardgeneration  trennen 
sich  die  B-Pflanzen  wieder  in  derselben  Weise ;  die  A-  und  A'-Pf lanzen  aber 
ergeben  sich  selbst  gleiche  Nachkommen,  wenn  jede  Gruppe  wieder  rein  in 
sich  fortgezüchtet  wird.    Das  geht  so  fort  und  wird  als  Gesetz  der  Spaltung 


—    138    — 

(zweites  Gesetz)  bezeichnet.  An  der  Spaltung  der  Nachkommenschaft  er- 
kennt man,  daß  die  Eltern  Bastardnatur  besessen  haben,  während  man  früher 
diese  Erscheinung  als  Rückschlag  zur  Stammform  bezeichnet  hatte. 

Wenn  bei  der  ersten  Kreuzung  mehr  als  ein  Merkmalpaar  den  Unter- 
schied bedingt,  so  wird  die  Sache  dadurch  komplizierter,  daß  einerseits  ein 
vom  Vater  und  andererseits  ein  von  der  Mutter  vererbtes  Merkmal  dominieren 
kann:  daraus  ergibt  sich  das  dritte  Gesetz,  das  der  Selbständigkeit  der 
Merkmale.  Wenn  z.B.  weißblühende  Erbsen  mit  gelben  Samen  und  rot- 
blühende mit  grünen  Samen  gekreuzt  werden,  so  erhält  man  in  der  ersten 
Bastardgeneration  rotblühende  Erbsen  mit  gelben  Samen,  also  eine  neue 
Sorte.  In  der  zweiten  Bastardgeneration  treten  dann  alle  Kombinationen 
auf,  die  möglich  sind.  Wenn  noch  mehr  als  zwei  Merkmalpaare  gekreuzt 
werden,  so  ist,  wenn  auch  die  erste  Bastardgeneration  immer  einförmig  ist, 
die  Spaltung  in  der  zweiten  Generation  um  so  größer,  je  mehr  Merkmalpaare 
vorhanden  waren. 

Diese  Gesetze  gelten  gleichmäßig  für  die  Kreuzung  von  Arten  und 
Sorten  oder  Varietäten.  Die  Abweichungen  von  der  Regel,  die  beobachtet 
werden,  lassen  sich  zwar  noch  nicht  alle  erklären,  aber  doch  z.  T.  durch 
Parthenogenese,  wie  bei  den  auch  von  Mendel  gezüchteten  Hieraciiim- 
Bastarden,  z.  T.  dadurch,  daß  ein  scheinbar  einheitliches  Merkmal  auf  zwei 
verschiedenen  Anlagen  beruht. 

Wichtig  für  die  Vererbung  ist,  daß  nicht  die  Merkmale  als  solche 
sondern  nur  ihre  Anlagen  vererbt  werden,  wie  sich  schon  aus  dem  sog.  Domi- 
nieren eines  Merkmales  ergibt.  Wichtig  ist  ferner,  daß  die  Vererbungser- 
scheinungen im  Einklang  stehen  mit  dem  an  den  materiellen  Grundlagen 
Beobachteten,  nämlich  an  den  Keimzellen,  ihren  Kernen  und  deren  Teilungen 
und  Verschmelzungen,  woraus  wir  den  Schluß  ziehen,  daß  die  Anlagen  an 
die  einzelnen  Teilchen  der  Chromosomen  in  den  Kernen  gebunden  sind. 

Im  Anschluß  an  diese  Ausführungen  des  Referenten,  nach  denen  die 
interessanten  Ergebnisse  der  besprochenen  Arbeiten  vollständig  neue  For- 
schungsgebiete eröffnen,  verkündet  der  I.  Direktor,  daß  auf  den  Vorschlag 
der  Kommission  der  Soemmerring-Preis  Prof.  C.  Correns-Münster  i.  W.  zu- 
erkannt worden  ist. 


—     139    — 


Carl  Hagenbeck 

gest.  14.  April  1913. 


„Hagenbeck 
kommt!"  Wer  diese 
köstliche  Zeichnung 
Adolf  Oberländers 
aus  dem  Anfang  der 
neunziger  Jahre  in  den 
„Fliegenden  Blättern" 
gesehen  hat,  dem  muß- 
te ihr  bezwingender 
Humor  einen  Begriff 
geben  vom  Wesen  des 
menschlichen  Königs 
der  Tiere,  der  sich  sein 
Reich  aus  eigenster 
Kraft  erobert  hatte. 
In  jahrzehntelangem 
Schaffen  hat  Hagen- 
beck die  Bedeutung  seiner  Unternehmungen  den  allerweitesten 
Kreisen  zu  erweisen  verstanden,  so  daß  sie  gar  nicht  an  ihm 
vorbeigehen  konnten,  daß  auch  solchen,  denen  Tierliebe  und  Tier- 
pflege fernliegende  Begriffe  waren,  schließlich  eine  Idee  davon 
aufdämmern  mußte,  was  ein  Mensch  den  Tieren  sein  kann,  was 
die  Tiere  ihm  werden  können. 

Aus  ganz  kleinen  Anfängen  heraus  hat  das  begonnen.  Als 
Carl  Hagenbeck  am  10.  Juni  1844  in  Hamburg-St.  Pauli  zur 
Welt  kam,  betrieb  sein  Vater  dort  ein  Fischgeschäft.  Nebenher 
hielt  sich  Vater  Hagenbeck  immer  einiges  lebende  Getier: 
Papageien,  Affen,  Pfauen  und  verschiedenes  Hausgeflügel.     Die 


—     140    — 

Freude  daran  muß  sehr  früh  auf  Carl  übergegangen  sein.  Sein 
gleichermaßen  frühzeitig  ausgeprägter  Erwerbssinn,  der  ihn  als 
echten  Hamburger  charakterisierte,  verband  sich  so  glücklich  mit 
dieser  Neigung,  daß  er  als  kleiner  Junge  schon  dem  Vater  ge- 
schickt an  die  Hand  ging.  Mit  einem  halben  Dutzend  lebender 
Seehunde,  die  er  1848  durch  seine  Störfischer  erhielt,  und  die  in 
Hamburg  und  Berlin  ausgestellt  wurden,  begann  für  den  Vater 
eine  Reihe  von  ähnlichen  Schaustellungen,  die  bald  zum  eigent- 
lichen Tierhandel  führen  sollten.  Mit  dem  Sohn  zusammen  hat 
er  diese  „Branche"  eigentlich  erst  geschaffen,  und  Carl  hat  sie 
dann  zu  jener  Höhe  ausgebildet,  die  den  Begriff  mit  dem  Namen 
Hagenbeck  für  alle  Zeiten  verbindet.  Gelegenheitskäufe  in 
deutschen  Hafenorten  wurden  bald  durch  Ankaufreisen  und  direkte 
Importversuche  abgelöst;  trotz  mancher  anfänglicher  Enttäu- 
schungen trat  bald  dauernder  Erfolg  ein.  „Ein  Tiergeschäft,  sei 
es  klein  oder  groß,  ist  ohne  Passion  für  die  Tierwelt  gar  nicht 
denkbar."  —  „Man  muß  nur  die  Augen  offen  halten  und  jede 
Situation  zweckentsprechend  auszunutzen  versuchen,  to  make 
the  best  of  it  .  .  .".  Mit  diesen  zwei  Sätzen,  die  Carl  Hagen- 
beck am  Abend  seines  rastlosen  Lebens  niederschrieb^),  ist  die 
Devise  seines  Werkes  gegeben.  Kaum  der  Schule  entwachsen, 
trat  er  dem  Vater  als  dessen  beste  Kraft  zur  Seite ;  mit  sechzehn 
Jahren  schon  machte  er  selbständig  größere  Geschäfte.  Er  kam 
mit  Bodinus  und  Professor  Peters,  mit  Martin,  Wester- 
mann und  Geoffroy  St.  Hilaire  wiederholt  in  Berührung 
und  eignete  sich  so  auch  eine  nicht  nur  praktische  Tierkenntnis 
an.  Die  Entwicklung  der  zoologischen  Gärten,  die  zum  Teil  erst 
in  jener  Zeit  einsetzte,  ist  mit  der  Entwicklung  der  Importe 
Hagenbecks  Hand  in  Hand  gegangen. 

Das  Kriegsjahr  1866  führte  ihn  nach  Frankfurt  a.  M.,  wo  er 
den  gesamten  Tierbestand  des  Gartens  der  Zoologischen  Gesell- 
schaft übernahm.  Von  dieser  Zeit  an  sind  seine  Beziehungen 
zu  Frankfurt  stets  rege  geblieben.  Im  Jahre  1905  wurde  er  zum 
korrespondierenden  Mitglied  der  Senckenbergischen  Naturforschen- 
den Gesellschaft  ernannt,  deren  Museum  seiner  Freigebigkeit 
manches  schöne  Geschenk  verdankt. 

Mit  Beginn  der  siebziger  Jahre  trat  Hagenbeck  dann 
auch  mit  jenen  vielfältigen  „Völkerausstellungen"  auf  den  Plan, 

^)  In  seinem  1908  erschienenen  Buche  „Von  Tieren  und  Menschen". 
Vita,  Deutsches  Verlagshaus,  Berlin-Ch. 


—     141    — 

die  seinen  Namen  mehr  noch  als  der  bisherige  ausschließliche 
Tierhandel  in  aller  Mund  brachten.  Auch  diese  Vorführungen, 
die  bald  in  den  meisten  zoologischen  Gärten  Eingang  fanden, 
sind  in  der  folgenden  Zeit  auf  lange  Jahre  hinaus  zu  integrieren- 
den Begleiterscheinungen  der  größeren  Gärten  geworden. 

Aus  diesen  beiden  Zweigen,  dem  ethnographischen  und  dem 
zoologischen,  erwuchs  Hagenbecks  Unternehmen  schließlich 
zu  so  gewaltigen  Dimensionen,  daß  er  zu  Anfang  des  zwanzigsten 
Jahrhunderts  an  die  Schaffung  eines  eigenen,  in  großartiger 
Weise  angelegten  Tierparkes  herantrat.  Stellingen,  der  Name 
des  Hamburger  Vorortes,  in  dem  die  Verwirklichung  seiner  lange 
gehegten  Wünsche  sich  vollzog,  ist  die  Begriffsbezeichnung  ge- 
worden für  ein  ganz  eigenes  Prinzip  der  Tierhaltung.  Wie 
Hagenbeck  mit  unbestrittenem  Erfolg  bestrebt  gewesen  ist, 
die  Bändigung  der  sog.  „wilden  Tiere",  die  bis  dahin  fast  aus- 
schließlich mit  Peitsche  und  Speer  betrieben  worden  war,  durch 
eine  verständnisvollere  Behandlung  zu  ersetzen,  die  auf  das  In- 
dividuelle des  Tieres  einging  und  damit  in  ganz  anderer  Weise 
menschliche  Überlegenheit  zur  Geltung  brachte,  so  hat  er  auch 
in  Stellingen  es  verstanden,  seinen  Pfleglingen  die  Gefangenschaft 
durch  Gewährung  möglichster  Freiheit  weniger  fühlbar  zu  machen. 
Damit  hat  er  aber  einen  mächtigen  Schritt  vorwärts  getan,  der 
nicht  zuletzt  auch  dem  um  die  Erforschung  der  Tierwelt  wissen- 
schaftlich Bemühten,  dem  Zoologen  von  Fach,  wichtige  Dienste 
geleistet  hat.  Man  mag  im  einzelnen  über  Hagenbecks  Prin- 
zipien der  Tierhaltung  urteilen,  wie  man  will  —  Prinzipien 
können  und  werden  immer  in  einer  oder  der  andern  Richtung 
auf  unfruchtbare  Punkte  führen  — ,  daß  das  Bestreben,  jedes 
Tier  in  einer  seinerNatur  möglichst  entsprechenden 
Umgebung  zu  halten,  von  ihm  in  hervorragender  Weise  in  die 
Tat  umgesetzt  worden  ist,  das  bleibt  Carl  Hagenbecks  unbe- 
strittenes, vielleicht  sein  bedeutsamstes  Verdienst. 

Ich  erinnere  mich,  nie  etwas  annähernd  Überzeugenderes 
gesehen  zu  haben  als  die  wundervolle  Ausstellung  lebender 
Reptilien  aus  allen  Weltgegenden,  die  er  in  den  Jahren  1897/98 
im  alten,  einstmals  von  Friedrich  Knauer  geleiteten  Wiener 
Vivarium  zeigte.  Sie  war  in  gewissem  Sinn  ein  Vorläufer  Stel- 
lingens ;  nur  daß  damals  in  Wien  durch  die  besser  zu  übersehenden 
Raumdimensionen  sich  eine  wohl  unübertreffliche  Geschlossenheit 
bot,  die  die  BUdwirkung  der  einzelnen,  mit  bester  Naturkenntnis 


—    142    — 

gegebenen  Terrainausschnitte  aufs  schönste  hervortreten  ließ. 
Daß  ein  Mann  wie  Ernst  Perzina  das  Ganze  leitete,  war  auch 
ein  besonderes  Verdienst  Hagenbecks,  der  eben  überall  auch 
die  rechten  Persönlichkeiten  hinzustellen  verstand.  Mehr  noch 
freilich  gehörten  dazu  vor  allem,  wie  Franz  Werner  damals 
in  einem  seiner  prächtigen  Referate^)  so  treffend  gesagt  hat, 
„die  vier  großen  G:  Geduld,  Geld,  Geschick  und  Glück";  sie 
sind  gewiß  eine  der  Grundlagen  von  Hagenbecks  Erfolgen  ge- 
wesen. Ihn  zeichnete  das  aus,  was  dem  echten  Hanseaten  eignet: 
Zielbewußtsein,  Zähigkeit,  Selbständigkeit. 

Ph.  Lehrs. 


')  In  der  Zeitschrift  „Der  Zoologische  Garten",  38.  Jahrgang  1897  S.  212. 


143 


Die  afrikanische  Hyläa,  ihre  Pflanzen-  und 

Tierwelt. 

Mit  13  Abbildungen  1) 

von 

A.  Schnitze  (Bonn). 


Zu  den  schwer  ausrottbaren  geographischen  Irrtümern  hat 
bis  vor  kurzem  die  Annahme  gehört,  daß  die  afrikanischen  Äqua- 
torialgegenden jene  ausgedehnten  tropischen  Regenwaldungen 
vermissen  ließen,  die  für  Südamerika  und  die  südasiatische  Insel- 
welt so  ungemein  charakteristisch  sind.  Der  Grund  hierfür  ist 
wohl  darin  zu  suchen,  daß  die  lebendigen  Schilderungen,  die  der 
„Outsider"  Stanley  in  seinem  Werk  „Im  dunkelsten  Afrika" 
von  einem  solchen  Walde  gibt,  mit  den  Beobachtungen  Schwein- 
furths  und  anderer  Erforscher  des  Kongobeckens  anscheinend 
im  Widerspruch  standen.  Zufälligerweise  waren  alle  Forscher, 
denen  man  von  vornherein  unbedingtes  Vertrauen  zubilligte,  ge- 
rade in  jenen  Gebieten  des  tropischen  Afrika  tätig  gewesen,  in 
denen  allerdings  größere  zusammenhängende  Regenwaldungen 
nicht  mehr  vorkommen.  Heute  nun  wissen  wir,  daß  —  trotz 
Schweinfurth,  Pogge  und  Pechuel-Loesche  —  in  Äqua- 
torial-Afrika  eine  Hyläa  existiert,  die  sich  mit  der  der  Amazonas- 
Niederungen  in  vielen  Beziehungen  messen  kann,  diejenige  Insul- 
indes  an  Ausdehnung  sogar  weit  übertrifft. 

Zweifellos  hat  die  afrikanische  Hyläa,  deren  Zentrum,  wie 
Mildbraed  nachwies,  näher  an  der  Ostküste  als  an  der  West- 
küste des  Kontinents  liegt,  sich  ehedem  viel  weiter  ausgedehnt 
und  vielleicht  sogar,  wie  floristische  und  faimistische  Reste   er- 

^)  Sämtliche  Abbildungen  sind  Reproduktionen  von  Originalaufnahmen 
des  Verfassers.  Die  mit  *  bezeichneten  Abbildungen  sind  mit  Erlaubnis  des 
Verlags  aus  dem  Werk  „Vom  Kongo  zum  Niger  und  Nil"  von  Adolf  Fried- 
rich Herzog  zu  Mecklenburg,  Leipzig  (F.  A.  Brockhaus)  1912  entnommen. 


—     144    — 

kennen  lassen,  große  Teile  des  heutigen  Deutsch-Ostafrika  be- 
deckt. Neben  klimatischen  Änderungen  ist  an  diesem  dauernden 
Rückgang  des  Waldes  zweifellos  die  unvernünftige  Waldwirt- 
schaft der  schwarzen  Rasse  in  erster  Linie  schuld. 

Im  Rahmen  dieses  Vortrages  interessiert  uns  nur  die  afri- 
kanische Äquatorial-Hyläa  in  ihrer  heutigen  Ausdehmmg.  Wenn 
wir  von  den  ebenfalls  ansehnlichen  Waldungen  absehen,  welche 
die  Guineaküste  von  Sierra  Leone  bis  nach  Ashanti  hin  bedeckt 
—  und  die  im  Charakter  durchaus  mit  dem  großen  Äquatorial- 
wald übereinstimmt  — ,  so  umfaßt  diese  Hyläa  eine  sehr  unregel- 
mäßig begrenzte  Fläche,  die  im  allgemeinen  nicht  über  das  rechte 
Kongoufer  nach  Süden  hinausreicht.  Sie  beginnt  im  Nigerdelta 
mit  einem  durchschnittlich  250  km  breiten,  die  Küstenebene  be- 
deckenden Streifen,  der  etwa  südlich  des  Sanaga  zu  dem  ununter- 
brochenen Waldkomplex  sich  erweitert.  Von  der  Kamerun-  und 
Gabunküste  reicht  dieser,  in  der  Breite  von  300  bis  1000  km 
wechselnd,  bis  an  den  großen  zentralafrikanischen  Graben,  er- 
streckt sich  also  über  eine  Entfernung  von  fast  2500  km.^) 

Floristisch  betrachtet  besitzt  dieser  Wald  alle  Eigentümlich- 
keiten, welche  die  tropischen  Regenwaldungen  auszeichnen :  große 
Verschiedenartigkeit  der  Zusammensetzung,  gewaltige  Dimen- 
sionen der  Hauptwaldbäume  mit  ihren  sonderbaren  Wurzelbildun- 
gen (Fig.  1),  mit  Cauliflorie  und  „Ausschüttung  des  Laubes", 
großen  Reichtum   an  Epiphyten   und   Lianen   mannigfacher  Art. 

Wenn  auch  im  großen  und  ganzen  der  Charakter  dieses 
Waldes  einheitlich  ist,  so  zeigt  sich  doch,  daß  einzelne  Arten 
an  gewissen  Stellen  in  großer  Menge  erscheinen,  dann  wieder 
auf  Strecken  vieler  Tagemärsche  hin  vollkommen  verschwinden, 
um  ganz  plötzlich  wieder  aufzutauchen,  ohne  daß  vorläufig  hier- 
für eine  genügende  Erklärung  an  der  Hand  der  geologischen 
Verhältnisse  gegeben  werden  könnte.  Geschlossene  Bestände 
gewisser  Baumarten  sind  nichts  Seltenes,  wie  z.  B.  solche  des 
stattlichen  Macrolobium  Dewevrei  (Fig.  2);  auch  die  Sumpfwal- 
dungen der  Flüsse  sind  von  einer  Einförmigkeit,  die  dem  Charakter 
geschlossener  Bestände  sehr  nahekommt. 

Ganz  falsche  Vorstellungen  herrschen  über  die  undurch- 
dringliche Dichtigkeit  des  Urwaldes.  Es  liegt  auf  der  Hand,  daß 
gerade    der    unberührte    Primärwald   mit    seinem    geschlossenen 

•)  Vergl.  die  Übersichtskarte  der  Reisen  der  Deutsehen  Zentralafrika- 
Expedition  des  Herzogs  im  vorjährigen  „Bericht". 


—     145    — 

Laubdach  und  dem  ewigen  Halbdämmer  darunter  gar  nicht  die 
Möglichkeit  zur  Bildung  eines  besonders  dichten  Unterholzes 
bietet.  Die  Lianenwirrnis  findet  sich  vielmehr  hoch  über  dem 
Boden  in  den  Laubkronen  oder  aber  dort,  wo  durch  irgendwelche 
Verhältnisse  das  Licht  durch  das  Laubdach  Eingang  findet  und 
dadurch  eine  Möglichkeit  zur  Bildung  dichten  Unterholzes  —  dar- 
unter ansehnliche  Kräuter,  meist  gewaltige  Ingwergewächse  — 
gegeben  ist  (Fig.  3).  Solche  Bildungen  werden  begünstigt  durch 
künstliche  Lichtungen  —  etwa  auf  verlassenem  Farmboden  — 
oder  durch  das  Vorhandensein  versumpfter  Bachläufe  (Fig.  4). 
An  solchen  Sümpfen  finden  sich  vor  allem  in  riesiger  Entwick- 
lung die  Raphiapalmen  und  in  einer  Meereshöhe  von  500  Metern 
ab  auch  üppige  Baumfarne,  deren  Verwitterungsprodukte  offen- 
bar an  der  Braunfärbung  des  Wassers  —  wie  wir  sie  im  ganzen 
Stromgebiet  des  Kongo  vorfinden  —  schuld  tragen  (Fig.  5). 

Andere  falsche  Vorstellungen  knüpfen  sich  an  das  Vor- 
kommen mancher  Pflanzen,  die  man  als  charakteristisch  für  das 
Urwaldgebiet  ansieht,  die  aber  in  den  unberührten  Gebieten 
überhaupt  nicht  vorkommen,  wie  z.  B.  Ölpalme  und  Wollbaum 
(Eriodendron).  Diese  beiden  Bäume  sind  geradezu  bezeichnend 
für  sekundäre  Bildungen  und  rechtfertigen  durch  die  Art  ihres 
Vorkommens  den  Verdacht,  daß  sie  in  Afrika  wahrscheinlich 
überhaupt  nicht  heimisch  sind. 

Wenn  —  abgesehen  von  der  Vernichtung  des  Waldes  durch 
den  Menschen  —  die  Hyläa  das  ganze  besprochene  Gebiet  über- 
zieht, so  zeigen  sich  doch  auch  ganz  vereinzelte  Stellen  von 
durchweg  sehr  geringen  Abmessungen,  die  sog.  Grasfelder  (Fig.  6), 
wo  entweder  sumpfiger  oder  steiniger  Boden  —  unverwitterter 
Laterit,  bzw.  Urgestein  —  die  Bildung  von  Baumwuchs  unmög- 
lich machen.  Hier  finden  sich  je  nachdem  ein  mehr  oder  weniger 
üppiger  Krautwuchs,  darunter  viele  Farne,  oder  eine  kurzhalmige 
Grasnarbe.  Am  Rande  solcher  Grasfelder  steht  dann  vielfach 
eine  besondere  Strauch-  oder  Baumvegetation,  auf  den  sumpfigen 
Stellen  üppige  Raphia-  oder  zierliche  Phönixpalmen  (Fig.  7).  Auf 
künstlichen  oder  natürlichen  Lichtungen  werden  in  der  Regel  auch 
die  wenigen  blühenden  Kräuter  des  Urwaldes  sichtbar,  meist  Balsa- 
minen, Acanthazeen  oder  riesige  Erdorchideen  (Lissochilus,  Fig.  8). 

So  imponierend  sich  auch  die  Flora  des  Urwaldes  zeigt,  so 
wenig  tritt  die  Tierwelt  —  wenigstens  in  ihren  größeren  Formen  — 
in  Erscheinung.     Die  Gründe  sind  verschiedener  Art.     Das  Heer 

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Fig.  9.  Tschego. 


—     155    — 

der  für  die  freien  Steppen  charakteristischen  Wiederkäuer  findet 
im  Walde  nicht  die  ihm  zusagenden  Lebensbedingungen,  vor 
allem  nicht  genügende  Äsung.  Nur  die  Grasfelder  oder  die  Nähe 
der  Kulturgebiete  sind  der  Entwicklung  einer  reicheren  Tierwelt 
günstig  (Antilopen  und  Büffel).  Manche  Tiere,  so  vor  allem  der 
Elefant,  sind  durch  die  Fähigkeit,  weitere  Wanderungen  unter- 
nehmen zu  können,  von  der  Ungunst  solcher  Verhältnisse  weniger 


Fig.  10.  Seidenaffen  (Colobus). 

abhängig.  Manche  Arten  sind  ausschließlich  Urwaldbewohner, 
wie  das  eigentümliche  Moschustier  (Hijaemoschus)  und  die  mei- 
sten Schopfantilopen. 

Zu  den  interessantesten  Vertretern  der  Fauna  gehören  die 
großen  Menschenaffen,  Gorilla,  Tschego  (Fig.  9)  und  Schimpanse, 
deren  Lebensweise  noch  manche  ungelösten  Rätsel  birgt.  Sie, 
wie  alle  anderen  Säugetiere,  sind  durch  die  umgebende  Vege- 
tation geborgen,  die  besser,  als  alle  —  immer  noch  gänzlich 
ungenügenden !  —  Schutzmaßregeln  vor  der  schamlosen  Vernich- 
tung der  Tierwelt  durch  die  „Bestie  Mensch"  schützt. 


—     156    — 

Der  Schutz,  den  der  Wald  seinen  Geschöpfen  gewälirt,  ist 
so  trefflich,  daß  die  Fauna  der  Hyläa  immer  noch  sehr  ungenügend 
bekannt  ist;  so  ist,  um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  noch  nichts 
Näheres  über  die  Löwenform  bekannt,  die  zweifellos  im  Ur- 
waldgebiet, und  zwar  fernab  von  der  Steppe,  vorkommt. 


Fig.  11*.  Goliathkäfer. 

Die  meist  gesehenen  Tiere  des  Urwaldes  sind  die  beweg- 
lichen Meerkatzen  und  Stummelaffen  (Fig.  10),  die  Vögel  mit 
ihren  bunten  und  vielfach  abenteuerlichen  Formen  (Papageien, 
Nashornvögel,  Turakus),  vor  allem  aber  die  Insekten  in  ihrer 
unendlichen  Formenfülle  und  Farbenpracht.  Man  übertreibt  nicht, 
wenn  man  sagt,  daß  sich  das  Tierleben  des  Urwaldes  fast  allein 
in  dem  der  Insekten  präsentiert. 


Fig.  12*.  Papilio  antimachiis  Drury  an  der  Tränke. 


—    158    — 

Die  Insekten  sind,  wie  in  allen  tropisch-feuchten  Gebieten, 
prachtvoll  entwickelt.  Die  riesigen  Goliathkäfer  (Fig.  11)  werden 
von  keiner  anderen  verwandten  Form  der  Erde  an  Größe  oder 
an  vornehmer  Pracht  übertroffen.  Sehr  reich  ist  die  Welt  der 
Schmetterlinge.  Während  mancher  Monate,  hauptsächlich  zu 
Beginn  und  zu  Ende  der  Regenzeiten,  ist  der  Wald  stellenweise 
erfüllt  von  Wolken  von  Schmetterlingen,  die  sich  zum  Trinken 
an  Bachufern  oder  Wassertümpeln  niederlassen  (Papilio  Fig.  12), 
faulende  Waldfrüchte  aufsuchen  (Euphaedra,  Cymothoe  und  ver- 
wandte), oder  sich  an  Tierlosung  setzen  (Charaxes  u.  a.,  Fig.  13). 


Fig.  13*.  Charaxes  castor  Cramer. 

Da  diese  Tierformen,  die  zoogeographisch  so  bequeme  An- 
haltspunkte bieten,  besonders  in  die  Augen  fallen,  sind  sie  oft 
weit  besser  bekannt  als  manche  Gruppen  der  höheren  Tiere ;  aber 
auch  viele  der  niederen  Tiergruppen  sind  noch  so  gut  wie  gänz- 
lich unbekannt.  Es  bleibt  hier  der  Forschung  ein  weites  Feld 
offen,  das  dem  Fachmann  noch  auf  viele  Jahre  hinaus  reiche 
Arbeit  verspricht,  und  was  die  Biologie  anlangt,  so  gilt  dies 
wohl  für  fast  alle  Tiere  des  Urwaldes. 


—     159     — 


Das  Eiweißmolekül  als  Unterlage  der 
Lebenserscheinung. 

Von 
Arthur  von  Weinberg. 

Überall,  wo  wir  die  Erscheinung  des  Lebens  wahrnehmen, 
sei  es  bei  einzelligen  Lebewesen  oder  den  kompliziertesten  Or- 
ganismen, beobachten  wir  zugleich  die  Gegenwart  von  Vertretern 
einer  Körpergruppe,  die  wir  Eiweißkörper  oder  Proteine 
nennen.  Daneben  finden  sich  zwar  meist  auch  Körper  anderer 
Art,  verhältnismäßig  einfachere  organische  Substanzen  wie  Fette, 
Lipoide,  Saccharide,  Chlorophyll  oder  unorganische  Substanzen 
wie  phosphorsaurer  Kalk,  Kieselsäure.  Aber  es  sind  dies  keine 
konstanten  Bestandteile;  sie  können  ganz  oder  teilweise  fehlen. 
Leben  ohne  Eiweißkörper  ist  jedoch  nie  beobachtet  worden,  und 
man  darf  aus  dieser  Tatsache  schließen,  daß  die  Eiweißmoleküle 
zu  den  Lebensvorgängen  in  naher  Beziehung  stehen.  Meist  ist 
man  noch  an  die  Darstellung  gewöhnt,  daß  die  aus  Protoplasma 
und  Kern  bestehende  Zelle  Träger  der  kleinsten  Lebenseinheit 
sei.  Aber  schon  vor  zehn  Jahren  hat  V  er  worn  in  seinem  Buche 
über  die  Biogenhypothese  wesentlich  kleinere  Einheiten  ange- 
nommen, und  eine  Reihe  anderer  Forscher  hat  ähnlichen  Gedanken 
verschiedenen  Ausdruck  gegeben,  so  z.B.  Sachs  und  M.  Hart- 
mann in  der  Energidentheorie.  Nun  haben  sich  in  letzter  Zeit 
durch  die  Arbeiten  von  Emil  Fischer,  Kossei,  Abderhalden 
und  vielen  anderen  Forschern  unsere  Kenntnisse  über  den  Bau 
der  Eiweißmoleküle  ganz  außerordentlich  erweitert,  und  ich  glaube, 
daß  wir  es  nicht  mehr  nötig  haben,  uns  mit  Ver wo rns  Biogen- 
molekülen, Altmanns  Bioblasten  und  anderen  Hypothesen  zu 
behelfen,  sondern  daß  wir  die  Eiweißmoleküle  selbst  als 
elementarste    Träger   der  kleinsten  Lebenseinheiten 


—     160    — 

ansprechen  dürfen.  Es  kann  dabei  ganz  offen  bleiben,  was 
das  Leben  an  sich  ist,  ob  es  als  eine  höchste  Betätigiingsform 
der  mechanistischen  Energie  oder  als  ein  Zweckstreben,  eine 
Entelechie  im  Sinne  von  D  r  i  e  s  c  h ,  zu  denken  ist.  Es  soll  lediglich 
damit  gesagt  sein,  daß  es  aus  sehr  kleinen  Einheiten  bestellt, 
und  daß  diesen  die  Eiweißmoleküle  als  Unterlage  dienen,  so  wie 
etwa  die  Eisenraoleküle  die  Träger  des  Magnetismus  und  hierfür 
besonders  befähigt  sind. 

Die  Voraussetzung  ist  also,  daß  es  außerordentlich  kleine 
Elementarquanten  des  Lebens  gibt.  Diese  Annahme  steht  zu- 
nächst in  Einklang  mit  den  Erscheinungen  der  biologischen  Teil- 
barkeit. Man  hat  einzellige  Lebewesen,  z.  B.  Infusorien,  in  viele 
Teile  geteilt,  und  jeder  behielt,  sobald  nur  ein  winziges  Stückchen 
des  Zellkerns  darin  war,  die  Lebensfähigkeit,  blieb  ein  lebendes 
System.  Eine  oft  noch  viel  weitergehende  Teilungsfähigkeit  be- 
obachten wir,  wenn  Pflanzen  oder  Tiere  Millionen  winziger  Sporen 
oder  Keimzellen  bilden.  Besteht  aber  das  Leben  aus  sehr  kleinen 
Elementarquanten,  so  ist  jede  seiner  sinnfälligen  Erscheinungen 
eine  komplizierte  Summe  von  kleinen  Einzelvorgängen,  und  das 
Studium  der  Enderscheinung  muß  der  Erkenntnis  große  Schwierig- 
keiten bereiten,  solange  man  die  Elemente  nicht  kennt.  Es  liegt 
dies  —  um  bei  dem  elektromagnetischen  Vergleich  zu  bleiben  — 
geradeso,  wie  wenn  jemand  das  Wesen  der  elektrischen  und 
magnetischen  Naturkräfte  durch  Experimentieren  an  einer  großen 
Dynamomaschine  ermitteln  wollte,  statt  die  Gesetze  der  Elek- 
tronen zu  erforschen.  Wenn  ich  Sie  also  an  dieser  Stelle  auf 
das  schwierigste  Gebiet  chemischer  Verkettungen  und  Schwin- 
gungen führe,  so  mag  zu  meiner  Entschuldigung  dienen,  daß  dies 
für  die  Lebenserforschung  heute  unerläßlich  geworden  ist. 

Eine  Körpergruppe,  die  den  Lebensvorgängen  als  Unterlage 
dienen  soll,  muß  ungemein  vielseitig  sein,  da  schon  sehr  ver- 
wickelte Anforderungen  an  sie  gestellt  werden,  wenn  sie  auch 
nur  den  einfachsten  Erscheinungen  entsprechen  soll. 

Betrachten  wir  einen  einzelligen  Organismus  primitivster 
Art,  eine  im  Wasser  lebende  nackte  Amöbe,  so  stellt  dieselbe 
im  ganzen  ein  aus  Eiweißsubstanzen  gebildetes  Klümpchen  dar. 
Um  nun  als  Individuum  bestehen  zu  können,  braucht  dieses 
Klümpchen  einen  Abschluß  nach  außen,  eine  —  wenn  auch  noch 
so  dünne  —  Grenzmembran,  die  verhindert,  daß  Teile  der  Ober- 
flächenschicht   abgelöst   werden.      Die    Substanz    muß    also    die 


—     161     — 

Fähigkeit  haben,  auf  die  Reize  der  Außenwelt,  seien  es  chemische 
oder  physikalische,  dadurch  zu  reagieren,  daß  sie  sich  an  der 
Berührungsstelle  verfestigt,  eine  „Haut"  bildet.  Daraus  ergibt 
sich  zugleich  die  Möglichkeit,  daß  das  Urwesen  sich  teilen  kann, 
ohne  daß  Trennungswunden  offen  bleiben.  Eine  zweite  Voraus- 
setzung des  Lebens  ist  die  Möglichkeit  der  Ernährung,  einerseits 
um  verbrauchte  oder  durch  äußere  Kräfte  zerstörte  Bestandteile 
des  Plasmas  zu  ergänzen,  anderseits  um  zu  wachsen  und  so  die 
Fortpflanzung  vorzubereiten.  Da  nun  aber  die  schützende  Haut 
so  beschaffen  sein  muß,  daß  die  eigenen  Körpersubstanzen  nicht 
von  innen  nach  außen  hindurchtreten  können,  so  läßt  sie  die 
gleichen  Substanzen  —  falls  solche  außerhalb  vorhanden  sind  — 
auch  nicht  von  außen  herein.  Die  zum  Aufbau  des  lebenden 
Plasmas  dienenden  Substanzen  müssen  infolgedessen  so  gebaut 
sein,  daß  sie  leicht  in  einzelne  Bestandteile,  in  kleine  Bausteine 
zerlegt  und  daraus  wieder  aufgebaut  werden  können,  so  daß  sie 
in  der  Form  von  Teilstücken  zu  diffundieren  vermögen.  Wo  es 
zu  weiteren  Differenzierungen  innerhalb  der  Zellen  kommt,  müssen 
die  diffusionsfähigen  Teilstücke  sich  fernerhin  in  sehr  verschieden- 
artiger Weise  zusammensetzen  lassen  oder  womöglich  selber  ver- 
schieden sein.  Nehmen  wir  auch  diese  Voraussetzungen  als  er- 
füllt an,  so  würde  alles  höchstens  dazu  ausreichen,  um  das  Dasein 
und  die  Erhaltung  eines  von  Generation  zu  Generation  sich 
gleichbleibenden  Lebewesens  zu  gewährleisten.  Das  Leben  hat 
aber  im  Lauf  der  Stammesgeschichte  viel  höhere  Stufen,  immer 
vollkommenere  Formen  erreicht,  und  zwar,  wie  wir  hier  annehmen 
dürfen,  durch  den  Kampf  ums  Dasein.  Die  Urform  dieses  Kampfes 
besteht  darin,  daß  eine  Zelle  eine  andere,  schwächere,  aufzehrt. 
Da  sie  beide  aus  Proteinen  bestehen,  handelt  es  sich  also  um 
die  Möglichkeit  eines  Kampfes  der  Eiweißmoleküle  untereinander. 
Das  eine  Wesen  muß  ein  Protein  besitzen,  das  die  Fähigkeit  hat, 
die  Substanz  des  anderen  in  diffundierbare,  aufsaugbare  Bestand- 
teile zu  zerlegen.  Zugleich  darf  aber  eine  solche  Kampfsubstanz 
sich  nicht  gegen  die  Stoffe  des  eigenen  Körpers  richten  können. 
Schließlich  kann  im  Kampf  ums  Dasein  eine  Veränderung  der 
Arten  und  Höherentwicklung  nur  dann  zustande  kommen,  wenn 
das  Substrat  des  Lebens  selbst  entwicklungsfähig  ist,  also  eine 
entsprechende  Zahl  von  Variationen  zuläßt. 

Inwiefern  liefert  nun  das  Strukturbild,  das  uns  die  Chemie 
von  den  Eiweißkörpern  bis  jetzt  ergeben  hat,  Anhaltspunkte,  um 

11 


—     162 


diese  grundlegenden  und  doch  so  vielseitigen  Anforderungen  der 
Lebenserscheinung  daraus  abzuleiten? 

Die  Eiweißkörper  setzen  sich  aus  vielen,  relativ  einfachen 
Teilen  zusammen,  denen  allen  eine  Gruppe  eigentümlich  ist, 
bestehend  aus  einem  zentralen  Kohlenstoffatom  (C),  das  verbunden 
ist  erstens  mit  der  Carboxylgruppe  (COOH),  die  ihm  den  Charakter 
der  Säure  verleiht,  zweitens  mit  der  basischen  Aminogruppe  (NHa), 
drittens  mit  einem  Wasserstoffatom  (H)  und  endlich  viertens  mit 
einer  wechselnden  Gruppe,  die  vorläufig  als  X  bezeichnet  werden 
COOH 

mag!  X— C— H  1.  Man  nennt  diese  Körper  a-Aminosäuren.  Die 

NH2 
wichtigsten  der  in  den  Eiweißkörpern  gefundenen  Vertreter  dieser 
Klassen  sind  die  folgenden: 


HC 


COOH 
H— C— H 

NH2       GlykokoU 


COOH 

I 
CH3— C— H 

I 
NH2 


Alanin 


CH3 


CHs 


COOH 
CH— C— H 
^      NH2 


Valin 


CH3 


CH3 


COOH 


CH— CH2- 


-C— H 


NH2 


Leucin 


CH3— CH2.       COOH 
CH— C— H 
CH3'^       NH2         Isoleucin 


H__H 

'C     C 


,C_C^ 
H    H 


COOH 

^C— CH2— C— H 

NH2 

Phenylalanin 


OH— C 


H_H 

'G     C' 


,c_c. 

H    H 


COOH 

^C— CH2— C— H 

^  I 

NH2     Tyrosin 


COOH 


OH— CH2— CH2— C— H 
NH2 


Serin 


COOH— CH 


COOH 

2— C— H 

I 
NH2 

Asparaginsäure 


COOH— CH2— CH2 


COOH 

i-H 


NH2 

Glutaminsäure 


COOH 
NH2— CH2— CH2— CH2— CH2— C— H 

NH2         Lysin 


163    — 


NHjv  cooh 

C— NH— CH2— CH2— CH2— C— H 

NH^  NH2 


COOH  COOH 

HC— CH2— S— S— CH2— C— H 
NH2  NH2 


Arginin 


Cystin 


CH— NH.  COOH 

C— CH2— C— 


H 


COOH 
CH2 — C— H 


N — CH^ 


NH2 


CH2 


Histidin 


CH2— NH 


H 

.Cs 


Prolin 


COOH 


HC  C C— CH2— C— H 

All       ' 


CH2 


COOH 


H 


H         NH2 

T^Tj  Tryptophan 


OH— CH< 


CH2— NH 

Oxyprolin 


Außer  diesen  wichtigsten  bisher  aufgefundenen  Bausteinen 
•der  Eiweißkörper  existieren  sicher  noch  andere,  die  seltener  vor- 
kommen und  sich  daher  bis  jetzt  der  Isolierung  entzogen  haben. 
Die  vierten  Gruppen  (X)  sind  äußerst  verschieden.  Manche  ent- 
halten selbständige  saure  oder  basische  Gruppen,  andere  Schwefel, 
mehrfach  sind  Benzol  und  andere  Ringe  vertreten.  Die  Eiweiß- 
körper enthalten  von  diesen  ihren  Bausteinen  eine  wechselnde, 
aber  immer  große  Zahl  in  wechselnder  Auswahl.  Die  Amino- 
säuren sind  in  der  Regel  zu  vielen  Hunderten  in  der  verschieden- 
artigsten Reihenfolge  aneinander  gesetzt.  Eine  unendliche 
Variations-  und  Permutationsmöglichkeit  ist  damit  allein  schon 
gegeben.  Wie  groß  das  ganze  Molekül  der  Proteine  ist,  ergibt 
sich  daraus,  daß  z.  B.  für  Serumalbumin  eine  Formel  gefunden 
wurde,  die  einem  Molekulargewicht  von  10166  entspricht.  Manche 
Eiweißkörper  besitzen  aber  noch  höhere  Molekulargewichte.  Be- 
sonders genaue  Bestimmungen  lassen  sich  mit  den  kristallisieren- 
den, eisenhaltigen  Hämoglobinen  machen.  Dabei  wurde  z.  B.  für 
das  Hämoglobin  des  Rindes  ein  Molekulargewicht  von  etwa  16000 
ermittelt;  neuere  Untersuchungen  aber  machen  es  wahrscheinlich, 
daß  diese  Zahlen  noch  zu  niedrig  sind,  und  daß  das  Molekular- 
gewicht der  Hämoglobuline  mit  mindestens  30000  anzunehmen 
ist.^)     Es   ist  danach   begreiflich,   daß  die   Chemiker   noch  nicht 


1)  Piloty.  Ber.  d.  D.  ehem.  Ges.  1912.  2495. 


11* 


164    — 


imstande  waren,  die  Strukturformel  eines  bestimmten  Eiweißes 
vollständig  zu  ermitteln,  und  daß  wir  uns  mit  schematischen, 
typischen  Formeln  begnügen  müssen.  Um  letztere  aufstellen  zu 
können,  müssen  wir  zunächst  wissen,  in  welcher  Weise  die  Amino- 
säuren miteinander  verknüpft  sind.  E.Fischer  hat  die  Synthese 
von  relativ  einfachen  Vertretern  der  Eiweißgruppe,  der  sog.  Poly- 
peptide, ausgeführt.  Der  Aufbau  gelang  bisher  bis  zu  einem 
Polypeptid  aus  18  Aminosäuren,  das  die  typischen  Reaktionen 
der  Eiweißkörper  zeigt.  Durch  diese  Synthese  ist  mit  Sicherheit 
erwiesen,  daß  die  Vereinigung  derart  zustande  kommt,  daß  die 
Carboxylgruppe  einer  Aminosäure  sich  mit  einer  Aminogruppe 
einer  anderen  unter  Abspaltung  von  Wasser  vereinigt  und  so  fort, 
so  daß  lange  Ketten  entstehen. 


COOK 
X— C— H 

X'— C— H 

N 

oL 

I 

X^— C— H 

N 


COH 

X"— C— H 

NH2 
Labile  Form 


COOK 

X— C— H 

NH 

c'o 

X'— C— H 

I 
NH 

c'o 

X^— C— H 
NH 


CO 

X"— C— H 

I 
NH2 

Stabile  Form 


Ob  die  Gruppe  — N= 


gebildet  wird,  blieb  zu- 


=C-    oder   -N-C- 

OH  HO 

nächst  unentschieden.  Diese  Gruppen  kommen  bei  organischen 
Körpern  häufig  vor,  und  man  weiß,  daß  diese  sog.  desmotropen 
Formen  ungemein  leicht  ineinander  übergehen.  Man  nennt  die 
erste  die  Lactim-,  die  zweite  die  Lactamform.  Aus  diesen 
Formelbildern  erkennen  wir  zunächst,  daß  jedenfalls  alle  Eiweiß- 


—    165    — 

körper,  wie  lang  auch  immer  die  Kette  sein  mag,  am  einen  Ende 
eine  saure  freie  Carboxylgruppe,  am  anderen  Ende  eine  basische 
freie  Aminogruppe  besitzen.  Sie  sind  gleichzeitig  Basen 
und  Säuren.  Dies  ist  eine  Eigenschaft  von  fundamentaler 
Wichtigkeit.  Sie  befähigt  die  Proteine,  sich  sowohl  mit  basischen 
wie  mit  sauren  Körpern  zu  verbinden,  Hydroxyl  wie  Wasser- 
stoffjonen abzutrennen.  Besonders  können  sich  aber  auch  mehrere 
Moleküle  salzartig  zu  Molekularaggregaten  aneinanderlagern,  und 
die  Eiweißkörper  sind  daher  leicht  polymerisierbar.  Wir  dürfen 
auf  Grund  umfangreicher  Forschungen  annehmen,  daß  hierauf 
ihre  kolloidale  Natur  beruht.  Ihr  verdanken  die  Proteine  charak- 
teristische physikalische  Eigenschaften ;  Viskosität,  imiere  Reibung 
und  Oberflächenspannung  hängen  damit  zusammen  und  ebenso 
die  Eigenschaften  der  Quellung:  alles  für  die  Bildung  von  Lebe- 
wesen wichtige  Vorbedingungen.  Es  würde  aber  zu  weit  führen, 
auf  das  wichtige  Kapitel  der  Kolloidchemie  der  Proteine  näher 
einzugehen.  Die  Doppelnatur  der  Eiweißkörper  als  Basen  und 
Säuren  ist  es,  die  ihnen  indirekt  die  Fähigkeit  verleiht,  jene 
eigentümliche,  halbflüssige  Form  anzunehmen,  die  wir  Proto- 
plasma nennen. 

Was  nun  die  beiden  Bindungsformen  innerhalb  der  Molekül- 
kette, die  labile  (mit  COH)  und  stabile  (mit  CO)  betrifft,  so 
dürfen  wir  annehmen,  daß  im  Eiweiß  der  lebenden  Körper 
die  labile  Hydroxylform  überwiegt.  Darauf  führt  insbe- 
sondere ihre  Wasserlöslichkeit,  die  bekanntlich  bei  organischen 
Körpern  mit  der  Zahl  der  Hydroxyle  zu  steigen  pflegt.  Durch 
äußere  chemische  und  physikalische  Einflüsse  tritt  nun  leicht 
eine  Umlagerung  der  labilen  in  die  stabile  Form  ein.  Dieser 
Vorgang  ist  charakteristisch  für  alle  Eiweißkörper.  Wir  nennen 
ihn  Denaturierung  oder  Koagulation.  Die  Umlagerung 
der  Kettenglieder  braucht  keine  vollständige  zu  sein ;  es  ist  sehr 
wohl  denkbar,  daß  von  den  zahlreichen  Gruppen  nur  eine  ge- 
wisse Anzahl  umgelagert  ist,  daher  die  Erscheinung  der  unvoll- 
kommenen und  vollkommenen,  der  allmählich  fortschreitenden 
Denaturierung.  Lösliche  Metallsalze  verschiedener  Art,  Tempe- 
raturerhöhung usw.  bewirken  meist  Koagulation  und  schließlich 
vollständige  Denaturierung;  mitunter  genügen  dazu  schon  Spuren 
von  Kalksalzen  und  von  gewissen  Fermenten.  Eine  Eiweißart, 
die  alle  Übergänge  vom  Gerinnen  bis  zur  vollständigen  Dena- 
turierung zeigt,  ist  z.  B.  das  Fibrinogen  des  Blutes.     Durch  die 


—     166    — 

Koagulation  bildet  es  einen  Schutz  offener  Wunden  und  leistet 
im  komplizierten  Tierorganismus  die  gleiche  membranbildende 
Tätigkeit,  der  die  Urzelle  ihre  Isolierung,  die  Protisten  ihre 
Pelicula  verdanken.  Auch  die  sog.  Globuline,  die  sich  in  allen 
Lebewesen  vorfinden,  gehören  in  die  Kategorie  sehr  leicht  koa- 
gulierbarer Eiweißkörper. 

Ich  möchte  hier  die  Bemerkung  einschalten,  daß  es  sehr 
wohl  denkbar  ist,  daß  mit  der  Denaturierung  die  merkwürdige 
Erscheinung  des  Alterns  vieler  Gerüst-Eiweiße,  namentlich 
der  Bindegewebe,  zusammenhängt,  die,  ohne  die  chemische  Zu- 
sammensetzung zu  ändern,  im  Lauf  der  Zeit  immer  härter  werden. 
Auch  eine  andere  Beobachtung  wird  verständlich,  die  früher 
Verwunderung  erregte.  Man  hat  regelmäßig  gefunden,  daß  in 
den  unter  0^  abgekühlten  arktischen  Meeren  ein  erstaunlich 
reiches  Leben  kleiner  Lebewesen  herrscht,  deren  Menge  die  des 
Meeres  in  gemäßigten ,  und  südlichen  Gegenden  weit  übertrifft. 
Dies  kann  man  jetzt  damit  erklären,  daß  die  höhere  Temperatur 
der  Salzlösung  die  Denaturierung  und  damit  das  Altern  der  Lebe- 
wesen beschleunigt.  Wie  außerordentlich  groß  hier  die  Wirkung 
kleinster  Temperaturänderungen  ist,  hat  sich  bei  der  Bestimmung 
der  Lebensdauer  von  Seeigeleiern  in  Seewasser  verschiedener 
Wärmegrade  gezeigt.  Vielleicht  ist  das  Altern  der  Lebe- 
wesen überhaupt  nichts  anderes  als  eine  Folge  der  Tendenz  des 
labilen  Zustandes,  in  den  stabilen  überzugehen,  als  eine  lang- 
same Denaturierung. 

Nach  ihrem  chemischen  Bau  eignen  sich  mithin  die  Eiweiß- 
körper zur  Bildung  von  Protoplasma  imd  Zellhaut.  Wie  erklärt 
sich  nun  die  Differenzierung  und  Anpassung  zu  den 
Zwecken  der  verschiedenen  Organellen  der  Protozoen  und  der 
vielartigen  Zellen  der  Metazoen?  Wie  aus  den  Strukturformeln 
S.  162  u.  163  ersichtlich,  sind  die  Aminosäuren,  aus  denen  sich  die 
Eiweißkette  zusammensetzt,  unter  sich  sehr  verschieden.  Die 
Hauptkette  selbst  besteht  allerdings  (S.  164)  aus  gleichen  Gliedern, 
aber  jedes  solche  Glied  trägt  eine  vierte  Gruppe  eigener  Art. 
Wir  können  nun  feststellen,  daß  je  nach  der  Natur  der  in  mehr 
oder  weniger  großer  Zahl  vertretenen  Aminosäuren  auch  das 
Verhalten  des  Eiweißkörpers  variiert.  Es  ist  nicht  möglich,  an 
dieser  Stelle  die  Fülle  dieser  Variationen  zu  schildern,  und  ich 
möchte  nur  einige  Beispiele  anführen.  So  sind  die  Eiweiß- 
körper, die  haltbare  elastische  Fasern  bilden,  durch  einen  hohen 


167 


COOK 
H— C— X 


COOK 


H- 


N 
COH 

-i-x 


Gehalt  der  einfachsten  Aminosäure,  des  GlykokoUs,  ausgezeichnet. 
Die  Substanz  der  Seide,  das  Fibroin,  enthält  davon  durchschnitt- 
lich über  30°/o,  während  z.  B.  Kaseine  überhaupt  kein  Glykokoll 
enthalten.  Man  kann  sich  dabei  der  Vorstellung  nicht  erwehren, 
daß  die  Kette  um  so  fester  und  um  so  elastischer  wird,  je  kleiner 
die  einzelnen  Glieder  sind.  So  fand  sich  denn  auch  im  Spinn- 
gewebe, z.  B.  dem  Netz  der  großen  Spinne  Nephila  madagas- 
cariensis,  und  ebenso  in  der  Substanz  des  Byssus,  der  Fäden, 
mit  denen  sich  manche  Muscheln,  z.  B.  Pinna  nohilis,  an  ihre 
Unterlage  fixieren,  ein  überwiegender  GlykokoUgehalt.  Auch  das 
Elastin,  aus  dem  unsere  Sehnen  bestehen,  enthält  26°/o  Glykokoll. 
Handelt  es  sich  aber  darum,  das  Eiweiß  zu  härten,  es  zum  schüt- 
zenden Schuppenpanzer,  zu  Haaren 
zu  verwenden,  dann  verfährt  die 
Natur  merkwürdigerweise  genau  so, 
wie  wenn  wir  den  zu  elastischen  und 
zu  leicht  schmelzenden  reinen  Kaut- 
schuk fester  machen  wollen.  Wir  er- 
hitzen ihn  dann  mit  Schwefel,  wobei 
mehrere  Moleküle  durch  je  zwei  Ato- 
me Schwefel  miteinander  verbunden 
werden.  Der  Kautschuk  wird  „vul- 
kanisiert". Ganz  analog  bestehen  alle 
organischen  Gebilde,  von  denen  be- 
sondere Widerstandsfähigkeit  ver- 
langt wird,  ohne  daß  sie  ganz  starr 
sein  dürfen,  aus  Proteinen,  die  in 
großen  Mengen  das  schwefelhaltige 
Cystin  enthalten,  während  sich  in 
anderen  Eiweißkörpern  nur  ganz 
wenig  davon  findet.  Solche  vulka- 
nisierten Eiweißkörper,  sog.  Kera- 
tine, entsprechen  etwa  dem  neben- 
stehenden Typus.  Meist  werden  noch 
viel  mehr  solcher  Schwefelbrücken 
vorhanden  sein. 

Aber  noch  in  anderer  Weise 
können  die  Eiweißkörper  durch  ge- 
eignete Auswahl  der  Komponenten 
ihre   Eigenschaften   ändern,  nämlich 


N 


H- 


H- 


COH 
-CHi 


COH 


C— CH2— S— S— CH2— C- 


N 

COH 
-C— CH2 


N 


OH 


N 


-S— S— CH2— C- 


NH2 


COH 

X— C— H 

I 
N 

OH 

H 

NH2 


X— C- 


—     168    — 

durch  Benutzung  der  außerordentlichen  Additionsfähigkeit  der 
vierten  Gruppen.  Wir  sehen  in  vielen  der  Aminosäuren,  z.  B. 
in  der  Asparaginsäure  und  der  Glutaminsäure,  seitliche  Carb- 
oxylgruppen.  Durch  Häufung  von  solchen  Bausteinen  gelingt 
es  manchen  Eiweißarten,  große  Mengen  von  Calcium  zu  binden, 
oft  —  wie  bei  Phosphorproteiden  —  mit  einer  seiner  zwei 
Valenzen,  während  die  andere  mit  Phosphorsäure  verbunden 
ist.  Dies  ist  z.  B.  der  Fall  bei  einem  der  wichtigsten  Proteine, 
dem  Kasein  der  Milch,  das  als  phorphorsäurehaltiges  Kalksalz 
gelöst  ist  und  auf  diese  Weise  dem  zu  ernährenden  Organismus 
den  erforderlichen  anorganischen  Körper  zuführt.  Auch  das 
Kollagen,  das  Eiweiß,  das  zum  Aufbau  der  Knochen  dient  und 
in  ihnen  enthalten  ist,  das  wir  als  Leim  extrahieren,  enthält 
große  Mengen  Glutaminsäure  und  besitzt  dadurch  die  Fähigkeit, 
phosphorsauren  Kalk  zu  transportieren.  Basische  Seitengruppen 
sind  imstande,  Kieselsäure  zu  binden  und  durch  Dissoziation  wieder 
zu  verlieren.  Damit  läßt  sich  der  Aufbau  von  Kieselpanzern 
an  der  Oberfläche  von  Diatomeen  und  anderen  Protisten  erklären. 
Auch  Vereinigungen  mit  anderen  organischen  Körpern  spielen 
eine  wichtige  Rolle  beim  Aufbau  komplizierter  Organbestandteile ; 
so  sind  die  Eiweiße  in  den  Zellkernen  als  Nucleoproteide  mit 
der  wichtigen  Nucleinsäure,  im  Hämoglobin  mit  dem  zur  Sauer- 
stoffaufnahme erforderlichen  Hämatin,  in  den  Mucinen,  den 
Schleimeiweißen,  mit  Glukosamin  verbunden.  Aber  es  können 
sich  auch  verschiedene  Proteinketten  unter  sich  zu  bestimmten 
Zwecken  mit  Hilfe  der  vierten  Gruppen  vereinigen.  Wenn  es 
im  Organismus  kompliziertere  Funktionen  zu  erfüllen  hat,  zeigt 
das  Molekül  stets  einen  verwickeiteren  Aufbau,  eine  Verästelung. 
Dies  bewirken  Aminosäuren,  die  eine  weitere  basische  Gruppe 
in  der  vierten  Gruppe  tragen.  In  erster  Linie  sind  das  Arginin 
und  Lysin  zu  nennen.  Arginin  ist  bis  jetzt  in  allen  Eiweißkörpern 
gefunden  worden,  bei  den  zu  einfachen  Zwecken  bestimmten 
Eiweißkörpern  in  geringen,  bei  den  höheren  Eiweißen  in  großen 
Mengen,  z.  B.  in  den  Histonen,  den  Eiweißkörpern  des  Zellkerns 
der  Blutkörperchen.  Auch  das  Lysin  findet  sich  fast  in  allen 
Eiweißen.  Die  Art  des  Aufbaues  solcher  verästelter  Moleküle 
zeigt  das  Schema  auf  Seite  169. 

Aus  diesen  schematischen  Strukturbildern  ist  eine  merk- 
würdige Eigenschaft  der  Proteine  zu  erkennen,  die  sie  von  allen 
anderen  chemischen  Verbindungen  unterscheidet.  Zerschneidet  man 


—     169    — 


X— C— H 
COH 


COOH 

I 
X— C— H 

N 

N 

I 
X— C— H 

COH 

N  COH 

I  I 

C— NH— CH2— CHo— CH2— C— H 

NH  (Arffinin)  N 


NH2 
X— C— H 
COH 


X— C— H 
COH  COH 

H— C— CH2—  CH2—  CH2  — N 

I 
N  (Lysin) 


COH 

H— C— X 

I 
NH2 


sie  in  mehrere  größere  Teile,  so  bleiben  die  Stücke  immer 
selbst  wieder  Eiweißkörper.  Wir  verstehen  auf  diese 
Weise,  wie  es  möglich  ist,  daß  komplizierte  Eiweißkörper  ver- 
schiedenartige Ketten  mit  wechselnden  Funktionen  abspalten 
können.  Schon  lange  vorher,  ehe  man  sich  solche  chemischen 
Bilder  machen  konnte,  hat  bekanntlich  Paul  Ehrlich  die  geniale 
und  so  ungemein  fruchtbare  „Seitenkettentheorie"  aufge- 
stellt. Nunmehr  finden  wir  sie  im  Einklang  mit  der  nachhinken- 
den chemischen  Erkenntnis. 

Um  die  Spaltungsprobleme,   die  bei  der  Ernährung 
in   Frage   kommen,   zu  verstehen,   müssen  wir  uns   mit   einigen 


—     170     — 

weiteren  wichtigen  physikalisch-chemischen  Eigenschaften  der 
Aminosäuren  und  der  daraus  gebildeten  Ketten  vertraut  machen. 
Wir  müssen  zu  diesem  Zweck  die  Ebene  der  Tafel  verlassen 
und  uns  der  Stellung  der  Gruppen  im  Raum,  der  Stereochemie, 
der  Lehre  von  der  Konfiguration,  zuwenden.  Bekanntlich  ist 
anzunehmen,  daß  die  vier  Valenzen  des  Kohlenstoffatoms  gleich- 
mäßig im  Raum  verteilt  sind  wie  die  Spitzen  des  regulären 
Tetraeders.  Sind  nun  die  vier  Valenzen  mit  vier  verschiedenen 
Gruppen  verbunden,  so  existieren  von  einem  solchen  Körper  zwei 
Modifikationen,  deren  eine  das  Spiegelbild  der  anderen  ist. 

Mit  Ausnahme  des  Glykokolls  ist  in  allen  Aminosäuren  das 
zentrale  Kohlenstoffatom  mit  vier  verschiedenen  Gruppen  verbun- 
den. Sie  existieren  also  in  zwei  Formen.  Man  hat  nun  gefunden, 
daß  derartige  Kohlenstoffverbindungen  die  Eigenschaft  besitzen, 
in  Lösungen  die  Schwingungsebene  des  polarisierten  Lichtstrahls 
zu  drehen,  optisch  aktiv  zu  sein,  und  zwar  dreht  die  eine  Form  die 
Schwingungsebene  nach  rechts,  die  andere  ebenso  weit  nach  links. 


Hl    H 


Die  Betrachtung  der  vorstehenden  Zeichnung  ergibt  ohne 
weiteres  den  stereometrischen  Unterschied  der  beiden  Formen. 
Nun  hat  die  Forschung  eine  weitere  Tatsache  ergeben,  die  für 
unsere  Betrachtung  von  großer  Bedeutung  ist.  Bei  der  Dar- 
stellung solcher  Verbindungen  mit  sog.  asymmetrischen  Kohlen- 
stoffatomen im  Laboratorium  erhält  man  stets  inaktive  Verbin- 
dungen, z.  B.  inaktives  Alanin,  während  das  aus  Eiweiß  darge- 
stellte Alanin  linksdrehend  ist.  Bringt  man  aber  nun  solche 
künstlich  hergestellten  inaktiven  Stoffe  mit  ganz  anderen  optisch 
aktiven  Stoffen  zusammen,  die  sich  damit  locker,  z.  B.  zu  Salzen 
verbinden,  so  lagern  sich  die  linksdrehenden  an  die  linksdrehenden, 
die  rechtsdrehenden  an  die  rechtsdrehenden  an,   und  wenn  man 


—     171     — 

z.  B.  eine  linksdrehende  Base  zum  inaktiven  Säuregemisch  setzt, 
kann  man  so  die  linksdrehende  Säure  daraus  isolieren.  Was  be- 
deutet nun  diese  Erscheinung?  Wir  können  uns  bekanntlich  die 
polarisierten  Lichtstrahlen  als  in  einer  Ebene  schwingende  elek- 
trische Wellen  denken,  deren  Richtung  senki'echt  zur  Fortpflan- 
zungsrichtung steht,  und  die  begleitet  sind  von  magnetischen 
Wellen,  die  in  einer  zu  dieser  Schwingungsebene  senkrechten 
Ebene  mit  gleicher  Phase  schwingen.  Daß  eine  solche  Wellen- 
bewegung in  einem  Kristall,  etwa  im  Quarz,  durch  die  Anordnung 
gleichförmig  gelagerter  Moleküle  beeinflußt  werden  kann,  ist  zu 
verstehen;  aber  wie  ist  das  in  einer  Lösung  möglich?  In  dieser 
bewegen  sich  die  Moleküle  auch  bei  vollkommenstem  Ausschluß 
äußerer  Einwirkung  beständig  durcheinander,  und  mit  dem  Ultra- 
mikroskop können  wir  diese  sog.  „Brown sehe  Bewegung"  sogar 
sehen.  Offenbar  ist  die  Lage  des  Moleküls  nur  dann  gleichgültig, 
wenn  von  einem  oder  mehreren  Punkten  desselben  sich  kugel- 
förmig ausbreitende  Wellen  ausgehen.  Daraus  läßt  sich  weiter 
die  Theorie  ableiten,  daß  die  Körper  mit  unsymmetrischen  Kohlen- 
stoffatomen befähigt  sind,  den  polarisierten  Lichtstrahl  bald  rechts, 
bald  links,  bald  stärker,  bald  schwächer  zu  drehen,  je  nach  der 
chemischen  Konstitution  der  vier  mit  Kohlenstoff  verbundenen 
Gruppen,  weil  diese  Kohlenstoffatome  bestimmte  Schwingimgen 
ausführen  und  aussenden.  Die  Gesamtwirkung  wäre  dann  also 
eine  ähnliche  wie  die  Drehung  der  Polarisationsebene  im  Magnet- 
felde, dem  bekannten  Faraday-Effekt.  Alle  in  den  natürlichen 
Proteinen  vorkommenden  a -Aminosäuren,  mit  Ausnahme,  wie 
gesagt,  des  GlykokoUs,  das  zwei  gleiche  Wasserstoff-Gruppen 
besitzt,  sind  aktiv.  Die  meisten  sind  linksdrehend,  einige  aber 
auch  rechtsdrehend.  In  den  Ketten  kombinieren  sich  diese  Eigen- 
schwingungen der  einzelnen  Aminosäuren,  und  es  resultiert  eine 
Gesamtschwingung,  die  sich  in  einer  Polarisationsdrehung  äußert, 
die  für  jede  Eiweißart  verschieden  ist.  Aber  wir  wissen,  daß 
innerhalb  des  Moleküls  jedes  Kettenglied  dabei  eine  ihm  eigen- 
tümliche Schwingung  beibehält,  und  können  mit  gewissen  Mitteln, 
wie  Natronlauge,  sogar  einzelne  Glieder  stillstellen.  Man  nennt 
das  die  intraproteine  Racemisierung.  Diese  Beobachtungen  über 
die  optische  Aktivität  sind  von  großer  Bedeutung;  denn  ausge- 
rüstet mit  der  Vorstellung  oszillierender  und  Schwingungen  aus- 
sendender Kettenglieder  können  wir  dem  Problem  der  Verdauung 
und  Ernährung  näher  treten. 


—     172     — 

An  der  Oberfläche  und  auch  im  Innern  einzelliger  Lebe- 
wesen, wie  der  Protozoen,  beobachten  wir  die  Gegenwart  eigen- 
artiger sehr  aktiver  Eiweißkörper,  die  imstande  sind,  fremdes 
Eiweiß  zu  zerlegen,  während  sie  das  des  eigenen  Körpers  nicht 
angreifen.  Man  hat  sie  Fermente  oder  Enzyme  genannt. 
Ihre  spezifische  Wirkung  führt  zu  der  Vorstellung,  daß  es  Körper 
sind,  die  nur  dann  auf  andere  reagieren,  wenn  diese  mit  ihren 
eigenen  Schwingungen  in  einem  Verhältnis  der  Resonanz  stehen. 
Treffen  solche  Resonanzeiweiße  zusammen,  so  addiert  sich  die 
oszillierende  Wirkung  einzelner  Gruppen,  und  es  kann  dann  so 
weit  kommen,  daß  ein  in  das  Wirkungsfeld  eines  Ferments  ge- 
ratenes Eiweiß  an  bestimmten  Stellen  auseinander  gerissen  wird. 
Die  Spaltungsstücke,  auch  wenn  sie  noch  aus  mehreren 
Kettengliedern  bestehen,  sind  dann  in  der  Regel  klein  genug,  um 
durch  die  Zellhaut  zu  diffundieren.  Das  Hauptziel  wird  natür- 
lich die  Spaltung  bis  zu  den  Aminosäuren  sein,  da  diese  ja  im 
Organismus  in  ganz  anderer  Reihenfolge  und  Auswahl  zu  neuen 
Proteinen  aufgebaut  werden  sollen.  Im  Innern  der  Zelle  sind 
es  dann  wieder  Fermente,  die  diesen  Aufbau  zum  zelleignen 
Eiweiß  bewirken.  Hiermit  stimmt  zunächst  überein,  daß  der 
einzige  inaktive  Baustein,  das  Glykokoll,  stets  dem  am  schwersten 
spaltbaren  Teil  des  Eiweißmoleküls  angehört,  daß  also  Körper 
wie  Fibroin,  Elastin,  Kollagen  nur  wenig  verdaulich  sind,  am 
leichtesten  dagegen  Kasein  und  Globin,  die  kein  Glykokoll  ent- 
halten. Die  Fermente  zeigen  also  eine  selektive,  aus- 
wählende Wirkungsweise.  Um  die  weitgehende  Bedeutung 
dieser  Erscheinung  klar  zu  machen,  sei  z.  B.  an  das  Verhalten 
eines  einzelligen  Lebewesens,  der  Vampyrella  spirogyrae,  er- 
innert, die  von  bestimmten  Algen,  den  Spirogyren,  lebt.  Bringt 
man  die  Vampyrella  in  ein  Gefäß  mit  verschiedenen  Algenarten, 
so  wandert  sie  herum,  bis  sie  gerade  die  Alge  gefunden  hat,  auf 
die  ihre  Fermente  passen,  legt  sich  an  eine  Zelle  an  und  saugt 
sie  auf.  E.  Fischer,  dem  wir  den  Gedanken  des  Zusammen- 
hangs von  Fermentwirkung  und  Konfiguration  verdanken,  hat  die 
Fermente  und  ihre  Angriffs  Objekte  mit  Schlüssel  und  Schloß  ver- 
glichen. Er  sagt  (Untersuchungen  über  Kohlenhydrate  und  Fer- 
mente, 1909,  S.  134): 

„Der  Grund  dieser  Erscheinungen  (der  selektiven  Wirkung 
der  Enzyme)  liegt  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  dem  asym- 
metrischen Bau  des  Enzymmoleküls.   Denn  wenn  man  diese  Stoffe 


—     173    — 

auch  noch  nicht  in  reinem  Zustande  kennt,  so  ist  ihre  Ähnlich- 
keit mit  den  Proteinstoffen  doch  so  groß  und  ihre  Entstehung 
aus  den  letzteren  doch  so  wahrscheinlich,  daß  sie  zweifellos  selbst 
als  optisch  aktive  und  mithin  asymmetrisch  molekulare  Gebilde 
zu  betrachten  sind.  Das  hat  zu  der  Hypothese  geführt,  daß  zwi- 
schen den  Enzymen  und  ihren  Angriffs  Objekten  eine  Ähnlichkeit 
mit  der  molekularen  Konfiguration  bestehen  muß,  wenn  Reaktion 
erfolgen  soll.  Um  diesen  Gedanken  anschaulicher  zu  machen, 
habe  ich  das  Bild  von  Schloß  und  Schlüssel  gebraucht." 

Diesen  Auf-  und  Abbau  durch  abgestimmte  Eiweißkörper, 
deren  Wirkung  sich  übrigens  auch  auf  andere  optisch  aktive 
organische  Hülfsstoffe,  wie  Polysaccharide,  erstreckt,  beobachten 
wir  nicht  nur  bei  den  einzelligen  Lebewesen,  sondern  überall, 
wo  überhaupt  Leben  herrscht.  Im  Samen  der  Pflanze  sind  sehr 
haltbare  Eiweißstoffe  aufgespeichert.  Sobald  sie  zu  keimen  be- 
ginnt, treten  Fermente  auf,  die  alle  diese  fest  gebauten  Körper 
in  kleine  Teile  spalten,  sie  leicht  löslich  machen,  so  daß  sie  leicht 
zu  befördern  sind  und  in  den  neu  entstehenden  Zellen  dann 
wieder  frisch  zu  anderen  Kombinationen  aufgebaut  werden.  Im 
Darm  der  höheren  Tiere  spielen  namentlich  die  Fermente  Pepsin, 
Trypsin  und  Erepsin  eine  Rolle.  Es  existieren  aber  noch  viele 
andere.  Jedes  dieser  Fermente  ist  auf  bestimmte  Gruppen  ein- 
gestellt; sie  helfen  sich  gegenseitig,  komplizierte  Moleküle  zu 
zerspalten,  indem  das  eine  Ferment  sich  gegen  diesen,  das  andere 
gegen  jenen  Angriffspunkt  wendet.  Ihre  Wirkungsweise  ist  sehr 
eingehend  studiert.  Es  zeigte  sich  dabei,  wie  verschieden  die 
Verdaulichkeit  der  Proteine  ist.  Namentlich  aber  ergab  sich,  daß 
die  Fermententwicklung  keine  stöchiometrische  Wechselwirkung, 
sondern  eine  katalytische  ist,  d.  h.  daß  die  Fermente  selbst  bei 
der  Reaktion  nicht  verbraucht  und  nicht  verändert  werden.  Dies 
entspricht  ganz  der  entwickelten  Resonanz-Theorie.  Es  genügt 
daher  auch  eine  ungemein  geringe  Menge  Ferment,  um  allmäh- 
lich große  Mengen  der  Angriffsobjekte  zu  zersetzen.  Über  die 
Vorgänge  beim  Aufbau  im  Tierorganismus  wissen  wir  zwar  we- 
nig, aber  wir  sehen,  daß  ein  solcher  stattfindet.  Daraus  geht 
hervor,  daß  auch  die  Tiere  synthetisierende,  aufbauende  Wesen 
sind  und  nicht  nur  abbauende,  wie  man  früher  annahm. 

Wir  sehen  somit,  wie  unsere  Anschauungen  über  den  räum- 
lichen Bau  des  Moleküls,  seine  Konfiguration,  mit  den  tatsäch- 
lichen Beobachtungen   der  Verdauimgs-  und  Ernährimgserschei- 


—     174    — 

nungen  stimmen,  und  können  uns  nun  noch  den  schwierigeren 
Vorgängen  zuwenden,  die  stattfinden,  wenn  zwei  mit  Fermenten 
bewaffnete  Organismen  aufeinander  stoßen,  wenn  also  der  Ele- 
mentarfall des  Kampfes  ums  Dasein  eintritt.  Den  Sieg 
wird  das  Lebewesen  davontragen,  das  die  meisten  und  aktivsten 
Fermente  und  die  unverdaulichste  Haut  besitzt.  Die  Urform  des 
Kampfes  ums  Dasein  ist  also  ein  rein  chemischer  Kampf, 
und  chemische  Gründe  sind  es  auch,  die  zur  ersten  Bildung 
der  Metazoen,  der  vielzelligen  Organismen,  führen.  Die  an  der 
Außenseite  der  Haut  befindlichen  Fermente  können  leicht  schon 
durch  mechanische  Wirkung  verloren  werden.  Anderseits  sind 
zur  Absonderung  aus  dem  Innern  irgendwelche  Offnungen  er- 
forderlich, welche  die  Festigkeit  der  Hautstruktur  beeinträchtigen 
müssen.  Setzen  sich  die  Zellen  aber  zu  einer  Hohlkugel  zu- 
sammen, die  eine  kleine  Öffnung  besitzt,  so  sind  im  Innern  der 
Kugel  die  Fermente  geschützt,  und  die  Absonderung  kann  sich 
auf  diese  Seite  beschränken.  So  entsteht  der  Urtypus  der  Ga- 
strula,  die  Urdarmhöhle  mit  dem  Blastoporus,  dem  Urmund. 

Noch  schärfer  als  wie  bei  Protisten  läßt  sich  dieser  chemische 
Kampf  studieren,  wenn  in  die  Blutbahn  der  höheren  Tiere  fremde 
Zellen,  seien  es  Blutkörperchen  anderer  Tiere  oder  Bakterien, 
gebracht  werden.  Wir  verdanken  in  erster  Linie  Ehrlich  die 
wissenschaftlichen  Vorstellungen  und  grundlegenden  Arbeiten  auf 
diesem  ungeheuer  interessanten  und  schwierigen  Gebiete,  das  ich 
auch  hier  nur  soweit  berühren  kann,  als  es  zum  Verständnis  des 
Zusammenhangs  notwendig  ist. 

Im  Blutserum  und  anderen  Körperflüssigkeiten  der  Wirbel- 
tiere ist  eine  Anzahl  von  Eiweißsubstanzen  als  Schutzstoffe 
enthalten,  die  sog.  Komplementeiweiße,  die  direkt  aber  keine 
Einwirkung  auf  artfremde  Zellen,  z.  B.  Blutkörperchen  anderer 
Tiere,  Choleravibrionen  usw.,  haben,  weil  sie  nicht  darauf  ein- 
gestellt sind.  Um  sie  wirksam  zu  machen,  sondert  der  Organis- 
mus Substanzen  ab,  die  mit  einem  Teil  ihres  Moleküls  abge- 
stimmt sind  auf  das  feindliche  Fremdeiweiß,  mit  dem  anderen 
auf  das  eigene  Komplementeiweiß.  Ehrlich  hat  für  diese  Stoffe 
den  Namen  Ambozeptoren  eingeführt.  Er  sagt  von  diesen 
Körpern,  daß  sie  „gewissermaßen  Zauberkugeln  darstellen,  welche 
ausschließlich  diejenigen  Stoffe  treffen,  zu  deren  Vernichtung 
sie  der  Organismus  geschaffen"  (Chemotherapie  S.  8).  Sie  lagern 
sich  mit  dem  auf  das  Fremdeiweiß  abgestimmten  Teil  an  dieses 


—    175    — 

an,  dann  erst  tritt  die  andere  Molekülhälfte  in  Aktion  und  ver- 
bindet sich  mit  dem  dazu  harmonischen  Komplement.  Hierdurch 
scheint  eine  disharmonische  Spannung  des  großen  Gesamtmole- 
küls zu  entstehen ;  denn  wir  sehen  es  sofort  vollständig  zerfallen, 
so  zu  sagen  explodieren.  Das  Fremdeiweiß,  die  fremden  Blut- 
körperchen oder  Bakterien  verschwinden  und  zugleich  die  zu 
ihrer  Bekämpfung  benützten  Stoffe.  Dieser  Vorgang  ist  also 
verschieden  von  dem  Kampf  mit  den  Fermenten;  denn  diese 
wirken  katalytisch  und  bleiben  selbst  erhalten,  während  bei  dem 
geschilderten  Vorgange  Komplement  wie  Ambozeptor  selbst  ge- 
opfert werden.  Diese  zweite  Kampfmethode  der  Proteine  ist 
also  weniger  vollkommen  als  die  Fermentwirkung.  Und  da  mit 
der  letzteren  die  höheren  Tiere  im  Darmkanal  arbeiten,  erklärt 
es  sich,  daß  wir  durch  die  Fermentwirkung  gegen  Fremdeiweiße 
im  Darmkanal  weit  besser  geschützt  sind,  als  wenn  sie  von  außen 
ins  Blut  gelangen. 

In  das  Kapitel  des  Kampfes  der  Eiweißkörper  untereinander 
gehört  auch  die  Wirkungsweise  der  Präzipitine.  Dies  sind 
Eiweißkörper,  die  der  Organismus  von  Fall  zu  Fall  erzeugt,  um 
in  sein  Inneres  gelangte,  besonders  gefährliche,  aber  schwer 
spaltbare  Proteine,  die  von  einem  artfremden  Organismus  her- 
rühren und  für  diesen  charakteristisch  sind,  unschädlich  zu  machen. 
Die  Präzipitine  lagern  sich  an  das  feindliche  Eiweiß  an  und 
machen  dadurch  das  Molekül  unlöslich  und  fällen  es  aus.  Ein 
Präzipitin  ist  immer  nur  auf  ein  Protein  einer  besonderen  Tierart 
eingestellt,  seine  Wirkung  ist  eine  spezifische.  Bringen  wir 
also  z.  B.  Kasein  der  Kuh  in  Form  von  Kuhmilch  in  das  Blut- 
gefäß eines  Kaninchens,  so  findet  sich  alsbald  in  seinem  Blut- 
serum ein  Körper,  der  mit  Lösungen,  die  Eiweiß  enthalten,  das 
von  irgendwelchen  Organen  der  Kuh  herrührt,  einen  Niederschlag 
erzeugt.  Die  Beobachtung  ergibt,  daß  das  in  solchen  Lösungen 
stets,  wenn  auch  oft  nur  in  relativ  kleiner  Menge  enthaltene 
spezifische  Kuheiweiß  ausgefällt  wird.  Aber  man  erhält  nur  mit 
der  Kaseinlösung  der  Kuhmilch  einen  Niederschlag,  nicht  mit 
einer  Kaseinlösung  etwa  aus  Frauenmilch.  Man  hat  daraus  ge- 
schlossen, daß  den  Kindern,  die  mit  Kuhmilch  genährt  werden, 
doch  etwas  von  wertvollem  Arteiweiß  fehlen  müsse,  da  sie  ja 
namentlich,  wie  Wassermann  betonte,  kein  „homologes",  sondern 
„heterologes"  Arteiweiß  (Präzipitogen)  erhalten.  Aber  die  Tat- 
sache,  daß   man   nicht   nur   Kinder,   sondern   auch   viele   andere 


—     176     — 

junge  Säugetiere  mit  Kuhmilch  ohne  erkennbaren  Nachteil  auf- 
ziehen kann,  spricht  gegen  diese  Annahme.  Man  kann  das  damit 
erklären,  daß  das  Präzipitogen,  das  Arteiweiß,  ungemein  beständig 
ist.  Man  kann  seine  Lösungen  eine  Viertelstunde  lang  kochen, 
ohne  daß  es  sich  verändert,  während  andere  Eiweiße  selten  höhere 
Temperaturen  als  60  bis  70°  aushalten  (z.  B.  auch  nicht  der  Gegen- 
stoff, das  Präzipitin).  Daß  diese  Arteiweiße  sehr  schwer  zu 
spalten  sind,  mag  ja  auch  die  Tatsache  beweisen,  daß  der  Or- 
ganismus sie  nicht  wie  sonst  mit  Fermenten  oder  Ambozeptoren 
zu  sprengen  versucht,  sondern  durch  Anlagerung  unlöslich  macht. 
Daß  ein  solcher  Körper  auch  von  den  Fermenten  im  Darm  des 
Kindes  nicht  gespalten  würde,  wäre  verständlich,  so  daß  das 
Arteiweiß  für  die  Ernährung  ohne  erhebliche  Bedeutung  und 
also  ob  mit  Kuhmilch,  ob  mit  Frauenmilch  genährt  wird,  ziem- 
lich gleichgültig  wäre. 

Die  gleichen  Unterschiede  derArteiweiße  beobachten 
wir  bei  den  Pflanzen.  Es  ist  das  Verdienst  Osbornes,  ge- 
zeigt zu  haben,  daß  jede  Pflanzenart  ein  anderes  spezifisches 
Eiweiß  enthält.  Morphologisch  nahestehende  Arten  enthalten 
chemisch  ähnliches,  entfernte  Arten  ungleiches,  so  daß  auch  hier 
Chemie  und  Morphologie  parallel  gehen.  Bei  den  höheren  Tieren 
läßt  sich  das  charakteristische  Arteiweiß  in  allen  Teilen  des  Or- 
ganismus nachweisen,  mit  einer  merkwürdigen  Ausnahme:  der 
Kristall-Linse  des  Auges.  Diese  ist  bei  allen  Tieren  gleich 
zusammengesetzt  und  enthält  kein  Arteiweiß.  Es  läßt  sich  das 
aber  verstehen,  wenn  wir  bedenken,  wie  ausschlaggebend  die 
optische  Aktivität  aller  einzelnen  Komponenten  auf  das  optische 
Verhalten  des  ganzen  Moleküls  ist.  Es  ist  klar,  daß  für  die  Licht- 
brechung bei  gewissen  Anordnungen  im  Molekül  ein  Optimum 
erreicht  wird,  und  daß  Einlagerung  von  Arteiweißen  andersarti- 
ger optischer  Aktivität  zu  Trübungserscheinungen  führen  würde. 
Auch  diese  Ausnahme  von  der  Regel  ist  also  im  Einklang  mit 
der  stereochemisch-optischen  Theorie. 

Unseren  Anschauungen  über  die  allmähliche  Änderung  der 
Arten  aber  entspräche  es  nicht,  wenn  das  spezifische  Eiweiß 
nun  von  ein  für  allemal  feststehender  Konstitution  wäre.  Kommt 
ihm  wirklich  die  bedeutende  Rolle  zu,  die  wir  ihm  zuschreiben, 
dann  müssen  auch  individuelle  Abweichungen  möglich 
sein.  Tatsächlich  ist  es  Ehrlich  und  Morgenroth  gelungen, 
die  Existenz  individueller  Abweichungen  in  hohem  Grade  wahr- 


—     177     — 

scheinlich  zu  machen.  Ehrlich  injizierte  Blutflüssigkeit  von 
Ziegen  anderen  Individuen  der  gleichen  Art  und  fand,  daß  in 
einzelnen  Fällen  keine  Reaktion  auftrat,  in  anderen  Fällen  aber 
tatsächlich  ein  nicht  ganz  identisches  Arteiweiß  vorhanden  war. 
Es  bildeten  sich  dagegen  reguläre  Ambozeptoren,  sog.  Is o ly- 
sine. Allerdings  mußten  in  diesen  Fällen  verhältnismäßig  sehr 
große  Mengen  injiziert  werden,  um  die  Reaktion  zu  erhalten. 
Dies  ist  aber  verständlich.  Denn  von  dem  variierten  Arteiweiß 
kann  zunächst  nur  wenig  vorhanden  sein.  Diese  Untersuchungen 
über  Isolysine  zeigen  die  Wandlungsfähigkeit  der  Eiweißmole- 
küle in  ihrer  höchsten  Form,  und  es  ergibt  sich  daraus  ein  wich- 
tiger Anhaltspunkt  für  die  stammesgeschichtliche  Entwicklung. 

So  sind  wir  denn  von  den  einfachsten  zu  immer  kompli- 
zierteren Funktionen  der  Proteine  gelangt.  Ich  hoffe,  dabei  gezeigt 
zu  haben,  daß  die  physischen  Lebensvorgänge  mit  der  Eiweiß- 
chemie gut  in  Einklang  zu  bringen  sind,  und  ich  möchte  zum 
Schluß  noch  einige  allgemeinere  Gesichtspunkte  berühren,  die 
sich  aus  den  entwickelten  Vorstellungen  ergeben. 

Zunächst  sind  alle  die  geschilderten  Erscheinungen  nur  mög- 
lich bei  Gegenwart  von  Wasser.  Nur  in  Wasser  bilden 
sich  die  kolloidalen  Molekül-Additionen,  nur  in  wässerigen  Lösun- 
gen existieren  jene  intramolekularen  Schwingungserregungen, 
die  uns  der  Polarisationsapparat  verrät.  Und  tatsächlich  setzen 
ja  die  Lebensvorgänge  auch  der  einfachsten  Organismen  aus, 
wenn  ihnen  das  Wasser  entzogen  wird.  Bakteriensporen,  Räder- 
tierchen (Rotatoria),  aber  auch  Moose,  Flechten  lassen  sich 
trocknen  und  in  diesem  Zustande  jahrelang  aufheben.  Sie  sind 
dann  scheintot,  erwachen  aber  sofort  vom  latenten  zum  aktiven 
Leben,  sobald  man  sie  in  Wasser  bringt.  Pflanzensamen,  die 
man  150  bis  200  Jahre  in  Sammlungen  aufbewahrte,  sind  keim- 
fähig geblieben.  Im  trockenen  Zustand  fehlt  dem  Leben  die 
Unterlage,  der  Träger :  das  aktive  Eiweiß ;  das  Leben  selbst  aber 
ist  trotzdem  etwas  anderes  als  jene  Funktionen  des  Trägers.  Ich 
möchte  dies  an  einem  —  wenn  auch  plumpen  —  Beispiel  noch 
deutlicher  machen,  indem  ich  Protein  und  Leben  vergleiche  mit 
einer  Lokomotive  und  ihrem  Führer.  Geht  dem  Kessel  das 
Wasser  aus,  so  bleibt  die  Maschine  stehen,  aber  der  Führer  exi- 
stiert weiter.  Erhält  der  Kessel  wieder  Wasser,  so  kann  er  die 
Fahrt  wieder  beginnen. 

Ich  habe   diesen  Vergleich  gewählt,   um,  wie  gesagt,  der 

12 


—     178    — 

Vorstellung  entgegenzutreten,  als  ob  etwa  die  ge- 
schilderten chemischen  Vorgänge  oder  die  Schwin- 
gungen das  Leben  wären.  Wir  sahen  nur,  daß  es  höchst 
wahrscheinlich  außerordentlich  kleine  Lebenseinheiten  gibt,  stoßen 
dabei  aber  sofort  auf  eine  Schwierigkeit,  wenn  wir  die  mechani- 
sche oder  die  Fortpflanzungs-  und  Wachstumsteilung  sehen  und 
wahrnehmen,  daß  die  Menge  des  Lebens  trotz  der  Teilung  nicht 
weniger  sondern  mehr  wird.  Eine  geistreiche  Erklärung  dafür  hat 
Jacques  Lob  versucht  (Chem. Entwicklungserregung  1909  S.219). 
Er  nimmt  an,  daß  die  Nucleoproteide,  die  Kerneiweiße,  von  denen 
Fortpflanzung  und  Vererbung  ausgehen,  in  ihrem  Molekül  eine 
Seitenkette  enthalten,  die  zugleich  ein  Ferment  für  ihre  eigene 
Synthese  ist.     Er  sagt  wörtlich: 

„Die  Frage  nach  dem  Mechanismus  für  die  Kontinuität  der 
Erbstoffe  ist  identisch  mit  dem  eigentlichen  „Rätsel  des  Lebens", 
denn  das  mystische  Element  in  den  Lebenserscheinungen  ist  die 
Kontinuität  der  Organismen.  Ich  glaube  nun,  daß  dieser  Mechanis- 
mus sich  auf  das  Prinzip  der  Autokatalyse  zurückführen  läßt, 
nämlich  daß  der  Zellkern  ein  Ferment  für  seine  eigne  Synthese  ist." 

(S.  233)  „Die  künstliche  Herstellung  lebender  aus  lebloser 
Substanz  wird  mit  der  künstlichen  Synthese  von  Nucleiden  be- 
ginnen müssen,  welche  die  Fähigkeit  haben,  als  Fermente  für 
ihre  eigene  Synthese  zu  dienen." 

Nun  ist  es  richtig,  daß  in  den  Nucleoproteiden  mehrere  Ei- 
weißmoleküle mit  Nucleinsäure  verbunden  sind,  auch  ist  es  ganz 
gut  denkbar,  daß  eins  dieser  Moleküle  oder  eine  Seitenkette  der- 
selben ein  Ferment  für  die  Synthese  des  Gesamtmoleküls  ist.  Da- 
gegen spricht  zwar,  daß  bisher  nicht  beobachtet  ist,  daß  Kernsub- 
stanz ohne  Protoplasma,  auch  nicht  in  Nährflüssigkeiten,  lebens- 
fähig ist.  Aber  angenommen,  es  sei  der  Fall,  so  wäre  damit 
lediglich  gezeigt,  daß  die  Substanzvermehrung,  der  Aufbau  der 
Nucleoproteide  in  etwas  anderer  Weise  zustande  kommt  wie  bei 
sonstigen  Proteiden,  da  sie  nicht  wie  diese  von  einem  unabhängi- 
gen Ferment  aufgebaut  werden,  sondern  ihr  synthetisierendes 
Ferment  im  eigenen  Molekül  tragen.  Mit  der  Annahme  einer  sol- 
chen Kombination  ist  aber  das  Rätsel  des  Lebens  nicht  gelöst. 

Auch  M.  Hartmann  (Die  Konstitution  der  Protistenkerne 
1911)  verlegt  die  Lebenseinheit  in  den  Zellkern,  den  er  sich  aus 
einzelnen  oder  mehreren  Energiden  zusammengesetzt  denkt. 
Hartmann  sagt  (S.  49): 


—     179    — 

„Diese  sich  nun  durch  polare  Zweiteilung  vermehrenden 
Energiden,  die  als  die  Hauptbildner  atypischer  Strukturen  bei 
komplizierten  Zellen  (Flagellaten)  erkannt  sind,  und  auf  deren 
Teilung  und  Funktion  schon  jetzt  ein  großer  Teil  morphogeneti- 
scher  und  physiologischer  Prozesse  sich  zurückführen  läßt,  könn- 
ten eventuell  geradezu  als  die  eigentlichen  elementarsten  Lebens- 
einheiten selbst  betrachtet  werden,  durch  deren  Wirkung  in  einem 
atypischen  kolloidalen  Magma  die  typische  organische  Gestaltung 
hervorgebracht  wird  und  somit  das,  was  wir  Leben  nennen,  zu- 
stande kommt."  Dieser  einseitigen  Betommg  des  Kerns  werden 
wir  nach  allem,  was  wir  von  den  Funktionen  der  Proteine  gehört 
haben,  nicht  zustimmen  können.  Wir  kommen  vielmehr  zu  dem 
Schlüsse: 

Nicht  die  Zelle,  auch  nicht  einzelne  Zellteile 
(wie  der  Kern)  repräsentieren  die  kleinste  Lebens- 
einheit, sondern  alle  Lebenserscheinungen  sind 
Summen-Phänomene  harmonischer,  aus  Elementar- 
quanten des  Lebens  zusammengesetzter  Systeme.  Die 
Träger  dieser  keinsten  Lebenseinheiten  aber  sind 
die  Eiweißmoleküle. 

Die  Zelle,  das  kleinste  vollständige  System,  läßt  sich  von 
diesem  Gesichtspunkte  einem  Bienenstaate  vergleichen.  In  der 
Mitte  der  aus  arteigenen  Nucleoproteiden  bestehende  Kern,  der 
einer  Bienenkönigin  gleich  für  die  Vermehrung  bestimmt  ist; 
ihm  tragen  die  belebten  Eisweißmoleküle,  wie  die  Arbeitsbienen, 
Nahrung  zu,  die  einige  von  außen  hereinholen,  andere  neu  auf- 
bauen, und  ganz  wie  die  Arbeitsbienen  häufen  sie  die  Substanzen, 
die  nicht  im  Kern  verbraucht  werden,  als  Vorratsstoffe  in  Form 
von  Fetten  und  Zuckerarten  auf,  die  wir  in  den  Zellen  abgelagert 
und  dann  verschwinden  sehen,  wenn  der  Kern  sich  vergrößert, 
um  sich  zu  teilen.  Wieder  andere  schleppen  Kalksalze  oder 
Kieselsäure  herbei  und  erbauen  Schutzpanzer.  Kurz,  vor  unseren 
Augen  entwickelt  sich  ein  kleiner  Staat  voller  Leben.  Unser 
Ziel,  auf  chemischem  Wege  dem  Problem  des  Lebens  näher  zu 
kommen,  ist  mit  dieser  Erkenntnis  zwar  in  weite  Ferne  gerückt; 
aber  wir  dürfen  das  Vertrauen  haben,  daß  es  dem  menschlichen 
Scharfsinn  in  Zukunft  gelingen  wird,  auch  die  Gesetze  zu  er- 
mitteln, die  diesen  kleinsten  Staat  der  Eiweißmoleküle  regieren. 


12* 


180    — 


Besprechungen. 

I.  Neue  Veröffentlicliuiigen  der  Gesellschaft. 

Abhandlungen  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Ge- 
sellschaft in  Frankfurt  a.  M.  4".  Frankfurt  a.  M.  (Selbstverlag 
der  Gesellschaft)  1913. 

Band  31,  Heft  4,  Seite  341-423:  „Beiträge  zur  Kennt- 
nis devonischer  Trilobiten.  2.  Beitrag.^)  Oberdevoni- 
sche Proetiden"  von  Dr.  R.  Richter.  Mit  2  Tafeln.  Preis 
broschiert  M.  9,50. 

Der  Verfasser  lehrt  uns  eine  merkwürdige  Kleinwelt  kennen,  die  allen 
Erwartungen  der  Paläontologen  vollständig  widerspricht.  Man  weiß  seit  lan- 
gem, daß  die  Trilobiten  in  der  zweiten  Hälfte  des  Paläozoikums  allmählich 
an  Mannigfaltigkeit  abnehmen,  bis  sie  in  der  karbonischen  und  permischen 
Zeit  erlöschen.  Und  nun  tauchen  an  der  oberen  Grenze  der  devonischen  Zeit 
mit  einem  Male  in  Ablagerungen  des  offenen  Meeres  ganz  neue,  fremdartige 
Formen  auf,  denen  noch  kein  Forscher  genügende  Beachtung  geschenkt  hat 
und  deren  endgültige  Klarlegung  noch  manches  Rätsel  lösen  muß.  Während 
man  bisher  erwartet  hat,  gerade  hier  ein  allmähliches  Ausklingen  des  reichen 
Trilobitenlebens  zu  finden,  blüht  der  alte  Stamm  der  Proetiden  noch  einmal 
auf,  um  schon  kurz  nachher,  im  Karbon,  auf  wenige  spärliche  Vertreter  be- 
schränkt zu  werden.  Alle  beschriebenen  Formen  sind  winzig  klein  und  die 
meisten  sind  blind;  dabei  aber  zeigen  sie  eine  solche  Fülle  absonderlicher 
Gestalten  und  eine  so  überraschende  Artenmenge,  daß  die  erwähnten  Eigen- 
schaften durchaus  nicht  als  Degenerationserscheinungen  gedeutet  werden 
dürfen,  sondern  daß  sie  wohl  am  besten  durch  ein  Leben  in  lichtloser  nah- 
rungsarmer Meerestiefe  ihre  Erklärung  finden.  Ein  ausführliches  Eingehen 
auf  die  interessante  Arbeit  verbietet  der  beschränkte  Raum;  es  kann  auch 
um  so  eher  unterbleiben,  als  der  Verfasser  selbst  demnächst  im  „Bericht" 
Näheres  über  die  wichtigsten  Fragen,  deren  Lösung  ihn  beschäftigt,  mitteilen 
will.  Es  wäre  besonders  erfreulich,  wenn  es  ihm  gelänge,  gerade  jenen  letz- 
ten Ausläufern  des  blühenden  paläozoischen  Lebens  nachzuspüren  und  ihre 
seltenen  und  wertvollen  Reste  für  die  Wissenschaft  und  —  für  das  Sencken- 
bergische  Museum  dem  Gestein  zu  entreißen. 

F.  Drevermann. 


^)    Die  Besprechung  des   1.  Beitrags   „Die  Gattung  Dechenella   und 
einige  verwandte  Formen"  siehe  43.  Bericht  1912  S.  362. 


—     181     — 

Seite  425-462:  „Die  Gattung  Merodon  Me  igen  (Lanipetia 
Me  ig.  olim)"  von  Prof.  Dr.  P.  Sack.  Mit  2  Tafeln.  Gedruckt 
aus  den  Erträgnissen  der  Karl  und  Lukas  von  Heyden- 
Stiftung  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft. 
Preis  broschiert  M.  5,50. 

Ein  sehr  erwünschter  Erfolg  der  modernen  Systematik,  die  auf  die 
Unterscheidung  lokaler  Varietäten  besonderen  Bedacht  nimmt  und  zu  diesem 
Zweck  möglichst  große  Serien  vergleicht,  besteht  darin,  daß  sie  häufig  zu 
einer  Verringerung  der  Artenzahl  führt:  Tiere,  die  man  für  gänzlich  ver- 
schiedene Arten  hielt,  lehrt  sie,  indem  sie  alle  Übergänge  zwischen  ihnen 
nachweist,  als  Varietäten  einer  Spezies  kennen.  So  hat  auch  P.  Sack  in 
seiner  gründlichen  Untersuchung  der  Schwebfliegengattung  i/ero^/o/»  eine 
erhebliche  Zahl  von  Arten  zum  Range  von  Varietäten  degradiert.  Die  Gattung 
war  für  eine  solche  Behandlung  durch  ihre  ungewöhnlich  starke  Veränder- 
lichkeit in  Farbe,  Zeichnung  und  Größe  besonders  geeignet.  Und  Sack  trifft 
wohl  das  Richtige,  wenn  er  diese  auffallende  Variabilität  mit  den  Lebens- 
verhältnissen der  Gattung  in  Verbindung  bringt.  Die  Merodon-hsiTven  ent- 
wickeln sich  nämlich  in  Zwiebelgewächsen  —  Tulpen,  Narzissen,  Krokus 
usw.  —  und  sind  mit  diesen  weithin  verbreitet  worden.  Hierdurch  kamen 
sie  vielfach  in  neue  klimatische  und  sonstige  Verhältnisse,  die  auf  ihr  Keim- 
plasma einwirken  und  die  Bildung  neuer  Variationen  veranlassen  konnten. 

Sack  hat  aber  auch  konstante,  plastische  Artmerkmale  aufgefunden 
und  mit  ihrer  Hilfe  die  Zahl  der  wirklich  „guten"  Merodon-Arten  von  32  (mit 
Ausnahme  von  11  Exoten)  auf  49  erhöht. 

O.S. 

II.  Neue  Bücher. 

Schriften  des  Deutschen  Lehrervereins  für  Naturkunde.  26.Band. 
Die  Schmetterlinge  Deutschlands  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Biologie.     I.Band.   Von  Prof. 
Dr.  Karl  Eckstein.    120  S.  mit  16  Farbendrucktafeln  und 
26  Textillustrationen.  8°.  Stuttgart  (K.  G.  Lutz'  Verlag)  1913. 
Wie  der  vorliegende  erste  Band  der   „Schmetterlinge   Deutsch- 
lands"  zeigt,   hat   sich  der  Verfasser  mit  großer  Liebe  an  die  Aufgabe  ge- 
macht,  in  knapper  Form   ein  lehrreiches  Büchlein  zu  schaffen.    Der  Inhalt 
zerfällt  in  einen  allgemeinen  und  einen  speziellen  Teil.    Der  letztere  enthält 
die  systematische  Beschreibung  der  in  Deutschland  vorkommenden  Tagfalter 
(Bhopalocera)  und  Dickköpfe  (Gnjpocera)  in  annähernder  Vollständigkeit,  je- 
doch unter  Weglassung  der  Varietäten  und  Aberrationen.    Er  ist  bei  aller 
Kürze  klar  und  gründlich  und  gibt  ein  anschauliches  Bild  von  der  Lebens- 
weise und  Entwicklung  der  Falter.    Die  beigegebenen  Buntdrucktafeln  sind 
ganz  vorzüglich;  sie  sind  von  Dr.  K.  G.  L  u  t  z  -  Stuttgart  zusammengestellt  und 
teils  nach   der  Natur  (Schmetterlinge),   teils  nach  Aquarellen  von  Prof.  J. 
Griebel -Neustadt  a.  H.  (Raupen,  Puppen  usw.)  lithographiert  worden.  Fast 
jedem  Falter  sind  auch  die  Raupe  und  Puppe  beigefügt.  Von  großem  Vorteil 


—     182    — 

ist,  daß  die  Ableitung  der  lateinischen  Gattungs-  und  Artnamen  und  über- 
nommene Eigennamen  erläutert  werden. 

Der  sehr  eingehende  und  von  trefflichen  Illustrationen  begleitete  all- 
gemeine Teil  gliedert  sich  in  sieben  Kapitel.  Im  ersten,  das  der  äußeren 
Erscheinung  gewidmet  ist,  werden  der  Bau  des  Falters,  der  Kopf  mit  Mund- 
teilen, die  Augen,  der  Thorax  mit  Beinen  und  Flügeln,  die  Bildung  der 
Schuppen,  Duftschuppen  und  Duftorgane,  ferner  der  äußere  Bau  des  Eies,  der 
Raupe  und  Puppe  geschildert.  Das  zweite  Kapitel  behandelt  kurz  den  inneren 
Bau  des  Eies  und  die  inneren  Organe  gleichfalls  von  Raupe,  Puppe  und  Falter. 
Die  Illustrationen  stellen  Schlund,  Darmkanal,  Drüsen  usw.  und  Geschlechts- 
organe dar.  Im  dritten  Abschnitt  werden  die  Embryonalentwicklung  im  Ei, 
die  Lebensweise,  das  Wachstum  und  der  Fraß  der  Raupen,  wobei  auch  die 
Fraßspuren  einiger  Schädlinge  bildlich  wiedergegeben  sind,  das  Verpuppen, 
ferner  das  Schlüpfen  und  Leben  der  Falter  besprochen.  Das  vierte  Kapitel, 
„Fauna,  System  und  Nomenclatur",  handelt  von  der  Verbreitung  der  Arten 
und  ihrer  Einreihung  in  das  System.  Im  fünften  werden  die  Feinde  einzelner 
Schädlinge,  z.  B.  der  Nonnenraupe  und  des  Kiefernspinners,  aufgezählt,  wobei 
bei  letzterem  allein  etwa  25  verschiedene  Parasiten  genannt  sind.  Auch 
die  Entstehung  der  Krankheiten,  wie  Flacherie,  Grasserie  und  anderer  Pilz- 
krankheiten, ist  hier  behandelt.  Der  sechste  Abschnitt,  „Stellung  der  Schmet- 
terlinge im  Naturhaushalt  und  ihre  wirtschaftliche  Bedeutung",  erläutert  vor 
allem,  wie  sich  der  Mensch  der  Schädlinge  erwehrt. 

Das  letzte  Kapitel  zeigt  die  verschiedenen  Zwecke,  die  eine  Schmetter- 
lingssammlung verfolgen  kann.  Es  schildert  das  Anlegen  einer  entwick- 
lungsgeschichtlichen Sammlung  (Beobachtung  der  Metamorphose  der 
Schmetterlinge,  Konservierung  der  Eier,  Raupen  und  Puppen)  neben  der  rein 
systematischen,  die  sich  auch  auf  kleinere  Paunengebiete  (geographische 
Abgrenzung)  oder  auf  bestimmte  Gruppen  (mit  Einschluß  der  Aberrationen 
und  Varietäten)  beschränken  kann,  das  Anlegen  von  Schmetterlings-Bio- 
logien (Futterpflanzen,  Fraßspuren,  Kot  der  Raupen,  Parasiten  neben  den 
verschiedenen  Entwicklungsstadien)  u.  a.  m.  Danach  wird  das  Präparieren 
der  Objekte  und  das  Einrichten  der  Sammlung  selbst  eingehend  besprochen. 

Das  kleine  Werk  ist  jedem  angehenden  Sammler  warm  zu  empfehlen. 
Der  Deutsche  Lehrerverein  für  Naturkunde  aber  verdient  für  das,  was  er  sei- 
nen Mitgliedern  für  den  geringen  Jahresbeitrag  bietet,  das  allerhöchste  Lob. 

E.  Müller. 


~     183 


Aus  der  Schausammlung. 

Die  Veränderlichkeit  der  Schale  von  Iberus  gualterianus  L. 

Mit  82  Abbildungen. 

In  der  Zeit,  da  man  noch  jede  Landschnecke,  die  am  Ende 
des  Wachstums  ihre  Schale  mit  einem  Mundsaum  abschloß,  und 
deren  Höhe  nicht  größer  war  als  ihre  Breite,  zur  Gattung  Helix 
rechnete,  zu  einer  Zeit  also,  in  der  man  die  Schnecken  lediglich 
nach  Form  und  Aussehen  ihrer  Gehäuse  unterschied,  hielt  man 
zwei  spanische  Heliciden,  die  rundliche,  kiellose  H.  alonensis  Fer. 
und  die  abgeplattete,  scharf  gekielte  H.  giialteriana  L.,  für  so 
wenig  miteinander  verwandt,  daß  man  sie  in  zwei  verschiedene 
Sektionen,  Otala  imd  Iberus,  der  großen  Sammelgattung  Helix 
stellte.  Von  jeder  dieser  beiden  Arten  kannte  man  Verwandte, 
die  sich  nur  durch  Größen-  und  Höhenverhältnisse  oder  durch 
die  verschiedene  Ausbildung  der  Unterseite  von  ihnen  unter- 
schieden ;  so  rechnete  man  H.  loxana  Rossm.,  H.  carthaginiensis 
Rossm.,  H.  campesina  Ezq.  und  H.  lorcana  Rossm.  zu  dem  Formen- 
kreise der  H.  {Otala)  alonensis,  H.  laurentii  Bourg.  zu  dem  der  H. 
{Iberus)  gualteriana.  Noch  in  dem  modernsten  Werke  über  die 
Landschnecken,  dem  Pilsbry sehen  „Guide  to  the  study  of  Heli- 
ces", ist  diese  Einteilung  beibehalten;  denn  Pilsbry  hatte  über- 
sehen, daß  A.  Schmidt  schon  im  Jahre  1853  darauf  hingewiesen 
hatte,  daß  sich  H.  alonensis  und  H.  gualteriana  in  gewissen  Zügen 
ihrer  inneren  Anatomie,  nämlich  im  Bau  des  Liebespfeiles,  eng 
aneinander  anschließen.  Übergänge  in  der  Schalenform  zwischen 
den  beiden  äußerlich  so  grundverschiedenen  Schnecken  wurden 
auch  bis  in  die  neueste  Zeit  nicht  bekannt,  und  erst  1910  konnte 
Kobelt  in  der  „Iconographie  der  Land-  und  Süßwassermollusken 
N.  F.,  Vol.  15,  Fig.  2271-2280",  einige  Schneckenschalen  abbilden, 


—     184    — 

die,  obwohl  schlecht,  da  subfossil  erhalten,  als  zweifellose  Über- 
gänge zwischen  den  beiden  Extremen  aufgefaßt  werden  müssen. 

Seit  einer  Keihe  von  Jahren  sind  mir  nun  große  Mengen 
der  in  Frage  kommenden  Schnecken  durch  die  Hände  gegangen, 
und  so  ist  es  mir  gelungen,  nachzuweisen,  daß  alle  diese  Formen 
restlos  durch  Schalenübergänge  lebend  gesammelter  Schnecken 
verbunden  sind,  ferner,  wie  sich  die  einzelnen  Formen  zueinander 
stellen.  Teilweise  unterstützt  durch  die  Sam.mlungen  der  Sencken- 
bergischen  Naturforschenden  Gesellschaft  (darunter  Coli.  E.  A. 
Rossmässler  und  Coli.  W.  Kobelt),  habe  ich  Verbindungs- 
serien aufgestellt,  die  auf  S.  188  bis  197  abgebildet  sind  imd  für 
sich  sprechen.  Die  Formenreihen  sind  im  Senckenbergischen 
Museum  in  der  Schausammlung  aufgestellt. 

Die  anatomische  Untersuchung  der  Weichkörper  hat  gelehrt, 
daß  die  uns  hier  beschäftigenden  Schnecken  nicht  zu  der  nur  auf 
die  Weinbergschnecke  und  deren  nächste  Verwandte  beschränkten 
Gattung  Helix  gehören,  daß  sie  vielmehr  ein  eigenes  Genus  bilden, 
das  nach  den  zoologischen  Nomenklaturregeln  den  Namen  Iberits 
führen  muß.  Da  ferner  die  früheren  „Arten"  alonensis  und 
gualterianus  samt  ihren  Verwandten  durch  Übergänge  verbunden, 
also  in  Wirklichkeit  gar  nicht  verschieden  sind,  so  fassen  wir 
sie  unter  dem  ältesten  der  verschiedenen  Namen  zusammen  und 
nennen  sie  Iherus  gualterianus,  dessen  diverse  Ausbildungsformen 
durch  Anhängen  eines  dritten  Namens  bezeichnet  werden  können : 
so  soll  z.  B.  Ih.  gualterianus  alone?isis  die  Form  angeben,  die 
der  ehemaligen  „Art"  Helix  alonensis  entspricht,  Ib.  gualterianus 
umbilicatus  die,  die  sich  vom  typischen  Ib.  gualterianus  durch 
Besitz  einer  Öffnung,  eines  sog.  Nabels,  in  der  Mitte  der  Schalen- 
unterseite unterscheidet.  Anatomisch  dürften  diese  Ausbildungs- 
formen nicht  voneinander  abweichen,  vielleicht  mit  Ausnahme 
von  carthaginiensis  Rossm.  und  loxanus  Rossm.,  die  scheinbar 
im  Begriff  sind,  sich  im  Bau  des  Genitalapparates  etwas  zu 
differenzieren. 

Die  verschiedenen  Formen  des  Iberus  gualterianus  L.  lassen 
sich  folgendermaßen  gruppieren,  wobei  bemerkt  sei,  daß  das  Bild 
nur  die  allgemeinen  Richtlinien  der  Ausbildung  von  Formen  dar- 
stellen soll.  Es  ist  selbstverständlich,  daß  es  bei  der-  großen 
Veränderlichkeit  innerhalb  der  einzelnen  Formen  noch  geringe 
Abweichungen  geben  kann,  die  aber  nichts  Neues  darstellen  und 
für  die  Systematik  ohne  Bedeutung  sind.    Als   Grundform  kann 


—     185    — 

man  Ib.  gualt.  alonensis  Fer.  betrachten.  Dieser  bildet  drei  Ver- 
kleinerungsformen aus,  eine  der  Grundform  in  Gestalt  sehr-  ähn- 
liche, Ih.  gualt.  carthaginiensis  Rossm.,  eine  höhere,  Ih.  gualt. 
glohulosus  C.  Bttg.,  und  eine  flachere,  Ib.  gualt.  loxanus  Rossm. 
Ferner  führt  eine  Reihe  durch  Aufrollen  des  Gewindes,  so  daß 
das  Gehäuse  genabelt  wird,  und  durch  Verbreiterung  und  Los- 
lösen des  Mundsaumes  über  Ib.  gualt.  lorcanus  Rossm.  zu  Ib. 
gualt.  campesinus  Ezq.,  bei  dem   das   Extrem   erreicht   ist,   und 


Ib.  giialterianns  umbilicatus 
11).  giialterianns  laiirentii 


Ib.  giialterianns  pseudocampesiniis 


Ib.  giialterianns  giialterianns 


Ib.  giialterianns  campesinus 


Ib.  gnalterianns  lorcanus 
Ib.  gnalterianns  intermedins 


Ib.  gnalterianns  loxanns 


Ib.  gnalterianns  globnlosns 


Ib.  gnalterianns  carthaginiensis 

Schema  eines  im  Museum  aufgestellten  Präparates,  das  alle  hier  genannten 
Formen  vor  Augen  führt. 


der  seinerseits  wieder  eine  Zwergform,  Ib.  gualterianus  pseudo- 
campesinus  Kob.,  ausbildet.  Zuletzt  setzt  Ib.  gualt.  aloriensis  F6r. 
einen  Kiel  an,  verflacht  das  Gewinde  immer  mehi'  und  erhält 
eine  rauhere  Skulptur.  So  gelangt  man  über  Ib.  gualt.  intermedius 
C.  Bttg.  zu  Ib.  gualt.  gualterianus  L.  Dieser  hat  wieder  eine 
Verkleinerungsform,  Ib.  gualt.  laurentii  Bourg.,  und  eine,  die 
genabelt  wird,  Ib.  gualt.  umbilicatus  Kob. 

Die  Formen  des  Iberus  gualterianus  L.,  vor  allem  Ib.  gualt. 
alonensis  Fer.,  gehören  zu  den  Charaktertieren  des  südöstlichen 


—     186    — 

Spaniens.  Sie  leben  dort  in  den  dürren  Sierren  oft  in  einer  Trocken- 
heit, wo  man  gar  keine  so  großen  Schnecken  vermuten  sollte, 
meist  unter  Steinen  und  Geröll  verborgen ;  nur  ein  milder  Regen 
und  der  frische  Tau  am  Morgen  locken  sie  aus  ihren  Verstecken 
hervor.  Dies  wissen  die  Caracoleras,  die  Schneckensammler,  sehr 
genau  und  erbeuten  sie  am  Morgen  vor  Sonnenaufgang  in  großer 
Menge  dort,  wo  am  Tage  kaum  eine  einzige  zu  sehen  ist.  In 
Spanien  bilden  nämlich  die  Landschnecken  eine  beliebte  Speise, 
von  der  kleinen  Euparypha  jnsana  Müll,  an  bis  zu  den  großen 
Iberus-  und  0^«/«- Arten.  Von  den  übrigen  Schnecken,  den  Cara- 
coles, unterscheiden  die  Spanier  sehr  genau  die  Serranos,  die 
Bergschnecken,  Ib.  gualt.  aloriensis,  lorcaniis  und  campesinus, 
die  sehr  geschätzt  werden  und  auch  höher  im  Preise  stehen  als 
die  Caracoles.  Ib.  gualt.  gualterianus  L.,  „Chapa"  genannt,  wird 
dagegen  nicht  geschätzt. 

Beschreibung  der  wichtigsten  Formen  der  Reihe. 

Iberns  gnnUenaniis  giialferianns  L.  (S.  189  Fig.  20;  S.  190  Fig.  1;  S.  191 
Fig.  1).  Die  Schnecke  stellt  das  Extrem  in  der  Verflachung  des  Gewindes  und 
in  der  Ausbildung  des  Kieles  dar.  Die  Spitze  der  Windungen  und  die  Gehäuse- 
kiele liegen  in  einer  Ebene.  Die  Schale  ist  ungenabelt. 

Iberus  gualterianus  laurentii  Bourg.  (S.  190  Fig.  7)  ist  die  Verkleinerungs- 
form des  Ib.  gualt.  gualterianus  L.  in  der  Sierra  Elvira  bei  Granada  und  stimmt, 
mit  Ausnahme  der  Größe,  mit  diesem  überein. 

Iberus  gualterianus  umbilicatus  Kob.  (S.  191  Fig.  8)  unterscheidet  sich  von 
Ib.  gualt.  gualterianus  L.  durch  den  offenen  Nabel.  Vorkommen :  um  Almeria. 

Iberus  gualterianus  intermedius  nov.  subspec.  (S.  188  Fig.  9)  ist  ein  Iberus 
mit  bedeutend  höherem  Gewinde  als  Ib.  gualt.  gualterianus  L.  Er  steht  in  der 
Mitte  zwischen  diesem  und  Ib.  gualt.  alonensis  Fer.  Er  hat  ein  nicht  so  flaches 
Gewinde  wie  Ib.  gualt.  gualterianus  L.  und  weniger  rauhe  Skulptur,  jedoch  wie 
dieser  einen  gut  ausgebildeten  Kiel  und  ist  ungenabelt.  Ich  habe  diese  Über- 
gangsform hauptsächlich  deshalb  benannt,  weil  sie  häufiger  in  den  Verkehr 
kommt.  Sie  steht  zwischen  Ib.  gualt.  gualterianus  L.  und  Ib.  gualt.  alonensis  Fer., 
so  wie  Ib.  gualt.  lorcanus  Rossm.  zwischen  Ib.  gualt.  alonensis  Fer.  und  Ib.  gualt. 
campesinus  Ezq.   Vorkommen:  Prov.  Almeria. 

Iberus  gualterianus  alonensis  Fer.  (S.  188  Fig.  1 ;  S.  192  Fig.  1).  Dieser  in 
Siidostspanien  am  weitesten  verbreitete  Iberus  ist  ungekielt,  ungenabelt,  nie- 
dergedrückt-kugelig. 

Iberus  gualterianus  carthaginiensis  Rossm.  (S.  197  Fig.  12)  ist  eine  Ver- 
kleinerungsform des  Ib.  gualt.  alonensis  F6r.  in  der  Sierra  de  Cartagena  bis 
unweit  der  Stadt  Cartagena  (Prov.  Murcia).  In  seinen  kleinsten  Formen  sieht 
er  der  Pseudotachea  splendida  Drap,  sehr  ähnlich,  unterscheidet  sich  in  der  Schale 
jedoch  von  ihr  sofort  durch  die  ausgeprägten  Spirallinien  der  Gehäuse- 
oberfläche. 


—     187     — 

Ibenis  gualterianns  globulosus  nov.  subspec.  (S.  196  Fig.  8)  stellt  ebenfalls 
eine  Verkleinerungsform  des  Ib.  gualt.  alonerisis  F^r.  dar,  bildet  jedoch  nicht 
derart  kleine  Formen  aus  wie  die  vorhergehende  Subspezies.  Sie  ist  bedeutend 
höher  und  kugeliger  als  Ib.  gualt.  alonensis  Fer.  und  Ib.  gualt.  earth aginiensis 
Rossm.  Vorkommen:  um  Almeria. 

Ibenis  gualterianns  lo.xanns  Rossm.  (S.  195  Fig.  8).  In  der  Sierra  de  Loja 
(Prov.  Granada)  bildet  Ib.  gualt.  alonensis  Fer.  auch  eine  Verkleinerungsform 
aus,  Sie  ist  bedeutend  flacher  als  Ib.  gualt.  alonensis  Fer.  und  Ib.  gualt.  carthagi- 
niensis  Rossm.  Letztere  steht  unter  den  Verkleinerungsformen  des  Ib.  gualt. 
alonensis  Fer.,  was  die  Höhe  des  Gehäuses  anbelangt,  in  der  Mitte  zwischen 
dem  hohen  Ib.  gualt.  globulosus  C.  Bttg.  und  dem  flachen  Ib.  gualt.  lo.xanus  Rossm. 

Iberus  gualterianus  lorcanus  Rossm.  (S.  193  Fig.  8.)  steht  zwischen  Ib. 
gualt.  alonensis  Fer.  und  Ib.  gualt.  campesinus  Ezq.  Der  Mundsaum  ist  verbrei- 
tert, aber  nicht  ringsum  losgelöst  wie  bei  Ib.  gualt.  campesinus  Ezq.  Die  Sub- 
spezies findet  sich  in  der  Umgebung  von  Lorca  in  der  Provinz  Murcia. 

Iberus  gualterianus  campesinus^)  Ezq.  (S.  193  Fig.  12)  ist  von  Ib.  gualt. 
lorcanus  Rossm.  nur  verschieden  durch  die  Ausbildung  eines  verbreiterten, 
ringsum  losgelösten,  zusammenhängenden  Mundsaumes.  Das  Gehäuse  ist  offen 
genabelt.  Vorkommen :  weitere  Umgebung  von  Lorca  (Provinz  Murcia)  bis  in 
die  Provinz  Almeria  hinein.  Die  Form  millarensis  Kob.  '^)  ist  meines  Erachtens 
nichts  anderes  wie  ein  gut  ausgebildeter  Ib.  gualt.  campesinus  Ezq.  Das  Original- 
exemplar liegt  im  Senckenbergischen   Museum  und  wurde  von  mir  geprüft. 

Iberus  gualterianus  pseudocampesinus  Kob.  (S.  194  Fig.  7)  stellt  die  Ver- 
kleinerungsform des  Ib.  gualt.  campesinus  Ezq.  vor.  Vorkommen:  Los  Miliares 
(Prov.  Almeria). 


Sämtliche   Abbildungen    sind   nach    photographischen   Aufnahmen    in 
natürlicher  Größe  reproduziert. 

Caesar  R.  Boettger. 


^)  Diese  Schnecke  wurde  von  Ezquerra  del  Bajo  als  Helix  camp esin a 
bezeichnet.  Das  Wort  campesina  ist  aber  spanisch,  und  die  maskuline  Form 
dazu  heißt  campesino.  Ich  glaube  aber,  das  Wort  in  dem  lateinischen  Namen 
als  ein  lateinisches  behandeln  zu  müssen.  Auch  ist  der  Name  schlecht  gewählt, 
denn  Ib.  gualt.  campesinus  Ezq.  ist  eine  Bergschnecke,  während  campesino,  a 
dem  lateinischen  campestris  gleichzusetzen  ist. 

^)  Iconographie  d.  Land-  u.  Süßwasser-Mollusken.  N.  F.,  Vol.  15.  Wies- 
baden 1910.  No.  2284  S.  12. 


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Ib.  gualt.  intermedins  C.  Bttg.  (9)  zu  lb.  giialt.  giialterianns  L.  (20). 


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Übergangsformen  von  Iberus  gnalt.  alonensis  Fer.  (1)  über 


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Ib.  giialt.  lorcanns  Rossm.  (8)  zu  Ib.  giialt.  campesiniis  Ezq.  (12). 


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—     199     — 
Sinopa  rapax  Leidy. 

Mit  4  Abbildungen. 

Die  Raubtiere  der  Gegenwart  bilden,  wenn  man  von  den 
Omnivoren  Bären  absieht,  trotz  aller  Mannigfaltigkeit  eine  ein- 
heitliche Gruppe,  deren  Zusammengehörigkeit  besonders  im  Gebiß 
und  im  Bau  der  Extremitäten  hervortritt.  Die  mittleren  Back- 
zähne dienen  nämlich  bei  allen  Räubern  zum  Zerschneiden  des 
Fleisches  —  man  braucht  nur  einmal  einer  Katze  beim  Fressen 
zuzusehen,  wie  sie  stets  mit  seitlich  gestelltem  Kopf  ihre  Nahrung 
zerkleinert  — ;  daher  sind  der  vierte  obere  Prämolar,  sowie  der 
ihm  entgegenarbeitende  erste  untere  Molar  als  „Reißzähne"  mit 
scharfen  Längskanten  entwickelt  und  zeichnen  sich  durch  besondere 
Größe  aus.  Die  Endglieder  der  Füße  sind  als  schmale  und  spitze 
Krallen  ausgebildet,  und  in  der  Handwurzel  verwachsen  stets 
Radiale  und  Intermedium  zu  einem  einheitlichen  Knochen.  Die 
gleichen  Merkmale  finden  sich  nicht  nur  bei  allen  Raubtieren 
der  Gegenwart,  sondern  ganz  allgemein  auch  bei  ihren  fossilen 
Vorläufern,  und  man  kann  wohl  sagen,  daß  bis  zum  Oligozän 
hinab  alle  fossilen  Räuber  sich  ohne  Schwierigkeit  in  das  zoolo- 
gische System  einreihen  lassen.  Im  Eozän  dagegen  finden  sich 
keine  echten  Raubtiere  mehr;  hier  werden  sie  durch  eine  ebenso 
geschlossene  Gruppe  von  Tieren  vertreten,  durch  die  Creodontia, 
die  sich  in  charakteristischer  Weise  unterscheiden.  Bei  ihnen 
tritt  weder  im  Unter-  noch  im  Oberkiefer  ein  Reißzahn  hervor, 
sondern  alle  Backzähne  haben  im  wesentlichen  gleich  starke 
Kronen.  In  der  Handwurzel  sind  noch  keine  Verwachsungen  vor- 
handen; vielmehr  bleiben  Radiale  und  Intermedium  getrennt,  ja 
es  ist  sogar  oft  noch  ein  Centrale  vorhanden,  das,  wie  bei  einer 
Reihe  anderer  primitiver  Säugetiere  und  bei  den  Reptilien,  sich 
zwischen  die  beiden  Reihen  der  Handwurzelknochen  einschaltet. 
Als  weiteres  Merkmal  verdienen  die  Kleinheit  und  die  schwache 
Furchung  des  Gehirns  genannt  zu  werden  (man  hat  bei  mehreren 
Creodontiern  die  Hirnhöhle  durch  Ausgießen  abgeformt  und  so 
die  äußere  Form  des  Gehirns  feststellen  können) ;  bei  den  echten 
Raubtieren  ist  es  sehr  gut  ausgebildet  und  zeichnet  sich  besonders 
durch  starke  Furchung  des  Großhirns  aus. 

Die  Creodontier  lebten  während  der  Eozänzeit,  und  ihre 
letzten  Ausläufer  erloschen  im  Oligozän.  Ihre  Gestalt  war  bei 
aller  Einheitlichkeit  in  den  genannten  Merkmalen  (nur  eine  Gruppe 
nähert  sich  durch   die  Ausbildung  eines  Reißzahns  den  echten 


Schädel   von  Sinopa  grangeri  Matthew   aus   dem   Mitteleozän  von  Wyoming 

(Seitenansicht).  4 :  5  nat.  Gr. 

Nach  W.  D.  M  a  1 1  h  e  w.    Reißzähne  sind  nicht  ausgebildet. 


Schädel  von  Palhgaena  hipparionum  (Gervais)  aus  dem  Unterpliozän  von  Samos 

(Seitenansicht).  2  : 3  nat.  Gr. 

Geschenk  von  Sir  William  Lindley. 

Nach  E.  Schwarz.    p4,  ml  Reißzähne. 


—    201     — 

Raubtieren)  sehr  mannigfaltig;  von  kleinen,  kaum  wieselgroßen 
Tierchen  an  sind  alle  möglichen  Gestalten  vertreten  bis  zu  mäch- 
tigen, den  Löwen  an  Stärke  erreichenden  Räubern.  Sie  waren 
in  ihrer  Blütezeit  über  die  ganze  Erde  verbreitet;  aber  von  der 
Mehrzahl  der  vielen  beschriebenen  Gattungen  und  Arten  sind 
nur  dürftige  Kieferbruchstücke  oder  Knochenreste  bekannt  ge- 
worden. Vollständigere  Funde  —  Schädel  oder  gar  größere,  noch 


Wolf 

Handskelette,   r  Radiale,  i  Intermedium,  c  Centrale  (Creodontier); 

ric  Radiale,  Intermedium  und  Centrale  verwachsen  (Raubtiere). 

Nach  W.  D.Matthew. 

zusammenhängende  Teile  des  Skeletts  —  gehören  zu  den  größten 
Seltenheiten,  so  daß  bisher  noch  kein  Museum  in  Europa  ein 
Creodontier-Skelett  aufstellen  konnte.  Das  hier  abgebildete  zier- 
liche Skelett  von  Sinopa  rapax  ist  daher  von  großer  Wichtig- 
keit für  die  Schausammlung  wie  für  den  Unterricht.  Sämtliche 
echten  Teile  —  mit  Ausnahme  des  Schädels  —  gehören  einem 
Individuum  an,  das  im  Jahre  1903  von  einer  Expedition  des 
Neuyorker   Museums   im   Mitteleozän   am   Cottonwood   Creek  in 


—     202     — 

Wyoming  ausgegraben  wurde.  Die  Ergänzungen  sind  nach  einem 
zweiten  Skelett  modelliert  worden,  das  in  Neuyork  steht  (das 
dritte  und  beste  bis  jetzt  bekannte  wird  in  Washington  aufbe- 
wahrt). Der  Schädel  war  bei  dem  Funde  nicht  erhalten;  jedoch 
konnte  der  zerdrückte  Schädel  eines  gleich  großen  Individuums 
miterworben  werden,  der  inzwischen  von  Präparator  Strunz 
vorzüglich  herausgearbeitet  worden  ist  und  das  Skelett  jetzt 
wesentlich  ergänzt. 

Ein  auffälliger  Charakter  des  Tieres,  der  im  Bilde  deutlich 
hervortritt,  ist  der  starke  und  lange,  wenig  biegsame  Schwanz, 
der  im  Leben  wahrscheinlich  ziemlich  steif  getragen  wurde  und 
daher  dem  Äußeren  der  Sinopa  wohl  eine  gewisse  Ähnlichkeit 
mit  dem  tasmanischen  Beutelwolf  Thijlacinus  verlieh.  Die  eigen- 
artige starke  Knickung  der  Wirbelsäule  ist  ein  Merkmal,  das  sich 
auch  bei  dem  Raubbeutler  Sarcojjhiliis  findet.  Die  Vergleichung 
der  beiden  abgebildeten,  im  Aussehen  so  ähnlichen  Schädel  von 
Sinopa  und  Palhyaena  (der  prächtige,  von  E.  Schwarz^)  be- 
schriebene Schädel  ist  ein  Geschenk  von  Sir  William  Lindley 
und  stammt  aus  dem  Pliozän  von  Samos),  sowie  der  Handskelette 
eines  anderen  Creodontiers  (Hijaenodon)  und  eines  Wolfes  er- 
möglicht ohne  weiteres  die  Erkennung  der  wichtigsten  Merkmale 
der  rezenten  Raubtiere  und  der  Creodontier. 

Unser  *S'?'/?o/jrt-Skelett  ist,  wie  der  im  letzten  Heft  S.  105 
abgebildete  Phenacodus,  ein  kostbares  Geschenk  von  Prof.  Otto 
Blumenthal  in  Aachen  zur  Erinnerung  an  seinen  am  9.  Dezem- 
ber 1911  verstorbenen  Vater  Sanitätsrat  Dr.  Ernst  Blumenthal. 

F.  Drevermann. 


*)  E.  Schwarz  ,Über  einen  Schädel  von  Palinjaena  hwpanoniim  (Gervais), 
nebst  Bemerkungen  über  die  systematische  Stelhing  von  Icfithcrinm  und  Pal- 
hijaena".  Archiv  f.  Naturgeschichte,  78.  Jahrg.  1912,  Abt.  A.  11.  Heft  S.  69—75. 


—     203 


Lionardo  da  Vinci  als  Naturforscher. 

Mit  10  Abbildungen 
von 

G.  Böttcher  (Wiesbaden). 


Als  vor  etwa  zwei  Jahren  die  ungeheuerliche  Kunde  von 
dem  spurlosen  Verschwinden  der  Mona  Lisa  die  Welt  durchflog, 
da  mag  von  denen,  die  mit  den  Schicksalen  des  Lebenswerkes 
Lionardos  vertraut  sind,  manch  einer  sich  resigniert  gefragt 
haben:  War  es  im  Grunde  nicht  das  größere  Wunder,  daß  wir 
in  jenem  unvergleichlichen  Porträt  der  schönen  Gioconda  einen 
zweifellosen  „Lionardo"  so  lange  besessen  haben?  Wo  sind  alle 
jene  Schöpfungen,  durch  die  der  Florentiner  Meister  ganzen  Ge- 
nerationen von  Künstlern  das  vergötterte  Vorbild  wurde,  in  dessen 
Nachahmung  sie  sich  nicht  genugtun  konnten?  Verschollen  das 
eine,  verdorben  das  andere,  manches  vielleicht  noch  heute  ver- 
kannt, dem  Ruhme  eines  anderen  Namens  dienend.  Was  uns 
geblieben,  reicht  eben  noch  hin,  um  zu  begreifen,  warum  der 
scheinbar  unproduktivste  Maler  in  Wahrheit  der  größte  war 
seiner  Zeit  und  einer  der  größten  aller  Zeiten. 

Sind  wir  so  in  bezug  auf  die  künstlerische  Hinterlassenschaft 
Lionardos  im  Vergleich  zu  früheren  Generationen  an  unserem 
Erbteil  arg  verkürzt,  eine  andere  Seite  im  Wesen  dieses  rätsel- 
vollen Mannes  kennen  wir  heute  wohl  sicher  besser  als  seine 
eigene  Zeit  —  den  Forscher,  den  Gelehrten,  den  Schrift- 
steller. Wenn  des  Künstlers  Linke,  die  vielleicht  soeben  erst 
dem  Gesicht  eines  Apostels  in  S.  Maria  delle  Grazie  mit  einigen 
Pinselstrichen  eine  sorgfältig  durchdachte  Ausdrucksnuance  ver- 
liehen, nunmehr  in  der  Abgeschlossenheit  des  engen,  mit  Rädern, 
Schrauben,  Retorten  und  allen  möglichen  Naturalien  vollgestopf- 
ten   Studierzimmers   Blatt  auf  Blatt  bedeckte   mit  kleinen,  ver- 


—     204     — 

schnörkelten,  in  Spiegelschrift^)  von  rechts  nach  links  geschrie- 
benen Schriftzeichen,  dann  ahnten  wohl  kaum  die  nächsten  Ver- 
trauten, welche  Schätze  an  wissenschaftlicher  Erkenntnis  diese 
Hieroglyphen  bargen.  Was  L'ionardo  einst  zu  geben  hoffte, 
das  zeigen  uns  die  klaren  Dispositionen,  mit  denen  er  den  Inhalt 
seiner  Bücher  skizziert.  Fertig  wurde  keines.  Was  er  hinterließ, 
war  nichts  anderes  als  eine  ungeheure  Menge  von  kaum  not- 
dürftig geordneten  Materialien  und  Fragmenten.  Als  verstüm- 
melte Bruchstücke  wiederum  jener  Fragmente  müssen  wir  leider 
die  auf  uns  überkommene  Erbschaft  bezeichnen.  Noch  ist  die 
Entzifferung  nicht  völlig  beendet.  Was  heute  bekannt  ist,  hat 
trotzdem  vollauf  genügt,  um  der  staunenden  Nachwelt  zu  be- 
weisen, daß  in  dem  Schöpfer  des  Abendmahls,  der  Mona  Lisa 
und  der  heiligen  Anna  Selbdritt  ein  ganz  eminenter  Natur- 
forscher gesteckt  hat.  So  überragend  an  Kenntnissen,  so  klar, 
fast  modern  in  der  Methodik,  so  selbständig  in  bezug  auf  den 
allgemeinen  Standpunkt  tritt  er  uns  entgegen,  daß  wir  uns  sagen 
müssen:  Dies  Universalgenie  wäre  berufen  gewesen,  ein  gewal- 
tiger Bahnbrecher  auch  auf  dem  Felde  der  Naturwissenschaften 
zu  werden,  —  hätte  er  seine  literarischen  Werke  vollendet  und 
hinausgeschickt,  und  hätte  man  hoffen  dürfen,  daß  die  Zunft- 
gelehrten weitblickend  genug  gewesen  wären,  mit  dem  Outsider 
einen  Riesenschritt  hinaus  zu  wagen  aus  der  altgewohnten  Bahn. 
Werfen  wir  einen  flüchtigen  Blick  auf  den  Lebensweg  des 
großen  |Florentiners,  so  sehen  wir  den  Hang  zur  Naturbetrach- 
tung schon  frühzeitig  hervortreten.  Das  Schicksal  hat  Lionardo, 
dessen  phänomenal  allseitige  Begabung  es  ihm  freigestellt  hätte, 
jede  beliebige  Karriere  mit  fast  gleicher  Aussicht  auf  Erfolg 
einzuschlagen,  in  die  Künstlerlaufbahn  geworfen.  So  werden  denn 
diejenigen  Betätigungen,  die  seiner  stärksten  und  innersten  Nei- 
gung entsprechen,  zunächst  in  den  Dienst  der  Kunst  gestellt. 
Der  Maler  muß  Bescheid  wissen  mit  Optik  und  Perspektive,  er 
muß  Kenntnis  haben  vom  Bau  des  Menschen,  der  Tiere  und  der 
Pflanzen.  So  vertieft  sich  Lionardo  in  physikalische  Probleme, 
in  anatomische,  zoologische,  botanische  Studien.  Er  experimen- 
tiert, er  seziert,  er  liest  die  Werke  der  Gelehrten.  Überall  stößt 
er,  der  sich  mit  keiner  Phrase  begnügt,   der  sich  auf  seine  kla- 

*)  Die  bekannte  Linkshändigkeit  Lionardos  erklärt  seine  Vorliebe  für 
die  Spiegelschrift  so  ungezwungen,  daß  man  nicht  recht  versteht,  warum 
man  so  viel  nach  sonstigen  Motiven  hierfür  gesucht  hat. 


—    205    — 

ren  fünf  Sinne  mehr  verläßt  als  auf  die  Behauptungen  von  zehn 
Autoritäten,  auf  klaffende  Lücken.  Von  unzähligen  Dingen  der 
Natur,  die  ihm  im  allerhöchsten  Maße  der  Erforschung  wert 
scheinen,  weiß  die  Wissenschaft  seiner  Zeit  ihm  nichts  zu  sagen. 
So  beginnt  er  denn  auf  eigene  Hand  zu  forschen  und  die  Re- 
sultate seiner  Beobachtungen  zu  sammeln.  Immer  noch  sucht  er 
sich  selber  einzureden,  daß  dies  alles  keinem  anderen  Ende  diene, 
als  ihm  den  Weg  zu  ebenen  zur  Erlangung  der  höchsten  Meister- 
schaft in  der  Malerei.  In  Walirheit  ist  ihm  die  Betrachtung  des 
Lebens  in  der  Natur  und  die  Ergründung  der  Gesetze,  nach  denen 
es  sich  vollzieht,  längst  reiner  Selbstzweck  geworden.  Als  der 
Ruf  Lionardos  im  Zenit  steht,  als  ihn  die  besten  Maler  seiner 
an  Talenten  so  überreichen  Epoche  rückhaltlos  als  ihren  unüber- 
trefflichen Lehrmeister  anerkennen,  da  gönnt  er  seiner  Kunst  in 
seinem  innersten  Herzen  nur  noch  einen  bescheidenen  Winkel. 
Unaufhaltsam  ist  er  in  aller  Stille  hinübergeglitten  auf  das  Ge- 
biet der  Wissenschaft.  Ihr  gehört  er  an  mit  Leib  und  Seele. 

Versuchen  wir  nun,  diesen  merkwürdigen  Entwicklungsgang 
mehr  im  einzelnen  zu  verfolgen,  so  erscheint  schon  der  Umstand 
nicht  ohne  Bedeutung,  daß  Lionardo  auf  dem  Lande  heran- 
wuchs. Vinci  bei  Empoli,  ein  florentinisches  Bergörtchen,  ist  der 
Tummelplatz  seiner  ersten  Kinderjahre.  Hier  fand  sich  Gelegen- 
heit genug  zum  Streifen  durch  Wald  und  Flur,  und  was  es  an 
lebloser  Natur  wie  an  Pflanzen  und  Getier  nur  irgend  zu  beob- 
achten gab,  hat  der  schöne,  blonde  Knabe  sicherlich  mit  seinen 
neugierigen,  hellen,  blauen  Augen  betrachtet  und  untersucht,  sehr 
bald  auch,  wie  wir  wissen,  so  gut  er  konnte,  gezeichnet.  Den 
ersten  systematischen  Unterricht  läßt  ihm  der  Vater,  der  junge 
Notar  Ser  Piero,  der  den  illegitimen  Sproß  bald  nach  der  Ge- 
burt ganz  in  seine  Familie  aufgenommen  hat,  in  der  hochange- 
sehenen „Scuola  d'Abbaco"  in  Florenz  erteilen.  Die  Republik 
war  damals  an  Gelehrten  von  Ruf  nicht  minder  reich  wie  an 
Künstlern.  Lionardos  Geburt  (1452)  und  Kindheit  fällt  ja  gerade 
in  die  Mitte  des  Quattrocento,  in  eine  Epoche  also,  in  der  sich 
in  Florenz  jede  Art  schöngeistiger  Kultur  unter  dem  Mäzenaten- 
tum des  Cosimo  De  Medici  zu  vollster  Blüte  entfaltet  hatte. 

Neben  dem  durch  die  Humanisten  neubelebten  Studium  der 
alten  Sprachen  hatten  sich  damals  Mathematik  und  Physik 
besonderer  Pflege  zu  erfreuen.  Diesen  Fächern,  die  er  in  seinen 
Schriften  immer  wieder  als  die  unentbehrliche  Grundlage  aller 


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1.  Lionardo  da  Vinci,  Selbstbildnis  (verkleinert).  Kg).  Bibliothek  zu  Turin. 


—     207     — 

Naturerkenntnis  bezeichnet,  widmet  sich  denn  auch  Lionardo 
von  Anbeginn  mit  voller  Hingabe.  Unter  seinen  Lehrern  nennt 
man  den  berühmten  Benedetto  dell'Abbaco.  Sicher  von 
Einfluß,  wenn  auch  wohl  erst  etwas  später,  waren  außerdem  der 
große  Physiker  Paolo  dal  Pozzo  Toscanelli,  dessen  Theo- 
rien, wie  man  sagt,  Columbus  den  Anstoß  gaben  für  seine  er- 
sten Reisen  zur  Entdeckung  des  direkten  Seeweges  nach  Ost- 
indien, desgleichen  der  bedeutende  Mathematiker,  Physiker  und 
Architekt  Leon  Battista  Alberti. 

Das  frühzeitig  hervortretende  ausgesprochene  Zeichentalent 
wird  für  die  Berufswahl  bestimmend.  Ser  Piero  bringt  den 
vierzehnjährigen  Sohn  in  die  Werkstatt  des  Verrocchio.^)  Der 
Schüler  findet  bei  diesem  Lehrer,  dessen  Herz  er  durch  die  nicht 
alltägliche  Vereinigung  von  außerordentlicher  Begabung  und  per- 
sönlicher Liebenswürdigkeit  sehr  bald  gewinnt,  für  seine  spezi- 
ellen Neigungen  volles  Verständnis.  Meister  Andrea  ist  als 
Praktiker  in  allen  Sätteln  gerecht,  er  leistet  Treffliches,  nicht 
nur  als  Bildhauer  und  Maler,  sondern  auch  als  Holzschnitzer  und 
Goldschmied.  Er  hat  aber  auch  eine  wahre  Leidenschaft  für  die 
Theorie  und  liebt  das  Studium  der  Optik  und  Perspektive  über 
alles.  Lehrling  und  Meister  scheinen  demnach  wie  füreinander 
geschaffen.  Auch  Lionardo  warnt  ja  stets  vor  Einseitigkeit, 
auch  er  strebt  unermüdlich  nach  theoretischer  Erkenntnis.  Zu- 
nächst halten  Theorie  und  Praxis  einander  die  Wage.  Die  Natur- 
wissenschaft gilt  ihm  noch  als  Dienerin  seiner  hohen  Kunst,  der 
Malerei,  die  er  aber  gerade  darum  —  und  das  ist  sehr  charak- 
teristisch —  so  hoch  über  alle  anderen  stellt,  weil  es  ihre  Auf- 
gabe sei,  Nachahmerin  zu  sein  der  gesamten  Natur. ^)  Sein  gründ- 
liches Wissen  auf  dem  Gebiete  der  Optik  gestattet  ihm  eine 
Beherrschung  der  Perspektive  auf  seinen  Bildern,  wie  man  sie 
vordem  kaum  gesehen.     Der    Hang  aber  zur  Betrachtung  der 


^)  Man  kennt  den  Schöpfer  des  weltberühmten  Colleoni-Standbildes  vor 
allem  unter  diesem  Beinamen.  Er  führte  denselben  nach  seinem  Lehrer  in 
der  Goldschmiedekunst.  Er  selbst  hieß  Andrea  di  Michele  di  Francesco 
Cioni.  Die  Künstler  jener  Epoche,  die  meist  aus  dem  Volke  stammten  und 
in  ihrer  sozialen  Stellung  als  Handwerksmeister  galten,  wurden  in  der  Regel 
mit  ihrem  Taufnamen  genannt,  dem  man  zur  näheren  Bezeichnung  gern  einen 
Beinamen,  oft  eine  Art  Spitznamen  hinzufügte.  In  der  Kunstgeschichte  hat 
sich  dann  bald  die  eine,  bald  die  andere  der  beiden  Benennungen  als  Haupt- 
name für  die  berühmtesten  Meister  eingebürgert. 

■^)  Man  vergleiche  die  einleitenden  Kapitel  im  „Buche  über  die  Malerei". 


—    208    — 

belebten  Natur  spricht  sich  aus  in  der  liebevollen  Behandlung 
des  landschaftlichen  Hintergrundes.  In  einer  prächtigen,  eine 
Gegend  im  lucchesischen  Apennin  darstellenden  Zeichnung^)  tritt 
uns  Lionardo  sogar  als  reiner  Landschafter  entgegen  —  etwas 
Unerhörtes  in  jener  Epoche.  Einen  noch  schärferen  Hinweis  aber 
auf  den  wissenschaftlichen  Beobachter  der  Flora  und  Fauna  gibt 
uns  die  Ausführung  der  einzelnen  Pflanzen,  Bäume  und  Tiere. 
Wenn  wir  die  entzückende  Veilchengruppe  auf  einem  der  Pariser 
Blätter^')  oder  die  Sumpfdotterblume  und  die  Anemone  auf  einer 
Handzeichnung  von  Windsor  betrachten,  so  sagen  wir  uns  un- 
willkürlich: Auf  diesem  Pflänzlein  hat  der  Blick  eines  Malers 
geruht,  der  zugleich  ein  Botaniker  war.  Für  die  Freude  an  dem 
Leben  der  Tierwelt  zeugt  die  Vorliebe,  mit  der  Lionardo  nicht 
nur  Pferde,  Katzen  und  Hunde,  sondern  auch  Löwen,  Leoparden, 
Kamele  und  andere  fremdländische  Tiere  in  den  verschiedensten 
Körperstellungen  gezeichnet,  gelegentlich  auch  gemalt  hat. 

Schon  in  jenen  Lehr-  und  jüngeren  Meisterjahren  widmet 
sich  das  heranreifende  Genie  nicht  nur  den  sämtlichen  bildenden 
Künsten  und  der  Architektur ;  er  nutzt  seine  umfassenden  Kennt- 
nisse in  der  Physik,  vor  allem  in  der  Mechanik,  auch  dazu  aus, 
um  sich  zu  einem  überaus  vielseitigen  Ingenieur  und  techni- 
schen Erfinder  auszubilden.  Aus  Nützlichkeitsgründen  bevor- 
zugt er  dabei  Pestungsbau  und  Geschützwesen,  sowie  alle  Zweige 
der  Wasserbautechnik.  So  kann  er  sich  ohne  Übertreibung,  als 
es  ihm  trotz  aller  rasch  wachsenden  Berühmtheit  in  Florenz  nicht 
gelingt,  auf  den  grünen  Zweig  zu  kommen,  dem  Ludovico 
Sforza  jil  Moro,  der  ihn  nach  Mailand  zu  rufen  geneigt  ist, 
in  einem  oft  zitierten  Schreiben'^)  als  einen  wahren  Tausend- 
künstler empfehlen. 

Als  der  Moro  ihn  dann  wirklich  in  seinen  Dienst  übernimmt, 
nähert  Lionardo  sich  den  Dreißig.  Mailand  wird  so  der  Boden, 
auf  dem  sein  in  voller  Entfaltmig  begriffenes  Ingenium  ein  schon 
sehr  beträchtliches  Wissen  und  Können  zu  unerhört  allseitiger 
Meisterschaft  steigert.  Fast  noch  bewundernswerter  muß  es  uns 
dünken,  wie  er  gleichzeitig  seine  Persönlichkeit  in  jenem  von 
wilden  Leidenschaften  durchtobten,  unbändigen  Zeitalter  zu  einem 


')  Handzeichnung  mit  der  Aufschrift  „Di  di  Sta  Maria  della  neve  addj 
5  dagosto  1473."  Florenz,  Uffizien. 
^)  Manuscr.  B.  de  l'Institut. 
^)  Codex  Atlanticus,  Pol.  382.  Ambrosiana  zu  Mailand. 


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so  wahrhaft  vornehmen,  so  sicher  m  sich  ruhenden  Charakter  ent- 
wickelt, daß  er  wie  ein  antiker  Philosoph  erscheint  und  niemand 
ihm  anders  als  mit  Achtung  zu  begegnen  wagt. 

Als  Maler  schafft  Lionardo  in  Mailand  in  dieser  seiner 
Blütezeit  das  weltberühmte  Abendmahl  in  Santa  Maria  delle 
Grazie.  Der  Bildhauer  konstruiert  in  jahrelangem  Ringen  das 
Riesenmodell  zu  einem  Reiterstandbild  für  Ludovicos  Vater, 
den  einstigen  Condottiere,  dann  Herzog  Francesco  Sforza. 
Was  kann  für  diesen  Ausbund  an  Gründlichkeit  charakteristischer 
sein,  als  daß  er  eine  Anatomie  des  Pferdes  schreibt,  ehe  er  mit 
seinen  Entwürfen  beginnt !  Hier  geht  wohl  neben  dem  vermeint- 
lichen bloßen  Streben  nach  völliger  Beherrschung  des  Problemes 
auch  schon  der  Zoologe  mit  dem  Künstler  durch.  Auf  einen  sehr 
modernen  Zweig  der  Naturwissenschaften  führt  den  Meister  seine 
rege  Betätigung  im  Tiefbau.  Beim  Graben  der  Kanäle  gewinnt 
er  einen  Einblick  in  die  Schichtungen  der  Erdrinde.  Zahlreiche 
Versteinerungen  werden  zutage  gefördert.  So  sammelt  er  sich 
das  Beobachtungsmaterial,  auf  Grund  dessen  er  jene  kühnen 
Theorien  über  die  Geschichte  unseres  Planeten  und  seiner  Be- 
wohner aufzustellen  wagt,  mit  denen  er  seiner  Zeit  um  Jahr- 
hunderte vorauseilte. 

Die  Mitwelt  bewundert  und  begreift  in  Lionardo  da  Vinci 
den  Maler  und  Bildhauer,  den  Architekten,  der  im  Rate  der  den 
Dombau  zu  Mailand  leitenden  Baumeister  eine  gewichtige  Stimme 
hat,  den  Festungsingenieur,  Artillerie-Inspekteur  und  Kanalbauer, 
desgleichen  den  geschätzten  Festarrangeur,  Musiker,  Fabel-  und 
Schwankdichter  und  D  a  n  t  e  -  Interpreten.  Was  der  fast  unheim- 
liche Alleskönner  aber  treibt,  wenn  er  sich  in  seinen  vier  Wän- 
den wie  ein  Faust  hinter  Folianten  und  sonderbaren  Instrumenten 
vergräbt,  das  ahnt  die  Menge  so  wenig,  daß  sie  ihn  mehr  und 
mehr  für  eine  Art  Zauberer  und  Schwarzkünstler  hält  —  ihn, 
der  jeden  Mystizismus  mit  den  schneidigen  Waffen  der  Logik 
bekämpft,  Nekromantie  und  Astrologie  stets  als  Humbug  und 
Torheit  bezeichnet  und  bedauert,  daß  die  Alchymisten,  denen 
die  ernste  Wissenschaft  so  manche  wichtige  Entdeckung  ver- 
danke, kein  vernünftigeres  Ziel  verfolgten  als  die  gänzlich  aus- 
sichtslose Goldmacherei.  Sucht  aber  ein  berühmter  Physiker, 
Mathematiker,  Geograph  oder  Astronom  die  Bekanntschaft  des 
großen  florentiner  Malers,  so  merkt  er  sehr  bald  mit  wachsen- 
dem Staunen:   der  Mann,  mit  dem  er  disputiert,  das  ist  kein  in 


—     211     — 

den  Wissenschaften  dilettierender  Künstler,  das  ist  ein  echter 
schwerer  Gelehrter,  nur  längst  hinausgewachsen  durch  eigenes 
Forschen  an  der  Quelle  über  die  engen  Grenzen  der  traditionel- 
len Zunftgelelirsamkeit. 

An  Ludovico  il  Moro,  der  von  dem  brutalen  Condottiere, 
seinem  Vater,  wohl  eine  gute  Portion  Schlauheit  und  die  skrupel- 
lose Moral,  doch  ohne  dessen  großzügiges  Draufgängertum,  er- 
erbt hat,  hat  Lionardo  nicht  gerade  einen  kongenialen  Patron. 
Immerhin  hat  Mailand  dem  tatendurstigen  Geiste  fast  zwei  De- 
zennien hindurch  ein  breites  Wirkungsfeld  geboten.  Als  Moros 
Macht  zusammenbricht,  da  schwankt  auch  unter  den  Füßen  des 
herzoglichen  „Kammerherren"  Lionardo  der  Boden.  Es  hebt 
ein  ruheloses  Pilgern  an  von  Ort  zu  Ort.  Erst  finden  wir  un- 
seren Meister  in  Venedig,  wo  er  Ebbe  und  Flut  studiert.  Dann 
begegnet  er  uns  als  oberster  Inspekteur  des  gesamten  Festungs- 
wesens im  Gefolge  der  glänzenden  Bestie  Cesare  Borgia  — 
dem  Reinen  ist  alles  rein.  Wiederholt  weilt  er  in  Florenz,  der 
alten  Vaterstadt,  wiederholt  in  Rom.  Doch  hier  herrscht  der 
Buonarotti,  und  Michelangelo  ist  nicht  der  Mann,  um  mit 
dem  älteren,  ihm  unter  allen  als  Künstler  allein  ebenbürtigen,  als 
Mensch  recht  weit  überlegenen  Rivalen  eine  Goethe-Schiller- 
Freundschaft  zu  schließen.  Endlich  treffen  wir  Lionardo  noch- 
mals in  Mailand,  jetzt  im  Dienste  des  allerchristlichsten  Königs, 
Ludwigs  XII.  von  Frankreich.  Überall  hat  er  experimentiert, 
Leichen  seziert,  Himmel  und  Erde,  Wind  und  Wetter  beobachtet, 
gelehrte  Werke  gelesen  und  unzählige  Blätter  mit  Figuren  be- 
deckt und  mit  seiner  Spiegelschrift  bekritzelt.  Auch  die  Mona 
Lisa  ist  noch  entstanden  und  hie  und  da  ein  anderes  Bild.  Doch 
immer  schwerer  wird  es  jetzt,  wo  sein  Ruf  als  Maler  im  Zenit 
steht,  ein  Werk  von  seiner  Hand  zu  erhalten.  Immer  wieder 
läßt  seine  treue  Gönnerin,  die  Markgräfin  Isabella  Gonzaga 
von  Mantua,  durch  den  Generalvikar  Pietro  di  Nuvolaria 
bei  Lionardo,  der  eben  in  Florenz  weilt,  schüchtern  anklopfen, 
ob  er  wohl  eine  kleine  Tafel  für  sie  zu  malen  bereit  sei.  Stets 
gibt  es  Ausflüchte,  und  Nuvolaria  schreibt  an  Isabella:  „Im 
ganzen  haben  seine  mathematischen  Experimente 
ihn  so  sehr  vom  Malen  abgezogen,  daß  er  den  Pinsel 
nicht  mehr  leiden  kann."  Der  Wandlungsprozeß  vom  Künst- 
ler zum  Forscher,  dem  nachzugehen  wir  hier  bemüht  sind,  wird 
also   schon  damals  von  intelligenten  Beobachtern  klar  erkannt. 

14* 


—    212    — 

Wie    sehr   hätte    man    Lionardo   für   seinen   Lebensabend 
einen   Nobelpreis  wünschen   mögen,   der  ihn  ökonomischer  Sor- 
gen überhob.   Verdient  hätte  er  sie  alle  miteinander,  sogar  den 
Friedenspreis;    er,    der    für    eine    Schlacht    keinen    treffenderen 
Ausdruck   fand   als    „höchst  bestialische  Raserei",   der  in  seiner 
Anatomie   darauf  hinweist,  welches  Verbrechen  es  sei,  einen  so 
wunderbar   feinen   Mechanismus   wie    den   menschlichen   Körper 
roh   zu   zerstören^),   dessen  Leben  hingeht   im   Kampf  für  Auf- 
klärung und  wahre  ethische  Kultur.    So  gut  ward  es  ihm  nicht. 
Teils  an  der  immer  bitterer  werdenden  Sorge  um  eine  gesicherte 
Existenz,  teils  an  der  fast  übermenschlichen  Höhe  der  Ziele,  die 
seine  Prometheusnatur  sich  gesteckt,  zerrieb  sich  die  ursprüng- 
lich eiserne  Konstitution  des  alternden  Mannes.  Wohl  hat  seine 
Philosophie   ihn   ausgerüstet   mit   der   edlen  Waffe   der  Geduld: 
„Die  Geduld  macht  es  mit  den  Kränkungen  nicht  anders,  als  es 
die  Gewänder  mit  der  Kälte  machen,"  —  so  lesen  wir  auf  einem 
seiner  Blätter  —  „indem,  wenn  du  dir  die  Gewänder  vermehrst, 
je    nach   Vermehrung   der   Kälte,    selbige   Kälte   dir  nicht   wird 
schaden  können ;  gleicherweise,  gegenüber  den  großen  Kränkun- 
gen erhöhe  die  Geduld,  und  selbige  Kränkungen  werden  deinen 
Geist  nicht  verletzen  können."     Doch   der  Prüfungen  werden  es 
gar  zu  viele.     Endlich  winkt  fern  von  der  Heimat  die  so  lange 
ersehnte    Ruhe.     Franz   I.   von  Frankreich   zieht   den  von   ihm 
hochverehrten  Meister  an  seinen  Hof.  Das  Schlößchen  Cloux  bei 
Amboise  wird  sein  Alterssitz.    Zu  spät!    Die  besten  Kräfte  sind 
verbraucht,   nur  noch  zwei  kurze  Jahre  sind  dem  müden  Greise 
beschieden.    Im  Jahre  1519  ist  auch  für  ihn  jenes  Ziel  erreicht, 
dem,  wie  er  sagt,  alles  Lebendige  unbewußt  zustrebt:  „Und  der 
Mensch,  der  mit  unaufhörlichem  Verlangen  immer  voll  Festlich- 
keit den  neuen  Frühling  erwartet  und  immer  den  neuen  Sommer 
und   immer   die   neuen  Monde  und  neuen   Jahre,   wobei  es  ihm 
scheint,    als    ob   die   ersehnten  Dinge  im  Kommen  viel  zu  lang- 
sam  seien   —   und   merkt  nicht,   daß  er  seine  eigene  Auflösung 
wünscht." 

Alles,  was  an  Manuskripten  und  Handzeichnungen  Lionar- 


>)  „E  tu,  omo,  che  consider!  in  questa  mia  fatica  Fopere  mirabili  della 
natura,  se  giudicherai  esser  cosa  nefanda  il  distruggerla,  or  pensa  esser  cosa 
nefandissima  il  torre  la  vita  deH'omo,  del  quale,  se  questa  sua  composizione 
ti  pare  di  maraviglioso  artifizio,  pensa  questa  essere  nulla  rispetto  all'anima 
che  in  tale  architettura  abita." 


^11    mil      iiiBii  II    -  n — nTmnmnTitr^Tr"*" 


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3.  Igelkolben  (wenig  verkleinert).    Kgl.  Schloß  zu  Windsor. 


—     214    — 

dos  zur  Zeit  seines  Todes  in  Frankreich  vorhanden  ist,  erbt  sein 
Schüler  und  vertrauter  Freund  Francesco  Melzi.  Solange  er 
lebt,  wird  der  Schatz  getreulich  beschützt.  Kaum  aber  hat  er, 
hochbetagt,  (1570)  die  Augen  geschlossen,  da  beginnt  schon  das 
Schicksal  an  dem  literarischen  Werke  des  großen  Florentiners 
das  gleiche  tückische  Spiel  zu  üben  wie  an  den  Erzeugnissen 
seiner  Kunst.  Den  Erben  Melzis  fehlt  jedes  Verständnis  für  den 
Wert  des  Schatzes,  den  ein  Zufall  ihnen  in  die  Hände  gespielt 
hat.  Für  die  Mehrzahl  jener  Blätter  voller  Weisheit,  in  denen 
es  von  neuen,  wichtigen  Entdeckungen  wimmelt,  beginnt  eine 
Reihe  förmlicher  Odysseusirrfahrten,  ehe  sie  endlich  in  den  Hafen 
öffentlicher  und  privater  Bibliotheken  landen,  oft  nach  schwerer 
Havarie.  Hier  verträumen  sie  dann  wieder  Jahrhunderte  in  tiefem 
Dornröschenschlafe.  Unserer  Zeit  erst  war  es  vorbehalten,  sie 
zu  neuem  Leben  zu  erwecken. 

Liefern  uns  nun  die  endlich  entzifferten  Manuskriptfragmente 
wirklich  den  Beweis,  daß  Lionardo  da  Vinci  ein  großer  Na- 
turforscher war?  —  und,  falls  dem  so  ist,  worin  überragt  er  als 
solcher  seine  Zeitgenossen? 

Wir  wollen  zunächst  einmal  ein  beliebiges  Beispiel  heraus- 
greifen. Man  weiß,  daß  die  Wissenschaften  der  Geologie  und 
Paläontologie  erst  auf  eine  verhältnismäßig  recht  junge  Ge- 
schichte zurückblicken.  Im  fünfzehnten  Jahrhundert  gar,  da 
kannte  man  für  die  Entstehung  von  Petrefakten  nur  zwei  Mög- 
lichkeiten der  Erklärung.  Entweder  war  dieses  muschel-,  krebs- 
oder  fischähnliche  Steingebilde  ein  durch  besondere  „Konstella- 
tionen" hervorgerufenes  „Spiel  der  Natur",  oder  es  handelte 
sich  um  eine  Verschleppung  durch  die  Sintflut.  Hören  wir  nun 
Lionardo!  Er  hat  von  der  unaufhaltsam  fortschreitenden  Auf- 
füllung der  Meere  durch  die  Geröll-  und  Schlammassen  der  Flüsse 
gesprochen  und  die  Vermutung  geäußert,  daß  das  Mittelländische 
Meer  einst  zu  einem  bloßen  Nilbette  einschrumpfen  könnte.  Dann 
fährt  er  fort:')  „Der  Mittelländische  Busen,  als  Binnensee,  emp- 


*)  Für  die  Zitate  benutze  ich  in  der  Regel,  soweit  mir  nicht  der  Urtext 
bzw,  dessen  Übertragung  ins  moderne  Italienisch  zur  Verfügung  stand,  die 
Übersetzung  von  Marie  Herzfeld.  Das  vortreffliche  Buch  der  Verfasserin 
„Lionardo  da  Vinci,  der  Denker,  Forscher  und  Poet'',  2.  Aufl.  Jena  1906, 
kann  jedem,  der  sich  für  Lionardo  als  Mann  der  Wissenschaft  interessiert, 
aufs  wärmste  empfohlen  werden. 


—     215     — 

fängt  die  Hauptgewässer  von  Afrika,  Asien  und  Europa,  die  ihm 
zugewendet  sind ;  seine  Wasser  erreichten  (einst)  den  Fuß  der 
Berge,  die  ihn  umgaben  und  ihm  ein  Gestade  bildeten,  und  die 
Gipfel  des  Apennin  standen  in  selbigem  Meer  in 
Form  von  Inseln,  umgeben  von  salzigem  Wasser, 
und  auch  Afrika  drinnen  bei  seinem  Atlasgebirge  zeigte  nicht 
dem  Himmel  entblößt  den  Boden  seiner  großen  Ebenen  von  etwa 
3000  Meilen  Länge,  und  Memphis  lag  an  der  Küste  solchen  Mee- 
res, und  auf  den  Ebenen  Italiens,  wo  heute  die  Vögel 
in  Scharen  fliegen,  pflegten  die  Fische  in  großen 
Rudeln  zu  wandern."  Zwar  gäbe  es,  da  die  Dinge  älter  seien 
als  die  Wissenschaft,  keine  Urkunden,  die  fih'  Obiges  zeugten. 
„Aber  uns  genügen  die  Zeugnisse  der  Dinge,  die  in 
salzigem  Wasser  geboren,  sich  auf  den  hohen  Ber- 
gen finden,  weit  von  den  Meeren  von  damals  ent- 
fernt." Von  Veränderungen  der  Erdoberfläche  durch  katastro- 
phale Vorgänge  hören  wir  nichts,  dagegen  entwickelt  er  die 
Entstehung  der  Sedimentgesteine  mit  großer  Schärfe.  Die  Fal- 
tungen der  Lagen,  die  ihm  nicht  entgangen  sind,  erklärt  er  sich 
durch  Schwerpunktsverschiebungen  in  Folge  der  Wechselwirkung 
von  Auflagerung  und  Abtragung  durch  die  Flüsse,  die  „Verzehrer 
der  Seiten  selbiger  Berge."  Mit  Entschiedenheit  bekämpft  er  die 
beiden  landläufigen  Erklärungen  für  die  Bildung  von  Versteine- 
rungen: „Und  wenn  du  sagen  wolltest,  daß  die  Muscheln  in  dem 
Gebirge  von  der  Natur  durch  die  Konstellationen  der  Sterne  her- 
vorgebracht seien,  auf  welchem  Weg  würdest  du  zeigen,  bringt 
solche  Konstellation  die  Muscheln  von  verschiedenem  Alter  und 
verschiedener  Gattung  in  der  gleichen  Gegend  hervor?  —  Und 
wie  würdest  du  mir  den  Kies  erklären,  der  in  verschiedener 
Höhe  der  hohen  Berge  in  Stufen  zusammengebacken  ist,  warum 
hier,  und  aus  verschiedenen  Regionen,  Kies,  vom  Lauf  der  Flüsse 
aus  verschiedenen  Ländern  in  diese  Gegend  gebracht?  Und  dieser 
Kies  ist  nichts  anderes  als  allerlei  Stücke  aus  Stein,  welche  durch 
das  ewige  Um-  und  Umdrehen  und  durch  verschiedene  Stöße  und 
Stürze,  die  sie  durch  den  Lauf  der  Gewässer  erlitten,  welche  sie 
an  solchen  Ort  brachten,  die  Ecken  verloren  haben.  —  Wie  kannst 
du  die  große  Anzahl  Gattungen  von  Blättern  klarlegen,  die  in 
den  hohen  Felsen  solcher  Berge  eingebettet  sind,  und  die  Alge, 
eine  Meerespflanze,  die  mit  Muscheln  und  Sand  vermischt  lie- 
gend vorhanden  ist?  Und  so  wirst  du  allerlei  Versteinerung  zu- 


'<».Ä*"*f"'j'*^''**^  "*^1  '^" 


4.  Tierstudien  (verkleinert).  Kgl.  Schloß  zu  Windsor.  Nach  einem  Kohledruck 
von  Braun  &  Co.,  Dornach  i.  E. 


—    217     — 

sammen  mit  Seekrebsen  sehen,  die  in  Stücke  zerbrochen,  getrennt 
und  mit  jenen  Muscheln  vermischt  sind." 

An  anderen  Stellen  wendet  sich  Lionardo  ebenso  bestimmt 
gegen  die  Sintfluttheorie :  „Wenn  du  sagtest,  daß  die  Muscheln, 
die  man  in  unseren  Tagen  innerhalb  der  Grenzen  Italiens  weit 
von  den  Meeren  in  solcher  Höhe  findet,  von  der  Sintflut,  die  sie 
dort  ließ,  zurückgeblieben  seien,  antworte  ich  dir,  nachdem  du 
glaubst,  die  Sintflut  habe  den  höchsten  Berg  um  7  Ellen  über- 
troffen, wie  er  schrieb,  der  sie  gemessen  hat:  Dergleichen  Mu- 
scheln, die  stets  in  der  Nachbarschaft  der  Seeküste  leben,  sie 
mußten  ganz  droben  auf  den  Bergen  bleiben  und  nicht  bloß  so 
wenig  über  der  Wurzel  der  Berge  überall,  Schicht  auf  Schicht, 
in  der  gleichen  Höhe.  Und  wenn  du  sagtest,  dergleichen  Mu- 
scheln seien  begierig,  den  Meeresküsten  nahe  zu  bleiben,  und 
daß,  als  es  in  solche  Höhen  wuchs,  die  Muscheln  ihren  ersten 
Sitz  verließen  und  dem  Anwachsen  des  Wassers  bis  zu  dessen 
letzter  Höhe  folgten:  hierauf  ist  zu  erwidern,  daß  die  Muscheln 
Tiere  von  nicht  hurtigerer  Bewegung  sind,  als  es  die  Schnecke 
ist  außerhalb  des  Wassers,  und  noch  etwas  langsamer  als  diese, 
weil  sie  nicht  schwimmen,  sondern  im  Gegenteil  eine  Furche  im 
Sande  machen  und  durch  die  Seiten  dieser  Furche,  auf  die  sie 
sich  lehnen,  in  einem  Tage  3-4  Ellen  wandern;  also  diese  wer- 
den mit  der  gleichen  Schnelligkeit  nicht  vom  Adriatischen  Meer 
bis  nach  Monferrato  in  der  Lombardei,  das  250  Meilen  entfernt 
ist,  in  40  Tagen  gegangen  sein,  wie  jener  schreibt,  der  selbige 
Zeit  gezählt  hat^);  und  wenn  du  sagst,  daß  die  Wellen  sie  hin- 
trugen, —  wegen  ihrer  Dicke  konnten  sie  sich  nicht  erhalten, 
außer  auf  dem  Boden; .  Und  wenn  du  sagst,  daß  die  Mu- 
scheln von  den  Wellen  getragen  wurden,  als  sie  leer  und  tot 
waren,  so  sage  ich,  daß,  wo  die  Toten  gingen,  sie  sich  wenig 
von  den  Lebenden  trennten,  und  daß  in  diesen  Bergen  alle  die 
Lebendigen  gefunden  werden,  die  man  leicht  erkennt,  weil  sie 
mit  gepaarten  Mänteln  versehen  sind,  und  sind  in  einer  Reihe, 
wo  es  keine  Toten  gibt,  und  ein  wenig  höher  werden  deren  ge- 
funden, wo  von  den  Wogen  alle  Toten  hingeschleudert  wurden, 
die  mit  getrennten  Schalen  nämlich, Und  wären  die  Mu- 
scheln von  der  trüben  Sintflut  hergetragen  worden,  so  hätten 
sie  sich,  getrennt  voneinander,  im  Schlamm  doch  gemischt,  und 

*)  In  diesem  Hinweis  auf  den,  der  alles  gemessen  und  gezählt  hat,  klingt 
die  feine  Ironie  des  Freidenkers  durch. 


—    218    — 

nicht  in  geordneten  Graden  zu  Schichten,  wie  man  sie  in  un- 
seren Tagen  sieht."  Schon  diese  kurzen  Exzerpte  aus  langen 
Reihen  von  Blättern  ähnlichen  Inhaltes  zeigen  mit  voller  Deut- 
lichkeit die  Art  von  Lionardos  Argumentation.  Aus  scharf 
beobachteten  Erfahrungstatsachen  zieht  er  logische  Schluß- 
folgerungen. 

Wie  stellt  sich  Lionardo  nun  die  Entstehung  der  Ver- 
steinerungen vor?  Zunächst  behauptet  er  mit  aller  Bestimmt- 
heit, daß  diese  versteinerten  Wesen  einst  gelebt  haben  müssen, 
und  zwar  dort,  wo  man  sie,  zu  Schichten  abgelagert,  heute  fin- 
det: „Wie  andere  Rotten  Unwissender  behaupten,  die  Natur  oder 
die  Himmel  hätten  sie  durch  himmlische  Einflüsse  an  solchen 
Orten  geschaffen,  als  ob  sich  an  solchen  nicht  das  Skelett  von 
Fischen  fände,  die  in  der  Länge  der  Zeit  gewachsen  waren,  als 
ob  man  an  den  Schalen  der  Muscheln  und  Schnecken  nicht  die 
Jahre  oder  die  Monate  ihres  Lebens  abzählen  könnte,  wie  an  den 
Hörnern  der  Ochsen  und  Hammel ."  Den  Versteinerungs- 
vorgang denkt  sich  Lionardo  für  die  Mollusken,  „wie  Muscheln, 
Schnecken,  Austern,  Jakobsmuscheln  und  ähnliche,  die  von  zahl- 
losen Arten  sind,"  etwa  folgendermaßen :  Angeschwollene  Flüsse 
überschütten  die  in  der  Nähe  der  Meeresküsten  lebenden  Mu- 
scheln mit  ihrem  Schlamm ;  die  Tiere  gehen  aus  Nahrungsmangel 
zu  Grunde.  „Als  das  Meer  mit  der  Zeit  sank  und  das  Salzwasser 
abgeflossen  war,  begann  jener  Schlamm  sich  in  Stein  zu  ver- 
wandeln und  die  Schalen  selbiger  Muscheln,  deren  Tiere  schon 
hinweggeschwunden,  wurden  anstatt  von  diesen  nun  von  Schlamm 
neu  angefüllt;  und  so,  bei  der  Umschaffung  all  des  Schlammes 
ringsum  in  Stein,  begann  auch  jener  Schlamm,  der  innerhalb 
der  etwas  geöffneten  Schalen  der  Muscheln  geblieben  und  durch 
diese  Öffnung  mit  dem  übrigen  Schlamm  verbunden  war,  sich 
in  Stein  zu  verwandeln,  und  so  blieben  alle  Rinden  solcher  Mu- 
scheln zwischen  zwei  Steinen,  d.  h.  zwischen  dem,  der  sie  um- 
schloß, und  dem,  welchen  sie  einschlössen :  wie  man  sie  noch  in 
vielen  Orten  auffindet  —  — ." 

In  Sachen  der  Sintflut  wagt  Lionardo  noch  einen  weiteren 
kühnen  Schritt.  Er  wirft  die  Frage  auf:  Kann  die  Sintflut, 
die  zu  Noahs  Zeiten  kam,  überhaupt  eine  allgemeine 
gewesen  sein?  —  und  er  muß  diese  Frage  verneinen.  „Wir 
haben  in  der  Bibel,  daß  vorbesagte  Flut  sich  aus  vierzig  Tagen 
und  vierzig   Nächten  fortgesetzten  und  allgemeinen  Regens  zu- 


—    219    — 

sammengesetzt  habe,  und  daß  solcher  Regen  um  sechs  Ellen  sich 
über  den  höchsten  Berg  des  Weltalls  erhob;  und  wenn  dem  so 
war,  daß  der  Regen  allgemein  gewesen  sein  würde,  so  beklei- 
dete er  dmxh  seine  Wasser  unsere  Erde  mit  sphärischer  Gestalt, 
und  die  sphärische  Oberfläche  hat  jeden  seiner  Teile  gleich  weit 
entfernt  vom  Zentrum  seiner  Sphäre;  daher,  befand  sich  die 
Sphäre  des  Wassers  in  der  Art  des  genannten  Umstandes,  so 
ist  es  unmöglich,  daß  das  Wasser  auf  ihr  sich  bewegte,  weil 
das  Wasser  in  sich  selber  sich  nicht  bewegt,  außer  es  steigt 
herab;  also,  das  Wasser  einer  solchen  Flut,  wie  ging  es  weg, 
wenn  hier  bewiesen  ist,  daß  es  keine  Bewegung  hatte?  Und 
wenn  es  wegging,  wie  bewegte  es  sich,  wenn  es  nicht  abwärts 
ging?  Und  hier  fehlen  die  natürlichen  Ursachen,  daher 
ist  es  notwendig  zum  Sukkurs  solchen  Zweifels  das  Wunder  zu 
Hilfe  zu  rufen  oder  zu  sagen,  daß  solches  Wasser  von  der  Hitze 
der  Sonne  weggedampft  wurde."  Als  er  das  Wort  „Wunder" 
niederschrieb,  da  mag  jenes  feine,  kluge,  leicht  ironische  Lächeln 
seine  Lippen  umspielt  haben,  das  uns  im  Gesichtsausdruck  der 
Mona  Lisa  so  merkwürdig  fesselt,  wohl  darum  zumeist,  weil 
wir  einen  Abglanz  darin  zu  erkennen  wähnen  vom  Geiste  ihres 
Schöpfers.  —  Er  hat  ja  die  gestellte  Frage  verneint,  er  braucht 
es  also  nicht  noch  zu  sagen,  daß  er  das  Wunder  nicht  zu  ak- 
zeptieren geneigt  ist. 

Welche  Fülle  sorgfältiger  Beobachtung,  welche  tiefe  Ge- 
dankenarbeit, welches  Vertrauen  zu  der  eigenen  Intelligenz  spricht 
sich  allein  in  jenen  wenigen  Blättern  aus,  herausgegriffen  aus 
den  Tausenden  und  Abertausenden,  die  er  hinterließ!  Hat  man 
nicht,  während  man  Obiges  liest,  nach  wenigen  Sätzen  den 
Maler  Lionardo  völlig  vergessen?  Muß  nicht  den  Paläon- 
tologen von  heute  die  Empfindung  überkommen,  als  reiche  ihm 
ein  Fachgenosse  über  vier  Jahrhunderte  hinweg  die  Hand! 

Ähnliches  haben  die  Anatomen  William  Hunter  und 
Blumenbach  gefühlt,  die  so  glücklich  waren,  als  die  ersten 
mit  dem  Auge  des  Fachmannes  alle  die  Hunderte  von  wunder- 
vollen anatomischen  Zeichnungen  Lionardos  betrachten  zu  dür- 
fen, die  man  in  Windsor  aufbewahrt.  Etwas  Maleranatomie  hatten 
sie  erwartet.  Was  sie  fanden,  das  waren  die  weit  in  der  Be- 
arbeitung vorgeschrittenen  Materialien  zu  einem  monumentalen 
Werke  über  wissenschaftliche  Anatomie  und  Physio- 
logie,  vollkommen   genügend,  um  den  Verfasser  zu  einem  der 


—     220     — 

größten  Anatomen  seines  Jahrhunderts  zu  stempeln.  Für  Hunter 
und  Blumenbach  war  der  Text  noch  ein  Buch  mit  sieben  Sie- 
geln. Trotzdem  war  es  ihnen,  als  sie  den  prachtvollen  Darstel- 
lungen des  Knochen-  und  Muskelsystems  die  kompliziertesten 
Nerven-  und  Gefäßpräparate  und  Abbildungen  der  verborgensten 
Eingeweide  folgen  sahen,  ohne  weiteres  klar,  daß  hier  der  reine 
Forschertrieb  den  Künstler  längst  über  seine  ursprünglichen 
Zwecke  hinausgedrängt  hatte.  Diese  Nervenplexus  gingen  den 
Maler  und  Bildhauer  genau  so  wenig  etwas  an  wie  die  ver- 
steinerten Muscheln  und  Krebse  den  Wasserbauingenieur.  Man 
durchblättere  den  „Mondino",  der  noch  lange  nach  Lionardo 
da  Vinci  als  anatomisches  Lehrbuch  im  Gebrauch  gewesen  ist, 
ein  kleines  Büchlein,  in  dem  auf  etwa  vierzig  Seiten  ohne  Illu- 
strationen im  wesentlichen  die  drei  Körperhöhlen  abgehandelt 
werden,  und  nun  schaue  man  hinein  in  die  beiden  Folianten  mit 
den  Faksimilereproduktionen  der  Blätter  Lionardos.  Selbst 
spätere,  bereits  illustrierte  Nachfolger  jenes  Lehrbuchs  und  diese 
erst  halbfertigen  Materialien  verhalten  sich  etwa  zueinander  wie 
die  Federzeichnungen  des  „kleinen  Moritz"  zu  dem  Porträt  der 
Gioconda.  In  dem  Texte,  der  uns  jetzt  in  der  Urform  wie  in  mo- 
dernem Italienisch  und  in  Französisch  vorliegt,  hört  man  gewiß 
hie  und  da  den  Künstler  heraus;  meist  aber  glaubt  man,  einen 
Anatomieprofessor  sprechen  zu  hören,  der  an  der  Hand  von  raf- 
finierten Demonstrationsmethoden,  wie  man  sie  vielfach  heute 
wieder  benutzt,  dem  Schüler  den  Bau  des  menschlichen  Körpers 
erläutert.  Stets  stellt  sich  dabei  der  Physiologe  neben  den  Ana- 
tomen. Man  weiß  zuweilen  nicht,  was  man  mehr  bewundern  soll: 
die  unglaubliche  Menge  positiven  Wissens  oder  den  Scharfsinn, 
der  für  jede  Eigentümlichkeit  im  Bau  eines  Organs  die  Bedeu- 
tung für  die  Funktion  zu  ergründen  sucht  und  oft  genug  schon 
richtig  erkennt. 

Wir  haben  gerade  in  dieser  seiner  Anatomie  vielleicht  den 
besten  Gradmesser  für  den  gewaltigen  Wissensdrang,  der  diesen 
Mann  beseelte.  Das  Sammeln  von  Pflanzen,  Tieren  und  Petre- 
fakten,  das  mochte  man  wohl  als  eine  Schrulle  belächeln,  aber 
man  hatte  keinen  Grund,  es  zu  hindern.  Lebende  Menschen 
räderte  und  vierteilte  man  in  der  guten  alten  Zeit  lebendig  auf 
offenem  Markte;  Tote  aber  aus  bloßer  Neugier  zu  zergliedern, 
das  war  damals  selbst  für  einen  Lionardo  da  Vinci,  den 
Hofarchitekten   und   Kriegsingenieur  des  Herzogs,  ein  nicht  un- 


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5.  Blutkreislauf  (verkleinert).    Kgl.  Schloß  zu  Windsor. 


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6.  Situs  viscerum  (stark  verkleinert).    Kgl.  Schloß  zu  Windsor. 


—     223     — 

gefährliches  Beginnen.  Aber  selbst,  wenn  der  erste  schwierige 
Schritt  gelungen,  die  Leiche  beschafft  war  und  Gefahr  nicht 
gerade  drohte,  so  war  doch  die  Arbeit  an  sich  eine  ganz  anders 
ungemütliche  Sache  wie  heute  ein  Sektionskurs  auf  dem  Prä- 
parierboden einer  Universität.  Inonardo  weiß  denn  auch  ganz 
genau,  daß  kein  anderer  sobald  wieder  imstande  sein  wird,  ana- 
tomische Kenntnisse  so  wie  er  an  der  Urquelle  eigener  Beob- 
achtung zu  erwerben.  Gerade  darum  will  er  seinen  Traktat  so 
überreich  illustrieren,  jeden  Teil  von  drei  bis  vier  verschiedenen 
Seiten  gesehen  darstellen,  die  Knochen  zudem  noch  durchsägt. 
Man  betrachte  seine  Serie  von  Schädelpräparaten.  Wie  schön 
werden  da  u.  a.  die  durch  zweckmäßige,  in  ilii'er  Führung  an 
einem  Ganzbilde  vorher  angedeutete  Schnitte  eröffneten  Neben- 
höhlen der  Nase  demonstriert,  Dinge,  die  man  wie  hundert  an- 
dere, die  ihm  ganz  geläufig  waren,  erst  nach  vielen  Generationen 
wieder  in  annähernd  gleicher  Korrektheit  behandelt  finden  sollte. 

„Und  hättest  du  auch  Lust  zu  dergleichen  Dingen",  —  so 
äußert  sich  Lionardo  über  die  Vornahme  von  Sektionen  — 
„so  könntest  du  durch  Ekel  daran  gehindert  werden.  Auch  Furcht 
könnte  dich  zurückhalten,  in  den  Stunden  der  Nacht  zu  hausen 
mit  diesen  toten  Menschenleibern,  aufgeschnitten  und  schrecklich 
anzuschauen.  Überwändest  du  auch  diese  Furcht,  so  möchte  dir 
vielleicht  die  Kunst  des  Zeichnens  mangeln  und  die  Wissenschaft 
der  Perspektive.  Könntest  du  aber  selbst  zeichnen,  so  verstehst 
du  vielleicht  nicht  die  Methode,  wie  man  berechnet  der  Muskeln 
Kraft  und  Stärke.  Auch  könnte  Ausdauer  dir  fehlen  und  Geduld. 
Ob  alle  diese  Dinge  in  mir  waren  oder  nicht,  darauf  werden  die 
120  von  mir  geschriebenen  Bücher  (Kapitel)  ja  oder  nein  ant- 
worten. Und  wenn  ich  hierin  nicht  so  weit  vorwärtskomme,  wie 
man  verlangen  könnte,  so  ist  nicht  Gewinnsucht  daran  schuld, 
auch  nicht  Nachlässigkeit,  sondern  Mangel  an  Zeit." 

Wer  war  es  nun,  der  da  immer  noch  mehr  von  ihm  ver- 
langte? Kein  anderer  als  er  selbst.  Immer  höher  schraubt  er 
seine  Ziele  hinauf.  Man  lese  die  Disposition,  die  er  für  sein 
Anatomiewerk  entwirft:  „Dies  Werk  muß  beginnen  mit  der 
Empfängnis  des  Menschen,  und  du  mußt  die  Art  des  Uterus  be- 
schreiben und  wie  das  Kind  ihn  bewohnt,^)  und  in  welcher  Stufe 
es   sich  in  jenem   aufhält  und  die  Art,  lebendig  zu  werden  und 

^)  Wir  besitzen  von  Lionardo  vortreffliche  Zeichnungen  von  Föten  in 
der  Gebärmutter,  und  zwar  in  ihrer  richtigen  Stellung. 


—     224     — 

sich  zu  nähren.  Und  sein  Wachstum  und  welches  Intervall  sei 
zwischen  einem  Grad  des  Wachstums  bis  zum  anderen,  und 
was  es  hinausstößt  aus  dem  Leibe  der  Mutter,  und  aus  welchem 
Grunde  es  manches  Mal  aus  dem  Leibe  seiner  Mutter  vor  der 
gehörigen  Zeit  herauskommt.  —  Dann  wirst  du  beschreiben,  wel- 
ches die  Glieder  seien,  so  nachher,  wenn  das  Kind  geboren  ist, 
schneller  wachsen  als  die  anderen,  und  das  Maß  eines  Kindes 
von  einem  Jahr.  Dann  beschreibe  den  erwachsenen  Mann  und 
die  Frau  und  deren  Maß  und  verschiedene  Natur  der  Beschaffen- 
heit, Farbe  und  Physiognomie.  —  Nachher  beschreibe,  wie  er 
zusammengesetzt  ist  aus  Adern,  Nerven,  Muskeln  und  Knochen. 
Dies  wirst  du  im  letzten  des  Buches  tun."  Seiner  Anatomie 
wollte  er  also  eine  Entwicklungsgeschichte  vorausschicken, 
sowie  eine  Physiologie   der   Geburt. 

Doch  Lionardo  interessiert  sich  nicht  nur  für  den  gesun- 
den Organismus  und  den  normalen  Ablauf  seiner  Funktionen,  er 
ist  auch  Patholog  und  pathologischer  Anatom.  Außer 
Gehenkten  seziert  er  ja  vor  allem  Leute,  die  in  Spitälern  ver- 
storben sind.  Dabei  stößt  er  auf  krankhafte  Veränderungen,  die 
er  sorgfältig  notiert.  Bewundernswert  sind  u.  a.  seine  ausführ- 
lichen Erörterungen  über  Arteriosklerose.  Er  ist  geneigt,  hierin 
die  Hauptursache  des  einfachen  Alterstodes  zu  sehen.  Die  ver- 
dickten Gefäßrohre,  meint  er,  erschwerten  den  Zustrom  des  er- 
nährenden Blutsaftes,  und  dadurch  litte  dann  mehr  und  mehr  die 
Lebenskraft  aller  Organe. 

Immer  weiter  führt  den  Meister  sein  Forschertrieb.  Schon 
ihm  gilt  der  Mensch  —  als  Objekt  naturwissenschaftlicher  Be- 
trachtung —  nur  als  ein  Glied  in  der  Tierreihe,  So  stellt  er 
sich  denn  die  Aufgabe,  jeden  Körperteil  des  Menschen  mit  dem 
entsprechenden  der  verschiedensten  Tiere  zu  vergleichen,  um 
festzustellen,  worin  sie  übereinstimmen,  worin  sie  sich  vonein- 
ander unterscheiden.  Er  plant  mit  anderen  Worten  eine  ver- 
gleichende Anatomie.  Da  stößt  er  aber  auf  eine  neue  Lücke, 
die  er  womöglich  wieder  selber  füllen  möchte.  Er  vermißt  ge- 
nügende Beschreibungen  der  vielen  Tierarten,  die  ihn  interes- 
sieren. Eine  Übersicht  über  die  wichtigsten  Säugetiere  will  er 
daher  bringen,  als  deren  Inhalt  er  aufführt:  „1.  Mensch.  Die 
Beschreibung  des  Menschen,  in  der  auch  jene  enthalten  sind,  die 
ungefähr  von  gleicher  Gattung  sind,  wie  Pavian,  Affe 
und  ähnliche,  deren  es  viele  gibt.     2.   Löwe  und  sein  Gefolge, 


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7.  Studien  am  Armskelett  (verkleinert).   Kgl.  Schloß  zu  Windsor. 


—     226     — 

wie  Panther,  Unze,  Tiger,  Leoparden,  Wölfe,  Luchse,  Wildkatzen, 
Genetten  und  gewöhnliche  Katzen  und  andere  mehr.  3.  Pferd 
und  sein  Gefolge,  wie  Maultiere,  Esel  und  ähnliche,  die  oben 
und  unten  Zähne  haben.  4.  Rind  und  sein  Gefolge,  gehörnt  und 
ohne  Oberzähne,  wie  Büffel,  Hirsch,  Damhirsch,  Rehbock,  Schaf, 
Ziege,  Steinbock,  Moschustier,  Gemse,  Giraffe." 

So  gleitet  Lionardo  von  der  Anatomie  auf  das  Gebiet  der 
eigentlichen  Zoologie  hinüber.  Auch  bei  seinen  physiologischen 
Auseinandersetzungen  zieht  er  gern  das  Tier  zum  Vergleich 
heran.  Wie  er  im  Anschluß  an  Zeichnungen  des  Kehlkopfes,  der 
Zunge  und  der  Mundmuskulatur  die  Theorie  der  Stimme  und 
Sprache  erörtert,  fällt  es  ihm  ein,  der  Entstehimg  von  allerlei 
tierischen  Stimmlauten  nachzugehen.  „Die  Fliegen  haben  ihre 
Stimme  in  den  Flügeln.  Das  wirst  du  sehen,  wenn  du  sie  ihnen 
ein  wenig  beschneidest  oder  sie  ihnen  mit  etwas  Honig  be- 
streichst, so  daß  es  sie  nicht  gänzlich  am  Fliegen  hindert.  Der 
durch  die  Bewegung  der  Flügel  hervorgebrachte  Ton  wird  dann 
rauh  geworden  sein  und  die  Stimme  wird  sich  nach  der  Höhe 
oder  Tiefe  hin  verändern  je  nach  dem  Grade  der  Behinderung." 
Da  hat  man  den  ganzen  Lionardo!  Beobachtung  und  Experi- 
ment, —  nichts  anderes  läßt  er  gelten  in  dem,  was  er  Wissen- 
schaft nennt.  Auch  das  ist  recht  charakteristisch,  wie  er  von  der 
Zunge  auf  die  Sprache  und  von  der  Sprache  auf  die  Sprachen 
der  verschiedenen  Völker  kommt.  „Kein  Muskel  hat  eine  so  große 
Anzahl  von  Muskeln  notwendig  wie  die  Zunge,  von  welchen  24 
bekannt  sind  außer  jenen  anderen,  die  ich  gefunden  habe,  und 
von  allen  Gliedern,  die  sich  willkürlich  bewegen,  übertrifft  dieses 
alle  anderen  an  Zahl  der  Bewegungen.  —  —  Nimm  gut  in  Be- 
tracht, wie  durch  die  Bewegung  der  Zunge,  mit  Hilfe  der  Lippen 
und  der  Zähne,  die  Aussprache  aller  Namen  der  Dinge  uns  be- 
kannt geworden  ist,  und  die  einfachen  Wörter  einer  Sprache  und 
die  zusammengesetzten  an  unser  Ohr  nur  vermittelst  dieses  In- 
strumentes gelangen :  welche,  wenn  alle  Effekte  der  Natur  einen 

Namen  hätten,  sich  bis  zur  Unendlichkeit  erstreckten ;  und 

dies  würde  die  Zunge  nicht  bloß  in  einer  einzigen  Sprache  aus- 
drücken, sondern  in  außerordentlich  vielen,  welche,  auch  sie,  sich 
ins  Unendliche  erstrecken,  weil  sie  beständig  von  Jahrhundert 
zu  Jahrhundert  und  von  Land  zu  Land  sich  verändern,  wegen 
der  Vermischung  der  Völker,  so  durch  Kriege  und  andere  Zu- 
fälle unaufhörlich  sich  mengen, und  wenn  wir  unsere  Welt 


—     227     — 

als  ewig  zugäben,  müßten  wir  sagen,  daß  solche  Sprachen 
von  unendlicher  Mannigfaltigkeit  gewesen  sind  und 
noch   sein   müssen,   wegen   der  Unendlichkeit  der  Jahrhunderte, 

die  in  der  Unendlichkeit  der  Zeit  enthalten  sind ."     Diese 

Begriffe  entfernen  sich  wieder  recht  weit  von  der  Bibel  und  ihrer 
„babylonischen  Sprachenverwirrung".  Lionardo  hat  übrigens 
recht  umfassende  und  eingehende  Sprachstudien  getrieben. 
Wir  finden  in  den  verschiedensten  Manuskriptsammlungen,  vor 
allem  aber  im  Codice  Trivulzio,  ganze  Seiten  mit  Vokabeln  be- 
schrieben, lateinischen  wie  italienischen.  Den  letzteren  sind  oft 
Ausdrücke  aus  der  Volkssprache  gegenübergestellt. 

Nicht  minder  wie  die  Zoologen,  können  auch  die  Botani- 
ker Lionardo  da  Vinci  zu  den  ihren  zählen.  Das  beweisen 
allein  zur  Genüge  die  umfangreichen  Kapitel  über  Bäume  und 
Pflanzen  im  Buche  über  die  Malerei.  Wie  immer  verliert  er  sich 
hier  fortwährend  in  rein  wissenschaftliche  Einzelheiten.  Zuweilen 
sucht  er  sich  selber  zu  zügeln:  „doch  dies  soll  an  einem  anderen 
Orte  abgehandelt  werden.  Ich  will  es  hier  nicht  näher  besprechen, 
da  es  der  Maler  nicht  zu  wissen  braucht."  Sicherlich  hat  ihm 
ein  Werk  vorgeschwebt,  das  wir  heute  etwa  mit  „Morphologie 
und  Physiologie  der  Pflanzen"  betiteln  würden.  An  Materialien 
dazu  fehlt  es  in  seinen  Aufzeichnungen  nicht.  Daß  er  auch  den 
Problemen  des  pflanzlichen  Lebens  mit  Experimenten  beizukom- 
men gesucht  hat,  wird  uns  nach  allem,  was  wir  von  ihm  wissen, 
kaum  noch  überraschen.  „Die  Sonne  gibt  den  Pflanzen  Seele  und 
Leben,  und  die  Erde  ernährt  sie  mit  Feuchtigkeit.  Was  diesen 
Fall  anlangt,  so  habe  ich  schon  einmal  probiert,  einer  Kürbis- 
pflanze nur  eine  ganz  kleine  Wurzel  zu  lassen,  und  die  hielt  ich 
mit  Wasser  gut  in  Nahrung.  Diese  Pflanze  brachte  alle  Früchte, 
die  sie  zu  zeugen  vermochte,  zur  vollen  Entwicklung,  es  waren 
ihrer  ungefähr  60  Stück  Kürbisse,  von  der  breiten  Sorte.  Und  ich 
achtete  mit  Fleiß  dieses  Lebens  und  erkannte,  daß  der  Nachttau 
es  war,  der  mit  seiner  Nässe  reichlich  durch  die  Ansätze  ihrer 
großen  Blätter  eindrang  zur  Ernährung  dieser  Pflanze  mit  ihren 
Kleinen." 

„Ich  achtete  mit  Fleiß  dieses  Lebens!"  —  Hier  gibt 
uns  Lionardo  selbst  das  Wort  an  die  Hand,  mit  dem  wir  ihn 
am  treffendsten  als  Naturforscher  charakterisieren  können.  Bio- 
loge ist  er,  wo  immer  er  in  die  Geheimnisse  der  organischen 
Welt   einzudringen  bemüht  ist,   und  gerade   als  solcher  ragt  er 

15* 


—    228    — 

riesengroß  aus  seiner  Zeit  heraus,  ein  einsamer  Pionier,  der 
kommenden  Geschlechtern  die  ersten  Lichtungen  rodet  in  der 
Urwaldwildnis  von  Unwissenheit  und  Aberglauben. 

Ungeheuer  ist  der  Umfang  von  Lionardos  Betätigung  in 
der  Mathematik  und  den  mathematischen  Naturwissen- 
schaften. Sein  ganzes  Leben  lang  hat  er  Geometrie,  Arith- 
metik und  Algebra  getrieben  und  physikalisch  experimentiert, 
und  die  Zahl  der  Blätter,  die  er  mit  Figuren  und  Formeln  be- 
deckt hat,  geht  eher  in  die  Tausende  als  bloß  in  die  Hunderte. 
Auf  allen  diesen  Gebieten  hat  er  jedoch  bereits  mit  gewichtigen 
Vorarbeitern  zu  rechnen.  Besonders  die  Araber  studiert  er  fleißig 
und  macht  sich  Auszüge  aus  ihren  Werken,  so  daß  es  heute  im 
einzelnen  Falle  oft  nicht  leicht  ist,  zu  entscheiden,  ob  dieser 
oder  jener  Satz  seine  eigene  Meinung  ausspricht  oder  die  eines 
Gelehrten,  den  er  zitiert.  Sollte  einer  der  neuesten  Kritiker^) 
recht  behalten,  so  hat  Lionardo  da  Vinci  vielleicht  gerade 
in  diesen  seinen  Lieblingsfächern  nicht  so  viel  Originelles  ge- 
leistet, als  man  beim  ersten  Bekanntwerden  seines  literarischen 
Nachlasses  zu  glauben  geneigt  war.  Soviel  steht  in  jedem  Falle 
fest,  daß  er  sich  den  Wissensschatz,  über  den  seine  Zeit  ver- 
fügte, auch  in  diesen  so  schwierigen  Materien  so  zu  eigen  ge- 
macht hat,  daß  berühmte  Vertreter  der  Mathematik  und  Physik 
ihn  überall  suchen  und  sich  gemeinsames  Arbeiten  mit  ihm  zur 
Ehre  rechnen. 

Einen  breiten  Raum  nimmt  naturgemäß  die  Optik  in  den 
Aufzeichnungen  Lionardos  ein.  Ausführlich  behandelt  er  die 
Theorie  des  Sehens.  Über  die  Bedeutung  des  binokularen  Sehens 
für  die  Erlangung  eines  stereoskopischen  Bildes  der  Gegenstände 
gelangt  er  zu  recht  klaren  Vorstellungen.  Mehrfach  beschreibt 
er  die  Lichtreaktion  der  Pupille.  Auf  einem  der  anatomischen 
Blätter  sehen  wir,  wie  die  Augen  mit  den  gekreuzten  Sehnerven 
dem  Boden  der  Orbita  und  der  Schädelbasis  aufliegen.  Licht  und 
Schatten,  das  perspektivische  Sehen  werden  eingehend  bespro- 
chen. Vollkommen  vertraut  ist  Lionardo  mit  der  einfachen 
(linsenlosen)  Camera  obscura,  wenn  er  sie  auch  nicht  er- 
funden zu  haben  scheint.  Er  kennt  die  Umkehrung  des  Bildes 
und  erklärt  sie  richtig.  Ganze  Serien  von  Figuren  und  Text- 
anmerkungen  beschäftigen   sich   mit   der   Reflexion   an   gera- 

^)  Dr.  Otto  Werner  „Zur  Physik  Leonardo  da  Vincis".  Intern. 
Verlag  f.  Kunst  u.  Lit.,  Berlin. 


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9.  Schädelhöhle  und  Blutgefäße  der  harten  Hirnhaut  (Originalgröße, 
beschnitten).    Kgl.  Schloß  zu  Windsor. 


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10.  Schädel  mit  eröffneter  Stirn-  und  Oberkieferhöhle  (Originalgröße, 
beschnitten).    Kgl.  Schloß  zu  Windsor. 


—    231    — 

den  und  gekrümmten  Flächen,  mit  allen  denkbaren  Arten  von 
Spiegeln. 

Praxis  und  Theorie  stehen  nun  bei  Lionardo  in  ständiger 
Wechselwirkung.  Das  Studium  der  Flamme  führt  ihn  zur  Kon- 
struktion des  Zylinders.  Neben  den  Beschreibungen  und  Dar- 
stellungen parabolischer  Spiegel  finden  wir  die  Zeichnung  einer 
Maschine  zu  ihrer  Anfertigung.  An  die  Betrachtungen  über  die 
größere  Leichtigkeit  und  das  Aufsteigen  der  erwärmten  Luft 
schließt  sich  ein  Wasserhebewerk  durch  Saugkraft  und  der  oft 
zitierte  selbsttätige  Bratspieß  mit  einem  Propeller  im  Schorn- 
stein. Das  Ingenieurfach  betrieb  Lionardo  stets  mit  größter 
Liebe  zur  Sache.  Was  Wunder,  wenn  ihn  mit  ganz  besonderer 
Intensität  diejenigen  Zweige  der  Physik  anzogen,  die  sich  mit 
dem  Spiele  der  Bewegung  erzeugenden  Kräfte  befassen.  Als  vor- 
trefflich, wenn  auch  natüi'lich  noch  nicht  in  allen  Einzelheiten 
korrekt,  gelten  seine  Beobachtungen  über  den  Fall  und  den 
Stoß.  Die  Hebelgesetze  soll  seit  Archimedes  nie  wieder 
jemand  mit  solchem  Erfolg  bearbeitet  haben.  Wie  tüchtig  er  als 
Hydrauliker  war,  ist  allgemein  bekannt.  Die  Techniker  von 
Fach  rühmen  sein  kinematisches  Feingefühl,  das  ihn  oft 
auch  da  das  Richtige  finden  läßt,  wo  die  theoretische  Begründung 
nicht  Stich  hält.  Trotz  seines  steten  Strebens  nach  scharfer,  ma- 
thematischer Durchdringung  seines  Gegenstandes  überwiegt,  wie 
No  ether  sagt,  bei  ihm  die  Fähigkeit  intuitiver  Erkenntnis  das 
Talent  für  die  reine  Abstraktion.  Das  wird  man  gern  glauben. 
Nennen  wir  doch  Intuition  eben  jenes  sprunghafte,  fast  unbe- 
wußte Durcheilen  langer  Kausalkettenreihen,  durch  das  ein  Genie 
das  Resultat  wie  vermittelst  höherer  Eingebung  zugeflüstert  er- 
hält, während  der  schwerfälliger  arbeitende  Kopf  es  sich  durch 
mühsames  Fügen  von  Glied  an  Glied  erkämpfen  muß.  Lionardo 
war  überaus  fruchtbar  als  Erfinder.  Von  seinen  zahllosen  Kon- 
struktionen seien  nur  einige  von  denen,  die  die  Fachleute  be- 
sonders rühmen,  als  Beispiel  genannt:  Bohrmühlen,  Säge-  und 
Hobelmaschinen,  eine  vortreffliche  Feilenhauermaschine,  Spinn- 
und  Seilflechtmaschinen,  Webstühle,  Tuchscherapparate,  Wasch- 
maschinen, Mühlen,  Wagen,  Zirkel,  Pump-  und  Wasserhebewerke, 
Tauchapparate  —  dies  und  sehr  vieles  Ahnliche,  ganz  abgesehen 
von  alle  dem,  was  er  in  der  Vervollkommnung  des  Festungs- 
baues und  der  Belagerungstechnik  geleistet  hat. 

Daß  Lionardo  da  Vinci  sich  auch  in  jahrelangem,  heißem 


—    232    — 

Ringen  um  die  Erfindung  eines  Flugapparates  abgemüht  hat, 
das  ist  ja  bekannt  genug.  Etliches  davon  findet  man  am  Schlüsse 
des  höchst  interessanten  kleinen  Büchleins  über  den  Flug  der 
Vögel.  Man  staunt,  wie  nahe  der  Meister  auch  bei  der  Behand- 
lung des  so  überaus  schwierigen  Vogelflugproblemes  in  vielen 
Punkten  dem  Kern  der  Sache  kommt.  Mitten  in  die  Reihe  von 
nüchternen  wissenschaftlichen  Erwägungen  über  die  verschie- 
denen Veränderungen  in  der  Stellung  des  Schwanzes  und  der 
Flügel,  mit  denen  der  schwebende  Vogel  bald  die  Kraft  des 
Windes  benutzt,  bald  seine  Stöße,  die  ihn  aus  dem  Gleichgewicht 
zu  bringen  drohen,  pariert,  finden  wir,  wie  zur  Entschuldigung 
des  trockenen  Tones,  einen  Hymnus  an  die  Wahrheit  eingestreut, 
die  die  kleinsten  Dinge  zu  adeln  vermöge,  während  die  Lüge  das 
Erhabenste,  ja  selbst  die  Gottheit  in  eine  niedere  Sphäre_hinab- 
zerrt.^)  —  „Du  aber,  der  du  von  Träumen  lebst,"  so  schließt  er, 
„dir  gefallen  besser  die  sophistischen  Argumentationen  und  die 
Schwindeleien  der  Schwätzer  über  große  und  ungewisse  Dinge 
als  sichere  und  natürliche,  doch  von  nicht  solcher  Erhabenheit." 
Wenn  Lionardo  wiederkäme,  um  nachzuschauen,  wie  weit  wir 
heute  gekommen,  dann  würden  ihm  Kulturerrungenschaften  wie 
„Christian  Science"  und  „Okkultismus"  einigen  Schmerz  bereiten. 
An  dem  Ausbau  aller  jener  Wissenschaften,  deren  Ziele  er  nur 
vorahnend  in  ihren  Grundrissen  zu  skizzieren  vermochte,  dürfte 
er  allerdings  wohl  seine  Freude  haben. 

Noch  ist  so  mancher  Wissenszweig,  den  Lionardo  in  den 
fast  endlosen  Bereich  seiner  Forschertätigkeit  gezogen  hat,  nicht 
einmal  genannt  worden.  Meteorologischen  Studien  hat  er 
sich  mit  Eifer  und  Erfolg  gewidmet,  die  verschiedensten  ter- 
restrischen Vorgänge  beobachtet.  Er  hat  nicht  nur  zu  prak- 
tischen  Zwecken,   wie   im   Dienste   des    Cesare   Borgia,   vor- 


^)  Ed  e  di  tanto  vilipendio  la  bugia,  che  s'ella  dicessi  be'  gran  cose  dl 
dio,  ella  to'  di  grazia  a  sua  delta;  ed  e  di  tanta  eccellenzia  la  veritä,  che 
s'ella  baldassi  cose  minime,  eile  si  fanno  nobili.  —  Senza  dubbio,  tal  pro- 
porzione  e  dalla  veritä  alia  bugia  quale  de  la  luce  alle  tenebre;  ed  e  essa 
veritä  in  se  di  tanta  eccellenza  che  ancora  ch'ella  s'astende  sopra  umili  e 
basse  materie,  sanza  conparazione  ell'eccede  le  incertezze  e  bugie  estere  so- 
pra li  magni  e  altissimi  discorsi;  perche  la  mente  nostra,  anchora  ch'ell'abbia 
la  bugia  pel  quinto  elemento,  non  resta  perö  che  la  veritä  delle  cose  non  sia 
di  somo  nutrimento  delli  intelletti  fini,  ma  non  dei  vagabundi  ingegni.  —  Ma 
tu  che  vivi  di  sogni,  ti  place  piü  le  ragion  soffistiche  e  barerie  de'  palari 
nelle  cose  grandi  e   incerte,  che  delle  certe,  naturali,  e  non  di  tanta  altiu-a. 


—    233    — 

treffliche  kartographische  Aufnahmen  gemacht;  aus  reiner 
Wißbegier  ist  er  den  Flüssen,  deren  die  Erdoberfläche  ständig 
ummodellierende  Erosions-  und  Kärrnertätigkeit  sein  größtes  In- 
teresse erregte,  bis  zu  den  obersten  Quellen  gefolgt.  Selbst  zu 
den  Eisregionen  ist  er  im  Monte  Rosa-Gebiet  emporgeklommen. 
Während  er  die  Sterndeuterei  verlachte,  hat  er  die  wissenschaft- 
liche Astronomie  mit  größter  Liebe  betrieben.  Jedes  Eingehen 
auf  Einzelheiten  verbietet  sich  hier  von  selbst.  Als  Kuriosum  sei 
nur  die  Tatsache  erwähnt,  daß  auf  einem  Blatte  mitten  zwischen 
geometrischen  Figuren  in  besonders  großen  Buchstaben  der  Satz 
geschrieben  steht:    „Die    Sonne   bewegt    sich  nicht!" 

Ein  wichtiges  Thema  für  sich  allein  wäre  die  von  Lionardo 
da  Vinci  befolgte  allgemeine  Methodik.  Wenige  Worte 
darüber  müssen  hier  genügen.  Während  die  offizielle  Wissen- 
schaft noch  mit  einem  Fuße  fest  in  der  Scholastik  steckt  und 
vor  Autoritätenglauben  kaum  erst  die  Augen  zu  öffnen  wagt, 
über  Gott  und  die  Welt  philosophiert  und  alles  Wissen,  das  „nur" 
auf  Sinneswahrnehmung  beruht,  in  die  zweite  Rangstufe  verweist, 
kommt  da  der  scheinbar  dem  Naturforscher  bloß  ins  Handwerk 
pfuschende  Maler  und  ruft  den  überlegen  die  Nase  rümpfenden 
Herren  immer  von  neuem  zu :  Ihr  Toren  verachtet  die  Erfahrung 
durch  die  Sinne.  Ich  sage  Euch,  sie  ist  die  einzige  Quelle  wahrer 
Wissenschaft.  Was  darüber  hinausgeht,  „das  überlasset  den  Mön- 
chen, diesen  Vätern  des  Volkes,  die  alles  wissen  durch  höhere 
Intuition".  Die  im  Weltall  herrschenden  Gesetze  könnt  jedoch 
auch  Ihr  erkennen  und  zwar  vermittelst  der  Beobachtung  und 
des  Experimentes.  Stellt  Fragen  an  die  Natur,  variiert  die 
Versuchsbedingungen  und  achtet  auf  die  Folgen.  Doch  seid  nicht 
voreilig  im  Schließen.  Wohl,  die  Natur  kann  sich  nicht  irren, 
täuschen  kann  sich  aber  Euer  Urteil.  Erhaltet  Ihi'  auf  die  näm- 
liche Frage  immer  wieder  die  nämliche  Antwort,  dann  erst  dürft 
Ihr  hoffen,  das  unabänderliche  Gesetz  gefunden  zu  haben. 

Daß  er  das  alles  sagt,  wäre  sofort  durch  seitenlange  Zitate 
zu  belegen.  Lionardo,  der  vollbewußte  Vertreter  der 
induktiven  Methode,  der  erste  fast  moderne  Experimen- 
talforscher,  —  er  war  als  Naturforscher  wahrlich  kein  Dilet- 
tant. Mögen  die  heutigen  Fachmänner  bei  weiter  vorschreitender 
Kritik  ihm  noch  manchen  Irrtum  nachweisen,  mögen  sie  fest- 
stellen, daß  er  diese  oder  jene  Wahrheit  nicht,  wie  man  glaubte, 
als   erster   ausgesprochen  hat,   daß   er   manche   Entdeckung,  die 


—    234    — 

man  ihm  zuschreibt,  von  irgendeinem  Vorgänger  übernommen, 
all  das  kann  seiner  Größe  ebensowenig  Abbruch  tun  wie  die 
Tatsache,  daß  wir  ihn  noch  mit  den  scholastischen  vier  Elemen- 
ten sich  abplagen  sehen.  Er  war  ein  Mensch,  also  irrte  er,  —  und 
zwar  ein  Mensch  des  fünfzehnten  Jahi'hunderts,  dessen  Schlacken 
ihm  notwendigerweise  anhaften  mußten.  Mit  Originalität^)  aber 
und  Priorität  braucht  man  es  bei  einem  solchen  Genie  im  ein- 
zelnen nicht  allzu  genau  zu  nehmen.  Auch  wo  er  sich  eine  fremde 
Melodie  aneignet,  bekommt  dieselbe  wie  von  selbst  ihre  neuen 
Noten.  Noch  ein  anderes  aber  hat  man  eingewendet.  Alles,  was 
Lionardo  für  Aufklärung  und  Fortschritt  gearbeitet  und  ge- 
dacht hat,  blieb  ja  in  seinen  Manuskripten  vergraben,  all  seine 
Entdeckungen  mußten  von  neuem  gemacht  werden.  Er  hätte 
demnach  die  Wissenschaft  wohl  fördern  können,  es  in  Wirklich- 
keit aber  nicht  getan.  Dies  wäre  nun  ein  recht  kurzsichtiger 
Schluß.  Lionardo  war  ja  weder  stumm,  noch  war  er  ein  Ere- 
mit. Er  war  im  Gegenteil  sehr  beredt,  und  er  stand  mit  den 
besten  Köpfen  seiner  Epoche  in  regem  Verkehr.  Mit  diesen  hat 
er  doch  auch  von  dem  gesprochen,  was  sein  Herz  bewegte.  Wer 
will  es  unternehmen,  die  Samenkörner,  die  er  auf  solche  Weise 
ausstreute,  auf  ihren  Wegen  zu  verfolgen,  bis  sie  —  oft  an 
einem  ganz  anderen  Orte  —  zu  der  schönen  Frucht  einer  fest 
begründeten  Wahrheit  heranreiften.  Dann  kennen  wir  den  Namen 
dessen,  der  sie  pflückte,  nicht  aber  den  des  Säemannes.  Eins 
aber  ist  ganz  sicher:  Die  eingehende  Beschäftigung  mit  diesem 
reinen  Wahrheitsucher  und  selten  vornehmen  Charakter  hat  auch 
für  uns  noch  einen  hohen,  zum  mindesten  erzieherischen  Wert. 
Auch  für  Lionardo  hat  das  schöne  Wort  volle  Geltung,  das 
Goethe  einst  seinem  Freunde  Schiller  ins  Grab  nachsandte: 
„Und  hinter  ihm,  in  wesenlosem  Scheine, 
Lag,  was  uns  alle  bändigt,  das  Gemeine." 


*j  Man  vergleiche  den  hübschen  Aufsatz:  „Über  Originalität"  von  Egon 
Frieden  (Wien)  in  Nr.  44  (1913)  der  Frankfurter  Zeitung. 


—    235 


Verzeichnis  der  Werke, 
ans  denen  die  vorstehenden  AbbihUmgen  (mit  Ausnahme  von  4) 

entnommen  sind. 

1:  The  literary  works  of  Leonardo  da  Vinci  compiled  and  edited  from 
the  original  manuscripts  by  Jean  Paul  Richter,  Vol.1.  London  (Sampson 
Low,  Marston,  Searle  &  Rivington)  1883.   PI.  I  (Titelbild),  Heliogravüre. 

2  und  3:  Leonard  de  Vinci,  Croquis  et  dessins  de  Botanique  etc. 
Feuillets  inedits,  reproduits  d'apres  les  originaux  conserves  ä  la  Bibliotheque 
du  Chateau  de  Windsor.  Paris  (Edouard  Rouveyre,  editeur)  190L  Blatt  8 
und  16,  Lichtdrucke. 

5  und  8:  Leonard  de  Vinci,  Croquis  et  dessins  de  nerfs  et  vaisseaux. 
Feuillets  inedits,  reproduits  d'apres  les  originaux  conserves  ä  la  Bibliotheque 
du  Chateau  de  Windsor.  Paris  (Edouard  Rouveyre,  editeur)  1901.  Blatt  1 
und  10,  Lichtdrucke. 

6:  Leonard  de  Vinci,  Notes  et  dessins  sur  le  thorax  et  l'abdomen  etc. 
Feuillets  inedits,  reproduits  d'apres  les  originaux  conserves  ä  la  Bibliotheque 
du  Chateau  de  Windsor.  Paris  (Edouard  Rouveyre,  editeur)  1901.  Blatt  10, 
Lichtdruck. 

7:  I  manoscritti  di  Leonardo  da  Vinci  della  Reale  Biblioteca  di 
Windsor.  Dell' Anatomia,  Fogli  A.  Publicati  da  Teodoro  Sabachnikoff. 
Parigi  (Edoardo  Rouveyre  editore)  1898.  Blatt  1  Rückseite,  Lichtdruck. 

9  und  10:  Ebenda,  Fogli  B.  Torino  (Roux  e  Viarengo  editori)  1901, 
Blatt  41  Vorder-  und  Rückseite,  Lichtdrucke. 


236 


Der  Schwanheimer  Wald. 

IV.  Landschaftliches.^) 

Mit  12  Abbildungen 
von 

W.  Kobelt. 

•^  Betrachten  wir  uns  mm  zum  Schluß  den  Schwanheimer  Wald 
ein  wenig  vom  Standpunkt  des  spazierengehenden  Naturfreundes. 
Was  dem  Frankfurter  dabei  auffällt  und  ihn  besonders  anlockt, 
ist  der  Gegensatz  zu  dem  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  forstlich 
gepflegten  und  sorgsam  bewirtschafteten  Stadtwald,  sind  die 
noch  nicht  ganz  von  der  Kultur  ausgerotteten  Reste  des  alten 
Naturwaldes.  Im  Anschluß  an  die  vorzüglichen  photogra- 
phischen Aufnahmen  des  Herrn  Dr.  Fritz  Winter  wollen  wir 
einige  derselben  hier  zu  schildern  versuchen. 

Der  lange,  aber  schmale  Schwanheimer  Wald  wird  seit  ur- 
alter Zeit  durch  drei  Längswege  aufgeschlossen:  die  im  ersten 
Abschnitt  (I  77)^)  erwähnte  Bischofsstraße,  die  seine  Süd- 
grenze bildet,  die  Lange  Schneise,  die  dem  Fuß  der  Kelster- 
bacher Terrasse  entlang  vom  Poloplatz  bis  an  die  Kelsterbacher 
Grenze  unter  der  Schwedenschanze  zieht,  und  den  Hart  weg, 
der  dem  Nordrand  des  Waldes  entlang  läuft,  sich  aber  jetzt  an 
der  hohen  Sanddüne  hinter  den  alten  Eichen  spaltet  und  einen 
Zweig  geradeaus  erst  der  Rechten  Wiese  entlang  und  dann  ge- 
radeaus zwischen  der  Alten  und  der  Neuen  Wiese  zum  Sumpf- 
distrikt der  „Sauros"  schickt  und  schließlich  in  einen  Fußpfad 
übergeht,  der  an  der  Grenze  unmittelbar  vor  Kelsterbach  endet. 
Alle  drei  Wege  sind  uralt,  wenn  sie  auch  hier  und  da  eine  Ver- 


^)  Die  Abschnitte  I  bis  III  sind  im  vorjährigen   , Bericht"   erschienen. 
^)  Die  römischen   Ziffern  beziehen  sich  auf  die  Hefte   I  bis   III,   die 
arabischen  Ziffern  auf  die  Seitenzahlen  des  vorjährigen  „Berichtes". 


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2.  Hainbuchen. 


—    239    — 

legung  erlitten  haben.  Besonders  der  mittlere  Weg  lief  früher 
näher  am  Fuß  der  Helle  hin ;  er  ist  dort  noch  an  einzelnen  Stellen 
erkennbar.  In  nordsüdlicher  Richtung  konnte  der  Wald  westlich 
vom  Sandgebiet  früher,  außer  bei  abnormer  Trockenheit  und  bei 
strengem  Frost,  nur  an  zwei  Stellen  passiert  werden:  auf  dem 
Waadweg,  der  von  der  Waldbahnstation  Unterschweinstiege 
südlich  läuft,  und  über  den  Wanzenweg.  Der  Waadweg  folgte 
der  im  ersten  Abschnitt  erwähnten  Kiesschwelle,  die  vom  Ober- 
wald zum  Dorf  und  weiter  zum  Sand  im  Dannewald  zieht.  Sein 
alter  Lauf  ist  heute  noch  im  Waldesdickicht  erkennbar ;  über  ihn 
ging  der  Verkehr  vom  Taunus  nach  Mörfelden  und  zur  Berg- 
straße. Der  Wanzenweg  aber  ist  ein  in  seiner  Entstehung  noch 
rätselhafter  Damm  durch  die  Riedwiese,  der  die  Sindlinger  Fähre 
mit  der  Bischofsstraße  verband.  Der  Weg,  der  vom  Dorf  zur 
Station  Schwanheim  der  Ludwigsbahn  führt,  ist  erst  nach  1859,  nach 
Eröffnung  der  Bahn,  fahrbar  gemacht  worden ;  er  heißt  in  Erin- 
nerung an  seinen  ehemaligen  Zustand  heute  noch  der  Wasserweg. 
Die  landschaftliche  Physiognomie  unseres  Waldes  wird  im 
wesentlichen  bedingt  durch  die  Grenzen  zwischen  Sand,  resp. 
Kies  und  Moorboden.  Wie  bereits  im  ersten  Abschnitt  erwähnt, 
schieben  sich  von  dem  großen  Kies-  und  Sandplateau,  das  den 
Frankfurter  Wald  trägt,  zwei  schmale  Rücken  bis  in  die  Wald- 
wiesen vor  und  scheiden  den  ehemaligen  Schwanheimer  Bruch 
in  drei  große  Buchten,  die  nach  Westen  hin  zusammenfließen  und 
dort  die  Waldwiesen  und  nach  der  Grenze  hin  den  Urwald  und 
den  umgebenden  Bruch  tragen.  Geht  man  oberhalb  der  Wiesen 
durch  eine  der  Schneisen  von  Norden  nach  Süden,  so  trifft  man 
erst  Eichen,  dann  mengen  sich  Birken  dazwischen,  dann  kommt 
reiner  Kiefernwald.  Weiterhin  senkt  sich  der  Weg  wieder;  die 
Mulde  füllt  ein  Dickicht  von  Kreuzdorn  {Rhanums  frangula), 
dann  kommt  ein  Graben,  von  Erlenstämmen  begleitet;  dieselbe 
Abwechslung  wiederholt  sich  noch  einmal,  bis  jenseits  der  Langen 
Schneise  am  Abhang  der  Kelsterbacher  Terrasse  reiner  Kiefern- 
wald in  forstmäßiger  Bewirtschaftung  den  Schluß  macht.  Weiter 
nach  Westen  hin  verschwinden  die  Sandschwellen,  und  die  Unter- 
schiede verwischen  sich.  Nur  längs  der  Rechten  Wiese  zieht 
sich  noch  ein  breiter,  flacher  Rücken  bis  zum  Wasserweg;  er 
wird  gekennzeichnet  durch  einen  prachtvollen  Bestand  der  Hain- 
buche, wie  man  ihn  weit  und  breit  nicht  zum  zweitenmal  findet. 
Die  Bäume  sind  nur  mittelstark  und  kennzeichnen  sich  durch  den 


—     240     — 

Wuchs  in  ringförmigen  Gruppen  als  Ausschlag  aus  uralten  Wurzeln. 
Ein  paar  viel  stärkere  Einzelstämme,  aus  übergeflogenem  Samen 
erwachsen,  stehen  auf  der  anderen  Seite  der  Wiese  mit  unseren 
schönsten  Eichen  und  Buchen  zusammen,  bis  90  cm  im  Umfang. 

Auffallend  sind  in  diesem  sumpfigen  oder  richtiger  moorigen 
Wald  die  überall  zerstreut  stehenden  prachtvollen  Kiefern.  Unter- 
sucht man  genauer,  so  überzeugt  man  sich  leicht,  daß  hier  in 
geringer  Tiefe  unter  dem  Moorboden  reiner  Sand  liegt,  und  daß 
die  Kiefern  überall  auf  kleinen  Erhöhungen  der  Sandunterlage 
stehen.  Nördlich  der  Wiesen,  auf  dem  wenig  fruchtbaren  Aulehm 
der  Ebene,  findet  man  so  gut  wie  keine  Kiefer. 

Aus  diesem  Teil  des  Waldes  stammt  ein  Ausfuhrartikel,  der 
den  Namen  Schwanheims  in  weiten  Kreisen  bis  nach  Holland  hin 
bekannt  gemacht  hat,  die  Schwan  heimer  Blumenerde. 

Lange,  ehe  ich  wußte,  wo  Schwanheim  liegt,  war  mir  sein 
Name  wohlbekannt.  Meine  Mutter  war  eine  eifrige  und  glückliche 
Blumenzüchterin  und  tat,  was  sie  konnte,  um  sich  gute  Blumen- 
erde zu  verschaffen.  Wenn  die  Zeit  des  Umpflanzens  kam,  wurde 
ich  regelmäßig  zu  einem  der  Frachtfuhrleute  geschickt,  die  damals 
allein  den  Verkehr  mit  dem  für  sie  drei  Tagereisen  entfernten 
Frankfurt  besorgten,  und  mußte  ein  Körbchen  voll  Blumenerde 
holen.  Die  Herren  Frachtfuhrleute  betrieben  nämlich  neben  dem 
Lohnfuhrwerk  immer  auch  einige  Privatgeschäfte  und  brachten 
Sachen  mit,  die  den  Händlern  nicht  in  den  Kram  paßten.  Davon 
sind  mir  zwei  in  Erinnerung  geblieben:  Düsseldorfer  Senf  und 
Schwanheimer  Blumenerde.  Als  mich  dann  die  Laune  des  Zu- 
falls nach  Schwanheim  verschlug,  erkundigten  wir  uns  —  meine 
Frau  war  nicht  minder  große  Blumenfreundin  als  ich  —  natürlich 
auch  nach  der  „Blumenerde".  Unter  diesem  Namen  kannte  man 
sie  allerdings  nicht;  hier  heißt  sie  nämlich  „Blumengrund"  oder 
gewöhnlich  einfach  „Grund",  und  die  Leute,  die  sie  im  Walde 
aufkauften  und  nach  Frankfurt  zu  den  Gärtnern  brachten,  hießen 
und  heißen  noch  „Grundbauern".  Sie  waren  damals  zahlreicher 
als  heute  und  lieferten  Schiffsladungen  voll  „Grund"  in  die 
rheinischen  und  selbst  holländischen  und  belgischen  Gärtnereien. 
Es  wurde  dabei  viel  Geld  verdient.  Durch  das  unregelmäßige, 
planlose  Grundgraben  wurde  aber  der  Waldboden  ruiniert  und 
noch  ungleicher  gemacht,  als  er  von  Natur  war.  So  nahm  schließ- 
lich die  Forstbehörde  die  Verwertung  des  „Grundes"  selbst  in 
die   Hand,   und  heute   ist   der  Verkauf   des   Blumengrundes    ein 


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—     242     — 

regulärer  Teil  des  Forstbetriebes  im  Schwanheiraer  Gemeindewald, 
der  einen  ganz  hübschen  Ertrag  in  die  Gemeindekasse  liefert. 

Aber  nicht  überall  besteht  der  Boden  des  Sumpfwaldes  aus 
Blumengrund.  Wenn  man  zwischen  dem  Poloplatz  und  dem 
Waadweg  den  Wald  durchquert,  trifft  man  vielfach  auf  Strecken, 
wo  der  Wald  entsetzlich  kümmerlich  ist  und  mächtige,  meterhohe 
Grasbüschel  kaum  einen  Baumwuchs  aufkommen  lassen.  Seit 
Jahrzehnten  kämpft  die  Forstbehörde  hier  vergeblich  gegen  den 
Schindemann  oder,  wie  der  Schwanheimer  sagt,  den  Schinder- 
hannes (Pfeifenschmiele,  Molinia  coerulea  Mnch.).  Der  Frank- 
furter Forstbehörde  geht  es  auch  nicht  besser;  im  Oberwald, 
namentlich  im  Kesselbruch,  überzieht  der  Schindemann  gleichfalls 
große  Strecken  und  trotzt  mit  seinen  tiefeindringenden  Wurzeln 
jedem  Ausrottungsversuch. 

Einen  besonders  interessanten,  aber  nur  sehr  selten  von 
Fremden  benutzten  Spazierweg  bietet  eben,  solange  die  Trocken- 
periode anhält,  der  völlig  ausgetrocknete  Hauptgraben,  der 
fast  vom  Poloplatz  aus  in  ziemlich  gerader  Linie  bis  zur  Schweden- 
schanze zieht.  Reichlich  anderthalb  Stunden  lang,  führt  er  durch 
den  üppigsten  Teil  des  Waldes,  dem  die  Trockenheit  bis  jetzt 
noch  am  wenigsten  geschadet,  den  auch  die  Kultur  noch  am 
wenigsten  beleckt  hat.  Auch  in  feuchteren  Zeiten,  wo  die  Sohle 
des  Grabens  unpassierbar  ist,  kann  man  an  seinen  erhöhten  Rän- 
dern ziemlich  bequem  von  einer  Schneise  zur  anderen  kommen, 
und  der  mit  dem  Wald  nicht  genau  vertraute  Spaziergänger  fin- 
det an  ihm  einen  sicheren  Führer  durch  die  intimsten  Schönheiten 
des  Waldes.  Freilich,  ganz  ohne  Hindernisse  geht  es  nicht  ab, 
und  man  muß  darauf  gefaßt  sein,  ab  und  zu  einmal  über  um- 
gefallene Bäume,  Kreuzdorn,  Traubenkirsche,  wohl  auch  einmal 
über  eine  Birke  oder  Kiefer  hinüber  zu  voltigieren  oder  auch 
unter  ihnen  durchzuschlüpfen.  Am  lohnendsten  ist  die  Partie 
vom  Waadweg  bis  zur  Waldwiese  und  dann  wieder  in  einem  wei- 
ter südlich  liegenden  anderen  Zweig  des  Entwässerungssystems 
vom  Wasserweg  bis  zur  Riedwiese. 

Wenn  man  von  dem  Schwanheimer  Wald  spricht,  so  denkt 
man  in  erster  Linie  immer  an  die  alten  Eichen,  die  „tausend- 
jährigen", die  freilich,  wie  im  vorigen  Abschnitt  erwähnt,  diesen 
Namen  nicht  verdienen,  aber  doch  als  Reste  des  altberühmten 
Eichwaldes  ein  gewisses  Interesse  haben,  ganz  abgesehen  davon, 
daß  sie  vielen  Generationen  von  Malern  als  Studienmaterial  ge- 


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ö.  Aus  den  „alten  Eichen". 


—    245    — 

dient  haben  und  auf  mehreren  bekannten  Bildern  verewigt  sind. 
Es  ist  ein  kümmerlicher  Rest  geworden.  Nicht  viel  über  hundert 
sind  noch  vorhanden,  darunter  kaum  ein  Dutzend,  die  den  alten 
Ruf  einigermaßen  rechtfertigen;  gesund  und  kräftig  ist  keine 
einzige  mehr.  Sie  stehen  freilich  zum  größten  Teil  auf  sehr 
ungünstigem  Boden.  Schon  in  geringer  Tiefe,  40  bis  50  cm  unter 
der  Oberfläche,  liegt  in  ihm  eine  Konglomeratschicht,  ein  Ortstein, 
durch  Raseneisen  verkitteter  grober  Mainkies,  den  auch  die  Pfahl- 
wurzel der  Eiche  nicht  durchbrechen  kann.  Im  Winter  sammelt 
sich  auf  ihr  das  eindringende  Wasser  und  trat  früher  in  großen 
Lachen  zutage.  Im  Sommer  verschwindet  es  auch  in  normalen 
Zeiten  fast  ganz,  und  die  Trockenperiode  der  letzten  dreißig  Jahre 
hat  den  Eichen  den  Rest  gegeben.  Nur  wo  im  östlichen  Teil  des 
Eichwaldes  Sand  auf  dem  Konglomerat  liegt  und  die  Wurzeln 
etwas  mehr  Nahrung  finden  konnten,  haben  sich  einige  stärkere 
Stämme  entwickeln,  resp.  erhalten  können.  Sie  stehen  unter 
Naturdenkmalschutz;  im  Jahre  1909  sind  die  schlimmsten  Schäden 
ausgebessert,  die  Löcher  mit  Zement  ausgefüllt  worden;  aber 
für  lange  wird  es  kaum  helfen. 

Von  dem  Wald,  wie  er  noch  vor  fünfzig  Jahren  den  Abhang 
der  Helle  bedeckte,  hat  sich  noch  ein  kleiner  Rest  zwischen  dem 
Waadweg  und  der  Pumpstation  im  Goldsteinrauschen  in  einer 
Einsenkung  erhalten,  durch  die  in  alten  Zeiten  der  Weg  von 
Schwanheim  nach  Mörfelden  auf  die  Höhe  hinauf  führte.  Die 
Stelle  heißt  heute  noch  „am  alten  Weg".  Warum  der  Wald  hier 
und  auch  weiter  westlich  bis  zum  Beginn  der  großen  Ausschachtung 
geschont  wurde,  als  der  übrige  Teil  des  Abhanges  der  Kelster- 
bacher Terrasse  abgetrieben  und  mit  Kiefern  bepflanzt  wurde, 
weiß  ich  nicht;  aber  wir  müssen  der  Forstbehörde,  die  es  ange- 
ordnet, dafür  dankbar  sein.  Ein  paar  gewaltige  Eichen,  einige 
wunderschöne  breitkronige  Buchen  und  die  stärksten  Kiefern 
unseres  Waldes  bieten  ein  prächtiges  Bild.  Auf  der  Höhe  liegt 
hier  gerade  eine  Anzahl  Hünengräber,  die  größten  unserer 
Gemarkung.  Das  Plätzchen  verdiente  wohl,  unter  Naturdenkmal- 
schutz gestellt  zu  werden. 

Ein  interessantes  Waldstück  liegt  hinter  den  Eichen  zwischen 
diesen  und  der  Dammschneise,  früher  nur  in  der  trockensten 
Jahreszeit  betretbar,  jetzt  leider  der  Austrocknung  verfallen.  Man 
erreicht  es  am  bequemsten,  wenn  man  von  der  Haltestelle  Schwan- 
heim auf  dem  bequemen  Radfahrweg  der  Waldbahn  bis  an  den 


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Pflanzgarten  folgt,  zuerst  den  Waldrand  entlang,  vorbei  an  der 
Bretzeleiche  (III  266)  und  an  der  höchsten  Sanddüne  unseres 
Waldes,  dem  Pfingstberg,  mit  seinen  prächtigen  Kiefern,  von 
denen  ganz  auffallend  oft  zwei  und  selbst  drei  mächtige  Stämme 
aus  einer  Wurzel  zu  kommen  scheinen,  eine  sonst  nicht  sehr 
häufige  Erscheinung.  Man  achte  hier  auf  die  im  vorigen  Ab- 
schnitt erwähnten  Mistelbüsche  in  den  höchsten  Wipfeln,  die  sich 
besonders  im  Winter  deutlich  abheben.  Hinter  dem  Holzhäuschen 
am  Pflanzgarten  ^)  dehnt  sich  ein  prächtiger  Mischwald,  anfangs 
auf  ziemlich  trockenem  Boden  stehend,  aus  Hainbuchen,  Eichen 
und  einzelnen  Buchen  zusammengesetzt,  dann  immer  üppiger 
werdend,  mit  Haselbüschen,  Vogelbeeren  und  Kreuzdorn  durch- 
wachsen, der  Boden  dicht  mit  Farnkräutern  (Aspidiuni  spinulosum 
und  Asp.  filix  mas,  seltener  Asplenium  filix  fenima)  bedeckt, 
von  deren  frischem  Grün  sich  der  Fingerhut  (Digitalis  purpurea) 
wundervoll  abhebt.  Geißblatt  durchrankt  das  Gebüsch  und  hängt 
von  den  Baumwipfeln  herab;  es  bietet  namentlich  am  Südrand 
des  Mischwaldes,  an  der  Dammschneise,  prächtige  Bilder.  Da- 
zwischen steht  eine  der  schönsten  Buchen  unseres  Waldes.  An 
einem  Entwässerungsgraben  steht  die  (HI  256)  abgebildete  Erle. 
Auch  sonst  finden  sich  abenteuerliche  Baum-  und  Buschformen 
genug.  Wer  sich  im  Wald  nicht  sicher  zu  orientieren  weiß,  folgt 
am  besten  einem  Fußpfad,  der  vom  nördlichen  Ende  des  Forst- 
gartens ab  im  Bogen  durch  den  Distrikt  zieht  und  auf  die  Damm- 
schneise ausläuft;  er  kann  sonst  die  Erfahrung  machen,  daß  man 
im  ebenen  Wald  gar  zu  leicht  aus  der  Richtung  kommt  und  im 
Kreis  herumläuft,  was  übrigens  hier  ein  harmloser  Scherz  ist. 
Geht  man  dann  die  Schneise  in  der  Richtung  auf  die  in  der  Ferne 
auftauchende  Waldwiese  entlang,  so  kommt  man  an  der  Kreuzungs- 
stelle mit  der  nächsten  Schneise  an  eine  unserer  schönsten  Eichen, 
die  dem  früheren  Förster  Diefenhardt  zu  Ehren  benannt  ist. 
Herr  Dr.  Fritz  Winter  hat  von  ihr  eine  prächtige  Aufnahme 
gemacht.  Hier  ist  der  Boden  bedeckt  mit  der  wilden  Balsamine 
(Ir}ipatiens  noli  längere  L.),  dem  Kräutlein  Rührmichnichtan,  und 
in  dem  Graben  stehen  üppige  Farnkräuter  {Asplenium  filix  femina). 
Dem  Wiesenrand  entlang  führt  ein  Fußpfad  durch  den  pracht- 


*)  Ein  Maler,  der  bei  seinen  Studien  an  den  Eichen  hier  manchmal 
rastete,  hatte  an  der  Rückwand  dieses  Häuschens  auf  den  Fensterladen  einen 
Einsiedler  in  Öl  gemalt,  an  dem  Kunstliebhaber  ihre  Freude  haben  konnten. 
Das  Bild  ist  leider  im  Lauf  der  Jahre  arg  beschädigt  worden. 


7.  Mischwald. 


8.  Mischwald. 


9.  Diefenhardts-Eiche. 


10.  Die  stärkste  Hainbuche. 


—    252    — 

vollen  Hainbuchenwald,  von  dem  wir  oben  gesprochen,  —  Freund 
Winter  hat  auch  von  ihm  eine  vorzügliche  Aufnahme  gemacht, 
die  seine  Eigentümlichkeit  getreu  wiedergibt  —  nach  einer  be- 
sonders geschützten  Ecke  am  Waldrand,-  wo  der  Krankenwagen- 
verein unter  prächtigen  Eichen  eine  Ruhestätte  für  Invaliden  und 
Erholungsbedürftige  unterhält  und  ein  paar  Anlagen  gemacht 
hat.  Die  Stelle  ist  botanisch  interessant  durch  das  Vorkommen 
eines  sonst  im  Frankfurter  Wald  fehlenden  Kreuzkrautes  (Senecio 
fuchsii).  Im  Frühjahr  bedeckt  der  Knoblauchshederich  den  Boden 
und  überrascht  Unkundige,  die  ihn  für  Maiblumen  halten,  durch 
seinen  unangenehmen  Knoblauchgeruch.  Nur  vereinzelt  stehen 
die  echte  Maiblume  und  das  Schattenblümchen  dazwischen,  und 
die  vielblütige  Maiblume  {Gonvallaria  inultiflora)  erreicht  eine 
ungewöhnliche  Höhe.  Im  Nachsommer  treten  für  sie  die  Goldrute 
{Solidago  virgaiirea),  das  nordische  Habichtskraut  (Hieraceiim 
boreale)  und  eine  Galeopsis  ein,  und  die  Hecken  durchrankt  der 
Heckenknöterich  {Polygonum  dumetorum). 

Auch  der  Mineralog  findet  hier  in  dem  fast  steinfreien  Wald 
etwas  nicht  Uninteressantes.  Die  Gesteinsbrocken,  die  im  Gebüsch 
der  Ruhestätte  zerstreut  aufgestellt  sind,  bilden  eine  Gesteins- 
sammlung eigener  Art:  einen  Teil  des  von  dem  Ausschuß  für 
Volksvorlesungen  zusammengebrachten  Heimatmuseums.  Sie  ent- 
hält gegen  fünfzig  Nummern  aus  den  verschiedensten  Teilen 
Deutschlands  und  war  früher  im  Garten  der  Turnhalle  aufgestellt, 
wo  sie  aber  wenig  beachtet  wurde.  Bei  der  Übersiedelung  des 
Museums  in  das  alte  Schulgebäude  fand  sie  hier  Unterkunft.  ^) 
Wohl  die  schönsten  Bäume  unseres  Waldes  stehen  links  von  dem 
zur  Eisenbahn  führenden  Weg  längs  des  Südrandes  der  Rechten 
Wiese,  der  Liegehalle  gegenüber.  Zu  ihnen  gehört  die  früher 
(II  177)  abgebildete  Vogeltränk -Buche;  neben  ihr  steht  noch 
eine  Anzahl  mindestens  ebenso  starker  Genossinnen,  mehrere 
Eichen,  die  den  „Tausendjährigen"  durchaus  nichts  nachgeben, 
und  einige  Hainbuchen  von  ungewöhnlicher  Stärke.  Sie  bilden 
zusammen  eine  wunderbare  Gruppe,  die  hoffentlich  noch  lange 
erhalten  bleiben  wird.  Freilich,  vor  den  Elementen  kann  man 
sie  nicht  schützen:  im  vorigen  Jahre  hat  der  Blitz  eine  dicht  am 
Waldsaum  stehende  Eiche  getroffen,  und  sie  siecht  seitdem  lang- 


^)  Der  Plan,  hier  auch  die  wichtigsten  Pflanzen  des  Waldes  zu  ver- 
einigen, ist  durch  die  andauernde  Trockenheit  und  den  Mangel  an  Mitteln 
seither  vereitelt  worden. 


—    253    — 

sam  dahin.  Der  Wald  hinter  dieser  Baumgriippe  bietet  dem 
Naturfreund  manchen  Genuß.  Auch  rechts  des  Wasserwegs  in 
dem  schmalen  Saum,  der  hier  längs  des  Weges  bei  der  Anlage 
der  „Kameruner  Wiesen"  und  des  Spielplatzes  für  den  Fußball- 
klub erhalten  blieb,  stehen  einige  prächtige  Bäume.  Was  weiter 
westlich  liegt,  ist  der  Forstwirtschaft  verfallen,  wird  aber,  wie 
es  der  östlich  angrenzende  Distrikt  bereits  getan,  bald  als  wohl- 
gepflegter junger  Eichwald   eine   fröhliche  Auferstehung  feiern. 

Geht  man  dem  Südrand  der  Wiesen  entlang,  so  trifft  man 
einige  hundert  Schritte  vor  dem  verfallenen  Wellblechhäuschen, 
an  dem  früher  bei  den  großen  Treibjagden  gefrühstückt  wurde, 
eine  Erscheinung,  die  wohl  einen  Spaziergang  dorthin  lohnt.  Dicht 
am  Waldrand  findet  sich  ein  Hexen  ring,  wie  ich  niemals  einen 
ähnlichen  gesehen  habe.  Völlig  kreisrund,  25  bis  30  m  im  Durch- 
messer, liegt  er  da,  der  Ring  selbst  über  1  m  breit,  zwei  Wiesenpar- 
zellen einnehmend,  einer  Rennbahn  im  kleinen  so  völlig  gleichend, 
daß  die  Besitzer  der  Wiese  bei  dem  Förster  Beschwerde  erhoben, 
daß  die  Rehe  oder  die  Damhirsche  dort  ihren  Tummelplatz  hätten. 
Als  ich  im  verflossenen  Herbst  zum  erstenmal  darauf  aufmerksam 
gemacht  wurde,  war  der  ganze  Ring  dicht  mit  riesenhaften 
Pfefferpilzen  {Laciaria  piperata  L.)  bewachsen,  einer  am 
anderen,  viele  bis  30  cm  im  Durchmesser,  ein  wunderbares,  auf 
Hunderte  von  Metern  hin  sichtbares  Bild.  Gerne  hätte  ich  es 
photographisch  verewigen  lassen ;  aber  die  eine  Hälfte  war  schon 
abgemäht,  und  der  Besitzer  der  anderen  Hälfte  stand  mit  der 
Sense  daneben.  Er  sagte  mir,  daß  er  den  Ring  schon  von  seines 
Vaters  Zeiten  her  kenne,  daß  derselbe  früher  viel  kleiner  ge- 
wesen und  stetig  nach  außen  gewachsen  sei,  daß  aber  die  Pilze 
erst  seit  dem  vorigen  Jahre  in  solcher  Menge  aufgetreten  seien. 
Erfreut  war  er  nicht  darüber,  da  das  Vieh  wegen  des  scharfen 
Pfeffergeschmackes  derselben  das  Grummet  nicht  annimmt  und 
er  sie  deshalb  jedesmal  sorgsam  ausrupfen  muß.  Auffallend  ist 
mir,  daß  ich  den  Pfefferpilz  wohl  am  Waldrand,  aber  niemals 
auf  der  Wiese  selbst  gefunden  habe. 

Zwischen  dem  westlichen  Ende  der  Waldwiesen  und  der 
Kelsterbacher  Grenze  liegt  der  interessanteste  Teil  unseres  Waldes, 
dem  die  Trockenheit  noch  nichts  hat  anhaben  können.  Offiziell 
führt  er  den  wenig  poetischen  Namen  „Sauros".  Er  hat  den 
Charakter  des  alten  Sumpfwaldes  noch  unverfälscht  bewahrt  und 
ist  auch  heute  noch  bei  einigermaßen  feuchtem  Wetter   nur   an 


—     254    — 

zwei  Stellen  passierbar.  Ein  Gewirr  von  rankendem  wildem 
Hopfen  mit  riesigen  Blättern  bildet  den  Rand  gegen^  die  Wiesen ; 
mit  ihm  mischen  sich  lianenartige  Triebe  des  Geißblattes,  oft 
tief  in  die  Stämme  einschneidend  und  schwächere  geradezu  er- 
würgend. Nur  längs  des  Hauptgrabens,  der  als  Cloaca  maxima 
von  Schwanheim  alljährlich  gepytzt  wird  und  deshalb  erhöhte 
trockene  Ränder  hat,  kann  man  ihn  durchschreiten.  In  den  letzten 
beiden  Herbsten  freilich  konnte  man  auch  hier  den  Hauptgraben 
selbst  als  Weg  benützen,  und  erst  in  der  Nähe  der  Riedwiese 
zeigten  sich  Spuren  von  Wasser.  Ich  glaube  kaum,  daß  sich 
irgendwo  schönere  Erlengruppen  finden  als  längs  des  Haupt- 
grabens. Aber  auch  prachtvolle  Eichen  fehlen  nicht,  und  auch 
Eschen,  Aspen  und  Weiden  haben  sich  erhalten.  In  geringer  Ent- 
fernung rechts  vom  Graben  steht  auch  eine  der  wenigen  Ulmen, 
die  unser  Wald  enthält,  ein  höchst  sonderbares  Exemplar  mit 
sehr  starkem,  aber  niedrigem  Stamm,  der  sich  dann  in  eine  Menge 
verhältnismäßig  schwacher  Äste  verteilt. 

Wenige  hundert  Schritte  weiter  nördlich,  dicht  am  Waldrand 
gegen  das  Feld  hin,  liegt  die  interessanteste  unserer  Waldabtei- 
lungen, jetzt  in  Frankfurt  als  „  Schwanheimer  Urwald"  be- 
kannt und  viel  von  Naturfreunden  und  auch  von  Futter  suchenden 
Aquarienbesitzern  besucht.  Auf  den  Generalstabskarten  ist  er  als 
„Rodsee"  bezeichnet,  der  Schwanheimer  nennt  ihn  „Rosee"  oder 
„Rohsee".  Er  hat  mit  den  Entwässerungsgräben  des  Schwan- 
heimer Bruches  nichts  zu  tun,  ist  vielmelir  der  letzte  Rest  eines 
alten  Mainarmes,  der  in  uralten  Zeiten  vom  Dorf  nach  der  Kelster- 
bacher Senke  zog  und  im  Feld  wie  am  Waldrand  noch  an  einigen 
Stellen  nachweisbar  ist.  Die  Klein  wiesen  Schneise  zieht 
kaum  50  Schritte  von  ihm  vorbei,  das  Feld  ist  nur  durch  einen 
vorwiegend  aus  mächtigen  Haselbüschen  bestehenden  Buschwald 
von  ihm  getrennt;  aber  kein  Unkundiger  wird,  wenn  er  vorbei- 
geht^ auf  den  Gedanken  kommen,  daß  hier  sich  eine  etwa  zehn 
Minuten  lange,  allerdings  schmale,  seeartige  Wasserfläche  hin- 
zieht, die  bis  in  die  letzten  Jahre  ein  getreues  Bild  der  Sümpfe 
gab,  die  zur  Römerzeit  große  Gebiete  Deutschlands  erfüllten. 
Die  Abbildung  im  vorigen  Abschnitt  (III  258)  und  Fig.  1 1  geben 
eine  gute  Vorstellung  von  dem  Randgebiet  bei  niedrigem  Wasser- 
stand. Dann  ragen  aus  dem  seichten  Wasser  und  seiner  Um- 
gebung seltsame  Wurzelgebilde  empor,  die  erst  in  etwa  einem 
Meter  Höhe  in  eine  Anzahl   schwacher  Erlenstangen   übergehen 


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—    257     — 

und  an  der  Übergangsstelle  einen  Absatz  bilden,  der  meist  Moos 
und  Farnkräuter  trägt.  Aus  der  Wasserfläche  ragten  früher  da- 
zwischen überall  Schwertlilien  und  andere  Wasserpflanzen  empor, 
und  ein  dichtes  Gewirre  von  Hottonia palustris  erfüllte  den  Raum 
zwischen  ihnen.  Im  Winter  steigt  das  Wasser  bis  an  den  Absatz 
der  Erlenstämme  empor.  In  den  letzten  Jahren  ist  freilich  der 
See  in  jedem  Herbst  ausgetrocknet;  die  Hottonia  hat  sich  eine 
Zeitlang  als  dünner  Rasen  auf  dem  feuchten  Boden  erhalten;  im 
vorigen  Sommer  erfüllte  ein  Dickicht  von  Wasserkerbel  (Oenanthe 
phellandrium  Lam.)  das  Hauptbecken,  und  man  konnte  den 
unteren,  mehr  flußartigen  Teil  des  Sees  an  vielen  Stellen  trockenen 
Fußes  überschreiten.  Ein  vielbegangener  Fußpfad  führt  jetzt  dem 
rechten  Ufer  entlang  nach  Kelsterbach  und  gestattet  ein  bequemes 
Betrachten,  während  am  linken  Ufer  sich  ein  breiter  bruchiger 
Saum  hinzieht,  der  mit  Vorsicht  zu  betreten  ist. 

Man  kann  sich  kaum  einen  größeren  Kontrast  denken  als 
den  zwischen  dem  eben  geschilderten  „Urwald"  und  dem  kaum 
zehn  Minuten  entfernten  Sandgebiet  des  Tannenwaldes  oder, 
wie  der  Schwanheimer  sagt,  des  „Dannewaldes"  (I  83).  Ich 
möchte  namentlich  den  Lehrern  empfehlen,  bei  Schülerexkursionen 
in  unseren  Wald  den  Rückweg  vom  Rodsee  nach  Schwanheim 
durch  den  Sand  zu  nehmen.  Er  ist  leicht  zu  finden.  Vom  Wald- 
saum führen  mehrere  Wege  nach  dem  ihm  parallelen  Kelster- 
bacher Weg,  und  schon  eine  Ackerlänge  jenseits  desselben  be- 
findet man  sich  auf  einem  Sandboden,  der  dem  Märkischen  Sand 
nur  wenig  nachgibt.  Es  ist  ein  Teil  der  ausgedehnten  Sandfläche, 
die  am  Südrand  des  alten  Nieddeltas  sich  nach  Kelsterbach  er- 
streckt. Ein  alter  Mainlauf,  derselbe,  der  den  Rodsee  bildet,  be- 
grenzt sie  nach  Süden ;  heute  schneidet  der  Main  von  Griesheim 
bis  Sindlingen  mitten  durch  sie  hindurch.  Es  ist  Spessartsand- 
stein,  den  der  alte  Main  zerrieben  und  oberhalb  der  Nied  ab- 
gelagert hat,  eine  alte  Uferbildung,  aber  stellenweise  vom  Winde 
umgelagert  und  zu  dünenartigen  Bildungen  umgewandelt.  Zäher 
Bauernfleiß  hat  seinen  größten  Teil  für  die  Kultur  gewonnen. 
Aber  in  der  Mitte  ist  ein  großes  Stück  liegen  geblieben,  vielleicht 
noch  zehn  Hektar  haltend,  an  das  der  Pflug  noch  kaum  gerührt 
hat.  Es  hat  früher  einen  geschlossenen  Kiefernwald  getragen,  und 
die  Gemeinde  Schwanheim  hielt  streng  darauf,  daß  die  Boden- 
decke nicht  aufgerissen  wurde ;  alte  Erfahrung  hatte  sie  offenbar 
gelehrt,  was  das  unter  Umständen  für  sie  bedeuten  könnte.  Als 

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—    258    — 

aber  zu  Beginn  des  neunzehnten  Jahrhunderts  eine  neue  Zeit 
anbrach  und  die  Menschen  klüger  wurden  als  ihre  Vorfahren  und 
gleichzeitig  die  Menschenzahl  zunahm  und  mehr  Land  nötig 
wurde,  beschloß  die  Gemeinde  1812,  den  mitten  in  ihrer  Gemarkung 
liegenden  Wald  zu  fällen,  das  Land  anzureden  und  mit  Obst- 
bäumen zu  bepflanzen.  Es  mag  damals  wohl  eine  feuchte  Periode 
im  Maintal  gewesen  sein,  die  den  Boden  sich  mit  Vegetation 
bedecken  ließ,  und  die  Gemeinde  konnte  den  Erlös  für  das  Land, 
etwa  1000  Gulden,  in  den  Kriegszeiten  gut  gebrauchen.  Als  aber 
dann  wieder  trockene  Zeiten  kamen,  zeigte  es  sich,  daß  die  Alten 
doch  klüger  gewesen  waren,  als  sie  das  Pflügen  im  Sand  ver- 
boten. Die  Bodendecke  verschwand,  und  der  Sand  begann  zu 
wehen  und  lohnte  den  Ackerbau  nicht  mehr.  Man  ließ  ihn  als 
„Drieschland"  liegen.  Als  ich  1869  nach  Schwanheim  kam,  hatte 
sich  in  einer  Reihe  von  feuchten  Jahren  der  Boden  wieder  mit 
Heidekraut,  Quendel  und  Sandimmortelle  bedeckt,  die  Gemeinde- 
Schafherde  weidete  dort,  und  im  Nachsommer  brachten  die 
Bienenzüchter  ihre  Völker  an  geschützte  Stellen  und  machten 
reiche  Honigernten.  Hier  und  da  standen  noch  riesige,  meterstarke 
Kirschbäume  und,  wo  es  einigermaßen  anging,  waren  junge  Obst- 
bäume gepflanzt.  Nur  an  einigen  Stellen,  auf  den  Dünen,  war 
der  Kiefernwald  stehen  geblieben  und  in  ihm  ein  paar  Eichen- 
gruppen, Überreste  des  älteren  Waldes,  in  deren  Schatten  auf 
Himmelfahrt  oder  Pfingsten  nach  alter  Sitte  die  Gesangvereine 
ihr  Waldfest  feierten.  Nur  eine  einzige  Stelle,  wenige  Quadrat- 
meter groß,  war  blanker  Sand.  Da  setzte  1882  die  Trockenperiode 
ein,  die  heute  noch  fortdauert.  Die  Bodendecke  wurde  immer 
spärlicher,  die  jungen  Zwetschen-  und  Kirschenbäume  verküm- 
merten, die  alten  starben  ab,  und  die  kahle  Stelle  wuchs  mit 
unheimlicher  Schnelligkeit  nicht  nur  in  der  Flächenausdehnung 
sondern  auch  in  der  Tiefe.  Aus  der  flachen  Senke,  in  der  sie 
lag,  wurde  ein  breites,  tiefes  Tal,  und  nun  erinnerten  sich  auch 
die  alten  Bauern,  daß  der  Vorgang  sich  schon  einmal  abgespielt 
und  eine  ganze  Anzahl  Morgen  guten  Landes  —  Gerstenboden  — 
mit  Flugsand  überschüttet  hatte.  Sie  haben  mir  in  den  Sand- 
gruben gar  manchmal  die  alte  Kulturschicht  unter  dem  Sand 
gezeigt.  Wenn  man  an  warmen  Sommertagen  bei  Westwind  dort 
vorbeikam,  konnte  man  meterhoch  über  dem  Boden  den  Sand 
in  Bewegung  sehen,  das  Bild  eines  echten  Wüstensturmes  im 
kleinen,  und  konnte  den  Fortschritt  der  Verwüstung  beobachten. 


—     259     — 

Die  Kiefern  des  spärlichen  Waldes,  der  die  nicht  in  Kultur 
genommenen  Teile  des  Sandes  bedeckt,  sind  eigentümlich  sparrig 
gewachsen,  oft  vielfach  verzweigt,  und  die  jüngeren  und  beson- 
ders die  am  Rande  stehenden  Bäume  zeigen  einen  eigentüm- 
lichen latschenartigen  Wuchs  (III  264).  Die  unteren  Äste  kriechen 
2  bis  3  m  weit  über  den  Boden  hin;  aber  dann  steigen  die 
Stämmchen  senkrecht  empor,  ohne  sich  wie  bei  dem  echten 
Krummholz  des  Hochgebirges  in  der  Richtung  des  vorherrschen- 
den Windes  niederzubeugen.  Bei  ganz  jungen  Exemplaren  er- 
kennt man  deutlich,  daß  der  unterste  und  oft  auch  der  zweite 
Quirl  sich  ganz  flach  auf  dem  Boden  ausbreiten  und  erst  mit 
dem  dritten  die  eigentliche  Stammbildung  beginnt.  Es  ist  also 
nicht,  wie  im  Hochgebirge  und  wie  in  den  Dünen  der  Nordsee- 
inseln, der  Sturm,  der  das  eigentümliche  Wachstum  bedingt; 
dieses  ist  vielmehr  als  eine  Anpassungserscheinung,  als  Schutz 
gegen  die  Austrocknung,  zu  betrachten.  Wo  der  Mensch  ein- 
greift, lassen  sich  auch  in  diesem  Sand  ganz  hübsche  Stämme 
erziehen;  wo  das  aber  nicht  der  Fall  ist,  behält  jeder  Stamm  die 
Äste  bis  zum  Boden.  Ein  besonders  interessantes  Bild  bietet  der 
Anblick  von  einer  alten  Krähenhütte  aus,  die  auf  dem  nördlichen 
Dünenzug  steht. 

Auch  die  niedere  Flora  hat  allerhand  Eigentümliches.  Die 
alte  Bodendecke  hat  zwar  in  den  letzten  31  Jahren  schwer  ge- 
litten, aber  ausgestorben  dürfte  wohl  kaum  eine  der  Arten  sein. 
Heidekraut,  Quendel,  die  gelbe  Sandimmortelle,  die  Zypressen- 
Wolfsmilch  {Euphorbia  cyparissias  L.)  sind  noch  überall  zu  finden 
und  werden  bei  feuchteren  Sommern  bald  wieder  den  Boden 
bedecken.  An  den  Rändern  der  Sandgruben  gedeiht  üppig  die 
Königskerze  {Oenothera  biennis  L.),  der  Eindringling  aus  Nord- 
amerika, und  die  Hundszunge  {Cynoglossum  officinale  L.),  im 
Sommer  von  den  Karpfenschwänzchen  {Macroglossa  stellatarum 
L.)  umschwärmt.  Auch  die  nur  auf  solche  Standorte  beschränkte 
blaue  Jurinea  cyanoides  Bechst.,  ein  Relikt  aus  der  Steppenzeit, 
das  sich  hier  wie  auf  dem  Mombacher  Sand  bei  Mainz  erhalten 
hat,  wird  diese  Trockenperiode,  wie  so  manche  vorher,  unge- 
fährdet überstehen. 

Merkwürdigerweise  findet  sich  im  bewaldeten  Teil  des  Sand- 
gebietes eine  ziemlich  reiche  Pilzfauna.  Vorherrschend  ist  der 
Fliegenpilz,  dem  sich  vereinzelt  der  Pantherpilz  anschließt;  an 
dem  giftigen  Knollenblätterpilz  fällt  die  geringe  Ausbildung  der 

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—     260    — 

Wurzelknolle  auf  (III  280).  Von  den  eßbaren  Pilzen  tritt  der 
Butterpilz  ausschließlich  in  der  Form  des  Sandröhrlings  {Boletus 
variegatus  Swainson)  auf,  heller  gefärbt,  aber  mit  der  charakte- 
ristischen schmierigen,  leicht  abziehbaren  Oberhaut ;  er  wird  auf- 
fallend selten  von  Maden  angegriffen.  Die  Ziegenlippe  vertritt 
der  Rotfuß  {Boletus  chrijsentereon  Bull.),  ebenfalls  heller  gefärbt, 
mit  zerrissener  Oberhaut  und  wie  die  Stammform  oft  durch  Maden 
ungenießbar.  Auch  der  Parasolpilz  ist  von  der  gewöhnlichen 
Waldform  einigermaßen  verschieden. 

Die  Fauna  des  Sandgebietes  ist  natürlich  eine  sehr  arme, 
schon  wegen  des  absoluten  Wassermangels.  Nur  in  einer  einzigen 
Sandgrube  wird  der  Grundwasserspiegel  erreicht  und  ist  für  den 
Menschen  durch  eine  rohe  Holztreppe  zugänglich  gemacht.  In 
dem  lockeren  Flugsand  finden  selbst  die  Höhlenbewohner  keine 
geeigneten  Wohnplätze.  Das  Kaninchen,  das  früher  vereinzelt 
vorkam,  hat  sich  ganz  in  den  Wald  zurückgezogen;  der  Fuchs, 
an  dessen  Vorkommen  einige  Namen  von  Gewannen  erinnern,  ist 
verschwunden;  Mäuse  und  Wühlmäuse  gehen  selbst  in  Mäuse- 
jahren nur  ganz  vereinzelt  über  die  Grenzen  des  Ackerbaues 
herüber.  Reptilien  treten  vollständig  zurück ;  doch  scheint  in  den 
Sandgruben  die  Zauneidechse  {Lacerta  agilis  L.)  in  neuerer  Zeit 
etwas  häufiger  geworden  zu  sein.  Nur  noch  für  den  Insekten- 
sammler findet  sich  bessere  Ausbeute.  Im  Gegensatz  zum  übrigen 
Teil  der  Gemarkung  (II  184)  hat  sich  der  Maikäfer  {Melolotitha 
hippocastani  Fabr.)  erhalten;  es  ist  ausschließlich  die  Form  mit 
schwarzem  Brustschild.  Von  Käfern  hat  ferner  einiges  Interesse 
der  im  Juli  fliegende  zottige  Maikäfer  {Anoxia  villosa  F.).  Auf 
den  Sand  beschränkt,  wenigstens  in  unserer  Gegend,  ist  Cicin- 
dela  hybrida  L.,  die  merkwürdigerweise  auf  den  sandigen  Wegen 
des  Gemeindewaldes  vollständig  fehlt. 

In  den  Sandgruben  hat  in  den  letzten  Jahren  Herr  Dr.  Guide 
eine  reiche  Ausbeute  an  Wanzen  gemacht;  darunter  befindet 
sich  eine  ganze  Reihe  von  Arten,  die  der  pontisch-sarmatischen 
Steppenfauna  angehören,  einige  davon  bis  jetzt  in  ganz  Deutsch- 
land nur  hier  nachgewiesen,  wie  Camptotelus  costalis  H.  S.,  Di- 
jnorphopterus  spinolae  Sign,  und  Derephysia  foliacea  Fall.  var. 
hiroi  Horv.  Auch  das  eigentümliche  Dünentier  Chorosoma  schil- 
lingi  Schml.  und  die  sonst  nur  in  Steppen  lebende  Pentatomide 
Carpocoris  Imiulatus  Goeze  kommen  hier  vor.  Von  seltenen 
Geradflüglern   sind   Sphingonotus  cyanopterum   Chrp.,  Phanero- 


—    261     — 

ptera  falcata  Scop,  und  Calopiemis  italicus  L.  zu  erwähnen.  Der 
Ameisenlöwe  ist  nach  demselben  Forscher  als  Larve  recht  häufig ; 
es  ist  Herrn  Dr.  Guide  aber  niemals  gelungen,  ein  geflügeltes 
Exemplar  —  das  Tier  fliegt  gegen  Abend  —  zu  erbeuten. 

Ein  nicht  unwichtiger  Charakterzug  unserer  Sandfauna  ist 
das  vollständige  Fehlen  aller  Gehäuseschnecken,  während  in  dem 
sonst  so  ähnlichen  Mombacher  Sand  einige  Ai'ten  {Vitrina,  Xero- 
phila  costulata,  Zehrina  detrita)  massenhaft  auftreten.  Dort  ist 
eben  der  Sand  eine  alte  Stranddüne,  aus  zerriebenen  kalkhaltigen 
Tertiärschichten  entstanden;  unser  Sand  ist  dagegen,  wie  schon 
erwähnt,  zerriebener  Spessartsandstein  und  deshalb  vollständig 
kalkfrei,  so  daß  Schnecken  kein  Material  zum  Aufbau  ihrer 
Häuser  finden. 

Anhang:  Die  Schwedenschanze. 

Die  Schwedenschanze  gehört  zwar  nicht  mehr  zur  Gemar- 
kung Schwanheim,  aber  sie  schließt  sich  untrennbar  an  deren 
Wald  an  und  darf  deshalb  und  wegen  der  Rolle,  die  sie  bei  der 
Festsetzung  der  Grenze  unseres  Waldes  gespielt  hat,  nicht  un- 
erwähnt bleiben. 

An  der  Westgrenze  unseres  Gemeindewaldes  liegt  ein  Be- 
zirk, der  sich  in  vieler  Hinsicht  von  den  übrigen  Teilen  des 
Waldes  unterscheidet  und  den  besonderen  Namen  „der  Hinkel- 
steiner Acker"  trägt.  Er  ist  bis  in  das  vorige  Jahrhundert  hinein 
immer  von  Zeit  zu  Zeit  kahl  abgetrieben  und  dann  eine  Reihe 
von  Jahren  hindurch  als  Ackerland  behandelt  worden ;  ließen  die 
Erträgnisse  nach,  so  säte  man  ihn  wieder  mit  Kiefernsamen  an 
und  ließ  die  jungen  Bäume  schlagreif  werden.  Ein  ähnliches 
Bewirtschaftungssystem  galt  auch  an  einigen  anderen  Stellen  im 
Walde  (z.  B.  am  Alteberg).  Am  Hinkelsteiner  Acker  bricht  die 
regelmäßige  Einteilung  des  Waldes  ab;  er  ist  offenbar  erst  später 
demselben  beigefügt  worden,  vielleicht,  als  das  Dorf  Husen  (I  82), 
Sindlingen  gegenüber,  Schwanheim  einverleibt  wurde. 

Ein  tiefer  Wasserriß  am  Westrand  des  Hinkelsteiner  Ackers 
bildet  heute  die  Gemarkungsgrenze  und  gleichzeitig  die  Landes- 
grenze gegen  das  Großherzogtum  Hessen.  An  der  Westseite 
seines  Ausganges,  der  nach  zwei  Seiten  steil  abfällt,  erhebt  sich 
ein  Ringwall,  den  nach  der  Tradition  die  Schweden  im  Dreißig- 
jährigen Krieg  aufwarfen,  um  die  „Wolfenburg"  in  Kelsterbach, 


—    262    — 

das  feste  Residenzschloß  des  Fürsten  von  Isenburg-Langen,  zu 
beschießen.     Die  Anlage  dürfte  aber  sehr  viel  älter  sein. 

Der  hessische  Landeskonservator  Herr  Prof.  Dr.  Anthes 
bemerkt  über  die  Schwedenschanze :  ^) 

„Vor  Kelsterbach  liegen  in  einer  schnurgeraden  Linie  auf 
einer  Strecke  von  über  25  km  mindestens  sieben  größeren  Hügel- 
gräber-Gruppen, an  denen  die  alte  Straße  [unsere  heutige  Süd- 
grenze] vorbeigezogen  sein  wird.  Im  ersten  Teil  folgt  ihr  Verlauf 
dem  Hochufer  des  Flusses  (der  Kelsterbacher  Terrasse).  Da  wo 
sie  den  Main  erreicht  haben  muß,  liegt  die  Schwedenschanze, 
20  Minuten  vom  Bahnhof,  ganz  nahe  der  Stelle,  wo  ein  jetzt 
entfernter  Hinkelstein-)  stand.  Die  Nordfront  der  Umwallung 
schließt  sich  unmittelbar  an  das  Steilufer  an  und  ist  hier  am 
flachsten,  nur  noch  ca.  ^ji  m  hoch.  Die  Seiten  schließen  sich 
leicht  gekrümmt  an  die  Nordflanke  an.  Der  größte  Durchmesser 
von  West  nach  Ost  beträgt  von  den  Wallkronen  aus  gemessen 
56,  der  kleinste  40  m.  Im  Süden  ist  der  Wall,  von  der  Graben- 
sohle aus  gerechnet,  noch  über  7  m  hoch.  Auf  der  dem  Fluß 
zugekehrten  Nordseite  zieht  sich  etwas  bergabwärts  eine  kleine 
Terrasse  hin,  deren  Bestimmung  im  jetzigen  Zustand  unklar  ist, 
denn  die  Anlage  hat  trotz  ihres  noch  recht  stattlichen  Ansehens 
im  Laufe  der  Zeit  sehr  gelitten;  besonders  das  Innere  ist  wieder- 
holt aufgefüllt  imd  zur  Herstellung  eines  Festplatzes  eingeebnet 
worden.  —  Die  Schwedenschanze  macht  durchaus  den  Eindruck 
eines  Ringwalles,  obgleich  auch  hier  ohne  Ausgrabungen  etwas 
Sicheres  nicht  gesagt  werden  kann.  Cohausen  kommt  in  seiner 
Beschreibung  der  1883  in  der  Nähe  aufgedeckten  bronzezeitlichen 
Hügelgräber  auch  auf  die  Schanze  zu  sprechen,  hütet  sich  aber, 
sie  in  unmittelbare  Verbindung  mit  den  Gräbern  zu  bringen  oder 
überhaupt  ein  Urteil  auszusprechen.  Angesichts  der  oben  er- 
wähnten Tatsachen  muß  aber  auch  diese  Anlage  unbedingt  unter 
denen  aufgeführt  werden,  die  dringend  eine  Untersuchung  mit 
dem  Spaten  erfordern." 

Der  genaueste  Kenner  der  Ringwälle  und  ähnlicher  Bau- 
ten in  unserer  Gegend,  Herr  Architekt  Thomas  in  Frankfurt, 
schreibt  mir: 

„Meine  Ansichten  über  die  Kelsterbacher  Schwedenschanze 
sind   heute   genau   dieselben   wie    die   gegenwärtigen   von   Prof. 

1)  In:  Archiv  Hessische  Geschichte  N.  F.,  Bd.  V,  S.  516. 

2)  Nassauische  Annalen  XVIII  S.  200  ff. 


—     263     — 

Anthes.  Wenn  auch  die  bescheidene  Anlage  das  Äußere  eines 
Ringwalles  zeigt,  so  ist  sie  immerhin  den  weniger  auffälligen 
Besonderheiten  nach  als  eine  dem  frühen  Mittelalter  zugehörige 
Burg  zu  erkennen.  Bei  einer  solchen  war  die  Wehrlinie  —  genau 
wie  bei  einem  Ringwalle  —  als  primitive  Trockenmauer  ausge- 
baut, in  ebenem  Gelände  hinter  einem  möglichst  breiten  Wehr- 
graben, und  erst  in  jüngerer  Zeit  trat,  sofern  ihr  Bestand  gesichert 
werden  sollte,  an  Stelle  der  Trockenmauer  (aus  Erde  oder  Stein) 
die  Mörtelmauer. 

Bei  meiner  Untersuchung  und  sorgfältigen  Aufnahme  im 
Jahre  1904  fand  ich  die  Merkmale  ihrer  Bedeutung,  die  ich  kurz 
nachher  dem  Frankfurter  Verein  für  Geschichte  und  Altertums- 
kunde an  Ort  und  Stelle  auseinandersetzte.  Die  Ansicht,  daß  an 
ihr  eine  Aptierung  für  Feuerwaffen  vorgenommen  sei  ^),  kann  ich 
leider  nicht  teilen.  Im  Gegensatz  weist  alles  darauf  hin,  daß  sie 
schon  sehr  frühe  ihre  Bedeutung  als  Wehranlage  verloren  hat  und 
aufgegeben  worden  ist.  Das  auf  uns  Überkommene  darf  somit 
ein  erhöhtes  Interesse  beanspruchen.  Die  gegenwärtig  noch  er- 
kennbaren Einzelheiten  verweisen  überzeugend  auf  die  Abwehr 
des  Nahekampfes.  Selbst  die  von  Ihnen  angeführte  Besetzung 
der  Schanze  in  jüngster  Zeit  (in  den  Revolutionskriegen,  Ko.)  hat 
keine  Spuren  von  Änderungen  zum  Zweck  der  Feuerverteidigung 
hinterlassen,  ebensowenig  sind  dort  Spuren  vielleicht  älterer  Nach- 
benutzung wahrzunehmen.  Allerdings  zeigen  Wall  und  Graben 
starke  Verschleif ung.  Dies  kann  jedoch  bei  vielhundertjährigem 
Bestehen  in  Anbetracht  der  geringen  Konsistenz  der  Bodenart 
nicht  wundernehmen.  Daß  aber  der  Hof  etwas  planiert  worden, 
ist  mü-  selbst  erinnerlich.  Dabei  ist  eine,  im  Burghof  zentralge- 
legene, den  festlichen  Veranstaltungen  um  1860  hinderliche  mäßige 
Vertiefung  ausgeglichen  worden.  Das  ursprüngliche  Bild  der  früh- 
mittelalterlichen Schöpfung  konnte  damit  wegen  der  Kenntnis 
der  Tatsache  keine  Beeinträchtigung  erfahren ;  denn  bei  der  ver- 
gleichenden Berücksichtigung  des  vorliegenden  Restbestandes  an 
Elementen  aus  ihrer  früheren  Bauperiode  neben  den  durch  die 
neue  Forschung  an  verwandten  Anlagen  gesicherten  Ergebnissen, 
ist  auch  der  verlorengegangene  Ausbau  in  der  Hauptsache  kein 


1)  Ich  hatte  diese  Ansicht  bei  einer  Besichtigung  zusammen  mit  dem 
Landesgeologen  Dr.  Albert  von  Reinach  gefaßt  und  in  einem  Brief  an 
Herrn  Thomas  ausgesprochen. 


—     264     — 

Rätsel  mehr.  —  Von  Funden  weiß  ich  nichts;  ein  Bronzeschwert 
soll  vor  sehr  langer  Zeit  gefunden  worden  sein." 

Ein  wohlerhaltenes  Bronzeschwert  (?  Scramasax)  mit  kupfer- 
nen Nieten,  in  den  achtziger  Jahren  bei  Anlage  eines  Fußpfades 
am  Steilhang  gefunden,  wurde  mir  von  Herrn  Oberförster  Thurn- 
Mönchhof  übergeben;  ich  gab  es  an  Dr.  von  Reinach,  und  es 
dürfte  wohl  mit  dessen  Sammlung  in  das  Saalburg-Museum  ge- 
kommen sein. 


Nachtrag. 

(Zu  I  86) 

Zur  Urgeschichte  Schwanheims  hat  ein  Fund,  der  bei  der 
Anlage  der  Wasserleitung  in  der  Neugasse  gemacht  wurde,  einen 
wichtigen  Beitrag  geliefert.  In  anderthalb  Meter  Tiefe  stießen 
die  Arbeiter  auf  eine  Grabstätte  aus  der  Bronzeperiode. 
Der  Finder  war  glücklicherweise  ein  geborener  Heddernheimer, 
der  mit  derartigen  Sachen  Bescheid  wußte,  und  der  Aufseher 
sorgte  dafür,  daß  alles  geborgen  und  ich  sofort  benachrichtigt 
wurde.  Unter  den  Scherben  einer  —  offenbar  schon  bei  der 
Bestattung  beschädigt  gewesenen  —  Tonurne  lagen  drei  Arm- 
ringe, tadellos  erhalten,  zwei  aus  starken  Bronzeperlen  bestehend 
und  an  der  Rückseite  offen,  der  dritte  aus  Bronzedraht  äußerst 
zierlich  geflochten  und  noch  elastisch  und  federnd,  und  ferner 
eine  große  durchbohrte  Tonperle  mit  blauen  eingebrannten  Ver- 
zierungen, die  von  Spirallinien  umgeben  waren.  Außerdem  fan- 
den sich  noch  ein  länglich  viereckiger  Metallrest,  vielleicht  die 
Einfassung  einer  Messerscheide,  mid  ein  kleines  scharfkantiges 
Kieselschieferblättchen,  das  offenbar  zu  dem  Funde  gehörte,  da 
der  Lehm  des  Fundortes  völlig  steinfrei  ist.  Brandspuren  sind 
nicht  gefunden  worden.  Der  Fund  ist  in  unserem  Heimatmuseum 
geborgen;  Herr  Archivdirektor  Dr.  Brenner  in  Wiesbaden  wird 
über  ihn  genauer  berichten.  Die  Hoffnung  auf  weitere  Funde 
ist  leider  bis  jetzt  unerfüllt  geblieben. 

(Zu  m  253) 

Die  Angabe  über  das  Vorkommen  des  Wasserschier- 
lings im  Rodsee  beruht  nach  einer  freundlichen  Mitteilung  des 
Herrn  M.  Dürer,  des  gründlichsten  Kenners  unserer  Flora,  auf 


—    265    — 

einer  Verwechslung  mit  dem  Wasserkerbel  {Ocnanthe  phel- 
laudriu7n  Lam.),  der  wenigstens  für  den  Menschen  nicht  giftig 
ist.  Unser  gelber  Fingerhut  ist  nach  demselben  Digitalis 
amhigua  Murray). 

(Zu  m  277) 

Der  Täubling  der  gewöhnlichen  Hexenringe  auf  den  Wiesen 
ist  gelegentlich  einer  kleinen  Pilzausstellung  als  der  Masken- 
ritterling ( Tricholotna  person atum  Fries)  erkannt  worden  und 
wird  seitdem  von  den  Schwanheimer  Pilzfreunden  als  delikater 
Speisepilz  eifrig  gesammelt.  Auch  der  zweifarbige  Ritter- 
ling {Tricholotna  bicolor  Pers.)  ist  unter  den  guten  Speisepilzen 
anzuführen.  Beide  konnten  1912  bis  zu  den  ersten  Frösten  im 
November  gesammelt  werden. 


—    266    — 


Jahresfeier  am  25.  Mai  1913. 


Den   Festvortrag  hielt   der  Begründer  der  ultramikroskopi- 
schen Untersuchungsmethode  Dr.  H.  Siedentopf- Jena: 
„Über  ultramikroskopische  Abbildung  mit  Erklärung 
kinematographischer  Demonstrationen". 

Da  während  des  Vortrags  eine  große  Reihe  ultramikrosko- 
pischer Aufnahmen  neben  solchen  Bildern,  wie  sie  das  gewöhn- 
liche mikroskopische  Sehen  liefert,  gezeigt  wurde,  erläuterte  der 
Redner  zunächst  kurz  das  Wesen  der  Ultramikroskopie,  die 
im  Jahre  1902  auf  Anregung  von  Zsigmondy  vom  Vortragen- 
den gefunden  wurde.  Man  kann  dabei  nicht,  wie  der  Laie  anzu- 
nehmen geneigt  ist,  durch  besondere  optische  Einrichtungen  über 
die  stärksten  bisher  angewandten  Vergrößerungen  hinausgehen. 
Die  Grenzen  hierfür  sind  in  der  Wellennatur  des  Lichtes  ge- 
geben: Durchdringen  Lichtwellen  die  feinsten  Strukturen  eines 
miki'oskopischen  Präparates,  so  treten  Beugungserscheinungen 
auf,  die  eine  richtige  Abbildung  von  Einzelheiten  unterhalb  einer 
bestimmten  Ausdehnung  durch  noch  so  vollkommene  Linsen- 
systeme unmöglich  machen.  In  der  Ultramikroskopie  aber  hat 
man  mit  dem  Prinzip  der  direkten  Abbildung  gebrochen.  Einzel- 
heiten, die  man  beim  gewöhnlichen  Mikroskopieren  nicht  mehr 
erkennen  kann,  die  ihre  Anwesenheit  aber  durch  Störungen  im 
direkt  abbildenden  Strahlenbüschel  verraten,  erkennt  man  durch 
seitliches  Betrachten  dieses  Strahlenbüschels  im  „  D  u  n  k  e  1  f  e  1  d  " 
an  den  Beugungserscheinungen.  In  der  Praxis  wird  durch  be- 
stimmte Blenden  oder  Kondensoren  das  beim  gewöhnlichen  Mi- 
kroskop durch  das  Objekt  von  unten  hindurch  gelangende  zentrale 
Licht  fortgenommen  und  das  Objekt  im  Dunkelfeld  nur  von  den 
Seiten  beleuchtet,  wodurch  ein  sog.  Refraktionsbild  erzielt 
wird.  Damit  werden  bei  allen  gebräuchlichen  Vergrößerungen 
unserer  Mikroskope  an  den  verschiedensten  Untersuchungsgegen- 
ständen Teile  im  Dunkelfeld  sichtbar  und  der  Untersuchung  zu- 
gänglich gemacht,  die  im  Hellfeld  ganz  oder  teilweise  verloren 
gehen.  Freilich  muß  die  Ultramikroskopie  dabei  auf  ein  getreues 
Bild  des  Objektes  mehr  oder  minder  verzichten. 


—     267     — 

Die  im  Verhältnis  zur  Hauptaufgabe  des  Vortrags  wohlbe- 
messenen theoretischen  Ausführungen  des  Redners  ließen  den 
kinematographischen  Bildern  den  nötigen  Raum ;  möglich 
gemacht  waren  diese  durch  das  freundliche  Entgegenkommen  des 
Zeiss-Werkes  in  Jena,  das  die  wertvolle  Apparatur  kostenlos 
zur  Verfügung  gestellt  hatte.  Die  Aufnahmen  bewegten  sich  in 
den  verschiedensten  Zweigen  der  Naturwissenschaften  und  er- 
wiesen die  ausgedehnte  Anwendungsmöglichkeit  dieser  neuen  Art 
der  Projektion.  Aus  der  Physik  wurde  die  Brown  sehe  Mole- 
kularbewegung vorgeführt,  aus  der  Chemie  die  Umwandlung 
von  weißem  in  roten  Phosphor.  Den  größten  Anteil  aber  hatten 
die  biologischen  Wissenschaften  durch  die  Vorführung 
lebender  Organismen.  Auf  der  Leinwand  bewegt  sich  das  Plasma 
in  pflanzlichen  Zellen,  und  die  Pollenschläuche  wachsen 
—  allerdings  in  stark  beschleunigtem  Tempo  —  auf  die  weib- 
liche Narbe  zu,  solange  die  darunterliegende  Eizelle  noch  nicht 
befruchtet  ist.  Wundervoll  plastisch  rollen  die  Volvoxkugeln  in 
ihrer  steten,  ruhigen  Bewegung;  einige  entlassen  vor  unseren 
Augen  Tochterkolonien.  Freunde  der  Protozoen  und  anderer 
„Lebewesen  des  Wassertropfens"  müssen  ihre  helle  Freude  ge- 
habt haben  an  dieser  Wiedergabe  verschiedener  Formen  in  allen 
Einzelheiten  der  fast  für  jede  Art  charakteristischen  Bewegun- 
gen: dem  Weiterschrauben  der  Paramaecien,  dem  ruckweise  er- 
folgenden Aufrollen  des  Stieles,  dem  Schlag  der  Wimpern  im 
Peristomfeld  der  Vorticellen,  dem  Marschieren  der  Stylonychien. 
Lebensvorgänge  im  Plasma  der  Einzeller,  die  sich  bisher  nur 
dem  geübten  Beobachter  unter  dem  Mikroskop  offenbarten,  wie 
das  Spiel  der  kontraktilen  Vakuolen  in  Amöben  und  Paramaecien, 
Kern-  und  Zellteilung,  Kopulation  usf.,  können  dreihundert  Hörern 
auf  einmal  und  denkbar  anschaulich  gezeigt  werden.  Die  zunächst 
ganz  auf  individueller  Beobachtung  basierenden  Angaben  über 
das  physiologische  Verhalten  der  Einzeller  gegen  verschiedene 
Reize,  wie  z.  B.  den  elektrischen  Strom,  erscheinen  nun  auf  dem 
Lichtschirm  eines  Hörsaals! 

Auch  die  Metazoen  waren  vertreten:  die  kleinen  Krebse 
des  süßen  Wassers,  Daphnien  und  dann  Kopepoden,  deren  Nau- 
plien  beim  Auskriechen  aus  dem  Ei  auf  den  Film  gebannt  waren, 
Rädertiere,  die  zierlichen  Plumatellen  mit  ihren  äußerst  sensiblen 
Tentakelbüschen  und  Hydra  beim  Verschlingen  ihrer  Beute. 
Freilich  kann  bei  diesen  größeren  und  dichteren  Objekten  auch 


—     268    — 

das  exakteste  Fokiisieren  während  der  Aufnahme  die  individuelle 
Beobachtung  nicht  ganz  ersetzen;  das  kinematographische  Bild 
bietet  aber  alles,  was  etwa  ein  Praktikant  an  einem  lebenden 
Objekte  sehen  würde. 

Sehr  instruktiv  sind  die  Aufnahmen  der  Trypanosomen  im 
Blute,  der  Spirochäten  und  der  Spermien,  sowie  die  Einverlei- 
bung der  Trypanosomen  in  weiße  Blutkörper  durch  Phagocytose. 
Zwei  Diapositive,  welche  die  Apparate  zur  Herstellung  von 
kinematographischen  Aufnahmen  im  Ultramikroskop  zeigen,  wur- 
den zum  ersten  Male  vorgeführt. 

Der  Vortrag  hat  nach  zwei  Seiten  hin  viel  gegeben :  Er  ver- 
mittelte einmal  eine  klare  Vorstellung  über  das  Wesen  und  das 
Aussehen  eines  ultramikroskopischen  Bildes  und  bewies  sodann 
die  hohe  Bedeutung,  die  dem  vielgeschmähten  „Kino"  zukommt, 
wenn  er  einmal  als  Unterrichtsmittel  zugänglicher  sein  wird 
als  heute.  Schon  die  kinematographische  Demonstration  der  See- 
igelentwicklung durch  Prof.  Fl e seh  am  S.November  1911,  sowie 
die  Vorführung  „lebender  Bilder"  unserer  einheimischen  Sing- 
vögel und  des  afrikanischen  Großwildes  durch  Prof.  Heck  am 
17.  November  1912^)  hatten  den  weiteren  Ausbau  dieses  Hilfs- 
mittels für  den  Unterricht  vermuten  lassen.  Was  aber  jetzt  ge- 
boten wird,  zeigt,  daß  diese  Art  der  Veranschaulichung  von 
Naturform  und  Naturvorgang  unentbehrlich  für  unsere  bio- 
logischen Lehrinstitute  werden  wird,  und  daß  ihr  bald  kein  grö- 
ßeres Institut  mehr  wird  entraten  wollen.  Begriffe,  wie  der  der 
amöboiden  Bewegung  können  damit  im  Augenblick  klar  gemacht 
sein;  für  manche  populären  Vorträge  wird  der  Kinematograph 
schließlich  conditio  sine  qua  non  werden.  Freilich  wird  in  der 
Biologie  die  Kamera  kaum  je  imstande  sein,  das  menschliche 
Auge  zu  ersetzen  oder  an  Aufnahmefähigkeit  zu  übertreffen, 
wie  in  der  Astronomie.  Aber  sie  ist,  namentlich  jetzt  in  Ver- 
bindung mit  dem  Kinematographen,  dazu  berufen,  die  Re- 
sultate wissenschaftlicher  Forschung  durch  die  ursprünglichste 
und  beste  pädagogische  Methode,  die  der  eigenen  Anschau- 
ung, rascher  und  klarer  Allgemeingut  werden  zu  lassen,  als 
dies   die   übersichtlichste   Abhandlung   oder  das  beste  Bild  oder 

der  vollendetste  Vortrag  je  vermögen. 

L.  Nick. 


1)  Siehe  43.  Bericht  1912  S.  150  und  44.  Bericht  1913  S.  120. 


Jf 


(HJ'piinlsJiH 


271    — 


Friedrich  Kinkelin 

gest.  13.  August  1913  zu  Frankfurt  a.  M. 

Ein  rastloses  Leben  liegt  abgeschlossen  vor  uns;  aber  der 
Tod  war  ihm  kein  Zerstörer,  er  kam  als  Erlöser.  Seit  dem  Ent- 
schlafenen vor  Jahresfrist  seine  treubesorgte  Gattin  im  Tode  vor- 
ausgegangen war,  erlosch  sichtlich  die  bewundernswerte  Stand- 
kraft, die  trotz  aller  Leiden  des  Alters  den  zähen  Körper  erfüllte, 
und  ein  müder  Greis  sehnte  sich  nach  Ruhe.  Er  hat  sein  Leben 
lang  nicht  allzuviel  davon  genossen! 

Georg  Friedrich  Kinkelin  war  am  15.  Juli  1836  zu 
Lindau  geboren,  wo  sein  Vater  als  Arzt  praktizierte  und  er  selbst 
im  Kreise  jüngerer  Geschwister  seine  glückliche  Kindheit  und 
die  ersten  frohen  Jugendjahre  verlebte.  Frühzeitig  trat  seine 
große  musikalische  Begabung  zutage,  die  durch  die  Pflege  der 
Musik  im  Hause  seines  Vaters,  der  lange  Vorstand  des  Lindauer 
Liederkranzes  gewesen  ist,  zur  Meisterschaft  im  Gesang  geför- 
dert wurde:  ein  kostbares  Erbteil,  das  ihm  und  anderen  viele 
Stunden  des  Lebens  verschönt  hat.  Die  prachtvolle  landschaft- 
liche Umgebung  seiner  Vaterstadt,  der  Bodensee  und  die  am 
Pfänderzug  gelegene  malerische  Ruppburg,  der  Lieblingsschau- 
platz seiner  frohen  Jugendspiele,  weckten  früh  den  Sinn  des 
lebhaften  Knaben  für  die  Schönheiten  der  Natur  und  ließen  in 
ihm,  der  ursprünglich  für  den  Beruf  eines  Landwirtes  bestimmt 
war,  immer  eindringlicher  den  Wunsch  wach  werden,  sich  dem 
Studium  der  Naturwissenschaften  zu  widmen.  Dieser,  seiner 
innersten  Neigung  folgend,  studierte  er  nach  Absolvierung  der 
Lateinschule  zu  Lindau  und  Augsburg  und  der  Gewerbeschule 
daselbst  an  der  polytechnischen  Schule  zu  München  und  der 
Universität  Berlin  und  hospitierte  dann  weitere  zwei  Semester 
an  der  Münchener  Universität,  indem  er  sich  nebenher  auch  noch 
auf  das  Gymnasial -Maturitätsexamen  vorbereitete.  Im  Herbst 
1858  bestand  er  die  Reifeprüfung  am  Maximilians-Gymnasium  zu 


—     272     — 

München.  Die  Staatsexamina  in  Naturbeschreibung  und  Chemie 
schlössen  1861  sein  Universitätsstudium  ab,  das  er  noch  drei 
Jahre  lang  in  München  fortgesetzt  hatte. 

Fritz  Kinkelin  ist  ein  strebsamer,  ungemein  fleißiger  Stu- 
dent, aber  auch  ein  flotter  Bursch  gewesen,  der  das  grünweiß- 
schwarze  Band  der  Algovia,  das  später  durch  die  schwarzrot- 
goldenen Farben  der  Münchener  Bm'schenschaft  Arminia  ersetzt 
wurde,  froh  und  stolz  getragen  hat  und  für  seine  Überzeugung 
auch  mit  der  blanken  Klinge  eingetreten  ist. 

Unter  dem  Einfluß  seiner  Münchener  akademischen  Lehrer 
Oppel,  von  Kobell  und  Buchner  waren  Paläontologie  und 
Geologie,  Mineralogie  und  Chemie  die  Lieblingsgebiete  seines 
Studiums  geworden;  doch  war  es  zunächst  die  Chemie,  in  der 
Kinkelin  als  Assistent  an  der  Gewerbeschule  zu  Lindau  und 
am  chemisch-technischen  Laboratorium  (Prof.  Bolley)  zu  Zürich 
seine  weitere  Ausbildung  suchte,  bis  er  1863  die  Leitung  ei- 
ner Farbenfabrik  in  Berlin  übernahm  (bis  1866).  Das  rastlose 
Treiben  und  Drängen  um  die  Rentabilität  des  Geschäftes  und 
kaufmännische  Anforderungen,  die  in  seiner  neuen  Stellung  an 
ihn  herantraten,  paßten  jedoch  schlecht  zu  dem  auf  ruhige,  ernste 
Forschertätigkeit  gerichteten  Wesen  Kinkelins,  und  nachdem 
noch  dazu  sein  junges  häusliches  Glück  dm-ch  den  Tod  seiner 
ersten  Gemahlin  ein  jähes  Ende  gefunden  hatte,  gab  er  seine 
einträgliche  Stellung  auf  und  widmete  sich,  nach  vorübergehen- 
der Tätigkeit  an  einer  anderen  chemischen  Fabrik  in  Staßfurt, 
dem  Lehrerberuf,  der  ihm  neue  Aussichten  auf  die  Befriedi- 
gung seiner  innersten  Neigungen  eröffnete. 

Am  6.  Mai  1867  wurde  Kinkelin  als  Bezirkslehrer  für 
Arithmetik,  Physik  und  Naturgeschichte  an  der  Schule  zu  Zo- 
fingen im  schweizerischen  Kanton  Aargau  angestellt,  eine  Stel- 
lung, die  ihm  Muße  genug  ließ,  die  geologisch-paläonto- 
logischen Studien,  die  er  schon  als  Student  betrieben,  mit 
neuem  Eifer  wieder  aufzunehmen.  Und  mit  welchem  Ernst  hat 
er  sich  neben  seiner  Berufstätigkeit  diesen  Studien  gewidmet. 
Bald  hatte  er  einen  Kreis  gleichgesinnter  Freunde,  „der  Engere'' 
genannt,  um  sich  versammelt.  Allwöchentlich  fanden  im  Hause 
eines  der  Mitglieder  Zusammenkünfte  statt,  zu  wissenschaftlichem 
Austausch  und  zu  gemütlicher  Pflege  der  Freundschaft.  Kin- 
kelin war  die  Seele  der  Vereinigung.  Er  war  der  Lehrer  der 
anderen,  der  Führer  auf  geologischen  Exkursionen  in  den  Schwei- 


—     273     — 

zer  Jura,  die  oft  mehrere  Tage,  mitunter  bis  zu  einer  Woche 
dauerten.  Die  wenigen  noch  lebenden  Freunde  aus  jenem  Kreise 
zählen  diese  Exkursionen,  auf  denen  sie  Kinkel  in  begleiten 
konnten,  zu  ihren  schönsten  Erinnerungen  aus  einer  fast 
ein  halbes  Jahrhundert  zurückliegenden  ZeitI  In  Zofingen  hat 
Kinkelin  auch  ein  neues  Glück  in  der  Ehe  mit  einer  Schwester 
seiner  ersten  Gattin  (1870)  gefunden. 

Als  er  nach  sechsjähriger  Tätigkeit  seinen  dortigen  Wirkungs- 
kreis verließ,  schenkte  er  ein  gut  Teil  seiner  reichen  Sammlun- 
gen, namentlich  Petrefakten  aus  dem  Schaffhauser  Jura,  seinem 
Freunde  H.  Fisch er-Sigwart,  dem  verdienstvollen  Beobachter 
des  schweizerischen  Reptilien-  und  Amphibienlebens.  Sie  sind 
jetzt  mit  dessen  eigenen  Funden  als  stattliche  geologisch-paläon- 
tologische Sammlung  dem  Museum  einverleibt,  das  von  einem 
hochherzigen  Zofinger  Bürger  seiner  Vaterstadt  geschenkt  wor- 
den ist.  Auch  in  späteren  Jahren  hat  Kinkel  in  noch  manches 
wertvolle  Stück  dem  Museum  in  Zofingen  zugewandt;  dort  ist 
in  treuem  Gedenken  an  sein  rastloses  Wirken  auch  sein  Bild 
aufgehängt  mit  der  Aufschrift 

„Ein  Freund  und  Gönner  unseres  Museums" . 

Ostern  1873  wurde  Kinkelin  als  Nachfolger  Karl  Kochs, 
des  späteren  Landesgeologen,  an  die  Realschule  und  höhere 
Töchterschule  der  hiesigen  Israelitischen  Religionsgesellschaft 
berufen.  Im  Mai  1874  promovierte  er  in  Basel  und  zu  Ende  des- 
selben Jahres  wurde  er  vom  Preußischen  Unterrichtsminister  vom 
Examen  pro  facultate  dispensiert.  Vom  Herbst  1876  an  wirkte 
er  als  Oberlehrer  der  Naturwissenschaften  vorübergehend  an 
der  hiesigen  Musterschule,  dann  an  der  Elisabethenschule  und 
an  dem  mit  ihr  verbundenen  Lehrerinnenseminar,  bis  er  nach 
dreißigjähriger  Dienstzeit  an  den  städtischen  höheren  Schulen 
Frankfurts  am  1.  Oktober  1906  in  den  wohlverdienten  Ruhestand 
trat.  Im  Herbst  1894  war  ihm  bereits  der  Professortitel  ver- 
liehen worden. 

Die  warmherzigen  Worte  der  Erinnerung,  die  dem  erfolg- 
reichen Wirken  des  Entschlafenen  an  seinem  Grabe  von  den 
Direktoren  der  Elisabethenschule  und  des  Lehrerinnenseminars 
gewidmet  worden  sind,  sie  bekunden  die  hohe  Verehrung,  deren 
sich  Kinkelin  bei  allen  seinen  Mitarbeitern  zu  erfreuen  hatte, 
und   zugleich   die   anhängliche  Liebe   und   Dankbarkeit,   die  ihm 

18 


—     274     — 

aus  weiten  Kreisen  seiner  ehemaligen  Schülerinnen  über  den  Tod 
hinaus  bewahrt  werden! 

Ja,  er  hat  in  vorbildlicher  Treue  sein  hohes  Amt  ver- 
sehen, obwohl  es  ihm  nicht  den  ersehnten  Beruf  brachte.  Diesen 
fand  er  vielmehr  —  hier,  wie  in  Zofingen  —  in  den  Stunden, 
die  der  Dienst  des  Tages  ihm  übrigließ,  und  er  hat  ihn  mit  aller 
Kraft  ausgefüllt.  Und  hier  ist  auch  die  tiefe  Dankesschuld  abzu- 
tragen, die  die  Senckenbergische  Naturforschende  Ge- 
sellschaft und  ihr  Museum,  damit  aber  zugleich  ganz 
Frankfurt,  dem  Verstorbenen  zollen  muß.  Unmittelbar  nach 
seiner  Übersiedelung  hierher  trat  er  der  Gesellschaft  als  Mitglied 
bei;  noch  im  gleichen  Jahre  (1873)  wurde  er  zum  arbeitenden 
Mitglied  ernannt,  —  nomen  est  omen  in  diesem  Fall  —  und  dann 
bekleidete  er  nicht  weniger  als  zehn  Jahre  lang  (1875-1884)  die 
Stelle  des  ersten  Schriftführers  der  Gesellschaft.  Niemand  außer 
ihm  hat  in  den  letzten  70  Jahren  diesen  Posten  so  lange  Zeit 
mit  Treue  und  Unermüdlichkeit  versehen;  aber  es  kennzeichnet 
Kinkelin  vollständig,  daß  er  außerdem  noch  Zeit  fand,  in  der 
Bibliotheks-Kommission,  in  den  Redaktionen  des  Berichts  und  der 
Abhandlungen,  der  Ordnung  des  Archivs  und  den  Kommissionen 
zur  Erteilung  des  v.  Reinach-Preises  und  des  Askenasy-Stipen- 
diums  fleißig  mitzuarbeiten  und  sich  trotzdem  mit  voller  Kraft 
auf  die  Geologie  der  neuen  Heimat  zu  werfen.  Seine 
innige  Freundschaft  mit  Karl  Koch,  dem  frühverstorbenen 
Landesgeologen  und  hervorragenden  Forscher,  hat  ihn  wohl  in 
diesem  Vorhaben  bestärkt,  und  fast  alle  seine  zahlreichen  Pu- 
blikationen im  Bericht  und  in  den  Abhandlungen  der  Sencken- 
bergischen  Gesellschaft  dienen  der  geologischen  Erforschung  der 
Frankfurter  Umgegend.  Sie  ist  nicht  zuletzt  durch  Kinkelin  zu 
einer  der  bestbekannten  Gegenden  Deutschlands  geworden.  Aber 
wie  hat  er  auch  gesucht  und  geforscht!  Keine  Straßengrabung, 
keine  Ausschachtung  für  einen  Hausbau  wurde  jahrzehntelang 
geschaffen,  ohne  daß  er  sie  gesehen  hätte.  Entstanden  nun  gar 
größere  Aufschlüsse,  wie  sie  z.  B.  für  die  Mainkanalisation,  die 
Frankfurter  Hafenbauten  und  die  Wassergewinnung  aus  dem 
Stadtwald  notwendig  wurden,  so  war  er  täglich  in  Wind  und 
Wetter  draußen  und  schleppte  alle  Funde  getreulich  ins  Museum. 
Seine  Arbeiten  sind  eine  wahre  Fundgrube  für  wissenschaftliche 
Beobachtungen.  Wo  heute  lange  Straßenzüge  die  Erdschichten 
verhüllen,  da  hat  er  noch  gesammelt,  und  so  ist  die  Lokalsamm- 


—    275    — 

lung  aus  der  näheren  und  weiteren  Umgebung  Frankfurts,  sein 
ureigenstes  Werk,  eine  Zusammenstellung  von  bedeutsamen  Do- 
kumenten geworden,  die  heute  nirgends  mehr  erreichbar  sind. 
Kein  Wunder,  daß  er  als  der  beste  Kenner  des  geologischen 
Baues  unserer  Gegend  oft  um  seinen  Rat  gebeten  wurde,  wenn 
es  galt,  die  Wasserversorgung  der  wachsenden  Großstadt 
Frankfurt  auszubauen  und  zu  verbessern. 

Wie  hat  sich  Kinkelin  gefreut,  1882  zuerst  Vorlesungen 
über  die  Geologie  der  Heimat  halten  zu  können,  und  wie  hat  er 
Jahr  für  Jahr  sich  bemüht,  seine  Begeisterung  für  die  Wissen- 
schaft anderen  einzuflößen.  Hier  sei  vor  allem  Albert  von 
Reinachs  gedacht,  den  er  auf  zahlreichen  Exkursionen  in  die 
Geologie  der  Umgegend  einweihte  und  ihn  so  befähigte,  in  selb- 
ständigem Schaffen  seiner  Lieblingswissenschaft  zu  nutzen. 

Im  Jahre  1884  wurde  Kinkelin  mit  seinem  Freunde  Oskar 
Boettger  Sektionär  der  geologisch-paläontologischen  Abteilung 
des  Museums,  und  sofort  beginnen  alljährlich  im  Bericht  aus- 
führliche Mitteilungen  über  die  Vermehrung  „seiner  Sektion"  zu 
erscheinen.  Überall  in  der  Sammlung  ist  seine  saubere,  klare 
Handschrift  zu  sehen,  und  keine  der  zahlreichen  Gruppen  ist  un- 
vermehrt  geblieben,  obwohl  die  Mittel  zu  Anschaffungen  damals 
noch  knapper  waren  als  in  der  Gegenwart.  Zwei  Abteilungen 
aber  waren  seine  Lieblinge:  einmal  die  diluvialen  Wirbel- 
tiere von  Mosbach  bei  Wiesbaden  und  dann  die  reichen 
fossilen  Floren  des  Mainzer  Beckens.  Besonders  die 
letztgenannte  Gruppe  hat  ihm  Freude  und  Genugtuung  bereitet 
und  hat  den  größten  Anteil  an  der  wissenschaftlichen  Bedeutung 
seiner  Arbeiten.  Die  reichen  Pliozän-Floren,  die  er  zuerst  in 
der  Niederräder  Schleusenkammer  nachwies  und  mit  unendlicher 
Mühe,  von  zahlreichen  Freunden  unterstützt,  aus  dem  zähen, 
schmutzigen  Letten  gewann,  sind  ein  einzigartiger  Besitz  des 
Senckenbergischen  Museums  geworden,  und  Kinkelins  wissen- 
schaftliche Arbeiten  darüber,  die  wahrhaft  erschöpfend  alle  Fra- 
gen behandeln,  haben  den  Wert  der  Sammlung  ungemein  erhöht. 
Niemand  wird  über  das  Pliozän  der  weiteren  Umgebung  Frank- 
furts, ja  von  ganz  Westeuropa  überhaupt,  arbeiten  können,  ohne 
seine  Arbeiten  darüber  zu  studieren.^)    Darum  hat  ihn  auch  die 


^)  Hervorgehoben  seien  aus  der  Fülle  von  Kinkelins  Publikationen 
die  beiden  großen  Arbeiten  über  die  Oberpliozän-Flora  der  Frankfurter 
Gegend  in  den  Abhandlungen  der   Senckenbergischen  Naturforschenden  Ge- 

18* 


—     276     — 

Senckenbergische  Naturforschende  Gesellschaft  zweimal  mit 
dem  V.  Reinach-Preis  ausgezeichnet  (1893  und  1908). 

Und  als  Kinkel  in  endlich  im  Jahre  1888  einige  Räume  zur 
Aufstellung  einer  geologisch-paläontologischen  Schausammlung 
bekam,  mit  welcher  selbstlosen  Zähigkeit  und  welcher  schier  un- 
begreiflichen Arbeitskraft  hat  er  jede  freie  Minute  seiner  Sektion 
gewidmet!  In  den  unterirdischen  Räumen  am  Eschenheimer  Tor 
hauste  er,  umgeben  von  Kisten  und  Kasten,  von  Schlämmproben 
und  fossilen  Knochen,  stets  bereit,  seine  Sammlungen  zu  zeigen, 
und  immer  bedacht  auf  ihre  Vergrößerung.  Mit  dickem  Mantel 
und  schweren  Filzschuhen  bekleidet,  hat  er  im  Winter  in  den 
ungeheizten  Sälen  gearbeitet  und  sich  oft  sein  Mittagessen  ins 
Museum  schicken  lassen,  nur  um  vorwärts  zu  kommen.  Kein 
Wunder,  daß  ihm  seine  Sammlung  ans  Herz  gewachsen  war, 
und  daß  es  ihm  schwergefallen  ist,  sich  mit  den  vielen  neuen 
Ideen  abzufinden,  die  nach  der  Verlegung  des  Museums  an  die 
Viktoria-Allee  kamen  und  kommen  mußten.  Zäh  hielt  er  an  dem 
für  Recht  Erkannten  fest;  war  er  aber  einmal  nach  langem 
Ringen  überzeugt,  daß  das  Neue  auch  wirklich  besser  war,  dann 
gab  es  kein  Zögern  und  kein  mißmutiges  Beiseitestehen;  dann 
war  er  der  erste,  der  mit  Feuereifer  die  Arbeit  begann.  Er  hat 
das  Aufblühen  seiner  Sektion  bis  zuletzt  mit  dem  allerregsten 
Interesse  verfolgt.  Gern  hat  er  bis  in  die  letzten  Monate  seines 
Lebens  hinein  Freunden  und  Kollegen  die  Sammlungen  gezeigt, 
und  noch  in  den  Ostertagen  dieses  Jahres  hat  er  sich  trotz  aller 
Schwäche  ins  Museum  bringen  lassen,  um  die  Süddeutschen  Geo- 
logen noch  einmal  zu  begrüßen  und  mit  ihnen  einen  Händedruck 
zu  tauschen. 

So  hat  er  die  Grundlagen  der  geologischen  Sammlung  in 
Frankfurt  in  rastloser  Tätigkeit  geschaffen;  so  ist  sein  Leben 
ein  Kette  von  Mühe  und  Arbeit  für  sein  Ideal  gewesen.  Der 
Weg  zu  seinem  Ziel  führte  ihn  geradeaus,  und  dabei  ist  er  gar 
manchmal  mit  seinem  rücksichtslosen  Draufgehen,  mit  seinem 
Haß   gegen  jede  Diplomatie,  hart  angestoßen.     Aber  er  hat  nie 


Seilschaft  15.  Band  1886  und  29.  Band  1908,  sowie  die  abschließende  Studie 
über  den  Oberpliozän -See,  ebenda  31.  Band  1912.  —  Eine  umfassende 
Zusammenstellung  aller  bisherigen  Kenntnisse  über  das  Tertiär  und 
Diluvivim  unserer  Gegend  enthält  seine  Arbeit  „Die  Tertiär-  und 
Diluvialbildungen  des  Untermaintales,  der  Wetterau  und  des  Südabhanges 
des  Taunus"  in  den  Abhandlungen  zur  geologischen  Spezialkarte  von  Preußen 
luid  den  Thüringischen  Staaten  Bd.  9  Heft  4  1892. 


—     277     — 

etwas  nachgetragen,  und  immer  wieder  hat  er  den  Gegner  be- 
zwungen durch  seine  Energie,  die  alle  Kraft  seinem  Museum 
widmete,  und  die  vor  allem  keine  Rücksicht  gegen  sich  selbst 
kannte.  Es  ist  ihm  mit  seiner  Eigenheit  im  Leben  nicht  leicht 
geworden,  und  mancher,  der  ihn  nicht  kannte,  hat  nur  die  rauhe 
Außenseite  seines  Wesens  kennen  gelernt.  Aber  wer  ihm  näher 
trat,  der  erkannte  den  absolut  zuverlässigen,  warmherzigen  Mann, 
der  treu  gegen  andere  war,  der  aber  auch  treu  seiner  Über- 
zeugung folgte,  und  dem  jede  Äußerlichkeit  fremd  war.  Sein 
Leben  galt  dem  Dienst  der  "Wissenschaft  und  der 
selbstlosen  Arbeit  zu  ihrem  Nutzen;  so  wird  die  Wissenschaft 
ihm  durch  ein  warmes  Gedenken  über  das  Grab  hinaus  dankbar 
sein.  Seine  zweite  Heimat  Frankfurt  aber  darf  den  Namen 
Friedrich   Kinkelin  neben   den  ihrer  besten  Söhne  eintragen! 

F.  Dreverrnann. 


—    278 


Carl  6erlach 

geb.  28.  2. 1843  zu  Frankfurt  a.  M.,  gest.  15.  8. 1913  zu  Freiburg  i.B. 


Dr.  med.  Carl  Gerlach  war  der  Unsere  mit  Leib  und  Seele! 
Von  früher  Kindheit  an  bis  zu  seinem  Tode  hat  er  der  Sencken- 
bergischen  Gesellschaft  das  lebhafteste  Interesse  entgegen- 
gebracht: als  Knabe  und  noch  als  Greis  ist  er  ein  regelmäßiger 
Hörer  unserer  Vorlesungen  gewesen,  in  seinen  besten  Mannes- 
jahren hat  er  unablässig  für  das  Museum  gesammelt,  und  noch 
über  den  Tod  hinaus  ist  er  durch  ein  großherziges  Vermächtnis 
auf  die  weitere  Entwicklung  unserer  Schausammlung  bedacht 
gewesen. 

Die  Liebe  zur  Natur  war  ihm  angeboren.  Mit  seinem  fast 
gleichaltrigen  Mitschüler  und  Freunde  Oskar  Boettger,  dem 
Sohn  des  Dozenten  der  Chemie  am  Physikalischen  Verein,  war 
Gerlach  ein  täglicher  Gast  in  Rudolf  Boettgers  Labora- 
torium, das  sich  damals  in  unserem  alten  Museum  am  Eschen- 
heimer Tor  befand,  und  dadurch  auch  ein  häufiger  Besucher 
unseres  Museums.  Hier  haben  beide  Knaben  die  erste  An- 
regung zum  Sammeln  von  Naturalien  empfangen,  und  dieser 
Neigung  sind  sie  ihr  ganzes  Leben  treu  geblieben.  Als  Primaner 
des  hiesigen  Gymnasiums  haben  sie  die  Vorlesungen  unserer 
Gesellschaft  und  der  Dr.  Senckenbergischen  Stiftung  besucht: 
Lucae,  Weinland,  Georg  Fresenius  und  Volger  waren 
ihre  Lehrer,  die  den  jungen  Ger  lach  für  die  Medizin  und  die 
Naturwissenschaften  zu  begeistern  wußten. 

Nach  Absolvierung  des  Gymnasiums  (1863)  studierte  Carl 
Gerlach  in  Tübingen,  Freiburg,  Greifswald  und  Marburg,  über- 
all bedacht,  seine  Sammlungen  zu  vergrößern,  —  er  hatte  sich 
unter  dem  Einfluß  Otto  Volgers  besonders  auf  fossile  und 
rezente  Schnecken  verlegt  —  und  die  Ferienaufenthalte  im 
Elternhaus  stets  fleißig  zum  Ai'beiten  in  der  Senckenbergischen 


^.y<L^    Ä^C^lt^— Z- 


Cd^ 


—    281     — 

Anatomie  und  unter  C.  F.  Nolls  Anleitung  in  unserem  Museum 
benutzend.  Nachdem  er  1868  in  Marburg  die  medizinische  Staats- 
prüfung abgelegt  imd  promoviert  hatte,  ließ  er  sich  als  prak- 
tischer Arzt  in  seiner  Vaterstadt  nieder  und  war  zunächst  als 
Armenarzt  für  die  hiesige  Deutsche  reformierte  Gemeinde  tätig. 
Doch  bald  war  ihm  eine  besonders  günstige  Gelegenheit  geboten, 
sich  in  Hongkong  als  Arzt  niederzulassen,  und  Carl  Gerlach 
wäre  der  letzte  gewesen,  ein  solches  Anerbieten  auszuschlagen, 
das  seinem  Sammeleifer  ein  neues,  weites  Feld  der  Betätigung 
eröffnete.  Im  Frühjahr  1869  verlegte  er  seinen  Wohnsitz  nach 
Hongkong,  und  dort  hat  er  während  eines  Menschenalters  eine 
reich  gesegnete  ärztliche  Tätigkeit  entfaltet.  Indessen  war  er 
seiner  großen  Klientel  nicht  nur  ein  sorgsamer  ärztlicher  Be- 
rater, sondern  auch  der  treueste  Freund,  und  er  ist  es  den  vielen 
deutschen  Familien,  die  er  im  fernen  Osten  kennen  gelernt  hat, 
geblieben,  längst  nachdem  sie  nach  Europa  zurückgekehrt  waren, 
und  nachdem  er  selbst  die  ärztliche  Praxis  aufgegeben  hatte. 

Stets  eifrig  bestrebt,  den  Fortschritten  seiner  Wissenschaft 
zu  folgen,  führte  ihn  die  Kunde  von  Robert  Kochs  bahn- 
brechender Entdeckung  des  Cholera-  und  des  Tuberkulose-Bazil- 
lus nach  Deutschland  zurück,  wo  er  sich  1885  im  hygienischen 
Institut  zu  Berlin  mit  den  subtilen  mikroskopischen  und  bakterio- 
logischen Untersuchungsmethoden  bekannt  zu  machen  suchte,  um 
auf  dem  neu  errungenen  Gebiet  wissenschaftlicher  Forschung 
selbständig  mitarbeiten  zu  können.  Es  war  das  einzige  Mal  wäh- 
rend seines  zweiunddreißigjährigen  Aufenthaltes  in  Hongkong, 
daß  er  vorübergehend  in  die  Heimat  zurückkam.  Im  übrigen 
nützte  er  die  Zeit  beruflicher  Ferien  stets  zu  längeren  Studien- 
und  Sammelreisen  in  das  Innere  von  China  und  Japan  aus, 
deren  reiche  Früchte  sich  zum  großen  Teil  in  unserem  Sencken- 
bergischen  Museum  befinden.  Vor  allem  ist  es  eine  prachtvolle 
Kollektion  von  Kieselschwamm-Skeletten,  darunter  eine  riesige 
Eupleciella  imperialis  aus  der  Sagami-Bai,  alle  in  mustergültiger 
Erhaltung,  die  nur  der  Sorgfalt  zu  danken  ist,  mit  der  Gerlach 
persönlich  den  Transport  dieser  zerbrechlichen  Gebilde  über- 
nahm. Auch  unsere  geologische  Sammlung  aus  dem  Mainzer 
Becken  ist  durch  ihn,  in  Verbindung  mit  Boettger,  vielfach 
gefördert  worden. 

Im  Jahre  1901  kehrte  der  58jährige  endgültig  nach  Frankfurt 
zurück  und  trat  nun  —  nachdem   er  bereits  am  24.  April  1869 


—     282     — 

zum  korrespondierenden  Mitglied  der  Gesellschaft  er- 
nannt worden  war  —  in  die  Reihe  der  arbeitenden  Mit- 
glieder ein.  Freilich  hat  er  an  den  Arbeiten  der  Verwaltung 
nur  selten  teilgenommen;  um  so  regelmäßiger  aber  hat  er  bis 
in  die  letzten  Wochen  seines  Lebens  hinein  unsere  zoologischen 
und  paläontologischen  Vorlesungen  und  alle  wissenschaftlichen 
Sitzungen  besucht,  stets  in  einer  der  ersten  Reihen  des  Hörsaals 
sitzend  und  mit  gespannter  Aufmerksamkeit  den  Ausführungen 
der  Vortragenden  folgend. 

Nur  wenige  unserer  jüngeren  Mitglieder  haben  den  schlich- 
ten, bescheidenen  Mann  noch  kennen  gelernt;  kaum  einem  von 
ihnen  ist  er  persönlich  nahegetreten.  Aber  mit  seinem  alten 
Freunde,  unserem  Oskar  Boettger,  mit  dem  er  während  seiner 
langjährigen  Abwesenheit  in  regstem  Briefwechsel  und  wissen- 
schaftlichem Meinungsaustausch  stand,  ist  er  in  enger  Freund- 
schaft verbunden  geblieben,  bis  Boettgers  Tod  im  Herbst  1910 
das  Band  zerrissen  hat^  das  beide  Männer  länger  als  ein  halbes 
Jahrhundert  aufs  engste  verknüpft  hatte.  Nun  ist  auch  e  r  heim- 
gegangen, ein  edler,  guter  Mensch,  ein  pflichttreuer  Arzt,  ein 
begeisterter  Anhänger  und  Förderer  seiner  Wissenschaft,  dem 
die  Senckenbergische  Naturforschende  Gesellschaft  und  ihr  Mu- 
seum in  aufrichtiger  Dankbarkeit  über  das  Grab  hinaus  ein  treues 
Gedenken  bewahren  wird! 

A.  K?ioblauch. 


283     -  /<^IW<    ^ 

|l:uI  L  I  8  R  A  ! 


Aus  der  Schausammlung. 

Der  Scliopfibis. 

Mit  einer  Abbildung. 

Der  Schopfibis  ist  ein  Charaktervogel  der  öden  Gebirge 
Kleinasiens,  Syriens,  Arabiens  und  Abessiniens.  Einzelstehende, 
steile  Felsklippen  sind  sein  Lieblingsaufenthalt,  so  daß  der  etwa 
haushuhngroße  Vogel  mit  seinem  metallisch  schimmernden,  raben- 
schwarzen Gefieder,  dem  nackten  Kopf  und  dem  mähnenartigen 
Schopf  im  Nacken  schon  auf  weite  Entfernungen  in  die  Augen 
fällt.  Die  nackten  Wangen,  der  Schnabel  und  die  Füße  dieses 
seltsamen  Tieres,  das,  obwohl  es  Sumpf  und  Wasser  überhaupt 
meidet,  den  Ibissen  zuzurechnen  ist,  sind  von  purpur-  bis  braim- 
rötlicher  Färbung;  den  nackten  Oberkopf  bedeckt  im  Alter  eine 
bläulichschwarze  hornige  Platte. 

Wie  ein  Märchen  aus  uralten  Zeiten  mutet  es  uns  an,  wenn 
wir  erfahren,  daß  dieser  Vogel  oder  ein  ihm  äußerst  ähnlicher 
Verwandter,  der  Waldrapp,  noch  vor  gar  nicht  allzulanger  Zeit 
in  den  Alpen,  ja  sogar  im  Frankenjura  nistete.  Der  vortreffliche 
schweizer  Zoolog  Conrad  Gesner  war  es,  der  den  Waldrapp 
am  Ende  des  sechzehnten  Jalu"hunderts  zuerst  als  „corvus  sil- 
vaticus"  beschrieb  und  in  seiner  Historia  animalium  abbildete. 
Nach  G  e  s  n  e  r  s  Angabe  nistete  der  Waldrapp  —  Waldrabe  {cor- 
vus  süvaticus)  nach  heutiger  Schreibweise  —  auf  isolierten  Fels- 
schroffen im  obersten  Rheintal,  im  Schweizer  Jura  bei  Mariastein 
und  auf  Juraklippen  bei  Kelheim  und  Passau.  Er  kam  mit  den 
Störchen,  zog  aber  weit  früher  als  diese,  schon  anfangs  Juni, 
wieder  nach  Süden,  nachdem  er  zwei  oder  drei  Junge  großge- 
zogen hatte.  Die  jungen  Waldrappen  galten,  so  lange  sie  noch 
nicht  fliegen  konnten,  für  einen  besonderen  Leckerbissen,  wes- 
halb ihnen  eifrig  nachgestellt  wurde.  Die  rücksichtslose  Verfol- 
gung der  Vögel  mußte  bald  zu  ihrer  völligen  Ausrottung  führen. 


oc 


Si 


—     285    — 

und  tatsächlich  wird  schon  im  Jahre  1620  (in  Rebmanns  Na- 
turae magnalia)  der  Waldrapp  zum  letzten  Male,  und  zwar  aus 
dem  „höchsten  Birg"  erwähnt.  Nach  Lauterborn  und  Killer- 
mann dürfen  wir  eine  Stelle  bei  Plinius,  Historia  naturalis, 
Lib.  X,  als  Beleg  für  das  Vorkommen  des  Waldrapps  in  den  Al- 
pen im  ersten  Jahrhundert  n.  Chr.  ansehen;  eine  spätere  Chronik 
erwähnt  diesen  Vogel  aus  der  Zeit  Friedrichs  IL  bei  Bad 
Pfäfers  in  der  Schweiz,  so  daß  seine  Existenz  in  Mitteleuropa 
durch  sechzehn  Jahrhunderte  hindiu^ch  als  erwiesen  gelten  kann. 

Linne  benannte  im  Jahre  1758  den  ihm  selbst  unbekannten, 
bei  Gesner  beschriebenen  und  abgebildeten  Vogel  als  eremita 
und  erkannte  somit  seine  Existenz  an,  wähi-end  spätere  Forscher 
in  dem  restlos  verschwundenen  Waldrapp  ein  Fabelwesen  oder 
eine  Fälschung  erblickten  und  Gesners  und  L  inn  es  Angaben 
vollkommen  vernachlässigen  zu  dürfen  glaubten.  So  geriet  der 
"Waldrapp  gänzlich  in  Vergessenheit. 

In  den  zwanziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  brachten 
nun  Hemprich  und  Ehrenberg  aus  Syrien  und  Arabien  und 
Rüppell  aus  Abessinien  eine  Ibisart  mit,  die  den  Namen  Schopf- 
ibis {Geronticus  comatus  Rüpp.)  erhielt,  und  deren  Typus  sich 
in  unserem  Senckenbergischen  Museum  befindet.  Diesen  Schopf- 
ibis glauben  E.  Hartert,  0.  Kleinschmidt  und  W.  Roth- 
schild in  der  Abbildung  des  sagenhaften  Gesner  sehen  Wald- 
rapps zu  erkennen,  und  schließen  daraus,  beide  Tiere  seien 
identisch,  weshalb  nach  den  Nomenklaturregeln  für  den  bisher 
gebräuchlichen  Rüpp  eil  sehen  Namen  comatus  der  vergessene 
Linne  sehe  eintreten  und  der  Schopf  ibis  weiterhin  Geronticus 
eremita  L.  heißen  muß.  Mit  dieser  Feststellung  ist  der  Gesn er- 
sehe Waldrapp  aus  der  Reihe  der  Fabelwesen  wieder  unter  die 
wissenschaftlich  belegten  Tiere  aufgerückt,  und  das  Einzige,  was 
noch  gegen  seine  vollkommene  Identität  mit  Rüppells  Schopf- 
ibis sprechen  könnte,  ist  der  Umstand,  daß  Gesner  für  den 
letzteren  charakteristische  Merkmale,  wie  z.  B.  die  den  Hinter- 
kopf bedeckende  blauschwarze  Hornplatte,  in  der  sonst  vorzüg- 
lichen Beschreibung  seines  Waldrapps  nicht  erwähnt.  Auch  der 
Engländer  Alb  in  gibt  in  seiner  Natural  History  of  the  Birds, 
1740,  auf  Taf.  18  die  Abbildung  eines  schweizer  Waldrapps,  aus 
der  Sammlung  von  Sir  Th.  Lowther,  nicht  mit  der  schwärz- 
lichen Hornplatte,  sondern  mit  rötlicher  Glatze.  Jedoch  glaubt 
(nach  brieflicher  Mitteilung)   E.  Hartert,   der   genaue   Kenner 


—     286     — 

der  Vogelliteratur,  die  Beschreibung  von  Gesner  und  die  Ab- 
bildung von  Alb  in  nur  mit  äußerster  Vorsicht  aufnehmen  zu 
dürfen,  und  meint,  daß  das  Auslassen  einzelner  Merkmale  in 
ihnen  nie  als  Artkriterium  betrachtet  werden  kann.  Immerhin  ist 
es  aber  möglich,  daß  die  auf  ein  so  weites  Gebiet  (Mesopotamien- 
Marokko  und  Abessinien- Bayern)  verbreitete  Art  Geronticiis 
eremita  in  absehbarer  Zeit  in  geographische  Unterarten 
aufgespalten  wird,  und  dann  müßte  die  Alpenform  (Gesner s 
Waldrapp)  Geronficus  eremita  eremita  L.,  die  abessinische  Form 
dagegen  (Rüppells  Schopfibis)  Geronticus  eremita  coma^ws Rüpp. 
heißen.  ^  ^^^^^ 

Unser  Plaiiktonschrank. 

I.    Radiolarien  und  Medusen. 

Mit  13  Abbildungen. 

Einleitung. 

Unsere  zoologischen  Museen  sind  heute  über  die  Aufgabe 
hinausgewachsen,  das  Tierreich  in  gedrängter  Übersicht  allein 
systematisch  vorzuführen  und  allenfalls  noch  die  Morphologie  an 
typischen  oder  charakteristischen  abweichenden  Formen  durch 
anatomische  Präparate  zu  veranschaulichen.  Man  versucht  heute, 
auch  „biologisch"  auszustellen  und  dem  Beschauer  einen  klaren 
Begriff  vom  Leben  der  Tiere  selbst  zu  geben.  Damit  soll  aber 
weniger,  wie  in  einem  der  alten  Schullehrbücher,  eine  Fülle 
von  Einzelkenntnissen  über  die  „Lebensweise",  über  Bauten  und 
Nester,  geographische  Verbreitung,  Zusammenleben  usw.,  ge- 
geben werden,  als  ein  Verständnis  für  den  tierischen  Organismus 
als  Ganzes  und  seine  Beziehungen  zur  Umwelt,  die  sein  Aussehen 
und  seine  Verrichtungen  als  in  ihr  notwendig  erklären. 

Vollständig  kann  dieses  Ziel  freilich  im  zoologischen  Mu- 
seum nie  erreicht  werden,  da  hier  das  Wichtigste  für  derartige 
Vorführungen,  das  lebende  Objekt,  fehlen  muß.  Es  wird  immer 
erste  Aufgabe  einer  Schausammlung,  die  an  eine  große  wissen- 
schaftlich-systematische Hauptsammlung  angegliedert  ist,  bleiben, 
dem  interessierten  Laien  den  Überblick  über  die  Formenfülle 
selbst  zu  geben.  Die  Eigenart  einer  für  das  Publikum  bestimm- 
ten Sammlung  verlangt  aber  auch  die  Erklärung  der  Form,  und 
die  heutigen  Strömungen  in  Hochschul-  und  Schulunterricht  wei- 
sen nachdrücklich  darauf  hin.  So  bleibt  es  für  jedes  naturhistori- 


—     287     — 

sehe  Museum  ein  Problem,  das  richtige  Verhältnis  zwischen  bio- 
logischer und  systematischer  Schaustellung  zu  finden  und  sich 
auf  der  einen  Seite  von  allerhand  wissenschaftlich  gewagten  und 
oft  auch  geschmacklosen  Spielereien,  auf  der  anderen  von  trocke- 
ner Pedanterie  fernzuhalten. 

Versuche,  Tierformen  in  ihrer  natürlichen  Um- 
gebung verständlich  zu  machen,  sind  seit  langer  Zeit  angestellt 
worden;  wohl  jede  Sammlung  weist  z,  B.  ältere  Präparate  von 
Insekten  mit  Schutzfärbung  in  der  schützenden  Umgebung  auf. 
In  den  letzten  Jahrzehnten  hat  man  sich  bemüht,  dieses  Prinzip 
ins  Große  zu  übertragen,  indem  man  die  Tierwelt  etwa  einer 
bestimmten  tiergeographischen  Region  in  natürlicher  Umgebung 
zu  Gruppen  zusammenstellte.  Die  beiden  Kojen  unseres  Museums 
mit  Ausschnitten  aus  der  Landschaft  Deutsch-Ostafrikas  und  aus 
der  Arktis  mit  ihren  Charaktertieren  bezeichnen  die  Ziele  solcher 
Bestrebungen,  die  mehr  Wert  auf  einen  „Ausschnitt  aus  der 
Natur''  als  auf  eine  Gruppierung  des  gesamten  faunistischen 
Materials  legen.  Sodann  besitzen  wir  eine  in  ihrer  Eigenart  frei- 
lich kaum  heraustretende  Zusammenstellung  planktonischer  Lebe- 
wesen im  Saal  der  Niederen  Wirbellosen,  die  in  einem  Wand- 
schrank mit  schwarzem  Hintergrund  untergebracht  ist.  Zu  dieser 
ist  seit  mehr  als  Jahresfrist  ein  zweiter  Planktonschrank  in 
demselben  Saal  hinzugekommen,  der  seiner  Aufgabe  in  viel 
glücklicherer  Weise  gerecht  wird.  Er  steht  vor  einem  Fenster, 
und  seine  vier  Wände  bestehen  aus  Spiegelglas.  Das  Licht  kann 
so  durch  die  „Glastiere"  des  Meeres  hin  durchtreten,  und  damit  ist 
auf  einfachste  Art  die  hervorstechendste  Eigenschaft,  die  Durch- 
sichtigkeit, der  meisten  Lebewesen  des  Planktons  dem  Beschauer 
sofort  demonstriert. 

Unser  Planktonschrank  soll  kein  Ausschnitt  aus  dem  Leben 
des  Meeres  sein ;  dies  können  wir  nie  in  unsere  Schränke  bannen, 
und  wer  es  genießen  will,  der  muß  es  an  Ort  und  Stelle  schauen. 
Wohl  aber  bringt  unser  Schrank  eine  Veranschaulichung 
der  charakteristischen  Eigenschaften,  die  ein  Tier 
zum  Planktonten  stempeln,  und  gestattet  dem  Lehrer,  die  allge- 
meinen Begriffe  der  Planktonkunde  an  einem  geschlossenen 
Bilde  zu  erläutern.  —  Die  sehr  wertvollen  Objekte  verdanken 
wir,  ebenso  wie  den  Schrank  mit  der  ganzen  Ausrüstung,  Herrn 
Dr.  H.  Morton   in  Heidelberg. 

Für    die    Zusammenstellung    der    Objekte   —   durchsichtige 


—    288    — 

Planktontiere  des  Golfes  von  Neapel  —  war  zunächst  der 
praktische  Gesichtspunkt  maßgebend,  nur  große,  in  ihren  Einzel- 
heiten dem  bloßen  Auge  zugängliche  Stücke  zu  wählen;  dann, 
diese  möglichst  verschiedenen  systematischen  Gruppen  zu  ent- 
nehmen, um  die  Konvergenzen  in  der  Anpassung  an  planktoni- 
sche Lebensweise  vorzuführen,  und  schließlich  auch  die  verschie- 
denen Wege  dieser  Anpassungen  zu  zeigen.  Schranken  gezogen 
waren  nicht  nur  durch  die  Größe  der  in  überwiegender  Zahl 
mikroskopischen  Angehörigen  des  Planktons;  auch  die  Konser- 
vierungsmethoden sind  für  viele  gerade  der  großen,  schwer  zu 
erhaltenden  Formen  noch  nicht  ausreichend,  um  die  Objekte  im 
durchfallenden,  jede  Trübung  und  Beschädigung  unbarmherzig 
enthüllenden  Licht  aufstellen  zu  können,  obwohl  die  ausgestell- 
ten Exemplare  Zeugnis  ablegen  für  den  berechtigten  Ruf  der 
bewährten  Neapler  Technik  (Fig.  1). 

Der  Begriff  „Plankton"  ist  noch  nicht  sehr  alt,  obwohl 
die  Beschäftigung  mit  dem  „pelagischen  Auftrieb"  und  dem  zu 
seinem  Fange  verwandten  „MüUerschen  Netz"  viel  weiter  zurück- 
reicht als  die  Prägung  der  Definition,  und  obwohl  die  Plankton- 
kunde heute  bereits  eine  durchgearbeitete  Spezialdisziplin  ge- 
worden ist.  „Alles,  was  im  Wasser  treibt,  einerlei  ob  hoch  oder 
tief,  ob  tot  oder  lebendig.  Das  Entscheidende  ist,  ob  die  Tiere 
willenlos  mit  dem  Wasser  treiben,  oder  ob  sie  dieser  Triebkraft 
gegenüber  in  einem  gewissen  Grad  die  Selbständigkeit  bewahren. 
Die  Fische  gehören  daher  höchstens  in  der  Form  von  Eiern  und 
Brut  zum  Plankton,  aber  nicht  als  erwachsene  Tiere.  Die  Cope- 

Erklärung  der  Abbildung. 

Fig.  1.   Unser   Planktonschrank.     Geschenk  von  Dr.  Hugo  Morton. 

Obere  Reihe :  1  Lampetia  pancerina  Chun  —  2  Diplujes  siebolcU  KöUiker  — 
3  Vclella  spirans  Eschsclioltz  —  4  Cestus  veneris  Lesueur  —  5  Thalassicolla 
muieata  Huxley  —  6  Tiedemannia  neapolitmia  Delle  Chiaje. 

Mittlere  Reihe :  7  Pilema  pulmo  Linne  —  8  Cymbulia  peroni  Blainville.  — 
9  Pelagia  uoctilnca  Peron  et  Lesueur  —  10  Pterotrachea  coronata  Forskäl  — 
11  Aequorea  forskalea  Peron  et  Lesueur  —  12  Alciopa  cantvaini  Delle  Chiaje  — 
13  Lampetia  pancerina  Chun. 

Untere  Reihe:  14  Praya  maxima  Gegenbaur  —  15  Asterope  Candida  Delle 
Chiaje  —  16  Salpa  maxima-africana  Forskäl,  Kette  —  17  Cotylorhisa  tnbercnlata 
Linne  —  18  Carmarina  hast  ata  Haeckel  —  19  Pyrosoma  giganteiim  Lesueur  — 
20  Pilema  pulmo  Linne  —  21  Salpa  maxima-africana  Forskäl,  Amme  —  22  Phy- 
sopliora  hydrostatica  Forskäl  —  23  Vanadis  formosa  Claparede  —  24  Haiistemma 
rubrum  Vogt. 


19 


—    290    — 

poden,  obwohl  lebhaft  schwimmend,  werden  doch  willenlos  mit 
dem  Wasser  fortgerissen  und  müssen  daher  zum  Plankton  ge- 
rechnet werden."  So  hat  Hensen  (1887)  erstmalig  das  Plankton^) 
definiert,  und  Umfang  und  Inhalt  des  Begriffes  sind  bis  heute 
wesentlich  die  gleichen  geblieben.  Das  Charakteristische  der 
Planktontiere  des  Meeres  und  auch  des  süßen  Wassers  ist  also, 
daß  sie  hilflos  im  Wasser  schweben  und  von  jeder  Woge 
oder  Strömung  mitgerissen  werden,  ob  sie  eine  Eigenbewegung 
haben  oder  nicht.  Sie  finden  ihre  Lebensbedingungen  in  allen 
Tiefen,  doch  sind  bestimmte  Arten  und  Gattungen  meist  auch  an 
bestimmte  Tiefen  gebunden;  verbreitet  sind  die  Planktonten  von 
mehreren  Tausend  Metern  Tiefe  bis  zur  Oberfläche  des  Wassers 
herauf.  Die  wesentlichste  Fähigkeit,  die  ihnen  den  Aufenthalt  in 
ihrem  Milieu  ermöglicht,  ist  das  Vermögen  zu  schweben. 
Rein  physikalisch  tritt  ein  Schweben  ein,  wenn  das  spezifische 
Gewicht  eines  eingetauchten  Körpers  gleich  dem  der  betreffen- 
den Flüssigkeit  ist.  Der  Planktologe  erweitert  den  Begriff  etwas, 
indem  er  das  Schweben  einer  minimalen  Sinkgeschwindigkeit 
gleichsetzt,  vielleicht  auch  dann  noch  von  Schweben  spricht, 
wenn  ein  Planktontier  sich  durch  schwache  Eigenbewegung  in 
der  Schwebe  hält.  Die  Bedingungen,  unter  denen  beim  Plankton 
ein  Schweben  eintritt,  sind  von  Wolfgang  Ostwald  auf  die 
einfache  Formel  gebracht 

o.  1         u    •   j-  1    -i  Übergewicht 

bmkgeschwmdigkeit  =  .? ^s-^i — ^ —, -, r* 

°  °  Innere  Reibung  x  Formwiderstand 

Wird  die  Sinkgeschwindigkeit  zum  Minimum,  dann  tritt  Schwe- 
ben ein.  Daß  eine  direkte  Proportionalität  zwischen  Übergewicht 
und  Sinkgeschwindigkeit  besteht,  ist  ohne  weiteres  klar.  Je  mehr 
ein  Planktontier  spezifisch  schwerer  als  das  Meerwasser  ist,  um 
so  größer  ist  seine  Sinkgeschwindigkeit.  Damit  also  ein  Schwe- 
ben herauskommt,  muß  vor  allem  das  spezifische  Gewicht  der 
Planktonten  sehr  gering,  im  Meere  annähernd  gleich  sein  dem 
des  Meerwassers  (der  Schicht,  in  der  sich  der  Organismus  auf- 
hält). Man  hat  also  a  priori  Einrichtungen  zu  erwarten,  die  dazu 
berufen  sind,  das  spezifische  Gewicht  herabzusetzen.  In  der  Tat 
wird  dies  auch  auf  den  denkbar  verschiedensten,  aber  gleich 
zweckmäßigen  Wegen  erreicht.  Vor  allem  findet  sich  außer- 
ordentlich verbreitet   die   Ausbildung   von  Substanzen  im  Orga- 


*)  TO  nXayxTÖv  =  das  Treibende. 


—     291     — 

nismus,  die  spezifisch  leicht  sind,  wie  die  sehr  wasserreiche 
Gallerte,  die  z.  B.  den  außerordentlich  voluminösen  Schirm 
der  Medusen  fast  allein  bildet.  Sie  findet  sich  überhaupt  bei  al- 
len größeren  Planktontieren,  so  bei  sämtlichen  Stücken  unseres 
Schrankes.  Auch  Schleimabsonderung  kann  denselben  Zweck 
verfolgen.  Daß  die  Gallerte  übrigens  —  ausnahmsweise  —  den 
ganzen  Organismus  direkt  leichter  macht  als  Meerwasser,  wird 
für  Aurelia  aurita,  die  häufige  Ohrenqualle  der  Nord-  und  Ost- 
see, angegeben.  Sie  soll,  wenn  sie  ihre  gewöhnlichen  Pump- 
bewegungen einmal  sistiert,  langsam  nach  oben  steigen.  Eine 
Erleichterung  des  spezifischen  Gewichts  tritt  auch  ein,  wenn  das 
Plasma,  vorwiegend  bei  den  planktonischen  Protozoen,  die  Fähig- 
keit besitzt,  Vakuolen  auszubilden,  deren  Inhalt  leichter  ist  als 
das  Wasser,  aber  auch  viel  leichter  als  die  Körpersubstanz  selbst, 
die,  ihrer  Vakuolen  beraubt,  im  Wasser  untersinken  würde.  Sehr 
häufig,  namentlich  bei  den  prächtigen  Siphonophoren,  ist  auch 
die  Ausscheidung  von  Gasen  im  Körper  oder  in  besonderen 
Gasbehältern,  wie  eben  bei  jenen.  Dadurch  wird  natürlich  ein 
außerordentlich  wirksamer  Auftrieb  erzielt,  der  manche,  wie  die 
großen  Seeblasen,  die  Physalien,  dauernd  an  der  Oberfläche  hält. 
Eine  andere  Siphonophore,  die  Segelqualle  Velella,  schwimmt 
ebenfalls  mit  Hilfe  von  Gas  an  der  Oberfläche;  das  Gas  aber 
ist  atmosphärische  Luft,  die  von  außen  in  einen  Hohlraum  auf- 
genommen wird.  Während  diese  Gase,  ausgenommen  bei  Formen 
wie  Velella,  diKch  besondere  Drüsen  ausgeschieden  werden,  sind 
Fett-  und  Öltropfen,  die  das  Gewicht  des  Plasmakörpers 
ebenfalls  sehr  wirksam  kompensieren,  in  der  Regel  Produkte  des 
Stoffwechsels.  Dadurch  ist  ein  direkter  Zusammenhang  zwischen 
Stoffwechsel  und  Schwebfähigkeit  gegeben,  eine  Abhängigkeit 
des  einen  vom  anderen,  und  damit  wiederum  eine  Regulation  des 
einen  durch  das  andere.  Überhaupt  sind  Vorrichtungen,  die  das 
Schweben  im  Wasser  regeln  und  ein  Sinken  oder  Steigen  her- 
beiführen, wenn  es  für  die  Planktonten  nötig  ist,  mit  den  mei- 
sten Schwebeeinrichtungen  in  überraschend  zweckentsprechender 
Weise  verbunden.  Gasblasen  können  entleert  werden,  und  ihr 
Träger  muß  sinken,  bis  neues  Gas  gebildet  ist.  Vakuolen  werden 
ausgestoßen  oder  resorbiert,  wenn  irgend  ein  Reiz  ihren  Besitzer 
irritiert,  und  Flucht  in  die  Tiefe  ist  die  Wirkung.  Sogar  die  an- 
scheinend so  solide  Gallerte  ist  nicht  unveränderlich.  Die  Schirm- 
höhe  mancher  großen  Medusen  ist  vom  Zustand  der  Ernährung 

19* 


—    292    — 

abhängig,  und  auf  Änderungen  im  Salzgehalt  erfolgt  bei  den 
Gallerttieren  die  Antwort  in  Vergrößerung  oder  Verkleinerung 
ihres  Umfangs. 

Von  den  beiden  Faktoren  des  Nenners  unserer  Gleichung  ist 
die  innere  Reibung  eine  rein  physikalisch-chemische  Größe.  Es 
ist  ja  bekannt,  daß  Öl  z.  B.  eine  größere  innere  Reibung  hat  als 
etwa  Äther,  daß  —  ganz  abgesehen  von  den  spezifischen  Ge- 
wichten —  in  ersterem  ein  Körper  infolge  der  größeren  Vis- 
kosität (Klebrigkeit)  der  Teilchen  viel  langsamer  sinkt  als  in 
letzterem.  Ähnliche  Unterschiede  finden  sich  auch  im  Meerwasser, 
hervorgerufen  wesentlich  durch  verschiedenen  Salzgehalt,  vor 
allem  aber  durch  verschiedene  Temperatur:  je  wärmer  das  Was- 
ser, desto  geringer  ist  seine  innere  Reibung.  Der  zweite  Faktor, 
der  ebenfalls  in  umgekehrtem  Verhältnis  zur  Sinkgeschwindig- 
keit steht,  ist  der  Form  wider  st  and  oder  äußere  Reibungs- 
widerstand. Für  ihn  kommen  in  Betracht  das  Verhältnis  der 
absoluten  Oberfläche  zum  Volumen  und  die  Größe  der  Vertikal- 
projektion. Der  erste  Punkt  bedarf  keiner  Erläuterung.  Und  daß 
die  maximale  Oberfläche  nicht  in  vertikaler  Richtung  ausge- 
bildet sein  darf,  sondern  in  horizontaler  entwickelt  werden  muß, 
weil  so  dem  Zug  nach  unten  der  größte  Widerstand  entgegen- 
gesetzt ist,  daß  es  also  auf  die  Größe  der  vertikal  nach  unten 
projizierten  Fläche  für  das  Sinken  sehr  ankommt,  ist  ebenfalls 
verständlich.  Wenn  wir  planktonische  Lebewesen  auf  die  Aus- 
gestaltung ihrer  Oberfläche  durchmustern,  so  finden  wir  überall 
da,  wo  nicht  verhältnismäßig  kräftige  Eigenbewegung  oder  aus- 
reichende Vorrichtungen  zur  Herabsetzung  des  spezifischen  Ge- 
wichtes vorhanden  sind,  das  Bestreben,  die  Oberfläche  nach 
Möglichkeit  auszudehnen.  Daher  die  Ausgestaltung  von  Fall- 
schirmen in  den  Formen  vieler  Medusen  oder  von  flachen 
Scheiben,  die  horizontal  im  Wasser  stehen,  daher  die  lang- 
gestreckten Ketten  und  Bänder,  wie  bei  den  Siphonophoren 
und  Salpen.  Am  wunderbarsten  und  mannigfachsten  ausgebildet 
aber  sind  die  Vorrichtungen  zur  Vergrößerung  der  Oberfläche 
bei  Formen,  die  ihrer  Kleinheit  wegen  für  unseren  Schrank  nicht 
in  Betracht  kommen,  bei  skelettragenden  Protozoen  und  bei  den 
kleinen  Krebsen  des  Meer-  und  Süßwassers.  Man  kann  hier  an 
der  Länge  und  Differenzierung  der  Schwebestacheln  und  -borsten 
und  sonstigen  Anhänge  sofort  erkennen,  ob  man  Warm-  oder  Kalt- 
wasserformen vor  sich  hat:   in  warmem  Wasser  sind  sie  länger 


—    293    — 

als  in  kaltem.  Auch  hier  findet  sich  also  die  Möglichkeit,  durch 
Verlängerung  oder  Verkürzung  der  Anhänge  den  Formwiderstand 
zu  erhöhen  oder  zu  erniedrigen,  sich  also  der  jeweiligen  inneren 
Reibung,  die  mit  jenem  aufs  engste  korrespondiert,  anzupassen 
und  ihn  zu  regulieren.^)  Die  Temporalvariationen  unserer  Daph- 
nien sind  ein  bekanntes  Beispiel  für  die  Selbstregulation  im  tieri- 
schen Organismus  gegenüber  Veränderungen  in  der  Umwelt. 

Eine  weitere  Möglichkeit,  sich  schwebend  zu  halten,  besteht 
für  sehr  viele  der  Planktonwesen  in  der  Fähigkeit,  aktive 
Schwimmbewegungen  auszuführen,  die  jedoch  immer  so 
schwach  sind,  daß  das  Tier  ein  Spiel  der  Strömung  oder  der 
Wellen  bleibt;  andernfalls  darf  man  es  eben  nicht  mehr  zum 
Plankton  zählen.  Alle  diese  verschiedenen  Wege,  ein  Schweben 
zu  erreichen,  treten  in  der  Regel  nicht  vereinzelt  auf,  sondern 
werden  bei  jeder  Form  mehr  oder  weniger  kombiniert.  Der  ganze 
kunstvolle  Organismus  eines  Planktonwesens  fordert  so  förmlich 
die  bio mechanische   Anal3^se   heraus. 

Neben  den  Einrichtungen  für  die  Bewegung  sind  seit  langem 
die  Schutzmittel  der  Planktonten  aufgefallen.  Es  ist  allbe- 
kannt, daß  die  Tiere  nahe  der  Meeresoberfläche  ganz  glashell 
und  durchsichtig  sind.  Daß  hier  ein  Fall  von  Schutzfärbung 
vorliegt,  scheint  bei  allen  jenen  ganz  wasserhellen  Tieren,  die 
auch  der  Geübte  im  Schöpf  glas  nicht  sogleich  findet,  außer  aller 
Frage.  Daß  aber  die  Durchsichtigkeit  der  Glastiere  dieser  schüt- 
zenden Wirkung  wegen  entstanden  sei,  wurde  mehrfach  bestrit- 
ten (Hensen,  Brandt,  Doflein).  „Weil  die  Gefahr  einer 
Verletzung  der  Glaskörpergewebe  in  den  wiegenden  Wellen  der 
hohen  See  sehr  gering  ist,  konnte  das  Wasser  —  welches  keine 
Vermehrung  des  Stoffwechsels  bedingt  —  in  ausgiebigstem  Maße 
bei  der  Gewebebildung  verwendet  werden,  um  den  Körper  der 
Tiere  möglichst  zu  vergrößern"  (Hensen).  Damit  ist  natürlich 
eine  der  wesentlichsten  Vorbedingungen  für  die  Aufhellung  eines 
Planktontieres  gegeben,  wenn  man  bedenkt,  daß  ein  solcher  Or- 
ganismus in  extremen  Fällen  bis  zu  98*^/0  Wasser  enthält.  Einen 
anderen  Grund  führt  Doflein  ins  Feld:  „Wenn  ich  die  ganze 
Fülle  des  Lichtes  empfand,  welches  auf  die  unendliche  Fläche 
niederstrahlt,  stieg  in  mir  der  Gedanke  auf,  ob  nicht  die  Kristall- 


')  Es  gilt  dies  nicht  ohne  Einschränkung;  auch  andere  Faktoren  wie 
die  Viskosität  des  Wassers  haben  Einfkiß  auf  die  Form  der  Fortsätze.  S. 
Woltereck  1913. 


—     294    — 

klarheit  der  Tiere  mit  dieser  Macht  des  Lichtes  in  Zusammen- 
hang stände.  Ist  es  nicht  für  diese  Tiere  vorteilhaft,  wenn  die 
Mehrzahl  der  Sonnenstrahlen  ihren  Körper  passieren  muß,  ohne 
gebrochen  und  reflektiert,  ohne  in  besondere  Energieformen  um- 
gesetzt zu  werden?  Und  werden  vielleicht  besondere  Strahlen- 
gattungen ausgenützt,  wenn  sie  auf  die  grellgefärbten  Organe 
im  Innern  der  Tiere  fallen?  Besteht  etwa  ein  großer  kausaler 
Zusammenhang,  welcher  Luft,  Wasser  und  lebende  Substanz  in 
bestimmter  Weise  aufeinander  zu  wirken  zwingt?"  Wirklich  ist 
es  sehr  auffällig,  wenn  man  sieht,  daß  gerade  manche  der  durch- 
sichtigsten Quallen  lebhaft  gefärbte  Geschlechtsorgane  haben 
oder  der  große  durchsichtige  Heteropod  Pterotrachea  einen  ganz 
undurchsichtigen  Eingeweideknäuel,  daß  also  gerade  die  für  die 
Art  oder  das  Individuum  wichtigsten  Organe  dem  Auge  eines 
Räubers  gezeigt  werden.  Bei  sehr  lebhaften  Farben,  namentlich 
manchen  stark  nesselnden  Quallen  und  Siphonophoren,  hat  man 
Schreck-  und  Warnfärbung  zur  Erklärung  angenommen.  Eine 
echte,  ,um  ihrer  selbst  willen  entstandene  Schutzfarbe  ist  aber 
jedenfalls  das  Dunkelblau,  das  vielen  ausgesprochenen  Ober- 
flächentieren eigen  ist.  Es  läßt  die  Tiere,  von  oben  gesehen, 
verschwinden  und  schützt  sie  gegen  die  Schnäbel  der  Albatrosse, 
sowie  auch  gegen  Fische  und  Schildkröten  an  der  Meeresober- 
fläche selbst.  Man  findet  dieses  Blau  bei  manchen  großen  Ra- 
diolarien  der  Oberfläche,  dann  bei  pelagischen  Krebsen  und 
Schnecken,  wie  Glaiicus  und  der  Veilchenschnecke  Janthina, 
und  vor  allem  bei  der  Siphonophore  Velella,  der  stolzen  Segel- 
qualle. —  Eine  der  prächtigsten  Naturerscheinungen,  das  Meer- 
leuchten, geht  auch  auf  Planktonorganismen  zurück,  und  zwei 
der  am  intensivsten  leuchtenden  Formen,  Pijrosoma  und  Pelagia, 
haben  auch  bei  uns  Aufstellung  gefunden.  Über  die  biologische 
Bedeutung  des  Phänomens  selbst  sind  die  Meinungen  geteilt. 
Begründete  Theorien  sind  nur  für  das  Leuchten  der  Tiefsee- 
organismen aufgestellt. 

An  der  Zusammensetzung  des  tierischen  Planktons  nehmen 
Vertreter  der  verschiedensten  Tierklassen  teil.  Wir  haben  zahl- 
reiche planktonische  Protozoen.  Unter  den  Coelente raten 
gehören  ganze  Klassen,  wie  die  Siphonophoren  und  Ctenophoren, 
zum  Plankton.  Unter  den  Hydro-  und  Scyphozoen  bilden 
viele  Familien  planktonische  Geschlechtsgenerationen,  Medusen, 
aus,  oder   sind   überhaupt   als  Medusen   ohne  Polypengeneration 


—    295    — 

rein  pelagisch.  Bei  den  Würmern  sind  es  die  Alciopiden,  die 
zu  „Glastieren"  geworden  sind.  Von  den  Mollusken  haben  wir 
dabei  namentlich  die  Pteropoden  und  Heteropoden,  aber  auch 
sehr  charakteristische  Cephalopoden.  Im  Gegensatz  zur  Lebens- 
weise der  ausgebildeten  Echinodermen  treiben  sich  ihre  ab- 
sonderlichen Larvenformen  draußen  auf  der  freien  See  herum, 
ebenso  die  Larven  aus  Familien  festsitzender  oder  schmarotzen- 
der Krebse;  andere  Krebsgruppen  enthalten  nur  Planktontiere. 
Alle  Chaetognathen  und  ein  großer  Teil  der  Tunikaten 
gehören  ins  Plankton  und  schließlich  auch  Wirbeltiere,  Fische, 
wenn  auch  hier  die  allermeisten  sich  nur  im  Jugendstadium  vom 
Wasser  treiben  lassen,  später  aber  in  ihrer  Bewegung  selb- 
ständig werden. 

Literatur:  Brandt,  K.  Über  Anpassungserscheinungen  und  Art  der 
Verbreitung  von  Hochseetieren.  Erg.  Plankton-Exp.  I.  A.  1892.  —  Chun,  C. 
Die  geographische  Verbreitung  der  pelagisch  lebenden  Seetiere.  Zool.  Anz.  9. 
1882.  —  Ders.  Die  pelagische  Tierwelt  in  größeren  Meerestiefen.  Bibl.  Zool. 
1. 1887.  —  Haeckel,E.  Plankton-Studien.  Jena  1890.  —  Hensen,V  Einige 
Ergebnisse  der  Plankton-Expedition.  Sitzgsber.  Kgl.  Preuß.  Akad.  Wiss.  Berlin 
1.1890.  —  Ostwald,W.  Zur  Theorie  des  Planktons.  Biol.  Ztrlb.  22.  1902.— 
Ders.  Zur  Lehre  vom  Plankton.  Naturw.  Wochenschr.  18.  1903.  —  Ders. 
Theoretische  Planktonstudien.  Zool.  Jahrb.  Syst.  18.  1903.  —  Steuer,  A. 
Planktonkunde.  Leipzig.  1910.  —  Wesenberg-Lund,C.  Von  dem  Ab- 
hängigkeitsverhältnis zwischen  dem  Bau  der  Planktonorganismen  und  dem 
spezifischen  Gewicht  des  Süßwassers.  Biol.  Ztrlb.  20.  1900.  — Woltereck,  R. 
Über  Funktion,  Herkunft  und  Entstehungsursache  der  sog.  „Schwebefortsätze" 
pelagischer  Cladoceren.    Zoologica  67.  1913. 

A.  Radiolarien. 

Unter  den  Protozoen  des  Planktons  treten  vor  allem  die 
Kadiolarien  durch  einen  geradezu  fabelhaften  Formenreichtum 
und  die  mannigfachsten  Schwebeeinrichtungen  hervor.  Diese  sind 
gerade  hier  Gegenstand  grundlegender  allgemeiner  Arbeiten  über 
die  hydrostatischen  Apparate  gewesen.  Mit  Ausnahme  einer  Gat- 
tung sind  die  Radiolarien  ausschließlich  pelagisch  und  finden 
sich  in  allen  Tiefen.  Da  bestimmte  Formen  durch  ihre  Organi- 
sation an  bestimmte  Tiefen  gebunden  zu  sein  scheinen,  hat  man 
den  Vorschlag  gemacht,  gewisse  Meerestiefen  nach  dort  vor- 
kommenden Radiolarien  zu  benennen.  Die  oberste  Schicht,  von 
der  Oberfläche  bis  zu  50  m  Tiefe,  wurde  danach  als  Colliden- 
schicht  bezeichnet,  weil  hier  die  CoUiden  auftreten,  mit  einem 


—    296    — 

Durchmesser  bis  zu  mehreren  Millimetern,  große  Einzelformen 
und  Kolonien,  Riesen  unter  den  meist  mikroskopisch  kleinen  Ra- 
diolarien.  CoUiden  allein  kommen  daher  ihrer  Größe  wegen  für 
unseren  Planktonschrank  in  Betracht  und  sind  durch  eine  An- 
zahl Exemplare  von  Thalassicolla  nucleata  Huxley  (5),^)  eine 
monozoische  Form  in  der  Familie,  vertreten.  Wie  bei  allen  Ra- 
diolarien  enthält  der  Protoplasmaleib  eine  hier  sehr  derbe,  häu- 
tige Zentralkapsel,  die  den  zentralen  dichteren  Teil  des  Plasmas 
mit  seinen  Körnchen,  Fettropfen  und  Eiweißkörpern,  sowie  den 
Kern  enthält  und  von  zahlreichen  Poren  durchsetzt  wird.  Durch 
diese  steht  das  intracapsuläre  mit  dem  extracapsulären  Plasma 
in  Verbindung,  von  dem  beim  lebenden  Tiere  die  Pseudopodien 
ausstrahlen.  Auch  an  den  konservierten  Exemplaren  unterschei- 
det man  diese  Schicht  auf  den  ersten  Blick  von  der  dunklen 
undurchsichtigen  Zentralkapsel  mit  ihrem  Inhalt.  Während  die 
meisten  Radiolarienfamilien  Skelette  ausbilden,  die  oft  an  Schön- 
heit ihresgleichen  unter  den  organischen  Gebilden  suchen  (Fig.  2) 
und  die  Radiolarien  fast  populär  gemacht  haben,  treten  solche 
bei  den  Colliden  nur  in  sehr  einfacher  Form  auf  oder  fehlen 
ganz,  wie  bei  unserer  Thalassicolla  (Fig.  3).^)  Die  Hartgebilde 
der  meisten  übrigen  Radiolarienfamilien  stellen,  vielfach  in  Ver- 
bindung mit  muskulösen  Teilen  des  extracapsulären  Plasmas,  einen 
ebenso  einfachen  wie  zweckdienlichen  hydrostatischen  Apparat 
dar,  mit  dessen  Hilfe  der  ganze  Organismus  auf  die  verschiede- 
nen Reize  seiner  Umwelt  durch  Sinken  oder  Steigen  reagieren 
kann,  wie  es  die  Arbeiten  von  F.  Dreyer  und  V.  Hacker  dar- 
getan haben.  Bei  den  Colliden  ist  der  ganze  Schwebeapparat 
—  abgesehen  von  den  Pseudopodien,  die  als  Schwebefortsätze 
wirken  —  durch  das  außerordentlich  voluminöse  extracapsuläre 
Plasma  repräsentiert  (s.  Fig.  3),  steht  aber  jenen  Apparaten  hin- 
sichtlich der  mechanischen  Vollkommenheit  in  keiner  Weise  nach. 
Die  intracapsuläre  Sarkode  hat  trotz  ihres  verhältnismäßig  großen 
Fettgehaltes  ein  relativ  hohes  spezifisches  Gewicht.  Eine  ihrer 
Rinde  beraubte  Zentralkapsel  sinkt  im  Seewasser  sofort  unter, 
um  dann  gleich  zur  Regeneration  des  wichtigen  fehlenden  Teiles 
zu   schreiten.     Dieser  hat  im  ganzen  ein  wesentlich  geringeres 


*)    Die   eingeklammerte   Zahl   entspricht   der  Nummer  des   Glases  im 
Planktonschrank. 

'^)   Mangels   einer  brauchbaren  Vorlage   für  Thalassicolla  nucleata  ist  die 
naheverwandte  Thalassophysa  pelagica  Haeckel  dargestellt. 


—    297    — 

spezifisches  Gewicht  als  das  Seewasser.  Eine  von  seinem  Plasma 
ausgeschiedene  Gallertmasse  ist  allerdings  meist  etwa  so  schwer 
wie  jenes,  bei  Thalassicolla  sogar  nach  Verworn  etwas  schwe- 
rer; aber  das  ganze  extracapsuläre  Plasma  ist  von  Vakuolen  (Al- 


Fig.  2.  Calocyclas  monnmenhim  Haeckel.  Nach  Ha e ekel,  gemalt  von  Frl.  B.  Groß. 

veolen)  durchsetzt,  die  ihren  Ursprung  im  Plasma  selbst  haben. 
Ihr  Inhalt,  die  Vakuolenflüssigkeit,  weicht  in  seiner  Zusammen- 
setzung nicht  unerheblich  vom  Seewasser  ab  imd  ist  viel  leichter. 
Durch  die   Größe   des  leichten  Rindenteiles  —  er  übertrifft  bei 


—    298    — 

manchen  Formen  die  Zentralkapsel  um  das  Tausendfache  an  Vo- 
lumen —  wird  einmal  der  Reibungswiderstand  im  Wasser  ver- 
mehrt, dann  aber  das  hohe  spezifische  Gewicht  des  Binnenkörpers 
völlig  kompensiert.     Die  beiden  Teile  des  Thalassicolla-Köv^QYS, 


<>> 


Fig.  3.  Thalassophysa  pelagica  Haeckel.  Nach  Haeckel. 

sind  nun  so  kombiniert,  daß  ihr  gesamtes  spezifisches  Gewicht 
dem  des  Meerwassers  fast  gleich  ist;  ganz  geringfügige  Ände- 
rungen im  Gewicht  des  Meerwassers  oder  bei  dem  Tiere  genü- 
gen, um  ein  sofortiges  Steigen  oder  Sinken  hervorzurufen.  Nach 


—    299    — 

den  Berechnungen  Brandts,  dessen  schönen  Untersuchungen 
wir  die  Kenntnis  des  Baues  der  Colliden  im  wesentlichen  ver- 
danken, dürfte  bereits  die  Vermehrung  des  spezifischen  Gewich- 
tes einer  schwebenden  Collide  um  0,0001  bis  0,0002  genügen, 
um  ein  sofortiges  Untersinken  herbeizuführen.  Regulierbar  ist 
dieser  hydrostatische  Apparat  der  Colliden  mit  dem  denkbar  ge- 
ringsten Kraftaufwand.  Auf  einen  Reiz  hin  ziehen  sich  die  über 
die  Gallertschicht  hinausragenden  Pseudopodien  ein;  der  Reiz 
überträgt  sich  auf  das  gleichfalls  reizbare  und  kontraktionsfähige 
Plasma  des  Extracapsulariums,  das  die  Vakuolenwände  bildet; 
diese  ziehen  sich  zusammen  und  reißen  ein,  so  daß  der  Vakuolen- 
inhalt  in  das  Wasser  hinausgelangen  kann.  Das  Tier  wird  klei- 
ner und  spezifisch  schwerer  und  muß  sinken.  In  einer  ruhigen 
Wasserschicht  werden  die  Pseudopodien  wieder  ausgestreckt,  die 
Sekretion  neuer  Vakuolenflüssigkeit  im  extracapsulären  Plasma 
beginnt,  und  schließlich  steigt  die  Thalassicolla  wieder  zur  Ober- 
fläche. Ein  Untersinken  aus  inneren  Ursachen  findet  sich  nur  vor 
der  Bildung  der  Schwärmer;  in  diesem  Falle  stirbt  der  hydro- 
statische Apparat  ab,  das  Tier  sinkt,  und  die  Zoosporen  schwär- 
men in  der  Tiefe  aus,  nach  Brandts  Berechnung  für  Thalassi- 
colla iiucleata  etwa  in  800  bis  1000  m.  Normalerweise  wird  das 
Fluchtmittel  des  Sinkens  durch  stärkeren  Seegang  sowie  durch 
thermische  Reize,  zu  starke  Abkühlung  oder  Erwärmung,  her- 
vorgerufen. 

Literatur:  Brandt,  K.  Biologische  und  faunistische  Untersuchungen 
an  Radiolarien  und  anderen  pelagischen  Tieren  I.  Zool.  Jahrb.  Abt.  f.  Syst.  9. 
1896.  —  Ders.  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Colliden.  Arch.  f.  Prot.-Kde.  1.  1902. 
Doflein,  F.  Lehrbuch  der  Protozoenkunde.  Jena  1909. —  Dreyer,  F.  Die 
Principien  der  Gerüstbildung  bei  Rhizopoden,  Spongien  und  Echinodermen. 
Jen.  Ztschr.  Naturwiss.  26.  1892.  —  Haeckel,E.  Die  Radiolarien.  Berlin 
1862-1888.  —  Haecker,  V.  Über  die  biologische  Bedeutung  der  feineren 
Strukturen  [^des  Radiolarienskeletts.  Jen.  Ztschr.  Naturwiss.  39.  1905.  — 
Verworn,  M.  Über  die  Fähigkeit  der  Zelle,  aktiv  ihr  spezifisches  Ge- 
wicht zu  ändern.    Arch.  ges.  Physiol.   53.    1893. 

B.  Medusen. 

Planktontiere  xai'  e^oxvv  sind  die  Medusen  oder  Quallen, 
jedem  bekannt,  der  einmal  am  Seestrand  geweilt  hat.  Ans  Ufer 
geworfen  sind  sie  formlose,  flache  Gallertklumpen,  bei  der  Be- 
rührung  im   Bade    erzeugen    sie    einen   unangenehm   nesselnden 


—    300    — 

Schmerz ;  wer  sie  aber  kennt  und  richtig  gesehen  hat,  dem  sind 
sie  in  ihren  regelmäßigen  und  doch  äußerst  zierlichen  und  zar- 
ten Formen  ein  ästhetischer  Genuß.  Ihre  Gestalt  läßt  meist  die 
Grundform  einer  mehr  oder  minder  flachen  Glocke  erkennen,  aus 
der  ein  Klöppel  heraushängt.  Trotz  dieser  einheitlichen,  immer 
wiederkehrenden  Form  faßt  man  als  „Medusen"  Angehörige  zweier 
nicht  unmittelbar  verwandten  Klassen  zusammen.  Sie  verdanken 
ihre  Ähnlichkeit  in  der  äußeren  Form  ihrer  wesentlich  gleichen 
Lebensweise  in  der  gleichen  Umgebung  und  sind  ein  altbekanntes 
Beispiel  der  Konvergenz. 

Die  eine  Gruppe  der  Medusen,  die  Hydro  me  dusen,  zu 
denen  unter  den  im  Schi^ank  ausgestellten  Formen  Aequorea 
forscalea  Peron  et  Lesueur  (11)  und  Garmarina  hastata  Haeckel 
(18)  gehören,  stehen  in  allen  ihren  ursprünglichen  Vertretern  (zu 
denen  aber  z.  B.  Gar  marina  nicht  gehört)  mit  sog.  Hydro- 
polypen,  höchst  einfachen,  nach  dem  Typ  der  bekannten  Hydra 
gebauten  niederen  Meerestieren,  in  Generationswechsel  und  bil- 
den deren  Geschlechtsgeneration;  Pilema  x)ulmo,  Pelagia  noctiluca 
und  Gotijlorhiza  iubercidata  sind  Scyphomedusen,  in  deren 
Entwicklung  ebenfalls  eine  polypenartige  Ammengeneration  auf- 
tritt (nicht  bei  Pelagia).  Dieses  Scyphostoma  weist  aber  einen 
ganz  anderen  und  viel  höher  differenzierten  Bau  auf  als  der 
Hydropolyp. 

Gemeinsam  ist  den  Medusengenerationen  der  beiden  Klassen 
natürlich  das,  was  eben  Anpassung  an  das  planktonische  Leben 
darstellt.  Die  überwiegende  Mehrzahl  aller  Quallen  ist  fast  ganz 
farblos  und  hat  ein  geringes  spezifisches  Gewicht.  Beides  wird 
vorwiegend  bedingt  durch  den  außerordentlich  hohen  Wasser- 
gehalt, der  z.  B.  bei  Aurelia  aurita,  der  bekannten  Ohrenqualle 
der  Nord-  und  Ostsee,  bis  zu  97,99*'/o  gehen  kann  (nach  Möbius). 
Pilema  besteht  nach  Untersuchungen  von  Krukenberg  aus 
95,392''/o  Wasser,  3°/o  anorganischen  und  l,608"/o  organischen  Ver- 
bindungen. Charakteristisch  für  alle  Medusen  ist  ihre  Bewegung. 
Durch  heftige  Kontraktionen  des  Schirmes,  der  bei  den  Hydro- 
medusen  regelmäßig  mit  einem  nach  innen  vorspringenden  Rande, 
dem  Velum,  versehen  ist,  wird  das  Wasser  aus  dem  Schirmraum 
ausgetrieben  und  das  ganze  Tier  durch  den  Rückstoß  mit  der 
Schirmfläche  voran  weiterbewegt.  Die  Zusammenziehung  ist 
ermöglicht  durch  eine  ringförmig  am  Innenrande  des  Schirms 
und  bei  den  Hydromedusen  auch  im  Velum  angeordnete  quer- 


—    301     — 

gestreifte  Muskulatur,  die  Wiederausdehnung  durch  die  Elasti- 
zität der  Schirmgallerte.  Die  einzelnen  Stöße  erfolgen,  solange 
das  Tier  nicht  beunruhigt  ist,  in  außerordentlich  gleichmäßigem 
Khythmus  und  erzeugen  bei  vielen  Arten  eine  sehr  rasche  Be- 
wegung. Eine  große  Pilema  vermag  im  Seewasseraquarium  trotz 
ihrer  Zartheit  förmlich  an  die  Scheiben  anzuprallen.  Diu'ch  diese 
pumpenden  Bewegungen  bleiben  die  meisten  Formen  ständig  an 
der  Meeresoberfläche,  deren  Sauerstoffreichtum  ihnen  Lebens- 
bedingung ist;  im  mangelhaft  gelüfteten  Aquarium  verlangsamt 
sich  der  Schlag  der  Glocke  sehr  bald,  wird  unregelmäßig  und 
erlischt  mit  dem  Tode  des  Tieres.  Erhöhtem  Interesse  begegnet 
die  Bewegung  der  Medusen  in  neuerer  Zeit,  weil  sich  hier,  in- 
folge des  außerordentlich  klaren  und  einfachen  Aufbaues  eines 
Medusenschirmes,  die  Rhythmik  in  der  Bewegung  eines  Organes 
überhaupt  leicht  untersuchen  läßt.  Bei  sehr  vielen  Arten  ist  er 
zudem  histologisch  recht  gut  erforscht  und  bietet  den  großen 
Vorteil,  daß,  anders  wie  etwa  bei  dem  Wirbeltierherzen,  die 
nervösen  Elemente  stellenweise  frei  von  muskulären  der  Unter- 
suchung zugängig  sind.  Mit  dem  Rhythmus  des  Wirbeltierherzens 
z.  B.  stimmt  der  des  Medusenschirmes  in  einer  überraschenden 
Anzahl  von  Einzelheiten  (Be the)  vollkommen  überein,  und  seine 
genaue  Erforschung  läßt  praktischen  Nutzen  auch  für  die  Kennt- 
nis der  Herzphysiologie  erwarten  (Romanes,  von  Uexküll, 
Bethe,  Veress). 

Die  Aufnahme  der  Nahrung  geschieht  bei  den  meisten  Me- 
dusen mit  Hilfe  der  bekannten,  in  den  Einzelheiten  des  Mecha- 
nismus aber  noch  recht  strittigen  Nesselkapseln  (man  vergl.  nur 
Will,  Toppe,  Jakobson  aus  neuester  Zeit),  die  auch  gleich- 
zeitig das  wichtigste  Verteidigungsmittel  darstellen.  Sie  sind  in 
den  Randfäden  oder  an  bestimmten  Teilen  der  Mundarme  zu 
ganzen  Batterien  angehäuft.  Kommt  irgend  ein  anderes  Plankton- 
tier, das  seiner  Größe  nach  überwältigt  werden  kann,  mit  ihnen 
in  Berührung,  so  entladen  sich  diese  Kapseln.  Je  mehr  sich  das 
Beutetier  bemüht,  loszukommen,  mit  um  so  mehr  Nesselkapseln 
kommt  es  in  Berührung.  Die  Fangarme  der  Meduse,  die  eine 
hochentwickelte  Muskulatur  haben,  legen  sich  zudem  noch  zu 
mehreren  um  das  Opfer  und  können  es  förmlich  verstricken. 
Festgehalten  wird  es  außer  durch  die  Fangarme  vor  allem  auch 
durch  die  eingedrungenen  Nesselfäden,  deren  basale  große  Stilett- 
haken, wie  Toppe  bei  Hydra  gesehen  hat,  den  Eingang  für  den 


—     302    — 

Faden  öffnen,  oft  auch  noch  durch  besondere  Klebzellen.  Bei 
anderen  Medusen,  wie  bei  Püema,  erfolgt  die  Aufnahme  auf 
andere  Weise,  wovon  noch  zu  sprechen  sein  wird.  Eine  Zer- 
legung der  gröberen  Nahrungspartikel  findet  zunächst  durch  Fer- 
mente statt,  die  von  Drüsenzellen  des  Entoderms  oder  bei  den 
Scyphomedusen  auch  des  ectodermalen  Schlundrohres  ausgeschie- 
den werden.  Die  so  vorbereitete  Nahrung  wird  dann  durch  Pha- 
gocytose  aufgenommen:  Entodermzellen  nehmen,  soweit  bekannt, 
ganz  allgemein  bei  den  Coelenteraten,  die  kleineren  Nahrungs- 
körper in  sich  auf  und  verdauen  sie,  etwa  wie  Amöben  sich 
Algen  einverleiben  und  in  ihrem  Plasma  verdauen.  Eine  völlige 
Fermentverdauung  scheint  durch  die  Wasserzirkulation  innerhalb 
des  Darmsystems  der  Medusen  ausgeschlossen  (Jordan).  Im 
einzelnen  ist  die  Art  der  Nahrungsverteilung  recht  verschieden 
bei  den  verschiedenen  Formen  und  oft  ungenügend  bekannt. 

Literatur:  Bethe,  A.  Die  Bedeutung  der  Elektrolyten  für  die  rhyth- 
mischen Bewegungen  der  Medusen  I.  Arch.  ges.  Phys.  124.  1908  —  II.  ib.  127. 
1909.  —  Jordan,  H.  Vergleichende  Physiologie  wirbelloser  Tiere  I.  Die 
Ernährung.  Jena  1913.  —  K  r  u  k  e  n  b  e  r  g ,  C.  Fr.  W.  Über  den  Wassergehalt 
der  Medusen.  Zool.  Anz.  3.  1880.  —  Maas,  0.  Die  Scyphomedusen.  Fortschr. 
Erg.  Zool.  1.  1909.  —  Mob i us,  K.  Wassergehalt  der  Medusen.  Zool.  Anz.  5. 
1882.  —  Romanes,  G.  J.  Further  Observations  on  the  locomotor  system  of 
Medusae.  Philos.  Trans.  R.  Soc.  London  167.  1877.  —  v.  UexküU,  J.  Die 
Schwimmbewegungen  von  Rhizostoma  pulmo.  Mitt.  Zool.  Stat.  Neapel  14.  1901. 
Veress,  E.  Sur  les  mouvements  des  M^duses.  Arch.  Internat.  Physiol.  Liege- 
Paris  10.  1911.  — Wolff,  M.  Das  Nervensystem  der  polypoiden  Hydrozoa  und 
Scijphozoa.  Ztschr.  allg.  Physiol.  3.  1903.  —  Die  sehr  umfangreiche  Literatur 
über  Nesselzellen  (darunter  Hadzi,  Toppe,  Will)  ist  zusammenge- 
stellt bei  Jakobson,  A.  Die  Nesselzellen.  Arch.  Nat-gesch.  78.  1912.  —  Für 
alle  Medusen:  Delage,  Y.  et  Herouard,  E.  Traite  de  Zoologie  concrete 
IL  2.  Paris  1901.  —  Haeckel,E.  Das  System  der  Medusen.  Jena  1870-1881. 
Mayer,  A.  G.  Medusae  of  the  World.  Carnegie  Inst.  Washington  1910. 

Die  eine  der  beiden  aufgestellten  Hydromedusen,  Aequorea 
forskalea  Peron  et  Lesueur  (11,  Fig.  4),  eine  Leptomeduse  aus 
der  Familie  der  Campanopsiden,  erreicht  unter  diesen  den  größ- 
ten Glockendurchmesser;  Claus  hat  Exemplare  von  250  mm 
Breite  gesehen,  H  a  e  c  k  e  1  gibt  sogar  400  mm  an.  Im  Gegensatz 
zu  den  meisten  Hydromedusen  fehlt  ihr  ein  Magenstiel  fast  ganz. 
Der  Mund  öffnet  sich  auf  der  Unterseite  des  flachen,  dicken, 
scheibenförmigen  Gallertschirmes ;  sein  Rand  ist  bei  jungen  Indi- 
viduen  einfach  vierteilig  und  erscheint  bei  älteren  vielfach  ge- 


—     303     — 

läppt,  namentlich  wenn  er  etwas  kontrahiert  ist:  er  ist  als  der 
innerste,  zackige  Ring  in  dem  ausgestellten  Exemplare  deutlich 
sichtbar.  Dieser  weite  Mund  führt  in  den  bei  dem  Stück  des 
Planktonschrankes  ebenfalls  gut  sichtbaren  Magen,  von  dem 
strahlenförmig  nach  allen  Seiten  die  Radiärkanäle  auslaufen.  Sie 
münden  in  einen  Ringkanal,  der  nahe  an  dem  scharfen  Rand  um 
die  ganze  Meduse  herumläuft;  leider  ist  der  Rand  bei  unserem 
Exemplar  nach  der  unteren  Seite  umgeschlagen.  Bei  jungen  In- 
dividuen laufen  erst  vier,  dann  acht  Radiärkanäle  in  den  Ring- 
kanal, die  primären  und  auch  für  die  meisten  erwachsenen  Hydro- 


Fig.  4.   Aeqnorea  forskalea  Peron  et  Lesueur. 
Exemplar  des  Planktonschrankes  (11),  nat.  Gr. 

medusen  in  der  Regel  typischen  Zahlen.  Beim  Heranwachsen  der 
Aeqnorea  vervielfachen  sich  diese  wenigen  Kanäle  bis  zu  weit  über 
hundert,  die  dann  oft  nicht  mehr  regelmäßig  verlaufen ;  es  können 
Verzweigungen  auftreten,  oder  zwei  Kanäle  vereinigen  sich  usw. 
Mit  den  Radiärkanälen  pflegt  die  Zahl  der  Randtentakel  bei  den 
Hydromedusen  gewöhnlich  zu  korrespondieren.  Bei  Aequorea  ist 
dies  bei  jungen  Exemplaren  und  oft  auch  noch  im  Alter  der  Fall; 
doch  sind  mehr  oder  weniger  Tentakel  als  Radiärkanäle  keine 
Seltenheit.  Bei  konservierten  Exemplaren  sind  die  Fangfäden 
stark   kontrahiert   und   ganz   unansehnlich;   bei   einem  lebenden 


—     304     — 

Tiere  aber  bilden  sie  zarte  Anhänge,  die  hinter  der  großen,  sich 
ruckweise  zusammenziehenden  Scheibe  nachschleppen  und  den 
Scheibendurchmesser  an  Länge  mehrfach  übertreffen.  An  der 
Basis  jedes  der  Tentakel  findet  sich  an  der  Innenseite  des  Schirms 
je  eine  feine  Öffnung,  die  auf  einer  kleinen  Erhebung  liegt  und 
vom  Ringkanal  nach  außen  führt.  Man  betrachtet  diese  Poren 
als  Ausfuhrstellen  für  Exkrete,  die  das  Entoderm  der  Papillen 
ausscheidet;  sie  fungieren  danach  als  Harnorgane.  Außerdem 
haben  auf  dem  Schirmrand  bei  Aeqiiorea  zahlreiche  geschlossene 
kleine  Bläschen  Platz  gefunden,  die  in  ihrem  Innern  je  ein  festes 
Konkrement  enthalten:  Sinnesorgane  statischer  Natur,  die  mit 
einem  bei  den  freilebenden  Medusen  viel  höher  als  bei  den  ses- 
silen  Polypen  entwickelten  Nervensystem  in  Verbindung  stehen. 
Nach  innen  vom  Schirmrand  ragt  das  für  die  Hydromedusen 
charakteristische  Velum  vor,  verhältnismäßig  sehr  klein  bei  der 
großen  Aequorea  und  in  unserem  Präparat  etwas  gefaltet,  aber 
stellenweise  sehr  deutlich  zu  sehen. 

Aequorea  ist  die  Geschlechtsgeneration  eines  sehr  kleinen 
und  einfach  gebauten  Polypen,  der  Carnpanulina.  Die  Medusen 
sind,  wie  es  die  Regel  ist,  getrennt  geschlechtlich.  Gonaden  von 
ectodermaler  Herkunft  liegen  beiden  Seiten  der  Radiärkanäle, 
als  trübe  Streifen  deutlich  sichtbar,  an.  Sie  sind  bereits  bei 
Exemplaren  von  35  mm  Durchmesser  in  Entwicklung  und  wer- 
den bei  großen  recht  ansehnlich.  Doch  variiert  ihre  Ausdehnung 
längs  der  Radiärkanäle;  auch  können  sterile  Kanäle  zwischen 
fertilen  liegen.  Die  Reifung  und  Ausstoßung  der  Geschlechts- 
produkte erfolgt  bei  der  Aequorea  des  Mittelmeeres  im  März 
und  April. 

Aequorea  muß  sicherlich  unter  die  schönsten  Medusen  ge- 
zählt werden.  Junge  Tiere  sind  absolut  wasserklar  und  farblos, 
und  ihre  nachziehenden  Tentakel  sehen  aus,  als  flössen  sie  von 
der  Scheibe  ab  und  das  Tier  löste  sich  im  Wasser  auf.  Später 
erscheinen  die  Gonaden  als  mattweiße  Streifen;  ihre  Färbung 
kann  sich  weiter  in  der  Scheibe  ausbreiten,  meist  aber  bildet  sich 
blaues  Pigment,  wie  bei  vielen  Oberflächentieren,  an  Scheiben- 
saum und  Tentakeln,  bei  Männchen  auch  an  den  Gonaden  und 
in  ihrer  Umgebung.  Die  weiblichen  Geschlechtsorgane  sind  im 
Reifestadium  durch  den  Dotter  der  zahllosen,  dicht  gedrängten 
Eier  gelblichrosa  gefärbt,  und  auch  das  ganze  Tier  erscheint 
dann  oft  zartrot.    Doch  wechselt  die  Färbung  innerhalb  der  Art 


—    305    — 

sehr.  Die  Konservierung  verändert  die  Form  des  Mundrandes, 
und  zwar  bei  den  einzelnen  Individuen  in  ganz  verschiedener 
Weise.  Kein  Wunder,  daß  bei  älteren  Systematikern,  namentlich 
bei  Haeckel,  Aequorea  forskalea  nicht  nur  in  eine  ganze  An- 
zahl Arten,  sondern  sogar  in  mehrere  Gattungen  zerspalten  wor- 
den ist.  Gefunden  wurde  die  Meduse  bisher  im  Mittelmeer  sowie 
an  den  atlantischen  Küsten  Europas  und  Nordamerikas. 

Literatur:  Claus,  C.  Über  Aequorea  forskalea  als  Aequoride  des 
Adriatischen  Meeres.   Arb.  Zool.  Inst.  Wien  3.  1880. 

Die  zweite  Hydromeduse  unseres  Planktonschrankes,  die  zu 
den  Rüsselquallen  (Geryoniden)  gehörige  Carmarina  hastata 
Haeckel  (18,  Fig.  5),  ist  eine  in  vieler  Hinsicht  sehr  abweichende 
Form.  Vor  allem  fällt  in  ihrer  Familie  bei  der  Entwicklung  der 
Generationswechsel  aus :  die  Meduse  erzeugt  unmittelbar  wieder 
die  Meduse  ohne  Polypengeneration.  Dann  aber  ist  ihr  Körper 
nicht  vierstrahlig  gebaut,  wie  es  bei  den  Medusen  die  Regel  ist, 
sondern  sechsstrahlig.  In  dem  Ringkanal  münden  sechs  Radiär- 
kanäle,  die  in  den  sechs  Kanälen  der  sechs  hohlen  Tentakel  ihre 
Fortsetzung  über  den  Ringkanal  und  die  Scheibe  hinaus  finden. 
In  der  ganzen  äußeren  Form  repräsentiert  Carmarina  dabei  im 
Gegensatz  zu  Aequorea  den  Typ  der  Hydromedusen :  ein  richti- 
ger Schirm,  aus  dem  ein  langer  konischer  Stiel,  der  Magenstiel, 
herabhängt.  Der  Schirm,  der  bei  den  größten  Exemplaren  etwa 
80  mm  Durchmesser  und  fast  zwei  Drittel  dieses  Durchmessers 
an  Höhe  erreicht,  besteht  vollständig  aus  einer  wasserklaren 
Gallerte  (Fig.  6),  der  gegenüber  das  Kanalsystem  mit  den  an- 
liegenden Organen  an  der  Unterseite  des  Schirms  an  Masse  ver- 
schwindet. Wie  Haeckel  beobachtet  hat,  ist  die  Schirmhöhe 
vom  Ernährungszustand  des  Tieres  abhängig:  gut  genährte  In- 
dividuen haben  einen  höheren  Schirm  als  solche,  die  gehungert 
haben.  Der  Stiel,  der  aus  dem  Schirm  herabhängt  und  dessen 
Durchmesser  an  Länge  übertrifft,  ist  ein  ganz  solider,  ebenfalls 
durchsichtiger  Gallertzapfen,  an  dessen  Ende  der  Magen  durch 
einen  Einschnitt  abgegrenzt  ist.  Dieser  läßt  sich  übrigens  auf 
den  ersten  Blick  an  seiner  opaken,  mattweißen  Färbung  und 
seiner  runzeligen  Oberfläche  von  dem  prallen,  glatten  und  glas- 
klaren Stiele  trennen,  auch  beim  lebenden  Tier.  Bei  unserem 
konservierten  Exemplar  ist  er  zur  Seite  und  nach  oben  abge- 
bogen.   An  den  Magen  schließt  noch  ein  ebenfalls  in  der  Regel 

20 


—     306     — 

etwas  abgesetztes  Mundrohr  an,  in  dessen  Bereich  die  Körper- 
wand höher  gefaltet  ist  als  beim  Magen.  Ein  sehr  eigentüm- 
liches Gebilde  hat  der  Familie  den  Namen  „Rüsselquallen"  ver- 
schafft. Der  gallertige  Stiel,  an  dessen  Ende  der  Magen  liegt, 
schickt  in  diesen  noch  einen  gleichfalls  gallertigen  Fortsatz  hinein, 


Fig.  5.    Carmarina  hastata  Haeckel. 
Exemplar  des  Planktonschrankes  (18),  nat.  Gr. 

den  Zungenkegel,  der  gewöhnlich  im  Innern  ruht,  aber  auf  Reize 
hin  vermöge  seiner  subepithelialen  Muskulatur  aus  dem  Munde 
sich  hervorschiebt  und  züngelnd  nach  der  Seite  des  Reizes  hin  be- 
wegt. Vom  Magen  aus  laufen  die  sechs  Radiärkanäle  an  der  Peri- 
pherie des  Gallertstiels  zum  Schirm  hinauf,  durch  ihre  milchige 


—     307     — 

Färbung  bei  unserem  konservierten  Exemplar  leicht  von  den  da- 
zwischen liegenden,  heller  erscheinenden  Partien  mit  Epithel- 
muskulatur zu  unterscheiden.  Die  Radiärkanäle  biegen  dann  auf 
der  Unterseite  des  Schirmes,  der  Subumbrella,  um  und  wenden 
sich  dem  Ringkanal  zu.  Hier  im  Schirm  liegen  ihnen  beiderseits 
die  abgeplatteten  Geschlechtsorgane  an,  bei  den  männlichen  Tie- 
ren  der  Hoden   als   eine   gleichmäßig  trübe  Masse,  die  Ovarien 


Fig.  6.  Carmarina  hastata  Haeckel.  Schematischer  Durchschnitt.  Nach  Haeckel. 

Rechts  ist  ein  Radialkanal  in  seinem  ganzen  Verlauf  getroffen,  links  geht  der 

Schnitt  zwischen  zwei  Radialkanälen  durch, 
ga  Gallerte  der  Glocke,    ra  Radiärkanal,    ms  Mantelspange,    st  Statocyste, 
kri  Knorpelring,  ve  Velum,  ri  Ringgefäß,  go  Gonade,  ma  Magen,  zk  Zungen- 
kegel. 

der  Weibchen  körnig  und  heller.  Die  breit-lanzenförmige  Gestalt 
dieser  sechs  Organpaare  —  die  Spitze  ist  nach  dem  Rande  zu 
gekehrt  und  liegt  ein  wenig  oberhalb  des  Ringkanales  —  hat  die 
Veranlassung  zu  dem  Speziesnamen  „hastata^^  gegeben.  Die  Pro- 
dukte der  Gonaden  drängen  sich  zur  Reifezeit,  im  Mittelmeer  im 
April,  durch  die  Subumbrellarmuskulatur  unter  das  Epithel  und 
bringen  es  zum  Platzen  (Haeckel).    Aus  dem  befruchteten  Ei 


20* 


—    308     — 

entwickelt  sich,  wie  bemerkt,  eine  Larve,  die  direkt  zur  Meduse 
wird.  —  Außer  den  Radiärgefäßen  gehen  vom  Ringkanal  noch 
andere  Gefäße  aus,  die  ebenfalls  nach  dem  Zentrum  der  Glocke 
hinziehen,  aber  bald  blind  enden,  die  sog.  „Zentripetalkanäle". 
Zwischen  je  zwei  Gonaden,  also  in  jedem  der  sechs  Sektoren, 
liegen  sieben  solcher  Kanäle,  drei  größere  und  vier  kleinere. 
Auch  die  Tentakelkanäle  laufen  in  den  Ringkanal ;  im  Gegensatz 
zu  den  larvalen  Tentakeln  sind  nämlich  bei  der  entwickelten 
Carmarina  diese  sechs  radiären  Fangfäden  hohl.  Die  soliden 
Anhänge  der  Larven  gehen  in  den  Radien  immer  verloren  und 
meist  auch  in  den  Interradien,  weil  sie  sehr  steif  und  spröde 
sind  und  leicht  abgebrochen  werden.  Die  in  der  Regel  allein 
vorhandenen  sechs  hohlen  Haupttentakel  können  durch  Erschlaf- 
fen ihrer  Muskulatur  außerordentlich  lang,  bis  viermal  länger  als 
der  Mundstiel  werden.  Sie  hängen  von  der  im  Wasser  schweben- 
den Meduse  herab  und  wirken  wie  Angeln.  Wenn  ein  kleineres 
Tier  sie  berührt,  wird  es  durch  zahlreiche  Nesselbatterien  be- 
täubt, festgehalten  und  durch  Verkürzung  des  Tentakels  zum 
Munde  geführt.  Dieser  ergreift  die  Beute ;  der  Zungenkegel  wirkt 
dabei  wahrscheinlich  als  eine  Art  von  Geschmacks-  und  Geruchs- 
organ. Um  größere  Beute  zu  fassen,  können  sich  Mundrohr  und 
Magen  ganz  enorm  erweitern.  Auf  jede  Beunruhigung  hin  wer- 
den die  Tentakel  zusammengezogen,  so  daß  die  ringförmigen 
Batterien,  wie  Perlen  in  einer  Kette,  dicht  aufeinander  zu  liegen 
kommen.  Bei  starken  und  andauernden  Reizen  beginnen  die  Fä- 
den sich  zu  verschlingen  und  wirr  durcheinander  zu  Imechen,  so 
daß  man  in  einen  Haufen  jener  gesellig  lebenden  marinen  An- 
neliden zu  blicken  glaubt  und  den  Knäuel  für  unlösbar  hält,  bis 
das  beruhigte  Tier  ihn  leicht  wieder  entwirrt.  Das  diffuse  Nerven- 
system der  Medusen  ist  natürlich  auch  hier  wohl  entwickelt ;  von 
Sinnesorganen  sind  wie  bei  Aequorea  nur  Statolithen,  zwölf  an 
der  Zahl,  entwickelt;  sie  stehen  am  Rande  des  Schirms  in  den 
Radien  und  Interradien,  sind  aber  in  die  Gallerte  eingeschlossen. 
Das  Velum  ist  kräftig  ausgebildet  und  bei  unserem  Tier  gut  zu 
sehen.  Der  Schirmrand  ist  in  eigenartiger  Weise  versteift  durch 
einen  Wulst  aus  knorpelartigem  Gewebe;  das  Epithel  darüber 
ist  mit  Nesselkapseln  gespickt.  Von  dem  Nesselwulst  oder  -säum 
gehen,  entsprechend  den  zwölf  Statolithen,  zwölf  Schirmspangen 
ab,  schwach  gekrümmte,  kleine  Haken  aus  dem  gleichen  Knorpel- 
gewebe, die  auf  der  Außenseite  am  Schirm  in  die  Höhe  streben. 


—    309     — 

Sie  sind  ebenso  wie  der  Nesselwulst  eine  Art  Skelett  und  damit 
eine  Schutzvorrichtung  für  den  Schirm.  Die  rhythmischen  Kon- 
traktionen nämlich  lassen  den  Scheitelteil  des  Schirms  fast  un- 
berührt, während  die  äußeren  Partien  so  kräftig  zusammenge- 
zogen werden,  daß  sie  fast  einen  Zylinder  bilden.  Die  elastische 
Gallerte  des  Schirmes  wird  dadurch  heftig  gepreßt,  und  der 
Schirmrand,  der  den  stärksten  Druck  auszuhalten  hat,  ist  durch 
diese  Vorrichtung  in  der  Lage,  einen  kräftigen  Widerstand  ent- 
gegenzusetzen, und  so  wird  ein  Aufreißen  des  Randes  verhütet. 
Auch  Carmarina  ist  im  Leben  ein  wunderschönes  Tier.  In 
der  Jugend  ist  sie  glashell,  und  erst  bei  reifen  Tieren  treten 
die  Geschlechtsorgane  als  eine  Trübung  hervor,  die  schließlich 
mattweiße  oder  Rosa -Färbung  zeigt.  Ebenso  schimmern  alle 
Teile,  die  Nesselkapseln  oder  Muskelzellen  enthalten,  mattrötlich, 
so  die  Tentakel,  der  Nesselsaum,  die  Muskelbänder  des  Magen- 
stiels usw.  Die  große,  stolze  Meduse  hat  von  jeher  die  Auf- 
merksamkeit der  Forscher  auf  sich  gezogen.  Ihre  Entwicklung 
wurde  von  Fol  und  Metschnikoff  bereits  früh  eingehend 
untersucht,  und  Maas  ist  neuerdings  mit  entwicklungsmechani- 
schen Fragen  an  dieses  Objekt  herangetreten.  Auch  für  physio- 
logische Versuche  (Be the,  Nagel  u.  a.)  ist  sie  ihrer  Größe 
wegen  sehr  geeignet;  ein  sehr  auffallender  Befund  ist,  daß  sich 
keine  Phagocytose  nachweisen  läßt  (Jordan);  vielleicht  verdaut 
sie  nur  durch  Fermente,  wenigstens  scheint  der  von  Haeckel 
beobachtete  Reichtum  des  Magens  an  großen  einzelligen  Drüsen, 
die  sich  auf  sechs  Drüsenblätter  verteilen,  auf  diese  Möglichkeit 
hinzuweisen.  Auch  histologisch  bietet  Garmarina  Eigentümlich- 
keiten, So  entsenden  die  Muskelzellen  durchgängig  mehrere 
Muskelfasern,  anstatt  nur  eine,  wie  gewöhnlich  (Krasinska 
1912).  Erleichtert  sind  Untersuchungen  an  unserer  Meduse  durch 
ihre  weite  Verbreitung.  Sie  findet  sich  in  den  tropischen  Teilen 
des  Atlantischen,  Indischen  und  Pazifischen  Ozeans,  sowie  im 
Mittelmeer,  wo  sie  am  größten  wird.  Immer  aber  lebt  sie  draußen 
auf  freier  See  an  der  Oberfläche  und  nicht  in  dem  unreinen 
Wasser  der  Häfen.  Ihre  Entwicklung  macht  sie  ja  auch  von  der 
Landnähe  ganz  unabhängig. 

Literatur:  Fol,H.  Die  erste  Entwicklung  des  Geryonideneies.  Jen. 
Ztschr.  Naturw.  7.  1873.  —  Haeckel,  E.  Beschreibung  neuer  craspedoter 
Medusen  aus  dem  Golfe  von  Nizza,  ib.  1.  1864.  —  Ders.  Die  Familie  der 
Rüsselquallen,   ib.  2.  1865.   —   Krasinska,  S.    Beiträge  zur  Histologie  der 


—    310    — 

Medusen.  Zool.  Anz.  40.  1912.  —  Maas,  0.  Über  den  Bau  des  Meduseneies. 
Verh.  D.  Zool.  Ges.  1908.  —  Nagel,  W.  Versuche  zur  Sinnesphysiologie  von 
Beroe  ovata  und  Carmarina  hastata.  Arch.  ges.  Physiol.  54.  1893.  —  Ders.  Experi- 
mentelle sinnesphysiologische  Untersuchungen  an  Coelenteraten  ib.  57.  1894. 

Die  Scyphomedusen,  zu  denen  die  übrigen  Medusen  un- 
seres Planktonschrankes  gehören,  sind  von  den  Hydromedusen 
durch  ihre  Organisation  und  namentlich  durch  ihre  Entwicklung 


Fig.  7.   Pelafjia  noctilnca  Peron  et  Lesueur. 
Exemplar  des  Planktonschrankes  (9),  nat.  Gr. 

scharf  getrennt,  wenn  sie  der  anderen  Klasse  auch  im  ausge- 
bildeten Zustande  durch  Konvergenzerscheinungen  äußerlich  sehr 
ähnlich  werden.  In  ihrer  Entwicklung  tritt,  wie  bei  den  typischen 
Hydromedusen  der  Hydropolyp,  normalerweise  das  Stadium  des 
festsitzenden  Scyphopolypen  als  der  ungeschlechtlichen  Genera- 
tion auf.  Freilich  kann  es  auch  analog  den  Verhältnissen  bei 
Carmarina  bei  einzelnen  Gattungen  wie  bei  Pelagia  noctiluca, 
die  wir  ihres  einfachen  Baues  wegen  hier  voranstellen,  ausfallen. 


—     311     — 

Die   Entwicklung   erfolgt  bei  dieser  direkt  über  ein  freischwim- 
mendes Larvenstadium,  das  indessen,  wie   Goette   gezeigt  hat, 
die  Organisation   eines   Scyphopolypen   in   den  Grundzügen  auf- 
weist, aber  infolge  der  Lebensweise  nicht  definitiv  ausbildet. 
Pelagia  noctiluca  Peron  et  Lesueur  (9,  Fig.  7),  die  in  einem 


Fig.  8.   Scyphomeduse  vom  Typus  der  Pelagia,  schematisch.    Um  die  Organi- 
sation zu  zeigen,  ist  ein  Teil  des  ganzen  Körpers  und  ein  Stück  der  Sub- 

umbrella  herausgenommen.    Nach  Delage-Herouard. 

ga  Gallerte  der  Glocke,  ma  Magen,  sgo  Subgenitalöffnung,  rmu  Ringmuskel, 

sik  Sinneskolben,  te  Tentakel,  mda  Mundarme,  mta  Marginaltasche,  go  Gonade, 

sgh  Subgenitalhöhle,  gaf  Gastralfilamente. 


kleinen,   aber  gut  erhaltenen  Exemplare  ausgestellt  ist,  ist  eine 
im  Mittelmeer  und  den  warmen  Teilen  des  Atlantischen  Ozeans 


—    312     — 

sehr  verbreitete  Form,  die  im  Sommer  oft  große  Schwärme  bil- 
det. Im  Golf  von  Neapel  ist  sie  in  manchen  Jahren  die  häufigste 
große  Meduse,  in  anderen  wird  sie  kaum  angetroffen.  Seit  alters 
berühmt  ist  sie  —  ^noctüuca^ !  —  als  eins  der  Tiere,  die  das 
Meerleuchten  verursachen.  Ihr  intensives  Licht  geht  nach  Pan- 
c  e  r  i  von  dem  fettartigen  Inhalt  gewisser  Epithelzellen  der  Ober- 
fläche aus,  die  zusammen  mit  zahlreichen  Nesselzellen  in  den 
am  konservierten  Exemplar  deutlich  sichtbaren  Nesselwarzen  an- 
gehäuft sind.  Diese  kleinen  Höcker  werden  am  lebenden  Tier 
durch  ihr  braunes  Pigment  sehr  auffällig.  Es  vereint  sich  mit 
dem  zarten  Hellrot  bis  Purpurrot  der  ganzen  Meduse  und  ihren 
intensiv  rot  gefärbten  Gonaden  und  Tentakeln  zu  einem  bunten, 
imgemein  reizvollen  Gesamtbild,  lebhafter  als  es  gewöhnlich  bei 
Planktontieren  getroffen  wird.  Die  Farben  sind  durch  verschie- 
dene Medien  extrahierbar  und  von  Griffith  und  Platt  studiert. 
Die  Medusenglocke  der  Pelagia,  die  bis  55  mm  Durchmesser 
erreicht,  besteht  aus  einer  sehr  festen,  fast  knorpelartigen  Gal- 
lerte. Je  nach  dem  Grade  der  Kontraktion  erscheint  sie  etwas 
höher  als  breit  oder  breiter  als  hoch.  Ihr  Rand  ist  gelappt,  ein 
Charakteristikum  der  Scyphomedusen,  und  trägt  acht  Tentakel 
und  mit  diesen  alternierend  acht  sog.  Sinneskolben,  die  als  um- 
gewandelte Tentakel  aufzufassen  sind.  Von  der  Mitte  der  Glocke 
hängt  ein  kurzes,  vierkantiges  Schlundrohr  herab,  das  sich  in 
vier  längere,  rinnenförmige  Mundarme  fortsetzt  (Fig.  8).  Die 
Ränder  der  nach  innen  offenen  Rinnen  sind  faltig  und  reich  ge- 
zackt und  mit  zahllosen  Nesselbatterien  versehen.  Sie  können 
ebenso  wie  die  Tentakel  durch  Erschlaffen  der  Muskulatur  sehr 
verlängert  werden  und  dienen  dann,  genau  wie  diese,  zum  Er- 
greifen der  Beute.  Bei  vielen  verwandten  Scyphomedusen  mit 
reduzierten  Tentakeln  haben  die  Mundfahnen  deren  Funktionen 
vollkommen  übernommen.  Das  kurze  Schlundrohr  mit  einem  den 
vier  Hauptradien  des  Tieres  entsprechenden  kreuzförmigen  Lu- 
men, nach  allgemeiner,  aber  neuerdings  (Hadzi)  wieder  bestrit- 
tener Ansicht  ectodermal  im  Gegensatz  zu  dem  entodermalen  der 
Hydromedusen,  führt  in  einen  weiten  linsenförmigen  Magenraum 
innerhalb  der  Glocke,  der  allmählich  in  niedrigere  Seitenteile 
übergeht.  Nur  draußen  an  der  Peripherie  ist  der  große  Hohl- 
raum durch  sechzehn  Leisten  in  sechzehn  Marginaltaschen  ein- 
geteilt. In  jede  von  ihnen  ragt  in  der  Mitte  des  Außenrandes 
eine  tiefe  Einbuchtung,   in  der  abwechselnd  ein  Tentakel  oder 


—    313    — 

ein  Sinneskolben  sitzt.  Es  sind  danach  also  acht  Tentakel  und 
acht  Sinneskolben  vorhanden.  Die  Hohlräume  der  Taschen  setzen 
sich  direkt  in  die  ihrer  Anhänge  fort;  denn  die  Tentakel  und 
die  ihnen  homologen  Sinneskörper  sind  ganz  oder  wenigstens 
großenteils  hohl.  Die  Einbuchtungen,  in  denen  diese  Organe 
sitzen,  gehen  nach  innen  natürlich  als  Vorsprünge  in  die  Mar- 
ginaltaschen  hinein  und  teilen  dadurch  jede  in  zwei  kleine  Rand- 
taschen. Ein  diese  Räume  verbindender  Ringkanal  fehlt  völlig. 
Innerhalb  des  weiten  Magens  erheben  sich,  wie  bei  allen  Scypho- 
medusen,  auf  der  Unterseite  vier  Wülste,  die  mit  eigenartigen 
wurmförmigen  Anhängen,  den  Gastralf ilamenten,  besetzt  sind; 
diese  liefern  verdauende  Sekrete. 

Die  Sinneskolben,  die  den  Sinnestaschen  ansitzen,  enthalten 
bei  den  Scyphomedusen  gewöhnlich  einen  ganzen  Komplex  von 
Sinnesorganen,  außer  den  statischen  Organen  noch  Ocellen  und 
in  einem  den  Kolben  bedeckenden  Lappen  auch  das  Organ  eines 
offenbar  auf  chemische  Reize  eingestellten  Sinnes  (Geruch  und 
Geschmack?).  Die  Sinneskolben  von  Pelagia  noctiluca,  die  unser 
Exemplar  als  feine  Punkte  am  Rande  zwischen  den  Tentakeln 
erkennen  läßt,  führen  im  Leben  orangegefärbte,  kristalline  Kon- 
kretionen, die  als  Teile  eines  statischen  Organes  aufzufassen 
sind,  aber  keine  weiteren  Rezeptoren. 

Betrachtet  man  den  Schirm  einer  Pelagia  von  unten,  so  sieht 
man  außer  den  Zügen  eines  großen  Ringmuskels,  der  auch  in 
sechzehn  Blätter  zerfällt,  vier  ovale  Öffnungen;  sie  führen  in 
ziemlich  ansehnliche  Säcke,  die  Subumbrellarhöhlen,  über  denen 
die  Gonaden  in  der  Magenwand  liegen.  Diese  schimmern  als  dunkle, 
hufeisenförmig  gebogene  Wülste  bei  unserem  Exemplar  deutlich 
durch  die  Glocke  durch.  Die  Geschlechtsprodukte  gelangen  nach 
Metschnikoff  im  Dezember,  nach  Goette  aber  während  des 
ganzen  Jahres  durch  Magen  und  Mund  nach  außen.  Das  be- 
fruchtete Ei,  dessen  Entwicklung  durch  Krohn,  Kowalewski 
und  Goette  genau  studiert  ist,  liefert  direkt  wieder  die  Meduse. 

Literatur:  Goette,  A.  Vergleichende  Entwicklungsgeschichte  von 
Pelagia  nodilnca.  Ztschr.  wiss.  Zool.  55.  1893.  —  Krohn,  A.  Über  die  jüngsten 
Entwicklungsstufen  der  Pelagia  noctilnca.  Müllers  Arch.  Anat.  Physiol.  1855.  — 
Metschnikoff,  E.   Embryologische  Studien  an  Medusen.  Wien  1886. 

Pilema  (Rhizostoma)  pulmo  Linne,  die  bei  uns  in  einem 
größeren  (20,  Fig.  9),  sowie  in  vier  kleinen,  in  einem  Glase  ver- 


314 


einigten  (7,  Fig.  10)  Exemplaren  ausgestellt  ist,  ist  eine  der  häu- 
figsten und  bekanntesten  Scyphomedusen  des  Mittelmeeres.  Sie 
wird  außerordentlich  groß;  es  sind  Stücke  bis  zu  60,  ja  80  cm 
Glockendurchmesser  bekannt.  Da  sie  ziemlich  lebenszäh  ist,  findet 
sie  sich  fast  regelmäßig  in  den  Seewasseraquarien  der  Mittelmeer- 


Fig.  9.   Pilema  pulmo  Linne.   Exemplar  des  Planktonschrankes  (20),  nat.  Gr. 

Stationen;  in  Neapel  wurde  vor  etwa  zwei  Jahren  ein  wunder- 
volles Tier,  eins  der  größten,  die  gefangen  wurden,  ungefähr 
zwanzig  Tage  am  Leben  gehalten. 

Der  Bau  der  Pilema  (Fig.  11)  ist  wesentlich  komplizierter 
als  der  von  Pelagia,  aber  leicht  verständlich  und  von  dieser 
abzuleiten,  wenn  man  die  Entwicklung  verfolgt.    Innerhalb  der- 


—    315    — 

selben  tritt  ein  Stadium  mit  einer  im  Prinzip  ^jelagla-gleichen 
Organisation  auf.  An  einer  Scheibe  sitzen  vier  rinnenförmige 
Mundarme.  Darauf  legen  sich  aber  die  Ränder  der  Rinne  zu- 
sammen und  verwachsen,  so  daß  jeder  Arm  einen  Hohlraum  ein- 
schließt. Auch  der  ganze  Mund  wird  verschlossen  imd  bleibt  nur 
durch  eine  seichte  Kreuzfurche  markiert.  Schon  vor  dem  Ver- 
schluß der  Rinne  hat  sich  jeder  der  vier  Arme  an  seinem  Ende 
gespalten,   und  jeder  dieser  Teilarme  trägt  nun  seinerseits  eine 


Fig.  10.    Pilema  pulmo  Linne.    Exemplare  des  Planktonschrankes  (7),  nat.  Gr. 

Rinne.  Ein  Längenwachstum  der  Mundarme  findet  nur  in  diesen 
acht  Teilarmen  statt,  die  zu  den  eigentlichen  acht  Mundarmen 
werden,  während  die  ursprünglichen  vier  Anlagen  lediglich  dicker 
und  durch  Gallertgewebe,  das  sich  von  der  Seite  her  zwischen 
sie  schiebt,  vereinigt  werden.  Sie  bilden  so  schließlich  einen 
kurzen  Stamm,  an  dem  die  acht  Mundarme  hängen.  Die  Rinnen 
sind  auf  den  acht  Armen  mitgewachsen  und  haben  sich  überall 
geschlossen  bis  auf  sehr  zahlreiche  kleine  Poren  (Ostiolen),  durch 


316 


die  das  Tier  jetzt  seine  Nahrung  in  die  Armkanäle  hinein  auf- 
nimmt. Um  diese  aufnehmenden  Stellen  möglichst  zu  verviel- 
fachen, ist  der  untere  Teil  der  Arme  und  damit  die  Verwachsungs- 
naht auf  der  Innenseite,  der  „Rinnenseite",  vielfach  zierlich 
gespalten  und  verästelt.  Außerdem  ist  im  Lauf  der  Entwicklung 
die  Naht  an  jedem  Arme  in  zwei  Linien  auf  die  Außenseite  ge- 
wandert, und  jede  dieser  hat  sich  wieder  gespalten  und  ihrerseits 


Fig.  11.  Scyphomeduse  vom  Typus  der  Pilema,  schematisch.    Um  die  Organi- 
sation zu  zeigen,  ist  ein  Teil  des  Körpers  herausgenommen.   Nach  Delage- 

H^rouard. 
ga  Gallerte  der  Glocke,    ma  Magen,    go  Gonade,    akr  innere   Armkrausen, 
akn  äußere  Armkrausen,   eko  Endkolben,   ski'  Schulterkrausen,   sik  Sinnes- 
kolben, sgo  Subgenitalöffnung. 


zerklüftet.  An  der  Umbiegungsstelle  dieser  inneren  und  äußeren 
Verwachsungsnähte  tritt  dann  eine  Trennung  ein.  Hier  sprossen 
die   Endkolben  hervor,   die   bei   Pilema  pulmo   dreikantig   sind, 


—    317     — 

mit  geflügelten  Kanten.  Ein  besonderes  Merkzeichen  der  gan- 
zen Familie  der  Rhizostomiden,  zu  der  Pilema  gehört,  sind  die 
Schulterkrausen,  die  unabhängig  von  der  ursprünglichen  Mund- 
armnaht an  dem  Armstrunk  hervorsprossen  und  sich  durch  Osti- 
olen  nach  außen  öffnen,  ebenfalls  acht  Paare,  wie  die  unteren 
Außenkrausen,  während  die  Innenkrausen  nur  achtmal  in  Ein- 
zahl vorhanden  sind.  Die  „Scapuletten"  liegen  bereits  unter  dem 
Schirm  und  sind  in  der  Seitenansicht  des  Tieres  nur  eben  sicht- 
bar. Wie  die  unteren  Krausen  stehen  sie  mit  den  Armkanälen 
in  Verbindung;  von  diesen  gehen  jedesmal  Seitenkanäle  an  sie 
heran,  spalten  sich  und  öffnen  sich  dann  in  den  zahlreichen  Osti- 
olen  sekundär  nach  außen  (Delage).  Alle  Krausen  sind  mit 
zahlreichen  kleinen  Fäden,  Lippententakeln  (Digitellen),  besetzt, 
die  die  Waffen  der  Meduse,  die  Nesselkapseln,  tragen.  Durch 
ihre  große  Anzahl  und  die  reiche  Verzweigung  der  Linien,  in 
denen  die  Ostiolen  stehen,  erhalten  die  Krausen  jene  wundervoll 
feine,  blumenkohlartige  Oberfläche,  die  den  Rhizostomiden  unter 
allen  Quallen  einen  besonderen  Reiz  verleiht.  Außer  den  Lippen- 
tentakeln sind  übrigens  auch  die  terminalen  Auftreibungen  an 
den  Endkolben  mit  Nesselbatterien  versehen.  Lange,  nesselnde 
Tentakel  am  Schirmrande,  wie  bei  Pelagia,  fehlen  hier  und  in 
den  verwandten  Familien  vollständig. 

Die  Glocke  von  Piletna  ist  höher  als  eine  Halbkugel,  die 
mittlere  Partie  stärker  gewölbt  als  der  Rand  und  von  ihm  ab- 
gesetzt. Am  Rande  selbst  sitzen  nur  die  acht  Sinneskörper, 
jeder  mit  einer  im  Leben  orangefarbigen  Anhäufung  von  Kon- 
kretionen, die  statische  Organe  darstellen.  Ein  Ocellus  fehlt 
daran  auch  bei  Piletna.  Jeder  Kolben  ist  von  zwei  spitzigen 
Gewebelappen  flankiert.  Zwischen  den  Sinneskörpern  ist  der 
Saum  wie  normal  gelappt,  und  zwar  kommen  auf  jeden  der  acht 
Sektoren  acht  Randlappen.  Auf  der  Unterseite  der  Glocke  er- 
scheinen, beim  konservierten  Exemplar  sehr  deutlich  auch  oben 
durchscheinend,  die  konzentrischen  Streifen  des  Ringmuskels,  der 
in  sechzehn  Abschnitte  zerlegt  ist.  Der  Magen,  der  das  Zentrum 
der  von  einer  sehr  derben  Gallerte  gebildeten  Glocke  einnimmt, 
ist  auf  der  Unterseite  (Armseite)  durch  die  solide  Mundscheibe 
völlig  geschlossen.  Eine  kreuzförmige  Vertiefung,  die  im  Kreuz- 
punkt am  tiefsten  geht,  ist  der  Rest  des  vierspaltigen  Mundes. 
In  diesen  Zentralraum  treten  vier  aus  den  vier  primordialen  Arm- 
rinnen  entstandene   Kanäle,   und  in   diese  münden  wieder,  ihrer 


—    318    — 

Entstehung  entsprechend  paarweise,  die  acht  Hauptarmgefäße. 
Der  weite  Magen  liegt  unter  der  zentralen  Aufwölbung;  die 
Seitenpartien  sind  im  Gegensatz  zu  Pelagia  geschlossen  und  von 
einem  Kanalsystem  durchsetzt.  Sechzehn,  an  unserem  großen 
Exemplare  deutlich  sichtbare  Radiärkanäle  gehen  vom  Magen 
bis  zum  Glockenrand ;  acht  davon  korrespondieren  mit  den  Rand- 
körpern, die  übrigen  liegen  dazwischen.  Vereinigt  werden  sie 
durch  einen  Ringkanal,  der  in  ziemlicher  Distanz  vom  Rande 
verläuft,  sowie  durch  ein  Netzwerk  anastomosierender  Gefäße 
zwischen  Ringkanal  und  Rand,  aber  auch  innerhalb  des  Ring- 
kanals. Höchst  sonderbar  ist  die  Art,  in  der  die  Nahrung  in 
dieses  komplizierte  Hohlraumsystem,  das  A.  Brandt  bereits  1870 
mit  Hilfe  von  Injektionen  genau  untersucht  hat,  gelangt.  Eine 
Aufnahme  größerer  Beutestücke  in  den  Zentralmagen  hinein  ist 
natürlich  ausgeschlossen,  wenn  auch  die  Ostiolen  der  Arme  ziem- 
lich ausdehnungsfähig  sind.  Durch  ihre  überaus  reiche  Zahl  über- 
treffen die  vielen  kleinen  Mauler  an  Gesamtfläche  für  Nahrungs- 
einfuhr den  großen  Mund  einer  Pelagia  ganz  erheblich.  Jedes 
Mäulchen  hat  außerdem  seine  eigene  Tentakelbewaffnung,  wie 
etwa  eine  einzelne  Hydra  für  ihren  Mund.  Was  an  Tieren, 
namentlich  an  pelagischen  Krebsen,  die  ja  an  der  Meeresober- 
fläche, wo  Pileina  lebt,  zu  den  häufigsten  Organismen  gehören, 
an  die  Mundkrausen  gerät,  ist  verloren.  Und  nach  diesen  Mund- 
krausen hin  geht  nach  jedem  Schlag  der  Medusenglocke  eine 
Wasserströmung,  die  solches  Plankton  mit  sich  reißen  wird. 
Denn  jeder  Schlag  treibt  die  Meduse  vorwärts;  der  schwere  An- 
hang der  Glocke  aber,  die  Mundarme  mit  ihren  Krausen,  können 
infolge  der  Trägheit  nicht  sofort  nachfolgen;  dadurch  wird  der 
Abstand  zwischen  Armen  und  Glocke  im  Voranschießen  größer, 
d.  h.  auch  der  zwischen  ihnen  liegende  Magen  muß  sich  erwei- 
tern, und  durch  die  Ostiolen  und  Armkanäle  muß  Wasser  in  ihn 
hineinströmen  (Uexküll).  Außer  dieser  mechanischen  Fang- 
methode, die  Pilema  die  Hauptnahrung  liefern  dürfte,  kann  sie 
auch  große  Tiere  bewältigen.  Diese  werden  durch  die  Nessel- 
kapseln der  Endkolben  und  Digitellen  betäubt,  von  den  Armen 
umschlossen  und  außerhalb  des  Tieres  durch  verdauende  Fer- 
mente aufgelöst;  der  Nahrungsbrei  kann  dann  durch  die  Ostiolen 
leicht  aufgeschluckt  werden;  unverdauliche  Reste,  wie  die  Panzer 
größerer  Krebse,  werden  einfach  durch  Öffnen  der  Arme  fallen 
gelassen  (Hamann   1882).     Die   Geschlechtsorgane  haben  ahn- 


—    319    — 

liehe  Gestalt  und  Lage  wie  die  der  Pelagien.  Auch  bei  Pilenia 
liegen  sie  im  Dach  von  vier  großen  Subgenitalhöhlen,  die  sich 
über  der  Mundscheibe  in  die  Meduse  eingestülpt  haben.  Die 
Eier  werden  innerhalb  des  weiblichen  Tieres  durch  eingedrungene 
Spermien  befruchtet  und  durchlaufen  hier  auch  ihre  erste  Ent- 
wicklung, deren  weiterer  Verlauf  noch  nicht  in  allen  Stadien 
bekannt  ist. 

Pilenia  pulmo  ist  ausgezeichnet  durch  eine  zarte,  durch- 
sichtig cremegelbe  Farbe;  die  Mundarme  sind  dunkler  gelb  und 
ebenso  die  Gonaden,  die  beim  lebenden  Tiere  deutlich  durch- 
scheinen. Einen  außerordentlich  reizvollen  Gegensatz  zu  dem 
Mattgelb  bildet  die  Farbe  der  Randlappen,  ein  tiefes  Kobaltblau, 
das  bei  den  konservierten  kleinen  Tieren  sogar  zum  Teil  noch 
als  Anflug  erhalten  ist.  Ein  blauer  Anflug  ziert  häufig  auch  die 
Endkolben;  nach  Krukenberg  ist  die  Farbe  Cyanein. 

Literatur:  Brandt,  A.  Über  Rhi^ostoma  cnvieri.  Mem.  Acad.  Imp. 
Sc.  St.  Petersbourg  7.  ser.  16.  1870.  —  Hamann,  0.  Die  Mundarme  der 
Rhizostomeen  und  ihre  Anhangsorgane.  Jen.  Ztschr.  Naturwiss.  15.  1882.  — 
Hesse,  R.  Über  das  Nervensystem  und  die  Sinnesorgane  von  Ehüostoma 
cmieri.  Ztschr.  wiss.  Zool.  60.  1895.  —  v.  Uexküll,  J.    s.  S.  302. 

Sehr  auffallend  gefärbt  im  Gegensatz  zu  den  meisten  übrigen 
Medusen  ist  Cotylorhiza  tuberculata  Linne  (17,  Fig.  12),  von  der 
wir  ein  schönes,  aber  durch  die  Konservierung,  wie  fast  immer, 
ganz  ausgebleichtes  Exemplar  besitzen.  Die  Glocke  der  Meduse, 
etwa  die  Form  eines  Hutes  mit  erhöhter  Krempe,  ist  lebhaft 
braungelb  und  wird  nach  dem  Scheitel  der  stark  gewölbten  Mittel- 
partie hin  dunkler.  Auch  die  Unterseite  der  Glocke  ist  braungelb, 
und  die  Anhänge  sind  auffallend  bunt,  so  daß  man  bei  dieser 
und  einigen  anderen  lebhaft  gefärbten  und  zugleich  stark  nesseln- 
den Medusen  (Chrysaora)  Schreckfarben  erkennen  will,  die  ja  in 
der  Tierwelt  sehr  verbreitet  sind. 

Die  Organisation  von  Cotylorhiza  (Fig.  13)  ist  im  wesent- 
lichen gleich  der  von  Pileina\  sie  ist  wie  diese  eine  Rhizostomee 
mit  sehr  zahlreichen  kleinen  Mundöffnungen  an  acht  kurzen,  an 
der  Basis  gespaltenen  Mundarmen.  Darin,  daß  ihr  Schulterkrau- 
sen fehlen,  ist  sie  niedriger  organisiert  als  Pilema.  Eine  sehr 
auffallende  Besonderheit  ihrer  Familie  läßt  ihren  Bau  aber  we- 
sentlich komplizierter  erscheinen.  Die  vier  Genitalhöhlen,  die  bei 
Pilema   über   der   Mundscheibe   in   die   Meduse   hineingebuchtet 


—     320     — 

waren,  sind  hier  außer  bei  ganz  jungen  Exemplaren  über  der 
Mundscheibe  zusammengeflossen  und  bilden  eine  einzige  große, 
vierstrahlige  Subgenitalhöhle,  die  sich  mit  den  vier  primären 
Mündungen  nach  außen  öffnet.  Sie  trennt  Magen  und  Mund- 
scheibe nahezu  vollständig.  Letztere  trägt  die  Arme;  sie  ist 
lediglich  Armscheibe  und  hängt  mit  der  Glocke  durch  die  vier 
breiten  Pfeiler  zwischen  den  Subgenitalostien  zusammen.  In  der 
Scheibe  hat  sich  im  Innern  noch  ein  Hohlraum  erhalten,  der  dem 


Fig.  12.    Cotijlorlilsa  tuberculatn  Linne. 
Exemplar  des  Planktonschrankes  (17),  nat.  Gr. 

gegen  die  Mundscheibe  gelegenen  Teile  des  PzYewzfz-Magens  ent- 
spricht. In  diesen  treten  die  Armkanäle  ein.  Ihre  Kommunikation 
mit  dem  Magen  erfolgt  durch  vier  in  den  Pfeilern  auftretende 
Kanäle.  Die  Mundarme,  die  durch  ihre  Spaltung  auf  den  ersten 
Blick  fast  verdoppelt  erscheinen,  besitzen  reiche  Krausen,  die  im 
Leben  purpurn  oder  violett  gefärbt  sind,  während  Armscheibe 
und  Arme  selbst  eine  milchigweiße  oder  leicht  cremegelbe  Farbe 
aufweisen.    Von   den   Mundarmen   hängt  eine  große  Anzahl  ge- 


—    321     — 

knöpfter  Anhänge  herab,  die  auch  in  unserem  Präparat  noch 
etwas  von  ihrem  Purpur  bewahrt  haben.  Es  sind  die  Nessel- 
kolben, die  nach  Hamann  auf  Gruppen  von  verschmolzenen 
Digitellen  zurückzuführen  sind,  den  Enclkolben  an  den  Armen 
von  Pilema  also  morphologisch  nicht  gleichwertig.  Außer  diesen 
Kolben  hat  Cotylorhiza  noch  einige  allmählich  sich  verjüngende 
Filamente  an  jedem  Mundarm. 

Die   sehr   feste   Glocke   ist   wie  bei  Pilenia  tentakellos  und 


Fig.  13.    Scyphomeduse  vom   Typus   der   CotylorJiisa,    schematisch.     Um   die 
Organisation  zu  zeigen,  ist   ein  Teil   des  Körpers  herausgenommen.    Nach 

Delage-Herouard. 
ga  Gallerte  der  Glocke,  ma  Magen,   ars  Armscheibe,  pf  Pfeiler,  sik  Sinnes- 
kolben,  mda  Mundarme,  akn  äußere  Armkrausen,  akr  innere  Armkrausen, 

di  Digitellen,  go  Gonade. 


besitzt  acht  Randsinneskörper,  die  auch  nur  statische  Apparate 
enthalten.  Die  Sinneskolben  werden  von  Seitenlappen  eingefaßt; 
dazu  trägt  der  Glockenrand  jedes  Oktanten  normalerweise  noch 
zehn  Randlappen,  die  zum  Teil  wieder  gespalten  sind.    Auf  der 


21 


—    322     — 

Unterseite  sind  die  Ringmuskulatur  des  Randes  und  die  weiter 
nach  innen  gelegene  Radialmuskulatur  bei  unserem  Tier  gut  zu 
sehen.  Von  dem  großen  Magen,  der  den  Raum  unter  der  Mittel- 
wölbung einnimmt,  gehen  sehr  zahlreiche  Radiärkanäle  bis  zum 
Rande  und  durchschneiden  ein  reiches  Netzwerk  von  Kanälen, 
zwischen  denen  ein  deutlicher  Ringkanal  nicht  auftritt. 

Die  Geschlechtsorgane  liegen  auf  der  einheitlichen  Genital- 
membran, die  das  Dach  des  Subgenitalraums  bildet.  Zur  Zeit 
der  Reife  hat  Claus  bei  weiblichen  Tieren  hier  massenhaft  Sper- 
mien gefunden,  die  die  reifen  Eier  im  mütterlichen  Organismus 
befruchten.  Auch  die  Entwicklung  vertäuft  bis  zur  Schwärm- 
larve in  der  Mutter.  Die  freie  Larve  setzt  sich  fest  und  liefert 
die  Polypengeneration,  das  Scyphostoma,  aus  dem  auf  vegeta- 
tivem Wege  die  Medusenlarven  entstehen.  Cotylorhiza  ist  gerade 
eine  der  Formen,  an  denen  die  Entwicklung  der  Scyphozoen  ein- 
gehend untersucht  wurde  (Gegenbaur,  Claus,  Goette,  Hein). 

Unsere  Meduse  findet  sich  im  Mittelmeer  zeitweise  häufig, 
oft  aber  auch  selten.  Auch  im  Roten  Meere  hat  sie  Vanhöff  en 
gesehen,  und  nach  A.  G.  Mayer  ist  Haeckels  Cotylorhiza  ambu- 
lacrata  von  den  Kanaren  mit  ihr  identisch.  Sie  lebt  wie  Pilema, 
soll  aber  nur  im  Reifestadium  ausgesprochenes  Oberflächentier 
sein.  Der  Schirm  erreicht  einen  Durchmesser  von  15  bis  20  cm, 
sogar  30  cm  nach  einer  Angabe  von  Will.  Seine  lebhafte  Braun- 
färbung intra  vitam  ist  durch  parasitische  Algen  (Zoochlorellen) 
verursacht,  die  im  Gastrovascularsystem  flottieren  und  das  ento- 
dermale  Gewebe  der  Meduse  besiedeln;  Medusenlarven  von  1,5mm 
Durchmesser  zeigen  sich  bereits  infiziert.  Wie  Pilema  ist  auch 
Cotylorhiza  eine  der  am  meisten  für  physiologische  Unter- 
suchungen herangezogenen  Medusen,  da  sie,  eine  große  Form, 
auf  den  zahlreichen  zoologischen  Stationen  des  Mittelmeeres 
leicht  zu  erhalten  ist. 

Literatur:  Claus,  C.  Über  die  Entwicklung  des  Scyphostoma  von 
Cotylorhiza.  Äiirclia  und  CJirijsaom.  Arb.  Zool.  Inst.  Wien  9.  1891.  —  Gegen- 
baur, 0.  Zur  Lehre  vom  Generationswechsel  und  der  Fortpflanzung  bei 
Medusen  und  Polypen.  Würzburg  1854.  —  Goette,  A.  Entwicklungsgeschichte 
der  Anrelia  anrita  und  Cotylorhiza  tiibercnlata.  Hamburg  und  Leipzig  1887.  — 
Hamann,  0.  s.  S.  319.  —  Hein,  W.  Untersuchungen  über  die  Entwicklung 
von  Cotylorhiza  tiibercnlata.  Ztschr.  wiss.  Zool.  73.  1903.  —  Vanhöffen,E. 
Untersuchungen  über  semaeostome  und  rhizostome  Medusen.  Bibl.  Zool.  3. 1888. 

L.  Kick. 


—     323 


Beiträge  zur  Biologie  und  Anatomie  der 

Blüten. 

Mit  einer  Farbentafel 


von 

M.  Möbius. 


Die  oft  sehr  merkwürdigen  Formen  und  Farben  der  Blüten 
lassen  sich  mehr  oder  weniger  gut  als  Anpassungen  an  die  durch 
Insekten  oder  andere  Tiere  erfolgende  Bestäubung  erklären.  Be- 
sonders auffallend  ist  es  nun,  wenn  eine  Blüte  im  ganzen  oder 
einzelnen  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  einem  Tier  er- 
kennen läßt.  Derartige  Erscheinungen  zeigen  manche  Orchideen, 
welche  Familie  sich  überhaupt  durch  die  oft  sehr  bizarr  gestal- 
teten Blüten  auszeichnet.  So  gibt  es  eine  Art,  die  Oncidium 
Papilio  genannt  worden  ist,  weil  die  geöffnete  Blüte  einem  flie- 
genden Schmetterling  nicht  unähnlich  sieht.  Beiden  Ophrys- 
Arten  derselben  Familie  kennen  wir  eine  Bienen-,  eine  Fliegen- 
und  eine  Spinnen-0/?Är?/s,  die  ihren  Namen  daher  haben,  daß 
gewisse  Teile  der  Blüte  durch  Gestalt  und  Farbe  an  eins  dieser 
Tiere  erinnern.  Vor  einigen  Jahren  hat  Carl  Detto^)  die  Er- 
scheinung zum  Gegenstand  einer  besonderen  Studie  gemacht  und 
ist  zu  derselben  Ansicht  wie  Robert  Brown  gekommen,  daß 
nämlich  Bienen  und  Hummeln  durch  jene  Tierähnlichkeiten  vom 
Blütenbesuch  abgeschreckt  werden  sollen.  Das  Nähere  wolle  man 
in  der  zitierten  Abhandlung  selbst  nachsehen.  Dort  wird  noch 
ein  anderer  Fall  von  Insektenähnlichkeit  besprochen,  bei  dessen 
Deutung  aber  der  Verfasser  zu  keinem  bestimmten  Ergebnis 
kommt:  es  handelt  sich  um  die  Mohrenblüte  in  der  Dolde  der 
wilden  Möhre.  Die  weißen  Dolden  mit  dem  bekannten  „Mohr" 
in  der  Mitte  erwecken  allerdings  den  Eindruck,  als  ob  ein  kleiner 


1)  Flora  Bd.  XCIV  1905  S.  287. 

21- 


—     324     — 

Käfer  oder  eine  Fliege  auf  ihnen  sitze,  imd  man  hat  darin 
teils  ein  Mittel  zur  Anlockung  von  bestäubenden  Insekten,  teils 
ein  Mittel  zur  Abschreckung  von  Weidetieren  sehen  wollen.  Ich 
möchte  mich  lieber  der  ersten  Anschauung  anschließen  und,  ohne 
sie  näher  zu  begründen,  das,  was  Kronfeld ^)  früher  von  der 
Beschaffenheit  der  abweichenden  Mohrenblüte  angegeben  hat, 
durch  einige  Worte  und  Abbildungen  ergänzen. 

Sehr  auffallend  ist  es,  daß  nur  bei  manchen  Pflanzen  die 
Dolden  und  auch  nicht  alle  Dolden  derselben  Pflanze  mit  Mohren- 
blüten versehen  sind:  nach  Detto  finden  sie  sich  bei  23  bis 
53  ^/o.  Äußere  Einflüsse  scheinen  dabei  nicht  maßgebend  zu  sein, 
denn  auf  derselben  Wiese  findet  man  nebeneinander  rein  weiße 
Dolden  und  solche  mit  dunkler  Blüte  in  der  Mitte.  Man  muß 
aber  genau  zusehen;  denn  nicht  immer  ragt  die  Mohrenblüte 
über  die  Dolde  hervor,  sondern  manchmal  steht  sie  etwas  tiefer 
als  die  anderen  Blüten.  Immer  jedoch  habe  ich  sie  im  Zentrum 
gefunden,  und  zwar  teils  so,  daß  das  zentrale  Döldchen  ganz  auf 
die  Mohrenblüte  reduziert  ist,  teils  so,  daß  noch  zwei  bis  drei 
andere  Blüten  neben  ihr  in  diesem  ausgebildet  sind  (Fig.  8).  Die 
Schwesterblüten  sind  rein  weiß  oder  besitzen  einzelne  dunkel- 
rote Kronblätter.  Ferner  findet  man  alle  Übergänge  zwischen 
normalen  Blüten  und  echten  Mohrenblüten,  sowohl  was  die  Form 
als  auch  was  die  Farbe  betrifft  (Fig.  10).  Und  in  der  Mohren- 
blüte selbst  sind  nur  die  Kronblätter  dunkel  oder  auch  die  Staub- 
gefäße, die  Griffel  und  das  Griffelpolster.  Die  dunkle  Färbung 
beniht  nicht  auf  dem  Farbstoff  an  sich;  denn  er  ist  das  gewöhn- 
liche rote  Anthocyan,  wie  man  es  sonst  bei  roten  Blüten  findet. 
Da  aber  nicht  nur  die  Epidermis  auf  beiden  Seiten,  sondern  auch 
die  Zellen  des  inneren  Gewebes  den  Farbstoff  enthalten,  und  da 
zahlreiche  Lufträume  im  Innern  das  Blütenblättchen  undurch- 
sichtig machen,  so  wird  äußerlich  der  Eindruck  eines  an  das 
Schwarze  grenzenden  Rotes  hervorgebracht.  Übrigens  finden  sich 
auch  alle  Übergänge  von  dieser  bis  zu  einer  hellrosenroten  Farbe. 

Was  die  Form  betrifft,  so  ist  die  Mohrenblüte  insofern  nor- 
mal ausgebildet,  als  sie  fünf  Kronblätter,  fünf  Staubgefäße  und 
einen  unterständigen  Fruchtknoten  mit  zwei  Griffeln  besitzt.  Die 
Form  des  Kronblattes  ist  aber  eigentümlich  und  kann  am  besten 
beschrieben  werden,  wenn  man  sich  denkt,  es  sei  entstanden  aus 


')  Kronfeld  „Über  Anthokyanblüten  von  Danviis  Carota'^  (Bot.  Zentral- 
blatt Bd.  XLIX  1892). 


—    325     — 

einem  fast  kreisförmigen  Blatt,  das  in  der  Mittellinie  zusammen- 
gebogen ist:  die  beiden  Hälften  sind  nach  hinten  gerichtet  und 
einander  mehr  oder  weniger  genähert.  In  der  Faltungslinie  ist 
das  Blatt  nach  vorn  übergebogen,  so  daß  der  obere  Endpunkt 
dicht  über  den  unteren  zu  liegen  kommt,  mit  dem  es  zwischen 
Fruchtknoten  und  Griffelpolster  angewachsen  ist.  Die  Abbildun- 
gen in  Fig.  8  und  10  werden  dies  am  besten  klarmachen.  Leider 
müssen  wir  uns  mit  dieser  Beschreibung  begnügen  und  können 
keinen  Grund  für  diese  abweichende  Bildung  angeben,  die  nach 
Kronfelds  Vermutung  vielleicht  ursprünglich  eine  Gallen- 
bildung  gewesen  ist. 

Ich  komme  nun  zu  einem  anderen  Fall  von  Insektenähn- 
lichkeit der  Blüten,  den  ich  vor  kurzem  als  eine  neue  Beob- 
achtung in  den  Berichten  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft 
(Bd.  XXX  1912  S.  265)  mitgeteilt  habe,  wo  aber  leider  die  zum 
rechten  Verständnis  erforderliche  bunte  Abbildung  nicht  beige- 
geben werden  konnte.  Er  betrifft  gewisse  Ritt  er  sporn  arten, 
deren  Blüten  den  Anschein  erwecken,  als  ob  in  ihnen  eine  Hum- 
mel sitze.  Bei  Delphinium  ist  nämlich  der  Kelch  blumenartig 
entwickelt  und  gewöhnlich  blau  gefärbt,  während  die  eigent- 
lichen Blütenblätter,  in  der  Anzahl  reduziert,  teilweise  in  Nek- 
tarien  umgewandelt  sind.  Als  Typus  mag  D.  elafmn,  eine  alpine 
Art,  gelten,  bei  der  die  Farbe  des  Kelches  ein  helleres  oder 
dunkleres  Blau  ist,  das  auf  der  Außenseite  ins  Violette  spielt. 
Die  Kronblätter,  von  denen  nur  die  vier  oberen  ausgebildet  sind, 
haben  eine  braune  Farbe.  Dieselbe  Verteilung  der  Farben  habe 
ich  bei  zwanzig  anderen  Arten  der  Gattung  gefunden.  Die  brau- 
nen Kronblätter  sind  es  nun,  die  durch  Farbe  und  Form  eine  so 
merkwürdige  Ähnlichkeit  mit  einem  Hummelrücken  zeigen,  wie 
man  an  Fig.  2  sieht,  wo  eine  großblütige  Gartenvarietät  abge- 
bildet ist,  die  es  noch  deutlicher  als  das  echte  D.  elatum  mit 
kleineren  Blüten  (Fig.  1)  zeigt.  Nun  aber  sind  Hummeln  die 
eifrigsten  Besucher  und  Bestäuber  der  Delphinium-Blüten.  Wenn 
man  also  der  Ähnlichkeit  eine  biologische  Bedeutung  bei- 
legen will,  so  kann  sie  unmöglich  in  einer  Abschreckung  dieser 
Insekten,  wie  bei  den  Ophri/s-Arten,  gefunden  werden.  Wir  kön- 
nen uns  vielleicht  eher  vorstellen,  daß  hier  eine  eigenartige  An- 
lockung vorliegt,  die  darauf  beruht,  daß  immer  viele  Blüten 
an  einer  Infloreszenz  vorhanden  sind.  Wenn  es  also  einer  auf 
Blumenbesuch  ausfliegenden  Hummel  scheint,  daß  bereits  andere 


—     326    — 

ihrer  Art  in  den  Blüten  einer  Ritterspornpflanze  sitzen,  so  wird 
sie  vielleicht  gereizt,  auch  hinzufliegen  und  sich  eine  noch  un- 
besetzte Blüte  zu  suchen;  kommt  sie  aber  heran,  so  erkennt  sie 
ihren  Irrtum  und  kriecht  in  die  erste  beste  Blüte  hinein.  Nicht 
ausgeschlossen  ist  dabei,  daß  andere  Insekten  durch  die  vorge- 
täuschte Hummel  abgeschreckt  und  so  die  Blüten  den  Hummeln 
zum  Besuch  reserviert  werden.  Es  ist  schwer,  die  Ähnlichkeit 
für  eine  nur  zufällige  zu  halten;  denn  erstens  wird  die  Hummel 
gerade  an  der  Stelle  imitiert,  wo  sie  wirklich  ihren  Platz  in 
der  Blüte  beim  Besuch  einzunehmen  pflegt,  ebenso  wie  bei  den 
Ophrys-Arten  die  Insektenähnlichkeit  gerade  auf  dem  Labellum, 
dem  Anflugplatz  für  Insekten,  zum  Ausdruck  kommt.  Zweitens 
sind  Gestalt,  Färbung  und  Behaarung  der  die  Hummel  nach- 
ahmenden Blütenblätter  so  ungewöhnlich,  daß  man  nicht  umhin 
kann,  diesen  Gebilden  eine  biologische  Bedeutung  zu- 
zuschreiben. Man  muß  nur  im  Sommer  an  einem  solchen  Ritter- 
sporn beobachten,  wie  die  Hummeln  —  besonders  ist  es  Bombus 
hortorum  —  in  die  Blüte  kriechen,  und  wie  dann  ihr  dunkles 
Brustschild  und  der  gelb  und  weiß  behaarte  Hinterleib,  von  oben 
und  hinten  gesehen,  wieder  im  großen  und  ganzen  das  Bild  dar- 
stellen, das  die  unbesetzte  Blüte  bot  (Fig.  2  und  3). 

Sehen  wir  uns  nun  die  in  Betracht  kommenden  Teile  der  Del- 
phininm-BWite,  also  die  Kronblätter  oder  Fetalen,  etwas  näher  an : 
Die  zwei  oberen  sind  zu  Nektarien  umgebildet,  sie  sind  vollkom- 
men symmetrisch  und  bestehen  aus  einem  hinteren  spornförmi- 
gen  und  einem  vorderen  blattförmigen  Teil  (Fig.  5).  Man  könnte 
sie  mit  einer  spitzen  Düte  vergleichen,  die  an  dem  erweiterten 
Ende  aufgeschlitzt  ist,  so  daß  nur  das  hintere  Ende,  also  ein 
Viertel  des  Ganzen,  wirklich  röhrig  gestaltet  ist.  Die  aufge- 
schlitzte Seite  ist  bei  beiden  der  Medianlinie  zugewendet,  und 
ungefähr  in  der  Mitte  der  Länge  ist  das  Blatt  dem  Blütenboden 
aufgewachsen.  Von  da  aus  nach  vorn  und  aufwärts  ist  die  Mün- 
dung braun  gefärbt;  auch  der  Sporn  ist  dunkelbraun,  die  Mitte 
ist  grünlich.  Die  beiden  anderen  Fetalen  stellen  schmale  blatt- 
förmige Körper  dar,  die  nach  unten  und  hinten  in  einen  hell- 
gefärbten Stiel  verschmälert,  vorn  breiter  und  in  zwei  Zipfel 
gespalten  sind.  Der  blattförmige  und  der  stielförmige  Teil  stehen 
ungefähr  in  einem  rechten  Winkel  gegeneinander,  ersterer  ab- 
wärts nach  vorn,  letzterer  abwärts  nach  hinten  gerichtet.  Der 
braune   Lappen   ist   auf   der   Fläche  mit  gelben  und  am  unteren 


—     327     — 

Rand  mit  weißen  Haaren  besetzt.  Die  zwei  Lappen  der  seitlichen 
Kronblätter  hängen  parallel  nebeneinander  und  so  dicht,  daß  sie 
mit  den  inneren  Rändern  etwas  übereinander  greifen.  So  bilden 
die  nach  oben  gerichteten  Lappen  der  oberen  Fetalen  und  die 
nach  unten  gerichteten  Lappen  der  seitlichen  Fetalen,  von  außen 
gesehen,  ein  scheinbar  einheitliches  Gebilde,  das,  wie  gesagt, 
einem  Hummelrücken  nicht  unähnlich  ist.  Wenn  wir  Bomhus 
hortorum  als  Muster  nehmen,  so  finden  wir  den  dunklen  Teil 
des  Brustabschnitts  und  den  Hinterleib  nachgeahmt,  während  der 
vordere  gelbweiße  Rand  des  ersteren  Abschnitts  nicht  nachge- 
ahmt zu  werden  braucht,  da  er  nebst  dem  Kopf  der  nektarsaugen- 
den Hummel  in  der  Tiefe  der  Blüte  verschwindet.  Aber  sowohl 
die  gelben  wie  die  weißen  Haare  des  braunen  Hinterleibs  (Fig.  4) 
haben  ihr  Gegenstück  an  denen  der  braunen  Blütenblätter. 

Besonders  eigentümlich  ist  die  Ursache  der  gelben  Farbe 
der  Haare.  Denn  sie  wird  weder  durch  Anthoxanthinkörner,  noch 
durch  gelben  Zellsaft  erzeugt;  sondern  die  äußerste  Schicht  der 
dicken  Wandung  ist  es,  an  welche  die  Farbe  gebunden  ist,  wie 
man  schon  beim  Einstellen  auf  den  optischen  Längsschnitt  und 
noch  besser  an  einem  Durchschnitt  des  Haares  sieht.  Diese 
Schicht  hebt  sich  zugleich  in  vielen  kleinen  Falten  von  der 
dickeren  inneren  Schicht  ab  und  bewirkt  dadurch  die  höckerig- 
rauhe Beschaffenheit  der  Außenseite  des  Haares  (Fig.  7).  Dieses 
ist  immer  einzellig,  15  bis  20  mal  so  lang  wie  breit,  oben  zuge- 
spitzt, unten  mit  schwach  verbreiterter  Basis  der  Epidermis  ein- 
gefügt und  mit  körnigem  Inhalt  versehen  (Fig.  6).  Die  Haare  der 
Hummel  sind  bei  ungefähr  gleicher  Länge  viel  dünner  und  außen 
mit   zahlreichen,   feinen,   aufwärts   gerichteten  Stacheln  besetzt. 

Die  braune  Färbung  wird  durch  einen  wie  das  Anthocyan 
im  Zellsaft  gelösten  Farbstoff  bewirkt,  den  ich  früher  genauer 
beschrieben  und  Anthophaein  genannt  habe.^)  Ich  fand  ihn 
zuerst  bei  der  Pferdebohne,  Vicia  Faha,  wo  er  die  dunklen 
Flecken  auf  den  Flügeln  der  Schmetterlingsblüte  hervorruft.  Da 
ich  damals  keine  kolorierte  Abbildung  davon  geben  konnte,  so 
möchte  ich  es  bei  dieser  Gelegenheit  nachholen  (Fig.  11-13)  und 
hinzufügen,  daß  solche  dunklen  Flecken  auch  bei  anderen  Vicia- 
Arten  vorkommen,  von  denen  ich  nach  Untersuchung  an  Herbar- 
material Vicia  melaiiops,  V.  tricolor,  V.  Pannonica,  V.  Narhonen- 


')  Berichte  der  Deutschen  Botan.  Gesellsch.  Bd.  XVIII  1900  S.  346. 


—     328     — 

sis,  V.  truncatula  und  V.  Pseudo-Orohus  nennen  kann;  sie  stam- 
men aus  Süd-  und  Osteuropa  und  Sibirien.  Das  Anthophaein 
scheint  keine  große  Verbreitung  im  Pflanzenreich  zu  haben; 
außer  Vicia  besitzt  es  also  noch  die  Gattung  Delphinium^  in 
der  besonders  eine  Art,  D.  triste,  zu  bemerken  ist,  da  bei  ihr 
nicht  nur  die  Krön-  sondern  auch  die  Kelchblätter  braun  gefärbt 
sind.  Ferner  kommen  noch  gewisse  Orchideen  aus  der  Verwandt- 
schaft von  Coeloyyne  in  Betracht.  Nachdem  ich  zuerst  auf  das 
Vorkommen  von  Anthophaein  bei  C.  Massangeana  hingewiesen 
hatte,  ist  dann  von  Schlockow  gezeigt  worden,  daß  unter  den 
Orchideen  nur  die  Arten  aus  der  Unterfamilie  der  Coelogyninae 
in  ihren  Blüten  Anthophaein  führen,  hier  aber  mit  einer  Ausnahme 
alle  untersuchten  Arten. ^)  Bei  der  Bromeliacee  Aechmea  clavata 
fand  ich,  daß  die  in  älteren  Blüten  schwarz  gefärbten  Kronblätter 
auf  beiden  Seiten  in  der  Epidermis  Anthophaein  enthalten:  das 
ist  also  noch  ein  vereinzeltes  Vorkommen  dieses  Farbstoffes  in 
Blüten.  Schließlich  enthalten  auch  die  Blütentragblätter  von 
Asphodelus  albus  in  ihren  Epidermiszellen  den  genannten  Farb- 
stoff und  erscheinen  dadurch  im  frischen  Zustand  bräunlich,  beim 
Trockenwerden  schwarzbraun.  Also  nur  in  einzelnen,  ganz  ent- 
fernt voneinander  stehenden  Gruppen  ist  bisher  das  Vorkommen 
des  Anthophaeins  nachgewiesen:  bei  Delphinium  unter  den  Ra- 
nunculaceen,  bei  Vicia  unter  den  Papilionaceen,  bei  Coelogyne 
und  Verwandten  unter  den  Orchidaceen,  bei  einer  Aechmea-Ait 
unter  den  Bromeliaceen  und  bei  der  Liliacee  Asphodelus,  hier 
aber  nicht  in  den  Blüten  selbst,  sondern  in  deren  Tragblättern. 

Noch  merkwürdiger  ist  wohl,  daß  eine  gewisse  Blüten- 
färbung —  soweit  mir  bekannt  ist  —  nur  bei  Arten  einer  ein- 
zigen Gattung  auftritt:  ich  meine  das  fettglänzende  Gelb 
der  Ranunculus-Arten,  die  deshalb  im  Volksmund  trefflich  als 
„Butterblumen"  bezeichnet  werden.  Ich  habe  vor  längerer  Zeit 
die  Ursache  dieser  Erscheinung  eingehend  beschrieben-)  und 
möchte  jetzt  darauf  zurückkommen,  um  die  damals  nicht  beige- 
fügten Abbildungen  nachzuholen. 

Wählen  wir  als  Beispiel  den  scharfen  Hahnenfuß,  Ranuncu- 
lus acer.  Hier  ist  die  Oberseite  eines  jeden  Kronblattes  vom  obe- 
ren Rand  aus  auf  etwa  zwei  Drittel  der  Länge  fettglänzend. 

')  Schlockow  „Zur  Anatomie  der  braunen  Blüten."  Inaug.-Dissertation, 
Heidelberg  1903. 

0  Botan.  Zentralblatt  Bd.  XXIII  1885  Nr.  29  u.  30. 


—     329    — 

Die  Grenzlinie  des  oberen  glänzenden  und  des  unteren  nicht 
glänzenden  Teils  verläuft  im  Zickzack,  und  zwar  folgen  die  auf- 
wärts gerichteten  Zacken  den  das  Blatt  durchziehenden  Haupt- 
nerven, während  die  nach  unten  gerichteten  zwischen  den  Nerven 
liegen  (Fig.  14),  Die  Unterseite  ist  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung 
gleichmäßig  mattgelb  (Fig.  15).  Die  Ursache  des  Fettglanzes 
beruht  auf  zwei  Umständen,  nämlich  erstens  darauf,  daß  der 
Farbstoff  nicht  wie  gewöhnlich  in  Form  gelber  Körner  auftritt, 
sondern  als  eine  die  ganze  Zelle  erfüllende  ölartige  Substanz, 
die  allerdings  aus  gelben  Körnern  (Anthoxanthin)  entsteht,  und 
zwar  erst,  nachdem  die  Blüte  sich  völlig  aus  der  Knospe  ent- 
faltet hat  (Fig.  16).  Der  andere  Umstand  ist  die  Anhäufung 
kleiner  Stärkekörner  in  der  Zellschicht  unter  der  Epidermis  der 
Oberseite,  wodurch  ein  undurchsichtiger  Belag  unter  der  wie  ein 
gelbes  Glas  wirkenden  Epidermis  und  folglich  eine  Spiegelung 
zustande  kommt.  Wir  sehen  dies  am  besten  an  einem  Querschnitt 
durch  ein  Blütenblatt  an  der  spiegelnden  Stelle  (Fig.  17).  Die 
Epidermiszellen  der  Oberseite  sind  sehr  niedrig  und  außen  glatt; 
die  nächste  Schicht  ist  die  Stärkeschicht,  die  auch  nur  so  weit 
ausgebildet  ist,  als  der  glänzende  Teil  des  Blattes  reicht,  an  der 
Basis  also  fehlt.  Dann  folgen  noch  einige  indifferente  Schichten 
ohne  Stärke  und  Farbstoff,  und  die  Epidermis  der  Unterseite 
schließlich  enthält  das  gewöhnliche  Anthoxanthin,  also  die  gel- 
ben Chromatophoren,  durch  die  in  den  meisten  Fällen  die  gelbe 
Färbung  der  Blüten  entsteht,  wie  z.  B.  bei  der  Sumpfdotterblume 
{Caltha  palustris)  und  der  Trollblume  {TrolUus  europaeus).  Sie 
sind  den  Butterblumen  nahe  verwandt,  haben  aber  keine  fett- 
glänzenden Blüten.  Wenn  also  wirklich  keine  andere  Gattung 
wie  Ranunculus  einen  solchen  Fettglanz  der  gelben  Blütenfarbe 
zeigt,  so  ist  dies  auch  insofern  interessant,  als  hier  eine  nach 
morphologischen  Merkmalen  gebildete  systematische  Gruppe 
sich  auch  durch  den  Besitz  gewisser  chemischer  Substanzen 
auszeichnet,  woraus  dann  wiederum  geschlossen  werden  kann, 
daß  auch  die  letzteren  eine  gewisse  systematische  Bedeutung 
besitzen.^) 


^)  W  i  e  s  n  e  r  hat  dies  z.  B.  für  den  Milchsaft  in  der  Gattung  Euphorbia 
nachzuweisen  versucht. 


330    — 


Tafelei'klärung. 

1.  Blüte  von  Delphinium  elatum  (1 : 1) 

2.  Blüten  einer  anderen  Delphinium- Kvi  (1:1) 

3.  Dieselbe  Blüte  mit  der  Hummel  Bombus  hortorum  (1 : 1) 

4.  Bombus  hortorum  von  oben  (1  : 1) 

5.  Eins  der  oberen  Fetalen  aus  der  Blüte  Fig.  2  (vergr.) 

6.  Ein  Haar  vom  Fetalum  derselben  Blüte  (vergr.) 

7.  Der  obere  Teil  eines  gelben  Haares  (noch  stärker  vergr.) 

8.  Zentrale  Döldchen  von  Daucus  Carota  mit  Mohrenblüte  (6 : 1) 

9.  Einzelne  Mohrenblüte  nach  Entfernung  von  fünf  Staubgefäßen  und  vier 

Fetalen  (10 : 1) 

10.  Übergang  zwischen  normaler  Blüte  und  echter  Mohrenblüte  (5 : 1) 

11.  Blüte  von  Vicia  Faba  (2:1) 

12.  Der  eine  Flügel  aus  der  Blüte  (1 : 1) 

13.  Querschnitt  durch  den  schwarzen  Fleck  an  dem  Blatt  Fig.  12  (stark  vergr.) 

14.  Ranunculus  acer,  Kronblatt  von  oben  (vergr.) 

15.  Dasselbe  von  unten  (vergr.) 

16.  Epidermiszellen  aus  dem  glänzenden  Teil  von  Fig.  14  (stark  vergr.) 

17.  Querschnitt  durch  den  glänzenden  Teil  des  Blütenblattes  von  Ranunculus 

repens  (stark  vergr.) 


U.  Bei:  d.  Seiickeiib.  Naturf.  Ges.  1913. 


Taf.  I. 


6    \6 


M.  Möbius  pinx. 


Werner  u.  Winter.  Frankfurt  a.  M. 


Eine  deutsche  Geflügelfarm, 


Mit  6  Abbildungen 
von 

Hugo  Wüsthoff. 


Dicht  hinter  der  von  prachtvollem  Hochwald  umgebenen 
Villenkolonie  Buchschlag  liegt  inmitten  von  Wiesen  unsere  vor 
zwei  Jahren  neugegründete  Geflügelfarm.  Das  gesamte  Ge- 
lände derselben  umfaßt  etwa  70000  qm  und  ist  durch  eine  Weiß- 
dornhecke vollständig  eingefriedigt.  Die  Gemeinde  Sprend- 
1  in  gen,  in  deren  Gemarkung  der  Besitz  gelegen  ist,  hat  bei 
der  Anlage  der  Farm  in  zuvorkommendster  Weise  von  der  vom 
Bahnhof  zum  Ort  führenden  Landstraße  aus  eine  150  m  lange, 
6  m  breite  Fahrstraße  bauen  und  Wasser-  und  Gasanschluß  bis 
an  die  Besitzung  legen  lassen. 

Die  Einteilung  des  Geländes  ist  dem  Zweck  der  Anlage  ent- 
sprechend erfolgt.  Außer  Wiesen  mit  neuangelegten  Weiden- 
kulturen, drei  Teichen  und  Ackerland  ist  ein  großer  Obstpark 
vorhanden,  der  mit  etwa  1100  Bäumen,  meist  Buschobst  und 
Halbstämmen,  besetzt  ist.  Die  Bäume  stehen  in  den  Ausläufen 
für  das  Geflügel,  dem  sie  im  Sommer  den  notwendigen  Schatten 
spenden ;  das  Geflügel  dagegen  liefert  den  Bäumen  einen  außer- 
ordentlich wertvollen  Dung,  der  es  möglich  macht,  die  Grasnarbe 
in  den  Obstanlagen  für  die  Tiere  stehen  zu  lassen,  ohne  daß  die 
Ertragfähigkeit  der  Bäume  darunter  leidet.  Diese  Kombination 
von  Geflügelzucht  mit  Obstbau  kann  demnach  für  die  Land- 
ausnutzung als  sehr  günstig  bezeichnet  werden. 


n: 


Cf5 


CR 


> 


—    335    — 

Gleich  beim  Betreten  der  Farm  fällt  der  Blick  auf  die  Zucht- 
ställe  für  etwa  600  Pecking-Zuchtenten  mit  Ausläufen  von 
80x20  m  für  je  80  bis  100  Enten  und  mit  einer  großen  Teich- 
abteilung. Die  Teiche  werden  von  dem  das  Grundstück  durch- 
fließenden Hengstbach  gespeist  und  enthalten  deshalb  stets 
frisches,  den  Tieren  zuträgliches  Bachwasser.  Etwas  weiter  im 
Gelände  fällt  dem  Besucher  das  malerisch  gelegene  Haupt- 
wirtschaftsgebäude  auf,  das  in  der  Mitte  das  Büro,  sowie 
die  Privat-  und  Verwalterwohnung  enthält.  Im  Ostflügel  befindet 
sich  hinter  der  auf  der  Nordseite  gelegenen,  kühlen  Eierkam- 
mer der  äußerst  praktisch  eingerichtete  Brutsaal,  der  40  Brut- 
maschinen für  etwa  10000  bis  12000  Eier  zu  fassen  vermag.  Es 
kommen  nur  Cremat-Brüter  zur  Verwendung,  die  mit  Gas  ge- 
heizt werden  und  sehr  sparsam  arbeiten.  Gegenwärtig  sind  33 
Maschinen  im  Betrieb,  die  im  Lauf  des  Jahres  etwa  20000  Ent- 
chen und  Kücken  liefern.  Durchschnittlich  kann  auf  etwa  60  ^/o 
Kücken  der  eingelegten  Eier  oder  auf  80-90  °/o  der  befruchteten 
Eier  gerechnet  werden.  Solche  guten  Erfolge  sind  natürlich  nur 
bei  aufmerksamer  Behandlung  der  Brut  zu  erreichen,  deren  Tem- 
peratur in  den  einzelnen  Perioden  eine  verschieden  hohe  sein 
muß.  Der  Verlauf  des  Brutgeschäftes  läßt  sich  bei  den 
Cremat-Brütern  genau  verfolgen,  und  Besucher,  die  gerade  Glück 
haben,  können  das  Aufpicken  der  Eier  und  das  Ausschlüpfen  der 
jungen  Tiere  beobachten.  Unmittelbar  an  den  Brutraum  schließt 
sich  das  vortrefflich  eingerichtete  Warmhaus  an,  das  im  Früh- 
jahr oft  bis  5000  Kücken  in  allen  Altersstufen  beherbergt.  Nach 
dem  Verlassen  des  "Warmhauses  sieht  man  sich  den  Kolonie- 
ställen gegenüber,  die  inmitten  der  prachtvollen  Obstanlagen 
überall  zerstreut  gelegen  sind.  Auf  der  Nordseite  der  Farm  liegt 
schließlich  noch  der  76  m  lange  Mastschuppen,  der  Tausende 
von  Schlachtenten  aufnehmen  kann. 

Gezüchtet  werden  in  erster  Linie  Pekingenten,  deren 
Zuchtstämme  aus  reinrassigen  Frühbruten  (amerikanischen  und 
deutsch-amerikanischen  Pekingenten)  bestehen.  Außerdem  aber 
werden  auch  weiße  indische  Laufenten  gezüchtet.  Bei 
guter  Wartung  und  Pflege  liefern  beide  Arten  ausgezeichnete 
Resultate.  Im  Jahre  1912  waren  fast  durchweg  95-96 ''/o  der  Eier 
befruchtet;  aus  einer  Brutmaschine  mit  252  Eiern  wurden  z.  B, 
nur  zwei  Eier  als  unbefruchtet  ausgeschiert. 

Das   Hauptaugenmerk  muß   auf  die  Aufzucht  und  Auswahl 


—     336     — 

der  Ziichtenten  gerichtet  sein.  Tiere,  die  nicht  aus  einer  ganz 
einwandfreien,  vorzüglich  ausgekommenen  Brut  stammen,  kom- 
men für  Zuchtzwecke  überhaupt  nicht  in  Betracht;  denn  die  Er- 
fahrung hat  gelehrt,  daß  solche  Tiere  selbst  als  Schlachtware 
stets  einen  Minderwert  gegenüber  glattgeschlüpften  Enten  be- 
sitzen. Der  Zu  cht  stamm  ist  die  Grundlage  der  ganzen  Zucht; 
alle  Mühen  und  Kosten  sind  vergeblich,  wenn  er  nicht  in  jeder 
Hinsicht  einwandfrei  ist.  Die  Richtigkeit  dieses  Grundsatzes,  den 
man  wohl  mit  Recht  auf  die  Geflügelzucht  überhaupt  ausdehnen 
kann,  wurde  uns  auch  von  einer  großen  Anzahl  namhafter  Züch- 


Ein  Zuchtstamm  weißer  Reichshühner. 

ter,  die  bei  uns  ihren  Bedarf  an  Zuchtstämmen  deckten,  bestätigt. 
Der  beste  Beweis  aber  für  die  ganz  besondere  Leistungsfähig- 
keit einer  solchen  zielbewußten  Züchtungsweise  ist  wohl  die  Tat- 
sache, daß  wir  bereits  Anfang  September  mit  dem  Brüten  von 
Enteneiern  beginnen  konnten,  von  denen  schon  80°/o  befruchtet 
waren,  und  daß  bereits  im  Oktober  die  ersten  jungen  Peking- 
enten der  neuen  Saison  schlüpften.  Auch  legte  eine  ganze  Anzahl 
von  Enten,  die  auf  der  Farm  gezüchtet  sind,  in  diesem  Jahre 
schon  über  100  Eier,  während  bis  jetzt  als  höchste  Leistung  80 
Eier  im  Jahre  angesehen  wurde. 

Außer  Enten  werden  noch  weiße  Reichshühner  gezüch- 
tet, von  denen  eine  Reihe  vorzüglicher  Zuchtstämme  vorhanden 


Xi 


—    338    — 

ist,  darunter  Hennen,  die  schon  im  November  je  18  bis  20  Eier 
legten.  Das  prächtige  Reichshuhn,  namentlich  das  weiße,  dürfte 
eins  der  besten  Nutzhühner  sein,  da  es  sowohl  als  Fleisch-  wie 
als  Legehuhn  gut  ist.  Als  Legehühner  sind  diese  Tiere  allen 
anderen  Rassen  vorzuziehen ;  sie  brüten  freilich  nicht  so  oft  wie 
viele  der  schweren  Rassen,  sind  aber  gute  und  besonders  sorg- 
same Mütter.  Auch  zu  Schlachtzwecken  sind  sie  sehr  geeignet, 
da  sie  sich  durch  weißes  Brustfleisch  und  weiße  Beine  auszeich- 
nen und  einen  saftigen,  vollfleischigen  Braten  liefern.  Gut  ge- 
mästet können  die  weißen  Reichshuhn-Poularden  jeden  Vergleich 
mit  der  besten  französischen  Ware  aushalten. 

Schließlich  werden  auf  der  Farm  auch  noch  Schweine  ge- 
halten, die  sich  mit  den  Schlachtabfällen  und  Rückständen  aus 
den  Trögen  vorteilhaft  mästen  lassen.  Sie  sind  im  westlichen 
Teil  der  Farm  untergebracht,  wo  sich  die  Schlacht-,  Pack- 
und  Versandräume  und  ein  großer  Futterboden  nebst 
Futterküche  befinden.  Zum  Transport  der  benötigten  großen 
Mengen  von  Futtermitteln  dienen  etwa  1000  m  Geleise,  das  die 
einzelnen  Gebäude  miteinander  verbindet  und  nicht  nur  viel 
Arbeit,  sondern  auch  viel  Lohn  erspart  und  deshalb  eine  sehr 
empfehlenswerte  Einrichtung  ist. 

Die  „Süddeutsche  Geflügelfarm"  wurde  bereits  von 
vielen  Züchtern,  Liebhabern,  Tierärzten  und  Zoologen,  sowie  auch 
von  zahlreichen  Vereinen  und  wissenschaftlichen  Gesellschaften 
besucht,  darunter  von  Mitgliedern  der  Senckenbergischen  Natur- 
forschenden Gesellschaft,  die  mit  einer  zoologischen  Exkursion  am 
28.  April  1912  die  Besichtigung  unserer  Farm  verbunden  haben. 


Die  Verfasser  sind  für  den  Inhalt  ihrer  Arbeiten  allein  verantwortlich 

Für  die  Redaktion  verantwortlich:  Prof.  Dr.  A.  Kn  o  blauch   in  Frankfurt  am  Main 

Druck  von  Werner  u.  Winter   in  Frankfurt  am  Main 


44.  Bericht 

der 


Senckenbergisclien  Naturforsclienden  Gesellschaft 


m 


Frankfurt  am  Main 


Heft  1 
mit  24  Abbildungen 


Ausgegeben 
April  1913 


Inhalt :  Seite 

Aus  der  Schausammlung: 

Das  Zwergflußpferd  von  Liberia 1 

Die  Dronte 5 

Der  Triceratops       10 

Verteilung  der  Ämter  im  Jahre  1913 14 

Verzeichnis  der  Mitglieder 16 

Rückblick  auf  das  Jahr  1912  (Mitteilungen  der  Verwaltung)   ....  38 

Kassenbericht  über  das  Jahr  1912 44 

Museumsbericht  über  das  Jahr  1912 46 

Nekrolog:  Philipp  Steffan 66 

Vermischte  Aufsätze: 

E.  Schwarz:  Der  Bali-Tiger 70 

R.  von  Goldschmidt-Rothschild:    Aus  dem  Hochland  von 

Ostafrika 74 

Besprechungen : 

Neue  Bücher 93 

Nachdi-ack  nar  mit  Qaellenangabe  gestattet,  Übersetzungareclit  Torbehalten 

Frankfurt  am  Main 

Selbstverlag  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft 

1913 


Preis  des  Jahrgangs  (4  Hefte)  M.  6. — .    Preis  des  einzelnen  Heftes  M.  2.- 


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Ausstellungsräume:  Kaiserstrasse  36  Frankfurt  a.  M. 


Die  Verfasser  sind  für  den  Inhalt  ihrer  Arbeiten  allein  verantwortlich 

Für  die  Redaktion  verantwortlich:  Prof.  Dr.  A.  Knoblauch  in  Frankfurt  am  Main 

Druck  von  Werner  n. Winter  in  Frankfurt  am  Main. 


44.  Bericht 

der 


Senckenbergischen  llaturforsclienden  Gesellscliaft 


m 


Frankfurt  am  Main 


Heft  2 
mit  15  Abbildungen 


Ausgegeben 
Juni  1913 


Inhalt :  Seite 

Aus  der  Schau^ammlung: 

Phenacodus  primaevus  Cope 103 

Lehrtätigkeit  von  April  1912  bis  März  1913: 

Vorlesungen,  praktische  Übungen  und  Exkursionen 107 

Wissenschaftliche  Sitzungen 117 

Nekrolog:  Carl  Hagenbeck 139 

Vermischte  Aufsätze: 

A.  Schultze:Die  afrikanische  Hyläa,  ihre  Pflanzen-  und  Tierwelt    143 
A,  von  Weinberg:  Das  Eiweißmolekül  als  ünteriage  der  Lebens- 
erscheinung     159 

Besprechungen : 

L  Neue  Veröffentlichungen  der  Gesellschaft 180 

IL  Neue  Bücher 181 

Nachdruck  nur  mit  Quellenangabe  gestattet,  Übeisetzungsreclit  Torbehalten 

Frankfurt  am  Main 

Selbstverlag  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft 

1913 

Preis  des  Jahrgangs  (4  Hefte)  M.  6.—.    Preis  des  einzelnen  Heftes  M.  2.—. 


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ftattung,  einfache  Eleganz 
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Senckenbergische  Naturforschende 
Gesellschaft 

Jährlicher  Mitgliedsbeitrag  mindestens  M.  20. — . 

Durch  einmalige  Zahlung  eines  entsprechenden  Kapitals  wird 
die  ewi^e  Mitgliedschaft  erworben 

Öffnungszeiten  des  Museums 

Sonntags  von  10-1,  am  ersten  Sonntag  eines  jeden  Monats  auch 
nachmittags  im  Sommer  (April  bis  September)  von  2-5,  im  Winter 
(Oktober  bis  März)  von  2-4  Uhr 

Dienstags  von  10-1  Uhr 

Mittwochs  im  Sommer  von  3-5,  im  Winter  von  2-4  Uhr 

Donnerstags  von  10-1  Uhr 

Freitags  von  11-1  Uhr 

Samstags  im  Sommer  von  3-5,  im  Winter  von  2-4  Uhr 

Montags   und   an   den   hohen   Feiertagen   bleibt  das  Museum 

geschlossen 


Die  Verfasser  sind  für  den  Inhalt  ihrer  Arbeiten  allein  verantwortlich 

Für  die  Redaktion  verantwortlich:  Prof.  Dr.  A.  Knoblauch  in  Frankfurt  am  Main 

Druck  von  Werner  u. Winter  in  Frankfurt  am  Main 


Gebrüder  nrmbrusteF 

Frankfurt  a.  M. 


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44.  Bericht 

der 


Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellscliaft 


in 


Frankfurt  am  Main 


Heft  3 
mit  108  Abbildungen 


Ausgegeben 
September  1913 


Inhalt :  Seite 

Aus  der  Schausammlung: 

Die  Veränderlichkeit  der  Schale  von  Iberus  gualterianus  L.   .    .  183 

Sinopa  rapax  Leidy      198 

Vermischte  Aufsätze: 

G.  Böttcher:  Lionardo  da  Vinci  als  Naturforscher 203 

W.  Kobelt:  Der  Schwanheimer  Wald  IV 236 

Jahresfeier: 

H.  Siedentopf:    Über  ultramikroskopische  Abbildung  mit  Er-  '■ 
klärung  kinematographischer  Demonstrationen  (Referat)  .    .    266 


Nachdruck  nur  mit  Quellenangabe  gestattet,  Übersetzungsrecht  vorbehalten 


Frankfurt  am  Main 

Selbstverlag  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft 

1913 


Preis  des  Jahrgangs  (4  Hefte)  M.  6.—.    Preis  des  einzelnen  Heftes  M.  2. 


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dichtheit, pralitifdie  Aus- 
ftattung,  einfache  Eleganz 
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rung feit  4  Jahrzehnten 
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Die  Verfasser  sind  für  den  Inhalt  ihrer  Arbeiten  allein  verantwortlich 

Für  die  Redaktion  verantwortlich:  Prof.  Dr.  A.  Knoblauch  in  Frankfurt  am  Main 

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44.  Bericht 

der 


Senckenbergisclien  Naturforsctienden  Gesellscliaft 


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Frankfurt  am  Main 


Heft  4 

mit  1  Farbentafel 
u.  22  Abbildungen 


Ausgegeben 
Dezember  1913 


Inhalt :  Seite 

Nekrologe: 

Friedrich  Kinkelin 269 

Carl   Gerlach 278 

Aus  der  Schausammlung: 

Der  Schopfibis      283 

Unser  Planktonschrank.   I.  Radiolarien  und  Medusen      ....  286 

Vermischte  Aufsätze: 

M.  Möbius:  Beiträge  zur  Biologie  und  Anatomie  der  Blüten    .  323 

H.  Wüsthoff:   Eine  deutsche  Geflügelfarm 331 


Nachdruck  nur  mit  Quellenangabe  gestattet,  Übersetzungsrecht  vorbehalten 


Frankfurt  am  Main 

Selbstverlag  der  Senckenbergischen  Naturforschenden  Gesellschaft 

1913 


Preis  des  Jahrgangs  (4  Hefte)  M.  6, — .    Preis  des  einzelnen  Heftes  M.  2. 


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Für  die  Redaktion  verantwortlich:  Prof.  Dr.  A.  Knoblauch  in  Frankfurt  am  Main 

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